Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Beiträge zum ausländischen öffentlichen Rech...
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Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht
Begründet von Viktor Bruns
Herausgegeben von Armin von Bogdandy · Rüdiger Wolfrum
Band 218
Jakob Pichon
Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Zur Rolle des Sicherheitsrats bei der Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen durch den IStGH
International Criminal Court and United Nations Security Council. The Role of the Security Council in the Prosecution of International Crimes by the International Criminal Court (English Summary)
ISSN 0172-4770 ISBN 978-3-642-16140-7 e-ISBN 978-3-642-16141-4 DOI 10.1007/978-3-642-16141-4 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-PlanckInstitut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf : WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg und wurde im Februar 2010 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Wesentliche Ereignisse und teilweise auch Literatur wurden noch bis Anfang März 2010 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Professor Dr. Dr. h.c. Rüdiger Wolfrum, der mir einerseits Freiraum bei der Erstellung dieser Arbeit gewährte und damit viel Vertrauen entgegenbrachte, andererseits mit seiner großen Erfahrung konstruktiv zur Seite stand. Prof. Dr. Gerhard Dannecker danke ich für die sensationell schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Meinem Doktorvater sowie Professor Dr. Armin von Bogdandy möchte ich zudem für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts danken. Die Arbeit wurde durch ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg gefördert, bei denen ich mich für die großzügige finanzielle und ideelle Unterstützung bedanke. Ein großer Dank geht auch an all die guten Geister des Instituts aus Bibliothek, Verwaltung und EDV, die den Wissenschaftlern die Arbeit so unvergleichlich leicht machen. Stellvertretend für alle seien an dieser Stelle Yvonne Klein, Petra Weiler, Petra Austen, Stefan Hampele, Wolfgang Schönig, Andrea Fronz und Dr. Roland Braun genannt. Dem Redaktionsteam am Institut, insbesondere Dr. Christiane Philipp und Angelika Schmidt, sei für die Zusammenarbeit bei der Veröffentlichung dieser Arbeit gedankt; ebenso gebührt mein Dank JohannChristoph Woltag für seine Hilfe bei der Formatierung und Marc Jacob, LL.M. für seine Unterstützung bei der Erstellung der englischen Zusammenfassung. Danken möchte ich auch all meinen Freunden und Kollegen, die mich (nicht nur) bei meiner Dissertation begleiteten und unterstützten und in ganz unterschiedlicher Weise besonderen Anteil an der Entstehung hatten. Auch wenn es den Rahmen dieses Vorworts sprengen würde, sie al-
VI
Vorwort
le namentlich zu nennen – keinesfalls fehlen dürfen an dieser Stelle Dr. Clemens Feinäugle, Dr. Ramin Moschtaghi, Ursel Reich, Isabel Röcker, Maja Smrkolj, LL.M., Dr. Anja Seibert-Fohr, LL.M., Dr. Matthias Reuß, Dr. Daniel Heilmann, LL.M., Dominik Zimmermann, LL.M. und Dr. Jochen von Bernstorff, LL.M., die mir mit ihrer unschätzbaren fachlichen Hilfe, vor allem aber mit ihrer Freundschaft jederzeit zur Seite standen. Aus tiefstem Herzen möchte ich mich auch bei meinen Eltern, Roswitha und Ekkehard Pichon, für Ihre stete und uneingeschränkte Unterstützung bedanken. Für meine Frau, Michaela Biller, und meine Kinder, Elisabeth und Justus Pichon, wäre jeder Dank an dieser Stelle zu klein. Diesen drei Engeln ist meine Arbeit gewidmet.
Heidelberg, im März 2010
Jakob Pichon
Inhaltsübersicht Einleitung................................................................................................. 1 1. Teil: Das Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts .......................... 7 1. Kapitel: Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß dem Römischen Statut .............................................................. 7 A. Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats (Art. 13 lit. b) RS)........ 7 B. Aufschubrecht des Sicherheitsrats (Art. 16 RS) ......................... 32 C. Kooperationspflichten (Art. 87 RS) ............................................ 50 D. Aggressionsverbrechen (Art. 5 Abs. 2 RS) ................................. 56 2. Kapitel: Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß dem Beziehungsabkommen zwischen Vereinten Nationen und IStGH .......................................................................... 69 A. Allgemeine Vorschriften............................................................... 70 B. Kooperation zwischen IStGH und Sicherheitsrat ..................... 71 C. Finanzielle Angelegenheiten ........................................................ 73 D. Zusammenfassung......................................................................... 74 3. Kapitel: Resolutionen des Sicherheitsrats mit Bezug zum IStGH ................................................................................................... 75 A. Sicherheitsrats-Resolutionen 1422 (2002) vom 12. Juli 2002 und 1487 (2003) vom 12. Juni 2003 .................................... 75 B. Sicherheitsrats-Resolution 1497 (2003) vom 1. August 2003 .... 82 C. Sicherheitsrats-Resolution 1593 (2005) vom 31. März 2005 ..... 85 4. Kapitel: Übereinstimmung zwischen den SicherheitsratsResolutionen und dem Römischen Statut ......................................... 97 A. Sicherheitsrats-Resolutionen 1422 (2002) und 1487 (2003)..... 100 B. Sicherheitsrats-Resolution 1497 (2003)..................................... 107 C. Sicherheitsrats-Resolution 1593 (2005)..................................... 111
2. Teil: Das Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta .................................... 119 5. Kapitel: Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta ..... 120 A. Kapitel VII VN-Charta .............................................................. 121 B. Befugnis des Sicherheitsrats zu (quasi-)legislativen Maßnahmen................................................................................. 138
VIII
Inhaltsübersicht
C. Befugnis des Sicherheitsrats zu (quasi-)gerichtlichen Maßnahmen................................................................................. D. Zusammenfassung....................................................................... 6. Kapitel: Bindungen des Sicherheitsrats............................................ A. Bindungen des Sicherheitsrats auf Grundlage der VN-Charta .................................................................................. B. Völkerrechtliche Bindungen des Sicherheitsrats jenseits der VN-Charta und des Römischen Statuts................ C. Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH.................................................................................... D. Zusammenfassung....................................................................... 7. Kapitel: Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH ...................................................................... A. Rechtmäßige und rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats ............................................................................. B. Rechtsfolgen rechtmäßiger Sicherheitsrats-Maßnahmen gegenüber dem IStGH................................................................ C. Rechtsfolgen rechtswidriger Sicherheitsrats-Maßnahmen gegenüber dem IStGH................................................................ D. Zusammenfassung....................................................................... 8. Kapitel: Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß der VN-Charta ...................................................................... A. Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats ................................... B. Aufschubrecht des Sicherheitsrats............................................. C. Kooperationspflichten................................................................ D. Aggressionsverbrechen...............................................................
146 149 151 152 175 183 209 211 211 214 221 226 227 227 257 273 278
3. Teil: Rechtskontrolle .................................................................... 307 9. Kapitel: Die Überprüfung von Sicherheitsrats-Resolutionen durch den IStGH............................................................................... A. Prüfungskompetenz des IStGH nach dem Römischen Statut ........................................................................ B. Prüfungskompetenz des IStGH nach der VN-Charta ............ C. Ergebnis....................................................................................... D. Rechtsfolgenausspruch des IStGH............................................ E. Die Überprüfung der Resolutionen 1422 (2002), 1487 (2003), 1497 (2003) und 1593 (2005) durch den IStGH .......................................................................................... F. Zusammenfassung.......................................................................
307 307 317 335 336
338 342
Schlussfolgerungen ........................................................................... 343
Inhaltsübersicht
IX
Summary: International Criminal Court and United Nations Security Council ................................................. 349 Literaturverzeichnis ......................................................................... 355 Sachregister ......................................................................................... 395
Inhaltsverzeichnis Einleitung................................................................................................. 1 1. Teil: Das Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts .......................... 7 1. Kapitel: Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß dem Römischen Statut .............................................................. 7 A. Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats (Art. 13 lit. b) RS)........ 7 I. Gerichtsbarkeitsbeschränkungen im Rahmen von Sicherheitsrats-Unterbreitungen ........................................ 10 II. Gerichtsbarkeitserweiterungen........................................... 12 1. Erweiterung in personeller Hinsicht und Erweiterungen des Verbrechenskatalogs des Art. 5 RS durch den Sicherheitsrat................................. 12 2. Unterbreitung ohne Beschränkung durch Art. 124 RS....................................................................... 13 3. Unterbreitung von vor Inkraftreten des Römischen Statuts begangenen Verbrechen...................................... 17 4. Ergebnis ........................................................................... 19 III. Befugnis des Sicherheitsrats zur Aufhebung einer Unterbreitung ...................................................................... 20 IV. Das Komplementaritätsprinzip im Rahmen von Sicherheitsrats-Unterbreitungen ........................................ 21 1. Pflicht des Sicherheitsrats zur Beachtung des Komplementaritätsprinzips............................................ 21 2. Anwendbarkeit des Grundsatzes der Komplementarität auf SicherheitsratsUnterbreitungen .............................................................. 22 3. Ergebnis ........................................................................... 26 V. Besonderheiten bei Unterbreitungen von Situationen in einem Nichtvertragsstaat ................................................ 26 1. Verfolgung von völkergewohnheitsrechtlich nicht anerkannten Verbrechenstatbeständen durch den IStGH auf Basis einer Unterbreitung durch den Sicherheitsrat ................................................................... 27
XII
Inhaltsverzeichnis
2. Anwendbarkeit von Immunitäten von Amtsträgern aus Nichtvertragsstaaten im Rahmen von Sicherheitsrats-Unterbreitungen.................................... 3. Ergebnis ........................................................................... VI. Zusammenfassung................................................................ B. Aufschubrecht des Sicherheitsrats (Art. 16 RS) ......................... I. Anwendbarkeit von Art. 16 RS .......................................... 1. Anwendbarkeit von Art. 16 RS auf durch den Sicherheitsrat unterbreitete Situationen ........................ 2. Zeitliche Anwendbarkeit von Art. 16............................ 3. Anwendbarkeit von Art. 16 RS auf Situationen ........... 4. Anwendbarkeit von Art. 16 RS auf abstrakte Situationen ....................................................................... 5. Ergebnis ........................................................................... II. Rechtsfolgen eines Aufschubs nach Art. 16 RS................. 1. Verbindlichkeit des Ersuchens des Sicherheitsrats unter Art. 16 RS............................................................... 2. Bindung der VN-Mitgliedstaaten an ein Ersuchen des Sicherheitsrats nach Art. 16 RS................................ 3. Auswirkungen eines Aufschubs gemäß Art. 16 RS auf Opfer- und Zeugenschutz ........................................ 4. Zulässigkeit beweissichernder Maßnahmen des Anklägers während eines Aufschubs gemäß Art. 16 RS......................................................................... 5. Pflicht des IStGH zur Entlassung eines bereits Inhaftierten nach einer Sicherheitsrats-Resolution gemäß Art. 16 RS............................................................. 6. Ergebnis ........................................................................... III. Zusammenfassung................................................................ C. Kooperationspflichten (Art. 87 RS) ............................................ I. Kooperationspflichten der Vertragsstaaten........................ II. Kooperationspflichten der Nichtvertragsstaaten .............. III. Zusammenfassung................................................................ D. Aggressionsverbrechen (Art. 5 Abs. 2 RS) ................................. I. Die Definition des Tatbestands der Aggression ................ II. Die Rolle des Sicherheitsrats im Rahmen des Aggressionsverbrechens ...................................................... III. Verfahrensrechtliche Anforderungen an die Annahme des Aggressionstatbestands................................................. IV. Implementierung der Änderungen in das Römische Statut .....................................................................................
28 31 31 32 35 35 37 39 40 41 41 42 43 43
44
46 49 49 50 50 53 56 56 58 60 61 65
Inhaltsverzeichnis
V.
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Ermächtigung des IStGH durch den Sicherheitsrat zur Verfolgung des Aggressionsverbrechens in einem Staat, der den Aggressionstatbestand nicht ratifiziert hat.......................................................................................... 66 VI. Zusammenfassung................................................................ 68 2. Kapitel: Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß dem Beziehungsabkommen zwischen Vereinten Nationen und IStGH .......................................................................... 69 A. Allgemeine Vorschriften............................................................... 70 B. Kooperation zwischen IStGH und Sicherheitsrat ..................... 71 C. Finanzielle Angelegenheiten ........................................................ 73 D. Zusammenfassung......................................................................... 74 3. Kapitel: Resolutionen des Sicherheitsrats mit Bezug zum IStGH ................................................................................................... 75 A. Sicherheitsrats-Resolutionen 1422 (2002) vom 12. Juli 2002 und 1487 (2003) vom 12. Juni 2003 .................................... 75 I. Hintergrund der Resolution 1422 ...................................... 75 II. Verlängerung der Resolution 1422 ..................................... 76 III. Inhalt und Klärung rechtlicher Grundbegriffe der Resolution 1422 ................................................................... 77 1. Der operative § 1 der Resolution 1422 .......................... 78 2. Der operative § 3 der Resolution 1422 .......................... 81 B. Sicherheitsrats-Resolution 1497 (2003) vom 1. August 2003 .... 82 I. Hintergrund der Resolution 1497 ...................................... 83 II. Inhalt und Klärung rechtlicher Grundbegriffe der Resolution 1497 ................................................................... 83 C. Sicherheitsrats-Resolution 1593 (2005) vom 31. März 2005 ..... 85 I. Hintergrund der Resolution 1593 ...................................... 85 II. Inhalt und Klärung rechtlicher Grundbegriffe der Resolution 1593 ................................................................... 87 III. Handlungen auf Grundlage von Resolution 1593 ............ 91 4. Kapitel: Übereinstimmung zwischen den SicherheitsratsResolutionen und dem Römischen Statut ......................................... 97 A. Sicherheitsrats-Resolutionen 1422 (2002) und 1487 (2003) ........................................................................................... 100 I. Kompetenz des Sicherheitsrats im Römischen Statut für die Aufschubregelungen in Resolution 1422 ............. 100 II. Kompatibilität von Resolution 1422 mit sonstigen Bestimmungen des Römischen Statuts............................. 103 B. Sicherheitsrats-Resolution 1497 (2003)..................................... 107
XIV
Inhaltsverzeichnis
I.
Kompetenz des Sicherheitsrats im Römischen Statut für den Gerichtsbarkeitsausschluss in Resolution 1497 ..................................................................................... II. Kompatibilität von Resolution 1497 mit sonstigen Bestimmungen des Römischen Statuts............................. C. Sicherheitsrats-Resolution 1593 (2005)..................................... I. Kompatibilität der Resolution 1593 mit dem Römischen Statut ............................................................... 1. Kompetenz des Sicherheitsrats im Römischen Statut für die Unterbreitung der Situation in Darfur und den Gerichtsbarkeitsausschluss in Resolution 1593 ................................................................................ 2. Kompatibilität von Resolution 1593 mit sonstigen Bestimmungen des Römischen Statuts ........................ II. Kompatibilität der Handlungen auf Grundlage von Resolution 1593 mit dem Römischen Statut.................... III. Zusammenfassung..............................................................
107 109 111 111
111 112 114 117
2. Teil: Das Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta .................................... 119 5. Kapitel: Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta ..... A. Kapitel VII VN-Charta .............................................................. I. Die Friedensbedrohung (Art. 39 1. Hs., 1. Var. VN-Charta) ........................................................................ II. Der Friedensbruch (Art. 39 1. Hs., 2. Var. VN-Charta) ........................................................................ III. Die Angriffshandlung (Art. 39 1. Hs., 3. Var. VN-Charta) ........................................................................ IV. Ausschließlichkeit der Verantwortung des Sicherheitsrats für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ........................................... V. Befugnis des Sicherheitsrats zur Befassung mit nichtstaatlichen Akteuren im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta ......................................................................... VI. Befugnis des Sicherheitsrats zur Aufhebung von Resolutionen ...................................................................... VII. Pflicht des Sicherheitsrats zur Aufhebung von Resolutionen nach Wegfall der Friedensbedrohung ....... VIII. Formanforderungen an die Aufhebung einer unter Kapitel VII VN-Charta erlassenen Resolution ...............
120 121 124 127 127
128
131 134 135 136
Inhaltsverzeichnis
B. Befugnis des Sicherheitsrats zu (quasi-)legislativen Maßnahmen................................................................................. C. Befugnis des Sicherheitsrats zu (quasi-)gerichtlichen Maßnahmen................................................................................. D. Zusammenfassung....................................................................... 6. Kapitel: Bindungen des Sicherheitsrats............................................ A. Bindungen des Sicherheitsrats auf Grundlage der VN-Charta .................................................................................. I. Bindung des Sicherheitsrats an die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen ................................ II. Bindung des Sicherheitsrats an Menschenrechte............. 1. Bestimmungen der VN-Charta mit Bezug zu Menschenrechten........................................................... 2. Konkretisierung des Ziels der Förderung der Menschenrechte durch die Generalversammlung....... 3. Menschenrechtsverletzungen als Friedensbedrohung ....................................................... 4. Wirkungen der Bindung des Sicherheitsrats an Menschenrechte............................................................. a. Abdingbare Menschenrechte ................................. aa. Friedenssicherung als vorrangiges Ziel der VNCharta ...................................................................... bb. Einschränkung des Vorrangs der Friedenssicherung durch Bedeutungszuwachs der Menschenrechte................................................ b. Notstandsfeste Rechte............................................ 5. Ergebnis ......................................................................... III. Zusammenfassung.............................................................. B. Völkerrechtliche Bindungen des Sicherheitsrats jenseits der VN-Charta und des Römischen Statuts................ I. Bindung an ius cogens ........................................................ II. Bindung an Völkergewohnheitsrecht............................... III. Bindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip .................. C. Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH.................................................................................... I. Vorfragen zum Prinzip der Unabhängigkeit des IStGH ................................................................................. 1. Unabhängigkeit von Gerichten: Subjektives Menschenrecht und institutionelle Garantie............... 2. Verhältnis der Unabhängigkeit von Gerichten zur Unparteilichkeit............................................................. 3. Inhalt der Unabhängigkeit des IStGH ........................
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138 146 149 151 152 152 158 159 162 165 166 167 170
171 173 174 175 175 175 179 181 183 184 184 185 187
XVI
Inhaltsverzeichnis
a.
Ausgangspunkt des Prinzips der Unabhängigkeit....................................................... b. Einschränkungen des Prinzips der Unabhängigkeit....................................................... aa. Erfordernis eines konkreten Verfahrens ............... bb. Verknüpfung der Unabhängigkeit mit der Unparteilichkeit...................................................... cc. Anwendbarkeit des Prinzips der Unabhängigkeit auf internationale Gerichte ........ c. Ergebnis................................................................... II. Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH auf Grund des Beziehungsabkommens ............... III. Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH auf Grund von Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VNCharta ................................................................................. 1. Unabhängigkeit von Gerichten als notstandsfestes Prinzip............................................................................ 2. Ergebnis ......................................................................... IV. Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH auf Grund von ius cogens...................................... V. Ergebnis.............................................................................. D. Zusammenfassung....................................................................... 7. Kapitel: Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH ...................................................................... A. Rechtmäßige und rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats ............................................................................. B. Rechtsfolgen rechtmäßiger Sicherheitsrats-Maßnahmen gegenüber dem IStGH................................................................ C. Rechtsfolgen rechtswidriger Sicherheitsrats-Maßnahmen gegenüber dem IStGH................................................................ I. Auswirkungen auf die Bindungswirkung und die Anwendbarkeit von Art. 103 VN-Charta........................ II. Auswirkung der Bindungslosigkeit auf rechtmäßige Teile der Resolution........................................................... D. Zusammenfassung....................................................................... 8. Kapitel: Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß der VN-Charta ...................................................................... A. Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats ................................... I. Gerichtsbarkeitsbeschränkungen im Rahmen von Sicherheitsrats-Unterbreitungen ...................................... 1. Personelle Beschränkung der Unterbreitung ..............
187 188 188 192 193 195 196
196 197 203 204 209 209 211 211 214 221 221 224 226 227 227 230 230
Inhaltsverzeichnis
XVII
2. Beschränkung der Unterbreitung in Bezug auf den Verbrechenskatalog ....................................................... 3. Ergebnis ......................................................................... II. Gerichtsbarkeiterweiterungen im Rahmen von Sicherheitsrats-Unterbreitungen ...................................... 1. Erweiterung des Verbrechenskatalogs des Art. 5 RS durch den Sicherheitsrat ............................................... 2. Ausweitung der Gerichtsbarkeit des IStGH auf vor Inkraftreten des Römischen Statuts begangene Verbrechen ..................................................................... 3. Personelle Erweiterung der Unterbreitung................. 4. Ergebnis ......................................................................... III. Befugnisse und Pflichten des Sicherheitsrats und des IStGH nach einer Unterbreitung ..................................... 1. Befugnis des Sicherheitsrats zur Aufhebung einer Unterbreitung................................................................ 2. Pflicht des Sicherheitsrats zur Aufhebung einer Unterbreitung bei Wegfall der Voraussetzungen von Kapitel VII VN-Charta ......................................... 3. Pflicht des IStGH zur Einstellung seiner auf Grundlage einer Sicherheitsrats-Unterbreitung aufgenommenen Arbeit, nachdem der Sicherheitsrat die Unterbreitung wieder aufgehoben hat .................. 4. Nachträgliche Beschränkungen einer Unterbreitung................................................................ 5. Ergebnis ......................................................................... IV. Das Komplementaritätsprinzip im Rahmen von Sicherheitsrats-Unterbreitungen ...................................... 1. Pflicht des Sicherheitsrats zur Beachtung des Komplementaritätsprinzips.......................................... 2. Befugnis des Sicherheitsrats, das Komplementaritätsprinzip für unbeachtlich zu erklären................ 3. Ergebnis ......................................................................... V. Besonderheiten bei Unterbreitungen von Situationen in einem Nichtvertragsstaat .............................................. 1. Verfolgung von völkergewohnheitsrechtlich nicht anerkannten Verbrechenstatbeständen durch den IStGH auf Basis einer Unterbreitung durch den Sicherheitsrat ................................................................. 2. Anwendbarkeit von Immunitäten von Amtsträgern aus Nichtvertragsstaaten im Rahmen von Sicherheitsrats-Unterbreitungen..................................
231 231 231 232
234 235 235 236 236
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XVIII
Inhaltsverzeichnis
3. Befugnis des Sicherheitsrats, die Weitergeltung persönlicher Immunitäten anzuordnen ....................... 4. Auswirkungen des Ausschlusses der persönlichen Immunitäten gegenüber dem IStGH auf die Auslieferungsverpflichtung der Vertragsstaaten ......... 5. Ergebnis ......................................................................... VI. Zusammenfassung.............................................................. B. Aufschubrecht des Sicherheitsrats............................................. I. Vereinbarkeit des Aufschubrechts des Sicherheitsrats mit dem Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten ..... II. Handeln unter Kapitel VII VN-Charta im Rahmen eines Aufschubs ................................................................. 1. Friedensbedrohung im Rahmen eines Aufschubs ...... 2. Pflicht des Sicherheitsrats zur Ergreifung weiterer friedenssichernder Maßnahmen neben einem Aufschub........................................................................ 3. Ergebnis ......................................................................... III. Befugnis des Sicherheitsrats zum Aufschub abstrakter Situationen.......................................................................... IV. Rechtsfolgen eines Aufschubs .......................................... 1. Bindung der VN-Mitgliedstaaten an ein Aufschubersuchen des Sicherheitsrats......................... 2. Zulässigkeit beweissichernder Maßnahmen des Anklägers während eines Aufschubs ........................... 3. Ergebnis ......................................................................... V. Unbefristete Aufschübe .................................................... 1. Verlängerung eines Aufschubs ..................................... 2. Unbefristete Anordnung eines Aufschubs durch den Sicherheitsrat .......................................................... a. Unbefristete Anordnung des Aufschubs eines konkreten Falls ....................................................... b. Unbefristete Anordnung des Aufschubs einer abstrakten Situation................................................ 3. Ergebnis ......................................................................... VI. Zusammenfassung.............................................................. C. Kooperationspflichten................................................................ I. Tätigwerden des Sicherheitsrats ohne Ersuchen des IStGH ................................................................................. II. Verpflichtung zur Kooperation und Verpflichtung zum Abschluss einer Kooperationsvereinbarung ........... III. Unterbreitungsresolutionen als Kooperationsverpflichtung aller Staaten..........................
252
252 256 257 257 257 259 261
262 262 263 264 264 265 266 266 266 267 267 271 272 272 273 273 275 276
Inhaltsverzeichnis
IV. Zusammenfassung und Ausblick...................................... D. Aggressionsverbrechen............................................................... I. Die Rolle des Sicherheitsrats im Rahmen des Aggressionsverbrechens .................................................... 1. Grundsätzliche Beteiligung des Sicherheitsrats .......... 2. Zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats ................. a. Rechtliche Erforderlichkeit einer zwingenden Beteiligung des Sicherheitsrats .............................. b. Rechtmäßigkeit einer zwingenden Beteiligung des Sicherheitsrats................................................... c. Ergebnis................................................................... 3. Fortsetzung der Ermittlungen bei Untätigkeit des Sicherheitsrats................................................................ a. Fortsetzung der Ermittlungen ohne die Beteiligung weiterer Institutionen......................... b. Fortsetzung der Ermittlungen nach Zustimmung der Vorverfahrenskammer............... c. Fortsetzung der Ermittlungen nach Feststellung einer staatlichen Angriffshandlung durch die Generalversammlung ............................................. d. Fortsetzung der Ermittlungen nach Feststellung einer staatlichen Angriffshandlung durch den IGH ......................................................................... aa. Problem der rechtlichen Unverbindlichkeit von Gutachten des IGH................................................ bb. Antragsbefugnis im Gutachtenverfahren vor dem IGH ................................................................. 4. Präjudizwirkung der positiven Feststellung einer staatlichen Angriffshandlung durch den Sicherheitsrat ................................................................. 5. Ablehnung von Aggressions-Ermittlungen durch den Sicherheitsrat .......................................................... II. Zusammenfassung und Ausblick......................................
XIX
277 278 278 279 281 281 284 286 286 286 289
289
290 291 292
296 302 304
3. Teil: Rechtskontrolle .................................................................... 307 9. Kapitel: Die Überprüfung von Sicherheitsrats-Resolutionen durch den IStGH............................................................................... A. Prüfungskompetenz des IStGH nach dem Römischen Statut ........................................................................ I. Kompetenz-Kompetenz des IStGH ................................ 1. Art. 19 RS.......................................................................
307 307 308 308
XX
Inhaltsverzeichnis
2. Art. 119 RS..................................................................... Umfasst die Kompetenz-Kompetenz auch die Überprüfung von SR-Resolutionen? ............................... III. Ergebnis.............................................................................. Prüfungskompetenz des IStGH nach der VN-Charta ............ I. Grundsatz: Immunität der Vereinten Nationen gemäß Art. 105 Abs. 1 VN-Charta............................................... II. Einschränkung von Art. 105 Abs. 1 VN-Charta............. 1. Jüngste Tendenzen zur Einschränkung des Art. 105 Abs. 1 VN-Charta ......................................................... a. Effektive Friedenssicherung und Schutz fundamentaler Menschenrechte............................. b. Systemimmanente Defizite .................................... c. Das Loyalitätsgebot................................................ 2. Anwendbarkeit der Einschränkungen von Art. 105 Abs. 1 VN-Charta auf den IStGH............................... a. Rechtsschutzlücke im Rahmen der Vereinten Nationen.................................................................. b. Individualrechtsschutz durch fundamentale Menschenrechte ...................................................... 3. Offensichtlich rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats................................................................ Ergebnis....................................................................................... Rechtsfolgenausspruch des IStGH............................................ Die Überprüfung der Resolutionen 1422 (2002), 1487 (2003), 1497 (2003) und 1593 (2005) durch den IStGH........... I. Sicherheitsrats-Resolutionen 1422 und 1487................... II. Sicherheitsrats-Resolution 1497 ....................................... III. Sicherheitsrats-Resolution 1593 ....................................... IV. Ergebnis.............................................................................. Zusammenfassung.......................................................................
311
II.
B.
C. D. E.
F.
312 316 317 317 319 319 321 322 323 326 327 330 332 335 336 338 338 340 341 341 342
Schlussfolgerungen ........................................................................... 343 Summary: International Criminal Court and United Nations Security Council ................................................. 349 Literaturverzeichnis ......................................................................... 355 Sachregister ......................................................................................... 395
Abkürzungsverzeichnis a.A.
andere(r) Ansicht
Abs.
Absatz
Add.
Addendum
AEMR
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, A/RES/217 A (III)
AFDI
Annuaire Français de Droit International
AfrYrbkIntlL
African Yearbook of International Law
AJIL
American Journal of International Law
Alt.
Alternative
AMRK
Amerikanische Konvention über Menschenrechte vom 22. November 1969; ILM 9 (1970), 673
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AVR
Archiv des Völkerrechts
Banjul Charta
Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker vom 27. Juni 1981; ILM 21 (1982), 59
Bd.
Band
BerkeleyJIntlL
Berkeley Journal of International Law
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BrandeisLJ
Brandeis Law Journal
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BYIL
British Yearbook of International Law
bzw.
beziehungsweise
CJIL
Chinese Journal of International Law
CLF
Criminal Law Forum
CLR
California Law Review
ColumJTransnatlL
Columbia Journal of Transnational Law
ColumLRev
Columbia Law Review
XXII
Abkürzungsverzeichnis
CornellIntlLJ
Cornell International Law Journal
Corr.
Corrigendum
d.h.
das heißt
DÖV
Die öffentliche Verwaltung
Dok.
Dokument
ECOMIL
Economic Community of Western African States Mission in Liberia
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EJIL
European Journal of International Law
EMRK
(Europäische) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. 1952 II, 685
EPIL
Encyclopedia of Public International Law
EU
Europäische Union
EuGRZ
Europäische Grundrechte-Zeitschrift
f.
folgende Seite
ff.
folgende Seiten
Fn.
Fußnote
FordhamIntlLJ
Fordham International Law Journal
GA
Genfer Abkommen
GA III
III. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen, BGBl. 1954 II, 838
GaJIntl&CompL
Georgia Journal of International and Comparative Law
Genfer Abkommen I. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur (von 1949) Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde, BGBl. 1954 II, 783; II. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See, BGBl. 1954 II, 813; III. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen, BGBl. 1954 II, 838; IV. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten, BGBl. 1954 II, 917
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
GeoLJ
Georgetown Law Journal
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, BGBl. 1949, 1
ggf.
gegebenenfalls
GLJ
German Law Journal
GV
Generalversammlung der Vereinten Nationen
GYIL
German Yearbook of International Law
HarvILJ
Harvard International Law Journal
HousJIntlL
Houston Journal of International Law
HRLJ
Human Rights Law Journal
Hrsg.
Herausgeber(in/nen)
Hs.
Halbsatz
HumRtsQ
Human Rights Quarterly
HuV-I
Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften
IAGMR
Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte
IAKMR
Interamerikanische Kommission für Menschenrechte
ICJ
International Court of Justice
I.C.J. Rep
International Court of Justice Reports
ICLQ
International and Comparative Law Quarterly
ICLR
International Criminal Law Review
ICON
International Journal of Constitutional Law
IGH
Internationaler Gerichtshof
IGH-Statut
Statut des Internationalen Gerichtshofs, BGBl. 1973 II, 505
ILC
International Law Commission (Völkerrechtskommission)
ILM
International Legal Materials
ILSAJIntl&CompL International Law Students’ Association Journal of International & Comparative Law IndIntl&CompLRev Indiana International & Comparative Law Review IOLR
International Organizations Law Review
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
IPbpR
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966, BGBl. 1973 II, 1534
IStGH
Internationaler Strafgerichtshof
i.V.m.
in Verbindung mit
JICJ
Journal of International Criminal Justice
JR
Juristische Rundschau
JStGH
Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien
JStGH-Statut
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Resolution 827 (1993) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 25. Mai 1993
JZ
Juristenzeitung
LCP
Law & Contemporary Problems
LJIL
Leiden Journal of International Law
LPICT
Law and Practice of International Courts and Tribunals
McGillLJ
McGill Law Journal
MdJIntlL&Trade
Maryland Journal of International Law & Trade
MelbULRev
Melbourne University Law Review
MichJIntlL
Michigan Journal of International Law
MichLRev
Michigan Law Review
MilLRev
Military Law Review
MPEPIL
Max Planck Encyclopedia of Public International Law
MPYUNL
Max Planck Yearbook of United Nations Law
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NATO
North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantikvertrags-Organisation)
NGO
Non-governmental organization; NichtRegierungs-Organisation
NichtvertragsStaaten
Staaten, die das Römische Statut nicht ratifziert haben
NILR
Netherlands International Law Review
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Abkürzungsverzeichnis
XXV
NordJIntL
Nordic Journal of International Law
NSAIL
Non-State Actors and International Law
NStZ
Neue Zeitschrift für Strafrecht
NYIL
Netherlands Yearbook of International Law
NYUJIntlLaw&Pol New York University Journal of International Law & Politics ÖZöRV
Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht
RdC
Recueil des Cours
RGDIP
Revue Générale de Droit International Public
RivDirInt.
Rivista di Diritto Internazionale
Rn.
Randnummer(n)
RPE
Rules of Procedure and Evidence of the International Criminal Court vom 9. September 2002
RS
Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998, BGBl. 2000 II, 1394
RStGH
Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda
RStGH-Statut
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda
RTDH
Revue Trimestrielle des Droits de l’Homme
sog.
so genannte(n/r/s)
SR
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
StetsonLRev
Stetson Law Review
StGB
Strafgesetzbuch
SwJL&TradeAm
Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas
SZIER
Schweizerische Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht
TexIntlLJ
Texas International Law Journal
TJeffersonLRev
Thomas Jefferson Law Review
TulLRev
Tulane Law Review
UMiamiLRev
University of Miami Law Review
UNAMID
United Nations-African Union Hybrid Operation in Darfur
UN Doc.
Documents of the United Nations (engl.)
XXVI
Abkürzungsverzeichnis
UN Dok.
Dokumente der Vereinten Nationen (dt.)
UNMIBH
United Nations Mission in Bosnia and Herzegovina
UNMIL
United Nations Mission in Liberia
UNMIS
United Nations Mission in Sudan
URichLRev
University of Richmond Law Review
VaJIntlL
Virginia Journal of International Law
VandJTransnatlL
Vanderbilt Journal of Transnational Law
Var.
Variante
vgl.
vergleiche
VillLRev
Villanova Law Review
VN
Vereinte Nationen
VN-Charta
Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945, BGBl. 1973 II, 430
Vorbereitungskommission
Vorbereitungskommission für den Internationalen Strafgerichtshof (Preparatory Commission for the International Criminal Court)
Wash&LeeLRev
Washington & Lee Law Review
WashUGSLRev
Washington University Global Studies Law Review
WayneLRev
Wayne Law Review
WisIntlLJ
Wisconsin International Law Journal
WVRÜ
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, BGBl. 1985 II, 957
WVRÜIO
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen vom 21. März 1986, BGBl. 1990 II, 1415
YrbkIntlHum L
Yearbook of International Humanitarian Law
YrbkIntlPO
Yearbook of International Peace Operations
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
z.B.
zum Beispiel
ZIS
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik
“In my view far and away the most important of [the Court’s relationships] will prove to be the developing relationship with the Security Council.” Sir Franklin Berman, Leiter der Delegation des Vereinigten Königreichs auf der Rom-Konferenz zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs, 1999
Einleitung 17. Juli 1998: Die Konferenz zur Errichtung eines internationalen Strafgerichtshofs in Rom (United Nations Diplomatic Conference of Plenipotentiaries on the Establishment of an International Criminal Court; Rom-Konferenz)1 verabschiedet mit 120 Ja- gegen sieben Nein-Stimmen2 das Römische Statut (RS) des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH).3 14. Juli 2008, fast auf den Tag genau zehn Jahre später: Der Ankläger des IStGH beantragt einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Staatspräsidenten Omar al-Bashir, und damit zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte des IStGH gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt. Drei Jahre zuvor hatte der Sicherheitsrat die Ermittlungen des Anklägers durch die auf Grundlage von Art. 13 lit. b) RS4 verabschiedete Resolution 1593 (2005) vom 31. März 2005 überhaupt erst möglich gemacht, indem er dem IStGH die Gerichtsbarkeit über die Situation in Darfur eröffnete5 und Sudan zur Kooperation mit dem IStGH verpflichtete.6
1
Die Rom-Konferenz fand vom 15. Juni – 17. Juli 1998 statt. Ein Überblick über die Entstehung des Römischen Statuts findet sich bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, 2002, 1144. 2
Roy S. Lee, Introduction, in: ders. (Hrsg.), The International Criminal Court: The Making of the Rome Statute. Issues, Negotiations, Results, 1999, 1 (26). Enthalten hatten sich 21 Staaten. 3
Rome Statute of the International Criminal Court vom 17. Juli 1998, ILM 37 (1998), 999; amtliche deutschsprachige Übersetzung: BGBl. 2000 II, 1394. 4
Zu Art. 13 lit. b) RS siehe ausführlich unten 1. Kapitel A. und 8. Kapitel
A. 5
Da Sudan das RS nicht ratifiziert hat, wäre dem IStGH ohne SRUnterbreitung gemäß Art. 12 Abs. 2 RS die Ausübung der Gerichtsbarkeit über Verbrechen von Sudanesen an Sudanesen im Sudan verwehrt gewesen.
J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_1, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
1
2
Einleitung
Nur wenige Tage nach dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls fordert die Afrikanische Union den Sicherheitsrat dazu auf, von seinem Recht gemäß Art. 16 RS7 Gebrauch zu machen und weitere Ermittlungen des Anklägers für ein Jahr aufzuschieben.8 Trotz zunehmender Unterstützung für diese Forderung9 kommt der Sicherheitsrat dieser Forderung nicht nach. 3. Dezember 2008: Der Ankläger weist in einem Bericht an den Sicherheitsrat auf die fehlende Kooperationsbereitschaft Sudans hin und drängt den Sicherheitsrat dazu, für die volle Einhaltung und Umsetzung der Resolution 1593 sorgen.10 Diese Ereignisse beziehen sich lediglich auf eine der vier Situationen, in denen der Ankläger des IStGH mittlerweile ermittelt –11 doch sie decken mit dem Unterbreitungsrecht nach Art. 13 lit. b) RS, dem Aufschubrecht nach Art. 16 RS und den Kooperationsrichtlinien nach Art. 87 RS12 bereits fast13 die ganze Bandbreite derjenigen Bestimmun-
6
S/RES/1593 (2005) vom 31. März 2005. Dazu ausführlich unten 3. Kapitel
D. 7
Zu Art. 16 RS siehe ausführlich unten 1. Kapitel B und 8. Kapitel B.
8
Letter dated 21 July 2008 from the Permanent Observer of the African Union to the United Nations addressed to the President of the Security Council (23. Juli 2008), UN Doc. S/2008/481. Siehe dazu ausführlich unten 3. Kapitel C.III. 9
So z.B. durch die Arabische Liga, die Organisation der Islamischen Konferenz und die Bewegung blockfreier Staaten, vgl. Stellungnahme der Russischen Föderation, in: Provisional Verbatim Record of the 5947th Meeting (31. Juli 2008), UN Doc. S/PV.5947, 3 f. Ebenso durch Russland (Stellungnahme der th Russischen Föderation, in: Provisional Verbatim Record of the 5947 Meeting [31. Juli 2008], UN Doc. S/PV.5947, 3 f.), China (ibid. 6), Libyen (ibid. 7), Indonesien (ibid. 10) und Vietnam (ibid. 11). 10 Eighth Report of the Prosecutor of the International Criminal Court to the UN Security Council pursuant to UNSR 1593 (2005) (3. Dezember 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/BBA77B57-C81C-4152-9 88C-D8D953471453/279075/8thUNSCreportsenttoUNENG1.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 98 f. 11
Außer in Darfur ermittelt der Ankläger auch noch in der Zentralafrikanischen Republik, in der Demokratischen Republik Kongo und in Uganda. 12
Zu Art. 87 RS siehe ausführlich unten 1. Kapitel C. und 8. Kapitel C.
Einleitung
3
gen des Römischen Statuts ab, die dem Sicherheitsrat eine Rolle im Verfahren vor dem IStGH beimessen. Dabei war noch unmittelbar nach Verabschiedung des Römischen Statuts kaum jemand davon ausgegangen, dass diese Bestimmungen in der Praxis schnell relevant würden. Dem schienen allein durch die Mehrheitserfordernisse des Sicherheitsrats (neun Zustimmungen, kein Veto) viele Hürden gesetzt.14 Doch die soeben erwähnte Resolution 1593 stellt sogar nur die derzeit letzte von mehreren Resolutionen des Sicherheitsrats dar, die Einfluss auf die Arbeit des IStGH zu nehmen suchen. So hatte der Sicherheitsrat, noch bevor der IStGH überhaupt seine Arbeit aufgenommen hatte, unter Kapitel VII VN-Charta Resolution 1422 (2002) erlassen,15 welche einen Aufschub solcher Verfahren vor dem IStGH anordnet, die Angehörige von Friedenstruppen aus Staaten betreffen, die das Römische Statut nicht ratifiziert haben (Nichtvertragsstaaten). Hatte sich der Sicherheitsrat in der Resolution 1422 wenigstens formal auf eine einschlägige Bestimmung des Römischen Statuts, Art. 16 RS, gestützt, so erließ er ein Jahr später mit Resolution 1497 (2003)16 eine weitere Resolution ähnlichen Inhalts, ohne hierfür eine Grundlage im Römischen Statut zu nennen. Und auch die Unterbreitung der Situation in Darfur in Resolution 1593, die angesichts der massiven Gegnerschaft der Vereinigten Staaten von Amerika gegen den IStGH17 kaum jemand ernsthaft für möglich gehalten hatte, ist mit einer Ausnahmebestimmung für Angehörige von Friedenstruppen aus Nicht-
13
Außen vor bleibt in Darfur lediglich das Aggressionsverbrechen, das aber noch gar nicht Bestandteil des RS ist. Ausführlich hierzu unten 1. Kapitel D. und 8. Kapitel D. 14 Allain Pellet, Pour la Cour pénale internationale, quand même! Quelques remarques sur sa compétence et sa saisine, L’Observateur des Nations Unies 5 (1998), 143 (162). Vgl. zum Vetorecht ausführlich Sydney D. Bailey/Sam Daws, The Procedure of the UN Security Council, 1998, 227 ff. 15 16 17
S/RES/1422 vom 12. Juli 2002. Hierzu ausführlich unten 3. Kapitel A. S/RES/1497 vom 1. August 2003. Hierzu ausführlich unten 3. Kapitel B.
Vgl. stellvertretend für die nahezu unüberschaubare Literatur Philipp Meißner, The International Criminal Court Controversy – A Scrutiny of the United States’ Major Objections against the Rome Statute, 2005; David J. Scheffer, The United States and the International Criminal Court, AJIL 93 (1999), 12 ff.; Ruth Wedgwood, The International Criminal Court: an American View, EJIL 10 (1999), 93 ff.
4
Einleitung
vertragsstaaten versehen, die sich an Resolution 1422 und 1497 orientiert. Bedenkt man, dass zwar zwei der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats (Frankreich und das Vereinigte Königreich) das Römische Statut ratifiziert haben, die übrigen drei (China, Russland18 und die Vereinigten Staaten von Amerika19) sich bisher aber als mehr oder weniger offensive Gegner des IStGH positioniert haben, so wird man wohl auch in Zukunft mit intensiven Diskussionen innerhalb des Sicherheitsrats darüber rechnen müssen, wie man sich gegenüber dem IStGH verhält. Und so ist keine Einzelmeinung, was der Leiter der Delegation des Vereinigten Königreichs auf der Rom-Konferenz, Sir Franklin Berman, bereits knapp ein Jahr nach Inkrafttreten des Römischen Statuts äußerte: “In my view far and away the most important of [the Court’s relationships] will prove to be the developing relationship with the Security Council.”20 Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Leitlinien für ein Verhältnis zu erarbeiten, das sich in einem Spannungsfeld nicht nur zwischen einer ge18
Siehe zur Einstellung Chinas und Russlands z.B. Reinhard Müller, Der Rechtlosigkeit ein Ende setzen. Der erste Beschuldigte vor dem Internationalen Strafgerichtshof, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.03.2006, 10. 19 Die Vereinigten Staaten sind zwar die größten Unterstützer der beiden Ad hoc-Tribunale in Den Haag und Arusha, stellen gleichzeitig aber den größten Gegner des IStGH dar. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich durch die Beziehung der Gerichtshöfe zum SR: Während die beiden Ad hoc-Tribunale vom SR eingesetzt wurden und damit eine gewisse Abhängigkeit nicht zu leugnen ist, ist der IStGH eine von den VN und damit auch dem SR unabhängige Institution, vgl. dazu William A. Schabas, United States Hostility to the International Criminal Court: It’s all about the Security Council, EJIL 15 (2004), 701 ff. Man darf nicht vergessen, dass auch der Wechsel der US-Administration von George W. Bush hin zu Barack Obama im Januar 2008 kaum zu einem entscheidenden Wechsel im Verhältnis zum IStGH geführt hat. Auch der demokratische Präsident Bill Clinton hatte trotz seiner Unterschrift unter das Römische Statut erhebliche Bedenken gegen einen Beitritt der Vereinigten Staaten, vgl. Stefan Ulrich, Das jüngste Gericht der Völker: Mehr als 60 Staaten rufen ein Tribunal gegen Tyrannen und Kriegsverbrecher ins Leben – auch gegen den Widerstand Amerikas. Aufbau des Internationalen Strafgerichts, Süddeutsche Zeitung vom 11. April 2002, 10. 20
Sir Franklin Berman, The Relationship between the International Criminal Court and the Security Council, in: Herman A.M. von Hebel u.a. (Hrsg.), Reflections on the International Criminal Court, 1999, 173.
Einleitung
5
richtlichen und einer politischen Institution, sondern auch zwischen dem Streben nach Gerechtigkeit und der Bemühung um Frieden befindet. Dies soll durch eine rechtliche Analyse und Bewertung der bisherigen Maßnahmen des Sicherheitsrats, aber auch möglicher zukünftiger Szenarien im Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat geschehen. Maßstab hierfür werden zunächst das Römische Statut sowie das Beziehungsabkommen zwischen den Vereinten Nationen und dem IStGH sein, da diese beiden Abkommen die einzigen völkerrechtlichen Instrumente sind, die konkret zum Verhältnis zwischen IStGH und Sicherheitsrat Stellung beziehen. Somit wird in einem 1. Teil analysiert, welche Rechte und Pflichten diese beiden Abkommen dem Sicherheitsrat und dem IStGH auferlegen. Die hierbei gewonnenen Ergebnisse können aber nur vorläufiger Natur sein. Denn ob Staaten mit Hilfe eines multilateralen Vertrags wie dem Römischen Statut über Rechte und Pflichten des Sicherheitsrats, eines Hauptorgans der Vereinten Nationen, entscheiden können, ist zweifelhaft und bedarf weiterer Erörterung. Wichtig wird in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage sein, ob der Vorrang von Verpflichtungen aus der VN-Charta gegenüber anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen gemäß Art. 103 VN-Charta auch dazu führt, dass Resolutionen des Sicherheitsrats Vorrang gegenüber dem Römischen Statut entfalten und somit das Potenzial haben, Bestimmungen des Römischen Statuts vorübergehend außer Kraft zu setzen. Aus diesem Grund werden in einem 2. Teil die Befugnisse des Sicherheitsrats, aber auch mögliche Grenzen seines Handelns herausgearbeitet. Dabei wird insbesondere das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten eine entscheidende Rolle spielen. Anschließend wird erörtert, welche Rechtsfolgen Sicherheitsrats-Resolutionen (SR-Resolutionen) für das Römische Statut und den IStGH entfalten. Daran wird dann gemessen, ob die Ergebnisse des ersten Schritts weiterhin Bestand haben können, oder ob sie angepasst werden müssen. Auf der Grundlage dieser Überlegungen zu möglichen Hierarchien zwischen Römischen Statut, VN-Charta und SR-Resolutionen sehen die einzelnen Abschnitte der Untersuchung wie folgt aus: Für den 1. Teil werden zunächst diejenigen Bestimmungen des Römischen Statuts (1. Kapitel) und des Beziehungsabkommens zwischen den Vereinten Nationen und dem IStGH (2. Kapitel), die für das Verhältnis zwischen IStGH und Sicherheitsrat von Bedeutung sind, erläutert und auf Befugnisse und Grenzen des Handelns von IStGH und Sicherheitsrat hin analysiert. Dabei soll bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Analyse des 1. Teils ausschließlich aus der Sicht des
6
Einleitung
Römischen Statuts vorgenommen wird. Befugnisse des Sicherheitsrats aus der VN-Charta bleiben an dieser Stelle ausdrücklich noch außen vor. Im Anschluss an diese Analyse werden die bisherigen den IStGH betreffenden Maßnahmen des Sicherheitsrats (3. Kapitel) vorgestellt und an den in den ersten beiden Kapiteln gewonnenen Maßstäben (aus Römischen Statut und Beziehungsabkommen) gemessen (4. Kapitel). Für den 2. Teil werden zunächst die Befugnisse des Sicherheitsrats auf Grund der VN-Charta erarbeitet (5. Kapitel). Es folgt ein Blick auf mögliche Bindungen des Sicherheitsrats, wie insbesondere das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten (6. Kapitel), und auf die Rechtsfolgen seiner Resolutionen für den IStGH (7. Kapitel). Auf Basis dieser Überlegungen werden schließlich die aus Sicht des Römischen Statuts herausgearbeiteten Rechte und Pflichten des Sicherheitsrats neu überdacht und angepasst (8. Kapitel). Darüber hinaus stellt sich in einem 3. Teil zuletzt die Frage, ob der IStGH dazu befugt ist, Maßnahmen des Sicherheitsrats auf ihre Rechtmäßigkeit zu untersuchen (9. Kapitel). Die Tatsache, dass die Resolutionen 1497 und 1593 zeitlich unbegrenzt verabschiedet wurden und daher auch heute noch Wirksamkeit entfalten, insbesondere aber die Maßnahmen, die auf Grundlage der Resolution 1593 ergangen sind und weiterhin ergehen, zeigen, wie hochaktuell die Beschäftigung mit dem Verhältnis zwischen IStGH und Sicherheitsrat ist. Selbst wenn die Resolutionen 1422 und 1487 auf Grund ihrer zeitlichen Begrenzung für die Zukunft keine Wirksamkeit mehr entfalten, können aus ihrem Inhalt sowie den Umständen ihrer Verabschiedung doch auch Leitlinien für das Verhältnis zwischen IStGH und Sicherheitsrat für die Zukunft entwickelt werden. Zu klären, welche Rechte das Verhältnis zwischen IStGH und Sicherheitsrat den Beteiligten gewährt und welche Pflichten es ihnen auferlegt: Genau dies ist Absicht dieser Untersuchung.
1. Teil: Das Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts 1. Kapitel: Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß dem Römischen Statut Bei den Normen, die Rechte und Pflichten für IStGH und Sicherheitsrat in deren Verhältnis zueinander vorsehen, handelt es sich um Art. 13 lit. b) (A.), 16 (B.), 87 (C.) und 5 Abs. 2 RS (D.).
A. Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats (Art. 13 lit. b) RS) Art. 13 lit. b) RS lautet: Der Gerichtshof kann in Übereinstimmung mit diesem Statut seine Gerichtsbarkeit über ein in Artikel 5 bezeichnetes Verbrechen ausüben, wenn […] b) eine Situation, in der es den Anschein hat, dass eines oder mehrere dieser Verbrechen begangen wurden, vom Sicherheitsrat, der nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen tätig wird, dem Ankläger unterbreitet wird […].21 Art. 13 RS betrifft die Anforderungen an die Einleitung von Ermittlungen durch den Ankläger des IStGH. Dabei überträgt Art. 13 lit. b) RS dem Sicherheitsrat das Recht, solche Ermittlungen zu initiieren. Während der Vorbereitungen des Römischen Statuts war ein Unterbrei21
Gemäß Art. 128 RS erlangen die Normen des Römischen Statuts Verbindlichkeit nur im arabischen, chinesischen, englischen, französischen, russischen und spanischen Wortlaut. Dem besseren Verständnis im Rahmen einer deutschen Arbeit halber wurde hier dennoch die deutsche Fassung gewählt. Soweit im Fortlauf der Arbeit Schwierigkeiten bei der Auslegung einer Norm auftauchen, wird auf die verbindliche englische Fassung zurückgegriffen.
J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_2, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
7
8
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
tungsrecht des Sicherheitsrats umstritten. Sahen die Befürworter darin die Möglichkeit, durch eine attraktive Alternative für den Sicherheitsrat Ad hoc-Tribunale in Zukunft zu verhindern,22 argumentierten andere, dass dies die Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und moralische Autorität des IStGH untergraben würde.23 Auf der RomKonferenz unterstützten letztlich die meisten Staaten die erste Ansicht,24 auch unter Hinweis darauf, dass die Rechtsgrundlage dieses Verweisrechts bereits in der VN-Charta selbst angelegt sei, was man daran sehe, dass der Sicherheitsrat auch Ad hoc-Tribunale errichten dürfe.25 Kein Konsens ließ sich zunächst hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung dieses Rechts finden. Der Entwurf der Völkerrechtskommission für das Statut eines internationalen Strafgerichtshofs von 1994 (ILC Draft Statute for an International Criminal Court)26 spiegelte zunächst die Wünsche insbesondere der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats wider, die dem Sicherheitsrat ein exklusives, oder zumindest vorrangiges Einleitungsrecht von Ermittlungen zugestehen wollten. So enthielt Art. 23 Abs. 3 des Entwurfs der Völkerrechtskommission eine Passage, wonach der IStGH nur dann tätig werden durfte, wenn nicht gleichzeitig der Sicherheitsrat mit der Angelegenheit befasst war. Diesem weitgehenden Vorschlag folgte die Rom-Konferenz aber nicht und gestand
22
Manoush H.Arsanjani, The Rome Statute of the International Criminal Court, AJIL 93 (1999), 22 (28) 23
Sharon A. Williams/William A. Schabas, Article 13, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 563 (566 Rn. 8). 24 Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 525. 25
Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (630). 26 Die Völkerrechtskommission war im November 1992 von der GV damit beauftragt worden, ein Statut für einen internationalen Strafgerichtshof auszuarbeiten, operativer § 6 A/RES/47/33 vom 25. November 1992. Ausführlich dazu Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 43.
Rechte u. Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gem. Römischem Statut
9
dem Sicherheitsrat nur ein Ermittlungseinleitungsrecht neben dem des Anklägers und der Vertragsstaaten zu. Gemäß Art. 53 Abs. 2 RS, wonach der Ankläger den nach Art. 13 lit. b) RS handelnden Sicherheitsrat zu informieren hat, wenn er zu dem Schluss gelangt, „dass es für eine Strafverfolgung keine hinreichende Grundlage gibt“,27 behält der Ankläger – als Instanz, die über die Aufnahme von Ermittlungen entscheidet – auch dann seine Unabhängigkeit, wenn der Sicherheitsrat Situationen unterbreitet.28 Wie allen anderen Parteien, denen einen Unterbreitungsrecht zusteht, steht auch dem Sicherheitsrat dann gemäß Art. 53 Abs. 3a), 2. Alt. RS die Möglichkeit offen, die Entscheidung des Anklägers von der Vorverfahrenskammer überprüfen zu lassen. Damit stellt Art. 13 lit. b) RS klar, dass der Sicherheitsrat – unter Kapitel VII VN-Charta –29 Ermittlungen des Anklägers einleiten kann. Allerdings sagt Art. 13 lit. b) RS nichts ausdrücklich darüber aus, wie genau der Sicherheitsrat dieses Recht ausüben darf bzw. muss.
27
Gabriël H. Oosthuizen, Some Preliminary Remarks on the Relationship between the Envisaged International Criminal Court and the UN Security Council, NILR XLVI (1999), 313 (324); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 66. 28
Vgl. Art. 42 Abs. 1 RS: „Die Anklagebehörde handelt unabhängig als selbständiges Organ des Gerichtshofs. […].“ Dazu Dan Sarooshi, The Peace and Justice Paradox: The International Criminal Court and the UN Security Council, in: Dominic McGoldrick/Peter Rowe/Eric Donnelly (Hrsg.), The Permanent International Criminal Court. Legal and Policy Issues, 2004, 95 (98); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 65; vgl. auch James Crawford, Current Development: the Forty-Fifth Session of the International Law Commission, AJIL 88 (1994), 134 (146 f.); Crawford bezieht sich zwar auf den Statutsentwurf der Völkerrechtskommission aus dem Jahre 1994, doch inhaltlich ist seine Aussage auf das Römische Statut von 1998 übertragbar. 29
Die Forderung eines Handelns unter Kapitel VII VN-Charta wird im 8. Kapitel erläutert.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
I. Gerichtsbarkeitsbeschränkungen im Rahmen von SicherheitsratsUnterbreitungen Eine erste Frage, die sich im Rahmen des Unterbreitungsrechts des Sicherheitsrats gemäß Art. 13 lit. b) RS stellt, ist die, ob der Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts seine Unterbreitungen in irgendeiner Weise beschränken darf. Eine solche Beschränkung ist in zeitlicher, örtlicher und personeller Hinsicht, aber auch in Bezug auf den Verbrechenskatalog des Art. 5 RS (jeweils sowohl zeitgleich mit der eigentlichen Unterbreitung als auch nachträglich) vorstellbar. Während der Wortlaut von Art. 13 lit. b) RS – „Situation“ – zeitliche und/oder örtliche Beschränkungen ermöglicht,30 findet sich im Römischen Statut für die Befugnis, eine Unterbreitung nachträglich zu beschränken, keine Grundlage. Insbesondere Art. 16 RS ermöglicht lediglich einen vorübergehenden Aufschub der Strafverfolgung durch den IStGH, nicht die dauerhafte Beschränkung einer Unterbreitung. Hingegen schließt der Begriff der Situation eine Befugnis des Sicherheitsrats, Unterbreitungen personell zu beschränken oder bestimmte Verbrechenstatbestände von der Unterbreitung auszunehmen, aus. Hinsichtlich der Befugnis zu personellen Beschränkungen ergibt sich dies auch aus der Entstehungsgeschichte. So wurde die Frage, ob der Sicherheitsrat dem IStGH einzelne Personen unterbreiten oder vom Anwendungsbereich einer Unterbreitung ausnehmen kann, im Zuge der Verhandlungen des Römischen Statuts ausgiebig diskutiert. Der erste Vertragsentwurf der Völkerrechtskommission (ILC Draft Statute for an International Criminal Court) von 199331 sah z.B. die Befugnis des Sicherheitsrats vor, dem IStGH einzelne Fälle (cases) und damit auch ein-
30
Eine Situation definiert sich durch zeitliche und örtliche Kennzeichen, Philippe Kirsch/Darryl Robinson, Referral by States Parties, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 619 (625). 31
Die Völkerrechtskommission hatte 1992 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die den Entwurf eines Statuts eines internationalen Strafgerichtshofs ausarbeiten sollte. Das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe, das ILC Draft Statute for an International Criminal Court, wurde ohne formelle Annahme durch die Völkerrechtskommission direkt an die GV weitergeleitet, James Crawford, The Work of the International Law Commission, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 23 (28).
Rechte u. Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gem. Römischem Statut
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zelne Personen zu unterbreiten.32 Doch auch in der Völkerrechtskommission selbst war diese Befugnis umstritten.33 So wurde der Begriff „Fall“ bereits 1994 im zweiten Vertragsentwurf der Völkerrechtskommission (ILC Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind)34 durch den Begriff „Angelegenheit“ („matter“) ersetzt.35 Da auch dieser Begriff von vielen Delegierten auf der Konferenz zu Rom noch als zu speziell angesehen und befürchtet wurde, eine Angelegenheit könne auch einzelne Fälle umfassen und somit Anlass zu politisch motivierten Anklagen bieten,36 wurde auf der Konferenz schließlich auf den Begriff der „Situation“ zurückgegriffen. Somit wollten die Delegierten dem Sicherheitsrat keinesfalls das Recht zugestehen, dem IStGH einzelne Fälle und Personen zu unterbreiten.37 Dies wird zuletzt auch durch die systematische Auslegung gestützt, da Art. 17 RS38 – der das 32
Vgl. den Wortlaut von Art. 25 des Vertragsentwurfs der Völkerrechtskommission von 1993, Report of the Working Group on a Draft Statute for an International Criminal Court, in: Report of the International Law Commission on the Work of its Forty-Fifth Session (3. Mai – 23. Juli 1993), UN Doc. A/48/10, Annex, 109. 33 Report of the Working Group on a Draft Statute for an International Criminal Court, in: Report of the International Law Commission on the Work of its Forty-Fifth Session (3. Mai-23. Juli 1993), UN Doc. A/48/10, Annex, 109. 34
Nachdem die GV das ILC Draft Statute for an International Criminal Court zur Kenntnis genommen hatte (operativer § 4 A/RES/48/31 vom 4. Dezember 1993), bat sie die Völkerrechtskommission, ihre Arbeit an dem Entwurf fortzusetzen (ibid. operativer § 6). Ergebnis der Fortsetzung ihrer Arbeit war der ILC Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind. Ausführlicher hierzu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, 2002, 1039 f. 35
Report of the International Law Commission on the Work of its FortySixth Session (2. Mai-22. Juli 1994), UN Doc. A/49/10, 85. 36 Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 63. 37
So auch Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 66. 38
Art. 17 Abs. 2 RS lautet:
„Zur Feststellung des mangelnden Willens in einem bestimmten Fall prüft der Gerichtshof unter Berücksichtigung der völkerrechtlich anerkannten Grundsätze eines ordnungsgemäßen Verfahrens, ob gegebenenfalls eine oder mehrere der folgenden Voraussetzungen vorliegen […]“.
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Komplementaritätsprinzip beinhaltet – im Gegensatz zu Art. 13 lit. b) RS ausdrücklich den Begriff des Falles beinhaltet. Folglich steht Art. 13 lit. b) RS der zeitlichen und/oder örtlichen Beschränkung einer Unterbreitung rechtlich nicht im Wege, gleichgültig, ob der Sicherheitsrat die Zuständigkeit für bestimmte Ereignisse besonders begründet (z.B. „Die Unterbreitung bezieht sich nur auf Ereignisse im Dezember 2004“) oder gerade ausschließt (z.B. „Die Unterbreitung bezieht sich nicht auf die Ereignisse in der Region XY“).39 Nach erfolgter Unterbreitung darf der Sicherheitsrat derartige Beschränkungen hingegen nicht mehr vornehmen. In personeller Hinsicht und in Bezug auf Verbrechenstatbestände darf der Sicherheitsrat eine Unterbreitung bereits zum Zeitpunkt der eigentlichen Unterbreitung nicht beschränken.40
II. Gerichtsbarkeitserweiterungen Ebenso wie eine Beschränkung ist auch eine Erweiterung der Gerichtsbarkeit durch den Sicherheitsrat vorstellbar. Erweiterungen sind denkbar bezogen auf den Verbrechenskatalog und in personeller Hinsicht (1.), auf staatliche Erklärungen gemäß Art. 124 RS (2.) sowie in zeitlicher Hinsicht (3.).
1. Erweiterung in personeller Hinsicht und Erweiterungen des Verbrechenskatalogs des Art. 5 RS durch den Sicherheitsrat Aus den gleichen Gründen, aus denen bereits eine Befugnis des Sicherheitsrats gemäß Art. 13 lit. b) RS, Unterbreitungen in personeller Hinsicht zu beschränken, abgelehnt wurde, sind unter dem Römischen Statut auch personelle Erweiterungen einer Unterbreitung unzulässig. Ebenso wenig ist es dem Sicherheitsrat nach dem Wortlaut von Art. 13
39
So im Ergebnis auch Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 76. 40
Zur rechtlichen Lage unter der VN-Charta siehe unten 8. Kapitel A.I., A.III.4.
Rechte u. Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gem. Römischem Statut
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RS41 unter dem Römischen Statut möglich, den IStGH zu ermächtigen, andere als im Römischen Statut genannte Verbrechen zu verfolgen. Stattdessen ist mit Art. 123 Abs. 1 S. 2 RS für die Aufnahme neuer Verbrechen ein klar strukturiertes Verfahren vorgesehen.42 Neben dem Wortlaut und der Systematik stützt auch die Entstehungsgeschichte dieses Ergebnis. So hatte man sich ausdrücklich gegen die Errichtung des IStGH durch eine Resolution des Sicherheitsrats entschieden, um eine so große Gestaltungsmacht des Sicherheitsrats auf die Gerichtsbarkeit wie beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (JStGH) und beim Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (RStGH) zu vermeiden.43
2. Unterbreitung ohne Beschränkung durch Art. 124 RS Möglicherweise ist der Sicherheitsrat aber befugt, durch eine Unterbreitung die Auswirkungen einer Erklärung nach Art. 124 RS auf den Verbrechenskatalog des Art. 5 RS auszusetzen. Art. 124 RS gibt den Vertragsstaaten das Recht, die Gerichtsbarkeit des IStGH über Kriegsverbrechen für einen Zeitraum von sieben Jahren nach Inkrafttreten des Römischen Statuts auszuschließen. Art. 124 RS lautet: Ungeachtet des Artikels 12 Absätze 1 und 2 kann ein Staat, wenn er Vertragspartei dieses Statuts wird, erklären, dass er für einen Zeit41
In Art. 13 RS heißt es: „Der Gerichtshof kann in Übereinstimmung mit diesem Statut seine Gerichtsbarkeit über ein in Artikel 5 bezeichnetes Verbrechen ausüben […]“ (Hervorhebung hinzugefügt). Verbrechen wie der transnationale Drogenhandel, die schwere Beschädigung der Umwelt oder Terrorismus wurden auf den Vorbereitungstreffen, die das Römische Statut erarbeiteten, zwar diskutiert, auf der Konferenz in Rom schließlich aber entweder gar nicht behandelt (schwere Beschädigung der Umwelt) oder zwar angesprochen, schließlich aber nicht weiter verfolgt (Drogenhandel, Terrorismus), Patrick Robinson, The Missing Crimes, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 497 ff. 42
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 590. 43
Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 93 f.
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raum von sieben Jahren, nachdem das Statut für ihn in Kraft getreten ist, die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs für die Kategorie der in Artikel 8 bezeichneten Verbrechen nicht anerkennt, wenn angeblich ein Verbrechen von seinen Staatsangehörigen oder in seinem Hoheitsgebiet begangen worden ist. Eine Erklärung nach diesem Artikel kann jederzeit zurückgenommen werden. […]. Fraglich ist, ob eine Erklärung nach Art. 124 RS auch im Rahmen einer Unterbreitung durch den Sicherheitsrat Wirkung entfaltet. Man könnte argumentieren, Art. 124 RS stelle den erklärenden Staat lediglich einem Nichtvertragsstaat gleich.44 Denn Art. 124 RS spricht grundsätzlich nur davon, dass der erklärende Staat die Gerichtsbarkeit des IStGH nicht anerkennt, nicht aber davon, dass es dem IStGH unter allen Umständen verwehrt sein sollte, die Gerichtsbarkeit über die betroffenen Kriegsverbrechen auszuüben.45 Daraus könnte man schlussfolgern, dass die Zustimmung eines Drittstaates, auf dem Kriegsverbrechen begangen wurden, ausreicht, um einer Erklärung nach Art. 124 RS die Wirksamkeit zu nehmen. Gleiches würde dann erst recht für eine Resolution des Sicherheitsrats gelten. Doch was die Erklärung eines Drittstaates angeht, so ist diese Auslegung mit dem Wortlaut von Art. 124 RS unvereinbar. Denn dort heißt es ausdrücklich, dass ein Staat die Gerichtsbarkeit des IStGH über Kriegsverbrechen ausschließen kann, „wenn angeblich ein Verbrechen von seinen Staatsangehörigen oder in seinem Hoheitsgebiet begangen worden ist.“ Die erste Variante umfasst auch auf fremdem Staatsgebiet begangene Verbrechen und schließt somit eine Zustimmung des fremden Staates zur Gerichtsbarkeit auch über Kriegsverbrechen aus. Zudem wurde die Ausnahmeregelung des Art. 124 RS ins Römische Statut aufgenommen, um einzelnen Staaten die Zustimmung zum Statut zu erleichtern.46 Dies belegt die Entstehungsgeschichte.47 Die Auslegung, 44
Bartram S. Brown, U.S. Objections to the Statute of the International Criminal Court: a Brief Response, NYUJIntlLaw&Pol 31 (1999), 855 (876). 45
Andreas Zimmermann, Article 124, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1767 (1768 f. Rn. 6). 46
Von Art. 124 RS Gebrauch gemacht haben nur Frankreich und Kolumbien, Andreas Zimmermann, Article 124, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1767 (1771 Rn. 18), wobei Frankreich am 13. August 2008 seine Erklärung offiziell zurückgezogen hat, C.N.592.2008.TREATIE
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wonach bereits eine einfache Erklärung eines Drittstaates ausreicht, um diese Wirkungen zu umgehen, setzt sich über diesen Zusammenhang hinweg.48 Folglich ist die Annahme, ein Staat, der eine Erklärung nach Art. 124 RS abgibt, sei einem Nichtvertragsstaat gleichzustellen, abzulehnen.49 Doch dieses Ergebnis bedeutet noch nicht zwangsläufig, dass dies auch für vom Sicherheitsrat eingeleitete Verfahren gilt. Für eine Beachtungspflicht auch des Sicherheitsrats könnte man anführen, dass – anders als bei der Befreiung des Sicherheitsrats von den Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 2 RS – das Römische Statut an keiner Stelle die Befreiung des Sicherheitsrats von den Voraussetzungen des Art. 124 RS vorsieht.50 Dagegen spricht jedoch, dass die Befreiung des Sicherheitsrats von den Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 2 RS auch die Befreiung von den Voraussetzungen des Art. 124 RS umfasst. Denn Art. 12 Abs. 2 RS erklärt die fehlende Anerkennung der Gerichtsbarkeit über die im Römischen Statut enthaltenen Kernverbrechen durch Vertragsstaaten für den Sicherheitsrat für unbeachtlich. Da es sich aber auch bei Art. 124 RS um die Verweigerung der Anerkennung der Gerichtsbarkeit des IStGH über (ein bestimmtes) Kernverbrechen handelt, stellt das Fehlen der
S-5 (Depositary Notification) http://treaties.un.org/doc/Publication/CN/2008/ CN.592.2008-Eng.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 47
Andreas Zimmermann, Article 124, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1767 (1768 f. Rn. 6). 48
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 100. 49
Jörg Meißner, Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nach dem Römischen Statut, 2003, 50; Andreas Zimmermann, Article 124, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1767 (1769 Rn. 8). 50
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 100.
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Anerkennung ebenfalls keinen Hindernisgrund für den Sicherheitsrat dar.51 Dagegen spricht auch nicht das oben angeführte Argument, dass die Ausnahmeregelung des Art. 124 RS ins Römische Statut aufgenommen sei, um einzelnen Staaten die Zustimmung zum Statut zu erleichtern und eine Nichtanwendbarkeit von Art. 124 RS im Rahmen von SRUnterbreitungen sich darüber hinweg setze. Denn Art. 124 RS wurde im Zuge der Verhandlungen in Rom insbesondere auf Druck von Frankreich, den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich eingeführt,52 die aufgrund ihres Vetorechts innerhalb des Sicherheitsrats ohnehin keines weiteren Schutzes vor Resolutionen des Sicherheitsrats bedürfen53 und somit auf den Schutz des Art. 124 RS ohne Weiteres verzichten können. Somit entfaltet eine Erklärung nach Art. 124 RS im Rahmen von SRUnterbreitungen keine Wirkung.54 Dies vermeidet auch die Unstimmigkeit, dass der Sicherheitsrat dem IStGH im Bereich von Kriegsverbrechen andernfalls die Gerichtsbarkeit über Angehörige von Nichtvertragsstaaten, nicht aber über Angehörige derjenigen Staaten
51
Andreas Zimmermann, Article 124, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1767 (1769 Rn. 8). 52
Hans-Peter Kaul, Das Römische Statut des Internationalen Gerichtshofs: Auf dem Weg zu einer humaneren Weltordnung unter dem Schutz des Rechts?, 1999, 10; Andreas Zimmermann, Article 124, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1767 (1767 f. Rn. 2). 53
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 310. 54
Andreas Zimmermann, Article 124, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1767 (1769 Rn. 8); Claus Kreß, Vor III 26, Internationaler Strafgerichtshof, in Heinrich Grützner/Paul-Günther Pötz/Claus Kreß (Hrsg.), Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Dezember 2002, Rn. 16; Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 308. Im Ergebnis gleich, allerdings unter Verweis auf die Befugnisse des SR unter Kapitel VII VN-Charta; Ilias Bantekas/Susan Nash/Mark Mackarel, International Criminal Law, 2001, 132.
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ermöglichen könnte, die eine Erklärung nach Art. 124 RS abgegeben haben.55
3. Unterbreitung von vor Inkrafttreten des Römischen Statuts begangenen Verbrechen Die zeitliche Gerichtsbarkeit des IStGH regelt Art. 11 RS. Dieser lautet: 1. Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs erstreckt sich nur auf Verbrechen, die nach Inkrafttreten dieses Statuts begangen werden. 2. Wird ein Staat nach Inkrafttreten dieses Statuts dessen Vertragspartei, so kann der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit nur in Bezug auf Verbrechen ausüben, die nach Inkrafttreten des Statuts für diesen Staat begangen wurden, es sei denn, der Staat hat eine Erklärung nach Artikel 12 Absatz 3 abgegeben. Fraglich ist, ob der Sicherheitsrat im Rahmen einer Unterbreitung nach Art. 13 lit. b) RS von Art. 11 RS abweichende Regelungen treffen kann. Hierbei kommt es darauf an, ob Art. 11 RS im Rahmen von Art. 13 lit. b) RS anwendbar ist. Der Wortlaut hilft in dieser Frage nicht weiter, da Art. 13 lit. b) RS Art. 11 RS (anders als Art. 5 RS) nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt und Art. 11 RS (anders als Art. 12 Abs. 2 RS) auch keine Ausnahme im Falle von Unterbreitungen nach Art. 13 lit. b) RS statuiert. Betrachtet man Art. 11 Abs. 2 RS, so normiert der letzte Halbsatz die Möglichkeit für den betroffenen Staat, die Zuständigkeit des IStGH mit Hilfe einer Erklärung nach Art. 12 Abs. 3 RS zeitlich vorzuverlagern. Eine Erklärung nach Art. 12 Abs. 3 RS findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 12 Abs. 2 RS56 und damit in eben jenem Regime, das im Rahmen von Art. 13 lit. b) RS unumstritten keine Anwendung findet.57 Folglich
55
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 309. 56
Art. 12 Abs. 3 RS lautet in Auszügen: „Ist nach Absatz 2 die Anerkennung der Gerichtsbarkeit durch einen Staat erforderlich“ (Hervorhebung hinzugefügt). 57 Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The
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ist es dem Sicherheitsrat im Fall des Art. 11 Abs. 2 RS nach dem Römischen Statut unbenommen, die Gerichtsbarkeit des IStGH auf einen Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Statuts für den Staat vorzuverlegen. Dabei darf diese zeitliche Vorverlagerung allerdings nicht über den Zeitpunkt des allgemeinen Inkrafttretens des Römischen Statuts am 1. Juli 2002 hinausgehen. Denn Art. 11 Abs. 2 RS gewährt dem betroffenen Staat lediglich die Befugnis, die Gerichtsbarkeit des IStGH auf die Zeit vor Inkrafttreten des Römischen Statuts für den betroffenen Staat vorzuverlagern, nicht aber auf die Zeit vor Inkrafttreten des Römischen Statuts allgemein. Aus der Nichtanwendbarkeit von Art. 11 Abs. 2 RS im Rahmen von Unterbreitungen des Sicherheitsrats kann man schließlich möglicherweise auch die Nichtanwendbarkeit von Art. 11 Abs. 1 RS schließen.58 So könnte aus Art. 11 Abs. 2 RS eventuell gefolgert werden, dass Staaten – und damit auch der Sicherheitsrat – generell dazu befugt seien, die Gerichtsbarkeit des IStGH zeitlich vorzuverlagern. Dem kann allerdings nicht zugestimmt werden. So enthält Art. 11 Abs. 1 RS im Gegensatz zu Abs. 2 gerade nicht die Möglichkeit eines Vertragsstaats, die zeitliche Zuständigkeit des IStGH mit Hilfe einer Erklärung nach Art. 12 Abs. 3 RS einseitig zu modifizieren.59 Somit fehlt der im Rahmen von Art. 11 Abs. 2 RS entscheidende Hinweis auf Art. 12 Abs. 2 RS. Der diesbezügliche Hinweis in Art. 11 Abs. 2 RS ist nicht auf Art. 11 Abs. 1 RS übertragbar. Denn während Art. 11 Abs. 2 RS die Möglichkeit einer zeitlichen Vorverlagerung der Gerichtsbarkeit innerhalb der Grenzen des Römischen Statuts (nämlich dem 1. Juli 2002) bietet, würde eine Übertragung dieser Möglichkeit auf Art. 11 Abs. 1 RS zu einer zeitlichen Vorverlagerung der Gerichtsbarkeit außerhalb der Grenzen des Römischen Statuts führen. Einer solchen Lösung steht aber die Entstehungsgeschichte entgegen: So wurde während der Verhandlungen des Vorbereitungsausschusses für den Internationalen Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (636). 58
Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (636). 59
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 601.
Rechte u. Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gem. Römischem Statut
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Strafgerichtshof (Preparatory Committee for the International Criminal Court)60 ein von Norwegen eingebrachter Entwurf, wonach der Sicherheitsrat ausdrücklich das Recht erhalten hätte, die Gerichtsbarkeit des IStGH zeitlich vor das Inkrafttreten des Römischen Statuts allgemein vorzuverlagern, nicht angenommen.61 Folglich hat der Sicherheitsrat nach dem Römischen Statut das Recht, die Gerichtsbarkeit des IStGH zeitlich vorzuverlagern – allerdings nicht über den Zeitpunkt des allgemeinen Inkrafttretens des Römischen Statuts hinaus.62 Die zeitliche und/oder örtliche Erweiterung einer Unterbreitung nach bereits erfolgter Unterbreitung stellt rechtlich gesehen kein Problem dar, da der Sicherheitsrat gemäß Art. 13 lit. b) RS jederzeit befugt wäre, diese als „neue“ Situation an den IStGH zu verweisen. Dann muss es aber auch möglich sein, eine bereits unterbreitete Situation zu erweitern.
4. Ergebnis Der Sicherheitsrat kann nach den Vorgaben des Römischen Statuts nicht die Liste der verfolgbaren Verbrechen erweitern. Auch darf er Unterbreitungen nicht in personeller Hinsicht erweitern. Hingegen kann er grundsätzlich die Gerichtsbarkeit des IStGH zeitlich vorverlagern – allerdings nicht über den Zeitpunkt des allgemeinen Inkrafttre60
Der Vorbereitungsausschuss für den Internationalen Strafgerichtshof wurde durch die Generalversammlung mit dem Mandat eingesetzt, auf Grundlage des Entwurfs der Völkerrechtskommission für das Statut eines internationalen Strafgerichtshofs von 1994 (siehe dazu oben 1. Kapitel A.) einen weiteren Entwurf für ein solches Statut auszuarbeiten, operativer § 2 A/RES/50/46 vom 11. Dezember 1995; ausführlich dazu Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 45. 61 Tuiloma Neroni Slade/Roger S. Clark, Preamble and Final Clauses, in: Roy S. Lee (Hrsg.), The International Criminal Court: The Making of the Rome Statute, 1999, 421 (450 Fn. 83). 62
So auch Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 601 ff. Zur Frage, ob der Sicherheitsrat die Gerichtsbarkeit unter Kapitel VII VN-Charta noch weiter vorverlagern kann, siehe dazu unten 8. Kapitel A.II.2.
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tens des Römischen Statuts hinaus. Erklärungen nach Art. 124 RS entfalten im Rahmen von SR-Unterbreitungen keine Wirkung.63 Nach erfolgter Unterbreitung darf der Sicherheitsrat die Unterbreitung jederzeit in zeitlicher und örtlicher Hinsicht erweitern.
III. Befugnis des Sicherheitsrats zur Aufhebung einer Unterbreitung Hat der Sicherheitsrat eine Situation unterbreitet, so stellt sich die Frage, ob er befugt ist, eine Unterbreitung auch wieder zurückzunehmen. Art. 13 lit. b) RS bezieht zu dieser Problematik keine Stellung.64 Allerdings spricht Art. 16 RS gegen eine Aufhebungsbefugnis des Sicherheitsrats. Denn wie unten noch zu zeigen sein wird,65 bezieht sich Art. 16 RS – also die Befugnis des Sicherheitsrats zur Unterbrechung von Verfahren vor dem IStGH – auch auf diejenigen Verfahren, die durch den Sicherheitsrat initiiert worden waren. Spräche man dem Sicherheitsrat die Befugnis zu, einer einmal vorgenommenen Unterbreitung nachträglich die Grundlage zu entziehen, würden die Grenzen von Art. 16 RS im Falle von SR-Unterbreitungen bedeutungslos.66 Folglich sprechen die Tatsache, dass Art. 13 lit. b) RS zu dieser Thematik schweigt, sowie Art. 16 RS gegen eine Befugnis des Sicherheitsrats, eine Unterbreitung wieder zurückzunehmen.67
63
Zur rechtlichen Lage unter der VN-Charta siehe unten 8. Kapitel A.II.
64
Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (644). 65
Siehe dazu unten 1. Kapitel B.I.1.
66
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 564. 67
Zur Frage, ob der Sicherheitsrat auf einer Grundlage außerhalb des Römischen Statuts eine Unterbreitung wieder zurücknehmen darf, siehe unten 8. Kapitel A.III.1.
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IV. Das Komplementaritätsprinzip im Rahmen von SicherheitsratsUnterbreitungen Ein weiterer Themenkomplex im Rahmen von Art. 13 lit. b) RS sind die Wirkungen des für den IStGH grundlegenden Grundsatzes der Komplementarität. Dieses in Art. 17 RS niedergeschriebene Prinzip gewährleistet, dass der IStGH nur dann tätig werden darf, wenn kein betroffener Staat willens und in der Lage ist, den/die mutmaßlichen Täter selbst strafrechtlich zu verfolgen.68 Im Folgenden wird nun geklärt, ob der Sicherheitsrat (1.) und der IStGH (2.) das Komplementaritätsprinzip auch im Rahmen von Unterbreitungen des Sicherheitsrats beachten müssen, d.h. im Fall des IStGH, ob das Komplementaritätsprinzip auch im Rahmen von Art. 13 lit. b) RS anwendbar bleibt.
1. Pflicht des Sicherheitsrats zur Beachtung des Komplementaritätsprinzips Eine Pflicht des Sicherheitsrats, im Rahmen einer Unterbreitung das Komplementaritätsprinzip zu beachten, d.h. zu klären, ob der betroffene Staat nicht willens oder in der Lage ist, selbst strafverfolgend tätig zu werden, lässt sich dem Römischen Statut nicht entnehmen. Im Gegenteil lässt sich aus Art. 17 Abs. 1 RS, der die Beachtung des Komplementaritätsprinzips zur Aufgabe des Gerichtshofs macht, schließen, dass die Prüfung, ob der betreffende Staat willens und/oder in der Lage ist, eigene Ermittlungen durchzuführen, allein Sache des IStGH ist. Somit
68
Art. 17 RS lautet in Auszügen:
„1. Im Hinblick auf Absatz 10 der Präambel und Artikel 1 entscheidet der Gerichtshof, dass eine Sache nicht zulässig ist, wenn a) in der Sache von einem Staat, der Gerichtsbarkeit darüber hat, Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchgeführt werden, es sei denn, der Staat ist nicht willens oder nicht in der Lage, die Ermittlungen oder die Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen; b) in der Sache von einem Staat, der Gerichtsbarkeit darüber hat, Ermittlungen durchgeführt worden sind und der Staat entschieden hat, die betreffende Person nicht strafrechtlich zu verfolgen, es sei denn, die Entscheidung war das Ergebnis des mangelnden Willens oder des Unvermögens des Staates, eine Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen; […]“.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
spricht das Römische Statut gegen eine entsprechende Pflicht des Sicherheitsrats.69
2. Anwendbarkeit des Grundsatzes der Komplementarität auf Sicherheitsrats-Unterbreitungen Weder Art. 13 lit. b) noch Art. 17 RS nehmen Stellung zu der Frage, ob das Komplementaritätsprinzip auch auf SR-Unterbreitungen anwendbar ist, d.h. ob der IStGH trotz Unterbreitung durch den Sicherheitsrat zur Prüfung des Komplementaritätsprinzips berechtigt und verpflichtet bleibt. Betrachtet man den systematischen Zusammenhang, so könnte Art. 18 RS gegen die Anwendbarkeit des Komplementaritätsprinzips sprechen. So hat gemäß Art. 18 Abs. 1 RS der Ankläger die Pflicht, „alle Vertragsstaaten und diejenigen Staaten, die unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Informationen im Regelfall die Gerichtsbarkeit über die betreffenden Verbrechen ausüben würden“ über seine Absicht, Ermittlungen einzuleiten, zu informieren. Diese Staaten können gemäß Art. 18 Abs. 2 RS auf der Grundlage eigener Ermittlungen die Zuständigkeit des IStGH anfechten. Da Art. 18 RS SR-Unterbreitungen nicht umfasst70 und da folglich der betreffende Staat keine rechtliche Grundlage für eine Anfechtung der Zuständigkeit des IStGH hat, wird z.T. argumentiert, das Komplementaritätsprinzip sei nicht anwendbar.71
69
Allerdings könnte sich eine Unterbreitung nach dem Recht der VNCharta in Fällen, in denen der betroffene Staat selbst strafverfolgend tätig wird, als nicht erforderlich im Sinne von Kapitel VII VN-Charta erweisen. Somit könnte sich über eine etwaige Verhältnismäßigkeitsprüfung die Pflicht des Sicherheitsrats zur Beachtung des Komplementaritätsprinzips ergeben. Zur Frage, ob der Sicherheitsrat das Verhältnismäßigkeitsprinzip aber überhaupt beachten muss und ob sich daraus gegebenenfalls eine solche Pflicht ergibt, siehe unten 6. Kapitel B.III. und 8. Kapitel A.IV.1. 70
Allgemeine Ansicht, vgl. statt aller Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 611 m.w.N. 71 Bartram S. Brown, U.S. Objections to the Statute of the International Criminal Court: A Brief Response, NYUJIntlLaw&Pol 31 (1999), 855 (882 note 101). Im Ergebnis ähnlich Rodney Dixon/Karim A.A. Khan/Richard May (eds), Archbold, International Criminal Courts, Practice, Procedure and Evidence, Sweet & Maxwell, London 2003, § 2-41, allerdings ohne Begründung.
Rechte u. Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gem. Römischem Statut
23
Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass Art. 18 RS nur auf das frühe Ermittlungsstadium Anwendung findet.72 Im anschließenden Verfahren ist für Anfechtungen der Zulässigkeit – und damit für die Berufung auf das Komplementaritätsregime – hingegen Art. 19 RS einschlägig. Gemäß Art. 19 Abs. 2 lit. b RS gibt das Römische Statut jedem Staat die Möglichkeit, die Zulässigkeit des jeweiligen Falles anzufechten. Zusätzlich ist Art. 19 RS – anders als Art. 18 RS – jedoch auch auf Unterbreitungen des Sicherheitsrats anwendbar,73 was sich bereits aus Art. 19 Abs. 3 S. 2 RS ergibt.74 Darüber hinaus erscheint angesichts der Tatsache, dass SR-Resolutionen öffentlich und weithin bekannt sind, eine Benachrichtigungspflicht des Anklägers i.S.v. Art. 18 RS im Falle von SR-Unterbreitungen auch nicht erforderlich.75 Gleiches gilt im Übrigen für Art. 53 RS, der die Einleitung von Ermittlungen durch den Ankläger regelt. Sowohl Art. 53 Abs. 1 b) als auch Art. 53 Abs. 2 b) RS geben dem Ankläger die Möglichkeit, eine Situation oder einen Fall auf seine Zulässigkeit hin zu prüfen – dies auch im Falle von Unterbreitungen durch den Sicherheitsrat.76 Denn für den Fall, dass der Ankläger sich gegen die Aufnahmen von Ermittlungen entscheidet, benachrichtigt er im Falle von Art. 13 lit. b) RS den Sicher72
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 616. 73
Markus Benzing, The Complementarity Regime of the International Criminal Court: International Criminal Justice between State Sovereignty and the Fight against Impunity, MPYUNL 7 (2003), 591 (622); Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/3, 2002, 1157. 74
Art. 19 Abs. 3 S. 2 RS lautet: „In Verfahren über die Gerichtsbarkeit oder die Zulässigkeit können beim Gerichtshof auch diejenigen, welche ihm die Situation nach Artikel 13 unterbreitet haben, […] Stellungnahmen abgeben.“ Darunter fällt auch eine nach Art. 13 lit. b) RS vorgenommene SR-Unterbreitung. 75
Andreas Zimmermann, Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: Pierre-Marie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (686). 76 John T. Holmes, Complementarity: National Courts versus the ICC, in: Antonio Cassese/Paolo Gaeta/John R.W.D. Jones (eds), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Oxford University Press Oxford 2002, Bd. 1, 667 (683); Ruth B. Philips, The International Criminal Court Statute: Jurisdiction and Admissibility, CLF 10 (1999) 61 (73).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
heitsrat, und dies ausdrücklich auch, wenn „die Sache nach Artikel 17 unzulässig ist“ (Art. 53 Abs. 2 b) RS).77 Somit ordnet das Römische Statut die Anwendbarkeit des Komplementaritätsregimes auch im Rahmen von SR-Unterbreitungen zwar nicht ausdrücklich an. Aus den mit dem Komplementaritätsprinzip korrelierenden Normen ergibt sich aber, dass der IStGH auch bei Unterbreitungen durch den Sicherheitsrat prüfen muss, ob der betroffene Staat selbst ermittelt.78 Wichtig ist auch, dass sich der Sicherheitsrat im Falle einer Unterbreitung des Gefüges des IStGH bedient. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass – soweit er nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt – sich der Sicherheitsrat an die Mechanismen dieses Gefüges halten möchte, soweit dies mit den jeweiligen Umständen vereinbar ist.79 Da das Komplementaritätsprinzip eines der grundlegenden Prinzipien des Römischen Statuts ist und seiner Anwendung grundsätzlich auch nichts entgegen steht, muss der Vorrang nationaler Strafgerichtsbarkeit folglich auch im Rahmen von SR-Unterbreitungen beachtet werden80 – auch wenn zuzugeben ist, dass dieses Ergebnis nicht voll im 77
Pietro Gargiulo, The Controversial Relationship between the International Criminal Court and the Security Council, in: Flavia Lattanzi/William A. Schabas (Hrsg.), Essays on the Rome Statute of the International Criminal Court, Bd. 1, 1999, 67 (84); Ruth B. Philips, The International Criminal Court Statute: Jurisdiction and Admissibility, CLF 10 (1999) 61 (73). 78
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 618. 79
Vgl. Public Redacted Version: Decision on the Prosecution’s Application for a Warrant of Arrest against Omar Hassan Ahmad Al Bashir, ICC-02/0501/09-3 (4. März 2009), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/ doc639096.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 4: “by referring the Darfur situation to the Court, pursuant to article 13(b) of the Statute, the Security Council of the United Nations has also accepted that the investigation into the said situation, as well as any prosecution arising therefrom, will take place in accordance with the statutory framework provided for in the Statute, the Elements of Crimes and the Rules as a whole”; vgl. auch Decision on Application under Rule 103, ICC-02/05-185 (4. Februar 2009), abrufbar unter http://www. icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc627395.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 31. 80 Paolo Benvenuti, Complementarity of the International Criminal Court to National Criminal Jurisdictions, in: Flavia Lattanzi/William A. Schabas (eds),
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Einklang steht mit der eigentlichen Intention der Erschaffer von Art. 13 lit. b) RS, nämlich in Zukunft die Einrichtung von Ad hoc-Tribunalen zu verhindern.81 Denn unter diesen Umständen besteht der Anreiz, grundsätzlich gegenüber der nationalen Strafgerichtsbarkeit vorrangige Ad hoc-Tribunale zu schaffen, weiterhin; der IStGH kann insoweit nur eingeschränkt Abhilfe schaffen. Darüber hinaus prüfen die mit der SR-Unterbreitung befassten Vorverfahrenskammer I82 und der Ankläger83 beide das Komplementaritätsprinzip und gehen so selbstverständlich von der Anwendbarkeit des Komplementaritätsprinzips aus, ohne die hier aufgeworfene Frage auch nur anzusprechen.84 Aus diesen Beobachtungen lässt sich schließen, dass das Komplementaritätsprinzip auch im Rahmen von Art. 13 lit. b) RS anwendbar ist.85 Eine grundlegend andere Frage ist es hingegen, ob der Sicherheitsrat durch eine ausdrückliche Anordnung die VN-Mitgliedstaaten dazu verpflichten kann, auf ihr Recht auf Vorrang der eigenen strafrechtlichen Essays on the Rome Statute of the International Criminal Court, Bd. 1 1999, 21 (41); vgl. auch Xabier Agirre u.a., Informal Expert Paper: The Principle of Complementarity in Practice, ICC-OTP 2003, Rn. 68. 81
Manoush H.Arsanjani, The Rome Statute of the International Criminal Court, AJIL 93 (1999), 22 (28). 82
Prosecutor’s Application under Article 58(7), ICC-02/05-56 (27. Februar 2007), abrufbar unter http://www2.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc279809.PDF (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 19 ff. 83
Siehe nur Fifth Report of the Prosecutor of the International Criminal Court to the UN Security Council Pursuant to UNSCR 1593 (2005) (7. Juni 2007), 7 ff., abrufbar unter: http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/CE794D3BED91-4D86-A28E-3F61E6C44083/277796/OTP_ReportUNSC5Darfur_Engli sh.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). Ebenso Prosecutor’s Application under Article 58(7), ICC-02/05-56 (27. Februar 2007), abrufbar unter http://www2.ic c-cpi.int/iccdocs/doc/doc279809.PDF (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 253 ff; vgl. z.B. Rn. 254: “In assessing the admissibility of the case, the Prosecution has followed extremely closely all of the accountability initiatives developed by the Sudanese authorities in connection with the situation in Darfur.” 84
Robert Cryer, Sudan, Resolution 1593, and International Criminal Justice, LJIL, 19 (2006), 195 (220). 85
Jakob Pichon, The Principle of Complementarity in the Cases of the Sudanese Nationals Ahmad Harun and Ali Kushayb before the International Criminal Court, ICLR 8 (2008), 185 (190) m.w.N.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
Ermittlungen zu verzichten, bzw. den IStGH verpflichten kann, eine Komplementaritätsprüfung zu unterlassen. Auf diese Fragen wird im 8. Kapitel eingegangen werden.86
3. Ergebnis Dem Römischen Statut lässt sich keine Pflicht des Sicherheitsrats, das Komplementaritätsprinzip zu beachten, entnehmen. Hingegen bleibt der IStGH befugt und verpflichtet, im Rahmen von SR-Unterbreitungen zu prüfen, ob der betroffene Staat willens und in der Lage ist, eigene Ermittlungen durchzuführen.
V. Besonderheiten bei Unterbreitungen von Situationen in einem Nichtvertragsstaat Es ist anzunehmen, dass der Sicherheitsrat im Regelfall – wie in Resolution 1593 (2005) geschehen – Situationen unterbreiten wird, die nicht in einem Vertragsstaat, sondern in einem Nichtvertragsstaat geschehen sind. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine solche Unterbreitung sich auch auf diejenigen Verbrechenstatbestände beziehen kann, die noch keine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung erfahren haben87 (1.). Darüber hinaus muss geklärt werden, ob Amtsträger 86 87
Siehe dazu unten 8. Kapitel A.IV.2.
Ob die derzeit im RS enthaltenen Verbrechen bereits alle völkergewohnheitsrechtlich anerkannt sind, ist umstritten. Teilweise wird vorgebracht, das Römische Statut sei eine Art quasi-legislativer Akt der Weltgemeinschaft, weshalb alle Straftatbestände des Römischen Statuts als quasi universell anzusehen seien, Leila Nadya Sadat/S. Richard Carden, The New International Criminal Court: an Uneasy Revolution, GeoLJ 88 (2000), 381 (389 f.). Doch dieser Ansatz ist allein schon auf Grund der Tatsache, dass lange nicht alle existierenden Staaten Mitglieder des IStGH sind und damit das für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht erforderliche Merkmal der allgemeinen Anerkennung nicht erfüllt ist, unhaltbar, ähnlich Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 69. Die überwiegende Meinung sieht daher nicht alle Tatbestände des RS als völkergewohnheitsrechtlich anerkannt an. So wird z.B. bei den Tatbeständen des Angriffs gegen Angehörige von friedenserhaltenden VN-Missionen (Art. 8 Abs. 2 lit. b) UAbs. iii) und lit. e) UAbs. iii) und des militärischen Einsatzes von Kindern un-
Rechte u. Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gem. Römischem Statut
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aus Nichtvertragsstaaten einem Verfahren vor dem IStGH Immunitäten entgegen halten können (2.).
1. Verfolgung von völkergewohnheitsrechtlich nicht anerkannten Verbrechenstatbeständen durch den IStGH auf Basis einer Unterbreitung durch den Sicherheitsrat Fraglich ist, ob der IStGH im Rahmen der Unterbreitung einer Situation in einem Nichtvertragsstaat und bezogen auf Angehörige dieses Staats88 auch diejenigen im Römischen Statut enthaltenen Verbrechen verfolgen darf, die noch keine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung erfahren haben. Das Römische Statut gibt hierauf keine ausdrückliche Antwort. Allerdings bedeutet die Bestrafung eines Individuums auf Grund von Bestimmungen, die zum Zeitpunkt der Tat für ihn noch nicht in Kraft waren, einen Verstoß gegen das in Art. 22 Abs. 1 RS niedergelegte nullum crimen-Prinzip.89 Einen solchen Verstoß kann man somit nur verhindern, indem man klarstellt, dass das UnterbreitungsRecht des Sicherheitsrats in einem solchen Fall90 nur die auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Tatbestände des Römischen Statuts
ter 15 Jahren (Art. 8 Abs. 2 lit. b) UAbs. xxvi) und lit. e) UAbs. vii) die völkergewohnheitsrechtliche Geltung abgelehnt, vgl. dazu Willibald Hermsdörfer, Der zukünftige Internationale Strafgerichtshof – eine neue Epoche des Völkerstrafrechts, JR 2001, 6 (8 linke Spalte); Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 152 ff. Auch und gerade bei möglicherweise in der Zukunft neu aufgenommenen Verbrechenstatbeständen ist im Regelfall nicht von einer völkergewohnheitsrechtlichen Geltung auszugehen. 88 Für Angehörige von Vertragsstaaten stellt sich diese Frage hingegen selbst dann nicht, wenn diese Verbrechen in Nichtvertragsstaaten begangen haben. Denn für sie gilt der Verbrechenskatalog über die Bindung ihres Staates an das Römische Statut. 89
Art. 22 Abs.1 RS lautet:
„1. Eine Person ist nur dann nach diesem Statut strafrechtlich verantwortlich, wenn das fragliche Verhalten zur Zeit der Tat den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt.“ 90
Bei SR-Unterbreitungen von Situationen in Vertragsstaaten hingegen stellt sich dieses Problem nicht, da für diese die im Römischen Statut enthaltenen Verbrechenstatbestände gelten.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
umfasst.91 Auf Basis von völkergewohnheitsrechtlich (noch) nicht anerkannten Straftatbeständen darf der IStGH hingegen nicht tätig werden. Eine entsprechende Auswahl der zu verfolgenden Verbrechen müsste der Ankläger vornehmen.92 Sollte dieser auch solche Verbrechen anklagen, deren völkergewohnheitsrechtliche Natur streitig ist, müsste die zuständige Vorverfahrenskammer über die Frage der völkergewohnheitsrechtlichen Natur entscheiden und den Ankläger gegebenenfalls dazu anhalten, die Anklage bezüglich nicht als Völkergewohnheitsrecht anerkannter Verbrechen fallen zu lassen.
2. Anwendbarkeit von Immunitäten von Amtsträgern aus Nichtvertragsstaaten im Rahmen von Sicherheitsrats-Unterbreitungen Zu prüfen ist weiter, ob Amtsträger aus Nichtvertragsstaaten im Rahmen von Unterbreitungen durch den Sicherheitsrat immun sind. Die Antwort hierauf hängt von der Anwendbarkeit von Art. 27 Abs. 2 RS auf diese Konstellation ab. Denn Art. 27 Abs. 2 RS erklärt bestehende Immunitäten im Rahmen von Verfahren vor dem IStGH für irrelevant. Art. 27 Abs. 2 RS lautet: Immunitäten oder besondere Verfahrensregeln, die nach innerstaatlichem Recht oder nach dem Völkerrecht mit der amtlichen Eigenschaft einer Person verbunden sind, hindern den Gerichtshof nicht an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über eine solche Person.93
91
Theodor Meron, Revival of Customary Humanitarian Law, AJIL 99 (2005), 817 (832); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 70; Kenneth S. Gallant, Jurisdiction to Adjudicate and Jurisdiction to Prescribe in International Criminal Courts, VillLRev 48 (2003), 763 (929). 92
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 69 f. 93
Der Unterschied zwischen Art. 27 Abs. 1 und 2 RS ist unklar. Während Art. 27 Abs. 2 RS ausdrücklich Immunitäten für unbeachtlich erklärt, stellt Art. 27 Abs. 1 RS auf die amtliche Eigenschaft einer Person allgemein ab und ist damit weiter gefasst. Art. 27 Abs. 1 RS lautet: „Dieses Statut gilt gleichermaßen für alle Personen, ohne jeden Unterschied nach amtlicher Eigenschaft. Insbesondere enthebt die amtliche Eigenschaft als Staats- oder Regierungschef, als Mitglied einer Regierung oder eines Parlaments, als gewählter Vertreter oder als
Rechte u. Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gem. Römischem Statut
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Art. 27 Abs. 2 RS orientiert sich nicht an der herkömmlichen Unterscheidung zwischen funktioneller Immunität94 (Immunität ratione materiae) und persönlicher Immunität95 (Immunität ratione personae),96 sondern erklärt allumfassend sämtliche Immunitäten im Rahmen von Verfahren vor dem IStGH für unbeachtlich. Dies gilt allerdings zunächst nur für Amtsträger aus Vertragsstaaten, da nur diese mit der Annahme des Römischen Statuts Art. 27 RS zugestimmt haben.97 Hingegen kann Art. 27 Abs. 2 RS gegenüber Amtsträgern aus Nichtvertragsstaaten auf Grund des allgemeinen Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter aus Art. 34 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVRÜ)98 – die Nichtvertragsstaaten haben der Aufhebung der
Amtsträger einer Regierung eine Person nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach diesem Statut und stellt für sich genommen keinen Strafmilderungsgrund dar.“ Dieser Wortlaut erinnert stark an den des Art. 7 Abs. 2 JStGH-Statut, welches Immunitäten zwar nicht erwähnt, diese aber dennoch umfasst, siehe dazu z.B. Robert Uerpmann-Wittzack, Immunität vor internationalen Strafgerichten, AVR 44 (2006), 33 (38). Da Art. 27 Abs. 2 RS jedenfalls ausdrücklich auf Immunitäten verweist, stellt dieser sich als lex specialis dar und ist daher hier einschlägig. 94
Die funktionelle Immunität umfasst alle hoheitlichen Handlungen, welche dem Staat zugerechnet werden. Sie verhindert bereits das Entstehen strafrechtlicher Verantwortlichkeit und wirkt somit materiell-rechtlich, Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 606. 95
Persönliche Immunität steht einem begrenzten Kreis von Staatsbediensteten zu und hindert nicht die Strafbarkeit als solche, sondern bildet nur ein Verfahrenshindernis, Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 607. 96 Otto Triffterer, Article 27, in: ders. (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 779 (791 Rn. 26). 97
Robert Uerpmann-Wittzack, Immunität vor internationalen Strafgerichten, AVR 44 (2006), 33 (39). Immunitäten werden nie im persönlichen Interesse der betroffenen Person, sondern ausschließlich im Interesse des Staates gewährt, für den die betreffende Person tätig ist, so dass der Staat ohne Rücksicht auf die Person einen Verzicht aussprechen kann, Helmut Kreicker, Immunität und IStGH. Zur Bedeutung völkerrechtlicher Exemtionen für den Internationalen Strafgerichtshof, ZIS 7 (2009), 350 Fn. 6. 98
Vienna Convention on the Law of Treaties vom 23. Mai 1969, 1155 UNTS 331, amtliche deutschsprachige Übersetzung: BGBl. 1985 II, 926.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
Immunität ihrer Amtsträger nicht zugestimmt – allein gesehen keine Wirkung entfalten.99 Art. 34 WVRÜ wäre aber dann unbeachtlich, wenn es sich bei dem Ausschluss der Immunität um Völkergewohnheitsrecht handelte. In diesem Fall würde Art. 27 Abs. 2 RS auch gegenüber Amtsträgern aus Nichtvertragsstaaten Wirkung entfalten. Der Ausschluss der funktionellen Immunität für Völkerrechtsverbrechen – und genau um solche Verbrechen handelt es sich ja im Römischen Statut – ist für die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen sowohl durch nationale wie auch internationale Gerichte mittlerweile völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.100 Daher findet Art. 27 Abs. 2 RS insoweit unproblematisch auch auf Amtsträger aus Nichtvertragsstaaten Anwendung. Eine funktionelle Immunität steht den betroffenen Amtsträgern mithin nicht zu. Problematischer gestaltet sich die Antwort allerdings im Bereich der persönlichen Immunität. Zwar spricht vieles dafür, auch in diesem Bereich im Rahmen der Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen zumindest durch ein internationales Gericht einen entsprechenden Satz des Völkergewohnheitsrechts anzunehmen.101 Genauso uneingeschränkt anerkannt wie der Ausschluss der funktionellen Immunität ist dieser
99
Helmut Kreicker, Der Präsident des Sudan vor dem Internationalen Strafgerichtshof – ein Verstoß gegen das Völkerrecht? Überlegungen zur völkerrechtlichen Immunität von Staatsoberhäuptern anlässlich des Haftbefehlsantrages gegen Omar al-Bashir, HuV-I21 (2008), 157 (161). 100
Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 609, 613; Helmut Kreicker, Der Präsident des Sudan vor dem Internationalen Strafgerichtshof – ein Verstoß gegen das Völkerrecht? Überlegungen zur völkerrechtlichen Immunität von Staatsoberhäuptern anlässlich des Haftbefehlsantrages gegen Omar al-Bashir, HuV-I21 (2008), 157 (158) m.w.N. 101
So auch Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 616; Antonio Cassese, International Criminal Law, 2008, 312. Hingegen wird ein völkergewohnheitsrechtlicher Ausschluss der persönlichen Immunität im Rahmen der Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen durch nationale Gerichte überwiegend abgelehnt, Helmut Kreicker, Der Präsident des Sudan vor dem Internationalen Strafgerichtshof – ein Verstoß gegen das Völkerrecht? Überlegungen zur völkerrechtlichen Immunität von Staatsoberhäuptern anlässlich des Haftbefehlsantrages gegen Omar al-Bashir, HuV-I21 (2008), 157 (160) m.w.N; Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), Judgment, I.C.J. Reports 2002, 3 Rn. 58.
Rechte u. Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gem. Römischem Statut
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Ausschluss aber nicht.102 Folgt man auf Grund der fehlenden Praxis also mit guten Gründen der Ansicht, die eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung eines solchen Immunitätsausschlusses ablehnt, so ist weiter zu fragen, ob der Sicherheitsrat das Recht hat, Amtsträgern aus Nichtvertragsstaaten einen völkergewohnheitsrechtlich noch nicht anerkannten Ausschluss der persönlichen Immunität aufzuerlegen. Diese Prüfung kann jedoch erst dann fortgesetzt werden, nachdem – im 6. Kapitel – die Grenzen des Handelns des Sicherheitsrats näher bestimmt worden sind.103
3. Ergebnis Die SR-Unterbreitung einer Situation in einem Nichtvertragsstaat kann sich nur auf völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbrechenstatbestände beziehen. Art. 27 Abs. 2 RS ist in Bezug auf die funktionelle Immunität auch auf Amtsträger aus Nichtvertragsstaaten anwendbar. Mangels eindeutiger völkergewohnheitsrechtlicher Anerkennung des Ausschlusses der persönlichen Immunität vor internationalen Strafgerichten lässt sich Gleiches für die persönliche Immunität derzeit wohl noch nicht sagen.
