Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter von den Ardennen bis zur Adria Herausgegeben von Heiko Steuer und Volker Bierbrauer
Walter de Gruyter
I Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter von den Ardennen bis zur Adria
II
Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer
Band 58
Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter von den Ardennen bis zur Adria Herausgegeben von Heiko Steuer und Volker Bierbrauer unter Mitarbeit von Michael Hoeper
Walter de Gruyter · Berlin · New York
IV
Ü Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt
ISBN 978-3-11-020235-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Inhalt
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Heiko Steuer und Volker Bierbrauer Struktur und Zielsetzung der Tagung „Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter von den Ardennen bis zur Adria“ . . . . . .
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Raymond Brulet Fortifications de hauteur et habitat perché de l’Antiquité tardive au début du Haut Moyen-Age, entre Fagne et Eifel . . . . . . . . . . .
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Horst Wolfgang Böhme Gallische Höhensiedlungen und germanische Söldner im 4./5. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Karl-Josef Gilles Befestigte spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück . . 105 Peter Marzolff und Uwe Gross Zwischen Merkur und Michael: Der Heiligenberg bei Heidelberg in Völkerwanderungszeit und Frühmittelalter . . . . . . . . . . . .
121
Marcus Zagermann Der Breisacher Münsterberg: Die Befestigung des Berges in spätrömischer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Christel Bücker Der Breisacher Münsterberg: Ein Zentralort im frühen Mittelalter . 185 Heiko Steuer und Michael Hoeper Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Schwarzwaldrand. Eine Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede . .
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Dieter Quast Der Runde Berg bei Urach. Die alamannische Besiedlung im 4. und 5. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
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Inhalt
Jochen Haberstroh Aspekte völkerwanderungszeitlicher Siedlungsmodelle in Süddeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
Reto Marti Spätantike und frühmittelalterliche Höhensiedlungen im Schweizer Jura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
Christoph Philipp Matt Der Grosse Chastel bei Bad Lostorf, eine spätrömische Höhensiedlung im Solothurner Jura . . . . . . . . . . . . . . . . .
381
Max Martin Höhensiedlungen der Spätantike und des frühen Mittelalters in der Raetia I und in angrenzenden Gebieten der Maxima Sequanorum . .
389
Alois Stuppner Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn – eine Höhensiedlung des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
427
Karol Pieta Höhensiedlungen der Völkerwanderungszeit im nördlichen Karpatenbecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
457
Slavko Ciglenecˇki Castra und Höhensiedlungen vom 3. bis. 6. Jahrhundert in Slowenien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
481
Mihailo Milinkovic´ Die spätantik-frühbyzantinischen befestigten Höhenanlagen in Serbien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perica Sˇ pehar
533
Late Antique and Early Byzantine fortifications in Bosnia and Herzegovina (hinterland of the province of Dalmatia) . . . . . . .
559
Franz Glaser Castra und Höhensiedlungen in Kärnten und Nordtirol . . . . . . .
595
Volker Bierbrauer Castra und Höhensiedlungen in Südtirol, im Trentino und in Friaul
643
Gian Pietro Brogiolo und Elisa Possenti Höhensiedlungen und castra zwischen Spätantike und Frühmittelalter in Oberitalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
715
Inhalt
VII
Carlo Citter Late antique and early medieval hilltop settlements in central Italy: State of research and interpretations . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 Frans Theuws ‚terra non est‘ – Zentralsiedlungen der Völkerwanderungszeit im Maas-Rhein-Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765 Dieter Geuenich und Thomas Zotz Castra und Höhensiedlungen in der schriftlichen Überlieferung von der Spätantike bis zur frühen Karolingerzeit . . . . . . . . . . . 795 Heiko Steuer und Volker Bierbrauer Nachwort – Ergebnisse und offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . 821 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893
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Inhalt
Abb. 1. Die Tagungsteilnehmer vor dem Tagungsort, dem Haus „Zur Lieben Hand“. 1. Reihe (von rechts nach links): Heiko Steuer, Volker Bierbrauer, Franz Glaser, Elisa Possenti, Ursula Koch, Christel Bücker. 2. Reihe: Max Martin, Raymond Brulet, Marcus Zagermann, Mihailo Milinkovic´, Dieter Quast, Rosemarie Müller, Michael Hoeper, Frans Theuws. 3. Reihe: KarlJosef Gilles, Horst Wolfgang Böhme, Alois Stuppner, Slavko Ciglenecˇki, Jan Bemmann, Jochen Haberstroh, Perica Sˇpehar, Dieter Neubauer, Carlo Citter, Karol Pieta, Madeleine Châtelet, Haio Zimmermann, Reto Marti.
Inhalt
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Vorwort Die internationale Tagung „Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter von den Ardennen bis zur Adria“ wurde vom ‚Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittealters‘ der Universität Freiburg und vom ‚Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie‘ der Universität München veranstaltet. Das Symposium fand vom 14. bis 16. April 2004 in Freiburg statt, ergänzt durch eine Exkursion zu Höhensiedlungen beiderseits des Oberrheins am Rand des Schwarzwaldes und der Vogesen am 17. April 2004. Finanziert wurde die Tagung entscheidend durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Zum finanziellen Rahmen des Symposiums trug außerdem die Akademie der Wissenschaften in Göttingen bei, mit deren Unterstützung auch das Reallexikon der Germanischen Altertumskunde veröffentlicht wird. Die Herausgeber des Tagungsbandes danken auch an dieser Stelle den beiden Institutionen und außerdem den Herausgebern der Ergänzungsbände zum Reallexikon, den Kollegen Heinrich Beck (Bonn/München) und Dieter Geuenich (Duisburg/Essen), sowie dem Verlag Walter de Gruyter, besonders Frau Dr. Gertrud Grünkorn, für die Aufnahme in diese Reihe. Von allen Teilnehmern wurde die einmalige und nach vielen Jahren erstmalige Chance begrüßt, weiträumig quer durch Mitteleuropa die Erscheinung „Höhensiedlungen“ vergleichen zu können, weshalb auf die Anfrage der Veranstalter auch fast alle Kolleginnen und Kollegen sogleich zugesagt hatten. Während der Tagung wurde die Zeitspanne von der Spätantike bis zur Konsolidierung des Karolingerreichs erfaßt und den Gründen für den Zug auf die Höhen nachgespürt. Den geographischen Rahmen bildete gewissermaßen die Zone beiderseits der Grenzen des Römischen Imperium. Das Verhältnis zur sonstigen Besiedlung zur selben Zeit im jeweiligen Umland wurde thematisiert. Während Heiko Steuer die Vorbereitung der Tagung für den Raum nördlich der Alpen übernommen hatte, bezog sich die Rolle von Volker Bierbrauer dazu auf den Alpenraum und die südlich anschließenden Regionen. Fast alle Vortragsmanuskripte, wurden meist ausführlich überarbeitet für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt, wofür ebenfalls sehr herzlich gedankt sei. 30 Referentinnen und Referenten aus 10 Ländern (Belgien,
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Inhalt
Niederlande, Frankreich, Deutschland, Schweiz, Österreich, Slowakei, Italien, Slowenien, Serbien) stellten jeweils als die Wissenschaftler, die eigene Geländeforschungen und analytische Studien zu Höhenstationen vorgelegt haben, ihre Ergebnisse vor und damit auch zur Diskussion. Die redaktionelle Arbeit für die Veröffentlichung lag aufgrund auch unvorhersehbarer personeller Veränderungen in den Händen verschiedener Mitarbeiter des Freiburger Instituts. Zu danken ist den Herren Dr. Philipp von Rummel (Freiburg), Dr. Jörg Drauschke (jetzt Mainz) und außerdem Dr. Michael Hoeper (Freiburg), der nach dem Tod des Instituts-Graphikers Reiner Plonner († 1. 11. 2005) auch die Überarbeitung der Abbildungsvorlagen für den Druck übernommen hat. Die Tagung wurde auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Der öffentliche Abendvortrag von François Petry (Strasbourg) galt dem „Odilienberg bei Strasbourg – archäologischer Befund, Forschungsgeschichte und neue Deutung“. Außer einer Information im Rundfunk SWR erschienen Berichte in der Badischen Zeitung vom 19. April 2004 und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 11. Mai 2004 (Stephan Tolksdorf). Freiburg und München
Heiko Steuer und Volker Bierbrauer
Inhalt
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Abb. 2. Im Tagungsband behandelte und kartierte Gebiete (Ziffern geben die Seitenzahl an).
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 1–12 Zielsetzung © Copyright 2008 Walter de Struktur Gruyter ·und Berlin · New Yorkder Tagung
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Struktur und Zielsetzung der Tagung „Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter von den Ardennen bis zur Adria“ Heiko Steuer und Volker Bierbrauer
Einleitung Zu verschiedenen Zeiten verließen Gruppen der Gesellschaft die siedlungsgünstigen und für die Landwirtschaft nützlichen Ebenen und gingen – zumindestens in Teilen – auf die Höhen. Das hat Gründe, nach denen im Rahmen der Tagung gefragt werden sollte. Zwar liegt es nahe, daß man sich in unsicheren Zeiten zum Schutz auf Höhen zurückgezogen und dort Fluchtburgen angelegt bzw. ausgebaut hat. Aber nicht immer war das der entscheidende Grund. Ebenso wichtig wurde der Sitz auf der Höhe über der Siedlungslandschaft, um Herrschaft auszuüben und zu zeigen. Zu den Phasen, in denen man Höhen besetzte, gehörten: – Das Mittelalter mit der adligen Wohnburg auf dem Berg. Militärischer Schutz spielte dabei auch eine Rolle, mehr noch aber der Wunsch nach Repräsentation und – im wahrsten Sinne des Wortes – nach gehobenem Lebensstil. Die Reste dieser adligen Wohnsitze beherrschen noch immer die Berge und rufen romantisches Denken an Rittertum und Minne hervor, wenn man sie besucht. – Ältere Epochen sind die späte Bronzezeit, die Urnenfelderzeit, mit Wallburgen auf Höhen oder auch die Hallstattzeit mit den Fürstensitzen wie die Heuneburg. – Ebenso wurden Höhen während des Neolithikums, beispielsweise von den Trägern der Michelsberger Kultur in Mitteleuropa, zum Bau von Befestigungen genutzt. Die topographisch auffällige Lage, entweder als natürlich gesicherte Plätze oder als weithin sichtbare Berggipfel, und die leichte Möglichkeit, Schutzwehren zu bauen, haben oftmals dazu geführt, daß dieselben Höhen zu verschiedenen Zeiten für den Bau von Burgen und Befestigungen ausge-
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Heiko Steuer und Volker Bierbrauer
wählt wurden. Die Folge ist die Überlagerung verschiedener Ausbauphasen der Schutzwälle an ein- und demselben Platz, die erst durch sorgfältige archäologische Ausgrabungen in ein Nacheinander aufgelöst werden können. Aber es gibt auch Epochen, in denen in auffälliger Weise kaum Befestigungen bestanden haben – oder bekannt geworden sind – und Höhen nicht aufgesucht wurden, wie zum Beispiel die Römische Eisenzeit in der Germania magna und die ältere Merowingerzeit nördlich der Alpen. Eine Zeit, in denen Höhen jedoch eine besondere Rolle spielten, war die Spätantike, das 3. bis 5. Jahrhundert, und auch die jüngere Merowingerzeit, das fortgeschrittene 7. und frühe 8. Jahrhundert. Um diese Epochen ging es bei der Tagung. Wir wollten einen Querschnitt ziehen und die Erscheinungen zwischen Nordwest- und Südost-Mitteleuropa, zwischen den Landschaften nördlich und südlich der Alpen analysieren, mit der entscheidenden Fragestellung, was jeweils der Grund und der Zweck während jener Epochen waren, Höhen aufzusuchen. Die zahlreichen Beiträge bauen dafür die Brücke von den Ardennen bis zur Adria. In dieser weiten Zone gibt es Berge und natürräumlich-topographische Höhenpositionen, die ausgewählt und zu Höhensiedlungen ausgebaut werden konnten. Weitere Beiträge gelten dann der Frage, wie man sich seinerzeit in Landschaften im nördlichen Mitteleuropa südlich der Nordseeküste verhalten hat, wo es keine Berge gibt, und wie die Herrschaftssitze oder Zentralorte eigentlich dort strukturiert waren. Vor etwa 20 Jahren, um 1985 hat es sowohl Zusammenstellungen zu Höhenstationen, begrenzt auf verschiedene Landschaften, aber auch überregionale Symposien gegeben. Für die Eifel und den Hunsrück haben K.-J. Gilles 19851 und für das pfälzische Bergland H. Berndard 19872 eine Reihe von Höhensiedlungen aufgelistet, V. Bierbrauer erstmals19853 für das östliche und mittlere Alpengebiet, H. Steuer während einer Tagung 19854 in Freiburg, publiziert 1990, Höhenstationen in Südwestdeutsch1
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K.-J. Gilles, Spätantike Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück. Trierer Zeitschrift Beiheft 7 (Trier 1985). H. Bernhard, Die spätantike Höhensiedlung „Großer Berg“ bei Kindsbach, Kr. Kaiserslautern – Ein Vorbericht zu den Grabungen 1985–1987. Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 85, 1987, 37–77, hier 40. V. Bierbrauer, Frühmittelalterliche Castra im östlichen und mittleren Alpengebiet: Germanische Wehranlagen oder romanische Siedlungen? Ein Beitrag zur Kontinuitätsforschung. Archäologisches Korrespondenzblatt 15, 1985, 497–513. H. Steuer, Höhensiedlungen des 4. und 5. Jahrhunderts in Südwestdeutschland. Einordnung des Zähringer Burgberges, Gemeinde Gundelfingen, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, in: Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland Bd. 1 (Sigmaringen 1990) 139–205.
Struktur und Zielsetzung der Tagung
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land; Höhenbefestigungen im Ostalpenraum katalogisierte 1987 S. Ciglenecˇki5, der auch eine erste Tagung über spätantike Höhenbefestigungen 1993 in Regensburg kommentierte.6 Die Tagung 2004 wurde von München (Volker Bierbrauer) und Freiburg (Heiko Steuer) angeregt, weil von München aus südlich der Alpen, und von Freiburg aus in Süddeutschland derartige Plätze erforscht wurden. Deshalb soll in dieser Einleitung die Forschungslage in den beiden Gebieten kurz angesprochen werden, um damit zu verdeutlichen, warum der weiträumige überregionale Vergleich gesucht wurde.
Das Oberrheingebiet und Oberitalien In Südwestdeutschland sind in den letzten 25 Jahren rund 60 derartige Stationen entdeckt worden, und mehrere wurden intensiv u. a. mit Metallsuchgeräten prospektiert und in einigen Ausgrabungen durchgeführt. Zu den näher untersuchten Plätzen gehören z. B. der Runde Berg bei Urach7 in Württemberg, der Reisberg bei Scheßlitz8 in Oberfranken oder die Wettenburg bei Kreuzwertheim am Main.9 Auch die Höhenstationen am Schwarzwaldrand gegenüber dem „nassen“ spätrömischen Limes am Rhein sind erst in den beiden letzten Jahrzehnten entdeckt und durch Prospektion sowie Ausgrabungen in kleinen Ausschnitten erschlossen worden. Das Interesse
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S. Ciglenecˇki, Höhenbefestigungen aus der Zeit vom 3. bis 6. Jahrhundert im Ostalpenraum (Ljubljana 1987). S. Ciglenecˇki, Symposium über die spätantiken Höhenbefestigungen / Regensburg, 19.–20. Oktober 1993. Arheolosˇki vestnik 45, 1994, 143; mit Beiträgen von M. Mackensen, Das Kastell Caelius Mons (Kellmünz an der Iller) – eine tetrarchische Festungsbaumaßnahme in der Provinz Raetien, a.a.O. 145–163; F. Glaser, Archäologisch-historische Ergebnisse im Lichte der letzten Ausgrabungen in St. Peter in Holz/Teurnia und auf dem Hemmaberg/Iuenna, 165–173; G. P. Brogiolo, Società ed economia dei castelli tardoantichi: un modello archeologico, 187–192 [Monte Barro]; V. Sokol, Das spätantike Kastrum auf dem Kuzelin bei Donja Glavnica, 199–209; T. Knific, Vranje near Sevnica: A Late Roman Settlement in the Light of Certain Pottery Finds, 211–237; S. Ciglenecˇki, Höhenbefestigungen als Siedlungsgrundeinheit der Spätantike in Slowenien, 239–266. Vgl. dazu den Beitrag von Dieter Quast in diesem Band; auch: Der Runde Berg bei Urach. Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg 14 (Stuttgart 1991) mit zahlreichen Beiträgen bis zum hohen Mittealter und weiterer Lit. Vgl. dazu den Beitrag von Jochen Haberstroh in diesem Band und besonders auch ders., Der Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern in der Völkerwanderungszeit. Überlegungen zum 5. Jahrhundert n. Chr. in Nordbayern, mit einem Beitrag von J. Faßbinder, Germania 81, 2003, 201–262. Vgl. dazu die Literaturangaben im Nachwort.
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Heiko Steuer und Volker Bierbrauer
von Freiburg aus ist, für diese forschungsgeschichtlich junge Erscheinung im Oberrheingebiet im Vergleich mit dem insgesamt auffälligen Phänomen der Höhenstationen zwischen „Ardennen und Adria“ Erklärungen und Deutungsmuster zu finden.10 Haben die archäologisch so spät entdeckten Höhensiedlungen im Vorfeld des römischen Limes an Rhein und Donau Spuren in der zeitgenössischen antiken schriftlichen Überlieferung hinterlassen?11 Bei Ammianus Marcellinus (ca. 330 bis 400 n. Chr.), dem Militärschriftsteller im Heere des Caesars und späteren Kaisers Julian, der über die Kriege der Jahre 353 bis 378 berichtet, ist zu lesen, wie sich Germanen verhalten haben: Ereignisgeschichte aus Sicht des Römers, also nicht etwa aus der Sicht eines germanischen oder alemannischen Heerkönigs wie z. B. des Vadomar, der später selbst römischer General und Feldherr wurde – Ereignisse aus dessen Leben sind von 354 bis 371 überliefert. Zitiert seien die Stellen bei Ammianus zur Art möglicher Befestigungen im Vorfeld der römischen Reichsgrenze.12 Einmal heißt es (Amm. 27,10,9): qui nullam ad tuendam salutem uiam superesse cernentes, nisi se celeri defendissent occursu, locorum gnaritate confisi unum spirantibus animis montem occupauere praecelsum per confragosos colles unique praeruptum et inuium absque septemtrionali latere, unde facilem habet deuexitatem et mollem. „Da sie keine andere Möglichkeit sahen, ihr Leben zu retten, als sich in einer schnellen Gegenwehr zu verteidigen, vertrauten sie auf ihre Ortskenntnis, besetzten einträchtigen Sinnes einen hohen Berg, der wegen seiner zerklüfteten Höhen überall steil abfiel und mit Ausnahme der Nordseite, wo er einen leichten, geebneten Abhang hatte, unzugänglich
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Zusammenfassend zuletzt auch zu anderen Höhenstationen im südwestdeutschen Raum: H. Steuer, Zähringer Burgberg, Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (das Lexikon hinfort abgekürzt: RGA) Bd. 34 (2Berlin New York 2007) 398–417. Vgl. dazu den Beitrag von Thomas Zotz in diesem Band. Zur Ergänzung der dortigen Darstellung sei es erlaubt, auch in dieser Einleitung einige Zitate zu bringen. Außerdem H. Steuer, Herrschaft von der Höhe. Vom mobilen Söldnertrupp zur Residenz auf repräsentativen Bergkuppen. In: Die Alamannen (Stuttgart 1997) 149–162, hier 158; ders., Höhensiedlungen des 4. und 5. Jahrhunderts in Südwestdeutschland. Einordnung des Zähringer Burgberges, in: Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland Bd. 1 (Sigmaringen 1990) 139–205, hier 171 ff. Zum Bild der Alemannen bei Ammianus Marcellinus vgl. Th. Zotz, Die Alemannen um die Mitte des 4. Jahrhunderts nach dem Zeugnis des Ammianus Marcellinus, in: D. Geuenich (Hrsg.), Die Franken und die Alemannen bis zur „Schlacht bei Zülpich“ (496/97). Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 19 (Berlin New York 1998) 384–406. Nach H.-W.Goetz/S. Pätzold/K.-W. Welwei (herausgegeben und übersetzt), Die Germanen der Völkerwanderungszeit. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis zum Jahre 453 n. Chr. Erster Teil. Freiherr-vom-SteinGedächtnisausgabe (Darmstadt 2006).
Struktur und Zielsetzung der Tagung
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war“. Wird damit eine germanische Höhenstation beschrieben, beispielsweise der Runde Berg bei Urach mit seinem typischen Sattel zum Hochplateau der Schwäbischen Alb oder näher an der römischen Reichsgrenze der Geißkopf bei Offenburg mit seinem Sattel zum anschließenden Höhenzug? An anderer Stelle (Amm. 31,10,12) berichtet Ammianus, daß sich Kriegerhaufen, so die Lentienser vor dem Heer des Gratian, für begrenzte Zeit auf schwer zugänglichen Höhen zurückzogen, wo sie von römischen Truppen eingeschlossen und belagert wurden, d. h. „sie strebten in schnellem Lauf auf die von unwegsamen Felsen eingeschlossenen Berge zu, machten im Umkreis steiler Felsen halt und verteidigten mit all ihrer Kraft ihren Besitz und ihre Angehörigen, die sie mitgenommen hatten“: … impetu celeri obsessos petuerunt inuiis cautibus colles abruptisque per ambitum rupibus insistenses rebus caritatibusque suis, quas secum conduxerant, omni uirium robore propugnabant. Oder wieder an anderer Stelle heißt es (Amm. 16,12,15), „daß im kürzlich zu Ende gegangenen Jahr, als die Römer weiträumig die rechtsrheinischen Gebiete durchstreift hatten, niemand zu sehen war, der sein Haus verteidigte oder sich ihnen entgegenstellte, sondern sie hatten die Wege überall durch dichte Baumnverhaue gesperrt“: quod anno nuper emenso Romanis per transrhenana spatia fusius uolitantibus nec uisus est quisquam laris sui defensor nec obuius stetit, sed concaede arborum densa undique semitis clausis … „und während das Winterwetter ihnen zusetzte, lebten die Barbaren kümmerlich in weit entlegenen Landstrichen bzw. Verstecken“: sidere urente brumali aegre uixere barbari longius amendati. Mehrfach wird berichtet (Amm. 17,1,9; 17,10,6), daß „die Römer die Wege mit gefällten Eichen und Eschen und mit mächtigen Tannen bedeckt vorfanden“ (… ilicibus incisis et fraxinis roboreque abietum magno semitas …), oder das Heer wurde jedoch „am Weitergehen gehindert, weil ein Verhau aus hohen Bäumen den Weg versperrte“ (hoc progresso secutus exercitus celsarum arborum obsistente concaede ire protinus uetebatur). Werden mit diesen Schilderungen germanische Höhenstationen am Schwarzwaldrand oder in Südwestdeutschland beschrieben? Auf den Geißkopf bei Offenburg mag das zutreffen, nicht aber auf den Zähringer Burgberg bei Freiburg.13 Die Höhenstationen sind überall und so auch am Ober13
Vgl. dazu die Beiträge von Michael Hoeper und Heiko Steuer in diesem Band. Außerdem M. Hoeper/H. Steuer, Eine völkerwanderungszeitliche Höhenstation am Oberrhein – der Geißkopf bei Berghaupten, Ortenaukreis. Höhensiedlung, Kultplatz oder Militärlager? Germania 77, 1999, 185–246; M. Hoeper, Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Oberrhein. Geißkopf bei Berghaupten und Kügeleskopf bei Ortenberg. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland Bd. 12 (Ostfildern 2003).
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Heiko Steuer und Volker Bierbrauer
rhein außerordentlich unterschiedlich strukturiert. Die Spanne reicht am Schwarzwaldrand beispielsweise von kleinen Plätzen wie dem Geißkopf, der als Heerlager gedeutet wird, bis zum großen, durch mächtige Terrassenbauten ausgebauten Zähringer Burgberg, der als königlicher Sitz zu erklären ist – beide in das 4./5. Jahrhundert zu datieren – und weiterhin bis zur gewaltig großen Anlage auf dem Odilienberg14 bei Strasbourg am Rand der Vogesen, der mit einer fast 11 km langen Mauer aus mächtigen Quadern befestigt war, die nach jüngsten dendrochronologischen Datierungen im späten 7. Jahrhundert errichtet wurde.15 Blicken wir aus ‚Münchner Sicht‘ nach Oberitalien: Anlaß für ein siedlungsarchäologisches Engagement war – wie auch sonst für derartige Unternehmungen üblich – der Forschungsstand, sowohl aus archäologischer Sicht als auch mit Blick auf den Stand der historischen Forschung zu einer wichtigen Quellengattung, eben der castra der Spätantike und des frühen Mittelalters: Archäologisch wußte man über diese in den ’60-Jahren des letzten Jahrhunderts so gut wie nichts, historisch glaubte man aber Vieles zu wissen, vor allem über die von Paulus Diaconus genannten castra bzw. castella in Südtirol, im Trentino und in Friaul. Die Wahl J. Werners fiel 1962 auf Ibligo – Invillino im oberen Tagliamental in Friaul, Grabungen, die bis 1974 andauern sollten. Ibligo ist bislang leider das einzige castrum von den sieben castra, die Paulus für Friaul anlässlich eines verheerenden Awareneinfalls 610 oder 611 nennt, das bislang hier flächig untersucht ist; dies gilt leider auch weitgehend für vergleichbare Anlagen in Oberitalien16. So wichtig dies ist, interessiert hier jedoch ein anderer Aspekt, nämlich der Gang der 14
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Während der Tagung wurde der Odilienberg in einem öffentlichen Abendvortrag von François Petry, „Der Odilienberg bei Strasbourg – archäologischer Befund, Forschungsgeschichte und seine Deutung“ allgemein vorgestellt (zur Publikation vgl. die nachfolgende Anmerkung) und im Rahmen der Exkursion besucht (Führung durch Madeleine Châtelet und François Petry, beide Strasbourg). Vgl. dazu den Beitrag von Dieter Geuenich in diesem Band. – Außerdem: F. Letterlé, Nouvelles donnees sur la datation du mur païen, in: Le Mont Sainte-Odile, haut lieu de l’Alsace – Archélogie, Histoire, Traditions (Strasbourg 2002) 94–97; ders., Les enceintes des Frankenbourg, commune de Neubois (bas-Rhin). Annuaire de la Société d’histoire du Val de Villé, 2005, 178–198; H. Steuer/D. Geuenich, Odilienberg. RGA Bd. 21 (2003) 551–559; D. Geuenich, … noluerunt obtemperare ducibus Franchorum. Zur bayerischalemannischen Opposition gegen die karolingischen Hausmeier, in: M. Becher/J. Jarnut (Hrsg.), Der Dynastienwechsel von 751. Vorgeschichte, Legitimationstrategien und Erinnerung (Münster 2004) 129–143. Vgl. die Übersicht bei A. Cagnana, Le strutture del castello. Planimetria, dimensioni, organizzazione degli spazi: una analisi comparativa con i castra dell’Italia settentrionale. In: T. Mannoni/G. Murialdo/S. Antonino, Un insediamento forificato nella Liguria bizantina (Bordighera 2001) 101–117 mit tabellarischer Übersicht von 28 Anlagen S. 103.