VI. Zusammenfassung Somit lassen sich die Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß Art. 13 lit. b) RS wie folgt zusammenfassen: Der Sicherheitsrat ist zu zeitlichen und örtlichen, nicht aber zu personellen Beschränkungen einer Unterbreitung befugt. Eine Befugnis des Sicherheitsrats zu nachträglichen zeitlichen und örtlichen Beschrän-
102
Vgl. zum Streitstand z.B. Paolo Gaeta, Official Capacity and Immunities, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 975 (988, 1000); Prosecutor v. Slobodan Milosevic, Decision on Preliminary Motions, Trial Chamber (8. November 2001), abrufbar unter http://www.icty.org/x/cases/slo bodan_milosevic/tdec/en/1110873516829.htm (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 26 ff. Ablehnend z.B. Robert Uerpmann-Wittzack, Immunität vor internationalen Strafgerichten, AVR 44 (2006), 33 (45 ff.). 103
Siehe dazu unten 8. Kapitel A.V.2.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
kungen ergibt sich aus dem Römischen Statut nicht. Hingegen finden nachträgliche Erweiterungen zeitlicher und örtlicher Art eine Grundlage im Römischen Statut. Nicht erweitern darf der Sicherheitsrat die Liste der verfolgbaren Verbrechen. Darüber hinaus ist es ihm verboten, Unterbreitungen in personeller Hinsicht zu erweitern. Hingegen kann er grundsätzlich die Gerichtsbarkeit des IStGH zeitlich vorverlagern – allerdings nicht über den Zeitpunkt des allgemeinen Inkrafttretens des Römischen Statuts (1. Juli 2002) hinaus. Erklärungen nach Art. 124 RS entfalten im Rahmen von SR-Unterbreitungen keine Wirkung. Der Sicherheitsrat ist nach dem Römischen Statut nicht verpflichtet, das Komplementaritätsprinzip zu beachten. Hingegen findet das Komplementaritätsprinzip für den IStGH auch im Rahmen von SR-Unterbreitungen Anwendung. Die SR-Unterbreitung einer Situation in einem Nichtvertragsstaat kann sich nur auf völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbrechenstatbestände beziehen. Art. 27 Abs. 2 RS ist in Bezug auf die funktionelle Immunität, wohl aber nicht in Bezug auf die persönliche Immunität auf Amtsträger aus Nichtvertragsstaaten anwendbar.
B. Aufschubrecht des Sicherheitsrats (Art. 16 RS) Art. 16 RS ist eine der umstrittensten Regelungen des Römischen Statuts. Vor der Annahme des jetzigen Wortlauts, der auf dem sog. Singapur-Kompromiss104 beruht, wurden mehrere andere Vorschläge abge-
104
Der Singapur-Kompromiss beruht auf dem von Singapur im August 1996 in den Vorbereitungsausschuss (Preparatory Committee) eingebrachten Vorschlag (Proposal for article 23 / submitted by Singapore, UN Doc. A/AC.249/WP.51 [27. August 1996]). Danach hätte Art. 16 RS den folgenden Wortlaut erhalten: “No investigation or prosecution may ber commenced or proceeded with under this Statute where the Security Council has, acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations, given a direction to that effect.”; ausführlicher dazu Lionel Yee, The International Criminal Court and the Security Council: Articles 13(b) and 16, in: Roy S. Lee (Hrsg.), The Interna-
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lehnt.105 Dazu gehörte insbesondere der Entwurf der Völkerrechtskommission für das Statut eines internationalen Strafgerichtshofs aus dem Jahre 1994, wonach “[n]o prosecution may be commenced under this Statute from a situation which is being dealt with by the Security Council as a threat to or a breach of the peace or an act of aggression under Chapter VII of the Charter, unless the Security Council otherwise decides.”106 Art. 16 RS107 lautet nun: Richtet der Sicherheitsrat in einer nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen angenommenen Resolution ein entsprechendes Ersuchen an den Gerichtshof, so dürfen für einen Zeitraum von 12 Monaten keine Ermittlungen und keine Strafverfolgung aufgrund dieses Statuts eingeleitet oder fortgeführt werden; das Ersuchen kann vom Sicherheitsrat unter denselben Bedingungen erneuert werden. Art. 16 RS gibt dem Sicherheitsrat die Möglichkeit, mit Hilfe einer Resolution unter Kapitel VII VN-Charta108 die Strafverfolgungstätigkeit des IStGH für zwölf Monate auszusetzen. Eine solche Kompetenz ist tional Criminal Court: The Making of the Rome Statute. Issues, Negotiations, Results, 1999, 143 (150). 105
Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (269). 106
Art. 23 Abs. 3 ILC Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind in: Report of the International Law Commission on the Work of its Forty-Sixth Session (2. Mai-22. Juli 1994), UN Doc. A/49/10, 85. Da für den Entwurf der Völkerrechtskommission für das Statut eines internationalen Strafgerichtshofs keine amtliche deutsche Übersetzung existiert, werden seine Bestimmungen hier im verbindlichen englischen Wortlaut wiedergegeben. Siehe zu diesem Entwurf bereits oben 1. Kapitel A.II. Zur Geschichte von Art. 16 RS siehe auch Flavia Lattanzi, Compétence de la cour pénale internationale et consentement des Etats, RGDIP 103 (1999), 425 (443 f.). 107
Ausführlich zur Entstehungsgeschichte von Art. 16 RS Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 75 ff. 108
Da das Erfordernis einer Resolution unter Kapitel VII VN-Charta zum Recht der VN-Charta gehört, wird es – wie bereits im Rahmen von Art. 13 lit. b) RS – auch erst dort besprochen, siehe unten 8. Kapitel B.II.
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dem Sicherheitsrat ausdrücklich bisher noch gegenüber keinem anderen Gericht eingeräumt worden.109 Hintergrund von Art. 16 RS ist, dass Ermittlungen gegen einzelne Personen sich negativ auf einen einen parallelen Friedensprozess auswirken könnten,110 so z.B., wenn gegen einen oder mehrere Verhandlungsführer von Konfliktparteien ermittelt wird.111 Art. 16 RS räumt in einem solchen Fall dem Sicherheitsrat die Möglichkeit ein, der Friedenssicherung vorübergehend Vorrang vor der Strafverfolgung zu gewähren.112 Eine Verlängerung eines vorgenommenen Aufschubs ist beliebig oft möglich.113 So enthält schon der Wortlaut von Art. 16 RS keine Einschränkung, die eine mehrmalige Verlängerung des Aufschubersuchens verbietet. Einzige Voraussetzung ist lediglich, dass die Verlängerung des Aufschubs dieselben Bedingungen wie das ursprüngliche Aufschubersuchen zur Grundlage hat. Somit steht aus der Sicht des Römischen Statuts einer mehrmaligen Verlängerung grundsätzlich nichts im Wege.114
109 Morten Bergsmo/Jelena Pejić, Article 16, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 595 (599 Rn. 10); Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 162. 110
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, 1154.
111
Jörg Meißner, Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nach dem Römischen Statut, 2003, 100 m.w.N. 112
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 163; Elizabeth Wilmshurst, The International Criminal Court: the Role of the Security Council, in: Mauro Politi/Giuseppe Nesi (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court. A Challenge to Impunity, 2001, 39 (40). 113
A.A. Ruth Wedgwood, The International Criminal Court: an American View, EJIL 10 (1999), 93 (97 f.), die – allerdings ohne Begründung – nur eine einmalige Verlängerung als zulässig erachtet. 114
Jörg Meißner, Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nach dem Römischen Statut, 2003, 101; Morten Bergsmo/Jelena Pejić, Article 16, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 595 (604 Rn. 25). Zu möglichen Ausnahmen von diesem Grundsatz im Hinblick auf das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren siehe aber unten 1. Kapitel B.II.5.
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Ein Unterschreiten der 12-Monats-Frist des Art. 16 RS stellt nach allgemeiner Ansicht kein Problem dar.115
I. Anwendbarkeit von Art. 16 RS 1. Anwendbarkeit von Art. 16 RS auf durch den Sicherheitsrat unterbreitete Situationen Findet Art. 16 RS auch auf diejenigen Situationen Anwendung, die dem IStGH zuvor durch den Sicherheitsrat unterbreitet worden waren? Dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte von Art. 16 RS lässt sich eine entsprechende Beschränkung des Suspendierungsrechts aus Art. 16 RS auf Fälle, die vom Ankläger oder durch Staaten initiiert wurden, nicht entnehmen. Möglicherweise kann man eine Unterbreitung des Sicherheitsrats nach Art. 13 lit. b) RS mit der Einrichtung der Ad hoc-Tribunale vergleichen.116 Wäre beides vergleichbar, so könnte man daraus, dass den Ad hoc-Tribunalen auch kein Aufschubrecht eingeräumt worden ist, den Schluss ziehen, dass dem Sicherheitsrat auch in Fällen des Art. 13 lit. b) RS kein solches Recht zusteht.117 Dem steht jedoch entgegen, dass die Verabschiedung von Art. 13 lit. b) RS zwar auch dadurch motiviert war, die zukünftige Einrichtung von Ad hoc-Tribunalen durch den Sicherheitsrat überflüssig zu machen;118 115
Morten Bergsmo/Jelena Pejić, Article 16, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 595 (603 Rn. 21); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 120 Fn. 566; Luigi Condorelli / Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (648 Fn. 85). 116
Vgl. dazu bereits Report of the International Law Commission on the Work of its Forty-Sixth Session (2. Mai-22. Juli 1994), UN Doc. A/49/10, 85. 117
Morten Bergsmo/Jelena Pejić, Article 16, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 595 (603 Rn. 24). 118
Siehe dazu schon oben 1. Kapitel A.IV.2.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich die Ad hoc-Tribunale und der IStGH allein schon durch die Art ihrer jeweiligen Einsetzung so grundlegend unterscheiden, dass ein solch weitreichender Vergleich zu weit geht. Hinzu kommt, dass ein Art. 16 RS vergleichbares Aufschubrecht nach den Statuten der Ad hoc-Tribunalen niemandem, also auch nicht den Staaten, zukommt. Auch diesbezüglich mangelt es demnach an der Vergleichbarkeit. Außerdem wäre es aus teleologischer Sicht nur schwer verständlich, warum der Sicherheitsrat sich durch eine vorangegange Unterbreitung einer Situation seines in allen anderen Situationen bestehenden Aufschubrechts begeben sollte.119 Zudem ist kein Grund dafür ersichtlich, warum nicht auch in Situationen, die zuvor vom Sicherheitsrat an den IStGH überwiesen wurden, die Situation einer Friedensbedrohung durch Gerichtsverfahren eintreten kann. Bestes Beispiel dafür ist der Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten al-Bashir in der vom Sicherheitsrat unterbreiteten Situation in Darfur.120 Schon als Reaktion auf die Beantragung des Haftbefehls durch den Ankläger am 14. Juli 2008 gab es aus Anlass der erforderlichen Verlängerung des Mandats der UN-AU-Friedensmission in Darfur Ende Juli 2008 hitzige Diskussionen im Sicherheitsrat, ob diese Verlängerung nicht mit einem Aufschub des Verfahrens gegen al-Bashir einhergehen sollte. Zwar einigte man sich letzten Endes lediglich auf einen Hinweis auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Art. 16 RS durch den Sicherheitsrat; aufs Neue bestimmte das Thema die Diskussionen aber, als die Vorverfahrenskammer letzten Endes tatsächlich einen Haftbefehl gegen al-Bashir ausstellte. Wie auch immer diese Diskussion ausgehen wird, zeigt sie bereits jetzt, dass auch in vom Sicherheitsrat unterbreiteten Situationen das Bedürfnis für ein Vorgehen nach Art. 16 RS entstehen kann. Folglich ist Art. 16 RS auch in Verfahren anwendbar, die dem IStGH gemäß Art. 13 lit. b) RS unterbreitet worden sind.121 119 Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 561. 120 121
Siehe dazu und zum Folgenden ausführlich unten 3. Kapitel C.III.
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 165; Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (644);
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2. Zeitliche Anwendbarkeit von Art. 16 Dies führt zu der Frage, in welchen Verfahrensstufen Art. 16 RS anwendbar ist. Der Wortlaut von Art. 16 RS erfasst die Begriffe der Ermittlungen (investigation) und der Strafverfolgung (prosecution). Eine Strafverfolgung beginnt, nachdem die Vorverfahrenskammer die Anklage eines bestimmten Täters bestätigt hat.122 Diesem Zeitpunkt gehen Ermittlungen voraus, die aber auch nach der Bestätigung der Anklage weitergeführt werden können. Insofern ist der Begriff der Ermittlung weiter, indem er den Begriff der Strafverfolgung umfasst. Somit erfasst Art. 16 RS sämtliche Handlungen ab Beginn der Ermittlungen. Handlungen vor der Aufnahme von Ermittlungen sind hingegen von dem Aufschub nicht betroffen. Zu den Handlungen, die vor der Aufnahme von Ermittlungen getätigt – und damit nicht von einem Aufschub erfasst – werden, könnte die Vorprüfung (preliminary examination) des Anklägers gemäß Art. 15 Abs. 2 RS123 gehören. Dafür, dass die Vorprüfung nicht den Ermittlungen zugeordnet wird, spricht der Wortlaut von Art. 15 Abs. 6 RS, wo zwischen Vorprüfung und Ermittlung ausdrücklich unterschieden wird.124 Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 561. 122
Morten Bergsmo/Jelena Pejić, Article 16, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 595 (601 Rn. 14); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 171. 123
Art. 15 Abs. 2 RS lautet:
„Der Ankläger prüft die Stichhaltigkeit der erhaltenen Informationen. Zu diesem Zweck kann er von Staaten, Organen der Vereinten Nationen, zwischenstaatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen oder anderen von ihm als geeignet erachteten zuverlässigen Stellen zusätzliche Auskünfte einholen und am Sitz des Gerichtshofs schriftliche oder mündliche Zeugenaussagen entgegennehmen.“ 124
Art. 15 Abs. 6 RS lautet:
„Gelangt der Ankläger nach der in den Absätzen 1 und 2 genannten Vorprüfung zu dem Schluss, dass die zur Verfügung gestellten Informationen keine hinreichende Grundlage für Ermittlungen darstellen, so teilt er dies den Infor-
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
Unterstützt wird dies durch die Systematik von Art. 15 RS, wonach die Vorprüfung des Anklägers den Ermittlungen zeitlich vorgelagert ist. Denn nach Art. 15 Abs. 3 RS beantragt der Ankläger mit Hilfe der Ergebnisse seiner Vorprüfung die Genehmigung zur Aufnahme von Ermittlungen.125 Somit findet die Vorprüfung zeitlich vor den Ermittlungen statt. Folglich ist die Vorprüfung des Anklägers vom Aufschub nicht erfasst.126 Somit sind insbesondere folgende Tätigkeiten des Anklägers auch nach der Verabschiedung einer Resolution gemäß Art. 16 RS noch möglich: die Auswertung der bisherigen Informationen, Art. 53 Abs. 1 RS; die Bitte an Staaten, Organe der Vereinten Nationen oder andere Organisationen, weitere Informationen bereit zu stellen, Art. 15 Abs. 2; die Entgegennahme schriftlicher oder mündlicher Zeugenaussagen, Art. 15 Abs. 2 RS. Ab dem Start der Ermittlungen, d.h. ab dem Moment, in dem der Ankläger zu dem Schluss gelangt, dass eine hinreichende Grundlage für die Aufnahme von Ermittlungen besteht (Art. 15 Abs. 3 RS), sind hingegen alle Maßnahmen der Organe des IStGH vom Aufschub erfasst.
manten mit […].“ Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 172. 125
Art. 15 Abs. 3 RS lautet:
„Gelangt der Ankläger zu dem Schluss, dass eine hinreichende Grundlage für die Aufnahme von Ermittlungen besteht, so legt er der Vorverfahrenskammer einen Antrag auf Genehmigung von Ermittlungen zusammen mit den gesammelten Unterlagen zu seiner Begründung vor. Opfer können in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung Eingaben an die Vorverfahrenskammer machen.“ 126
Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (651); Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (909); Mohamed M. El Zeidy, The United States Dropped the Atomic Bomb of Article 16 of the ICC Statute: Security Council Power of Deferrals and Resolution 1422, VandJTransnatlL 35 (2002), 1503 (1513); Morten Bergsmo/Jelena Pejić, Article 16, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 595 (601 Rn. 15).
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3. Anwendbarkeit von Art. 16 RS auf Situationen Fraglich ist, ob Art. 16 RS nur auf einzelne Fälle, oder auch auf ganze Situationen anwendbar ist. Unstreitig ist, dass der Begriff der Strafverfolgung (prosecution) ausschließlich einzelne, konkrete Fälle umfasst. Denn wenn ein SRErsuchen den Zeitpunkt nach Bestätigung der Anklage durch die Vorverfahrenskammer betrifft,127 ist Art. 16 RS schon nach der Natur der Sache auf konkrete Einzelfälle begrenzt. Somit ist der Aufschub der Strafverfolgung auf einzelne Fälle begrenzt. Zu prüfen ist, ob auch der Begriff der Ermittlungen (investigation) auf einzelne Fälle begrenzt ist. Dafür spricht, dass das Römische Statut an anderer Stelle nahe legt, dass der Ankläger Ermittlungen erst dann einleitet, wenn eine konkrete Sache vorliegt. So prüft der Ankläger gemäß Art. 53 Abs. 1 b) RS bei seiner Entscheidung über die Einleitung von Ermittlungen, „ob die Sache nach Artikel 17 zulässig ist oder wäre“, mithin, ob die Voraussetzungen des Komplementaritätsprinzips erfüllt sind. Das Komplementaritätsprinzip kann aber erst geprüft werden, wenn eine Situation sich zu einem konkreten Fall verdichtet hat. Dem steht allerdings entgegen, dass der Ankläger gemäß Art. 14 Abs. 1 RS nach der Unterbreitung einer Situation durch einen Vertragsstaat ersucht wird, „to investigate the situation“.128 Dies macht deutlich, dass Ermittlungen (investigation) sich auch auf ganze Situationen beziehen könnten.129 Wenn somit offenbar innerhalb des Römischen Statuts unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs „Ermittlungen“ verwendet 127
Siehe zur Definition der Strafverfolgung bereits oben 1. Kapitel B.I.2.
128
Der amtliche – aber nicht autoritative – deutsche Wortlaut von Art. 14 und 16 RS hilft an dieser Stelle nicht weiter, da in Art. 14 nicht von „ermitteln“, sondern von „untersuchen“ die Rede ist. So heißt es in Art. 14 Abs. 1 RS: „Ein Vertragsstaat kann eine Situation, in der es den Anschein hat, dass ein oder mehrere der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen begangen wurden, dem Ankläger unterbreiten und diesen ersuchen, die Situation zu untersuchen, um festzustellen, ob eine oder mehrere bestimmte Personen angeklagt werden sollen, diese Verbrechen begangen zu haben.“ (Hervorhebung hinzugefügt.) Daher wird hier auf die englische – autoritative – Version zurückgegriffen. 129
Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (270 f.).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
werden, so sind im Zweifel alle Bedeutungen von Art. 16 RS umfasst; denn Art. 16 RS verbietet jegliche Ermittlungen des Anklägers („keine Ermittlungen“). Somit bezieht sich der Begriff der Ermittlungen vom Wortlaut her sowohl auf einzelne Fälle als auch auf ganze Situationen.130
4. Anwendbarkeit von Art. 16 RS auf abstrakte Situationen Fraglich ist jedoch, ob Art. 16 RS nur konkrete, oder auch abstrakte Situationen erfasst. Abstrakte Situationen sind solche, in denen Ermittlungen durch den IStGH (noch) nicht geplant sind, jedenfalls nicht unmittelbar bevorstehen. Ein klarer Fall einer abstrakten Situation liegt vor, wenn in der betroffenen Region (noch) gar keine Verbrechen begangen worden sind. Für eine Begrenzung der Anwendbarkeit von Art. 16 RS auf konkrete Situationen spricht, dass Art. 16 RS die Wirkung eines Aufschubersuchens auf Ermittlungen und Strafverfolgungen begrenzt. Denn für die Aufnahme von (auch Strafverfolgungen umfassenden) Ermittlungen erlegt Art. 15 Abs. 3 RS dem Ankläger eine „hinreichende Grundlage“ auf, die für abstrakte Situationen naturgemäß noch nicht existieren kann. Vielmehr beträfe der Aufschub einer abstrakten Situation, in der noch gar keine Verbrechen begangen wurden, die Zeit vor der Vorprüfung, welche selbst nicht einmal von Art. 16 RS erfasst ist.131 Darüber hinaus wird die Begrenzung von Art. 16 RS auf konkrete Situationen dann deutlich, wenn man sich den Zweck dieser Vorschrift in Erinnerung ruft: Sie soll dem Sicherheitsrat in konkreten Situationen die Möglichkeit geben, der Friedenssicherung in einer Abwägungsentscheidung vorübergehend Vorrang vor der Strafverfolgung zu gewähren.132 Diese Abwägungsentscheidung kann aber nicht losgelöst von einer konkreten Situation, losgelöst von der Schwere eines Verbrechens, der Stellung
130
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 165. 131 132
Siehe dazu oben 1. Kapitel B.I.2. Siehe dazu schon oben 1. Kapitel B.
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und Funktion des mutmaßlichen Täters und der Intensität der Bedrohung des Weltfriedens durch eine Strafverfolgung getroffen werden.133 Mithin ist an dieser Stelle festzuhalten, dass Art. 16 RS das Handeln des Sicherheitsrats auf konkrete Situationen begrenzt.134135
5. Ergebnis Somit konnte geklärt werden, dass Art. 16 RS auch in den Verfahren anwendbar ist, die dem IStGH gemäß Art. 13 lit. b) RS unterbreitet worden sind. Nicht erfasst vom Aufschub ist die Vorprüfung des Anklägers. Zudem beschränkt das Römische Statut Aufschübe des Sicherheitsrats auf Situationen mit bereits begangenen Verbrechen, also konkrete Fälle oder Situationen.
II. Rechtsfolgen eines Aufschubs nach Art. 16 RS Fraglich ist, ob eine Aufschubresolution des Sicherheitsrats für den IStGH verbindlich ist (1.), wie weit sie auch betroffene VN-Mitgliedstaaten bindet (2.), inwiefern sie sich auf Opfer- und Zeugenschutz- (3.) und auf beweissichernde Maßnahmen auswirkt (4.) und ob den IStGH unter einer Aufschubresolution die Pflicht zur Entlassung bereits inhaftierter Beschuldigter trifft (5.).
133
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 174 f. 134
So die wohl hM, siehe nur Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 171 m.w.N; a.A. Olufemi Elias/Anneliese Quast, The Relationship between the Security Council and the International Criminal Court in the Light of Resolution 1422 (2002), NSAIL 2003, 165 (177); Torsten Stein, Der Internationale Strafgerichtshof – Start über Stolpersteine, in: Horst Fischer u.a. (Hrsg.), Krisensicherung und Humanitärer Schutz – Crisis Management and Humanitarian Protection. Festschrift für Dieter Fleck, 2004, 559 (570). 135
Zur Frage, ob dem auch im Endergebnis zuzustimmen ist, siehe unten 8. Kapitel B.III.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
1. Verbindlichkeit des Ersuchens des Sicherheitsrats unter Art. 16 RS Fraglich ist, ob der Aufschub des Sicherheitsrats gemäß Art. 16 RS verbindlich ist. Diese Frage drängt sich deswegen auf, weil der in Art. 16 RS verwendete Begriff „Ersuchen“ (request) Unverbindlichkeit nahe legt. Doch diese Wortwahl sollte nicht auf Unverbindlichkeit hinweisen, sondern war eher dem Ansehen des IStGH geschuldet.136 Liest man die Norm zudem weiter, so stößt man auf die Worte „dürfen […] keine Ermittlungen und keine Strafverfolgung […] eingeleitet oder fortgeführt werden“, was die Verbindlichkeit des Ersuchens aufzeigt. Daran ändert sich auch nichts durch die Diskussion, ob der Sicherheitsrat überhaupt internationale Organisationen – und damit den IStGH – wirksam verpflichten kann.137 Denn selbst wenn man bei dieser Frage zu einem negativen Ergebnis kommen sollte, ergibt sich die Verpflichtung zumindest unmittelbar aus Art. 16 RS, der dem Sicherheitsrat ausdrücklich die Befugnis gibt, den IStGH unmittelbar zu adressieren.138 Damit handelt es sich bei einem Vorgehen des Sicherheitsrats im Sinne von Art. 16 RS um ein verbindliches Ersuchen.139
136 Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (910). 137
Siehe dazu unten 7. Kapitel B.
138
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (910). 139 Roberto Lavalle, A Vicious Storm in a Teacup: the Action by the United Nations Security Council to Narrow the Jurisdiction of the International Criminal Court, CLF 14 (2003), 195 (200 f.); Gabriël H. Oosthuizen, Some Preliminary Remarks on the Relationship between the Envisaged International Criminal Court and the UN Security Council, NILR XLVI (1999), 313 (331 f.): Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 165; Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (910).
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2. Bindung der VN-Mitgliedstaaten an ein Ersuchen des Sicherheitsrats nach Art. 16 RS Die Kooperationspflichten der Vertragsstaaten des Römischen Statuts werden von einem Ersuchen des Sicherheitsrats gemäß Art. 16 RS ebenfalls aufgeschoben, soweit es sich um Maßnahmen handelt, die von Art. 16 RS umfasste Tätigkeiten des IStGH unterstützen würden. Denn die Aufrechterhaltung von Kooperationspflichten gegenüber einem Gerichtshof, der selbst zur Untätigkeit verpflichtet ist, widerspräche Sinn und Zweck des Verfahrensaufschubs. Art. 86 ff. RS sind also für die Dauer der wirksamen Resolution unanwendbar.140 Fraglich ist jedoch, ob ein Aufschubersuchen an den IStGH die VNMitgliedstaaten auch zum Aufschub entsprechender Ermittlungen und/oder Verfahren verpflichtet. Doch verhalten sich alle beteiligten Organe gemäß den Bestimmungen des Römischen Statuts, dürfte diese Frage nie relevant werden. Denn Art. 16 RS bezieht sich nur auf konkrete Situationen.141 In solchen Situationen wird der IStGH aber ohnehin nur aktiv, wenn nationale Strafgerichtsbarkeiten gemäß dem Komplementaritätsregime auf eine Strafverfolgung verzichten oder diesbezüglich versagen. Daraus folgt, dass in diesem Fall die beteiligten Staaten gar nicht Adressat der Resolution sein müssen, da sie ohnehin keine eigene Strafverfolgung anstreben. Wendet der Sicherheitsrat also Art. 16 so an, wie von den Gründern des IStGH beabsichtigt, stellt sich diese Frage gar nicht.142
3. Auswirkungen eines Aufschubs gemäß Art. 16 RS auf Opfer- und Zeugenschutz Fraglich ist, ob Maßnahmen, die für den Schutz von Opfern und Zeugen erforderlich sind, auch nach dem Aufschubersuchen des Sicherheitsrats möglich sind.143 Der Wortlaut ermöglicht die Maßnahmen zum
140
Jörg Meißner, Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nach dem Römischen Statut, 2003, 103 f. 141
Siehe oben 1. Kapitel B.I.4.
142
Zu dieser Frage, wenn die SR-Resolution auch abstrakte Situationen erfasst, siehe unten 8. Kapitel B.IV.1. 143 Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The
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Zeugen- oder Opferschutz auch nach einem Aufschub, da diese nicht vom Begriff der Ermittlungen im eigentlichen Sinne umfasst sind. Darüber hinaus sind derartige gerichtliche Maßnahmen aber auch nicht von Sinn und Zweck des Art. 16 RS erfasst, da eine Aufrechterhaltung oder gar Verschärfung einer Friedensbedrohung von ihnen in keinem Fall ausgehen. Somit bleiben gewährte Opfer- und Zeugenschutzmaßnahmen auch im Rahmen eines Aufschubs wirksam. Zudem ist der Ankläger befugt, weitere Maßnahmen zu ergreifen, sollte sich dies als notwendig erweisen.
4. Zulässigkeit beweissichernder Maßnahmen des Anklägers während eines Aufschubs gemäß Art. 16 RS Anders als Maßnahmen des Zeugen- und Opferschutzes fallen beweissichernde Maßnahmen des Anklägers im Sinne von Art. 56 RS144 eindeutig unter den Begriff der Ermittlungen.145 Dass auch beweissichernde Maßnahmen von einem Aufschub nach Art. 16 RS erfasst werden, bezeugt zudem die Entstehungsgeschichte von Art. 16. So wurde der belgische Vorschlag, dass der Ankläger auch während der Sperrwirkung
Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (651 f.). 144
Art. 56 Abs. 1 RS lautet:
„Art. 56 Rolle der Vorverfahrenskammer bei einer einmaligen Gelegenheit zu Ermittlungsmassnahmen 1. a) Ist der Ankläger der Auffassung, dass Ermittlungen eine einmalige Gelegenheit darstellen, mündliche oder schriftliche Zeugenaussagen zu erhalten oder Beweismittel zu prüfen, zu sammeln oder auf ihre Beweiskraft zu untersuchen, die für die Zwecke einer Verhandlung später möglicherweise nicht mehr verfügbar sein werden, so unterrichtet er die Vorverfahrenskammer dahingehend. b) In diesem Fall kann die Vorverfahrenskammer auf Antrag des Anklägers die notwendigen Massnahmen ergreifen, um die Wirksamkeit und Ordnungsmässigkeit des Verfahrens zu gewährleisten und insbesondere die Rechte der Verteidigung zu wahren. […].“ 145
Luigi Condorelli / Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I 2002, 627 (652). Vgl. dazu allein Art. 56 Abs. 1a) RS.
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von Art. 16 beweissichernde Maßnahmen ergreifen dürfe,146 von der Mehrheit der Staaten abgelehnt.147 Zwar hat dies zur Konsequenz, dass so die entsprechenden Beweise unwiderbringlich verloren gehen können. Doch auch beweissichernde Maßnahmen bergen die Gefahr in sich, dass Maßnahmen zur Friedenssicherung gestört werden. Somit gebieten auch Sinn und Zweck von Art. 16 RS, dass beweissichernde Maßnahmen vom Aufschub erfasst sind. Zu einem anderen Ergebnis könnte man möglicherweise über eine Analogie zu Art. 19 Abs. 8 RS gelangen.148 Gemäß Art. 19 Abs. 8 RS kann der Ankläger während der Phase, in der die Vorverfahrenskammer über ihre Gerichtsbarkeit entscheidet – während dieser Phase müssen die Ermittlungen des Anklägers gemäß Art. 19 Abs. 7 RS grundsätzlich ruhen – bei der Vorverfahrenskammer beantragen, „notwendige Ermittlungsmaßnahmen […] zu ergreifen“, bis die Kammer über ihre Gerichtsbarkeit entscheidet. In einer Aufschubsituation gemäß Art. 16 RS kann man durchaus Parallelen zu einer Situation unter Art. 19 Abs. 8 RS finden.149 Dennoch ist eine Analogie ist an dieser Stelle nicht möglich. Denn eine Analogie bedarf einer planwidrigen Regelungslücke.150 Da sich die Staa-
146
United Nations Diplomatic Conference of Plenipotentiaries on the Establishment of an International Criminal Court, Committee on the Whole, Proposal Submitted by Belgium, A/Conf.183/C.1/L.7 (19. Juni 1998); dazu Flavia Lattanzi, Compétence de la cour pénale internationale et consentement des Etats, RGDIP 103 (1999), 425 (443). 147
Pietro Gargiulo, The Controversial Relationship between the International Criminal Court and the Security Council, in: Flavia Lattanzi/William A. Schabas (Hrsg.), Essays on the Rome Statute of the International Criminal Court, Bd. 1, 1999, 67 (90); Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 205. 148
Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 205. 149
Dazu Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 206. 150
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 1989, 80.
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ten aber bewusst gegen den belgischen Vorschlag entschieden haben, kann jedenfalls von einer Planwidrigkeit keine Rede sein. Einen Ausweg aus dieser Situation bietet dann eher die Einschätzungsprärogative des Anklägers, die ihm durch Art. 15 Abs. 3 und Art. 53 Abs. 1 S. 1 RS gewährt wird. Danach liegt es grundsätzlich in seiner Hand zu entscheiden, wann eine hinreichende Grundlage für den Beginn offizieller Ermittlungen gegeben ist.151 Zwar kann die Vorverfahrenskammer diese Entscheidung gemäß Art. 53 Abs. 3 RS grundsätzlich durchaus überprüfen. Stellt der Ankläger sich jedoch geschickt an, so kann er die Grenze zwischen der Sammlung von Informationen und dem offiziellen Ermittlungsbeginn durchaus ein wenig dehnen.152 Dies ändert jedoch nichts am Ergebnis, dass beweissichernde Maßnahmen unter den Wirkungen von Art. 16 RS nicht ergriffen werden dürfen.
5. Pflicht des IStGH zur Entlassung eines bereits Inhaftierten nach einer Sicherheitsrats-Resolution gemäß Art. 16 RS Dem Wortlaut von Art. 16 RS lässt sich nicht entnehmen, ob der IStGH auf Grund einer Resolution gemäß Art. 16 RS zur Entlassung eines inhaftierten Beschuldigten verpflichtet ist.153 Fraglich ist, ob sich eine so weitgehende Verpflichtung implizit aus Art. 16 RS herauslesen lässt. Dagegen spricht zunächst, dass gegen einen Beschuldigten, der in Haft sitzt, nicht nur ein dringender Tatverdacht (Art. 58 Abs. 1 a) RS), sondern auch der Verdacht der Flucht- oder Verdunklungsgefahr (Art. 58 Abs. 1 b) RS) besteht. Diese materiellen Voraussetzungen müssten aber von einer Resolution mit prozessualem Ziel (dem Verfahrensaufschub)
151
So richtig Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 207. 152
Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 207. 153
Mohamed M. El Zeidy, The United States Dropped the Atomic Bomb of Article 16 of the ICC Statute: Security Council Power of Deferrals and Resolution 1422, VandJTransnatlL 35 (2002), 1503 (1514).
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grundsätzlich unberührt bleiben.154 Allerdings lässt sich für die Verpflichtung zur Haftentlassung der Sinn und Zweck des Art. 16 RS anführen: In aller erster Linie soll ein Aufschub gemäß Art. 16 RS Friedensverhandlungen mit dem Beschuldigten ermöglichen. Solche Verhandlungen sind aber in der Regel nur schwer vorstellbar, wenn sich der Beschuldigte in Haft befindet. Soweit also die Haft des Beschuldigten den Zweck des Aufschubs – die Ermöglichung von Friedensverhandlungen – konterkariert, kann ein Aufschub auch die Verpflichtung umfassen, den Betreffenden aus der Haft zu entlassen. Allerdings wäre dabei auf den Einzelfall abzustellen und jeweils zu klären, ob eine Haftentlassung wirklich nötig ist, oder ob im konkreten Fall nicht auch weniger einschneidende Mittel existieren um sicherzustellen, dass Friedensverhandlungen geführt werden können. So ist z.B. daran zu denken, den Beschuldigten nicht vollständig aus der Haft zu entlassen, sondern ihm nur (unter Bewachung) die jeweiligen Reisen zu den Friedensverhandlungen zu ermöglichen. Wenngleich sich dies als wenig praktikabel erweisen mag, sollte vor einer grundsätzlichen Haftentlassung doch solche möglichen weniger einschneidenen Maßnahmen geprüft werden. Sollte der Beschuldigte im konkreten Fall einmal nicht aus der Haft entlassen werden – sei es, weil es weniger einschneidende Maßnahmen für die Ermöglichung von Friedensverhandlungen gibt, sei es, weil die Haftentlassung sich als nicht erforderlich für den vom Sicherheitsrat verfolgten Zweck erweist – wird man dem IStGH allerdings auferlegen müssen, bei einem Aufschubersuchen durch den Sicherheitsrat dessen Auswirkungen auf die Rechte des Beschuldigten auf ein faires Verfahren, insbesondere das Recht des Beschuldigten auf ein zügiges Verfahren (Art. 67 Abs. 1 c) RS) und die Unschuldsvermutung (Art. 66 Abs. 1 RS) regelmäßig zu überprüfen. Sollte die zuständige Kammer einen Verstoß gegen diese Rechte feststellen, wäre sie verpflichtet, den Beschuldigten zu entlassen.155 Dies wäre dann aber eine Entscheidung, die 154
Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 205 Fn. 899. 155 Mohamed M. El Zeidy, The United States Dropped the Atomic Bomb of Article 16 of the ICC Statute: Security Council Power of Deferrals and Resolution 1422, VandJTransnatlL 35 (2002), 1503 (1514); Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (652 f.). Vgl. dazu
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gemäß Art. 60 Abs. 3 RS i.V.m. Regel 118 Abs. 2 Verfahrens- und Beweisordnung des IStGH (Rules of Procedure and Evidence; RPE)156
auch Decision on the Release of Thomas Lubanga Dyilo, ICC-01/04-01/06-1418 (2. Juli 2008), abrufbar unter http://www2.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc522804. PDF (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 30: “As just set out, the Chamber’s Decision stayed the proceedings sine die because of the present impossibility of trying the accused fairly. It follows that the detention of the accused cannot be justified in order to ensure his appearance at trial or to safeguard the investigation, because the trial (which was the result of the investigation) has been stayed. Furthermore, in the absence of the prospect of a trial, the accused cannot be held in custody or subjected to provisional release as purely preventative measures to deter him from committing further crimes.” (Fußnoten entfernt.) Vgl. ebenso Judgment on the Appeal of the Prosecutor against the Decision of Trial Chamber I Entitled “Decision on the Release of Thomas Lubanga Dyilo”, ICC-01/04-01/06-1487 (21. Oktober 2008), abrufbar unter http://www.icccpi.int/iccdocs/doc/doc578365.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 37: “At the same time, the Chamber must be vigilant that any continued detention would not be for an unreasonably long period of time, in breach of internationally recognised human rights (see article 9 (3) of the International Covenant on Civil and Political Rights of 16 December 1966, article 5 (3) of the [European] Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms of 4 November 1950, and article 7 (5) of the American Convention on Human Rights of 22 November 1969; see also article 7 (1) (d) of the African Charter on Human and Peoples’ Rights of 27 June 1981, which generally provides for the right to a trial within a reasonable time).” (Fußnoten entfernt.) 156
Art. 60 Abs. 3 RS lautet:
“Die Vorverfahrenskammer überprüft regelmäßig ihre Entscheidung über die Haftentlassung der Person oder die Aufrechterhaltung der Haft; sie kann dies jederzeit auf Antrag des Anklägers oder der Person tun. Nach dieser Überprüfung kann sie ihre Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Haft, die Haftentlassung oder Auflagen für die Haftentlassung ändern, wenn sie überzeugt ist, dass veränderte Umstände dies erfordern.” Art. 118 Abs. 1 RPE lautet: “The Pre-Trial Chamber shall review its ruling on the release or detention of a person in accordance with article 60, paragraph 3, at least every 120 days and may do so at any time on the request of the person or the Prosecutor.” Die RPE wurden am 9. September 2002 von der Versammlung der Vertragsstaaten angenommen und traten am selben Tag in Kraft. Sie sind abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/F1E0AC1C-A3F3-4A3C-B9A7-B3E8B1 15E886/140164/Rules_of_procedure_and_Evidence_English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010).
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durch den IStGH getroffen würde und damit von den Wirkungen der SR-Resolution unabhängig wäre.157 Folglich muss im Einzelfall geklärt werden, ob eine Resolution gemäß Art. 16 RS den IStGH dazu verpflichtet, den Beschuldigten aus der Haft zu entlassen.
6. Ergebnis Damit lässt sich für die Rechtsfolgen einer Aufschubresolution festhalten: Ein solcher Aufschub ist eine den IStGH bindende Entscheidung. Die Frage, ob sie darüber hinaus auch die betroffenen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen bindet, stellt sich unter dem Regime des Römischen Statuts hingegen nicht. Opfer- und Zeugenschutzmaßnahmen bleiben auch im Rahmen eines Aufschubs wirksam (für bereits ergriffene Maßnahmen) und zulässig (für zukünftige Maßnahmen). Beweissichernde Maßnahmen dürfen unter einer Aufschubresolution hingegen nicht ergriffen werden. Ob eine Resolution gemäß Art. 16 RS auch eine Haftentlassung beinhaltet, muss im Einzelfall geklärt werden.
III. Zusammenfassung Somit sind Resolutionen gemäß Art. 16 RS für den IStGH bindend. Der Sicherheitsrat kann auch in durch ihn selbst initiierten Verfahren eine Resolution gemäß Art. 16 RS erlassen. Sie ist nach dem Römischen Statut aber immer beschränkt auf konkrete Fälle oder Situationen. Nicht umfasst von einer Aufschubresolution sind die Vorprüfung des Anklägers und Opfer- und Zeugenschutzmaßnahmen. Hingegen fallen beweissichernde Maßnahmen in den Anwendungsbereich von Art. 16 RS. Ob eine Resolution gemäß Art. 16 RS den IStGH zur Entlassung eines Inhaftierten verpflichtet, muss im Einzelfall geklärt werden. 157
Es ist zu beachten, dass der IStGH auch bei einer „nur“ einjährigen Verfahrensaussetzung zur Beachtung der Grundsätze auf ein faires Verfahren verpflichtet wäre und somit auch in dieser Zeit bereits zu dem Schluss kommen kann, dass ein Angeklagter entlassen werden muss.
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C. Kooperationspflichten (Art. 87 RS) Staatliche Pflichten zur Zusammenarbeit mit dem IStGH müssen aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachtet werden: der Perspektive der Vertragsstaaten (I.) sowie der Perspektive der Nichtvertragsstaaten (II.). Während Art. 86 RS für die Vertragsstaaten des Römischen Statuts eine uneingeschränkte Pflicht zur Kooperation mit dem IStGH aufstellt,158 kann Nichtvertragsstaaten auf Grund des in Art. 34 WVRÜ niedergelegten pacta tertiis-Grundsatzes keine vergleichbare Pflicht auferlegt werden.
I. Kooperationspflichten der Vertragsstaaten Jede Pflicht ist dann wertlos, wenn ihr kein effektiver Durchsetzungsmechanismus zur Seite gestellt wird. Ein Durchsetzungsmechanismus für den Fall, dass Vertragsstaaten entgegen ihrer völkerrechtlichen Pflicht nicht mit dem IStGH kooperieren, findet sich in Art. 87 Abs. 7 RS. Dieser lautet: Leistet ein Vertragsstaat entgegen diesem Statut einem Ersuchen des Gerichtshofs um Zusammenarbeit nicht Folge und hindert er dadurch den Gerichtshof an der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Befugnisse aufgrund dieses Statuts, so kann der Gerichtshof eine entsprechende Feststellung treffen und die Angelegenheit der Versammlung der Vertragsstaaten oder, wenn der Sicherheitsrat die Angelegenheit dem Gerichtshof unterbreitet hat, dem Sicherheitsrat übergeben. Die Möglichkeiten der Versammlung der Vertragsstaaten, auf mangelnde Kooperation eines Vertragsstaats zu reagieren, werden in den einschlägigen Bestimmungen des Römischen Statuts zur Versammlung der
158
Art. 86 RS lautet:
„Art. 86 Allgemeine Verpflichtung zur Zusammenarbeit Die Vertragsstaaten arbeiten nach Maßgabe dieses Statuts bei den Ermittlungen in Bezug auf Verbrechen, die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegen, und bei deren strafrechtlicher Verfolgung uneingeschränkt mit dem Gerichtshof zusammen.“
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Vertragsstaaten, Art. 112 Abs. 2 f. RS, nicht konkretisiert.159 Denkbar ist neben einer Verurteilung des Völkerrechtsverstoßes160 die Aufforderung an den betreffenden Staat, die Völkerrechtsverletzung zu beenden.161 Da es sich nach richtiger Ansicht bei Art. 112 Abs. 2 f. RS nicht um eine abschließende Regelung über die Rechtsfolgen der Staatenverantwortlichkeit handelt,162 sind darüber hinaus auch Empfehlungen an die übrigen Vertragsstaaten, kollektive Gegenmaßnahmen zu ergreifen, zulässig.163 Allerdings ist doch zu bedenken, dass die Versammlung der Vertragsstaaten ob ihrer Größe und ihrer seltenen Einberufung164 ein eher ungeeigneter Ort für derartige Sanktionen sein dürfte.165 159 Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 174; Claus Kreß/Kimberley Prost, Article 87, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1517 (1530 Rn. 38). 160
Claus Kreß, Vor III 26, Internationaler Strafgerichtshof, in: Heinrich Grützner/Paul-Günther Pötz/Claus Kreß (Hrsg.), Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Dezember 2002, Rn. 221, weist zu Recht darauf hin, dass völkergewohnheitsrechtliche Gründe des Ausschlusses der Völkerrechtswidrigkeit hier äußerst selten Anwendung finden dürften. Denn erstens enthält Teil 9 des RS ein spezielles Regime von Aufschiebungs- und Ablehnungsgründen, und zweitens ist die Struktur der Zusammenarbeitspflichten nichtreziproker Natur. Zu denkbaren Ausnahmen von der Völkerrechtswidrigkeit Claus Kreß/Kimberley Prost, Article 87, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1517 (1529 Rn. 33). 161
Claus Kreß, Vor III 26, Internationaler Strafgerichtshof, in: Heinrich Grützner/Paul-Günther Pötz/Claus Kreß (Hrsg.), Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Dezember 2002, Rn. 221. 162
Claus Kreß, Vor III 26, Internationaler Strafgerichtshof, in: Heinrich Grützner/Paul-Günther Pötz/Claus Kreß (Hrsg.), Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Dezember 2002, Rn. 221. 163 Claus Kreß/Kimberley Prost, Article 87, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1517 (1530 f. Rn. 39). 164
Gemäß Art. 112 Abs. 6 RS trifft sich die Versammlung der Vertragsstaaten einmal jährlich, kann aber auch außerplanmäßig einberufen werden, „wenn die Umstände es erfordern“. 165
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 174.
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Geeigneter dürfte dann schon ein Handeln des Sicherheitsrats sein, um das der IStGH den Sicherheitsrat gemäß Art. 87 Abs. 7 RS ersuchen kann. Allerdings fällt auf, dass Art. 87 Abs. 7 RS ein solches Ersuchen ausdrücklich von einer vorangegangenen Unterbreitung einer Situation an den IStGH durch den Sicherheitsrat abhängig macht. Ist diese Bedingung erfüllt, so sind die Schritte, die der Sicherheitsrat einleiten kann, nicht weiter umschrieben. Es liegt mithin vollständig in seiner Kompetenz zu entscheiden, ob er Maßnahmen ergreift, und, falls ja, welche Maßnahmen und auf welcher Grundlage – Kapitel VI oder Kapitel VII VN-Charta – er nun einleitet.166 Sollte der Sicherheitsrat den betreffenden Staat zur Kooperation verpflichten, so finden im Anschluss daran die Art. 86 ff. RS Anwendung.167 Eine entsprechende Ersuchenskompetenz des IStGH ohne vorangegangene Unterbreitung durch den Sicherheitsrat existiert nach dem Römischen Statut hingegen nicht. Warum im Römischen Statut diese Einschränkung aufgenommen wurde, ist unklar. Es wäre wünschenswert gewesen, dem IStGH unter allen Umständen die Kompetenz zuzugestehen, den Sicherheitsrat um Hilfe bitten zu können.168 Rechtliche Gründe gegen die Entfernung dieser Einschränkung sind nicht ersichtlich, da es sich wie bei dem in der aktuellen Form des Art. 87 Abs. 7 RS vorgesehenen – und soeben angesprochenen – Ersuchen lediglich um eine Anfrage ohne Bindungswirkung für den Sicherheitsrat gehandelt hätte. Jedoch reichen diese Gründe nicht aus, um eine entsprechende Befugnis des IStGH entgegen dem Wortlaut zu kreieren.
166
Mirko Zambelli, Les relations entre la Cour pénale internationale et le Conseil de sécurité: La nécessaire conciliation entre justice et paix internationales, L’Observateur des Nations Unies 20/21 (2006), 197 (208). Vgl. Tatjana Maikowski, Staatliche Kooperationspflichten gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof, 2002, 264; Gabriël H. Oosthuizen, Some Preliminary Remarks on the Relationship between the Envisaged International Criminal Court and the UN Security Council, NILR XLVI (1999), 313 (338). 167
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 175. 168
Antonio Cassese, The Statute of the International Criminal Court: Some Preliminary Reflections, EJIL 10 (1999), 144 (166); Giuseppe Palmisano, The ICC and Third States, in: Flavia Lattanzi/William A. Schabas (Hrsg.), Essays on the Rome Statute of the International Criminal Court, Bd. 1, 1999, 391 (419); Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 179.
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Somit bleibt festzuhalten, dass dem IStGH die Befugnis für Kooperationsersuchen an den Sicherheitsrat lediglich im Falle einer vorangegangenen Unterbreitung der zugrundeliegenden Situation an den IStGH zusteht.169 Ersucht der IStGH den Sicherheitsrat in rechtmäßiger Weise um Kooperation, so steht es im Ermessen des Sicherheitsrats, ob – und gegebenenfalls auf welche Weise – er auf dieses Ersuchen reagiert.
II. Kooperationspflichten der Nichtvertragsstaaten Die Zusammenarbeit mit Nichtvertragsstaaten regelt Art. 87 Abs. 5 RS. Dieser lautet: a) Der Gerichtshof kann jeden Staat, der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist, ersuchen, aufgrund einer Ad-hoc-Vereinbarung, einer Übereinkunft mit diesem Staat oder auf jeder anderen geeigneten Grundlage Unterstützung nach diesem Teil zu leisten. b) Leistet ein Staat, der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist und der eine Ad-hoc-Vereinbarung getroffen hat, einem aufgrund der Vereinbarung oder einer Übereinkunft gestellten Ersuchen um Zusammenarbeit nicht Folge, so kann der Gerichtshof die Versammlung der Vertragsstaaten oder, wenn der Sicherheitsrat die Angelegenheit dem Gerichtshof unterbreitet hat, den Sicherheitsrat davon unterrichten. Staaten, welche die Zuständigkeit des IStGH im Wege einer Ad-hocVereinbarung oder einer Übereinkunft gemäß Art. 12 Abs. 3 RS anerkennen, sind gemäß Art. 87 Abs. 5a und b) RS für die Zwecke der in Teil 9 des Römischen Statuts niedergelegten Zusammenarbeit ab dieser Anerkennung weitgehend wie Vertragsstaaten zu behandeln.170 Folglich sind – unter den oben für Vertragsstaaten genannten Voraussetzungen – 169
Zur Frage, ob dem SR nach der VN-Charta das Recht zusteht, in einem solchen Fall aus eigener Initiative tätig zu werden, siehe unten 8. Kapitel C.I. 170
Kenneth S. Gallant, The International Criminal Court in the System of States and International Organizations, LJIL 16 (2003), 553 (581); Claus Kreß, Vor III 26, Internationaler Strafgerichtshof, in: Heinrich Grützner/PaulGünther Pötz/Claus Kreß (Hrsg.), Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Dezember 2002, Rn. 214; Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 177.
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auch hier die Einschaltung der Versammlung der Vertragsstaaten durch den IStGH sowie im Falle einer Unterbreitung durch den Sicherheitsrat die Einschaltung des letzteren durch den IStGH möglich. Zwar finden sich Wortlautunterschiede zwischen Art. 87 Abs. 5b) und 7 RS. Während Abs. 5 b) von „unterrichten“ spricht, ist in Abs. 7 die Rede von „übergeben“. Hintergrund dieses Unterschiedes ist aber lediglich das Bedürfnis einiger Konferenzteilnehmer, in Bezug auf Nichtvertragsstaaten eine möglichst schwache Begrifflichkeit zu verwenden.172 Für die Auslegung ist dieser Unterschied nicht weiter von Bedeutung. Insbesondere bedeutet der Begriff „übergeben“ nicht, dass der IStGH damit die Angelegenheit vollständig aus seiner Hand gibt und den kooperationsunwilligen Staat selbst nicht mehr adressieren darf.173 Als problematischer erweisen sich hingegen die Fälle, in denen ein Nichtvertragsstaat keine Vereinbarung mit dem IStGH geschlossen hat. Gemäß Art. 87 Abs. 5 a) RS darf der IStGH den Staat in einem solchen Fall nur dann um Zusammenarbeit ersuchen, wenn eine andere „geeignete Grundlage“ vorliegt. Eine solche ist insbesondere in einer SRResolution, die den Staat zur Zusammenarbeit mit dem IStGH verpflichtet, zu sehen.174 Dabei ist es irrelevant, ob diese Resolution im Rahmen einer Situation von Art. 13 lit. a), b) oder c) RS verabschiedet wurde.175
171
Siehe dazu oben 2. Kapitel C.I.
172
Claus Kreß/Kimberley Prost, Article 87, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1517 (1525 Rn. 25). 173
Gabriël H. Oosthuizen, Some Preliminary Remarks on the Relationship between the Envisaged International Criminal Court and the UN Security Council, NILR XLVI (1999), 313 (339 f.); Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 178. 174 Corrina Heyder, The U.N. Security Council’s Referral of the Crimes in Darfur to the International Criminal Court in Lights of U.S. Opposition to the Court: Implications for the International Criminal Court’s Functions and Status, BerkeleyJIntlL 24 (2006), 650 (655). 175
A.A. Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 181 f., der Art. 87 Abs. 5a) RS auf Grund der Tatsache, dass Art. 87 Abs. 5b) RS keinen Hinweis auf die „geeignete Grundlage“ enthält, auf Resolutionen im Rahmen von Art. 13 lit. b) RS beschränken will. Dabei verkennt Heilmann
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Wie schon bezüglich der Vertragsstaaten ist auch bezüglich der Nichtvertragsstaaten das Vorliegen einer Unterbreitungsresolution von Bedeutung für die Frage, ob der IStGH den Sicherheitsrat über die fehlende Kooperation unterrichten darf. Nur wenn der Sicherheitsrat dem IStGH die entsprechende Situation zuvor unterbreitet hat, ist es dem IStGH nach Art. 87 Abs. 5 b) RS gestattet, den Sicherheitsrat über eine fehlende Kooperation zu unterrichten.176 Dabei stellt Art. 87 Abs. 5 b) RS zudem noch ein Erfordernis auf, das wohl für einen eher geringen Anwendungsbereich dieses Artikels sorgen wird: Denn in Art. 87 Abs. 5 b) ist nur von den Staaten die Rede, die eine Ad-hoc-Vereinbarung oder eine Übereinkunft mit dem IStGH getroffen haben. Hingegen werden ausdrücklich nicht diejenigen Staaten genannt, die vom IStGH gemäß Art. 87 Abs. 5 a) RS auf einer anderen geeigneten Grundlage, nämlich einer SR-Resolution, zur Zusammenarbeit angehalten wurden. Daraus folgt, dass der IStGH den Sicherheitsrat nur dann über die fehlende Kooperation eines Nichtvertragsstaates informieren darf, wenn dieser eine Kooperationsvereinbarung mit dem IStGH getroffen hat und dem IStGH die zugrundeliegende Situation durch den Sicherheitsrat unterbreitet wurde. Dieser Anwendungsfall dürfte jedoch eher selten vorkommen, da davon auszugehen ist, dass der Sicherheitsrat am ehesten Situationen unterbreiten wird, die durch kooperationsunwillige Staaten gekennzeichnet sind. Der Abschluss einer Ad hoc-Vereinbarung erscheint unter diesen Umständen eher unwahrscheinlich.177
jedoch die verschiedenen Anwendungsgebiete der Absätze 5a) (Ersuchen des IStGH an die Staaten) und 5b) (Ersuchen des IStGH an den SR). 176 A.A. Mirko Zambelli, Les relations entre la Cour pénale internationale et le Conseil de sécurité: La nécessaire conciliation entre justice et paix internationales, L’Observateur des Nations Unies, 20/21 (2006), 197 (207 f.), wonach es Zweck und Systematik des Römischen Statuts geböten, dass der IStGH auch ohne vorangegangene Unterbreitung den SR unterrichten dürfe. Dem widerspricht aber, wie auch schon im Rahmen von Art. 87 Abs. 7 RS, der Wortlaut. 177
Aus diesem Grund wollen Claus Kreß/Kimberley Prost, Article 87, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1517 (1525 Rn. 26), den Anwendungsbereich von Art. 87 As. 5b) RS auch auf Nichtvertragsstaaten ausweiten, die kein Abkommen mit dem IStGH geschlossen haben. Diese Sichtweise missachtet jedoch den diesbezüglich klaren Wortlaut.
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III. Zusammenfassung Somit darf der IStGH Staaten nur dann zur Kooperation auffordern, wenn diese entweder Vertragsparteien des Römischen Statuts sind, eine entsprechende Übereinkunft mit dem IStGH geschlossen haben, oder wenn der Sicherheitsrat sie zuvor zur Kooperation verpflichtet hat. Bleibt die Kooperation aus, so darf der IStGH den Sicherheitsrat nur dann um Hilfe bitten, wenn der Sicherheitsrat dem IStGH zuvor die zugrundeliegende Situation unterbreitet hat und diese Situation entweder einen Vertragsstaat oder einen Staat, der ein Abkommen mit dem IStGH geschlossen hat, betrifft. Ersucht der IStGH den Sicherheitsrat in rechtmäßiger Weise um Kooperation, so steht es im Ermessen des Sicherheitsrats, ob – und gegebenenfalls auf welche Weise – er auf dieses Ersuchen reagiert.178
D. Aggressionsverbrechen (Art. 5 Abs. 2 RS) Die Ausgestaltung des Verbrechens der Aggression ist für das Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat von zentraler Bedeutung. Art. 5 Abs. 1d) RS unterstellt das Aggressionsverbrechen zwar der Zuständigkeit des IStGH. Auf eine Definition und konkrete Ausgestaltung dieses Verbrechens konnte man sich im Rahmen der Rom-Konferenz jedoch nicht einigen. So lautet Art. 5 Abs. 2 RS: Der Gerichtshof übt die Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression aus, sobald in Übereinstimmung mit den Artikeln 121 und 123 eine Bestimmung angenommen worden ist, die das Verbrechen definiert und die Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Hinblick auf dieses Verbrechen festlegt. Diese Bestimmung muss mit den einschlägigen Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen vereinbar sein.
178
Zur Frage, welche Befugnisse der Sicherheitsrat ohne ein Ersuchen des IStGH hat, siehe unten 8. Kapitel C.I.
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Noch in Rom179 wurde die Vorbereitungskommission für den Internationalen Strafgerichtshof (Preparatory Commission for the International Criminal Court; Vorbereitungskommission) damit beauftragt, die Diskussion über die nähere Ausgestaltung des Aggressionsverbrechens fortzusetzen.180 Diese setzte 1999 eine eigene Arbeitsgruppe zum Tatbestand der Aggression ein,181 welche aber nicht über ein Diskussionspapier zu den verschiedenen Vorschlägen hinaus kam.182 Mit dem Inkrafttreten des Römischen Statuts übergab die Vorbereitungskommission die Angelegenheit der Versammlung der Vertragsstaaten, die wiederum eine eigene Arbeitsgruppe, die Sonderarbeitsgruppe für das Aggressionsverbrechen (Special Working Group for the Crime of Aggression; SWGCA), gründete.183 Die mit offenem Ende eingesetzte und für alle Mitgliedstaaten der VN offene184 SWGCA beendete im Februar 2009 ihre Arbeit und übergab der Versammlung der Vertragsstaaten ihre Vor179
Zu den Bemühungen um eine Einigung auf eine Aggressionsdefinition im Vorfeld und auf der Konferenz von Rom siehe Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (870 ff.). 180
United Nations Diplomatic Conference of Plenipotentiaries on the Establishment of an International Criminal Court, Final Act of the United Nations Diplomatic Conference of Plenipotentiaries on the Establishment of an International Criminal Court, UN Doc. A/Conf.183/10 (17. Juli 1998), Annex I, Resolution F, Rn. 7. Die Vorbereitungskommission für den Internationalen Strafgerichtshof wurde auf der Rom-Konferenz ins Leben gerufen, um vor In-KraftTreten des Römischen Statuts weiter effiziente Vorarbeit zu leisten, ausführlich dazu Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 49. 181
Preparatory Commission for the International Criminal Court: Proceedings of the Preparatory Commission at its 2nd session (26. Juli-13. August 1999), UN Doc. PCNICC/1999/L.4/Rev.1 (18. August 1999), Rn. 8 (a). 182
Report of the Preparatory Commission for the International Criminal Court (continued), Addendum, Part II: Proposals for a Provision on the Crime of Aggression (1.-12. Juli 2002), UN Doc. PCNICC/2002/2/Add.2 (24. Juli 2002); Torsten Stein, Aggression als Verbrechen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes – „A Bridge Too Far“?, in: Heinz Müller-Dietz u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, 2007, 935 (938 f.). 183
Assembly of States Parties, Continuity of Work in Respect of the Crime of Aggression, ASP/1/Res.1 (9. September 2002), Rn. 2. 184
Assembly of States Parties, Continuity of Work in Respect of the Crime of Aggression, ASP/1/Res.1 (9. September 2002), Rn. 2.
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schläge.185 Allerdings stellt der Vorsitzende der SWGCA, der Ständige Vertreter Liechtensteins bei den Vereinten Nationen Christian Wenaweser, klar, dass “nothing is agreed until everything is agreed”.186 Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 RS soll im Folgenden auf den Stand der Definitionsansätze innerhalb der SWGCA eingegangen werden (I.). Anschließend wird die Rolle des Sicherheitsrats im Rahmen der Strafverfolgung des Aggressionsverbrechens aus der Sicht des Römischen Statuts beleuchtet (II.).
I. Die Definition des Tatbestands der Aggression In den Bemühungen um eine Definition des Aggressionstatbestands wurde im Rahmen der SWGCA in vielen Bereichen eine Einigung erzielt.187 185
Assembly of State Parties: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/20/Add.1 (6. Juni 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGCA/ICCASP-6-20-Add1-AnnexII-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 46. Dass die SWGCA ihre Arbeit im Frühjahr 2009 beenden würde, war zuvor durch die Versammlung der Vertragsstaaten festgelegt worden, Assembly of State Parties: Seventh Session, Resolution 3: Strengthening the International Criminal Court and the Assembly of States Parties, ICC-ASP/7/Res.3 (21. November 2008), abrufbar unter http://www2.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/Resolu tions/ICC-ASP-ASP7-Res-03-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 60. 186
Assembly of State Parties: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/20/Add.1 (6. Juni 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGCA/ICCASP-6-20-Add1-AnnexII-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn 4. 187
So ist man sich z.B. einig, dass es sich beim Aggressionsverbrechen um ein Führungsverbrechen (leadership crime) handelt, Torsten Stein, Aggression als Verbrechen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes – „A Bridge Too Far“?, in: Heinz Müller-Dietz u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, 2007, 935 (939). Stein weist allerdings darauf, dass noch nicht in letzter Konsequenz geklärt ist, wer genau unter diesen Personenkreis zu fassen ist. So sei insbesondere unklar, ob davon auch die führenden militärischen Befehlshaber fallen, die „unter strikter Beachtung des Primats der Politik die Befehle der Regierung ausführen“. Kritisch zum Kriterium des Führungsverbrechens Kevin Jon Heller, Retreat from Nuremberg: The Leadership Requirement in the Crime of Ag-
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Uneinigkeit besteht hingegen weiterhin bezüglich der Frage, welche Vorgehensweisen konkret dem staatlichen Aggressionsverbrechen unterfallen sollen. Während wohl alle Mitglieder der SWGCA die GVResolution 3314 (XXIX) vom 14. Dezember 1974188 als Grundlage für das weitere Vorgehen anerkennen, ist umstritten, ob der neue Tatbestand diese Resolution vollständig oder zum Teil in seinen Wortlaut aufnehmen, lediglich auf die Resolution verweisen oder nur auf der Grundlage der Resolution eigene Tatbestände schaffen soll. Ebenso umstritten ist die Frage, ob man für das Aggressionsverbrechen eine Strafbarkeitshürde anlegt – und falls ja, welche. Z.T. wird das unter Hinweis darauf, dass Art. 1 RS die Zuständigkeit des IStGH ohnehin schon auf die „schwersten Verbrechen von internationalem Belang“ beschränkt, abgelehnt. Andere verlangen für die Zuständigkeit des IStGH eine „flagrante Verletzung der Charta der Vereinten Nationen“,189 während teilweise sogar die restriktive Voraussetzung eines „Angriffskrieges“ verlangt wird.190 Relevanter als die Definitionsbemühungen ist aber die Rolle des Sicherheitsrats im Rahmen des Aggressionsverbrechens, welche im Folgenden aus der Sicht des Römischen Statuts näher beleuchtet wird. gression, EJIL 18 (2007), 477 ff. Auch über die Ausgestaltung der erforderlichen individuellen Tatbeiträge erzielte die SWGCA grundsätzlich eine Einigung. So entschied man sich für eine Anwendbarkeit der allgemeinen Tatbeitragsgrundsätze des Art. 25 Abs. 3 auch im Rahmen des Aggressionsverbrechens und damit für den sog. differentiated approach. Abgelehnt wurde damit der sog. monistic approach, wonach Art. 8 bis selbst sämtliche Tatbeiträge aufgenommen hätte und damit Art. 25 Abs. 3 RS für das Aggressionsverbrechen überflüssig gemacht hätte. 188
Definition of Aggression, A/RES/3314 (XXIX) vom 14. Dezember 1974. Dazu Karl Doehring, Völkerrecht, 2004, 248 f. Rn. 572 ff. 189
So Art. 8 bis Abs. 1 in der Endfassung der SWGCA, siehe Proposals for a Provision on Aggression Elaborated by the Special Working Group on the Crime of Aggression, in: Assembly of State Parties: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/20/Add.1 (6. Juni 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGC A/ICC-ASP-6-20-Add1-AnnexII-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Annex I, 11. 190
Gerd Westdickenberg/Oliver Fixson, Das Verbrechen der Aggression im Römischen Statut des Internationalen Gerichtshofes, in: Jochen Abr. Frowein (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 483 (509 f.).
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II. Die Rolle des Sicherheitsrats im Rahmen des Aggressionsverbrechens Nach Art. 5 Abs. 2 RS muss der Aggressionstatbestand „mit den einschlägigen Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen vereinbar sein“. Damit verweist Art. 5 Abs. 2 RS auf die besondere Kompetenz des Sicherheitsrats im Rahmen der Feststellung eines staatlichen Aggressionsakts gemäß Art. 39 VN-Charta und deutet darauf hin, dass der Aggressionstatbestand gerade das Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat regeln soll,191 lässt aber weitere Einzelheiten offen. Nun existiert im Römischen Statut insbesondere mit Art. 16 RS ja bereits eine Regelung, die sich ausdrücklich zum Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat äußert. Auf dieser Grundlage könnte man den Verweis in Art. 5 Abs. 2 RS so verstehen, dass eine Regelung zu schaffen ist, die über die Kompetenzen des Sicherheitsrats in Art. 16 RS hinausgeht, dem Sicherheitsrat also eine stärkere Position als im Rahmen der übrigen Tatbestände einzuräumen sei.192 Da im Rahmen von Art. 16 RS der Sicherheitsrat selbst aktiv werden muss, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen, müsste ihm dann im Rahmen des Aggressionstatbestands eine verfahrensrechtlich vorgelagerte Rolle zuzugestehen sein. Das hieße, dass schon nach dem Römischen Statut im Rahmen der Aggression jegliche Strafverfolgung mit einer Einschaltung des Sicherheitsrats begonnen werden müsste.193 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Art. 5 Abs. 2 RS mit Absicht mit unklarem Wortlaut entworfen wurde, um sowohl den Befürwortern als auch den Gegnern einer Sicherheitsrat-Beteiligung die Zu191
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 231. 192
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 231. 193
Sir Franklin Berman (Leiter der britischen Delegation auf der RomKonferenz), United Nations Diplomatic Conference of Plenipotentiaries on the Establishment of an International Criminal Court, Summary Record of the 9th Plenary Meeting, UN Doc. A/CONF.183/SR.9 (1999), Rn. 51; Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 231.
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stimmung zum Römischen Statut zu ermöglichen.194 Diese bewusste Entscheidung spricht dagegen, Art. 5 Abs. 2 RS die soeben dargelegte Bedeutung beizumessen. Folglich lässt sich aus Art. 5 Abs. 2 RS über die Beteiligung des Sicherheitsrats nichts Entscheidendes herauslesen. Vielmehr kommt es auf die Auslegung der in diesem Zusammenhang relevanten Bestimmungen der VN-Charta an, die im 8. Kapitel vorgenommen wird.195 Einigt sich die Überprüfungskonferenz auf einen Aggressionstatbestand, so stellen sich im Anschluss daran zwei Fragen: Erstens müssen die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Annahme des Aggressionstatbestands durch die Mitgliedstaaten geklärt werden (III.). Zweitens muss geprüft werden, auf welche Weise die Änderung in das Römische Statut integriert wird (IV.).
III. Verfahrensrechtliche Anforderungen an die Annahme des Aggressionstatbestands Sollten sich die Mitgliedstaaten auf der Überprüfungskonferenz trotz aller Widrigkeiten auf einen Wortlaut des Aggressionstatbestands einigen, folgen nicht zu verachtende verfahrenstechnische Hürden, die ebenfalls noch übersprungen werden müssen. Insoweit verweist Art. 5 Abs. 2 RS auf Art. 121 und 123 RS. Dabei wird aus Art. 123 RS klar, dass eine Integrierung des Aggressionstatbestands in das Römische Statut nicht vor der Überprüfungskonferenz möglich ist, die frühestens sieben Jahre nach Inkrafttreten des Römischen Statuts vorgesehen ist. Relevante Bestimmungen im Rahmen von Art. 121 RS sind die Absätze 3-6. Art. 121 Abs. 3 RS verlangt eine Zweidrittelmehrheit der Vertragsstaaten für die Annahme einer Änderung, während Abs. 4 eine Ratifizierung dieser Änderung durch mindestens sieben Achtel der Staaten zum Erfordernis macht. Bis hier entspräche das Verfahren einer ganz normalen Änderung des Römischen Statuts. Besonderheiten stellt Art. 194
Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007), 277 (280), die auch darauf hinweist, dass diese Unklarheit auch einer der Gründe war, warum die Vereinigten Staaten letztlich gegen das Römische Statut stimmten. 195
Siehe dazu unten 8. Kapitel D.
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121 RS aber für Änderungen (amendment) der Verbrechenstatbestände der Art. 5-8 RS auf. Eine Änderung der einzelnen Tatbestände tritt nämlich außerhalb der Erfordernisse der Absätze 3 und 4 nur für diejenigen Staaten in Kraft, die einer Änderung zugestimmt haben. Fraglich ist allerdings, ob sich Art. 121 Abs. 5 RS auch auf eine Integrierung des Aggressionstatbestands in das Römische Statut bezieht. Man könnte argumentieren, die Integrierung des Aggressionstatbestands in das Römische Statut sei keine „Änderung“, sondern lediglich die Annahme einer Bestimmung196 und damit der bloße Abschluss eines Prozesses, der bereits auf der Rom-Konferenz in Gang gesetzt worden sei.197 Dagegen spricht jedoch, dass Art. 121 Abs. 5 RS ausdrücklich auch auf Art. 5 RS verweist, ohne insoweit Art. 5 Abs. 1 d) und Abs. 2 RS von den Wirkungen auszunehmen.198 Zudem umfasst der Begriff der Änderung in Art. 121 Abs. 5 RS auch Ergänzungen, was aus dem englischen Begriff des amendment deutlich wird.199 Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn – wie bisher geplant –200 der Aggressionstat196
Vgl. Art. 5 Abs. 2 RS, der davon spricht, dass “eine Bestimmung angenommen” werden muss. 197
Otto Triffterer, Der ständige Internationale Strafgerichtshof – Anspruch und Wirklichkeit. Anmerkungen zum „Rome Statute of the International Criminal Court“ vom 17. Juli 1998, in: Karl Heinz Gössel/Otto Triffterer (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Heinz Zipf, 1999, 493 (541); Astrid Reisinger Coracini, ‘Amended Most Serious Crimes’: A New Category of Core Crimes within the Jurisdiction but out of the Reach of the International Criminal Court?, LJIL 21 (2008), 699 (716). Vgl. auch Assembly of State Parties: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/20/Add.1 (6. Juni 2008), abrufbar unter http://www.icccpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGCA/ICC-ASP-6-20-Add1-AnnexII-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 10. 198
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 99. 199
Anja Seibert-Fohr, Das Verbrechen der Aggression im Rom-Statut: Fragen der Vertragsänderung und Jurisdiktion, ZIS 3 (2008), 361 (363). SeibertFohr weist zu Recht auf die ersten zehn Zusatzartikel (Amendments) zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika hin, bei denen es sich um Ergänzungen der Verfassung handelt. 200
Vgl. die Draft Amendments to the Rome Statute of the International Criminal Court, in: Assembly of States Parties: Resumed Sixth Session, Discussion Paper on the Crime of Aggression Proposed by the Chairman (revision June
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bestand die Artikel 6-8 RS unberührt ließe und stattdessen durch einen neuen Artikel (derzeit 8 bis) ins Römische Statut aufgenommen würde. Denn materiellrechtlich gesehen handelte es sich dabei dennoch um eine Änderung der Artikel 5-8 RS.201 Kommt man somit zu dem Ergebnis, dass die Einfügung der Aggressionsdefinition ins Römische Statut unter Art. 121 Abs. 5 RS fällt,202 so sollte man mit der Einfügung der Regelung über die Rolle des Sicherheitsrats, also der Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Aggressionsverbrechen, genauso verfahren. Zwar werden diese beiden Punkte aus Gründen der Klarheit in der SWGCA getrennt voneinander behandelt;203 die Anwendbarkeit von Art. 121 Abs. 4 RS auf die Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit, während auf die Aggressionsdefinition Art. 121 Abs. 5 RS anwendbar ist, wäre aber „künstlich“.204 Da es sich zudem bei der Rolle des Sicherheitsrats im Rahmen des Aggressionsverbrechens um eine zentrale Frage handelt,
2008), ICC-ASP/6/SWGCA/2 (14. Mai 2008), abrufbar unter http://www.iccno w.org/documents/ICC-ASP-6-SWGCA-2_English1.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 201
So Anja Seibert-Fohr, Das Verbrechen der Aggression im Rom-Statut: Fragen der Vertragsänderung und Jurisdiktion, ZIS 3 (2008), 361 (363 f.), die zudem noch überzeugende teleologische Gründe für die Anwendbarkeit von Art. 121 Abs. 5 RS vorbringt. 202 Vgl. aber auch den Vorschlag, eine Kombination aus Art. 121 Abs. 4 und 5 RS anzuwenden, Assembly of State Parties: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/20/Add.1 (6. Juni 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGC A/ICC-ASP-6-20-Add1-AnnexII-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 7. Dagegen spricht jedoch der Wortlaut von Abs. 4 („Soweit in Absatz 5 nichts anderes vorgesehen ist“), so richtig ibid. Rn. 8. 203
Es ist ein großes Verdienst der SWGCA, die Definition des Aggressionstatbestands (im vorgeschlagenen Art. 8 bis) von den Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit (im vorgeschlagenen Art. 15 bis) zu trennen, vgl. Assembly of State Parties: Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/SWGCA/1 (13. Dezember 2007), http:// www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGCA/ICC-ASP-6-SWGCA-1_English.p df (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 29. 204
Anja Seibert-Fohr, Das Verbrechen der Aggression im Rom-Statut: Fragen der Vertragsänderung und Jurisdiktion, ZIS 3 (2008), 361 (364).
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wäre ihre Eingruppierung unter Abs. 4 RS nicht sachgemäß.205 Und so besteht auch innerhalb der SWGCA weite Unterstützung für die gleiche Behandlung von Definition und den Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit.206 Folglich ist auf die Integrierung des gesamten Aggressionstatbestands in das Römische Statut nach richtiger Ansicht Art. 121 Abs. 5 RS anwendbar.207 Die SWGCA hat bezüglich dieser Frage allerdings zu keiner Einigung gefunden.208 Letztlich wird die Entscheidung der Überprüfungskonferenz entscheidend davon abhängen, „wie wohl sich die Staaten mit den zu Definition des Tatbestandes und Ausübung der Gerichtsbarkeit be-
205 So zu Recht Anja Seibert-Fohr, Das Verbrechen der Aggression im RomStatut: Fragen der Vertragsänderung und Jurisdiktion, ZIS 3 (2008), 361 (364), die zudem darauf hinweist, dass dies auch rechtspolitisch gesehen nicht wünschenswert wäre. 206
Assembly of State Parties: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/20/Add.1 (6. Juni 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGCA/ICCASP-6-20-Add1-AnnexII-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 6; vgl. aber auch Assembly of State Parties: Seventh Session (Second Resumption), Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICCASP/7/SWGCA/2 (20. Februar 2009), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/ic cdocs/asp_docs/ICC-ASP-7-SWGCA-2%20English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 11. 207
Andreas Zimmermann, Article 5, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 129 (141 Rn. 40); Alain Pellet, Entry Into Force and Amendment of the Statute, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 145 (183); Anja Seibert-Fohr, Das Verbrechen der Aggression im Rom-Statut: Fragen der Vertragsänderung und Jurisdiktion, ZIS 3 (2008), 361 (363); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 99. 208
Assembly of State Parties: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/20/Add.1 (6. Juni 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGCA/ICCASP-6-20-Add1-AnnexII-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 6 ff.
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schlossenen Ergebnissen fühlen.“209 Je mehr Staaten sich mit der Lösung einverstanden zeigen, desto wahrscheinlicher ist die Subsumtion unter Art. 121 Abs. 4 RS.
IV. Implementierung der Änderungen in das Römische Statut Während nach dem derzeitigen Stand der Dinge die Aggressionsdefinition in einem neu zu schaffenden Art. 8 bis unterkommen würde, würden die Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit in einem ebenfalls neuen Art. 15 bis untergebracht. Auch weitere in diesem Zusammenhang relevante Bestimmungen würden an entsprechender Stelle einfach hinzugefügt.210 Wenn man allerdings bedenkt, dass auf Grund der Anwendbarkeit von Art. 121 Abs. 5 RS letzten Endes nicht alle Mitgliedstaaten des Römischen Statuts auch den neuen Aggressionstatbestand ratifizieren werden, trüge eine Integrierung der Bestimmungen unmittelbar ins Römische Statut nicht gerade zur Übersichtlichkeit (bei
209
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 211. Vgl. auch Assembly of State Parties: Seventh Session (Second Resumption), Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/7/SWG CA/2 (20. Februar 2009), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_ docs/ICC-ASP-7-SWGCA-2%20English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 6. 210
So soll z.B. der folgende Text als Abs. 3 bis hinter Art. 25 Abs. 3 RS eingefügt werden: “In respect of the crime of aggression, the provisions of this article shall apply only to persons in a position effectively to exercise control over or to direct the political or military action of a State.”, Proposals for a Provision on Aggression Elaborated by the Special Working Group on the Crime of Aggression, in: Assembly of State Parties: Seventh Session: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, 6. Juni 2008, ICC-ASP/6/20/Add.1, abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp _docs/SWGCA/ICC-ASP-6-20-Add1-AnnexII-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Annex I, 13. Weitere Vorschläge zur Integrierung des Aggressionstatbestands finden sich bei Assembly of State Parties: Third Session, Informal Inter-Sessional Meeting of the Special Working Group on the Crime of Aggression, The Hague, 6-10 September 2004, ICC-ASP/3/SVGCA/INF.1 (13. August 2004), abrufbar unter http://www.liechtenstein.li/en/pdf-fl-aussenstelle -newyork-dokumente-icc-report-intersessionals-2004-official-doc.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 11.
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welchen Staaten darf die Aggression verfolgt werden?) bei. Vorteilhafter wäre stattdessen wohl die Ausarbeitung eines Zusatzprotokolls, das zugleich dazu beitragen könnte, dass keine notwendigen Regelungen übersehen werden und dadurch keine unbeabsichtigten Konsequenzen entstehen.211 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Ausarbeitung eines Zusatzprotokolls in der SWGCA bereits diskutiert wurde und dabei wenig Unterstützung erfuhr.212
V. Ermächtigung des IStGH durch den Sicherheitsrat zur Verfolgung des Aggressionsverbrechens in einem Staat, der den Aggressionstatbestand nicht ratifiziert hat Ist der Aggressionstatbestand einmal gemäß Art. 121 Abs. 5 RS angenommen und ins Römische Statut aufgenommen worden, so würde diese Aufnahme nicht für diejenigen Staaten wirksam, welche die Änderung nicht ratifizieren. Fraglich ist, ob dies auch dann noch gilt, wenn der Sicherheitsrat gemäß Art. 13 lit. b) RS den IStGH dazu ermächtigt, auch gegen Angehörige eines solchen Staates wegen eines Aggressionsverbrechens zu ermitteln, der die Aufnahme des Tatbestands nicht ratifiziert hat.213 Der Wortlaut des Art. 13 lit. b) RS scheint zunächst gegen ein solches Unterbreitungsrecht. Denn anders als in Bezug auf die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 2 RS fehlt in Art. 13 lit. b) RS eine ausdrückliche Anordnung im Römischen Statut, wonach die Zulässigkeitsvoraussetzun-
211 Anja Seibert-Fohr, Das Verbrechen der Aggression im Rom-Statut: Fragen der Vertragsänderung und Jurisdiktion, ZIS 3 (2008), 361 (366). 212
Assembly of State Parties: Third Session, Informal Inter-Sessional Meeting of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/3/SVG CA/INF.1 (13. August 2004), abrufbar unter http://www.liechtenstein.li/en/pd f-fl-aussenstelle-newyork-dokumente-icc-report-intersessionals-2004-official-d oc.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 11 c). 213
Vgl. dazu Assembly of State Parties: Seventh Session (Second Resumption), Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICCASP/7/SWGCA/2 (20. Februar 2009), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/ic cdocs/asp_docs/ICC-ASP-7-SWGCA-2%20English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 28 f.
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gen des Art. 121 Abs. 5 RS im Rahmen einer Unterbreitung durch den Sicherheitsrat keine Anwendung finden.214 Dagegen spricht aber, dass Art. 121 Abs. 5 S. 2 RS auf die Gerichtsbarkeits-Vorbedingungen des Art. 12 Abs. 2 RS Bezug nimmt, indem er darauf hinweist, dass der IStGH „seine Gerichtsbarkeit über ein von der Änderung erfasstes Verbrechen“ nicht ausübt, wenn das Verbrechen von Staatsangehörigen des Vertragsstaats, der die Änderung nicht ratifiziert hat, oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde. Somit macht Art. 121 Abs 5 S. 2 RS die Gerichtsbarkeit des IStGH sowohl von der Ratifizierung (hier: der Änderung des Römischen Statuts), als auch von denselben Kriterien abhängig, die auch Art. 12 Abs. 2 RS enthält. Genau diese Vorbedingungen finden nun aber gemäß Art. 12 Abs. 2 RS im Rahmen von SR-Unterbreitungen keine Anwendung. Eine weitere ausdrückliche Anordnung der Unbeachtlichkeit für Art. 121 Abs. 5 RS war somit überhaupt nicht nötig. Somit ist auch Art. 121 Abs. 5 RS im Rahmen von SR-Unterbreitungen unbeachtlich.215 Allerdings ist zu beachten, dass das Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats auf Grund des nullum crimen-Grundsatzes auch im Rahmen des Aggressionsverbrechens auf völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Teile dieses Tatbe-
214
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 100. Im Ergebnis gleich Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, 1051; Giorgio Gaja, The Long Journey towards Repressing Aggression, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 427 (439). 215
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 211; Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 413; Anja Seibert-Fohr, Das Verbrechen der Aggression im Rom-Statut: Fragen der Vertragsänderung und Jurisdiktion, ZIS 3 (2008), 361 (365). Vgl. auch Assembly of State Parties: Seventh Session (Second Resumption), Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/7/SWGCA/2 (20. Februar 2009), abrufbar unter http://www.icccpi.int/iccdocs/asp_docs/ICC-ASP-7-SWGCA-2%20English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 28 f.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
stands beschränkt ist, soweit Staaten betroffen sind, welche den Aggressionstatbestand nicht ratifiziert haben.216
VI. Zusammenfassung Mithin trifft Art. 5 Abs. 2 RS keine Regelungen über die Beteiligung des Sicherheitsrats an der Verfolgung des Aggressionsverbrechens durch den IStGH. Auf die Annahme des neuen Tatbestands ist Art. 121 Abs. 5 RS anwendbar, dessen Gerichtsbarkeitsbeschränkungen jedoch im Rahmen von SR-Unterbreitungen – in den Grenzen des nullum crimenGrundsatzes – unbeachtlich sind. Ratsam wäre es, die Änderungen rund um den Aggressionstatbestand in einem Zusatzprotokoll zu platzieren.
216
Siehe zu dieser Beschränkung im Rahmen der anderen Tatbestände des Römischen Statuts bereits oben 1. Kapitel A.V.1. Auf der Grundlage der bisher einzigen Präzdenzfälle, der Urteile von Nürnberg und Tokio, ist zumindest der Angriffskrieg nach Völkergewohnheitsrecht strafbar. Nicht der Fall ist dies – mangels entsprechender Praxis – hingegen für diejenigen Angriffshandlungen, die in ihrer Intensität hinter dem Angriffskrieg zurückbleiben, so zu Recht Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 1049; Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 1299; vgl. auch Antonio Cassese, International Criminal Law, 2008, 156 f.
2. Kapitel: Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß dem Beziehungsabkommen zwischen Vereinten Nationen und IStGH Nachdem nun alle für das Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat relevanten Bestimmungen des Römischen Statuts aus Sicht des letzteren analysiert wurden, folgt nun eine Untersuchung derjenigen Bestimmungen des Beziehungsabkommens zwischen den Vereinten Nationen und dem IStGH (BA), die einen Bezug zu diesem Verhältnis aufweisen. Das Beziehungsabkommen zwischen den Vereinten Nationen und dem IStGH trat mit Unterzeichnung durch den damaligen Präsidenten des IStGH, Philippe Kirsch, sowie den damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, am 4. Oktober 2004 in Kraft.217 Seine Grundlage findet es in Art. 2 RS, wo es heißt, dass der IStGH „durch ein Abkommen […] mit den Vereinten Nationen in Beziehung gebracht“ wird, sowie im Ersuchen der Generalversammlung an den Generalsekretär, ein entsprechendes Abkommen auszuarbeiten.218 In großen Teilen orientiert sich das Beziehungsabkommen an vorangegangenen Beziehungsabkommen, so z.B. dem zwischen den Vereinten Nationen und dem Internationalen Seegerichtshof (ISGH).219 Ein wesentlicher Unterschied findet sich jedoch gerade in den Regeln, die sich mit dem Verhältnis des Sicherheitsrats zum IStGH befassen. Art. 17 BA enthält ausführliche Schilderungen der Kooperation zwischen diesen
217
Ausführlich zur Entstehungsgeschichte des Beziehungsabkommens Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 71. 218
Operativer § 8 A/RES/58/79 vom 9. Dezember 2003.
219
Vgl. z.B. Art. 4 ISGH-BA und Art. 5 IStGH-BA. Weitere Beispiele finden sich bei Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 40 Fn. 160.
J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_3, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
69
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
beiden Institutionen. Solch detaillierte Regelungen enthält das Beziehungsabkommen mit dem ISGH nicht.220 Das Beziehungsabkommen stellt den einzigen Vertrag dar, der direkt zwischen den Vereinten Nationen und dem IStGH geschlossen wurde. Grundsätzlich sind alle Organe beider Organisationen unmittelbar an diesen Vertrag gebunden.221 Im Folgenden wird auf die allgemeinen Vorschriften (A.), auf die Vorschriften zur Kooperation zwischen IStGH und Sicherheitsrat (B.) und auf finanzielle Angelegenheiten in diesem Verhältnis (C.) eingegangen.
A. Allgemeine Vorschriften Art. 1-3 BA stellen die einleitenden, allgemeinen Vorschriften des Beziehungsabkommens dar. Art. 1 BA bestimmt den Zweck des Beziehungsabkommens, wonach der IStGH und die Vereinten Nationen miteinander in Beziehung gebracht werden sollen. Die wohl wichtigste Regel des Beziehungsabkommens stellt Art. 2 BA dar, durch den die Vereinten Nationen ausdrücklich die unabhängige Stellung und Völkerrechtspersönlichkeit des IStGH anerkennen (Art. 2 Abs. 1 BA).222 Des Weiteren enthält Art. 2 auch eine ausdrückliche Anerkennung der Verpflichtungen der Vereinten Nationen unter der VNCharta (Art. 2 Abs. 2 BA) sowie des Status und des Mandats der jeweils anderen Organisation (Art. 2 Abs. 3 BA). Art. 3 BA stellt eine allgemeine Kooperations- und Koordinationspflicht zwischen Vereinten Nationen und IStGH auf. Dabei wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich diese Kooperation und Koordination im Rahmen des Beziehungsabkommens, des Römischen Statuts sowie der VN-Charta bewegen müssen.
220 Vgl. den sehr kurz gefassten Art. 2 ISGH-BA; dazu näher Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 41. 221
Zur Frage, ob auch der SR in Ausübung seiner Kompetenzen unter Kapitel VII VN-Charta an das Beziehungsabkommen gebunden ist, siehe unten 4. Kapitel Einleitung. 222
Zu Art. 2 Abs. 1 BA siehe ausführlicher unten 6. Kapitel C.II.
Beziehungsabkommen zwischen Vereinten Nationen und IStGH
71
Für die Vereinten Nationen wirkt die Kooperationsverpflichtung konstituierend.223 Hingegen entfaltet die Kooperationsverpflichtung gegenüber dem IStGH lediglich deklaratorische Wirkung. So enthält das Römische Statut an einigen Stellen eine Bezugnahme auf die VN-Charta224 und ausdrückliche Bestimmungen225 zur Kooperation mit den Vereinten Nationen.226 Diese allgemeine Kooperationsverpflichtung wird an verschiedenen Stellen des Beziehungsabkommens konkretisiert. Für das Verhältnis speziell zum Sicherheitsrat kommt es dabei entscheidend auf Art. 4 Abs. 3, 7 und 17 BA an.227
B. Kooperation zwischen IStGH und Sicherheitsrat Gemäß Art. 4 Abs. 3 BA können der Präsident oder der Ankläger des IStGH auf Einladung des Sicherheitsrats vor diesem zu Aktivitäten des Sicherheitsrats sprechen, die den IStGH betreffen. Art. 7 BA gibt dem IStGH das Recht, den Organen der Vereinten Nationen Themen zur weitergehenden Beschäftigung vorzuschlagen. Art. 17 BA stellt im Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat die ausführlichste Regelung des Beziehungsabkommens dar. So sind in Art. 17 BA die Einwirkungsmöglichkeiten zwischen IStGH und Sicherheitsrat in der gleichen Reihenfolge wie im Römischen Statut dargestellt.228 Art. 223 Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 73. 224
Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 7 und 9 der Präambel sowie Art. 2 und 5 (2) RS. 225
Vgl. nur die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung relevanten Art. 13 lit. b), 16 und 87 RS. 226
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 73. 227
Vgl. zu denjenigen Bestimmungen des Beziehungsabkommens, die das Verhältnis des IStGH zu den Vereinten Nationen allgemein betreffen, eingehend Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 72 ff. 228
Zum Aggressionsverbrechen (Art. 5 Abs. 2 RS) findet sich im Beziehungsabkommen angesichts seiner noch fehlenden Definition folgerichtig nichts.
72
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
17 Abs. 1 BA behandelt dementsprechend das Unterbreitungsrecht gemäß Art. 13 lit. b) RS, Art. 17 Abs. 2 BA das Aufschubersuchen gemäß Art. 16 RS und Art. 17 Abs. 3 BA die Kooperationsbestimmungen des Art. 87 Abs. 5 b) und 7 RS. Gemäß Art. 17 Abs. 1 BA ist der VN-Generalsekretär für die Übermittlung der Entscheidung des Sicherheitsrats zuständig, die dem IStGH eine Situation unterbreitet. Gleiches gilt für die Übermittlung etwaiger zusätzlicher Informationen, Dokumente und Materialien. In beiden Fällen ist der Ankläger der einzige Adressat dieser Übermittlungen. Der IStGH verpflichtet sich im Gegenzug dazu, den Sicherheitsrat in dieser Hinsicht auf dem neuesten Stand zu halten. Gemäß Art. 17 Abs. 2 BA soll der VN-Generalsekretär ein Aufschubersuchen des Sicherheitsrats dem Ankläger und dem Präsidenten des IStGH übermitteln. Im Gegenzug benachrichtigt der IStGH den Sicherheitsrat durch den VN-Generalsekretär über den Eingang der Übermittlung sowie etwa ergriffene Maßnahmen. Art. 17 Abs. 3 BA schließlich beschreibt das Verfahren für den Fall, dass der IStGH den Sicherheitsrat um Unterstützung bittet, sollte ein Staat nicht mit dem IStGH kooperieren. Hier wird der Kanzler des IStGH als die Anfrage übermittelnde Instanz bestimmt. Auf Empfängerseite wird erneut der VN-Generalsekretär tätig, der das Ersuchen dem Sicherheitsrat schließlich weiterleitet. Der Sicherheitsrat wird angehalten, den IStGH über seine Maßnahmen zu unterrichten. Möglicherweise könnte man mit Hilfe von Art. 17 BA die oben festgestellte Folge von Art. 87 Abs. 5 b) RS vermeiden, wonach der IStGH den Sicherheitsrat über die fehlende Kooperation eines Nichtvertragsstaates nur dann informieren kann, wenn dieser eine Vereinbarung mit dem IStGH geschlossen hat.229 So wäre es denkbar, Art. 17 Abs. 1 BA als Grundlage für eine solche Informierungsbefugnis zu sehen. Denn die Formulierung von Art. 17 Abs. 1 BA, wonach “the Court undertakes to keep the Security Council informed in this regard”,230 könnte auch diese Befugnis umfassen. Dagegen spricht allerdings, dass Art. 17 Abs. 3 BA speziellere Regeln für den Fall vorsieht, dass ein Staat nicht kooperiert. 229 230
Siehe zu dieser Folge bereits oben 1. Kapitel C.II.
Da für das Beziehungsabkommen keine amtliche deutsche Übersetzung existiert, werden seine Bestimmungen hier im verbindlichen englischen Wortlaut widergegeben.
Beziehungsabkommen zwischen Vereinten Nationen und IStGH
73
Aus diesen Gründen könnte man möglicherweise Art. 17 Abs. 3 BA heranziehen, um die Lücke zu schließen. Denn dieser enthält die Einschränkung des Art. 87 Abs. 5 b) RS gerade nicht.231 Dagegen spricht jedoch, dass Art. 17 Abs. 3 BA ausdrücklich auf Art. 87 Abs. 5 b) und 7 RS Bezug nimmt und somit dessen Voraussetzungen inhaltlich mit aufnimmt. Damit kann auch Art. 17 Abs. 3 BA nicht als Grundlage für eine Befugnis des IStGH dienen, den Sicherheitsrat über die fehlende Kooperation eines Nichtvertragsstaats ohne Übereinkommen mit dem IStGH zu informieren. Diese Ausführungen zeigen, dass Art. 17 BA keine materiellen Regelungen, sondern lediglich die prozessualen Gegennormen zu Art. 13 lit. b), 16 und 87 Abs. 5b) und 7 RS enthält. Die Detailliertheit, in der die einzelnen Verfahrensschritte beschrieben werden, belegt aber zumindest die hohe Bedeutung, die dem Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat beigemessen wird.232
C. Finanzielle Angelegenheiten Im Zusammenhang mit Unterbreitungen des Sicherheitsrats kommt die Frage auf, wer für die Kosten aufkommt, die dem IStGH hierbei entstehen. Art. 115 RS verweist insoweit auf Quellen der Vereinten Nationen, aber auch auf die Befugnis der Generalversammlung, über die Nutzung solcher Quellen zu entscheiden. Art. 115 RS lautet: Die Kosten des Gerichtshofs […] werden aus folgenden Quellen bestritten: […] b) den von den Vereinten Nationen vorbehaltlich der Zustimmung der Generalversammlung bereitgestellten finanziellen Mitteln, insbe-
231 Andreas Zimmermann, Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: Pierre-Marie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (688). 232
Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 41.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
sondere im Zusammenhang mit den Kosten, die infolge von durch den Sicherheitsrat unterbreiteten Situationen entstanden sind. Offen lässt Art. 115 RS also, ob die Vereinten Nationen zur Übernahme der Kosten von Unterbreitungen verpflichtet sind oder ob diese in ihrem Ermessen steht. Art. 13 BA nimmt schließlich Bezug auf Art. 115 RS. In Art. 13 Abs. 1 BA heißt es: The United Nations and the Court agree that the conditions under which any funds may be provided to the Court by a decision of the General Assembly of the United Nations pursuant to article 115 of the Statute shall be subject to separate agreements. Bedauerlicherweise enthält Art. 13 BA keine Art. 115 RS präzisierende Regelung, sondern verweist für die nähere Ausgestaltung des Verhältnisses in diesem Bereich lediglich auf den Abschluss weiterer Abkommen. Damit bleiben wesentliche Streitpunkte der Finanzierung gerade im Bereich von Unterbreitungen offen.233
D. Zusammenfassung Das Beziehungsabkommen präzisiert im Großen und Ganzen das Römische Statut lediglich in verfahrensrechtlicher Hinsicht und ist für die weitere Analyse dieser Untersuchung mangels eigener materiell-rechtlicher Bedeutung im Wesentlichen nicht weiter relevant. Daher werden die oben vorgestellten SR-Resolutionen im Folgenden nicht gesondert am Maßstab des Beziehungsabkommens, sondern lediglich des Römischen Statuts gemessen. Auf die Bestimmungen des Beziehungsabkommens wird dann in diesem Rahmen eingegangen.
233
Diese Streitpunkte offenbarte insbesondere die Verabschiedung der S/RES/1593 (2005) vom 31. März 2005, vgl. dazu unten 4. Kapitel C.I.2.
3. Kapitel: Resolutionen des Sicherheitsrats mit Bezug zum IStGH A. Sicherheitsrats-Resolutionen 1422 (2002) vom 12. Juli 2002 und 1487 (2003) vom 12. Juni 2003 Die erste Resolution, die einen Bezug zum IStGH aufwies, war Resolution 1422.
I. Hintergrund der Resolution 1422 Bereits Mitte Mai 2002 hatten die Vereinigten Staaten von Amerika Immunität für ihre Staatsangehörigen gefordert, die im Auftrag der Vereinten Nationen in Ost-Timor stationiert waren – eine Forderung, die indes von der Mehrheit der Mitglieder des Sicherheitsrats abgelehnt wurde.234 In Resolution 1410 (2002) wurde das Mandat der Friedensmission in Ost-Timor folglich ohne Einschränkungen verlängert. Als in der unmittelbaren Folge auch die Verlängerung des Mandats der Friedensmission in Bosnien-Herzegowina anstand, drohten die Vereinigten Staaten schließlich, die Verlängerung dieser – sowie sämtlicher anderen – Friedensmission durch ein Veto zu blockieren, sollte der Sicherheitsrat nicht dem Wunsch nach Immunität für ihre Angehörigen der Friedenstruppen entsprechen.235 Nachdem einige Resolutionsentwürfe der Vereinigten Staaten236 und Frankreichs237 keine Zustimmung gefunden 234
Sean D. Murphy, Contemporary Practice of the United States relating to International Law, AJIL 96 (2002), 706 (725 f.). 235
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 218. 236
Dazu Sean D. Murphy, Contemporary Practice of the United States relating to International Law, AJIL 96 (2002), 706 (727 ff.); Amnesty International, International Criminal Court: The Unlawful Attempt by the Security Council to Give US Citizens Permanent Impunity from International Justice, 1. Mai 2003, 10 ff.
J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_4, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
hatten,238 wurde schließlich ein Entwurf von Mauritius mit kleinen Änderungen einstimmig angenommen. Mit der Annahme der Resolution 1423 folgte direkt im Anschluss dann die Verlängerung des Mandats der Friedensmission in Bosnien-Herzegowina.
II. Verlängerung der Resolution 1422 Mit Resolution 1487 entsprach der Sicherheitsrat im Jahre 2003 der Absichtsbekundung des operativen § 2 der Resolution 1422239 und verlängerte die Wirkungen der Resolution 1422 um weitere 12 Monate. Ihr Wortlaut war identisch mit Resolution 1422. Anders als diese wurde Resolution 1487 jedoch nicht einstimmig, sondern mit drei Enthaltungen – Deutschlands, Frankreichs und Syriens – angenommen.240 Dabei wies Frankreich darauf hin, dass die Voraussetzung des operativen § 2 („solange dies notwendig ist“) nicht mehr vorläge, da die zwischenzeitliche Wahl der Richter und des Anklägers die Professionalität des Gerichts erwiesen hätten und eine Immunitätsregelung mithin nicht mehr notwendig sei.241 Deutschland, das bei der Verabschiedung von Resolution 1422 nicht Mitglied des Sicherheitsrats gewesen war, machte deut-
237
Dazu Amnesty International, International Criminal Court: The Unlawful Attempt by the Security Council to Give US Citizens Permanent Impunity from International Justice, 1. Mai 2003, 14. 238
Ausführlich zur Entstehung der hart umkämpften Resolution 1422 Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UNSicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 132 ff. 239
Statt dieser hatten die USA zunächst einen de facto unbefristeten Aufschub vorgeschlagen, dessen Wirkungen man lediglich mit einer neuen Resolution hätte beenden können, Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (911). 240
Zur Entstehung von Resolution 1487 ausführlich Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 221. 241
Stellungnahme Frankreichs, in: Provisional Verbatim Record of the 4772nd Meeting (12. Juni 2003), UN Doc. S/PV.4772, 24.
Resolutionen des Sicherheitsrats mit Bezug zum IStGH
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lich, dass es den IStGH nicht als Gefährdung für die Teilnehmer an VN-Friedensmissionen ansieht.242 Zu einer weiteren Verlängerung im Jahr 2004 kam es aufgrund großen Widerstands innerhalb und außerhalb des Sicherheitsrats nicht mehr.243
III. Inhalt und Klärung rechtlicher Grundbegriffe der Resolution 1422 Im operativen Teil der Resolution 1422244 heißt es: Der Sicherheitsrat […] […] tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, 1. ersucht den Internationalen Strafgerichtshof, im Einklang mit Artikel 16 des Römischen Statuts, beim Eintreten eines Falles, an dem derzeitige oder ehemalige Amtsträger oder Bedienstete eines zu einem Einsatz beitragenden Staates, der nicht Vertragspartei des Römischen Statuts ist, auf Grund von Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit einem von den Vereinten Nationen eingerichteten oder genehmigten Einsatz beteiligt sind, für einen Zeitraum von zwölf Monaten ab dem 1. Juli 2002 keine Ermittlungen oder Strafverfolgungen bezüglich eines solchen Falles einzuleiten oder durchzuführen, sofern der Sicherheitsrat nichts anderes beschließt; 2. bekundet die Absicht, das in Ziffer 1 enthaltene Ersuchen unter denselben Bedingungen an jedem 1. Juli um einen weiteren Zeitraum von zwölf Monaten zu erneuern, solange dies notwendig ist;
242
Stellungnahme Deutschlands, in: Provisional Verbatim Record of the 4772nd Meeting (12. Juni 2003), UN Doc. S/PV.4772, 25. 243
Zu den Umständen der Ablehnung eines Resolutionsentwurfs der Vereinigten Staaten Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 222 f. 244
Im Folgenden wird angesichts des identischen Wortlauts der Resolutionen 1422 und 1487 nur noch auf Resolution 1422 rekurriert. Die Ausführungen sind aber auf Resolution 1487 übertragbar.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
3. beschließt, dass die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen ergreifen werden, die mit Ziffer 1 und ihren internationalen Verpflichtungen unvereinbar sind; 4. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.245 In Resolution 1422 nahm der Sicherheitsrat mit Art. 16 RS zum ersten Mal in der Geschichte des IStGH Bezug auf eine Norm des Römischen Statuts. Für einen Zeitraum von einem Jahr wurde der IStGH darum ersucht, keine Ermittlungen gegen Angehörige von Friedensmissionen aus Nichtvertragsstaaten durchzuführen. Im Folgenden wird geklärt, welche Einsätze, Handlungen und Personen der operative § 1 der Resolution 1422 genau umfasst (1.). Anschließend werden noch Auslegungsprobleme angesprochen, die der operative § 3 der Resolution 1422 aufwirft (2.).
1. Der operative § 1 der Resolution 1422 Fraglich ist, welche Einsätze Resolution 1422 erfasst. Der operative § 1 spricht insoweit von einem von den „Vereinten Nationen eingerichteten oder genehmigten Einsatz“. Darunter fallen ausdrücklich auf Kapitel VII VN-Charta gestützte Blauhelm-Operationen wie die Mission der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina (United Nations Mission in Bosnia and Herzegovina; UNMIBH). Streitig ist hingegen, ob auch solche Missionen, die nicht in den Anwendungsbereich von Kapitel VII VN-Charta fallen (wie z.B. friedenserhaltende Maßnahmen des Sicherheitsrats unter Kapitel VI VN-Charta) oder die auf Grund von Vereinbarungen zwischen den streitenden Parteien eingesetzt werden, vom operativen § 1 erfasst sind.246 Gegen ihre Einbeziehung spricht das Er245
Resolutionen des Sicherheitsrats erlangen Verbindlichkeit nur in den offiziellen Amtssprachen der VN-Charta – nach Art. 111 VN-Charta handelt es sich dabei um die chinesische, französische, russische, englische und spanische Fassung. Dem besseren Verständnis im Rahmen einer deutschen Arbeit halber wird hier dennoch, soweit vorhanden, die amtliche deutsche Übersetzung wiedergegeben. Soweit im Fortlauf der Arbeit Schwierigkeiten bei der Auslegung einer Resolution auftauchen, wird auf die verbindliche englische Fassung zurückgegriffen. 246
International Law Association, Berlin Conference (2004), International Criminal Court, First Report, Prepared by William A. Schabas, abrufbar unter www.ila-hq.org/download.cfm/docid/7BC51FF0-0B5B-4262-806F3593281F0B 66 (zuletzt besucht: 3. März 2010), 11. Für die Einbeziehung friedenserhalten-
Resolutionen des Sicherheitsrats mit Bezug zum IStGH
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fordernis einer Kapitel VII-Grundlage in Art. 16 RS, auf den Resolution 1422 ausdrücklich rekurriert.247 Der Begriff der „genehmigten Einsätze“ umfasst von VN-Mitgliedstaaten initiierte und von den Vereinten Nationen lediglich autorisierte Einsätze. Unklar ist jedoch, wie die Autorisierung durch die Vereinten Nationen genau aussehen248 und ob – und gegebenenfalls inwieweit – der Einsatz den Vereinten Nationen zuzurechnen sein muss.249 Zumindest stillschweigende Ermächtigungen – auf eine solche beriefen sich einige Staaten z.B. im Kosovo-Krieg – können wohl nicht unter den operativen § 1 subsumiert werden. Denn auch dies würde dem ausdrücklichen Verweis auf Art. 16 RS und dessen Erfordernis eines Vorgehens nach Kapitel VII widersprechen.250 Hingegen dürften Einsätze wie im Golf-Krieg 1991251 sowie die Einsätze der Kosovo-Truppe (Ko-
der Maßnahmen Arnd Düker, Die Strafverfolgung von Angehörigen einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen, 2008, 221. 247
Vgl. Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (915 f.), bei dem auch weitere Gründe nachzulesen sind. 248
Fraglich ist z.B., ob eine stillschweigende oder gar rückwirkende Ermächtigung ausreicht. Zu letzterer ist anzumerken, dass umstritten ist, ob eine solche rückwirkende Genehmigung überhaupt möglich ist. Zum Teil wird argumentiert, die SR-Resolutionen 1156 (1998) und 1162 (1998) stellten eine rückwirkende Legitimation der Intervention der Überwachungsgruppe der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (Economic Community of West African States Monitoring Group; ECOMOG) in Sierra Leone im Februar 1998 (Operation Sandstorm) dar, die zum Zeitpunkt der Ausführung nicht von der ECOMOG zugrundliegenden Resolution 1132 (1997) gedeckt war; vgl. dazu Simon M. Meisenberg, Sierra Leone, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Dezember 2006, Rn. 10. 249
Vgl. dazu Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (916 f.). 250
Vgl. Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (916), bei dem auch weitere Gründe nachzulesen sind. 251
S/RES/678 (1991) vom 29.11.1990.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
sovo Force; KFOR)252 und Stabilisierungs-Truppe (Stabilisation Force; SFOR)253 solche genehmigten Einsätze sein, da diese dem aus dem 2. Erwägungsgrund der Präambel von Resolution 1422 folgenden Erfordernis der Zurechenbarkeit auf und Kontrolle durch die Vereinten Nationen Rechnung tragen.254 Die vom operativen § 1 erfassten kriminellen Handlungen müssen „im Zusammenhang mit einem von den Vereinten Nationen eingerichteten oder genehmigten Einsatz“ stehen. Der Vorschlag der Vereinigten Staaten, „all acts arising out of the operation“ als Maßstab zu nehmen, wurde dagegen von der Mehrheit des Sicherheitsrats abgelehnt.255 Sollte also ein Verbrechen nicht im Zusammenhang mit dem Einsatz stehen, steht Resolution 1422 einer Strafverfolgung durch den IStGH nicht im Wege. Was die vom operativen § 1 erfassten Personen angeht, so bedeutet der diesbezüglich verwendete Ausdruck „derzeitige oder ehemalige Amtsträger“ keineswegs, dass nun rückwirkend ehemaligen Bediensteten Immunität für frühere Einsätze gewährt werden soll. Dagegen spricht die Formulierung „beim Eintreten eines Falles”, der sich nur auf zukünftige Fälle bezieht. Stattdessen soll die Wendung insbesondere der amerikanischen Praxis Rechnung tragen, bei internationalen Konflikten gelegentlich ehemalige Amtsträger einzusetzen.256
252
Operative §§ 7, 9 S/RES/1244 (1999) vom 10. Juni 1999. Zur Rolle des Sicherheitsrats im Rahmen der internationalen Verwaltung im Kosovo siehe Ursel Alice Reich, Internationale Verwaltung im Kosovo, im Erscheinen. 253
Operative §§ 8, 18 S/RES/1088 (1996) vom 12. Dezember 1996.
254
Der 2. Erwägungsgrund lautet: „betonend, wie wichtig die Einsätze der Vereinten Nationen für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit sind“. (1. Hervorhebung im Original; 2. Hervorhebung hinzugefügt.) Die Bezeichnung als Einsätze der Vereinten Nationen führt zum Erfordernis der Zurechenbarkeit auf die VN, dieses wiederum zum Erfordernis einer gewissen Kontrolle durch die VN, vgl. dazu ausführlich Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (916 f.) 255
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (915). 256
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (914).
Resolutionen des Sicherheitsrats mit Bezug zum IStGH
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Zuletzt steht der operative § 1 unter der Voraussetzung, dass „der Sicherheitsrat nichts anderes beschließt“. Dies beinhaltet eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Einen Sinn kann dieser Satz nur haben, wenn er es dem Sicherheitsrat ermöglicht, das Aufschub ersuchen auch für bereits bestehende Missionen zurück zu nehmen. Auf Vertrauensschutz können sich die betroffenen Staaten unter diesen Umständen dann nicht berufen.257
2. Der operative § 3 der Resolution 1422 Die Aufforderung an die VN-Mitgliedstaaten im operativen § 3, keine mit dem operativen § 1 unvereinbaren Maßnahmen zu ergreifen, hat lediglich deklaratorischen Charakter. Denn gemäß Art. 2 Abs. 5, 25 VNCharta sind die VN-Mitgliedstaaten ohnehin dazu verpflichtet, jeglichen Beistand zur Umsetzung von SR-Resolutionen zu leisten und ihre Ziele nicht zu gefährden.258 Fraglich ist, welche internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im operativen § 3 gemeint sind. Wirft man hierbei einen Blick auf den 5. Erwägungsgrund der Präambel der Resolution 1422,259 so wird aus der Systematik der Resolution deutlich, dass § 3 die Verpflichtungen zur Strafverfolgung von schweren Verbrechen meint, wie sie sich aus der Völkermordkonvention oder den Genfer Abkommen von 1949260 erge-
257
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (911 f.). 258 Mohamed M. El Zeidy, The United States Dropped the Atomic Bomb of Article 16 of the ICC Statute: Security Council Power of Deferrals and Resolution 1422, VandJTransnatlL 35 (2002), 1503 (1538 Fn. 193) 259
Der 5. Erwägungsgrund der Präambel der Resolutionen 1422 und 1487 lautet: „[F]erner in Anbetracht dessen, dass die Staaten, die nicht Vertragspartei des Römischen Statuts sind, auch künftig im Rahmen ihrer nationalen Zuständigkeit ihren Verantwortlichkeiten in Bezug auf internationale Verbrechen nachkommen werden“. 260
I. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde, BGBl. 1954 II, 783; II. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See, BGBl. 1954 II, 813; III. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
ben.261 Damit bringt der Sicherheitsrat folglich zum Ausdruck, dass zwar die Ermittlungen des IStGH, nicht aber mögliche nationale Ermittlungen aufgeschoben werden, und entspricht diesbezüglich dem Sinn und Zweck von Art. 16 RS.262 Sinn und Zweck der Resolution 1422 gerade zuwider liefe es hingegen, wenn man unter § 3 die den Vertragsstaaten des Römischen Statuts eigentlich zukommenden Kooperationspflichten gemäß Art. 86 ff RS – insbesondere die Pflicht zur Festnahme und Überstellung mutmaßlicher Straftäter – fassen würde.263 Denn eine Resolution unter Art. 16 RS suspendiert auch die Kooperationspflichten der Staaten gegenüber dem IStGH.264 Hätte der Sicherheitsrat die VN-Mitgliedstaaten nun dazu aufgerufen, nichts zu tun, was mit ihren Kooperationspflichten aus dem Römischen Statut unvereinbar wäre, müssten sie entgegen dem Aufschubersuchen gerade doch kooperieren.265
B. Sicherheitsrats-Resolution 1497 (2003) vom 1. August 2003 Kurz nach der Verabschiedung von Resolution 1487 nahm der Sicherheitsrat bereits die dritte Resolution mit Bezug zum IStGH an: Resolution 1497.
Kriegsgefangenen, BGBl. 1954 II, 838; IV. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten, BGBl. 1954 II, 917. 261
Arnd Düker, Die Strafverfolgung von Angehörigen einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen, 2008, 221 Fn. 1129; Robert Cryer/Nigel D. White, The Security Council and the International Criminal Court: Who’s Feeling Threatened?, YrbkIntlPO 8 (2002), 143 (147). 262
Siehe dazu oben 1. Kapitel B.II.2.
263
So aber Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (911). 264 265
Siehe dazu oben 1. Kapitel B.II.2.
Robert Cryer/Nigel D. White, The Security Council and the International Criminal Court: Who’s Feeling Threatened?, YrbkIntlPO 8 (2002), 143 (147 Fn. 25).
Resolutionen des Sicherheitsrats mit Bezug zum IStGH
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I. Hintergrund der Resolution 1497 Mit der Verabschiedung von Resolution 1497 am 1. August 2003 reagierte der Sicherheitsrat auf die anhaltende Krise in Liberia266 und ermächtigte die VN-Mitgliedstaaten, eine multinationale Truppe in Liberia einzusetzen (operativer § 1). Drei Mitglieder des Sicherheitsrats – Frankreich, Deutschland und Mexiko – enthielten sich der Stimme. Trotz erheblicher Bedenken an der Rechtmäßigkeit dieser Resolution stimmte kein Mitglied des Sicherheitsrats gegen die Resolution. Dies ist mit dem großen Zeitdruck zu erklären: Jedes weitere Abwarten hätte die humanitäre Katastrophe in Liberia weiter verschlimmert.267
II. Inhalt und Klärung rechtlicher Grundbegriffe der Resolution 1497 Der mit Blick auf den IStGH relevante Teil der Resolution 1497 lautet: Der Sicherheitsrat tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, […] 7. beschließt, dass derzeitige oder ehemalige Amtsträger beziehungsweise derzeitiges oder ehemaliges Personal aus einem beitragenden Staat, der nicht Vertragspartei des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs ist, in Bezug auf alle behaupteten Handlungen oder Unterlassungen auf Grund oder im Zusammenhang mit der Multinationalen Truppe oder der Stabilisierungstruppe der Vereinten Nationen in Liberia der ausschließlichen Gerichtsbarkeit des beitragenden Staates unterliegen, es sei denn, dieser verzichtet ausdrücklich darauf; Gegenüber dem operativen § 2 der Resolutionen 1422 und 1487 geht der operative § 7 der Resolution 1497 noch weiter: Nicht nur wird die Zuständigkeit des IStGH über Mitglieder von Friedensmissionen aus Nichtvertragsstaaten ausgeschlossen, sondern es wird darüber hinaus 266
Zu den Hintergründen dieser Krise Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (267 f.). 267
Vgl. Letter Dated 29 July 2003 from the Secretary-General Addressed to the President of the Security Council, UN-Doc. S/2003/769 (2003), 1.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
sogar die exklusive Zuständigkeit der Gerichte des Entsendestaates begründet. Dies hat zur Folge, dass die gerichtliche Zuständigkeit sämtlicher anderer Staaten, Liberia inbegriffen, – ob begründet auf dem Weltrechtsprinzip,268 dem Territorialitätsprinzip269 oder dem passiven Nationalitätsprinzip270 – ausgeschlossen ist.271 Zwar könnte man – was die 268
Nach dem Weltrechtsprinzip können bestimmte Rechtsgüter, an denen die gesamte Menschheit ein großes Interesse hat, universell und unabhängig vom Begehungsort und der Staatsangehörigkeit des Täters verfolgt werden, Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/3, 2002, 999; Ian Brownlie, Principles of Public International Law, 2008, 305. Teilweise wird für die Ausübung der nationalen Gerichtsbarkeit auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips ein Inlandsbezug gefordert, so BGH Völkermord und Weltrechtsprinzip BGHSt 45, 64 (65): „Fehlt ein derartiger Inlandsbezug, verstößt die Strafverfolgung gegen das Nichteinmischungsprinzip, das aus der völkerrechtlich gebotenen Beachtung der Souveränität anderer Staaten folgt.“ Dagegen zu Recht Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/3, 2002, 1000, wonach das Weltrechtsprinzip die Grenzen des Grundsatzes der Nichteinmischung festlegt. Somit liegt schon tatbestandlich keine Einmischung vor. Vgl. auch Rüdiger Wolfrum, The Decentralized Prosecution of International Offences Through National Courts, in: Yoram Dinstein/Mala Tabory (Hrsg.), War Crimes in International Law, 1996, 233 (249). Ausführlich zum Weltrechtsprinzip Brigitte Stern, A propos de la compétence universelle…, in: Emile Yakpo/Tahar Boumedra (Hrsg.), Liber Amicorum Judge Mohammed Bedjaoui, 1999, 735 ff. 269
Nach dem Territorialitätsprinzip gilt das nationale Strafrecht für alle Straftaten, die – unabhängig von der Nationalität des Täters oder Opfers – innerhalb des eigenen Staatsgebietes begangen werden, d.h. bei denen entweder Erfolg oder Ausführung im Inland liegen, Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/3, 2002, 999 Fn. 48; Ian Brownlie, Principles of Public International Law, 2008, 301; Juliane Kokott/Karl Doehring/Thomas Buergenthal, Grundzüge des Völkerrechts, 2003, 151 Rn. 327. 270
Das passive Nationalitätsprinzip erlaubt es Staaten, Taten zu bestrafen, die Ausländer gegen eigene Staatsangehörige im Ausland begehen, Ian Brownlie, Principles of Public International Law, 2008, 304. Vgl. dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/3, 2002, 999 Fn. 48, die auch darauf hinweisen, dass die völkerrechtliche Rechtfertigung dieses Prinzips umstritten ist. Gleiches gilt für den völkergewohnheitsrechtlichen Charakter, Bernhard H. Oxman, Jurisdiction of States, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, November 2007, Rn. 36. 271
Salvatore Zappalà, Are Some Peacekeepers Better Than Others? UN Security Council Resolution 1497 (2003) and the ICC, JICJ 1 (2003), 671 (673); in Bezug auf den gleichlautenden operativen § 6 der Resolution 1593 (2005) Matthias Neuner, The Darfur Referral of the Security Council and the Scope of the
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Auswirkungen auf Liberia angeht – entgegnen, dass die im Bereich von Friedenstruppen üblichen Truppenstatuts-Abkommen (Status of Force Agreements, SOFAs) in aller Regel Immunitäten der Angehörigen der Friedenstruppen beinhalten. Diese Immunitäten besagen jedoch zumeist lediglich, dass der Entsendestaat vorrangig für die Strafverfolgung seiner Staatsangehörigen ist; findet diese Strafverfolgung nicht statt, lebt das Strafverfolgungsrecht des Zielstaats üblicherweise wieder auf.272 Zudem schließt der operative § 7 die Zuständigkeit des IStGH permanent aus, während der operative § 2 der Resolutionen 1422 und 1487 die Zuständigkeit des IStGH jeweils „nur“ für ein Jahr suspendieren. Was von der Resolution erfasste Einsätze, Handlungen und Personen angeht, so kann alles zur Resolution 1422 Gesagte273 auch auf Resolution 1497 übertragen werden, jedoch mit der wesentlichen Einschränkung, dass die Immunität sich lediglich auf Einsätze der Multinationalen Truppe oder der VN-Stabilisierungstruppe in Liberia bezieht.
C. Sicherheitsrats-Resolution 1593 (2005) vom 31. März 2005 I. Hintergrund der Resolution 1593 So schrecklich die Ereignisse in Darfur274 sind, so ermutigend erscheint aus völkerstrafrechtlicher Sicht das Signal, das am 31. März 2005 vom Sicherheitsrat in Bezug auf Darfur ausging. Nach eingehender Erörterung aller in Frage kommender Möglichkeiten gerichtlicher Aufarbeitung hatte die gemäß SR-Resolution 1564 (2004) errichtete Untersuchungskommission (Commission of Inquiry) für Darfur dem SicherJurisdiction of the International Criminal Court, YrbkIntlHumL 8 (2005), 320 (331). 272
Salvatore Zappalà, Are Some Peacekeepers Better Than Others? UN Security Council Resolution 1497 (2003) and the ICC, JICJ 1 (2003), 671 (673). 273 274
Siehe dazu oben 3. Kapitel A.III.1.
Vgl. zum Konflikt in Darfur Jakob Pichon, The Principle of Complementarity in the Cases of the Sudanese Nationals Ahmad Harun and Ali Kushayb before the International Criminal Court, ICLR 8 (2008), 185 (214 ff.); Robert Cryer, Sudan, Resolution 1593, and International Criminal Justice, LJIL 19 (2006), 195 (198 f.).
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heitsrat empfohlen, die Situation in Darfur dem IStGH zu unterbreiten.275 Dieser eindeutigen Empfehlung folgten hitzige Debatten, in deren Verlauf die USA die Einrichtung eines afrikanischen Gerichtshofs unter der gemeinsamen Ägide von Afrikanischer Union und Vereinten Nationen forderten.276 Auf Grund von inhaltlichen Zugeständnissen,277 die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen, konnten die USA letzten Endes aber doch von einer Ausübung ihres Vetorechts bezüglich einer Unterbreitung an den IStGH abgehalten werden: SR-Resolution 1593 (2005) konnte verabschiedet werden. Elf Stimmen im Sicherheitsrat stimmten für die Unterbreitung, vier – Algerien, Brasilien, China und die USA278 – enthielten sich der Stimme.
275
Report of the International Commission of Inquiry on Darfur to the United Nations Secretary-General. Pursuant to SC Res. 1564 of 18 September 2004 (25. Januar 2005), UN Doc. S/2005/60, Rn. 647, abrufbar unter http:// www.un.org/news/dh/sudan/com_inq_darfur.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 276
Matthias Neuner, The Darfur Referral of the Security Council and the Scope of the Jurisdiction of the International Criminal Court, YrbkIntlHumL 8 (2005), 320 (323) m.w.N. 277
Robert Cryer, Sudan, Resolution 1593, and International Criminal Justice, LJIL 19 (2006) 195 (204). 278
Stellungnahme der Vereinigten Staaten von Amerika, in: Provisional Verth batim Record of the 5158 Meeting (31. März 2005), UN Doc. S/PV.5158, 2. Siehe dort auch zu den Gründen der einzelnen Staaten, sich zu enthalten: Algerien ibid. 4 f, Brasilien ibid. 11, China ibid. 5, Vereinigte Staaten von Amerika ibid. 3.Während China und die USA sich enthielten, weil sie dem IStGH generell ablehnend gegenüberstehen, ist der Grund für die Enthaltung Algeriens und Brasiliens im genauen Gegenteil zu finden: Sie brachten damit ihre Ablehnung des operativen § 6 zum Ausdruck; dazu auch Hans-Peter Kaul, Developments at the International Criminal Court: Construction Site for More Justice: The International Criminal Court after Two Years, American Journal of International Law 99 (2005), 370 (381); Heather Cash, Security Council Resolution 1593 and Conflicting Principles of International Law: How the Future of the International Criminal Court is at Stake, BrandeisLJ 45 (2006-07), 573 (591 f.).
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II. Inhalt und Klärung rechtlicher Grundbegriffe der Resolution 1593 Die relevanten Passagen des operativen Teils der Resolution 1593 lauten: Der Sicherheitsrat […] unter Hinweis auf Artikel 16 des Römischen Statuts, wonach der Internationale Strafgerichtshof für einen Zeitraum von 12 Monaten nach einem entsprechenden Ersuchen des Sicherheitsrats keine Ermittlungen und keine Strafverfolgung einleiten oder fortführen darf, […] Kenntnis nehmend von dem Bestehen von Übereinkünften, die in Artikel 98 Absatz 2 des Römischen Statuts genannt sind, feststellend, dass die Situation in Sudan nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, 1. beschließt, die Situation in Darfur seit dem 1. Juli 2002 dem Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten; 2. beschließt, dass die Regierung Sudans und alle anderen Parteien des Konflikts in Darfur gemäß dieser Resolution mit dem Gerichtshof und dem Ankläger uneingeschränkt zusammenarbeiten und ihnen jede erforderliche Unterstützung gewähren müssen, und wenngleich er anerkennt, dass den Staaten, die nicht Vertragspartei des Römischen Statuts sind, keine Verpflichtung nach dem Statut obliegt, fordert er alle Staaten und zuständigen regionalen und anderen internationalen Organisationen nachdrücklich zur uneingeschränkten Zusammenarbeit auf; […] 6. beschließt, dass Staatsangehörige, derzeitige oder ehemalige Amtsträger sowie derzeitiges oder ehemaliges Personal eines beitragenden Staates außerhalb Sudans, der nicht Vertragspartei des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs ist, in Bezug auf alle behaupteten Handlungen oder Unterlassungen auf Grund von oder im Zusammenhang mit Einsätzen in Sudan, die vom Rat oder von der Afrikanischen Union eingerichtet oder genehmigt wurden, der ausschließlichen Gerichtsbarkeit dieses beitragenden Staates unterliegen, es sei denn, dass dieser Staat auf die ausschließliche Gerichtsbarkeit ausdrücklich verzichtet;
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7. stellt fest, dass die im Zusammenhang mit der Unterbreitung der Situation entstehenden Kosten, einschließlich der damit verbundenen Ermittlungs- oder Strafverfolgungskosten, nicht von den Vereinten Nationen getragen werden, sondern von den Vertragsparteien des Römischen Statuts und von denjenigen Staaten, die freiwillig beizutragen wünschen; 8. bittet den Ankläger, den Rat innerhalb von drei Monaten nach der Verabschiedung dieser Resolution und danach alle sechs Monate über die gemäß dieser Resolution ergriffenen Maßnahmen zu unterrichten; Erwähnenswert ist, dass die Grundlage der Unterbreitung, Art. 13 lit. b) RS, in Resolution 1593 nicht ausdrücklich genannt wird. Hingegen verweist der 2. Erwägungsgrund der Präambel ausdrücklich auf Art. 16 RS und unterstreicht die Möglichkeit des Sicherheitsrats, Ermittlungen und Strafverfolgungen des IStGH auszusetzen. Der 4. Erwägungsgrund nimmt Kenntnis „von dem Bestehen von Übereinkünften, die in Artikel 98 Absatz 2 des Römischen Statuts genannt sind“. Damit sind die bilateralen Abkommen (sog. bilateral immunity; non-surrender; article 98 agreements) gemeint, mit deren Hilfe die Vereinigten Staaten eine Auslieferung amerikanischer Staatsangehöriger an den IStGH verhindern wollen.279 Der operative § 6 entspricht inhaltlich dem operativen § 7 der Resolution 1497 (2003) und beruht auf einem Vorschlag des Vereinigten Königreiches,280 nachdem zuvor ein Entwurf Dänemarks, Frankreichs, Griechenlands, Rumäniens und des Vereinigten Königreichs,281 der Nichtvertragsstaaten die Möglichkeit gegeben hätte, durch eine Mitteilung an den VN-Generalsekretär Ermittlungen des IStGH über ihre Staatsangehörigen zu stoppen, auf keine ausreichende Zustimmung getroffen
279
Vgl. ausführlich zu diesen Vereinbarungen Markus Benzing, U.S. Bilateral Non-Surrender Agreements and Article 98 of the Statute of the International Criminal Court: an Exercise in the Law of Treaties, MPYUNL 8 (2004), 181 ff. Ein Muster findet sich in EuGRZ 2002, 664 f. 280
United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland: Draft Resolution (31. März 2005), UN Doc. S/2005/218, operativer § 6. 281
Denmark, France, Greece, Romania and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland: Draft Resolution (31. März 2005), UN Doc. S/2005/199, operativer § 6.
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war.282 Genau wie Resolution 1497 sieht der operative § 6 folglich die ausschließliche Gerichtsbarkeit für Nichtvertragsstaaten des Römischen Statuts vor, die Personal in den Sudan entsendet haben. Der operative § 2 verpflichtet nur den Nichtvertragsstaat Sudan283 und die anderen unmittelbar am Konflikt beteiligten Parteien zur Kooperation mit dem IStGH. Zu letzteren gehören die nichtstaatlichen Parteien des Darfur-Konflikts. Da auch der Nachbarstaat Tschad stark in den Konflikt involviert ist, wird man wohl auch ihn als von der Kooperationsverpflichtung erfasst ansehen können.284 Nicht am Konflikt beteiligte Staaten werden hingegen nicht zur Kooperation verpflichtet.285 Diese 282 Matthias Neuner, The Darfur Referral of the Security Council and the Scope of the Jurisdiction of the International Criminal Court, YrbkIntlHumL 8 (2005), 320 (329 f.). 283
Sudan hat das Römische Statut zwar am 8. September 2000 unterzeichnet, bis zum heutigen Tat jedoch nicht ratifiziert. Im Gegenteil erklärte der sudanesische Außenminister am 26. August 2008, dass sein Land nicht die Absicht habe, dem IStGH beizutreten, Rome Statute of the International Criminal Court, Rome, 17 July 1998, Sudan: Notification, Reference: C.N.612.2008.TREATIES6 (Depositary Notification), abrufbar unter http://untreaty.un.org/English/CN s/2008 /601_700/612E.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). Diese Erklärung entspricht nahezu wortgleich der entsprechenden Erklärung der Vereinigten Staaten durch U.S. Under Secretary of State for Arms Control and International Security John Bolton vom 6. Mai 2002. Da auch Israel dem amerikanischen Beispiel folgte, handelt es sich bei Sudans Erklärung mittlerweile bereits um die dritte dieser Art, Diane Marie Amann, Another ICC unsigning, IntLawGrrls, 8. September 2008, abrufbar unter http://intlawgrrls.blogspot.com/2008/09/an other-icc-unsigning.html (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). Wichtig sind diese Erklärungen rechtlich gesehen insbesondere im Hinblick auf die Wirkungen von Art. 18 WVRÜ (Verpflichtung, Ziel und Zweck eines Vertrags vor seinem Inkrafttreten zu vereiteln). 284
Da das Römische Statut mittlerweile aber auch für Tschad in Kraft getreten ist (am 1. Januar 2007; http://www.icc-cpi.int/Menus/ASP/states+parties/A frican+States/Chad.htm, zuletzt abgerufen: 3. März 2010), ist Tschad bereits auf Grund der Ratifikation zur Kooperation mit dem IStGH verpflichtet. Hingegen erfasst die Kooperationsverpflichtung der S/RES/1593 wohl eher nicht die Zentralafrikanische Republik (auch diese ist jedoch seit 3. Oktober 2001 Mitglied des IStGH, http://www.icc-cpi.int/Menus/ASP/states+parties/African+St ates/Central+African+Republic.htm, zuletzt abgerufen: 3. März 2010) und Libyen. 285 Annalisa Ciampi, Current and Future Scenarios for Arrest and Surrender to the ICC, ZaöRV 66 (2006), 719 (730). Der ursprüngliche Entwurf Frank-
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werden – unter Anerkennung der Tatsache, dass Nichtvertragsstaaten nach dem Römischen Statut nicht zur Kooperation verpflichtet sind -286 lediglich zur Kooperation aufgefordert (urged). Eine Verpflichtung liegt darin nicht.287 Im operativen § 8 schließlich wird der Ankläger gebeten, dem Sicherheitsrat in regelmäßigen Abständen über seine Maßnahmen zu berichten. Was von der Resolution erfasste Einsätze, Handlungen und Personen angeht, so kann wie bei Resolution 1497 auch hier im Wesentlichen auf das zu Resolution 1422 Gesagte288 zurückgegriffen werden – allerdings ebenfalls mit der Einschränkung, dass sich die Immunität lediglich auf die in der Resolution ausdrücklich genannten Einsätze bezieht. Dabei liegt ein relevanter Unterschied hier darin, dass nicht nur Einsätze, die vom Sicherheitsrat, sondern auch solche, die von der Afrikanischen Union (AU) eingerichtet oder genehmigt wurden, von der Befreiung erfasst sind. Ein von der AU eingerichteter Einsatz, den der Zielstaat akzeptiert, bedarf keiner Zustimmung durch den Sicherheitsrat. Somit ist es also möglich, dass Angehörige aus Nichtvertragsstaaten von der Ge-
reichs hatte noch alle Staaten zur Kooperation verpflichtet, dazu Andreas Zimmermann, Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: Pierre-Marie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (693). 286 Luigi Condorelli/Annalisa Ciampi, Comments on the Security Council Referral of the Situation in Darfur to the ICC, JICJ 3 (2005), 590 (592). 287
Die Wortwahl „urge“ repräsentiert einen fehlenden Verpflichtungswillen. So hatte der SR z.B. in der Resolution 827 (1993), die den JStGH etablierte, das gleiche Wort dafür verwendet, um Staaten und (Nicht-) Regierungsorganisationen zu einer Bereitstellung von Geldmitteln für den Gerichtshof aufzufordern. Dies konnte kaum als eine Verpflichtung aufgefasst werden, da der SR Staaten nicht dazu verpflichten kann, ihre finanziellen Beiträge für die VN zu erhöhen, dazu Matthias Neuner, The Darfur Referral of the Security Council and the Scope of the Jurisdiction of the International Criminal Court, YrbkIntlHumL 8 (2005), 320 (325 Fn. 30). 288
Siehe dazu oben 3. Kapitel A.III.1.
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richtsbarkeit des IStGH befreit sind, obwohl ihr Mandat nicht auf einer SR-Resolution unter Kapitel VII VN-Charta beruht.289
III. Handlungen auf Grundlage von Resolution 1593 Am 1. Juni 2005 nahm der Ankläger auf Grundlage der Resolution 1593 offiziell die Ermittlungen auf.290 Zu den wichtigsten Handlungen, die die Organe des IStGH auf Grundlage von Resolution 1593 seither vorgenommen haben, zählen die Ausstellung zweier Haftbefehle durch die Vorverfahrenskammer gegen den Dschandschawid-Führer Ali Kushayb291 und den früheren Staatssekretär für innere Angelegenheiten und heutigen Staatssekretär für humanitäre Angelegenheiten Ahmad Harun292 sowie die Beantragung dreier Haftbefehle gegen Mitglieder von 289
Kritisch hierzu Andreas Zimmermann, Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: Pierre-Marie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (697), der die Befugnis des SR zu einer solchen Regelung bezweifelt. So sei ein Einsatz der AU nicht notwendigerweise zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens eingerichtet, ein Ziel, das der SR unter Kapitel VII jedoch notwendigerweise verfolgen müsse. 290
Eighth Report of the Prosecutor of the International Criminal Court to the UN Security Council pursuant to UNSR 1593 (2005) (3. Dezember 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/BBA77B57-C81C-4152988C-D8D953471453/279075/8thUNSCreportsenttoUNENG1.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 4. 291
Warrant of Arrest for Ali Kushayb, ICC-02/05-01/07-3-Corr (27. April 2007), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc279858.PDF (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). Vgl. dazu ausführlich Jakob Pichon, The Principle of Complementarity in the Cases of the Sudanese Nationals Ahmad Harun and Ali Kushayb before the International Criminal Court, ICLR 8 (2008), 185 (219, 224). Siehe auch Decision on the Prosecution Application under Art. 58(7) of the Statute, ICC-02/05-01/07-1-Corr (27. April 2007), abrufbar unter http://www. icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc279809.PDF (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 292
Warrant of Arrest for Ahmad Harun, ICC-02/05-01/07-2-Corr (27. April 2007), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc279813.PDF (zu-
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Rebellengruppen in Darfur, die der Ankläger für den Überfall auf Soldaten der Afrikanischen Union in Haskanita (Darfur) Ende September 2007 für verantwortlich hält.293 Am meisten Aufsehen erregte aber die Ausstellung eines Haftbefehls gegen den amtierenden sudanesischen Staatspräsidenten Omar al-Bashir inklusive Rechtshilfeersuchen an alle Vertragsstaaten sowie alle Mitgliedstaaten des Sicherheitsrats durch die Vorverfahrenskammer, die damit dem entsprechenden Antrag des Ankläger vom 14. Juli 2008294 in weiten Teilen entsprach.295 Allerdings beschränkte die Vorverfahrenskammer den Haftbefehl auf bestimmte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und kam dem Antrag des Anklägers auf Erstellung des Haftbefehls auch in Bezug auf Genozid nicht nach.296 letzt abgerufen: 3. März 2010). Vgl. zu beiden Fällen ausführlich Jakob Pichon, The Principle of Complementarity in the Cases of the Sudanese Nationals Ahmad Harun and Ali Kushayb before the International Criminal Court, ICLR 8 (2008), 185 (219, 224). 293 Summary of the Prosecutor’s Application under Article 58, ICC-02/05-162 (20. November 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc5 89950.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). Gegen einen der Beschuldigten, Bahr Idriss Abu Garda, hat die Vorverfahrenskammer im Mai 2009 eine Vorladung erlassen, nachdem dieser zuvor seine Bereitschaft zur Kooperation mit dem Ankläger erklärt hatte, Decision on the Prosecutor’s Application under Article 58, ICC-02/05-02/09-15-AnxA 29-07-2009 2/23 SL PT (7. Mai 2009), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc689342.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 294
Public Redacted Version of Prosecution’s Application under Article 58 filed on 14 July 2008, ICC-02/05-157 (12. September 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc559998.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). Public Redacted Version of the Prosecutor’s Application under Article 58: Annex A, ICC-02/05-157-AnxA (12. September 2008), abrufbar unter http:// www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc559999.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 295
Public Redacted Version: Decision on the Prosecution’s Application for a Warrant of Arrest against Omar Hassan Ahmad Al Bashir, ICC-02/05-01/09-3 (4. März 2009), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc639096. pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010); Public Document: Warrant of Arrest for Omar Hassan Ahmad Al Bashir, ICC-02/05-01/09-1 (4. März 2009), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc639078.pdf (zuletzt abgerufen: 12. August 2009). 296
Public Redacted Version: Decision on the Prosecution’s Application for a Warrant of Arrest against Omar Hassan Ahmad Al Bashir, ICC-02/05-01/09-3 (4. März 2009), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc639096.
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Bereits der Antrag auf Erstellung eines Haftbefehls gegen den sudanesischen Präsidenten hatte in der Weltöffentlichkeit großes Aufsehen erregt. Zeigten sich Nicht-Regierungs-Organisationen erfreut über diesen Schritt,297 betonten sudanesische Regierungsmitglieder, die humanitäre Situation in Darfur würde sich erheblich verschlechtern, sollte die Vorverfahrenskammer den Haftbefehl tatsächlich ausstellen. So drohte z.B. der Präsident selbst damit, die Truppen der gemeinsamen Friedenstruppe der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen (United Nations-African Union Mission in Darfur; UNAMID)298 aus dem Land zu weisen, sollte der Haftbefehl gegen ihn erstellt werden.299 Und so gab und gibt es in politischen und diplomatischen Kreisen starke Bedenken, das Vorgehen des Anklägers könnte die ohnehin schon instabile politische Lage in Darfur weiter destabilisieren und die andauernden Friedensgespräche torpedieren.300 Diese Befürchtungen wurden offensichtlich auch von der UNAMID geteilt: Sie zog als Reaktion auf den An-
pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 110 ff. Zu beachten ist allerdings, dass die Berufungskammer der Vorverfahrenskammer inzwischen aufgegeben hat, die Verdachtsmomenten hinsichtlich des Genozidvorwurfs neu zu prüfen, Judgment on the Appeal of the Prosecutor against the “Decision on the Prosecution’s Application for a Warrant of Arrest against Omar Hassan Ahmad Al Bashir”, ‘ICC-02/05-01/09-OA (3. Februar 2010), abrufbar unter http://www.icccpi.int/iccdocs/doc/doc817795.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 297
Vgl. z.B. Amnesty International, Sudan-International Criminal Court: an Important Step, Pressemitteilung vom 14. Juli 2008, abrufbar unter http://ww w.amnesty.org/en/for-media/press-releases/sudan-international-criminal-court -important-step-20080714 (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 298
Die UNAMID wurde durch S/RES/1769 (2007) am 31. Juli 2007 errich-
tet. 299
Sudanese President Makes First Public Threat to Expel Peacekeepers, Sudan Tribune, 22. August 2008, abrufbar unter http://www.sudantribune.com/ spip.php?article28364 (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 300
UN Fears Over Warrant for Bashir, BBC News, 6. November 2008, abrufbar unter http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/7712616.stm (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). Weitere Nachweise finden sich bei Alexander Nguyen, Haftbefehl gegen Präsident Al Bashir – IStGH-Ankläger außer Kontrolle?, Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht, 9 (2008), 368 f.
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trag des Anklägers aus Sicherheitsgründen 200 ihrer zivilen Mitarbeiter ins benachbarte Ausland ab.301 Auch im Umfeld des Sicherheitsrats fanden und finden die Bedenken gegen den Antrag des Anklägers und die Erstellung des Haftbefehls Anhänger: So wurden immer wieder Überlegungen angestellt, das Verfahren gegen al-Bashir durch eine Resolution gemäß Art. 16 RS für ein Jahr auszusetzen.302 Offiziell auf der Tagesordnung des Sicherheitsrats landete diese Frage schließlich Ende Juli 2008, als die Verlängerung des Mandats der UNAMID verabschiedet werden musste. Die SR-Mitglieder Russland, China, Libyen, Indonesien und Vietnam versuchten, diese Verlängerung mit dem gleichzeitigen Aufschub des Verfahrens gegen al-Bashir zu verknüpfen,303 fanden hierfür aber nicht die erforderliche Mehrheit. So verabschiedete der Sicherheitsrat schließlich am 31. Juli 2008 einen britischen Vorschlag als Resolution 1828 (2008), ohne das Verfahren vor dem IStGH gegen den sudanesischen Präsidenten auszusetzen. Stattdessen heißt es im 9. Erwägungsgrund: Kenntnis nehmend von dem Kommuniqué der 142. Sitzung des Friedens- und Sicherheitsrats der Afrikanischen Union vom 21. Juli (S/2008/481, Anlage), in Anbetracht der von Mitgliedern des Rates geäußerten Besorgnisse hinsichtlich der Entwicklungen, die sich im Anschluss an den Antrag des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofs vom 14. Juli 2008 ergeben könnten, und Kenntnis nehmend von ihrer Absicht, diese Angelegenheiten weiter zu prüfen […]. Somit hatten sich diejenigen Staaten durchgesetzt, die sich entweder entschieden gegen die Anwendung von Art. 16 RS im Fall al-Bashir 301
Alexander Nguyen, Haftbefehl gegen Präsident Al Bashir – IStGHAnkläger außer Kontrolle?, Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht, 9 (2008), 368 (369). 302
Siehe allein die entsprechenden Forderungen der Afrikanischen Union (Letter dated 21 July 2008 from the Permanent Observer of the African Union to the United Nations addressed to the President of the Security Council [23. Juli 2008], UN Doc. S/2008/481) sowie der Arabischen Liga, der Organisation der Islamischen Konferenz und der Bewegung blockfreier Staaten, vgl. Stellungnahme der Russischen Föderation, in: Provisional Verbatim Record of the 5947th Meeting (31. Juli 2008), UN Doc. S/PV.5947, 3 f. 303
Stellungnahme der Russischen Föderation, in: Provisional Verbatim Record of the 5947th Meeting (31. Juli 2008), UN Doc. S/PV.5947, 3 f., Chinas (ibid. 6), Libyens (ibid. 7), Indonesiens (ibid. 10), Vietnams (ibid. 11).
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ausgesprochen hatten304 oder die diese Angelegenheit zumindest nicht zusammen mit der Verlängerung des Mandats der UNAMID behandeln wollten.305 Über alle Handlungen und Entwicklungen auf Grundlage der Resolution 1593 berichtete der Ankläger dem Sicherheitsrat in regelmäßigen, halbjährlichen Abständen.306 Dabei stellte er in allen Berichten seit dem Erlass der Haftbefehle gegen Ahmad Harun und Ali Kushayb fest, dass die sudanesische Regierung nicht mit dem IStGH kooperiert.307 Auf Grund dieser Feststellung sah sich der Präsident des Sicherheitsrats am 16. Juni 2008 genötigt, eine Stellungnahme (presidential statement) mit folgendem Wortlaut zu erlassen: 304
Stellungnahme der Vereinigte Staaaten von Amerika, in: Provisional Verbatim Record of the 5947th Meeting (31. Juli 2008), UN Doc. S/PV.5947, 8, Belgiens (ibid. 10); wohl auch Italiens (ibid. 11). 305
Stellungnahme des Vereinigten Königreichs, in: Provisional Verbatim Record of the 5947th Meeting (31. Juli 2008), UN Doc. S/PV.5947, 3, Frankreichs (ibid. 9). 306
Siehe nur den ersten (Report of the Prosecutor of the International Criminal Court, Mr. Luis Moreno Ocampo, to the UN Security Council pursuant to UNSR 1593 [2005] [29. Juni 2005]) und den letzten Bericht des Anklägers (Tenth Report of the Prosecutor of the International Criminal Court to the UN Security Council pursuant to UNSR 1593 [2005] [4. Dezember 2009], abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/CC15BF0D-FA88-4C95-876E-D 651706FE720/281337/10thUNSCReportENG1.pdf [zuletzt abgerufen: 3. März 2010]). 307
Erste Andeutungen in diese Richtung finden sich bereits im Fifth Report of the Prosecutor of the International Criminal Court to the UN Security Council Pursuant to UNSCR 1593 (2005) (7. Juni 2007), 7 ff., abrufbar unter: http:// www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/CE794D3B-ED91-4D86-A28E-3F61E6C44083 /277796/OTP_ReportUNSC5Darfur_English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), 10. Eindeutig wird der Ankläger dann ab dem Sixth Report of the Prosecutor of the International Criminal Court to the UN Security Council pursuant to UNSR 1593 (2005) (7. Dezember 2007), abrufbar unter http://www2.icccpi.int/NR/rdonlyres/D084A825-A985-4068-8320-5724AA894430/277791/OT PRP20071205UNSCENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 83. Vgl. auch Eighth Report of the Prosecutor of the International Criminal Court to the UN Security Council pursuant to UNSR 1593 (2005) (3. Dezember 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/BBA77B57-C81C-4152-988 C–D8D953471453/279075/8thUNSCreportsenttoUNENG1.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 82.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
Der Sicherheitsrat nimmt Kenntnis von der siebenten Unterrichtung durch den Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs gemäß der Resolution 1593 (2005) am 5. Juni 2008. Der Sicherheitsrat verweist auf seinen in der Resolution 1593 (2005) nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen gefassten Beschluss, dass die Regierung Sudans und alle anderen Parteien des Konflikts in Darfur gemäß der genannten Resolution mit dem Internationalen Strafgerichtshof und dem Ankläger uneingeschränkt zusammenarbeiten und ihnen jede erforderliche Unterstützung gewähren müssen, und betont gleichzeitig den Grundsatz der Komplementarität des Internationalen Strafgerichtshofs. Der Sicherheitsrat nimmt Kenntnis von den Anstrengungen, die der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs unternommen hat, um diejenigen, die in Darfur Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, vor Gericht zu stellen, und insbesondere von den Folgemaßnahmen, die der Internationale Strafgerichtshof gegenüber der Regierung Sudans ergriffen hat, namentlich der Übermittlung von Haftbefehlen an die Regierung Sudans durch die Kanzlei des Internationalen Strafgerichtshofs am 16. Juni 2007 und der Einleitung weiterer Ermittlungen zu von verschiedenen Parteien in Darfur begangenen Verbrechen durch den Ankläger. In dieser Hinsicht fordert der Rat die Regierung Sudans und alle anderen Parteien des Konflikts in Darfur nachdrücklich auf, mit dem Gerichtshof entsprechend Resolution 1593 (2005) uneingeschränkt zusammenzuarbeiten, um der Straflosigkeit für die in Darfur begangenen Verbrechen ein Ende zu setzen.308
308
Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats (16. Juni 2008), UN Dok. S/PRST/2008/21.
4. Kapitel: Übereinstimmung zwischen den Sicherheitsrats-Resolutionen und dem Römischen Statut Nachdem im 1. Kapitel diejenigen Maßstäbe analysiert wurden, die das Römische Statut für IStGH und Sicherheitsrat aufstellt, soll im Folgenden ein Blick darauf geworfen werden, ob die soeben vorgestellten Resolutionen diesen Maßstäben gerecht werden. Sollte diese Frage bejaht werden, so würde sich, jedenfalls in Bezug auf die konkret verabschiedeten Resolutionen, ein weiteres Eingehen auf die Voraussetzungen der VN-Charta erübrigen. Denn wenn sich der Sicherheitsrat bereits an die Vorgaben des Römischen Statuts hält, steht die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen in Bezug auf den IStGH außer Frage. Allerdings soll der folgenden Untersuchung an dieser Stelle deutlich vorausgeschickt werden, dass die Frage, ob die SR-Resolutionen mit dem Römischen Statut in Einklang zu bringen sind, noch nichts darüber aussagt, ob der Sicherheitsrat dazu befugt war, die besagten Resolutionen zu erlassen. Dies folgt aus der Vorüberlegung, dass der Sicherheitsrat – jedenfalls im Rahmen seiner Tätigkeit unter Kapitel VII VNCharta –309 weder an das Römische Statut noch an das Beziehungsabkommen zwischen IStGH und Vereinten Nationen gebunden ist. Für das Römische Statut ergibt sich das bereits aus der Tatsache, dass die Vereinten Nationen dem Römischen Statut nicht beigetreten sind. Und wenn auch dieses Argument für das Beziehungsabkommen nicht gleichermaßen gelten kann, da dieses von den Vereinten Nationen selbst geschlossen wurde, ist doch darauf hinzuweisen, dass sowohl das Römische Statut als auch das Beziehungsabkommen als völkerrechtliche Verträge einzustufen sind und als solche einen Teil des allgemeinen Völkerrechts darstellen. Gegen eine Bindung des Sicherheitsrats an allgemeines Völkerrecht im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta spricht aber bereits, dass Art. 1 Abs. 1 VN-Charta die Beachtung des Völker309
Die hier in Rede stehenden Resolutionen wurden alle unter Kapitel VII VN-Charta verabschiedet, siehe dazu bereits oben 3. Kapitel. Zur Beschränkung dieser Untersuchung auf SR-Resolutionen, die unter Kapitel VII VNCharta verabschiedet werden, siehe auch unten 5. Kapitel.
J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_5, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
rechts – wie auch der Grundsätze der Gerechtigkeit – nur im Rahmen von Maßnahmen des Sicherheitsrats unter Kapitel VI, nicht aber Kapitel VII VN-Charta einfordert.310 Aus diesem Grund ist der Sicherheitsrat – e contrario – im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta nicht an allgemeines Völkerrecht gebunden.311 Dieser Ansicht wird von Herbst zwar entgegnet, dass allein aus dem Fehlen einer förmlichen Anordnung der Rechtsbindung an allgemeines Völkerrecht kein argumentum e contrario hergeleitet werden könne. Eher umgekehrt dürfe man gerade dann, wenn eine vertragliche Außerkraftsetzung allgemeinvölkerrechtlicher Regeln fundamentalen Charakters gewollt sei, hierfür einen eindeutigen Anhaltspunkt erwarten.312 Doch selbst wenn man diesem Argument folgte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die gesamte Ausgestaltung des Tätigkeitsfeldes des Sicherheitsrats als „Weltpolizist“, der schnell und wirksam gegen Friedensbedrohungen vorgehen können soll,313 lässt sich durchaus als ein solcher Anhaltspunkt begreifen. So er-
310
Nico Krisch, Selbstverteidigung und kollektive Sicherheit, 2001, 152 f.; Gabriël H. Oosthuizen, Playing the Devil’s Advocate: the United Nations Security Council is Unbound by Law, LJIL 12 (1999), 549 (552 f.) jeweils m.w.N. Dazu ausführlich Jochen Herbst, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates, 1999, 374 ff. 311 Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (274); T. D. Gill, Legal and Some Political Limitations on the Power of the UN Security Council to Exercise its Enforcement Powers Under Chapter VII of the Charter, NYIL XXVI (1995), 33 (67 f.); Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 146 f.; Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (711 Rn. 27); Rüdiger Wolfrum, Article 1, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 39 (43 Rn. 19). 312 313
Jochen Herbst, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates, 1999, 377.
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (705 Rn. 13); Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 105.
Vereinbarkeit der Sicherheitsrats-Resolutionen mit dem Römischen Statut
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gibt eine teleologische Auslegung der relevanten Bestimmungen der VN-Charta, dass eine effektive und schnelle Reaktion des Sicherheitsrats auf Friedensbedrohungen erwünscht ist.314 Müsste der Sicherheitsrat im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta allgemeines Völkerrecht beachten, wäre die Effektivität der Maßnahmen des Sicherheitsrats in Frage gestellt.315 Folglich ist der Sicherheitsrat an allgemeines Völkerrecht – und damit das Römische Statut und das Beziehungsabkommen – nicht gebunden, wenn er Maßnahmen im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta ergreift.316 Dies bedeutet, dass die nun folgende Untersuchung lediglich prüft, ob der Sicherheitsrat sich freiwillig an die Vorgaben des Römischen Statuts – und gegebenenfalls das Beziehungsabkommen – gehalten hat. Eine Pflicht, die dem Sicherheitsrat nicht schon aus der VNCharta erwächst, konnten die Gründer des Römischen Statuts nicht aufstellen. Aus all dem folgt auch, dass mögliche Kollisionen der Resolutionen mit dem Römischen Statut keinesfalls bereits eine Rechtswidrigkeit der SR-Resolutionen nach sich ziehen. Eine mögliche Rechtswidrigkeit könnte sich allenfalls bei Missachtung der Vorgaben der VNCharta und bestimmter völkerrechtlicher Prinzipien (wie z.B. ius cogens) ergeben, was aber nicht Gegenstand des 4. Kapitels ist, sondern erst im 6. Kapitel angesprochen wird. Damit ergibt sich für die folgende Analyse: Nicht geprüft wird an dieser Stelle, ob sich für die Resolutionen des Sicherheitsrats in der VNCharta eine Rechtsgrundlage findet. Vielmehr wird analysiert, ob das Römische Statut für den Sicherheitsrat die für die Resolutionen erforderlichen Kompetenzen bereithält. Neben dieser Frage der grundsätzlichen Kompetenz des Sicherheitsrats wird zudem untersucht, ob die Resolutionen auch mit den außerkompetenzrechtlichen Bestimmungen in Einklang zu bringen sind. 314
Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen im Umfeld bewaffneter Konflikte – Zur Bindung des Sicherheitsrates an individualschützende Normen, 2007, 201. 315
Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen im Umfeld bewaffneter Konflikte – Zur Bindung des Sicherheitsrates an individualschützende Normen, 2007, 223 m.w.N. 316
So auch Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 187; Scott S. Evans, The Lockerbie Incident Cases: Libyan-Sponsored Terrorism, Judicial Review and the Political Question Doctrine, MdJIntlL&Trade 18 (1994), 21 (73).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
A. Sicherheitsrats-Resolutionen 1422 (2002) und 1487 (2003)317 I. Kompetenz des Sicherheitsrats im Römischen Statut für die Aufschubregelungen in Resolution 1422 Als Kompetenznorm für die Aufschubregelungen in Resolution 1422 kommt im Römischen Statut allein Art. 16 RS in Betracht – wobei auch an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen sei, dass die (Art. 16 RS inhärente) Voraussetzung einer Resolution nach Kapitel VII VNCharta als Rechtsgrundlage für das Handeln des Sicherheitsrats erst im 8. Kapitel untersucht wird. Für eine Kompetenz des Sicherheitsrats gemäß Art. 16 RS könnte man aus den Worten „im Einklang mit Artikel 16 des Römischen Statuts“ im operativen § 1 der Resolution 1422 zunächst den Schluss ziehen, der Sicherheitsrat habe Art. 16 RS als Kompetenznorm für sein Handeln festgelegt. Doch für eine derartige Befugnis des Sicherheitsrats müsste ihm ein autoritatives Interpretationsrecht bezüglich des Römischen Statuts zukommen. Ein solches steht gemäß Art. 31 Abs. 3b) WVRÜ jedoch nur den Vertragsstaaten zu.318 Daher kommt die Resolution als Ausdruck einer Übung der Vertragsstaaten in diesem Fall aber allein schon deshalb nicht in Frage, da an dem Beschluss auch Nichtvertragsstaaten teilnahmen. Darüber hinaus gaben die meisten Vertragsstaaten äußerst kritische Anmerkungen hinsichtlich der Verabschiedung von Resolution 1422 ab,319 was dem Erfordernis der „Übereinstimmung der Vertragsparteien“ i.S.v. Art. 31 Abs. 3b)
317 Im Folgenden wird angesichts des identischen Wortlauts dieser beiden Resolutionen nur noch auf Resolution 1422 rekurriert. Die Ausführungen sind aber auf Resolution 1487 übertragbar. 318
Art. 31 Abs. 3 WVRÜ lautet:
Außer dem Zusammenhang sind in gleicher Weise zu berücksichtigen […] b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht; […]. 319 Vgl. nur den Brief Brasiliens, Kanadas, Neuseelands und Südafrikas an den Präsidenten des SR (Letter dated 12 July 2002 from the Permanent Representatives of Brazil, Canada, New Zealand and South Africa to the United Nations addressed to the President of the Security Council, UN Doc. S/2002/754 [12. Juli 2002]).
Vereinbarkeit der Sicherheitsrats-Resolutionen mit dem Römischen Statut
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WVRÜ widerspricht und damit ebenfalls einer autoritativen Interpretation von Art. 16 RS durch Resolution 1422 entgegensteht.320 Daher konnte der Sicherheitsrat nicht autoritativ feststellen, dass Art. 16 RS eine Kompetenz für die Aufschubregelung in Resolution 1422 bereit hält. Untersucht man deswegen von dieser Feststellung des Sicherheitsrats unabhängig die Frage, ob Art. 16 RS die Kompetenznorm für die Aufschubregelung in Resolution 1422 darstellt, so ist vorab jedenfalls festzuhalten, dass der ursprüngliche Vorschlag der Vereinigten Staaten, das Ersuchen in Resolution 1422 unbefristet zu verabschieden, nicht in Einklang mit Art. 16 RS zu bringen gewesen wäre. Denn Art. 16 RS lässt ausdrücklich lediglich einjährige Ersuchen zu.321 Der aktuelle Wortlaut des operativen § 2 ist jedoch nicht mit einem unbefristeten Ersuchen gleichzusetzen. Denn der Sicherheitsrat bekundet hier lediglich die Absicht, die Wirkungen von Resolution 1422 nach einem Jahr zu verlängern. Es besteht daher noch nicht einmal die Pflicht, dieses Thema ein Jahr später auf die Agenda des Sicherheitsrats zu setzen,322 geschweige denn eine rechtliche Bindung der Sicherheitsratsmitglieder, ein Jahr später für die Verlängerung zu stimmen.323 Zudem 320
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (923 f.). 321
Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (268). 322
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (911) unter Hinweis auf Rule 7 i.V.m. Rule 3 und 6 Provisional Rules of Procedure of the Security Council, UN Doc. S/96/Rev. 7 (1983). A.A. Carsten Stahn, The Ambiguities of Security Council Resolution 1422 (2002), EJIL 14 (2003), 85 (93). 323
Robert Cryer/Nigel D. White, The Security Council and the International Criminal Court: Who’s Feeling Threatened?, YrbkIntlPO 8 (2002), 143 (147); Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (268). Vgl. auch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, 2002: „[E]ine automatische Verlängerung sieht Resolution 1422 nicht vor.“ A.A. Carsten Stahn, The Ambiguities of Security Council Resolution 1422 (2002),
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
macht der operative § 2 eine Verlängerung ausdrücklich von einem Ersuchen „unter denselben Bedingungen“ abhängig, weswegen eine identische oder zumindest entsprechende Bedrohungssituation vorliegen muss.324 Insofern ist der operative § 2 rechtlich gesehen unschädlich und verhindert allein nicht, dass sich die Aufschubregelung der Resolution 1422 mit Art. 16 RS deckt. Allerdings umfasst der Aufschub im operativen § 1 der Resolution 1422 Situationen, in denen noch gar keine Verbrechen begangen wurden (abstrakte Situationen). Zum Zeitpunkt der Annahme der Resolution 1422 war kein Fall eines Verbrechens bekannt, welches durch einen Angehörigen eines von den Vereinten Nationen eingerichteten oder genehmigten Einsatzes verübt worden war. Auf dieser Grundlage hätten also noch gar keine Ermittlungen eingeleitet werden können. In diesem Stadium ist aber Art. 16 RS noch nicht anwendbar.325 Denn solange gar keine Verbrechen begangen worden sind, kann der Sicherheitsrat gar keine Abwägungsentscheidung zwischen Friedenssicherung und Strafverfolgung treffen, die ihm von Art. 16 RS auferlegt wird. Folglich befindet sich der operative § 1 der Resolution 1422 nicht in Einklang mit Art. 16 RS.326 Daran ändert sich auch durch den Einschub „beim Eintreten eines Falles“ nichts. Denn auch dies führt nicht dazu, dass der Sicherheitsrat hier, wie von Art. 16 RS gefordert, auf eine konkrete Situation reagiert – in der er zwischen dem Streben nach Gerechtigkeit und der Sicherung des Weltfriedens abwägen musste –, sondern in abstrakter Weise die Entscheidung trifft, dass die Sicherung des Weltfriedens in jedem erfassten Fall Vorrang vor dem Streben nach Gerech-
EJIL 14 (2003), 85 (93), der der Ansicht ist, § 2 verpflichte die ständigen Mitglieder des SR im folgenden Jahr ihr Vetorecht nicht auszuüben. 324 Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 176. 325 326
Siehe dazu oben 1. Kapitel B.I.4.
Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (270).
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tigkeit genießt. Denn diese Fälle und Situationen werden automatisch und somit bereits vor ihrer Entstehung erfasst.327 Mithin versucht Resolution 1422 zwar, sich auf Art. 16 RS zu stützen, betrifft aber nicht – wie von Art. 16 RS gefordert – nur konkrete Situationen, also solche, in denen bereits Verbrechen verübt wurden. Daher befindet sich das Aufschubersuchen in Resolution 1422 nicht in Einklang mit Art. 16 RS.
II. Kompatibilität von Resolution 1422 mit sonstigen Bestimmungen des Römischen Statuts Resolution 1422 beraubt den IStGH für den Zeitraum eines Jahres jeder Möglichkeit, einen Fall gemäß dem in Art. 17 RS niedergelegten Komplementaritätsprinzip an sich zu ziehen.328 Das Komplementaritätsprinzip sorgt dafür, dass der IStGH dann Ermittlungen aufnehmen darf, wenn sich der betroffene Staat als nicht willens oder nicht in der Lage zu nationalen Ermittlungen erweist. Mit diesem Eingriff in das Komplementaritätsprinzip verändert Resolution 1422 auch das Zuständigkeitsregime des Art. 12 Abs. 2 RS. Unter den in dieser Vorschrift festgelegten Voraussetzungen ist der IStGH auch für Angehörige von Nichtvertragsstaaten zuständig. Fraglich ist, ob dies in Einklang mit Art. 12 und 17 RS steht. Dagegen spricht, dass diese Aktion auf den ersten Blick nur Nichtvertragsstaaten betrifft. Daraus könnte man schließen, dass das für die Vertragsstaaten geltende Komplementaritätsregime gar nicht verändert wird.329 Dem lässt sich jedoch entgegnen, dass dem IStGH unter bestimmten Voraussetzungen die Zuständigkeit eben gerade auch über Angehörige von
327
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 172 f. 328
So in Bezug auf den insoweit vergleichbaren operativen § 7 der Resolution 1497 Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (274). 329
Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (275).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
Nichtvertragsstaaten zugesprochen wird.330 Wird dies verändert, so handelt es sich um eine unter dem Römischen Statut nicht erlaubte Vertragsänderung durch Dritte – wobei auch hier erneut angemerkt sei, dass dieses Zwischenergebnis lediglich die Sichtweise des Römischen Statuts widerspiegelt. Ob dem Sicherheitsrat aus der VN-Charta möglicherweise doch die Befugnis für eine solche „Vertragsänderung durch Dritte“ zusteht, wird an dieser Stelle nicht erörtert. Aus dem Gesagten folgt, dass Resolution 1422 durch die Veränderung des Inhalts des Zuständigkeitsregimes sowie des Komplementaritätsprinzips mit dem Römischen Statut nicht in Einklang steht.331 Zu beachten ist dabei allerdings, dass dies erst und nur dann relevant wird, wenn der Entsendestaat seine Staatsangehörigen strafrechtlich nicht verfolgt. An dem Konflikt mit dem Zuständigkeits- und Komplementaritätsregime ändert sich auch dadurch nichts, dass der Sicherheitsrat nach Art. 13 lit. b) RS grundsätzlich die Möglichkeit hat, die Zuständigkeit des IStGH einzugrenzen.332 Denn erstens bezieht sich diese Eingrenzungsmöglichkeit lediglich auf Unterbreitungen des Sicherheitsrats; um eine solche aber handelt es sich bei Resolution 1422 nicht. Und zweitens darf der Sicherheitsrat nach dem Römischen Statut lediglich zeitliche und örtliche, nicht aber personelle Eingrenzungen vornehmen. Fraglich ist, ob der operative § 1 der Resolution 1422 mit Art. 27 Abs. 2 RS, der Immunitäten für unbeachtlich erklärt, in Einklang steht.333 Indem bestimmte Personengruppen von der Zuständigkeit des IStGH ausgenommen werden, genießen sie zumindest vorübergehend Immunität vor dem IStGH – ein Konflikt mit Art. 27 Abs. 2 RS liegt nahe. Hierzu müsste aber auch die von der Resolution 1422 erfasste Perso-
330
Die Rechtmäßigkeit dieser Regelung ist allerdings umstritten und wird insbesondere von den Vereinigten Staaten angezweifelt, vgl. dazu Madeline Morris, High Crimes and Misconceptions: The ICC and Non-Party States, LCP 64 (2001), 13 ff. Die ganz überwiegende Meinung sieht die Regelung aber als rechtmäßig an, siehe nur Michael P. Scharf, The ICC’s Jurisdiction over the Nationals of Non-Party States: a Critique of the U.S. Position, LCP 64 (2001), 67 ff. 331
Carsten Stahn, The Ambiguities of Security Council Resolution 1422 (2002), EJIL 14 (2003), 85 (93 ff.). 332 333
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.I. Zum Wortlaut des Art. 27 RS siehe bereits oben 1. Kapitel A.V.2.
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nengruppe (Angehörige von VN-Friedenstruppen) unter Art. 27 RS („amtliche Eigenschaft“) zu subsumieren sein. Unter den Begriff der „amtlichen Eigenschaft“ sind alle Aktivitäten zu subsumieren, die durch ein Staatsorgan ausgeführt wurden oder dem Staat sonst zurechenbar sind.334 Unter diese Definition fallen auch Angehörige der VNoder AU-Friedenstruppen.335 Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass der Vorschlag Frankreichs, wonach ein Handeln in Ausübung eines Mandats des Sicherheitsrats strafrechtlich nicht verfolgbar sein sollte,336 nicht ins Römische Statut aufgenommen wurde.337 Somit erklärt Art. 27 RS auch Immunitäten von Angehörigen von VNFriedenstruppen für unbeachtlich. Problematisch könnte allerdings sein, dass Resolution 1422 die Strafverfolgung gegen Angehörige von Nichtvertragsstaaten einschränkt. Fraglich ist, ob dies überhaupt einen Konflikt mit Art. 27 RS darstellt. Denn grundsätzlich kann das Römische Statut auf Grund des Drittwirkungs334
Matthias Neuner, The Darfur Referral of the Security Council and the Scope of the Jurisdiction of the International Criminal Court, YrbkIntlHumL 8 (2005), 320 (331). 335
Carsten Stahn, The Ambiguities of Security Council Resolution 1422 (2002), EJIL 14 (2003), 85 (96); Matthias Neuner, The Darfur Referral of the Security Council and the Scope of the Jurisdiction of the International Criminal Court, YrbkIntlHumL 8 (2005), 320 (331). 336
Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court (16. März - 3. April 1998): Report of the Inter-Sessional Meeting from 19 to 30 January 1998 in Zutphen, The Netherlands, UN Doc. A/AC.249/1998/L.13 (4. Februar 1998), 64 (Article 26). Der Vorschlag lautete: “Persons who have carried out acts ordered by the Security Council or in accordance with a mandate issued by it shall not be criminally responsible before the Court.” 337
Carsten Stahn, Gute Nachbarschaft um jeden Preis? Einige Anmerkungen zur Anbindung der USA an das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ZaöRV 60 (2000), 631 (657); Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (257 f.). Angesichts der Tatsache, dass die Verübung von Kernverbrechen nicht Teil der „Ausübung des Mandats“ gewesen wäre, hätte dieser Vorschlag zudem wohl ohnehin keine größere praktische Relevanz gehabt, vgl. dazu Arnd Düker, Die Strafverfolgung von Angehörigen einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen, 2008, 61.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
verbots aus Art. 34 WVRÜ nicht Immunitäten von Angehörigen aus Staaten für unbeachtlich erklären, die das Römische Statut gar nicht ratifiziert haben. Allerdings ist an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen, dass Art. 27 Abs. 2 RS jedenfalls insoweit Völkergewohnheitsrecht widerspiegelt, als dieser den Ausschluss der funktionellen Immunität vorsieht.338 Zwar ist die völkergewohnheitsrechtliche Natur des Ausschlusses im Hinblick auf die persönliche Immunität (ratione personae) streitig. Bezüglich Resolution 1422 ist dies jedoch irrelevant, da diese mit „derzeitige[n] oder ehemalige[n] Amtsträger[n] oder Bedienstete[n] eines zu einem [VN] Einsatz beitragenden Staates“ ohnehin nur einen Personenkreis erfasst, der der Kategorie der Immunität ratione personae339 nicht zuzuordnen sein dürfte. Da Resolution 1422 auf Grund des betroffenen Personenkreises also nur die Immunität ratione materiae betrifft, deren Unbeachtlichkeit völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist, gilt Art. 27 Abs. 2 RS zumindest insoweit auch für Angehörige von Nichtvertragsstaaten. Indem also der operative § 1 der Resolution 1422 eine bestimmte Gruppe von Angehörigen von Nichtvertragsstaaten von der Strafverfolgung durch den IStGH befreit, liegt diesbezüglich ein Konflikt mit Art. 27 Abs. 2 RS vor –340 dies zumindest mittelbar, sobald sich der Entsendestaat als unfähig oder nicht willens erweist, seine eigenen Staatsangehörigen selbst zu verfolgen. All diese Auswirkungen sind typische Folge von Resolutionen unter Art. 16 RS und hätten bei einer (aus Sicht des Römischen Statuts) richtigen Anwendung dieser Vorschrift auch mit den übrigen Bestimmungen in Einklang gestanden. Da dem Sicherheitsrat im Römischen Statut für die Aufschubregelung in Resolution 1422 aber wie gesehen keine
338
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.V.2.
339
Dazu zählen sicher Staatschefs und Außenminister, Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 607; Boris Burghardt/Julia Geneuss, Der Präsident und sein Gericht. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs über den Erlass eines Haftbefehls gegen Al Bashir, ZIS 7 (2009), 126 (128 Fn. 26). Ob auch Regierungschefs und andere Mitglieder der Regierung hierunter fallen, ist umstritten, Helmut Kreicker, Immunität und IStGH. Zur Bedeutung völkerrechtlicher Exemtionen für den Internationalen Strafgerichtshof, ZIS 7 (2009), 350 (354 m.w.N.). 340
Carsten Stahn, The Ambiguities of Security Council Resolution 1422 (2002), EJIL 14 (2003), 85 (94 ff.).
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Kompetenznorm zur Seite steht, steht die Resolution auch mit den genannten übrigen Bestimmungen nicht in Einklang.
B. Sicherheitsrats-Resolution 1497 (2003) I. Kompetenz des Sicherheitsrats im Römischen Statut für den Gerichtsbarkeitsausschluss in Resolution 1497 Als Kompetenznorm für einen derartigen Ausschluss der Gerichtsbarkeit des IStGH kommt im Römischen Statut einzig Art. 16 RS in Frage. Anders als bei den Resolutionen 1422 und 1487 wird Art. 16 RS gerade einmal zwei Monate nach Verabschiedung der Resolution 1487 in Resolution 1497 jedoch mit keinem Wort erwähnt. Auch während der Diskussionen, die der Verabschiedung der Resolution vorausgingen, wurde kein einziges Mal auf Art. 16 RS hingewiesen.341 Ebensowenig verwendet der Sicherheitsrat in Resolution 1497 die in Art. 16 RS vorgesehene Vokabel „Ersuchen richten“ (request). Man kann wohl vermuten, dass der Sicherheitsrat auf diese Weise ähnliche Diskussionen um die Kompatibilität seiner Resolutionen mit dem Römischen Statut wie bei den Resolutionen 1422 und 1487 vermeiden wollte. Denn auf Grund der ausdrücklichen Verbindung zu Art. 16 RS musste der Sicherheitsrat sich bei diesen Resolutionen fragen lassen, ob die Resolutionen der Intention des Römischen Statuts entsprechen.342 Somit steht zu vermuten, dass es gerade nicht die Intention des Sicherheitsrats war, Resolution 1497 auf Art. 16 RS basieren zu lassen. Unter diesen Umständen Art. 16 RS als unausgesprochene Grundlage des Handelns des Sicherheitsrats zu nehmen, erscheint unangebracht. Dennoch lässt sich aus der Tatsache allein, dass die Resolution keinen Hinweis auf Art. 16 RS enthält, noch nicht ableiten, dass Art. 16 RS nicht die Kompetenznorm des operativen § 7 der Resolution 1497 darstellt. Denn grundsätzlich muss der Sicherheitsrat die seinem Handeln
341
Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (271). 342
Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (272).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
zu Grunde liegenden Kompetenzbestimmungen nicht ausdrücklich nennen.343 Auch die Tatsache, dass der operative § 7 neben der Zuständigkeit des IStGH auch die Zuständigkeit aller Staaten außer der des Entsendestaates ausschließt, während Art. 16 RS sich lediglich an den IStGH wendet, sagt nichts über mögliche Konflikte mit Art. 16 RS aus.344 Denn da Art. 16 RS nicht den Ausschluss der Gerichtsbarkeit von staatlichen Gerichten zum Gegenstand hat, hat die Anordnung eines solchen Ausschlusses durch den Sicherheitsrat keinen Bezug zu Art. 16 RS und ist somit auch nicht unter Art. 16 RS zu prüfen. Unter diesen Umständen kann diese Anordnung aber auch keine Auswirkungen auf die Frage haben, ob der Ausschluss der Gerichtsbarkeit des IStGH in Einklang mit Art. 16 RS steht. Relevanter in diesem Zusammenhang ist, dass der operative § 7 der Resolution die Zuständigkeit des IStGH nicht nur – wie von Art. 16 RS erlaubt – ein Jahr lang suspendiert, sondern unbegrenzt aufschiebt. Dies steht der Annahme von Art. 16 RS als Kompetenznorm für den operativen § 7 entgegen.345 Dies könnte aber dann unbeachtlich sein, wenn man den operativen § 7 einer RS-konformen Auslegung unterziehen könnte. So könnte man die Wirkungen der Resolution auf 12 Monate begrenzen.346 Doch selbst wenn man annähme, dass der Sicherheitsrat mit einem solchen Vorgehen einverstanden wäre, stünde der operative § 7 dennoch nicht in Einklang mit Art. 16 RS: Denn der operative § 7 bezieht sich, wie schon die Resolutionen 1422/1487, auf eine abstrakte
343
Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (271). Zur Frage, ob der SR Art. 39 VN-Charta nennen muss, wenn er unter Kapitel VII VN-Charta agiert, vgl. unten 5. Kapitel A. 344
So aber in Bezug auf die gleichlautende Ziffer 6 der Resolution 1593 Luigi Condorelli/Annalisa Ciampi, Comments on the Security Council Referral of the Situation in Darfur to the ICC, JICJ 3 (2005), 590 (596), die aus diesem Grund eine Unvereinbarkeit mit Art. 16 RS annehmen. 345
Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (271). 346
So in Bezug auf die insoweit gleichlautende Ziffer 6 der Resolution 1593 Luigi Condorelli/Annalisa Ciampi, Comments on the Security Council Referral of the Situation in Darfur to the ICC, JICJ 3 (2005), 590 (596).
Vereinbarkeit der Sicherheitsrats-Resolutionen mit dem Römischen Statut
109
Situation,347 da zum Zeitpunkt der Annahme der Resolution 1497 Ermittlungen des Anklägers in Liberia weder geplant wurden, noch unmittelbar bevorstanden, geschweige denn vorgenommen wurden. Somit hat der Sicherheitsrat auch hier entgegen der Intention des Art. 16 RS eine Abwägungsentscheidung zu Gunsten der Friedenssicherung getroffen, ohne überhaupt auf alle für die Entscheidung nötigen Abwägungskriterien zurückgreifen zu können. Damit steht der operative § 7 selbst dann in Konflikt mit Art. 16 RS, wenn er hinsichtlich der Dauer des Aufschubs RS-konform ausgelegt wird. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich für das Handeln des Sicherheitsrats in Resolution 1497 im Römischen Statut keine Kompetenznorm findet.348
II. Kompatibilität von Resolution 1497 mit sonstigen Bestimmungen des Römischen Statuts Wie der operative § 1 der Resolution 1422 schließt der operative § 7 der Resolution 1497 Angehörige von Friedenstruppen von der Gerichtsbarkeit des IStGH aus,349 bei Resolution 1497 geschieht dies sogar ohne zeitliche Einschränkung. Aus diesem Grund sind die Ergebnisse der Prüfung, ob Resolution 1422 mit dem Römischen Statut in Konflikt steht, an dieser Stelle auf den operativen § 7 der Resolution 1497 übertragbar. Folglich steht auch Resolution 1497 mit Art. 12, 17 und 27 Abs. 2 RS nicht in Einklang. Für den Konflikt mit dem Immunitätenrecht des Römischen Statuts ergibt sich darüber hinaus aus Art. 19 BA eine Pflicht der Vereinten Nati347 Siehe zum Verhältnis von Art. 16 RS und abstrakten Situationen oben 1. Kapitel B.I.4. 348
Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (272). Vgl. auch, in Bezug auf den gleichlautenden operative § 6 der Resolution 1593, Heather Cash, Security Council Resolution 1593 and Conflicting Principles of International Law: How the Future of the International Criminal Court is at Stake, BrandeisLJ 45 (2006-07), 573 (583). 349
Auch an dieser Stelle ist zu beachten, dass der Ausschluss der Gerichtsbarkeit nationaler Gerichte über diese Personengruppe nicht aus dem Blickwinkel des Römischen Statuts, sondern lediglich auf Grundlage der VN-Charta zu bewerten ist.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
onen, die in Resolution 1497 enthaltene Immunität im Fall einer Strafverfolgung durch den IStGH aufzuheben. Art. 19 BA lautet: If the Court seeks to exercise its jurisdiction over a person who is alleged to be criminally responsible for a crime within the jurisdiction of the Court and if, in the circumstances, such person enjoys, according to the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations and the relevant rules of international law, any privileges and immunities as are necessary for the independent exercise of his or her work for the United Nations, the United Nations undertakes to cooperate fully with the Court and to take all necessary measures to allow the Court to exercise its jurisdiction, in particular by waiving any such privileges and immunities in accordance with the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations and the relevant rules of international law. Resolution 1497 stellt eine Immunität nach einer „relevant rule of international law“ dar. Damit besteht eine Verpflichtung der Vereinten Nationen, die entsprechende Immunität aufzuheben, sollte sich dies für die Strafverfolgung durch den IStGH für notwendig erweisen. Zwar war das Beziehungsabkommen zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Resolution 1497 noch nicht in Kraft getreten. Dies setzt Art. 19 BA für die Aufhebungspflicht aber auch nicht voraus. Folglich besteht nach Art. 19 BA eine Pflicht der Vereinten Nationen, die Immunität des operativen § 7 der Resolution 1497 aufzuheben. Als das Organ, das die Immunität erlassen hat, wäre VN-intern der Sicherheitsrat dazu verpflichtet, sie auch wieder aufzuheben. Allerdings ergibt sich aus der Tatsache, dass der Sicherheitsrat im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta an das Beziehungsabkommen gerade nicht gebunden ist,350 dass der Sicherheitsrat im Fall der Resolution 1497 nicht zur Aufhebung der Immunität verpflichtet ist. Art. 19 BA entfaltet diesbezüglich also keine Wirkung.
350
Siehe dazu oben 4. Kapitel Einleitung.
Vereinbarkeit der Sicherheitsrats-Resolutionen mit dem Römischen Statut
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C. Sicherheitsrats-Resolution 1593 (2005) I. Kompatibilität der Resolution 1593 mit dem Römischen Statut 1. Kompetenz des Sicherheitsrats im Römischen Statut für die Unterbreitung der Situation in Darfur und den Gerichtsbarkeitsausschluss in Resolution 1593 Die Unterbreitung der Situation in Darfur an den IStGH als solche, wie sie im operativen § 1 der Resolution 1593 zum Ausdruck kommt, basiert auf und steht uneingeschränkt im Einklang mit Art. 13 lit. b) RS. Allerdings wird die Unterbreitung des operativen § 1 durch den operativen § 6 – der nahezu wortgleich mit dem operativen § 7 der Resolution 1497 übereinstimmt – sogleich eingeschränkt. Fraglich ist, ob für dieses Handeln des Sicherheitsrats im Römischen Statut eine Kompetenznorm zu finden ist. Erstens könnte sich eine solche Kompetenz des Sicherheitsrats aus dem Unterbreitungsrecht selbst ergeben. So könnte der Sicherheitsrat durch den operativen § 6 die Angehörigen der Friedenstruppen aus Nichtvertragsstaaten von der Unterbreitung im operativen § 1 ausgenommen haben. Dem steht allerdings entgegen, dass das Römische Statut eine solche Kompetenz zur personellen Beschränkung von Unterbreitungen gerade nicht vorsieht –351 wobei auch an dieser Stelle darauf hingewiesen sei, dass dies aus Sicht der VN-Charta wiederum möglicherweise anders aussieht.352 Damit ergibt sich aus dem Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats keine Kompetenz des Sicherheitsrats für den operativen § 6 der Resolution 1593. Zweitens könnte der operative § 6 ein Aufschubersuchen darstellen. Die Kompetenz des Sicherheitsrats ergäbe sich in diesem Fall aus Art. 16 RS, der, wenn auch nicht im operativen Teil der Resolution, so doch immerhin im 2. Erwägungsgrund der Präambel von Resolution 1593 ausdrücklich genannt wird. Jedoch sind hier angesichts der nahezu wortgleichen Ausgestaltung des operativen § 6 der Resolution 1593 und des operativen § 7 der Resolution 1497 die gleichen Zweifel angebracht wie schon bei Resolution 1497.353 Auch im Fall der Resolution 1593 setzt der Sicherheitsrat Er351 352 353
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.I. Siehe dazu unten 8. Kapitel A.II.3. Siehe dazu oben 4. Kapitel B.I.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
mittlungen des IStGH in abstrakten Situationen aus.354 Denn wie schon in Liberia hatte der Ankläger auch in Darfur noch keine Ermittlungen eingeleitet – dazu wäre er mangels Gerichtsbarkeit des IStGH über die Situation in Darfur vor der SR-Unterbreitung auch nicht befugt gewesen. Somit steht der operative § 6 selbst dann nicht in Einklang mit Art. 16 RS, wenn er hinsichtlich der Dauer des Aufschubs RS-konform ausgelegt wird. Folglich findet sich im Römischen Statut keine Norm, die eine Kompetenz des Sicherheitsrats für den operativen § 6 der Resolution 1593 bereit hält.
2. Kompatibilität von Resolution 1593 mit sonstigen Bestimmungen des Römischen Statuts Genau wie der insoweit identische operative § 7 der Resolution 1497 steht der operative § 6 der Resolution 1593 in Konflikt mit Art. 12 Abs. 2, 17 und Art. 27 Abs. 2 RS. Der operative § 2 steht hingegen mit dem Römischen Statut in Einklang. Insbesondere die Aussage, „dass den Staaten, die nicht Vertragspartei des Römischen Statuts sind, keine Verpflichtung nach dem Statut obliegt“, gibt die Wirkungen des Römischen Statuts richtig wieder. Da das Römische Statut dem Sicherheitsrat im Rahmen einer Unterbreitung keine weitere Handlung abverlangt, steht auch die Beschränkung der Kooperationspflichten auf am Konflikt beteiligte Parteien mit dem Römischen Statut in Einklang. Der operative § 8, der den Ankläger dazu einlädt, dem Sicherheitsrat regelmäßig über die Situation in Darfur zu berichten, widerspricht ebenfalls nicht den Bestimmungen des Römischen Statuts, entspricht er doch voll und ganz der Verpflichtung des IStGH in Art. 17 Abs. 1 BA, wonach der IStGH „undertakes to keep the Security Council informed in this regard“. Darüber hinaus handelt es sich hierbei nicht um eine Verpflichtung, sondern lediglich um eine Bitte („invites“). Zudem ist die Erfüllung dieser Bitte auch aus Sicht des IStGH und seiner Organe durchweg positiv zu sehen. Das Mehr an Zeitaufwendung, das bei solchen Berichtspflichten entsteht, wird mehr als kompensiert durch die Vorteile, die dadurch entstehen, dass der Sicherheitsrat auf dem Laufenden gehalten wird. Diese Berichtsbitte führt für Resolution 1593 gerade 354
Siehe dazu oben 1. Kapitel B.I.4.
Vereinbarkeit der Sicherheitsrats-Resolutionen mit dem Römischen Statut
113
das herbei, was im Verhältnis zwischen IStGH und Sicherheitsrat generell wünschenswert ist: einen fruchtbaren Austausch zwischen zwei mit der Friedenssicherung beauftragten internationalen Organisationen.355 Im Widerspruch könnte der operative § 7 allerdings zu Art. 115 RS stehen, der Aussagen darüber trifft, wie die Kosten des IStGH bestritten werden.356 Wie auch der Wortlaut dieser Bestimmung nahe legt, war es auf der Rom-Konferenz allgemeine Meinung, dass Art. 115 RS insbesondere dafür sorgen solle, dass die Vereinten Nationen die Kosten des IStGH im Zusammenhang mit Unterbreitungen durch den Sicherheitsrat übernehmen sollten.357 Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Vereinten Nationen nicht Mitglied des Römischen Statuts sind und damit nicht an selbiges gebunden sind.358 Auch das (den Sicherheitsrat unter Kapitel VII VN-Charta ohnehin nicht bindende)359 Beziehungsabkommen zwischen IStGH und den Vereinten Nationen trifft in Art. 13 BA keine endgültige Entscheidung und verweist lediglich auf zukünftige Vereinbarungen.360 Darüber hinaus kann auch Art. 115 RS selbst letztlich keine Zahlungsverpflichtung entnommen werden.361 Stattdessen wird nur darauf hingewiesen, dass die finanziellen Mittel des IStGH sich aus Mitteln speisen können, die von der Generalversammlung bereitgestellt wurden. Dass die Generalversammlung dazu verpflichtet ist, kann Art. 115 RS nicht entnommen werden, allein schon deshalb, weil die Verfasser des Römischen Statuts eine solche Pflicht der Generalversammlung außerhalb der VN-Charta gar nicht hätten aufstellen können. 355
Ein positives Zeichen in der Berichtspflicht sieht auch Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 251. 356
Zum Wortlaut von Art. 115 RS siehe oben 2. Kapitel C.
357
Michael Reisman, On Paying the Piper: Financial Responsibility for Security Council Referrals to the International Criminal Court, AJIL 99 (2005), 615 (616). 358
Robert Cryer, Sudan, Resolution 1593, and International Criminal Justice, LJIL, 19 (2006), 195 (206). Siehe dazu auch schon oben 4. Kapitel Einleitung. 359 360 361
Siehe dazu auch schon oben 4. Kapitel Einleitung. Siehe dazu schon oben 2. Kapitel C.
Michael Reisman, On Paying the Piper: Financial Responsibility for Security Council Referrals to the International Criminal Court, AJIL 99 (2005), 615 (616).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
Dennoch wäre es angemessen, wenn die Vereinten Nationen die Unterbreitungskosten übernähmen. Neben dem Wortlaut von Art. 115 RS lässt sich hierfür indirekt auch Art. 10 BA anführen, wonach der IStGH die Nutzung von Räumen der Vereinten Nationen im Regelfall bezahlen muss („on a reimbursable basis“). Muss aber der IStGH allein für die Nutzung von Räumen der Vereinten Nationen bezahlen, wäre es nicht einzusehen, wenn die Vereinten Nationen sachliche und personelle Mittel des IStGH vollkommen kostenlos in Anspruch nehmen dürften. Mithin bestehen aus Sicht des Römischen Statuts zwar keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Dennoch wäre es angemessen, wenn die Vereinten Nationen die Kosten – oder zumindest einen Teil davon – der Unterbreitung selbst übernähmen.
II. Kompatibilität der Handlungen auf Grundlage von Resolution 1593 mit dem Römischen Statut Die Anträge auf Erstellung von Haftbefehlen durch den Ankläger sowie die Erstellung derselben durch die Vorverfahrenskammer finden ihre Grundlage in Art. 58 Abs. 1 RS. Da die Haftbefehle lediglich völkergewohnheitsrechtliche Verbrechenstatbestände betreffen,362 wurde der 362
Die drei ausgestellten Haftbefehle gegen Kushayb, Harun und al-Bashir und die Vorladung gegen Abu Garda umfassen die folgenden Verbrechen: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Art. 7 RS: Art. 7 Abs. 1 a) (vorsätzliche Tötung); d) (Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung; e) (Freiheitsentzug; f) (Folter); g) (Vergewaltigung; h) (Verfolgung; vgl. zur völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung; k) (andere unmenschliche Handlungen ähnlicher Art); vgl. zur völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung von Art. 7 RS und zu den hier nicht einschlägigen Ausnahmen Antonio Cassese, Crimes against Humanity, in: ders./Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 353 (373 ff.). Kriegsverbrechen, Art. 8 RS: Art. 8 Abs. 2 c) UAbs. i) (Angriff auf Leib und Leben) ii) (Beeinträchtigung der persönlichen Würde) (zur völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung von Art. 8 Abs. 2 c) Andreas Zimmermann, Violations of Article 3 Common to the Four Geneva Conventions, in: Otto Triffterer [Hrsg.], Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 485 [Rn. 270]); e) Uabs. i) (Angriffe auf die Zivilbevölkerung), iii) (Angriff auf humanitäre Operationen), v) (Plünderung), vi) (sexuelle Gewalt), xii) (Zerstörung gegne-
Vereinbarkeit der Sicherheitsrats-Resolutionen mit dem Römischen Statut
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Ankläger dem Erfordernis gerecht, dass der IStGH im Rahmen von SRUnterbreitungen von Situationen in Drittstaaten gegen Angehörige dieses Staates nur diejenigen Verbrechen im Römischen Statut verfolgen darf, die völkergewohnheitsrechtlich anerkannt sind.363 In den Fällen gegen Ali Kushayb sowie die drei Rebellenführer im Fall Haskanita begegnet das Vorgehen der Organe des IStGH dabei keinen weiteren Bedenken. Als problematisch könnten sich aber potentielle Immunitäten von alBashir und Harun erweisen.364 Dass mögliche funktionelle Immunitäten auf Grund von Art. 27 Abs. 2 RS vor dem IStGH keine Rolle spielen, konnte dabei schon oben nachgewiesen werden.365 Ob etwaige persönliche Immunitäten hingegen vor dem IStGH beachtlich sind, wird rischen Eigentums) RS (im Rahmen von Art. 8 RS gehören diejenigen Tatbestände zum Völkergewohnheitsrecht, die ihre Grundlage in den Genfer Abkommen von 1949 finden, Herman von Hebel/Darryl Robinson, Crimes within the Jurisdiction of the Court, in: Roy S. Lee (Hrsg.), The International Criminal Court: The Making of the Rome Statute. Issues, Negotiations, Results, 1999, 79 (104). Dies ist bei Art. 8 Abs. 2 e) Uabs. v) (Andreas Zimmermann, Pillage, in: Otto Triffterer [Hrsg.], Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 495 [Rn. 313]) und (xii) (Andreas Zimmermann, Prohibited Destruction, in: Otto Triffterer [Hrsg.], Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 499 [Rn. 338]) der Fall. Zur völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung von Art. 8 Abs. 2 e) Uabs. i) Jean-Marie Henckaerts/Louise Doswald-Beck (Hrsg.), Customary International Humanitarian Law, Bd. 1 (Rules), 2005, 591); zur völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung von Art. 8 Abs. 2 e) Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2. Aufl. 2007, Rn. 1258; zur völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung von Art. 8 Abs. 2 e Uabs. vi) Michael Cottier, Rape and Other Forms of Sexual Violence, in: Otto Triffterer [Hrsg.], Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 431 [432 Rn. 201]). Auch der Genozid-Tatbestand, der im Fall al-Bashir Bestandteil des Antrags des Anklägers auf Erstellung eines Haftbefehls war, ist völkergewohnheitsrechtlich verankert, Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, 2002, 1149; Antonio Cassese, International Criminal Law, 2008, 146. 363
Zu diesem Erfordernis siehe oben 1. Kapitel A.V.1.
364
Zur Bedeutung der nationalen Immunitäten Haruns im Anwendungsbereich des Komplementaritätsprinzips Jakob Pichon, The Principle of Complementarity in the Cases of the Sudanese Nationals Ahmad Harun and Ali Kushayb before the International Criminal Court, ICLR 8 (2008), 185 (204 ff.). 365
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.V.2.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht des Römischen Statuts
allgemein erst unten geklärt werden.366 Somit kann die Frage auch bezogen auf al-Bashir und Harun367 erst später beantwortet werden.368 Außer Frage steht, dass der Hinweis auf das Kommuniqué der Afrikanischen Union in den Erwägungsgründen der SR-Resolution 1828 sowie die Stellungnahme des SR-Präsidenten vom 16. Juni 2008 mit dem Römischen Statut in Einklang steht. Auch die Tatsache, dass der Ankläger und die Vorverfahrenskammer regelmäßig das Komplementaritätsprinzip beachteten, indem sie prüften, ob Sudan willens und in der Lage ist, die Beschuldigten selbst zu verfolgen, ist vereinbar mit dem Römischen Statut, da das Komplementaritätsprinzip nach den Bestimmungen des Römischen Statuts auch im Rahmen von SR-Unterbreitungen Anwendung findet.369 Bereits erwähnt wurde, dass der operative § 8 der Resolution grundsätzlich mit dem Römischen Statut im Einklang steht. Somit ist die Praxis des Anklägers, halbjährliche Berichte über die Situation in Darfur an den Sicherheitsrat zu schicken, mit dem Römischen Statut vereinbar. Paradoxerweise gilt diese generelle Aussage allerdings nicht für diejenigen Berichtspassagen, in denen der Ankläger über die fehlende Kooperationsbereitschaft der sudanesischen Regierung mit dem IStGH berichtet und den Sicherheitsrat zum Handeln auffordert.370 Denn Sudan hat keine Kooperationsvereinbarung mit dem IStGH getroffen, so dass Art. 87 Abs. 5 b) RS – wie auch Art. 17 Abs. 3 BA – keine Grundlage für eine solche Unterrichtung bietet.371 Aus Sicht des Römischen Statuts 366
Siehe dazu unten 8. Kapitel A.V.2.
367
Dabei ist allerdings unklar, ob Harun als Staatssekretär zu dem von der persönlichen Immunität erfassten „begrenzten Kreis von Staatsbediensteten“ (siehe dazu oben 1. Kapitel A.V.2.) gehört und damit persönliche Immunität genießt. 368 369
Siehe dazu unten 8. Kapitel A.V.2. Siehe dazu oben 1. Kapitel A.IV.2.
370
Den bisher dringendsten Appell zum Handeln richtete der Ankläger im Eighth Report of the Prosecutor of the International Criminal Court to the UN Security Council pursuant to UNSR 1593 (2005) (3. Dezember 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/BBA77B57-C81C-4152-988C-D8 D953471453/279075/8thUNSCreportsenttoUNENG1.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 98 f. Dort forderte der Ankläger den SR dazu auf, die VNMitgliedstaaten ähnlich zu behandeln wie im Umfeld der Ad hoc-Tribunale. 371
Siehe dazu oben 1. Kapitel C.II. und 2. Kapitel B.
Vereinbarkeit der Sicherheitsrats-Resolutionen mit dem Römischen Statut
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findet sich für dieses Vorgehen des Anklägers somit keine Rechtsgrundlage – wenn man dieser angesichts der Tatsache, dass das Vorgehen im Interesse sowohl des IStGH als auch des Sicherheitsrats ist – auch keine allzu große Bedeutung zumessen sollte. Zudem wird man wohl im operativen § 8 der Resolution 1593 eine Ermächtigung des Anklägers durch den Sicherheitsrat zu diesem Vorgehen sehen können. Dagegen spricht zwar streng genommen der Wortlaut des operativen § 8, wonach der Ankläger lediglich über „die gemäß dieser Resolution ergriffenen Maßnahmen“ berichten soll. Der Kooperationswille Sudans ist hingegen nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings wäre es angesichts der Tatsache, dass der Sicherheitsrat Sudan zur Zusammenarbeit mit dem IStGH verpflichtet hat, lebensfremd anzunehmen, der Sicherheitsrat wollte nicht über den Grad der Kooperation informiert werden – dies auch im Hinblick darauf, dass die gegenseitige Unterrichtung im Interesse beider beteiligten Institutionen ist.
III. Zusammenfassung Folglich sieht das Römische Statut zwar die Kompetenz des Sicherheitsrats für die im operativen § 1 vorgenommene Unterbreitung vor, nicht aber für den im operativen § 6 vorgenommenen Aufschub der Ermittlungen. Zudem steht der operative § 6 in Konflikt mit Art. 12 Abs. 2, 17 sowie 27 Abs. 1 RS. Der operative § 7 steht rechtlich gesehen zwar im Einklang mit dem Römischen Statut. Dennoch wäre es angemessen gewesen, wenn die Vereinten Nationen die Unterbreitungskosten übernommen hätten. Die übrigen Bestimmungen der Resolutionen stehen mit dem Römischen Statut im Einklang. Die Handlungen des Anklägers und der Vorverfahrenskammer auf Grundlage von Resolution 1593 begegnen grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken. Ausnahmen stellen allerdings möglicherweise entgegenstehende persönliche Immunitäten – dies kann aus Sicht des Römischen Statuts allein nicht abschließend geklärt werden – sowie die Unterrichtung des Sicherheitsrats durch den Ankläger über die fehlende Kooperation seitens Sudan dar. Der Sicherheitsrat handelte auf Grundlage von Resolution 1593 bisher konform mit dem Römischen Statut.
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2. Teil: Das Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta Zwischen Sicherheitsrat und IStGH sind dann keine Spannungen zu erwarten, wenn der Sicherheitsrat uneingeschränkt den Handlungsformen folgt, die ihm das Römische Statut anbietet. Im 1. Teil wurden hierfür die Bestimmungen des Römischen Statuts mit einem auf eben dieses Statut beschränkten Blick genauer analysiert. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass das Römische Statut zwar wichtige Kompetenzen für den Sicherheitsrat bereit hält, gleichzeitig aber den Gebrauch dieser Kompetenzen an bestimmte Voraussetzungen knüpft. So steht dem Sicherheitsrat z.B. einerseits ein Unterbreitungsrecht gemäß Art. 13 lit. b) RS zu – andererseits ergibt sich aus dem Römischen Statut aber keine Kompetenz des Sicherheitsrats, Unterbreitungen in personeller Hinsicht zu beschränken. Ebenso steht dem Sicherheitsrat gemäß dem Römischen Statut zwar einerseits die Kompetenz zu, Verfahren vor dem IStGH gemäß Art. 16 RS aufzuschieben – andererseits ist diese Kompetenz im Römischen Statut auf den Aufschub konkreter Situationen begrenzt. Doch gerade das vorangegangene Kapitel zeigt deutlich: In der Praxis hat sich der Sicherheitsrat bereits des Öfteren nicht an die Voraussetzungen gehalten, die das Römische Statut an die Ausübung der Kompetenzen des Sicherheitsrats knüpft. Teils findet sich für seine den IStGH betreffenden Handlungen keine Kompetenzen im Römischen Statut; teils stehen die Resolutionen aus anderen Gründen mit dem Statut des IStGH in Konflikt. Wie allerdings auch bereits aufgezeigt, entfaltet das Römische Statut für den Sicherheitsrat im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta keine Bindungswirkung. Die Handlungsformen des Römischen Statuts stellen folglich keine Verpflichtungen, sondern lediglich freiwillige Angebote für den Sicherheitsrat dar – jedenfalls dann, wenn der Sicherheitsrat im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta tätig wird. Daher wird im nun folgenden 2. Teil geklärt, welche Bedingungen die VN-Charta an ein Handeln des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VN-Charta stellt. Hierfür werden zunächst die Befugnisse des Sicherheitsrats aus der VNCharta (5. Kapitel), dann mögliche Bindungen des Sicherheitsrats (6. Kapitel) analysiert. Dem folgend wird auf die Rechtsfolgen von SRResolutionen eingegangen (7. Kapitel). Anschließend wird untersucht,
J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_6, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
inwieweit auf dieser Grundlage die Ergebnisse des ersten Teils überdacht und angepasst werden müssen (8. Kapitel).
5. Kapitel: Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta Der Sicherheitsrat hat gemäß Art. 24 Abs. 1 VN-Charta die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit inne. Indem er gemäß Art. 25 VN-Charta alle VN-Mitgliedstaaten bindende Beschlüsse fassen kann,372 die gemäß Art. 103 VNCharta Vorrang gegenüber Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften genießen, kommen ihm unumstritten Ausnahmekompetenzen im Völkerrecht zu. Jedoch ist Art. 103 VN-Charta lediglich auf bindende Beschlüsse des Sicherheitsrats anwendbar. Denn Art. 103 VN-Charta setzt widerstreitende „Verpflichtungen“ voraus. Eine nicht bindende Maßnahme stellt aber keine Verpflichtung in diesem Sinne dar.373 Daher sind nicht-bindende Maßnahmen des Sicherheitsrats nicht vorrangig gegenüber anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen (wie dem Römischen Statut).374 Somit beschränken sich die Ausnahmekompetenzen des Sicherheitsrats auf bindende Entscheidungen. Da der Sicherheitsrat außerhalb des Anwendungsbereichs bindender Entscheidungen folglich keine Kompetenzen hat, die ihn von anderen Organisationen abheben, wird man davon ausgehen dürfen, dass der Sicherheitsrat hier den gleichen Bindungen unterliegt wie andere internationale Organisationen und deren Organe auch.375 372 373 374 375
Siehe dazu unten 7. Kapitel B. Siehe dazu unten 7. Kapitel C.I. Siehe dazu unten 7. Kapitel C.I.
Welchen Bindungen internationale Organisationen unterliegen, ist allerdings umstritten; vgl. z.B. zur Frage einer völkergewohnheitsrechtlichen Bindung internationaler Organisationen Henry G. Schermers/Niels M. Blokker, International Institutional Law, 2003, § 1339; Ignaz Seidl-Hohenveldern/Gerhard Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 2000, Rn. 1512; Christian Tomuschat, International Law: Ensuring the Survival of Mankind on the Eve of a New Century. General Course of Public International Law, RdC 281 (1999), 9 (135).
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
121
Aus diesen Gründen bezieht sich die nun folgende Analyse von vornherein lediglich auf bindende Entscheidungen des Sicherheitsrats, und zwar hier – mangels Relevanz anderer Maßnahmen in Bezug auf den IStGH – ganz konkret auf solche unter Kapitel VII VN-Charta. Dabei ist unstreitig, dass der Sicherheitsrat unter Kapitel VII VN-Charta bindende Entscheidungen erlassen kann, wenngleich nicht übersehen werden darf, dass auch innerhalb Kapitel VII VN-Charta nicht-bindende Entscheidungen ergehen können, so insbesondere bloße Empfehlungen unter Art. 39 VN-Charta.376 Auch solche Entscheidungen sind nicht Bestandteil dieser Untersuchung. Zu beachten ist, dass diese Einführung die beiden wichtigsten Rechtsfolgen von SR-Resolutionen – ihre Bindungswirkung sowie die Wirkung von Art. 103 VN-Charta –377 teilweise schon vorweg nimmt. Dies erscheint jedoch notwendig, um die nachfolgenden Analyse von vornherein auf die wesentlichen Punkte zu beschränken.
A. Kapitel VII VN-Charta Nach Art. 39 VN-Charta stellt der Sicherheitsrat fest, ob eine „Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt“. Diese Feststellung ist Voraussetzung für das Ergreifen der Maßnahmen unter Kapitel VII VN-Charta.378 Allgemein anerkannt ist, dass die ausdrückliche Erwähnung von Art. 39 VN-Charta bei der Ergreifung von
376
Jochen Herbst, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates, 1999, 122 Fn.
10. 377
Siehe zu den Rechtsfolgen von SR-Resolutionen ausführlich unten 7. Kapitel. 378 Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (726 f. Rn. 26); Patrick Daillier/Alain Pellet, Droit International Public, 2002, 993; Ben F. Klappe, Acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations, in: Horst Fischer u.a. (Hrsg.), Krisensicherung und Humanitärer Schutz – Crisis Management and Humanitarian Protection. Festschrift für Dieter Fleck, 2004, 329 (335); David Schweigman, The Authority of the Security Council under Chapter VII of the UN Charter. Legal Limits and the Role of the International Court of Justice, 2001, 34.
122
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Maßnahmen unter Kapitel VII VN-Charta nicht erforderlich ist.379 Ob die Feststellung einer Friedensbedrohung, eines Friedensbruchs oder einer Aggression380 selbst ausdrücklich erfolgen muss, ist hingegen umstritten. Dafür spricht der Wortlaut von Art. 39 VN-Charta, wonach ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass der Sicherheitsrat eine Friedensbedrohung feststellt.381 Dagegen lässt sich jedoch das sehr weit gehende Ermessen des Sicherheitsrats anführen. Denn es ist fraglich, warum man dieses Ermessen an dieser Stelle mit rein formalen Argumenten einschränken sollte.382 Allerdings lässt sich dem entgegnen, dass gerade weil die VNCharta nur wenige materielle Grenzen des Handelns des Sicherheitsrats aufstellt, die Beachtung der ausdrücklich festgeschriebenen formalen Erfordernisse beim Handeln unter Kapitel VII VN-Charta umso wichtiger ist.383 Somit stellt sich das Feststellungserfordernis des Art. 39 VN-Charta als erforderliche Bedingung für ein Handeln des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VN-Charta dar. 379
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (727 Rn. 27); David Schweigman, The Authority of the Security Council under Chapter VII of the UN Charter. Legal Limits and the Role of the International Court of Justice, 2001, 157; Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 160. 380
Soweit es nicht auf konkrete Unterschiede ankommt, wird im Folgenden der Einfachheit halber lediglich auf den Begriff der Friedensbedrohung rekurriert. Davon umfasst sind dann auch die Begriffe des Friedensbruchs sowie der Aggression. 381
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (726 Rn. 26). 382
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 160 f. Im Ergebnis ähnlich Bernd Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle des Weltsicherheitsrats. Die Überprüfung nichtmilitärischer Zwangsmaßnahmen durch den Internationalen Gerichtshof, 1996, 165. 383
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (726 f. Rn. 26), die daher folgerichtig auch Resolution 1160 (1998) für unvereinbar mit Art. 39 VN-Charta halten.
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
123
Allerdings könnte die Praxis des Sicherheitsrats zu einer Weiterentwicklung des Art. 39 VN-Charta geführt haben, die eine ausdrückliche Feststellung einer Friedensbedrohung inzwischen als nicht mehr erforderlich ansieht. Denn zuletzt hat der Sicherheitsrat mehrfach Resolutionen erlassen, ohne ausdrücklich eine Friedensbedrohung gemäß Art. 39 VN-Charta festzustellen.384 Jedoch betreffen diese Resolutionen entweder lediglich die Aufhebung erlassener Anordnungen auf Grund einer Verbesserung der Friedenssituation,385 rein verfahrensrechtliche Fragen wie die Verlängerung des Mandats der Richter der Ad hocTribunale,386 oder sie stellen eine Friedensbedrohung zwar nicht selbst fest, verweisen aber auf vorangegangene Resolutionen zur gleichen Situation, die selbige als Friedensbedrohung anerkannt haben.387 Soweit ersichtlich stellt lediglich Resolution 1160 (1998) eine Entscheidung des Sicherheitsrats dar, in welcher der Sicherheitsrat wirklich Maßnahmen zur Friedenswiederherstellung ergriffen hat, ohne eine Friedensbedrohung festzustellen.388 Und selbst bei dieser lässt sich durchaus vertreten, dass die fehlende Feststellung einer Friedensbedrohung in Resolution 1160 durch die spätere Bezeichnung der identischen Situation als Friedensbedrohung in Resolution 1199 (1998) geheilt wurde.389 Folgt man diesem Ansatz, so wäre nicht einmal mehr Resolution 1160 ein geeignetes Beispiel für Resolutionen ohne ausdrückliche FriedensbedrohungsFeststellung. Folgt man ihm nicht – und sieht Resolution 1160 daher als Beispiel für ein Handeln des Sicherheitsrats ohne ausdrückliche Feststellung einer Friedensbedrohung an – zeigt dieses einzige Beispiel den384 Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 216. 385
Vgl. z.B S/RES/1448 (2002) vom 9. Dezember 2002 (Ende Sanktionen gegen UNITA); S/RES/1506 (2003) vom 12. September 2003 (Ende Sanktionen gegen Libyen). 386
Vgl. z.B. S/RES/1837 (2008) vom 29. September 2008.
387
So z.B. S/RES/1476 (2003) vom 24. April 2003; S/RES/1490 (2003) vom 3. Juli 2003 (beide in Bezug auf Irak). 388
Mit S/RES/1160 (1998) vom 31. März 1998 erließ der Sicherheitsrat hinsichtlich der Situation in Kosovo ein Waffenembargo gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien. 389
Vera Gowlland-Debbas, The Functions of the United Nations Security Council in the International Legal System, in: Michael Byers (Hrsg.), The Role of Law in International Politics, 2000, 277 (290 Rn. 43).
124
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
noch keine ausreichende Praxis für die Entbehrlichkeit einer solchen Feststellung auf. Folgerichtig war auch Resolution 1160 auf Grund des Fehlens einer ausdrücklichen Feststellung nach Art. 39 VN-Charta bereits völkerrechtswidrig,390 unabhängig davon, ob man diesen Fehler als durch Resolution 1199 geheilt ansieht oder nicht. Mithin ist die ausdrückliche Feststellung einer Friedensbedrohung notwendige Voraussetzung für ein Handeln des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VN-Charta. Die Begriffe der Friedensbedrohung, des Friedensbruchs sowie der Angriffshandlung wurden in der VN-Charta bewusst nicht näher definiert,391 um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es sich bei der Feststellung durch den Sicherheitsrat um eine in erster Linie politische Entscheidung handelt.392 Daher steht dem Sicherheitsrat bei der Auslegung dieser Begriffe auch ein großer Einschätzungsspielraum zu.393 Richtlinien für die Auslegung dieser Begriffe sollen im Folgenden kurz erläutert werden.
I. Die Friedensbedrohung (Art. 39 1. Hs., 1. Var. VN-Charta) Für die Klärung der Definition der Friedensbedrohung ist es zunächst erforderlich, die Definition des Friedens zu klären. Nach dem engen (negativen) Friedensbegriff stellt sich Frieden als Abwesenheit von
390
So richtig Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (726 f. Rn. 26). 391
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (719 Rn.46). 392
Giorgio Gaja, Réflexions sur le rôle du conseil de sécurité dans le nouvel ordre mondial. A propos des rapports entre maintien de la paix et crimes internationaux des États, RGDIP 97 (1993), 297 (315); Kathrin Osteneck, Die Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen durch die Europäische Gemeinschaft, 2004, 19. 393
Eva Eckert, Die Rolle nichtstaatlicher Akteure in der Auslegung des Begriffs der Friedensbedrohung nach Kapitel VII der UN-Charta durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, 2006, 35.
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
125
Krieg dar.394 Der weite (positive) Friedensbegriff dagegen umfasst auch nichtmilitärische Ursachen der Destabilisierung der Weltgemeinschaft, so z.B. wirtschaftliche oder gesellschaftliche Ursachen wie Flüchtlingsströme oder schwere Menschenrechtsverletzungen.395 Auf welchen dieser beiden Begriffe sich Art. 39 VN-Charta bezieht, ist umstritten. Gegen den weiten Friedensbegriff könnte man einwenden, ein solcher begründe, indem er die Ursachen möglicher friedensbedrohender Faktoren erheblich erweitere, eine Generalzuständigkeit des Sicherheitsrats und verwische damit die Kompetenzen der verschiedenen VN-Organe.396 Jedoch spricht die Praxis des Sicherheitsrats eine andere Sprache. Wie andernorts397 eindrücklich untersucht wurde, hat der Sicherheitsrat den engen Friedensbegriff erheblich erweitert, indem er Faktoren wie Flüchtlingsströme, schwere Menschenrechtsverletzungen398 und auch innerstaatliche Konflikte mit berücksichtigt hat.399 Zwar knüpfte er 394
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, 859; Dieter Blumenwitz, Friedenssicherung, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 1991,Rn. 2; Michael Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2007, 637 (672 Rn. 43). 395
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, 859.
396
Pierre-Marie Dupuy, Sécurité collective et organisation de la paix, RGDIP 97 (1993), 617 (623); Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 139 ff. Ähnlich Christian Tomuschat, Obligations Arising for States without or against their Will, RdC 241 (1994), 195 (342); Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (720 Rn. 6). 397 Frank-Erich Hufnagel, UN-Friedensoperationen der zweiten Generation. Vom Puffer zur Neuen Treuhand, 1996, 230 ff.; Andreas Stein, Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und die Rule of Law, 1999, 161 ff.; Lutz Oette, Die Vereinbarkeit der vom Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN-Charta verhängten Wirtschaftssanktionen mit den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht, Peter Lang Frankfurt a.M. u.a. 2002, 31 ff. 398
Michael Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2007, 637 (653 Rn. 19). 399
Rüdiger Wolfrum, Vereinte Nationen: Agenda für die Weiterentwicklung des Völkerrechts, in: Lennart Souchon (Hrsg.), Völkerrecht und Sicherheit, 1994, 59 (66); Björn Elberling, The Ultra Vires Character of Legislative Action by the Security Council, IOLR 2 (2005), 337; Matthias Herdegen, Die Befugnisse des UN-Sicherheitsrates: aufgeklärter Absolutismus im Völkerrecht?,
126
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
letzteres zunächst an eine drohende Destabilisierung der Region.400 Doch auch dieses Erfordernis wurde später z.T. ganz aufgehoben.401 Somit kann man festhalten, dass die Praxis des Sicherheitsrats sich nicht mehr auf die Wiederherstellung des Friedens im negativen Sinne beschränkt, wenngleich er in aller Regel darum bemüht ist, einen Bezug zum negativen Friedensbegriff herzustellen.402 Eine Bedrohung des Friedens liegt bereits in der Gefahr der Anwendung von Gewalt. Art. 39 VN-Charta berechtigt den Sicherheitsrat somit schon vor Ausbruch von bewaffneten Kampfhandlungen zur Ergreifung von friedenssichernden Maßnahmen.403
1998, 6; Horst Fischer, Friedenssicherung und friedliche Streitbeilegung, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, 1065 (1111 Rn. 8); Ursula Heinz/Christiane Philipp/Rüdiger Wolfrum, Zweiter Golfkrieg: Anwendungsfall von Kapitel VII der UN-Charta, VN 39 (1991), 121 (128); Das räumen auch Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (720 f- Rn. 7) ein, allerdings ohne ausdrücklich die Beschränkung des Friedensbegriffs in Art. 39 VNCharta generell auf den weiten Friedensbegriff zu erweitern. 400
Vgl. den 3. und 4. Erwägungsgrund der Präambel von S/RES/733 (1992) vom 23. Januar 1992: “Gravely alarmed at the rapid deterioration of the situation in Somalia and the heavy loss of human life and widespread material damage resulting from the conflict in the country and aware of its consequences on stability and peace in the region, Concerned that the continuation of this situation constitutes […] a threat to international peace and security.” 401
Vgl. den 3. Erwägungsgrund der Präambel von S/RES/794 (1992) vom 3. Dezember 1992: “Determining that the magnitude of the human tragedy caused by the conflict in Somalia, further exacerbated by the obstacles being created to the distribution of humanitarian assistance, constitutes a threat to international peace and security”. 402
Thomas Meerpohl, Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das Sanktionsregime gegen die Taliban und Al-Qaida vor dem Hintergrund des Rechts der VN und der Menschenrechte, 2008, 98. 403 Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 93. Für eine Auseinandersetzung mit einzelnen Beispielen aus der Praxis des SR zur Friedensbedrohung siehe Jochen Abr. Frowein, Artikel 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen. Kommentar, 559 (565 ff.).