Struktur und Zielsetzung der Tagung
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archäologischen Forschung, besonders mit der interpretativen Einbeziehung der Schriftquellen bzw. deren Auswertung durch die historische Forschung mit gesicherten oder vermeintlich gesicherten Ergebnissen zu den Castra, im Extremfall auch als „Tyrannei der Schriftquellen“ zu bezeichnen17. Gewiß gehört die fächerübergreifende Zusammenarbeit zum unverzichtbaren Bestandteil archäologischer Frühgeschichtsforschung. Der historische Befund darf aber archäologischen Befunden nicht übergestülpt und erst recht nicht gemischt argumentiert werden. In der Erforschung der oberitalienischen Castra – und nicht nur bei diesen – ist dies aber immer noch deutlich spürbar, mithin auch zur Problematik dieser Tagung gehörend. Letztlich war es dieser Hintergrund, weswegen die Grabungen in Ibligo – Invillino aufgenommen wurden. Im Vertrauen auf die historische Forschung, darunter namhafte Mediävisten wie zum Beispiel C. G. Mor, war es die Absicht J. Werners, „ein Kastell des langobardischen Limes [in Friaul] zu untersuchen“ (kursiv: V. B.)18 und zwar auf dem Colle Santino im oberen Tagliamental. Die entsprechende Passage bei Paulus Diaconus lautet: „Communierant se quoque Langobardi et in reliquis castris quae his vicina erant, hoc est in Cormones, Nemas, Osopo, Artenia, Reunia, Glemona vel etiam in Ibligine, cuius positio omnino inexpugnabilis existit“ (Hist. Lang. IV, 37). Alles hängt von der Bedeutung „communierant“ ab, das gewöhnlich damit übersetzt wird, dass sich Langobarden in diesen castra verteidigten, nachdem die Awaren bereits tief ins Landesinnere vorgedrungen waren. Dass es sich um genuin langobardische Wehranlagen handelt, ist aus dieser Quelle und ihrem Kontext jedenfalls nicht zu erschließen, auch nicht für den erneuten Awareneinfall 663 nach Friaul, bei dem Paulus die castra nicht mehr namentlich aufführt, aber wiederum die vergleichbare Bezeichnung communiunt für jene Langobarden gebraucht, die entkommen waren: „… reliqui qui remanserant sese per castellas communiunt“ (Hist. Lang. V, 20). Der Gesamtbefund in Ibligo – Invillino erbrachte jedenfalls keine Hinweise auf eine genuin langobardische oder ständig von Langobarden besetzte Wehranlage. Gleichwohl wird für Ibligo und die anderen friulanischen castra, von denen nur sehr wenige in sehr kleinen Ausschnitten untersucht sind, zum Teil heute noch an den alten Positionen der historischen Forschung, wenn auch 17
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B. Scholkmann, Die Tyrannei der Schriftquellen? Überlegungen zum Verhältnis materieller und schriftlicher Überlieferung in der Mittelalterarchäologie. In: M. Heinz/M. K. H. Eggert/U. Veit (Hrsg.), Zwischen Erklären und Verstehen? Beiträge zu den erkenntnistheoretischen Grundlagen archäologischer Interpretation (Münster, New York, München, Berlin 2003) 239–257. G. Fingerlin/J. Garbsch/J. Werner, Die Ausgrabungen im langobardischen Kastell Ibligo – Invillino (Friaul). Vorbericht über die Kampagnen 1962, 1963 und 1965. Germania 46, 1968, 73–110, Zitat S. 78.
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leicht variierend, fest gehalten, nun auch von Archäologen. Dieses auf Friaul bezogene Beispiel wurde bewusst gewählt, wird an diesem doch das Spannungsfeld zwischen archäologischer und historischer Forschung und wie man damit umgeht besonders deutlich. Die vor allem aus archäologischer Sicht nachstehend formulierten Fragestellungen können dabei aber allzu leicht aus dem Blick geraten. Natürlich ist dies nicht zu verallgemeinern, wie die Beiträge in diesem Band zeigen. Das ‚Kerngeschäft‘ des Archäologen war und ist die möglichst flächige Untersuchung der Höhensiedlungen, wobei als ‚Faustregel‘ gelten sollte: Jedes Castrum hat seine eigene Geschichte. Erst dann kann man sich dem komplexen Fragebündel zuwenden, das die Forschung zu den Höhensiedlungen weiter voranbringt, auch und besonders in vergleichender Hinsicht. Der Forschungsstand zum Tagungsthema ist in Oberitalien regional sehr unterschiedlich. Wie will man mit einer Großregion umgehen, für die die archäologische Quellengrundlage gänzlich oder weitgehend ausfällt? Als Beispiel sei auf den mittleren Alpenraum mit Südtirol und dem Trentino verwiesen: Keines der zehn wiederum von Paulus Diaconus im Kontext der fränkischen Alpenpolitik genannten castra, vor allem zum Jahre 590, ist ausgegraben; bestenfalls sind Streufunde bekannt, auf die man sich vorsichtig wertend beziehen kann. Auf der Grundlage der schriftlichen Überlieferung, nicht nur von dem langobardischen Geschichtsschreiber, gibt es eine Fülle von historischer Literatur. Wie im Falle von Friaul glaubt man ein stimmiges Bild beschreiben zu können, nur: hält dies einer kritischen Überprüfung stand? Sieht man vom Doss Trento in Trient ab, so dominiert die Interpretation als germanische Wehranlagen. So schrieb zum Beispiel der renommierte Mediävist R. Schneider: „Goten, Byzantiner und Langobarden dürften sich kontinuierlich in der Besetzung der längst ausgebauten Clusurae Alpium abgewechselt haben, zumal auch die Langobarden das bewährte Befestigungssystem beibehielten: ein System sichernder Höhenburgen im Bereich der Klausen, dazu eine Vermauerung der Talenge selbst und reguläre Wachmannschaften“19. Solche und ähnliche Auffassungen blieben nicht ohne Rückwirkung auf die archäologische Forschung; auch diese hat sich vielfach zu Wort gemeldet, obgleich die archäologische Quellenlage – wie schon betont – für zusammenfassende Darstellungen nahezu keine Grundlage bietet. Sie hätte stattdessen allen Anlass mit Blick auf unseren Fragenkatalog, sich sehr zurückhaltend zu äußern, zumal das historisch gezeichnete Bild wie zum Beispiel von R. Schneider bei einer kritischen Quel19
R. Schneider, Fränkische Alpenpolitik. In: H. Beumann/W. Schröder (Hrsg.), Die transalpinen Verbindungen der Bayern, Alemannen und Franken bis zum 10. Jahrhundert (Sigmaringen 1987) 34.
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lenanalyse bestenfalls als eine Arbeitshypothese zu bezeichnen ist. Aber auch für archäologisch sehr gut erforschte Regionen wie vor allem für Slowenien bleibt das Problem, archäologische Befunde in eine historisch überzeugende Realität zu überführen. Jede für unsere Tagung untersuchte Region hat ihre eigene Geschichte, angefangen vom historischen und archäologischen Forschungsstand bis hin zu den Auswertungsmöglichkeiten, die unter vielen Aspekten und Ausgangsbedingungen völlig unterschiedlich sind. Dies vergleichend zusammenzuführen war eine der Grundintentionen der Freiburger Tagung. Auch durch die Kenntnis der jeweiligen regionalen Besonderheiten und der dadurch bedingten Interpretationsprobleme wird der Blick geschärft für die in ihren Regionen arbeitenden Kolleginnen und Kollegen.
Fragestellungen In dem von den Instituten für Vor- bzw. Ur- und Frühgeschichte in Freiburg und München getragenen Symposium in Freiburg sollte also erstmals der aktuelle Forschungsstand zu den spätantiken und frühmittelalterlichen Höhenstationen zwischen Ardennen und Adria vergleichend betrachtet werden. Es ging darum, diese europaweite Zeiterscheinung auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin zu analysieren, in der räumlichen Erstrekung und in der zeitlichen Abfolge, vor dem Hintergrund der Diskussion zwischen Archäologen und Historikern. Die Vielfalt der Erscheinungen spiegelt sich zum Beispiel in der unterschiedlichen Wahl der Benennung des Phänomens, um die einseitige Deutung zu vermeiden: Höhenstation, Höhensitz oder Höhensiedlung im Deutschen, hillfort im Englischen, fortification de hauteur, habitat perché oder agglomération perché im Französischen und castellum / castrum bzw. fortificazione / sito d’altura im Italienischen. Die Problemfelder, so wurde im Antrag an die Deutsche Forschungsgemeineschaft formuliert, gliedern sich in folgende Gruppen: A) Fragestellungen: 1. Es geht um Funktionen und Typen der Höhensiedlungen, um ihre zivile, militärische, zentralörtliche und strategische Bedeutung; es geht um Schutz, was zu Fluchtburgen und Refugien führte, um Repräsentation und Herrschaft, um die Rolle der Höhenstationen als politische und sakrale Mittelpunkte; denn im Süden spielten die frühchristlichen Kirchen auf den Höhen eine entscheidende Rolle.
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2. Gefragt wird nach den Bewohnern und Trägern der Anlagen auf den Höhen, im mittleren und östlichen Alpenraum, in Ober- und Mittelitalien, im nördlichen Balkan, wo es um Romanen, Ostgoten, Langobarden und Byzantiner geht; in den Mittelgebirgen beiderseits des spätrömischen Rhein-Donau-Limes, wo Römer und Germanen sich gegenüberstanden; um die militärischen, zivilen und kirchlichen, um alte und neue Eliten. 3. Ein weiteres Thema ist die Frage nach der Militärorganisation und ihrem Wandel, nach Mode und Mentalität, nach der politischen Raumgebundenheit. Was führt zu dieser auffälligen Zeiterscheinung? 4. Nicht zu übersehen ist die Verlagerung von Funktionen, d. h. die Verlegung der Siedlungen mit ihren zentralörtlichen Funktionen und städtischen Elementen aus den Ebenen auf die geschützten, zugleich repräsentativen Höhen. Verursacht der Wechsel von der Ebene auf die Höhe eine Veränderung des gesamten Siedlungsnetzes oder bleibt ein Nebeneinander von ranghöheren Höhensiedlungen und ländlichen oder frühstädtischen Siedlungen in den Tälern? 5. Spiegeln sich die naturräumlichen Gegebenheiten und die geographische Raumgebundenheit im Aussehen und in der inneren Gliederung der Höhenstationen? Das Verhältnis von Ebenen und Mittel- bzw. Hochgebirgen spielt sicherlich seine Rolle. B) Zeitspanne: 1. Die ausgewählte und von der Sache her begründete Zeitspanne zwischen Spätantike und früher Karolingerzeit, dem 3. bis 7./8. Jahrhundert, ist nicht einheitlich. 2. Es gibt unterschiedliche Phasen in Anlage und im Ausbau der Höhensiedlungen, also kaum eine Kontinuität durch die Jahrhunderte. 3. Wie verhält es sich mit der möglichen Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter, wobei zu bedenken ist, daß es unterschiedliche Arten von Kontinuitäten gibt und Unterschiede zwischen Höhensiedlungen innerhalb und außerhalb des ehemaligen Römischen Reichs. Neben manchen auffälligen Kontinuitäten gibt es aber vor allem auch Brüche in der Entwicklung, z. B. in Südwestdeutschland fehlt auf den Höhen die Kontinuität zwischen dem 4./5. und dem 7./8. Jahrhundert. C) Geographischer Bereich: Der ausgewählte Raum zwischen Ardennen und Adria gliedert sich in unterschiedliche geographisch-naturräumliche Gebiete sowie in Bereiche verschiedener politischer und gesellschaftlicher Geschichte. Das hat sicherlich zu den deutlich unterschiedlichen Höhenstationen geführt, die innerhalb einer Landschaft untereinander ähnlicher sind – wenn auch hier beachtliche
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Unterschiede vorkommen – als zwischen den verschiedenen Gebieten. Folgende Landschaften bilden größere Einheiten, die jeweils durch mehrere Beiträge beleuchtet werden. 1. Die Mittelgebirge westlich des Rheins (in Belgien und Frankreich). 2. Die Mittelgebirge beiderseits des spätrömischen Rhein-Donau-Limes (in Südwestdeutschland, der Schweiz und im nördlichen Österreich). 3. Der mittlere und östliche Alpenraum (in Slowenien, Österreich und Oberitalien). 4. Die Höhen im nördlichen Balkan (in Kroatien und Serbien). 5. Die Gebirge südlich des Alpenkamms (in Nord- und Mittelitalien). 6. Als Kontrast werden Zentralorte des 4. bis 7. Jahrhunderts in der Tiefebene südlich der Nordseeküste, wo es keine Höhen gibt, betrachtet. D) Die häufige Wiedernutzung der Höhen: Wie oben angedeutet, gehört es zur Regelerscheinung, daß hervorstechende Berg- bzw. Höhenpositionen immer wieder aufgesucht wurden, und zwar vom Neolithikum bis ins Mittelalter. Zu fragen ist daher nach weiteren, nicht nur geographisch vorbestimmten Gründen. 1. Zu welchen Zeiten waren die in diesem Tagungsband beschriebenen Höhenstationen – außer während der Spätantike – sonst noch befestigt? 2. Welche Bereiche des Berges oder einer Höhenlage waren jeweils durch Baumaßnahmen wie Mauer, Wall und Graben gesichert? 3. Ist der Zweck zu erkennen, ob fortifikatorische Gründe oder solche der Repräsentation im Vordergrund standen? Das Thema der Tagung beschreibt den geographischen Raum von den Ardennen bis zur Adria quer durch Mitteleuropa. Der Zeitrahmen reicht von der Antike bis zum Mittelalter. Dafür sind die Datierungen in das 3., das 4./5., das 6./7. oder das 8./9. Jahrhundert maßgebend. Man könnte auch mit Jacques Le Goff jetzt insgesamt für die gesamte Spanne vom 4. bis zum 8. Jahrhundert von Spätantike sprechen.20 Nicht alle gestellten Fragen werden in den Beiträgen beantwortet; für manche gibt es heute noch kein allgemein verbindliches Ergebnis. Für wie20
J. Le Goff, Die Geburt Europas im Mittelalter (München 2004) 29. – Über die sehr unterschiedliche zeitliche und inhaltliche Kennzeichnung des Begriffs ‚Spätantike‘ wurde schon seit Jacob Burckhardt, Die Zeit Constantins des Großen (Basel 1853/80) gehandelt, verstärkt wieder seit den letzten Jahrzehnten, z. B.: P. Brown, The World of late Antiquity: From Marcus Aurelius to Muhammad (London 1971) etwa um 200 bis ins 8. Jahrhundert; A. Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr. (München 1989); vgl. zuletzt zahlreiche Beiträge in: J. Arce/E. Chrysos/I. Wood (Coordinators), The Transformation of the Roman World (Leiden, New York, Köln bzw. zuletzt Leiden, Boston: 13 Bände 1997–2003).
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der andere kann man Vermutungen zwischen den Zeilen lesen. Es wird sich im Schlußwort zeigen, worüber schon gemeinsame Kenntnisse erarbeitet worden sind, wo vielleicht manchmal auch aneinander vorbeigeredet wurde und wo die methodischen Ansätze kontrovers sind. Nur wenige Beiträge des Programms brauchten nicht erneut aufgenommen zu werden, da sie andernorts mehrfach veröffentlicht sind oder werden: „Die Befestigungen und Reichtumszentren der Völkerwanderungszeit im Nordseeküstengebiet“ (W. H. Zimmermann, Wilhelmshaven), sowie „Der Odilienberg bei Strasbourg – archäologischer Befund, Forschungsgeschichte und neue Deutung“ (François Pétry, Strasbourg) als gut besuchter öffentlicher Abendvortrag, der die neuen Datierung der Mauer ins späte 7. Jahrhundert thematisierte. Zwei Zeitungsberichte informierten die Öffentlichkeit über die Tagung und ihre Ergebnisse für die Deutung der Höhenstationen am Schwarzwaldrand: – Stefan Tolksdorf, Die Fernsicht ins Imperium. Zum Beispiel der Zähringer Burgberg. Ein Freiburger Symposium untersuchte die Bedeutung der spätantiken Höhensiedlungen. Badische Zeitung (BZ) vom 19. 04. 2004. – Ders., Oben ist gut sein. Eine Freiburger Tagung zu spätantiken Höhensiedlungen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 11. 05. 2005.
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 13–70 Fortifications de hauteur et habitat perché entre Fagne et Eifel © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Fortifications de hauteur et habitat perché de l’Antiquité tardive au début du Haut Moyen-Age, entre Fagne et Eifel Raymond Brulet
Le phénomène des „Höhensiedlungen“ est bien documenté dans un certain nombre de régions naturelles situées à plus de 200 m d’altitude au-dessus du niveau de la Mer, entre la Sambre et le Rhin. Elles abritent de très nombreux sites de hauteur blottis dans les boucles du réseau hydrographique très développé, sur des escarpements dessinés par le cours des rivières. Le phénomène ne se traduit pas uniquement, dans cette zone, par de l’habitat perché. Il y est aussi question de fortifications de hauteur. L’analyse des composantes du site, des structures, de leur environnement montre la diversité des situations. La typologie des sites s’appuie aussi sur la présence ou l’absence de mobilier. Pour le Bas-Empire, on arrive parfois à proposer des chronologies d’occupation différenciée. L’existence d’une nécropole à proximité du site pose assez radicalement le problème de l’habitat et de la continuité d’occupation des sites de hauteur. Pour la période mérovingienne, en effet, les sites ne renferment généralement que très peu d’indices d’une occupation prolongée, fait qui semble en parfaite contradiction avec les cimetières, proches de sites fortifiés, qui sont utilisées sur le long terme. Les nécropoles jouent un rôle majeur dans la compréhension de la période de transition entre Antiquité tardive et époque mérovingienne et de la composante des populations.1 Enfin, on voit aussi, d’après les recherches nouvelles, que quelques sites de hauteur de la région concernée sont aujourd’hui attribués à une période plus tardive et n’ont été bâtis que vers la fin du Haut Moyen-Age. Peu à peu se développe une nouvelle politique castrale dans l’orbite des dynastes féodaux.2 1 2
Böhme 1974; Wightman 1978; Wightman 1985, 250–256. Pour la Semois: Matthys 1991; pour la Meuse: Mignot 1995; pour le Grand-Duché du Luxembourg: Metzler/Zimmer 1991, avec plans du site du Bas-Empire de Vianden.
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I. Introduction 1. Espace géographique De la Fagne, dans l’Entre-Sambre-et-Meuse, jusqu’au Rhin s’étend le massif schisteux rhénan réparti sur plusieurs pays qui sont dotés de régions naturelles: la Fagne, le Condroz, la Famenne, l’Ardenne, la Lorraine, l’Eifel et l’Hunsrück, situées à 200 m au-dessus du niveau de la mer ou plus (fig. 1). Le phénomène des „Höhensiedlungen“ est aussi intimement lié au réseau hydrographique: le bassin de la Meuse3 puis celui de la Moselle4. Globalement, les sites se trouvent concentrés entre la Sambre et le Rhin. Vers le nord et le nord-ouest, on trouve des régions de bas-plateaux, dans lesquelles le phénomène des habitats de hauteur est inconnu. Politiquement, au Bas-Empire, ces régions dans lesquelles les sites de hauteur sont nombreuses, relèvent de la Germanie Seconde5 et de la Belgique Première6. Par ailleurs, les sites sont tous confinés au sud de la route Bavay-Köln, qui a joué un grand rôle durant l’Antiquité tardive.7
2. Espace chronologique Le phénomène des „Höhensiedlungen“ doit être globalement envisagé dans un espace chronologique très large qui s’étend de la fin du IIIe siècle au XIe siècle. On a attribué trop systématiquement une datation au seul Bas-Empire romain pour beaucoup de sites qui n’ont livré aucun mobilier archéologique. On a pris aussi l’habitude de penser que beaucoup d’entre eux relevaient automatiquement de l’armée romaine. Dès 1971 néanmoins on voit un auteur comme H. von Petrikovits insister tout à la fois sur le découpage chronologique qu’il convient de considérer et sur la fonction des sites qu’il tente déjà de classer sous cet angle.8
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Brulet 1986. Gilles 1985; Gilles 1998. Pour les fortifications de hauteur de cette province: Brulet 1990a, 153–186. Pour les fortifications de hauteur de cette province: Wightman 1985, 243–250. Liste aussi dans Johnson 1983, 280–290. Brulet et al. 1995. von Petrikovits 1971, 179 (chronologie); 193 (classification par fonctions). Voir le chapitre consacré aux Hill-top Defences: Johnson 1983, 226–244 (cartes).
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Fig. 1. Relief du continent européen dans le nord-ouest: l’espace des altitudes de 200 à 500 m au-dessus du niveau de la Mer, qui marque la zone d’implantation des sites de hauteur, entre la Fagne et le Rhin.
Si nos connaissances n’ont guère progressé pour la période du Haut Moyen-Age, en revanche, quelques fouilles récentes montrent que des initiatives de construction ou de reconstructions se situent à la fin du Haut Moyen-Age ou après l’an Mil. Dans beaucoup d’autres cas, les rapports de fouilles anciennes ne permettent pas de conclure. Quelques sites sont réputés avoir fourni, en très petite quantité, du matériel archéologique romain. Les sites en question abritent fréquemment des forteresses médiévales qui ont pu éradiquer presque toute trace de construction antérieure. On ne peut donc faire mieux pour eux que de les considérer soit comme des sites fortifiés tardo-antiques très douteux ou comme des sites de refuge ayant pu être utilisés comme tels. L’état de notre documentation est souvent insuffisant.
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3. Historique des recherches La recherche archéologique du XIXe siècle a été consacrée à l’exploration des riches nécropoles, surtout en région namuroise, liées ou proches de sites de hauteur. La relation qui pouvait exister entre les deux types de structure n’a pas échappé aux fouilleurs de l’époque mais les investigations conduites sur les fortifications elles-mêmes ont été très mesurées.9 Durant le XXe siècle, quelques chercheurs plus avisés se sont intéressés peu ou prou à quelques cas emblématiques, comme ceux de Buzenol et de Furfooz.10 La recherche moderne a d’abord été relancée par le biais de la toponymie. On dispose en 1943 d’un répertoire très développé des retranchements de toute période qui se signalent à l’attention par la désignation de lieuxdits.11 Peu avant les années 60, J. Mertens s’attache au sujet. Il réalise un certain nombre de relevés topographiques12 et entreprend des recherches sur le terrain, dans le Luxembourg belge, couronnées de succès, en particulier en ce qui concerne les sites de Buzenol13, d’Ortho14, d’Eprave15, de Clairefontaine16. Mais la datation des fortifications dépourvues de matériel archéologique et leur interprétation continuent de poser problème. Dans les années 70 et 80 du XXe siècle, des programmes de fouilles ont été spécifiquement développés sur des sites fortifiés tels que: Dourbes17, Mont18, Furfooz19, Vireux-Molhain20, Nismes21, Pry22, Virton23 et Falaën24. Les recherches de terrain les plus récentes ont été consacrées à des sites de hauteur pour lesquels le mobilier archéologique faisait largement défaut
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Becquet 1892; Mahieu 1895. Rahir 1928 (Furfooz, Hotton, Buzenol). Vannérus 1943. Mertens 1961. Mertens 1954; Mertens 1958; Mertens 1962; Mertens 1987. Mertens/Rémy 1971. Mertens/Rémy 1973. Mertens 1960. Brulet 1974. Mertens/Brulet 1974. Brulet 1978; Brulet 1997. Lemant 1985. Doyen 1980; Doyen 1992. Brulet 1996a. Cahen-Delhaye 1978; Cahen-Delhaye/Gratia 1979; Cahen-Delhaye/Gratia 1980; CahenDelhaye/Gratia 1982; Cahen-Delhaye/Massart 1993; Cahen-Delhaye/Lambert/Massart 1997. Mignot 1988; Mignot 1990; Mignot 1993a; Mignot 1993b; Mignot 1994; Mignot 1995; Mignot 2003; Ervynck/Gilté 1994; Heim 2004.
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et laissait subsister un doute quant à leurs origines. Des compléments de recherches effectuées au Cheslain d’Ortho ont montré que l’occupation médiévale du site avait été sous-estimée25 tandis que les enquêtes menées sur les sites de Jemelle26 et surtout de Buzenol27 ont conclu à une origine du Haut Moyen-Age. En ce qui concerne l’archéologie funéraire, la recherche doit beaucoup aux travaux d’André Dasnoy, qui a mis sur pied une révision systématique des assemblages et du mobilier provenant des grandes nécropoles de la province de Namur, dont la découverte remonte au XIXe siècle et qui n’avaient pas donné lieu, à l’époque, à des publications satisfaisantes. Ainsi en est-il pour les cimetières dont la proximité topographique avec une forteresse est évidente: Furfooz28, Thon29, Eprave30. Dans d’autres cas, la nécropole est plus éloignée et le lien avec le site fortifié n’est que probable: Pry31 et Vieuxville32. Il est même question de nécropoles où la fortification correspondante est supposée ou recherchée: Spontin33. Dans le même temps, quelques synthèses sur la question des fortifications du Bas-Empire ont été élaborées: sur l’ensemble des problèmes de l’occupation du sol et de la défense du territoire34, sur les problèmes de chronologie35 et sur les fortifications rurales36. Les assemblages funéraires ont bien entendu retenu l’attention. La synthèse la plus utile, pour nos régions, envisage la problématique importante de la culture matérielle et l’apport germanique.37 Au plan chronologique, beaucoup de précisions ont pu être obtenues en particulier pour les mobiliers de la région ardennaise.38 L’étude du monnayage a progressé. Au-delà de travaux généraux trop longs pour être repris par le détail, l’exploitation du numéraire retrouvé 25 26 27 28 29 30 31 32
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De Boe 1989. Mignot 1998. De Meulemeester 2000; Budd et al. 2001; Henrotay 2003. Nenquin 1953; Dasnoy 1969. Dasnoy 1968. Dasnoy 1967; Dasnoy 1997. Dasnoy 1978. Breuer/Roosens 1956; Alénus-Lecerf 1981; Alénus-Lecerf 1982a; Alénus-Lecerf 1982b; Alénus-Lecerf 1983; Alénus-Lecerf 1984; Alénus-Lecerf 1985; Alénus-Lecerf 1986a; Alénus-Lecerf 1986b; Alénus-Lecerf 1993; Alénus-Lecerf 1997. Dasnoy 1966; Dasnoy 2004; Lallemand 1966. Brulet 1988; Brulet 1990a; Brulet 1993; Brulet 1995; Brulet 1996b. Brulet 1990b. Brulet 1986. Böhme 1974. Voir les phases chronologiques des Ardennes/Meuse, dans: Périn 1998; pour les périodes postérieures à 440/450 aussi: Legoux/Périn/Vallet 2004.
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dans les sites de hauteur a connu des avancées méthodologiques39 et des lots de monnaies statistiquement volumineux ont été traités40. Quant à la céramique des IVe et Ve siècles, on dispose de vues nouvelles, notamment sur l’utilisation chronologique de la terre sigillée argonnaise ornée à la molette41 et sur la vaisselle commune de l’Eifel.42
II. La problématique 1. Le concept des „Höhensiedlungen“ Pris dans sa globalité, le phénomène des „Höhensiedlungen“ concerne une très longue période et un espace géographique immense. On considérera alors qu’il est question de sites de hauteur qui ont été habités, occupés ou ont servi de refuges parce que la configuration topographique du lieu invitait à s’y installer. Ils ne doivent pas tous être fortifiés, l’aspect du site offre souvent des protections naturelles, puisque les sites sont des buttes, des éperons rocheux, des bords de plateau, arrimés à un méandre de rivière. On ne peut évidemment simplifier le concept, en évacuant les aspects chronologique et géographique, qui demeurent fondamentaux. Les „Höhensiedlungen“ donnent d’emblée l’impression d’une continuité et pour s’en convaincre on a souvent recours à la détermination d’une fonctionnalité unique du site. Rien n’est plus faux. Les sites de hauteur peuvent changer régulièrement de fonction, ils connaissent des ruptures et des périodes d’abandon très longues. La nouvelle utilisation qui les caractérise peut être par la suite fondamentalement différente. L’espace géographique dans lequel se trouvent situés les „Höhensiedlungen“ peut déterminer des situations diverses si on considère ceux-ci au sein d’une période chronologique déterminée. Pour évoquer l’époque de transition entre Antiquité tardive et Haut Moyen-Age, passons en revue trois aires géographiques et politiques différentes. En Gaule du nord, le territoire romain a été l’objet de mesures stratégiques efficaces durant le IVe siècle. Certains sites de hauteur, des régions frontalières, ont participé à leur façon à l’effort de mise en défense du territoire. Le phénomène est bien connu pour les provinces de Germanie Pre39 40 41
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Méthodologie: Ravetz 1964; Doyen 1992. Lallemand 1983. Bayard 1990; Bayard 1998, où une comparaison entre les phases de la sigillée et les „Stufe“ est réalisée. Gilles 1985, 95–100; Brulet 1990a.