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
127
II. Der Friedensbruch (Art. 39 1. Hs., 2. Var. VN-Charta) Ein Friedensbruch liegt typischerweise bei kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Einheiten von zwei Staaten vor.404 Konsequenz der Anwendung des weiten Friedensbegriffes durch den Sicherheitsrat im Rahmen der Feststellung von Friedensbedrohungen könnte es sein, einen Friedensbruch auch dann anzunehmen, wenn schwere Menschenrechtsverletzungen begangen würden. Bisher ist der Sicherheitsrat diesen Schritt allerdings noch nicht gegangen.405 Allerdings spricht diese Zurückhaltung nicht gegen die Anwendbarkeit des weiten Friedensbegriffs im Rahmen von Art. 39 VN-Charta, da der Sicherheitsrat generell die Feststellung einer Friedensbedrohung der eines Friedensbruchs vorzieht.406
III. Die Angriffshandlung (Art. 39 1. Hs., 3. Var. VN-Charta) Eine Angriffshandlung umfasst immer auch einen Friedensbruch. Der entscheidende Unterschied zum Friedensbruch liegt in der Tatsache, dass bei der Angriffshandlung einer Partei die Verantwortung zugewiesen wird.407 Um einer solchen Bloßstellung zu entgehen, vermeidet der Sicherheitsrat in aller Regel die Feststellung einer Angriffshandlung.408
404
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (721 Rn. 11). 405 Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (721 Rn. 12). 406
Vgl. Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 95. 407
N. D. White, Keeping the Peace. The United Nations and the Maintenance of International Peace and Security, 1997, 47 f.; Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 94. 408
Horst Fischer, Friedenssicherung und friedliche Streitbeilegung, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, 1065 (1112 Rn. 10); N. D. White, Keeping the Peace. The United Nations and the Maintenance of International Peace and Security, 1997, 50. Zur zurückhaltenden Feststellung einer Angriffshandlung
128
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Mit Resolution 3314 (XXIX)409 verabschiedete die Generalversamlung eine Definition der Aggression, die den Sicherheitsrat zwar nicht bindet, aber doch eine gewisse Richtschnur bei der Feststellung einer Angriffshandlung darstellt.410
IV. Ausschließlichkeit der Verantwortung des Sicherheitsrats für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit Im Rahmen der später folgenden eingehenden Auseinandersetzung mit dem noch zu schaffenden Aggressionstatbestand kommt es darauf an, ob der Sicherheitsrat auf Grund seiner Stellung in der VN-Charta zwingend an der Strafverfolgung von Verbrechen der Aggression zu beteiligen ist.411 Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob die VN-Charta dem Sicherheitsrat für die Wahrung des Weltfriedens eine ausschließliche Verantwortung zuerkennt. Art. 24 Abs. 1 VN-Charta überträgt dem Sicherheitsrat die Hauptverantwortung (primary responsibility) für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit.412 Zusammen mit den weitreichenden Kompetenzen des Sicherheitsrats, insbesondere der im Rahmen der Vereinten Nationen exklusiven Kompetenz zum Erlass bindender Entscheidungen, wird so der umfassende Vorrang des Sicherheitsrats innerdurch den SR siehe auch Patrick Daillier/Alain Pellet, Droit International Public, 2002, 994. 409
A/RES/3314 (XXIV) vom 14. Dezember 1974.
410
So Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (722 Rn. 14), die auch darauf hinweisen, dass der IGH in Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America). Merits, Judgment. I.C.J. Reports 1986, 14 (Rn. 195) mit Art. 3 g) der Definition (Entsenden bewaffneter Banden in einen anderen Staat als Angriffshandlung) einen Teil der Definition ausdrücklich anerkannt hat. Resolution 3314 (XXIX) ist auch Grundlage der Ansätze hinsichtlich einer Defintion für den Aggressionstatbestand des Römischen Statuts, siehe dazu oben 1. Kapitel D.I. 411 412
Siehe dazu unten 8. Kapitel D.I.2.a.
Eine weitreichende Bestätigung fand diese Verantwortung durch den 2005 von der GV verabschiedeten World Summit Outcome, A/RES/60/1 vom 16. September 2005, Rn. 79 f., 152; dazu Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (877).
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
129
halb der Vereinten Nationen bei der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit deutlich.413 Dieser Vorrang bezieht sich unstreitig und gerade auch auf Maßnahmen unter Kapitel VII VN-Charta, zählen diese gemäß Art. 24 Abs. 2 VN-Charta doch ausdrücklich zu den Kompetenzen des Sicherheitsrats.414 Wie der Begriff Hauptverantwortung (primary responsibility) bereits impliziert, stellt diese Verantwortung aber keineswegs eine ausschließliche Verantwortung dar. In Bezug auf die Generalversammlung wird dies unterstrichen durch Art. 10 bis 12 und 14 VN-Charta, in denen die Generalversammlung ebenfalls zu Maßnahmen im Bereich der Friedenssicherung ermächtigt wird.415 Auch die Uniting for Peace-Resolution der Generalversammlung vom 3. November 1951,416 worin die Generalversammlung sich selbst ermächtigt, im Falle einer Untätigkeit des Sicherheitsrats friedenssichernde Maßnahmen zu erlassen, lässt sich unterstützend anführen. Zuletzt unterstreicht auch der IGH diese Ansicht, wenn er in seinem Certain-Expenses-Gutachten betont: “The responsibility conferred is ‘primary’, not exclusive. […] The Charter makes it abundantly clear, however, that the General Assembly is also to be concerned with international peace and security.”417 Diese Linie seiner Rechtsprechung entwickelte der IGH weiter im Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory-Gutachten, wo er darauf hinweist, dass 413
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 223. 414
Zur Frage, wie weitreichend die Befugnisse des SR angesichts der scheinbar abschließenden Verweisung in Art. 24 Abs. 2 VN-Charta sind, siehe Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 223 m.w.N. 415
Georg Dahm, Völkerrecht Bd. II, 1961, 209; Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 223 f. 416 417
A/RES/377 (V) vom 3. November 1951.
Certain Expenses of the United Nations (Article 17, paragraph 2, of the Charter), Advisory Opinion of 20 July 1962, I.C.J. Reports 1962, 151 (163). Da für Entscheidungen des IGH keine amtliche deutsche Übersetzung existiert, werden sie hier im verbindlichen englischen Wortlaut wiedergegeben.
130
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
there has been an increasing tendency over time for the General Assembly and the Security Council to deal in parallel with the same matter concerning the maintenance of international peace and security […]. The Court considers that the accepted practice of the General Assembly, as it has evolved, is consistent with Article 12, paragraph 1, of the Charter.418 Noch klarer wird das Fehlen einer exklusiven Zuständigkeit, wenn man das Verhältnis des Sicherheitsrats zum Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen, dem IGH betrachtet. Während für das Verhältnis des Sicherheitsrats zur Generalversammlung in Art. 12 VN-Charta immerhin ausdrücklich eine lediglich subsidiäre Zuständigkeit der Generalversammlung zuerkannt wird, fehlt eine entsprechende Regelung für das Verhältnis des Sicherheitsrats zum IGH – und dies zu Recht: Angesichts der völlig unterschiedlichen Arbeitsweise des politischen Organs Sicherheitsrat und des juristischen Organs IGH wäre ein entsprechender Vorrang in diesem Verhältnis unangebracht.419 Auch eine Reihe an Beispielen zeigt, dass der IGH in der Praxis des Öfteren parallel zum Sicherheitsrat tätig geworden ist.420
418
Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, I. C. J. Reports 2004, 136 (Rn. 28). 419
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 224 f. 420
Vgl. United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, Judgment, I.C.J. Reports 1980, 3; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Provisional Measures, Order of 8 April 1993, I.C.J. Reports 1993, 3; Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Provisional Measures, Order of 1 July 2000, I.C.J. Reports 2000, 111; Corfu Channel Case, Judgment on Preliminary Objection, I.C.J. Reports 1948, 15; Aegean Sea Continental Shelf, Interim Protection, Order of 11 September 1976, I.C.J. Reports 1976, 3. Vgl. auch Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007) 277 (291 ff.); Eckart Klein, Paralleles Tätigwerden von Sicherheitsrat und Internationalem Gerichtshof bei friedensbedrohenden Streitigkeiten. Zu Fragen der Zuständigkeit und Organtreue, in: Rudolf Bernhardt u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte. Festschrift für Hermann Mosler, 1983, 467 (468 ff.).
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
131
Daraus folgt, dass IGH und Sicherheitsrat auch gleichzeitig mit einem Streitfall befasst sein können; ebenso ist vorstellbar, dass der IGH vor oder nach Eingreifen des Sicherheitsrats tätig wird.421
V. Befugnis des Sicherheitsrats zur Befassung mit nichtstaatlichen Akteuren im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta Im Zusammenhang mit der später noch zu erörternden Frage, ob der Sicherheitsrat eine nach Art. 13 lit. b) RS vorgenommene Unterbreitung in personeller Hinsicht beschränken kann,422 wird es auf die Frage ankommen, ob der Sicherheitsrat sich mit Individuen und anderen nichtstaatlichen Akteuren befassen kann, oder ob sein Handeln lediglich auf Situationen ausgerichtet sein darf. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob von nichtstaatlichen Akteuren – wie Individuen und Bürgerkriegsparteien – eine für Kapitel VII VN-Charta erforderliche Friedensbedrohung ausgehen kann. Nach klassischem Verständnis gehen Friedensbedrohungen von Staaten aus. Doch es sind durchaus Situationen vorstellbar, in denen auch ein Individuum eine Friedensbedrohung darstellen kann.423 So steht und fällt das Schicksal eines vom Bürgerkrieg geplagten Landes – und damit die Entscheidung über eine Wiederherstellung des Friedens – oft mit Einzelpersonen.424 Dies bestätigt im Übrigen auch das Römische Statut
421
Vera Gowlland-Debbas, The Relationship between the International Court of Justice and the Security Council in the Light of the Lockerbie Case, AJIL 88 (1994), 643 (655 ff.); Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 225. 422
Siehe dazu unten 8. Kapitel A.II.3.
423
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 65; Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (632 f.). 424
Vgl. Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I,
132
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
selbst, namentlich in Art. 16 RS. Denn Art. 16 RS wurde inbesondere eingeführt, um Friedensverhandlungen mit einer von der Strafverfolgung durch den IStGH „bedrohten“ Einzelperson zu ermöglichen.425 Erlässt der Sicherheitsrat also eine Resolution gemäß Art. 16 RS, versucht er, der durch diese Einzelperson entstandenen Friedensbedrohung (i.e. keine Friedensverhandlungen) zu begegnen. Darüber hinaus hat sich der Sicherheitsrat im Laufe der letzten Jahre in seinen Maßnahmen immer wieder mit Individuen befasst.426 Dabei sind insbesondere die Aufforderung an Staaten, Konten bestimmter Individuen einzufrieren und diesen Reiseverbote aufzuerlegen,427 aber auch die Aufforderung, bestimmte Individuen auszuliefern,428 zu nennen.429
2002, 627 (633 Fn. 23), die einige Beispiele nennen (Ceaușescu in Rumänien; Pol Pot in Kambodscha; Mološević in der Föderalen Republik Jugoslawien). 425
Siehe dazu oben 1. Kapitel B.
426
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 532. 427
Vgl. den operativen § 7 S/RES 1343 (2001) vom 7. März 2001: „beschließt außerdem, dass alle Staaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen werden, um hochrangigen Mitgliedern der Regierung und der Streitkräfte Liberias und ihren Ehegatten sowie allen anderen Personen, die bewaffneten Rebellengruppen in Nachbarländern Liberias, insbesondere der RUF in Sierra Leone, wie vom Ausschuss nach Ziffer 14 benannt, finanzielle und militärische Unterstützung gewähren, die Einreise in ihr Hoheitsgebiet oder die Durchreise zu verweigern“; vgl. ferner den operativen § 4 S/RES 1137 (1997) vom 12 November 1997; die operativen §§ 8c), 14 S/RES/1333 (2000) vom 19. Dezember 2000; die operativen §§ 9, 11 S/RES 1572 (2004) vom 15 November 2004; weitere Beispiele bei Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (716 Fn. 135). 428 Vgl. nur den operativen § 2 S/RES/1267 (1999) vom 15. Oktober 1999: „[V]erlangt, daß die Taliban Usama bin Laden ohne weitere Verzögerung an die zuständigen Behörden eines Landes übergeben, in dem gegen ihn Anklage erhoben worden ist, oder an die zuständigen Behörden eines Landes, das ihn an das Land übergibt, in dem gegen ihn Anklage erhoben worden ist, oder an die zuständigen Behörden eines Landes, in dem er festgenommen und effektiv gerichtlich belangt wird“. 429 Vgl. dazu insbesondere das berühmt-berüchtigte 1267-Sanktionsregime, benannt nach der dieses Regime einrichtenden S/RES/1267 (1999) vom 5. Ok-
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133
Aber auch daneben gibt es Beispiele, in denen der Sicherheitsrat sich Individuen zuwandte. So wurde z.B. der Verweis des Prozesses gegen Charles Taylor vor dem Sondergerichtshof für Sierra Leone in die Räumlichkeiten des IStGH nach Den Haag nur durch eine Resolution des Sicherheitsrats möglich.430 Dabei verwies dieser im 14. Erwägungsgrund der Präambel dieser Resolution ausdrücklich darauf, dass die Präsenz Charles Taylors in Sierra Leone eine Bedrohung des Weltfriedens und des Friedens für Liberia und Sierra Leone darstellt. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den Reaktionen, die die soeben aufgezeigte Praxis des Sicherheitsrats ausgelöst hat. Denn sicherlich wird gerade über die Rechtmäßigkeit der Sanktionsregime sehr kontrovers diskutiert. Doch, soweit ersichtlich, wird in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich das Recht des Sicherheitsrats bestritten, sich mit Individuen zu befassen. Darüber hinaus wird häufig nicht einmal die Einrichtung der Sanktionsregime als solche kritisiert, als vielmehr die Tatsache, dass den in die Terrorlisten aufgenommenen Individuen so gut wie keine Verfahrensrechte zustehen.431 Die (jedenfalls im Bezug auf die Befassung des Sicherheitsrats mit Individuen) ausbleibende Kritik kann als ein Indiz für die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen des Sicherheitsrats, die sich mit Individuen befassen, und damit als Weiterentwicklung der VN-Charta in diesem Bereich gewertet werden. Daraus folgt, dass Maßnahmen des Sicherheitsrats im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta auch das Verhalten Einzelner betreffen können.432
tober 1999 . Vgl. auch das jüngste Individualregime, basierend auf S/RES/1737 (2006) vom 27. Dezember 2006. 430
S/RES/1688 (2006) vom 16. Juni 2006.
431
Beachte dazu Clemens Feinäugle, The UN Security Council Al-Qaida and Taliban Sanctions Committee: Emerging Principles of International Institutional Law for the Protection of Individuals?, GLJ 9 (2008), 1535 ff.; ausführlich dazu Clemens Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht. Das 1267Sanktionsregime der UN und seine rechtliche Fassung, im Erscheinen. 432
Es gilt zu beachten, dass die Diskussion hier nur die mittelbare Befassung des SR mit Individuen betraf. Durch die Einrichtung der ebenfalls den angesprochenen Sanktionsregimen zugrundeliegenden Sanktionsausschüsse (Sanction Committees), der Ad hoc Tribunale sowie von internationalen Verwaltungen wie UNMIK gründete der SR hingegen auch Unterorgane, die sich unmittelbar mit Individuen befassen. Über deren Rechtmäßigkeit wird an dieser Stelle nichts ausgesagt; vgl. dazu Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Umso mehr kann sich der Sicherheitsrat in seinen Resolutionen mit aufständischen Gruppen und Bürgerkriegsparteien in innerstaatlichen Konflikten befassen.433 Denn wenn schon ein Individuum als Friedensbedrohung angesehen werden kann, gilt Gleiches erst recht für eine Gruppe von mehreren Individuen. Dies hat auch der Sicherheitsrat in seiner diesbezüglich offenbar gänzlich widerspruchslosen Praxis anerkannt.434 Somit ist auch hier von einer Weiterentwicklung der VNCharta auszugehen.435
VI. Befugnis des Sicherheitsrats zur Aufhebung von Resolutionen Bei Unterbreitungen von Situationen durch den Sicherheitsrat an den IStGH stellt sich die Frage, ob der Sicherheitsrat dazu befugt ist, die Unterbreitung wieder aufzuheben.436 Somit muss an dieser Stelle geklärt werden, ob der Sicherheitsrat generell zur Aufhebung seiner Kapitel VII-Resolutionen befugt ist. Grundsätzlich ist nichts ersichtlich, was gegen eine solche Befugnis spricht. Als das Organ, das die Resolution erlassen hat, ist es dem Sicherheitsrat grundsätzlich auch möglich, selbige wieder aufzuheben. Dies wird unter Kapitel VII VN-Charta umso deutlicher, wenn man sich den weiten Ermessensspielraum vergegenwärtigt, der dem Sicherheitsrat bei seinen Maßnahmen unter Kapitel VII VN-Charta zusteht. So kann der Sicherheitsrat jederzeit zu dem Schluss kommen, dass seine
Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (716 Rn. 45). 433 So im Ergebnis auch Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (716 f. Rn. 43 f.). 434
Siehe dazu nur den operativen § 2 S/RES/1593 (2005) vom 31. März 2005 (siehe dazu oben 3. Kapitel C.II). Weitere Beispiele finden sich bei Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (716 f. Rn. 43 f.). 435
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (716 Rn. 44). 436
Siehe dazu schon oben 1. Kapitel A.III. und unten 8. Kapitel A.III.1.
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
135
ursprüngliche Maßnahme sich als nicht (mehr) geeignet herausgestellt hat oder dass er inzwischen andere Maßnahmen als geeigneter ansieht. Folglich ist der Sicherheitsrat grundsätzlich dazu befugt, seine Resolutionen auch wieder aufzuheben.437
VII. Pflicht des Sicherheitsrats zur Aufhebung von Resolutionen nach Wegfall der Friedensbedrohung Möglicherweise verdichtet sich diese Befugnis sogar zu einer Pflicht, wenn die ursprüngliche Friedensbedrohung wegfällt. So darf der Sicherheitsrat Maßnahmen unter Kapitel VII VN-Charta nur dann ergreifen, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind, also insbesondere eine Friedensbedrohung vorliegt. Sobald in einer Situation der Frieden wiederhergestellt werden konnte, erlischt die Befugnis des Sicherheitsrats, Maßnahmen nach Kapitel VII VN-Charta zu ergreifen.438 Daraus folgt auch, dass Maßnahmen des Sicherheitsrats nur so lange aufrechterhalten werden dürfen, als eine Friedensbedrohung noch vorliegt. Folglich ist der Sicherheitsrat in der Tat verpflichtet, eine Kapitel VII-Resolution aufzuheben, sobald keine Friedensbedrohung mehr vorliegt.439 Allerdings ist zu beachten, dass über das Entfallen der Voraussetzungen von Kapitel VII VN-Charta der Sicherheitsrat – im Rahmen seines weiten Ermessens – selbst zu entscheiden hat.440 Denn eine solche Aufhebung beinhaltet immer auch die Entscheidung, dass eine Friedensbedrohung nicht mehr vorliegt bzw. dass bestimmte Maßnahmen (z.T.) 437
So auch Andreas Paulus, Article 29, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 539 (556 Rn. 59) in Bezug auf die Befugnis des SR, die Ad hoc-Tribunale wieder aufzulösen. 438
Vgl. Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (708 f. Rn. 21). 439
So auch Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 559, in Bezug auf die Auflösung der Ad hocTribunale. 440
„Paralellismus der Kompetenzen“, Eric Suy, Some Legal Questions Concerning the Security Council, in: Ingo von Münch (Hrsg.), StaatsrechtVölkerrecht-Europarecht. Festschrift für Hans-Jügen Schlochauer zum 75. Geburtstag am 28. März 1981, 1981, 677 (685).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
nicht mehr als notwendig oder geeignet zur Friedenssicherung angesehen werden. Derartige Entscheidungen kann nur der Sicherheitsrat treffen. Solange der Sicherheitsrat in diesem Rahmen also zu dem Schluss kommen kann, dass Resolutionsmaßnahmen weiterhin der Friedenswiederherstellung oder -erhaltung dienen, kann er auch nicht verpflichtet sein, die Resolution aufzuheben. Sobald jedoch eine Friedensbedrohung schlechterdings nicht mehr vorstellbar ist, ist der Sicherheitsrat zur Aufhebung der Resolution verpflichtet. Hebt der Sicherheitsrat die Resolution dann nicht auf, wird diese rechtswidrig. Damit im Einklang befindet sich auch die Praxis des Sicherheitsrats, der in der Vergangenheit des Öfteren Kapitel VII-Maßnahmen mit Eintreten der Wiederherstellung des Friedens aufgehoben hat. So hat der Sicherheitsrat z.B. Sanktionen an verschiedenen Stellen wieder aufgehoben, sobald er der Ansicht war, das Ziel der Sanktionen erreicht zu haben.441 Somit erlegt die VN-Charta dem Sicherheitsrat die Pflicht auf, eine unter Kapitel VII VN-Charta angenommene Resolution wieder aufzuheben, sobald der Frieden wiederhergestellt ist. Bei der Einschätzung, wann der Frieden wiederhergestellt ist, steht dem Sicherheitsrat sein übliches weites Ermessen zu.
VIII. Formanforderungen an die Aufhebung einer unter Kapitel VII VN-Charta erlassenen Resolution Zuletzt stellt sich in diesem Zusammenhang noch die Frage, welche Formanforderungen an die Aufhebung einer Kapitel VII-Resolution gestellt werden, insbesondere, ob auch sie unter Kapitel VII VN-Charta zu erfolgen hat. Dagegen spricht eigentlich, dass der Sicherheitsrat nach dem Wegfall einer Friedensbedrohung zu einem Handeln unter Kapitel VII VN-Charta streng genommen gar nicht mehr befugt wäre, da für ein solches Handeln das Vorliegen einer Friedensbedrohung ja gerade Voraussetzung ist. Dagegen lässt sich jedoch dreierlei einwenden: Erstens wird die Parallelität der Kompetenzen (also die Regel, dass Maßnahmen nur vom erlassenden Organ zurückgenommen werden kön441
Vgl. z.B. S/RES/1506 (2003) vom 12. September 2003 (Aufhebung der Sanktionen gegen Libyen); S/RES/919 (1994) vom 25. Mai 1994 (Aufhebung des Embargos gegen Südafrika).
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nen) durch die Parallelität der Form (actus contrarius-Theorie) ergänzt.442 Diese besagt, dass ergriffene Maßnahmen nur auf dem Wege wieder zurückgenommen werden sollten, auf dem sie erlassen worden waren – das wäre hier also ein Handeln unter Kapitel VII VN-Charta. Zwar könnte fraglich sein, ob diese Regel auf Akte des Sicherheitsrats überhaupt anwendbar ist. Dagegen könnte Art. 50 VN-Charta sprechen,443 der für etwaige Ausnahmen von Sanktionen für besonders betroffene Drittstaaten keine Entscheidung des Sicherheitsrats, sondern lediglich Konsultationen vorsieht.444 Dem muss jedoch entgegnet werden, dass Art. 50 VN-Charta nichts darüber aussagt, in welcher Form der Sicherheitsrat schließlich auf die Konsultationen reagiert. Diese Frage wird von Art. 50 VN-Charta gar nicht angesprochen. Somit ist die actus contrarius-Theorie auch auf Akte des Sicherheitsrats anwendbar. Zweitens sollte die Aufhebung einer Resolution des Sicherheitsrats ebenso bindend ausgestaltet sein, wie zuvor die Ergreifung der Maßnahme. Ob Maßnahmen außerhalb von Kapitel VII VN-Charta bindend sind, ist allerdings fraglich.445 Und drittens beruft sich der Sicherheitsrat regelmäßig auf Kapitel VII VN-Charta, wenn er unter Kapitel VII VN-Charta ergriffene Maßnahmen beendet oder zurücknimmt.446 442
Brigitte Reschke, Der aktuelle Fall: Die Aufhebung der Sanktionen gegen Haiti, HuV-I7 (1994), 134 (136); Eric Suy, Some Legal Questions Concerning the Security Council, in: Ingo von Münch (Hrsg.), Staatsrecht-VölkerrechtEuroparecht. Festschrift für Hans-Jügen Schlochauer zum 75. Geburtstag am 28. März 1981, 1981, 677 (685). 443
Art. 50 VN-Charta lautet: „Ergreift der Sicherheitsrat gegen einen Staat Vorbeugungs- oder Zwangsmaßnahmen, so kann jeder andere Staat, ob Mitglied der Vereinten Nationen oder nicht, den die Durchführung dieser Maßnahmen vor besondere wirtschaftliche Probleme stellt, den Sicherheitsrat zwecks Lösung dieser Probleme konsultieren.“ 444
Brigitte Reschke, Der aktuelle Fall: Die Aufhebung der Sanktionen gegen Haiti, HuV-I7 (1994), 134 (137); Eric Suy, Some Legal Questions Concerning the Security Council, in: Ingo von Münch (Hrsg.), Staatsrecht-VölkerrechtEuroparecht. Festschrift für Hans-Jügen Schlochauer zum 75. Geburtstag am 28. März 1981, 1981, 677 (686). 445 446
Siehe dazu bereits oben 5. Kapitel A.
Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (198 f.). Vgl. z.B. S/RES/1506 (2003) vom 12. September 2003 (Aufhebung der Sanktionen gegen Libyen); S/RES/919 (1994) vom 25. Mai 1994 (Aufhebung des Embargos gegen Südafrika).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Folglich bedarf auch die Aufhebung einer Kapitel VII-Resolution eines Handelns unter Kapitel VII VN-Charta.447
B. Befugnis des Sicherheitsrats zu (quasi-)legislativen Maßnahmen Immer wieder wird in der völkerrechtlichen Literatur darauf verwiesen, der Sicherheitsrat werde inzwischen auch legislativ tätig.448 Auch die Resolutionen 1422 und 1487 werden teilweise als legislative Maßnahmen bezeichnet.449 Bevor auf die Frage, ob der Sicherheitsrat zu solchen Maßnahmen befugt ist, näher eingegangen wird, wird zunächst geklärt, was genau unter legislativer Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Sicherheitsrat überhaupt zu verstehen ist. Grundsätzlich fallen darunter verbindliche Maßnahmen des Sicherheitsrats, die entweder auf von einem konkreten Fall losgelösten Friedensbedrohungen beruhen (so z.B. auf der Feststellung des Sicherheitsrats, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sei generell als Friedensbedrohung anzusehen; Tatbestandsebene, Art. 39 VN-Charta) und/oder selbst abstrakt-generelle Regelungen treffen, d.h. einen Sach-
447 Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (198); Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (714 Rn. 38 f.), die auch darauf hinweisen, dass der SR auf Grund dieses Ergebnisses dazu übergegangen ist, Maßnahmen i.d.R. zeitlich zu befristen. 448
Vgl. z.B. Paul C. Szasz, The Security Council Starts Legislating, AJIL 96 (2002), 901; Stefan Talmon, The Security Council as World Legislature, AJIL 99 (2005), 175. 449
So z.B. von Stefan Talmon, The Security Council as World Legislature, AJIL 99 (2005), 175 (177 f.); Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71 (72 f.); Peter Neusüß, Legislative Maßnahmen des UN-Sicherheitsrates im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, 2008, 128 ff. und Matthew Happold, Security Council Resolution 1373 and the Constitution of the United Nations, LJIL 16 (2003), 593 (609).
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verhalt losgelöst von einer konkreten Friedensbedrohung umfassend zu regeln versuchen (Rechtsfolgenebene, Art. 41 VN-Charta).450 Während der Wortlaut des Art. 41 VN-Charta auf die Frage, ob der Sicherheitsrat quasi-legislative Maßnahmen treffen kann, keine Antwort gibt, könnte man aus dem Wortlaut des Art. 39 VN-Charta herauslesen, dass auch abstrakte Gefahren ausreichen.451 So verlangt der Begriff der Friedensbedrohung eine prognostische Entscheidung anknüpfend an eine bestimmte Situation. Daraus könnte man schließen, dass nur diese Situation konkret sein, die sich hieraus ergebende Friedensbedrohung aber abstrakt bestimmt werden muss. Zudem könnten systematische Erwägungen für eine legislative Kompetenz des Sicherheitsrats sprechen, die man im Begriff der Friedensbedrohung verankern könnte. Denn möglicherweise bestgeht die Gefahr, dass die Absage an eine solche Befugnis den Begriff der Friedensbedrohung zu dicht an den ebenfalls in Art. 39 VN-Charta enthaltenen Begriff der Angriffshandlung heranrücken würde. Die Friedensbedrohung verlöre dadurch ihre Eigenständigkeit.452 Allerdings grenzt sich eine Friedensbedrohung auch ohne Bezug auf abstrakte Situationen ausreichend deutlich von der Angriffshandlung ab. Während die Angriffshandlung bereits ergriffene Maßnahmen erfordert, reicht bei der Friedensbedrohung die Gefahr solcher Maßnahmen aus. Damit greifen diese Bedenken letztlich nicht durch. Stattdessen spricht nach systematischen Gesichtspunkten für die Tatbestandsebene Einiges dafür, Handlungen des Sicherheitsrats auf konkrete Situationen – also solche, in denen durch konkrete Maßnahmen aktuell der 450
Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71. Vgl. auch die Stellungnahme Neuseelands im SR, in: Provisional Verbatim Record of the 4568th Meeting (10. Juli 2002), UN Doc. S/PV.4568, 5: “[a] resolution, not in response to a particular fact situation”; vgl. auch Stefan Talmon, The Security Council as World Legislature, AJIL 99 (2005), 175 (176 f.). 451
Zum Folgenden Rüdiger Wolfrum, Der Kampf gegen eine Verbreitung von Massenvernichtungswaffen: Eine neue Rolle für den Sicherheitsrat, in: Klaus Dicke u.a. (Hrsg.), Weltinnenrecht – Liber amicorum Jost Delbrück, 2005, 865 (874). 452
Rüdiger Wolfrum, Der Kampf gegen eine Verbreitung von Massenvernichtungswaffen: Eine neue Rolle für den Sicherheitsrat, in: Klaus Dicke u.a. (Hrsg.), Weltinnenrecht – Liber amicorum Jost Delbrück, 2005, 865 (874).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Weltfrieden bedroht wird – zu beschränken.453 Bezogen auf Art. 39 VN-Charta sprechen Art. 33 und 34 VN-Charta als Vorstufe zu Art. 39 VN-Charta von einer „Streitigkeit“ oder „Situation“. Der Friedensbruch und die Aggression beziehen sich auf konkrete Situationen.454 Auch auf Rechtsfolgenebene sprechen systematische Erwägungen dafür, den Sicherheitsrat auf die Lösung konkreter Friedensbedrohungen zu beschränken. So gibt Art. 40 VN-Charta dem Sicherheitsrat die Befugnis, „die beteiligten Parteien“ zu einem bestimmten Verhalten aufzufordern. Eine Partei kann aber nur an einer konkreten Situation beteiligt sein.455 Art. 41 VN-Charta, der mögliche Maßnahmen des Sicherheitsrats auf Rechtsfolgenebene enthält, zählt ebenfalls nur konkrete Maßnahmen auf. Zwar ist diese Aufzählung nicht abschließend; es spricht aber doch Manches dafür, dass sich weitere, nicht in Art. 41 aufgeführte Maßnahmen an den ausdrücklich erwähnten Maßnahmen orientieren müssen.456
453
Matthew Happold, Security Council Resolution 1373 and the Constitution of the United Nations, LJIL 16 (2003), 593 (599 ff.); Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71. 454
Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71 (72). 455
Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71 (72). 456
Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71 (72). A.A. Rüdiger Wolfrum, Der Kampf gegen eine Verbreitung von Massenvernichtungswaffen: Eine neue Rolle für den Sicherheitsrat, in: Klaus Dicke u.a. (Hrsg.), Weltinnenrecht – Liber amicorum Jost Delbrück, 2005, 865 (875), der die Errichtung der Ad-hoc-Tribunale sowie die Regelung des Friedensschlusses zwischen Irak und Kuwait als Beispiele für legislative Maßnahmen auf Rechtsfolgenebene anführt. Diese Maßnahmen werden hier jedoch anders eingestuft (für die Errichtung der Ad-hoc-Tribunale vgl. die folgenden Seiten; für die Einstufung des irakisch-kuwaitischen Friedensschlusses als quasi-gerichtliche Maßnahme siehe 5. Kapitel C).
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Auch eine historische Auslegung stützt dieses Ergebnis. So sollte der Sicherheitsrat nach der Absicht der Gründungskonferenzteilnehmer nicht zu einer verbindlichen und endgültigen Regelung, sondern nur zu einer vorübergehenden Stabilisierung von einzelnen Krisen befugt sein, deren endgültige Lösung aber auf anderem Wege erreicht werden sollte.457 Damit ist dem Sicherheitsrat nach den Normen der VN-Charta in ihrem ursprünglichen Sinn ein legislatives Handeln sowohl auf Tatbestands-, als auch auf Rechtsfolgenebene untersagt. Dieser ursprüngliche Sinn könnte sich durch eine Weiterentwicklung der VN-Charta durch die VN-Organe inzwischen aber geändert haben. Eine solche Weiterentwicklung hat im Rahmen der Vereinten Nationen bereits an verschiedener Stelle stattgefunden.458 Sie ist unter der VNCharta zulässig, ja ihr kommt bei der dynamischen Auslegung der VNCharta sogar eine besondere Bedeutung zu.459 Denn eine Beschränkung auf die historische Auslegung bei Verträgen mit vielen Vertragsparteien und vielen späteren Beitritten würde den Willen und die Motivation einiger Vertragsparteien außer Acht lassen. Nur mit Hilfe einer dynamischen Auslegung460 der späteren Praxis kann adäquat auf veränderte Umstände und Erfordernisse reagiert werden.461 457
The United Nations Conference on International Organization, Report of Raporteur of Committee 1 to Commission I, Doc. 944 I/1/34 (1), 6 UNCIO Docs 446 (453) (13. Juni 1945). Weitere Nachweise bei Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (705 Rn. 13). 458
Vgl. die Auslegung des Art. 27 Abs. 3 VN-Charta, nach der auch Enthaltungen von Ständigen Mitgliedern des SR als Zustimmung gewertet werden, dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/2, 2002, 219 f.; Tullio Treves, Customary International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, November 2006, Rn. 81; vgl. auch die Ausweitung des Begriffs der Friedensbedrohung durch den SR, siehe dazu bereits oben 5. Kapitel A.I. 459
Wolfram Karl, Vertrag und spätere Praxis im Völkerrecht, 1983, 166 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, 2002, 649; Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen im Umfeld bewaffneter Konflikte – Zur Bindung des Sicherheitsrates an individualschützende Normen, 2007, 204. 460
Zur dynamischen Auslegung vgl. Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, 16 (Rn. 53), wonach ein internationaler Vertrag „has to be inter-
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Eine Weiterentwicklung der VN-Charta im Bereich quasi-legislativer Befugnisse des Sicherheitsrats könnte zu bejahen sein, wenn man die Tendenz des Sicherheitsrats betrachtet, in den letzten Jahren Probleme der internationalen Gemeinschaft ohne Verknüpfung mit einer konkreten Situation zu behandeln. Dies begann zunächst Ende der 1990er Jahre damit, dass der Sicherheitsrat allgemeine Themen losgelöst von konkreten Situationen auf die Agenda setzte, darunter den Schutz von Kindern462 und Zivilisten463 in bewaffneten Konflikten oder die Ausbreitung von AIDS.464 Waren diese noch außerhalb von Kapitel VII VNCharta und ohne Verpflichtungswirkung für Staaten verabschiedet worden,465 so änderte sich dies mit Resolution 1373 (2001) vom 28. September 2001,466 die neben den Anschlägen vom 11. September 2001 Akte des internationalen Terrorismus auch abstrakt als Friedensbedrohung ansieht und alle Staaten dazu verpflichtet, solche Akte zu verhindern und ihre Finanzierung zu bekämpfen.467 Hier handelte der Sicherheitsrat bereits auf Tatbestandsebene – also bei der Feststellung der Friedensbedrohung – teilweise legislativ, was jedoch allein kein Problem preted and applied within the framework of the entire legal system prevailing at the time of the interpretation“. 461
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/2, 2002, 649; Ian Brownlie, Principles of Public International Law, 2008, 686. 462
S/RES/1261 (1999) vom 30. August 1999; S/RES/1539 (2004) vom 22. April 2004. 463
S/RES 1265 (1999) vom 17. September 1999.
464
S/RES/1308 (2000) vom 17. Juli 2000. Weitere Beispiele finden sich bei Paul C. Szasz, The Security Council Starts Legislating, AJIL 96 (2002), 901 (902). 465
Paul C. Szasz, The Security Council Starts Legislating, AJIL 96 (2002), 901 (902). 466
Björn Elberling, The Ultra Vires Character of Legislative Action by the Security Council, IOLR 2 (2005), 337 (338). 467 Der 2. und 3. Erwägungsgrund der Präambel von S/RES/1373 (2001) vom 28. September 2001 lauten: „[S]owie in Bekräftigung seiner unmissverständlichen Verurteilung der Terroranschläge, die am 11. September 2001 in New York, Washington und Pennsylvania stattgefunden haben, und mit dem Ausdruck seiner Entschlossenheit, alle derartigen Handlungen zu verhüten,
ferner in Bekräftigung dessen, dass diese Handlungen, wie jede Handlung des internationalen Terrorismus, eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellen“. (Hervorhebung hinzugefügt.)
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
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darstellt, da der Sicherheitsrat zumindest auch auf den konkreten Anschlag vom 11. September 2001 reagierte. Da der Sicherheitsrat allerdings auf Rechtsfolgenebene umfassende Maßnahmen ergreift, die sich nicht nur auf den konkreten Anschlag beziehen, sondern weit darüber hinaus gehen, handelte er auf Rechtsfolgenebene legislativ, indem seine Maßnahmen auf die Feststellung bezogen werden müssen, dass alle Akte des internationalen Terrorismus eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellen. Somit handelte der Sicherheitsrat hier letztlich auf Rechtsfolgenebene legislativ. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung bildet Resolution 1540 (2004), in welcher der Sicherheitsrat die abstrakte Gefahr der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen an nichtstaatliche Akteure als Friedensbedrohung ansah, und somit auf Tatbestandsebene ganz aufs Abstrakte beschränkt bleibt – anders als Resolution 1373, die wenigstens noch auf einen konkreten Terrorakt reagierte.468 Fraglich ist, ob auch die den JStGH und RStGH einrichtenden Resolutionen 827 (1993) und 955 (1994) quasi-legislative Maßnahmen des Sicherheitsrats darstellen.469 Dem steht entgegen, dass die Resolutionen 827 und 955 auf Tatbestandsebene die konkreten Konflikte im ehemaligen Jugoslawien bzw. Ruanda betrafen.470 Und wenn auch der JStGH eine zeitlich zunächst unbegrenzte und unbestimmte Anzahl von individuellen Fällen zu behandeln hatte,471 und der RStGH z.T. auch für die 468
Björn Elberling, The Ultra Vires Character of Legislative Action by the Security Council, IOLR 2 (2005), 337 (339). 469
Bejahend Martti Koskenniemi, The Police in the Temple. Order, Justice and the UN: a Dialectical View, EJIL 6 (1995), 325 (326): “The setting up of two ad hoc war crimes tribunals to issue binding judgments seems already precariously close to international legislation”; vgl. auch Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (921). 470
Paul C. Szasz, The Security Council Starts Legislating, AJIL 96 (2002), 901 (902); Björn Elberling, The Ultra Vires Character of Legislative Action by the Security Council, IOLR 2 (2005), 337 (340); Matthew Happold, Security Council Resolution 1373 and the Constitution of the United Nations, LJIL 16 (2003), 593 (596). 471
Vgl. den operativen § 1 S/RES/827 (1993) vom 25. Mai 1993: „beschließt hiermit, ein internationales Gericht zu schaffen, zu dem ausschließlichen Zweck, die Personen zu verfolgen, die für die zwischen dem 1. Januar 1991 und einem vom Sicherheitsrat nach der Wiederherstellung des Friedens festzusetzenden Zeitpunkt im Hoheitsgebiet des ehemaligen Jugoslawien begangenen
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Verfolgung zukünftiger Verbrechen zuständig war,472 so beschränken sich ihre Gerichtsbarkeiten aus völkerrechtlicher Sicht dennoch auf die konkreten Konflikte im ehemaligen Jugoslawien bzw. in Ruanda.473 Somit betrifft auch die Rechtsfolgenebene die den Maßnahmen zugrunde liegende konkrete Friedensbedrohung. Hinzu kommt, dass die Resolutionen 827 und 955 kein neues Recht (und daher auch keine neuen Verpflichtungen für Individuen) begründen, da die Ad hoc-Gerichte sich ausdrücklich nur auf zweifellos anerkanntes Völkergewohnheitsrecht stützen sollen.474 Folglich sind die Resolutionen 827 und 955 nicht in die Reihe legislativer Maßnahmen des Sicherheitsrats einzuordnen.475 Ob auch die im Hinblick auf den IStGH relevanten Resolutionen 1422 (2002) und 1487 (2003) unter die quasi-legislative Tätigkeit des Sicherheitsrats einzuordnen sind, kann an dieser Stelle dahin stehen. Denn selbst wenn man diese Einordnung bejaht, lassen sich für eine legislative Praxis des Sicherheitsrats bisher lediglich die Resolutionen 1373, 1422, 1487 sowie 1540 anführen. So wenige Resolutionen können aber nur schwer zu einer Weiterentwicklung der VN-Charta beitragen.476 Doch selbst wenn man in diesen wenigen Resolutionen bereits eine Weiterentwicklung erkennen möchte, könnte eine Organpraxis des Sischweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich sind […]“ (Letzte Hervorhebung hinzugefügt.). 472
Nach dem operativen § 1 S/RES/955 (1994) vom 8. November 1994 ist der RStGH für zwischen dem 1. Januar und 31. Dezember 1994 begangene Verbrechen zuständig. Da die Resolution am 8. November 1994 verabschiedet wurde, waren somit potentiell auch diejenigen Verbrechen erfasst, die bis Jahresende noch verübt werden sollten. 473
Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71 (74). 474
Matthew Happold, Security Council Resolution 1373 and the Constitution of the United Nations, LJIL 16 (2003), 593 (596). 475
Gleiches gilt auch für an eine Vielzahl von Adressaten gerichtete Embargos oder die Errichtung der VN-Entschädigungskommission (UNCC), so richtig Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71 (74). 476
Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71 (73).
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
145
cherheitsrats nur dann zu einer wirksamen Weiterentwicklung führen, wenn sie von den VN-Mitgliedsstaaten insgesamt akzeptiert wird.477 Wie Zimmermann und Elberling478 jedoch eindrucksvoll darlegen, lässt sich eine solche Akzeptanz nicht erkennen. So lässt sich insbesondere aus dem fehlenden Widerspruch zu Resolution 1373 eine solche Akzeptanz nicht herleiten, da die Staaten unmittelbar nach dem 11. September 2001 noch unter dem Einfluss der Attentate standen und möglicherweise nur wenige Wochen später bereits ganz anders entschieden hätten.479 Im Gegenteil ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere an den Resolutionen 1422/1487 vielfach Kritik geübt wurde,480 während Resolution 1540 sogar von ihren Befürwortern z.T. ausdrücklich als Ausnahmefall angesehen wurde.481 Zudem bestehen für eine Weiterentwicklung der VN-Charta Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. So darf eine solche insbesondere 477
Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, 16 (Rn. 22); Taslim Olawale Elias, The Modern Law of Treaties, 1974, 76; Sir Ian Sinclair, The Vienna Convention on the Law of Treaties, 1984, 138. 478
Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71 (74 ff.). 479
So auch Markus Wagner, Die wirtschaftlichen Maßnahmen des Sicherheitsrates nach dem 11. September 2001 im völkerrechtlichen Kontext – Von Wirtschaftssanktionen zur Wirtschaftsgesetzgebung?, ZaöRV 63 (2003), 879 (912 Fn. 185), der aber dennoch die notwendige Akzeptanz für gegeben hält. 480
Vgl. nur den Brief Brasiliens, Kanadas, Neuseelands und Südafrikas an den Präsidenten des SR (Letter dated 12 July 2002 from the Permanent Representatives of Brazil, Canada, New Zealand and South Africa to the United Nations addressed to the President of the Security Council, UN Doc. S/2002/754 [12. Juli 2002]). 481
Vgl. die Stellungnahmen der Philippinen, in: Provisional Verbatim Record of the 4950th Meeting (22. April 2004), UN Doc. S/PV.4950, 3 (“an exceptional measure to address a new and urgent potential threat”), Algeriens (ibid. 5; “the Security Council is acting in an exceptional manner, since, clearly, the Charter does not give it a mandate to legislate on behalf of the international community”), Frankreichs (ibid. 8; “Even if this draft resolution – which is exceptional and highly targeted – does not solve every problem”), der Schweiz (ibid. 28; “It is acceptable for the Security Council to assume such a legislative role only in exceptional circumstances and in response to an urgent need”).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
nicht zu einer radikalen Änderung der Vorschriften der VN-Charta führen.482 Ein legislativ handelnder Sicherheitsrat würde aber den Charakter des gesamten internationalen Systems grundlegend modifizieren, indem dort, wo bisher jede langfristige rechtliche Bindung der Staaten an deren Einverständnis geknüpft war, nun allgemeinverbindliche Normen auch gegen den Willen einzelner Staaten erlassen werden könnten.483 Eine so weitgehende Änderung kann nicht ohne eine ausdrückliche Vertragsänderung durch die Mitgliedsstaaten herbeigeführt werden. Aus all diesen Gründen lässt sich der VN-Charta weder für die Feststellung einer abstrakt-generellen Friedensbedrohung noch für den Erlass abstrakt-genereller Maßnahmen durch den Sicherheitsrat eine Rechtsgrundlage entnehmen.484
C. Befugnis des Sicherheitsrats zu (quasi-)gerichtlichen Maßnahmen Wenn der Sicherheitsrat Maßnahmen ergreift, die ins Gefüge eines internationalen Gerichts wie des IStGH eingreifen, so kann es dazu kommen, dass er dabei selbst „gerichtlich“ tätig wird, d.h. Maßnahmen vornimmt, die normalerweise einem Gericht zufallen. Der Frage, ob der Sicherheitsrat zu solchen Maßnahmen befugt ist, kommt im Zusammenhang mit dem IStGH bei der Frage Bedeutung zu, ob die Feststellung einer zwischenstaatlichen Angriffshandlung Präjudizwirkung für die Verfolgung einer Aggression durch den IStGH entfaltet.485
482
Björn Elberling, The Ultra Vires Character of Legislative Action by the Security Council, IOLR 2 (2005), 337 (351). 483
Andreas Zimmermann/Björn Elberling, Grenzen der Legislativbefugnisse des Sicherheitsrats. Resolution 1540 und abstrakte Bedrohungen des Weltfriedens, VN 52 (2004), 71 (75). 484
So im Ergebnis auch Thomas Bruha, Gewaltverbot und humanitäres Völkerrecht nach dem 11. September 2001, AVR 40 (2002), 383 (392). A.A. Christian Tomuschat, Obligations Arising for States without or against their Will, RdC 241 (1994), 195 (344 ff.); Peter Neusüß, Legislative Maßnahmen des UNSicherheitsrates im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, 2008, 366. 485
Siehe dazu unten 8. Kapitel D.I.4.
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
147
Die quasi-gerichtliche Funktion ist eng verwandt, jedoch nicht identisch mit der Funktion des Sicherheitsrats, Völkerrecht durchzusetzen.486 So liegt der Feststellung einer Friedensbedrohung in aller Regel eine völkerrechtswidrige Handlung zugrunde. Wichtig ist dabei, dass der Sicherheitsrat nach Absicht der Teilnehmer der Konferenz von San Francisco nur zu einer vorübergehenden Stabilisierung von einzelnen Krisen befugt sein sollte (Polizeifunktion), deren endgültige Lösung aber auf anderem Wege erreicht werden sollte.487 Nur für die „kurz“fristige Friedenssicherung wurden dem Sicherheitsrat die Kapitel VII VN-Charta zugrundeliegenden weitreichenden Befugnisse zugesprochen.488 Jedenfalls langfristige gerichtliche Maßnahmen sind mit diesen Befugnissen nicht vereinbar. Dies klingt in der VN-Charta selbst an: So ist der Sicherheitsrat z.B. im Rahmen von Kapitel VI VN-Charta gemäß Art. 36 Abs. 3 VN-Charta dazu angehalten, den Streitparteien eine Anrufung des IGH zu empfehlen. Dies zeigt, dass nach der VN-Charta die rechtliche Bewertung von Streitigkeiten nicht Aufgabe des Sicherheitsrats sein soll.489 Dies wird darüber hinaus auch in Kapitel VII VNCharta bestätigt, wo es z.B. in Art. 40 S. 2 VN-Charta heißt, dass vorläufige Maßnahmen des Sicherheitsrats „die Rechte, die Ansprüche und die Stellung der beteiligten Parteien unberührt“ lassen. Folglich sind jedenfalls langfristige gerichtliche Maßnahmen nicht mit dem Mandat des Sicherheitsrats vereinbar – während gerichtliche Maßnahmen, die keine
486
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (708 Rn. 19). 487
Siehe dazu schon oben 5. Kapitel B.
488
Georg Nolte, The Limits of the Security Council’s Powers and Its Functions in the International Legal System: Some Reflections, in: Michael Byers (Hrsg.), The Role of Law in International Politics, 2000, 315 (321 f.); Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (705 Rn. 13) m.w.N. 489
Derek Bowett, The Impact of Security Council Decisions on Dispute Settlement Procedures, EJIL 5 (1994), 89 (90); Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007), 277 (302 f.).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
endgültige Lösung beinhalten, in dieser Hinsicht unproblematisch und mit der Polizeifunktion des Sicherheitsrats vereinbar sind. Somit sind zumindest kurzfristige quasi-gerichtliche Maßnahmen zulässig, soweit sie der Friedenssicherung dienen. Daraus folgt, dass quasi-gerichtliche Resolutionen des Sicherheitsrats, soweit möglich, in einem kurzfristigen Sinne ausgelegt werden sollten.490 Ob, was langfristige Maßnahmen angeht, eine Weiterentwicklung der VN-Charta durch weiterführende Praxis des Sicherheitsrats vorliegt, ist – ebenso wie bei legislativen Maßnahmen – zweifelhaft. Zwar lassen sich Beispiele für gerichtliche Maßnahmen des Sicherheitsrats durchaus finden. So erklärte der SR bestimmte Akte wie die Annektierung Kuwaits durch Irak491 oder die israelische Entscheidung, sein Recht, seine Zuständigkeit und seine Verwaltung auf die besetzten Golan Höhen anzuwenden,492 für „null und nichtig“. Zudem sprach der Sicherheitsrat Rhodesiens Unabhängigkeitserklärungen eine rechtliche Wirkung ab,493 was auch als gerichtliche Maßnahme gewertet werden kann.494 Jedoch stießen diese immer wieder auf staatliche Kritik,495 was einer Weiter490
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (708 Rn. 20). 491 492 493
S/RES 662 [1990] vom 9 August 1990. S/RES/465 [1980] vom 1. März 1980. Siehe z.B. S/RES 216 (1965) vom 12. November 1965.
494
Weitere Beispiele finden sich bei Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (708 Rn. 19). Hingegen können die Errichtungen der Ad hoc-Tribunale sowie der VN-Entschädigungskommission nicht als gerichtliche Maßnahmen des SR eingestuft werden, da zwar Tribunale und Kommission endgültige, gerichtliche Maßnahmen treffen, nicht aber der SR selbst, Georg Nolte, The Limits of the Security Council’s Powers and Its Functions in the International Legal System: Some Reflections, in: Michael Byers (Hrsg.), The Role of Law in International Politics, 2000, 315 (322); Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007), 277 (304 f.). 495
Gaetano Arangio-Ruiz, On the Security Council’s “Law-Making”, RivDirInt 83 (2000), 609 (715 ff.); Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (706 Rn. 14).
Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der VN-Charta
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entwicklung im Wege steht.496 Jedenfalls müssen – sollte man hier dennoch eine Weiterentwicklung der VN-Charta annehmen – endgültige gerichtliche Entscheidungen des Sicherheitsrats auf Ausnahmen beschränkt bleiben und dürfen nur dort angewandt werden, wo sie für die Ausübung der Polizeifunktion des Sicherheitsrats unerlässlich sind.497
D. Zusammenfassung Die ausdrückliche Feststellung einer Friedensbedrohung ist notwendige Voraussetzung für ein Handeln des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VN-Charta, der auch Individuen und andere nichtstaatliche Akteure adressieren darf. Der Sicherheitsrat darf seine Kapitel VII-Resolutionen – ebenfalls im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta – auch wieder zurücknehmen; sobald er – im Rahmen seines weiten Ermessens – zu dem Ergebnis kommt, dass der Frieden wiederhergestellt ist, ist er sogar zur Rücknahme verpflichtet. Die Befugnis des Sicherheitsrats zur Friedenssicherung ist zwar eine Haupt-, aber keine exklusive Kompetenz. Quasi-legislative Maßnahmen darf der Sicherheitsrat nicht ergreifen; quasigerichtliche Maßnahmen sind grundsätzlich erlaubt, müssen aber auf Ausnahmen beschränkt bleiben und dürfen nur dort angewandt werden, wo sie für die Ausübung der Polizeifunktion des Sicherheitsrats unerlässlich sind.
496
Gaetano Arangio-Ruiz, On the Security Council’s “Law-Making”, RivDirInt 83 (2000), 609 (715 ff.); Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (706 Rn. 14). 497
Vgl. Michael Reisman/Dirk Pulkowski, Nullity in International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, September 2006, Rn. 28: “Yet political bodies generally lack the authority that is characteristic of judicial mechanisms. Often, their function will be the aggressive promotion of certain legitimate community goals within a larger political process including other actors such as the ICJ and national governments. In no case were resolutions by the UN Security Council or General Assembly alone determinative of a nullity claim.”
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6. Kapitel: Bindungen des Sicherheitsrats Es ist mittlerweile nahezu einhellig anerkannt, dass der Sicherheitsrat bei seinen Entscheidungen nicht losgelöst von allen rechtlichen Bindungen (legibus solutus) handeln kann.498 Umstritten ist hingegen, welchen konkreten rechtlichen Grenzen der Sicherheitsrat unterliegt. Eine Grenze des Handelns des Sicherheitsrats stellt zunächst die VNCharta selbst dar. Organe internationaler Organisationen sind immer an die jeweiligen Gründungsverträge gebunden. Ihre Befugnisse werden ihnen durch die jeweiligen Mitgliedstaaten delegiert. Dabei entfaltet die Delegierung zugleich ermächtigende und begrenzende Wirkung.499 Die Völkerrechtssubjektivität der internationalen Organisation mitsamt ihrer Organe ist und bleibt abgeleitet. Diese können somit nur in den Grenzen des zugrunde liegenden Vertrags handeln.500 Mithin unterliegt auch der Sicherheitsrat den Grenzen, die die VN-Charta ihm setzt.501 498
Statt vieler Stefan Talmon, The Security Council as World Legislator, AJIL 99 (2005), 175 (178). Anders noch Hans Kelsen, The Law of the United Nations. A Critical Analysis of Its Fundamental Problems, 1950, 294 f.; siehe auch Gabriël H. Oosthuizen, Playing the Devil’s Advocate: the United Nations Security Council is Unbound by Law, LJIL 12 (1999), 549 ff, der – worauf der Titel schon hinweist – jedoch lediglich den advocatus diaboli spielt. 499
Mohammed Bedjaoui, Nouvel ordre mondial et contrôle de la légalité des actes du Conseil de sécurité, 1994, 24; Henry G. Schermers/Niels M. Blokker, International Institutional Law, 2003, § 209; Ignaz Seidl-Hohenveldern/Gerhard Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 2000, Rn. 0107. 500
Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 139. 501
Thomas M. Franck, The Security Council and “Threats to the Peace”: Some Remarks on Remarkable Recent Developments, in: René-Jean Dupuy (Hrsg.), Le développement du rôle du conseil de sécurité, 1993, 83; Rosalyn Higgins, The Place of International Law in the Settlement of Disputes by the Security Council, AJIL 64 (1970), 1; Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_7, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Welche Grenzen die VN-Charta dem Sicherheitsrat setzt, wird im Folgenden geklärt (A.). Anschließend werden mögliche völkerrechtliche Bindungen des Sicherheitsrats jenseits der VN-Charta untersucht (B.).
A. Bindungen des Sicherheitsrats auf Grundlage der VN-Charta I. Bindung des Sicherheitsrats an die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen Die oben vorgestellten Resolutionen kollidieren möglicherweise mit völkerrechtlichen Grundsätzen wie der staatlichen Souveränität oder der Gleichbehandlung.502 Bei diesen handelt es sich um Grundsätze der Vereinten Nationen gemäß Art. 2 VN-Charta – weshalb im Folgenden geklärt wird, ob der Sicherheitsrat diese Grundsätze beachten muss. Gemäß Art. 24 Abs. 2 VN-Charta handelt der Sicherheitsrat bei der Erfüllung seiner Pflichten „im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“. Mithin muss der Sicherheitsrat grundsätzlich sowohl die Ziele als auch die Grundsätze der Vereinten Nationen beachten.503 Dabei stellt Art. 24 Abs. 2 VN-Charta einen Verweis auf Kapitel I (Art. 1 und 2) VN-Charta dar, das die Überschrift „Ziele und
Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 139; Lutz Oette, Die Vereinbarkeit der vom Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UNCharta verhängten Wirtschaftssanktionen mit den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht, Peter Lang Frankfurt a.M. u.a. 2002, 216 ff. 502 503
Siehe dazu näher unten 9. Kapitel E.
Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen im Umfeld bewaffneter Konflikte – Zur Bindung des Sicherheitsrates an individualschützende Normen, 2007, 195; Schweizerisches Bundesgericht, Youssef Nada gegen Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement, 1A.45/2007 (14. November 2007), in: EuGRZ 35 (2008), 66 (69 Rn. 5.3); teilweise wird Art. 24 Abs. 2 VN-Charta auch lediglich eine deklaratorische Wirkung zugesprochen, da der SR als Organ der VN ohne weiteres an die Ziele und Grundsätze der VN gebunden sei, so Jost Delbrück, Article 24, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. II, 2002, 442 (448 Rn. 10).
Bindungen des Sicherheitsrats
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Grundsätze der Vereinten Nationen“ trägt.504 Allerdings könnte man aus dem allgemeinen Verweis auf Kapitel I schließen, dass dieser Verweis lediglich alle Ziele und Grundsätze gemeinsam umfasst, weswegen diese auch nur dann verletzt sein könnten, wenn eine Maßnahme keinem der Ziele und Grundsätze gerecht würde.505 Doch dagegen spricht, dass der kollektive Verweis in Art. 24 Abs. 2 VN-Charta lediglich auf der Erwägung beruht, dass eine doppelte Nennung der einzelnen bereits in Art. 1 und 2 VN-Charta aufgeführten Ziele und Grundsätze überflüssig wäre.506 Zwar binden nicht alle Ziele und Grundsätze den Sicherheitsrat. Denn im Rahmen der Grundsätze des Art. 2 VN-Charta richten sich weite Teile, namentlich Art. 2 Ziff. 2-5 VN-Charta, lediglich an die Mitgliedstaaten, nicht aber an die Vereinten Nationen und ihre Organe selbst, was zumindest gegen eine unmittelbare Bindung der VN-Organe an diese Grundsätze spricht.507 Darüber hinaus enthalten Art. 2 Ziff. 7 VN-Charta gerade eine ausdrückliche Befreiung vom Verbot der Einmischung in innere Angelegenheiten für Maßnahmen des Sicherheitsrats im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta und Art. 2 Ziff. 6 materiellrechtlich gesehen keine Beschränkung der Befugnisse des Sicherheitsrats.508 Was die Ziele angeht, so scheiden Art. 1 Ziff. 1 – der die 504
Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 143 f. 505
Bernd Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle des Weltsicherheitsrats. Die Überprüfung nichtmilitärischer Zwangsmaßnahmen durch den Internationalen Gerichtshof, 1996, 208. 506
Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 192 f. 507
W. Michael Reisman, The Constitutional Crisis in the United Nations, AJIL 87 (1993), 83 (93); Bernd Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle des Weltsicherheitsrats. Die Überprüfung nichtmilitärischer Zwangsmaßnahmen durch den Internationalen Gerichtshof, 1996, 210. Für eine Bindung der VN-Organe auch an diese Grundsätze aber Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 192 ff., die maßgeblich auf Art. 2 S. 1 VN-Charta abstellt, wonach die „Organisation und ihre Mitglieder […] nach folgenden Grundsätzen“ handeln. Dadurch richte Art. 2 S. 1 sich ausdrücklich insgesamt auch an die VN. 508
W. Michael Reisman, The Constitutional Crisis in the United Nations, AJIL 87 (1993), 83 (93).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Friedenssicherung selbst als Ziel benennt und mithin keine Grenze für diese darstellen kann –509 und Ziff. 4 VN-Charta – der materiellrechtlich keine Grenze enthält – aus. Die Lösung internationaler Probleme gemäß Art. 1 Ziff. 3, 1. Var. VN-Charta kommt ebenfalls nicht als Beschränkung des Handelns des Sicherheitsrats in Frage.510 Somit gibt es in der Tat einige Ziele und Grundsätze, die keine sinnvolle Grenze für das Handeln des Sicherheitsrats enthalten. Die Tatsache, dass die genannten Ziele und Grundsätze für den Sicherheitsrat nicht bindend sind, spricht aber nicht gegen eine Bindung an die übrigen Ziele und Grundsätze (Art. 1 Ziff. 2511 und 3, 2. Var. VNCharta, Art. 2 Ziff. 1 VN-Charta), die keine derartigen Beschränkungen enthalten. So ist auch der IGH der Ansicht, dass es sich bei den Zielen und Grundsätzen um justiziable Normen handelt.512 Zudem kann auch Art. 2 Ziff. 7, 2. Hs. VN-Charta als Argument angeführt werden, wonach der Sicherheitsrat vom Grundsatz der Souveränität im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta ausdrücklich entbunden wird. Dies impliziert aber, dass ansonsten auch der Sicherheitsrat an die Ziele und Grundsätze gebunden ist.513 Und auch der Sicherheitsrat selbst hat sich zu einer Bindung an die Ziele und Grundsätze der VN bekannt, als er betonte, dass er „geleitet von den Zielen und Grundsätzen der Charta
509
Allerdings ist Art. 1 Ziff. 1 VN-Charta auf Grund des erweiterten Friedensbegriffs im Rahmen der Bindung des SR an Menschenrechte relevant, dazu unten 6. Kapitel A.II.3. 510
Dazu näher Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 152 ff. 511
Das in Art. 1 Ziff. 2 niedergelegte Selbstbestimmungsrecht ist für die Belange dieser Untersuchung nicht relevant und wird daher nicht weiter behandelt. Vgl. aber ausführlich zum Selbstbestimmungsrecht Karl Doehring, SelfDetermination, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 47 ff. 512 So in Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, 16 (Rn. 131); United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, Judgment, I.C.J. Reports 1980, 3 (Rn. 91), wo der IGH mit Verletzungen der Ziele und Grundsätze argumentierte. 513
Jochen Herbst, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates, 1999, 294.
Bindungen des Sicherheitsrats
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der Vereinten Nationen“ ist514 und sich „verpflichtet […], die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen hochzuhalten.“515 Folglich stellen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen grundsätzlich eine Grenze des Handelns des Sicherheitsrats dar.516 Neben den in Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. angesprochenen und noch extra zu behandelnden Menschenrechten ist für die weitere Untersuchung insbesondere das in Art. 2 Ziff. 1 VN-Charta niedergelegte Prinzip der souveränen Gleichheit interessant. Dieses lässt sich aufspalten in die Grundsätze der staatlichen Souveränität sowie der rechtlichen Gleichheit der Staaten.517 Das Verhältnis des Sicherheitsrats zum Grundsatz der staatlichen Souveränität ist in Art. 2 Ziff. 7 2. Hs. VN-Charta abschließend geregelt. Danach ist der Sicherheitsrat ausdrücklich nicht daran gehindert, „Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII“ vorzunehmen, die innere Angelegenheiten eines Staates betreffen.518 Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass vom Begriff der Zwangsmaßnahmen nicht nur militärische Maßnahmen nach Art. 42 VN-Charta, sondern alle bindenden 514
2. Erwägungsgrund der Präambel von S/RES/1820 (2008) vom 19. Juni
2008. 515
Anlage I S/RES/1318 (2000) vom 7. September 2000. Weitere Nachweise bei Lutz Oette, Die Vereinbarkeit der vom Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN-Charta verhängten Wirtschaftssanktionen mit den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht, Peter Lang Frankfurt a.M. u.a. 2002, 226, 219. 516 Erika de Wet, The Security Council as a Law Maker: The Adoption of (Quasi)-Judicial Decisions, in: Rüdiger Wolfrum/Volker Röben (Hrsg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005, 183 (187); Georg Nolte, Lawmaking through the UN Security Council. A Comment on Erika de Wet’s Contribution, in: Rüdiger Wolfrum/Volker Röben (Hrsg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005, 237. 517
Entgegen Wang Tieya, International Law in China: Historical and Contemporary Perspectives, RdC 221 (1990), 195 (337) handelt es sich bei diesen nicht um ius cogens; so richtig Dahm/Delbrück/Wolfrum Bd I/3, 2002, 716, Anne Peters, Treaties, Unequal, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2007, Rn. 43. Zum möglichen zwingenden Charakter eines „irreduzible[n] Kern[s]“ dieser beiden Aspekte vgl. Stefan Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, 216 ff. (Souveränität) und 223 ff. (rechtliche Gleichheit). 518
Bernd Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle des Weltsicherheitsrats. Die Überprüfung nichtmilitärischer Zwangsmaßnahmen durch den Internationalen Gerichtshof, 1996, 210.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Entscheidungen des Sicherheitsrats umfasst sind.519 Zudem hat sich die Bedeutung der staatlichen Souveränität z.B. durch die Anerkennung von innerstaatlichen Menschenrechtsverletzungen als Bedrohung des Weltfriedens seit 1945 ohnehin stark zu Lasten der „inneren Angelegenheiten“ gewandelt.520 Folglich muss der Sicherheitsrat die staatliche Souveränität im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta nicht beachten. Hingegen ist der Sicherheitsrats an das Prinzip der Gleichheit der Staaten (Art. 2 Ziff. 1 VN-Charta) sowie der Völker (Art. 1 Ziff. 2 VNCharta) grundsätzlich gebunden.521 Allerdings folgt daraus keine Pflicht des Sicherheitsrats, jedes Mal dann einzuschreiten, wenn er in einer gleichgelagerten Situation bereits eingeschritten ist. Vielmehr bleibt der Sicherheitsrat frei zu entscheiden, wann er aktiv wird.522 Dies wird schon daraus klar, dass der Sicherheitsrat heute angesichts der Tatsache, dass er jahrzehntelang internationale Krisen und Kriege auch größten Ausmasses hat geschehen lassen, längst seine Kompetenzen verwirkt hätte, „wenn er wirklich zur Gleichbehandlung verpflichtet wäre.523 Entscheidet der Sicherheitsrat sich aber für eine Maßnahme, so muss diese sich grundsätzlich am Gleichheitsgrundsatz messen lassen.
519
Georg Nolte, Article 2(7), in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 148 (169 Rn. 69) m.w.N. 520
Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 194. Weitere Beispiele finden sich bei Georg Nolte, Article 2(7), in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 148 (156 Rn. 23 ff.). Vgl. auch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 1989, 217 f.; Patrick Daillier/Alain Pellet, Droit International Public, 2002, 443. 521
Pascal Arnold, Der UNO-Sicherheitsrat und die strafrechtliche Verfolgung von Individuen. Die ad hoc Tribunale zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda sowie das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, 1999, 257. 522
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (719 Rn. 3). 523
Bernd Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle des Weltsicherheitsrats. Die Überprüfung nichtmilitärischer Zwangsmaßnahmen durch den Internationalen Gerichtshof, 1996, 210.
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Dabei enthält der Gleichheitsgrundsatz neben einem Diskriminierungsverbot die Pflicht, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln.524 Der Gleichheitsgrundsatz unterscheidet dabei grundsätzlich zwei Aspekte: gleicher Schutz durch das Recht (Gleichheit vor dem Recht) und Gleichheit der Rechte und Pflichten (Gleichheit im Recht).525 Nach dem ersten haben alle Staaten den Anspruch auf unterschiedslose Anwendung des Völkerrechts, d.h. unter gleichen rechtlichen Voraussetzungen kommen allen Staaten gleiche Rechte und Pflichten zu.526 Der zweite Aspekt, ausgestattet mit dem Ziel der Herstellung einer faktischen Gleichheit der Staaten, hat sich in seiner generellen Form nicht durchgesetzt.527 Mithin kommt auch hier lediglich der erste Aspekt zum Tragen, also die unterschiedslose Anwendung des Völkerrechts. Allerdings kann das Gleichheitsprinzip, das sowohl in Art. 1 Ziff. 2 als auch Art. 2 Ziff. 1 VN-Charta niedergelegt ist, nicht absolut gelten.528 Dies ist schon daran zu sehen, dass die Gründer der Vereinten Nationen dafür gesorgt haben, dass manche VN-Mitglieder (insbesondere durch die Gewährung eines Vetorechts im Sicherheitsrat) bevorzugt behandelt werden.529 Darüber hinaus führt die Anwendbarkeit der Vertragsfrei-
524 Pascal Arnold, Der UNO-Sicherheitsrat und die strafrechtliche Verfolgung von Individuen. Die ad hoc Tribunale zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda sowie das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, 1999, 256. 525
Juliane Kokott, Souveräne Gleichheit und Demokratie im Völkerrecht, ZaöRV 64 (2004), 517 (520). 526
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd I/3, 2002, 786; Juliane Kokott, Souveräne Gleichheit und Demokratie im Völkerrecht, ZaöRV 64 (2004), 517 (520). 527
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd I/3, 2002, 788; Juliane Kokott, Souveräne Gleichheit und Demokratie im Völkerrecht, ZaöRV 64 (2004), 517 (520). 528
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 241; Pascal Arnold, Der UNO-Sicherheitsrat und die strafrechtliche Verfolgung von Individuen. Die ad hoc Tribunale zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda sowie das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, 1999, 201. 529 Bernd Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle des Weltsicherheitsrats. Die Überprüfung nichtmilitärischer Zwangsmaßnahmen durch den
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heit auch im völkerrechtlichen Bereich dazu, dass grundsätzlich durchaus ungleiche Verträge geschlossen werden können.530 Somit erlegen Art. 1 Ziff. 2 und 2 Ziff. 1 VN-Charta dem Sicherheitsrat keine strikte Gleichbehandlungspflicht auf. Dennoch ist auch der Sicherheitsrat insbesondere bei über Fragen des Vetorechts hinausgehenden Sachverhalten531 grundsätzlich an den Gleichheitssatz gebunden. Dies bedeutet, dass der Sicherheitsrat gleichgelagerte Sachverhalte weitgehend gleich behandeln muss. Tut er dies nicht, so bedarf er hierfür einer Rechtfertigung. Mithin stellt die Gleichheit der Staaten und der Völker in gewissen Umfang eine Grenze des Handelns des Sicherheitsrats dar.
II. Bindung des Sicherheitsrats an Menschenrechte Relevanter für die vorliegende Untersuchung ist aber eine mögliche Pflicht des Sicherheitsrats zur Beachtung der Menschenrechte. Denn diese spielen im Strafverfahren eine äußerst wichtige Rolle. Neben ausdifferenzierten Prinzipien des Rechts auf ein faires Verfahren wie z.B. der Unschuldsvermutung532 ist dabei insbesondere das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten von überragender Bedeutung. Wenn der Sicherheitsrat die Unabhängigkeit des IStGH nicht beachten muss, so ist es ihm – sofern keine anderen Grenzen entgegenstehen – z.B. möglich, dem IStGH aufzuerlegen, seine eigenen Entscheidungen (also die des IStGH) unmittelbar abzuändern. Doch muss der Sicherheitsrat auf Grund von Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VNCharta im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta auch Menschenrechte und Grundfreiheiten beachten? Art. 1 Ziff. 3 VN-Charta lautet:
Internationalen Gerichtshof, 1996, 210; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd I/3, 2002, 787 f. 530
Albert Bleckmann, Art. 2 Ziff. 1, Bruno Simma u.a. (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen. Kommentar, 1991, 37 (49 Rn. 45); Anne Peters, Treaties, Unequal, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, April 2007, Rn. 41. 531
Mark S. Stein, The Security Council, the International Criminal Court, and the Crime of Aggression: How Exclusive is the Security Council’s Power to Determine Aggression?, IndIntl&CompLRev 16 (2005), 1 (7). 532
Vgl. für weitere Fair-trial-Prinzipien Art. 67 RS.
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Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: […] 3. eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen“ (Hervorhebung hinzugefügt). Zu prüfen ist, ob diese Norm die Pflicht des Sicherheitsrats, die Menschenrechte zu beachten, enthält. Streng genommen enthält der Wortlaut lediglich das Ziel der Vereinten Nationen, die Achtung vor den Menschenrechten zu „fördern“, nicht aber die Pflicht, Menschenrechte selbst zu beachten. Doch es existieren noch weitere Bestimmungen der VN-Charta, die einen Bezug zu Menschenrechten aufweisen. Daher wird an dieser Stelle zunächst analysiert, um welche Bestimmungen es sich dabei handelt, und ob diese eine Pflicht der Vereinten Nationen zur Beachtung von Menschenrechten enthalten.
1. Bestimmungen der VN-Charta mit Bezug zu Menschenrechten Schon der 2. Erwägungsgrund der von den Gründern der VN ebenso wie die operativen Teile der VN-Charta als bindend angesehenen Präambel533 zählt den „Glauben an die Grundrechte des Menschen“ zu den wichtigsten Zielen der VN, indem die Grundrechte direkt nach dem Ziel der Friedenssicherung genannt werden.534 Gemäß Art. 55 lit c) VN-Charta fördern die VN die „allgemeine Achtung und Verwirkli-
533
Rüdiger Wolfrum, Preamble, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, 2002, 33 (35 Rn. 6) unter Verweis auf The United Nations Conference on International Organization, Report of Rapporteur of Committee 1 to Commission I, Doc. 944 I/1/34 (1), 6 UNCIO Docs 446 f. (13. Juni 1945). 534
Bardo Fassbender, Targeted Sanctions and Due Process. The Responsibility of the UN Security Council to Ensure that Fair and Clear Procedures Are Made Available to Individuals and Entities Targeted with Sanctions under Chapter VII of the UN Charter, Study Commission by the United Nations, 20. März 2006, 21 Rn. 6.1.
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chung der Menschenrechte“.535 Der Wirtschafts- und Sozialrat setzt gemäß Art. 68 VN-Charta Kommissionen „für die Förderung der Menschenrechte“ ein und gibt gemäß Art. 62 Abs. 2 VN-Charta Empfehlungen ab, „um die Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle zu fördern“, während die Generalversammlung gemäß Art. 13 Abs. 1 b) VN-Charta Empfehlungen abgibt, „um zur Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion beizutragen“.536 Folglich werden Menschenrechte zwar an vielen Stellen innerhalb der VN-Charta genannt – eine ausdrückliche Pflicht zu ihrer Beachtung durch die VN-Organe findet sich jedoch an keiner der genannten Stellen. Lediglich in Art. 55 lit. c) VN-Charta findet sich ein Hinweis darauf, dass auch die Organe der Vereinten Nationen an Menschenrechte gebunden sein sollen: So deutet die Verwendung des Wortes allgemeine auf universell und damit darauf hin, dass davon auch die VN-Organe mit umfasst sind.537 Dennoch: Die Menschenrechtssituation insgesamt kann nur dann wirksam von den VN-Organen gefördert werden, wenn die Förderorgane selbst die Menschenrechte achten und damit ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Nur dann können die VN-Organe überzeugend von Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten die Einhaltung der Menschenrechte verlangen.538 Damit in Einklang befinden sich auch Entscheidungen des IGH – in Bezug auf das Verhalten von Staaten –, in denen dieser bereits verschie535
Art. 55 lit c) i.V.m. Art. 1 Ziff. 3 VN-Charta werden ganz überwiegend als Grundlage für ein aktives Handeln der VN zum Auf- und Ausbau menschenrechtlicher Kodifikationen verstanden, vgl. statt vieler Eibe Riedel, Article 55 (c), in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. II, 2002, 917 (919 Rn. 4). 536
Vgl. auch Art. 76 VN-Charta, wonach „das Treuhandsystem hauptsächlich folgenden Zwecken [dient]: […]: c) die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle […] zu fördern”. 537
Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 241. 538
Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 242.
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dentlich bestätigte, dass die Verletzung von Menschenrechten offenkundig gegen die Ziele der Vereinten Nationen verstößt.539 Damit hat der IGH anerkannt, dass die Beachtung von Menschenrechten Inhalt der Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen ist. Grundlage hierfür kann nur Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta sein. Im Übrigen könnte sich das Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung zur Bindung der Vereinten Nationen an Menschenrechte in der VNCharta aus der Tatsache erklären, dass die VN-Gründerstaaten bewusst keine Menschenrechts-Charta in die VN-Charta aufgenommen hatten, sondern deren Ausarbeitung der Generalversammlung überließen.540 Denn eine Bindung an etwas, das noch gar nicht ausgearbeitet wurde, lässt sich nur schwer begründen.541 Die Zuständigkeit der Generalversammlung für die Ausarbeitung der Menschenrechtskataloge ergibt sich neben den historischen Unterlagen insbesondere aus Art. 60 VN-Charta. Dieser ordnet die „allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte“ nach Art. 55 lit. c) VN-Charta allein dem Verantwortungsbereich der Generalversammlung und dem ihr untergeordneten Wirtschafts- und Sozialrat zu. Somit 539
Siehe Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, 16 (Rn. 131): “To establish instead, and to enforce, distinctions, exclusions, restrictions and limitations exclusively based on grounds of race, colour, descent or national or ethnic origin which constitute a denial of fundamental human rights is a flagrant violation of the purposes and principles of the Charter.” (Hervorhebung hinzugefügt.) Siehe auch United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, Judgment, I.C.J. Reports 1980, 3 (Rn. 91): “Wrongfully to deprive human beings of their freedom and to subject them to physical constraint in conditions of hardship is in itself manifestly incompatible with the principles of the Charter of the United Nations” (Hervorhebung hinzugefügt). 540
Vgl. Rüdiger Wolfrum, Preamble, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, 2002, 33 (35 Rn. 6) unter Verweis auf The United Nations Conference on International Organization, Summary Report of Sixth Meeting of Committee I/1, Doc. 343 I/1/16, 6 UNCIO Docs 296 (16. Mai 1945). 541
Zuzugeben ist allerdings, dass Menschenrechte als solche zum Zeitpunkt der San Franciso-Konferenz bereits existierten und die GV somit lediglich dazu aufgerufen wurde, die existierenden Menschenrechte zu katalogisieren. Folglich hätten die Gründungsväter der VN durchaus eine Bindung der VN-Organe an Menschenrechte allgemein festschreiben können.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
steht der Generalversammlung die Befugnis zu, die zu fördernden Menschenrechte zu konkretisieren. Welche Folgen sich aus dieser Zuständigkeit ergeben, wird im folgenden Abschnitt untersucht.
2. Konkretisierung des Ziels der Förderung der Menschenrechte durch die Generalversammlung Die Generalversammlung nutzte die ihr aus Art. 60 VN-Charta zustehende Zuständigkeit in großem Umfang und spielte bei der Entwicklung der Menschenrechte eine weit größere Rolle, als dies 1945 vorausgesehen wurde.542 So führte das Engagement der Generalversammlung mittlerweile zu vielen menschenrechtlichen Vereinbarungen, darunter insbesondere die 1948 allein von der Generalversammlung verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte543 sowie die beiden von der Generalversammlung ausgearbeiteten544 und schließlich von den meisten VN-Mitgliedstaaten unterzeichneten Menschenrechtspakte von 1966, der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte (IPbpR)545 und der Internationale Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR)546. Diese Instrumente werden zusammen oft als international bill of rights bezeichnet.547 542 Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 259. 543
Universal Declaration of Human Rights vom 10. Dezember 1948, A/RES/217 A (III). 544
A/Res 2205 (XXI) vom 17. Dezember 1966.
545
International Covenant on Civil an Political Rights vom 19. Dezember 1966, 999 UNTS 171, amtliche deutschsprachige Übersetzung: BGBl. 1973 II, 1534. 546
International Covenant on Social, Economic and Cultural Rights vom 19. Dezember 1966, 993 UNTS 3, amtliche deutschsprachige Übersetzung: BGBl. 1973 II, 1553. 547
Dieser Begriff taucht zum ersten Mal in ECOSOC Res. 5 (I) vom 16. Februar 1946 auf, vgl. dazu Eibe Riedel, Article 55 (c), in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. II, 2002, 917 (925 Rn. 25 Fn. 55). Siehe ferner Karl Josef Partsch, Human Rights in General, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), United Nations, Bd. I, 1995, 603 (606 Rn. 18); Manfred Nowak, Introduction, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, XIX Rn. 1 f.
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Aus der exklusiven Kompetenz der Generalversammlung und des Wirtschafts- und Sozialrats zur Konkretisierung der Menschenrechte ergibt sich, dass die Vorgaben dieser beiden Organe autoritative Konkretisierungen des von Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta niedergelegten Zieles der Vereinten Nationen für alle VN-Organe darstellen.548 Für den Sicherheitsrat findet sich hingegen keine vergleichbare Kompetenz. Folglich ist er selbst nicht befugt, den Inhalt der Menschenrechte in irgendeiner Weise zu konkretisieren oder gar für seine Zwecke abzuändern. Da das Ziel des Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta wiederum für alle VNOrgane verbindlich ist, sind diese auch an die konkretisierten Menschenrechte gebunden.549 Aus all dem folgt, dass (zumindest)550 die der-
548
Jean-Bernard Marie/Nicole Questiaux, Article 55, alinéa c, in: Jean-Pierre Cot/Alain Pellet/Mathias Forteau (Hrsg.), La Charte des Nations Unies. Commentaire article par article, Bd. II, 2005, 1481 (1490); Eibe Riedel, Article 55 (c), in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. II, 2002, 917 (926 Rn. 30); Manfred Nowak, Introduction to the International Human Rights Regime, 2003, 76; Marc Bossuyt, The Adverse Consequences of Economic Sanctions on the Enjoyment of Human Rights, Working Paper for the UN Commission on Human Rights, Subcommission on the Promotion and Protection of Human Rights, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/2000/33 (21. Juni 2000), Rn. 29 ff.; Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 261. Noch weitergehend Samuel A. Bleicher, The Legal Significance of Re-Citation of General Assembly Resolutions, AJIL 63 (1969), 444 (464 f.); Louis B. Sohn, The Shaping of International Law, GaJIntl&CompL 8 (1978), 1 (19 ff.), die die AEMR als auch für die Mitgliedsstaaten verbindliche Konkretisierung der VN-Charta ansehen. Vgl. auch Myres S. McDougal/Harold D. Lasswell/Lung-Chu Chen, Human Rights and World Public Order, Lasswell/Lung-Chu Chen, Human Rights and World Public Order, 1980, 325, 327. 549
Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 261. 550
Eine Bindung an den gesamten gewohnheits- und vertragsrechtlichen Standard der Menschenrechte nehmen darüber hinaus z.B. Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 155 und Lutz Oette, Die Vereinbarkeit der vom Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN-Charta verhängten Wirtschaftssanktionen mit den
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
art von der Generalversammlung erarbeiteten Menschenrechte als konkretisierte Ziele im Sinne von Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta Bestandteil des Rechts der VN-Charta sind und somit internes Recht der Vereinten Nationen darstellen.551 Daran sind alle VN-Organe und damit auch der Sicherheitsrat gebunden.552 Dies rechtfertigt sich auch daraus, dass es widersprüchlich wäre, wenn gerade ein VN-Organ dazu befugt sein sollte, die unter VN-Ägide ausgearbeiteten menschenrechtlichen Vereinbarungen folgenlos zu ignorieren.553 Durch diese Vereinbarungen haben die Vereinten Nationen eine Erwartungshaltung geweckt, dass auch sie selbst sich an die so ausgearbeiteten Menschenrechte halten.554 Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht, Peter Lang Frankfurt a.M. u.a. 2002, 238 f. an. 551
Nach vorherrschender Ansicht stellt internes Recht internationaler Organisationen auch Völkerrecht dar, vgl. dazu Rudolf Bernhardt, International Organizations, Internal Law and Rules, in: ders. (Hrsg.), EPIL, Bd. II, 1995, 1314 (1316). 552
Matthias Pape, Humanitäre Intervention. Zur Bedeutung der Menschenrechte in den Vereinten Nationen, 1997, 140; August Reinisch, Developing Human Rights and Humanitarian Law Accountability of the Security Council for the Imposition of Economic Sanctions, AJIL 95 (2001), 851 (862 f.); ders., Das Jugoslawien-Tribunal der Vereinten Nationen und die Verfahrensgarantien des II. VN-Menschenrechtspaktes. Ein Beitrag zur Frage der Bindung der Vereinten Nationen an nicht-ratifiziertes Vertragsrecht, ÖZöRV 47 (1994), 173 (205 ff.); Lutz Oette, Die Vereinbarkeit der vom Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN-Charta verhängten Wirtschaftssanktionen mit den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht, Peter Lang Frankfurt a.M. u.a. 2002, 238 f.; Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 261 f.; Roger Normand, A Human Rights Assessment of Sanctions: the Case of Iraq, 1990-1997, in: Willem J.M. van Genugten/Gerard A. de Groot (Hrsg.), United Nations Sanctions: Effectiveness and Effects, Especially in the Field of Human Rights. A Multi-Disciplinary Approach, 1999, 19 (25). Vgl. auch Vera Gowlland-Debbas, Introduction: UN Sanctions and International Law: an Overview, in: dies. (Hrsg.), United Nations Sanctions and International Law, 2001, 1 (16). 553
Dapo Akande, The International Court of Justice and the Security Council: Is there Room for Judicial Control of Decisions of the Political Organs of the United Nations?, ICLQ 46 (1997), 309 (323). 554
Michael Fraas, Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Internationaler Gerichtshof, 1998, 83 f.; Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Ver-
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Für den Sicherheitsrat unterstreicht dies die der Resolution 1318 (2000) beigefügten Millennium Deklaration, in deren operativen § 1 der Sicherheitsrat für sich „die Notwendigkeit, die Menschenrechte und die Herrschaft des Rechts zu achten” betont.555 Dies lässt sich als deutliches Bekenntnis einer Selbstbindung des Sicherheitsrats an Menschenrechte verstehen.
3. Menschenrechtsverletzungen als Friedensbedrohung Zusätzlich unterstrichen wird das Ergebnis der Bindung des Sicherheitsrats an Menschenrechte, wenn man darüber hinaus die Zielvorschrift Art. 1 Ziff. 1 VN-Charta betrachtet. Danach gehört es zu den Zielen der Vereinten Nationen auch, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen“. Da in der Praxis des Sicherheitsrats mittlerweile ausdrücklich anerkannt ist, dass eine Verletzung von Menschenrechten eine mögliche Friedensbedrohung darstellt,556 ist die Achtung einten Nationen, 2008, 266. Weitergehend Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 199 f.; Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166, 173 f., die sich auf eine Bindung des SR auch an Art. 2 Ziff. 2 VN-Charta stützen (zur Begründung siehe oben 6. Kapitel A.I.). Somit sei der SR über das auch ihn bindende Prinzip von Treu und Glauben an Menschenrechte gebunden. Vgl. auch August Reinisch, Das Jugoslawien-Tribunal der Vereinten Nationen und die Verfahrensgarantien des II. VN-Menschenrechtspaktes. Ein Beitrag zur Frage der Bindung der Vereinten Nationen an nicht-ratifiziertes Vertragsrecht, ÖZöRV 47 (1994), 173 (202). 555
Der operative § 1 lautet im ganzen Wortlaut: „Der Sicherheitsrat […] verpflichtet sich, die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen hochzuhalten, bekräftigt sein Eintreten für die Grundsätze der souveränen Gleichheit, der nationalen Souveränität, der territorialen Unversehrtheit und der politischen Unabhängigkeit aller Staaten und unterstreicht die Notwendigkeit, die Menschenrechte und die Herrschaft des Rechts zu achten“ (Hervorhebung im Original). 556
Vgl. dazu insbesondere den operativen § 5 S/RES/1296 (2000) vom 19. April 2000 und die wortgleichen operativen § 9 S/RES/1738 (2006) vom 23. Dezember 2006 und § 26 S/RES/1674 (2006) vom 28. April 2006: „[stellt fest], dass […] die Begehung systematischer, flagranter und breit angelegter Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte in Situationen bewaffneten Konflikts eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellen können“; siehe auch schon den 6. Erwägungsgrund der
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
und Förderung der Menschenrechte zusätzlich Bestandteil von Art. 1 Ziff. 1 VN-Charta.557 Besonders eindrucksvoll hat der Sicherheitsrat selbst diesen Zusammenhang im 3. Erwägungsgrund der Präambel von SR-Resolution 1674 (2006) beschrieben: „[I]n der Erkenntnis, dass Frieden und Sicherheit, Entwicklung und die Menschenrechte die Säulen des Systems der Vereinten Nationen und die Grundlagen der kollektiven Sicherheit und des kollektiven Wohls sind, und in dieser Hinsicht anerkennend, dass Entwicklung, Frieden und Sicherheit und die Menschenrechte miteinander verflochten sind und sich gegenseitig verstärken […].“558 Wenn nun der Sicherheitsrat selbst zwischen der Einhaltung von Menschenrechten und der Erhaltung des Weltfriedens einen solchen Zusammenhang sieht, ist es nur schwer vorstellbar, dass die der Friedenssicherung dienende Einhaltung von Menschenrechten für den Sicherheitsrat nicht bindend ist. Was der Sicherung des Weltfriedens dient, muss dem Sicherheitsrat gleichzeitig eine Verpflichtung sein.
4. Wirkungen der Bindung des Sicherheitsrats an Menschenrechte Somit lässt sich festhalten, dass der Sicherheitsrat an die durch die Generalversammlung konkretisierten Menschenrechte gebunden ist. Für die Zwecke dieser Untersuchung kommt es dabei vor allem auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und den Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte an. Doch was bedeutet die Bindung der Vereinten Nationen an Menschenrechte konkret für den Sicherheitsrat? Im Grundsatz muss dieser sich genauso wie Staaten an die Menschenrechte halten, wie dies in der Allgemeinen Erklärung der Präambel von S/RES/994 (1995) vom 17. Mai 1995: „betont, daß die volle Einhaltung der Menschenrechte, einschließlich ihrer angemessenen internationalen Überwachung […] einen wesentlichen Schritt auf dem Wege zur Wiederherstellung des Vertrauens zwischen den Parteien und zur Schaffung eines dauerhaften Friedens darstellt“. Vgl. auch Prosecutor v. Joseph Kanyabashi, Decision on the Defence Motion on Jurisdiction, Trial Chamber (18. Juni 1997), abrufbar unter http://69.94.11.53/default.htm (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 29. 557
Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen im Umfeld bewaffneter Konflikte – Zur Bindung des Sicherheitsrates an individualschützende Normen, 2007, 269. 558
3. Erwägungsgrund der Präambel von S/RES/1674 (2006) vom 28. April 2006 (Hervorhebungen im Original).
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Menschenrechte und im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte vorgesehen ist. Dabei unterscheidet der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte zwischen solchen Menschenrechten, von denen unter bestimmten Umständen abgewichen werden darf, und solchen, die selbst in Notstandszeiten nicht eingeschränkt werden dürfen. Art. 4 IPbpR lautet: (1) Im Falle eines öffentlichen Notstandes, der das Leben der Nation bedroht und der amtlich verkündet ist, können die Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen, die ihre Verpflichtungen aus diesem Pakt in dem Umfang, den die Lage unbedingt erfordert, außer Kraft setzen, vorausgesetzt, dass diese Maßnahmen ihren sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht zuwiderlaufen und keine Diskriminierung allein wegen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion oder der sozialen Herkunft enthalten. (2) Auf Grund der vorstehenden Bestimmung dürfen die Artikel 6, 7, 8 (Absätze 1 und 2), 11, 15, 16 und 18 nicht außer Kraft gesetzt werden.559
a. Abdingbare Menschenrechte Der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte gibt Staaten – und damit nach dem soeben Gesagten auch dem Sicherheitsrat unter verschiedenen Umständen die Befugnis, von den meisten Menschenrechten abzuweichen. Dazu zählt das Recht, in Notstandssituationen Menschenrechte einzuschränken. Erforderlich hierfür ist gemäß Art. 4 Abs. 1 IPbpR zunächst ein öffentlicher Notstand, der das Leben der Nation bedroht.560 Diese Voraussetzung wird bei Situationen, die der 559
Zu beachten ist, dass Art. 14 Abs. 3 IPbpR zwar weitere Pflichten im Rahmen der Außerkraftsetzung von Menschenrechten beinhaltet, diese aber keine Bedingung für die Erklärung des Notstands darstellen und daher hier außen vor bleiben. Art. 14 Abs. 3 IPbpR lautet: „Jeder Vertragsstaat, der das Recht, Verpflichtungen außer Kraft zu setzen, ausübt, hat den übrigen Vertragsstaaten durch Vermittlung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen unverzüglich mitzuteilen, welche Bestimmungen er außer Kraft gesetzt hat und welche Gründe ihn dazu veranlasst haben. Auf demselben Wege ist durch eine weitere Mitteilung der Zeitpunkt anzugeben, in dem eine solche Maßnahme endet.“ 560
Ausführlich zu diesem Kriterium Manfred Nowak, Article 4: Permissible Derogations in Time of Public Emergency, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, 83 (89 ff. Rn. 12 ff.). Vgl.
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Sicherheitsrat als Friedensbedrohung ansieht, regelmäßig gegeben sein, da eine Friedensbedrohung den Notstand eines oder mehrerer betroffener Staaten in aller Regel umfasst.561 Zwar ist dieser Notstand streng genommen nicht amtlich verkündet.562 Allerdings muss man sich vergegenwärtigen, dass dieses Erfordernis “[is] essential for the maintenance of the principles of legality and rule of law at times when they are most needed”;563 es geht also darum, dass die Einschränkungen den Adressaten bekannt gemacht werden. Da Maßnahmen des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VN-Charta aber immer sofort nach Annahme öffentlich gemacht und weltweit zirkuliert werden,564 ist dem Erfordernis der amtlichen Verkündung ausreichend genüge getan. Daraus folgt, dass der Sicherheitsrat mit der Erklärung einer Friedensbedrohung gemäß Art. 39 VN-Charta gleichzeitig auch die Erklärung eines Notstands i.S.v. Art. 4 Abs. 1 IPbpR abgibt.565
auch Pierre Lambert, La Protection des droits intangibles dans des situations de conflit armé, RTDH 11 (2000), 241 (243). 561
Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 202; Gerhard Thallinger, Sense and Sensibility of the Human Rights Obligations of the United Nations Security Council, ZaöRV 67 (2007), 1015 (1029); Ian Cameron, The European Convention on Human Rights, Due Process and United Nations Security Council Counter-Terrorism Sanctions, Report Prepared by Ian Cameron, 6. Februar 2006, 20. Vgl. auch Manfred Nowak, Article 4: Permissible Derogations in Time of Public Emergency, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, 83 (89 Rn. 12): “ [A]n armed, international conflict usually represents the prototype of a public emergency that threatens the life of the nation.” 562
Ausführlich zu diesem Kriterium Manfred Nowak, Article 4: Permissible Derogations in Time of Public Emergency, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, 83 (92 ff. Rn. 17 ff.). 563
Human Rights Committee General Comment No. 29, States of Emergency (Art. 4) (24 Juli 2001), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.11, Rn. 2. 564
Gerhard Thallinger, Sense and Sensibility of the Human Rights Obligations of the United Nations Security Council, ZaöRV 67 (2007), 1015 (1030). 565
Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 202; Gerhard Thallinger, Sense and Sensibility of the Human Rights Obligations of the United Nations Security Council, ZaöRV 67 (2007), 1015 (1029); Ian Cameron, The European Convention on Human Rights, Due Process and United Nations Security Council Counter-Terrorism Sanctions, Report Prepared by Ian Cameron, 6. Februar 2006, 20. Dies gilt allerdings nur für eine Einschränkung der Menschenrechte durch den SR, nicht aber durch die
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Neben Notstandssituationen gibt es noch weitere Möglichkeiten, Menschenrechte einzuschränken. So sehen einzelne Menschenrechte selbst Abweichungsmöglichkeiten vor.566 Darüber hinaus gilt es, im Fall von Konflikten zwischen verschiedenen Menschenrechten567 eine Abwägungsentscheidung zu treffen, die dazu führt, dass in eines oder mehrere der betroffenen Menschenrechte eingegriffen wird. Dabei darf nicht „willkürlich“ in Menschenrechte eingegriffen werden.568 Dieses Gebot weist – wie auch die Formulierungen, dass Einschränkungen zum Schutz der nationalen Sicherheit etc. „notwendig“ sein müssen – auf das bei der Einschränkung von Menschenrechten zu beachtende Verhältnismäßigkeitsprinzip inklusive die Pflicht einer Abwägung der widerstreitenden Interessen hin. Auch Art. 4 IPbpR weist ausdrücklich auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip hin, wenn er Einschränkungen von Menschenrechten auf Maßnahmen beschränkt, welche „die Lage unbedingt erfordert“.569 Wenn Staaten Menschenrechte einschränken, geht es dabei um vielfältige Ziele wie die nationale Sicherheit, öffentliche Ordnung oder Volksgesundheit, bei denen in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob deren Bedeutung den Schutz des beeinträchtigten Menschenrechts überwiegt. Beim Sicherheitsrat hingegen geht es im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta immer um die Friedenssicherung und VN-Mitgliedstaaten, so richtig Thomas Meerpohl, Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das Sanktionsregime gegen die Taliban und Al-Qaida vor dem Hintergrund des Rechts der VN und der Menschenrechte, 2008, 239 ff. 566
Vgl. z.B. Art. 9 Abs. 1 S. 3: „Niemand darf seine Freiheit entzogen werden, es sei denn aus gesetzlich bestimmten Gründen und unter Beachtung des im Gesetz vorgeschriebenen Verfahrens.“ Siehe auch die weiteren Beispiele bei Ian D. Seiderman, Hierarchy in International Law: The Human Rights Dimension, 2001, 70 f. 567
Vgl. dazu auch Art. 12 Abs. 3 IPbpR, wonach das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen, seinen Wohnsitz frei zu wählen und den Staat auch zu verlassen u.a. dann eingeschränkt werden darf, „wenn dies gesetzlich vorgesehen und zum Schutz […] der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist“. 568
Vgl. dazu z.B. Art. 6 Abs. 1 S. 3: „Niemand darf willkürlich seines Lebens beraubt werden“ und Art. 9 Abs. 1 S. 2: „Niemand darf willkürlich festgenommen oder in Haft gehalten werden.“ 569
Manfred Nowak, Article 4: Permissible Derogations in Time of Public Emergency, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, 83 (97 Rn. 25).
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damit ein der gesamten Weltordnung zugrundeliegendes Konzept. Lässt sich die Friedenssicherung als allen anderen Zielen der VN-Charta (und damit auch der Achtung der Menschenrechte) vorrangig einstufen? Dies würde dazu führen, dass der Friedenssicherung bereits abstrakt gesehen – also losgelöst vom Einzelfall – ein höheres Gewicht zukäme als den betroffenen Menschenrechten und es somit eines geringeren Rechtfertigungsaufwandes bedürfte, um die Einschränkung der Menschenrechte im konkreten Fall zu begründen. Im Folgenden ist also zu prüfen, ob die Friedenssicherung als vorrangiges Ziel der VN-Charta anerkannt ist.
aa. Friedenssicherung als vorrangiges Ziel der VN-Charta Für einen Vorrang der Friedenssicherung gegenüber den übrigen Zielen der Vereinten Nationen spricht zunächst der Wortlaut des Art. 1 Ziff. 1 VN-Charta. So enthält Art. 1 Ziff. 1 eine Verpflichtung, konkrete und effektive Maßnahmen zur Friedenssicherung zu treffen – während der Wortlaut in Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta im Hinblick auf die Menschenrechte weitaus schwächer erscheint, indem nur von Förderung (der internationalen Zusammenarbeit, nicht einmal der Menschenrechte) die Rede ist.570 Darüber hinaus lässt sich die Reihenfolge der Ziele in Art. 1 VN-Charta für einen Vorrang der Friedenssicherung anführen, da diese an erster Stelle genannt wird.571 Zudem entspricht dieser Vorrang auch dem Willen der Gründerstaaten der Vereinten Nationen,572 570
Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 247. Dass die Auslegung von Art. 1 Ziff. 3 VN-Charta nicht am Wortlaut stehen bleibt, sondern darüber hinaus geht, wurde bereits oben 6. Kapitel A.II.1, 2 geklärt. 571
Albrecht Randelzhofer, Purposes and Principles of the United Nations, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), United Nations, Bd. I, 1995, 994 (996 Rn. 8); Vera Gowlland-Debbas, The Relationship between the International Court of Justice and the Security Council in the Light of the Lockerbie Case, AJIL 88 (1994), 643 (677); Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 245. 572
Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 169; Hans Fabian Kiderlen, Von
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die der Friedenswahrung den höchsten Stellenwert einräumten, erkennbar u.a. am Wortlaut der Präambel.573 Außerdem hat die VN-Charta allein für das Ziel der Friedenswahrung einen eigenen, zentralen Durchsetzungsmechanismus geschaffen.574 Damit lässt sich festhalten, dass die Friedenssicherung als vorrangiges Ziel der VN-Charta anzusehen ist.575
bb. Einschränkung des Vorrangs der Friedenssicherung durch Bedeutungszuwachs der Menschenrechte Diesem grundsätzlichen Vorrang könnte man allerdings den erheblichen Bedeutungszuwachs der Menschenrechte während der letzten 60
Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 245 f.; vgl. auch Martti Koskenniemi, The Police in the Temple. Order, Justice and the UN: a Dialectical View, EJIL 6 (1995), 325 (334 f.). 573 Hans Kelsen, The Law of the United Nations. A Critical Analysis of Its Fundamental Problems, 1950, 13 f. Der erste Erwägungsgrund der Präambel lautet: „Wir, die Völker der Vereinten Nationen – festentschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat“. 574
Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 246. 575
Rüdiger Wolfrum, Article 2, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 39 (40 Rn. 5); René DegniSegui, Article 24 Paragraphes 1 et 2, in: Jean-Pierre Cot/Alain Pellet/Mathias Forteau (Hrsg.), La Charte des Nations Unies. Commentaire article par article, Bd. I, 2005, 879 (898 f.); Goodrich/Hambro/Simons, Charter of the United Nations. Commentary and Documents, 1969, 25 f.; Albrecht Randelzhofer, Der normative Gehalt des Friedensbegriffs im Völkerrecht der Gegenwart – Möglichkeiten und Grenzen seiner Operationalisierung, in: Jost Delbrück (Hrsg.), Völkerrecht und Kriegsverhütung. Zur Entwicklung des Völkerrechts als Recht friedenssichernden Wandels, Duncker & Humblot Berlin 1979, 13 (33); Wolfgang Weiß, Security Council Powers and the Exigencies of Justice after War, MPYUNL 12 (2008), 45 (79); Certain Expenses of the United Nations (Article 17, paragraph 2, of the Charter), Advisory Opinion of 20 July 1962, I.C.J. Reports 1962, 151 (168): “The primary place ascribed to international peace and security is natural, since the fulfilment of the other purposes will be dependent upon the attainment of that basic condition.”
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Jahre entgegenhalten576 und daraus eventuell inzwischen die Gleichrangigkeit der Friedenssicherung und der Menschenrechte ableiten.577 Doch wenn auch die Bedeutung der Menschenrechte (nicht nur) durch die Praxis der VN-Organe selbst gegenüber 1945 in der Tat erheblich gestiegen ist, kann dies nicht zu einer völligen Gleichrangigkeit der Ziele in Art. 1 VN-Charta führen. Denn ansonsten würde die unterschiedliche zeitliche Dimension der Ziele nicht ausreichend berücksichtigt. Während Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta ein langfristiges Ziel darstellt – die dauerhafte Verankerung der Menschenrechte in der Staatengemeinschaft –578, zielt Art. 1 Ziff. 1 VN-Charta auf die Bekämpfung konkreter, kurzfristiger Gefahren ab.579 Zwar hat auch die Friedenswahrung eine langfristige Komponente. Diese wird aber weitgehend von Art. 1 Ziff. 2 VN-Charta (Entwicklung guter zwischenstaatlicher Beziehungen zur langfristigen Stärkung des Weltfriedens) umfasst.580 Dieser Unterschied impliziert, dass kurzfristige Aktionen des Sicherheitsrats zur Wahrung des Weltfriedens jedenfalls nicht dem langfristigen Ziel der Verankerung der Menschenrechte in die internationale Gemeinschaft im Wege stehen dürfen. Im Gegenschluss folgt daraus, dass letzteres Ziel kurzfristig durchaus gestört werden kann, wenn es der kurzfristigen Friedenswahrung dient.581
576
Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 171. 577
Vera Gowlland-Debbas, Security Council Enforcement Action and Issues of State Responsibility, ICLQ 43 (1994), 55 (91 ff.). 578
Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 248 f. 579
Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 249. 580
Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 249. 581
Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 249 f.
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173
Dennoch muss auch dieses Ergebnis der gestiegenen Bedeutung der Menschenrechte Rechnung tragen, dies umso mehr, wenn man sich an dieser Stelle erneut in Erinnerung ruft, dass der Sicherheitsrat schwere Menschenrechtsverletzungen als Friedensbedrohungen anerkannt hat.582 Zwar folgt auch aus letzterem keine Gleichrangigkeit dieser beiden Ziele. Denn nicht jede Menschenrechtsverletzung stellt sich auch als Friedensbedrohung dar. Es muss sich stattdessen um weitreichende und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen handeln – woraus lediglich folgt, dass der Sicherheitsrat derartige Menschenrechtsverletzungen auch selbst nicht verursachen darf. Einem weniger gravierenden Eingriff in Menschenrechte steht die Tatsache, dass der Sicherheitsrat Menschenrechtsverletzungen als Friedensbedrohung anerkannt hat, jedoch nicht entgegen. Doch wird aus der gestiegenen Bedeutung der Menschenrechte jedenfalls klar, dass die Abwägung der Friedenssicherung gegen Menschenrechte zwar zu einem Eingriff in eben diese,583 nicht aber zu einer völligen Negierung ihres Kerninhalts führen kann.584
b. Notstandsfeste Rechte In ihrem vollen Umfang geschützt sind hingegen die notstandsfesten Rechte, also diejenigen Rechte, von denen nicht einmal in Notstandszeiten abgewichen werden darf. Dieses Abweichungsverbot gilt auch für den Sicherheitsrat.585 Als notstandsfest werden im IPbpR folgende Rechte aufgeführt: Art. 6 (Verbot von willkürlichen Tötungen), Art. 7 (Folterverbot), Art. 8 Abs. 1, 2 (Verbot von Sklaverei und Leibeigenschaft), Art. 11 (Haftverbot bei unterbliebener Vertragserfüllung), Art. 15 (nullum crimen, nulla poena sine lege), Art. 16 (Recht auf Rechtsfä582
Siehe dazu schon oben 6. Kapitel A.II.3.
583
So auch Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 174 f. 584
Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 193. 585 T. D. Gill, Legal and Some Political Limitations on the Power of the UN Security Council to Exercise its Enforcement Powers Under Chapter VII of the Charter, NYIL XXVI (1995), 33 (79); Gerhard Thallinger, Sense and Sensibility of the Human Rights Obligations of the United Nations Security Council, ZaöRV 67 (2007), 1015 (1030).
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higkeit) und Art. 18 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit).586 Damit ist der Sicherheitsrat an diese Rechte absolut gebunden.587
5. Ergebnis Der Sicherheitsrat ist an den Gehalt der Menschenrechte gebunden, wie er in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte und im für die vorliegende Untersuchung nicht relevanten Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zum Ausdruck kommt. Im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte als notstandsfest anerkannte Menschenrechte binden auch den Sicherheitsrat absolut. Ein Eingriff in abdingbare Menschenrechte ist dem Sicherheitsrat hingegen im Rahmen von Kapitel VII mit dem Ziel der Friedenswahrung grundsätzlich möglich. Allerdings ist auch der Sicherheitsrat bei Eingriffen in Menschenrechte einer Abwägungspflicht unterworfen, wobei er mit der Friedenssicherung jedoch ein Ziel verfolgt, für dessen Verfolgung die Einschränkung von Menschenrechten einer geringeren Rechtfertigung bedarf, als sie Staaten zur Verfolgung anderer Ziele vorbringen müssen.
586
Art. 4 Abs. 2 IPbpR. Näher zu diesen Rechten Manfred Nowak, Article 4: Permissible Derogations in Time of Public Emergency, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, 83 (93 ff. Rn. 20 ff.). 587
Allerdings wird die Frage, welche Rechte notstandsfest sind, in den verschiedenen regionalen Menschenrechtspakten unterschiedlich beantwortet. So werden lediglich das Verbot von willkürlichen Tötungen, das Verbot der Folter, das Verbot der Sklaverei/Leibeigenschaft und der Grundsatz nullum crimen, nulla poena sine lege in allen Menschenrechtspakten übereinstimmend als notstandsfest angesehen. Diese vier Rechte werden häufig auch als ius cogens angesehen, Rosalyn Higgins, Derogations under Human Rights Treaties, BYIL XLVIII (1976-77), 281 (282); Ian D. Seiderman, Hierarchy in International Law: The Human Rights Dimension, 2001, 88; Erika de Wet, Human Rights Limitations to Economic Enforcement Measures Under Article 41 of the United Nations Charter and the Iraqi Sanctions Regime, LJIL 14 (2001), 277 (286).
Bindungen des Sicherheitsrats
175
III. Zusammenfassung Auf Grundlage der VN-Charta ist der Sicherheitsrat folglich an die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen, darunter insbesondere die Menschenrechte in ihrer durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erfahrenen Ausgestaltung, gebunden.
B. Völkerrechtliche Bindungen des Sicherheitsrats jenseits der VN-Charta und des Römischen Statuts Wurde im letzten Abschnitt analysiert, welche Grenzen und Befugnisse die VN-Charta für den Sicherheitsrat bereithält, wird nun untersucht, welche Bindungen sich aus anderen völkerrechtlichen Instrumenten – jenseits von VN-Charta und Römischen Statut – ergeben.
I. Bindung an ius cogens Es wurde bereits angedeutet, dass der Sicherheitsrat neben den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen auch an ius cogens gebunden ist. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die Existenz von ius cogens mit der ganz herrschenden Meinung hier nicht angezweifelt wird.588 So haben inzwischen der größte Teil der Stimmen in der Literatur,589 aber auch Gerichte590 und richterliche Sondervoten591 das Konzept des ius 588
Anders aber Peter Malanczuk, Akehurst’s Modern Introduction to International Law, 1997, 57 f.; Gabriël H. Oosthuizen, Playing the Devil’s Advocate: the United Nations Security Council is Unbound by Law, LJIL 12 (1999), 549. 589
Siehe nur die ausführliche Untersuchung von Stefan Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992 und Jochen Abr. Frowein, Ius cogens, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Januar 2009, Rn. 3 ff. mit vielen weiteren Nachweisen. 590
Case concerning Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002) (Democratic Republic of the Congo v. Rwanda), Jurisdiction of the Court and Admissibility of the Application, 3. Februar 2006, Rn. 64, abrufbar unter http://www.icj-cij.org/docket/files/126/10435.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010); EGMR, Al-Adsani v. United Kingdom, Appl. No. 35763/97
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
cogens mittelbar und unmittelbar akzeptiert. So sind z.B. das Aggressionsverbot, das Verbot des Sklavenhandels und die Verbote der Verletzung des Kernbereichs des humanitären Völkerrechts mittlerweile als Normen des zwingenden Völkerrechts anerkannt.592 Doch ist der Sicherheitsrat an ius cogens gebunden? Der Sicherheitsrat leitet seine Befugnisse aus der VN-Charta ab, welche als völkerrechtlicher Vertrag auf der Grundlage des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens, namentlich der Art. 53, 64 WVRÜ, auszulegen ist.593 Nach Art. 53 WVRÜ ist ein Vertrag nichtig, „wenn er im Zeitpunkt seines Abschlusses im Widerspruch zu einer zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts steht.“ Dass unter Art. 53 WVRÜ auch (21. November 2001), Reports 2001-XI, Rn. 57 ff.; Prosecutor v. Anto Furundzija, Judgment, Trial Chamber, (10. Dezember 1998), abrufbar unter http://www.icty.org/x/cases/furundzija/tjug/en/fur-tj981210e.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 153 ff; Schweizerisches Bundesgericht, Youssef Nada gegen Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement, 1A.45/2007 (14. November 2007), in: EuGRZ 35 (2008), 66 (Rn. 7); BVerfG, Völkermord in Bosnien-Herzegowina, Az 2 BvR 1290/99, NJW 2001, 1848 (1849). 591
Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Provisional Measures, Order of 13 September 1993, Separate Opinion of Judge Lauterpacht, I.C.J. Reports 1993, 407 (Rn. 100 ff.); North Sea Continental Shelf, Judgment, Separate Opinion of Judge Padilla Nervo, I.C.J. Reports 1969, 86 (97); EGMR, Al-Adsani v. United Kingdom, Joint Dissenting Opinion of Judges Rozakis and Caflisch, Joined by Judges Wildhaber, Costa, Cabral Barreto and Vajić, Appl. No. 35763/97 (21. November 2001), Reports 2001-XI, Rn 1. 592
Wolff Heintschel von Heinegg, Die völkerrechtlichen Verträge als Hauptrechtsquelle des Völkerrechts, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, 112 (193 Rn. 59). 593
Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (274); Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 188. Art. 64 WVRÜ lautet: „Artikel 64 Entstehung einer neuen zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts (ius cogens) Entsteht eine neue zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts, so wird jeder zu dieser Norm im Widerspruch stehende Vertrag nichtig und erlischt.“
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die VN-Charta fällt, wird zwar gelegentlich bestritten. So gibt es immer mehr Bestrebungen, die VN-Charta – insbesondere unter Rückgriff auf Art. 2 Ziff. 6 und 103 VN-Charta –594 als eine Art Verfassung der Weltgemeinschaft anzusehen,595 was dazu führen könnte, dass die VNCharta nicht mehr unter Art. 53 WVRÜ subsumiert werden kann.596 Dieser Ansicht ist allerdings nicht zuzustimmen. Hierfür mangelt es der VN-Charta an demokratischer Basis, an rechtsstaatlichen Maßstäben, an Möglichkeiten zur Rechtskontrolle der Entscheidungen auf VNEbene597 und an Gewaltenteilung. Darüber hinaus sind die auf VNEbene gewährleisteten Individualrechte im Verhältnis zu staatlichen Verfassungen immer noch vergleichsweise schwach ausgebildet.598 Aus diesen Gründen kann die VN-Charta nicht als Weltverfassung angesehen werden.599 594
Bardo Fassbender, UN Security Council Reform and the Right of Veto – a Constitutional Perspective, 1998, 98, 104, 120; siehe auch schon Hans Kelsen, The Law of the United Nations. A Critical Analysis of Its Fundamental Problems, 1950, 85 f. 595
Siehe zur ausführlichen Diskussion gerade in der deutschen Völkerrechtslehre nur Bardo Fassbender, The United Nations Charter As Constitution of the International Community, ColumJTransnatlL 36 (1998), 529 (538 ff. m.w.N.). 596
So Bryan MacPherson, Authority of the Security Council to Exempt Peacekeepers from International Criminal Court Proceedings, in: American Society of International Law (Hrsg.), ASIL Insights 89, Washington D.C. 2002. 597
Eckart Klein, Menschenrechte und Ius cogens, in: Jürgen Bröhmer u.a. (Hrsg.), Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte. Festschrift für Georg Ress zum 70. Geburtstag am 21. Januar 2005, 2005, 151 (160). 598 James Crawford, The Charter of the United Nations as a Constitution, in: Hazel Fox (Hrsg.), The Changing Constitution of the United Nations, 1997, 11 f. 599
So auch Eckart Klein, Menschenrechte und Ius cogens, in: Jürgen Bröhmer u.a. (Hrsg.), Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte. Festschrift für Georg Ress zum 70. Geburtstag am 21. Januar 2005, 2005, 151 (160); ausführlich Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 272 ff. m.w.N. Siehe auch Nele Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge. Völkervertragsrechtliche und institutionelle Ansätze, 2005, 249 ff., die insbesondere auf das „Fehlen einer eindeutigen rechtlichen Folge für satzungswidrige Verträge“ abstellt und der VN-Charta daher eine Höherrangigkeit abspricht. Zum dem Vorrang der VN-Charta übergeordneten Begriff
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Folglich fällt auch die VN-Charta unter Art. 53, 64 WVRÜ. An dieser Schlussfolgerung ändert auch die Tatsache nichts, dass es sich bei der VN-Charta um das Gründungsdokument einer internationalen Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt. Dies zeigt schon ein Blick auf Art. 5 WVRÜ, wonach das Wiener Vertragsrechtsübereinkommen ausdrücklich auch auf Gründungsverträge internationaler Organisationen Anwendung findet.600 Zwar gilt Art. 5 WVRÜ lediglich „unbeschadet aller einschlägigen Vorschriften der Organisation“. Doch existiert auch keine Vorschrift in der VN-Charta, die dem Sicherheitsrat ein Handeln gegen ius cogens erlauben würde. Eine solche Vorschrift würde dem Konzept des zwingenden Völkerrechts diametral entgegenstehen.601 Auch wenn die internationale Organisation selbst unabhängig von ihren Mitgliedstaaten handeln kann, resultieren die durch die internationale Organisation auferlegten Verpflichtungen aus einem völkerrechtlichen Vertrag und dürfen daher nicht mit ius cogens kollidieren. Da also auch die VN-Charta unter Art. 53, 64 WVRÜ subsumiert werden kann, sind ihre Organe an ius cogens gebunden. Denn es kann nicht sein, dass die VN-Charta selbst zwingendem Völkerrecht unterworfen ist, ihre Organe aber zum Bruch von ius cogens ermächtigt werden können.602
der Konstitutionalisierung siehe Armin von Bogdandy, Constitutionalism in International Law, HarvILJ 47 (2006), 223 ff.; Stefan Kadelbach/Thomas Kleinlein, Überstaatliches Verfassungsrecht. Zur Konstitutionalisierung im Völkerrecht, AVR 44 (2006), 235 ff. Vgl. auch Rüdiger Wolfrum, Entwicklung des Völkerrechts von einem Koordinations- zu einem Kooperationsrecht, in: PeterChristian Müller-Graff/Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft. Signaturen und Herausforderungen zum Jahrtausendbeginn, 2000, 421 (432): „Von daher ist es zutreffend, von einer zunehmenden Konstitutionalisierung des Völkerrechts zu sprechen.“ 600
Alexandre Vandepoorter, L’application communautaire des décisions du conseil de sécurité, AFDI LII (2006), 102 (133); EuG, Rs. T 306/01, Yusuf und Al Barakaat Foundation/Rat und Kommission (21. September 2005), Slg. 2005, II-3533, Rn. 278. 601
Vgl. Irène Couzigou, La lutte du conseil de sécurité contre le terrorisme international et les droits de l’homme, RGDIP 112 (2008), 49 (69). 602
Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (274); ähnlich in der Argumentation
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Aus diesen Gründen wird eine Bindung des Sicherheitsrats an ius cogens mittlerweile zu Recht kaum mehr bestritten.603
II. Bindung an Völkergewohnheitsrecht Im Rahmen dieser Untersuchung wurde bereits herausgearbeitet, dass der Sicherheitsrat unter Kapitel VII VN-Charta nicht an allgemeines Völkerrecht gebunden ist.604 Da auch Völkergewohnheitsrecht dem allgemeinen Völkerrecht zuzuordnen ist, gelten diese Ausführungen auch hier. Zusätzlich zu den oben für allgemeines Völkerrecht angestellten Erwägungen ist bezogen auf Völkergewohnheitsrecht zu erwähnen, dass es selbst Staaten unbenommen bleibt, in Verträgen vom disponiblen Völkergewohnheitsrecht abzuweichen.605 Indem der Sicherheitsrat
auch Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 188. 603
Jochen Abr. Frowein, Ius cogens, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Januar 2009, Rn. 9; August Reinisch, Developing Human Rights and Humanitarian Law Accountability of the Security Council for the Imposition of Economic Sanctions, AJIL 95 (2001), 851 (859); Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (46 Fn. 28); Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (274); vgl. ausführlich dazu Alexander Orakhelashvili, The Impact of Peremptory Norms on the Interpretation and Application of United Nations Security Council Resolutions, EJIL 16 (2005), 59-88; Neha Jain, A Separate Law for Peacekeepers: The Clash between the Security Council and the International Criminal Court, EJIL 2005, 239 (243); Susan Lamb, Legal Limits to United Nations Security Council Powers, in: Guy S. Goodwin-Gill/Stefan Talmon (Hrsg.), The Reality of International Law. Essays in Honour of Ian Brownlie, Oxford u.a. 1999, 361 (372); Kathrin Osteneck, Die Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen durch die Europäische Gemeinschaft, 2004, 334 m.w.N.; Prosecutor v. Dusko Tadic, Judgment, Appeals Chamber (15. Juli 1999), abrufbar unter http://www.icty. org/x/cases/tadic/acjug/en/tad-aj990715e.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 296. 604 605
Siehe dazu oben 4. Kapitel Einleitung.
Wolfgang Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Quellen des Völkerrechts, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 2007, 1 (68 Rn. 132); Karl Doehring,
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mit Hilfe bindender Entscheidungen für die Gemeinschaft der Staaten handelt, die selber von Völkergewohnheitsrecht abweichen können, muss er also selbst auch von Völkergewohnheitsrecht abweichen können.606 Ein entsprechendes Einverständnis der Staatengemeinschaft lässt sich der Annahme der Verpflichtungen der VN-Charta entnehmen.607 Dies wird zusätzlich durch das Argument gestützt, dass es nicht einzusehen wäre, warum (oft nicht mit hundertprozentiger Sicherheit feststellbare) völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtungen vor Handlungen des Sicherheitsrats geschützt sind, vertragliche (und damit niedergeschriebene und in der Regel für alle leicht zugängliche) Positionen aber nicht.608 Zudem würde es den Sicherheitsrat in seiner Aufgabe der Friedenssicherung erheblich einschränken, müsste er in Zukunft seine Resolutionen auch noch am (oft nicht sicher feststellbaren) Völkergewohnheitsrecht ausrichten.609 Geht der Sicherheitsrat also der Friedenssicherung nach, können Staaten völkergewohnheitsrechtliche Rechte, die der Friedenssicherung widersprechen, gegenüber dem Sicherheitsrat nicht anführen.610 Folglich ist der Sicherheitsrat auch an Völkergewohnheitsrecht nicht gebunden, wenn er Maßnahmen im Rahmen von Kapitel VII VNCharta ergreift.611 Unlawful Resolutions of the Security Council and their Legal Consequences, MPYUNL 1 (1997), 91 (104). 606
Karl Doehring, Unlawful Resolutions of the Security Council and their Legal Consequences, MPYUNL 1 (1997), 91 (104). 607
Karl Doehring, Unlawful Resolutions of the Security Council and their Legal Consequences, MPYUNL 1 (1997), 91 (104). 608 Geoffrey R. Watson, Constitutionalism, Judicial Review, and the World Court, HarvILJ 34 (1993), 1 (38). 609
Vgl. Geoffrey R. Watson, Constitutionalism, Judicial Review, and the World Court, HarvILJ 34 (1993), 1 (38 f.), der mit einer ähnlichen Argumentation gegen eine Überprüfbarkeit von SR Resolutionen am Maßstab des Völkergewohnheitsrecht eintritt. Vgl. zu dieser Überprüfbarkeit ausführlich unten 9. Kapitel. 610 Neha Jain, A Separate Law for Peacekeepers: The Clash between the Security Council and the International Criminal Court, EJIL 2005, 239 (250); W. Michael Reisman, The Constitutional Crisis in the United Nations, AJIL 87 (1993), 83 (88). 611 Vgl. Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 187; Scott S. Evans, The Lockerbie Incident Cases: Libyan-
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III. Bindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip Das Verhältnismäßigkeitsprinzip beinhaltet, dass Maßnahmen zur Erreichung eines bestimmten Ziels geeignet, notwendig und angemessen im Verhältnis zum Ziel sein müssen.612 Insbesondere dürfen keine weniger gravierenden, aber ebenfalls effektiven Einwirkungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.613 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip hat seine völkerrechtlichen Ursprünge vor allem im Recht der Selbstverteidigung und der Repressalien, wird heute aber aufgrund seiner Verankerung in verschiedenen Bereichen des Völkerrechts als allgemeiner Rechtsgrundsatz i.S.d. Art. 38 lit. c) IGH-Statut angesehen.614 Wie oben erarbeitet, ist der Sicherheitsrat an Menschenrechte gebunden und in diesem Rahmen auch den Bindungen des im menschenrechtlichen Bereich unverzichtbaren615 Verhältnismäßigkeitsprinzips unterworfen. Darüber hinSponsored Terrorism, Judicial Review and the Political Question Doctrine, MdJIntlL&Trade 18 (1994), 21 (73). 612
Nicolas Angelet, International Law Limits to the Security Council, in: Vera Gowlland-Debbas (Hrsg.), United Nations Sanctions and International Law, 2001, 71 (72); Michael Bothe, Les limites des pouvoirs du conseil de sécurité, in: René-Jean Dupuy (Hrsg.), Le développement du rôle du conseil de sécurité, 1993, 67 (76); Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNOWirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 177. 613
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 812.
614
Jost Delbrück, Proportionality, in: Rudolf Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. III, 1997, 1140 (1144); Michael Bothe, Les limites des pouvoirs du conseil de sécurité, in: René-Jean Dupuy (Hrsg.), Le développement du rôle du conseil de sécurité, 1993, 67 (78); Heike Gading, Der Schutz grundlegender Menschenrechte durch militärische Maßnahmen des Sicherheitsrates – das Ende staatlicher Souveränität, 1996, 223; Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNOWirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 177; Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 107; Andreas F. Bauer, Effektivität und Legitimität. Die Entwicklung der Friedenssicherung durch Zwang nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen unter besonderer Berücksichtigung der neueren Praxis des Sicherheitsrats, 1996, 230. 615 Jost Delbrück, Proportionality, in: Rudolf Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Bd. III, 1997, 1140 (1143); Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der
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aus muss der Sicherheitsrat aber auch außerhalb des Bereichs der Menschenrechte das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten. Denn auch den Bestimmungen des Kapitel VII VN-Charta liegt das Verhältnismäßigkeitsprinzip zugrunde, so insbesondere in der Stufung von nichtmilitärischen und militärischen Maßnahmen nach Art. 41 und 42 VN-Charta. Auch das Erfordernis, dass sich vor der Ergreifung von Maßnahmen gemäß Art. 42 VN-Charta Maßnahmen gemäß Art. 41 VN-Charta als unzulänglich erwiesen haben müssen, sowie die Pflicht zur Ergreifung erforderlicher Maßnahmen in Art. 42 VN-Charta lassen sich hier einreihen.616 Allerdings ist auch hinsichtlich der soeben erwähnten Stufung umstritten, ob diese für den Sicherheitsrat überhaupt verbindlich ist. Man könnte dies mit Hinweis auf den weiten Ermessensspielraum des Sicherheitsrats bei der Wahl seiner Mittel617 und auf die Tatsache, dass es die VN-Charta in erster Linie dem Sicherheitsrat selbst überlässt, die Verhältnismäßigkeit seiner Maßnahmen einzuschätzen,618 verneinen. Doch ein weiter Ermessenspielraum allein hat nichts zu tun mit Unverbindlichkeit.619 Aus dem Ermessensspielraum lässt sich lediglich ableiten, dass dem Sicherheitsrat nur völlig unverhältnismäßige Mittel vervölkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 325; Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNOWirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 179 f. 616
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (711 Rn. 30); Georg Dahm, Völkerrecht Bd. II, 1961, 394; Andreas F. Bauer, Effektivität und Legitimität. Die Entwicklung der Friedenssicherung durch Zwang nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen unter besonderer Berücksichtigung der neueren Praxis des Sicherheitsrats, 1996, 230. 617
Vera Gowlland-Debbas, Security Council Enforcement Action and Issues of State Responsibility, ICLQ 43 (1994), 55 (62). 618
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (712 Rn. 30); Nicolas Angelet, International Law Limits to the Security Council, in: Vera Gowlland-Debbas (Hrsg.), United Nations Sanctions and International Law, 2001, 71 (73). Vgl. auch Ursula Heinz/Christiane Philipp/Rüdiger Wolfrum, Zweiter Golfkrieg: Anwendungsfall von Kapitel VII der UN-Charta, VN 39 (1991), 121 (125). 619
Vgl. Michael Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2007, 637 (673 f. Rn. 45).
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boten sind.620 Letztere stellen durchaus eine Verletzung der VN-Charta dar. Mithin ist der Sicherheitsrat an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden,621 wenngleich in einem nur schwach ausgeprägten Maße.622 In diesem Rahmen muss der Sicherheitsrat folglich mildere Mittel vorrangig vor den stärker wirkenden Maßnahmen einsetzen, mithin auf diejenigen Mittel zurückgreifen, die von ihrer Intensität her ausreichend sind, das verfolgte Ziel zu erreichen.623
C. Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH Im Zusammenhang mit dem Verhältnis zum IStGH wird als mögliche Bindung des Sicherheitsrats oft die Unabhängigkeit des IStGH als internationales Gericht ins Feld geführt.624 Doch ein bloßer Verweis auf 620
Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Introduction to Chapter VII, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 701 (712 Rn. 30); Matthias Herdegen, The Constitutionalization of the UN Security System, VandJTransnatlL 27 (1994), 135 (157); Andreas F. Bauer, Effektivität und Legitimität. Die Entwicklung der Friedenssicherung durch Zwang nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen unter besonderer Berücksichtigung der neueren Praxis des Sicherheitsrats, 1996, 230. 621
Joachim Arntz, Der Begriff der Friedensbedrohung in Satzung und Praxis der Vereinten Nationen, 1975, 53; Bernd Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle des Weltsicherheitsrates – Die Überprüfung nichtmilitärischer Zwangsmaßnahmen durch den Internationalen Gerichtshof, 275 ff.; Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 328. 622
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 107; Thomas Meerpohl, Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das Sanktionsregime gegen die Taliban und Al-Qaida vor dem Hintergrund des Rechts der VN und der Menschenrechte, 2008, 118. 623
Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 177 f. 624
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 229, 120 f.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten allein reicht zwar aus, um eine Einmischung von Staaten in die Arbeit des IStGH zu verhindern. Unklar ist jedoch, welche Rolle dieses Prinzip gegenüber dem Sicherheitsrat spielt. Ist die Unabhängigkeit von Gerichten ein Prinzip, an dem der Sicherheitsrat sein Handeln ausrichten muss? Oder vielmehr ein Ideal, das zu erreichen wünschenswert, aber nicht völkerrechtlich zwingend ist? Sollte letzteres der Fall sein, so wäre es z.B. vorstellbar, dass der Sicherheitsrat dem IStGH auferlegt, eine Entscheidung abzuwandeln oder aufzuheben.
I. Vorfragen zum Prinzip der Unabhängigkeit des IStGH 1. Unabhängigkeit von Gerichten: Subjektives Menschenrecht und institutionelle Garantie Im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit von Richtern und Gerichten muss man zunächst zwei Perspektiven unterscheiden: erstens diejenige des betroffenen Beschuldigten, der ein Recht darauf hat, dass sein Verfahren von einem unabhängigen Gericht durchgeführt wird (die Unabhängigkeit aus Sicht des Beschuldigten als Individuum). Dieser Aspekt stellt ein subjektives Menschenrecht dar. Mit diesem Aspekt ist, zweitens, die Perspektive des betroffenen Gerichts, das seine Tätigkeit unabhängig ausüben will und muss, untrennbar verbunden (die Unabhängigkeit aus Sicht des Gerichts). Ohne die Gewährleistung dieser Institutsgarantie kann das subjektive Menschenrecht des Individuums nicht realisiert werden. Mithin stellt sich dieses Institut, das im nationalen Kontext die Staaten adressiert, als notwendige Bedingung für das subjektive Menschenrecht auf die Unabhängigkeit von Richtern und Gerichten dar. Ist somit in Menschenrechtsinstrumenten das Recht auf die Unabhängigkeit von Gerichten gewährleistet, ist davon immer auch das institutionelle Gegenstück erfasst.625 625
Als einziges völkerrechtliches Menschenrechtsinstrument stellt die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker (Banjul Charta) diesen Zusammenhang ausdrücklich dar. So beinhaltet Art. 7 Abs. 1 Banjul Charta (“1. Every individual shall have the right to have his cause heard. This comprises: […] (d) the right to be tried within a reasonable time by an impartial court or tribunal.”) das subjektive Menschenrecht auf die Unabhängigkeit von Gerichten, während Art. 26 Banjul Charta (“States parties to the present Charter shall have the duty to guarantee the independence of the Courts and shall al-
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Im Verhältnis des Sicherheitsrats zum IStGH kommt es auf beide Aspekte der Unabhängigkeit an. Vom IStGH verfolgte Individuen haben ein Interesse daran, sich gegen Entscheidungen des Sicherheitsrats zu wehren, welche die Unabhängigkeit des IStGH zu ihren Ungunsten und damit ihr subjektives Menschenrecht missachten. Der IStGH wiederum braucht eine wirksame Handhabe, mit der er sich gegen eine Einmischung des IStGH in seine Arbeit – und damit gegen eine Missachtung des Instituts der Unabhängigkeit – wehren kann.
2. Verhältnis der Unabhängigkeit von Gerichten zur Unparteilichkeit In aller Regel wird die Unabhängigkeit von Gerichten in einem Atemzug mit der Unparteilichkeit von Gerichten genannt. Diese beiden Begriffe, die sich als wesentliche Bestandteile des Rechts auf ein faires Verfahren626 darstellen,627 sind eng miteinander verzahnt, jedoch keineslow the establishment and improvement of appropriate national institutions entrusted with the promotion and protection of the rights and freedoms guaranteed by the present Charter.”) die entsprechende institutionelle Garantie umfasst. 626
Anders als bei SR-Sanktionen gegen Individuen, bei denen unklar ist, ob sie überhaupt von den Begriffen der „strafrechtlichen Anklage“ bzw. der „zivilrechtlichen Ansprüche“ (vgl. Art. 14 Abs. 1 IPbpR; Art. 6 EMRK) umfasst werden (vgl. dazu z.B. Thomas J. Biersteker/Sue E. Eckert, Strengthening Targeted Sanctions through Fair and Clear Procedures. White Paper Prepared by the Watson Institute Targeted Sanction Project Brown University, 30. März 2006, 11 f.; 13), sind die Verfahren vor dem IStGH klar strafrechtlicher Natur und werden somit vom Recht auf ein faires Verfahren unumstritten erfasst. 627 Bardo Fassbender, Targeted Sanctions and Due Process. The Responsibility of the UN Security Council to Ensure that Fair and Clear Procedures Are Made Available to Individuals and Entities Targeted with Sanctions under Chapter VII of the UN Charter, Study Commission by the United Nations, 20. März 2006, 15, Rn. 1.7.; Dinah Shelton, The Independence of International Tribunals, in: Antoñio A. Cançado Trindade (Hrsg.), The Modern World of Human Rights. Essays in Honour of Thomas Buergenthal, 1996, 299 (300); Ana D. Boston, The Right to a Fair Trial: Balancing Safety and Civil Liberties, Cardozo Journal of International and Comparative Law 12 (2004) 1 (4); Sara Stapleton, Ensuring a Fair Trial in the International Criminal Court: Statutory Interpretation and the Impermissibility of Derogation, NYUJIntlLaw&Pol 31 (1999), 535 (552). Vgl. dazu auch den Report of the Working Group on Arbitrary Detention, Question of the Human Rights of all Persons Subjected to any Form of Detention or Imprisonment (12. Januar 1993), UN Doc. E/CN.4/1993/24: “The
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wegs deckungsgleich. Während die Unparteilichkeit ein Verbot der Befangenheit aufstellt und damit an die inneren Maßstäbe des Richters appelliert,628 statuiert die Unabhängigkeit im Wesentlichen ein Einmischungsverbot von außerhalb der Parteien vor Gericht.629 Damit stellt die Unabhängigkeit eine wesentliche Grundvoraussetzung der Unparteilichkeit dar:630 Ihre Bedeutung liegt in erster Linie darin, ein Umfeld zu schaffen, in dem unparteiische Entscheidungen möglich sind.631 Auf den Punkt bringt es Loewenstein: „Die Ratio der richterlichen Unabhängigkeit bedarf keiner Erklärung: wenn der Richter nicht vor jedwedem Einfluß und Druck von außen geschützt wird, kann er nicht unparteiisch nach den Gesetzen Recht sprechen.“632 Die Garantie der UnWorking Group […] considers that the human right to be heard by an independent and impartial tribunal is the very essence of the human right to justice.” 628
Diane Marie Amann, Impartiality Deficit and International Criminal Judging, in: Edel Hughes/William A. Schabas/Ramesh Thakur (Hrsg.), Atrocities and International Accountability: beyond Transitional Justice, 2007, 208 (213). 629
Vgl. dazu z.B. die Überschrift des ersten Grundsatzes (Rn. 1) der Burgh House Principles on the Independence of the International Judiciary: Independence and freedom from interference, abrufbar unter http://www.pictpcti.org/Burgh%20House%20English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010). 630
Dazu Peter Rädler, Independence and Impartiality of Judges, in: David Weissbrodt/Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Right to a Fair Trial, 1998, 727 (729). 631
William A. Schabas, Independence and Impartiality of the International Judiciary: Some Lessons Learned, and Some Ignored, in: Edel Hughes/William A. Schabas/Ramesh Thakur (Hrsg.), Atrocities and International Accountability: beyond Transitional Justice, 2007, 182 (186): “While independence is desirable in and of itself, its importance really lies in the fact that it creates the conditions for impartiality.” Siehe auch Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel, Kapitel 14: Der Grundsatz des fairen Verfahrens, in: Rainer Grote/Thilo Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG: Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2006, 642 (667Rn. 52). 632
Karl Loewenstein, Verfassungslehre, 2000, 232. Siehe auch Francesco Contini/Richard Mohr, Reconciling Independence and Accountability in Judicial Systems, Utrecht Law Review 3 (2007), 26 (28): “As to the question of whether independence constitutes an end in itself, it suffices to recall the words of Cappelletti, for whom ‘the independence of the judiciary from the executive, far from being an end in itself, is nothing but another instrumental value [which is] intended as a means of safeguarding another value, that is, the impartiality of
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parteilichkeit wiederum sorgt dafür, dass ein Richter im konkreten Fall unbefangen und unbeeinflusst von außen zu seinen Ergebnissen kommt.633 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kommt es in erster Linie auf Regeln hinsichtlich des Einflusses des Sicherheitsrats in Angelegenheiten des IStGH und folglich auf den Begriff der Unabhängigkeit an.
3. Inhalt der Unabhängigkeit des IStGH Die Unabhängigkeit des IStGH ist in Art. 40 Abs. 1 RS niedergelegt: „Die Richter sind bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unabhängig.“ Im Beziehungsabkommen (Art. 2) wird der IStGH zudem durch die Vereinten Nationen ausdrücklich als „independent permanent judicial institution“ anerkannt. Im Folgenden soll nun geklärt werden, welchen genauen Inhalt die Unabhängigkeit des IStGH überhaupt hat.
a. Ausgangspunkt des Prinzips der Unabhängigkeit Das Black’s Law Dictionary beschreibt den Begriff „unabhängig“ als „[n]ot subject to the control or influence of another“.634 Auf die Unabhängigkeit von Gerichten bezogen bestätigt dies die ausdrücklich für den internationalen Kontext verfasste wissenschaftliche Initiative Burgh House Principles on the Independence of the International Judiciary, wo es in Rn. 1.1. heißt: “The court and the judges shall exercise their functions free from direct or indirect interference or influence by any person or entity.”635 Auch dem Begriff der Unabhängigkeit im (universathe judge’. In other words, just as will be seen in the case of accountability, neither the independence of the judiciary nor that of the individual judge is an end in itself. It is, rather, a necessary means to the end of the adjudication of cases by an impartial and neutral third party.“ 633 Manfred Nowak, Article 14: Procedural Guarantees in Civil and Criminal Trials, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, 302 (321 Rn. 27). 634
Bryan A. Garner (Hrsg.), Black’s Law Dictionary, Thomson West St. Paul, 8. Aufl. 2004, 785. 635
Burgh House Principles on the Independence of the International Judiciary, abrufbar unter http://www.pict-pcti.org/Burgh%20House%20English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010).
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len) Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte liegt dieses Verständnis zugrunde.636 Nach dieser Definition in Reinform ist es damit grundsätzlich verboten, von außen auf einen Gerichtshof Einfluss zu nehmen. Eine solche Einflussnahme ist dabei auf viele Weisen möglich. So ist vorstellbar, dass eine am Verfahren unbeteiligte Person direkt in die Geschicke des Gerichts eingreift, also mit Zwang auf das Gericht einwirkt.637 Daneben sind aber auch „subtilere“ Einflussformen möglich. So kann die dritte Person auch über die Ausübung von politischem oder anderem Druck versuchen, ihr Ziel zu erreichen.638 In eine ähnliche Richtung zielt auch die Möglichkeit, das Gericht über Drohung639 zu beeinflussen.
b. Einschränkungen des Prinzips der Unabhängigkeit aa. Erfordernis eines konkreten Verfahrens Allerdings wird durch einen Blick in praktische Gepflogenheiten schnell klar, dass diese allgemeine Definition in Reinform in dieser Weite nicht ohne Einschränkungen angewendet wird. So wird z.B. die Zuweisung eines Richters in einen anderen Aufgabenbereich innerhalb der rechtsprechenden Gewalt aus dem Blickwinkel der Unabhängigkeit als
636
Manfred Nowak, Article 14: Procedural Guarantees in Civil and Criminal Trials, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, 302 (320 Rn. 25): “Judges […] may not be subject to directives or in some other manner dependent on other State organs in the exercise of their office.” Vgl. auch Prosecutor v. Joseph Kanyabashi, Decision on the Defence Motion for the Interlocutory Appeal on the Jurisdiction of Trial Chamber I, Trial Chamber, Joint and Separate Opinions by Judge MacDonald and Judge Vohrah (3. Juni 1999), abrufbar unter http://69.94.11.53/default.htm (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 35: “Judicial independence connotes freedom from external pressures and interference.” 637 Jacob Katz Cogan, Competition and Control in International Adjudication, VaJIntlL 48 (2008), 411 (426). 638
Theodor Meron, Judicial Independence and Impartiality in International Criminal Tribunals, AJIL 99 (2005), 359; Dinah Shelton, Legal Norms to Promote the Independence and Accountability of International Tribunals, LPICT 2 (2003), 27. 639
Dinah Shelton, Legal Norms to Promote the Independence and Accountability of International Tribunals, LPICT 2 (2003), 27.
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zulässig angesehen.640 Auch die Ernennung von Richtern durch ein Exekutiv- oder Legislativorgan gilt als vereinbar mit der Unabhängigkeit von Gerichten, sofern sichergestellt ist, dass die Richter keinen Weisungen unterliegen.641 Im Zusammenhang mit internationalen Gerichten ist zudem insbesondere die Budgethoheit der Staatengremien (so beim IStGH die Vertragsstaatenkonferenz) zu nennen. Allein die Befugnis dieser Gremien, über die finanzielle Ausstattung „ihrer“ Gerichte zu entscheiden, zeugt von erheblicher Einflussnahme und widerspricht somit der Definition der Unabhängigkeit in ihrer Reinform. Diese Beispiele haben gemeinsam, dass sie sich außerhalb konkreter Fälle vor Gericht abspielen. Dies lässt bereits vermuten, dass die allgemeine Definition der Unabhängigkeit insoweit eingeschränkt werden muss, dass eine Einflussnahme auf ein Gericht außerhalb konkreter Fälle nicht mit der Unabhängigkeit dieses Gerichts kollidiert. Bestätigt wird diese Vermutung durch die Rechtsprechung des IGH. So erklärte der IGH im Nottebohm case den Zeitablauf einer staatlichen Unterwerfungserklärung gemäß Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut für unbeachtlich, da dieser erst erfolgt sei, nachdem der IGH auf Basis der Unterwerfungserklärung in einem konkreten Streit angerufen worden war. Der IGH führt dazu aus: [T]he seising of the Court is one thing, the administration of justice is another. The latter is governed by the Statute, and by the Rules which the Court has drawn up by virtue of the powers conferred upon it by Article 30 of the Statute. Once the Court has been regu640
Vgl. für die EMRK Wolfgang Peukert, Artikel 6 (Verfahrensgarantien), in: Jochen Abr. Frowein/Wolfgang Peukert (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention. EMRK-Kommentar, 1996, 150 (252 Rn. 126); vgl. für GG und EMRK Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel, Kapitel 14: Der Grundsatz des fairen Verfahrens, in: Rainer Grote/Thilo Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG: Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2006, 642 (665 Rn. 48). 641 Für die EMRK siehe z.B. EGMR, Campbell and Fell v. United Kingdom, Appl. No. 7819/77; 7878/77 (28. Juni 1984), Ser. A 80, Rn. 79; EGMR Sramek v. Austria, Appl. No. 8790/79 (22. Oktober 1984), Ser. A 84, Rn. 38; Wolfgang Peukert, Artikel 6 (Verfahrensgarantien), in: Jochen Abr. Frowein/Wolfgang Peukert (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention. EMRK-Kommentar, 1996, 150 (251 Rn. 125); für EMRK und GG vgl. Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel, Kapitel 14: Der Grundsatz des fairen Verfahrens, in: Rainer Grote/Thilo Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG: Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2006, 642 (664 f. Rn. 46).
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larly seised, the Court must exercise its powers, as these are defined in the Statute. After that, the expiry of the period fixed for one of the Declarations on which the Application was founded is an event which is unrelated to the exercise of the powers conferred on the Court by the Statute, which the Court must exercise whenever it has been regularly seised and whenever it has not been shown, on some other ground, that it lacks jurisdiction or that the claim is inadmissible. […]An extrinsic fact such as the subsequent lapse of the Declaration, by reason of the expiry of the period or by denunciation, cannot deprive the Court of the jurisdiction already established.642 Im Case concerning Right of Passage over Indian Territory ergänzt der IGH: The words “with effect from the moment of such notification” cannot be construed as meaning that such a notification would have retroactive effect so as to cover cases already pending before the Court. Construed in their ordinary sense, these words mean simply that [such] a notification […] applies only to disputes brought before the Court after the date of the notification. Such an interpretation leads to the conclusion that no retroactive effect can properly be imputed to [such] notifications […]. It is a rule of law generally accepted, as well as one acted upon in the past by the Court that once the Court has been validly seised of a dispute, unilateral action by the respondent State in terminating its Declaration in whole or in part cannot divest the Court of jurisdiction.643 In beiden Entscheidungen macht der IGH unmissverständlich klar, dass Erklärungen, die seine Gerichtsbarkeit begründen, durch die Parteien nicht mehr zurückgenommen werden können, sobald der IGH in einem konkreten Fall angerufen wurde. Nicht einmal eine von vornherein befristete Unterwerfungserklärung nimmt dem IGH seine Gerichtsbarkeit, wenn diese vor Ablauf der Frist begründet worden war. Im Umkehrschluss wird daraus aber auch deutlich, dass eine solche Rücknah-
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Nottebohm case (Preliminary Objections) Judgment of November 18th, 1953, I.C.J. Reports 1953, 111 (122 f.). 643
Case concerning Right of Passage over Indian Territory (Preliminary Objections), Judgment of November 26th, 1957, I.C.J. Reports 1957, 125 (142).
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me solange möglich ist, als der IGH noch nicht in einem konkreten Verfahren angerufen wurde.644 Auch der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) kann insoweit als unterstützendes Beispiel herangezogen werden. Dieser stellte im Constitutional Court Case ausdrücklich fest, dass 645 [t]he jurisdiction of the Court cannot be contingent upon events extraneous to its own actions. The instruments consenting to the optional clause concerning recognition of the Court’s binding jurisdiction (Article 62(1) of the Convention) presuppose that the States submitting them accept the Court’s right to settle any controversy relative to its jurisdiction. An objection or any other action taken by the State for the purpose of somehow affecting the Court’s jurisdiction has no consequence whatever, as the Court retains the compétence de la compétence, as it is master of its own jurisdiction.646 Unter Verweis auf seine Kompetenz-Kompetenz hält der IAGMR eine Einschränkung seiner Gerichtsbarkeit durch die Parteien also für unzulässig. Indem der IAGMR im Folgenden den Staaten aber die Möglichkeit lässt, ihre Unterwerfungserklärungen jedenfalls durch den vollständigen Austritt aus dem interamerikanischen Menschenrechtssystem zurückzunehmen,647 wird deutlich, dass auch der IAGMR die Rücknahme der Unterwerfung eines Staates unter die Gerichtsbarkeit des IAGMR außerhalb konkreter Fälle für möglich hält. Besonders klar ist die wesentliche inhaltliche Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des IGH bei der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IAKMR) herauszulesen, die den zugrunde liegenden Fall zunächst bearbeitet und dann an den IAGMR verwiesen hatte. Diese führte in ihrem Schriftsatz an den IAGMR aus: “A unilateral action by a State cannot divest an international court of jurisdiction it has already asser644
Auch in Military and Paramilitary Activities in und against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, Judgment. I.C.J. Reports 1986, 14 (28 f. Rn. 36) verweist der IGH erneut auf die Nottebohm-Rechtsprechung. 645
IAGMR, Constitutional Court Case, Competence, Judgment (24 September 1999), Ser. C 55, Rn. 24. 646
IAGMR, Constitutional Court Case, Competence, Judgment (24 September 1999), Ser. C 55, Rn. 33. 647
IAGMR, Constitutional Court Case, Competence, Judgment (24 September 1999), Ser. C 55, Rn. 39.
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ted.”648 Noch deutlicher als der IAGMR stellt also die IAKMR darauf ab, ob ein Gerichtshof schon die Gerichtsbarkeit über einen konkreten Fall erlangt hat oder nicht. Wenn auch weder der IGH, noch der IAGMR oder die IAKMR in ihren Stellungnahmen ausdrücklich auf die Unabhängigkeit von Gerichten eingehen, zeigen diese Beispiele doch, dass diese gerichtlichen Organe bei solchen Rücknahmen in noch nicht anhängigen (also nicht konkreten) Fällen keine Kollision mit der Unabhängigkeit eines Gerichts sehen. Unterstützung findet die Annahme, dass die Definition der Unabhängigkeit auf konkrete Fälle beschränkt ist, auch in der oben herausgearbeiteten Hypothese, dass die Unabhängigkeit eines Gerichts in erster Linie ein Umfeld für unparteiische Entscheidungen schaffen soll.649 Denn ein Umfeld für unparteiische Entscheidungen ist letztlich nur dort erforderlich, wo Parteien von gerichtlichen Entscheidungen konkret betroffen sein können. Dies ist nur im Rahmen eines konkreten Verfahrens der Fall. Bis zum Beginn eines konkreten Verfahrens ist die Gewährleistung der Unparteilichkeit hingegen letztlich irrelevant. Denn ohne ein konkretes Verfahren wirkt sich die Unparteilichkeit eines Richters ohnehin nicht aus. Wenn es aber vor dem Eintritt in ein konkretes Verfahren auf die Unparteilichkeit eines Richters noch nicht ankommt, so kommt es in diesem Stadium ebenso wenig auf die die Unparteilichkeit absichernde Unabhängigkeit an. Wird also außerhalb eines konkreten Verfahrens in die Unabhängigkeit eines Gerichts eingegriffen, so mag dies Auswirkungen auf die Unparteilichkeit der Richter dieses Gerichts haben; Auswirkungen auf Parteien bleiben aber aus. Somit lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die Unabhängigkeit von Gerichten lediglich konkrete Fälle umfasst. Eine Einflussnahme auf ein Gericht außerhalb konkreter Fälle stellt hingegen keine Verletzung der Unabhängigkeit dieses Gerichts dar.
bb. Verknüpfung der Unabhängigkeit mit der Unparteilichkeit Die enge Verknüpfung der Unabhängigkeit von Gerichten mit der Unparteilichkeit von Richtern führt darüber hinaus zu einer weiteren Ein648
IAGMR, Constitutional Court Case, Competence, Judgment (24 September 1999), Ser. C 55, Rn. 24. 649
Siehe dazu oben 6. Kapitel C.I.2.
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schränkung des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten: So kann von außen auch in konkrete Verfahren eingegriffen werden, soweit und solange dies keine Auswirkung auf die Unparteilichkeit des Gerichts hat.650 Denn solange in ein konkretes Verfahrens eines Gerichts eingegriffen wird, dies aber ohne Auswirkungen auf die Unparteilichkeit eines Richters im konkreten Fall bleibt, ist der Schutzzweck der Unabhängigkeit (nämlich die Sicherstellung der Unparteilichkeit der Richter) nicht berührt. Keine negative Folge für die Unparteilichkeit hat z.B. ein Eingriff in ein konkretes Verfahren, der ohne Auswirkung auf das endgültige Verfahrensergebnis bleibt. Denn wenn es Störungen im Ablauf eines Verfahrens gibt, die aber letztlich am Ausgang des Verfahrens nichts ändern, so bleibt den Richtern weiterhin die volle und freie Entscheidungsgewalt; sie bleiben also unparteiisch. Somit ist in einem solchen Fall auch die Unabhängigkeit nicht tangiert. Beispiel für einen solchen Fall wäre z.B. der vorübergehende Aufschub eines Verfahrens durch Druck oder Eingriff von außen. Dieser sorgt lediglich für eine Prozessunterbrechung, hat aber im Regelfall keine unmittelbare Auswirkung auf das endgültige Prozessergebnis. Solange dadurch das Verfahren nicht in eine andere Richtung gelenkt oder gar unmöglich gemacht wird, kann das Gericht nach der Aufhebung des Aufschubs dort ansetzen, wo es vor dem Aufschub aufgehört hatte. Die Unparteilichkeit des Gerichts bliebe in einem solchen Fall gewahrt.
cc. Anwendbarkeit des Prinzips der Unabhängigkeit auf internationale Gerichte Man könnte in Frage stellen, ob diese Grundsätze auf internationale Gerichte wie den IStGH überhaupt anwendbar sind. Denn unstreitig entspringt der Grundsatz der Unabhängigkeit von Richtern und Gerichten den jahrhundertelangen Auseinandersetzungen zwischen Krone
650
Francesco Contini/Richard Mohr, Reconciling Independence and Accountability in Judicial Systems, Utrecht Law Review 3 (2007), 26 (41): “However, we must also note that while the internal and external independence of the judge may be reduced through such measures, this in no way threatens the core value that must be protected: the impartiality of the judge.” (Hervorhebung im Original.)
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und Parlament in England, entstammt also ursprünglich dem nationalen Kontext.651 Dem ist allerdings zu entgegnen, dass das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten mittlerweile in allen relevanten universalen und regionalen Menschenrechtsinstrumenten (vgl. insbesondere die für die vorliegende Arbeit relevanten Art. 10 AEMR und Art. 14 Abs. 1 IPbpR) auch für den internationalen Kontext festgehalten ist. Und während dies zwar deutlich macht, dass die Unabhängigkeit von Gerichten auch im internationlen Kontext eine Rolle spielt, aber noch nichts darüber aussagt, ob die Unabhängigkeit auch internationale Gerichte betrifft, hilft über diese Unklarheit jedenfalls die Tatsache hinweg, dass seit der Gründung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs (Permanent Court of International Justice) und der Aufnahme der Unabhängigkeit von Gerichten in sein Statut652 im Jahre 1922 die Statuten sämtlicher existierender Gerichte im internationalen Kontext eine oder mehrere Bestimmungen enthalten, die die gerichtliche Unabhängigkeit statuieren.653 So garantieren – um nur wenige Beispiele zu nennen – Art. 2 IGH-Statut, Art. 2 Abs. 1 ISGH-Statut, Art. 40 Abs. 1 RS, Art. 12 JStGH-Statut, Art. 13 RStGH-Statut, Art. 13 Abs. 1 Statut des Sondergerichtshofs für Sierra Leone sowie Art. 9 Abs. 1 Statut des Sondergerichtshofs für den Libanon die Unabhängigkeit von Richtern und/oder Gerichten. Darüber hinaus ist sicherlich einzuräumen, dass es hinsichtlich einzelner Details zur Unabhängigkeit von internationalen Gerichten noch viele ungeklärte Fragen geben mag. Fragen wie „Wie weit geht der Schutz der Richter vor ihrer willkürlichen Abberufung?“ oder „Wie viele Jahre beträgt die Amtsdauer eines Richters?“ werden in den ver651 Helmut Schulze-Fielitz, Artikel 97 (Unabhängigkeit der Richter), in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, 1998, 567 Rn. 1. 652
Art. 2 Statute of the Permanent Court of International Justice vom 16. Dezember 1920, 6 LNTS 389, lautet: “The Permanent Court of International Justice shall be composed of a body of independent judges, elected regardless of their nationality from amongst persons of high moral character, who possess the qualifications required in their respective countries for appointment to the highest judicial offices, or are jurisconsults of recognized competence in international law.” 653
Ruth Mackenzie/Philippe Sands, International Courts and Tribunals and the Independence of the International Judge, Harvard International Law Journal 44 (2003), 271 (275).
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schiedenen Rechts- und Kulturkreisen, die den Statuten internationaler Gerichte (wie dem Römischen Statut) zugrunde liegen, auf Grund unterschiedlicher Bedeutung und Akzentuierung der Details unterschiedlich beantwortet.654 Jedoch betreffen diese Details nicht die hier erarbeitete eingeschränkte Definition der Unabhängigkeit. Letztere dürfte hingegen in allen Rechtskreisen unstreitig sein. Darüber hinaus kommt es im Rahmen dieser Arbeit bei der letztlich relevanten Frage, welchen Einfluss der Sicherheitsrat auf den IStGH nehmen darf, nicht auf solche Details an. Daher kann ihre Klärung anderen Untersuchungen überlassen bleiben.655 Zuletzt bestätigen auch und gerade die angesprochenen Stellungnahmen des IGH und des IAGMR, dass das Prinzip der Unabhängigkeit Eingang in die Rechtsprechung internationaler Gerichte gefunden hat. Aus den genannten Gründen lässt sich schlussfolgern, dass das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten auch auf internationale Gerichte anwendbar ist.656
c. Ergebnis Festzuhalten bleibt somit, dass die Unabhängigkeit von Gerichten das Verbot enthält, von außen Einfluss auf konkrete gerichtliche Verfahren zu nehmen. Dies beinhaltet – neben dem Verbot, unmittelbar in die Geschicke des Gerichts einzugreifen – die Freiheit von Zwang, Bedrohung, politischem oder anderem Druck durch eine andere Person. Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten ein Umfeld für Unparteilichkeit des Gerichts schaffen soll. Einfluss von außen, der den Richtern ihre Freiheit lässt, den Verfahrensausgang selbst zu entscheiden (und der damit die Unparteilichkeit unberührt lässt), ist somit unschädlich. In dieser Form ist das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten auch auf internationale Gerichte – und damit auch den IStGH – anwendbar. 654
Ruth Mackenzie/Philippe Sands, International Courts and Tribunals and the Independence of the International Judge, HarvILJ 44 (2003), 271 (275). 655
Siehe z.B. Dominik Zimmermann, Judicial Independence in International Courts, im Erscheinen. 656
Im Ergebnis gleich Ruth Mackenzie/Philippe Sands, International Courts and Tribunals and the Independence of the International Judge, Harvard International Law Journal 44 (2003), 271 (275).
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II. Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH auf Grund des Beziehungsabkommens Nachdem nun der Inhalt der Unabhängigkeit des IStGH genauer umrissen werden wurde, soll im Folgenden geklärt werden, ob und gegebenenfalls inwieweit der Sicherheitsrat sein Handeln an dieser Unabhängigkeit ausrichten muss. Dabei könnte man zunächst an eine Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH auf Grund des Beziehungsabkommens denken. Denn in Art. 2 BA anerkennen (recognizes) die Vereinten Nationen den IStGH ausdrücklich als „independent permanent judicial institution“. Doch abgesehen davon, dass bereits fraglich ist, ob „independent permanent judicial institution“ (Hervorhebung hinzugefügt) überhaupt der Unabhängigkeit eines Gerichts gleichzusetzen ist und ob damit der Anwendungsbereich des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten hier überhaupt anwendbar ist, ist jedenfalls der Sicherheitsrat im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta an das Beziehungsabkommen nicht gebunden. Denn wie das Römische Statut ist das Beziehungsabkommen Teil des allgemeinen Völkerrechts, das der Sicherheitsrat unter Kapitel VII VN-Charta nicht beachten muss.657 Folglich ist der Sicherheitsrat jedenfalls über das Beziehungsabkommen nicht an die Unabhängigkeit des IStGH gebunden.
III. Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH auf Grund von Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta Daneben muss der Sicherheitsrat auch über Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VNCharta die Unabhängigkeit des IStGH beachten. Denn der Sicherheitsrat ist gemäß Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta an die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte niedergelegten Menschenrechte gebunden.658 Unter diese Menschenrechte fällt auch das in Art. 10 AEMR und Art. 14 Abs. 1 IPbpR verankerte Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten.
657 658
Siehe dazu bereits oben 4. Kapitel Einleitung. Siehe dazu oben 6. Kapitel A.II.
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Da sich die Bindung gemäß Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta aus Menschenrechten herleitet, kann sie allerdings lediglich dort ihre Wirkung entfalten, wo Menschenrechte auch tatsächlich anwendbar und betroffen sind. Somit gilt die Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit von Gerichten auf Grund von Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta lediglich gegenüber solchen Gerichten, vor denen Individuen auftreten können.659 Unstreitig parteifähig sind Individuen vor dem IStGH als Strafgericht. Somit ist der Sicherheitsrat an die Unabhängigkeit des IStGH gebunden. Unklar ist jedoch, wie stark konkret diese Bindung ausgestaltet ist. Wie herausgearbeitet, ist der Sicherheitsrat zwar an alle Menschenrechte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte gebunden, kann aber jedenfalls von den Rechten, die nicht als notstandsfest ausgestaltet sind, mit entsprechender Begründung abweichen. Ist ein Recht hingegen notstandsfest, so ist auch der Sicherheitsrat ohne Einschränkung daran gebunden. Daher ist nun zu fragen, ob das Prinzip der Unabhängigkeit von Strafgerichten – in ihrer Ausprägung sowohl als subjektives Menschenrecht als auch als institutionelle Garantie - auch zu den notstandsfesten Menschenrechten gehört.
1. Unabhängigkeit von Gerichten als notstandsfestes Prinzip Da der Sicherheitsrat an die Menschenrechte in der Ausgestaltung, die sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte gefunden haben, gebunden ist, bestimmt sich eine etwaige Notstandsfestigkeit der Unabhängigkeit von Gerichten auf Grundlage eben dieser Instrumente. Während die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte die Kategorie der notstandsfesten Rechte nicht kennt und daher für diese Frage nicht weiterführen kann, ist die Unabhängigkeit von Gerichten im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte unter den in Art. 4 Abs. 2 IPbpR aufgezählten notstandsfesten Rechten nicht erwähnt. 659
Es ist zu beachten, dass mit dieser Feststellung lediglich feststeht, dass der SR an die Unabhängigkeit derjenigen Gerichte, vor denen keine Individuen auftreten, nicht auf Grund von Art. 1 Ziff. 3 VN-Charta gebunden ist. Hingegen bedeutet dies nicht, dass in diesem Kontext gar keine Bindung des SR an die Unabhängigkeit von Gerichten besteht. Diese Frage ist jedoch nicht Teil der vorliegenden Untersuchung.
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Doch allein aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung der notstandsfesten Eigenschaft eines Menschenrechts kann noch nicht zwangsläufig dessen Abdingbarkeit gefolgert werden.660 So stellte auch der im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte als „Hüterin des IPbpR“661 etablierte Menschenrechtsausschuss (Human Rights Committee) in seiner Allgemeinen Bemerkung (General Comment)662 Nr. 29 bezüglich Art. 4 IPbpR im Juli 2001 fest, dass die Tatsache, dass manche Rechte in Art. 4 Abs. 2 IPbpR explizit als notstandsfest aufgeführt sind, nicht bedeute, dass alle anderen Rechte automatisch als abdingbar gelten müssten.663 Im Gegenteil gebe es durchaus manche Rechte, die de facto als notstandsfest gälten. So fallen laut Menschenrechtsausschuss auch „fundamental requirements of fair trial“ unter die notstandsfesten Rechte.664 Zu diesen „fundamental require-
660
Stefan Oeter, Ius cogens und der Schutz der Menschenrechte, in: Stephan Breitenmoser u.a. (Hrsg.), Human rights, democracy and the rule of law – Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat – Droits de l’homme, démocratie et état de droit. Liber Amicorum Luzius Wildhaber, 2007, 499-521 (509 f.). 661
Wolf von der Wense, Der UN-Menschenrechtsausschuß und sein Beitrag zum universellen Schutz der Menschenrechte, 1999, 27. 662
Bei den Allgemeinen Bemerkungen des Menschenrechtsausschusses handelt es sich um autoritative, aber nicht rechtsverbindliche Auslegungen der Bestimmungen des IPbpR. Dennoch hatten die Allgemeinen Bemerkungen von allen Instrumenten des IPbpR bisher den stärksten Einfluss auf die Auslegung des IPbpR. Dabei ist an dieser Stelle die hohe Mitgliederzahl des IPbpR (164 Staaten; zum Ratifikationsstatus http://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx? src=TREATY&id=322&chapter=4&lang=en [zuletzt abgerufen: 12. August 2009]) in Erinnerung zu rufen, für welche die Allgemeinen Bemerkungen als Anleitung für die Sicherstellung der Menschenrechte anerkannt sind, Wolf von der Wense, Der UN-Menschenrechtsausschuß und sein Beitrag zum universellen Schutz der Menschenrechte, 1999, 45 ff. Folglich ist die „Argumentationslast dessen, der der Interpretation der ja gerade zur Durchsetzung der Vertragswerke geschaffenen Ausschüsse nicht folgen will, evident“, Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg.), Die „General Comments“ zu den VNMenschenrechtsverträgen. Deutsche Übersetzung und Kurzeinführungen, 2005, 29. 663
Human Rights Committee General Comment No. 29, States of Emergency (Art. 4) (24 Juli 2001), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.11, Rn. 6. 664
Human Rights Committee General Comment No. 29, States of Emergency (Art. 4) (24 Juli 2001), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.11, Rn. 16.
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ments“ zählt der Menschenrechtsausschuss auch das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten.665 Dagegen könnte man einwenden, der Menschenrechtsausschuss habe den Vorschlag der Unterkommission zur Verhinderung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten (Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities), Art. 14 IPbpR durch ein optionales Protokoll ausdrücklich in den Rang der notstandsfesten Rechte zu heben, ausdrücklich abgelehnt.666 Doch dabei ist es wichtig, sich die Begründung dieser Ablehnung näher anzusehen. So erklärte der Menschenrechtsausschuss “that it would simply not be feasible to expect that all provisions of article 14 can remain fully in force in any kind of emergency. Thus, the inclusion of article 14 as such in the list of non-derogable provisions would not be appropriate.”667 Somit
665
So z.B. in der Entscheidung des Menschenrechtsausschusses im Rahmen von Individualbeschwerden nach dem Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte (Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights vom 16. Dezember 1966, 999 UNTS 302, amtliche deutschsprachige Übersetzung: BGBl. 1992 II, 1247) Human Rights Committee, Miguel González del Río v. Peru, Comm No 263/1987, CCPR/C/46/D/263/1987 (28. Oktober 1992), Rn. 5.2. Zwar werden am Ende des Individualbeschwerdeverfahrens keine bindenden Entscheidungen getroffen, Wolf von der Wense, Der UN-Menschenrechtsausschuß und sein Beitrag zum universellen Schutz der Menschenrechte, 1999, 52. Jedoch besteht – bei Unterschieden in der Begründung – Einigkeit, dass die Mitgliedstaaten des Internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte, soweit sie das Fakultativprotokoll ebenfalls ratifiziert haben (Bis zum 12. August 2009 hatten 111 Staaten das Fakultativprotokoll ratifiziert, vgl. http://treaties.un.org/Pages/Vie wDetails.aspx?src=TREATY&id=323&chapter=4&lang=en [zuletzt abgerufen: 12. August 2009]), zur Umsetzung der Auffassungen des Menschenrechtsausschusses verpflichtet sind, vgl.dazu näher Wolf von der Wense, Der UNMenschenrechtsausschuß und sein Beitrag zum universellen Schutz der Menschenrechte, 1999, 52 Fn. 315 m.w.N. 666
Human Rights Committee, Recommendation submitted by the Committee to the Subcommission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities concerning a draft third optional protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights in: Human Rights Committee, Report to the General Assembly, Bd. I, UN Doc. A/49/40 (1994), Annex XI, Rn. 4. 667
Human Rights Committee, Recommendation submitted by the Committee to the Subcommission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities concerning a draft third optional protocol to the International Cove-
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lehnte der Menschenrechtsausschuss lediglich ab, Art. 14 IPbpR vollständig in den Rang der notstandsfesten Rechte zu erheben. Zudem fürchtete der Ausschuss, Staaten könnten die in der Tat bereits ohne Protokoll angenommene Notstandsfestigkeit dieser Rechte in Zukunft einfach dadurch umgehen, dass sie das Optionale Protokoll nicht ratifizieren.668 Mithin steht die Tatsache, dass ein solches Protokoll bis heute nicht existiert, nicht der notstandsfesten Eigenschaft des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten entgegen. Auch in Berichten an die vom Wirtschafts- und Sozialrat gemäß Art. 68 VN-Charta eingesetzte (frühere)669 Menschenrechtskommission finden sich Hinweise darauf, dass das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten als notstandsfestes Recht angesehen wird.670 Zu erinnern ist an die-
nant on Civil and Political Rights in: Human Rights Committee, Report to the General Assembly, Bd. I, UN Doc. A/49/40 (1994), Annex XI, Rn. 3. 668 Human Rights Committee, Recommendation submitted by the Committee to the Subcommission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities concerning a draft third optional protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights in: Human Rights Committee, Report to the General Assembly, Bd. I, UN Doc. A/49/40 (1994), Annex XI, Rn. 2. 669
Die Menschenrechtskommission wurde im Jahr 2006 in Menschenrechtsrat umbenannt und inhaltlich verändert, vgl. dazu Gunnar Theissen, Mehr als nur ein Namenswechsel: der neue Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, VN 54 (2006), 138 ff. 670
Vgl. Special Rapporteur Nicole Questiaux, Study of the Implications for Human Rights of Recent Developments concerning Situations Known as States of Siege or Emergency (27. Juli 1982), UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1982/15, Rn. 192. Der Bericht wurde durch Human Rights Commission Question of the human rights of all persons subjected to any form of detention or imprisonment: the implications for human rights of situations known as states of siege or emergency, UN Doc. E/CN.4/Res 1983/18 (22. Februar 1983) von der Menschenrechtskommission angenommen; Report of the Special Rapporteur, Mr. Param Cumaraswamy, ‘Independence and Impartiality of the Judiciary, Jurors and Assessors and the Independence of Lawyers’, submitted in accordance with Commission on Human Rights resolution 1994/41 (6. Februar 1995), UN Doc. E/CN.4/1995/39, Rn. 42 (Dieser Bericht wurde durch Human Rights Commission Independence and impartiality of the judiciary, jurors and assessors and the independence of lawyers, UN Doc. E/CN.4/RES/1995/36 [3. März 1995] angenommen); Final Report Prepared by Mr. Stanislav Chernichenko and Mr. William Treat, The Right to a Fair Trial: Current Recognition and Measures Necessary for iths Strengthening, Sub-Commission on Prevention of Discrimination
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ser Stelle, dass die VN-Organe – einschließlich des Sicherheitsrats – an die Konkretisierungen der Menschenrechte durch die hierfür zuständigen VN-Organe gebunden sind. Zu diesen zählt der Menschenrechtsausschuss als offizielles Auslegungsorgan des Internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte; auch die Bedeutung der Menschenrechtskommission für die Konkretisierung der Menschenrechte innerhalb der Vereinten Nationen wurde bereits herausgearbeitet.671 Hieraus folgt, dass der Sicherheitsrat an die Ausgestaltung des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten als notstandsfest gebunden ist. Unterstützung erfährt dieses Ergebnis durch die Tatsache, dass sämtliche regionalen, allgemein gehaltenen – d.h. nicht auf einzelne Schutzgüter bezogenen –672 Instrumente673 die Genfer Abkommen von 1949674 and Protection of Minorities (3. Juni 1994), UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1994/24, Rn. 127 ff. 671
Dabei ist v.a. an die Ausarbeitung der grundlegenden Menschenrechtsinstrumente (AEMR, IPbpR, IPwskR) zu erinnern, für die die Menschenrechtskommission verantwortlich zeichnet und an die der Sicherheitsrat gebunden ist, siehe dazu schon oben 6. Kapitel A.II.2. Zwar mag einzuräumen sein, dass die Menschenrechtskommission nach den beachtlichen Erfolgen in ihren Anfangsjahren in den letzten Jahren ihrer Tätigkeit auf Grund – u.a. – ihrer Selektivität und ihrer politischen Polarisierung vielfach kritisiert wurde, vgl. Gunnar Theissen, Mehr als nur ein Namenswechsel: der neue Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, VN 54 (2006), 138 f. Dies mindert aber nicht den Wert der Berichte ihrer Sonderberichterstatter. Denn die Kritik an der Menschenrechtskommission besteht gerade darin, dass bestimmte Menschenrechtsverletzungen auf Grund politischer Grabenkämpfe nicht verurteilt wurden. Findet sich hingegen zu bestimmten menschenrechtlichen Fragen in der Menschenrechtskommission eine Mehrheit – wie eben bei der Annahme der Berichte der Sonderberichterstatter – so greift die Kritik zumindest in diesem Bereich gerade nicht ein. 672
Wie z.B. die European Convention for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment vom 26. November 1987, 1561 UNTS 363; amtliche deutschsprachige Übersetzung: Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, BGBl. 1989 II, 946. 673
Für die EMRK: EGMR Al-Nashif v. Bulgaria, Appl. No. 50963/99 (20. Juni 2002), noch nicht veröffentlicht, Rn. 123 (Hervorhebung hinzugefügt). Für die AMRK: IAGMR, Judicial Guarantees in States of Emergency (Arts. 27(2), 25 and 8 American Convention on Human Rights), Advisory Opinion OC9/87 (6. Oktober 1987), Ser. A, 9, Rn. 20; IAGMR, Habeas Corpus in Emer-
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und ihre Zusatzprotokolle675 sowie (rechtlich nicht bindende) internationale Standards zum Recht auf ein faires Verfahren und der Unabhängigkeit von Gerichten676 das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten entweder ausdrücklich oder durch entsprechende Auslegung als notstandsfest ansehen.677 Dabei lässt sich insbesondere aus der Auslegung gency Situations (Arts. 27(2), 25(1) and 7(6) American Convention on Human Rights), Advisory Opinion OC-8/87 (30. Januar 1987), Ser. A 8, Rn. 29 f; InterAmerican Commission on Human Rights, Report on Terrorism and Human Rights, OEA/Ser.L/V/II.116 Doc. 5 rev. 1 corr. (22. Oktober 2002), abrufbar unter http://cidh.oas.org/Terrorism/Eng/part.j.htm (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 246. Für die Banjul Charta: African Commission on Human and Peoples’ Rights, Resolution on the Right to a Fair Trial and Legal Assistance in th Africa, 26 Session (1. – 15. November 1999), in: Christof Heyns (Hrsg.), Human Rights Law in Africa, Bd. I, Martinus Nijhoff Leiden/Boston 2004, 584; African Commission on Human and Peoples’ Rights, Civil Liberties Organisation, Legal Defence Centre, Legal Defence and Assistance Project/Nigeria, Comm. No. 218/98, 29th Ordinary Session (23. April – 7. Mai 2001), Rn. 27. Siehe auch Art. 4 Abs. 2 Arabische Menschenrechtscharta in der Fassung von 2004. Diese ist eine überarbeitete Version der Charta aus dem Jahr 1994, die mangels Ratifizierung nie in Kraft getreten ist. Eine englische Übersetzung der am 23. Mai 2004 verabschiedeten und am 15. März 2008 in Kraft getretenen Fassung findet sich im Boston University Law Journal 24 (2006), 147 ff., abrufbar unter http://www.acihl.org/res/Arab_Charter_on_ Human_Rights_2004.pdf (zuletzt besucht: 3. März 2010). 674
Art. 84 Abs. 2, Art. 130 GA III (BGBl. 1954 II, 838); vgl. auch Gemeinsamer Art. 3 Nr. 1d) der Genfer Abkommen. 675
Art. 75 Abs. 4 Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. November 1977 (BGBl. 1990 II, 1551); Art. 6 Abs. 2 Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, 1637). 676
Siehe z.B. Siracusa Principles on the Limitation and Derogation Provisions in the International Covenant on Civil and Political Rights, abgedruckt in HumRtsQ 7 (1985), 3 (12 Rn. 70); Art. 16 Abs. 1 Paris Minimum Standards of Human Rights Norms in a State of Emergency, abgedruckt in Richard Lillich, Current Developments: The Paris Minimum Standards of Human Rights Norms in a State of Emergency, AJIL 79 (1985), 1072 (1081). 677
Vgl. auch zustimmend zahlreiche Stimmen in der Literatur: Erika de Wet, The Security Council as a Law Maker: The Adoption of (Quasi)-Judicial Decisions, in Rüdiger Wolfrum/Volker Röben (Hrsg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005 183 (197 f.); dies., The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 344; T. D. Gill, Legal and Some
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der Genfer Abkommen, welche das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten selbst in Kriegszeiten als notstandsfest ansehen, schließen, dass Gleiches erst recht auch für „normale“ Notstandssituationen gilt, die nicht notwendigerweise die Grenze zu einer Kriegssituation überschreiten.678
2. Ergebnis Der Sicherheitsrat ist – über die entsprechende Auslegung des IPbpR – gemäß Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta ohne Einschränkung an das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten gebunden.679 Political Limitations on the Power of the UN Security Council to Exercise its Enforcement Powers Under Chapter VII of the Charter, NYIL XXVI (1995), 33 (79); Alfred de Zayas, The United Nations and the Guarantees of a Fair Trial in the International Covenant on Civil and Political Rights and the Convention Against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, in: David Weissbrodt/Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Right to a Fair Trial, 1998, 669 (675); Sara Stapleton, Ensuring a Fair Trial in the International Criminal Court: Statutory Interpretation and the Impermissibility of Derogation, NYUJIntlLaw&Pol 31 (1999), 535 (608); Ian Cameron, The European Convention on Human Rights, Due Process and United Nations Security Council Counter-Terrorism Sanctions, Report Prepared by Ian Cameron, 6. Februar 2006, 21 (bezogen auf “the core content of the right of fair trial”); Human Rights Committee General Comment No. 29, States of Emergency (Art. 4) (24 Juli 2001), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.11, Rn. 11. 678
Human Rights Committee General Comment No. 29, States of Emergency (Art. 4) (24 Juli 2001), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.11, Rn. 16; vgl. dazu auch Manfred Nowak, Article 4: Permissible Derogations in Time of Public Emergency, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, 83 (94 Rn. 22); Daniel O’Donnell, Commentary by the Rapporteur on Derogation, HumRtsQ 7 (1985), 23 (31). 679 Selbst wenn man diesem Ergebnis nicht zu folgen vermag und die Unabhängigkeit von Gerichten grundsätzlich als abdingbar ansieht, wird man im Bereich des SR-Handelns auf Grund des Maßstabs des Verhältnismäßigkeitsprinzips wohl dennoch selten – wenn überhaupt - zu dem Ergebnis kommen, dass eine Abweichung im konkreten Fall wirklich notwendig und damit gerechtfertigt ist; ähnlich Manfred Nowak, Article 4: Permissible Derogations in Time of Public Emergency, in: ders. (Hrsg.), U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2005, 83 (98 Rn. 27); Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (180 f.); Clémentine Olivier, Revisiting General Comment No. 29
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IV. Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH auf Grund von ius cogens Das soeben gefundene Ergebnis des Kerngehalts der Unabhängigkeit von Gerichten als notstandsfest wirft die Frage auf, ob es sich beim Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten nicht auch, zusätzlich, um zwingendes Völkerrecht, also ius cogens handelt. Da der Sicherheitsrat auch an ius cogens gebunden ist, wäre dies eine weitere Rechtsquelle, auf Grund derer der Sicherheitsrat die Unabhängigkeit des IStGH beachten müsste. Art. 53 S. 2 WVRÜ680 normiert die Voraussetzungen, die für universelles ius cogens gelten. Er lautet: Im Sinne dieses Übereinkommens ist eine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts eine Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann. Nach Art. 53 S. 2 WVRÜ muss eine Norm des zwingenden Völkerrechts also von der „internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit“ angenommen und darüber hinaus als zwingend akzeptiert worden sein. Zwar wird man die Voraussetzung der universalen Anerkennung des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten ob der Tatsache, dass dieses
of the United Nations Human Rights Committee: About Fair Trial Rights and Derogations in Times of Public Emergency, LJIL 17 (2004), 405 (415); vgl. auch Irène Couzigou, La lutte du conseil de sécurité contre le terrorisme international et les droits de l’homme, RGDIP 112 (2008), 49 (84): “Or une dérogation au droit à un procès équitable n’est pas nécessaire pour lutter contre le terrorisme international.” 680
Zwar richtet sich Art. 53 S. 2 WVRÜ nur an die Mitgliedsstaaten der WVRÜ. Wie Stefan Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, 69 ff. und 177, jedoch nachgewiesen hat, zeigt die Durchsicht internationaler Konventionen, der Staatenpraxis sowie der Rechtsprechung, dass das ius cogens-Prinzip – solange man der Haltung restriktiver Staaten auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz von 1969 Rechnung trägt (ibid. 277) –, inzwischen auch für Parteien, die nicht der WVRÜ angehören, gilt, mithin völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist. Unter diesen Umständen spricht nichts dagegen, Art. 53 WVRÜ zur Grundlage weiterer Überlegungen zu machen.
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Prinzip umfassend im Völkervertragsrecht verankert,681 als allgemeiner Rechtsgrundsatz682 und wohl auch als Völkergewohnheitsrecht683 anerkannt ist,684 ruhigen Gewissens bejahen können.685
681
Siehe dazu allein die Verankerung der Unabhängigkeit von Gerichten im IPbpR, in sämtlichen regionalen Menschenrechtskonventionen, den Genfer Abkommen sowie in allen Statuten internationaler Gerichte; siehe auch Ruth Mackenzie/Philippe Sands, International Courts and Tribunals and the Independence of the International Judge, HarvILJ 44 (2003), 271 (275). 682
Jules Deschênes/Christopher Staker, Article 40, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 961 (962 Rn. 5); Report of the Special Rapporteur, Mr. Param Cumaraswamy, ‘Independence and Impartiality of the Judiciary, Jurors and Assessors and the Independence of Lawyers’, submitted in accordance with Commission on Human Rights resolution 1994/41 (6. Februar 1995), UN Doc. E/CN.4/1995/39, Rn. 36; Natalie Kaufmann Hevener/Steven A. Mosher, General Principles of Law and the UN Covenant on Civil and Political Rights, ICLQ 27 (1978), 596 (612) (bezogen auf den in Art. 14 Abs. 1 IPbpR enthaltenen Fair Trial-Grundsatz); Final Report by the Special Rapporteur, Mr. L.M. Singhvi, to the Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1985/18/Add.1 (22. Juli 1985), 13 (angenommen durch Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, Resolution 1988/25: Draft declaration on the independence and impartiality of the judiciary, jurors and assessors and the independence of lawyers, in: Commission on Human Rights Report of the Subcommission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities on its Fortieth Session, Rapporteur: Mr. Danilo Türk, UN Doc. E/CN.4/1983/3, 52). Vgl. auch Rn. 19 des Document of the Moscow Meeting of the Conference on the Human Dimension of the CSCE (3. Oktober 1991), abrufbar unter http://www.osce.org/documents/odihr/1991/10/13995_en.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), wo die Rede von “internationally recognized standards that relate to the independence of judges” ist. 683
Report of the Special Rapporteur, Mr. Param Cumaraswamy, ‘Independence and Impartiality of the Judiciary, Jurors and Assessors and the Independence of Lawyers’, submitted in accordance with Commission on Human Rights resolution 1994/41 (6. Februar 1995), UN Doc. E/CN.4/1995/39, Rn. 34 f. 684
Je mehr Rechtsquellen existieren, die eine bestimmte Pflicht anerkennen, desto eher ist das Merkmal der universellen Anerkennung tatsächlich erfüllt. Dies dürfte folglich am ehesten dann der Fall sein, wenn eine Norm häufig in Verträgen niedergelegt worden, als Gewohnheitsrecht anerkannt und als allgemeiner Rechtsgrundsatz nachweisbar ist, Stefan Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, 209.
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Doch ist beim Merkmal der zwingenden Akzeptanz dieses Prinzips Vorsicht geboten. Zwar bringt ein notstandsfestes Menschenrecht (wie des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten) jedenfalls grundsätzlich alle Voraussetzungen mit, um auch als ius cogens anerkannt werden zu können.686 Allerdings folgt aus dem notstandsfesten Charakter eines Rechts nicht zwangläufig auch dessen Unabdingbarkeit im Sinne von ius cogens.687 Denn dagegen spricht, dass die Listen der notstandsfesten Menschenrechte der verschiedenen Konventionen z.T. auch Rechte enthalten, die zweifelsfrei nicht ius cogens sind. Diese wurden stattdessen nur mit aufgenommen, da auch im Notfall kein Fall vorstellbar ist, in 685
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass es hier nicht auf die Frage ankommt, ob das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten auch und gerade gegenüber dem SR als eine dieser Rechtsquellen anerkannt ist. Denn an ius cogens ist der SR in jedem Fall gebunden, unabhängig davon, ob er an der Entstehung des zwingenden Völkerrechts beteiligt war und ob er ausdrücklich als Adressat dieser Norm angesehen wird oder nicht. Nicht gebunden an ius cogens ist der SR nur dann, wenn dies vom Beginn der Entstehung der zwingenden Regel an klar ist (wie im Fall der Befreiung des SR vom Gewaltverbot). Somit bedarf es lediglich einer Prüfung, ob es Hinweise dafür gibt, dass der SR von einer Regel befreit sein soll, nicht aber, ob auch der SR von einer Regel erfasst wird. 686
Ian D. Seiderman, Hierarchy in International Law: The Human Rights Dimension, 2001, 84. Vgl. auch Schweizerisches Bundesgericht, Youssef Nada gegen Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement, 1A.45/2007 (14. November 2007), EuGRZ 35 (2008), 66 (70 Rn. 7.1); Alexander Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 2006, 58; Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 345, die von einem “close relationship” zwischen unabweichbaren und zwingenden Normen spricht. Ebenso Stefan Oeter, Ius cogens und der Schutz der Menschenrechte, in: Stephan Breitenmoser u.a. (Hrsg.), Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat. Liber Amicorum Luzius Wildhaber, 2007, 499 (508), bei dem von einer „Paralleliltät von ius cogens-Charakter bestimmter Fundamentalgarantien […] und der Notstandsfestigkeit bestimmter Kerngewährleistungen der Menschenrechtspakte“ die Rede ist; vgl. auch Machiko Kanetake, Enhancing Community Accountability of the Security Council through Pluralistic Structure: The Case of the 1267 Committee, MPYUNL 12 (2008), 113 (138): “The list of non-derogable human rights under article 4 (2) of the ICCPR is partly a recognition of the peremptory nature of those norms.” 687
A.A. M. Cherif Bassiouni, States of Emergency and States of Exception: Human Rights Abuses and Impunity Under Color of Law, in: Daniel Prémont/Christian Stenersen/Isabelle Oseredczuk (Hrsg.), Non-Derogable Rights and States of Emergency, 1996, 125 (138).
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dem ihre Nichtbeachtung notwendig sein kann,688 oder da die Pflicht, sie zu beachten, für einen Staat auch in Notstandssituationen als zumutbar erachtet wird.689 Ersteres gilt z.B. für Art. 11 IPbpR, wonach „[n]iemand […] nur deswegen in Haft genommen werden [darf], weil er nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen.“ Es ist keine Situation vorstellbar, in welcher von dieser Bestimmung zur Bekämpfung einer Notstandssituation abgewichen werden müsste. Darüber hinaus stimmen die notstandsfesten Rechte in den verschiedenen menschenrechtlichen Verträgen690 nicht vollständig überein. Mithin sind diese Rechte grundsätzlich keine tragfähige Basis für die gedankliche Begründung von ius cogens-Normen.691 Bezogen auf die Unabhängigkeit von Gerichten könnte man gegen die soeben vorgetragenen Argumente zwar vorbringen, dass viele Beobachter jedenfalls die in allen allgemeinen Menschenrechtskonventionen übereinstimmend als notstandsfest determinierten vier Menschenrechte des Verbots von willkürlichen Tötungen, des Verbots der Folter, des Verbots der Sklaverei/Leibeigenschaft und den Grundsatz nullum crimen, nulla poena sine lege auch dem zwingenden Völkerrecht zuordnen.692 Da auch das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten in allen allgemeinen Menschenrechtskonventionen übereinstimmend als not-
688
Human Rights Committee General Comment No. 29, States of Emergency (Art. 4) (24 Juli 2001), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.11, Rn. 11. 689 Eckart Klein, Preferred-Freedoms-Doktrin und deutsches Verfassungsrecht, in: Eckart Klein u.a. (Hrsg.), Grundrechte, soziale Ordnung und Verfassungsgerichtsbarkeit. Festschrift für Ernst Benda zum 70. Geburtstag, 1995, 135 (151). 690
Vgl. dazu oben 6. Kapitel A.II.4.b.
691
Eckart Klein, Menschenrechte und Ius cogens, in: Jürgen Bröhmer u.a. (Hrsg.), Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte. Festschrift für Georg Ress zum 70. Geburtstag am 21. Januar 2005, 2005, 151 (156). 692
Rosalyn Higgins, Derogations under Human Rights Treaties, BYIL XLVIII (1976-77), 281 (282); Ian D. Seiderman, Hierarchy in International Law: The Human Rights Dimension, 2001, 88; Erika de Wet, Human Rights Limitations to Economic Enforcement Measures Under Article 41 of the United Nations Charter and the Iraqi Sanctions Regime, LJIL 14 (2001), 277 (286). Gegen den ius cogens-Status des nullum crimen-Grundsatzes Lauri Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law: Historical Development, Criteria, Present Status, 1988, 442.
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standsfest angesehen wird,693 könnte man daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass die notstandsfeste Eigenschaft des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten mit ius cogens gleichzusetzen ist.694 Allerdings ist doch zuzugeben, dass ein endgültiger Nachweis der erforderlichen Anerkennung des zwingenden Charakters durch die Gesamtheit der Staaten schwierig und im Rahmen dieser Untersuchung nicht abschließend zu leisten ist. Nichtsdestoweniger konnte doch aufgezeigt werden, dass die rechtliche Qualität des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten dem Charakter einer Norm des ius cogens zumindest nahe kommt.695 Aus den obigen Ausführungen folgt also: Eine Zugehörigkeit des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten zum zwingenden Völkerrecht 693
Siehe dazu oben 6. Kapitel C.III.1.
694
Vgl. auch Alexander Orakhelashvili, The Impact of Peremptory Norms on the Interpretation and Application of United Nations Security Council Resolutions, EJIL (2005) 16, 59 (65 f.). 695
Für den ius cogens-Status des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten sprechen sich u.a. aus: Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 371; Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 299 (bezogen auf den im Gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen niedergelegten humanitären Mindeststandard); Matthias Herdegen, Review of the Security Council by National Courts: a Constitutional Perspective, in: Erika de Wet/André Nollkaemper (Hrsg.), Review of the Security Council by Member States, 2003, 77 (79) (bezogen auf den “review by an independent body”); Erika de Wet, The Role of Human Rights in Limiting the Enforcement Power of the Security Council: a Principled View, in: Erika de Wet/André Nollkaemper (Hrsg.), Review of the Security Council by Member States, 2003, 7 (22 f.) (bezogen auf das “right to a fair hearing […] in the context of criminal proceedings”); Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (183 f.) (bezogen auf die “core elements of the right to a fair hearing”); Alexander Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 2006, 60 (bezogen auf “due process guarantees and the right to fair trial”); Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Judgement on Allegations of Contempt against Prior Counsel, Milan Vujin, Appeals Chamber (27. Februar 2001), abrufbar unter http://www.icty.org/x/cases/tadic/acjug/en/vuj-aj010227e.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), 14. Erwägungsgrund (bezogen auf Art. 14 IPbpR). Machiko Kanetake, Enhancing Community Accountability of the Security Council through Pluralistic Structure: The Case of the 1267 Committee, MPYUNL 12 (2008), 113 (138), die einen “growing consensus that the core elements of the right to a fair hearing are non-derogable and jus cogens” feststellt.
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kann nicht endgültig festgestellt werden, wenngleich sich der völkerrechtlichen Praxis sowie einigen Stimmen in der Literatur doch immerhin Tendenzen in diese Richtung entnehmen lassen. Folglich ist der Sicherheitsrat an das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten (noch) nicht auf Grund einer zwingenden Eigenschaft gebunden.
V. Ergebnis Der Sicherheitsrat ist über Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta an das notstandsfeste Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten gebunden. Ius cogens stellt das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten hingegen (noch) nicht dar. Auch eine Bindung des Sicherheitsrats an die Unabhängigkeit des IStGH über das Beziehungsabkommen ist im Ergebnis abzulehnen.
D. Zusammenfassung Der Sicherheitsrat ist an ius cogens, den Kernbereich des Verhältnismäßigkeitsprinzips sowie die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen, darunter insbesondere die Menschenrechte in ihrer durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erfahrenen Ausgestaltung, gebunden. Darüber hinaus ist der Sicherheitsrat auf Grund von Art. 1 Ziff. 3, 2. Var. VN-Charta an die Unabhängigkeit des IStGH gebunden.
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7. Kapitel: Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH An dieser Stelle ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Sicherheitsrat in der Praxis bereits Maßnahmen erlassen hat, die mit dem Römischen Statut nicht (vollumfänglich) vereinbar sind. Auch für die Zukunft ist damit zu rechnen, dass der Sicherheitsrat weiterhin Maßnahmen ergreifen wird, die sich nicht voll mit dem Römischen Statut decken werden. Daraus resultiert nun die Frage, ob der Sicherheitsrat auf Grundlage seiner Befugnisse aus der VN-Charta Maßnahmen erlassen kann, die dem Römischen Statut vorgehen. Konkret ist also zu fragen, welche Rechtsfolgen sich aus Maßnahmen des Sicherheitsrats696 für das Römische Statut und den IStGH ergeben.
A. Rechtmäßige und rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats Dabei ist zunächst zu prüfen, wann Maßnahmen des Sicherheitsrats rechtmäßig und wann rechtswidrig sind. Je nachdem variieren auch ihre Rechtsfolgen. Rechtswidrig ist die Maßnahme einer internationalen Organisation bzw. ihrer Organe zunächst dann, wenn sie ultra vires, also in Überschreitung der eigenen Kompetenzen,697 erlassen wurde.698 So ist nach 696
An dieser Stelle soll daran erinnert werden, dass Gegenstand dieser Untersuchung nur Maßnahmen des SR im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta mit grundsätzlich möglicher Bindungswirkung sind, siehe dazu oben 5. Kapitel. 697
Teilweise wird eine Maßnahme selbst dann als ultra vires angesehen, wenn sie unter Verletzung der Vorschriften des Gründungsvertrages der internationalen Organisation erlassen wurden, also z.B. auch dann, wenn vorgesehene Verfahren oder Formen nicht eingehalten wurden, vgl. dazu den Nachweis bei Michael Fraas, Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Internationaler Gerichtshof, 1998, 87; siehe auch Ebere Osieke, The Legal Validity of Ultra Vires Decisions of International Organizations, AJIL 77 (1983), 239 (249), der alle Maßnahmen, die gegen die Ziele und Grundsätze einer internationalen Organisation verstoßen, als ultra vires bezeichnet. Da dies aber über die Übersetzung
J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_8, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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der hier vertretenen Ansicht z.B. eine legislative Maßnahme des Sicherheitsrats ultra vires, da der Sicherheitsrat zu derartigen Maßnahmen weder durch die VN-Charta, noch durch die nachfolgende Praxis ermächtigt wurde. Darüber hinaus sind Maßnahmen des Sicherheitsrats dann rechtswidrig, wenn sie chartainterne (also die aufgezeigten Grenzen der Art. 1, 2 und Art. 39 ff. VN-Charta) oder -externe Grenzen (also insbesondere ius cogens) überschreiten, die nicht Fragen der Kompetenzen betreffen. Nicht als rechtswidrig angesehen werden hier bloße Verfahrensfehler, solange bei diesen zumindest das Ergebnis selbst rechtmäßig ist.699 Für politische Entscheidungen von VN-Organen gilt zudem nach der Rechtsprechung des IGH aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich eine Vermutung der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen, solange diese der Erreichung der Ziele der Vereinten Nationen dienen.700 Zwar stellt der IGH mit dieser Aussage streng genommen lede Begriffs (Überschreitung der Befugnisse) hinausgeht, wird hier dem engen, auf die Kompetenzen beschränkten ultra vires-Begriff gefolgt. Wie hier auch Michael Reisman/Dirk Pulkowski, Nullity in International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, September 2006, Rn. 20, die z.B. zwischen „acts ultra vires and acts whose content violates ius cogens“ unterscheiden. 698
Rudolf Bernhardt, Ultra Vires Activities of International Organizations, in: Jerzy Makarczyk (Hrsg.), Theory of International Law at the Threshold of the 21st Century. Essays in Honour of Krzysztof Skubiszewski, 1996, 599 (602); Ignaz Seidl-Hohenveldern/Gerhard Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 2000, Rn. 1507, 1511, 1516; Michael Fraas, Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Internationaler Gerichtshof, 1998, 87; Ineta Ziemele, International Courts and Ultra Vires Acts, in: Lucius Caflisch u.a. (Hrsg.), Liber Amicorum Luzius Wildhaber. Human Rights – Strasbourg Views. Droits de l’homme – Regards de Strasbourg, 2007, 537 (540). 699
Michael Reisman/Dirk Pulkowski, Nullity in International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, September 2006, Rn. 21; Appeal Relating to the Jurisdiction of the ICAO Council, Judgment, I.C.J. Reports 1972, 46 (Rn. 44 f.); dazu Eckart Klein, Die Internationalen und Supranationalen Organisationen, in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2007, 265 (354 Rn. 194). 700 Certain Expenses of the United Nations (Article 17, paragraph 2, of the Charter), Advisory Opinion of 20 July 1962, I.C.J. Reports 1962, 151 (168); Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, 16 (22). Dazu Michael Reisman/Dirk Pulkowski, Nullity in International Law, in: Rüdiger Wolfrum
Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH
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diglich die Vermutung auf, dass eine Maßnahme intra vires und somit auf Grundlage einer entsprechenden Kompetenz ergriffen wurde, nicht aber, dass auch in Bereichen jenseits von Fragen der Kompetenzausübung ergriffene Maßnahmen rechtmäßig sind. Doch im konkreten Fall hatte der IGH auch keinen Anlass, zu dieser Frage Stellung zu beziehen. Darüber hinaus ist kein Grund ersichtlich, weswegen eine solche Rechtmäßigkeitsvermutung nicht auch über die Frage der Kompetenz hinausgehen sollte.701 Jedoch kann – jedenfalls soweit man der Ansicht ist, es gebe ein für die Überprüfung von SR-Resolutionen zuständiges Gericht –702 die Vermutung im konkreten Fall widerlegt werden.703 Zudem stößt sie bei offensichtlich rechtswidrigen Entscheidungen an ihre Grenzen.704 Dazu dürften im Bereich der ultra vires-Akte z.B. Resolutionen des Sicherheitsrats zählen, die sich eindeutig nicht auf eine Friedensbedrohung (Hrsg.), MPEPIL, September 2006, Rn. 22; Michael Fraas, Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Internationaler Gerichtshof, Peter Lang Frankfurt a.M u.a. 1998, 97 f.; Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 113 f. 701
Matthias Herdegen, Review of the Security Council by National Courts: a Constitutional Perspective, in: Erika de Wet/André Nollkaemper (Hrsg.), Review of the Security Council by Member States, 2003, 77 (80). 702
Ob der IStGH als ein solches Gericht angesehen werden kann, wird unten im 9. Kapitel geklärt. 703 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Widerlegung der Rechtmäßigkeitsvermutung grundsätzlich nur für den konkreten Fall, also inter partes, wirksam ist. Ob die Vermutung außerhalb dieser Bindungswirkung weiterhin Geltung zu beanspruchen vermag, kann mangels Relevanz für die Untersuchung an dieser Stelle offen bleiben. 704
Matthias Herdegen, Review of the Security Council by National Courts: a Constitutional Perspective, in: Erika de Wet/André Nollkaemper (Hrsg.), Review of the Security Council by Member States, 2003, 77 (80); vgl. auch Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 112 f. und Rudolf Bernhardt, Ultra Vires Activities of International Organizations, in: Jerzy Makarczyk (Hrsg.), Theory of International Law at the Threshold of the 21st Century. Essays in Honour of Krzysztof Skubiszewski, 1996, 599 (608), wonach evident rechtswidrige Resolutionen keine Bindungswirkung entfalten. Daraus folgt dann zwangsläufig, dass die Vermutung der Rechtmäßigkeit widerlegt wurde.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
stützen können.705 Außerhalb von Kompetenzfragen dürften Resolutionen, bei denen die Feststellung nach Art. 39 VN-Charta fehlt, sowie klare Verstöße gegen ius cogens706, wohl aber auch gegen notstandsfeste Menschenrechte dazu gerechnet werden. Damit kann festgehalten werden, dass (nicht offensichtlich rechtswidrige) Maßnahmen des Sicherheitsrats solange als rechtmäßig gelten, bis die Rechtmäßigkeit von einem zuständigen Spruchkörper widerlegt wird.
B. Rechtsfolgen rechtmäßiger Sicherheitsrats-Maßnahmen gegenüber dem IStGH Rechtmäßige Maßnahmen des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VNCharta sowie solche Maßnahmen, die nach der Rechtmäßigkeitsvermutung als rechtmäßig gelten, sind für Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen gemäß Art. 25 VN-Charta bindend.707 Auf bindende Entscheidungen des Sicherheitsrats wiederum ist Art. 103 VN-Charta anwendbar.708 Dieser lautet: 705 Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (727 Rn. 28), die von einem Entfallen der Bindungswirkung für diesen Fall ausgehen. 706
Matthias Herdegen, Review of the Security Council by National Courts: a Constitutional Perspective, in: Erika de Wet/André Nollkaemper (Hrsg.), Review of the Security Council by Member States, 2003, 77 (80). 707 Dies ergibt sich wohlgemerkt bereits aus der oben zu Beginn des 5. Kapitels vorgenommenen Einschränkung des Untersuchungsgegenstands auf (potenziell) bindende Entscheidungen des Sicherheitsrats. Nicht unterschlagen werden soll an dieser Stelle, dass es durchaus (selbst innerhalb von Kapitel VII VN-Charta) Resolutionen des Sicherheitsrats gibt, die als nicht bindend ausgestaltet sind. Im Rahmen dieser Untersuchung sind jedoch bindende Maßnahmen relevant. Dies gilt insbesondere für Resolutionen, die (neben dem Verweis auf Kapitel VII VN-Charta) mit dem Wort „decides“ versehen wurden. Denn diese Voraussetzungen weisen unmissverständlich auf eine Bindungswirkung der Maßnahme hin, so richtig Michael C. Wood, The Interpretation of Security Council Resolutions, MPYUNL 2 (1998), 73 (82). 708 So auch der IGH in Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Lib-
Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH
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Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus dieser Charta und ihre Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften, so haben die Verpflichtungen aus dieser Charta Vorrang. Art. 103 VN-Charta ordnet also für den Fall eines Konflikts zwischen Verpflichtungen aus der VN-Charta und solchen aus anderen internationalen Übereinkünften ausdrücklich den Vorrang der ersteren an.709 Folglich beanspruchen auch bindende Entscheidungen des Sicherheitsyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Provisional Measures, Order of 14 April 1992, I.C.J. Reports 1992, 3 (15); Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United States of America), Provisional Measures, Order of 14 April 1992, I.C.J. Reports 1992, 114 (126). Ebenso die ganz überwiegende Meinung, siehe statt vieler Rudolf Bernhardt, Article 103, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, 2. Aufl., Bd. II, 2002, 1292 (1295 f. Rn. 9); Jean-Marc Thouvenin, Article 103, in: Jean-Pierre Cot/Alain Pellet/Mathias Forteau (Hrsg.), La Charte des Nations Unies. Commentaire article par article, Bd. II, 3. Aufl. 2005, 2133 (2135). A.A. aber z.B. D. W. Bowett, The Court’s Role in Relation to International Organizations, in: Vaughan Lowe/Malgosia Fitzmaurice (Hrsg.), Fifty Years of the International Court of Justice. Essays in Honour of Sir Robert Jennings, 1996, 181 (191 Fn. 41). 709
Ob Art. 103 VN-Charta auch einen Vorrang der VN-Charta gegenüber Völkergewohnheitsrecht begründet, ist umstritten. Dagegen Hans Fabian Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. Der völkerrechtliche Rahmen für die Verwaltung von Krisengebieten durch die Vereinten Nationen, 2008, 275; Lutz Oette, Die Vereinbarkeit der vom Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN-Charta verhängten Wirtschaftssanktionen mit den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht, Peter Lang Frankfurt a.M. u.a. 2002, 221 f. Dafür Rudolf Bernhardt, Article 103, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. II, 2002, 1292 (1298 f. Rn. 21); Heribert Franz Köck, UN-Satzung und allgemeines Völkerrecht – Zum exemplarischen Charakter von Art. 103 SVN, in Konrad Ginther u.a. (Hrsg.), Völkerrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Realität. Festschrift für Karl Zemanek zum 65. Geburtstag, 1994, 69 (86); David Schweigman, The Authority of the Security Council under Chapter VII of the UN Charter. Legal Limits and the Role of the International Court of Justice, 2001, 196 (der allerdings das gewohnheitsrechtliche Recht der Verträge und ius cogens vom Vorrang nach Art. 103 VN-Charta ausnimmt). Differenzierend Jean-Marc Thouvenin, Article 103, in: Jean-Pierre Cot/Alain Pellet/Mathias Forteau (Hrsg.), La Charte des Nations Unies. Commentaire article par article, Bd. II, 3. Aufl. 2005, 2133 (2140 ff.).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
rats gemäß Art. 103 VN-Charta im Konfliktfall einen Vorrang vor „Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften“.710 Allerdings gelten diese Rechtsfolgen zunächst einmal nur für Staaten. Fraglich ist aber, ob sie auch für den IStGH gelten. Denn bei diesem handelt es sich um eine internationale Organisation.711 So ist der IStGH „ein auf Dauer berechnetes Gebilde“,712 der durch eine „völkerrechtliche Willenseinigung“ – dem Römischen Statut – von mehreren „Staaten“ geschaffen wurde. Die sich „auf der Basis der Gleichheit gegenüber“ stehenden Staaten haben hierbei – unter bestimmten Umständen – zu Gunsten des IStGH auf die „Ausübung souveräner Rechte“, nämlich die nationale Strafverfolgung, verzichtet. Damit wollen die Staaten 710
Umstritten ist, ob Art. 103 VN-Charta bei Konflikten zwischen völkerrechtlichen Verträgen und der VN-Charta selbst zur Nichtigkeit (Geltungsvorrang) oder nur zur vorübergehenden Nichtanwendbarkeit der betroffenen Verpflichtungen (Anwendungsvorrang) führt, vgl. dazu Vera Gowlland-Debbas, Security Council Enforcement Action and Issues of State Responsibility, ICLQ 43 (1994), 55 (88) (für Anwendungsvorrang); Heribert Franz Köck, UNSatzung und allgemeines Völkerrecht – Zum exemplarischen Charakter von Art. 103 SVN, in Konrad Ginther u.a. (Hrsg.), Völkerrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Realität. Festschrift für Karl Zemanek zum 65. Geburtstag, 1994, 69 (92) (für Geltungsvorrang). Unabhängig davon, wie man sich in dieser Frage entscheidet, wird man jedenfalls bei Konflikten zwischen völkerrechtlichen Verträgen und SR-Resolutionen lediglich einen Anwendungsvorrang annehmen müssen, so richtig Rudolf Bernhardt, Article 103, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, 2. Aufl., Bd. II, 2002, 1292 (1296 Rn. 16). 711
So ausdrücklich Ignaz Seidl-Hohenveldern/Gerhard Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 2000, Rn. 2403a; Hans-Peter Kaul, International Criminal Court (ICC), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Januar 2008, Rn. 8. Vgl. auch Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 59; vgl. aber auch den Widerspruch auf S. 117, wo Kurth nur noch davon spricht, der IStGH sei ein „Rechtssubjekt des Völkerrechts, das man mit einer internationalen Organisation gleichsetzen kann.“ Zurückhaltend auch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, 1146, die von einer „Einrichtung mit internationaler Rechtspersönlichkeit“ sprechen. 712
Dieses und die folgenden Kriterien orientieren sich an Ignaz SeidlHohenveldern/Gerhard Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 2000, Rn. 0105. Die folgenden Hervorhebungen befinden sich alle auch im Original.
Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH
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das „völkerrechtlich erlaubte […] Ziel“ erreichen, der Straflosigkeit ein Ende zu setzen. Der IStGH kann nach dem Römischen Statut „einen eigenen Willen“ entwickeln, der sich nicht notwendigerweise mit dem seiner Mitglieder deckt. Zudem ist er mit vertretungsberechtigten „Organ[en]“ ausgestattet und ist gemäß Art. 4 RS „in seinem eigenen Namen Träger von Rechten und Pflichten auf dem Gebiet des Völkerrechts und des innerstaatlichen Rechtes“. Entfalten Resolutionen des Sicherheitsrats die soeben festgestellten Rechtsfolgen auch gegenüber dem IStGH als internationale Organisation? Da es sich bei Gründungsdokumenten internationaler Organisationen – wie dem Römischen Statut – grundsätzlich um internationale Verträge (und damit um „Verpflichtungen“ i.S.v. Art. 103 VN-Charta) von VNMitgliedstaaten handelt, könnte man den Schluss ziehen, dass Art. 103 VN-Charta auch hier problemlos Anwendung findet.713 Dann hätten rechtmäßige Resolutionen des Sicherheitsrats im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta gemäß Art. 103 VN-Charta Vorrang vor Bestimmungen in Gründungsdokumenten internationaler Organisationen. Unstreitig ist Art. 103 VN-Charta auf reine Austauschverträge zwischen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen anwendbar. Doch kann dies auch bei Verträgen gelten, die auf die Gründung einer internationalen Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit gerichtet sind?714 Bei internationalen Organisationen sind nicht mehr die Mitgliedstaaten,715
713
In diesem Sinne Henry G. Schermers/Niels M. Blokker, International Institutional Law, 2003, § 1707. 714
Auf diesen und weitere Unterschiede zu „normalen“ multilateralen Verträgen stellen auch Shabtai Rosenne, Developments in the Law of Treaties 1945-1986, 1989, 181 ff., 243, 256 ff., 243; und Kaye Holloway, Modern Trends in Treaty Law. Constitutional Law, Reservations and the Three Modes of Legislation, Stevens&Sons/Oceana London/Dobs Ferry 1976, 596 f. ab. 715
Dabei soll nicht unterschlagen werden, dass auch im Rahmen von Gründungsdokumenten internationaler Organisationen z.T. die Mitgliedstaaten handelnde Akteure bleiben. Dabei handelt es sich aber in aller Regel um für das operative Geschäft der Organisation weniger relevante Fälle, wie – bezogen auf den IStGH – z.B. Bestimmungen, die sich mit der Versammlung der Mitgliedsstaaten auseinandersetzen oder die auf reinen Austausch ausgerichtet sind (wie z.B. Kapitel 9 RS über die Kooperationspflichten der Vertragsstaaten). Soweit in den letzteren Fällen nur die Staaten durch eine SR-Resolution verpflichtet würden, käme Art. 103 VN-Charta uneingeschränkt zur Anwendung.
218
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
sondern die internationale Organisation und ihre Organe selbst handelnde Personen. Mithin muss der Frage nach der Anwendbarkeit von Art. 103 VN-Charta die Frage vorangestellt werden, ob der Sicherheitsrat auch diese neu entstandene internationale Organisation wirksam verpflichten kann. Nur in diesem Fall wäre Art. 103 VN-Charta auch auf die Organisation anwendbar. Für eine Bindung internationaler Organisationen an Resolutionen des Sicherheitsrats spricht, dass fast alle Staaten der Erde716 Mitglied der Vereinten Nationen und damit an SR-Entscheidungen gebunden sind. Unter diesen Umständen kann es ihnen aber nicht erlaubt sein, eine internationale Organisation zu gründen, die selbst ungebunden bleibt.717 Die VN-Mitgliedstaaten, die durch eine internationale Organisation handeln, dürfen von der VN-Charta nicht anders gestellt sein, als wenn sie außerhalb der internationalen Organisation handeln. Diese „Flucht in die internationale Organisation“ muss vermieden werden.718 Plastisch wird dies an dem Beispiel, dass der Sicherheitsrat Sanktionen erlässt, an welche die VN-Mitgliedstaaten gebunden sind, welche sie über eine internationale Organisation aber umgehen könnten.719 Durch den Beitritt zu den Vereinten Nationen haben die Mitgliedstaaten einer Rechtsordnung zugestimmt, die gegenüber sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen gemäß Art. 103 VN-Charta Vorrang beansprucht. Darin liegt auch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihre
716
Zu den Gebieten, die nicht Mitglied der VN sind, gehören u.a. Taiwan, Vatikanstaat, die Antarktis sowie die Palästinensergebiete. Zu beachten ist, dass die Schweiz zum Zeitpunkt der Unterzeichnung am 18. Juli 1998 sowie der Ratifizierung des Römischen Statuts am 12. Oktober 2001 noch nicht Mitglied der Vereinten Nationen war. Der Beitritt fand erst am 10. September 2002 statt. 717
Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (275 f.); Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 188 f. 718
Albert Bleckmann, Zur Verbindlichkeit des allgemeinen Völkerrechts für internationale Organisationen, ZaöRV 37 (1977), 107 (117 f.). 719
Kathrin Osteneck, Die Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen durch die Europäische Gemeinschaft, 2004, 330 f.
Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH
219
Hoheitsrechte nur in einem Maß auszuüben, das mit der VN-Charta vereinbar ist.720 Ein VN-Mitgliedstaat kann sich im Rahmen eines Gründungsvertrags einer internationalen Organisation nur insoweit zu einer Kompetenzübertragung verpflichten, als dies mit seinen eigenen Pflichten vereinbar ist. Gemäß dem Grundsatz nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet kann kein Staat mehr Rechte auf eine internationale Organisation übertragen, als ihm selbst zustehen.721 Wenn also staatliche Funktionen auf internationale Organisationen übertragen werden, gehen auch die damit verbundenen Verpflichtungen mit über.722 Wenn aber Mitgliedstaaten an die VN-Charta und Maßnahmen des Sicherheitsrats gebunden sind, können sie nicht in wirksamer Weise Kompetenzen auf eine internationale Organisation übertragen, auf Grund derer diese nicht daran gebunden ist.723 Internationale Organisationen wiederum können nur im Rahmen der ihnen wirksam übertragenen Kompetenzen tätig werden. Diese sind aber mit der „Hypothek“ der Bindung an SRResolutionen belastet.724 Zuletzt spricht auch die Rechtsaufassung des Sicherheitsrats selbst dafür, dass seine Resolutionen auch für internationale Organisationen Bindungswirkung entfalten. So hat sich der Sicherheitsrat in der Vergangenheit nicht daran gehindert gesehen, internationale Organisationen unmittelbar als Verpflichtete zu adressieren.725 720
Kathrin Osteneck, Die Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen durch die Europäische Gemeinschaft, Springer Berlin/Heidelberg/New York 2004, 331. 721
August Reinisch, Developing Human Rights and Humanitarian Law Accountability of the Security Council for the Imposition of Economic Sanctions, AJIL 95 (2001), 851 (858). 722
Christoph Schreuer, Die Bindung Internationaler Organisationen an völkerrechtliche Verträge ihrer Mitgliedstaaten, in: Konrad Ginther u.a. (Hrsg.), Völkerrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Realität. Festschrift für Karl Zemanek zum 65. Geburtstag, 1994, 223 (237). 723
Bryan MacPherson, Authority of the Security Council to Exempt Peacekeepers from International Criminal Court Proceedings, in: American Society of International Law (Hrsg.), ASIL Insights 89, Washington D.C. 2002. 724
Kathrin Osteneck, Die Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen durch die Europäische Gemeinschaft, 2004, 331 f. 725
Vgl. z.B. den operativen § 17 S/RES/1333 (2000) vom 19. Dezember 2000: „fordert alle Staaten und alle internationalen und regionalen Organisationen, namentlich die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen, auf, […]
220
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Damit binden rechtmäßige Resolutionen des Sicherheitsrats auch den IStGH.726 Gleichzeitig ist in diesem Rahmen auch der Anwendungsbereich von Art. 103 VN-Charta eröffnet. Ist also eine Maßnahme des Sicherheitsrats mit dem Römischen Statut unvereinbar, so ist dies unerheblich, solange die Maßnahme jedenfalls in der VN-Charta eine wirksame Grundlage findet und keine Grenzen für das Handeln des Sicherheitsrats überschreitet. Die Maßnahme des Sicherheitsrats geht insoweit dieser Maßnahme widersprechenden Verpflichtungen des IStGH oder der Vertragsstaaten aus dem Römischen Statut vor.
streng in Übereinstimmung mit dieser Resolution zu handeln“. Vgl. auch die ähnlichen Formulierungen in den S/RES/1127 (1997) vom 28. August 1997 und 1173 (1998) vom 12. Juni 1998. Weitere Beispiele finden sich bei Rudolf Bernhardt, Article 103, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, 2. Aufl., Bd. II, 2002, 1292 (1300 Rn. 28 f. m.w.N.). Der gleichen Meinung ist auch Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, (299 Rn. 622). 726
Im Ergebnis gleich Richard H. Lauwaars, The Interrelationship between United Nations Law and the Law of Other International Organizations, MichLRev 82 (1984), 1604 (1605 f.); Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)” – Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (275 f.); Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 189; Christoph Schreuer, Die Bindung Internationaler Organisationen an völkerrechtliche Verträge ihrer Mitgliedstaaten, in: Konrad Ginther u.a. (Hrsg.), Völkerrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Realität. Festschrift für Karl Zemanek zum 65. Geburtstag, 1994, 223 (237). Weitere Einwände gegen diese Ansicht entkräftet überzeugend Kathrin Osteneck, Die Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen durch die Europäische Gemeinschaft, 2004, 337 ff.
Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH
221
C. Rechtsfolgen rechtswidriger SicherheitsratsMaßnahmen gegenüber dem IStGH I. Auswirkungen auf die Bindungswirkung und die Anwendbarkeit von Art. 103 VN-Charta Fraglich ist, ob auch rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH Bindungswirkung enfalten. Dagegen könnte man möglicherweise einwenden, dies würde dem IStGH ein Prüfungsrecht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von SR-Maßnahmen einräumen, worunter die Effektivität des Friedenssicherungssystems der Vereinten Nationen leiden würde.727 Doch nach der hier vertretenen Ansicht sind auf Grund der vermuteteten Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit von Maßnahmen des Sicherheitsrats nur solche Maßnahmen rechtswidrig, die entweder offensichtlich rechtswidrig sind, oder deren vermutete Rechtmäßigkeit durch einen zuständigen Spruchkörper wirksam widerlegt wurde.728 Die Prüfung, ob eine SR-Maßnahme offensichtlich rechtswidrig ist, gesteht den Mitgliedstaaten – auf Grund der Offensichtlichkeit des Verstoßes – kein unvertretbares Prüfungsrecht zu. Hinsichtlich der Widerlegung der Rechtmäßigkeit stellt sich die Frage der Effektivität der Maßnahmen des Sicherheitsrats zwar bei der Untersuchung, ob – und falls ja welche – Gerichte befugt sind, eine nicht bereits offensichtliche Rechtswidrigkeit von Resolutionen des Sicherheitsrats festzustellen.729 Dies ist jedoch von der Frage zu trennen, ob eine (von welchem letzten Endes für zuständig befundenen Spruchkörper auch immer) bereits für rechtswidrig erachtete Resolution Bindungswirkung entfaltet.
727
Vgl. Rüdiger Wolfrum, Diskussionsbeitrag, in: Jost Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law Enforcement, 1993, 163; Jost Delbrück, Article 25, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 452 (459 Rn. 17); Georg Dahm, Völkerrecht Bd. II, 1961, 212; Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 228. 728 729
Siehe dazu schon oben 7. Kapitel A.
Die Frage, ob der IStGH zu einer solchen Widerlegung der Rechtmäßigkeit ermächtigt ist, wird im 9. Kapitel geklärt.
222
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Die letzte Frage muss verneint werden:730 Denn die VN-Mitgliedstaaten und die von ihnen gegründeten internationalen Organisationen wie der IStGH können nicht dazu verpflichtet werden, Maßnahmen durchzuführen, die mit der VN-Charta oder mit ius cogens unvereinbar sind. Für die VN-Charta ergibt sich dies aus dem Zusammenspiel von Art. 25 VN-Charta, wonach die Mitglieder der Vereinten Nationen die Beschlüsse des Sicherheitsrats „im Einklang mit dieser Charta“ annehmen und durchführen, und Art. 2 Ziff. 5 VN-Charta, wonach die Mitglieder der VN den VN jeglichen Beistand bei jeder Maßnahme leisten, welche die VN „im Einklang mit dieser Charta“ ergreifen.731 Da Art. 2 Ziff. 5, 2. Hs. VN-Charta zudem ausdrücklich Maßnahmen unter Kapitel VII VN-Charta umfasst, betrifft diese Auslegung auch und gerade solche Maßnahmen des Sicherheitsrats, die unter Kapitel VII VN-Charta erlassen wurden.732 Somit bezieht sich diese Passage auf die Maßnahmen des Sicherheitsrats, was zur Folge hat, dass Staaten und internationale Organisationen nur solche Resolutionen umzusetzen haben, die im Einklang mit der VN-Charta stehen.733 Ein Rechtsakt, der gegen ius cogens verstößt, ist im Völkervertragsrecht gemäß Art. 53 S. 1 WVRÜ nichtig. 730
Ignaz Seidl-Hohenveldern/Gerhard Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 2000, Rn. 1507. Zu diesem Ergebnis tendiert auch Rudolf Bernhardt, Ultra Vires Activities of International Organizations, in: Jerzy Makarczyk (Hrsg.), Theory of International Law at the Threshold of the 21st Century. Essays in Honour of Krzysztof Skubiszewski, 1996, 599 (608); Rudolf Bernhardt, International Organizations, Internal Law and Rules, in: ders. (Hrsg.), EPIL, Bd. II, 1995, 1314 (1316). Dapo Akande, The International Court of Justice and the Security Council: Is There Room for Judicial Control of Decisions of the Political Organs of the United Nations?, ICLQ 46 (1997), 309 (335); vgl. auch Alexandre Kiss, Abuse of Rights, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Dezember 2006, Rn. 2: “There should thus be no confusion between abuse of right and situations where a State acts ultra vires, since in the latter case it has exceeded the limits of its rights, ie it has no right at all.” 731 Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (186 f.). 732
Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (187). 733
Matthias Neuner, The Darfur Referral of the Security Council and the Scope of the Jurisdiction of the International Criminal Court, YrbkIntlHumL 8 (2005), 320 (338); Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (186 f.), jeweils m.w.N.
Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH
223
Für Resolutionen des Sicherheitsrats kann nichts anderes gelten, da eine Aufrechterhaltung der Bindungswirkung dem Charakter des zwingenden Völkerrechts als solchem widersprechen würde. Eine völkerrechtswidrige Maßnahme ohne Bindungswirkung stellt folgerichtig auch keine Verpflichtung aus der VN-Charta im Sinne des Art. 103 VN-Charta dar.734 Demnach ist Art. 103 VN-Charta auf offensichtlich rechtswidrige SR-Maßnahmen und solche, die von einem zuständigen Spruchkörper für rechtswidrig befunden wurden, nicht anwendbar.735 Für den IStGH sind diese Folgen vor allem im Bereich seiner Unabhängigkeit wichtig. Da es sich beim Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten um ein notstandsfestes Prinzip handelt, das auch den Sicherheitsrat absolut bindet, wäre eine Maßnahme des Sicherheitsrats, welche die Unabhängigkeit des IStGH klar verletzt, offensichtlich rechtswidrig und somit für den IStGH nicht bindend. Maßnahmen des Sicherheitsrats, die zur Abänderung einer bindenden Entscheidung eines Gerichts führen würden – wie z.B. die Umwandlung eines Schuld- in einen Freispruch –, wären also auf Grund ihrer Kollision mit der notstandsfesten Unabhängigkeit von Gerichten nicht bindend.736 Folgerichtig ist auch Art. 103 VN-Charta auf derartige Maßnahmen nicht anwendbar.
734
Alexander Orakhelashvili, The Impact of Peremptory Norms on the Interpretation and Application of United Nations Security Council Resolutions, EJIL 16 (2005), 59 (69). 735
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 114. Vgl. auch Rudolf Bernhardt, Article 103, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, 2. Aufl., Bd. II, 2002, 1292 (1296 Rn. 12), wonach Art. 103 VN-Charta auf nichtbindende Entscheidungen des SR nicht anwendbar ist. Hier werden rechtswidrige Entscheidungen als nichtbindend angesehen. 736
Vgl. Erika de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, 343 in Bezug auf den JStGH Susan Lamb, The Powers of the International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia, BYIL LXX (1999), 165 (197); Danesh Sarooshi, The United Nations and the Development of Collective Security. The Delegation by the UN Security Council of its Chapter VII Powers, 1999, 103 f.; José E. Alvarez, Judging the Security Council, AJIL 90 (1996), 1 (11); in Bezug auf den RStGH Roy S. Lee, The Rwanda Tribunal, LJIL 9 (1996), 37 (45).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
II. Auswirkung der Bindungslosigkeit auf rechtmäßige Teile der Resolution Fraglich ist allerdings, ob das Entfallen der Bindungswirkung einer SRMaßnahme und die Nichtanwendbarkeit von Art. 103 VN-Charta in diesem Bereich immer die ganze Resolution betreffen, oder ob einzelne rechtswidrige Teile vom (rechtmäßigen) Rest getrennt werden können. Für die allgemeine Auslegung von SR-Resolutionen hat Wood überzeugend dargelegt, dass hierbei ein Rückgriff auf die Regeln des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens zur Auslegung von Verträgen grundsätzlich möglich ist, solange man die Besonderheiten von SRResolutionen berücksichtigt.737 In seiner Analyse der einzelnen Auslegungsvoraussetzung der Art. 31 ff. WVRÜ kommt er dabei zu dem grundlegenden Ergebnis, dass es Ziel der Auslegung sein sollte, “to give effect to the intention of the Council as expressed by the words used by the Council in the light of the surrounding circumstances.”738 Diese überzeugenden Ergebnisse im Bereich der Auslegung von SR-Resolutionen lassen sich auch auf das Problem der Wirksamkeit von für sich genommenen rechtmäßigen Bestimmungen einer ansonsten rechtswidrigen SR-Resolution übertragen. Für diesen Bereich ordnet Art. 44 WVRÜ an: Artikel 44 WVRÜ: Trennbarkeit von Vertragsbestimmungen […] (2) Ein in diesem Übereinkommen anerkannter Grund dafür, einen Vertrag als ungültig zu erklären […] kann nur hinsichtlich des gesamten Vertrags geltend gemacht werden, sofern in den folgenden Absätzen […] nichts anderes vorgesehen ist. (3) Trifft der Grund nur auf einzelne Bestimmungen zu, so kann er hinsichtlich dieser allein geltend gemacht werden, a) wenn diese Bestimmungen von den übrigen Vertragsbestimmungen getrennt angewendet werden können; b) wenn aus dem Vertrag hervorgeht oder anderweitig feststeht, dass die Annahme dieser Bestimmungen keine wesentliche Grundlage für 737
Michael C. Wood, The Interpretation of Security Council Resolutions, MPYUNL 2 (1998), 73 (85 ff., 95). 738
Michael C. Wood, The Interpretation of Security Council Resolutions, MPYUNL 2 (1998), 73 (95).
Rechtsfolgen von Maßnahmen des Sicherheitsrats gegenüber dem IStGH
225
die Zustimmung der anderen Vertragspartei oder Vertragsparteien war, durch den gesamten Vertrag gebunden zu sein, und c) wenn die Weiteranwendung der übrigen Vertragsbestimmungen nicht unbillig ist. Art. 44 Abs. 3 WVRÜ ermöglicht es grundsätzlich, einzelne rechtmäßige Bestimmungen trotz Rechtswidrigkeit der übrigen Bestimmungen als weiterhin wirksam anzusehen. Einen Rechtsakt nicht sofort für insgesamt nichtig zu erklären, sondern zu prüfen, ob nicht wenigstens einzelne Bestimmungen weitergelten können, ist im Sinne aller Beteiligten und auch im Bereich von SR-Resolutionen wünschenswert. Indem Art. 44 Abs. 3 b) WVRÜ die Fortgeltung der rechtmäßigen Bestimmungen davon abhängig macht, dass diese keine wesentliche Grundlage des ursprünglichen Rechtsakts darstellen, stellt er entscheidend auf die Absicht derjenigen ab, die den Rechtsakt erlassen haben. Dies deckt sich mit dem von Wood propagierten Ergebnis, der Intention des Sicherheitsrats Wirksamkeit zu verleihen.739 Dies bedeutet, dass es auch bei SR-Resolutionen letzten Endes immer auf den jeweiligen Einzelfall ankommt, in dem durch Auslegung ermittelt werden muss, ob der Sicherheitsrat die Maßnahme auch ohne die rechtswidrigen Teile erlassen hätte oder nicht. Nur im ersten Fall ist nach den Wertungen von Art. 44 WVRÜ grundsätzlich eine geltungserhaltende Reduktion der Maßnahme zulässig.740 739
Ebenso wird man bei SR-Resolutionen wohl auch auf Art. 44 Abs. 5 WVRÜ zurückgreifen können, der bei Verstößen einzelner Bestimmungen gegen ius cogens eine Gesamtnichtigkeit des Rechtsakts anordnet. 740
Vgl. auch E. Lauterpacht, The Legal Effect of Illegal Acts of International Organizations, in: R.Y. Jennings, Cambridge Essays in International Law: Essays in Honour of Lord McNair, 1965, 88 (120), darauf hinweist, dass “[t]here appears to be ample authority in international law for the proposition that the illegality or invalidity of an act or of an instrument does not necessarily invalidate the whole of the act or instrument if the part affected by the illegality can be separated from the rest.” Vgl. auch Case of Certain Norwegian Loans, Judgment of July 6th, 1957, Separate Opinion of Judge Sir Hersch Lauterpacht I.C.J. Reports 1957, 34 (55 ff.). A.A. Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 236 Fn. 1029, die der Ansicht ist, die Rechtsfolgen beträfen immer die ganze Resolution. Dies sei aus einem Vergleich zu dem „im deutschen Recht anerkannten Grundsatz des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion im Rahmen von AGBs“ abzuleiten. Was Resolutionen des Sicherheitsrats mit allgemeinen Geschäftsbedingungen im
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
D. Zusammenfassung Nicht offensichtlich rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats gelten solange als rechtmäßig, bis die Rechtmäßigkeit von einem zuständigen Spruchkörper widerlegt wird. In diesem Sinne als rechtmäßig angesehene Resolutionen des Sicherheitsrats binden den IStGH. Zudem gehen solche Resolutionen gemäß Art. 103 VN-Charta widersprechenden Verpflichtungen des IStGH oder der Vertragsstaaten aus dem Römischen Statut vor. Offensichtlich rechtswidrige Maßnahmen und solche, die von einem zuständigen Spruchkörper für rechtswidrig erachtet werden, entfalten hingegen weder für den IStGH noch für die VN-Mitgliedstaaten eine Bindungswirkung. Dabei muss im Einzelfall geprüft werden, ob die ganze Resolution ihre Bindungswirkung verliert, oder ob – unter Berücksichtigung insbesondere des Willens der Urheber der Resolution – der rechtmäßige Teil der Maßnahme weiterhin Bindungswirkung entfalten kann. Art. 103 VN-Charta ist auf nicht bindende Maßnahmen nicht anwendbar.
deutschen Recht zu tun haben sollen, bleibt in ihrer Analyse allerdings unerfindlich.
8. Kapitel: Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß der VN-Charta Im 2. Teil wurde bisher herausgearbeitet, dass rechtmäßige Maßnahmen des Sicherheitsrats den IStGH binden und widersprechenden Verpflichtungen des IStGH aus dem Römischen Statut vorgehen. Unter den so gesteckten Voraussetzungen bleiben Kollisionen von Maßnahmen des Sicherheitsrats mit dem Römischen Statut unbeachtlich. Basierend auf diesem Ergebnis werden nun die bisher nur aus Sicht des Römischen Statuts analysierten Befugnisse des Sicherheitsrats neu bewertet. Diesmal ausgehend von der VN-Charta wird erörtert, ob Konflikte mit dem Römischen Statut beachtlich, oder ob sie durch die Wirkung des Art. 103 VN-Charta unbeachtlich sind. Dafür wird geprüft, ob der Sicherheitsrat sich bei den konkreten Maßnahmen im Rahmen seiner aus der VN-Charta herrührenden Befugnisse bewegt, und ob die dem Sicherheitsrat durch die VN-Charta, ius cogens und den Kernbestand des Verhältnismäßigkeitsprinzips auferlegten Bindungen eingehalten werden. Können beide Fragen bejaht werden, so geht die SRMaßnahme einer entgegenstehenden Verpflichtungen aus dem Römischen Statut vor; wird auch nur eine Frage der beiden verneint, so bleibt der Konflikt mit dem Römischen Statut relevant. In diesem Fall ist die SR-Maßnahme für den IStGH nicht bindend. Zu betonen ist an dieser Stelle, dass das 8. Kapitel das Verhältnis zwischen IStGH und Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta nur von der materiell-rechtlichen Seite her beleuchtet. Die Frage, ob der IStGH überhaupt befugt ist, diese materiell-rechtliche Seite zu prüfen und damit die Vermutung der Rechtmäßigkeit für Akte des Sicherheitsrats zu widerlegen, wird im 9. Kapitel beantwortet.
A. Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats Nachdem das Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats mit Hilfe von Art. 13 lit. b) RS aus Sicht des Römischen Statuts analysiert wurde, folgt nun eine Analyse des Unterbreitungsrechts des Sicherheitsrats aus der Sicht völkerrechtlicher Bestimmungen außerhalb des Römischen Statuts, insbesondere der VN-Charta. Auf diese findet sich in Art. 13 J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_9, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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lit. b) RS selbst ein direkter Verweis. Fraglich ist, ob für ein Handeln des Sicherheitsrats im Rahmen von Art. 13 lit. b) RS die Voraussetzungen von Kapitel VII VN-Charta in vollem Umfang vorliegen müssen (Rechtsgrundverweisung), oder ob durch den Hinweis auf Kapitel VII VN-Charta lediglich eine Handlung aus dem Handlungskatalog des Sicherheitsrats herausgegriffen wird, die zur Unterbreitung führt. Letzteres würde bedeuten, dass der Verweis auf Kapitel VII VN-Charta lediglich die formalen Anforderungen dieses Kapitels umfasst, insbesondere also die Mehrheitserfordernisse und das Vetorecht gemäß Art. 27 Abs. 3 VN-Charta (Rechtsfolgenverweisung). Relevant ist dieser Unterschied für die Frage, ob der Sicherheitsrat im Rahmen einer Unterbreitung eine Friedensbedrohung feststellen muss, oder ob er dem IStGH eine Situation auch ohne eine solche unterbreiten darf. Der Wortlaut des Art. 13 lit. b) RS spricht für das Vorliegen einer Rechtsgrundverweisung. Denn die Formulierung „der nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen tätig wird“ („acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations“) entspricht dem offiziellen Sprachgebrauch des Sicherheitsrats („tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen“; „acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations“) wenn er Entscheidungen im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta trifft und hierfür das Vorliegen einer Friedensbedrohung feststellt. Auch Sinn und Zweck von Art. 13 lit. b) RS unterstützen die Annahme einer Rechtsgrundverweisung. Ruft man sich hier in Erinnerung, dass die Befürworter des Art. 13 lit. b) RS durch eine attraktive Alternative die Einsetzung neuer Ad hoc-Tribunale für die Zukunft verhindern wollten,741 und bedenkt man dann, dass die bestehenden Ad hocTribunale auf Grundlage einer festgestellten Friedensbedrohung eingesetzt wurden, so sollte Gleiches auch für eine Unterbreitung an den IStGH gelten.742 Noch entscheidender ist die Überlegung, dass der Regelfall einer Unterbreitung nach Art. 13 lit. b) RS Situationen in Drittstaaten betreffen dürfte.743 Da die in dem betroffenen Drittstaat begangenen Straftaten dessen nationaler Gerichtsbarkeit unterfallen, stellt ei741
Siehe dazu bereits oben 1. Kapitel A.
742
Ähnlich Corinna Contag, Der Internationale Strafgerichtshof im System Kollektiver Sicherheit, 2009, 105. 743
So betrifft die bisher einzige Unterbreitung nach Art. 13 lit. b) RS die Situation in Darfur/Sudan, der das RS zwar unterzeichnet, nicht aber ratifiziert hat. Siehe hierzu bereits oben 3. Kapitel C.II.
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ne solche Unterbreitung in aller Regel eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Drittstaats dar. An das Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staats ist grundsätzlich aber auch der Sicherheitsrat gebunden. Anders sieht es gemäß Art. 2 Ziff. 7 VNCharta nur dann aus, wenn der Sicherheitsrat im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta tätig wird. Von dieser Bindung des Sicherheitsrats an das Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staats außerhalb von Kapitel VII VN-Charta konnten die Verfasser des Römischen Statuts den Sicherheitsrat nicht befreien.744 Hieraus folgt, dass Art. 13 lit. b) RS zwingend auf sämtliche Voraussetzungen von Kapitel VII VN-Charta verweist und damit eine Rechtsgrundverweisung darstellt.745 Auf Rechtsfolgenebene lässt sich eine Unterbreitung gemäß Art. 13 lit. b) RS unter die nicht-militärischen Maßnahmen nach Art. 41 VNCharta einordnen.746 Art. 42 VN-Charta, der die Grundlage für gewaltsames Handeln bietet, kommt offenkundig nicht in Betracht. Art. 39 VN-Charta als Rechtsgrundlage scheidet angesichts der Tatsache, dass es sich bei einer Unterbreitung nicht um eine bloße Empfehlung handelt, aus.747 Ebensowenig ist Art. 40 VN-Charta einschlägig, da eine Unterbreitung nicht nur eine vorläufige Maßnahme darstellt.
744
Ähnlich Corinna Contag, Der Internationale Strafgerichtshof im System Kollektiver Sicherheit, 2009, 108 f. 745
So im Ergebnis auch Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 90; Pascal Arnold, Der UNO-Sicherheitsrat und die strafrechtliche Verfolgung von Individuen. Die ad hoc Tribunale zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda sowie das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, 1999, 186. 746
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, 1152; Matthias Neuner, The Darfur Referral of the Security Council and the Scope of the Jurisdiction of the International Criminal Court, YrbkIntlHumL 8 (2005), 320 (324); Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (630). 747
Corinna Contag, Der Internationale Strafgerichtshof im System Kollektiver Sicherheit, 2009, 106.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
I. Gerichtsbarkeitsbeschränkungen im Rahmen von SicherheitsratsUnterbreitungen Bereits unter dem Römischen Statut kann der Sicherheitsrat Situationen, die er dem IStGH unterbreitet, zeitlich und örtlich einschränken.748 In Bezug auf personelle Beschränkungen sowie auf Beschränkungen des Verbrechenskatalogs des Art. 5 RS wurde eine solche Befugnis des Sicherheitsrats auf der Grundlage des Römischen Statuts jedoch verneint. Folglich muss geprüft werden, ob dem Sicherheitsrat eine solche Befugnis aus der Sicht der VN-Charta zusteht.
1. Personelle Beschränkung der Unterbreitung Die VN-Charta gesteht dem Sicherheitsrat die Befugnis zu, sich mit Individuen zu befassen, da auch von einzelnen Individuen im Einzelfall Friedensbedrohungen ausgehen können.749 Dann ist aber aus Sicht der VN-Charta kein Grund dafür ersichtlich, warum der Sicherheitsrat seine Unterbreitungen an den IStGH nicht personell beschränken dürfte. Somit kann der Sicherheitsrat eine Unterbreitung auch auf einzelne Personen beschränken oder diese vom Anwendungsbereich einer Unterbreitung ausnehmen.750 Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es dem Ankläger in den Fällen, in denen der IStGH auch unabhängig vom Sicherheitsrat seine Gerichtsbarkeit ausüben kann, jederzeit freisteht, sofort oder später auch gegen die von der Unterbreitung nicht erfassten Personen Ermittlungen einzuleiten.751 748 749
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.I. Siehe dazu oben 5. Kapitel A.V.
750
A.A. Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 539, der zwar die Strafverfolgung einzelner Personen durch den SR für möglich hält, dem SR dann aber unter Berufung auf entgegenstehende Wertungen des Art. 13 lit. b) RS das Recht abspricht, sich dafür des IStGH zu bedienen. Auf einen möglichen Vorrang einer SR-Resolution gegenüber den Wertungen des Römischen Statuts geht Junck aber nicht ein. 751
Vgl. dazu das Vorgehen des Anklägers des IStGH im Fall der Staatenunterbreitung durch die ugandische Regierung. Dieser hatte die Verbrechen sämtlicher Konfliktparteien untersucht, obwohl die Regierung die Unterbreitung auf die Verbrechen der Rebellen begrenzen wollte.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
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Da folglich der Sicherheitsrat auf Grund seiner Befugnisse aus der VNCharta Unterbreitungen auch in personeller Hinsicht beschränken kann, entfaltet eine entsprechende Resolution Vorrang gegenüber Art. 13 lit. b) RS, der derartige Beschränkungen eigentlich ausschließt.
2. Beschränkung der Unterbreitung in Bezug auf den Verbrechenskatalog Ebenso wie personelle Beschränkungen vornehmen darf der Sicherheitsrat auf Grund seiner Befugnisse aus der VN-Charta dem IStGH auch einzelne Verbrechenstatbestände unterbreiten bzw. diese von der Unterbreitung ausnehmen. Denn auch hier steht es im Ermessen des Sicherheitsrats zu entscheiden, ob eine Bedrohung des Weltfriedens gerade von bestimmten Verbrechen ausgeht (die daher vom IStGH verfolgt werden sollen), bzw. ob gerade die Strafverfolgung bestimmter Verbrechen durch den IStGH eine Bedrohung des Weltfriedens hervorrufen würde (weswegen der IStGH diese Verbrechen nicht verfolgen soll). Auch hier kann der Ankläger in den Fällen, in denen der IStGH auch unabhängig vom Sicherheitsrat seine Gerichtsbarkeit ausüben kann, jederzeit frei, sofort oder später auf Grund der von der Unterbreitung nicht erfassten Verbrechen proprio motu Ermittlungen einleiten.
3. Ergebnis Somit darf der Sicherheitsrat eine Unterbreitung sowohl personell als auch hinsichtlich der zu verfolgenden Verbrechen beschränken.
II. Gerichtsbarkeiterweiterungen im Rahmen von SicherheitsratsUnterbreitungen Konnte somit geklärt werden, dass der Sicherheitsrat befugt ist, Unterbreitungen zu beschränken, wird nun ein Blick darauf geworfen, ob er unter der VN-Charta eine Unterbreitung auch erweitern darf.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
1. Erweiterung des Verbrechenskatalogs des Art. 5 RS durch den Sicherheitsrat Hierfür wurde oben deutlich, dass das Römische Statut dem Sicherheitsrat nicht die Befugnis zuerkennt, die im Römischen Statut enthaltenen Kernverbrechen zu erweitern oder ganz neue Tatbestände aufzunehmen.752 Fraglich ist, ob dem Sicherheitsrat unter Kapitel VII VNCharta ein solches Recht zusteht. Vorwegzuschicken sind dieser Diskussion zunächst zwei Dinge. So kann es hier aufgrund des notstandsfesten – und eventuell auch zum Bestand des ius cogens gehörenden –753 nullum crimen-Grundsatzes erstens nur um solche Verbrechenstatbestände gehen, die bereits völkergewohnheitsrechtlich anerkannt sind. Zweitens kann der Sicherheitsrat keinesfalls losgelöst von einer konkreten Friedensbedrohung dem IStGH in abstrakt-genereller Weise die Verfolgung eines noch nicht im Römischen Statut enthaltenen Verbrechens erlauben. Denn hierbei würde es sich um eine legislative Tätigkeit des Sicherheitsrats handeln, die nach der hier vertretenen Ansicht nicht von den Befugnissen des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VN-Charta gedeckt wäre.754 Folglich kann sich hier nur die Frage stellen, ob der Sicherheitsrat dem IStGH im Rahmen einer konkreten Friedensbedrohung, z.B. im Zuge einer (konkreten) Unterbreitung, ermöglichen kann, ein völkergewohnheitsrechtlich anerkanntes, aber nicht im Römischen Statut enthaltenes Verbrechen zu verfolgen bzw. ein im Römischen Statut enthaltenes Verbrechen entsprechend völkergewohnheitsrechtlicher Anerkennung zu verändern. Dass solche Maßnahmen die Voraussetzungen von Kapitel VII VNCharta erfüllen, ist durchaus möglich. So ist es z.B. vorstellbar, dass eine Region den zunehmenden, grenzüberschreitenden Drogenhandel nicht in den Griff bekommt und es dadurch zu einer Bedrohung des Welt752
Siehe oben 1. Kapitel A.II.1.
753
Für den ius cogens-Status des nullum crimen-Grundsatzes Erika de Wet, Human Rights Limitations to Economic Enforcement Measures Under Article 41 of the United Nations Charter and the Iraqi Sanctions Regime, LJIL 14 (2001), 277 (286); Joan F. Hartman, Working Paper for the Committee of Experts on the Article 4 Derogation Provision, HumRtsQ 7 (1985), 85 (114). Dagegen Lauri Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law: Historical Development, Criteria, Present Status, 1988, 442. 754
Siehe dazu schon oben 5. Kapitel B.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
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friedens kommt. Unter solchen Umständen wäre eine Inanspruchnahme des IStGH, derartige Verbrechen755 zu verfolgen, gemessen am Maßstab der Willkürprüfung unter Kapitel VII VN-Charta sicherlich erforderlich. Da eine solche Maßnahme sich auch auf eine konkrete Situation bezöge, handelte es sich auch nicht um einen legislativen Akt des Sicherheitsrats. Diese Überlegungen sprechen folglich für eine entsprechende Befugnis des Sicherheitsrats, dem Römischen Statut im konkreten Fall weitere Verbrechen hinzuzufügen. Dies wird gestützt durch die inzwischen nahezu unstreitig anerkannte Befugnis des Sicherheitsrats, Ad hoc-Tribunale einzurichten.756 Auch hier ermöglichte der Sicherheitsrat einem strafrechtlichen Tribunal, bestimmte Verbrechen zu verfolgen. Ein Verstoß gegen die Unabhängigkeit von Gerichten läge durch eine Verbrechenserweiterung nicht vor. Solange der Sicherheitsrat dem IStGH lediglich ermöglicht und nicht verpflichtend auferlegt, neue Verbrechen zu verfolgen, ist die gerichtliche Unabhängigkeit hier nicht tangiert. Denn hier wird nicht von außen auf ein Verfahren Einfluss genommen, mit dem Ziel, das Ergebnis entscheidend zu beeinflussen. Im Gegenteil werden hier sogar die Gerichtsbarkeit und damit die Strafverfolgungsmöglichkeiten des IStGH erweitert. Der IStGH kann, muss aber nicht unter Zuhilfenahme des neuen Verbrechenstatbestands tätig werden. Will der Sicherheitsrat den IStGH hingegen zu einer Verfolgung des neuen Verbrechens verpflichten, so wäre dies mit dem Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten unvereinbar. Die Entscheidung darüber, welche konkreten Verbrechen verfolgt werden sollen und welche nicht, liegt allein bei den Organen des IStGH, in allererster Linie des Anklägers. Alles andere wäre eine nach dem Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten unerlaubte Einflussnahme mit dem Ziel, das Ergebnis eines Verfahrens entscheidend zu beeinflussen. 755
Drogenhandel wurde im Zuge der Verhandlungen des Römischen Statuts zwar als der Gerichtsbarkeit des IStGH unterliegendes Verbrechen vorgeschlagen, letztlich aber nicht als solches aufgenommen, siehe dazu schon oben 1. Kapitel A.II.1. 756
Vgl. dazu nur Andreas Zimmermann, Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: Pierre-Marie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (683).
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Aus Sicht der VN-Charta wäre eine Befugnis des Sicherheitsrats, dem IStGH zu ermöglichen, auch im Römischen Statut nicht vorgesehene Verbrechen zu verfolgen, also durchaus denkbar. Wie bereits untersucht, gestattet jedoch das Römische Statut dem IStGH nicht die Anwendung neuer Verbrechenstatbestände.757 Stattdessen steht nach Art. 121 RS der Versammlung der Vertragsstaaten das alleinige Recht zu, über die Aufnahme neuer Verbrechenstatbestände zu entscheiden. Da aber eine bloße „Ermöglichungs“-Resolution des Sicherheitsrats gerade keine Bindungswirkung entfaltete, wäre ihr gegenüber dem Römischen Statut auch keine Vorrangswirkung auf Basis von Art. 103 VN-Charta zuzusprechen. Somit könnte der Sicherheitsrat zwar dem IStGH ermöglichen, auch im Römischen Statut nicht vorgesehene Verbrechen zu verfolgen – der IStGH wäre aber auf Grund des Römischen Statuts daran gehindert, diese Befugnis auszuüben.758
2. Ausweitung der Gerichtsbarkeit des IStGH auf vor Inkraftreten des Römischen Statuts begangene Verbrechen Im Folgenden gilt es zu untersuchen, ob der Sicherheitsrat dazu befugt ist, die Gerichtsbarkeit des IStGH auf die Zeit vor dem 1. Juli 2002 auszuweiten. Das Römische Statut sieht keine Möglichkeit für den Sicherheitsrat vor, die zeitliche Gerichtsbarkeit auf den Zeitraum vor Inkrafttreten des Römischen Statuts auszuweiten.759 Rechtliche Gründe, die gegen eine solche Befugnis des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VN-Charta sprechen, sind hingegen bis auf eine Ausnahme nicht ersichtlich. So besteht zwar grundsätzlich die Gefahr eines Verstoßes gegen das nullum crimen sine lege-Prinzip. Doch der Großteil der im Römischen Statut enthaltenenen Kernverbrechen stellt bereits Völkergewohnheitsrecht dar und
757
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.II.1.
758
Im Ergebnis gleich Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Can the Security Council extend the ICC’s jurisdiction?, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 571 (572); Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn 591. 759
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.II.3.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
235
wäre als solches auch vor jedem anderen Gericht verfolgbar.760 Folglich wäre dem nullum crimen-Grundsatz durch eine Beschränkung der Unterbreitung auf völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbrechen ausreichend genüge getan. Mithin könnte der Sicherheitsrat auf Grund seiner Befugnisse aus Kapitel VII VN-Charta dem IStGH ermöglichen, auch Verbrechen zu verfolgen, die vor Inkrafttreten des Römischen Statuts begangen worden sind.761 Wie im vorangegangenen Abschnitt entfaltete aber auch eine solche bloße „Ermöglichungs“-Resolution des Sicherheitsrats weder Bindungswirkung gegenüber dem IStGH, noch Vorrangswirkung gegenüber dem Römischen Statut. Letzteres verbietet dem IStGH aber die Verfolgung von Verbrechen, die vor der Gründung des IStGH begangen worden sind.762 Somit wäre der IStGH auch hier auf Grund des Römischen Statuts daran gehindert, die aus der SR-Resolution folgende Befugnis auszuüben.
3. Personelle Erweiterung der Unterbreitung Aus den gleichen Gründen, aus denen bereits eine Befugnis des Sicherheitsrats unter der VN-Charta, Unterbreitungen in personeller Hinsicht zu beschränken, bejaht wurde, sind unter der VN-Charta auch personelle Erweiterungen einer Unterbreitung zulässig.
4. Ergebnis Somit kann der Sicherheitsrat dem IStGH unter Kapitel VII VNCharta zwar ermöglichen, auch solche Verbrechen zu verfolgen, die im Römischen Statut nicht vorgesehenen sind und/oder vor dem 1. Juli 760
Vgl. dazu Art. 10 RS: Dieser Teil ist nicht so auszulegen, als beschränke oder berühre er bestehende oder sich entwickelnde Regeln des Völkerrechts für andere Zwecke als diejenigen des Statuts. Zum völkergewohnheitsrechtlichen Gehalt des Römischen Statuts ausführlich Stefanie Bock/Lydia Preis, Strafbarkeit nach Völkergewohnheitsrecht oder Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot? – Drittstaatsangehörige vor dem IStGH, HuV-I (20) 2007, 148-155. Vgl. auch schon oben 1. Kapitel A.V.1. 761
Vgl. Eugênio José Guilherme da Aragao, Ein internationaler Strafgerichtshof für den Irak?, HuV-I 16 (2003), 22. 762
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.II.3.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
2002 begangen wurden. Der IStGH wäre aber auf Grund des Römischen Statuts nicht befugt, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Hingegen darf der Sicherheitsrat Unterbreitungen in personeller Hinsicht erweitern.
III. Befugnisse und Pflichten des Sicherheitsrats und des IStGH nach einer Unterbreitung Im Folgenden soll untersucht werden, welche Änderungen der Sicherheitsrat im Nachhinein an einer Unterbreitung vornehmen darf und welche Pflichten für den IStGH daraus entstehen. In diesem Rahmen ist fraglich, ob der Sicherheitsrat zur Aufhebung einer Unterbreitung befugt ist (1.) und ob er unter bestimmten Umständen zu einer solchen Aufhebung sogar verpflichtet ist (2.).
1. Befugnis des Sicherheitsrats zur Aufhebung einer Unterbreitung Der Sicherheitsrat ist zur Aufhebung seiner Kapitel VII-Resolutionen befugt.763 Gleiches gilt somit auch für seine Unterbreitungsresolutionen. Kommt der Sicherheitsrat also zu dem Schluss, dass er die Unterbreitung nicht (mehr) als geeignet zur Friedenssicherung ansieht, kann er sie jederzeit aufheben.
2. Pflicht des Sicherheitsrats zur Aufhebung einer Unterbreitung bei Wegfall der Voraussetzungen von Kapitel VII VN-Charta Dies wirft die Frage auf, ob der Sicherheitsrat zu einer solchen Aufhebung für den Fall, dass die Voraussetzungen von Kapitel VII VNCharta wegfallen, sogar verpflichtet ist. Wie oben gesehen, ist der Sicherheitsrat verpflichtet, eine Kapitel VII-Resolution aufzuheben, wenn die zugrundeliegende Friedensbedrohung wegfällt.764 Dies gilt auch für Unterbreitungen an den IStGH. Für diese rechtfertigt sich dies auch aus der folgenden Überlegung heraus: Würde man keine Aufhebungsverpflichtung annehmen, so wäre bereits die Rechtmäßigkeit einer SR-
763 764
Siehe dazu oben 5. Kapitel A.VI. Siehe dazu oben 5. Kapitel A.VII.
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Unterbreitung als solcher in Zweifel zu ziehen. Denn eine Grenze des Handelns des Sicherheitsrats stellt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit dar; insbesondere müssen die Maßnahmen des Sicherheitsrats zur Friedensbewahrung bzw. -wiederherstellung erforderlich sein. Dann würde aber die Einsetzung eines Ad hoc-Tribunals, das mit der Beendigung der Aufarbeitung eines konkreten Konflikts tatsächlich seine Arbeit beenden würde, sich immer als milderes, weniger einschneidendes Mittel erweisen als eine Unterbreitung an den IStGH.765 Zu erinnern ist allerdings auch an dieser Stelle an das weite Ermessen, das dem Sicherheitsrat in diesem Bereich zusteht. Insoweit gibt die Praxis des Sicherheitsrats im Zusammenhang mit JStGH und RStGH interessante Einblicke in die Ausübung des Ermessens durch den Sicherheitsrat. So hat dieser z.B. auch nach der Beendigung des Konflikts im ehemaligen Jugoslawien den JStGH aufrecht erhalten.766 Durch die Abwicklungsstrategien (Completion Strategies) wird den beiden Tribunalen zudem vorhersehbar Zeit gegeben, ihre Verfahren abzuschließen. Anhängige Verfahren können und sollen in diesem Rahmen zu einem Ende gebracht werden. Selbst auslaufende Mandate von (sowohl ständigen als auch ad litem-) Richtern wurden immer wieder verlängert, um diesen die Gelegenheit zu geben, begonnene Prozesse zu Ende zu führen.767 Dadurch wird deutlich, dass der Sicherheitsrat die Durchsetzung von gerichtlicher Gerechtigkeit auch nach dem Ende des bewaffneten Konflikts noch als Mittel zur Friedenswiederherstellung ansieht.768
765
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 567. 766
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 572. 767 Vgl. z.B. S/RES/1581 (2005) vom 18. Januar 2005; S/RES/1837 (2008) vom 29. September 2008. 768
Vgl. dazu auch Prosecutor v. Joseph Kanyabashi, Decision on the Defence Motion on Jurisdiction, Trial Chamber (18. Juni 1997), abrufbar unter http:// 69.94.11.53/default.htm (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 26: “[C]essation of the atrocities of the conflict does not necessarily imply that international peace and security had been restored, because peace and security cannot be said to be re-established adequately without justice being done.”
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Entscheidet der Sicherheitsrat sich – mit oder ohne entsprechende Verpflichtung – zur Aufhebung einer Unterbreitung, so muss er diese ebenfalls unter Kapitel VII VN-Charta verabschieden.769 Was die Auswirkungen der Aufhebung einer Unterbreitung auf die Aktivitäten des IStGH angeht, so ist diese in den Fällen, in denen der IStGH seine Gerichtsbarkeit auch auf Initiative des Anklägers eröffnen darf, nicht weiter relevant. Denn der Ankläger kann in diesem Fall jederzeit auf eigene Initative hin weiter ermitteln. Hingegen darf der Ankläger in den Situationen, über die der IStGH nur auf Grund der SRResolution Gerichtsbarkeit erlangt hat, mangels Gerichtsbarkeitsgrundlage keine weiteren neuen Fälle eröffnen.
3. Pflicht des IStGH zur Einstellung seiner auf Grundlage einer Sicherheitsrats-Unterbreitung aufgenommenen Arbeit, nachdem der Sicherheitsrat die Unterbreitung wieder aufgehoben hat Fraglich ist hingegen, was mit den Fällen passiert, die der Ankläger des IStGH auf Grundlage der Unterbreitung bereits vor deren Aufhebung eingeleitet hatte. Muss der IStGH auch hier seine Aktivitäten einstellen? Grundsätzlich entfällt mit der Aufhebung der Unterbreitungsresolution die Rechtsgrundlage für eine Strafverfolgung durch den IStGH im Hinblick auf die vormals unterbreitete Situation. Die Einstellung auch bereits anhängiger Verfahren erscheint konsequent.770 Fraglich ist jedoch, ob eine so weitgehende Folge noch mit dem Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten vereinbar ist. Dagegen könnte ein Vergleich mit dem IGH sprechen:771 So erklärt der IGH die Rücknahme einer Unterwerfungserklärung ab dem Moment für unbeachtlich, in
769
Siehe dazu bereits oben 5. Kapitel A.VIII.
770
Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 206, Rn. 562. 771
Mohamed M. El Zeidy, The Legitimacy of Withdrawing State Party Referrals and Ad Hoc Declarations Unter the Statute of the ICC, in: Carsten Stahn/Göran Sluiter (Hrsg.), The Emerging Practice of the International Criminal Court, 2009, 55 (75 ff.), der sich allerdings nur auf StaatenUnterbreitungen bezieht. Die Unabhängigkeit des IStGH spielt bei El Zeidy zudem keine Rolle.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
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dem der IGH wirksam mit einem konkreten Streit befasst wird.772 Fraglich ist jedoch, ob eine Unterbreitung an den IStGH mit der Streitbefassung vor dem IGH vergleichbar ist. Dagegen spricht, dass eine Unterbreitung viel eher als mit einer konkreten Klageerhebung mit der der Klage zugrundeliegenden Unterwerfungserklärung unter die Gerichtsbarkeit des IGH zu vergleichen ist. Denn beide versetzen die Gerichtshöfe in die Lage, sich grundsätzlich mit den Situationen zu befassen. Konkret wird die Situation aber erst dann, wenn der Ankläger Ermittlungen gegen konkrete Individuen beginnt – dieses Vorgehen erst ist dann mit der Klageerhebung vor dem IGH vergleichbar. Genauso wie die Rücknahme einer staatlichen Unterwerfungserklärung führt also die Aufhebung einer Unterbreitung durch den Sicherheitsrat dazu, dass die Gerichtshöfe keine Grundlage mehr für weitere Ermittlungen haben. Bildlich gesprochen dürfen Staaten dem IGH und der Sicherheitsrat dem IStGH die Gerichtsbarkeit, die sie zuvor erst unterbreitet hatten, genauso auch wieder wegnehmen – jedenfalls solange keine konkreten Fälle betroffen sind. Denn unter dieser Voraussetzung verlieren die Gerichtshöfe durch dieses Vorgehen im Gesamtergebnis letzten Endes nichts.773 Folglich kann der Sicherheitsrat Verfahren zurückziehen, solange sie noch nicht beim IStGH anhängig sind. Bereits anhängige Verfahren hingegen darf der IStGH zu einem Ende bringen, selbst wenn der Sicherheitsrat zwischendurch die ursprüngliche Unterbreitungsresolution aufhebt.
772
Nottebohm case (Preliminary Objections) Judgment of November 18th, 1953, I.C.J. Reports 1953, 111 (122); Case concerning Right of Passage over Indian Territory (Preliminary Objections), Judgment of November 26th, 1957, I.C.J. Reports 1957, 125 (142); Military and Paramilitary Activities in und against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, Judgment. I.C.J. Reports 1986, 14 (28 f. Rn. 36); vgl. auch IAGMR Constitutional Court Case, Competence, Judgment (24 September 1999), Ser. C 55, Rn. 24. Siehe auch bereits oben 6. Kapitel C.I.3.b.aa. 773
Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Verhalten des SR im Rahmen der Abwicklungsstrategien (Completion Strategies) hinsichtlich der Ad hocTribunale, denen die nötige Zeit gegeben wird, um alle anhängigen Verfahren abzuschließen. Die noch nicht anhängigen Fälle fielen bisher zwar unter die Gerichtsbarkeit der Ad hoc-Tribunale; ihr Verweis an die nationalen Strafgerichtsbarkeiten stellt aber keine Kollision mit der Unabhängigkeit der Ad hocTribunale dar.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Somit dürfte der Sicherheitsrat z.B. Resolution 1593 aufheben. Die Fälle, in denen der Ankläger bereits Ermittlungen begonnen hat, blieben davon jedoch unberührt. Einfluss auf diese Fälle könnte der Sicherheitsrat folglich nur noch mit einer Resolution auf Grundlage von Art. 16 RS nehmen.
4. Nachträgliche Beschränkungen einer Unterbreitung Unter Berücksichtigung des soeben erreichten Ergebnisses, dass der Sicherheitsrat eine Unterbreitung sogar ganz zurücknehmen kann, ist es ihm auch möglich, eine Unterbreitung nachträglich zeitlich, örtlich, personell und in Bezug auf den Verbrechenskatalog einzuschränken774 – allerdings auch hier nur unter der Prämisse, dass diese Eingrenzung keinen Einfluss auf laufende Verfahren nimmt.
5. Ergebnis Damit ist der Sicherheitsrat zur Aufhebung einer Unterbreitung grundsätzlich befugt, im Falle des Wegfalls der ursprünglichen Friedensbedrohung sogar dazu verpflichtet. Die Aufhebung einer Unterbreitung hat allerdings lediglich auf noch nicht beim IStGH anhängige Fälle Einfluss. Anhängige Fälle darf der IStGH in jedem Fall bis zum Ende fortsetzen. In zeitlicher, örtlicher und personeller Hinsicht sowie in Bezug auf Art. 5 RS darf der Sicherheitsrat eine Unterbreitung auch nachträglich noch eingrenzen.
774
So auch Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 561.
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IV. Das Komplementaritätsprinzip im Rahmen von SicherheitsratsUnterbreitungen 1. Pflicht des Sicherheitsrats zur Beachtung des Komplementaritätsprinzips Aus dem Römischen Statut kann im Falle von Unterbreitungen keine Pflicht des Sicherheitsrats zur Überprüfung des Willens und der Fähigkeit des betroffenen Staates hergeleitet werden.775 Möglicherweise exisitiert eine solche Pflicht aber aus der Sicht der VN-Charta, nämlich mittelbar über die Voraussetzung der Erforderlichkeit einer Maßnahme unter Kapitel VII VN-Charta. So könnte eine Unterbreitung in den Fällen, in denen der betroffene Staat selbst ermittelt, als nicht erforderlich im Sinne von Kapitel VII VN-Charta angesehen werden. Dies legen die Regelungen zum Komplementaritätsprinzip im Römischen Statut und die Konkurrenzregeln in den Statuten von RStGH und JStGH zunächst auch nahe.776 Denn darin kann man die Tendenz auf internationaler Ebene erkennen, die Tätigkeit internationaler Strafgerichte nur dann zuzulassen, wenn ein Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, innerstaatliche Strafverfahren unabhängig und unparteiisch durchzuführen.777 Allerdings ist hieraus noch lange nicht der Schluss zu ziehen, Unwillen oder Unfähigkeit seien auch dann erforderlich für eine internationale Strafverfolgung, wenn der Sicherheitsrat tätig wird. Nur weil die bestehenden strafrechtlichen Instanzen auf internationaler Ebene entsprechende – und sich dann nicht einmal deckende –778 Regelungen vorse775
Siehe oben 1. Kapitel A.IV.1.
776
Pascal Arnold, Der UNO-Sicherheitsrat und die strafrechtliche Verfolgung von Individuen. Die ad hoc Tribunale zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda sowie das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, 1999, 282; Christoph Junck, Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Vorbedingungen und Auslösemechanismen nach dem Römischen Statut vom 17. Juli 1998, 2006, Rn. 555. 777
Pascal Arnold, Der UNO-Sicherheitsrat und die strafrechtliche Verfolgung von Individuen. Die ad hoc Tribunale zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda sowie das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, 1999, 282. 778
Während die Statuten von JStGH und RStGH eine konkurrierende Zuständigkeit mit den nationalen Gerichten vorsehen, sieht das Römische Statut einen Vorrang der nationalen Strafgerichtbarkeit vor.
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hen, folgen daraus noch lange keine den Sicherheitsrat bindenden Maßstäbe. Stattdessen muss die Frage an den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit gemessen werden, die für den Sicherheitsrat gelten.779 Dafür gilt, dass dem Sicherheitsrat im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung des Kapitel VII VN-Charta ein sehr weitgehender Ermessensspielraum zusteht. Die Annahme des Sicherheitsrats, dass in einer Situation durch den IStGH besser, reibungsfreier und effektiver ermittelt werden könne als durch (grundsätzlich strafverfolgungswillige und -fähige staatliche) Verfolgungsorgane hält grundsätzlich einer solchen Willkürprüfung stand. Alleine schon die dem IStGH innewohnende Objektivität und Unparteilichkeit dient im Vergleich mit möglicherweise weniger unparteiischen staatlichen Verfolgungsorganen im Zweifel eher der Friedenssicherung als die bloße nationale Strafverfolgung.780 Folglich ist an der grundsätzlichen Erforderlichkeit einer SR-Unterbreitung auch dann nicht zu zweifeln, wenn sich der betroffenen Staat selbst als willens und fähig zur Strafverfolgung erweist.781 Aus diesem Grund hat der Sicherheitsrat auch aus Sicht der VN-Charta nicht die Aufgabe, vor einer Unterbreitung gemäß Art. 13 lit. b) RS zu prüfen, ob der betroffene Staat willens oder in der Lage ist, eigene strafrechtliche Ermittlungen anzustellen.
2. Befugnis des Sicherheitsrats, das Komplementaritätsprinzip für unbeachtlich zu erklären Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Sicherheitsrat das Komplementaritätsprinzip für unbeachtlich erklären kann. Das Komplementaritätsprinzip findet im Rahmen von SR-Unterbreitungen gemäß Art. 13 lit. b) RS Anwendung, soweit der Sicherheitsrat
779
Siehe dazu oben 6. Kapitel B.III.
780
Dies kann im Einzelfall natürlich anders aussehen; insofern kommt es dann auf den jeweils konkreten Fall an. 781
Sollte auch der IStGH zu dem Ergebnis kommen, dass der Staat willens und fähig zur Strafverfolgung ist, so wird er die Strafverfolgung nach dem auch im Rahmen von SR-Unterbreitungen anwendbaren Komplementaritätsprinzip (siehe dazu oben 1. Kapitel A.IV.2.) ohnehin wieder an den Staat zurückverweisen.
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nichts anderes bestimmt.782 Fraglich ist aber, ob der Sicherheitsrat überhaupt dazu befugt ist, etwas anderes zu bestimmen. Dafür könnte sprechen, dass der Sicherheitsrat auch das inzwischen nahezu unbestrittene783 Recht hat, Ad hoc-Tribunale einzurichten.784 Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass die bloße Befugnis des Sicherheitsrats, Ad hoc-Tribunale mit vorrangiger Zuständigkeit einzurichten, dem Sicherheitsrat noch nicht die Befugnis gibt, sich in die Geschicke des IStGH als selbständiges Völkerrechtssubjekt einzumischen. Der Aktionsradius des IStGH ist durch das Römische Statut fixiert, und daran hat sich grundsätzlich auch der Sicherheitsrat zu halten.785 Handelt der Sicherheitsrat nämlich mittels einer Institution, kann vermutet werden, dass er dies im Rahmen der Kompetenzschranken der zuhilfe genommenen Institution tut, soweit er nichts Anderweitiges verfügt. Dies kann aber nicht so weit gehen, dass dem Sicherheitsrat generell die Möglichkeit genommen wird, über diese Schranken hinauszugehen. Nicht das Überschreiten von Grenzen stellen Grenzen des Handelns des Sicherheitsrats dar – vielmehr muss analysiert werden, ob eine der oben herausgearbeiteten Grenzen dem Sicherheitsrat im konkreten Fall Einhalt gebietet. Für den konkreten Fall sind dabei zwei Geschehensabläufe denkbar:786 Erstens könnte der Sicherheitsrat feststellen, dass ein oder mehrere Staaten sich aus seiner Sicht als unfähig und/oder nicht willens zur eigenen Strafverfolgung erwiesen haben und dem IStGH gleichzeitig un782 783
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.IV.2. Siehe dazu bereits oben 8. Kapitel A.II.1.
784
Andreas Zimmermann, Die Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofes. Perspektiven und Probleme vor der Staatenkonferenz in Rom, ZaöRV 58 (1998), 47 (94). 785
Jörg Meißner, Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nach dem Römischen Statut, 2003, 105 f.; Héctor Olásolo, The Triggering Procedure of the International Criminal Court, 2005, 96 f. 786
Zum Folgenden Andreas Zimmermann, Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: Pierre-Marie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (686 f.).
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mittelbar auferlegen, aus diesem Grund auf die Komplementaritätsprüfung zu verzichten. Zweitens könnte der Sicherheitsrat den VNMitgliedstaaten auferlegen, ihr eigentlich vorrangiges Strafverfolgungsrecht nicht auszuüben. Die zweite Variante begegnet dabei keinen größeren Bedenken. Insbesondere würde sie den Voraussetzungen von Kapitel VII VN-Charta gerecht: So ist durchaus vorstellbar, dass der Sicherheitsrat die mangelnde gerichtliche Aufarbeitung einer Situation durch den betroffenen Staat als Friedensbedrohung ansieht und daraus den Schluss zieht, dass der IStGH sich nicht mit einer möglicherweise lange andauernden Komplementaritätsprüfung herumschlagen soll, mit deren Hilfe der betroffene Staat monatelang seine Bürger vor Strafverfahren vor dem IStGH schützen könnte.787 Somit steht dem Sicherheitsrat die Befugnis zu, einzelnen oder allen Staaten aufzuerlegen, auf ihr vorrangiges Strafverfolgungsrecht zu verzichten.788 Prozessual gesehen würde in einem solchen Fall das Kom787 Vgl. dazu allein die Situation im Sudan, wo immer wieder vorgebracht wurde, die Beschuldigten würden im Sudan selbst verfolgt. Sämtliche dieser offiziellen Ankündigungen haben sich bisher als leere Versprechungen herausgestellt, die offenbar nur dazu benutzt wurden, um Zeit zu gewinnen; vgl. dazu auch Jakob Pichon, The Principle of Complementarity in the Cases of the Sudanese Nationals Ahmad Harun and Ali Kushayb before the International Criminal Court, ICLR 8 (2008), 185 ff. 788
So im Ergebnis auch Andreas Zimmermann, Die Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofes. Perspektiven und Probleme vor der Staatenkonferenz in Rom, ZaöRV 58 (1998), 47 (94); ders., Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: PierreMarie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (687 f.); Theresa Steinberger-Fraunhofer, Internationaler Strafgerichtshof und Drittstaaten. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Position der USA, 2008, 224; Louise Arbour/Morten Bergsmo, Conspicious Absence of Jurisdictional Overreach, in: Herman A.M. von Hebel/Johan G. Lammers/Jolien Schukking, Reflections on the International Criminal Court, 1999, 129 (139 f.); Michael A. Newton, Comparative Complementarity: Domestic Jurisdiction Consistent with the Rome Statute of the International Criminal Court, MilLRev 167 (2001), 20 (49); wohl auch Claus Kreß, Der Internationale Strafgerichtshof und der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, in: Eberhard Kempf/Gabriele Jansen/Egon Müller (Hrsg.), Festschrift für Christian Richter II – Verstehen und Widerstehen, 2006, 319 (329 Fn. 35); vgl.
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plementaritätsprinzip zwar weiter Anwendung finden, d.h. Anfechtungen auf der Grundlage des Komplementaritätsprinzips wären weiterhin denkbar, und auch die Vorverfahrenskammer könnte weiterhin proprio motu über das Komplementaritätsprinzip entscheiden. Materiellrechtlich gesehen könnte eine solche Anfechtung oder Prüfung aber nicht zum Erfolg führen,789 solange die Staaten sich an die Verpflichtung des Sicherheitsrat halten.790 Einschlägig wäre dann jedes Mal Art. 17 Abs. 1a) RS, da der betroffene Staat durch die SR-Verpflichtung rechtlich nicht in der Lage wäre, die betroffenen Personen selbst strafrechtlich zu verfolgen.791 Fraglich ist, ob auch die erste Variante (Sicherheitsrat stellt Unfähigkeit/Unwilligkeit fest und erlegt dem IStGH auf, auf eine eigene Prüfung zu verzichten) rechtmäßig ist. Wäre sie rechtmäßig, so würde eine entsprechende SR-Resolution gemäß Art. 103 VN-Charta Vorrang gegenüber den Verpflichtungen aus dem Römischen Statut genießen und damit den IStGH im konkreten Fall von der Pflicht zur Beachtung des Komplementaritätsprinzips befreien. auch Rosanna Lipscomb, Restructuring the ICC Framework to Advance Transitional Justice: a Search for a Permanent Solution in Sudan, ColumLRev 106 (2006), 182 (201). Mit gleichem Ergebnis, aber ohne Begründung Katherine L. Doherty/Timothy L. H. McCormack, “Complementarity” as a Catalyst for Comprehensive Domestic Penal Legislation, University of California Davis Journal of International Law & Policy 5 (1999), 147 (152). 789
Xabier Agirre u.a., Informal Expert Paper: The Principle of Complementarity in Practice, ICC-OTP 2003, Rn. 70 Fn. 29. Hingegen könnten Anfechtungen der Zulässigkeit auf der Grundlage des ne bis in idem-Prinzips (Art. 17 Abs. 1 c RS) sowie einer unzureichenden Schwere der Sache (Art. 17 Abs. 1 d RS) auch materiell-rechtlich gesehen weiterhin Erfolg haben, vgl. ibid. 790 Andreas Zimmermann, Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: Pierre-Marie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (688) weist darauf hin, dass ein Staat, der entgegen der SR-Resolution dennoch eigene Ermittlungen aufnimmt, durch den Estoppel-Grundsatz daran gehindert sei, sich auf das Komplementaritätsprinzip zu berufen. 791
Vgl. auch Claus Kreß, Der Internationale Strafgerichtshof und der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, in: Eberhard Kempf/Gabriele Jansen/Egon Müller (Hrsg.), Festschrift für Christian Richter II – Verstehen und Widerstehen, 2006, 319 (329 Fn. 35).
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Gegen die Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme könnte die Unabhängigkeit des IStGH sprechen.792 Denn durch sein Eingreifen verwandelte der Sicherheitsrat möglicherweise eine unzulässige in eine zulässige Sache793 und würde so doch erheblichen Einfluss auf den IStGH nehmen. Jedoch zeigt ein Blick auf den Inhalt des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten, dass dessen Anwendungsbereich hier gar nicht betroffen wäre. Indem der Sicherheitsrat die vorrangige Zuständigkeit der staatlichen Verfolgungsinstanzen ausschließt, greift er nicht von außen in das Verfahren vor dem IStGH ein, um auf Entscheidungen des IStGH und seiner Organe Einfluss zu nehmen. Im Gegenteil: Hier erweitert der Sicherheitsrat sogar den Handlungsspielraum des IStGH und ermöglicht ein schnelleres Verfahren, da der IStGH keine Ressourcen für die Ermittlung abstellen muss, ob die nationale Strafverfolgung funktioniert oder nicht. Einfluss auf den Fortgang der einzelnen Verfahren nimmt der Sicherheitsrat aber nicht. Hier sind es nach wie vor die Organe des IStGH, denen die Letztentscheidungsbefugnis verbleibt. Wohl aber würde der Sicherheitsrat in dieser Variante eine letztverbindliche gerichtliche Entscheidung treffen, was nach den oben aufgestellten Maßstäben794 auf Ausnahmen beschränkt bleiben muss und nur dort angewandt werden darf, wo dies für die Ausübung der Polizeifunktion des Sicherheitsrats unerlässlich ist. Gemessen an diesen Maßstäben läge hier wohl eine ungerechtfertige gerichtliche Maßnahme des Sicherheitsrats vor. Denn da der Sicherheitsrat ja die rechtmäßige zweite Variante zur Auswahl hat, handelt es sich bei der ersten Variante nicht um eine unerlässliche Maßnahme. Dagegen könnte man einwenden, es sei wenig einsichtig, eine an die Mitgliedstaaten adressierte Resolution als rechtmäßig anzusehen, eine 792
John T. Holmes, Complementarity: National Courts versus the ICC, in: Antonio Cassese/Paolo Gaeta/John R.W.D. Jones (eds), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Oxford University Press Oxford 2002, Bd. 1, 667 (683); Frank Hoffmeister/Sebastian Knoke, Das Vorermittlungsverfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof – Prüfstein für die Effektivität der neuen Gerichtsbarkeit im Völkerstrafrecht, ZaöRV 59 (1999), 785 (798). 793
Frank Hoffmeister/Sebastian Knoke, Das Vorermittlungsverfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof – Prüfstein für die Effektivität der neuen Gerichtsbarkeit im Völkerstrafrecht, ZaöRV 59 (1999), 785 (798). 794
Siehe dazu oben 5. Kapitel C.
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an den IStGH adressierte Resolution mit inhaltlich dem gleichen Ergebnis aber nicht. Doch wenn in der zweiten Variante auch faktisch die Entscheidung vorbestimmt ist, verbleibt die gerichtliche Entscheidung hier vollständig beim IStGH. Zudem schließt diese Vorbestimmung nicht aus, dass ein betroffener Staat z.B. entgegen einer Resolution des Sicherheitsrats dennoch eigene Verfahren aufnimmt. In einem solchen Fall wäre der IStGH auf Grund des Komplementaritätsprinzips daran gehindert, ein Verfahren aufzunehmen oder fortzuführen. In der ersten Variante hingegen – ihre Rechtmäßigkeit an dieser Stelle unterstellt – entfiele jeglicher eigener Einfluss des IStGH. In diesem Punkt unterscheiden sich die beiden Varianten folglich durchaus, so dass es nicht zwingend ist, beide auch gleich zu behandeln. Mithin wäre ein Handeln des Sicherheitsrats gemäß der ersten Variante eine ungerechtfertigte gerichtliche Maßnahme.795 Somit ist lediglich die zweite Variante rechtmäßig unter der VN-Charta. Folglich kann der Sicherheitsrat das Komplementaritätsprinzip zwar durch eine an die betroffenen Staaten, nicht aber durch eine an den IStGH gerichtete Resolution für unbeachtlich erklären.796 Richtet der Sicherheitsrat eine entsprechende Resolution an die Staaten und kommen diese ihren Pflichten nach, so müsste der IStGH mangels verfolgungsbereiten Staats die konkrete Sache – jedenfalls nach dem Komplementaritätsprinzip – für zulässig erklären. Hält sich jedoch ein Staat nicht an die Vorgaben der SR-Resolution und verfolgt den konkreten Fall selbst, so wäre der IStGH gehalten, die Sache auf Grundlage des Komplementaritätsprinzips für unzulässig zu erklären. Da die SR-Resolution 1593 keine ausdrückliche Verpflichtung des Sudan oder anderer Staaten enthält, gegenüber dem IStGH auf die Geltendmachung ihres vorrangigen Strafverfolgungsrechts zu verzichten,
795
Ebenso Héctor Olásolo, The Triggering Procedure of the International Criminal Court, 2005, 96 f., der aber auf Art. 2 Abs. 3 BA abzustellen scheint. Gemäß dieser Bestimmung “[t]he United Nations and the Court respect each other’s status and mandate.” 796
A.A. Andreas Zimmermann, Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: Pierre-Marie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (686 ff.), der beide Varianten für rechtmäßig hält.
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bleibt es bei den Rechtswirkungen, die das Römische Statut anordnet. Somit findet das Komplementaritätsprinzip im Fall Sudan Anwendung.
3. Ergebnis Auch aus der VN-Charta ergibt sich somit keine Pflicht des Sicherheitsrats, vor einer Unterbreitung gemäß Art. 13 lit. b) RS zu prüfen, ob der betroffene Staat willens oder in der Lage ist, eigene strafrechtliche Ermittlungen anzustellen. Durch eine an die betroffenen Staaten, nicht aber durch eine an den IStGH gerichtete Resolution kann der Sicherheitsrat das Komplementaritätsprinzip für unbeachtlich erklären.
V. Besonderheiten bei Unterbreitungen von Situationen in einem Nichtvertragsstaat Inhalt des folgenden Abschnitts ist es, aus der Sicht der völkerrechtlichen Instrumente jenseits des Römischen Statuts auf die Besonderheiten von denjenigen Situationen einzugehen, die sich auf Nichtvertragsstaaten beziehen.
1. Verfolgung von völkergewohnheitsrechtlich nicht anerkannten Verbrechenstatbeständen durch den IStGH auf Basis einer Unterbreitung durch den Sicherheitsrat Im Rahmen einer Unterbreitung von Situationen in Nichtvertragsstaaten darf der IStGH, soweit die Verfolgung Angehörige von Nichtvertragsstaaten betrifft, nur völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbrechen verfolgen.797 Fraglich ist, ob der Sicherheitsrat den IStGH von dieser Beschränkung ausdrücklich befreien kann. Da der Sicherheitsrat unter Kapitel VII VN-Charta nicht an Vertragsrecht gebunden ist, stünde einer solchen Aufhebung des im Römischen Statut niedergelegten Rückwirkungsverbots nichts im Wege. Allerdings gehört der nullum crimen-Grundsatz, wie gesehen, zu den notstandsfesten Rechten, unter Umständen gar zum zwingenden Völkerrecht798 und stellt folg-
797 798
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.V.1. Siehe dazu oben 8. Kapitel A.II.1.
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lich eine auch für den Sicherheitsrat unüberwindbare Grenze dar.799 Folglich besteht die Beschränkung des IStGH auf die Verfolgung völkergewohnheitsrechtlicher Verbrechen bei Unterbreitungen in Drittstaaten in jedem Fall. Der IStGH ist damit im Rahmen einer SR-Unterbreitung von Situationen in einem Nichtvertragsstaat immer auf die Verfolgung völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Verbrechen beschränkt, so weit Angehörige von Nichtvertragsstaaten betroffen sind.
2. Anwendbarkeit von Immunitäten von Amtsträgern aus Nichtvertragsstaaten im Rahmen von Sicherheitsrats-Unterbreitungen Der Ausschluss der funktionellen Immunität bei der Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen durch internationale Strafgerichte ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt – der Ausschluss der persönlichen Immunität möglicherweise aber nicht.800 Daraus folgt, dass der Ausschluss der funktionellen Immunität auch im Rahmen von SRUnterbreitungen unproblematisch Anwendung findet. Zu klären ist aber, was diesbezüglich für den Ausschluss der persönlichen Immunität gilt. Dabei muss in Erinnerung gerufen werden, dass hier vermutet wird, dass der Sicherheitsrat grundsätzlich die Kompetenzschranken derjenigen Institution berücksichtigt, derer er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient. Unterbreitet er also dem IStGH eine Situation und bestimmt er nichts Gegenteiliges, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Regeln des Römischen Statuts – und damit auch der vollständige Art. 27 Abs. 2 RS – Anwendung finden.801 Allerdings kann Art. 27 Abs. 2 RS nur dann auch im Rahmen von SR-Unterbreitungen Anwen-
799 Vgl. auch Christian Tomuschat, Ein Internationaler Strafgerichtshof als Element einer Weltfriedensordnung, Europa-Archiv 49 (1994), 61 (65), wonach das Statut des JStGH bewusst darauf verzichtet hat, selbst eine Strafbarkeit festzulegen, da der SR an die Grundregel nullum crimen, nulla poena sine lege gebunden sei. 800 801
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.V.2.
So auch Robert Uerpmann-Wittzack, Immunität vor internationalen Strafgerichten, AVR 44 (2006), 33 (42).
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dung finden, wenn der Sicherheitsrat keine der oben aufgezeigten Grenzen überschreitet.802 Eine Kollision könnte sich hier mit der Souveränität des Nichtvertragsstaats ergeben, da dieser der Aufhebung der Immunität seiner Amtsträger ja gerade nicht zugestimmt hat. Beim Ausschluss der funktionellen Immunität kann dieser Mangel – wie gesehen – durch die Geltung des Ausschlusses als Völkergewohnheitsrecht ausgeglichen werden. Beim Ausschluss der persönlichen Immunität steht diese Brücke jedoch dann nicht zur Verfügung, wenn man den Ausschluss der persönlichen Immunität vor internationalen Strafgerichten nicht als völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ansieht. Wie oben allerdings auch aufgezeigt,803 werden gemäß Art. 2 Ziff. 7 VN-Charta Maßnahmen unter Kapitel VII VN-Charta vom Verbot, in innere Angelegenheiten eines Staates einzugreifen, ausdrücklich nicht berührt.804 Auf seine Souveränität könnte sich der Nichtvertragsstaat gegen Maßnahmen des Sicherheitsrats also nicht erfolgreich berufen. Der Anwendbarkeit eines Ausschlusses der persönlichen Immunität im Wege stehen könnte jedoch das nullum crimen-Prinzip. Denn immerhin würde eine solche Anwendbarkeit auf Amtsträger aus Nichtvertragsstaaten dazu führen, dass diese für eine Tat bestraft würden, für die sie normalerweise Immunität genießen würden. Es ließe sich also argumentieren, durch die Unterbreitung des Sicherheitsrats würden diese Amtsträger für etwas bestraft, für das sie ohne Unterbreitung nicht bestraft worden wären. Da die Unterbreitung aber erst nach Begehung der Tat(en) vorgenommen wurde,805 stand diese Bestrafung zum Zeitpunkt der Tat noch nicht fest. Diese auf den ersten Blick durchaus nachvollziehbare Argumentation geht am Kern des nullum crimen-Grundsatzes jedoch vorbei. Denn bei 802 803
Vgl. zu den Bindungen des SR oben 6. Kapitel. Vgl. dazu oben 6. Kapitel A.I.
804
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (934). 805 Dieser Halbsatz zeigt, dass diese Argumentation nicht anwendbar ist auf Fälle, in denen ein Amtsträger nach Unterbreitung durch den SR ein Verbrechen begeht. Hier wäre der Ausschluss der Immunität bereits vor der Tat klar gewesen, so dass das nullum crimen-Prinzip auf diesen Fall von vornherein nicht anwendbar sein kann.
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diesem geht es lediglich um die Frage, ob „das fragliche Verhalten zur Zeit der Tat den Tatbestand eines […] Verbrechens erfüllt.“806 Es wird also nur danach gefragt, ob das Verhalten alle materiellrechtlichen Strafverfolgungserfordernisse erfüllt. Nicht in Rede stehen hingegen mögliche prozessuale Hindernisse, wie eben z.B. die persönliche Immunität. Folglich kommt es gemäß dem nullum-crimen-Grundsatz lediglich darauf an, dass der Täter mit seiner Handlung einen bereits festgelegten Verbrechenstatbestand erfüllt hat; dass er in diesem Zusammenhang möglicherweise auf seine persönliche Immunität vertraute, ist für den nullum crimen-Grundsatz hingegen nicht von Bedeutung.807 Weitere mögliche Grenzen des Handelns des Sicherheitsrats sind an dieser Stelle nicht ersichtlich. Auch spricht nichts gegen die Einschätzung des Sicherheitsrats, der Ausschluss der Immunität gerade der höchsten Amtsträger eines Staates sei in einer solchen Situation für die Wiederherstellung des Weltfriedens erforderlich. Somit sind auch die Voraussetzungen des Kapitel VII VN-Charta erfüllt. Folglich lässt sich zusammenfassen, dass Art. 27 Abs. 2 RS vollständig auch auf Amtsträger aus Nichtvertragsstaaten anwendbar ist, soweit dem IStGH die zugrundeliegende Situation durch den Sicherheitsrat unterbreitet worden ist, dies selbst dann, wenn der Sicherheitsrat die Geltung von Art. 27 Abs. 2 RS nicht ausdrücklich anordnet. Somit können sich auch die sudanesischen Amtsträger Harun808 und alBashir vor dem IStGH auf keine Immunität berufen. Dabei wird das oben erörterte Argument, dass sich der Sicherheitsrat grundsätzlich an das Gefüge der internationalen Organisation zu halten hat, derer er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient, im konkreten Fall auch dadurch untermauert, dass erstens zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Resolution 1593 bereits abzusehen war, dass die Verbrechen in Darfur von der höchsten Staatsführung (mit-) verantwortet wurden und dass der Sicherheitsrat zweitens mit den Angehörigen von Friedenstruppen aus Nichtvertragsstaaten andere Personen ja ausdrücklich vom Anwen-
806
So Art. 22 Abs. 1 RS.
807
Ebensowenig einschlägig ist der nulla poena-Grundsatz, da die persönliche Immunität nichts mit den angedrohten Strafen zu tun hat. 808
Die Frage, ob Harun als Staatssekretär überhaupt grundsätzlich die persönliche Immunität genießen würde, kann hier somit dahin stehen, siehe hierzu schon oben 4. Kapitel C.II.
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dungsbereich der Resolution ausgenommen hat.809 Es hätte also nahe gelegen, dass der Sicherheitsrat im Fall al-Bashir ebenso vorgegangen wäre, hätte er nicht gewollt, dass gegen den sudanesischen Präsidenten ermittelt wird.
3. Befugnis des Sicherheitsrats, die Weitergeltung persönlicher Immunitäten anzuordnen Da der Sicherheitsrat grundsätzlich zu personellen Beschränkungen einer Unterbreitung befugt ist,810 kann er auch die Weitergeltung persönlicher Immunitäten anordnen. Denn in welcher Weise der Sicherheitsrat die personelle Beschränkung ausübt, ist unerheblich. So kann er bestimmte Personen von seiner Unterbreitung an den IStGH ausnehmen, oder aber bestimmten Personen eine Immunität gewähren. Folglich kann er im Rahmen einer Unterbreitung auch anordnen, dass der IStGH bestehende Immunitäten von Amtsträgern aus Nichtvertragsstaaten unangetastet lässt. Unter Hinweis auf die Befugnis zu personellen Beschränkungen lässt sich ebenso auch die Frage beantworten, ob der Sicherheitsrat erst eine Situation unterbreiten, und später persönliche Immunitäten wieder aufleben lassen kann. Dies ist zulässig, so lange der Sicherheitsrat damit keinen Einfluss auf laufende Verfahren nimmt.
4. Auswirkungen des Ausschlusses der persönlichen Immunitäten gegenüber dem IStGH auf die Auslieferungsverpflichtung der Vertragsstaaten Zuletzt stellt sich die Frage, welche Auswirkungen der Ausschluss der persönlichen Immunitäten gegenüber dem IStGH auf die Auslieferungsverpflichtung der Vertragsstaaten hat. Zwar wurde soeben festgestellt, dass Amtsträger zumindest im Rahmen einer SR-Unterbreitung vor dem IStGH – unbeschadet anderer Anordnungen durch den Sicherheitsrat – keine Immunität genießen. Ein völkergewohnheitsrecht809
Helmut Kreicker, Der Präsident des Sudan vor dem Internationalen Strafgerichtshof – ein Verstoß gegen das Völkerrecht? Überlegungen zur völkerrechtlichen Immunität von Staatsoberhäuptern anlässlich des Haftbefehlsantrages gegen Omar al-Bashir, HuV-I21 (2008), 157 (161 f.). 810
Siehe dazu oben 8. Kapitel A.I.1.
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licher Ausschluss der persönlichen Immunität im Rahmen der Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen durch nationale Gerichte wird aber ganz überwiegend abgelehnt.811 Somit stellt sich die Frage, ob andere Staaten als der Heimatstaat eines gesuchten Amtsträgers aus einem Nichtvertragsstaat diesen Amtsträger überhaupt an den IStGH ausliefern dürfen. Denn grundsätzlich untersagt eine Immunität jegliche Ausübung von Hoheitsgewalt.812 Rechtshilfemaßnahmen wie die Auslieferung stellen aber eine Ausübung von Hoheitsgewalt dar.813 Allerdings könnte möglicherweise Art. 27 Abs. 2 RS so ausgelegt werden, dass der dort niedergelegte Immunitätsausschluss auch nationale Rechtshilfemaßnahmen umfasst. Dafür könnte sprechen, dass andernfalls der Immunitätsausschluss von Art. 27 Abs. 2 RS möglicherweise regelmäßig ins Leere liefe, da kaum ein Staatsoberhaupt freiwillig vor dem IStGH erscheinen werde, die dann umso nötiger erscheinenden Rechtshilfemaßnahmen aber an der Immunität scheitern würden.814 Zudem könnte man erwägen, Rechtshilfemaßnahmen einzelner Staaten zu Gunsten des IStGH hätten einen anderen Charakter als Maßnahmen, die allein im Rahmen nationaler Strafverfolgungen erfolgen. Bei solchen Hilfstätigkeiten sitze ein Staat nicht über einen anderen zu Ge811
Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), Judgment, I.C.J. Reports 2002, 3 (Rn. 58); Helmut Kreicker, Der Präsident des Sudan vor dem Internationalen Strafgerichtshof – ein Verstoß gegen das Völkerrecht? Überlegungen zur völkerrechtlichen Immunität von Staatsoberhäuptern anlässlich des Haftbefehlsantrages gegen Omar al-Bashir, HuV-I 21 (2008), 157 (160) m.w.N. 812
Helmut Kreicker, Der Präsident des Sudan vor dem Internationalen Strafgerichtshof – ein Verstoß gegen das Völkerrecht? Überlegungen zur völkerrechtlichen Immunität von Staatsoberhäuptern anlässlich des Haftbefehlsantrages gegen Omar al-Bashir, HuV-I21 (2008), 157 (163); ders., Immunität und IStGH. Zur Bedeutung völkerrechtlicher Exemtionen für den Internationalen Strafgerichtshof, ZIS 7 (2009), 350 (365). 813
Boris Burghardt/Julia Geneuss, Der Präsident und sein Gericht. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs über den Erlass eines Haftbefehls gegen Al Bashir, ZIS 7 (2009), 126 (140). 814
Boris Burghardt/Julia Geneuss, Der Präsident und sein Gericht. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs über den Erlass eines Haftbefehls gegen Al Bashir, ZIS 7 (2009), 126 (140); Claus Kreß/Kimberly Prost, Article 98, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1601 (1607 Rn. 14, 1612 f. Rn. 23).
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richt, ein Verstoß gegen die souveräne Gleichheit der Staaten läge nicht vor.815 Dagegen spricht aber der Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 RS, wonach Immunität lediglich „den Gerichtshof nicht an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über eine solche Person“ hindern. Von Maßnahmen der Staaten ist dort keine Rede. Und selbst wenn man dieser These dennoch folgen mag, so kann sie jedenfalls nur auf Staatsoberhäupter von Vertragsstaaten Anwendung finden. Denn für eine Anwendung dieser These auf Staatsoberhäupter von Nichtvertragsstaaten müsste sie völkergewohnheitsrechtlich anerkannt sein, wofür sich jedoch kein Rückhalt in der Völkerrechtspraxis findet.816 Somit bringt selbst eine extensive Auslegung von Art. 27 Abs. 2 RS keine Lösung für das Problem, dass Staaten einem gegen Staatsoberhäupter aus Nichtvertragsstaaten gerichteten Rechtshilfeersuchen des IStGH auf Grund der Immunität ratione personae grundsätzlich nicht Hilfe leisten dürfen. Letzlich helfen über dieses Problem aber die Wirkungen der Unterbreitungsresolution des Sicherheitsrats hinweg. Die dem IStGH durch den Sicherheitsrat übertragene Aufgabe, die in einer bestimmten Situation begangenen Verbrechen zu ahnden, kann nur erfüllt werden, wenn die einzelnen Staaten mit dem IStGH kooperieren und insbesondere die Haftbefehle vollstrecken. Unter diesen Umständen muss die Unterbreitungsresolution also dahingehend interpretiert werden, dass Immunitäten im Rahmen der Kooperation mit dem IStGH unbeachtlich sind.817 Eine solche Interpretation ist jedenfalls so lange möglich, als die Unterbreitungsresolution die VN-Mitgliedsstaaten gleichzeitig zur Koopera815
Boris Burghardt/Julia Geneuss, Der Präsident und sein Gericht. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs über den Erlass eines Haftbefehls gegen Al Bashir, ZIS 7 (2009), 126 (141). 816
Helmut Kreicker, Immunität und IStGH. Zur Bedeutung völkerrechtlicher Exemtionen für den Internationalen Strafgerichtshof, ZIS 7 (2009), 350 (365 Fn. 129). 817
Claus Kreß/Kimberly Prost, Article 98, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1601 (1613 Rn. 24); Helmut Kreicker, Der Präsident des Sudan vor dem Internationalen Strafgerichtshof – ein Verstoß gegen das Völkerrecht? Überlegungen zur völkerrechtlichen Immunität von Staatsoberhäuptern anlässlich des Haftbefehlsantrages gegen Omar al-Bashir, HuVI21 (2008), 157 (163).
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tion mit dem IStGH aufruft. Ob sie allerdings auch dann aufrecht erhalten werden kann, wenn der Sicherheitsrat die Staaten nicht zur Kooperation mit dem IStGH auffordert, ist zweifelhaft. Zwar kann vermutet werden, dass der Sicherheitsrat sich grundsätzlich an das Gefüge derjenigen Institutionen hält, derer er sich für die Friedenssicherung bedient. Allerdings trägt selbst das Römische Statut in Art. 98 Abs. 1 RS818 der Problematik Rechnung, dass Immunitäten der Kooperationsverpflichtung im Wege stehen können. Somit lässt sich in diesem Bereich nicht sagen, dass der dem Römischen Statut naturgemäß zugrundeliegende Zustand derjenige der vollen Kooperation ist, der jede Immunität für unbeachtlich erklärt. Mithin wird man eine ausdrückliche Kooperationsverpflichtung fordern müssen, um Immunitäten auch für Auslieferungen unbeachtlich zu erklären. Dabei ist zu betonen, dass eine solche Kooperationsverpflichtung sowohl für Nichtvertragsstaaten als auch für Vertragsstaaten erforderlich ist. Denn letztere sind zwar durch das Römische Statut bereits zur Kooperation mit dem IStGH verpflichtet. Diese Verpflichtung überwindet aber nicht ein entgegenstehendes Immunitätshindernis. Über dieses kann nur die Wirkung einer entsprechenden SR-Resolution hinweghelfen. Liegt eine ausdrückliche Kooperationsverpflichtung durch den Sicherheitsrat vor, so muss der betreffende Staat einem Rechtshilfeersuchen des IStGH nachkommen. Fraglich ist aber, was passiert, wenn ein Staat um Rechtshilfe ersucht wird, der durch den Sicherheitsrat nicht zur Kooperation mit dem IStGH verpflichtet wurde. Der Wortlaut des Art. 98 Abs. 1 RS verbietet dem IStGH in einem solchen Fall zwar ein Rechtshilfeersuchen. Er gewährt einem von einem insofern rechtswidrigen Ersuchen betroffenen Staat aber nicht die eigenmächtige Verweigerung der Rechtshilfe. Die alleinige Entscheidungskompetenz über das Vorliegen einer Immunität liegt somit beim IStGH. Der betroffene Staat kann stattdessen gemäß Regel 195 RPE819
818 819
Zum Wortlaut von Art. 98 Abs. 1 RS siehe oben 4. Kapitel C.I.1. Regel 195 Abs. 1 RPE lautet:
“Provision of information When a requested State notifies the Court that a request for surrender or assistance raises a problem of execution in respect of article 98, the requested State shall provide any information relevant to assist the Court in the application of article 98. Any concerned third State or sending State may provide additional information to assist the Court.”
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nur auf seine abweichende Rechtsauffassung hinweisen und zur Not die Rechtmäßigkeit des Ersuchens anfechten.820 In der Situation in Darfur hat der Sicherheitsrat bis heute außer den unmittelbar am Darfur-Konflikt beteiligten Konfliktparteien821 im Anwendungsbereich der Unterbreitung keinen weiteren Staat zur Kooperation mit dem IStGH aufgefordert. Daraus folgt, dass der IStGH an diese weiteren Staaten gemäß Art. 98 Abs. 1 RS kein Rechtshilfeersuchen hätte stellen dürfen. Sollte ein Staat sich auf die entgegenstehende Immunität al-Bashirs gegenüber seinen Rechtshilfemaßnahmen berufen, so müsste er gemäß Regel 195 RPE die Rechtmäßigkeit des Ersuchens anfechten, dürfte aber nicht selbständig die Rechtshilfe unter Berufung auf die Immunität verweigern.
5. Ergebnis Der IStGH ist folglich im Rahmen einer SR-Unterbreitung von Situationen in einem Nichtvertragsstaat immer auf die Verfolgung völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Verbrechen beschränkt, so weit Angehörige von Nichtvertragsstaaten betroffen sind. Auf Immunitäten können sich Angehörige aus Nichtvertragsstaaten hingegen unter keinen Umständen berufen – es sei denn, der Sicherheitsrat lässt dies ausdrücklich zu. Im Bereich der Kooperation mit – insbesondere der Überstellung an – den IStGH dürfen sich diejenigen Staaten, die der Sicherheitsrat im Rahmen einer Unterbreitung (nicht notwendig in der Unterbreitungsresolution selbst) zur Kooperation mit dem IStGH verpflichtet, nicht auf entgegenstehende Immunitäten berufen. Hingegen ist die persönliche Immunität in den Staaten, die der Sicherheitsrat nicht zur Kooperation verpflichtet hat, bei allen Akten nationaler Hoheitsgewalt beachtlich.
820
Dapo Akande, International Law Immunities and the International Criminal Court, AJIL 98 (2004), 407 (431); Jörg Meißner, Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nach dem Römischen Statut, 2003, 121. 821
Dass die Resolution damit auch nichtstaatliche Akteure (die Rebellengruppen) adressiert, ist aus Sicht der VN-Charta rechtmäßig, siehe dazu oben 5. Kapitel A.V.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
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VI. Zusammenfassung Somit lässt sich für das Unterbreitungsrecht des Sicherheitsrats auf Grundlage der VN-Charta Folgendes zusammenfassen: Der Sicherheitsrat darf eine Unterbreitung sowohl personell als auch hinsichtlich der zu verfolgenden Verbrechen beschränken, dies auch nachträglich. Zudem kann der Sicherheitsrat dem IStGH unter Kapitel VII VN-Charta zwar ermöglichen, auch solche Verbrechen zu verfolgen, die im Römischen Statut nicht vorgesehenen sind und/oder die zeitlich vor dem 1. Juli 2002 begangen wurden. Der IStGH wäre aber auf Grund des Römischen Statuts nicht befugt, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Hingegen darf der Sicherheitsrat Unterbreitungen in personeller Hinsicht erweitern. Zur Aufhebung von Unterbreitungen ist der Sicherheitsrat grundsätzlich befugt, im Falle des Wegfalls der ursprünglichen Friedensbedrohung sogar verpflichtet. Eine solche Aufhebung hat allerdings lediglich auf noch nicht beim IStGH anhängige Fälle Einfluss. An das Komplementaritätsprinzip ist der Sicherheitsrat selbst nicht gebunden. Durch eine an die betroffenen Staaten gerichtete Resolution kann er mittelbar den IStGH von der Beachtung des Komplementaritätsprinzips entbinden. Auf Immunitäten können sich auch Angehörige von Nichtvertragsstaaten vor dem IStGH nicht berufen. Soweit der Sicherheitsrat Staaten zur Kooperation mit dem IStGH verpflichtet, können auch diese sich im Hinblick auf die Überstellung an den IStGH nicht auf Immunitäten berufen. Nichtvertragsstaats-Angehörige dürfen lediglich auf Grund völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Verbrechen vom IStGH verfolgt werden.
B. Aufschubrecht des Sicherheitsrats I. Vereinbarkeit des Aufschubrechts des Sicherheitsrats mit dem Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten Man könnte Zweifel daran haben, ob das Aufschubrecht des Sicherheitsrats mit dem Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten vereinbar ist. Denn in der Kompetenz des Sicherheitsrats, Ermittlungen und Strafverfolgung durch den IStGH zu unterbrechen, liegt durchaus ein
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erhebliches Störungspotenzial durch ein politisches Organ. Jedoch sorgt ein Verfahrensaufschub lediglich für eine vorübergehende Unterbrechung und Verschiebung des gerichtlichen Verfahrens. Die Unparteilichkeit des Gerichts bleibt erhalten; das Verfahren als solches, insbesondere sein Ausgang, wird nicht entscheidend verändert. Somit bleibt die Unabhängigkeit des IStGH unberührt. Anders könnte die Situation aber dann aussehen, wenn der strafrechtlich Verfolgte sich zum Zeitpunkt des Aufschubs bereits in Untersuchungshaft befindet und der Verfahrensaufschub im konkreten Fall so ausgelegt wird, dass der IStGH zur Entlassung des Beschuldigten verpflichtet wird.822 Denn diese Entscheidung könnte durchaus das Potenzial haben, unmittelbar Einfluss auf das Verfahrensergebnis zu nehmen. So beruht die Entscheidung der Kammer, die Untersuchungshaft des Beschuldigten sei notwendig für das weitere Verfahren, auf der Erwägung, dass ansonsten nicht gewährleistet werden könne, dass der Beschuldigte zum Prozess erscheint. Die Haftentlassung des Beschuldigten würde die Untersuchungshaft-Entscheidung in ihr Gegenteil verkehren und möglicherweise den ganzen Prozess gefährden. Allerdings ist doch zu berücksichtigen, dass eine Haftentlassung als solche nur die Folge hat, dass sich der Beschuldigte nicht mehr in der Obhut des Gerichts befindet. Die Entscheidung darüber, ob der Beschuldigte letztlich verurteilt wird oder nicht, bleibt vollständig in der Hand der Richter. Diesbezüglich ist ihre Unparteilichkeit nicht gefährdet und somit die Unabhängigkeit nicht tangiert. Dem könnte allenfalls entgegnet werden, dass eine Haftentlassung, die das Risiko birgt, dass der Beschuldigte anschließend flieht, die Richter insoweit jedenfalls faktisch vor vollendete Tatsachen stellen kann, dass sie den Beschuldigten zwar möglicherweise materiellrechtlich verurteilen könnten, die Verhandlungen auf Grund des Verbots des Verfahrens in absentia (Art. 63 Abs. 1 RS)823 aber nicht weiterführen könnten. Dennoch ändert die faktische Möglichkeit einer Flucht nichts daran, dass die Verpflichtung zur Haft822 823
Siehe dazu schon oben 1. Kapitel B.II.5.
Beachte aber immerhin, dass die Strafe auch in Abwesenheit des Angeklagten verkündet werden kann, Art. 76 Abs. 4 RS. Zudem kann gemäß Art. 61 Abs. 2b) auch die Anklage in Abwesenheit des Beschuldigten bestätigt werden, wenn dieser „flüchtig oder unauffindbar ist und alle angemessenen Maßnahmen ergriffen worden sind, um sein Erscheinen vor dem Gerichtshof sicherzustellen und ihn über die Anklagepunkte sowie über die bevorstehende Verhandlung betreffend deren Bestätigung zu unterrichten.“
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entlassung keinen Einfluss auf Entscheidungen der Richter zum Verfahrensausgang nimmt. Somit bleibt auch hier die Unparteilichkeit – und damit die Unabhängigkeit – der Richter gewahrt. Darüber hinaus kann das Risiko der Flucht dadurch jedenfalls reduziert werden, dass dem Beschuldigten für die Zeit außerhalb der Haft bestimmte Auflagen (wie etwa regelmäßige Meldepflichten) gemacht werden, wie sie z.B. das deutsche Recht als Alternative zur Untersuchungshaft kennt. Denkbar wäre es auch, dem Beschuldigten in Freiheit Wachtposten zur Seite zu stellen. Unter diesen Voraussetzungen ist Art. 16 RS also mit dem Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten vereinbar.
II. Handeln unter Kapitel VII VN-Charta im Rahmen eines Aufschubs Ähnlich wie bei Art. 13 lit. b) RS824 ist auch bei Art. 16 RS fraglich, ob das Erfordernis „einer nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen angenommenen Resolution“ nur einen Verweis auf die Rechtsfolgen von Kapitel VII VN-Charta darstellt (Rechtsfolgenverweisung), oder ob auch die Tatbestandsvoraussetzungen von Kapitel VII VNCharta erfüllt sein müssen (Rechtsgrundverweisung). Nur nach letzterer Ansicht müsste einem Handeln des Sicherheitsrats gemäß Art. 16 RS eine Friedensbedrohung zugrunde liegen. Der Wortlaut von Art. 13 lit. b) RS lässt beide Auslegungen zu; anders als bei Art. 13 lit. b) RS deutet der Wortlaut jedoch eher auf eine Rechtsfolgenverweisung hin. Denn der Wortlaut entspricht gerade nicht dem üblichen Wortlaut einer SR-Resolution unter Kapitel VII VNCharta, sondern lässt eine nach Kapitel VII angenommene Resolution genügen. Dies könnte einen bloßen Verweis auf Form und Verfahren bedeuten. Allerdings stehen dieser Deutung Sinn und Zweck des Art. 16 RS entgegen. Wie bereits herausgearbeitet, soll Art. 16 RS dem Sicherheitsrat im Einzelfall die Möglichkeit geben, der Friedenssicherung vorübergehend Vorrang vor der Strafverfolgung zu gewähren.825 Dieser Zweck macht deutlich, dass dem Sicherheitsrat diese Möglichkeit nur dann of824 825
Siehe hierzu oben 8. Kapitel A. Siehe dazu oben 1. Kapitel B.
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fen stehen soll, wenn er mit Hilfe dieser Maßnahme einer Friedensbedrohung begegnen will.826 Auch die historische Auslegung stützt diese Überlegung. So sprach der Entwurf der Völkerrechtskommission für das Statut eines internationalen Strafgerichtshofs aus dem Jahre 1994 noch von einer “situation which is being dealt with by the Security Council as a threat to or a breach of the peace or an act of aggression under Chapter VII of the Charter”827 als Voraussetzung eines Aufschubs, beinhaltete also ausdrücklich das Erfordernis eines Friedensbruchs. Zuzugeben ist zwar, dass dieser Entwurf unter erheblicher Kritik stand und dass das ausdrückliche Erfordernis der Friedensbedrohung letztlich doch entfernt wurde. Doch ist diese Entfernung nicht auf die vorgebrachte Kritik zurückzuführen, da sich diese gar nicht auf das hier interessante Kriterium der Friedensbedrohung, sondern darauf bezog, dass es für einen Aufschub bereits genügte, wenn der Sicherheitsrat eine Situation auf seine Tagesordnung setzte. Dass Art. 16 RS eine Friedensbedrohung voraussetzt, wird auch nicht durch die oben angeführte Deutung des Wortlauts konterkariert. Denn erstens lässt der Wortlaut diese Deutung zu. Und zweitens lässt sich die Tatsache, dass Art. 13 lit. b) und Art. 16 RS im Hinblick auf den Verweis auf Kapitel VII VN-Charta nicht übereinstimmen, wohl darauf zurückführen, dass der Wortlaut bei Art. 16 RS – mehr als bei wohl jeder anderen Norm des Römischen Statuts – sehr stark politischen Kompromissen geschuldet ist, die darüber hinaus in letzter Sekunde in das Gründungsinstrument des IStGH aufgenommen wurden. Angesichts dieser Umstände kann dem Wortlaut keine allzu große Bedeutung beigemessen werden. Folglich stellt auch Art. 16 RS eine Rechtsgrundverweisung dar. Der Sicherheitsrat darf eine Situation vor dem IStGH daher nur aufschieben, wenn dem Aufschub eine Friedensbedrohung zugrunde liegt.828 826 Ähnlich Pascal Arnold, Der UNO-Sicherheitsrat und die strafrechtliche Verfolgung von Individuen. Die ad hoc Tribunale zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda sowie das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, 1999, 174. 827
Art. 23 Abs. 3 ILC Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind in: Report of the International Law Commission on the Work of its Forty-Sixth Session (2. Mai-22. Juli 1994), UN Doc. A/49/10, 85. 828 So im Ergebnis auch Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicher-
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1. Friedensbedrohung im Rahmen eines Aufschubs Fraglich ist aber, worin konkret eine Friedensbedrohung bestehen muss. Man könnte erwägen, die Ermittlungen bzw. die Strafverfolgung selbst müssten eine Friedensbedrohung darstellen.829 In Anbetracht des großen Ermessensspielraums, der dem Sicherheitsrat im Rahmen von Art. 39 VN-Charta zusteht, muss es jedoch ausreichen, wenn der Sicherheitsrat auf die Konfliktsituation Bezug nimmt, die den vom IStGH verfolgten Verbrechen zugrunde liegt.830 Da die im Hinblick auf eine Friedensbedrohung ergriffenen Maßnahmen jedoch zur Wiederherstellung des Friedens erforderlich sein müssen, muss der vorübergehende Verzicht auf (weitere) Strafverfolgung zur Beseitigung der Friedensbedrohung oder zur Wiederherstellung des Friedens beitragen.831
heitsrates, 2006, 90; Pascal Arnold, Der UNO-Sicherheitsrat und die strafrechtliche Verfolgung von Individuen. Die ad hoc Tribunale zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda sowie das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, 1999, 174. 829
Antonio Cassese, The Statute of the International Criminal Court: Some Preliminary Reflections, EJIL 10 (1999), 144 (163); Morten Bergsmo/Jelena Pejić, Article 16, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 595 (599 Rn. 10). 830
Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (647); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 84; Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 201; Gabriël H. Oosthuizen, Some Preliminary Remarks on the Relationship between the Envisaged International Criminal Court and the UN Security Council, NILR XLVI (1999), 313 (332 f.). 831
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (922).
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2. Pflicht des Sicherheitsrats zur Ergreifung weiterer friedenssichernder Maßnahmen neben einem Aufschub Weitere friedenssichernde Maßnahmen neben dem Aufschub muss der Sicherheitsrat nicht ergreifen. Denn anders als ursprünglich in den vorbereitenden Arbeiten (travaux préparatoires) in Erwägung gezogen832 setzt das Römische Statut dies nicht voraus.833 Zwar wird dieser Aspekt von Art. 16 RS gelegentlich kritisiert.834 Bedenkt man aber, dass der Sicherheitsrat – abgesehen von der Pflicht zur Aufhebung einer Kapitel VII-Resolution nach Wegfall der Friedensbedrohung – auch sonst nicht zu einem bestimmten Handeln verpflichtet werden kann, war es von den Gründern des Römischen Statuts konsequent, keine weiteren friedenssichernden Maßnahmen vom Sicherheitsrat zu verlangen. So steht es im Ermessen des Sicherheitsrats, ob – und falls ja, welche – er (weitere) Maßnahmen gegen eine Friedensbedrohung erlässt.835
3. Ergebnis Für ein Handeln unter Kapitel VII VN-Charta ist es nicht notwendig, dass die Ermittlungen bzw. die Strafverfolgung durch den IStGH selbst eine Friedensbedrohung darstellen. Hingegen reicht es aus, wenn der Sicherheitsrat auf die Konfliktsituation Bezug nimmt, die den vom IStGH verfolgten Verbrechen zugrunde liegt.
832
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 84. 833
Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (648); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 84. 834
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd I/3, 2002, 1154; Eve La Haye, The Jurisdiction of the International Criminal Court: Controversies over the Preconditions for Exercising Its Jurisdiction, NILR XLVI (1999), 1 (14). 835
Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (648).
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III. Befugnis des Sicherheitsrats zum Aufschub abstrakter Situationen Art. 16 RS begrenzt die Befugnis des Sicherheitsrats, Ermittlungen des IStGH aufzuschieben, auf konkrete Fälle oder Situationen.836 Mit den Resolutionen 1422 und 1487 hat der Sicherheitsrat in der Praxis jedoch auch schon einen Aufschub in abstrakten Situationen angeordnet, also in solchen, in denen (noch) keine Verbrechen stattgefunden haben. Fraglich ist, ob der Sicherheitsrat im Rahmen von Kapitel VII VNCharta hierzu befugt ist. Losgelöst von einer konkreten Friedensbedrohung ist es dem Sicherheitsrat keinesfalls möglich, die Ermittlungen in einer abstrakten Situation aufzuschieben. Denn der Sicherheitsrat ist nicht befugt, abstraktgenerelle Regelungen losgelöst von konkreten Friedensbedrohungen zu treffen. Vielmehr ist sein Handeln auch unter der VN-Charta auf konkrete Situationen begrenzt.837 Soweit aber ein Bezug zwischen der vom Ermittlungsaufschub betroffenen Situation und einer vom Sicherheitsrat festgestellten konkreten Friedensbedrohung vorliegt und der Sicherheitsrat mit seiner Einschätzung, der Aufschub stelle eine geeignete Maßnahme dar, sein (weites) Ermessen nicht überschritten hat, ist kein Grund ersichtlich, dem Sicherheitsrat einen solchen Aufschub zu verweigern. Zwar nimmt der Sicherheitsrat dann nicht die von Art. 16 RS geforderte Abwägungsentscheidung vor, da diese sich auf Situationen beziehen muss, in denen der Weltfrieden gerade durch die Strafverfolgung bedroht ist. Doch kann Art. 16 RS den Sicherheitsrat nicht davon abhalten, auf Grund seiner Kapitel VII-Befugnisse andere Maßnahmen zu ergreifen, die er für die Erhaltung des Weltfriedens für erforderlich ansieht. Folglich darf der Sicherheitsrat unter Kapitel VII VN-Charta auch die Ermittlung solcher Situationen aufschieben, in denen (noch) gar keine Verbrechen begangen worden sind – wenn sich ein Bezug zur festgestellten Friedensbedrohung herstellen lässt.
836 837
Siehe dazu oben 1. Kapitel B.I.4. Siehe dazu oben 5. Kapitel B.
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IV. Rechtsfolgen eines Aufschubs 1. Bindung der VN-Mitgliedstaaten an ein Aufschubersuchen des Sicherheitsrats Wie oben geklärt, stellt sich die Frage, ob ein Aufschubersuchen des Sicherheitsrats gemäß Art. 16 RS auch die VN-Mitgliedstaaten zu einer Unterbrechung ihrer Ermittlungstätigkeit verpflichtet, dann nicht, wenn der Sicherheitsrat – wie von den Gründern des IStGH beabsichtigt – lediglich konkrete Situationen suspendiert. Denn in konkreten Situationen wird der IStGH ohnehin erst dann aktiv, wenn die betroffenen Staaten sich als nicht willens und/oder nicht in der Lage zu eigenen Ermittlungen erweisen. Somit kommt es auf einen Stopp nationaler Ermittlungen gar nicht an. Fraglich ist aber, wie sich diese Frage dann beantwortet, wenn der Sicherheitsrat – wie von der VN-Charta erlaubt –838 auch abstrakte Situationen suspendiert, also solche, in denen (noch) gar keine Verbrechen begangen worden sind. Denn im Falle eines solchen Aufschubs abstrakter Situationen ist es im Einzelfall möglich, dass sich ein beteiligter Staat eigentlich als fähig und willens zur nationalen Strafverfolgung herausstellt. Unter diesen Umständen ist es wichtig zu wissen, ob das Ersuchen nach Art. 16 RS nur den IStGH, oder auch die VN-Mitgliedstaaten zum Verfahrensaufschub verpflichtet. Unproblematisch ist die Situation zunächst dann, wenn die Resolution sich selbst zu dieser Frage äußert. Was aber gilt, wenn die Resolution dazu schweigt? Der Wortlaut von Art. 16 RS ist insoweit deutlich: Danach richtet der Sicherheitsrat sein Ersuchen ausschließlich an den IStGH und dessen Organe. Von der Strafverfolgung durch Staaten ist insoweit keine Rede. Allerdings muss hierbei auch bedacht werden, dass der eigentliche Anwendungsbereich von Art. 16 RS sich nach dem Willen der Verfasser des Römischen Statuts auf Fälle beschränkt, für die sich die Frage der Staatenbindung gar nicht stellt. Folglich ist es auch nicht verwunderlich, dass der Wortlaut nichts über eine Staatenbindung aussagt. Somit führt die Wortlautauslegung an dieser Stelle nicht weiter. Bedenkt man zudem, dass der Sicherheitsrat im Rahmen eines abstrakten Verfahrensaufschubs ohnehin über die Grenzen von Art. 16 RS hinausgeht und somit auch Sinn und Zweck dieser Norm hier nicht weiterhelfen können, so wird man verlangen müssen, dass der Sicherheits838
Siehe dazu oben 8. Kapitel B.III.
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rat alle Adressaten seiner Resolution ausdrücklich benennt. Da der Sicherheitsrat ohne Weiteres ein Verfahren vor dem IStGH im konkreten Fall als Friedensbedrohung ansehen, gleichzeitig aber Verfahren vor nationalen Gerichten weiterlaufen lassen kann, kann in eine Resolution, die sich ausdrücklich lediglich an den IStGH wendet, nicht einfach hineingelesen werden, dass auch nationale Ermittlungen vom Aufschub erfasst sein sollen. Dies bestätigt auch Resolution 1422, die einen abstrakten Verfahrensaufschub beinhaltet. Indem in der Präambel auf die weiterbestehenden Verfolgungspflichten der Staaten hingewiesen wird,839 wird klar, dass die Verpflichtung ohnehin besteht, da die rechtlich unverbindliche Präambel keine neuen Pflichten kreieren kann.840 Somit sind Vertragsstaaten des Römischen Statuts während der Dauer eines Aufschubs zwar von ihren Kooperationspflichten gegenüber dem IStGH befreit.841 Nationale Ermittlungen sind von der Aufschubresolution aber nicht tangiert und dürfen daher weiter vorgenommen werden.
2. Zulässigkeit beweissichernder Maßnahmen des Anklägers während eines Aufschubs Es wurde geklärt, dass Art. 16 RS nach dem Wortlaut und dem Willen der Verfasser des Römischen Statuts auch die Ergreifung beweissichernder Maßnahmen verbietet. Da dies jedoch zum Verlust entscheidender Beweise führen und somit dazu beitragen kann, dass ein konkretes Verfahren unmöglich gemacht wird, wäre ein Verbot beweissichernder Maßnahmen mit der Unabhängigkeit des IStGH unvereinbar. Denn ein solches Verbot hat das Potenzial, das Ergebnis des Verfahrens 839 Siehe für Nichtvertragsstaaten den 5. Erwägungsgrund der Präambel von S/RES/1422 (2002) vom 12. Juli 2002: „in Anbetracht dessen, dass die Staaten, die nicht Vertragspartei des Römischen Statuts sind, auch künftig im Rahmen ihrer nationalen Zuständigkeit ihren Verantwortlichkeiten in Bezug auf internationale Verbrechen nachkommen werden“. Siehe zudem für Vertragsstaaten den Hinweis auf das Komplementaritätsprinzip im 4. Erwägungsgrund. Vgl. dazu Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (913). 840
Michael C. Wood, The Interpretation of Security Council Resolutions, MPYUNL 2 (1998), 73 (86 f.). 841
Siehe dazu bereits oben 1. Kapitel B.II.2.
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entscheidend zu verändern und damit möglicherweise ein anderes Ergebnis herbeizuführen, als das Gericht ohne Aufschub erzielt hätte.
3. Ergebnis Somit adressiert eine Aufschub-Resolution grundsätzlich nur den IStGH. Entgegen dem Willen der Schöpfer von Art. 16 RS muss der Ankläger weiterhin beweissichernde Maßnahmen ergreifen können.
V. Unbefristete Aufschübe Nachfolgend soll geklärt werden, ob der Sicherheitsrat Verfahren vor dem IStGH auch unbefristet aufschieben kann. Dabei werden die Fragen erörtert, ob die Verlängerung eines Aufschubs beliebig oft möglich ist (1.), und ob der Sicherheitsrat einen Aufschub auch unbefristet anordnen darf (2.).
1. Verlängerung eines Aufschubs Aus Sicht des Römischen Statuts wurde die Frage, ob eine Verlängerung eines Aufschubs möglich ist, bejaht.842 Aus der VN-Charta könnte sich jedoch anderes ergeben. So könnte man aus einer mehrfachen Verlängerung eines Aufschubersuchens den Schluss ziehen, dass diese Maßnahme nicht in effektiver Weise den Weltfrieden sichert. Denn andernfalls hätte schon der erste Aufschub Wirkung gezeigt. Erweist sich eine Maßnahme aber als nicht erforderlich, so sind die (auch für Art. 16 RS nötigen) Voraussetzungen von Kapitel VII VN-Charta nicht (mehr) erfüllt.843 Doch wenn es in der Tat auch durchaus möglich ist, dass sich ein mehrmaliges Aufschubersuchen im Einzelfall tatsächlich als wirkungslos erweist und der Sicherheitsrat sein Vorgehen überdenken muss, darf nicht vergessen werden, dass über das Vorliegen der Voraussetzungen
842 843
Siehe oben 1. Kapitel B.
Aly Mokhtar, The Fine Art of Arm-Twisting: The US, Resolution 1422 and Security Council Deferral Power under the Rome Statute, ICLR 3 (2003), 295 (315 f.).
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von Kapitel VII VN-Charta der Sicherheitsrat mit weitem Ermessen selbst entscheidet. Die Erkenntnis allein, dass eine bestimmte Maßnahme nicht sonderlich effektiv der Sicherung des Weltfriedens dient, reicht dabei nicht aus, um das Vorliegen der Voraussetzungen von Kapitel VII VN-Charta zu verneinen. Mithin bleibt auch unter der VN-Charta die beliebig häufige Verlängerung eines Aufschubs grundsätzlich rechtmäßig – jedenfalls solange die zuständige Kammer nicht zu dem Ergebnis kommt, der Aufschub verletze das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren. Dies führt zu der Frage, ob der Sicherheitsrat unter der VN-Charta einen Aufschub nicht gleich unbefristet anordnen kann.