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mière, en Maxima Sequanorum et en Rhétie,43 de Belgique Première44 et de Germanie Seconde.45 En territoire ennemi, de l’autre côté du Rhin, le phénomène des „Höhensiedlungen“ n’en est pas moins connu. Mais on ne peut les attribuer aux forces de l’Empire, il faut les considérer comme des habitats germaniques.46 En Gaule méditerranéenne, le phénomène des habitats perchés est bien enregistré mais la perspective militaire ou celle du refuge d’une population n’est plus celle qui convient. De nombreuses enquêtes ont été engagées.47 La terminologie pose donc problème. Le terme de „Höhensiedlungen“ se traduit assez bien en français par „Habitat de hauteur“ ou „Habitat perché“. Il met donc l’accent premier sur le phénomène de l’habitat. Toutefois, on sait que pareil habitat pouvait disposer de structures défensives, ce qui ne figure pas directement dans l’énoncé de l’appellation. A tout le moins les sites d’habitat en question disposent d’une protection naturelle parce qu’on a choisi pour eux une configuration dans laquelle la topographie joue un grand rôle. Deux autres notions ne sont pas prises en compte dans le terme même de „Höhensiedlungen“. Celui de refuge et celui de fortification sans habitat. Comme le remarquent aussi les chercheurs anglais, le terme de „Hillfort“ est insatisfaisant car appliqué à un nombre de situations diverses.48 Dans le nord de la Gaule, la mise en avant du terme principal „habitat“ ne correspond presque jamais à la réalité pour l’Antiquité tardive et le Haut Moyen-Age. Il ne recouvre cette signification qu’à partir du Moyen-Age. Pour l’essentiel, les sites de hauteur présentent un caractère militaire ou sont des refuges. Que ce soit pour les fortifications militaires ou les refuges, ce sont les éléments défensifs, enceintes et portes, qui sont les mieux connues mais l’intérieur des sites, qui n’a pas toujours été fouillé exhaustivement, paraît le plus souvent dénudé de structures d’habitat. Au reste, dans les deux cas, il n’est pas question d’habitat offrant un quelconque aspect permanent. On s’interrogera plus loin sur les cas d’utilisation différente de ces sites perchés. Le concept évolue nécessairement à la période mérovingienne ou peu avant, soit vers le milieu du Ve siècle. De nombreuses nécropoles se développent à proximité d’un site de hauteur, comme s’il y avait un lien entre la population germanique et ces sites. Mais l’habitat à proprement parler 43 44 45 46 47 48
Bernhard 1999, 21–22; Fischer 2000; Mackensen 2000. Gilles 1985. Brulet 1990a; Brulet 1995. Steuer 1990; Hoeper 2003. Février 1978; Schneider 2003. Burrow 1981.
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est absent des sites de hauteur et doit être recherché à l’extérieur de la fortification. Dès lors, on ne comprend plus bien le sens qu’il faut donner à ces sites fortifiés durant la période mérovingienne. Ils ne sont plus guère employés. Peut-être subsistent-ils comme un symbole de pouvoir.
2. Questions de typologie Pour sortir de l’impasse dans laquelle nous laisse la terminologie des „Höhensiedlungen“ ou des „Hillforts“, plusieurs tentatives de classement ont été opérées qui se basent surtout sur des approches théoriques. Il faut prendre en considération les espaces chronologiques et géographiques concernés. En Grande-Bretagne, plusieurs modèles ont été construits: les sites liés à une fonction politique et sociale, les sites liés à une fonction religieuse et les sites liés à une fonction économique.49 Pour l’essentiel, les sites sont de grande superficie et cette typologie englobe la période protohistorique. Sur la rive droite du Haut-Rhin, soit en territoire germanique, on distingue les sites caractérisés par une fonction de résidence princière, les sites utilisés par l’armée et les sites cultuels.50 En Gaule méditerranéenne, la typologie des sites est plus complexe. On a proposé de retenir la liste suivante: les agglomérations perchées en usage depuis le Haut-Empire, les agglomérations perchées et fortifiées dotées d’une église ou de constructions édilitaires, les communautés de paysans, les fortifications liées au réseau routier, les petites fortifications isolées et les sites d’occupation temporaire.51 En Gaule du nord, aux confins de la frontière rhénane et pour le BasEmpire romain, on distingue les sites militaires, les refuges et les lieux de culte. Cette distinction est assez aisée en Hunsrück-Eifel,52 d’autant que les sites sont souvent de dimensions très modestes. Une situation similaire se rencontrera en Germanie Seconde.53 Les dimensions des sites concernés sont également très restreintes et l’habitat qui est inséré dans les enceintes est le plus souvent absent. Seul le matériel archéologique peut documenter la date et le caractère du site.
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Burrow 1981. Dans l’école anglaise, la différenciation entre les habitats s’appuie surtout sur une base économique; mais le modèle est malaisé à s’appliquer à la région de Metz pour les fortifications (définition des critères dans Halsall 1995, 169). Hoeper 2003, 146–153. Schneider 2001. Gilles 1985. Brulet 1990a.
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Dans le cas des fortifications, il est clair que certains sites de la zone ont été appelés à un moment déterminé à jouer un rôle dans le casernement de troupes et la défense du territoire, au Bas-Empire romain. Mais ce rôle qu’ils ont joué est de courte durée ou intermittent. Ces sites peuvent être liés à la défense du réseau routier ou sans rapport avec lui. On aurait tendance à considérer que certains d’entre eux, plus étroitement liés de manière très proche à une route, auraient eu une destinée franchement différente des autres.54 Finalement, au Bas-Empire, la documentation fournit de bonnes bases pour classer les initiatives dans le temps ou pour envisager le statut des occupants des sites de hauteur. Quant aux refuges, leur caractéristique principale est de présenter une infrastructure défensive importante mais aucune trace d’habitat permanent ou de mobilier archéologique. Une grande prudence s’impose pour leur datation car ils ont souvent été attribués à l’époque romaine sans le moindre témoin chronologique et leur attribution à la fin du Haut Moyen-Age reste toujours possible. En ce qui concerne la nature de l’occupation de ces sites à la période mérovingienne, le problème est malaisé à cerner. En regard du mobilier extrêmement limité qu’ils ont livré, on peut être sûr qu’ils ne servaient plus en tant que tel, sauf à imaginer que l’on puisse y recourir, de manière hypothétique, en cas de conflit. Leur maintien découle d’un lien qui est fait avec une population qui s’est fait enterrée dans plusieurs nécropoles implantées à proximité. Les habitats de la population correspondante ne peuvent être recherché dans les „Höhensiedlungen“, mais à l’extérieur de ceux-ci, dans des villages ou de hameaux que la recherche archéologique n’a pas encore révélé. Pour la période médiévale, les sites de hauteur attirent à nouveau très clairement l’intérêt de la part de la noblesse, en vue d’y édifier les premiers châteaux à double cour. Un véritable contraste, dans le mode d’implantation des bâtiments, sera observé entre les châteaux des Xe – XIe siècles nouvellement édifiés et ceux qui réutilisent un site antérieurement occupé. Comme on aura l’occasion de le voir, pour la région qui concerne cette étude (fig. 2), les sites sont représentatifs de modèles très différents. Au total, on soulignera leur destinée différenciée dans le temps, avec des abandons, des reprises et des changements de fonction.
54
Wightman 1985.
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Fig. 2. Localisation des sites de hauteur entre Fagne et Eifel (d’après Brulet 1990a; Krier 1989; Lemant 1985). Sites occupés aux IVe/Ve siècles (v), datation incertaine (V). Belgique: occupation attestée aux IVe/Ve siècles. 1. Couvin (Aux Roches), 2. Nismes I (Sainte-Anne), 3. Nismes II (La Roche Trouée), 4. Dourbes (La Roche à Lomme), 5. Pry (Al Rotche), 6. Falaën (Montaigle), 7. Ben-Ahin (Lovegnée), 8. Thon (Samson), 9. Vieuxville (Logne), 10. Lustin (Rochers de Frênes), 11. Furfooz (Hauterecenne), 12. Eprave (Tienne de la Roche), 13. Ortho (Le Cheslain), 14. Virton (Château Renaud). Belgique: occupation non attestée aux IVe/Ve siècles / Refuges? 15. Angleur, 16. Ciergnon, 17. Falmignoul, 18. Hotton, 19. Houffalize, 20. Huy, 21. La Roche-en-Ardenne, 22. Lompret, 23. Mont, 24. Rochefort, 25. Sars-la-Buissière, 26. Vogenée. Grand-Duché du Luxembourg: occupation attestée aux IVe/Ve siècles. 27. Vianden, 28. Bourscheid, 29. Soleuvre, 30. Luxembourg, 31. Johannisberg, 32. Zolwerknapp, 33. Heffingen, 34. Hersberg, 35. Blumenthal, 36. Jaufferbësch, 37. Hovelingen, 38. Itzig, 39. Contern, 40. Mondorff. Grand-Duché du Luxembourg: occupation non attestée aux IVe/Ve siècles / Refuges? 41. Kalborn, 42. Munshausen, 43. Walsdorf, 44. Befort, 45. Helpert, 46. Saeul, 47. Kopstal, 48. Juckelsbësch. France: 49. Vireux-Molhain (Le Mont Vireux), 50. Williers, 51. Omont, 52. Dommery, 53. Saint-Berthould, 54. Sery, 55. BelvalBois-des-Dames, 56. Grandpré, 57. Châtel-Chéhéry.
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III. Inventaire des sites Un inventaire descriptif des sites sélectionnés est présenté dans ce chapitre. L’accent est mis sur le mobilier qui autorise de dégager des éléments de chronologie assez précise exclusivement, en particulier le numéraire, les molettes sur terre sigillée des phases II et III de Didier Bayard, les fibules et les accessoires en bronze de ceinture.
Entre-Sambre-et-Meuse: Fagne et Condroz 1. Couvin, Aux Roches Le promontoire a abrité un château médiéval situé sur un rocher abrupt dominant l’Eau Noire. Le promontoire et la terrasse en contrebas ont livré quelques monnaies du IVe siècle et une monnaie de Constantin V (741–775).55 2. Nismes I, Sainte-Anne (fig. 3) Le site d’une colline dominant l’Eau Noire a été défiguré par une carrière. C’est un éperon barré vers l’ouest par deux fossés taillés dans la roche et par deux remparts. Dans la seconde muraille figuraient des blocs de remploi moulurés. L’éperon a pu représenter une surface d’environ 7 ares, dans laquelle on note des vestiges d’habitat en clayonnage. Le monnayage date, pour l’essentiel, de la fin du IIIe siècle; une pièce, frappée au type Constantinopolis, a été retrouvée en surface. La céramique date essentiellement de la seconde moitié du IIIe siècle. Aucune vaisselle n’est attribuée au IVe siècle.56 3. Nismes II, La Roche Trouée C’est une crête rocheuse dominant la vallée de l’Eau Noire. Le promontoire, très étroit, a livré quelques traces d’habitat en matériaux légers, mais pas de structures défensives. Les monnaies peu nombreuses couvrent la fin du IIIe siècle et tout le IVe siècle. On a retrouvé aussi un petit trésor de folles constitué en 332–335. Les données monétaires plaident pour une occupation du site à trois époques, entrecoupées par un abandon: dans le derniers tiers du IIIe siècle, à la période constantinienne, puis dans le dernier tiers du IVe siècle. Généralement, les forteresses de hauteur sont dépourvues de monnayage valentinien, ce qui n’est pas le cas à la Roche Trouée. L’époque théodosienne est bien marquée sur le plan numismatique. 55 56
Brulet 1990a. Doyen 1980; Brulet 1990a.
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Fig. 3. Carte de l’environnement archéologique des sites de hauteur de Nismes et de Dourbes. Nismes I (Sainte-Anne), 2. Nismes II (La Roche Trouée), 3–4. Sites métallurgiques, 5. Nécropole (Haut-Empire), 6. Dourbes (La Roche à Lomme).
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Fig. 4. Vue de La Roche à Lomme à Dourbes.
La terre sigillée tardive ne comprend pas de décor à la molette. On signale de la céramique craquelée-bleutée, de la verrerie du IVe siècle et un tesson de modelée germanique au moins. Il n’y a aucun matériel qui permette d’envisager clairement que le site ait été encore occupé dans le second tiers du Ve siècle.57 4. Dourbes, La Roche à Lomme (fig. 4 à 6) Un promontoire isolé domine le confluent de l’Eau Blanche et de l’Eau Noire. Il comprend un plateau ovale d’une superficie de 17,5 ares et une terrasse en contrebas. Du côté le plus faible, on trouve un rempart et une porte. Le site a été occupé par une tour médiévale. Le mobilier archéologique retrouvé est très abondant. Le monnayage couvre tout le IVe siècle. Les périodes monétaires les mieux représentées sont les suivantes: 260–275, 330–346 et 388–402; à signaler un silique de Jovin et des monnaies d’Honorius qui sont datées d’après 413.58 La terre sigillée argonnaise est représentée par de nombreux types de vaisselle lisse et par plus de 120 décors à la molette59, dont quelques-uns cou57 58 59
Doyen 1992. Brulet 1974. Brulet 1990a (collection inédite).
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Fig. 5. Plan de La Roche à Lomme à Dourbes (d’après Brulet 1974).
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Fig. 6. Dourbes (La Roche à Lomme). Applique de ceinture en bronze et molettes sur terre sigillée (2:3 et 1:1) (d’après Brulet 1974; Doyen 1992).
vrent la phase I et la transition vers la phase II de D. Bayard60. La céramique commune de l’Eifel est tardive et quelques formes s’inscrivent dans le début du Ve siècle. Il y a de la céramique germanique modelée. Parmi les objets, il faut retenir une garniture de ceinture en bronze et des fers de flèche. Sans préjuger de l’intérêt qu’il put susciter à la période mérovingienne, représentée par très peu de témoins, le site est occupé à la fin du Haut Moyen-Age. Le rapport entre la dénomination de „Roche à Lomme“ et le pagus du même nom n’est pas clairement identifié. L’existence d’une nécropole mérovingienne à Dourbes est attestée. Mal connue, une sépulture de celle-ci a toutefois produit un fragment de bol en terre sigillée avec molette chrétienne. Elle se trouve localisée à quelques centaines de mètres au sud de La Roche à Lomme.61 60 61
Bayard 1990. Doyen 1992, 97 et pl. XXIII.
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Fig. 7. Carte de l’environnement archéologique du site de hauteur de Vireux-Molhain (Le Mont Vireux) (d’après Lemant 1985). 1. Nécropole, 2. Le Mont Vireux, 3. Habitat, 4. Métallurgie.
5. Vireux-Molhain, Le Mont Vireux (fig. 7 à 9) C’est un éperon rocheux verrouillant le confluent du Deluves, du Viroin et de la Meuse. Il a été entamé par une carrière. L’éperon triangulaire est vaste, il offre encore aujourd’hui une superficie de 1,08 ha. Il est délimité par une enceinte et un mur de barrage. Sous l’enceinte d’époque médiévale, figurait encore un tronçon du mur du Bas-Empire. Plusieurs terrasses extérieures ont été occupées dans l’Antiquité tardive. Cette occupation prend la forme de deux bâtiments sur poteaux plantés et de foyers. A l’intérieur de la fortification, on note un sol incendié ayant livré un trésor monétaire de 121
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Fig. 8. Plan du Mont Vireux à Vireux-Molhain (d’après Lemant 1985).
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Fig. 9. Vireux-Molhain (Le Mont Vireux). Fibule et attaches de ceinture en bronze (2:3) (d’après Lemant 1985).
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pièces constitué entre 347–348 et 350. Une destruction par le feu du site est attestée vers le milieu du IVe siècle.62 La monnaie retrouvée sur le site couvre tout le IVe siècle. Les périodes monétaires les mieux représentées sont les suivantes: 260–275, 330–340, 348–364 et 388–402. On y ajoutera trois trésors, l’un daté du milieu du IVe siècle et les deux autres de la période théodosienne. La fouille des terrasses du site fortifié a entraîné la découverte de beaucoup de fragments d’objets en bronze: des fibules, des accessoires de ceinture et des armes. Un matériel archéologique d’époque mérovingienne est aussi fort bien attesté. La petite nécropole est située à l’extérieur de la fortification et à peu de distance. Elle est constituée de peu de tombes calées dans une fourchette chronologique très réduite: des années 400 au milieu du Ve siècle. 6. Pry, Al Rotche (fig. 10 et 11) C’est un petit éperon escarpé dominant l’Eau d’Heure; il est protégé naturellement sur ses flancs sud et est. Au nord, on trouve une levée de terre et de pierres. A l’intérieur du site, de nombreuses traces de cabanes en clayonnage ont été jadis localisées, de même qu’un niveau d’occupation. Par la suite, une petite nécropole de 48 sépultures sans mobilier et désordonnées a été installée sur le site. Le monnayage traduit, pour l’essentiel, une forte occupation des lieux vers la fin du IVe siècle. On signale une monnaie d’Honorius de 402–408. Les autres catégories de mobilier attestent que le site fut occupé durant la première moitié du Ve siècle: une fibule, des garnitures de ceinture, de la verrerie. Quelques céramiques ornées à la molette sont présentes avec des motifs peu significatifs mais dans une technique de production qui évoque le Ve siècle. La céramique de Mayen est aussi tardive. On signale de la vaisselle modelée germanique.63 La nécropole du Tombois est localisée à 1,2 km au nord du site fortifié et comprend des inhumations contemporaines de l’utilisation de celui-ci, puis de la seconde moitié du Ve siècle et de la période mérovingienne.64
62 63 64
Lémant 1985; Lémant 1986. Brulet 1996a. Dasnoy 1978.
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Fig. 10. Carte de l’environnement archéologique du site de hauteur de Pry (Al Rotche) (d’après Brulet 1996a). 1. Al Rotche, 2 et 4. Villas du Haut-Empire, 3. Métallurgie, 5. Nécropole du Tombois.
Fig. 11. Pry (Al Rotche). Fibule et attaches de ceinture en bronze (2:3) (d’après Brulet 1996a).
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Fig. 12. Plan de Montaigle à Falaën.
7. Falaën, Montaigle (fig. 12) Le rocher de Montaigle abrite le célèbre château médiéval. C’est un promontoire enserré par la Molignée et un affluent, qui se présente en deux plateaux. Le château médiéval recouvre pour moitié le site fortifié du Bas-Empire qui s’étend aussi sur une terrasse allongée en contrebas, où les vestiges antiques sont plus accessibles. Comme élément de défense, on signale un mur rectiligne reconnu sur une longueur de 55 m. Il est fait de gros blocs liés au mortier de chaux. Conservé à certains endroits sur une hauteur de 1,80 m, il est épais de 1,40 m. Il protège la face nord du site, la moins abrupte. Sur la terrasse supérieure, furent relevés un aménagement de sol, des trous de poteaux à côté de trois foyers de forge et une fosse à argile. Sur la terrasse inférieure, les investigations ont révélé des restes de cabanes construites en clayonnage, adossées à la paroi rocheuse et couvertes de toits de tuiles. Quelques blocs alignés sur la roche paraissent indiquer l’emplacement de murs. Les terres noires ont livré un mobilier important: nombreuses monnaies, céramique sigillée ornée à la molette, céramique commune, verrerie, objets en fer et en bronze, des attaches et des boucles de ceinture, fragment de creuset à fondre le bronze, restes du travail d’andouillers de chevreuils, une fibule ansée du milieu du Ve siècle et beaucoup de restes fauniques.
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Fig. 13. Carte de l’environnement archéologique du site de hauteur de Ben-Ahin (Lovegnée). 1. Lovegnée, 2. Métallurgie, 3. Habitat.
Les monnaies couvrent toute la période du Bas-Empire romain, avec deux pics incontournables aux périodes constantinienne et théodosienne.65
Condroz et Famenne 8. Ben-Ahin, Lovegnée (fig. 13) L’éperon de Lovegnée, sur lequel a été édifié le château médiéval de Beaufort, surplombe la vallée de la Meuse. En contrebas du château médiéval, 65
Mignot 1988; Mignot 1990; Mignot 1993a; Mignot 1993b; Mignot 1994; Mignot 1995; Mignot 2003; Ervynck/Gilté 1994; Heim 2004.
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Fig. 14. Carte de l’environnement archéologique du site de hauteur de Thon (Samson). 1. Samson, 2. Nécropole.
une petite terrasse a révélé une couche d’occupation riche en mobilier archéologique. Les monnaies, au nombre de 96, attestent d’une occupation importante au début du Bas-Empire. Parmi les 68 pièces qui constituent le monnayage du IVe siècle, aucune n’est postérieure au milieu du siècle mais l’époque constantinienne se trouve particulièrement bien représentée. La céramique est illustrée par de la terre sigillée ornée à la molette, de la vaisselle fine et de la commune.66 9. Thon, Samson (fig. 14) L’éperon domine la Meuse et abritait le château médiéval de Samson. Il a été fort détruit par les travaux d’exploitation d’une carrière. Le site est très escarpé. Il semble que l’un des retranchements remonte au Bas-Empire romain. Le plateau a livré du monnayage des IIIe et IVe siècles.67 A peu de distance du dernier retranchement, à l’extérieur de l’éperon, figure une riche nécropole utilisée dès la fin du IVe siècle-début Ve siècle, au Ve siècle et à la période mérovingienne.68
66 67
68
Brulet 1990a. Brulet 1990a. Fouilles récentes dans le château médiéval (sigillée tardive): Plumier/ Dupont 1998; Plumier/Dupont 1999; Verbeek et al. 2003. Dasnoy 1968.
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Fig. 15. Carte de l’environnement archéologique du site de hauteur de Vieuxville (Logne). 1. Logne, 2. Nécropole, 3. Habitat.
Fig. 16. Vieuxville (Logne). Molette sur terre sigillée (1:1).
10. Vieuxville, Logne (fig. 15 et 16) Le site se trouve sur un promontoire enserré par le confluent de l’Ourthe et de la Logne. Il abrite le Château médiéval de Logne. Le plateau a livré quinze monnaies de la seconde moitié du IVe siècle et du début du Ve siècle69 et de la terre sigillée ornée à la molette, notamment un décor de la phase III de D. Bayard70. 69 70
Brulet 1990a. Bayard 1990.
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Fig. 17. Vue du site de hauteur de Furfooz.
La célèbre nécropole de Vieuxville est localisée à une certaine distance du site, soit (1 km). Elle a été utilisée dès la fin du IVe siècle-début du Ve siècle et son utilisation se prolonge, par groupes, durant toute la période mérovingienne.71 11. Lustin, Rochers de Frênes Le promontoire des rochers de Frênes domine le cours de la Meuse. Il a été défiguré par une carrière. Le mobilier retrouvé consiste uniquement en monnaies qui marquent la fin du IIIe siècle et la première moitié du IVe siècle.72 12. Furfooz, Hauterecenne (fig. 17 à 19) La Lesse contourne un vaste plateau protégé par une falaise de 100 m de hauteur sur l’une de ses faces. L’éperon sommital est aussi protégé naturellement sur l’autre face. Il est très étroit, d’une superficie de 80 ares. Il a été occupé à la période protohistorique et au Bas Moyen-Age. 71
72
Breuer/Roosens 1956; Alénus-Lecerf 1981; Alénus-Lecerf 1982a; Alénus-Lecerf 1982b; Alénus-Lecerf 1983; Alénus-Lecerf 1984; Alénus-Lecerf 1985; Alénus-Lecerf 1986a; Alénus-Lecerf 1986b; Alénus-Lecerf 1993; Alénus-Lecerf 1997. Brulet 1990a.
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Fig. 18. Plan de Hauterecenne à Furfooz. 1. Première période (première moitié du IVe siècle), 2. Seconde période (derniers tiers du IVe-début Ve siècle).
Pour le Bas-Empire romain, on distingue très nettement deux époques d’aménagement. A la première appartient un mur de barrage construit sur le mode de celui du Tienne de la Roche à Eprave et un petit édifice thermal, sur les flancs du site fortifié. Un autre mur de barrage a été aménagé plus tard. Il est probablement contemporain de la phase d’abandon du balnéaire, dans les ruines duquel ont pris place des enfouissements funéraires. Le site n’est pas totalement abandonné à l’époque mérovingienne.
Fig. 19. Furfooz (Hauterecenne). Molette sur terre sigillée (1/1).
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Fig. 20. Carte de l’environnement archéologique du site de hauteur d’Eprave (Tienne de la Roche) (d’après Mertens/Rémy 1973). 1. Tienne de la Roche, 2–5. Nécropoles tardives, 6–7. Habitats.
Le monnayage couvre aussi tout le Bas-Empire, avec un pic à l’époque constantinienne. Le numéraire montre que le site connut quelques difficultés sous les règnes de Magnence et de Décence. Un trésor de solidi marque la deuxième moitié du Ve siècle. La terre sigillée ornée à la molette est bien illustrée, notamment par des décors. Il en va de même pour la céramique commune de Mayen. On signale de la verrerie et des pointes de flèche. Le site a livré un peu de matériel de la période mérovingienne.73 La petite nécropole bâtie dans les ruines du balnéaire est bien cernée dans le temps: elle est datée du dernier tiers du IVe siècle et des premières années du Ve siècle; elle donne l’image d’un groupe militaire organisé.74 13. Eprave, Tienne de la Roche (fig. 20 à 22) C’est une forteresse de bord de plateau appuyée contre une falaise dominant la Lomme, qui se développe sur un plan triangulaire de 37 ares environ. Un mur maçonné soigneusement parementé, long de 136 m et en forme de demi-lune, circonscrit l’éperon sur les faces nord, ouest et est, là où c’est né73 74
Brulet 1978. Dasnoy 1969.
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Fig. 21. Plan du Tienne de la Roche à Eprave (d’après Mertens/Rémy 1973).
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Fig. 22. Eprave (Tienne de la Roche). 1–2. Attaches de ceinture en bronze (2:3) (d’après Dasnoy 1997), 3–6. Molettes sur terre sigillée (1:1).
cessaire. Deux fossés entourent l’enceinte. Des vestiges de constructions en clayonnage, accolées contre l’enceinte, ont été aperçus lors des fouilles du XIXe siècle.75 Le monnayage s’échelonne sur toute la période du Bas-Empire mais connaît des pics au cours de la seconde moitié du IVe siècle. Un lot considérable appartient à Magnence et à Décence (350–353), en relation avec une couche d’incendie. 75
Mertens/Rémy 1973.
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On note beaucoup de terre sigillée, notamment ornée à la molette. Certaines relèvent de la phase II.76 La céramique de Mayen est bien représentée. On signale de la verrerie, des pointes de flèche. Le site lui même a fourni quelques tessons appartenant à un vase biconique (date: 525–600).77 C’est un véritable chapelet de nécropoles qui entoure la forteresse. Elles ont des chronologies différenciées mais la plus ancienne (La Croix-Rouge) débute à la fin du IVe siècle-début Ve siècle.78
Ardenne 14. Ortho, Le Cheslain (fig. 23 et 24) Le Cheslain d’Ortho est niché dans un long méandre de l’Ourthe. C’est un éperon rocheux accessible au nord par une crête étroite qui constituait la seule ouverture vers le haut plateau. La fortification se rattache à un fisc cité à la fin du Xe siècle. Aux recherches de J. Mertens des années 1958/1959, a succédé une nouvelle campagne de fouilles en 1988. Les premières fouilles ont mis l’accent sur le Bas-Empire romain, et interprètent le site comme un refuge romain. L’autre fouille a privilégié la période médiévale.79 La fortification englobait deux plateaux volontairement isolés l’un de l’autre. Le plateau supérieur a une forme triangulaire de 1,44 ha. Le plateau supérieur est protégé sur les flancs est et ouest par un rempart, au sud par un mur flanqué de deux tours d’angle et d’un fossé taillé dans la roche. Le plateau inférieur avait un mur d’enceinte. Toutes les murailles ont été réinterprétées comme relevant de la forteresse du Haut Moyen Age. Le site se présente sous la forme d’un donjon et d’une basse-cour très grande. Le donjon est une tour en bois à laquelle succède une tour en pierre. Le château médiéval s’implante donc tardivement sur un espace correspondant à un refuge du Bas-Empire. Le mobilier ne comporte pas de monnaies et très peu de terre sigillée ornée à la molette; en revanche la céramique de Mayen est bien représentée. On note aussi une fibule en bronze.80
76 77 78 79 80
Bayard 1990. Dasnoy 1997, 82 n. 178. Dasnoy 1967; Dasnoy 1997. De Boe 1989. Mertens/Rémy 1971.
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Fig. 23. Carte de l’environnement archéologique du site de hauteur de Ortho (Le Cheslain). 1. Le Cheslain, 2–4. Nécropoles du Haut-Empire.
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Fig. 24. Plan du Cheslain à Ortho (d’après Mertens/Rémy 1971).
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Lorraine 15. Virton, Château Renaud (fig. 25 à 27) Récemment exploré, le site de „Château Renaud“ illustre le cas d’une fortification de grandes dimensions, ce qui est rare dans la région concernée, datant du Bas-Empire et offrant des traces d’occupation et d’artisanat à l’intérieur de son périmètre. L’espace occupé est considérable puisqu’il correspond à 2 ha, entouré par une structure défensive. C’est une grande butte isolée, une plate-forme ovale, protégée sur tous ses flancs par des pentes abruptes. La structure défensive comprend, sur les faces nord, ouest et sud, une palissade placée sur la rupture de pente, dans une encoche continue, simple ou double, creusée dans le sol. De loin en loin, dans cette rigole, apparaissent des trous de poteaux plus profonds. Derrière cette palissade refaite plusieurs fois, courait un chemin de ronde porté par deux rangées de gros poteaux, de 0,18 à 0,40 m de côté. Les deux rangées sont espacées de 1,30 m à 1,80 m. Sur le flanc le moins escarpé de la colline, c’est-à-dire sur la pointe est et nord-est, la structure défensive change de nature. Il s’agit cette fois d’une muraille longue de 105 m pour une épaisseur de 1,52 à 1,70 m, qui épouse, par petits tronçons rectilignes juxtaposés la configuration topographique de la pointe du site. Le mur est, par endroits, très bien conservé. Il dispose d’une grosse fondation faite d’un hérisson de trois assises de pierres plates en oblique, surmontées d’une rangée de blocs. L’élévation du mur a un parement de moellons allongés sans mortier mais le noyau est lié. Par chance, une monnaie de l’empereur Magnence, datée de 353, a été trouvée dans la tranchée des fondations du mur. Dans un recoin de cette enceinte en pierre, au sud-est, là où on enregistre la jonction entre le tronçon en pierre et celui en bois de l’enceinte, figurait un bastion donnant accès à l’intérieur du site. La tour est bizarrement établie sur trois murs disposés en U. Une poterne a aussi été observée plus loin. Quant à l’intérieur du site, surtout sur la terrasse orientale, on a étudié de nombreux trous de poteaux et des fosses riches en matériel archéologique, témoignant de constructions ou d’habitat en matériaux légers. Deux puits ont aussi été explorés. Quelques indices peuvent indiquer que les occupants de ce site s’adonnaient à des activités artisanales, peut-être métallurgiques et à un culte, puisque deux autels votifs et une statue de Mercure invitent à le croire. Le matériel archéologique, retrouvé dans la fortification et contemporain de son utilisation, est d’une toute autre nature. La céramique et la verrerie y sont bien représentées. Le monnayage abonde, il offre des indica-
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Fig. 25. Carte de l’environnement archéologique du site de hauteur de Virton (Château Renaud). 1. Château Renaud, 2 et 5. Ateliers de céramique du HautEmpire, 3–4. Habitats, 6. Sépulture.
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Fig. 26. Plan du Château Renaud à Virton (d’après Cahen-Delhaye/Massart 1993). 1. Muraille, 2. Palissade, 3. Traces d’habitat.
tions pour une occupation bien marquée à la fin du IVe siècle qui se prolonge dans le courant du Ve siècle. Les objets en bronze, fibules, éléments de ceinture, relèvent de la tradition germanique.81 En Belgique actuelle, on retiendra aussi que beaucoup d’autres sites ont été proposés comme habitats ou fortifications de hauteur. Mais l’état de notre documentation ne permet pas de trancher en faveur de leur utilisation dès l’Antiquité tardive comme refuges ou à leur construction à la fin du Haut Moyen-Âge: Bertrix, Angleur, Ciergnon, Falmignoul, Hotton, Houffalize, La Roche-en-Ardenne, Lompret, Mont, Rochefort, Sars-la-Buissière, Vogenée.82 81
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Cahen-Delhaye 1978; Cahen-Delhaye/Gratia 1979; Cahen-Delhaye/Gratia 1980; Cahen-Delhaye/Gratia 1982; Cahen-Delhaye/Massart 1993; Cahen-Delhaye/Lambert/Massart 1997. Brulet 1990a, 186–191.
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Fig. 27. Virton (Château Renaud). Objets en bronze (2:3) (d’après Cahen-Delhaye/Massart 1993).
On n’a pas envisagé ici quelques sites qui ont eu une destinée exceptionnelle de par leur lien direct avec une agglomération en émergence au Ve siècle comme Huy ou en développement comme Namur, qui dominent l’habitat pré-urbain implanté sur les rives de la Meuse. On pense particulièrement au site de la Citadelle de Namur qui a récemment produit des témoignages se rattachant sans doute à une fortification au Bas-Empire.83
Grand Duché du Luxembourg et Ardennes françaises L’étude systématique des sites de hauteur localisés au Grand-Duché du Luxembourg est à reprendre, même si on connaît bien les détails de l’évolution du site célèbre de Vianden de l’antiquité tardive vers le Moyen-
83
Antoine 2001 et renseignements Jean Plumier.
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Age.84 D’autres sites importants semblent aussi concernés, comme Bourscheid, Soleuvre et Luxembourg.85 On dispose aussi d’une petite synthèse et d’un inventaire des sites du Bas-Empire établi sur la base des cartes archéologiques du Grand-Duché.86 Sans aucun doute, des fortifications comme celles de Johannisberg (Düdelingen)87 et Zolwerknapp ont déjà été occupées dans un premier temps dès le dernier tiers du IIIe siècle, peut-être comme refuges pour les villas proches.88 On a également enregistré une séquence de troubles à l’époque de Magnence, au plan numismatique.89 Pour la phase chronologique ultérieure, celle de la fin du IVe et du début du Ve siècle, le matériel archéologique ne manque pas au Johannisberg: ceinturon90 (milieu IVe et deuxième moitié du IVe s.) et terre sigillée ornée à la molette91. A signaler aussi une sépulture contemporaine à Esch-sur-Alzette. Beaucoup d’autres sites de hauteur apparaissent comme probables: Heffingen, Hersberg, Blumenthal, Jaufferbësch, Hovelingen, Itzig et Mondorff. D’autres sont plus incertains: Kalborn, Munshausen, Walsdorf, Befort, Helpert, Saeul, Kopstal, Juckelsbësch. Dans les Ardennes françaises, les nécropoles aménagées derrière le barrage des fortifications comme celles de Vireux-Molhain et d’Omont92 constituent aussi des cas très intéressants, comme nous en avons observés en Belgique. Le site de hauteur de Williers est très clairement lié à la route et au site d’habitat romain de Chameleux encore occupé à la fin du Bas-Empire. On connaît beaucoup d’autres sites ayant révélé du petit mobilier du Ve siècle, comme à Dommery (matériel mérovingien), Belval-Bois-des-Dames, Saint-Berthould (Chaumont-Porcien) et peut-être Sery.93 Vers le sud, des sites argonnais interpellent aussi par l’activité qui a pu marquer certains sites de hauteur et le lien qu’ils entretiennent avec un habitat sur le versant. Le plus connu est celui de la colline du Châtelet à Châtel-Chéhéry où des activités de production de la terre sigillée tardive sont évidentes. A Grandpré, on trouve une situation semblable, dans la mesure 84 85
86 87 88 89 90 91 92 93
Metzler/Zimmer 1991, 315. Metzler/Zimmer 1991, fig. 21 (carte) et numéraire tardo-antique de Luxembourg: 332 n. 16. Krier 1989, 106–108 et fig. 2 (carte). Krantz/Lentz 1987. Metzler/Zimmer/Bakker 1981, n. 168. Weiller 1980; Weiller 1987. Böhme 1986, 482–483 n. 27. Metzler/Zimmer/Bakker 1981, 293. Chalvignac/Lémant/Périn 1972. Prospections et informations J.-P. Lémant.
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où il est question de travaux de forge. D’autres buttes argonnaises peuvent aussi avoir été utilisées comme sites de hauteur, comme à la butte de Vauquois, Montfaucon, à Sainte-Menehould et Beaulieu-en-Argonne.94
IV. Interprétation Deux caractères généraux se signalent à l’attention pour la région étudiée: en premier lieu, la superficie très réduite qui marque les sites, à l’exception de celui de Virton; en second lieu, l’utilisation non linéaire des sites. L’histoire de chacun de ceux-ci est souvent à écrire séparément. Un nombre important d’entre eux présentent un caractère militaire, au Bas-Empire. D’autres ont pu servir de refuge mais, ici, les évidences chronologiques sont absentes. Tous sites confondus, les traces de construction attestées demeurent peu nombreuses. Principalement, il s’agira de bâtiments en clayonnage. Ils ne sont jamais suffisamment importants pour envisager de les considérer comme faisant partie de villages organisés. Plusieurs sites attestent toutefois de productions artisanales: Falaën, Vireux-Molhain, Virton et, en Argonne, Châtel-Chéhéry et Grandpré. La destinée des ces sites fortifiés peut être différente sans doute lorsqu’un lien est établi avec une occupation, parfois de type artisanale, observée sur les versants du site, comme c’est le cas à Vireux-Molhain (rive droite de la Meuse), Châtel-Chéhéry et Grandpré. La métallurgie a pu être aussi une référence: Ben-Ahin et dans la région de Dourbes. Certains sites, enfin, ont un lien évident avec le réseau routier et d’autres pas, ceci pouvant influer sur le caractère militarisé du site (Williers). Aucun site de sanctuaire n’a pu être identifié avec certitude. Pour la période mérovingienne, il est clair que les sites de hauteur n’ont pas été utilisés comme habitat et ont connu une grande désaffection. On enregistre un nouvel attrait pour les sites de hauteur à la fin du Haut Moyen-Age, en prélude aux „châteaux médiévaux“, de la première génération (tour et basse-cour).
1. Evolution chronologique (fig. 28 à 30) La documentation disponible permet de discriminer les fortifications de hauteur du Bas-Empire, en trois groupes. Le mobilier retenu montre la diversité des occupations et consacre les trois périodes présentées plus bas. 94
Gazenbeek 2003, fig. 8 et 284–285.
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Groupe I Quelques éperons rocheux, de très petite superficie, trahissent nettement qu’ils ne furent occupés que pendant une période limitée, qui couvre la fin du IIIe siècle et le début du IVe siècle. C’est le cas des rochers de Nismes I, Ben Ahin et Lustin. Le site de Nismes I a bénéficié d’un rempart. Davantage que d’une forteresse, il s’agit d’un refuge bâti par la population locale, dans un réflexe d’auto-protection, au milieu de la période d’insécurité qui a endeuillé le dernier tiers du IIIe siècle. La nature des sites de Ben-Ahin et de Lustin n’est pas connue. On ne peut exclure ni l’hypothèse qu’ils aient été le siège d’un point fortifié, ni celle qu’ils aient été un espace cultuel. Groupe II La majorité des sites de hauteur ont une histoire qui couvre toute l’époque romaine tardive, de la fin du IIIe siècle aux premières décennies du Ve siècle au moins. Cela ne signifie nullement que leur histoire est linéaire et leur occupation continue. Il s’agit de: Dourbes, Eprave, Falaën, Furfooz, Nismes II, Thon, Vireux-Molhain, Johannisberg (Düdelingen) et Zolwerknapp.
Fig. 28. Fréquence du numéraire de 260 à 402, dans les sites de hauteur du groupe chronologique I (Ben-Ahin).
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Fig. 29. Fréquence du numéraire de 260 à 402, dans les sites de hauteur du groupe chronologique II (Dourbes, Eprave, Falaën, Furfooz, Nismes II, Vireux-Molhain).
Les sites sont dotés de retranchements et ceux qui ont pu faire l’objet de fouilles régulières, ont livré quelques vestiges de bâtiments. Le matériel archéologique y est abondant. Il nous permet de retracer l’histoire individuelle du site. Une nécropole y est parfois associée, pour la période la plus récente de l’occupation de la fortification. Groupe III Pour une minorité de sites de hauteur, il est question d’une occupation qui est réduite dans le temps à la fin de l’Antiquité tardive. Le matériel archéologique qui en provient trahit qu’ils ne furent pas occupés avant la seconde moitié du IVe siècle. Ce sont les sites qui donnent aussi l’image d’une insertion prolongée dans le Ve siècle. Il s’agit d’Ortho, Vieuxville, Pry et Virton.
2. La chronologie du groupe II Les sites du groupe II bénéficient de caractéristiques communes. Ils seront occupés sur le long terme au Bas-Empire, non sans attester de périodes d’abandon. Le matériel archéologique et le numéraire montrent clairement que ces sites font l’objet d’une première occupation durant le dernier tiers
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Fig. 30. Fréquence du numéraire de 260 à 402, dans les sites de hauteur du groupe chronologique III (Pry, Virton).
du IIIe siècle puis d’une seconde pendant la période constantinienne. Dans l’état actuel de connaissance du mobilier, il est impossible de cerner l’importance que représentèrent ces sites au cours des trois premières décennies du IVe siècle. Le numéraire est peu documenté pour cette séquence mais c’est là une situation parfaitement normale lorsque l’on examine la circulation monétaire dans le nord de la Gaule. Une rupture caractéristique marque tous les sites au milieu du IVe siècle. Cette rupture est reflétée partout par le numéraire émis entre 348 et 364. Dans la pratique, il faut prendre en considération que cette période numismatique peut elle-même être découpée en trois petites séquences, la dernière couvrant les années 354 à 364. Ces dix années sont marquées par une carence presque totale du numéraire. On peut aussi enregistrer les traces matérielles de cette rupture. A Furfooz, il y aura reconstruction des structures défensives et abandon du balnéaire après le milieu du IVe siècle. A Dourbes et à Eprave, on note aussi qu’il y a eu deux périodes d’aménagement des sites. Quelques sites partagent une destinée commune; ils ont connu un incendie qui est daté des rè-
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gnes de Magnence et de Décence. A Vireux-Molhain il est même question d’un trésor monétaire constitué entre 347/348 et 350 provenant d’un sol brûlé. Cette rupture est bien enregistrée à Johannisberg, dans l’Eifel et dans des contextes de fortifications régulières en Germanie I et peut être mise en rapport avec la situation politique. A l’inverse de ce qui est la courbe normale de la circulation monétaire dans les sites civils à la première période valentinienne (363–378), les sites fortifiés évoqués ne montrent aucune activité au plan monétaire. Ce fait anormal corrobore qu’ils ont fait l’objet d’un abandon sur une durée plus ou moins longue, entre le milieu du siècle (355) et la fin de la première période valentinienne, soit pour une vingtaine d’années environ, à la seule exception de Nismes II. Tous les sites attestent d’une reprise d’activités importantes durant les vingt dernières années du IVe siècle. La période théodosienne est toujours bien en vue dans les courbes de fréquence monétaires et le matériel archéologique associé à cette époque est volumineux. Les sites du groupe III, comme Pry, Vieuxville et Virton, donnent l’impression d’avoir été érigés très tardivement, soit durant cette période théodosienne. L’arrêt de la diffusion de la monnaie en 402 ne correspond pas à une date d’abandon de ces sites. Le volume du numéraire de la dernière période d’émission montre à l’évidence qu’il a servi quelques années encore et quelques trouvailles sporadiques montrent que l’on peut automatiquement assurer que ces sites ont été utilisés à coup sûr jusque vers 410/420. Le devenir des sites de hauteur, au-delà de ces dates, est plus incertain, car le matériel archéologique du Ve siècle n’offre que des limites chronologiques assez floues. On dispose rarement de quelques témoins sûrs, comme à Vieuxville, pour reculer la date de désaffectation de ces sites de quelques décennies, peut-être le milieu du Ve siècle. On n’oubliera pas, également, de prendre en compte le témoignage des nécropoles voisines des sites de hauteur. Elles n’apparaissent toutes que vers la fin du IVe siècle, soit en lien direct avec la seconde période d’utilisation des sites de hauteur. Les nécropoles en question connaissent un abandon qui se situe à des moments chronologiques différenciés.
3. Le témoignage des nécropoles Les nécropoles proches de sites de hauteur permettent de documenter tout à la fois la dernière période d’utilisation de ceux-ci et le caractère de ses occupants. On ne trouve, en effet, aucune sépulture contemporaine de la pre-
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mière occupation des éperons fortifiés. C’est le cas pour les sites d’Eprave, Furfooz, Pry, Thon, Vireux-Molhain et Vieuxville. Le fait que l’on n’ait pas retrouvé de nécropoles à Falaën ou ailleurs n’est lié qu’au manque de découvertes archéologiques. Ici aussi il faut introduire quelques nuances, car tous les sites funéraires ne présentent pas un profil linéaire. On distinguera les cimetières qui sont tellement proches de sites fortifiés que leurs liens avec eux est trop évident: Furfooz, Vireux-Molhain, Thon, Omont, Eprave. Encore faut-il, pour Eprave, voir de quel cimetière on parle car toutes les nécropoles qui entourent la fortification ne sont pas contemporaines. Dans le cas de Pry et de Vieuxville, le lien avec la nécropole n’est pas aussi étroit, topographiquement. Cela est-il dû au fait que nous avons affaire à des sites fortifiés de création plus tardive? Deux types de cimetières apparaissent. Une première série, comme à Furfooz et à Vireux-Molhain, sont utilisés sur une courte durée, soit de la fin du IVe siècle aux premières décennies du Ve siècle. Ce sont les nécropoles le plus immédiatement en contact avec les sites fortifiés. Les autres qui abritent une communauté humaine sur du plus long terme, soit jusqu’au VIe ou VIIe siècles, sont plus éloignés.
4. L’occupation mérovingienne Les sites fortifiés ne livrent pas de traces de construction ou d’aménagement à la période mérovingienne. Tout au plus enregistre-t-on quelques pièces de mobilier isolées, qui ramenées à deux siècles, ne représentent pas grand chose. Les exceptions sont rares et le matériel anecdotique, comme à Dourbes, Furfooz, Eprave. Vireux-Molhain offre un mobilier un peu plus important. La documentation utile est celle provenant des nécropoles proches. Parmi celles-ci, on distinguera celles qui montrent une utilisation continue, comme à Pry et Vieuxville et celles qui se présentent comme multiples à chronologie différenciée, comme à Eprave/Rochefort. Il peut s’agir de deux modèles qui n’ont pas la même signification au plan de l’organisation des communautés.
5. Attribution Le caractère offert par les occupants des sites de hauteur à la fin du IIIe siècle peut être de nature très différente. On peut penser que le site de Nismes I représente le cas d’un refuge destiné à la population civile qui l’a occupé
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quelques années durant la période de troubles. Un autre modèle peut s’appliquer aux fortifications traditionnelles de Dourbes, Eprave, Furfooz, Vireux-Molhain. L’hypothèse de l’occupation de ces sites par un contingent militaire dès cette époque est possible mais ne peut être réellement corroborée. En revanche, la forte occupation des sites de hauteur et les travaux qui y ont été entrepris à la période constantinienne plaident en faveur de leur utilisation par une unité de l’armée. Faute du témoignage de nécropoles, le caractère offert par les contingents en question est difficile à établir. Les nouvelles unités qui reprendront les sites en main au cours des vingt dernières années ont une origine différente. Ces milices germaniques resteront en place au début du Ve siècle. A la période mérovingienne, les sites de hauteur ne sont plus utilisés en tant que tels, sauf à servir, si besoin en était, de point de refuge. Ceci est également vrai pour des sites de grandes dimensions comme Le Héraple et Tarquimpol.95 Par contre les groupes humains, qui succèdent aux populations du BasEmpire, continuent de vivre à proximité de certaines forteresses ou à tout le moins à s’y faire enterrer. La question est donc d’en comprendre la raison. Il faudrait pouvoir suivre le cheminement de ces générations multiples, entre le premier tiers du Ve siècle et le début du VIe siècle. Entre le moment où s’est mise en place la politique de l’hospitalitas des barbares96 et le développement définitif des communautés, il se passe donc d’un demi à trois quart de siècle et beaucoup d’événements historiques. On peut estimer que ces sites de hauteur, en territoire romain, n’ont plus guère d’utilité ni de signification à partir du milieu du Ve siècle ou lorsque le pouvoir romain n’est plus là pour entretenir ou susciter l’implantation de groupes armés d’origine étrangère. Comme les sites n’offrent aucune trace de réappropriation par la suite, on ne peut guère imaginer qu’ils aient servi de résidence aux reguli ou à la noblesse germanique, prenant les rênes du pouvoir local. Ce n’est pas le modèle de la Runde Berg qui peut prévaloir ici, comme cela peut être le cas de l’autre côté du Rhin.97 Il est probable, à ce moment, que la fortification n’est plus perçue que comme le centre symbolique du pouvoir aux mains de la noblesse locale, dans un premier temps. Par la suite cette notion même s’estompera mais
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Halsall 1995, 202–208. Goffart 1980. Steuer 1997.
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l’environnement du site de hauteur continue d’attirer la communauté des défunts. L’utilisation des nécropoles se poursuit aussi de manière symbolique parce qu’elles se situent bien en vue dans le paysage. Dessins: M. Jacobs et C. Dassy
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65
Fortifications de hauteur et habitat perché entre Fagne et Eifel
Tableaux du mobilien archèologique COUVIN N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
Ve siècle
x
Monnayage (260–294)
x
Monnayage (294–402)
x
x
DOURBES N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle x
Monnayage (260–294)
IVe siècle
x x
Monnayage (294–402) x
Monnayage d’imitation
Ve siècle
x
x
x
x
x
x x
Monnayage du 5e s 1
x
Elément ceinture en hélice Keller, p. 67 TS Molette. Phase I (350–420)
U.C.150
TS Molette. Phase I (350–420)
U.C. 152
TS Molette. Phase I (350–420)
U.C.166
2
TS Molette. Phase I /II
3
TS Molette. Phase I /II
4
TS Molette. Phase IV
Maastricht 2
Céramique de l’Eifel
Alzei 27
x
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 28
x
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 29
Céramique de l’Eifel
Alzei 34
x x
x
x
x
x
x
x
x
x
U.C. 29
x
x
U.C. 293
x
x x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
NISMES I N° Fig.
Matériel archéologique Désignation Monnayage (260–294) Monnayage (294–402)
Type
IIIe siècle
IVe siècle
x x
Ve siècle
x
66
Raymond Brulet
NISMES II N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
Ve siècle
x
Monnayage (260–294)
x
Monnayage (294–402) x
Monnayage d’imitation
x
x
x x
Trésor monétaire
VIREUX-MOLHAIN N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle x
Monnayage (260–294)
IVe siècle
x x
Monnayage (294–402) x
Monnayage d’imitation
Ve siècle
x
x
x
x
x
x
Trésors monétaires
x
Elément ceinture en hélice Keller, p. 67
x
x x
1
Fibule à ressort protégé massif
Böhme, Fundliste 10
2
Applique
3
Boucle quadrangulaire
Keller, p. 63
x
x
4
Passant
Böhme, Fundliste 12
x
x
5
Ferret
Böhme, Fundliste 18A
x
x
x x
x
x
6
Passant
Böhme, Fundliste 13
x
x
7
Passant
Böhme, Fundliste 13
x
x
8
Passant
Böhme, Fundliste 13
x
x
67
Fortifications de hauteur et habitat perché entre Fagne et Eifel
PRY N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
Ve siècle
x
Monnayage (260–294)
x
Monnayage (294–402) x
Monnayage d’imitation
x
x
x x x
Monnayage 5e s 1
2
Fibule à pied trapézoïdal
Böhme, Fundliste 2/3
Passant
Böhme, Fundliste 12
Céramique de l’Eifel
Alzei 27
Céramique de l’Eifel
Alzei 30
Céramique de l’Eifel
Alzei 33
Céramique de l’Eifel
Alzei 34
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x x
x
x
FALAËN N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle x
Monnayage (260–294)
IVe siècle
Ve siècle
x x
Monnayage (294–402) Monnayage d’imitation
x
x
x
x
x
x
Fibule ansée
x
BEN-AHIN N° Fig.
Matériel archéologique Désignation Monnayage (260–294) Monnayage (294–402) Monnayage d’imitation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
x x
x
x
x
x
Ve siècle
68
Raymond Brulet
THON N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
Ve siècle
x
Monnayage (260–294)
x
Monnayage (294–402)
x
x
VIEUXVILLE N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
Ve siècle
Monnayage (260–294) x
Monnayage (294–402) 1
TS Molette. Phase III (450–480)
x
x
U.C.181
x
LUSTIN N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
Ve siècle
x
Monnayage (260–294)
x
Monnayage (294–402)
x
x
Monnayage d’imitation
FURFOOZ N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
Ve siècle
x
Monnayage (260–294)
x
Monnayage (294–402) Monnayage d’imitation
x
x
x
x
x
x x
Trésor monétaire Ferret
1
Böhme, Fundliste 18A
TS Molette. Phase I (350–420)
U.C. 46
TS Molette. Phase II (400–450)
U.C. 91
Céramique de l’Eifel
Alzei 27
Céramique de l’Eifel
Alzei 28
x
x
x
x
x x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
69
Fortifications de hauteur et habitat perché entre Fagne et Eifel
EPRAVE N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle x
Monnayage (260–294)
IVe siècle
Ve siècle
x x
Monnayage (294–402)
x
x
x x
Monnayage d’imitation
x
x
1
Elément ceinture en hélice Keller, p. 67
x
x
2
Ferret
Keller, p. 64
x
x
TS Molette. Phase I (350–420)
UC.152
3
TS Molette. Phase II (400–450)
UC.41
4
TS Molette. Phase II (400–450)
UC.90
5
TS Molette. Phase II (400–450)
UC.162
6
TS Molette. Phase II (400–450)
UC.179
Céramique de l’Eifel
Alzei 27
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 28
x
Céramique de l’Eifel
x
x
x
x x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Alzei 29
x
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 30
x
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 31
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 33
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 34
x
x
x x
x
ORTHO N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
Fibule à ressort protégé massif
Böhme, Fundliste 10
Céramique de l’Eifel
Alzei 27
x
x
x
x
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 28
x
x
x
x
Céramique de l’Eifel
Ve siècle
x
x
x
x
x
Alzei 29
x
x
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 30
x
x
Céramique de l’Eifel
Alzei 34
x
x
70
Raymond Brulet
VIRTON N° Fig.