2. Unbefristete Anordnung eines Aufschubs durch den Sicherheitsrat a. Unbefristete Anordnung des Aufschubs eines konkreten Falls Die unbefristete Anordnung des Aufschubs eines konkreten Falls würde der 12-Monats-Frist von Art. 16 RS widersprechen. Doch möglicherweise muss der Sicherheitsrat diese Frist auf Grund seiner Kompetenzen aus der VN-Charta gar nicht beachten. Dagegen könnte zunächst sprechen, dass durch unbefristete Aufschübe regelmäßig die Strafverfolgung von mutmaßlichen Tätern von Kernverbrechen unmöglich gemacht würde. Denn das Vorliegen eines konkreten Falls vor dem IStGH bedeutet, dass sich kein Staat als willens oder fähig zu eigenen Ermittlungen erwiesen hat. Daraus folgt also, dass ein unbefristeter Aufschub von Ermittlungen seitens des IStGH in aller Regel zu einer völligen Aussetzung jeglicher Strafverfolgung führen würde. Darin liegt aber möglicherweise ein Verstoß gegen ius cogens. Dazu müsste die Strafverfolgung zunächst eine Pflicht darstellen. Zumindest für die betroffenen Tatortstaaten ist dies bei Kernverbrechen unumstritten der Fall: Hier stellt die Pflicht zur Strafverfolgung Völkergewohnheitsrecht dar.844 Wie die Zuständigkeit – und damit die Verfolgungsberechtigung – des Tatortstaats nach dem Komplementaritätsprinzip auf den IStGH übergeht, sollte der Staat selbst nicht (willens 844
Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 192 m.w.N. Auf die weiterführende, höchst umstrittene Frage, ob auch Drittstaaten einer solchen Pflicht unterliegen, muss an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da eine Resolution es allen Staaten, also auch den Tatortstaaten unmöglicht macht, die Täter zu verfolgen.
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und/oder fähig) ermitteln, gehen auch Verfolgungspflichten über. Daher ist auch der IStGH im Falle seiner Zuständigkeit in einem konkreten Fall zur Strafverfolgung verpflichtet. Doch gehört diese Verfolgungspflicht auch zum zwingenden Völkerrecht? Zwar ist unstreitig, dass das Verbot der Begehung der im Römischen Statut enthaltenen Tatbestände Teil des ius cogens ist.845 Fraglich ist dies jedoch für die Pflicht zur Verfolgung und Bestrafung solcher Verbrechen. Die Strafverfolgungspflicht allein ist keinesfalls als ius cogens anzusehen. Möglicherweise gehört aber der Grundsatz aut dedere aut iudicare zum zwingenden Völkerrecht. Dieser besagt, dass ein mutmaßlicher Täter entweder durch den Gewahrsamsstaat selbst verfolgt oder zumindest an einen strafverfolgungswilligen Staat ausgeliefert werden muss.846 Man könnte diesen Grundsatz mit dem Argument als ius cogens ansehen, dass der zwingende Charakter der Kernverbrechen bedeutungslos würde, wenn die Pflicht, diese Verbrechen zu verfolgen, nicht zwingend ausgestaltet wäre.847 Der zwingende Charakter des aut dedere-
845
M. Cherif Bassiouni, International Crimes: Jus Cogens and Obligatio Erga Omnes, LCP 59 (1996), 63 (68); Michael P. Scharf, The ICC’s jurisdiction over the nationals of non-party states: a critique of the U.S. position, LCP 67 (2001), 67 (87); Andreas Zimmermann, “Acting under Chapter VII (…)”– Resolution 1422 and Possible Limits of the Powers of the Security Council, in: Jochen Abr. Frowein u.a. (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 253 (275). Gleiches gilt im Übrigen für die anderen im RS enthaltenen Tatbestände, so dass die hier geführte Diskussion um Völkermord auch auf diese übertragbar ist. 846
Ausführlich zu diesem Grundsatz Christian Maierhöfer, „Aut dedere – aut iudicare“. Herkunft, Rechtsgrundlagen und Inhalt des völkerrechtlichen Gebotes zur Strafverfolgung oder Auslieferung, 2006. 847
Nicole Fritz/Allison Smith, Current Apathy For Coming Anarchy: Building the Special Court for Sierra Leone, Fordham IntlLJ 25 (2001), 391 (426); Andrew D. Mitchell, Genocide, Human Rights Implementation and the Relationship between International and Domestic Law: Nulyarimma v Thompson, MelbULRev 24 (2000), 15 (20); so wohl auch Stefan Oeter, Ius cogens und der Schutz der Menschenrechte, in: Stephan Breitenmoser u.a. (Hrsg.), Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat. Liber Amicorum Luzius Wildhaber, 2007, 499 (516). Im Ergebnis gleich, allerdings ohne Begründung Gerald L. Neuman, Inter-American Court of Human Rights (IACtHR), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Januar 2007, Rn. 38.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
269
Grundsatzes folgte so unmittelbar aus der ius cogens-Eigenschaft der Kernverbrechen.848 Doch die Pflicht, Völkermord als Verbrechen zu verfolgen, ist keineswegs eine Rechtsfolge, die sich aus der zwingenden Natur des Völkermordverbotes und seiner Verpflichtungswirkung erga omnes ergibt.849 Stattdessen folgt diese Pflicht nicht aus der Zuordnung der Verbotsnorm zum ius cogens, sondern allein aus ihrem völkerstrafrechtlichen Gehalt.850 Folglich muss für die Verfolgungspflicht selbst überprüft werden, ob die Voraussetzungen von ius cogens erfüllt sind. Ein solcher Nachweis entsprechender Staatenpraxis wurde aber – soweit ersichtlich – bis heute noch nicht geführt,851 und dürfte angesichts der Tatsache, dass Amnestien unter gewissen Umständen erlaubt
848
M. Cherif Bassiouni, International Crimes: Jus Cogens and Obligatio Erga Omnes, LCP 59 (1996), 63 (65); M. Cherif Bassiouni/Edward M. Wise, Aut Dedere Aut Judicare. The Duty to Extradite or Prosecute in International Law, 1995, 52; Guy S. Goodwin-Gill, Crimes in International Law: Obligations Erga Omnes and the Duty to Prosecute, in: Guy S. Goodwin-Gill/Stefan Talmon (Hrsg.), The Reality of International Law. Essays in Honour of Ian Brownlie, 1999, 220; Lee A. Steven, Genocide and the Duty to Extradite or Prosecute: Why the United States Is in Breach of Its International Obligations, VaJIntlL 39 (1999), 425 (439 ff.). In diese Richtung sind wohl auch der JStGH (Prosecutor v. Anto Furundzija, Judgment, Trial Chamber, (10. Dezember 1998), abrufbar unter http://www.icty.org/x/cases/furundzija/tjug/en/fur-tj981210e.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 155 f.) und das BVerfG (BVerfG, Völkermord in Bosnien-Herzegowina, Az 2 BvR 1290/99, NJW 2001, 1848 [Rn. 17 ff.]) zu verstehen. Dem BVerfG zustimmend Markus Kotzur, Weltrecht ohne Weltstaat – die nationale (Verfassungs-) Gerichtsbarkeit als Motor völkerrechtlicher Konstitutionalisierungsprozesse? – Zugleich eine Anmerkung zur Entscheidung des BVerfG im Fall Nikola Jorgic (2 BvR 1290/99 vom 12.12.2000) – , DÖV 55 (2002), 195-201. 849
Christian Maierhöfer, „Aut dedere – aut iudicare“. Herkunft, Rechtsgrundlagen und Inhalt des völkerrechtlichen Gebotes zur Strafverfolgung oder Auslieferung, 2006, 244. 850
Stefan Kadelbach, Anmerkung zum Kammerbeschluss des BVerfG vom 12.12.2000, JZ (56) 2001, 981 (982); Hsiao-Wen Wang, Der universale Strafanspruch des nationalen Staates, 2005, 93. 851
Erika de Wet, The Prohibition of Torture as an International Norm jus cogens and Its Implications for National and Customary Law, EJIL 15 (2004), 97 (113 Fn. 83).
270
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
sind,852 auch eher schwierig zu führen sein.853 Denn der Verzicht auf die Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen kann im Einzelfall notwendig sein, um eine nationale Versöhnung zu ermöglichen.854 So sind manchmal die personellen und finanziellen Ressourcen schlicht zu klein, um alle Täter zu verfolgen. In solchen Fällen können Wahrheitskommissionen, die Auferlegung einer zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht, das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter durch die Täter etc. gute Alternativen sein und die gleichen Ziele wie die strafrechtliche Verfolgung, id est Prävention, Abschreckung, Bestrafung und Rehabilitation, erreichen,855 teilweise eventuell sogar besser. Wenn somit aber – vernünftigerweise – Ausnahmen von existierenden Verfolgungspflichten bestehen, so kann es sich bei diesen nicht um – naturgemäß unabdingbares – ius cogens handeln.856 Ähnliches gilt für Immunitäten, die – wie oben857 geklärt – z.T. völkergewohnheitsrechtlich nach wie vor anerkannt sind. Wären Strafverfolgungspflichten zwingendes Völkerrecht, könnten Immunitäten per se keinen Bestand haben. Daher kann die Verfolgungspflicht keinen ius cogens-Status erlangt haben.858 Folglich ist der Sicherheitsrat jedenfalls 852
Zur Stellung von Amnestien unter dem Komplementaritätsprinzip des RS Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, 1156. 853
Vgl. auch Michael P. Scharf, Aut dedere aut iudicare, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Juni 2008, Rn. 21; Arnd Düker, Die Strafverfolgung von Angehörigen einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen, 2008, 234. 854
Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 213.
855
Michael P. Scharf, The Amnesty Exception to the Jurisdiction of the International Criminal Court, CornellIntlLJ 32 (1999), 507 (512); William A. Schabas, Genocide in International Law, 2000, 399 f. 856
Michael P. Scharf, Swapping Amnesty for Peace: Was There a Duty to Prosecute International Crimes in Haiti?, TexIntlLJ 31 (1996), 1 (38). 857 858
Siehe dazu oben 1. Kapitel A.V.2.
Erika de Wet, The Prohibition of Torture as an International Norm jus cogens and Its Implications for National and Customary Law, EJIL 15 (2004), 97 (113 Fn. 83); Michael P. Scharf, From the eXile Files: an Essay on Trading Justice for Peace, Wash&LeeLRev 63 (2006), 339 (365 f). Im Ergebnis gleich Sarah M. Clanton, International Territorial Administration and the Emerging Obligation to Prosecute, TexIntlLJ 41 (2006), 569 (583); Karen Gallagher, No Justice, No Peace: The Legalities and Realities of Amnesty in Sierra Leone, TJeffersonLRev 23 (2000) 149 (174). Daran wird wohl auch die Verabschiedung des RS in Zukunft nichts ändern. Zwar kommen dort Verfolgungspflichten
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
271
auf Grund möglicher zwingender Strafverfolgungspflichten nicht an einem unbefristeten Aufschub gehindert. Allerdings würde die unbefristete Anordnung des Aufschubs eines konkreten Falls den Grundsatz der Unabhängigkeit von Gerichten verletzen. Denn eine solche würde in ein laufendes Verfahren vor dem IStGH eingreifen und dessen Ergebnis – einen quasi Freispruch – vorherbestimmen, ohne dass der IStGH noch Einfluss auf das Verfahren ausüben könnte. Dies stellt einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die gerichtliche Unabhängigkeit dar, die auch den Sicherheitsrat bindet. Folglich darf der Sicherheitsrat auch nach dem Recht der VN-Charta keine unbefristeten Aufschübe in einem konkreten Fall anordnen. Doch gilt dies auch für den Fall, dass der Sicherheitsrat einen noch nicht konkretisierten Fall unbefristet aufschiebt?
b. Unbefristete Anordnung des Aufschubs einer abstrakten Situation Dem Sicherheitsrat steht im Rahmen einer konkreten Friedensbedrohung die Befugnis zu, auch noch nicht konkretisierte Fälle aufzuschieben.859 Ebenfalls bereits geklärt werden konnte, dass der unbefristete Aufschub bereits konkretisierter Fälle einen ungerechtfertigten Eingriff in das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten darstellt.860 Keinen Eingriff in das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten bedeutet hingegen der unbefristete Aufschub von Ermittlungen in noch nicht konkretisierten Fällen. Für Situationen, die dem IStGH zuvor vom Sicherheitsrat selbst unterbreitet worden waren, konnte dies bereits aufgrundsätzlich recht anschaulich zum Ausdruck: So verlangt das Römische Statut von den betroffenen Staaten entweder, den vermeintlichen Täter selber zu verfolgen oder – sollten diese nicht willens oder nicht in der Lage dazu sein – den Täter an den IStGH auszuliefern. Immunitäten sind vor dem IStGH bedeutungslos (Art. 27 RS), ein Verweis auf Befehle geht grundsätzlich ins Leere (Art. 33 RS) und die im RS unter Strafe stehenden Taten verjähren nicht (Art. 29 RS). Dies zeigt deutlich, dass in der Vergangenheit noch einschlägige Hindernisse für die Bestrafung der Täter von Kernverbrechen obsolet geworden sind. Allerdings werden – aus den soeben genannten Gründen – zumindest Amnestien auch unter dem RS ihre Bedeutung nicht verlieren. Anders als Generalamnestien werden im Einzelfall verliehene Amnestien somit auch unter dem RS zulässig bleiben, vgl. dazu Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, 2007, Rn. 215. 859 860
Siehe dazu oben 8. Kapitel B.III. Siehe dazu oben 8. Kapitel B.V.2.a.
272
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
gezeigt werden.861 So handelt es sich bei einem solchen Aufschub um eine bloße Veränderung der Gerichtsbarkeit des IStGH, nicht aber um einen Eingriff in ein laufendes Verfahren – weswegen eine Verletzung des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten in solchen Fällen ausscheidet. Für Situationen, die nicht vom Sicherheitsrat unterbreitet worden waren, gilt das Gleiche. Zwar stand dem IStGH hier die – durch die Aufschubresolution dann weggenommene – Gerichtsbarkeit auch unabhängig vom Sicherheitsrat zu. In keinem der beiden Fälle liegt aber eine Beeinflussung laufender Verfahren durch den Sicherheitsrat und damit eine Verletzung des Prinzips der Unabhängigkeit von Gerichten vor. Folglich kann der Sicherheitsrat im Falle einer konkreten Friedensbedrohung auch den unbefristeten Aufschub von Ermittlungen anordnen, solange sich diese Anordnung nur auf noch nicht konkretisierte Einzelfälle vor dem IStGH bezieht.
3. Ergebnis Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass der Sicherheitsrat einen Aufschub grundsätzlich beliebig häufig wiederholen darf. Unbefristet darf der Sicherheitsrat einen Aufschub jedoch nur anordnen, soweit dies keine konkretisierten Einzelfälle vor dem IStGH betrifft.
VI. Zusammenfassung Damit lässt sich das Aufschubrecht des Sicherheitsrats unter der VNCharta wie folgt zusammenfassen: Ein Aufschubersuchen ist selbst dann mit der Unabhängigkeit des IStGH vereinbar, wenn es die Entlassung des Beschuldigten umfasst. Allerdings sind in diesem Fall Maßnahmen zu ergreifen, die das Risiko einer Flucht des Beschuldigten jedenfalls reduzieren. Für ein Handeln unter Kapitel VII VN-Charta reicht es aus, wenn der Sicherheitsrat auf die Konfliktsituation Bezug nimmt, die den vom IStGH verfolgten Verbrechen zugrunde liegt. Das Aufschubrecht kann
861
Siehe dazu oben 8. Kapitel A.III.3.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
273
auch abstrakte Situationen erfassen, wenn sich ein Bezug zur festgestellten Friedensbedrohung herstellen lässt. Eine Aufschub-Resolution adressiert nur den IStGH und ist – soweit dies mit dem Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren vereinbar ist - beliebig oft wiederholbar. Unbefristet darf der Sicherheitsrat jedoch nur noch nicht vor dem IStGH anhängige Fälle aufschieben.
C. Kooperationspflichten Unstreitig ist, dass der Sicherheitsrat bereits im Rahmen einer Unterbreitungsresolution Staaten zur Kooperation mit dem IStGH verpflichten kann.862 Zudem kann der IStGH im Rahmen einer vom Sicherheitsrat unterbreiteten Situation den Sicherheitsrat um Mithilfe ersuchen863 – auch dann kann der Sicherheitsrat unstreitig die betreffenden Staaten um Kooperation ersuchen und die fehlende Kooperation eines Staates gegebenenfalls sanktionieren. Hingegen enthält das Römische Statut keine Kompetenz des IStGH, ein Kooperationsersuchen an den Sicherheitsrat zu richten, wenn dieser dem IStGH zuvor keine Situation unterbreitet hat.864
I. Tätigwerden des Sicherheitsrats ohne Ersuchen des IStGH Unabhängig von der Frage, unter welchen Umständen der IStGH ein Ersuchen an den Sicherheitsrat richten kann, kann der Sicherheitsrat jederzeit und auch ohne ein solches Ersuchen Staaten und andere Konfliktparteien865 zur Kooperation mit dem IStGH verpflichten, soweit er 862
Auch in S/RES/1593 (2005) vom 31. März 2005, der bisher einzigen Unterbreitungsresolution des SR, verpflichtete der SR Sudan (und alle weiteren Konfliktparteien) zur Zusammenarbeit mit dem IStGH. 863 864 865
Siehe dazu oben 1. Kapitel C.I., II. Siehe dazu oben 1. Kapitel C.II.
Vgl. dazu die Befugnis des SR, sich mit nichtstaatlichen Akteuren zu befassen, oben 5. Kapitel A.V. Vgl. auch Andreas Zimmermann, Two Steps Forward, One Step Backwards? Security Council Resolution 1593 (2005) and the Council’s Power to Refer Situations to the International Criminal Court, in: Pierre-Marie Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung/Common Values
274
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
der Ansicht ist, dass dies der Wahrung des Weltfriedens dient. Folglich kann der Sicherheitsrat außerhalb des Römischen Statuts problemlos auch ohne vorangegangene Unterbreitung einer Situation Staaten zur Kooperation mit dem IStGH verpflichten oder fehlende Kooperation sanktionieren –866 dies auch dann, wenn der Sicherheitsrat zuvor überhaupt nicht mit der zugrundeliegenden Situation befasst war.867 Desgleichen kann der Sicherheitsrat außerhalb des Römischen Statuts Nichtvertragsstaaten zur Kooperation verpflichten. Auch hier muss der Sicherheitsrat auf die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 5 RS keine Rücksicht nehmen und muss daher kein entsprechendes Ersuchen des IStGH abwarten, um tätig zu werden.868 Dabei ist erneut darauf hinzuweisen, dass – vorbehaltlich des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der sonstigen festgestellten rechtlichen
in International Law. Festschrift für/Essays in Honour of Christian Tomuschat, 2006, 681 (695), der – zu weitgehend – eine extensive Auslegung des Wortes „Staat“ in Art. 87 Abs. 5b) RS fordert, so dass der IStGH auch die mangelnde Kooperation von nichtstaatlichen Subjekten an den SR melden kann. 866
Vera Gowlland-Debbas, The Relationship between Political and Judicial Organs of International Organisation: the Role of the Security Council in the New International Criminal Court, in: Laurence Boisson de Chazournes/Cesare Romano/Ruth Mackenzie (Hrsg.), International Organizations and International Dispute Settlement. Trends and Prospects, 2002, 195 (211); Jörg Meißner, Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nach dem Römischen Statut, 2003, 268; William A. Schabas, An Introduction to the International Criminal Court, 2007, 252; Andreas Zimmermann, Die Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofes. Perspektiven und Probleme vor der Staatenkonferenz in Rom, ZaöRV 58 (1998), 47 (100 f.); Antonio Cassese, The Statute of the International Criminal Court: Some Preliminary Reflections, EJIL 10 (1999), 144 (166). 867
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 175. 868
Vera Gowlland-Debbas, The Relationship between Political and Judicial Organs of International Organisation: the Role of the Security Council in the New International Criminal Court, in: Laurence Boisson de Chazournes/Cesare Romano/Ruth Mackenzie (Hrsg.), International Organizations and International Dispute Settlement. Trends and Prospects, 2002, 195 (211); Zhu Wenqi, On Co-operation by States Not Party to the International Criminal Court, International Review of the Red Cross 88 (2006), 87 (91).
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
275
Grenzen seines Handelns –869 der Sicherheitsrat völlig frei in der Wahl seiner Mittel und Vorgehensweise ist.
II. Verpflichtung zur Kooperation und Verpflichtung zum Abschluss einer Kooperationsvereinbarung Fordert der Sicherheitsrat die Staaten schließlich zur Zusammenarbeit mit dem IStGH auf, so ist fraglich, ob dies auch die Verpflichtung der Staaten zum Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit dem IStGH umfasst. Dies wird teilweise – allerdings ohne Begründung – bejaht.870 Dagegen spricht jedoch, dass einer Kooperationsverpflichtung seitens des Sicherheitsrats nicht zwangsläufig der Wille des Sicherheitsrats zu entnehmen ist, das normale Kooperationskapitel des Römischen Statuts zur Anwendung zu bringen. Vielmehr drückt der Sicherheitsrat nur sein Anliegen aus, der Staat müsse grundsätzlich mit dem IStGH zusammenarbeiten. Eine solche Pflicht lässt sich auch außerhalb des Römischen Statuts aufstellen; einer Ad-hoc-Vereinbarung wie in Art. 87 RS vorgesehen bedarf es hierfür nicht unbedingt. Denn der IStGH kann den betreffenden Staat auch auf Grundlage einer SR-Resolution adressieren.871 Mithin ist der Abschluss einer solchen Vereinbarung rechtlich nicht erforderlich.872 Hingegen spricht nichts dagegen, dass der Sicherheitsrat ausdrücklich eine solche Pflicht zum Ausdruck bringt.873 869
Siehe dazu oben 6. Kapitel.
870
Kenneth S. Gallant, The International Criminal Court in the System of States and International Organizations, LJIL 16 (2003), 553 (585); Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 182. 871
Siehe dazu oben 1. Kapitel C.II.
872
Ähnlich Giuseppe Palmisano, The ICC and Third States, in: Flavia Lattanzi/William A. Schabas (Hrsg.), Essays on the Rome Statute of the International Criminal Court, Bd. 1, 1999, 391 (418), der allerdings einer Unterbreitungsresolution verpflichtenden Charakter für alle VN-Mitgliedstaaten beimisst, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wird. Dieser Ansicht wird hier nicht gefolgt, siehe dazu unten 8. Kapitel C.III. 873
Modell stehen für eine solche Pflicht können z.B. der operative § 7 S/RES/687 (1991) vom 3. April 1991 sowie der operative § 1a) S/RES/1757 (2007) vom 30. Mai 2007, in denen der SR Irak zur Ratifizierung eines bereits
276
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Kommt der Nichtvertragsstaat dieser Pflicht schließlich nach, so finden die Art. 86 ff. RS Anwendung.
III. Unterbreitungsresolutionen als Kooperationsverpflichtung aller Staaten Man könnte erwägen, die Verabschiedung einer Unterbreitungsresolution allein enthalte bereits eine Kooperationsverpflichtung für alle VNMitgliedstaaten.874 Damit wären neben den bereits durch das Römische Statut verpflichteten Vertragsstaaten auch sämtliche Nichtvertragsstaaten zur Zusammenarbeit mit dem IStGH verpflichtet. Doch dem steht entgegen, dass vermutet werden kann, dass sich der Sicherheitsrat – sofern er nichts anderes zum Ausdruck bringt – ins Gefüge derjenigen internationalen Organisation einfügt, derer er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient.875 Nach dem Gefüge des Römischen Statuts sind aber nur Vertragsstaaten, nicht aber Nichtvertragsstaaten zur Kooperation verpflichtet. Dies kann der Sicherheitsrat nur ändern, indem er dies ausdrücklich erklärt.876 Die bisher einzige Unterbreitungsresolution des Sicherheitsrats bestätigt dies eindrücklich: Hier wurde der Nichtvertragsstaat Sudan ausdrücklich als Adressat einer Kooperationsverpflichtung mit dem IStGH benannt. Dies wäre andernfalls gar nicht nötig gewesen. Folglich können nur diejenigen Verpflichteten aus einer SR-Resolution herausgelesen werden, die ausdrücklich genannt werden.877
unterzeichneten Vertrages verpflichtet bzw. Libanon zur Unterzeichnung eines solchen Vertrages drängt. 874
Giuseppe Palmisano, The ICC and Third States, in: Flavia Lattanzi/William A. Schabas (Hrsg.), Essays on the Rome Statute of the International Criminal Court, Bd. 1, 1999, 391 (418); Tatjana Maikowski, Staatliche Kooperationspflichten gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof, 2002, 265. 875
Siehe dazu schon oben 1. Kapitel A.IV.2.
876
Vgl. Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 180. 877
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 180.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
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IV. Zusammenfassung und Ausblick Der Sicherheitsrat kann auch ohne vorheriges Ersuchen seitens des IStGH Staaten (und andere Konfliktparteien) zur Kooperation mit dem IStGH verpflichten. Eine solche Verpflichtung umfasst jedoch nicht die Verpflichtung zum Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit dem IStGH. Verpflichtet werden zudem nur diejenigen Parteien, die ausdrücklich in der Resolution genannt werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Sicherheitsrat den IStGH bei seiner täglichen Arbeit unterstützen wird. Die Unterstützung der Ad hocTribunale878 kann jedenfalls nur eingeschränkt als Indiz hierfür gelten. Denn diese wurden vom Sicherheitsrat selbst eingesetzt, was ein nicht unerhebliches Interesse des Sicherheitsrats an einem Gelingen dieser Tribunale – und damit auch an der größtmöglichen Staatenkooperation – indiziert. Dies ist beim vertragsbasierten IStGH, der im Gegenteil nach wie vor auf Skepsis und sogar Ablehnung seitens dreier ständiger Mitglieder des Sicherheitsrats stößt, anders.
878 Vgl. hierzu nur die operativen § 2 und 3 S/RES/1503 (2003) vom 28. August 2003 (Completion Strategies):
“2. Calls on all States, especially Serbia and Montenegro, Croatia, and Bosnia and Herzegovina, and on the Republika Srpska within Bosnia and Herzegovina, to intensify cooperation with and render all necessary assistance to the ICTY, particularly to bring Radovan Karadzic and Ratko Mladic, as well as Ante Gotovina and all other indictees to the ICTY and calls on these and all other atlarge indictees of the ICTY to surrender to the ICTY; 3. Calls on all States, especially Rwanda, Kenya, the Democratic Republic of the Congo, and the Republic of the Congo, to intensify cooperation with and render all necessary assistance to the ICTR, including on investigations of the Rwandan Patriotic Army and efforts to bring Felicien Kabuga and all other such indictees to the ICTR and calls on this and all other at-large indictees of the ICTR to surrender to the ICTR“.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
D. Aggressionsverbrechen I. Die Rolle des Sicherheitsrats im Rahmen des Aggressionsverbrechens Der Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 RS ist hinsichtlich der Rolle des Sicherheitsrats im Rahmen des Aggressionstatbestands unklar formuliert.879 Um mit Hilfe der VN-Charta Licht ins Dunkel zu bringen, muss zunächst erwähnt werden, dass die Strafbarkeit eines Beschuldigten nach dem Aggressionstatbestand auf zwei Schritten beruht: erstens dem Vorliegen einer zwischenstaatlichen Aggression, zweitens dem Tatbeitrag des Beschuldigten. Diese Unterscheidung muss bei den folgenden Ausführungen im Hinterkopf behalten werden. Der derzeitige Stand der Diskussion innerhalb der SWGCA stellt sich wie folgt dar: Article 15 bis Exercise of jurisdiction over the crime of aggression 1. The Court may exercise jurisdiction over the crime of aggression in accordance with article 13, subject to the provisions of this article. 2. Where the Prosecutor concludes that there is a reasonable basis to proceed with an investigation in respect of a crime of aggression, he or she shall first ascertain whether the Security Council has made a determination of an act of aggression committed by the State concerned. The Prosecutor shall notify the Secretary-General of the United Nations of the situation before the Court, including any relevant information and documents. 3. Where the Security Council has made such a determination, the Prosecutor may proceed with the investigation in respect of a crime of aggression. 4. (Alternative 1) In the absence of such a determination, the Prosecutor may not proceed with the investigation in respect of a crime of aggression, Option 1 – end the paragraph here. Option 2 – add: unless the Security Council has, in a resolution adopted under Chapter VII of the Charter of the United Nations,
879
Siehe dazu oben 1. Kapitel D.II.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
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requested the Prosecutor to proceed with the investigation in respect of a crime of aggression. 4. (Alternative 2) Where no such determination is made within [6] months after the date of notification, the Prosecutor may proceed with the investigation in respect of a crime of aggression, Option 1 – end the paragraph here. Option 2 – add: provided that the Pre-Trial Chamber has authorized the commencement of the investigation in respect of a crime of aggression in accordance with the procedure contained in article 15; Option 3 – add: provided that the General Assembly has determined that an act of aggression has been committed by the State referred to in article 8 bis; Option 4 – add: provided that the International Court of Justice has determined that an act of aggression has been committed by the State referred to in article 8 bis. 5. A determination of an act of aggression by an organ outside the Court shall be without prejudice to the Court’s own findings under this Statute. 6. This article is without prejudice to the provisions relating to the exercise of jurisdiction with respect to other crimes referred to in article 5.880 Im Folgenden werden nun die einzelnen Varianten auf ihre Vereinbarkeit mit der VN-Charta untersucht.
1. Grundsätzliche Beteiligung des Sicherheitsrats Unumstritten ist innerhalb der SWGCA, den Sicherheitsrat grundsätzlich zu beteiligen.881 So ist in Art. 15 bis Abs. 2 des Entwurfs vorgese880
Proposals for a Provision on Aggression Elaborated by the Special Working Group on the Crime of Aggression, in: Assembly of State Parties: Seventh Session: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/20/Add.1 (6. Juni 2008), abrufbar unter http: //www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGCA/ICC-ASP-6-20-Add1-AnnexIIENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Annex I, 12 f. 881
Vgl. dazu die Diskussionspapiere von 2002 (Report of the Preparatory Commission for the International Criminal Court [continued], Addendum, Part II: Proposals for a Provision on the Crime of Aggression [1.-12. Juli 2002], UN
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
hen, dass der Ankläger auf jeden Fall zunächst prüfen muss, ob der Sicherheitsrat bereits eine staatliche Angriffshandlung festgestellt hat. Rechtliche Bedenken gegen eine grundsätzliche Beteiligung des Sicherheitsrats sind nicht ersichtlich.882 Insbesondere berücksichtigt sie die Hauptverantwortung des Sicherheitsrats für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und reduziert somit die Gefahr von Konflikten zwischen IStGH und Sicherheitsrat. Umstritten innerhalb der SWGCA ist allerdings die konkrete Art und Weise der Beteiligung des Sicherheitsrats. So sieht ein Vorschlag die zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats vor (Art. 15 bis Abs. 4 Alt. 1 Option 1; dazu 2.). Weitere Vorschläge wiederum geben für den Fall, dass der Sicherheitsrat nicht entscheidet, anderen Institutionen das Recht, darüber zu entscheiden, ob der IStGH im Rahmen des Aggressionsverbrechens tätig werden kann (Art. 15 bis Abs. 4 Alt. 2; dazu 3.). Im Folgenden werden beide Ansichten auf ihre rechtlichen Aspekte hin überprüft.
Doc. PCNICC/2002/2/Add.2 [24. Juli 2002], Rn. 4) und 2007 (Assembly of State Parties, Resumed Fifth Session (29. Januar – 1. Februar 2007), Discussion Paper Proposed by the Chairman, ICC-ASP/5/SWGCA/2 [16. Januar 1007], abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGCA/ICC-ASP-5SWGCA-2_English.pdf [zuletzt abgerufen: 3. März 2010], Rn. 4 f. Das Diskussionspapier von 2007 folgt der Struktur von 2002 und beinhaltet keine radikalen Änderungen, vgl. dazu Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (876). 882
Ob eine solche Beteiligung rechtlich erforderlich ist, ist umstritten (dagegen Claus Kress, The Crime of Aggression before the First Review of the ICC Statute, LJIL 20 [2007], 851 [860] m.w.N.); dafür z.B. der damalige Koordinator der Arbeitsgruppe für den Aggressionstatbestand im Rahmen der Vorbereitungskommission für den IStGH (Preparatory Commission for the International Criminal Court), Tuvako Manongi, Discussion Paper Proposed by the Coordinator, Consolidated Text of Proposals on the Crime of Aggression, in: Proceedings of the Preparatory Commission at its First, Second and Third Sessions (16.-26. Februar, 26. Juli-13. August und 29. November-17. Dezember 1999), UN Doc. PCNICC/1999/L.5/Rev.1 (22. Dezember 1999), Annex IV, Explanatory Note B; Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 199), muss hier angesichts der Einigkeit in der SWGCA aber nicht weiter vertieft werden.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
281
2. Zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats Option 1 der Alternative 1 von Abs. 4 des Entwurfs verbietet es dem Ankläger, mit den Ermittlungen fortzufahren, wenn der Sicherheitsrat sich nicht zu einer staatlichen Aggression geäußert hat. Option 2 der Alternative 1 von Abs. 4 des Entwurfs umfasst die sog. „Grünes Licht“ Option, wonach der Sicherheitsrat dem Ankläger weitere Ermittlungen ermöglichen kann, ohne notwendigerweise das Vorliegen einer Aggression festzustellen. Beide Optionen beinhalten also eine zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats: Stimmt dieser den Ermittlungen nicht zu, ist ein weiteres Vorgehen des Anklägers ausgeschlossen. Teilweise werden diese Optionen als zwingend und daher als einzig mögliche Alternative der SWGCA angesehen.883
a. Rechtliche Erforderlichkeit einer zwingenden Beteiligung des Sicherheitsrats Die Sichtweise, die die Beteiligung des Sicherheitsrats als rechtlich zwingend ansieht, gründet auf der Ansicht, unter Art. 39 VN-Charta habe der Sicherheitsrat die ausschließliche Zuständigkeit für die Feststellung einer staatlichen Angriffshandlung.884 Daraus wird gefolgert, dass der IStGH erst dann seine Zuständigkeit über das Aggressionsverbrechen ausüben darf, wenn der Sicherheitsrat zuvor eine Aggression festgestellt hat.885 Wie oben für die Sicherung des Weltfriedens allgemein bereits herausgearbeitet,886 lässt sich jedoch weder aus Art. 39 VN-Charta noch aus anderen Bestimmungen der VN-Charta eine ausschließliche Zuständigkeit des Sicherheitsrats für die Feststellung staatlicher Angriffshandlun-
883
Vgl. Assembly of State Parties: Resumed Sixth Session, Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/6/20/Add.1 (6. Juni 2008), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/SWGCA/ICCASP-6-20-Add1-AnnexII-ENG.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 44. 884
Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (878). 885
United Nations Diplomatic Conference of Plenipotentiaries on the Establishment of an International Criminal Court, Committee of the Whole, Proposal Submitted by Cameroon, UN Doc. A/CONF.183/C.1/L.39 (2. Juli 1998). 886
Dazu oben 5. Kapitel A.IV.
282
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
gen herleiten.887 Auch und gerade im Bereich der Aggression zeigt sich dies besonders deutlich. So hat die Generalversammlung bereits in sechs verschiedenen Situationen staatliche Aggressionsakte festgestellt, sich also als neben dem Sicherheitsrat dafür zuständig gesehen.888 Dabei ist zu beachten, dass Generalversammlung und Sicherheitsrat sich entgegen dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 VN-Charta z.T. sogar parallel mit der gleichen Situation befasst haben, so z.B. im Fall südafrikanischer Angriffshandlungen. Ein solch paralleles Vorgehen wurde vom IGH mittlerweile aber schon als „accepted practice of the General Assembly“ und damit als im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 VN-Charta stehend anerkannt.889 Ebenso hat auch der IGH bereits unabhängig vom Sicherheitsrat geprüft, ob staatliche Akten der Aggression vorliegen.890 Zudem existieren zwischen einer vom Sicherheitsrat festgestellen Angriffshandlung und eines vom IStGH festgestellten Aggressionsverbrechens beachtliche Unterschiede. So fragt schon Art. 39 VN-Charta nur danach, ob eine Angriffshandlung „vorliegt“, beschränkt sich also auf aktuell andauernde Angriffshandlungen. Daraus wird klar, dass der Sicherheitsrat sich nur mit gerade ablaufenden Aggressionshandlungen beschäftigen darf, allenfalls noch mit solchen, deren Wirkungen sich noch negativ auf den Weltfrieden und die internationale Sicherheit auswirken. Art. 39 VN-Charta gesteht dem Sicherheitsrat jedoch nicht das Recht zu, sich mit solchen Angriffshandlungen auseinanderzusetzen, die sich mittlerweile – z.B. da vor langer Zeit geschehen – nicht mehr
887
Claus Kress, The Crime of Aggression before the First Review of the ICC Statute, LJIL 20 (2007), 851 (860 f.); Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (878); Saeid Mirzaee Yengejeh, Reflections on the Role of the Security Council in Determining an Act of Aggression, in: Mauro Politi/Giuseppe Nesi (Hrsg.), The International Criminal Court and the Crime of Aggression, 2004, 125 (127). 888
Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (881 f.), bei dem auch die Beispiele zu finden sind. 889
Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 2004, 136 (Rn. 24). Dazu Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (882). 890
So z.B. in Military and Paramilitary Activities in und against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, Judgment. I.C.J. Reports 1986, 14 (146 f.).
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
283
friedensbedrohend auswirken.891 Dass der IStGH wiederum sich mit Angriffshandlungen der Vergangenheit auseinandersetzt, ist nicht sonderlich unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, wie lange es oft braucht, bis für ein internationales Strafverfahren überhaupt Beweise gesammelt und Zeugen vernommen worden sind.892 Darüber hinaus sagt Art. 39 VN-Charta nichts über die Verantwortlichkeit von Individuen aus.893 Und so besteht zwar sicherlich Einigkeit darüber, dass kein anderes Organ als der Sicherheitsrat einen staatlichen Aggressionsakt feststellen kann, um die Mechanismen von Kapitel VII VN-Charta auszulösen. Jedoch existiert keine derartige ausschließliche Zuständigkeit, was die Feststellung eines Aggressionsverbrechens für andere Zwecke angeht.894
891 Mark S. Stein, The Security Council, the International Criminal Court, and the Crime of Aggression: How Exclusive is the Security Council’s Power to Determine Aggression?, IndIntl&CompLRev 16 (2005), 1 (5); Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007) 277 (286). 892 Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007) 277 (286). 893 Paula Escarameia, The ICC and the Security Council on Aggression: Overlapping Competencies?, in: Mauro Politi/Giuseppe Nesi (Hrsg.), The International Criminal Court and the Crime of Aggression, 2004, 133 (137); Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007) 277 (286); Andreas L. Paulus, Peace through Justice? The Future of the Crime of Aggression in a Time of Crisis, WayneLRev 50 (2004), 1 (21). 894
Mark S. Stein, The Security Council, the International Criminal Court, and the Crime of Aggression: How Exclusive is the Security Council’s Power to Determine Aggression?, IndIntl&CompLRev 16 (2005), 1 (5); Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007) 277 (287).
284
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
Daher ist es rechtlich jedenfalls nicht zwingend, Ermittlungen des Anklägers vollständig von einem Plazet des Sicherheitsrats abhängig zu machen.
b. Rechtmäßigkeit einer zwingenden Beteiligung des Sicherheitsrats Nachdem nun geklärt wurde, dass die zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats jedenfalls nicht rechtlich zwingend ist, bleibt zu prüfen, ob es rechtliche Argumente gibt, die gegen eine solche zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats sprechen. Rechtspolitische Gründe lassen sich zunächst einige finden, die dazu führen sollten, eine solche Beteiligung des Sicherheitsrats abzulehnen. So würde eine zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats dazu führen, dass ein einzelnes ständiges Mitglied des Sicherheitsrats durch Ausübung seines Vetorechts den IStGH an Ermittlungen im Bereich von Aggressionsverbrechen hindern könnte,895 während für einen Aufschub der Ermittlungen im Bereich aller anderen im Römischen Statut enthaltenen Verbrechen gemäß Art. 16 RS dafür eine Resolution, also die Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder sowie neun weiterer Mitglieder nötig wäre. Eine solche Diskrepanz sollte möglichst vermieden werden.896 Zudem hat der Sicherheitsrat in seiner bisherigen Geschichte nur extrem zurückhaltend das Vorliegen einer staatlichen Angriffshandlung festgestellt.897 Nicht einmal in offensichtlichen Fällen wie dem 895
Vgl. Patrick Daillier/Alain Pellet, Droit International Public, 2002, 995.
896
Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 237; Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 199. 897
Horst Fischer, Friedenssicherung und friedliche Streitbeilegung, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, 1065 (1112 Rn. 10 f.). Beispiele für die Feststellung einer Aggression durch den SR sind insbesondere die Verurteilungen der militärischen Aktionen Südafrikas in den 70er und 80er Jahren, vgl. S/RES/387 (1976) vom 31. März 1976, S/RES/466 (1980) vom 11. April 1980 und S/RES/568 (1985) vom 21. Juni 1985. Zu weiteren Resolutionen siehe Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (880 f.); Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 234 ff.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
285
Einmarsch Iraks in Kuwait stellte der Sicherheitsrat ausdrücklich das Vorliegen einer Aggression fest und sprach stattdessen lediglich von einem Friedensbruch. Wer unter diesen Umständen die Ausübung der Gerichtsbarkeit des IStGH über Aggressionsverbrechen tatsächlich von einem positiven Votum durch den Sicherheitsrat abhängig machen will, sorgt dafür, dass der Tatbestand der Aggression zu bloß symbolischem Strafrecht verkommt.898 Auch würden Angehörige eines permanenten Mitglieds des Sicherheitsrats kaum jemals wegen eines Aggressionsverbrechens angeklagt, wenn es dem IStGH verboten wäre, bei fehlender Feststellung eines Aggressionsaktes durch den Sicherheitsrat auf Grund einer Aggression zu ermitteln.899 So lassen sich zwar einige durchaus beachtliche rechtspolitische Gründe finden, die zur Ablehnung einer zwingend vorgeschriebenen Beteiligung des Sicherheitsrats an der Strafverfolgung von Aggressionsverbrechen führen sollten; rechtswidrig wird sie dadurch aber nicht. Insbesondere verstößt die zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats nicht gegen die Unabhängigkeit des IStGH. Denn das Erfordernis der positiven Feststellung einer staatlichen Angriffshandlung durch den Sicherheitsrat führt nicht dazu, dass der Sicherheitsrat in bereits begonnene Ermittlungen des IStGH eingreift. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Gerichtsbarkeitsbeschränkung, die bereits greift, bevor der Ankläger in einem konkreten Fall erste Schritte unternommen hat. Dies stellt nach den oben herausgearbeiteten Grundsätzen900 keinen Eingriff in die Unabhängigkeit des IStGH dar. Somit wären beide Optionen der Alternative 1 zu Abs. 4 des Entwurfs mit Völkerrecht vereinbar.
898
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 236 f. 899
William A. Schabas, Follow Up to Rome: Preparing for Entry into Force of the International Criminal Court Statute, HRLJ 20 (1999), 157 (162); Andreas L. Paulus, Peace through Justice? The Future of the Crime of Aggression in a Time of Crisis, WayneLRev 50 (2004), 1 (22). 900
Die zwingende Beteiligung des SR an der Verfolgung von Aggressionsverbrechen ist mit dem unbefristeten Aufschub von Ermittlungen in noch nicht konkretisierten Fällen vergleichbar, der oben 8. Kapitel B.V.2.b. bereits als rechtmäßig anerkannt wurde.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
c. Ergebnis Folglich ist eine zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats an Ermittlungen des Anklägers im Rahmen des Aggressionstatbestands mit Völkerrecht vereinbar, wäre rechtlich aber nicht erforderlich. Entscheidet sich die SWGCA gegen eine zwingende Beteiligung des Sicherheitsrats, so bietet Art. 15 bis Abs. 4 Alt. 2 des Entwurfs einige verschiedene Modelle, auf deren Grundlage Aggressions-Ermittlungen weitergeführt werden könnten. Diese werden im Folgenden auf ihre Rechtmäßigkeit untersucht.
3. Fortsetzung der Ermittlungen bei Untätigkeit des Sicherheitsrats Der Entwurf sieht in verschiedenen Optionen zunächst das Recht des Anklägers vor, eigenständig weiter zu ermitteln (a.). Die zweite Option bindet dieses Recht an ein Einverständnis der Vorverfahrenskammer (b.). Alternativ wird der Generalversammlung (c.) oder dem IGH (d.) die Befugnis gegeben, über die die Fortführung der AggressionsErmittlungen durch den IStGH zu entscheiden.
a. Fortsetzung der Ermittlungen ohne die Beteiligung weiterer Institutionen Option 1 der 2. Alternative von Abs. 4 des Entwurfs gibt dem Ankläger das Recht, bei Untätigkeit des Sicherheitsrats innerhalb einer bestimmten Frist mit den Ermittlungen fortzufahren. Eine Untätigkeit des Sicherheitsrats kann sowohl auf Beschlussunfähigkeit mangels Mehrheit oder auf Grund eines Vetos eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrats als auch darauf beruhen, dass der Sicherheitsrat lediglich von Friedensbedrohung oder -bruch, nicht aber von (staatlichen) Aggressionsakten spricht. Denn an die Feststellung einer Friedensbedrohung sind geringere Voraussetzungen geknüpft als an die Feststellung einer Aggression, weswegen für erstere leichter Konsens innerhalb des Sicherheitsrats gefunden wird. Damit ist aber über das Vorliegen einer Aggression nichts ausgesagt.901 Vielmehr entspräche das einem Untätigbleiben des Sicherheitsrats. 901
Giorgio Gaja, The Long Journey towards Repressing Aggression, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 427 (434).
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
287
Zudem kann es vorkommen, dass der Sicherheitsrat sich schlicht mit einer Situation nicht beschäftigt.902 Gegen eine Fristsetzung gibt es zunächst keine rechtlichen Einwände. Im Entwurf ist derzeit die Rede von sechs Monaten, innerhalb derer der Sicherheitsrat sich zur Aggression äußern müsste. Tut er dies nicht, so könnte der IStGH seine Ermittlungen aufnehmen. Dies wäre dann vergleichbar mit der ebenso subsidiären Befassungsbefugnis der Generalversammlung gemäß Art. 12 VN-Charta. Zu prüfen ist aber, ob ein solches alleiniges Befassungsrecht des IStGH mit den Kompetenzen des Sicherheitsrats unter der VN-Charta vereinbar wäre. Dafür spricht zunächst, dass auch der IGH sich unabhängig vom oder parallel zum Sicherheitsrat in einem anhängigen Fall oder einem Gutachten zum Vorliegen eines staatlichen Aggressionsakts äußern darf.903 Im Nicaragua-Fall hat sich der IGH in der Tat eingehend mit der Thematik eines staatlichen Aggressionsakts auseinandergesetzt,904 obwohl die Vereinigten Staaten vorgebracht hatten, dies sei nur Sache des Sicherheitsrats.905 Dagegen kann zwar eingewandt werden, dass dem IStGH als ein außerhalb der VN-Charta gegründetes Gericht906 nicht zwangsläufig das gleiche Gewicht zukommen kann wie dem Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen, dem IGH. Doch selbst nationale Gerichte in Ländern, deren Recht den Angriffskrieg zum Straftatbestand erhebt,907 sind nicht daran gehindert, auch ohne voran902
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 197. 903
Vgl. dazu schon oben 5. Kapitel A.IV.
904
Military and Paramilitary Activities in und against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, Judgment. I.C.J. Reports 1986, 14. 905 Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (879). 906
Dazu ausführlicher Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Les Nations Unies et les juridictions pénales internationales, in: Jean-Pierre Cot/Alain Pellet/Mathias Forteau (Hrsg.), La Charte des Nations Unies. Commentaire article par article, 2005, 201 (225 ff.). 907
Vgl. § 80 des deutschen StGB; Art. 386 des serbischen StGB; § 91 des estnischen StGB. Einige weitere Beispiele finden sich bei Astrid Reisinger Corracini, Evaluating Domestic Legislation on the Customary Crime of Aggression Under the Rome Statute’s Complementarity Regime, in: Carsten Stahn/Göran Sluiter (Hrsg.), The Emerging Practice of the International Criminal Court, 2009, 725 (734 f.).
288
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
gegangene Feststellung eines staatlichen Aggressionsakts durch den Sicherheitsrat, den IGH oder die Generalversammlung über das Vorliegen einer Aggressionsstrafbarkeit zu urteilen.908 Es ist nicht ersichtlich, warum ein solches Recht dann nicht erst recht einem internationalen Gericht wie dem IStGH zustehen sollte. Zwar könnte man einwenden, dass das Aggressionsverbrechen – anders als alle anderen Verbrechenstatbestände des Römischen Statuts –909 untrennbar mit einem staatlichen Akt verbunden ist. Daraus folgt, dass der IStGH bei einer Entscheidung über die individuelle Strafbarkeit gemäß dem Aggressionstatbestand immer auch eine Aussage zur Staatenverantwortlichkeit trifft. Dies ist aber nicht Aufgabe eines Strafgerichts, das über Individuen zu urteilen hat.910 Doch ist dies kein rechtliches Argument gegen die Kompetenz des IStGH, über die Voraussetzungen des Aggressionstatbestands zu urteilen. Denn rechtlich verbindlich für den für die Feststellung von Staatenverantwortlichkeit zuständigen IGH wären diesbezügliche Aussagen des insoweit unzuständigen IStGH letztlich nicht; vielmehr bliebe diese Entscheidung insbesondere in der Hand des IGH, der über diese Frage gesondert urteilen müsste und in seiner Bewertung auch von der des IStGH abweichen könnte. Folglich bestehen keine rechtlichen Einwände dagegen, dem IStGH das Recht zuzugestehen, über das Vorliegen der Voraussetzungen des Aggressionstatbestands zu urteilen, sollte der Sicherheitsrat sich innerhalb einer bestimmten Frist nicht zum Vorliegen einer staatlichen Angriffshandlung geäußert haben.
908
Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007) 277 (300); Torsten Stein, Aggression als Verbrechen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes – „A Bridge Too Far“?, in: Heinz Müller-Dietz u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, 2007, 935 (941). 909
Dazu ausführlich Torsten Stein, Aggression als Verbrechen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes – „A Bridge Too Far“?, in: Heinz MüllerDietz u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, 2007, 935 (942). 910
Torsten Stein, Aggression als Verbrechen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes – „A Bridge Too Far“?, in: Heinz Müller-Dietz u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, 2007, 935 (942).
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
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b. Fortsetzung der Ermittlungen nach Zustimmung der Vorverfahrenskammer Option 2 der 2. Alternative von Abs. 4 des Entwurfs stellt das Recht des Anklägers, mit den Ermittlungen fortzufahren, unter die Voraussetzung einer Zustimmung der Vorverfahrenskammer gemäß Art. 15 RS. Nachdem Option 1 bereits als rechtmäßig erkannt wurde, existieren erst recht gegen Option 2 keine überzeugenden rechtlichen Argumente. Mit dieser Option fügte sich der Aggressionstatbestand im Gegenteil in das bestehende System von Art. 15 RS ein, indem es den Ankläger der frühzeitigen rechtlichen Kontrolle der Vorverfahrenskammer unterstellt.
c. Fortsetzung der Ermittlungen nach Feststellung einer staatlichen Angriffshandlung durch die Generalversammlung Option 3 der 2. Alternative von Abs. 4 des Entwurfs bindet die Fortsetzung der Ermittlungen des Anklägers an die vorangegangene Feststellung einer staatlichen Angriffshandlung i.S.v. Art. 8 bis durch die Generalversammlung. Bei dieser Option könnte man sich zunächst fragen, woher die Bindungswirkung einer solchen Feststellung durch die Generalversammlung für den IStGH angesichts der grundsätzlich fehlenden Bindungswirkung von Beschlüssen der Generalversammlung folgen sollte.911 Dem lässt sich jedoch entgegnen, dass die Versammlung der Vertragsstaaten durch eine Änderung des Römischen Statuts entsprechenden Resolutionen der Generalversammlung ohne Weiteres eine den IStGH bindende Wirkung einräumen könnte.912 Für eine Einschaltung der Generalversammlung sprechen ihre gegenüber dem Sicherheitsrat gemäß Art. 12 VN-Charta subsidiäre Kompe911
Torsten Stein, Aggression als Verbrechen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes – „A Bridge Too Far“?, in: Heinz Müller-Dietz u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, 2007, 935 (943). 912
In Bezug auf grundsätzlich ebenso unverbindliche Gutachten des IGH räumt Torsten Stein, Aggression als Verbrechen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes – „A Bridge Too Far“?, in: Heinz Müller-Dietz u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, 2007, 935 (943 f.), dies auch ein. Warum er diese Möglichkeit auch für Beschlüsse der Generalversammlung allerdings verschweigt, bleibt unerfindlich.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
tenz zur Wahrung des Weltfriedens sowie die politische Legitimation der Strafverfolgung, die durch eine Feststellung seitens des repräsentativsten Organs der Vereinten Nationen erzielt werden könnte.913 Jedoch ist zu beachten, dass eine Vermischung der juristischen Aufarbeitung einer Situation mit politischen Aspekten soweit es möglich ist verhindert werden sollte.914 Eine Einbeziehung des Sicherheitsrats lässt sich in diesem Rahmen noch durch seine besondere Rolle in der Friedenssicherung rechtfertigen. Für die Generalversammlung ist ein solcher Grund jedoch nicht ersichtlich. Zudem spricht gegen ein Befassungsrecht der Generalversammlung, dass die Debatte über die Feststellung einer Aggression für die politischen Zwecke unterschiedlicher Staaten missbraucht werden könnte.915 Jedoch führen diese rechtspolitischen Einwände nicht zur Rechtswidrigkeit der Beteiligung der Generalversammlung. Zwar veranschaulicht sie gut, warum eine Beteiligung der Generalversammlung vermieden werden sollte. Gegen rechtliche Grundsätze würde man mit einer solchen Beteiligung jedoch nicht verstoßen.916
d. Fortsetzung der Ermittlungen nach Feststellung einer staatlichen Angriffshandlung durch den IGH Nach Option 4 der 2. Alternative von Abs. 4 des Entwurfs darf der Ankläger mit seinen Ermittlungen nur dann fortfahren, wenn der IGH zuvor das Vorliegen einer staatlichen Angriffshandlung i.S.v. Art. 8 bis festgestellt hat.
913
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 237. 914
So auch Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 238, der auf insoweit unterstützende Ansichten des IGH hinweist. 915
Matthias Schuster, The Rome Statute and the Crime of Aggression: a Gordian Knot in Search of a Sword, CLF 14 (2003), 1 (44 f.); Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 201. 916
Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (887).
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
291
Danach müsste der IStGH den IGH also um ein Gutachten hinsichtlich einer staatlichen Angriffshandlung bitten. Problematisch an dieser Sicht sind allerdings zwei Dinge: erstens die fehlende Rechtsverbindlichkeit solcher Gutachten (aa.), und zweitens die Frage, ob der IStGH in einem solchen Verfahren überhaupt antragsbefugt ist (bb.).917
aa. Problem der rechtlichen Unverbindlichkeit von Gutachten des IGH Wie bereits bei der Generalversammlung als vorgeschaltetes Organ könnte man sich auch bei dieser Option fragen, woher die Bindungswirkung einer solchen Feststellung durch den IGH für den IStGH folgen sollte.918 Denn wie sich aus dem Wortlaut des Art. 94 VN-Charta – wonach sich die Bindungswirkung nur auf streitige Verfahren zwischen Staaten, nicht aber auf Gutachtenverfahren bezieht – als auch aus der systematischen Stellung des dem Gutachtenverfahren zugrundeliegenden Art. 96 VN-Charta (nach der Anordnung der Bindungswirkung für das zwischenstaatliche Verfahren in Art. 94 VN-Charta) ergibt, sind Gutachten des IGH nicht verbindlich. 919 Grundsätzlich denkbar wäre es, eine Bindung des IStGH an eine solche Feststellung durch den IGH im Aggressionstatbestand niederzulegen. In den bisher vorgelegten Diskussionspapieren der SWGCA ist dies jedoch nicht geschehen. Doch könnte die rechtliche Unverbindlichkeit hier möglicherweise auch überwunden werden, ohne dass eine Bindung im Aggressionstatbestand niedergelegt wird. So ist schon die faktische Wirkung eines Gutachtens des IGH nicht zu gering einzuschätzen.920 Und selbst wenn 917 Thomas Meerpohl, Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das Sanktionsregime gegen die Taliban und Al-Qaida vor dem Hintergrund des Rechts der VN und der Menschenrechte, 2008, 150. 918
Stephan Hobe/Otto Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 2004, 274; Juliane Kokott/Karl Doehring/Thomas Buergenthal, Grundzüge des Völkerrechts, 2003, 80 Rn. 171. 919
Thomas Meerpohl, Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das Sanktionsregime gegen die Taliban und Al-Qaida vor dem Hintergrund des Rechts der VN und der Menschenrechte, 2008, 150 f. 920
Jochen Herbst, Immunität von Angehörigen der U.S.-Streitkräfte vor der Strafverfolgung durch den IStGH? Zu Resolution 1422 (2002) des UNSicherheitsrates vom 12. Juli 2002, EuGRZ 29 (2002), 581 (588).
292
Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
der IStGH rechtlich nicht dazu verpflichtet wäre, dem IGH zu folgen, wäre ein gegenteiliges Vorgehen des IStGH doch sehr unwahrscheinlich, gerade dann, wenn das Gutachten auf Initiative des IStGH selbst (z.B. über die Generalversammlung) veranlasst würde. Darüber hinaus gilt jedoch – wie bei der Generalversammlung – auch beim IGH, dass es den Vertragsstaaten des Römischen Statuts möglich ist, den IStGH durch eine Änderung oder Ergänzung von Art. 5 Abs. 2 an die Gutachtenentscheidung des IGH zu binden.921
bb. Antragsbefugnis im Gutachtenverfahren vor dem IGH Ein gravierenderes Problem als die Nichtverbindlichkeit von Gutachten stellt allerdings Art. 96 VN-Charta dar. Gemäß Art. 96 Abs. 1 VNCharta können Gutachten lediglich auf Antrag der Generalversammlung oder des Sicherheitsrats erstattet werden. Art. 96 Abs. 2 VNCharta erweitert den Kreis der Antragsbefugten auf andere Organe der Vereinten Nationen und Sonderorganisationen, soweit sie von der Generalversammlung dazu ermächtigt wurden. Der IStGH oder die Versammlung der Vertragsstaaten sind hier ausdrücklich nicht genannt.922 Zwar wurde sowohl im Rahmen der Vorbereitungskommission923 als auch im Zuge der Verhandlungen zum Beziehungsabkommen zwischen IStGH und Vereinten Nationen924 angeregt, dem IStGH und/oder der
921
Torsten Stein, Aggression als Verbrechen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes – „A Bridge Too Far“?, in: Heinz Müller-Dietz u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, 2007, 935 (943 f.). 922
Shabtai Rosenne, Some Points of Contact between the International Criminal Court and the International Court of Justice, in: Shabtai Rosenne (Hrsg.), Essays on International Law and Practice, 2007, 353 (360). 923
Report of the Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court. Bd. 1, Proceedings of the Preparatory Committee during March-April and August 1996, UN Doc. A/51/22 (1996), Rn. 23: “It was suggested that the Court should possess international legal personality with treatymaking capacity. There was also a suggestion that the Court should be given competence to request advisory opinions from the International Court of Justice. Others pointed out that this would entail legal implications requiring further consideration.” 924
A Draft Relationship Agreement between the United Nations and the International Criminal Court, Discussion Paper Proposed by the Coordinator, in: Proceedings of the Preparatory Commission at its Seventh Session (26. Februar-
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
293
Versammlung der Vertragsstaaten eine Antragsbefugnis zu verschaffen. Doch erstens ist es bereits zweifelhaft, ob der IStGH und/oder die Versammlung der Vertragsstaaten zu den in Art. 96 Abs. 2 VN-Charta als ermächtigungsfähig aufgeführten Institutionen gezählt werden können. Zwar wurde auch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) von der Generalvsersammlung mit einer Antragsbefugnis ausgestattet,925 obwohl die IAEO – wie der IStGH – weder ein Organ noch eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen ist. Jedoch ist auch die Rechtmäßigkeit dieser Ermächtigung in Zweifel gezogen worden.926 Und zweitens fanden weder der Vorschlag für das Römische Sta-
9. März 2001), Addendum, Annex II, UN Doc. PCNICC/2001/L.1/Rev.1/ Add.1 (9. März 2001): “Proposals for article 13 Proposal A International Court of Justice ‘The United Nations and the Court agree that a recommendation by the Assembly of States Parties under paragraph 2 of article 119 of the Statute or an initiative by the Court to refer to the International Court of Justice a request for an advisory opinion shall be submitted to the General Assembly of the United Nations, which shall decide upon the request in accordance with Article 96 of the Charter.’ Proposal B Request for an advisory opinion ‘The General Assembly of the United Nations, in accordance with Article 96 of the Charter, shall take the necessary steps to enable the Assembly of States Parties to request the International Court of Justice to give an advisory opinion on any legal question arising within the scope of its activities, with the exception of a question that concerns the exercise by the International Criminal Court of its judicial competence or the mutual relationship between the Court and the United Nations.’” 925 926
A/RES/1146 (XII) vom 14. November 1957.
Kenneth James Keith, The Extent of the Advisory Jurisdiction of the International Court of Justice, 1970, 40 f.; Roger S. Clark, Article 119, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1727 (1734 Rn. 17). Da die IAEO bisher von ihrer Antragsbefugnis noch keinen Gebrauch gemacht hat, konnte der IGH sich zu dieser Problematik bis heute nicht äußern.
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Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat aus Sicht der VN-Charta
tut noch der für das Beziehungsabkommen letztlich Eingang in das jeweilige finale Dokument.927 Somit wurde der IStGH bis heute nicht mit einer Antragsbefugnis ausgestattet,928 und es wäre nach geltendem VN-Recht auch zweifelhaft, ob dies überhaupt zulässig wäre. Folglich ist der IStGH auf andere antragsbefugte Institutionen angewiesen. Ein Antrag des Sicherheitsrats an den IGH, die Frage des Vorliegens einer Angriffshandlung zu klären, ist angesichts der Tatsache, dass der Sicherheitsrat sich zuvor sechs Monate lang nicht zu diesem Thema geäußert hat, ziemlich unwahrscheinlich. Ein solcher Antrag bedürfte gemäß Art. 27 Abs. 3 VN-Charta, wie die Resolution selbst auch, der Zustimmung von neun Mitgliedern ohne Gegenstimme eines der ständigen SRMitglieder. Somit bleibt unter den gegebenen Umständen nur die Möglichkeit des IStGH, die Generalversammlung um ein Antragsersuchen an den IGH zu bitten. Rechtlich verbindlich für die Generalversammlung könnte eine solche Bitte jedoch nicht sein – der IStGH bliebe daher auf die Gunst der Generalversammlung angewiesen. Gegen das Recht der Generalversammlung, beim IGH ein Gutachten über das Vorliegen einer staatlichen Angriffshandlung anzufordern, könnte allerdings Art. 12 Abs. 1 VN-Charta sprechen, wonach die Generalversammlung zu einer Streitigkeit, in der auch der Sicherheitsrat seine ihm durch die VN-Charta zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt, gleichzeitig – ohne Ersuchen des Sicherheitsrats – keine Empfehlung abgeben darf. Aus dieser Vorschrift könnte man schließen, dass die Generalversammlung kein Gutachten über ein Thema beantragen darf, das auch der Sicherheitsrat bearbeitet, zumindest nicht, solange das Thema der Resolution noch auf der Tagesordnung des Sicherheitsrats steht. Doch während es bereits fraglich ist, ob es sich bei einer Gutachtenanfrage überhaupt um eine „Empfehlung“ i.S.d. Art. 12 Abs. 1 VN927
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratresolution 1422 (2002), 2006, 191. 928 Beachte zudem, dass der IGH die Antragsbefugnis von Institutionen gemäß Art. 96 Abs. 2 VN-Charta offenbar eher eng auslegt, so geschehen in Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, 66, wo der IGH einen Antrag der WHO ablehnte, da deren Antragsbefugnis sich nicht auf das gewünschte Gutachten bezöge.
Rechte und Pflichten von IStGH und Sicherheitsrat gemäß VN-Charta
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Charta handelt, träte eine Zuständigkeit des IGH im Rahmen der Verfolgung des Aggressionstatbestands ohnehin nur auf, wenn der Sicherheitsrat sich sechs Monate gar nicht zu dieser Thematik geäußert hätte. Somit könnte von einem parallelen Vorgehen der Generalversammlung ohnehin keine Rede sein. Zudem nimmt die bereits oben dargestellte Ansicht des IGH zu Art. 12 Abs. 1 VN-Charta diesem Einwand den Wind aus den Segeln.929 Da die Generalversammlung nach dieser Auslegung grundsätzlich zur parallelen Tätigkeit zum Sicherheitsrat ermächtigt ist, steht auch einem Gutachtenersuchen seitens der Generalversammlung nichts im Wege.930 Somit ist die Generalversammlung befugt, ein entsprechendes Rechtsgutachten des IGH zu beantragen – dies selbstverständlich auch auf eigene Initiative hin, also ohne vorangegangene Bitte der Versammlung der Vertragsstaaten.931 Folglich lassen sich die soeben angesprochenen Hürden auf dem Weg zu einem Gutachten des IGH zwar durchaus überbrücken – allerdings ist der IStGH hierfür auf die Unterstützung der Generalversammlung angewiesen. So ist der IGH zwar aus rechtlicher Sicht als unabhängige, direkt durch die VN-Charta legitimierte Institution geradezu prädestiniert, über das Vorliegen einer Aggression zu entscheiden. Der IStGH könnte sich aber mangels eigener Antragsbefugnis nicht darauf verlassen, dass der IGH tatsächlich über das Vorliegen einer Aggression entscheidet. Was aber im Falle des Ausbleibens einer IGH-Entscheidung passieren würde, ist unklar. Ein großer Nachteil einer solchen Mitwirkung seitens des IGH läge zudem in der zu erwartenden langen Dauer des ganzen Verfahrens.932 So dauern bereits einzelne Verfahren vor dem IGH sehr lange. Zusammengenommen mit der dem Sicherheitsrat die Erstentscheidung ermöglichenden Fristsetzung sowie der Verfahrensdauer innerhalb des IStGH sowie der für die Gutachtenanforderung zwischengeschalteten Gene929
Siehe dazu oben 5. Kapitel A.IV.
930
Ioana Petculescu, The Review of the United Nations Security Council Decisions by the International Court of Justice, NILR LII (2005), 167 (183). 931
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 192. 932
Benjamin B. Ferencz, Enabling the International Criminal Court to Punish Aggression, WashUGSLRev 6 (2007), 551 (563 f.); Claus Kress, The Crime of Aggression before the First Review of the ICC Statute, LJIL 20 (2007), 851 (863).
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ralversammlung (oder dem zwischengeschalteten Sicherheitsrat) können so schnell mehrere Jahre zusammenkommen.933 So ist die Einschaltung des IGH in der jetzigen Ausgestaltung keine überzeugende Variante. Folglich ist die Einschaltung des IGH in der bisherigen Ausgestaltung abzulehnen. Lag der Schwerpunkt der bisherigen Untersuchung auf dem Problemkreis einer ausbleibenden Entscheidung des Sicherheitsrats, soll im Folgenden untersucht werden, was passiert, wenn der Sicherheitsrat sich entscheidet. Dabei sind zwei Fragen anzusprechen: Zwar sorgt die (positive) Feststellung einer zwischenstaatlichen Aggression durch den Sicherheitsrat jedenfalls dafür, dass der Ankläger (weiter)ermitteln darf. Unklar ist jedoch, ob diese Feststellung den IStGH auch materiellrechtlich bindet, oder ob er auch über das Vorliegen einer zwischenstaatlichen Aggression eigenständig entscheiden darf (4.). Zweitens wird geklärt, ob der Sicherheitsrat – sofern man nicht bereits seine bloße Untätigkeit als Mittel, die Ermittlungen des Anklägers zu verhindern, ansieht – Ermittlungen seitens des Anklägers ausdrücklich ablehnen kann (5.).
4. Präjudizwirkung der positiven Feststellung einer staatlichen Angriffshandlung durch den Sicherheitsrat Die erste Frage ist also, ob eine den Ermittlungen vorangegangene positive Feststellung eines staatlichen Aggressionsakts durch den Sicherheitsrat präjudiziellen Charakter haben sollte/könnte, d.h. also vom IStGH als unwiderruflich gegeben akzeptiert werden müsste. Dabei ist als Vorbemerkung zunächst darauf hinzuweisen, dass der IStGH an eine vorangegangene Feststellung des Sicherheitsrats allenfalls insoweit gebunden sein kann, als der materielle Umfang der Feststellung reicht.934 933
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 203; Niels Blokker, The Crime of Aggression and the United Nations Security Council, LJIL 20 (2007), 867 (891). 934
Andreas Zimmermann, Die Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofes. Perspektiven und Probleme vor der Staatenkonferenz in Rom, ZaöRV 58 (1998), 47 (78); Gerd Westdickenberg/Oliver Fixson, Das Verbrechen der Aggression im Römischen Statut des Internationalen Gerichtshofes, in: Jochen Abr. Frowein (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden – Negotia-
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Über darüber hinausgehende Tatbestandsmerkmale – wie insbesondere die subjektiven Tatbestandsmerkmale sowie die Frage der individuellen Schuld des Beschuldigten – könnte und müsste der IStGH hingegen in jedem Fall eigenständig entscheiden. Zwar könnte man an der Praktikabilität dieser Unterscheidung zweifeln, da unklar ist, wo die Grenze, bis zu der eine rechtliche Bindung bestehe und ab der eine eigenständige Beurteilung durch den IStGH möglich ist, verläuft.935 Allerdings ist die Entwicklung einer solchen Grenze ja gerade Aufgabe eines Gerichts, das dafür da ist, umstrittene Fragen zu klären. Man könnte einer materiellrechtlichen Bindung des IStGH an die Feststellung des Sicherheitsrats entgegenhalten, dem Römischen Statut würde ein gegenüber der VN-Charta völlig eigenständiger, weil völkerstrafrechtlicher Begriff der Aggression zugrunde liegen, woraus folge, dass der IStGH nicht an die Feststellung des Sicherheitsrats gebunden sei.936 Dagegen spricht jedoch, dass die Strafbarkeit eines Beschuldigten nach dem Aggressionstatbestand auf zwei Schritten beruht: erstens dem Vorliegen einer zwischenstaatlichen Aggression, zweitens dem Tatbeitrag des Beschuldigten. Nach dem oben zur Definition des Aggressionstatbestandes Gesagten937 wird aber deutlich, dass der erste Schritt sich mit Art. 39 VN-Charta weitgehend deckt. Somit kann die soeben dargestellte Ansicht nicht überzeugen. Grundsätzlich ist hier in Erinnerung zu rufen, dass auch der IStGH sich an bindende Entscheidungen des Sicherheitsrats halten muss. Auch
ting for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, 483 (523). Dabei gilt es zusätzlich zu beachten, dass eine solche Bindungswirkung nur diejenigen Varianten einer zwischenstaatlichen Angriffshandlung umfassen könnte, die im Römischen Statut in die Definition des Aggressionsverbrechens aufgenommen würden und/oder die völkergewohnheitsrechtlich anerkannt sind. Jede über diese Voraussetzungen hinausgehende Variante verstieße gegen den Grundsatz nullum crimen sine lege, an den auch der Sicherheitsrat gebunden ist. 935
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 229 Fn. 1152. 936
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 228 f. 937
So beruht der zwischenstaatliche Teil der Aggression weitestgehend auf der Aggressionsdefinition der GV, die auch dem SR als Richtschnur dient, siehe dazu oben 1. Kapitel D.1.
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Feststellungen des Sicherheitsrats gemäß Art. 39 VN-Charta sind bindende Entscheidungen. Für die Fälle, in denen der Sicherheitsrat auf Grund einer Feststellung verbindliche Maßnahmen nach Art. 41 f. VNCharta ergreift, ergibt sich dies schon daraus, dass es widersprüchlich wäre, die Maßnahme selbst als verbindlich anzusehen, die der Maßnahme zugrunde liegende Feststellung dagegen nicht.938 Doch auch dann, wenn der Sicherheitsrat selbst nur unverbindliche Empfehlungen abgibt, ist die der Empfehlung zugrunde liegende Feststellung verbindlich. So legt schon der Wortlaut von Art. 39 VN-Charta (stellt fest; determine) eine Verbindlichkeit nahe. Auch die Systematik des Art. 39 VN-Charta spricht für die Verbindlichkeit der Feststellung: So wird zwar hinsichtlich der Rechtsfolgen zwischen verbindlichen Maßnahmen und unverbindlichen Empfehlungen unterschieden; hinsichtlich der Feststellung ist eine vergleichbare Differenzierung jedoch nicht vorgesehen.939 Letztlich wird man allein schon auf Grund ihrer Notwendigkeit für jedes weitere Vorgehen des Sicherheitsrats im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta eine Verbindlichkeit der Feststellung annehmen können.940 Denn egal, ob der Sicherheitsrat nach einer Feststellung gemäß Art. 39 VN-Charta eine verbindliche oder eine unverbindliche Maßnahme ergreift: Die Feststellung selbst ist notwendige Bedingung für jedes weitere Vorgehen des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VNCharta.941 Mithin stellt die Feststellung des Sicherheitsrats im Rahmen von Art. 39 VN-Charta eine verbindliche Entscheidung dar.942 Somit 938
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 227. 939
Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 227. 940
Georg Dahm, Völkerrecht Bd. II, 1961, 391; Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 227. 941
Georg Dahm, Völkerrecht Bd. II, 1961, 391; Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 227. 942
So auch Georg Dahm, Völkerrecht Bd. II, 1961, 391; Hans Kelsen, The Law of the United Nations. A Critical Analysis of Its Fundamental Problems, 1950, 736; Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggres-
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steht einer Bindung des IStGH von dieser Sicht aus gesehen nichts entgegen. Möglicherweise kollidiert eine verbindliche Vorgabe des Sicherheitsrats aber mit der Unabhängigkeit des IStGH.943 Denn würde man einer Aggressionsfeststellung seitens des Sicherheitsrats tatsächlich eine materiell-rechtliche Bindungswirkung zugestehen, so wäre ein nicht unerheblicher Teil des objektiven Tatbestands bereits erfüllt, ohne dass dies gerichtlich noch zu prüfen wäre. Doch im Ergebnis ist ein Eingriff in die gerichtliche Unabhängigkeit abzulehnen. Denn die Entscheidung des Sicherheitsrats betrifft trotz seiner beachtlichen Reichweite „nur“ den Bereich zwischenstaatlicher Handlungen. Der IStGH ist als internationales Strafgericht aber lediglich zuständig für die Bewertung individueller Handlungen. Wenn in der Bewertung individueller Aggressionshandlungen auch zwangsläufig die Bewertung zwischenstaatlicher Aggressionsakte enthalten ist, so bleibt doch festzuhalten, dass der eigentliche Befugnisbereich des IStGH durch eine verbindliche Feststellung seitens des Sicherheitsrats nicht berührt wird. So bliebe es dem IStGH überlassen, die Erfüllung der einzelnen individuellen Tatbeiträge und des subjektiven Tatbestands zu prüfen. Darüber hinaus bliebe ihm die Befugnis, die Feststellung der zwischenstaatlichen Angriffshandlung daraufhin zu prüfen, ob diese Akte auch unter dem Römischen Statut zu den relevanten Handlungen zählen. Wäre dies nicht der Fall, so wären die entsprechenden Handlungen auch nicht von der materiellrechtlichen Bindungswirkung der Feststellung des Sicherheitsrats erfasst. Zudem wäre eine Bindung des IStGH an eine Aggressionsfeststellung des Sicherheitsrats kein Eingriff in einen konkreten Fall, sondern eine Zuständigkeitsbeschreibung. Danach wäre der IStGH eben nicht zuständig für die Untersuchung zwischenstaatlicher Angriffshandlungen, soweit sie bereits vom Sicherheitsrat festgestellt wurden, sondern nur für darüber hinaus gehende Fragen. sion. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 227; Andreas Zimmermann, Die Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofes. Perspektiven und Probleme vor der Staatenkonferenz in Rom, ZaöRV 58 (1998), 47 (77 f.). 943
Eine solche Kollision erwägen auch Claus Kress, The Crime of Aggression before the First Review of the ICC Statute, LJIL 20 (2007), 851 (861) und Jochen Abr. Frowein/Nico Krisch, Article 39, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. I, 2002, 717 (722 Rn. 15).
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Damit verstöße es nicht gegen das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten, wenn der Feststellung einer Angriffshandlung durch den Sicherheitsrat eine den IStGH bindende Wirkung zugestanden würde. Dennoch bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer präjudiziellen Wirkung der Feststellung einer Angriffshandlung durch den Sicherheitsrat. So handelte es sich in einem solchen Fall um eine endgültige gerichtliche Maßnahme des Sicherheitsrats, die nur dort angewandt werden darf, wo sie für die Ausübung der Polizeifunktion des Sicherheitsrats unerlässlich sind.944 Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dies im Bereich des Aggressionstatbestands der Fall ein sollte. Denn der Sicherheitsrat behielte zu allen Zeiten sein Recht, adäquat auf Friedensbedrohungen zu reagieren. Sollte er feststellen, dass ein Aggressionsverfahren selbst den Weltfrieden bedroht, so steht ihm jederzeit das Recht aus Art. 16 RS zur Verfügung. Welche unerlässliche Funktion hingegen eine präjudizielle Wirkung seiner Aggressionsfeststellung für die Sicherung des Welfriedens und damit die Erfüllung der Polizeifunktion haben sollte, ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus ließe sich eine z.T. erhebliche Verletzung der Rechte des Beschuldigten im Regelfall kaum ausschließen. Denn der Beschuldigte erhielte in Bezug auf einen zwar nur auf zwischenstaatliche Aspekte bezogenen, aber dennoch erheblichen Teil seines Verfahrens kein rechtliches Gehör.945 Denn zentrale Fakten der Anklage wären bereits entschieden, ohne noch in irgendeiner Weise durch den Beschuldigten beeinflusst werden zu können.946 Selbst wenn dieser Beweise gegen das Vorliegen einer zwischenstaatlichen Aggression finden würde, würden diese vor Gericht kein Gehör finden. Des Weiteren läge ein Eingriff in die Unschuldsvermutung vor.947 So muss insbesondere berücksichtigt werden, dass es sich beim Aggressionsverbrechen um ein Führungs944
Siehe dazu oben 5. Kapitel C.
945
Torsten Stein, Aggression als Verbrechen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofes – „A Bridge Too Far“?, in: Heinz Müller-Dietz u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, 2007, 935 (940). Das Recht auf rechtliches Gehör ist in Art. 10 AEMR und Art. 14 Abs. 1 S. 2 IPbpR verankert. 946
William A. Schabas, Follow Up to Rome: Preparing for Entry into Force of the International Criminal Court Statute, HRLJ 20 (1999), 157 (163); Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 205. 947
Die Unschuldsvermutung ist verankert in Art. 11 AEMR, 14 Abs. 2 IPbpR. Siehe auch Art. 66 RS.
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verbrechen handelt. Stellte der Sicherheitsrat nun aber das Vorliegen einer zwischenstaatlichen Aggression fest, so implizierte eine Bindung des IStGH an diese Feststellung bereits zu einem hohen Maße die Beteiligung hochrangiger Beschuldigter.948 Der Bewertung des IStGH käme allenfalls noch zweitrangiger Charakter zu. Zudem wären dem Beschuldigten in Bezug auf die zwischenstaatlichen Aspekte insbesondere ein öffentliches Verfahren949 sowie das Recht, bei dem Verfahren vollständig anwesend zu sein,950 verwehrt.951 Wenn auch an dieser Stelle der genaue Charakter dieser Rechte nicht tiefgehender untersucht wird, handelt es sich doch bei allen um in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte niedergelegte Menschenrechte, an die mithin grundsätzlich auch der Sicherheitsrat gebunden ist. Und auch wenn man sie nicht als notstandsfest ansehen mag,952 und der Sicherheitsrat daher grundsätzlich von ihnen abweichen darf, ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Abweichung von diesen Rechten der Friedenssicherung dienen sollte. Insofern ist eine Rechtfertigung mehr als fraglich. Daher wäre die Festlegung einer präjudiziellen Bindungswirkung der Feststellung einer Angriffshandlung durch den Sicherheitsrat mit Völkerrecht unvereinbar. Diesem Ergebnis trägt die SWGCA mit dem vom 948
Matthias Schuster, The Rome Statute and the Crime of Aggression: a Gordian Knot in Search of a Sword, CLF 14 (2003), 1 (39 f.); Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 206; Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007) 277 (318 f.). 949 950
Art. 10 AEMR, 14 Abs. 1 S. 2 IPbpR. Siehe auch Art. 67 Abs. 1 RS. Art. 10 AEMR, 14 Abs. 3d) IPbpR. Siehe auch Art. 67 Abs. 1d) RS.
951
Carrie McDougall, When Law and Reality Clash – The Imperative of Compromise in the Context of the Accumulated Evil of the Whole: Conditions for the Exercise of the International Criminal Court’s Jurisdiction over the Crime of Aggression, ICLR 7 (2007) 277 (318). 952
Der Menschenrechtsausschuss sieht genauso wie das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten z.B. auch die Unschuldsvermutung als notstandsfest an, vgl. Human Rights Committee General Comment No. 29, States of Emergency (Art. 4) (24 Juli 2001), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.11, Rn.16.
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allgemeinen Konsens getragenen953 Art. 15 bis Abs. 5 ausreichend Rechnung. Somit entfaltet die positive Feststellung einer Aggression durch den Sicherheitsrat keine präjudizielle Wirkung für den Sicherheitsrat.
5. Ablehnung von Aggressions-Ermittlungen durch den Sicherheitsrat Zu prüfen bleibt, ob der Sicherheitsrat in Alternative 2,954 vor oder nach Ablauf der Frist, Ermittlungen seitens des Anklägers ausdrücklich ablehnen könnte. Ein entsprechender Vorschlag (“Rotes Licht” - Option) im Bericht der SWGCA lautet: 4bis. No investigation may be proceeded with on the situation notified to the Secretary-General of the United Nations, if the Security Council, [within [X] months after the date of notification] has adopted a resolution under Chapter VII of the Charter of the United Nations which indicates that it would not be justified, in the light of relevant circumstances, to conclude that an act of aggression has been committed in such a situation, including the fact that the acts concerned or their consequences are not of sufficient gravity. 4ter. If the Security Council has adopted a resolution based on the previous paragraph, the Prosecutor may submit a request, through the Secretary General of the United Nations, to review the decision where the Prosecutor considers that new facts have arisen which could negate the basis on which the resolution has been previously taken. If the Security Council adopts a new resolution making a determination of an act of aggression committed by the State concerned, the Prosecutor may proceed with the investigation in respect of a crime of aggression.955 953
Assembly of State Parties: Seventh Session (Second Resumption), Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICCASP/7/SWGCA/2 (20. Februar 2009), abrufbar unter http://www.icccpi.int/iccdocs/asp_docs/ICC-ASP-7-SWGCA-2%20English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 19. 954
Dieses Szenario ist nur für Alternative 2 des Entwurfs relevant, da in Alternative 1 ja bereits die bloße Untätigkeit des Sicherheitsrats ausreicht, um Ermittlungen des IStGH zu verhindern. 955
Assembly of State Parties: Seventh Session (Second Resumption), Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICCASP/7/SWGCA/2 (20. Februar 2009), abrufbar unter http://www.icc-
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Dieser Vorschlag sieht also die Möglichkeit des Sicherheitsrats vor, das Vorliegen einer zwischenstaatlichen Angriffshandlung ausdrücklich zu verneinen. Dabei ist zunächst erneut darauf hinzuweisen, dass die Bezeichnung einer Situation als Friedensbedrohung oder -bruch durch den Sicherheitsrat keinesfalls die Feststellung des Nichtvorliegens einer Aggression beinhaltet.956 Jedoch fällt es schwer, einer Resolution des Sicherheitsrats, die feststellt, dass eine zwingende Voraussetzung für sein Handeln unter Kapitel VII VN-Charta gerade nicht vorliegt, eine Bindungswirkung zuzusprechen. Denn auch wenn in solchen Situationen regelmäßig zumindest eine Friedensbedrohung vorliegen dürfte und damit die Voraussetzungen von Kapitel VII VN-Charta grundsätzlich erfüllt sein dürften, ist es nach Art. 39 VN-Charta Aufgabe des Sicherheitsrats, das Vorliegen, nicht aber das Fehlen einer Friedensbedrohung (oder Aggression) festzustellen.957 Damit kann diesem Vorschlag nicht gefolgt werden. Hingegen ist es dem Sicherheitsrat auf andere Art und Weise durchaus möglich, Ermittlungen des Anklägers zu beenden. Liegt nämlich – nach klassischem Art. 16 RS-Verständnis – gerade in der Fortsetzung der Aggressions-Ermittlungen in den Augen des Sicherheitsrats eine Friedensbedrohung, so hat der Sicherheitsrat die Möglichkeit, Ermittlungen des IStGH zu unterbrechen und den IStGH mit dieser Feststellung zu binden. Auf Grundlage der zu Art. 16 RS allgemein entwickelten Grundsätzen958 kann der Sicherheitsrat auch im Rahmen des Aggressionstatbestands Ermittlungen des Anklägers sowohl für ein Jahr, als auch unbefristet aufschieben, letzteres allerdings nur, solange noch kein konkreter Fall vorliegt. Für die Zeit vor Fristablauf ist das selbstverständlich, da dem Sicherheitsrat während dieser Zeit ohnehin noch das Entscheidungsmonopol obliegt. Aber auch für die Zeit nach Fristablauf gilt nichts anderes: Denn eine Einschränkung der Macht des Sicherheitsrats, den IStGH bindende Resolutionen zu erlassen, kann der cpi.int/iccdocs/asp_docs/ICC-ASP-7-SWGCA-2%20English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), 5 f. Fn. 11. 956
Siehe dazu oben 8. Kapitel D.I.3.a.
957
So auch die vorgebrachten Bedenken innerhalb der SWGCA, Assembly of State Parties: Seventh Session (Second Resumption), Report of the Special Working Group on the Crime of Aggression, ICC-ASP/7/SWGCA/2 (20. Februar 2009), abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/ICC-ASP7-SWGCA-2%20English.pdf (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), 6. 958
Siehe dazu oben 8. Kapitel B.V.2.
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Fristsetzung nicht beigemessen werden. Sie dient letztlich nur der Rechtfertigung für den Beginn von Ermittlungen, kann aber den Sicherheitsrat nicht davon abhalten, Ermittlungen später wieder zu unterbrechen oder ganz zu untersagen.
II. Zusammenfassung und Ausblick Aus dieser Analyse lässt sich Folgendes festhalten: Rechtlich zwingend ist keine der im Entwurf der SWGCA vorgeschlagenen Optionen, die sich auf die Fortführung von Ermittlungen des IStGH beziehen; mit Völkerrecht vereinbar sind sie aber alle. Mangels eigener Befugnis des IStGH zur Beantragung eines Gutachtens des IGH ist aber zumindest die Einschaltung des IGH fragwürdig. Was die anderen Varianten angeht, ist es aber letztlich allein eine Entscheidung nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, die innerhalb der Versammlung der Vertragsstaaten zu treffen ist. Mit Völkerrecht unvereinbar wäre allerdings die Festschreibung einer präjudiziellen Bindungswirkung einer positiven Aggressionsfeststellung des Sicherheitsrats. Der IStGH hat sich demnach nicht an eine solche Feststellung zu halten und kann von ihr abweichen. Die Feststellung des Sicherheitsrats, eine Aggression läge nicht vor, ist unter der VN-Charta nicht möglich. Dennoch könnte der Sicherheitsrat auf der Grundlage von Art. 16 RS auch Aggressionsermittlungen unbefristet aufschieben, solange noch keine konkreten Ermittlungen davon betroffen wären. Trotz der durchaus beachtlichen Fortschritte, die die SWGCA im Laufe der letzten Jahre erreicht hat, wird man letztlich wohl an der Skepsis festhalten müssen, die Beobachter bereits unmittelbar nach Verabschiedung des Römischen Statuts zum Ausdruck gebracht haben:959 Eine schnelle, reibungslose Einigung auf den Tatbestand der Aggression ist nicht zu erwarten. Denn angesichts der miteinander unvereinbaren Positionen hinsichtlich der Rolle des Sicherheitsrats bleibt abzuwarten, ob 959 Pietro Gargiulo, The Controversial Relationship between the International Criminal Court and the Security Council, in: Flavia Lattanzi/William A. Schabas (Hrsg.), Essays on the Rome Statute of the International Criminal Court, Bd. 1, 1999, 67 (100); Antonio Cassese, The Statute of the International Criminal Court: Some Preliminary Reflections, EJIL 10 (1999), 144 (147).
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die Delegierten der ersten Überprüfungskonferenz im Jahre 2010 sich wirklich (schon) auf einen Tatbestand einigen können.
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3. Teil: Rechtskontrolle 9. Kapitel: Die Überprüfung von SicherheitsratsResolutionen durch den IStGH Die vorangegangenen Kapitel haben ergeben, dass dem Sicherheitsrat bei seinem Handeln rechtliche Grenzen gesetzt sind. Doch dies allein bedeutet noch nicht, dass die Entscheidungen des Sicherheitsrats der gerichtlichen Kontrolle durch den IStGH unterliegen. Im Folgenden soll untersucht werden, ob und inwieweit der IStGH dazu befugt ist, Maßnahmen des Sicherheitsrats zu überprüfen. Dabei wird nicht verkannt, dass die Überprüfbarkeit von Maßnahmen des Sicherheitsrats durch internationale Spruchkörper allein ganze Bücher füllen und in der vorliegenden Arbeit nicht erschöpfend besprochen werden kann. Insofern soll an dieser Stelle lediglich ein Einblick in die mögliche Rolle gegeben werden, die der IStGH in diesem Themenkreis spielt. Der Prüfung ist voranzustellen, dass der IStGH die Prüfung einer SR-Resolution – wenn überhaupt – lediglich inzident vornehmen könnte. Denn für unmittelbare Überprüfungen von SR-Resolutionen ist der IStGH als Strafgericht nicht zuständig.
A. Prüfungskompetenz des IStGH nach dem Römischen Statut Die Frage, ob der IStGH die Kompetenz beanspruchen kann, Resolutionen des Sicherheitsrats auf ihre Rechtmäßigkeit und Rechtsverbindlichkeit zu überprüfen, wurde auf der Rom-Konferenz nicht angesprochen.960 So ist es nicht verwunderlich, dass weder das Römische Statut noch seine Prozess- und Beweisordnung eine ausdrückliche Bestim-
960
Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 102.
J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_10, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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Rechtskontrolle
mung darüber enthalten, ob und gegebenenfalls inwieweit der IStGH Resolutionen des Sicherheitsrats überprüfen darf.961 Ob sich dem Römischen Statut dennoch eine Überprüfungskompetenz des IStGH entnehmen lässt, wird im Folgenden untersucht. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Maßnahmen des Sicherheitsrats, die einen Bezug zum IStGH aufweisen, in aller Regel Unterbreitungen oder Aufschübe beinhalten werden. Diese Maßnahmen beeinflussen jeweils die Gerichtsbarkeit des IStGH.962 Somit ist zunächst zu analysieren, ob der IStGH im konkreten Fall dazu befugt ist, seine eigene Gerichtsbarkeit zu überprüfen (sog. Kompetenz-Kompetenz).
I. Kompetenz-Kompetenz des IStGH Zur Kompetenz-Kompetenz des IStGH existieren im Römischen Statut zwei Bestimmungen: Art. 19 RS (1.) und Art. 119 RS (2.).
1. Art. 19 RS Art. 19 RS lautet: 1. Der Gerichtshof vergewissert sich, dass er in jeder bei ihm anhängig gemachten Sache Gerichtsbarkeit hat. Der Gerichtshof kann aus eigener Initiative über die Zulässigkeit einer Sache nach Artikel 17 entscheiden. 2. Sowohl die Zulässigkeit einer Sache aus den in Artikel 17 genannten Gründen als auch die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs können angefochten werden von a) einem Angeklagten oder einer Person, gegen die ein Haftbefehl oder eine Vorladung nach Artikel 58 ergangen ist,
961
Ademola Abass, The Competence of the Security Council to Terminate the Jurisdiction of the International Criminal Court, TexIntlLJ 40 (2005), 263 (291). 962
Für Unterbreitungen ergibt sich das bereits aus der Überschrift des Art. 13 lit. b) RS („Ausübung der Gerichtsbarkeit“). Zum Aufschub als gerichtsbarkeitsverändernde Maßnahme siehe sogleich unten 9. Kapitel A.I.1.
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b) einem Staat, der Gerichtsbarkeit über eine Sache hat, weil er in der Sache Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchführt oder durchgeführt hat, oder c) einem Staat, der nach Artikel 12 die Gerichtsbarkeit anerkannt haben muss. 3. Der Ankläger kann über eine Frage der Gerichtsbarkeit oder der Zulässigkeit eine Entscheidung des Gerichtshofs erwirken. In Verfahren über die Gerichtsbarkeit oder die Zulässigkeit können beim Gerichtshof auch diejenigen, welche ihm die Situation nach Artikel 13 unterbreitet haben, sowie die Opfer Stellungnahmen abgeben. Nach Art. 19 Abs. 1 RS hat der IStGH also die Kompetenz, über seine Gerichtsbarkeit und die Zulässigkeit einer Sache zu entscheiden (Kompetenz-Kompetenz). Dabei betrifft die Prüfung der Gerichtsbarkeit neben den allgemeinen Grenzen der Gerichtsbarkeit (also dem inhaltlichen – ratione materiae –,963 zeitlichen – ratione temporis –,964 personalen – ratione personae –965 und örtlichen – ratione loci –966 Aspekt) auch die Fähigkeit des IStGH zur Ausübung seiner Gerichtsbarkeit.967 Letztere umfasst insbesondere die ordnungsgemäße Verfahrenseinleitung gemäß Art. 13-15 RS, und damit grundsätzlich auch die Frage, ob eine ordnungsgemäße Unterbreitung durch den Sicherheitsrat gemäß Art. 13 lit. b) RS vorliegt. Auch die Aufschub-Kompetenz des Sicherheitsrats gemäß Art. 16 RS ist eine Frage der Gerichtsbarkeit. Systematisch steht diese Vorschrift zwar genau zwischen den Normen zur Gerichtsbarkeit und Zulässigkeit und ist auf den ersten Blick keinem der beiden Aspek-
963
Beim inhaltlichen Aspekt ist danach zu fragen, ob das verfolgte Verbrechen in den Katalog des Art. 5 Abs. 1 fällt. 964
Beim zeitlichen Aspekt ist danach zu fragen, ob das Verbrechen nach Inkrafttreten des Römischen Statuts begangen worden ist und ob eine Ausnahme gemäß Art. 124 RS vorliegt. 965 Beim personalen Aspekt ist danach zu fragen, ob der Täter eine natürliche Person ist und ob er zum Tatzeitpunkt bereits 18 Jahre alt war. 966
Beim örtlichen Aspekt ist danach zu fragen, ob das Verbrechen durch einen Staatsangehörigen eines Nichtvertragsstaats begangen, und, falls ja, ob das Verbrechen auf dem Gebiet eines Vertragsstaats stattfand. 967
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 193.
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te zweifelsfrei zuzuordnen.968 Aus teleologischer Sicht spricht jedoch Einiges dafür, Art. 16 RS der Gerichtsbarkeit zuzuordnen. Denn nur dann besteht eine Pflicht des IStGH, sich mit den Wirkungen einer Resolution gemäß Art. 16 RS von Amts wegen zu befassen. Beträfe Art. 16 RS hingegen die Zulässigkeit, stünde es dem IStGH frei, über eine ihm vorliegende Resolution zu entscheiden. Bei einer so wichtigen Frage wie dem Ermittlungsaufschub durch den Sicherheitsrat kann die Überprüfung durch den IStGH aber keine freiwillige Angelegenheit sein.969 Somit wird auch Art. 16 RS von Art. 19 Abs. 1 S. 1 RS erfasst. Die Zulässigkeitsprüfung schließlich – zu der der IStGH im Gegensatz zur Gerichtsbarkeitsprüfung nicht verpflichtet ist –970 richtet sich nach den Voraussetzungen des Art. 17 RS. Die Überprüfungskompetenz des IStGH gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 RS ist auf „bei ihm anhängig gemachten Sache[n]“ beschränkt, was impliziert, dass gegen ein Individuum bereits mehr als bloße Ermittlungen begonnen wurden.971 Denn der Begriff der anhängig gemachten Sache ist enger als der in Art. 13 RS verwendete Begriff der Situation. Somit steht dem IStGH gemäß Art. 19 Abs. 1 RS die Kompetenz zu, mögliche Veränderungen seiner Gerichtsbarkeit zu überprüfen. Ob dies allerdings auch die Befugnis umfasst, SR-Resolutionen auf deren Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, lässt Art. 19 Abs. 1 RS offen.
968
Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (649); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 194. 969 So auch Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 194 f. 970
Vgl. Art. 19 Abs. 1 RS: „[V]ergewissert sich“ (Gerichtsbarkeit); „kann aus eigener Initiative über die Zulässigkeit […] entscheiden“ (Zulässigkeit). 971
Christopher K. Hall, Article 19, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 637 (640 Rn. 3).
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2. Art. 119 RS Auch Art. 119 RS bietet eine Grundlage für die KompetenzKompetenz des IStGH.972 Art. 119 RS lautet: (1) Streitigkeiten über die richterlichen Aufgaben des Gerichtshofs werden durch eine Entscheidung des Gerichtshofs beigelegt. (2) Jede andere Streitigkeit zwischen zwei oder mehreren Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Statuts, die nicht binnen drei Monaten nach ihrem Beginn durch Verhandlung beigelegt wird, wird der Versammlung der Vertragsstaaten vorgelegt. Die Versammlung selbst kann die Streitigkeit beizulegen versuchen oder weitere Mittel der Streitbeilegung empfehlen, einschließlich der Vorlage an den Internationalen Gerichtshof in Übereinstimmung mit dessen Statut. Art. 119 RS ist im Vergleich zu Art. 19 RS die generellere Norm und verzichtet auf das Erfordernis einer anhängigen Sache. Fragen der Gerichtsbarkeit und der Zulässigkeit einer anhängigen Sache werden von Art. 19 RS als der spezielleren Norm umfasst,973 während grundsätzliche Fragen abseits von konkreten Ermittlungen über Art. 119 RS abzuhandeln sind. Unter diese grundsätzlichen Fragen können alle Umstände fallen, die eine Beziehung zur Anklage einer bestimmten Person haben, soweit diese auf der Behauptung einer Verletzung des Römischen Statuts basieren.974 Nach dem soeben Gesagten sind hiervon auch Fragen zur Gerichtsbarkeit und Zulässigkeit umfasst,975 soweit sie sich nicht bereits 972
Vgl. Shabtai Rosenne, Some Points of Contact between the International Criminal Court and the International Court of Justice, in: Shabtai Rosenne (Hrsg.), Essays on International Law and Practice, 2007, 353 (358), der in Art. 119 RS das Äquivalent zu Art. 36 Abs. 6 IGH-Statut sieht. 973
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 145. 974
Tuiloma Neroni Slade/Roger S. Clark, Preamble and Final Clauses, in: Roy S. Lee (Hrsg.), The International Criminal Court: The Making of the Rome Statute, 1999, 421 (430); Roger S. Clark, Article 119, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1727 (1728 Rn. 5). 975
Roger S. Clark, Article 119, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1727 (1729 Rn. 6).
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auf eine anhängige Sache beziehen. Daraus folgt, dass der IStGH sich also bereits bevor eine Sache anhängig gemacht wurde zu seiner Gerichtsbarkeit und zur Zulässigkeit einer Sache äußern darf. Bereits in diesem Stadium ist also auch eine grundsätzliche Befassung des IStGH mit einer vorliegenden Resolution des Sicherheitsrats möglich. Allerdings äußert sich auch Art. 119 Abs. 1 RS nicht zu einer Befugnis des IStGH, SR-Resolutionen zu überprüfen. Daher wird im Folgenden mit Hilfe weiterer Bestimmungen des Römischen Statuts untersucht, ob die Kompetenz-Kompetenz des IStGH auch die Überprüfung von SRResolutionen umfasst.
II. Umfasst die Kompetenz-Kompetenz auch die Überprüfung von SR-Resolutionen? Dagegen könnte auf den ersten Blick sprechen, dass dem Sicherheitsrat – anders als etwa dem Angeklagten – gemäß Art. 19 Abs. 2 RS kein Recht gewährt wird, die Gerichtsbarkeit oder Zulässigkeit einer Sache anzufechten. Wenn die Verfasser des Römischen Statuts ein solches Anfechtungsrecht nicht für nötig befunden haben, so könnte man daraus schließen, dass der IStGH kein Recht hat, über seine Gerichtsbarkeit oder die Zulässigkeit der Sache zu entscheiden, wenn und soweit SRResolutionen eine Rolle spielen. Denn wenn der IStGH Resolutionen des Sicherheitsrats nicht prüfen darf, benötigt der Sicherheitsrat auch kein Anfechtungsrecht, da abschlägige Entscheidungen durch den IStGH ohnehin nicht möglich wären. Dagegen lässt sich aber einwenden, dass es Art. 19 Abs. 3 RS allen, die dem Ankläger gemäß Art. 13 RS eine Situation unterbreiten dürfen, ermöglicht, im Rahmen der Überprüfung des IStGH gemäß Art. 19 RS Stellungnahmen abzugeben. Hiervon umfasst ist ausdrücklich auch der Sicherheitsrat, was nicht nötig wäre, wenn der IStGH bei Unterbreitungen des Sicherheitsrats die eigene Zuständigkeit nicht überprüfen dürfte.976 Zwar beinhaltet Art. 19 Abs. 3 RS lediglich die Kompetenz des Anklägers, über Fragen der Gerichtsbarkeit oder Zulässigkeit eine Entscheidung des IStGH zu erwirken. Doch daraus zu schließen, dass der IStGH im Falle einer SR-Unterbreitung nur dann über seine Gerichtsbarkeit oder die Zulässigkeit einer Sache entscheiden darf, wenn 976
Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 143.
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der Ankläger eine entsprechende Entscheidung ersucht, wäre unvereinbar mit dem umfassenden Wortlaut des Art. 19 Abs. 1 RS, wonach der IStGH sich vergewissert, dass er in jeder bei ihm anhängig gemachten Sache Gerichtsbarkeit hat. Dies umfasst auch Unterbreitungen des Sicherheitsrats. Jedoch sagt auch diese Tatsache zunächst nur aus, dass der IStGH auch im Falle einer Unterbreitung seine Gerichtsbarkeit prüfen darf – wie weit diese Prüfung geht, ob sie also auch die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbreitungsresolution umfasst, wird auch durch sie nicht weiter beantwortet. Einer Kompetenz des IStGH zur Prüfung von SR-Resolutionen steht auf den ersten Blick entgegen, dass es sich hierbei um Problemkreise handelt, die der VN-Charta entstammen. Doch eventuell ermächtigt das Römische Statut den IStGH dazu, die VN-Charta als Grundlage seiner Entscheidungen heranzuziehen. Welches Recht der IStGH zur Grundlage seiner Entscheidungen nehmen darf, legt Art. 21 RS fest. Dieser lautet: 1. Der Gerichtshof wendet Folgendes an: a) an erster Stelle dieses Statut, die „Verbrechenselemente“ sowie seine Verfahrens- und Beweisordnung; b) an zweiter Stelle, soweit angebracht, anwendbare Verträge sowie die Grundsätze und Regeln des Völkerrechts, einschließlich der anerkannten Grundsätze des internationalen Rechts des bewaffneten Konflikts […]. Wenig überraschend ist gemäß Art. 21 Abs. 1a) RS allererste Grundlage der Entscheidungen des IStGH also – neben den Verbrechenselementen und der Verfahrens- und Beweisordnung – das Römische Statut.977 Angesichts der Tatsache, dass die genannten Instrumente aber unmöglich jeden erdenklichen Fall umfassen können, und der IStGH auch Fälle entscheiden muss, die im Römischen Statut nicht abschließend geklärt wurden, konnte Art. 21 RS an dieser Stelle nicht stehen bleiben. Stattdessen wird in Art. 21 Abs. 1b) RS auch auf Verträge des Völkerrechts verwiesen.
977
So sieht Mirko Zambelli, Les relations entre la Cour pénale internationale et le Conseil de sécurité: La nécessaire conciliation entre justice et paix internationales, L’Observateur des Nations Unies, 20/21 (2006), 197 (206) im Römischen Statut den alleinigen Prüfungsmaßstab für Entscheidungen des IStGH.
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Hierunter könnten die Voraussetzungen der VN-Charta zu subsumieren sein. Dagegen spricht jedoch, dass – entgegen dem ursprünglichen Vorschlag, ein Vertrag habe lediglich „relevant“ zu sein –978 die Verträge gemäß Art. 21 Abs. 1b) RS „anwendbar“ sein müssen. Anwendbar in diesem Sinne sind jedoch nur diejenigen Verträge, auf die das Römische Statut direkt Bezug nimmt, so insbesondere die in Art. 8 Abs. 2a) RS erwähnten Genfer Abkommen.979 Hingegen nimmt das Römische Statut auf die VN-Charta keinen Bezug.980 Somit ist die VN-Charta kein Vertrag i.S.v. Art. 21 Abs. 1b) RS. Somit ermächtigt das Römische Statut den IStGH nicht dazu, die VNCharta als Grundlage seiner Entscheidungen heranzuziehen. Dies untermauert ergänzend ein Blick auf die Voraussetzungen, die Art. 36 RS für das Richteramt am IStGH aufstellt. Art. 36 Abs. 3 b) RS lautet: Jeder Kandidat für die Wahl zum Gerichtshof muss i) über nachweisliche Fachkenntnisse auf dem Gebiet des Straf- und des Strafverfahrensrechts sowie über die notwendige einschlägige Erfahrung als Richter, Ankläger, Anwalt oder in ähnlicher Eigenschaft bei Strafverfahren oder ii) über nachweisliche Fachkenntnisse in einschlägigen Bereichen des Völkerrechts, wie etwa des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, sowie über weit reichende Erfahrung in einem Rechtsberuf, der für die richterliche Arbeit des Gerichtshofs von Bedeutung ist, verfügen.
978
Per Saland, International Criminal Law Principles: Introduction, in: Roy S. Lee (Hrsg.), The International Criminal Court: The Making of the Rome Statute. Issues, Negotiations, Results, 1999 189 (215); Margaret McAuliffe deGuzman, Article 21, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 701 (705 f. Rn. 10). 979 Alain Pellet, Applicable Law, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. II, 2002, 1051 (1068 f.). 980
Als Ausnahme könnte hier allenfalls Art. 5 Abs. 2 RS gelten, wonach der noch auszuarbeitende Aggressionstatbestand „mit den einschlägigen Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen vereinbar sein“ muss. Jedoch gälte diese Ausnahme dann auch nur im Bereich des Aggressionstatbestands, der aber eben noch nicht existiert.
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Danach müssen die Richter also über nachweisliche Fachkenntnisse entweder im Straf- und Strafverfahrensrecht oder in einschlägigen Bereichen des Völkerrechts mitbringen, wobei letzteres durch das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte konkretisiert wird. Die VN-Charta zählt hingegen nicht zum notwendigen Fachwissen der Richter. Umso fernliegender erscheint es, solchen Richtern die Befugnis zu erteilen, über diejenigen Anforderungen zu urteilen, welche die VNCharta an das Handeln des Sicherheitsrats stellt. Zu einer solchen Ermächtigung wären die Verfasser des Römischen Statuts zudem auch gar nicht befugt gewesen, hätte dies doch bedeutet, dass die Gründer des IStGH diesem die Befugnis zuerkannt hätten, verbindlich über Rechtsfragen außerhalb des Römischen Statuts zu entscheiden. Bereits eine solche Kompetenzzuschreibung wäre ultra vires gewesen und hätte folglich keine Wirksamkeit entfalten können. Denn ein Teil der Staatengemeinschaft kann nicht einfach ein Gericht – den IStGH – ins Leben rufen, das Maßnahmen eines Organs der (fast alle Staaten der Erde umfassenden) Vereinten Nationen überprüfen soll. Hierzu war die Staatenversammlung auf der Rom-Konferenz selbst nicht befugt. Folglich gestattet das Römische Statut dem IStGH kein Eingehen auf Bestimmungen der VN-Charta. Eine Kompetenz zur Prüfung der Voraussetzungen einer SR-Resolution sieht das Römische Statut nicht vor. Hingegen würde es sich eigentlich aufdrängen, dem IStGH zu gestatten, die im Römischen Statut selbst niedergelegten Voraussetzungen zu prüfen, so insbesondere die formelle Frage, ob eine Aufschubresolution des Sicherheitsrats sich gemäß Art. 16 RS auf die Dauer von 12 Monaten beschränkt,981 oder die materielle Frage, ob eine Aufschubresolution – wie vom Römischen Statut vorausgesetzt – konkrete Situationen betrifft. Denn es wäre auf den ersten Blick nicht einzusehen, warum der IStGH Voraussetzungen, die seinem eigenen Statut entwachsen, nicht prüfen können soll. Dem steht jedoch, bezogen auf die soeben aufgeworfene materielle Frage, ob eine Aufschubresolution konkrete Situationen betrifft, entgegen, dass dem Sicherheitsrat auf Grundlage der VN-Charta das weitergehende Recht zusteht, auch abstrakte Situationen aufzuschieben. Somit 981
So z.B. Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 196.