Matériel archéologique Désignation
Type
IIIe siècle
IVe siècle
Ve siècle
x
Monnayage (260–294)
x
Monnayage (294–402) Monnayage d’imitation
x
x
x
x
x
x x
2
Fibule cruciforme
Keller, type 4
x
3
Fibule Type A, gauloise
Böhme, Fundliste 3
x
4
Fibule en arbalète
Böhme, Fundliste 1
5
Boucle
Böhme, Fundliste 13
6
Ferret
Keller, p. 64
7
Garniture simple
Böhme, Fundliste 13
x
x
x
x x
x
x
x
x
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 71–103 Gallische Höhensiedlungen germanische © Copyright 2008 Walter de Gruyter · und Berlin · New York Söldner im 4./5. Jahrhundert
71
Gallische Höhensiedlungen und germanische Söldner im 4./5. Jahrhundert Horst Wolfgang Böhme
André Matthys in Freundschaft gewidmet
Seit den politisch-militärischen Wirren der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts entstanden im nordöstlichen Gallien zahlreiche befestigte Höhensiedlungen, die nach ihrer Größe und Gestalt, aber auch nach ihrer Bauweise recht unterschiedliche Züge aufweisen.1 Deutliche Konzentrationen dieser spätrömischen Bergbefestigungen sind vom belgischen Condroz über die Ardennen und die Eifel bis zum Hunsrück und Pfälzer Bergland festzustellen. Funktion und zeitliche Nutzung der einzelnen Anlagen lassen erhebliche Unterschiede erkennen. Ohne systematische Ausgrabungen, die zumindest in einigen Fällen erfolgten, lassen sich über die Struktur und die jeweiligen, oft zeitlich limitierten Aufgaben dieser Höhensiedlungen im militärischen beziehungsweise im zivilen Bereich nur begrenzte Angaben machen.2 Von manchen Anlagen sind ausschließlich Einzelfunde wie Münzen, Eisen- und Bronzeobjekte und seltener Keramik- oder Glasfragmente überliefert, während andere durch nahegelegene Gräberfunde meist nur indirekt interpretiert werden können. In den folgenden Untersuchungen wird zu überprüfen sein, ob diese nordgallischen Höhensiedlungen für das spätrömische Militär eine wesentliche Rolle gespielt haben und gegebenenfalls welche. Den ersten Hinweis auf eine Höhensiedlung des 4./5. Jahrhunderts – westlich ebenso wie östlich des Rheins – geben oft nur einige Metallklein-
1
2
K.-J. Gilles, Spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück. Trierer Zeitschrift, Beiheft 7 (Trier 1985); R. Brulet, La Gaule septentrionale au Bas-Empire (Nordgallien in der Spätantike). Trierer Zeitschrift, Beiheft 11 (Trier 1990); H. Bernhard, Die spätantike Höhensiedlung „Grosser Berg“ bei Kindsbach, Kr. Kaiserslautern. Ein Vorbericht zu den Grabungen 1985–1987. Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 85, 1987, 37–77. Vgl. dazu in diesem Band die Beiträge von K.-J. Gilles und R. Brulet.
72
Horst Wolfgang Böhme
funde, die zufällig als Lesefund, wie kürzlich beim Hertenberg,3 oder seltener durch Ausgrabungen entdeckt werden. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um verschiedene Bronzeobjekte eines metallbeschlagenen Leibgurtes von 6–14 cm Breite. Seit etwa 20 Jahren pflegt man diese zusammenfassend als spätrömische Militärgürtelteile anzusprechen.4 Da aber in jüngster Zeit gegen diese offenbar als zu einseitig empfundene Interpretation Bedenken angemeldet worden sind,5 scheint es mir geboten, auf diese wichtige Frage doch etwas näher einzugehen, zumal von der richtigen Ansprache der entsprechenden Gürtel wesentliche Aussagen für die Funktion so mancher Höhensiedlung abhängen dürften.
Spätrömische Militärgürtel Unter den zahlreichen Formen spätrömischer Gürtelschnallen samt ihren zugehörigen Beschlägen des späten 3. bis mittleren 5. Jahrhunderts interessieren in diesem Zusammenhang vor allem die sogenannten mehrteiligen Kerbschnittgarnituren, deren wesentlicher funktionaler Bestandteil eine Tierkopfschnalle sehr unterschiedlicher Form darstellt (Abb. 1).6 Mit diesen sehr aufwendig gestalteten Garnituren engstens verwandt und weitgehend
3
4
5
6
G. Fingerlin, Im Blickfeld von Kaiseraugst: Der Hertenberg, eine neu entdeckte Höhensiedlung im westlichen Hochrheintal. Archäologische Nachrichten aus Baden 66, 2002, 13–21. H. W. Böhme, Spätrömische Militärgürtel. In: G. Waurick (Hrsg.), Gallien in der Spätantike – Von Kaiser Constantin zu Frankenkönig Childerich. Ausstellungskatalog Mainz 1980–1981 (Mainz 1980) 201 f.; H. W. Böhme, s. v. Kerbschnittbronzen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 16 (Berlin, New York 2000) 456–462. H. Steuer, Höhensiedlungen des 4. und 5. Jahrhunderts in Südwestdeutschland. In: Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 1 (Sigmaringen 1990) 139–205, bes. 177; J. Leicht, Die spätkaiserzeitlichen Kammergräber. In: A. Burzler/M. Höneisen/J. Leicht/B. Ruckstuhl (Hrsg.), Das frühmittelalterliche Schleitheim. Siedlung, Gräberfeld und Kirche. Schaffhauser Archäologie 5 (Schaffhausen 2002) 92f. (zur Bezeichnung als „Militärgürtel“); H. Steuer, Vom Beutezug zur Landnahme: Die Germanen im Südwesten und der lange Weg zur Ethnogenese der Alamannen. Freiburger Universitätsblätter 42, Heft 159, 2003, 65–91, bes. 77: „Derartige Kriegergürtel, aufgekommen beim römischen Militär als Amts- und Rangtracht, wurden zur Zeitmode und von allen Männern gern getragen“. H. W. Böhme, Germanische Grabfunde des 4. bis 5. Jahrhunderts zwischen unterer Elbe und Loire. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 19 (München 1974) 56 Abb. 16.
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Abb. 1. Typen verschiedener Tierkopfschnallen innerhalb von Kerbschnittgarnituren.
zeitgleich sind die einfachen Tierkopfschnallen,7 die bestenfalls eine Riemenzunge besitzen, sonst aber selten ein mehrteiliges Set bilden. Die Punzverzierten und die sogenannten Einfachen Garnituren als Derivate und typologische Weiterentwicklungen der komplizierten, großflächigen Kerbschnittgarnituren sind dagegen mehrheitlich jünger als diese einzustufen. Zwei wichtige Aspekte, die nahezu für alle hier kurz angesprochenen Gürtelbeschläge gelten, sollen zunächst diskutiert werden: 1. Obwohl es mittlerweile mehrere Hundert dieser Gürtelverschlüsse gibt, existieren nicht einmal zwei völlig identische Schnallen oder Garnituren, weder bei den „echten“ Kerbschnittgarnituren (Typen A, B, Muthmannsdorf, Chécy und Vieuxville),8 noch bei den einfachen Tierkopfschnallen und erst recht nicht bei den Punzverzierten Garnituren. Dies betrifft gleichermaßen die zugehörigen Riemenzungen sowie alle sonstigen Gürtelbeschläge. Am ehesten findet man noch sehr ähnliche Exemplare bei den Einfachen Garnituren des 5. Jahrhunderts Selbst die äußerst qualitätvollen Kerbschnittschnallen vom Typ Herbergen,9 die exakt – auf den Millimeter genau – die gleiche Größe, die gleichen Ziermuster und Herstellungstechniken (Niellierung, Dornquerarm, blaue Glaseinlage) und stets die gleiche Form der Riemenzunge aufweisen, sind jeweils sehr individuell gestaltet. Es handelt sich bei ihnen eindeutig nicht um Massenware, sondern meines Erachtens eher um Einzelanfertigungen,
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Böhme (wie Anm. 6) 66–71. Zu den einfachen Tierkopfschnallen, unter denen die Form Hermes-Loxstedt am häufigsten vertreten ist, werden nur jene Exemplare mit endständigen stilisierten Tierköpfen gezählt, nicht jedoch andere spätantike Schnallen mit mittelständigen Tierköpfen, wie die meist naturalistischen Delphin- oder Löwenkopfschnallen. Vgl. zu letzteren M. Martin, Zwei spätrömische Gürtel aus Augst/BL. Jahresbericht Römerhaus und Museum Augst 1967, 3–20; H. W. Böhme, Das Ende der Römerherrschaft in Britannien und die angelsächsische Besiedlung Englands im 5. Jahrhundert. Jahrbuch RGZM 33, 1986, 476–484. Böhme (wie Anm. 6) 55–62. Böhme (wie Anm. 6) 66–67.
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die offensichtlich – aufgrund der genannten Details – in einer einzigen Werkstatt hergestellt worden sein müssen. Sie ist freilich wegen der kleinen Stückzahl von sechs Exemplaren und ihrer großen Streuung noch nicht einmal annäherungsweise zu lokalisieren.10 Dies scheint schon eher bei vier Kerbschnittgarnituren mit charakteristischen Winkelbeschlägen zu gelingen, die eine vergleichsweise enge Verbreitung im nördlichen Gallien aufweisen,11 wobei ein möglicher Produktionsort Reims natürlich spekulativ bleibt. Die erwiesene große Variationsbreite der Tierkopfschnallen und entsprechender Gürtelgarnituren sollte jedenfalls nicht den Gedanken aufkommen lassen, sie seien mehrheitlich irgendwo und von irgendwelchen Handwerkern „mal eben so“ gefertigt worden. Vielmehr sind Stücke von erlesener Qualität – und aufgrund vielfältiger, komplizierter Techniken wohl von Meisterhand geschaffen –, wie die Exemplare von Misery, Rhenen, Sedan, Vermand oder Babenhausen, offensichtlich von professionellen Handwerkern in besonderen Ateliers fabriziert worden, die man am ehesten in großen Städten wie Tournai, Amiens oder Trier vermuten darf, für die auch fabricae erwähnt werden. Gleiches wird man dagegen kaum für eine Riemenzunge aus DuisburgHuckingen12 annehmen wollen, die deutlich weniger geschickte Hände erkennen läßt und daher kaum einem Meisterbetrieb entstammt, sondern vermutlich das Erzeugnis einer lokalen Werkstatt ist. Im übrigen sind auch viele Schnallen und Garnituren früherer Zeitstellung (erste Hälfte bis Mitte 4. Jahrhundert) sowie die meisten der fast tausend bekannten Zwiebelknopffibeln höchstwahrscheinlich in lokalen Werkstätten und nicht in zentralen Ateliers angefertigt worden, ohne daß man deshalb annehmen muß, sie seien nun nicht mehr im militärischen Bereich als „Amts- und Rangabzeichen“ verwendet worden, sondern zur allgemeinen „Volkstracht“ abgesunken. Auf die Frage nach den Herstellungsorten von kerbschnittverzierten Militärgürteln wird weiter unten noch zurückzukommen sein. 10
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Böhme (wie Anm. 6) 362 Fundliste 12,34.36–38 (Richborough?, Herbergen, Loxstedt, Mainz). Nr. 35 ist als mutmaßliche Imitation auszuscheiden. Ein neues Exemplar stammt aus Esch-sur-Alzette/Luxemburg (Riemenzunge): Carte Archéologique du Grand-Duché de Luxembourg Blatt 28 (Luxemburg 1981) 12 Abb. 1. Ein weiteres aus Engelsdorf, Kr. Jülich: Frdl. Mitteilung von M. Perse (Jülich). H. W. Böhme, Les découvertes au Bas-Empire à Vireux-Molhain. Considérations générales. In: J.-P. Lémant, Le cimetière et la fortification du Bas-Empire de Vireux-Molhain, Dép. Ardennes. Monographien des RGZM Mainz 7 (Mainz 1985) 81 Anm. 26, 82 Abb. 73 (mit den Fundorten Sissy, Reims, Vireux-Molhain, Trier). G. Tromnau, Ausgrabungen des Niederrheinischen Museums Duisburg in Duisburg-Hukkingen 1984–1986. Dörfer und Städte. Ausgrabungen im Rheinland ’85/86 (1987) 55 Abb. 40.
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Abb. 2. Kerbschnittgarnitur aus Grab 18 von Linz/Donau mit nachträglichen Ergänzungen.
2. Es gibt nur ganz wenige vollständige Gürtelgarnituren – kerbschnittverzierte wie andere –, da die oft stark strapazierten Gürtel sehr häufig den einen oder anderen Beschlag im Laufe der Zeit verloren haben, darunter besonders häufig die zugehörige Riemenzunge. Daher gibt es sehr viele Garnituren mit „Ersatzteilen“, die sich der Träger irgendwo besorgen mußte oder die er sich von einem gerade greifbaren Handwerker behelfsweise anfertigen ließ (Abb. 2). Und solche Reparaturen erfolgten nicht allein im rechtsrheinischen Germanien, sondern ebenso häufig in reichsrömischen Garnisonen, wie etwa in Linz, Vermand oder Oudenburg.13
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Als typische Kerbschnittgarnituren mit ursprünglich nicht zugehörigen „Ersatzteilen“ seien u. a. genannt: Linz Gräber 18 und 19: E. M. Ruprechtsberger, Das spätantike Gräberfeld von Lentia (Linz). Monographien des RGZM Mainz 18 (Mainz 1999) 130 f. Abb. 104 f. – Oudenburg Grab 129: Böhme (wie Anm. 6) Taf. 97,12–18. – Vermand Grab A: Böhme (wie Anm. 6) Taf. 136,4–11.
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Auf diese Weise hat auch ein mutmaßlich aus Gallien heimgekehrter Söldner, der in Schöneck-Büdesheim (Wetterau) bestattet wurde, seine Einfache Gürtelgarnitur mit einer ursprünglich nicht zugehörigen scheibenförmigen Riemenzunge „geflickt“.14 Daß dies höchstwahrscheinlich in der Wetterau geschah, ist wohl anzunehmen, aber im Hinblick auf den Fall Oudenburg nicht gesichert.
Zur Chronologie der Militärgürtel Nach diesen Vorbemerkungen kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt, der die Chronologie der Tierkopfschnallen und Kerbschnittgarnituren betrifft. Meine vor mehr als 35 Jahren aufgestellten und recht grobmaschigen Zeitstufen, die ja nicht allein die Tierkopfschnallen zu berücksichtigen hatten,15 konnte ich mittlerweile durch eine erheblich modifizierte und verfeinerte Chronologie ersetzen,16 wobei zahlreiche neue münzführende (nicht münzdatierte) Grabfunde, die uns zumindest einen klaren terminus post quem geben, sowie viele neue aufschlußreiche Fundkombinationen von großer Hilfe waren. Das Fazit aus diesen Recherchen ist recht überzeugend: Kein einziges Grab mit einer Kerbschnittgarnitur beziehungsweise kaum eine Bestattung mit einer Tierkopfschnalle weist eine Münze aus vorvalentinianischer Zeit auf,17 obwohl sehr viele dieser Gräber von Friedhöfen wie Oudenburg, Krefeld-Gellep oder Vermand stammen, auf denen zahlreiche Bestattungen mit Münzen der Zeit von 300 bis 363 vorkommen. Vielmehr enthielten fast alle Gräber mit Tierkopfschnallen und entsprechenden Garnituren ausschließlich Kleinbronzen, Siliquae oder Solidi von Valentinian I. 14 15 16
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Fundberichte aus Hessen 36, 1996 (2001) 357 Abb. 124,2–8. Böhme (wie Anm. 6) 155–157. Andeutungsweise erläutert und dargestellt: H. W. Böhme, Gallien in der Spätantike. Forschungen zum Ende der Römerherrschaft in den westlichen Provinzen. Jahrbuch RGZM 34, 1987 (1989) 770–773. Von 30 münzführenden Gräbern mit entsprechenden Schnallen wiesen lediglich vier Bestattungen eine Prägung vor 364 auf: Vermand Grab 321 (Constantin II.), Vron Grab 244 (Siliqua Constantius II., gepr. 360), Vron Grab 449 (Siliqua Constantius II., gepr. 354/64) und Krefeld-Gellep Grab 1331 (Constans, gepr. 341/46). Diese auffällig kleine Gräberzahl mit älteren Münzen, die als „Ausreißer“ zu verstehen sind, ist chronologisch schon sehr aussagekräftig im Verhältnis zu den 26 Bestattungen mit Münzen nach 364, wenn man bedenkt, daß etwa in Grab 76 von Oudenburg mit einer Tierkopfschnalle 88 Bronzeprägungen lagen, die von Licinius (318–324) bis Theodosius I. (378–383) reichten. Dieser Befund belegt, wie viele ältere Münzen noch bis zum Ende des 4. Jhs. – und darüber hinaus – im Umlauf waren und daher leicht „aus Versehen“ auch noch in wesentlich spätere Gräber gelangen konnten, ohne einen exakten Datierungshinweis zu liefern.
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(364–375), Valens (364–378), Gratian (367–383), Magnus Maximus (383–388) oder gar von Arcadius (383–408) beziehungsweise Honorius (393–423), wobei wir nicht vergessen dürfen, daß es sich dabei immer nur um einen terminus post quem handelt.18 Offensichtlich gab es diese Schnallenformen noch nicht vor 365. Diesem Tatbestand entspricht, daß aus Bergbefestigungen Nordostgalliens, die 353/55 zerstört und nicht wieder besetzt wurden, keine einzige Kerbschnitt- oder Tierkopfschnalle stammt. Deutlich setzen sich davon andere spätrömische Schnallen ab, die offenbar ebenfalls zum Militärgürtel gehörten, aber stets mit Münzen von Constantin I. bis Constantius II. (337–361) kombiniert waren. Allein in KrefeldGellep sind 16 Gräber mit derartigen Schnallen gefunden worden, die Münzen aus vorvalentinianischer Zeit enthielten.19 In sieben Fällen besaßen diese Gürtelträger zusätzlich eine Zwiebelknopffibel, was deren Funktion als Militärpersonen nachdrücklich unterstreicht. Drei dieser Inventare mit Militärgürteln aus dem mittleren Drittel des 4. Jahrhunderts seien beispielhaft vorgestellt (Abb. 3).20 Als Ergebnis dieser chronologischen Überprüfung in Krefeld-Gellep und Nordgallien ergibt sich folgendes: Alle Tierkopfschnallen und Kerbschnittgarnituren, die offensichtlich ältere Militärgürtel ablösten, sind frühestens seit den fortgeschrittenen 60er oder gar 70er Jahren des 4. Jahrhunderts in die Gräber gelangt. Daher vermute ich, daß sie erst unter Valentinian I. eigens für bestimmte Truppeneinheiten geschaffen wurden, und zwar – was die einfachen Tierkopfschnallen betrifft – offenbar ausschließlich für in Gallien rekrutierte Militärpersonen, wie eine entsprechende Verbreitungskarte21 im Gegensatz zu jener der
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Dies gilt in besonderem Maße für Schnallen mit festem Beschlag und Einfache Garnituren des mittleren 5. Jhs. (vgl. Anm. 16), die wegen fehlender Bronzeprägungen nach 402 regelmäßig „veraltete Münzen“ des 4. Jhs. enthielten, so z. B. Haillot Grab 11 (mit fünf Bronzemünzen von Valentinian I. und Gratian, 364–383) oder Tongern Ostfriedhof Grab 11 B (mit 47 Bronzemünzen von Constantin I. bis Eugenius, 392–394). Es handelt sich um die Gräber 1453, 1857, 2756, 2895, 2942, 2996, 3011, 3381, 4621, 4627, 5541, 5557, 5580, 5781, 6110 und 6112 von Krefeld-Gellep. Auf Einzelnachweise wird verzichtet und nur auf die Gesamtveröffentlichung verwiesen: R. Pirling, Das römisch-fränkische Gräberfeld von Krefeld-Gellep. Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit B 2 (Berlin 1966); B 8 (Berlin 1974); B 10 (Berlin 1979); B 13 (Stuttgart 1989); B 17 (Stuttgart 1997); B 18 (Stuttgart 2000) und B 19 (Stuttgart 2003). Es handelt sich dabei um die Gräber 2942, 2996 und 5781, die Münzen von Constantius II. bzw. Magnentius enthielten. Pirling (wie Anm. 19) B 13 (1989) Taf. 8, 12; Pirling (wie Anm. 19) B 19 (2003) Taf. 38. Böhme (wie Anm. 6) Karte 15. Das Verbreitungsbild hat sich durch die zahlreichen Neufunde nach 1974 nicht grundsätzlich verändert, sondern v.a. in Nordgallien verdichtet. Zusätzlich konnten einige entsprechende Schnallen in Britannien nachgetragen werden.
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Abb. 3. Die Gräber 2942, 2996 und 5781 von Krefeld-Gellep mit Militärgürteln aus vorvalentinianischer Zeit.
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aufwendigen Kerbschnittgarnituren22 verdeutlicht, die auch in den Donauprovinzen und anderen Reichsteilen Verwendung fanden. Dieses plötzliche Auftreten der neuartigen und ungewöhnlichen Tierkopfschnallen seit valentinianischer Zeit fällt bezeichnenderweise mit dem oft hervorgehobenen großangelegten Verteidigungsprogramm dieses Kaisers zusammen, der seit den späten 60er Jahren des 4. Jahrhunderts allenthalben entlang der Rheinzone neue Kastelle, Burgi und Schiffsländen anlegen ließ und großzügig Truppenwerbungen bei den rechtsrheinischen Germanen förderte. Anders formuliert: Als Vadomar in die Verbannung geschickt wurde (360) und sein Sohn Vithikap ermordet wurde (368), da gab es die neuen Militärgürtel noch gar nicht. Auf der anderen Seite wurden Kerbschnitt- und Tierkopfschnallen noch bis weit ins 5. Jahrhundert hinein getragen. Dafür sprechen nicht allein der zwischen 405 und 410 verborgene Schatzfund von Chécy und das „Alt-Grab“ von Vieuxville mit einer Münze des Jovinus (411–413),23 sondern vor allem die Kerbschnittgarnitur vom Typ Vieuxville von der Fallward (nördlich von Bremerhaven) mit einem dendrodatierten Begräbnisdatum von ca. 421.24 Zusammenfassend gehören Kerbschnittgarnituren und andere Tierkopfschnallen eindeutig ins letzte Drittel, mehrheitlich wohl eher ins letzte Viertel des 4. Jahrhunderts sowie in die ersten Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts, wie auch die Kombination mit bestimmten Gläsern und Kämmen nahelegt.25 Diese neue chronologische Beurteilung hat meines Erachtens auch für die Interpretation der rechtsrheinischen Funde auf den Bergbefestigungen ganz erhebliche Konsequenzen. Daraus ergibt sich im übrigen folgerichtig, daß Germanen, die vor 365 in reichsrömischen Militärdiensten standen, andere Militärgürtel getragen haben müssen als Kerbschnittgarnituren und Tierkopfschnallen des neuen Typs. Und dies ist auch tatsächlich der Fall, wie entsprechende Grabfunde mit Waffen aus Krefeld-Gellep, Köln, Oudenburg und Monceau-le-Neuf
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Böhme (wie Anm. 11) 82 Abb. 73; Böhme (wie Anm. 4) 459 Abb. 41. Chécy: J. Lafaurie, Le trésor de Chécy (Loiret). In: J. Gricourt/G. Fabre/M. Mainjonet/ J. Lafaurie, Trésors monétaires et plaques-boucles de la Gaule Romaine: Bavai, Montbouy, Chécy. Gallia Supplement 12 (Paris 1958) 275–341. – Vieuxville: J. Breuer/H. Roosens, Le cimetière franc de Haillot. Archaeologia Belgica 34, 1957, 343–359; H. Roosens, „La trouvaille de Vieuxville“. Archaeologia Belgica 238, 1981, 56–58. Der Thron aus der Marsch. Ausstellungskatalog Bederkesa 1995. Begleithefte zu Ausstellungen 1 (Bremerhaven 1995) 28f. mit Abb. sowie mündl. Mitteilung von M. D. Schön (Bad Bederkesa). Böhme (wie Anm. 16) 771 Abb. 38 f.
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zeigen.26 Von diesen meist vorvalentinianischen Gürtelbeschlägen gelangten ansonsten nur ganz wenige Exemplare – wohl durch heimkehrende Söldner – in das rechtsrheinische Germanien (so zum Beispiel nach Perlberg, Wehden, Westerwanna oder Castrop-Rauxel27), was sich seit dem späten 4. Jahrhundert jedoch grundlegend ändern sollte. Denn damals waren erheblich mehr rechtsrheinische Germanen als je zuvor in römische Söldnerdienste getreten, von denen anschließend nicht wenige mit ihren statusanzeigenden Militärgürteln (Kerbschnittgarnituren und die neuen Tierkopfschnallen) in die Heimat zurückkehrten.28 Die formalen Nachfolger der späten Kerbschnittgarnituren vom Typ Chécy und Vieuxville, die – wie der Fund von der Fallward andeutet – bereits in die ersten Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts zu datieren sind, werden als Einfache Garnituren bezeichnet.29 Diese sind nicht mehr mit den älteren Gläsertypen kombiniert, sondern stets mit neuen Hohlglasformen wie Spitz- und Glockenbecher und lassen sich somit bereits ins mittlere Drittel des 5. Jahrhunderts (ca. 425/30–460/65) einordnen.30 Mit ihnen endet ziemlich abrupt die Entwicklung der spätrömischen Tierkopfschnallen und Garnituren in Nordgallien. Der Niedergang der Römerherrschaft an Rhein 26
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Krefeld-Gellep Gräber 4621 (mit Siliqua Constantius II., gepr. 355/61), 4657 und 4745: Pirling (wie Anm. 19) B 18 (2000) Taf. 7, 11, 19. – Köln-Severinstor: G. Behrens, Germanische Kriegergräber des 4. bis 7. Jahrhunderts im städtischen Altertumsmuseum zu Mainz. Mainzer Zeitschrift 14, 1919, 1–16, bes. 1–3 Taf. I,1; zuletzt bei St. Martin-Kilcher, A propos de la tombe d’un officier de Cologne (Severinstor) et quelques tombes à armes vers 300. In: Fr. Vallet/M. Kazanski (Hrsg.), L’armée romaine et les barbares du IIIe au VIIe siècle. Kolloquium Saint-Germain-en-Laye 1990. Mémoires A.F.A.M. 5 (Condé-sur-Noireau 1993) 299–312 mit Abb. 1. – Oudenburg Grab 122: Böhme (wie Anm. 6) Taf. 97,1–4. – Monceau-le-Neuf Grab 2 (mit Siliqua Constantius II., 337–361): Böhme (wie Anm. 6) Taf. 130 f. W. Nowothnig, Einige frühgeschichtliche Funde aus Niedersachsen. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 39, 1970, 126–143, bes. 127 Abb. 1–3 (Perlberg, fälschlich als Preten angegeben); Böhme (wie Anm. 6) Taf. 30,12, 43,10.11; K. Zimmer-Linnfeld, Westerwanna I. Beiheft zum Atlas der Urgeschichte 9 (Hamburg 1960) Taf. 3 (Grab 17); I. v. Quillfeldt/P. Roggenbuck, Westerwanna II. Die Urnenfriedhöfe in Niedersachsen 14 (Hildesheim 1985) Taf. 52 (Grab 244), 60 (Grab 284), 144 (Nr. 934); Spätkaiserzeitliche Funde in Westfalen. Bodenaltertümer Westfalens 12, 1970, Taf. 21,20. H. W. Böhme, Söldner und Siedler im spätantiken Nordgallien. In: A. Wieczorek/ P. Périn/K. v. Welck/W. Menghin (Hrsg.), Die Franken – Wegbereiter Europas. Ausstellungskatalog Mannheim 1996–1997 (Mainz 1996) 91–101, bes. 98 Abb. 73; H. W. Böhme, Sächsische Söldner im römischen Heer. In: Über allen Fronten. Nordwestdeutschland zwischen Augustus und Karl dem Großen. Ausstellungskatalog Oldenburg 1999. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 26 (Oldenburg 1999) 49–73. Böhme (wie Anm. 6) 64f. Böhme (wie Anm. 16) 772 Abb. 40 f.; H. Aouni, Das spätantik-frühmittelalterliche Gräberfeld von Jülich – die „einfachen Gürtelganituren“. Acta Praehistorica et Archaeologica 30, 1998, 19–37.
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und Maas um 455 und das Ende der späteströmischen Militärgürtel dürfte daher wohl in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Daß entsprechende Gürtelbeschläge nicht in den süd- und südwestdeutschen Höhenbefestigungen auftauchen,31 hängt meines Erachtens in erster Linie damit zusammen, daß sie offensichtlich in Nordgallien (vornehmlich in den Provinzen Germania II, Belgica I und Belgica II) hergestellt und getragen wurden, während zur gleichen Zeit in der Germania I und in der Raetia sowie in der „Alamannia“ punzverzierte Gürtelgarnituren und entsprechende Schnallen Verwendung fanden.32 Das Fehlen der Einfachen Garnituren auf dem Geißkopf, dem Zähringer Burgberg oder dem Reisberg in Oberfranken ist demnach eher ein chorologisches Phänomen und hat wohl kaum Relevanz für chronologische Aussagen.
Zur Herstellung von Militärgürteln Die bereits eingangs aufgeworfene Frage nach den Herstellungsorten von Tierkopfschnallen und Kerbschnittgarnituren konnte mit Hilfe einiger ergologischer Beobachtungen zumindest soweit beantwortet werden, als für besonders qualitätvolle, handwerklich perfekte sowie mit antiken Motiven wie Jagdszenen, Kaisermedaillons, Delphinen und Löwen verzierte Exemplare eine Fertigung in zentralen Ateliers vermutet und wahrscheinlich gemacht werden konnte. Anders wäre – bei aller Individualität – die relativ große Einheitlichkeit der kurvolinearen Ziermuster aus Spiralranken, Pelten, Palmetten und Medaillons auf Garnituren von Britannien bis Moesien kaum zu erreichen gewesen. Auf der anderen Seite wurde jedoch ebenso darauf hingewiesen, daß es in vielen Fällen zu lokalen Nacharbeitungen und Imitationen gekommen sein muß.33 Der archäologische Nachweis solcher Werkstätten ist naturgemäß äußerst schwierig und von glücklichen Umständen abhängig. Um so erfreulicher ist es daher, daß im nordöstlichen Gallien wenigstens sechs Befunde vorliegen, die eine Produktion von Gürtelschnallen und Beschlägen vor Ort belegen können und zwar in Gestalt von Bleimodellen, Halbfabrikaten oder Gußformen (Abb. 4). Zweimal fanden sich diese Handwerkszeugnisse 31
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M. Hoeper, Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Oberrhein. Geißkopf bei Berghaupten und Kügeleskopf bei Ortenberg. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 12 (Ostfildern 2003) 144. Böhme (wie Anm. 7) 498ff. Siehe oben mit Anm. 13 u. 14; H. W. Böhme, Ein germanischer Gürtelbeschlag der Zeit um 400 aus Oberfranken. In: Studien zur Sachsenforschung 1, 1977, 13–24. So auch nachdrücklich Steuer (wie Anm. 5) 177.
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Abb. 4. Bleimodelle, Halbfabrikate und Gußform als Zeugnisse für die lokale Herstellung von spätrömischen Militärgürteln. 1 Haus Bürgel, 2 Mamer, 3 Entersburg, 4 Emmerich-Praest, 5 Bonn, 6 Montaigle. – Verschiedene Maßstäbe.
in spätrömischen Kastellen (Haus Bürgel, Bonn),34 dreimal in spätrömischen Bergbefestigungen zwischen Maas und Mosel (Montaigle, Entersburg, Strotzbüsch)35 und einmal in einem spätrömischen Vicus (Mamer in
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Th. Fischer, Neue Forschungen im spätantiken Kastell „Haus Bürgel“, Stadt Monheim, Kreis Mettmann. In: C. Bridger/K.-J. Gilles (Hrsg.), Spätrömische Befestigungsanlagen in den Rhein- und Donauprovinzen. BAR International Series 704 (Oxford 1998) 41–47, bes. 46 Abb. 4; M. Sommer, Die Gürtel und Gürtelbeschläge des 4. und 5. Jahrhunderts im römischen Reich. Bonner Hefte zur Vorgeschichte 22 (Bonn 1984) 102 Abb. i,4. Bleimodell einer dreieckigen Gürtelöse mit Randtieren von der Bergbefestigung Montaigle bei Falaën (Prov. Namur): Frdl. Mitteilung von Ph. Mignot (Namur), dem für die Erlaubnis zur Publikation des Stückes herzlich gedankt sei; Gilles (wie Anm. 1) Taf. 34,3; K.-J. Gilles, Neuere Forschungen zu spätantiken Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück. In: Bridger/Gilles (wie Anm. 34) 71–75, bes. 74 (Nr. 49: Burglay bei Strotzbüsch).
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Luxemburg)36. Von besonderem Interesse sind außerdem zwei Belege für die Fertigung von spätrömischen Militärgürteln in germanischen Siedlungen am Niederrhein. Zum einen lag in der obersten Verfüllung eines Brunnens innerhalb der grenznahen germanischen Siedlung bei Emmerich-Praest, nordöstlich des Flusses, das Gußformbruchstück für einen Gürtelbeschlag vom Typ Vieuxville,37 zum anderen fand sich eine unfertige, kerbschnittverzierte Riemenzunge in einem Grab (bei einer vielleicht jahrhundertelang genutzten einheimischen Siedlung) im niederländischen Flußgebiet bei Nijmegen, also noch innerhalb des Römischen Reiches.38 In beiden Fällen handelt es sich um Niederlassungen einer einheimischen, „fränkischen“ Bevölkerung im unmittelbaren Grenzgebiet, in dem es vermutlich häufiger zu Rekrutierungen für die römische Armee gekommen sein dürfte. Die Verwendung der angeführten Gürtelteile im militärischen Bereich ist durch diese Funde meines Erachtens keinesfalls in Frage gestellt, belegt aber andererseits die schon häufiger geäußerte Meinung, daß Kerbschnittgürtel überwiegend für und von Germanen selbst angefertigt wurden. Bedeutungsvoll ist jedoch in jeder Hinsicht die Feststellung, daß allein in fünf kleineren spätrömischen Militäranlagen des 4. und 5. Jahrhunderts der Nachweis einer örtlichen Gürtelschnallenproduktion gelungen ist (Abb. 5), auch wenn es sich dabei um sehr unterschiedliche Typen gehandelt hat. Wir müssen daraus wohl den Schluß ziehen, daß es im spätantiken Imperium neben einigen wenigen spezialisierten und professionellen großen Ateliers eine Vielzahl kleiner lokaler Werkstätten im militärischen und zivilen Bereich gegeben hat. Im übrigen scheint es gerade im rechtsrheinischen Germanien immer wieder zu Imitationen von originalen spätrömischen Gürtelbeschlägen gekommen zu sein,39 auch wenn die Unterscheidung zwischen Original und Nachahmung nicht immer einfach und in jedem Fall genau zu prüfen ist. In Süd- und Südwestdeutschland dürfte sich 36
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J. Metzler/J. Zimmer, Öffentliche Bäderanlage und spätantike Baureste im gallo-römischen Vicus von Mamer. Hémecht 27, 1975, 429–466, bes. 456 Abb. 24,14. W. Janssen, Ein Brunneninhalt der römischen Kaiserzeit aus der Grabung Blouswardt in Emmerich-Praest, Kreis Kleve. Ausgrabungen im Rheinland ’77 (1978) 95–108, bes. 106 f. mit Abb. 89–92. Frdl. Hinweis von Frau Dr. Stefanie Hoss (Nijmegen) vom 19. 7. 2004, der ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. Als solche, oft sehr unprofessionelle Imitationen können z.B. einige Schnallen in Bordesholm oder Perdöhl angesehen werden. H. E. Saggau, Bordesholm. Der Urnenfriedhof am Brautberg bei Bordesholm in Holstein, Teil 2. Offa-Bücher 48 (Neumünster 1981) Taf. 62,1103a, 68,1430a, 77,1612a: 105,2362a, 139,4550a; E. Schuldt, Perdöhl. Ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit in Mecklenburg (Berlin 1976) Taf. 59.
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Abb. 5. Karte der archäologisch bezeugten Werkstätten von spätantiken Militärgürteln.
ebenfalls so manche Punzverzierte Garnitur oder Gürtelschnalle als einheimische Imitation erweisen, wobei deren vermehrtes Vorkommen in „militärisch geprägten“ Höhensiedlungen wie dem Runden Berg und dem Geißkopf wohl kaum verwundern dürfte. Denn was germanische Söldner links des Rheins in Montaigle oder Bonn fertigen konnten, sollte für diese beziehungsweise ihre Verwandten rechts des Rheins auch keine Schwierigkeit darstellen.
Zu den Trägern von Militärgürteln Kommen wir nun zu der Frage der Träger von Tierkopfschnallen und zeitgleichen Garnituren mit und ohne Kerbschnittdekor. Als denkbare Möglichkeiten kommen folgende Alternativen in Betracht:
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1. Tierkopfschnallen waren allgemeine Mode seit valentinianischer Zeit und wurden von allen getragen, sogar von Frauen, wie J. Leicht meint,40 2. sie wurden von Soldaten provinzialrömischer Herkunft benutzt, 3. sie wurden von römischen Soldaten germanischer Herkunft verwendet, oder 4. alle drei Möglichkeiten kommen in Betracht. Ich möchte diese schwierige Frage nicht generell beantworten, sondern habe sie vornehmlich für den nordgallischen Raum untersucht und werde sie kurz am Beispiel von Krefeld-Gellep zu beleuchten versuchen, zumal dort sowohl Romanen als auch Germanen, Zivilisten wie Militärs gelebt haben und bestattet wurden. 6600 Gräber sind bisher publiziert worden, davon entfallen etwa 2–3000 auf die spätrömische Zeit (immerhin 920 enthielten entsprechende Beigaben). Festgestellt wurden insgesamt 25 Tierkopfschnallen und entsprechende Garnituren sowie 77 andere spätrömische Schnallen (zumeist, aber nicht ausschließlich vorvalentinianischer Zeit). Gehen wir von etwa 1000 Männern aus41 – das entspräche gut einem Drittel der bestatteten Bevölkerung –, dann trugen gerade einmal 100 Individuen Gürtel mit Metallbesätzen, das heißt 10 % der männlichen beziehungsweise 3 % der Gesamtbevölkerung. Von einer allgemeinen Mode kann weder bei der einen, noch bei der anderen Sorte Gürtelschnallen die Rede sein. Sie wurden vielmehr als Militärgürtel offenbar nur von Soldaten getragen.42 Denn spätrömische Gräberfelder in Gallien, die nicht wie Krefeld-Gellep oder Oudenburg zu Kastellen oder anderen Militärplätzen gehörten beziehungsweise als „germanisch geprägte“ Friedhöfe anzusprechen sind, wiesen niemals Tierkopfschnallen auf. Dieser klare negative Befund gibt meines Erachtens einen mehr als deutlichen Hinweis auf die Träger solcher Ziergürtel, die als Rangabzeichen offenbar nur einem bestimmten Personenkreis zustanden. Die prächtigen, repräsentativen Kerbschnittgarnituren wurden vermutlich sogar nur von ranghohen „Offizieren“ der spätrömischen Armee getragen. Um diese recht 40
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Leicht (wie Anm. 5) 92f. Anders jedoch M. C. Blaich, „Iron Ladies“ schon in der Völkerwanderungszeit? In: D. Vorlauf/Th. Warneke (Hrsg.), Miscellanea Archaeologica. Aufsätze zur Archäologie von der Bronzezeit bis zum Hochmittelalter (Espelkamp 1997) 11–20. In keinem Frauengrab von Krefeld-Gellep konnte eine Gürtelschnalle der oben behandelten Form angetroffen werden. Dafür spricht auch, daß von den 67 Gräbern in Krefeld-Gellep mit einer Zwiebelknopffibel allein 24 eine Bronzeschnalle des frühen bis mittleren 4. Jhs. sowie zwei eine Tierkopfschnalle enthielten. Auch im Kastellfriedhof von Oudenburg mit seinen 216 Bestattungen ergeben sich entsprechende Zahlen: Von 32 Zwiebelknopffibel-Trägern besaßen 16 zusätzlich eine Bronzeschnalle, wobei zu berücksichtigen ist, daß nicht alle Militärpersonen auch eine Zwiebelknopffibel als Grabbeigabe erhielten.
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eindeutigen Indizien weiter zu untermauern, seien noch einige weitere statistische Angaben angeführt. Berücksichtigt man nur die echten Kerbschnittgürtelgarnituren mit genauen Befundangaben, die auf römischem Reichsboden entdeckt wurden (150 Exemplare), dann stammen allein 55 % (82 Belege) aus mehrheitlich wohl „germanischen“ Gräbern unmittelbar bei Kastellen, Bergbefestigungen oder anderen militärisch genutzten Plätzen sowie aus weiteren Männergräbern Nordgalliens, die aufgrund ihrer sonstigen Beigaben wie Waffen, Kämmen, Halsringen oder Feuerstahlen germanisches Bestattungsbrauchtum erkennen lassen. Darüber hinaus stammen 28 % (42 Belege) als Siedlungsfunde direkt aus spätrömischen Kastellen oder Bergbefestigungen, so daß allein 83 % der Kerbschnittgarnituren eindeutig dem militärischen Bereich zugewiesen werden können, unabhängig davon, ob zweifelsfrei alle Träger germanischer Herkunft waren – ein mehr als schlagender Beweis für die mehr als 70 Jahre alte Vermutung, es handele sich dabei um die Gürtelbeschläge spätrömischer Soldaten.43 Die restlichen 17 % der Funde verteilen sich auf größere Städte, Villen und Flußfunde. Gerade diese 15 Siedlungs- und sieben Villenfunde haben offenbar den Argwohn jener geweckt, die in Kerbschnittschnallen nicht nur militärische, sondern auch zivile Gürtelbeschläge sehen wollen. Dieser Ansicht kann ich freilich nicht beipflichten, denn im Gegensatz zu den scheinbar sicheren „zivilen Fundumständen“ gibt es ebenso gute, wenn nicht sogar bessere Erklärungsmöglichkeiten für eine „militärische Deutung“. Bei den meisten jener Fundstellen handelt es sich nämlich um Städte wie Carnuntum, Basel, Tulln, Trier, Mainz oder Regensburg, die in spätrömischer Zeit erwiesenermaßen eine starke Militärbesatzung und zudem oft entsprechende Garnisonsfriedhöfe besaßen, so daß ein Verlust durch Soldaten nichts Ungewöhnliches wäre. Und auch unter den angeblich rein zivilen, provinzialrömischen Villen mit Funden von Kerbschnittbeschlägen finden sich wenigstens zwei (Newel, Mehring44), aus denen eindeutig germanische Funde wie Keramik, Fibeln, Kämme beziehungsweise Halsringe vorliegen und für die die Anwesenheit von Germanen seit dem späten 4. Jahrhundert belegt ist. Insgesamt sind sogar 13 römische Villen zwischen Maastricht und Bad Dürkheim namhaft
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G. Behrens, Spätrömische Kerbschnittschnallen. In: Schumacher-Festschrift zum 70. Geburtstag Karl Schumachers (Mainz 1930) 285–294. K.-J. Gilles, Germanen im Trierer Land. In: Trier. Kaiserresidenz und Bischofssitz. Ausstellungskatalog Trier 1984 (Mainz 1984) 335–348; K.-J. Gilles, Die römische Villa von Mehring. Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 17 = Kurtrierisches Jahrbuch 25, 1985, 33–39.
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zu machen, deren Nutzung durch Germanen seit der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts gesichert oder zumindest sehr wahrscheinlich ist, darunter mehrere mit zugehörigen Waffen- beziehungsweise Militärgürtelgräbern (Abb. 6).45 Der Fund von Tierkopfschnallen oder Kerbschnittgarnituren in oder bei römischen Villen ist also keineswegs ein klarer Beleg für deren zivile Nutzung auch durch Provinziale, sondern kann viel eher als Hinweis aufgefaßt werden, daß einigen der Militärdienst leistenden Germanen, etwa zum Zwecke der Selbstversorgung anstelle der annona, römische Villen überlassen wurden, die sie dann in Eigenregie übernommen haben. Neuere Untersuchungen in der Pfalz durch H. Bernhard haben diese Vermutungen
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Neerharen-Rekem: G. De Boe, De Laat-romeinse „germaanse“ nederzetting te NeerharenRekem. Archaeologia Belgica 253, 1983, 69–73. – Voerendaal: Waffengrab bei der Villa. W. J. H. Willems/L. I. Kooistra, De Romeinse villa te Voerendaal. Opgraving 1987. Archeologie in Limburg 37, 1988, 137–147 (=Overdrukken Nr. 327); W. J. H. Willems, An officer or a gentleman? A Late-Roman weapon-grave from a villa at Voerendaal (NL). In: C. van Driel-Murray (Hrsg.), Roman military equipment: the sources of evidence. Fifth Roman Military Conference Nijmegen 1987. BAR International Series 476 (Oxford 1989) 143–156. – Jülich-Bourheim: Bruchstück einer Kerbschnittgarnitur. Frdl. Mitteilung von M. Perse (Jülich). – Hambacher Forst 132: Villenfriedhof mit fünf Gräbern, die Militärgürtel enthielten. Frdl. Mitteilung von M. Brüggler (Aurich); vgl. jetzt Bonner Jahrbücher 200, 2000, 207 Abb. 69–71. – Nörvenich-Hochkirchen: Kerbschnittbeschlag aus einer spätrömischen Villa. Rheinisches Landesmuseum Bonn, Inv.-Nr. 80.1875. Frdl. Hinweis von Herrn Langen. – Rheinbach: Kerbschnittverzierte Riemenzunge. C. Ulbert, Archäologie im Rheinland 2002, 83 Abb. 63. – Newel: Vgl. Anm. 44. – Mehring: Vgl. Anm. 44. – Graach: Schnalle mit festem Beschlag. K.-J. Gilles, Die römische Kelter am Josefshof bei Graach. Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 28, 1996, 41–48, bes. 45 Abb. 3. – Weinsheim: Grab mit Teilen einer Gürtelgarnitur. Behrens (wie Anm. 43) 288 Abb. 2,2–3. In der Villa wurde kürzlich ein spätrömischer Militärziegel (datiert um 369) gefunden, der üblicherweise nur in militärischem Zusammenhang gefunden wird und dafür spricht, daß dieses Landgut wohl im Militärbesitz eines Föderaten war. J. Dolata, Zum Fund eines spätantiken Militärstempels in einer römischen Villa in Weinsheim, Kreis Bad Kreuznach. In: Archäologie in Rheinland-Pfalz 2002 (2003) 107–109. – Bad Dürkheim: Kerbschnittgürtelbeschlag. H. Bernhard, Die spätrömischen Burgi von Bad Dürkheim-Ungstein und Eisenberg. Saalburg-Jahrbuch 37, 1981, 71 Abb. 53. – Wachenheim: Grab 91 mit Gürtelgarnitur. Vgl. Bernhard (2001) (wie Anm. 46) 98 Abb. 76. – Wolfersheim: Waffengrab 11 mit kerbschnittverzierter Gürtelgarnitur unterhalb einer römischen Villa. W. Reinhard, Ein Germane im römischen Militärdienst. In: W. Menghin/D. Planck (Hrsg.), Menschen – Zeiten – Räume. Ausstellungskatalog Berlin/Bonn 2003 (Stuttgart 2003) 302. – In zwei weiteren römischen Villen der Ardennen-Region scheint sich eine germanische Bevölkerung – nachgewiesen durch charakteristischen Frauenschmuck – aufgehalten zu haben. Torgny-Rouvroy: Chronique de l’Archéologie Wallonne 8, 2000, 163 Abb. (silberne Fibel vom Typ Wiesbaden); Jemelle, nahe der spätantiken Befestigung „Vieux-Château“: Ph. Mignot, La villa romaine de Malagne à Jemelle. Carnets du patrimoine 19, 1997, 18 mit Abb. (Tieföhrnadel). Vgl. dazu die ähnlichen Befunde in der römischen Villa von Limetz-Villez, Dép. Yvelines. Archäologisches Korrespondenzblatt 19, 1989, 391–406.
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Abb. 6. Karte spätantiker Militärgürtel in und bei römischen Villen. Die offenen Signaturen geben germanischen Frauenschmuck in römischen Villen an.
nachdrücklich unterstützt.46 Daß es nicht allein zur „Übernahme“ und Weiternutzung römischer Villen durch zugezogene germanische Bevölkerung im 4. und 5. Jahrhundert gekommen ist, sondern sogar zur Anlage eigenständiger germanischer Siedlungen mit Pfostenbauten, Speichern und Grubenhäusern in traditioneller Bauweise, belegt unzweifelhaft der neue Befund von Saint-Ouen-du-Breuil in der Normandie.47 46
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H. Bernhard, Die Merowingerzeit in der Pfalz. Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 95, 1997, 7–106, bes. 20–24; H. Bernhard, Das römische Gräberfeld bei Wachenheim, Kreis Bad Dürkheim. In: Archäologie in der Pfalz. Jahresbericht 2000 (2001) 93–98. V. Gonzalez/P. Ouzoulias/P. Van Ossel, Saint-Ouen-du-Breuil (Haute-Normandie, Frankreich) – eine germanische Siedlung aus der Mitte des 4. Jahrhunderts in der Lugdunensis Secunda. Germania 79, 2001, 43–61.
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Militärgürtel und nordgallische Höhensiedlungen Der Nachweis, daß die hier behandelten Militärgürtel, als die man sie wohl auch weiterhin mit guten Gründen bezeichnen darf, mehrheitlich von Germanen in römischem Dienst getragen wurden, gelingt freilich noch überzeugender durch die Analyse von einigen kleinen, besser untersuchten Gräberfeldern, die unmittelbar zu spätrömischen Bergbefestigungen in den belgisch-französischen Ardennen gehörten und die hier nur kurz charakterisiert werden sollen, wobei vor allem auf die Bestattungen mit Waffen und Militärgürteln einzugehen ist. Sie liegen alle im Südwesten der Provinz Germania II nahe beieinander und bieten sich daher für einen Vergleich besonders an. Furfooz:48 Die im letzten Drittel des 3. Jahrhunderts errichtete Befestigung mit zugehöriger Thermenanlage erhielt nach vorübergehender Unterbrechung der militärischen Nutzung erst im späten 4. Jahrhundert wieder eine neue, diesmal germanische Besatzung, die sich über mehrere Generationen bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts nachweisen läßt und zu der auch Frauen sowie Kinder gehörten. Die Toten wurden in dem aufgegebenen und zweckentfremdeten Badegebäude beigesetzt, was durchaus als barbarischer Bestattungsbrauch anzusehen ist. Sieben der 25 Gräber (einschließlich zweier Brandgräber) enthielten Waffen (Lanzen, Äxte) und jeweils eine Tierkopfschnalle beziehungsweise Gürtelgarnitur, darunter auch das Kindergrab 9. Grab 6 mit einer Kerbschnittgürtelgarnitur verfügte nur über einen Dolch, während der in Grab 3 bestattete Soldat (Abb. 7) außer einer Einfachen Garnitur der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts Lanze, Axt und Dolch sowie acht Gefäßen aus Ton, Glas, Bronze und Holz noch eine zu dieser Zeit bereits veraltete Zwiebelknopffibel als Rangabzeichen besaß, übrigens die einzige ihrer Art in den zahlreichen germanischen Kriegergräbern der hier behandelten Bergbefestigungen. Der Anteil der Waffengräber an der Gesamtgräberzahl beträgt 28 %.49 Vireux-Molhain:50 Oberhalb des bedeutenden Vicus von Vireux-Wallerand wurde bereits bald nach 260 eine Befestigung angelegt, die wohl wäh48
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Zusammenfassend: H. W. Böhme, s. v. Furfooz. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 10 (Berlin, New York 1996) 249–254 (mit älterer Literatur); vgl. auch Brulet (wie Anm. 1) 166–172. Da für viele Friedhöfe des 4./5. Jhs. keine anthropologischen Angaben vorliegen, läßt sich der prozentuale Anteil der Waffengräber nicht – wie naheliegend wäre – auf die sicheren Männergräber beziehen, sondern nur auf die Gesamtgräberzahl. Lémant (wie Anm. 11) passim.
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Abb. 7. Grab 3 von Furfooz mit Militärgürtel, Zwiebelknopffibel, Waffen und weiteren Beigaben.
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rend der Usurpation des Magnentius (350–353) beschädigt oder gar zerstört wurde. Im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts erhielt die Anlage eine starke militärische Besatzung, die offenbar ausschließlich aus germanischen Soldaten des spätrömischen Heeres bestand. Nur 700 m entfernt lag am Ende des Bergsporns der zugehörige Militärfriedhof. Unter den 47 Gräbern, die vom ausgehenden 4. bis zum mittleren 5. Jahrhundert datieren, befanden sich vier Brandgräber sowie zwei Bestattungen mit germanischem Frauenschmuck. Sechs Gräber enthielten neben Tierkopfschnallen und Gürtelgarnituren auch Waffen (Spathascheide, Lanzen, Äxte), was einem Anteil von fast 13 % an der Gesamtgräberzahl entspricht. Die einzige Bestattung mit einer Kerbschnittgarnitur (Grab 22) besaß als Waffe eine Lanze (Abb. 8). Vieuxville:51 Knapp einen Kilometer entfernt von einer wenig erforschten spätrömischen Bergbefestigung fand man einen Friedhof mit 190 Bestattungen, die von der Zeit um 400 bis zum 7. Jahrhundert reichen. 49 Gräber sind der spätrömischen Zeit bis zum mittleren Drittel des 5. Jahrhunderts zuzuweisen. Darunter befanden sich zwei Brandbestattungen. Eine davon (Grab 177) enthielt außer einer Einfachen Garnitur des mittleren 5. Jahrhunderts ein Bündel mit acht Pfeilspitzen. Weitere 15 Waffengräber (wenigstens vier Spathen, sonst Äxte, Lanzen oder Schildbuckel) enthielten – soweit sie ungestört waren – jeweils eine bronzene Gürtelgarnitur. Nur das mit besonders reichem Inventar und einer Kerbschnittgarnitur ausgestattete Männergrab 188 besaß wie in Furfooz keine Waffe. Der Waffengräberanteil kann mit wenigstens 33 % angegeben werden. Samson:52 Wenige Meter östlich der spätrömischen Bergbefestigung von Samson, Gem. Thon, konnte ein Gräberfeld von etwa 250 Bestattungen des späten 4. bis mittleren 6. Jahrhunderts freigelegt werden. Schätzungs-
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Das Gräberfeld ist noch nicht endgültig publiziert, so daß vorerst nur auf die wichtigsten Vorberichte verwiesen werden kann: J. Alenus-Lecerf, Le cimetière de Vieuxville. Bilan des fouilles 1980–1984. Archaeologia Belgica Nouvelle Série 1, Heft 1, 1985, 121–139; J. Alenus-Lecerf, Le cimetière de Vieuxville (com. de Ferrières). 6e campagne de fouilles. Archaeologia Belgica Nouvelle Série 2, Heft 1, 1986, 75–80. Für die Möglichkeit, die Funde von Vieuxville im September 2004 eingehend studieren zu dürfen, möchte ich Herrn Generalinspekteur André Matthys (Namur) ganz herzlich danken. Die hier mitgeteilten Angaben beruhen auf der freundlichst gewährten Einsicht in die Ausgrabungsunterlagen. Zusammenfassend: H. W. Böhme, s. v. Samson. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 26 (Berlin, New York 2004) 412–414; A. Dasnoy, La nécropole de Samson (IVe–VIe siècles). Annales de la Société Archéologique de Namur 54, 1968, 277–333. Grab 1 (Kindergrab), zu dem eine nicht identifizierte Tierkopfschnalle gehörte, ist abgebildet a.a.O. 280f. Abb. 1.
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Abb. 8. Grab 22 von Vireux-Molhain mit Kerbschnittgarnitur und Lanze.