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war es den Verfassern des Römischen Statuts nicht möglich, insoweit diese dem Sicherheitsrat aus der VN-Charta zustehenden Rechte einzuschränken. Folglich kann auch dem IStGH auf Grundlage des Römischen Statuts keine Befugnis zuerkannt werden, welche die Rechte des Sicherheitsrats unter der VN-Charta beschneiden würde. Ähnliches gilt für formelle Frage der 12-Monats-Beschränkung. So ist es dem Sicherheitsrat – jedenfalls bezogen auf abstrakte Situationen – auf Grund der VN-Charta erlaubt, auch unbefristete Aufschübe anzuordnen.982 Und auch wenn dem Sicherheitsrat bezogen auf konkrete Situationen ein solches Recht nicht zusteht,983 ist jedenfalls festzuhalten, dass die doch recht willkürliche Grenze von 12 Monaten den Sicherheitsrat in seinen Befugnissen nicht einschränken kann. So wäre es durchaus vorstellbar, dass der Sicherheitsrat einen Aufschub z.B. auf 15 Monate begrenzt. Eine Befugnis des IStGH, deswegen eine SRResolution als formell fehlerhaft anzusehen oder ihre Wirkungen auf 12 Monate zu reduzieren, ergibt sich hieraus nicht. Hingegen ist es dem IStGH aus Sicht des Römischen Statuts selbstverständlich möglich, den Umfang der Resolution sowie ihre Auswirkungen auf die Gerichtsbarkeit des IStGH zu prüfen und bei Unklarheiten auszulegen. Dies beinhaltet z.B. auch das Recht, eine SR-Resolution, welche es dem IStGH ermöglicht, neue, im Römischen Statut nicht vorgesehene Verbrechenstatbestände zu verfolgen,984 unter Verweis auf die Grenzen des Römischen Statuts nicht anzuwenden.
III. Ergebnis Aus der Analyse von Art. 19 und 119 RS ergibt sich zwar die Kompetenz des IStGH, über seine Kompetenzen zu entscheiden. Diese Kompetenz-Kompetenz gibt dem IStGH aber nicht das Recht, SRResolutionen, welche die Kompetenzen des IStGH einschränken oder erweitern, in formeller oder materieller Hinsicht zu überprüfen. Auf Grund der Befugnisse des Sicherheitsrats aus der VN-Charta ist es dem IStGH sogar verwehrt, bestimmte Voraussetzungen des Römischen Sta-
982 983 984
Siehe dazu oben 8. Kapitel B.V.2.b). Siehe dazu oben 8. Kapitel B.V.2.a). Siehe dazu oben 8. Kapitel A.II.1.
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tuts selbst zu prüfen, so insbesondere die Begrenzung eines Aufschubs gemäß Art. 16 RS auf 12 Monate oder auf konkrete Situationen. In materieller Hinsicht ist es dem IStGH aus Sicht des Römischen Statuts lediglich möglich, den Umfang der Resolution sowie ihre Auswirkungen auf die Gerichtsbarkeit des IStGH zu prüfen und bei Unklarheiten auszulegen.
B. Prüfungskompetenz des IStGH nach der VN-Charta Daher ist nun eine Überprüfungskompetenz des IStGH aus Sicht der VN-Charta zu erörtern.
I. Grundsatz: Immunität der Vereinten Nationen gemäß Art. 105 Abs. 1 VN-Charta Die VN-Charta äußert sich nicht ausdrücklich zu der Möglichkeit der Überprüfung von Resolutionen des Sicherheitsrats durch nationale oder internationale Gerichte, ordnet aber in Art. 105 Abs. 1 VN-Charta eine Immunität der Vereinten Nationen im Hoheitsgebiet jedes Mitglieds an. Art. 105 Abs. 1 VN-Charta lautet: „Die Organisation genießt im Hoheitsgebiet jedes Mitglieds die Vorrechte und Immunitäten, die zur Verwirklichung ihrer Ziele erforderlich sind.“985 Dies umfasst die Freistellung von gerichtlicher Kontrolle986 und bedeutet daher grundsätzlich, dass die betroffenen Gerichte eine Entscheidung des Sicherheitsrats nicht überprüfen, geschweige denn für unanwendbar erklären können. Zu beachten ist zwar, dass die Vereinten Nationen im konkreten Fall auf ihre Immunität verzichten können. So sieht Art. 2 Abschnitt 2 Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten
985
Vgl. dazu Paul C. Szasz/Thordis Ingadottir, The UN and the ICC. The Immunity of the UN and Its Officials, Leiden Journal of International Law 14 (2001), 867 (870). 986
Michael Gerster/Dirk Rotenberg, Article 105, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. II, 2002, 1314 (1318 Rn. 13).
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Nationen vom 13. Februar 1946987 vor: „Die […] Vereinten Nationen […] genießen Immunität vor der Gerichtsbarkeit, soweit nicht im Einzelfall die Organisation ausdrücklich darauf verzichtet hat.“ Doch selbst wenn die Vereinten Nationen von dieser Verzichtsmöglichkeit in der Vergangenheit im konkreten Fall durchaus gewissenhaft Gebrauch gemacht haben,988 ändert dies nichts an der grundsätzlichen gerichtlichen Immunität der Vereinten Nationen. Zu den von dieser Immunität betroffenen Gerichten gehören in diesem Zusammenhang zunächst die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten. Aus den gleichen Gründen, die für eine Bindung internationaler Organisationen an Resolutionen des Sicherheitsrats sprechen,989 fallen aber auch internationale Gerichte und Gerichte internationaler Organisationen hierunter. So können die VN-Mitgliedsstaaten auf von ihnen gegründete internationale Gerichte nur diejenigen Kompetenzen übertragen, die auch den nationalen Gerichten zustehen. Eine gerichtliche Immunität gerade des Sicherheitsrats wird insbesondere aus Effektivitätsgründen für erforderlich gehalten: So würde die Erklärung eines nationalen oder internationalen Gerichts, eine SRMaßnahme sei unanwendbar, die Effektivität der Maßnahmen des Sicherheitsrats erheblich beeinträchtigen.990 Staaten könnten ihr Prüfungsrecht ausnutzen, um dem Befolgungszwang von für sie nachteiligen Resolutionen zu entkommen.991
987
Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, 1 UNTS 15; amtliche deutschsprachige Übersetzung: BGBl. 1980 II, 941. 988
Michael Gerster/Dirk Rotenberg, Article 105, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. II, 2002, 1314 (1318 Rn. 13). 989
Siehe dazu oben 7. Kapitel B.
990
Jost Delbrück, Article 25, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. II, 2002, 452 (459 Rn. 17); Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (197). 991
Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (59 f.).
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II. Einschränkung von Art. 105 Abs. 1 VN-Charta 1. Jüngste Tendenzen zur Einschränkung des Art. 105 Abs. 1 VNCharta Jahrzehntelang wurden die Immunität des Sicherheitsrats sowie ihr Zusammenhang mit der Effektivität seiner Maßnahmen nicht in Frage gestellt. Doch in jüngster Zeit erregten immer wieder Entscheidungen nationaler wie internationaler Gerichte992 großes Aufsehen, indem sie mehr oder weniger deutlich eine Überprüfbarkeit von SR-Maßnahmen oder von mit einer SR-Maßnahme identischen nationalen Umsetzungsmaßnahmen annahmen. So bejahten lokale niederländische Gerichte993 und – anfänglich mehr, später weniger – auch das Schweizerische Bundesgericht –994 eine materielle Prüfungskompetenz. Und während das EuG in seinen Entscheidungen zu den VN-Sanktionslisten zunächst sogar noch von einer Kompetenz zur Überprüfung der SR-Resolution selbst ausging – die dafür aber auf die Überprüfung von Verstößen gegen ius cogens be-
992
Vgl. neben den sogleich im Text genannten Gerichten den Bericht des Monitoring Team des SR, der im September 2007 26 Klagen allein gegen vom SR verhängte Individualsanktionen registrierte (Litigation by or relating to Individuals on the Consolidates List, in: Letter Dated 13 May 2008 from the Chairman of the Security council Committee established pursuant to resolution 1267 [1999] concerning Al-Quaida and the Taliban and associated individuals and entities addressed to the President of the Security Council, UN Doc. S/2008/324 [14. Mai 2008], Annex I, Rn. 1); vgl. dazu Machiko Kanetake, Enhancing Community Accountability of the Security Council through Pluralistic Structure: The Case of the 1267 Committee, MPYUNL 12 (2008), 113 (152). 993
Slobodan Milošević v. the Netherlands, Urteil vom 28. Juni 2001, Rn. 3.3, (f), wiedergegeben in englischer Sprache in NILR 48 (2001), 357 ff.; Public Prosecutor v. Al Haramain Humanitarian Aid Foundation, District Court of Amsterdam (31. März 2005), englische Übersetzung in Auszügen und eine kurze Zusammenfassung des Sachverhalts finden sich bei L.A.N.M. Barnhoorn, Netherlands Judicial Decisions Involving Questions of Public International Law, NYIL XXXVIII (2007), 423 (507 ff.). 994
Schweizerisches Bundesgericht, Rukundo, 1A.129/2001 und 1A.130/2001 (3. September 2001); Schweizerisches Bundesgericht, Youssef Nada gegen Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement, 1A.45/2007 (14. November 2007), in: EuGRZ 35 (2008), 66 ff.
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schränkt war –,995 lehnte der EuGH die unmittelbare Überprüfung von Resolutionen des Sicherheitsrats ausdrücklich ab.996 Dennoch lässt sich die Entscheidung des EuGH sogar als noch weitgehender einstufen als die vorangegangenen Urteile des EuG. Denn immerhin erklärte der EuGH eine EU-Verordnung auf Grund eines Verstoßes gegen Menschenrechte für im konkreten Fall nichtig, ohne sich daran zu stören, dass die EU durch die Verordnung ohne eigenen Ermessenspielraum eine Resolution des Sicherheitsrats umsetzte. Der JStGH bejahte seine Kompetenz zur sachlichen Überprüfung der SR-Resolution, die zur Errichtung des JStGH führte, ausdrücklich.997 Auch der RStGH entschied, dass ihm eine Kompetenz zur Überprüfung von Resolutionen des Sicherheitsrats zusteht. Dabei überprüfte der RStGH z.B. ausführlich eine mögliche Verletzung der ruandischen Souveränität, eines Grundsatzes der Vereinten Nationen (Art. 2 Abs. 1 VN-Charta).998 Dies zeigt, dass die Immunität des Sicherheitsrats in der Praxis nicht mehr widerspruchslos hingenommen wird. Dabei gingen die meisten der genannten Gerichte letztlich von der Rechtmäßigkeit der überprüften Maßnahmen aus und sorgten auf diese Weise mit dafür, dass zuvor entflammte Diskussionen über die Rechtmäßigkeit der Resolutionen zunehmend ein Ende fanden. Diese Entwicklung in der gerichtlichen Spruchpraxis wird in der Literatur zunehmend aufgegriffen und zum Anlass genommen, um ein Recht
995 EuG, Rs. T 306/01, Yusuf und Al Barakaat Foundation/Rat und Kommission (21. September 2005), Slg. 2005, II-3533; EuG, Rs. T-253/02, Ayadi/Rat (12. Juli 2006), Slg. 2006, II-2139, Rn. 115 ff; EuG, Rs. T-49/04, Hassan/Rat und Kommission (12. Juli 2006), Slg. 2006,II-52, Rn. 91 ff.; EuG, Rs. T-362/04, Minin/Kommission (31. Januar 2007), Slg. 2007, II-2003), Rn. 101. 996
EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P, Kadi und Al Barakaat Foundation/Rat und Kommission (3. September 2008), noch nicht veröffentlicht; EuGH, verb. Rs. C-403/06 und C-399/06, Hassan und Ayadi/Rat und Kommission (3. Dezember 2009), noch nicht veröffentlicht. 997
JStGH, Prosecutor v. Dusko Tadic, Decision on the Defense Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, Appeals Chamber (2. Oktober 1995), abrufbar unter http://www.icty.org/x/cases/tadic/acdec/en/51002.htm (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 14 ff. 998
RStGH, Prosecutor v. Joseph Kanyabashi, Decision on the Defence Motion on Jurisdiction, Trial Chamber (18. Juni 1997), abrufbar unter http://69.94.11.53/default.htm (zuletzt abgerufen: 3. März 2010), Rn. 9 ff.
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nationaler und internationaler Gerichte zur Überprüfung von SR-Resolutionen zu etablieren.
a. Effektive Friedenssicherung und Schutz fundamentaler Menschenrechte So wird darauf verwiesen, dass die Effektivität einer Maßnahme des Sicherheitsrats stark von der Frage abhänge, ob sich die Mitgliedstaaten und die von diesen gegründeten internationalen Organisationen bereit dazu fänden, die SR-Maßnahme umzusetzen. Dies wiederum sei nicht zuletzt von der Rechtmäßigkeit der Maßnahme abhängig: Je mehr sich der Adressat einer SR-Resolution auf deren Rechtmäßigkeit verlassen könne, desto eher sei er auch bereit, ihr zu folgen. Denn ob die Adressaten eines Sicherheitsrats, der sich nicht an völkerrechtliche Bindungen halte und keiner effektiven rechtlichen Kontrolle unterliege, dessen Maßnahmen auf Dauer akzeptieren würden, sei sehr fraglich.999 Am meisten auf die Rechtmäßigkeit verlassen könnten sich die Adressaten einer SR-Resolution, wenn diese von einem Gericht überprüft werde. Somit führe die gerichtliche Überprüfung von SR-Resolution zu einer Erhöhung ihrer Legitimität1000 und damit dazu, dass ihre Adressaten eher bereit seien, ihr zu folgen. Dies wiederum wirke sich unmittelbar auf die Effektivität der Maßnahme aus.1001 Während also auf Dauer gesehen die gerichtliche Überprüfung von SRResolutionen die Effektivität einer Maßnahme des Sicherheitsrats fördere,1002 da die von der Resolution angesprochenen Adressaten viel eher gewillt seien, die Anordnungen der Resolution umzusetzen, wenn ein Gericht ihre Rechtmäßigkeit bestätigt habe,1003 führe das Fehlen einer 999
Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (69). 1000 Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (69). 1001
Vgl. Ramses A. Wessel, The UN, the EU and Jus Cogens, IOLR 3 (2006),
1 (6). 1002
Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (202); Clemens Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht, im Erscheinen. 1003 Gentian Zyberi, The Humanitarian Face of the International Court of Justice. Its Contribution to Interpreting and Developing International Human
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gerichtlichen Überprüfbarkeit – also die absolute, uneingeschränkte Pflicht zur Befolgung von (auch rechtswidrigen) Resolutionen zu einer Verringerung der Effektivität.1004 Und wenn auch der Effektivität der Friedenssicherung durch den Sicherheitsrat weiterhin ein hoher Stellenwert zugestanden wird, sei ein kategorisches Zurücktreten des Schutzes individueller Menschenrechte hinter Belange der Sicherheit damit nicht zu rechtfertigen. Dies ergebe sich aus Art. 1 Ziff. 1, der den Schutz der Menschenrechte als Ziel der Vereinten Nationen normiere, sowie aus den menschenrechtlichen Normierungen in- und außerhalb der VN-Charta.1005
b. Systemimmanente Defizite Dies gelte umso mehr, als der Sicherheitsrat zwar seinen Aktionsradius seit der Gründung der Vereinten Nationen sowohl quantitativ als auch qualitativ erheblich ausgeweitet habe,1006 aber unverändert eine äußerst große Zurückhaltung hinsichtlich der Kontrolle seiner eigenen Akte an den Tag lege. Somit könnten die VN-Mitgliedstaaten nicht auf eine Heilung rechtswidriger Maßnahmen durch den Sicherheitsrat selbst vertrauen. Darüber hinaus sei dem Sicherheitsrat auf Grund seiner unrepräsentativen Sitz- und insbesondere der Vetorechtverteilung ein Legi-
Rights and Humanitarian Law Rules and Principles, 2008, 40; Jose E. Alvarez, Judging the Security Council, AJIL 90 (1996), 1 (27). 1004
Erika de Wet, The Role of Human Rights in Limiting the Enforcement Power of the Security Council: a Principled View, in: Erika de Wet/André Nollkaemper (Hrsg.), Review of the Security Council by Member States, 2003, 7 (28). 1005
Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (58). 1006
Zu dieser Ausweitung gehören insbesondere das erweiterte Verständnis des Friedensbegriffs nach Art. 39 VN-Charta, und die Erweiterung der Handlungsformen des Sicherheitsrats, wie die Errichtung von Straftribunalen, die Ermächtigung einzelner Staaten zu militärischem Vorgehen, die Befassung mit Individuen etc. Vgl. dazu Mehrdad Payandeh Rechtskontrolle des UNSicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte ZaöRV 66 (2006), 41 (42).
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timitätsdefizit vorzuwerfen,1007 was justizielle Freiräume ungleich schwerer hinnehmen lasse als im nationalen Bereich.1008 Dieses „systemimmanente Defizit“1009 unterstütze die Forderung nach einer Einschränkung von Art. 105 VN-Charta und damit ein Prüfungsrecht nationaler und internationaler Gerichte.1010
c. Das Loyalitätsgebot Dogmatisch gründen diese Überlegungen in einem zwischen den Vereinten Nationen und ihren Mitgliedstaaten bestehenden Gebot gegenseitiger Loyalität.1011 Dieses Loyalitätsgebot umfasse, so seine Anhänger, die Verpflichtung von Gemeinschaften und ihren Mitgliedern zur gegenseitigen Hilfe und Unterstützung,1012 da dies als notwendig für das Funktionieren und somit die Effektivität der Gemeinschaft angesehen wird.1013 Ausprägungen dieses Gebots fänden sich in Bundesstaa1007 Dazu ausführlicher Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UNSicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (61 f.). 1008
Wie z.B. im Rahmen der Political Question Doctrine des US Supreme Court. 1009
Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (60). 1010 Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (60 f.). 1011
Karl Doehring, Unlawful Resolutions of the Security Council and their Legal Consequences, MPYUNL 1 (1997), 91 (105 ff.); Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (62); Dorothee Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Grenzen der Kompetenzen des Sicherheitsrates am Beispiel der Maßnahmen gegen den Irak und die Bundesrepublik Jugoslawien, 2000, 417. Vgl. auch das auf ähnlichen Fundamenten stehende und von Clemens Feinäugle, Hoheitgewalt im Völkerrecht. Das 1267-Sanktionsregime der UN und seine rechtliche Fassung, im Erscheinen, entwickelte Prinzip der VN-Treue. 1012
Karl Doehring, Unlawful Resolutions of the Security Council and their Legal Consequences, MPYUNL 1 (1997), 91 (105). 1013
Vgl. für die Bundestreue BVerfG, Wohnungsbauförderung, BVerfGE 1, 299 (315). Für die Gemeinschaftstreue Wolfgang Kahl, Art. 10 EGV, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2007, 424 (427 Rn. 8); Rudolf
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ten,1014 aber auch in internationalen Organisationen,1015 und lägen – auch ohne ausdrückliche Erwähnung – jeder Gemeinschaft zugrunde.1016 Wichtig dabei sei, dass das Loyalitätsgebot neben der Unterordnung des einzelnen Mitglieds unter die Ziele der Gemeinschaft (was dazu führe, dass das einzelne Mitglied nicht gegen diese Ziele verstoßen dürfe) auch umfasse, dass die Gemeinschaft vom einzelnen Mitgliedstaat nicht verlangen könne, entgegen fundamentaler Ziele und Grundsätze der Gemeinschaft zu handeln.1017 Dies rechtfertige sich aus den Streinz, Art. 10 EGV, in: ders. (Hrsg.), EUV/EGV Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 2003, 309 (313 Rn. 4). 1014
Siehe z.B. das vom deutschen Bundesverfassungsgericht aus Art. 20 Abs. 1 GG entwickelte Konzept der Bundestreue, BVerfG, Wohnungsbauförderung, BVerfGE 1, 299 (315); vgl. auch BVerfG, Coburg, BVerfGE 34, 216 (232). 1015
Siehe z.B. das in Art. 10 EG zum Ausdruck kommende Prinzip der Gemeinschaftstreue innerhalb der Europäischen Gemeinschaften. Art. 10 EG lautet: „Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besondere Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgabe. Sie unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten.“ 1016
Karl Doehring, Unlawful Resolutions of the Security Council and their Legal Consequences, MPYUNL 1 (1997), 91 (105); Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (62); Vgl. auch Clemens Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht, im Erscheinen. 1017
Vgl. für die Bundestreue Karl-Peter Sommermann, Art. 20, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2: Artikel 20 bis 82, 2005, 1-162 (19 Rn. 37); Friedrich E. Schnapp, Art. 20, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd. 2: Art. 20 bis 69, 2001, 1 (6 Rn. 11). Für die Gemeinschaftstreue Wolfgang Kahl, Art. 10 EGV, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2007, 424 (463 f. Rn. 70); Streinz, Art. 10 EGV, in: ders. (Hrsg.), EUV/EGV Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 2003, 309 (312 Rn. 2). Für das Verhältnis zwischen VN und ihren Mitgliedern Karl Doehring, Unlawful Resolutions of the Security Council and their Legal Consequences, MPYUNL 1 (1997), 91 (106); Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UNSicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (62).
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bereits oben angestellten Überlegungen, dass die Effektivität der Gemeinschaftsmaßnahmen (also das Ziel des Loyalitätsgebots) stark von deren Rechtmäßigkeit abhänge. Somit wirke das Loyalitätsgebot in beide Richtungen einer Gemeinschaft: von den Mitgliedern zur Gemeinschaft, aber auch von der Gemeinschaft zu den Mitgliedern. Wie unter anderem aus Art. 2 Abs. 5,1018 49,1019 50,1020 561021 und 103 VN-Charta deutlich werde,1022 entfalte das Loyalitätsgebot auch innerhalb der Vereinten Nationen Wirkung. Dies bedeute, dass die VNMitglieder grundsätzlich alles tun müssten, um die Effektivität der Maßnahmen der VN-Organe zu gewährleisten. Gleiches gelte auf Grund des Grundsatzes nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet auch hier für die von den VN-Mitgliedstaaten gegründeten internationalen Organisationen. Andererseits finde diese Pflicht dort ihre Grenze, wo die Umsetzung einer SR-Resolution mit den fundamentalen Prinzipien der in den Vereinten Nationen organisierten internationalen Gemeinschaft kollidie-
1018 Art. 2 Abs. 5 VN-Charta lautet: „Alle Mitglieder leisten den Vereinten Nationen jeglichen Beistand bei jeder Maßnahme, welche die Organisation im Einklang mit dieser Charta ergreift; sie leisten einem Staat, gegen den die Organisation Vorbeugungs- oder Zwangsmaßnahmen ergreift, keinen Beistand.“ 1019
Art. 49 VN-Charta lautet: „Bei der Durchführung der vom Sicherheitsrat beschlossenen Maßnahmen leisten die Mitglieder der Vereinten Nationen einander gemeinsam handelnd Beistand.“ 1020 Art. 50 VN-Charta lautet: „Ergreift der Sicherheitsrat gegen einen Staat Vorbeugungs- oder Zwangsmaßnahmen, so kann jeder andere Staat, ob Mitglied der Vereinten Nationen oder nicht, den die Durchführung dieser Maßnahmen vor besondere wirtschaftliche Probleme stellt, den Sicherheitsrat zwecks Lösung dieser Probleme konsultieren.“ 1021
Art. 56 VN-Charta lautet: „Alle Mitgliedstaaten verpflichten sich, gemeinsam und jeder für sich mit der Organisation zusammenzuarbeiten, um die in Artikel 55 dargelegten Ziele zu erreichen.“ Zu Art. 56 VN-Charta Rüdiger Wolfrum, Article 56, in: Bruno Simma u.a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Bd. II, 2002, 941 Rn. 1 ff. 1022
Karl Doehring, Unlawful Resolutions of the Security Council and their Legal Consequences, MPYUNL 1 (1997), 91 (105). Ausführlich zu diesen und weiteren Normen (als Grundlage der von ihm entwickelten, insoweit mit der vorliegenden Thematik vergleichbaren VN-Treue) Clemens Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht. Das 1267-Sanktionsregime der UN und seine rechtliche Fassung, im Erscheinen.
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re.1023 Zu diesen gehöre insbesondere die Beachtung fundamentaler individueller Menschenrechte.1024 Seien solche Prinzipien betroffen, so rechtfertige dies eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 105 Abs. 1 VN-Charta1025 und die durch die Kontrolle von SRResolutionen entstandene Beeinträchtigung des Friedenssicherungssystems.1026 Allerdings wird diese Einschränkung von Art. 105 Abs. 1 VNCharta ausdrücklich unter die Bedingung gestellt, dass das System der Vereinten Nationen nicht selbst eine Überprüfung von SR-Resolutionen gewährleistet.1027
2. Anwendbarkeit der Einschränkungen von Art. 105 Abs. 1 VNCharta auf den IStGH Diese Überlegungen sind grundsätzlich und auf den ersten Blick durchaus einleuchtend und verdienen sicherlich weitere Beachtung – unklar ist jedoch, ob sie auch auf den IStGH übertragbar sind. Dabei ist insbesondere fraglich, ob die Grundprämissen, die der Einschränkung des
1023
Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (62). 1024 Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (62). 1025
Dies steht im Einklang mit der im Vordringen befindlichen Ansicht, die die Immunität internationaler Organisationen angesichts deren immer breiteren Tätigkeitsfeldes als unangemessen ansieht (so z.B. Kirsten Schmalenbach, International Organizations or Institutions, Legal Remedies against Acts of Organs, in: Rüdiger Wolfrum [Hrsg.], MPEPIL, Rn. 25) sowie mit der Tendenz, in Verträgen mit internationalen Organisationen einen Immunitätsverzicht für den Fall anzuordnen, dass die Organisation selbst keinen Rechtsschutz vorsieht (August Reinisch, The Immunity of International Organizations and the Jurisdiction of Their Administrative Tribunals, CJIL 7 [2008], 285 [289]; Clemens Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht. Das 1267-Sanktionsregime der UN und seine rechtliche Fassung, im Erscheinen). 1026
Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (60). 1027
Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYIL 45 (2002), 166 (198); Mehrdad Payandeh, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates durch staatliche und überstaatliche Gerichte, ZaöRV 66 (2006), 41 (60 ff.); vgl. auch Gernot Biehler, Individuelle Sanktionen der Vereinten Nationen und Grundrechte, AVR 41 (2003), 169 (180 f.).
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Art. 105 Abs. 1 VN-Charta zugrunde liegen – namentlich das systemimmanente Rechtsschutzdefizit (a.) und die notwendige Berücksichtigung individueller Menschenrechte (b.) – auch für den IStGH gelten.
a. Rechtsschutzlücke im Rahmen der Vereinten Nationen So könnte man zunächst daran zweifeln, ob für den IStGH überhaupt eine Rechtsschutzlücke im Rahmen der Vereinten Nationen besteht. Denn möglicherweise ist es ihm möglich, Resolutionen des Sicherheitsrats dem IGH zur Prüfung vorzulegen. Eine eigene Prüfungskompetenz wäre dann auch aus Sicht derjenigen, die grundsätzlich für eine Einschränkung des Art. 105 Abs. 1 VN-Charta eintreten, gar nicht mehr erforderlich, da auch diese eine Prüfungskompetenz nationaler und internationaler Gerichte ausdrücklich an das Fehlen effektiven Rechtsschutzes auf VN-Ebene knüpfen. Der Untersuchung, ob dem IStGH eine entsprechende Vorlagebefugnis zusteht, ist zunächst vorauszuschicken, dass zwar nicht unumstritten ist, ob der IGH selbst überhaupt zur Überprüfung von SRResolutionen befugt ist. Doch lässt sich seiner Rechtsprechung wenngleich keine eindeutige Stellungnahme, so doch immerhin eine Tendenz in Richtung sowohl einer eigenen formellen als auch einer eigenen materiellen Prüfungskompetenz entnehmen.1028 Gegen die Einschaltung des IGH durch den IStGH spricht aber, dass es ein echtes Normenkontroll- oder Vorlageverfahren beim Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen nicht gibt. Häufig wird zwar im Gutachtenverfahren gemäß Art. 96 VN-Charta eine Art Ersatz für das fehlende Normenkontrollverfahren gesehen. Jedoch gelten für den IStGH die Einwände, die schon bei der Frage, ob der IGH im Rahmen der Verfolgung des Aggressionstatbestands eingeschaltet werden kann, vorgebracht wurden1029 – die fehlende Rechtsverbindlichkeit solcher Gutachten und die fehlende Antragsbefugnis des IStGH – auch hier. 1028
Für eine formelle wie materielle Prüfungskompetenz des IGH auch Rudolf Bernhardt, Ultra Vires Activities of International Organizations, in: Jerzy Makarczyk (Hrsg.), Theory of International Law at the Threshold of the 21st Century. Essays in Honour of Krzysztof Skubiszewski, 1996, 599 (606); David Schweigman, The Authority of the Security Council under Chapter VII of the UN Charter. Legal Limits and the Role of the International Court of Justice, 2001, 267 ff. 1029
Siehe dazu oben 8. Kapitel D.I.3.d.
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Zwar kann die rechtliche Unverbindlichkeit von Gutachten des IGH im Bereich der Überprüfung von SR-Resolutionen wohl leichter überwunden werden als im Rahmen des Aggressionsverbrechens: So ist bereits die faktische, moralische Wirkung eines Gutachtens des IGH in der Lage, die Vermutung der Rechtmäßigkeit von Resolutionen des Sicherheitsrats zu widerlegen und hat somit das Potenzial, auch ohne rechtliche Verbindlichkeit die Bindungswirkung der Resolution für Mitgliedstaaten und IStGH entfallen lassen.1030 Insbesondere das Problem der fehlenden Antragsbefugnis des IStGH für solche Gutachten stellt sich aber im Rahmen der Überprüfung von SR-Resolutionen ebenso dringlich wie im Bereich der Aggressionsfeststellung. So bleibt dem IStGH auch hier nur die Möglichkeit, die Generalversammlung um ein Gutachtenersuchen zu bitten; auch hier bleibt daher die Frage, was passiert, wenn die Generalversammlung der Bitte nicht nachkommt, unbeantwortet. Fraglich ist, ob der IStGH den IGH wenigstens zu einer inzidenten Überprüfung einer Maßnahme des Sicherheitsrats veranlassen kann. Als einzige Rechtsgrundlage hierfür kommt Art. 119 Abs. 2 RS in Betracht.1031 Danach müssen Streitigkeiten zwischen mehreren Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung des Römischen Statuts – was inzident auch Resolutionen des Sicherheitsrats betreffen kann – nach drei Monaten erfolgloser Verhandlungen der Versammlung der Vertragsstaaten vorgelegt werden.1032 Diese kann neben anderen Möglichkeiten die Anrufung des IGH empfehlen. 1030 Jochen Herbst, Immunität von Angehörigen der U.S.-Streitkräfte vor der Strafverfolgung durch den IStGH? Zu Resolution 1422 (2002) des UNSicherheitsrates vom 12. Juli 2002, EuGRZ 29 (2002), 581 (588); Thomas Meerpohl, Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das Sanktionsregime gegen die Taliban und Al-Qaida vor dem Hintergrund des Rechts der VN und der Menschenrechte, 2008, 151; Ioana Petculescu, The Review of the United Nations Security Council Decisions by the International Court of Justice, NILR LII (2005), 167 (183); David Schweigman, The Authority of the Security Council under Chapter VII of the UN Charter. Legal Limits and the Role of the International Court of Justice, 2001, 278. 1031 1032
Zum Wortlaut von Art. 119 RS siehe oben 9. Kapitel A.I.2.
Nicht ausdrücklich gesagt wird, wer die Streitigkeit der Versammlung der Vertragsstaaten vorlegen soll. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit sollten dies die am Streit beteiligten Vertragsstaaten sein, Tuiloma Neroni Slade/Roger S. Clark, Preamble and Final Clauses, in: Roy S. Lee (Hrsg.), The International Criminal Court: The Making of the Rome Statute, 1999, 421 (431).
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Allerdings ist zu bedenken, dass Art. 119 Abs. 2 RS lediglich nichtrichterliche Aufgaben des IStGH betrifft. Dieses Erfordernis wird aber dann, wenn SR-Resolutionen in der Streitigkeit eine Rolle spielen, wohl kaum je erfüllt sein. So gehören insbesondere die von den Resolutionen 1422, 1487, 1497 und 1593 betroffenen Fragen der Gerichtsbarkeit und Zulässigkeit zu den ureigensten Aufgaben eines Gerichts und fallen somit unter Art. 119 Abs. 1 RS.1033 Eine Klärung in diesen Fragen durch den IGH ist daher ausgeschlossen.1034 Darüber hinaus kann die Versammlung der Vertragsstaaten den Streitparteien eine Vorlage der Streitigkeit an den IGH lediglich empfehlen.1035 Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Versammlung der Vertragsstaaten nach dem IGH-Statut nicht selbst zur Anrufung des IGH berechtigt ist.1036 Verpflichtend ist eine solche Empfehlung nicht. Zudem gilt es zu bedenken, dass eine Entscheidung des IGH in einem solchen Fall lediglich die Streitparteien, nicht aber den IStGH binden würde.1037 Aus all dem folgt, dass der IStGH den IGH in die Prüfung einer SRMaßnahme nicht einschalten kann. Somit könnte sich auch der IStGH auf eine Rechtsschutzlücke bezüglich SR-Resolutionen im System der Vereinten Nationen berufen.
1033 Vgl. Roger S. Clark, Article 119, in: Otto Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observer’s Notes, Article by Article, 2008, 1727 (1729 Rn. 6). 1034
Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 190. 1035
Shabtai Rosenne, Some Points of Contact between the International Criminal Court and the International Court of Justice, in: Shabtai Rosenne (Hrsg.), Essays on International Law and Practice, 2007, 353 (359). 1036
Shabtai Rosenne, Some Points of Contact between the International Criminal Court and the International Court of Justice, in: Shabtai Rosenne (Hrsg.), Essays on International Law and Practice, 2007, 353 (359). 1037
Allerdings kann man dann, wenn die Anrufung des IGH auf eine Empfehlung der Versammlung der Vertragsstaaten zurückgeht, wohl davon ausgehen, dass der IStGH sich an der Entscheidung des IGH orientieren würde.
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b. Individualrechtsschutz durch fundamentale Menschenrechte Ein erheblicher Unterschied zwischen dem IStGH und den Fällen, für die das Loyalitätsgebot bisher herangezogen wurde – namentlich der Fall Kadi/Al Barakaat –, besteht allerdings darin, dass in letzteren erhebliche Belange des Individualschutzes betroffen sind, während es auf Seiten des IStGH es in erster Linie um „institutionellen“ Rechtsschutz geht, also um Schutz der Institution IStGH gegen Einflussnahme durch den Sicherheitsrat. Wie soeben dargestellt,1038 spielt gerade die Verletzung fundamentaler Menschenrechte eine wichtige Rolle für die Rechtfertigung der Prüfungskompetenz nationaler und internationaler Gerichte. Entsprechend ist die Verletzung fundamentaler Menschenrechte aber auch notwendige Bedingung für das Zurücktreten der Immunität des Sicherheitsrats gemäß Art. 105 Abs. 1 VN-Charta. Anschaulich wird der Unterschied, wenn man die Wirkungen näher betrachtet, welche einerseits die dem Fall Kadi/Al Barakaat zugrunde liegenden Sanktionslisten des Sicherheitsrats, andererseits die Resolutionen, die einen Bezug zum IStGH aufweisen, für Individuen erzeugen. Die Aufnahme der Beschwerdeführer im Fall Kadi/Al Barakaat auf die Sanktionslisten des Sicherheitsrats führte zu einer Verpflichtung der VN-Mitgliedstaaten, u.a. die Konten der Betroffenen einzufrieren und ihnen Reiseverbote aufzuerlegen. Dies alles geschah ohne jegliche Rechtsschutzmöglichkeit der Betroffenen, die nicht einmal von diesen Maßnahmen unterrichtet wurden. Dass hierbei die Maßnahme des Sicherheitsrats erhebliche Wirkungen auf fundamentale Menschenrechte erzeugte, liegt auf der Hand. Zwar wurden diese lediglich durch die Mitgliedstaaten vermittelt. Da die Vorgaben des Sicherheitsrats den VN-Mitgliedstaaten allerdings keinerlei Umsetzungsspielraum zugestanden, kann man hier durchaus auch von einer unmittelbaren Wirkung auf die betroffenen Individuen ausgehen. Resolutionen des Sicherheitsrats, die im Zusammenhang mit dem IStGH eine Rolle spielen, entfalten hingegen für Individuen im Regelfall keine einschneidenden nachteiligen Wirkungen. Denkt man nämlich einerseits an Aufschubresolutionen, so kommen diese dem betroffenen Individuum sogar zugute. Und selbst wenn man an dieser Stelle die Interessen der Opfer berücksichtigt, liegt keine unmittelbare Verletzung fundamentaler Menschenrechte vor. Wie gesehen gibt es auf völkerrechtlicher Ebene keine zwingende Strafverfolgungspflicht. Das Inte1038
Siehe dazu oben 9. Kapitel B.II.1.a.
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resse der Opfer auf Genugtuung durch die Strafverfolgung des Täters stellt aber kein fundamentales Menschenrecht dar. So tragisch das Schicksal eines jeden Opfers völkerrechtlicher Verbrechen, so nachvollziehbar und anerkennenswert sein Wunsch auf Strafverfolgung auch ist: eine fundamentale Menschenrechtsverletzung, die nach den herausgearbeiteten Kriterien ein Prüfungsrecht des IStGH rechtfertigen würde, stellt die Verhinderung der Strafverfolgung nicht dar. Betrachtet man andererseits Resolutionen, durch die der Sicherheitsrat die Gerichtsbarkeit des IStGH erweitert, so kommt es in diesem Fall entscheidend darauf an, dass solche Resolutionen die Rechte potentieller Täter nicht unmittelbar, sondern lediglich vermittelt durch den IStGH berühren. Dies ist deshalb wichtig, da dem IStGH durch solche SR-Maßnahmen lediglich eine erweiterte Entscheidungsmöglichkeit an die Hand gegeben wird. Welche Entscheidungen der IStGH auf dieser Grundlage trifft, bleibt in seinem Ermessen; ihm obliegt es, fundamentale Menschenrechte der Betroffenen zu achten. Der IStGH tritt hier folglich als Institution auf, die auf Grundlage der sorgfältig austarierten Rechte des Römischen Statuts auf ein faires Verfahren tätig wird. Bereits dadurch werden die Rechte des Betroffenen gewahrt. Diese Gründe sorgen letztlich dafür, dass Fälle der Strafverfolgung durch den IStGH mit Fällen fundamentaler Menschenrechtsverletzungen wie im Fall Kadi/Al Barakaat nicht vergleichbar sind und dass eine Kompetenz des IStGH zur Überprüfung von SR-Resolutionen nicht nötig erscheint, da es dem IStGH bereits ohne eine solche Kompetenz möglich ist, die Rechte der Betroffenen angemessen und auf Grundlage des Römischen Statuts zu wahren. Etwas anderes könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn der Sicherheitsrat Entscheidungen träfe, die unmittelbar nachteiligen Einfluss auf von Strafverfahren vor dem IStGH Betroffene hätten, so z.B. die Anordnung, einen Angeklagten zu lebenslanger Haft zu verurteilen. Bei einer so weitgehenden Entscheidung könnte man durchaus Vergleiche zum Fall Kadi/Al Barakaat ziehen, würden auch hier Grundsätze des fairen Verfahrens erheblich verletzt. Allerdings ist es doch höchst fernliegend, dass der Sicherheitsrat wirklich eine solche Resolution erlässt. In all den Jahren seit der Schaffung von JStGH und RStGH gab es nicht einmal ansatzweise einen vergleichbaren Fall.1039 1039 Zudem wäre ein solch krasser Fall wohl ohne Weiteres als offensichtliche Rechtsverletzung anzusehen, die den IStGH ausnahmsweise dazu berechtigt, eine SR-Resolution nicht anzuwenden, siehe dazu sogleich 9. Kapitel B.II.3.
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Selbst wenn man also mit der oben dargestellten Ansicht der Meinung ist, Art. 105 Abs. 1 VN-Charta bedürfe unter bestimmten Umständen einer Einschränkung, so liegen diese Umstände im Fall des IStGH jedenfalls nicht vor. Insofern bedarf es hier keiner weiteren Untersuchung, ob die Überlegungen zum Loyalitätsgebot überhaupt tragfähig sind oder nicht.
3. Offensichtlich rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats Doch auch wenn das Loyalitätsgebot keine Kompetenz des IStGH zur Überprüfung von SR-Resolutionen bereitstellt, bedeutet dies nicht eine vollständige Verneinung jedweder Prüfungskompetenz. So mag es unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Friedenssicherung nachvollziehbar und auch notwendig sein, dass im Einzelfall auch rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats umgesetzt werden müssen. Eine solche Pflicht gelangt jedoch bei offensichtlich rechtswidrigen Maßnahmen an ihre Grenze. Von niemandem kann verlangt werden, derartige Maßnahmen umzusetzen. Dies entspricht dem im 7. Kapitel gefundenen Ergebnis, dass offensichtlich rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats keine Bindungswirkung entfalten. Daraus folgt, dass es jedem Adressaten einer solchen Resolution möglich sein muss, diese unangewendet zu lassen. Richtet sich eine solche Maßnahme also an den IStGH, so steht auch diesem ein solches Recht zu.1040
1040
Ähnlich Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 146, und Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 198 f. Eine wohl weitergehende formelle und materielle Prüfungskompetenz des IStGH nehmen hingegen an William A. Schabas, An Introduction to the International Criminal Court, 2007, 169; Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (650); Salvatore Zappalà, The Reaction of the US of the Entry into Force of the ICC Statute: Comments on UN SC Resolution 1422 (2002) and Article 98 Agreements, JICJ 1 (2003), 114 (120); ebenso Mohamed M. El Zeidy, The Principle of Complementarity: A New Machinery to Implement International Criminal Law, MichJIntlL 23 (2002), 869 (966); Andreas Zimmermann, Role and Function of International Criminal Law in the International System After the Entry into Force of the Rome Statute of the International Criminal Court,
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Aus diesen Überlegungen wird sich zunächst in den meisten Fällen jedenfalls eine formelle Prüfungskompetenz des IStGH ergeben. Denn bei einer Resolution, die nicht einmal die formellen, in aller Regel leicht nachprüfbaren Voraussetzungen einhält, wird es sich in aller Regel um eine offensichtlich rechtswidrige Maßnahme handeln. Die Überprüfung, ob diese Kriterien eingehalten wurden, stellt auch keinen besonders schweren Eingriff in das Organisationgefüge der Vereinten Nationen dar – ganz abgesehen davon, dass die genannten Kriterien ohnehin kaum jemals fehlen dürften. So darf der IStGH prüfen, ob eine Resolution des Sicherheitsrats, die Bezüge zum IStGH aufweist, überhaupt ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Dazu zählen die Fragen, ob im Sicherheitsrat für die Verabschiedung der Resolution die nötigen Mehrheiten bestanden (Art. 27 Abs. 3 VN-Charta), insbesondere, ob der Verabschiedung das Veto eines ständigen Mitglieds entgegenstand, und ob der Sicherheitsrat überhaupt im Rahmen von Kapitel VII VNCharta tätig geworden ist. Allerdings ist doch zu betonen, dass es im Einzelfall durchaus auch formelle Kriterien geben kann, deren (Nicht-)Einhaltung sich nicht auf den ersten Blick aufdrängt. In einem solchen Fall muss es dem IStGH dann doch verwehrt bleiben, über diese Voraussetzung zu entscheiden. Plastisch wird diese Einschränkung, wenn man sich die Problematik vergegenwärtigt, ob die Enthaltung eines ständigen SR-Mitglieds der Ausübung eines Vetorechts gleichsteht oder nicht. Diese zunächst äußerst umstrittene Frage wurde erst durch den IGH geklärt.1041 Sollte es bei der Prüfung der formellen Voraussetzungen einer SR-Resolution durch den IStGH auf eine ähnlich umstrittene formelle Frage ankommen, so wäre ihm in diesem Fall eine Entscheidung verwehrt und er müsste die Resolution als formell ordnungsgemäß zustande gekommen unterstellen.
GYIL 45 (2002), 35 (43 f.); Michael P. Scharf, The Amnesty Exception to the Jurisdiction of the International Criminal Court, CornellIntlLJ 32 (1999), 507 (523). 1041
Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, 16 (Rn. 21 f.). Vgl. auch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/2, 2002, 219 f.; Tullio Treves, Customary International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, November 2006, Rn. 81.
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Folglich darf der Sicherheitsrat die formellen Voraussetzungen einer SR-Resolution prüfen, da diese sich im Regelfall als offensichtlich, also leicht nachprüfbar darstellen.1042 Ob dem IStGH hingegen eine materielle Prüfungskompetenz zusteht, muss jeweils der Einzelfall entscheiden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu betonen, dass eine Überschreitung des sehr weiten politischen Spielraums des Sicherheitsrats bei der Frage, ob die Voraussetzungen von Art. 39 VN-Charta vorliegen,1043 nur schwer vorstellbar ist.1044 Ein Beispiel für einen offensichtlichen materiellen Verstoß stellte sicherlich eine (bereits angesprochene) Anordnung des IStGH dar, einen Angeklagten zu lebenslanger Haft zu verurteilen. Dies wäre ein solch klarer Verstoß gegen die Unabhängigkeit des IStGH, dass dieser auch ohne eine Übertragung der Überlegungen zum Loyalitätsgebot auf den IStGH zur Prüfung und Nichtanwendung der SR-Resolution befugt wäre.
1042
Ebenso im Ergebnis für eine formelle Prüfungskompetenz Jörg Meißner, Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nach dem Römischen Statut, 2003, 261; Zsuzsanna Deen-Racsmány, The ICC, Peacekeepers and Resolution 1422: Will the Court Defer to the Council?, NILR 49 (2002), 353 (383 f.); Gabriël H. Oosthuizen, Some Preliminary Remarks on the Relationship between the Envisaged International Criminal Court and the UN Security Council, NILR XLVI (1999), 313 (319; 331); Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 195; Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 146; Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 113; Martin Hummrich, Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Historische Entwicklung, Geltung und Definition im Hinblick auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, 2001, 228. 1043 1044
Siehe hierzu schon oben 5. Kapitel A.
Mögliche Beispiele – wie etwa die Feststellung des mangelhaften Bildungssystems eines Staates als Friedensbedrohung – nennt Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 199.
Überprüfung von Sicherheitsrats-Resolutionen durch den IStGH
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C. Ergebnis Damit steht dem IStGH grundsätzlich keine Kompetenz zur Überprüfung von SR-Resolutionen zu. Sollten sich Maßnahmen des Sicherheitsrats jedoch als offensichtlich rechtswidrig herausstellen, so ist der IStGH – wie jeder andere Adressat auch – dazu befugt, die Resolution für nicht anwendbar zu erklären.1045 Da formelle Fehler in aller Regel solch offensichtliche Fehler sind, ist aus diesem Grund doch regelmäßig von einer formellen Prüfungskompetenz auszugehen. Eine materielle Prüfungskompetenz steht dem IStGH hingegen nur in absoluten Ausnahmefällen zu. Diese Prüfungskompetenz des IStGH bezieht sich sowohl auf diejenigen Resolutionen, die sich einer der Handlungsformen im Römischen Statut (Art. 13 lit. b), 16 RS) bedienen, als auch auf diejenigen, die außerhalb des Römischen Statuts verabschiedet wurden. Denn würde man die Kontrollkompetenz des IStGH auf die Resolutionen beschränken, die sich direkt auf eine Grundlage im Römischen Statut beziehen, so wäre es für den Sicherheitsrat ein Leichtes, durch einen Verzicht auf einen solchen Bezug jegliche richterliche Kontrolle durch den IStGH zu vermeiden. Anstatt also derartig zwischen Resolutionen und ihren Grundlagen zu unterscheiden, wird man einen direkten Bezug der Re1045
Ähnlich Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 146, und Michael E. Kurth, Das Verhältnis des Internationalen Strafgerichtshofes zum UN-Sicherheitsrat. Unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsratsresolution 1422 (2002), 2006, 198 f. Eine wohl weitergehende formelle und materielle Prüfungskompetenz des IStGH nehmen hingegen an William A. Schabas, An Introduction to the International Criminal Court, 2007, 169; Luigi Condorelli/Santiago Villalpando, Referall and Deferral by the Security Council, in: Antonio Cassese/Paola Gaeta/John R.W.D. Jones (Hrsg.), The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary, Bd. I, 2002, 627 (650); Salvatore Zappalà, The Reaction of the US of the Entry into Force of the ICC Statute: Comments on UN SC Resolution 1422 (2002) and Article 98 Agreements, JICJ 1 (2003), 114 (120); ebenso Mohamed M. El Zeidy, The Principle of Complementarity: A New Machinery to Implement International Criminal Law, MichJIntlL 23 (2002), 869 (966); Andreas Zimmermann, Role and Function of International Criminal Law in the International System After the Entry into Force of the Rome Statute of the International Criminal Court, GYIL 45 (2002), 35 (43 f.); Michael P. Scharf, The Amnesty Exception to the Jurisdiction of the International Criminal Court, CornellIntlLJ 32 (1999), 507 (523).
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Rechtskontrolle
solution zur Arbeit des IStGH fordern müssen: Die entsprechende Resolution muss in irgendeiner Weise entscheidend für eine Aufnahme oder Fortsetzung der Tätigkeit des IStGH sein. Ohne einen solchen Bezug greifen die Bestimmungen zur Kompetenz-Kompetenz des IStGH hingegen nicht, und eine Kontrolle seitens des IStGH hätte keine völkerrechtliche Grundlage. Zuständig für eine solche Überprüfung ist gerichtsintern diejenige Kammer, bei der ein betroffener Fall anhängig ist.1046 Dem Ankläger hingegen steht ein solches Recht nicht zu.1047 Denn es wäre höchst fragwürdig, einer parteiischen und nicht gerichtlichen Instanz ein solches Recht zu übertragen. Somit müsste, wer sich auf die Rechtswidrigkeit und Unverbindlichkeit einer Resolution des Sicherheitsrats beruft, sich an die für den Fall jeweils zuständige Kammer wenden.
D. Rechtsfolgenausspruch des IStGH Handelt es sich bei einer den IStGH betreffenden Resolution des Sicherheitsrats also um eine nicht offensichtlich rechtswidrige Maßnahme, ist der IStGH gehalten, diese uneingeschränkt anzuwenden. Im gegenteiligen, eher unwahrscheinlichen Fall wird man dem IStGH wohl auferlegen müssen, zunächst dem Sicherheitsrat seine Bedenken mitzuteilen. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass es sich bei der Prüfungskompetenz um eine absolute Notfallkompetenz handelt, mit der der IStGH in den Rechtskreis des Sicherheitsrats eingreift. Erst wenn der Sicherheitsrat nicht in zufrieden stellender Weise auf diese Bedenken reagiert, darf der IStGH die Resolution im konkreten Fall für unanwendbar erklären. Weitergehende Bedeutung – wie insbesondere die Nichtigkeit erga omnes – kann der Ausspruch des IStGH hingegen nicht entfalten. Denn eine solche Wirkung wäre im Rahmen der Notfallkompetenz des 1046
Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 237. 1047
Daniela Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof. Zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen nach der Charta der Vereinten Nationen und dem Römischen Statut, 2008, 239 Fn. 1040; vgl. auch Carsten Stahn, The Ambiguities of Security Council Resolution 1422 (2002), EJIL 14 (2003), 85 (102).
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IStGH für den konkreten Fall nicht erforderlich. Dem könnte man zwar entgegenhalten, dass offensichtlich rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats per se schon keine Bindungswirkung entfalten. Die Unanwendbarkeitserklärung des IStGH wäre also ohnehin nur deklaratorischen Charakters. Doch die dem IStGH durch das Römische Statut übertragenen Aufgaben beschränken sich auf die Entscheidung über konkrete, vor dem IStGH anhängige Fragen. Eine weitergehende Kompetenz steht dem IStGH nicht zu und wäre mit den Kompetenzen des Sicherheitsrats unvereinbar.1048 Dies bedeutet, dass eine Entscheidung des IStGH keine Auswirkungen auf am Verfahren Unbeteiligte oder die Resolution als solche hat. Dieses Ergebnis ist allerdings mit der Einschränkung zu versehen, dass der Begriff der „am Verfahren Beteiligten“ im Falle des IStGH recht weit zu verstehen ist. Fällt der IStGH z.B. die Entscheidung, ein Verfahrensaufschub des Sicherheitsrats sei formell fehlerhaft zustande gekommen und daher im konkreten Fall unanwendbar, bedeutet dies nicht nur, dass der Ankläger seine Ermittlungen fortsetzen darf. Es muss darüber hinaus auch bedeuten, dass die Staaten an den Aufschub der Ermittlungen – und damit der Kooperation mit dem IStGH – nicht gebunden sind. Blieben die Staaten hingegen weiterhin an den Aufschub gebunden, so wäre der IStGH – ohne Unterstützung durch die Staaten – ein „giant without arms and legs“1049 und die Unanwendbarkeitserklärung wäre letzten Endes sinn- und wirkungslos. Einzuräumen ist, dass so die Unanwendbarkeitsentscheidung einer Nichtigkeitsentscheidung sehr nahe kommt. Dennoch wäre die Frage der Wirksamkeit der Resolution des Sicherheitsrats außerhalb des konkreten Falls keine, die der IStGH beantworten dürfte; es wäre Sache 1048
So auch Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 148: „Daraus folgt zwangsläufig, dass der IStGH Sicherheitsratsbeschlüsse nicht für ultra vires unter der UN-Charta oder für nichtig erklären kann. Gleichwohl erscheint es möglich, dass er einen Sicherheitsratsbeschluss für unvereinbar mit dem Römischen Statut erklärt. Dies hat zwar nicht die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge, da diese sich nach der UN-Charta richtet, doch ist der Beschluss im Rahmen des Römischen Statuts nicht bindend und für den IStGH bzw. seine Organe undurchführbar.“ 1049
Matthew Happold, Darfur, the Security Council and the International Criminal Court, ICLQ 55 (2006), 226 (233) unter Verweis auf Antonio Cassese, On the Current Trend towards Criminal Prosecution and Punishment of Breaches of International Humanitarian Law, EJIL 9 (1998), 2 (13), der dieses Zitat noch auf den JStGH bezogen hatte.
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Rechtskontrolle
entweder des Sicherheitsrats selbst, die Resolution zu ändern oder zurückzunehmen, oder des IGH, die Resolution für nichtig zu erklären.
E. Die Überprüfung der Resolutionen 1422 (2002), 1487 (2003), 1497 (2003) und 1593 (2005) durch den IStGH Nachdem oben festgestellt wurde, dass die Resolutionen 1422, 1487, 1497 und 1593 z.T. im Konflikt mit dem Römischen Statut stehen,1050 ist zuletzt zu untersuchen, zu welchem Ergebnis eine Überprüfung dieser Resolutionen durch den IStGH führen würde. Wie gesehen steht dem IStGH grundsätzlich keine Kompetenz zur Überprüfung von SRResolutionen zu, es sei denn, es handelt sich um eine offensichtlich rechtswidrige Maßnahme des Sicherheitsrats. In aller Regel ist der IStGH damit gehalten, Resolutionen des Sicherheitsrats anzuwenden, selbst wenn er Zweifel an deren Rechtmäßigkeit hat. Insbesondere darf der IStGH eine SR-Resolution nicht deshalb für unanwendbar erklären, weil diese mit Bestimmungen des Römischen Statuts nicht in Einklang steht.
I. Sicherheitsrats-Resolutionen 1422 und 1487 Die Resolutionen 1422 und 14871051 könnten aus zweierlei Gründen mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen unvereinbar sein. Erstens könnte Resolution 1422 in die beiden der Zuständigkeit des IStGH zugrunde liegenden Strafverfolgungsprinzipien (Territorialitätsprinzip und passives Personalitätsprinzip, vgl. Art. 12 Abs. 2 RS) eingreifen und dadurch gegen das Prinzip der staatlichen Souveränität verstoßen.1052 Und zweitens kommt ein Verstoß der Resolution 1422 gegen den in der VN-Charta niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatz in 1050
Siehe dazu oben 4. Kapitel.
1051
Im Folgenden wird angesichts des identischen Wortlauts der Resolutionen 1422 und 1487 nur noch auf Resolution 1422 rekurriert. Die Ausführungen sind aber auf Resolution 1487 übertragbar. 1052
So Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (919, 934).
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Betracht, indem Staatsangehörige von Vertragsstaaten durch Resolution 1422 anders behandelt werden als solche aus Nichtvertragsstaaten. Denn erstere bleiben der uneingeschränkten Jurisdiktion des IStGH unterworfen, während letztere ausdrücklich davon befreit werden.1053 Dies führt gleichzeitig zu einer Ungleichbehandlung zwischen den betroffenen Staatsangehörigen wie auch zwischen den sie entsendenden Staaten. Doch während bei der ersten Variante bereits auf den ersten Blick kein rechtswidriges Handeln des Sicherheitsrats vorliegt, da Maßnahmen gemäß Art. 2 Ziff. 7 VN-Charta unter Kapitel VII VN-Charta vom Verbot der Intervention ausdrücklich nicht berührt werden,1054 kann in der zweiten Variante jedenfalls nicht von einer offensichtlich rechtswidrigen Maßnahme gesprochen werden. Denn das allgemeine Völkerrecht lässt – in den Grenzen von Willkür und Rechtsmissbrauch – eine unterschiedliche Behandlung einzelner Staaten zu.1055 Für die unterschiedliche Behandlung von Soldaten aus Vertrags- und solchen aus Nichtvertragsstaaten lassen sich angesichts der Tatsache, dass es sich bei diesen um zwei ungleiche Gruppen handelt, durchaus Rechtfertigungsgründe finden. Verstöße gegen ius cogens durch eine mögliche Verhinderung der Strafverfolgung liegen bereits keine vor. Denn abgesehen davon, dass Verfolgungspflichten nicht dem zwingenden Völkerrecht zuzuordnen sind,1056 führt eine einjährige Suspendierung der Ermittlungen nicht zur Straflosigkeit des Täters.1057 1053
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (919 f.). 1054
Sebastian Heselhaus, Resolution 1422 (2002) des Sicherheitsrates zur Begrenzung der Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, ZaöRV 62 (2002), 907 (934). 1055 Arnd Düker, Die Strafverfolgung von Angehörigen einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen, 2008, 233. 1056 1057
Siehe oben 8. Kapitel B.V.2.a.
Anders aber Mohamed M. El Zeidy, The United States Dropped the Atomic Bomb of Article 16 of the ICC Statute: Security Council Power of Deferrals and Resolution 1422, VandJTransnatlL 35 (2002), 1503 (1535), der argumentiert, durch die Suspendierung der Ermittlungen könne der Täter fliehen und somit dauerhaft der Justiz entkommen. Da potentiell von Resolution 1422 erfasste Täter sich zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Resolution aber nicht
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Da Resolution 1422 zudem keine konkreten Verfahren betrifft, ist auch das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten nicht verletzt. Während somit auf materieller Ebene kein offensichtlich rechtswidriges Handeln des Sicherheitsrats vorliegt, ist ein solches auf formeller Ebene zu bejahen. Denn der Sicherheitsrat stellt in Resolution 1422 keine ausdrückliche Friedensbedrohung fest.1058 Wie bei den meisten formellen Voraussetzungen handelt es sich bei dieser Voraussetzung um eine leicht nachprüfbare – ihre Nichtbeachtung stellt folglich eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit dar. Folglich sind die Resolutionen 1422 und 1487 in formeller Hinsicht offensichtlich rechtswidrig. Der IStGH wäre angehalten, dem Sicherheitsrat seine Bedenken mitzuteilen und eine entsprechende Reaktion abzuwarten. Sollte der Sicherheitsrat nicht (adäquat) auf die Bedenken reagieren, so hätte der IStGH das Recht, die Resolutionen 1422 und 1487 für unanwendbar zu erklären.
II. Sicherheitsrats-Resolution 1497 Auch im Rahmen von Resolution 1497 ist ein möglicher Verstoß des operativen § 7 (durch eine Kollision mit dem Strafverfolgungsrecht aller Staaten außer dem des jeweiligen Heimatstaats des Beschuldigten) gegen das Prinzip der in Art. 2 Ziff. 1 VN-Charta verankerten staatlichen Souveränität letztlich auf Grund von Art. 2 Ziff. 7, 2. Hs. VN-Charta nicht relevant. Stattdessen könnte die Resolution aber gegen den Gleichheits- und Gleichberechtigungsaspekt, wie er neben Art. 2 Ziff. 1 auch in Art. 1 Ziff. 2 VN-Charta zum Ausdruck kommt, verstoßen. Indem Resolution 1497 Angehörige von Vertragsstaaten in der gerichtlichen Zuständigkeit aller betroffenen Staaten wie auch des IStGH belässt, Angehörige von Nichtvertragsstaaten aber von jeglicher strafrechtlichen Verfolgung mit Ausnahme derjenigen durch ihre Entsendestaaten befreit, behandelt sie diese beiden Gruppen ungleich. Darin liegt gleichzeitig eine Ungleichbehandlung zwischen Vertragsstaaten einerseits – deren strafin Haft befanden, bestand die Möglichkeit der Flucht auch ohne Resolution ohnehin. 1058
Zum Erfordernis, die Friedensbedrohung ausdrücklich festzustellen, siehe oben 5. Kapitel A.
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rechtliche Zuständigkeit erheblich eingeschränkt wird – und Nichtvertragsstaaten andererseits – deren Zuständigkeit unberührt bleibt. Doch ähnlich wie bei Resolution 1422 bilden Vertragsstaaten einerseits und Nichtvertragsstaaten andererseits grundsätzlich taugliche Anknüpfungspunkte für eine Ungleichbehandlung, so dass jedenfalls ein offensichtlicher Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verneinen ist. Aus den gleichen Gründen wie bei Resolution 1422 verstößt auch Resolution 1497 weder gegen ius cogens noch gegen das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten. Wenn auch der operative § 7 der Resolution 1497 im Ergebnis möglicherweise gegen den in den Grundsätzen und Zielen der Vereinten Nationen verankerten und damit auch den Sicherheitsrat bindenden Gleichheitsgrundsatz verstößt,1059 folgt daraus keine Befugnis des IStGH, die Resolution für unanwendbar zu erklären. Denn ein offensichtlicher Verstoß liegt jedenfalls nicht vor. Auch ist der Sicherheitsrat mangels Bindung an das Beziehungsabkommen nicht gemäß Art. 19 BA verpflichtet, die aus der Resolution 1497 folgende Immunität wieder aufzuheben.
III. Sicherheitsrats-Resolution 1593 Problematisch an Resolution 1593 ist lediglich der operative § 6, der im Wortlaut nahezu identisch mit dem operativen § 7 der Resolution 1497 ist. Folglich kann auf die Ausführungen zu Resolution 1497 verwiesen werden. Auch Resolution 1593 muss der IStGH somit im Ganzen anwenden.
IV. Ergebnis Somit dürfte der IStGH die Resolutionen 1422 und 1487 – nach einer entsprechenden Mitteilung an und ausbleibender Reaktion durch den 1059
Einen solchen Verstoß nimmt zu Recht Daniel Heilmann, Die Effektivität des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Rolle der Vereinten Nationen und des Weltsicherheitsrates, 2006, 243, an, der „zumindest […] Paragraph 7“ der Resolution 1497 die Bindungswirkung abspricht.
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Sicherheitsrat – für im konkreten Fall unanwendbar erklären, da der Sicherheitsrat es unterlassen hat, ausdrücklich eine Friedensbedrohung festzustellen und es sich hierbei um einen offensichtlichen Fehler handelt. Die Resolutionen 1497 und 1593 müsste der IStGH hingegen mangels offensichtlicher Rechtswidrigkeit vollumfänglich anwenden.
F. Zusammenfassung Grundsätzlich steht dem IStGH keine Kompetenz zur Überprüfung von SR-Resolutionen zu. Sollte sich jedoch eine Resolution des Sicherheitsrats als offensichtlich rechtswidrig erweisen – was im Fall der Nichtbeachtung der formellen Voraussetzungen der VN-Charta in der Regel der Fall sein dürfte –, so steht ihm die Befugnis zu, die Resolution im konkreten Fall für unanwendbar inter partes zu erklären. Eine Nichtigkeit der Resolution erga omnes kann der IStGH hingegen nicht feststellen. Unter diesen Voraussetzungen wäre der IStGH befugt, die Resolutionen 1422 und 1487, nicht aber die Resolutionen 1497 und 1593 für im konkreten Fall unanwendbar zu erklären. Insbesondere das Ergebnis zu Resolutionen 1497 und 1593 zeigt eindrucksvoll die ganze Machtfülle des Sicherheitsrats: Konflikte zwischen einer SR-Resolution und dem Römischen Statut, ja sogar Unvereinbarkeiten mit Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen gestalten sich als in der Praxis vollkommen irrelevant, so lange dem Sicherheitsrat unter der VN-Charta keine offensichtliche Rechtswidrigkeit nachzuweisen ist. Mag der Sicherheitsrat materiell-rechtlich gesehen durchaus so manchen Bindungen unterliegen (2. Teil) – der IStGH ist (abgesehen von Fällen offensichtlicher Rechtswidrigkeit) nicht befugt, über diese Bindungen zu wachen (3. Teil). Im Sinne des Gebots einer effektiven Friedenssicherung lässt sich eine solche Beschränkung der Befugnisse des IStGH de lege lata rechtfertigen. De lege ferenda wäre es aber wünschenswert, den IStGH mit der Befugnis auszustatten, Resolutionen des Sicherheitsrats mit Bezug zum IStGH dem IGH vorzulegen. Eine solche Befugnis des Hauptrechtsprechungsorgans der Vereinten Nationen würde eine einheitliche Rechtsprechung zu SR-Resolutionen gewährleisten und damit dem Gebot der effektiven Friedenssicherung gerecht. Hierzu müsste allerdings auch der IGH sich endlich klar zu einer eigenen Überprüfungskompetenz bekennen.
Schlussfolgerungen Naturgemäß lag der Schwerpunkt dieser Arbeit auf denjenigen Situationen, die zu Konflikten zwischen IStGH und Sicherheitsrat führen können. Dies soll aber nicht den Blick dafür verstellen, dass die Arbeit des IStGH und die des Sicherheitsrats sich oft genug gut ergänzen. Das Streben nach Gerechtigkeit steht keinesfalls immer im Widerspruch zum Bemühen um Frieden. Und der Verzicht auf gerichtliche Gerechtigkeit verbessert nicht zwangsläufig die Chancen auf die nachhaltige Wiederherstellung des Friedens. Entscheiden sich Sicherheitsrat und IStGH auf Grundlage dieser Erwägungen vernünftigerweise dafür, bei der Verfolgung ihrer Ziele miteinander zu kooperieren, so stellt das Römische Statut hierfür eine durchaus geeignete Grundlage dar. Die vorliegende Untersuchung sollte aber aufgezeigt haben, dass das Römische Statut lediglich dann Grundlage für ein Handeln des Sicherheitsrats sein kann, wenn dieser sich freiwillig dafür entscheidet. Als multilateraler Vertrag außerhalb der Vereinten Nationen und der VNCharta ist das Römische Statut nicht in der Lage, Befugnisse des Sicherheitsrats unter Kapitel VII VN-Charta zu beschränken. Dennoch handelt der Sicherheitsrat, sollte er beabsichtigen, über die Vorgaben des Römischen Statuts hinauszugehen, nicht legibus solutus. Bindungen des Sicherheitsrats ergeben sich stattdessen aus ius cogens, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, darunter insbesondere den Menschenrechten in ihrer durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erfahrenen Ausgestaltung. Besonders wichtig für das Zusammenspiel von Sicherheitsrat und IStGH ist dabei die Bindung des Sicherheitsrats an das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten. Rechtmäßige Maßnahmen des Sicherheitsrats entfalten auch für den IStGH bindende Wirkung. Im Anwendungsbereich rechtmäßiger SRMaßnahmen gilt zudem Art. 103 VN-Charta. Ist also eine Maßnahme des Sicherheitsrats mit dem Römischen Statut unvereinbar, so ist dies unerheblich, solange die Maßnahme außerhalb des Römischen Statuts eine wirksame Grundlage findet und keine Grenzen für das Handeln des Sicherheitsrats überschreitet. Die Maßnahme des Sicherheitsrats J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_11, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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Schlussfolgerungen
geht insoweit dieser Maßnahme widersprechenden Verpflichtungen des IStGH oder der Vertragsstaaten aus dem Römischen Statut vor. Offensichtlich rechtswidrige oder von einem zuständigen Gericht für rechtswidrig erachtete Maßnahmen des Sicherheitsrats hingegen binden auch den IStGH nicht. Von offensichtlicher Rechtswidrigkeit wird man bei klaren Verstößen gegen ius cogens sowie gegen notstandfeste Rechte ausgehen können. Letzteres betrifft im Verhältnis des IStGH zum Sicherheitsrat vor allem das Prinzip der Unabhängigkeit von Gerichten. Auf nicht bindende Maßnahmen findet auch Art. 103 VN-Charta keine Anwendung. Ob im Falle der Rechtswidrigkeit einzelner Teile einer Resolution die ganze Resolution ihre Bindungswirkung verliert, oder ob der nicht betroffene Teil der Resolution weiterhin Bindungswirkung entfalten kann, muss – unter Berücksichtigung insbesondere des Willens der Urheber der Resolution – im Einzelfall geprüft werden. Das Beziehungsabkommen stellt im Großen und Ganzen ein das Römische Statut lediglich in verfahrensrechtlicher Hinsicht präzisierendes Instrument dar, das den Sicherheitsrat im Rahmen von Kapitel VII VNCharta nicht bindet. Aus diesen allgemeinen Vorgaben ergibt sich für die konkreten, auf Grundlage der Art. 13 lit. b) (Unterbreitungsrecht), 16 (Aufschubrecht), 87 (Kooperation) und 5 Abs. 2 RS (Aggressionsverbrechen) besprochenen Rechte und Pflichten des Sicherheitsrats Folgendes: Im Rahmen seines Unterbreitungsrechts ist der Sicherheitsrat bereits auf Grundlage des Römischen Statuts zu zeitlichen und örtlichen, nicht aber zu personellen Beschränkungen einer Unterbreitung und zu Beschränkungen des Verbrechenskatalogs des Art. 5 Abs. 2 RS befugt. Die unter dem Römischen Statut unzulässigen Beschränkungen sind dem Sicherheitsrat jedoch auf Grund seiner Befugnisse aus der VN-Charta möglich. Diese erlauben ihm auch, eine Unterbreitung in zeitlicher, örtlicher und personeller Hinsicht und bezüglich des Verbrechenskatalogs nachträglich zu beschränken. Personelle Erweiterungen darf der Sicherheitsrat nicht unter dem Römischen Statut, wohl aber gemäß der VN-Charta vornehmen. Erweiterungen des Verbrechenskatalogs des Art. 5 Abs. 1 RS sowie die zeitliche Vorverlagerung des Ermittlungszeitraums vor den 1. Juli 2002 kann der Sicherheitsrat dem IStGH unter der VN-Charta zwar ermöglichen. Der IStGH hat auf Grund des Römischen Statuts jedoch keine Befugnis, von diesen Kompetenzen Gebrauch zu machen.
Schlussfolgerungen
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Hingegen findet die Befugnis des Sicherheitsrats zu nachträglichen Erweiterungen zeitlicher und örtlicher Art ihre Grundlage bereits im Römischen Statut. Erklärungen nach Art. 124 RS entfalten schon auf Grund des Römischen Statuts im Rahmen von SR-Unterbreitungen keine Wirkung. Der Sicherheitsrat ist weder nach dem Römischen Statut noch nach der VN-Charta verpflichtet, das Komplementaritätsprinzip zu beachten. Hingegen findet das Komplementaritätsprinzip für den IStGH auch im Rahmen von SR-Unterbreitungen Anwendung; allerdings kann der Sicherheitsrat die Wirkung des Komplementaritätsprinzips aushebeln, indem er die Staaten dazu verpflichtet, auf eigene Ermittlungen zu verzichten. Auf Grund der VN-Charta ist der Sicherheitsrat grundsätzlich befugt, Unterbreitungen auch wieder zurückzunehmen. Im Falle des Wegfalls der ursprünglichen Friedensbedrohung ist er sogar dazu verpflichtet. Eine solche Aufhebung hat allerdings lediglich auf noch nicht beim IStGH anhängige Fälle Einfluss. Der Ausschluss von Immunitäten gemäß Art. 27 Abs. 2 RS umfasst bei Angehörigen von Nichtvertragsstaaten lediglich die funktionelle Immunität, nicht aber die persönliche Immunität. Im Rahmen einer SRUnterbreitung entfaltet aber auch die persönliche Immunität vor dem IStGH keine Wirkung. Daher können sich die vom IStGH verfolgten Sudanesen nicht auf ihre Immunität berufen. Hingegen können Staaten ein Rechtshilfeersuchen des IStGH hinsichtlich von Nichtvertragsstaatenangehörigen unter Hinweis auf deren persönliche Immunitäten anfechten, soweit sie vom Sicherheitsrat nicht zur Kooperation mit dem IStGH verpflichtet wurden. Dies gilt im Fall der Resolution 1593 für alle nicht am Konflikt in Darfur beteiligten Staaten. Sowohl aus Sicht des Römischen Statuts als auch der VN-Charta dürfen Angehörige von Nichtvertragsstaaten in jedem Fall lediglich auf Grund völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Verbrechen vom IStGH verfolgt werden. Für Maßnahmen im Rahmen des Aufschubrechts des Sicherheitsrats müssen nicht die Ermittlungen bzw. die Strafverfolgung selbst eine Friedensbedrohung darstellen. Vielmehr reicht es aus, wenn der Sicherheitsrat auf die Konfliktsituation Bezug nimmt, die den vom IStGH verfolgten Verbrechen zugrunde liegt. Verfahrensaufschiebende Resolutionen des Sicherheitsrats sind – sofern sie nicht zu einem verbotenen dauernden Aufschub im konkreten Fall führen – grundsätzlich beliebig oft verlängerbar, binden im Normalfall
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Schlussfolgerungen
lediglich den IStGH und sind auch in Situationen möglich, die auf Unterbreitungen des Sicherheitsrats basieren. Während das Römische Statut den Anwendungsbereich des Aufschubrechts auf konkrete Einzelfälle beschränkt, ist der Sicherheitsrat unter der VN-Charta befugt, auch abstrakte Situationen aufzuschieben, dies sogar unbegrenzt. Nicht umfasst von einer Aufschubresolution sind die Vorprüfung des Anklägers und Opfer- und Zeugenschutzmaßnahmen. Hingegen würden beweissichernde Maßnahmen nach dem Willen der Verfasser des Römischen Statuts eigentlich von einer Aufschubresolution erfasst. Die Unabhängigkeit des IStGH gebietet hier jedoch eine Beschränkung des Aufschubrechts, die beweissichernde Maßnahmen weiterhin ermöglicht. Ein Aufschubersuchen kann im Einzelfall auch die Haftentlassung des Beschuldigten umfassen. Der IStGH darf Staaten nur dann zur Kooperation auffordern, wenn diese entweder Vertragsparteien des Römischen Statuts sind, eine entsprechende Übereinkunft mit dem IStGH geschlossen haben, oder wenn der Sicherheitsrat sie zuvor zur Kooperation verpflichtet hat. Bleibt die Kooperation aus, so darf der IStGH den Sicherheitsrat nur dann um Hilfe bitten, wenn der Sicherheitsrat dem IStGH zuvor die zugrundeliegende Situation unterbreitet hat und diese Situation entweder einen Vertragsstaat oder einen Staat, der ein Abkommen mit dem IStGH geschlossen hat, betrifft. Diese Einschränkung kann der Sicherheitsrat aber durch die Aufforderung an den Ankläger, regelmäßig zu berichten, aushebeln. Ersucht der IStGH den Sicherheitsrat in rechtmäßiger Weise um Kooperation, so steht es im Ermessen des Sicherheitsrats, ob – und gegebenenfalls auf welche Weise – er auf dieses Ersuchen reagiert. Ebenso kann der Sicherheitsrat auch ohne vorheriges Ersuchen seitens des IStGH Staaten (und andere Konfliktparteien) zur Kooperation mit dem IStGH verpflichten. Eine solche Verpflichtung umfasst jedoch nicht die Verpflichtung zum Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit dem IStGH. Verpflichtet werden zudem nur diejenigen Parteien, die ausdrücklich in der Resolution genannt werden. Das Römische Statut trifft selbst keine Regelungen über die Beteiligung des Sicherheitsrats an der Verfolgung des Aggressionsverbrechens durch den IStGH. Auf die Annahme des neuen Tatbestands ist Art. 121 Abs. 5 RS anwendbar, dessen Gerichtsbarkeitsbeschränkungen jedoch im Rahmen von SR-Unterbreitungen unbeachtlich sind. Ratsam wäre es, die Änderungen rund um den Aggressionstatbestand in einem Zusatzprotokoll zu platzieren. Alle der im Entwurf der SWGCA vorgeschlagenen Optionen, die sich auf die Fortführung von Ermittlungen des IStGH beziehen, sind mit
Schlussfolgerungen
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Völkerrecht vereinbar. Mit Völkerrecht unvereinbar wäre allerdings die Festschreibung einer präjudiziellen Bindungswirkung einer positiven Aggressionsfeststellung des Sicherheitsrats. Die Feststellung des Sicherheitsrats, eine Aggression läge nicht vor, erscheint unter der VN-Charta nicht möglich. Dennoch könnte der Sicherheitsrat im Rahmen seines Aufschubrechts auch Aggressionsermittlungen unbefristet aufschieben, solange noch keine konkreten Ermittlungen davon betroffen wären. Die Frage, ob der Sicherheitsrat sich an die Grenzen seiner Befugnisse hält, kann der IStGH mangels eigener Antragsbefugnis nicht dem IGH zur Überprüfung vorlegen. Ebenso wenig steht dem IStGH grundsätzlich eine Kompetenz zur Überprüfung von SR-Resolutionen zu. Eine Ausnahme hierzu stellen offensichtlich rechtswidrige Maßnahmen des Sicherheitsrats, die der IStGH per inzidenter Rechtskontrolle für unanwendbar inter partes, nicht aber für nichtig erga omnes erklären darf. Aus diesen konkreten Vorgaben lässt sich zuletzt folgender Schluss für die bisherigen Resolutionen des Sicherheitsrats ziehen: Die Resolutionen 1422/1487 dürfte der IStGH – nach einer entsprechenden Mitteilung an und ausbleibender Reaktion durch den Sicherheitsrat – für im konkreten Fall unanwendbar erklären, da der Sicherheitsrat es unterlassen hat, ausdrücklich eine Friedensbedrohung festzustellen. Hingegen müsste der IStGH die Resolutionen 1497 und 1593 mangels offensichtlicher Rechtswidrigkeit uneingeschränkt anwenden. Aus all dem bleibt festzuhalten: Zwar werden dem Sicherheitsrat bei seinem Handeln Schranken gesetzt. Dennoch verbleibt ihm im Umgang mit dem IStGH bereits materiell-rechtlich gesehen eine erhebliche Machtfülle, die durch die weitestgehend fehlende Kompetenz des IStGH zur Prüfung von SR-Resolutionen noch deutlich verstärkt wird. So kann die Frage, welchen Stellenwert der Sicherheitsrat der Gerechtigkeit durch die gerichtliche Aufarbeitung von Konflikten beimisst, im Wesentlichen nur von ihm selbst beantwortet werden. Für die Zukunft kann man nur hoffen, dass der Sicherheitsrat von seinen Befugnissen vernünftig und zurückhaltend Gebrauch macht und mehr auf Zusammenarbeit mit dem IStGH setzt, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Denn am besten kann die nicht immer ganz einfache Gratwanderung zwischen Gerechtigkeit und Frieden mit gemeinsamen Kräften gemeistert werden. Insbesondere das Verfahren gegen den sudanesischen Staatspräsidenten wird zeigen, wie der Sicherheitsrat die auf sein Verhalten abzielende Gretchenfrage in Zukunft beantwortet.
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Summary International Criminal Court and United Nations Security Council. The Role of the Security Council in the Prosecution of International Crimes by the International Criminal Court Outline of the thesis This thesis deals with the relationship between the International Criminal Court (ICC) and the United Nations Security Council (UNSC). Its first part after the introduction analyzes this relationship from the point of view of the Rome Statute of the ICC (Rome Statute). In this context those stipulations are examined which play a role for the relationship between the ICC and the UNSC, especially Art. 5 (2) (crime of aggression), Art. 13 lit. b) (so-called referral), Art. 16 (so-called deferral) and Art. 87 (cooperation) Rome Statute. After briefly examining the Relationship Agreement between the ICC and the United Nations (Relationship Agreement) those measures are presented and scrutinized as regards their compatibility with the Rome Statute that have shaped the relationship between ICC and UNSC in the past, especially UNSC resolutions 1422 (2002), 1487 (2003), 1497 (2003) and 1593 (2005). The second part examines the interrelationship of the ICC and the UNSC from the perspective of the United Nations Charter (UNC). Therefore this part analyzes the powers and limits of the UNSC under the UNC. Consequently, this thesis, in due consideration of the principle of judicial independence, provides answers to the question what legal consequences UNSC measures have on the ICC, including the point whether the UNSC can legally bind the ICC as an international organization. Following that, the rights and obligations included in the Rome Statute are studied with regard to their compatibility with the UNC.
J. Pichon, Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 218, DOI 10.1007/978-3-642-16141-4_12, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
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Summary
The closing third part is devoted to the issue whether and to what extent the ICC is competent to review UNSC measures. Based on the results of the prior analysis, the thesis finally evaluates those UNSC resolutions presented in the first part.
Conclusions of the thesis The Rome Statute can only be a voluntary basis for UNSC action, since this multilateral treaty adopted outside the United Nations (UN) cannot limit the chapter VII powers of the UNSC. If the UNSC decides to act beyond the Rome Statute powers it nevertheless does not act legibus solutus. Limits to the UNSC are ius cogens, the principle of proportionality, as well as purposes and principles of the UN, among them especially human rights as shaped by the Universal Declaration of Human Rights, the International Covenant on Civil and Political Rights and the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights. As concerns the relationship between ICC and UNSC, the principle of judicial independence is a limit to the UNSC of special importance. Lawful UNSC measures are binding also for the ICC and subject to Art. 103 UNC. Therefore, as long as a UNSC measure finds a valid legal basis beyond the Rome Statute and is adopted within the UNSC limits, its incompatibility with the Rome Statute is irrelevant. The UNSC measure thus has priority over conflicting Rome Statute obligations of the ICC and its Member States. Evidently unlawful measures and those which have been declared unlawful by a competent court do not bind the ICC. Evidently unlawful measures are, e.g., clear breaches of ius cogens and non-derogable rights, the latter – comprising judicial independence – being particularly important for the interrelationship of ICC and UNSC. Art. 103 UNC is not applicable to non-binding measures of the UNSC. Whether an unlawful measure of the UNSC is non-binding in toto or only in part must be decided on a case-by-case basis. The Relationship Agreement by and large only concretizes the Rome Statute as concerns procedural questions and does not bind the UNSC under Chapter VII UNC. These general considerations lead to the following results for the rights and obligations of the UNSC on the basis of the Rome Statute:
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Regarding its right of referral the UNSC is already on the basis of the Rome Statute authorized to temporal and local, but not personal restrictions or those restrictions concerning the catalogue of crimes of Art. 5 (1) Rome Statute. Restrictions which are not allowed under the Rome Statute are, however, possible on the ground of the UNSC’s powers under Chapter VII UNC. These powers also allow the UNSC to subsequently restrict a referral with regard to temporal, local and personal aspects and with regard to the catalogue of crimes under Art. 5 (1) Rome Statute. Whereas the Rome Statute does not allow the UNSC to add personal expansions to referrals, such expansions are possible under the UNC. The UNSC can allow the ICC to expand the catalogue of crimes of Art. 5 (1) Rome Statue or to prosecute crimes committed before the Rome Statute entered into force. However, the Rome Statute prevents the ICC from making use of this possibility. Subsequent expansions with regard to temporal and local aspects are possible on the basis of the Rome Statute alone. Declarations under Art. 124 Rome Statute can – already on the basis of the Rome Statute – be overruled in the context of UNSC referrals. The UNSC is not obliged to respect the complementarity principle. Whereas the complementarity principle is applicable in the framework of UNSC referrals, the UNSC can cancel the effects of this principle by obliging the UN Member States to abstain from their own prosecutions. On the basis of the UNC, the UNSC is generally allowed to withdraw its referrals. In case of an abatement of an original threat to peace, the UNSC would even be obliged to such a withdrawal which would, however, have no impact on ongoing investigations of the ICC. With regard to third State actors, Art. 27 (2) Rome Statute comprises only functional, but not personal immunity. However, in the context of UNSC referrals, personal immunity also has no effect before the ICC. Therefore, the Sudanese President sought to be tried by the ICC cannot successfully plead immunity. However, States can challenge requests of cooperation by the ICC with regard to third-State actors by relying on their personal immunity as long as those States are not obliged to cooperate with the ICC by a UNSC resolution. According to resolution 1593 only those States which participate in the Darfur conflict are obliged in such a way. Third-State actors can be prosecuted by the ICC only on the grounds of crimes accepted under customary international law.
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Summary
For UNSC measures in the context of the right to deferral it is not necessary that the investigations of the ICC themselves constitute a threat to peace. On the contrary, it is sufficient that the underlying situation presents such a threat to peace. UNSC deferrals can generally – as long as they do not lead to an unlawful permanent deferral in the concrete case – be prolonged on a discretionary basis. They bind only the ICC and are possible also in those situations based upon UNSC referrals. Whereas the Rome Statute limits the scope of deferrals to concrete cases, the UNC also gives the UNSC the right to – even indefinitely – defer an abstract situation. A deferral has no effect on preliminary examinations of the prosecutor and measures for the protection of victims and witnesses. Investigations presenting a unique opportunity to take testimony or a statement from a witness or to examine, collect or test evidence would normally fall under the scope of Art. 16 Rome Statute. The independence of the ICC, however, requires a limit of the deferral in this regard. A deferral can include the release of the accused. The ICC may only ask States for cooperation if the latter are Member States of the Rome Statute, if they have concluded a respective agreement, or if the UNSC has already requested them to cooperate. If the States do not cooperate, the ICC may only call the UNSC for help if the UNSC had referred the respective situation to the ICC and if this situation concerns either a Member State or a State which had concluded a cooperation agreement with the ICC. This restriction can, however, be overruled by the UNSC requesting the prosecutor to periodically inform the UNSC about ongoing investigations. If the ICC asks the UNSC in a lawful manner for cooperation it lies within the discretion of the latter whether and how to react. The UNSC can also oblige States and other parties to a conflict without a previous request for cooperation by the ICC. Such an obligation does not, however, comprise the obligation to conclude a cooperation agreement with the ICC. Moreover, only those parties are obliged which are expressly named in the respective UNSC resolution. The Rome Statute itself does not answer the question in what manner the UNSC should participate in the prosecution of the crime of aggression before the ICC. Art. 121 (5) Rome Statute is applicable to the adoption of the new crime. In the context of a UNSC referral, the restrictions by Art. 121 (5) Rome Statute concerning the jurisdiction of the ICC are not relevant. It would be advisable to place the amendments concerning the crime of aggression in an Additional Protocol.
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All options which have been proposed by the Special Working Group for the Crime of Aggression concerning the continuation of investigations of the ICC are compatible with public international law. This would not however be the case for the binding nature of a UNSC statement determining an act of aggression. The determination of the UNSC that there is no act of aggression does not seem to be possible under the UNC. Nevertheless, the UNSC is – in the context of a deferral – also entitled to permanently defer investigations concerning the crime of aggression, as long as no actual investigations are affected. The ICC is – due to the lack of legal standing – not entitled to submit the question whether the UNSC acts intra or ultra vires to the International Court of Justice. Similarly, the ICC has no competence to review UNSC resolutions itself except for evidently unlawful UNSC measures. The latter can by way of implicit judicial review be declared inapplicable inter partes, but not null and void erga omnes. On the basis of these considerations, the ICC is authorized to declare inapplicable UNSC resolution 1422/1487 since the UNSC did not determine a threat to peace. On the contrary, due to the lack of evident unlawfulness resolutions 1497 und 1593 must be fully applied by the ICC.
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Sachregister Ad hoc-Tribunale: 8, 25, 35 f., 123, 144, 228, 233, 237, 243, 277 – Completion Strategies: 237 – JStGH, RStGH: 13, 143, 194, 237, 241, 320, 331 Aggression (staatlich): 121 ff., 127 ff., 139 ff., 176, 280 ff., 347 Aggressionsverbrechen: 56 ff., 128, 146, 278 ff., 327 f., 344, 346 f. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR): 162, 166, 174 f., 194, 196 f., 209, 301, 343 Amtsträger: 26, 28 ff., 31 f., 77, 80, 83, 87, 106, 249 ff., 252 f. Angriffshandlung, siehe Aggression (staatlich) Ankläger, siehe Internationaler Strafgerichtshof Aufschub, siehe Sicherheitsrat aut dedere aut iudicare: 268 al-Bashir, Omar: 1, 36, 92, 94, 115 f., 251 f., 256 Beziehungsabkommen zwischen den Vereinten Nationen und dem IStGH (BA): 6, 69 ff., 97, 99, 110, 113, 187, 196, 209, 292, 294, 341, 344 – Art. 2: 70, 187, 196 – Art. 13: 74, 113 – Art. 17: 70 ff., 112, 116
– Art. 19: 109 f., 341 Darfur, siehe Sudan Drittstaat: 14 f., 115, 137, 228 f., 249 Effektivität, siehe Sicherheitsrat faires Verfahren, Recht auf ein: 47, 158, 185, 198, 202, 267, 273, 331 – Unschuldsvermutung: 47, 158, 300 Friedensbedrohung: 36, 44, 98 f., 122 ff., 131 ff., 165, 168, 173, 213, 228, 230, 232, 236, 240, 244, 257, 259 ff., 271 ff., 286, 300, 303, 340, 342, 345, 347 Friedensbruch: 122, 124, 127, 140, 260, 285 Friedenssicherung: 34, 40, 45, 102, 109, 113, 129, 136, 147 ff., 154, 159, 166, 169 ff., 180, 221, 236, 242, 255, 259, 290, 301, 321 f., 326, 332, 342 Friedenstruppen: 3, 75, 85, 93, 105, 109, 111, 251 Generalversammlung: 69, 73, 113, 129 f., 160 ff., 282, 286 ff., 290 ff., 328 – Resolution 3314 (XXIX): 59, 128 Gleichbehandlungsgrundsatz/ Gleichheit der Staaten, siehe Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen
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Immunität: 27 ff., 75 f., 80, 85, 90, 104 ff., 109 ff., 115, 117, 249 ff., 270, 317 ff., 320, 330, 341, 345 Internationaler Gerichtshof (IGH): 129 ff., 147, 154, 160 f., 181, 189 ff., 212 f., 238 f., 282, 286 ff., 304, 327 ff., 333, 338, 342, 347 – Gutachten des ~: 287, 291 ff., 304, 327 f. Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte (IPbpR): 162, 166 ff., 173 ff., 188, 194, 196 ff., 200, 203, 207, 209, 301, 343 Internationaler Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR): 162 Internationaler Strafgerichtshof – Ankläger: 1 f., 7, 9, 22 f., 25, 28, 35 ff., 71 f., 76, 87 ff., 91 ff., 109, 112, 114 ff., 230 ff., 238 ff., 265 f., 280 f., 284 ff., 289 f., 296, 302 f., 309, 312 ff., 336 f., 346 – Beschränkungen der Gerichtsbarkeit des ~s: 10 ff., 12, 31, 111, 120, 131, 230 f., 235, 240, 252, 256 f., 285, 316, 342, 344, 346 – Erweiterungen der Gerichtsbarkeit des ~s: 12 ff., 32, 68, 231 ff., 246, 248 f., 257, 316, 331, 344 f. – als internationale Organisation: 116 f.
Sachregister
– Kompetenz-Kompetenz: 191, 308 ff., 316, 336 – Prüfungskompetenz: 307 ff., 317 ff., 336, 342 – Verfahrens- und Beweisordnung (RPE): 48, 255 f. – Versammlung der Vertragsstaaten: 50 f., 53 f., 57, 234, 289, 292 f., 295, 304, 311, 328 f. – Vorverfahrenskammer: 9, 25, 28, 36 ff., 45 f., 91 ff., 114, 116 f., 245, 286, 289 ius cogens: 99, 175 ff., 204 ff., 212, 214, 222, 227, 232, 267 ff., 319, 339, 341, 343 f. JStGH, siehe Ad hoc-Tribunale jus cogens, siehe ius cogens Kompetenz-Kompetenz, siehe Internationaler Strafgerichtshof Komplementaritätsprinzip: 12, 21 ff., 32, 39, 103 f., 116, 241 ff., 257, 267, 345 Konferenz zur Errichtung eines internationalen Strafgerichtshofs in Rom (RomKonferenz): 1, 4, 8, 56, 62, 113, 307, 315 Kooperation: 1 f., 43, 50 ff., 69 ff., 82, 89 f., 112, 116 f., 254 ff., 265, 273 ff., 337, 344 ff. – Ad-hoc-Vereinbarung: 53, 55, 275 Kushayb, Ali: 91, 95, 115 Loyalitätsgebot: 323 ff., 330, 332, 334 Menschenrechte: 125, 127, 155 ff., 158 ff., 181 f., 184 f.,
Sachregister
191, 194, 196 ff., 206 f., 209, 214, 301, 314 f.,320, 321 f. nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet: 219, 325 nichtstaatliche Akteure: 89, 131 ff., 143, 149 Nichtvertragsstaaten: 3, 16, 27 ff., 50, 53 ff., 78, 83, 88 ff., 100, 103 ff., 111, 248 ff., 274, 276, 339, 340 f., 345 notstandsfeste Rechte: 173 f., 197 ff., 204, 206 ff., 214, 223, 232, 248, 301 nullum crimen-Grundsatz: 27, 67 f., 173, 207, 232, 234 f., 248, 250 (quasi-)legislative Maßnahmen, siehe Sicherheitsrat Resolution 1422, siehe Sicherheitsrat Resolution 1487, siehe Sicherheitsrat Resolution 1497, siehe Sicherheitsrat Resolution 1593, siehe Sicherheitsrat Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (RS) – Art. 2: 69 – Art. 5: 10, 12 f., 17, 56 ff., 230, 232, 240, 278 ff., 344 – Art. 11: 17 f. – Art. 12: 15, 17 f., 53, 66 f., 103, 109, 112, 117, 338 – Art. 13 lit. b): 1 f., 7 ff., 35 f., 41, 66, 72 f., 88, 104, 111, 119, 131, 227 ff., 259 f., 309, 335, 344 – Art. 15: 37 f., 40, 46, 289
397
– Art. 16: 2 f., 10, 20, 32 ff., 60, 72, 78 f., 82, 88, 94, 100 ff., 106 ff., 111 f., 120, 132, 240, 257 ff. 284, 300, 303 f., 309 f., 315, 317 – Art. 17: 11, 21 f., 103, 245, 310 – Art. 18: 22 f. – Art. 19: 23, 45, 308 ff. – Art. 21: 313 f. – Art. 22: 27 – Art. 27: 28 ff., 104 ff., 112, 115, 228, 249, 251, 253 f., 294, 345 – Art. 36: 314 – Art. 53: 9, 23 f., 38 f., 46 – Art. 58: 46, 114 – Art. 66 f.: 47 – Art. 87: 2, 50 ff., 72 f., 116, 274 f. – Art. 98: 255 f. – Art. 112: 51 – Art. 115: 73 f., 113 f. – Art. 119: 308, 311 f., 328 f. – Art. 121: 61 ff., 234, 346 – Art. 123: 13, 61 – Art. 124: 12 ff., 20, 32, 345 RStGH, siehe Ad hoc-Tribunale Sicherheitsrat – Aufschub: 2 f., 10, 32 ff., 72, 81 f., 94, 100 ff., 106, 109, 111 f., 117, 119, 193, 257 ff., 284, 308 ff., 315 ff., 330, 337, 344 ff. – Effektivität der Maßnahmen des ~s: 99, 170, 221, 266 f., 318, 319, 321 f., 332, 342 – Polizeifunktion des ~s: 147 ff., 246, 300 – Präjudizwirkung einer ~Entscheidung für den
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IStGH: 146, 296 ff., 300 ff., 347 – (quasi-)legislative Maßnahmen: 138 ff., 148 f., 212, 232 f. – Resolution 1160: 123 f. – Resolution 1199: 123 f. – Resolution 1373: 142 ff. – Resolution 1422: 3 f., 6, 76 ff., 83, 85, 90, 100 ff., 107 ff., 138, 144 f., 263, 265, 329, 338 ff., 347 – Resolution 1487: 6, 75 ff., 82 f., 85, 100 ff., 107 f., 138, 144 f., 263, 329, 338 ff., 341 f., 347 – Resolution 1497: 3 f., 6, 82 ff., 88 ff., 107 ff., 111 f., 329, 338, 340 ff., 347 – Resolution 1540: 143 ff. – Resolution 1564: 85 – Resolution 1593: 1 ff., 6, 26, 85 ff., 111 ff., 240, 247, 251, 329, 338, 341 f., 345, 347 – Resolution 1828: 94, 116 – Stellungnahme des Präsidenten (presidential statement): 95, 116 – Unterbreitung: 2 f., 7 ff., 35 ff., 39, 41, 50, 52 ff., 55 f., 66 ff., 72 ff., 86 ff., 104, 111 ff., 119, 131, 134, 227 ff., 272 ff., 276, 308 f., 312 f., 344 ff. – Veto: 3, 16, 76, 86, 157 f., 228, 284, 286, 322, 333 Sonderarbeitsgruppe für das Aggressionsverbrechen (SWGCA): 57 ff., 62 ff., 278 ff., 286, 301 ff., 346
Sachregister
Souveränität, siehe Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen Special Working Group for the Crime of Aggression (SWGCA), siehe Sonderarbeitsgruppe für das Aggressionsverbrechen (SWGCA) Strafverfolgung: 9 f., 33 f., 37, 39 ff., 58, 60, 77, 80 f., 85, 87 f., 102, 105 f., 110, 128, 132, 216, 231, 233, 238, 241 ff., 246 f., 249, 251, 253, 257, 259, 261 ff., 267 ff., 285, 290, 309, 330 f., 338 ff., 345 Sudan: 1 f., 36, 87, 89, 92 ff., 247 f., 251 f., 276, 345, 347 – Darfur: 1, 3, 36, 85 ff., 111 ff., 251, 256, 345 Tschad: 89 ultra vires: 211 ff., 315 Unabhängigkeit von Gerichten / des IStGH: 6, 8 f., 158, 183 ff., 223, 233, 238, 246, 257 ff., 265, 271 f., 285, 299 f., 334, 340 f., 343 f., 346 Unschuldsvermutung, siehe faires Verfahren, Recht auf ein Unterbreitung, siehe Sicherheitsrat Vereinigte Staaten von Amerika: 3 f., 75, 80, 88 Verhältnismäßigkeitsprinzip: 169, 181 ff., 209, 227, 237, 242, 274, 343 Versammlung der Vertragsstaaten, siehe Internationaler Strafgerichtshof Veto, siehe Sicherheitsrat
Sachregister
VN-Charta – Art. 1: 97, 152 ff., 161 ff., 170 ff., 196 f., 203, 209, 212 – Art. 2: 152 ff., 177, 222, 229, 250, 320, 325, 339 f., 212 – Art. 12: 130, 282, 287, 289, 294 f. – Art. 24: 120, 128 f., 152 f. – Art. 25: 120, 214, 222 – Art. 27: 228, 294, 333 – Art. 39: 60, 121 ff., 139 f., 212, 214, 229, 261, 281 ff., 297 f., 303, 334 – Art. 41: 139 f. 182 – Art. 50: 137 – Art. 55: 159 f. – Art. 60: 161 f. – Art. 96: 291 ff., 327 – Art. 103: 5, 120 f., 177, 214 ff., 221 ff., 227, 234, 245, 325, 343 f. – Art. 105: 317 ff., 323, 326 f., 330, 332 – Kapitel VII: 3, 7, 9, 33, 52, 77 ff., 83, 87, 91, 96 ff., 110, 113, 119, 121 ff., 153 ff., 168 f., 174, 179 ff., 196, 214, 217, 222, 228 f., 232 ff., 241, 248, 250 f., 257, 259 ff., 263, 266 f., 272, 283, 298, 303, 333, 339, 343 f. – Weiterentwicklung der ~: 123, 133 f., 141 f., 144 ff., 148 f. Völkergewohnheitsrecht: 26 ff., 30 ff., 67, 106, 114 f., 144, 179 ff., 205, 232, 234 f., 248 ff., 252, 254, 256 f., 267, 270, 345 Völkerrechtskommission: 8, 10 f., 33, 260
399
Vorprüfung (preliminary examination): 37 f., 40 f., 49, 346 Vorverfahrenskammer, siehe Internationaler Strafgerichtshof Weiterentwicklung der VNCharta, siehe VN-Charta Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVRÜ): 29 f., 100 f., 106, 176 ff., 204, 222, 224 f. Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen: 152 ff., 159, 161, 163 f., 165, 170, 172 ff., 209, 212, 317, 338, 341 f., 343 – Gleichbehandlungsgrundsatz / Gleichheit der Staaten: 152, 155 ff., 254, 339 ff. – Souveränität: 152, 154 ff., 250, 320, 338, 340
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Hrsg.: A. von Bogdandy, R. Wolfrum Bde. 27–59 erschienen im Carl Heymanns Verlag KG Köln, Berlin (Bestellung an: Max-Planck-Institut für Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg); ab Band 60 im Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona 219 Mehrdad Payandeh: Internationales Gemeinschaftsrecht. 2010. XXXV, 629 Seiten. Geb. E 99,95 218 Jakob Pichon: Internationaler Strafgerichtshof und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. 2011. XXVI, 399 Seiten. Geb. E 89,95 217 Michael Duchstein: Das internationale Benchmarkingverfahren und seine Bedeutung für den gewerblichen Rechtsschutz. 2010. XXVI, 528 Seiten. Geb. E 99,95 216 Tobias Darge: Kriegsverbrechen im nationalen und internationalen Recht. 2010. XXXV, 499 Seiten. Geb. E 94,95 215 Markus Benzing: Das Beweisrecht vor internationalen Gerichten und Schiedsgerichten in zwischenstaatlichen Streitigkeiten. 2010. L, 846 Seiten. Geb. E 139,95 214 Urs Saxer: Die internationale Steuerung der Selbstbestimmung und der Staatsentstehung. 2010. XLII, 1140 Seiten. Geb. E 169,95 213 Rüdiger Wolfrum, Chie Kojima (eds.): Solidarity: A Structural Principle of International Law. 2010. XIII, 238 Seiten. Geb. E 69,95 212 Ramin S. Moschtaghi: Die menschenrechtliche Situation sunnitischer Kurden in der Islamischen Republik Iran. 2010. XXIII, 451 Seiten. Geb. E 94,95 211 Georg Nolte (ed.): Peace through International Law. The Role of the International Law Commission. 2009. IX, 195 Seiten. Geb. E 64,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 210 Armin von Bogdandy, Rüdiger Wolfrum, Jochen von Bernstorff, Philipp Dann, Matthias Goldmann (eds.): The Exercise of Public Authority by International Institutions. 2010. XIII, 1005 Seiten. Geb. E 149,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 209 Norman Weiß: Kompetenzlehre internationaler Organisationen. 2009. XVIII, 540 Seiten. Geb. E 99,95 208 Michael Rötting: Das verfassungsrechtliche Beitrittsverfahren zur Europäischen Union. 2009. XIV, 317 Seiten. Geb. E 79,95 207 Björn Ahl: Die Anwendung völkerrechtlicher Verträge in China. 2009. XIX, 419 Seiten. Geb. E 289,95 206 Mahulena Hofmann: Von der Transformation zur Kooperationsoffenheit? 2009. XIX, 585 Seiten. Geb. E 299,95 205 Rüdiger Wolfrum, Ulrike Deutsch (eds.): The European Court of Human Rights Overwhelmed by Applications: Problems and Possible Solutions. 200 9. VIII, 128 Seiten. Geb. E 59, 95 zzgl. landesüblicher MwSt. 204 Niels Petersen: Demokratie als teleologisches Prinzip. 2 0 09. XXVII, 280 Seiten. Geb . E 79, 95 203 Christiane Kamardi: Die Ausformung einer Prozessordnung sui generis durch das ICTY unter Berücksichtigung des Fair-Trial-Prinzips. 2009. XVI, 424 Seiten. Geb. E 89, 95 202 Leonie F. Guder : The Administration of Debt Relief by the International Financial Institutions. 2009. XVIII, 355 Seiten. Geb. E 84, 95 zzgl. landesüblicher MwSt. 201 Silja Vöneky, Cornelia Hagedorn, Miriam Clados, Jelena von Achenbach: Legitimation ethischer Entscheidungen im Recht. 2009. VIII, 351 Seiten. Geb. E 84,95 200 Anja Katarina Weilert : Grundlagen und Grenzen des Folterverbotes in verschiedenen Rechtskreisen. 2009. XXX, 474 Seiten. Geb. E 94,95 199 Suzette V. Suarez: The Outer Limits of the Continental Shelf. 2008. XVIII, 276 Seiten. Geb. E 79,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 198 Felix Hanschmann: Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft. 2008. XIII, 370 Seiten. Geb. E 84,95 197 Angela Paul: Kritische Analyse und Reformvorschlag zu Art. II Genozidkonvention. 2008. XVI, 379 Seiten. Geb. E 84,95
196 Hans Fabian Kiderlen: Von Triest nach Osttimor. 2008. XXVI, 526 Seiten. Geb. E 94,95 195 Heiko Sauer: Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen. 2008. XXXVIII, 605 Seiten. Geb. E 99,95 194 Rüdiger Wolfrum, Volker Röben (eds.): Legitimacy in International Law. 2008. VI, 420 Seiten. Geb. E 84,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 193 Doris König, Peter-Tobias Stoll, Volker Röben, Nele Matz-Lück (eds.): International Law Today: New Challenges and the Need for Reform? 2008. VIII, 260 Seiten. Geb. E 69,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 192 Ingo Niemann: Geistiges Eigentum in konkurrierenden völkerrechtlichen Vertragsordnungen. 2008. XXV, 463 Seiten. Geb. E 94,95 191 Nicola Wenzel: Das Spannungsverhältnis zwischen Gruppenschutz und Individualschutz im Völkerrecht. 2008. XXXI, 646 Seiten. Geb. E 99,95 190 Winfried Brugger, Michael Karayanni (eds.): Religion in the Public Sphere: A Comparative Analysis of German, Israeli, American and International Law. 2007. XVI, 467 Seiten. Geb. E 89,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 189 Eyal Benvenisti, Chaim Gans, Sari Hanafi (eds.): Israel and the Palestinian Refugees. 2007. VIII, 502 Seiten. Geb. E 94,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 188 Eibe Riedel, Rüdiger Wolfrum (eds.): Recent Trends in German and European Constitutional Law. 2006. VII, 289 Seiten. Geb. E 74,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 187 Marcel Kau: United States Supreme Court und Bundesverfassungsgericht. 2007. XXV, 538 Seiten. Geb. E 99,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 186 Philipp Dann, Michal Rynkowski (eds.): The Unity of the European Constitution. 2006. IX, 394 Seiten. Geb. E 79,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 185 Pál Sonnevend: Eigentumsschutz und Sozialversicherung. 2008. XVIII, 278 Seiten. Geb. E 74,95 184 Jürgen Bast: Grundbegriffe der Handlungsformen der EU. 2006. XXI, 485 Seiten. Geb. E 94,95 183 Uwe Säuberlich: Die außervertragliche Haftung im Gemeinschaftsrecht. 2005. XV, 314 Seiten. Geb. E 74,95 182 Florian von Alemann: Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung. 2006. XVI, 518 Seiten. Geb. E 94,95 181 Susanne Förster: Internationale Haftungsregeln für schädliche Folgewirkungen gentechnisch veränderter Organismen. 2007. XXXVI, 421 Seiten. Geb. E 84,95 180 Jeanine Bucherer: Die Vereinbarkeit von Militärgerichten mit dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 8 Abs. 1 AMRK und Art. 14 Abs. 1 des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte. 2005. XVIII, 307 Seiten. Geb. E 74,95 179 Annette Simon: UN-Schutzzonen – Ein Schutzinstrument für verfolgte Personen? 2005. XXI, 322 Seiten. Geb. E 74,95 178 Petra Minnerop: Paria-Staaten im Völkerrecht? 2004. XXIII, 579 Seiten. Geb. E 99,95 177 Rüdiger Wolfrum, Volker Röben (eds.): Developments of International Law in Treaty Making. 2005. VIII, 632 Seiten. Geb. E 99,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 176 Christiane Höhn: Zwischen Menschenrechten und Konfliktprävention. Der Minderheitenschutz im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). 2005. XX, 418 Seiten. Geb. E 84,95 175 Nele Matz: Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge. Völkervertragsrechtliche und institutionelle Ansätze. 2005. XXIV, 423 Seiten. Geb. E 84,95 174 Jochen Abr. Frowein: Völkerrecht – Menschenrechte – Verfassungsfragen Deutschlands und Europas. Ausgewählte Schriften. Hrsg. von Matthias Hartwig, Georg Nolte, Stefan Oeter, Christian Walter. 2004. VIII, 732 Seiten. Geb. E 119,95 173 Oliver Dörr (Hrsg.): Ein Rechtslehrer in Berlin. Symposium für Albrecht Randelzhofer. 2004. VII, 117 Seiten. Geb. E 54,95 172 Lars-Jörgen Geburtig: Konkurrentenrechtsschutz aus Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV. Am Beispiel von Steuervergünstigungen. 2004. XVII, 412 Seiten. Geb. E 84,95