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Abb. 9. Grab 1 von Samson mit Miniaturaxt, Tierkopfschnalle (nicht abgebildet) und sonstigen Beigaben.
weise 50–100 Körpergräber lassen sich dem ausgehenden 4. bis mittleren 5. Jahrhundert zuweisen, darunter auch einige N-S ausgerichtete. Wenigstens zwölf, vermutlich sogar 14 Bestattungen dieser spätrömischen Epoche hatte man eine oder mehrere Waffen beigegeben (drei Spathen, sonst Lanzen oder Äxte), darunter waren allein vier Kindergräber mit jeweils einer Miniaturaxt (Abb. 9). Sämtliche dieser Gräber enthielten Gürtelgarnituren. Der Anteil der Waffengräber betrug – im Hinblick auf die nur geschätzte Zahl spätrömischer Gräber – wenigstens 14 %. Eprave:53 Gut 500 m südwestlich der spätantiken Bergbefestigung von Eprave, von der unter anderem auch einige Militärgürtelteile des mittleren 4. Jahrhunderts stammen, liegt der große, wenigstens 506 Gräber umfassende Friedhof „Rouge Croix“ (spätes 4. bis 6. Jahrhundert). Unter ihnen befanden sich etwa 50 Brand- sowie einige N-S ausgerichtete Körpergräber des ausgehenden 4. bis mittleren 5. Jahrhunderts, während die übrigen Körpergräber in die Merowingerzeit datieren. Sechs Waffengräber, darunter das eines Kindes, enthielten Lanzen oder Äxte (Abb. 10). Ihr Anteil kann annähernd auf 12 % geschätzt werden.
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J. Mertens/H. Remy, Un refuge du Bas-Empire à Eprave. Archaeologia Belgica 144, 1973; A. Dasnoy, Les cimetières d’Eprave et Han-sur-Lesse: la „Croix Rouge“ et „Sur-le-Mont“. Annales de la Société Archéologique de Namur 71, 1997, 3–82.
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Abb. 10. Brandgrab 62 von Eprave mit Lanze, neun Pfeilspitzen (nicht abgebildet) und Gefäßbeigaben.
Rhenen:54 Westlich von Rhenen wurde ein hoch über dem rechten Niederrhein gelegenes, ausgedehntes Reihengräberfeld des späten 4. bis frühen 8. Jahrhunderts ausgegraben. Die 33 spätrömischen Körpergräber, meist S-N ausgerichtet, lagen etwas abseits und bildeten eine eigene, geschlossene Gruppe. Während die Frauen germanischen Fibel- und Nadelschmuck trugen, enthielten acht der Männergräber eine oder mehrere Waffen (Spatha, Lanzen oder Äxte). Allen diesen Bestattungen waren Gürtelgarnituren oder Tierkopfschnallen beigeben worden. Die Gräber 818 und 846 mit jeweils einer Kerbschnittgarnitur wiesen eine Lanze und Axt beziehungsweise eine Axt auf (Abb. 11). Der Anteil der Waffenbestattungen an der Gesamtgräberzahl erreicht bemerkenswerte 24 % und ist daher nur mit 54
Böhme (wie Anm. 6) 268–272 sowie ältere Informationen von J. Ypey (Amersfoort); J. Ypey, in: Gallien in der Spätantike (wie Anm. 4) 150–154.
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Abb. 11. Grab 818 von Rhenen mit Kerbschnittgarnitur, Waffen und Feuerstahl.
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jener der oben angeführten Gräberfelder bei den spätrömischen Bergbefestigungen zu vergleichen. Es drängt sich deshalb die Vermutung auf, auch bei Rhenen könnte eine spätantike, direkt am rechten Rheinufer gelegene Militärstation (vielleicht ein Burgus) existiert haben. Die genaue Betrachtung der fünf kleinen, spätantiken Nekropolen, die aufgrund ihrer topographischen Lage in unmittelbarer Nähe einer befestigten Höhensiedlung als Garnisonsfriedhöfe angesprochen werden können, läßt mehrere aufschlußreiche Beobachtungen zu. Zum einen fällt die bemerkenswerte Beigabenkongruenz von Gürtelschnallen und Waffen in den dortigen Gräbern auf. Ferner erstaunt die hohe Zahl der Bestattungen mit Waffen, die zwischen sechs und 16 schwankt und deren Anteil an der Gesamtgräberzahl damit 12–33 % erreicht. Dieser ist überdurchschnittlich hoch und damit sehr ungewöhnlich, wenn man bedenkt, daß zumeist nur ein bis maximal drei entsprechende Bestattungen von den mittlerweile 206 spätrömischen Waffengräbern in Nordgallien55 auf einem einzelnen Gräberfeld gefunden werden, was einen Anteil von unter 1 % bis 4 % bedeutet.56 Anders als auf den großen Militärnekropolen der Städte und Kastelle wie Vermand, Oudenburg oder Krefeld-Gellep,57 wo Waffengräber sogar nur höchstens 1 % ausmachen, scheinen die germanischen Besatzungen auf den kleinen Friedhöfen der Bergbefestigungen in der Germania II ihre eigenständige, repräsentative Beigabensitte,58 die den militärischen Status der Verstorbenen offensicht55
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Die Zahl der linksrheinischen Waffengräber des mittleren 4. bis mittleren 5. Jhs. hat sich seit 1974 von 113 – darunter auch fälschlicherweise sieben nicht zugehörige Befunde – auf derzeit 195 erhöht, wenn man jene der Zeit um 300 und des frühen 4. Jhs. mit einbezieht sogar auf 206. Diesen spätrömischen Waffengräbern in Nordgallien soll demnächst eine eigene Studie gewidmet werden. Nur auf den Friedhöfen von Vron, Dép. Somme (9 Waffengräber = 8,2 %) und Abbeville-Homblières, Dép. Aisne (7 Waffengräber = 8,5 %), auf denen offenbar überwiegend Personen germanischer Herkunft bestattet wurden, konnten deutlich höhere Anteile festgestellt werden. Auf diesen ausgedehnten Nekropolen wurde mit Sicherheit v.a. eine autochthone Bevölkerung nichtgermanischer Herkunft beigesetzt: Vermand (7 Waffengräber bei ca. 630 Bestattungen = 1,1 %), Oudenburg (2 Waffengräber bei 216 Bestattungen = 0,9 %) und Krefeld-Gellep (19 Waffengräber bei ca. 2000–3000 Bestattungen = 0,6–0,95 %). Auf die besondere Beigabensitte jener nordgallisch-germanischen Bevölkerung, die ursprünglich aus dem rechtsrheinischen Barbaricum stammte, sich aber während ihres jahrzehntelangen Aufenthaltes auf Reichsboden ihrer provinzialrömischen Umwelt weitgehend angepaßt hatte, ist bereits mehrfach hingewiesen worden. Diese zahlenmäßig nur schwer einschätzbaren neuen Provinzbewohner germanischer Herkunft hingen anfangs noch an ihren altvertrauten Gewohnheiten in Hinblick auf Tracht, Bestattungsbrauchtum oder Siedlungsweise (vgl. z. B. den Befund von Saint-Ouen-du-Breuil: wie Anm. 47), akkulturierten sich aber zusehends und entwickelten erst in Nordgallien jene charakteristi-
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lich besonders betonte, voll entwickelt zu haben, zumal sie vermutlich „ganz ungestört“ nur unter ihresgleichen lebten. Bezeichnenderweise hat sich hier in den Ardennen die traditionelle germanische Brandbestattung – wenn auch nur in Einzelfällen – bis weit ins 5. Jahrhundert hinein gehalten.59 Bei aller lokalen Individualität – so wurden den Toten in Vireux-Molhain entgegen dem sonst üblichen Brauch keine Kämme mit ins Grab gelegt – bestehen unter den fünf angeführten Friedhöfen außerordentlich viele auffällige Gemeinsamkeiten in Bezug auf eine Bestattungs- und Beigabensitte, die unverkennbar germanische Züge erkennen läßt. Sie wurden alle erst im späten 4. Jahrhundert, frühestens in valentinianischer, oft erst in theodosianischer Zeit angelegt und dann mehrere Generationen lang kontinuierlich bis wenigstens ins mittlere 5. Jahrhundert benutzt, was für eine dauerhafte Anwesenheit germanischer Söldner samt ihren Familien über 70–80 Jahre hinweg spricht. Während in einigen Fällen (Furfooz, Vireux-Molhain) die einstigen Kastellbesatzungen im mittleren 5. Jahrhundert ihre Militärposten aufgaben und vermutlich wegzogen, scheint die germanische Bevölkerung etwa in Samson, Eprave oder Vieuxville auch nach dem Verlust ihrer ehemaligen Aufgaben im spätrömischen Verteidigungssystem weiterhin an Ort und Stelle geblieben zu sein, um sich fortan ohne Soldzahlungen vielleicht im landwirtschaftlichen Bereich zu betätigen, denn die einstigen spätantiken Militärfriedhöfe fanden ihre lückenlose Fortsetzung in merowingischen Reihengräberfeldern. Auffallend im gesamten nordgallischen Bereich war der ungewöhnlich hohe Anteil der Waffengräber, welche zudem regelhaft mit Militärgürteln ausgestattet waren. Dort,
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sche „Mischzivilisation“ im Bestattungswesen, die in unvergleichlicher Weise germanische Traditionen mit provinzialrömischen Einflüssen und Luxusgütern verband. Diese nordgallischen Germanen des 4./5. Jhs. wurden zu einem voll integrierten Bestandteil der jeweiligen Provinzbevölkerung, so daß ihr archäologischer Nachweis nur in seltenen Fällen gelingt (z. B. durch die statusanzeigende Waffenbeigabe und andere Besonderheiten beim Bestattungsbrauch). Allerdings sollte man die ohnehin spärlichen Zeugnisse dieser Art nicht mutwillig „wegdiskutieren“, aus welchen Gründen auch immer. Vgl. zu der Beigabensitte: H. W. Böhme, Franken und Romanen im Spiegel spätrömischer Grabfunde im nördlichen Gallien. In: D. Geuenich (Hrsg.), Die Franken und Alemannen bis zur „Schlacht bei Zülpich“ (496/97). Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Ergänzungsbände 19 (Berlin, New York 1998) 31–58, bes. 42–48. Germanische Brandbestattungen (mit Kreisgräben) ließen sich in Krefeld-Gellep offenbar nur für das späte 3. und frühe 4. Jh. nachweisen (Waffengräber 589, 4356, 5418, 5900 und 5930), später jedoch nicht mehr. Anders stellen sich die Verhältnisse im südwestlichen Bergland der Germania II dar, wo germanische Brandgräber in Jamiolle, Vireux-Molhain, Jambes, Furfooz, Eprave, Rochefort und Vieuxville bezeugt sind. Auf dem Friedhof „Devant-la-Mont“ von Eprave gehören alle zehn Brandgräber sogar noch der zweiten Hälfte des 5. Jhs. an. A. Dasnoy, Le cimetière situé Devant-le-Mont à Eprave (Ve–VIe siècle). Annales de la Société Archéologique de Namur 54, 1967, 61–108.
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wo anthropologische Angaben vorliegen, ließ sich sogar ermitteln, daß allein 60–70 % der männlichen Bevölkerung in dieser Weise bestattet worden war.60 Daß nicht allen Individuen Waffen beigegeben wurden, hängt fraglos mit der sich erst langsam ausbildenden Waffenbeigabensitte zusammen, die – von älteren Bestattungen des 3./4. Jahrhunderts abgesehen61 – erst zaghaft seit dem mittleren 4. Jahrhundert einsetzte, wobei Schwertgräber anfangs die große Ausnahme bildeten.62 Sogar noch im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts erhielten nur knapp 30 % der Kerbschnittgürtelträger auch Waffen als Grabbeigaben,63 doch schon im mittleren Drittel des 5. Jahrhunderts waren bereits fast 69 % der Männer, die Einfache Garnituren trugen, zusätzlich auch mit Waffen ausgestattet.64 Deutlich erkennt man daran die ständige Zunahme dieser erst im Entstehen begriffenen Beigabensitte, die sich schließlich in der frühen Merowingerzeit vollständig durchsetzte. Das häufige Fehlen von Äxten und anderen Waffen in den Gräbern mit Tierkopfschnallen – in Krefeld-Gellep waren von 25 dieser Schnallen nur drei
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Solche Werte werden nicht einmal auf Reihengräberfeldern der frühen Merowingerzeit erreicht, als die Waffenbeigabe regelhaft ausgeübt wurde. Von diesem Befund weicht nur der kleine Friedhof von Haillot ab, wo alle neun Männer auch Waffen als Grabbeigabe erhalten hatten. Breuer/Roosens (wie Anm. 23). Zu ihnen gehören u. a. die Brandbestattungen von Krefeld-Gellep (vgl. Anm. 59), das Brandgrab von Voerendaal (vgl. Anm. 45) und die Spathagräber von Köln-Severinstor, Mainz-Bretzenheim und Alzey. M. Schulze-Dörrlamm, Germanische Kriegergräber mit Schwertbeigabe in Mitteleuropa aus dem späten 3. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. Jahrbuch RGZM 32, 1985, 509–569, bes. 511–517. Mitte des 4. Jhs.: Monceau-le-Neuf 2. – Letztes Viertel des 4. Jhs.: Abbeville-Homblières 67, Monceau-le-Neuf 1, Rhenen 821, Bonn Jakobstraße. – Um 400: Misery, Vermand B, Breny 290. Den acht älteren Schwertgräbern stehen bereits 16 Gräber aus der ersten Hälfte und Mitte des 5. Jhs. und weit über 30 Bestattungen der zweiten Hälfte des 5. Jhs. gegenüber. Zum Nachweis der älteren Spathagräber: Böhme (wie Anm. 6) 375–380 Fundliste 19; SchulzeDörrlamm (wie Anm. 61) 562 f. Fundlisten 2–3. Von 34 gesicherten nordgallischen Grabfunden mit einer Kerbschnittgarnitur wiesen zehn eine oder mehrere Waffen auf (29,7 %) und neun einen Dolch (26,2 %). Bei fünf von den übrigen 15 waffenlosen Bestattungen (44,1 %) bildete die Kerbschnittgarnitur sogar die einzige Beigabe. Man gewinnt den Eindruck, als ob anfangs der hohe militärische Rang eines „römisch-germanischen Offiziers“ vornehmlich durch die Beigabe seiner statusanzeigenden Kerbschnittgarnitur zum Ausdruck gebracht wurde, so daß in den meisten Fällen auf Waffen im Grab verzichtet werden konnte. Dagegen wurde Kindern damals bereits relativ häufig eine (Miniatur-)Axt beigegeben, wohl um anzudeuten, welche Funktion von ihnen – seitens ihrer Familien – zukünftig zu erwarten gewesen wäre. Demnach hätte es sich bei ihnen um eine symbolische „Erwartungsausstattung“ gehandelt. Von 51 sicheren Gräbern mit einer Einfachen Garnitur bzw. Schnalle mit festem Beschlag enthielten bereits 35 Waffen (68,6 %).
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mit einer Waffe kombiniert (Abb. 12a, 12b)65 – hängt demnach von der jeweiligen lokalen Beigabensitte sowie dem kulturellen Umfeld ab und ist kein überzeugendes Argument, es handele sich bei den waffenlosen Gürtelträgern nicht um germanische Angehörige der römischen Armee (Abb. 13).66
Zusammenfassung Es fällt auf, daß viele, aber bei weitem nicht alle der zahlreichen Höhensiedlungen zwischen Maas und Rhein, die häufig schon in den 60er und 70er Jahren des 3. Jahrhunderts errichtet worden waren, fast gleichzeitig seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert in spätrömische Militärposten umgewandelt wurden, die von einst in Germanien angeworbenen Söldnern besetzt und unterhalten wurden. Der früheste Zeitpunkt der Übernahme durch germanische Militäreinheiten scheint in valentinianischer Zeit zu liegen, da die germanischen Besatzungen ausnahmslos Tierkopfschnallen trugen und keine Gürtelverschlüsse des frühen und mittleren 4. Jahrhunderts mehr verwendeten. Diese annähernde Gleichzeitigkeit des Einrückens germanischer Söldner in diese Militärstationen und deren recht einheitliche Ausrüstung – auf jeder Bergbefestigung ließ sich zum Beispiel einer der sicher ranghohen Träger eines repräsentativen Kerbschnittgürtels nachweisen – lassen auf eine sorgfältige Planung dieser Aktionen durch die spätrömische Militärorganisation in Gallien schließen, an deren Spitze als magistri militum von 372 bis 394 wohl kaum zufällig Angehörige der fränkischen Königssippen standen.67 Die geschilderten Maßnahmen konzentrierten sich aus naheliegenden Gründen vor allem auf die bedrohten grenznahen Provinzen Germania II, Belgica I und Germania I. Es dürfte deutlich geworden sein, daß eine recht beträchtliche Zahl der linksrheinischen Höhensiedlungen zwischen Condroz-Ardennen und Eifel-Hunsrück, und nur auf diese konnte ich mich aufgrund des heutigen Forschungsstandes beziehen, seit dem späten 4. Jahrhundert offensichtlich als befestigte Militärstationen der römischen Armee gedient haben, in de65
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Gräber 1107a, 1330 und 2749. Pirling (wie Anm. 19) B 2 (1966) Taf. 92; B 8 (1974) Taf. 22; B 10 (1979) Taf. 67. In anderen Gräbern von Krefeld-Gellep mit aufwendigen Tierkopfschnallen oder Kerbschnittgarnituren befanden sich nur größere (Offiziers-?)Dolche, aber keine Waffen: Gräber 4735, 4755, 5589 und 5590. Pirling (wie Anm. 19) B 18 (2000) Taf. 18, 20; B 19 (2003) Taf. 17. Die Gräber 4735 und 4755 waren jeweils außer mit einem Militärgürtel zusätzlich mit einem typischen Feuerstahl bzw. einem Halsring ausgestattet, die als charakteristische Beigaben germanischer Männer gelten. Pirling (wie Anm. 19) B 18 (2000) Taf. 18, 20. Vgl. Böhme (wie Anm. 58) 39 f.
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Abb. 12a. Waffengrab 1107a von Krefeld-Gellep.
nen mehrheitlich, wenn nicht ausschließlich Germanen eingesetzt waren, die diese Anlagen bis zum Ende der römischen Militärpräsenz um 455 besetzt hielten und dort besonders seit dem frühen 5. Jahrhundert auch ihre prestigeträchtigen Militärgürtel zum Teil selbst hergestellt haben. Auf einer Karte können nicht weniger als 31 solcher Plätze vermerkt werden (Abb. 14),68 die in dieses großangelegte Verteidigungsprogramm des späten 4. und frühen 5. Jahrhunderts einbezogen waren. 68
Es handelt sich um folgende, meist befestigte Höhensiedlungen (von Westen nach Osten geordnet): Pry, Montaigle, Nismes, Vireux-Molhain, Omont, Samson, Ben-Ahin, Spontin, Vieuxville, Furfooz, Eprave, Ortho (germanische Stützarmfibel), Willers-Chameleux, Château Renaud bei Virton, Steinfort, Budersberg/Luxemburg, Nusbaum, Speicher,
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Abb. 12b. Waffengräber 1330 und 2749 von Krefeld-Gellep.
Es stellt sich somit zum Abschluß die nicht ganz unberechtigte, wenn auch gewagte Frage, ob nicht die eine oder andere rechtsrheinische Höhensiedlung, wie der Geißkopf, der Kügeleskopf, der Zähringer Burgberg oder die Wettenburg bei Urphar, ebenfalls in diesem Sinne zu deuten wäre, denn die extrem große Zahl spätrömischer Militärgürtel an diesen Orten läßt deutlich erkennen, daß es hier zu einer bemerkenswerten Konzentration
Walsdorf, Neumagen, Minheim, Veldenz, Bernkastel, Wittlich, Neef, Mastershausen, Binningen, Hambuch, Alken, Polch-Ruitsch und Mayen. Vgl. zu den Fundstellen aus Eifel und Hunsrück: Gilles (wie Anm. 35) 72 Abb. 1. – Zu Nusbaum jüngst: L. Clemens/ Chr. Möller, Die spätantike Höhenbefestigung von Nusbaum-Rohrbach, Kreis BittburgPrüm. Archäologie in Rheinland-Pfalz 2003 (2004) 64–67.
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Abb. 13. Die Gräber 4735 und 4755 von Krefeld-Gellep mit Militärgürteln und typisch germanischen Grabbeigaben, aber ohne Waffen.
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Abb. 14. Karte spätrömischer Militärgürtel in und bei befestigten Höhensiedlungen zwischen Maas und Mittelrhein.
„römischer Soldaten“ germanischer Herkunft gekommen ist, wie sie sonst nur von den genannten linksrheinischen Bergbefestigungen vorliegt. Dieser Tatbestand wird eigentlich nur verständlich, wenn man die Anwesenheit dieser mutmaßlichen Söldner in einen engeren Zusammenhang mit den oben dargestellten Maßnahmen römischer Militärpolitik stellen könnte.
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 105–120 Befestigte Höhensiedlungen © Copyright 2008 Walterspätrömische de Gruyter · Berlin · New York in Eifel und Hunsrück
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Befestigte spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück Karl-Josef Gilles
Seit Erscheinen der ersten Zusammenstellung über spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück vor mehr als 20 Jahren1 hat sich im Bereich der beiden Mittelgebirge nicht nur die Zahl der Anlagen, die dieser Siedlungsform zugeordnet werden können, sondern auch das Fundmaterial von den bereits bekannten Plätzen erheblich vermehrt.2 Die neuen Funde resultieren allerdings vornehmlich aus den Aktivitäten sogenannter Hobbyarchäologen, die, durch die Publikation angeregt, die einzelnen Fundplätze intensiv mit Metallsonden abgingen. Gleichzeitig haben sie auch von der Topographie her vergleichbare Orte, insbesondere die Hänge mittelalterlicher Burgen, aufgesucht, so daß sich die Zahl der Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück von 26 auf 63, also um mehr als zwei Drittel, erhöht hat. Allein elf der neuen Plätze liegen im Bereich mittelalterlicher Burgen und können derzeit nur anhand von Kleinfunden aus dem Hangschutt nachgewiesen werden. An der alten Nummerierung und an deren Fortführung wurde hier, wie im ersten Nachtrag,3 zur Vermeidung von Verwechslungen festgehalten (Abb. 1). Der damals für die Arbeit gewählte Titel „Spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück“ schloß gleichermaßen Bergbefestigungen wie Bergheiligtümer ein. Inzwischen ist es jedoch nach Grabungen auf dem Burgkopf bei Fell und dem Metzenberg bei Tawern (beide Kreis Trier-Saarburg) gelungen, Bergheiligtümer bei ausreichend vorliegendem Fundmaterial auch ohne archäologische Untersuchung von befestigten Höhensied1
2
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K.-J. Gilles, Spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück. Trierer Zeitschrift Beiheft 7 (Trier 1985). Leider können im Rahmen dieses Zwischenberichtes weiterführende wie neue Aspekte nicht im Detail erörtert oder durch die Vorlage des Fundmaterials belegt werden. Dies bleibt einem zweiten Band über „Spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück“ vorbehalten. K.-J. Gilles, Neuere Forschungen zu spätrömischen Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück. In: C. Bridger/K.-J. Gilles, Spätrömische Befestigungen in den Rhein- und Donauprovinzen. BAR International Series 704 (Oxford 1998) 71 ff.
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Abb. 1. Spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück (Zeichnung: M. Hoeper). 1 Wormersdorf, Stadt Rheinbach, Kr. Rhein-Sieg, Tomburg 2 Lohrsdorf, Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, Kr. Ahrweiler, Landskrone 3 Insul, Kr. Ahrweiler, Burgberg 4 Reifferscheid, Kr. Ahrweiler, Alte Burg 5 Ochtendung, Kr. Mayen-Koblenz, Wernerseck 6 Kobern-Gondorf, Kr. Mayen-Koblenz, Niederburg 7 Polch, Ortsteil Ruitsch, Kr. Mayen-Koblenz, Burgberg 8 Mayen,Kr. Mayen-Koblenz, Katzenberg 9 Alken, Kr. Mayen-Koblenz, Burgberg (Thurandt) 10 Brodenbach, Kr. Mayen-Koblenz, Ehrenburg 11 Lasserg, Kr. Mayen-Koblenz, Bischofstein 12 Kolverath, Kr. Daun, Hochkelberg 13 Walsdorf, Kr. Daun, Arensberg 14 Lissendorf, Kr. Daun, Burgberg 15 Gerolstein, Kr. Daun, Auberg 16 Daun, Kr. Daun, Burgberg 17 Schutz, Kr. Daun, Buerberg 18 Hambuch, Kr. CochemZell, Burgberg 19 Binningen, Kr. Cochem-Zell, Kuhkeller 20 Treis-Karden, Zillesberg 21 Klotten, Kr. CochemZell, Coraidelstein 22 Beilstein, Kr. Cochem-Zell, Burgberg 23 St. Aldegund, Kr. Cochem-Zell, Hangelenberg 24 Neef, Kr. Cochem-Zell, Petersberg 25 Alf, Kr. Cochem-Zell, Arras 26 Zell, Stadtteil Kaimt, Kr. Cochem-Zell, Marienburg 27 Zell, Kr. Cochem-Zell, Alteburg 28 Hontheim, Kr. Bernkastel-Wittlich, Entersburg 29 Wittlich, Stadtteil Bombogen, Kr. Bernkastel-Wittlich, Lüxemkopf 30 Starkenburg, Kr. Bernkastel-Wittlich, Schloß 31 Traben-Trarbach, Stadtteil Wolf, Kr. Bernkastel-Wittlich, Göckelsberg 32 Bernkastel, Kr. Bernkastel-Wittlich, Landshut 33 Veldenz, Kr. Bernkastel-Wittlich, Schloß Veldenz 34 Minheim, Kr. Bernkastel-Wittlich, Burgley 35 Neumagen, Kr. Bernkastel-Wittlich, Tempelkopf 36 Speicher, Kr. Bitburg-Prüm, Leiköppchen 37 Mastershausen, Kr. RheinHunsrück, Burgberg 38 Kinheim, Kr. Bernkastel-Wittlich, Colai 39 Mehring, Kr. Trier-Saarburg, Kammerknippchen 40 Büdlich, Kr. Bernkastel-Wittlich, Burgkopf 41 Horath, Kr. Bernkastel-Wittlich, Harpelstein 42 Kempfeld, Kr. Birkenfeld, Wildenburg 43 Schneppenbach, Kr. Birkenfeld, Schmidtburg 44 Hochstetten-Dhaun, Kr. Bad Kreuznach, Schloß Daun 45 Bacharach, Kr. Mainz-Bingen, Stahleck 46 Dorweiler, Kr. Rhein-Hunsrück, Waldeck 47 Koblenz, Kondertal 48 Trimbs/Welling, Kr. Mayen-Koblenz, namenlos 49 Strotzbüsch, Kr. Daun, Burglay 50 Strohn, Kr. Daun, Kierberg 51 Oberöfflingen, Kr. Bernkastel-Wittlich, Biederburg 52 Wittlich-Neuerburg, Kr. Bernkastel-Wittlich, Neuerburger Kopf 53 Sülm, Kr. Bitburg-Prüm, Burgberg 54 Nusbaum, Kr. Bitburg-Prüm, Ofenlay 55 Falkenstein, Kr. Bitburg-Prüm, Burg Falkenstein 56 Dasburg, Kr. Bitburg-Prüm, Burg Dasburg 57 Hoffeld, Kr. Ahrweiler, Burgberg 58 Virneburg, Kr. Mayen-Koblenz, Virneburg 59 Kröv, Kr. Bernkastel-Wittlich, namenlos 60 Mörsdorf, Kr. Cochem-Zell, namenlos 61 Traben-Trarbach-Kautenbach, Kr. Bernkastel-Wittlich, namenlos 62 Bernkastel, Kr. Bernkastel-Wittlich, namenlos 63 Frauenberg, Kr. Birkenfeld, Nahekopf.
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lungen zu unterscheiden, deren Umwehrung an der Oberfläche keine sichtbaren Spuren hinterlassen hat.4 Obwohl die Zahl der nachgewiesenen spätrömischen Höhenbefestigungen in den beiden Mittelgebirgen deutlich zugenommen hat, hat sich an ihrer Verteilung wenig geändert. Im Moseltal, wo bereits eine ganze Kette solcher nach einem bestimmten System angelegter Plätze nachgewiesen war und nach unserer Vermutung lediglich fünf oder sechs Anlagen fehlten, sind zwei Plätze (jetzt insgesamt 17) bei Kinheim (38), und Mehring (39) hinzugekommen. Allerdings sind in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Höhenbefestigungen von Traben-Trarbach-Wolf (31) und Bernkastel (32) zwei kleinere Anlagen bei Kröv (59) und Bernkastel (62) entdeckt worden, die offensichtlich im engen Zusammenhang mit den bereits bekannten Plätzen, vielleicht als Vorposten, zu sehen sind. Ein ähnlicher Bezug bestand vielleicht auch zwischen dem Petersberg bei Neef (24) und dem Hangelenberg bei St. Aldegund (23). Desgleichen sind für den Bereich der Oberburg oberhalb der Niederburg von Kobern (6) indifferente römische Siedlungsspuren überliefert. Neuerdings wurde auch gegenüber vom Burgberg bei Mastershausen (37) in der Gemarkung Mörsdorf (60) eine weitere namenlose Höhensiedlung entdeckt. Ebenso existieren mit dem Lüxemkopf bei Wittlich-Bombogen (29) und dem Neuerburger Kopf bei WittlichNeuerburg (52) zumindest ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts auf benachbarten Bergkegeln, von denen einer zunächst als Heiligtum genutzt worden war, zwei befestigte Höhensiedlungen. Da der Verfasser bis vor wenigen Jahren die Existenz weiterer Anlagen im näheren Umfeld einer bereits bekannten Höhenbefestigung nicht in Erwägung zog, könnte sich aufgrund der neuen Beobachtungen das Verbreitungsbild der befestigten Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück künftig noch erheblich verändern. Im Bereich der Eifel nahm die Zahl der spätrömischen Höhenbefestigungen um elf auf jetzt 29 zu. Im Hunsrück kamen zehn Anlagen hinzu, so daß sie sich mehr als verdreifachten und dort jetzt immerhin 14 Plätze belegt sind. Trotzdem bleibt die Zahl der auf den Hunsrückhöhen nachgewiesenen Anlagen deutlich hinter der Eifel oder dem Moseltal zurück. Dies dürfte aber weniger aus einem schlechteren Forschungsstand als aus chronologischen Gründen resultieren, zumal die Siedlungsspuren im Zentrum 4
K.-J. Gilles, Römische Bergheiligtümer im Trierer Land. Zu den Auswirkungen der spätantiken Religionspolitik. Trierer Zeitschrift 50, 1987, 195–254, bes. 196 ff. Den dort berücksichtigten Bergheiligtümern sind sieben weitere Plätze mit z. T. umfangreichen Münzreihen hinzuzurechnen, so die Wensburg bei Lind-Obliers und die Nürburg bei Nürburg (beide Kreis Ahrweiler), der Schneeberg bei Boos, der Hochsimmer bei Ettringen und der Druidenstein bei Burgen (alle Kreis Mayen-Koblenz), der Portnersberg bei Wittlich (Kreis Bernkastel-Wittlich) sowie der Wartenberg bei Rhaunen (Kreis Birkenfeld).
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des Hunsrücks nach den Zerstörungen infolge der Germaneneinfälle von 275/276 n. Chr. verglichen mit denen benachbarter Regionen deutlich abnehmen. Auffallend ist auch, daß die größeren Höhen des Hunsrücks weitgehend gemieden werden und die einzelnen Plätze eher in den klimatisch begünstigten Randbereichen, wie kleineren Seitentälern unweit der Mosel, des Rheins oder der Nahe, liegen. Ganze Reihen solcher Befestigungen waren bisher nur im Moseltal, an der Nette (5, 7, 8, 48) und am Pommerbach (18, 19) nachgewiesen. Weitere Befestigungsketten, die gleichfalls ein strategisches Konzept erkennen lassen, zeichnen sich neuerdings auch an der Our, dem Grenzfluß zum Großherzogtum Luxemburg, ab. Die Anlagen auf deutscher Seite, Falkenstein (55) und Dasburg (56), finden auf der luxemburger Seite Entsprechungen in der Burg Vianden oder dem auf einem Hügel errichteten Kleinkastell Echternach. Ferner häufen sich Hinweise auf solche Befestigungsreihen an der Ahr (2, 3, 57), der Kyll (36, 53), der Lieser (16, 29, 51, 52), der Üß (25, 28, 49) und vielleicht der Alf. Die vermuteten Innenflächen der bisher unbekannten Anlagen entsprechen weitgehend den bisherigen Durchschnittswerten. Wenn überhaupt sind sie eher geringer geworden. Die Diskrepanz zu den großen Plätzen südlich der Nahe bleibt aber weiterhin bestehen und hat sich noch verstärkt. Bemerkenswert sind neue chronologische Aspekte, die sich aufgrund des vermehrten Fundmaterials ergaben. Von über 20 Anlagen liegen inzwischen dreistellige Münzreihen vor. Konnte 1985 lediglich bei acht der 37 Höhensiedlungen eine Nutzung für die Zeit unmittelbar nach dem Limesfall bis etwa 275 n. Chr. postuliert werden, erhöht sich ihre Zahl nun auf 27, so daß wir heute bereits bei mehr als 40 % aller Höhensiedlungen eine Nutzung für die Zeit nach dem Limesfall annehmen müssen. Leider läßt sich bei der Verbreitung der älteren Höhensiedlungen noch keine Regelmäßigkeit erkennen, obwohl auch ihnen, wie der Mehrzahl der constantinischen und valentinianischen Anlagen, eine militärische Aufgabe zugekommen sein dürfte. Der Nachweis von Militär fällt allerdings im Gegensatz zum 4. Jahrhundert, für das zahlreiche Zwiebelknopffibeln sowie kerbschnitt- oder punzverzierte Gürtelbeschläge vorliegen, ungleich schwerer, zumal die von J. Oldenstein aus den Limeskastellen zusammengestellten Beschläge auch im zivilen Bereich auftreten.5 Zu einem früheren Zeitpunkt als bisher angenommen, waren auch sechs der 17 bzw. 19 befestigten Höhensiedlungen des Moseltals aufgesucht worden. Sie wurden als eine einheitliche Neugründung unter Constantius
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J. Oldenstein, Zur Ausrüstung römischer Auxiliareinheiten. Berichte RGK 57, 1976, 51 ff.
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Chlorus – in Verbindung mit der Residenzverlegung nach Trier – gedeutet.6 Wenn nun einige dieser Plätze schon vor diesem Zeitpunkt für wenige Jahre besetzt waren, ist die gesamte Kette dennoch als tetrarchisches Konzept zu sehen, zumal die umfangreicheren Münzreihen dieser Anlagen erst zwei Jahrzehnte nach dem Untergang des Gallischen Sonderreiches einsetzen. Damit wäre diese Befestigungsreihe wohl die erste, die nach den Germaneneinfällen im letzten Drittel des 3. Jahrhunderts angelegt wurde. Nahezu alle Höhensiedlungen waren bereits seit frühconstantinischer Zeit, spätestens aber seit den 30er Jahren bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts (wieder) besetzt. Sie hatten aufgrund der vorliegenden Münzreihen wohl ausnahmslos bis 355 n. Chr. Bestand, ehe sie bei den Germaneneinfällen infolge des Poemeniusaufstandes (353) beziehungsweise der Silvanususurpation Ende 355 zerstört wurden.7 Zwei Drittel dieser Höhenbefestigungen wurden nach einer kürzeren Unterbrechung in valentinianischer Zeit wieder aufgesucht. Allerdings waren rund 20 Anlagen, vor allem in der Eifel (3, 4, 12, 17, 28, 48, 49, 51, 58) weniger im Hunsrück (41, 42, 45–47), nach 355 nicht mehr besetzt worden, was sich zum Teil durch umfangreiche Münzreihen (bis zu 3000), die 355 abrupt abbrechen, untermauern läßt. Bemerkenswert ist auch, daß an zwei dieser Plätze, der Entersburg bei Hontheim (28) und der Burglay bei Strotzbüsch (49), bis um 355 militärische Gürtelteile hergestellt worden waren, so daß die nicht erfolgte Wiederbesetzung in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts wohl auf eine Entscheidung der Verwaltung oder des Militärs selbst zurückgehen dürfte. Über das erste Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts hinaus haben mindestens 15 der befestigten Höhensiedlungen, doppelt so viele Anlagen wie bisher angenommen, noch fortbestanden. Teilweise liegen sogar „regelrechte“ Münzreihen des 5. Jahrhunderts vor, wie von der Wernerseck bei Ochtendung (5), zu der unter anderem Trierer Teilsiliquen von Constantin III. (407–411), Jovinus (411–413), Valentinian III. (423–455) und Theodosius II. (408–450) zählen. Teilsiliquen von Constantin III. bzw. Jovinus kamen auch in Veldenz (33), Hochstetten-Dhaun (44) und Wittlich-Neuerburg (52) zutage. Bemerkenswerte Neufunde bilden zudem einige Solidi, vor allem aus der Mitte des 4. Jahrhunderts, so je einer des Constans und des Magnentius von Ochtendung (5) wie der Alteburg bei Zell (27), sowie Siliquen des Constans aus Ochtendung (5), Binningen (19) und Strohn (50), des Julianus Caesar aus Wittlich-Neuerburg (52) und des Magnus Maximus aus Strohn (50). Von Zell (27), Hontheim (28) und Büdlich (40) liegen zu6 7
Gilles (wie Anm. 1) 76 ff. Vgl. K.-J. Gilles, Die Aufstände des Poemenius (353) und des Silvanus (355) und ihre Auswirkungen auf die Trierer Münzprägung. Trierer Zeitschrift 52, 1989, 377–386.
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dem (Halb)Argentei des späten 3. und frühen 4. Jahrhunderts vor. Mit den bereits bekannten Solidi des Constantius II. von Starkenburg (30), des Valens von Lohrsdorf (2), des Theodosius II. von Hochstellen-Dhaun (44) sowie einer verschollenen constantinischen Goldprägung von Neef (24) lassen sie an Soldzahlungen oder kaiserliche Donative denken, zumal von denselben Plätzen mitunter zahlreiche Militaria vorliegen. Das nun vermehrt vorliegende Fundmaterial läßt nicht nur gesichertere chronologische Aussagen zu, sondern auch die funktionale Nutzung der einzelnen Plätze überdenken. Beim derzeitigen Forschungsstand können wir die Mehrzahl der spätrömischen Höhensiedlungen als militärisch genutzte Anlagen oder als befestigte Siedlungen mit kleineren militärischen Detachements betrachten. Von vielen Plätzen, die bereits aufgrund topographischer Anhaltspunkte oder eines vergleichsweise hohen Terra SigillataAnteils auf eine Militärstation schließen ließen, liegen nun eindeutige Militaria vor oder haben dort, wo bereits solche nachgewiesen waren, teilweise stärker zugenommen. Selbst Höhensiedlungen, die, wie der Burgberg bei Veldenz (33), wegen ihrer damals dürftigen Funde und ihrer etwas versteckteren Lage noch als Refugium gedeutet worden waren, müssen nach dem nun vorliegenden Fundmaterial (umfangreiche Münzreihe bis Constantin III., Schnalle mit festem Dreieckbeschlag, zwei Riemenzungen) den militärisch genutzten Plätzen zugeordnet werden. Bemerkenswerte militärische Kleinfunde kamen in den letzten Jahren vor allem an den befestigten Höhensiedlungen des Moseltals zum Vorschein. Von der Burg Thurandt bei Alken (9) liegen ebenfalls eine Schnalle mit festem Dreieckbeschlag sowie eine Gürtelöse nebst einer Münzreihe mit mehr als 200 Prägungen vor. Auffallend ist, daß die Prägungen aus der Zeitspanne zwischen 313 und 341 zu 40 % aus Münzstätten der östlichen Reichshälfte stammen, obwohl die Münzreihen des Mosellandes in spätconstantinischer Zeit in der Regel bis zu 70 % Trierer Gepräge aufweisen. Etwa 25 % teilen sich die gallischen Nachbarmünzstätten Lyon und Arles, während die restlichen 5 % aus den Münzstätten des übrigen Imperiums kommen. Ähnliche Tendenzen wie die Münzreihe von Alken (9) zeigt auch eine kleinere Münzreihe von der Coraidelstein bei Klotten (21), so daß sich der Verdacht aufdrängt, die ungewöhnliche Münzverteilung resultiere aus Abkommandierungen zu kurz- oder längerfristigen Unternehmungen an die untere Donau oder in den Orient. Truppenverlegungen von Britannien an die Mosel ließen auch Gürtelteile und die Münzreihe von der Alteburg bei Zell (27) vermuten,8 etwa vergleichbar den Münzfunden aus dem Ka-
8
Gilles (wie Anm. 1) 43.
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stell Vemania-Isny, die eine Abkommandierung von Teilen der Besatzung nach Nordafrika nahelegten.9 Vom Tempelkopf bei Neumagen (35) kennen wir inzwischen eine Zwiebelknopffibel, einen Propellerbeschlag, drei Riemenzungen, das Fragment eines durchbrochenen Beschlages sowie verschiedene Geschoßspitzen, von der Burglay bei Minheim (34) einen weiteren durchbrochenen Beschlag, von der Marienburg bei Zell (26) eine lanzettförmige Riemenzunge oder vom Petersberg bei Neef (24) einen kerbschnittverzierten Beschlag10 sowie einen rechteckigen Gürtelverstärker mit Punzverzierung, zu dem zuvor schon ein Parallelstück bekannt war. Zu den Neufunden von Minheim, von wo bereits ein Fragment eines Gürtelverstärkers sowie ein nielloverzierter Kerbschnittbeschlag vorlagen, zählt auch ein bemerkenswertes Gewicht von einem halben Pfund mit Traubendarstellungen und Christogramm zwischen Alpha und Omega.11 Eindeutige militärische Kleinfunde wurden auch von den beiden bekannten Plätzen des Pommerbachtales bekannt. Für den Burgberg bei Hambuch (18), von dem immerhin drei kerbschnittverzierte Gürtelteile und eine lanzettförmige Riemenzunge vorlagen,12 nahm ihre Zahl weiter deutlich zu, so durch die dreieckige Beschlagplatte einer fünfteiligen Kerbschnittgürtelgarnitur vom Typ Böhme A,13 eine Variante zu den Gürtelbschlägen mit schräg ansetzender Leiste, etwa vom Typ Übach-Palenberg14 und drei lanzettförmige Riemenzungen. Erwähnenswert sind ferner ein germanischer Feuerstahl, der Fuß einer nordgermanischen Armbrustfibel sowie verschiedene Lanzen- und Geschoßspitzen. Auch in Binningen (19) kamen drei verschiedene Riemenzungen hinzu, ebenso der silberne Knopf einer Zwiebelknopffibel, der zu der von dort bereits vorliegenden silbervergoldeten Gürtelöse eine willkommene Ergänzung bildet. Im Widerspruch zu den reichen militärischen Kleinfunden steht an beiden Plätzen aber der geringe Anteil spätrömischer Terra-Sigillata (TS). Konnte ein starker TS-Anteil – die Höhensiedlungen des Moseltals wiesen in der Regel zwischen 25 und 50 % auf – als Indiz für einen militärischen Stützpunkt gesehen wer-
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J. Garbsch/P. Kos, Zwei Schatzfunde des frühen 4. Jahrhunderts. Das spätrömische Kastell Vemania bei Isny I. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 44 (München 1988) 58 ff. M. Sommer, Die Gürtel und Gürtelbeschläge des 4. und 5. Jahrhunderts im römischen Reich. Bonner Hefte zur Vorgeschichte 22 (Bonn 1984) 99, 116, 157. W. Binsfeld, Römische Gewichte in Trier. Trierer Zeitschrift 53, 1990, 281 f. Gilles (wie Anm. 1) Taf. 33,1–4. H. W. Böhme, Germanische Grabfunde des 4. bis 5. Jahrhunderts. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 19 (München 1974) 55ff. Böhme (wie Anm. 13) 82,8.
112
Karl-Josef Gilles
den,15 trifft dies für die beiden Plätze des Pommerbachtales mit Anteilen von rund 5 % nicht zu. Sollte daher eine bessere Versorgung mit jener Feinkeramik allein von der Wasserstraße oder den besseren Verkehrsanbindungen abhängig gewesen sein? Oder spielte etwa bei der Versorgung der Truppen deren ethnische Zusammensetzung eine Rolle, aus denen unterschiedliche Bedürfnisse resultierten? Träfe letzteres zu, wären die zum Schutz der Kaiserresidenz Trier im Moseltal angelegten Höhenbefestigungen primär von Einheiten romanisierter Bewohner des Imperiums, die entlegeneren Plätze der Eifel hingegen eher von weitgehend aus Germanen gebildeten Truppenteilen besetzt gewesen. Erwähnenswerte Neufunde bilden von den übrigen Plätzen noch eine Geschoßspitze von der Wernerseck bei Ochtendung (5), ein Propellerbeschlag und eine Riemenzunge von der Ehrenburg bei Brodenbach (10), ein Fragment einer kerbschnittverzierten Beschlagplatte vom Typ Vieuxville vom Lüxemkopf bei Wittlich-Bombogen (29),16 eine lanzettförmige Riemenzunge vom Leiköppchen bei Speicher (36), ein Gürtelverstärker mit stilisierten Tierköpfen vom Burgberg bei Mastershausen (37), eine Gürtelschnalle mit Propellerbeschlag vom Schloß Hochstetten-Dhaun (44), dem einzigen Ort, von dem eine bemerkenswerte spätantike Sarkophaginschrift überliefert ist, die uns einen praefectus latronibus arcendis und einen praefectus Bingensium überliefert,17 das Halbfabrikat einer Gürtelschnalle mit gegenständigen Tierköpfen (mit Resten der Gußhäute und des Gußzapfens) sowie Geschoßsitzen von der Burglay bei Strotzbüsch (49), eine herzförmige Riemenzunge mit reicher Punzverzierung vom Kierberg bei Strohn (50), eine Zwiebelknopffibel von der Burg Falkenstein (55) und zwei weitere Zwiebelknopffibeln, ein Propellerbeschlag, drei Riemenzungen (davon eine kerbschnittverziert), zwei Gürtelverstärker mit dreieckiger Nietplatte, ein leistenförmiger Gürtelverstärker, zwei geschlitzte Röhrenhülsen mit Astragal- oder Riefenverzierung, eine Gürtelöse sowie ein kleiner kerbschnittverzierter Beschlag vom Typ Vieuxville18 von Nusbaum-Rohrbach (54).19 Wenn sich nun bei der Mehrzahl der befestigten Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück – trotz bescheidenem Auftreten von typischem Frauenschmuck wie Haarnadeln, Armringe oder Glasperlen – eine militärische 15 16
17 18 19
Gilles (wie Anm. 1) 77 f. K.-J. Gilles, in: K. J. Gilles u. a., Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Wittlich I. Die Geschichte der Stadt von den Anfängen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Wittlich 1990) 73 f., Abb. 24. CIL XIII 6211; vgl. Gilles (wie Anm. 1) 83 f. Böhme (wie Anm. 13) 61 f. Teilweise abgebildet bei L. Clemens/Ch. Möller, Die spätantike Befestigung von Nussbaum-Rohrbach. Archäologie in Rheinland-Pfalz 2003, 66.
Befestigte spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück
113
oder paramilitärische Nutzung herausschält, bleiben dennoch wesentliche Fragen ungelöst. Waren es Foederaten, Limitantruppen oder gar Teile des comitatensischen Heeres, die auf die Höhen vielleicht zeitweise abkommandiert waren? Manches deutet auf fest installierte Einheiten, die den Schutz der Wasserwege und wichtiger Fernstraßen übernommen hatten, die gleichermaßen für die Versorgung der Truppen und der Truppenbewegungen lebenswichtig waren. Bisweilen mögen einzelne Plätze – bedingt durch den Aufenthalt des Kaisers in Trier – auch durch comitatensische Truppenteile verstärkt worden sein. Namentlich sind uns solche Truppen allerdings nicht bekannt. Bescheidene Anhaltspunkte bieten vielleicht die bereits erwähnte Sarkophaginschrift aus Hochstetten-Dhaun (44) oder Ziegelstempel der Legio XXII CV von der Niederburg bei Kobern (6). Hinweise auf die ethnische Zusammensetzung einzelner in den Höhenbefestigungen stationierten Truppenteile liefern außerdem wenige germanische Kleinfunde (8, 18, 22, 30, 41) sowie die Beigaben dreier ihnen zuzurechnender Gräberfelder (6, 7, 21). Zur Lösung dieser und anderer Fragen sind wir nicht nur auf archäologische Glücksfälle, sondern auch auf eine systematische Ausgrabung eines noch weitgehend ungestörten Platzes angewiesen. Darüberhinaus wünschte man sich eine möglichst komplette Erfassung solcher Höhenbefestigungen, die jedoch nur durch eine zeitintensive Begehung aller in Frage kommender Berge möglich wäre.
150 110
~674,6 ~589,6 ~490 ~465,0
12 Kolverath
13 Walsdorf
14 Lissendorf
15 Gerolstein
0,11
50
~406,7
18 Hambuch
0,36
90
~170
20 Treis
21 Klotten
0,24
0,07 0,22
55 120
~269,3 ~200,0
19 Binningen
0,23
170
~440 ~528,5
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
0,03
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
1,1
x
?
x
x
x
x
x
x
x
x
x
~0,4
0,09
0,21
0,12
0,3
17 Schutz
50
0,06 1,2
16 Daun
105
50
75
~150
11 Lasserg
130
~230
10 Brodenbach
125
~195
25
0,22
0,25
95
60
9 Alken
~165
6 Kobern
0,08
70
~169,2
5 Ochtendung
0,12
25
0,25
0,34
40
~181,2
~522,6
4 Reifferscheid
~288,5
~271,4
3 Insul
200 m
8 Mayen
~271,7
2 Bad Neuenahr-Ahrweiler, Lohrsdorf
40 m
7 Polch-Ruitsch
~310
x
x
x
x
x
x
x
x
?
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
absolute Höhe Max. Höhe Innenfläche vorröm. 260–275 (300) valenti1. Hälfte – Mittelm ü NN über Tal in ha Funde 330–353/55 nianisch – Mitte 5. Jh. alter 406
1 Rheinbach, Wormersd.
Befestigte Höhensiedlung
114 Karl-Josef Gilles
0,08 0,8 0,22 0,1
95 160 45 90
~203,4 ~270,1
~230
45 Bacharach-Steg
50
~319,0 ~320
42 Kempfeld
43 Schneppenbach
~387,8 ~675,1
41 Horath
44 Hochstetten-Dhaun
40–80
~323,0
95
130
0,16
165
0,12
1,5
0,5
0,25
0,46
80
0,06
40 Büdlich
0,2
~325
65
~166,0
38 Kinheim, Colai
39 Mehring
205
~236,0 ~330,4
36 Speicher
37 Mastershausen
0,24
35 Neumagen
95
34 Minheim
0,22
125
~235 ~310
32 Bernkastel
33 Veldenz
0,25 0,25
225 125
30
~328,5
0,29 0,11
65
~228,9
~197
29 Bombogen
30 Starkenburg
~262,2
28 Hontheim
0,33
0,4
110 75
0,22
0,23
145
0,1
130
0,25
110
85
31 Wolf
~205,2
~250,6
25 Alf ~246,0
~220,1
26 Zell, Marienburg
~200,0
23 St. Aldegund
24 Neef
27 Zell, Alteburg
~170
22 Beilstein
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
?
x
x
x
x
?
x
x
?
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Befestigte spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück
115
120
~286,5 ~252,1
52 Wittlich-Neuerburg
53 Sülm
~330 ~518,6 ~439,0 ~280 ~325 ~260 ~290 ~422,5
56 Dasburg
57 Hoffeld
58 Virneburg
59 Kröv
60 Mörsdorf
61 Traben-TrarbachKautenbach
62 Bernkastel II
63 Frauenberg
~380
~310
51 Oberöfflingen
~331,6
~416
50 Strohn
54 Nusbaum
~315
49 Strotzbüsch
55 Falkenstein
70
~251,4
48 Trimbs/Welling
140
180
65
85
180
45
85
55
110
90
70
30
40
85
105
~205
47 Koblenz, Kondertal
70
~245
absolute Höhe Max. Höhe m ü NN über Tal
46 Dorweiler, Waldeck (Niederburg)
Befestigte Höhensiedlung
x
x
3,3
0,08
0,1
0,12
x
x
x
x
x x
x
x
x
x
x
x
0,04
x
x
?
x
x
x
x
0,19
??
0,14
0,25
0,1
0,48
0,02
0,04
0,06
x x
0.2
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
vorröm. 260–275 (300) valenti1. Hälfte – MittelFunde 330–353/55 nianisch – Mitte 5. Jh. alter 406
0,1
0,1
0,3
Innenfläche in ha
116 Karl-Josef Gilles
13
3 Insul
15 Gerolstein
388 <13 <20
19 Binningen
20 Treis
21 Klotten
22 Beilstein
<616
18 Hambuch
17 Schutz
16
3 <3
14 Lissendorf
16 Daun
31 <4
12 Kolverath
13 Walsdorf
11 Lasserg
<99
159
10 Brodenbach
<111
9 Alken
8
8 Mayen
7 Polch-Ruitsch
6 Kobern
5 Ochtendung
146
<5
2 Lohrsdorf
4 Reifferscheid
<146
G
G, W
G
W
G
G
G, W
Z
G, W
P
A, N, P
A, F, N, P
N
A
P
A
P
Münzen Militaria Schmuck
1 Rheinbach
Befestigte Höhensiedlung
Handwerk
F, L
L
W, F
N
F
Landwirtschaft Germanen
Waffengräber
AR
Gräberfeld
AV, AR
AV
Sonstiges
Literatur
Befestigte spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück
117
<139
30 Starkenburg
31 Wolf
43 Schneppenbach
42 Kempfeld <98
43
3
<120
40 Büdlich
41 Horath, Harpelstein
5
39 Mehring
38 Kinheim, Colai
79
<30
37 Mastershausen
36 Speicher
G
W
G, W
G
F, G, W
<10 G, W, Z <159
35 Neumagen
34 Minheim
G, W
<63
G
G
G, W
G
G, W
G, F, W
33 Veldenz
32 Bernkastel
12 <106
29 Bombogen
<1243 <2893
28 Hontheim
<46
26 Zell, Marienburg
27 Zell, Alteburg
<55
25 Alf G
<66 G, W, Z
F
P
A, P
A, P
F
Münzen Militaria Schmuck
24 Neef
23 St. Aldegund
Befestigte Höhensiedlung
Br
Br, E, G, Be
Br, E
Handwerk
F
F, L
F
L
Landwirtschaft Germanen
AR
Waffengräber
Chr
AR
Grab
AV
AR
AV, AR
AV, AR, Gräberfeld, frühe Kirche
Sonstiges
Anm. 23
Anm. 22
Anm. 21
Anm. 20
Literatur
118 Karl-Josef Gilles
63 Frauenberg
<71
2
140
62 Bernkastel II
61 Traben-Trarbach-Kautenbach
10 <10
59 Kröv
60 Mörsdorf
2
58 Virneburg
57 Hoffeld
5
<31
56 Dasburg
55 Falkenstein
11
53 Sülm 203
54
54 Nusbaum
370
52 Wittlich-Neuerburg
18
247
8
<100
40
8
<150
F
F, G
G
G
G
G, W
N
A
A, P,
A
F, A
Münzen Militaria Schmuck
51 Oberöfflingen
50 Strohn
49 Strotzbüsch
48 Trimbs-Welling
47 Kondertal
46 Dorweiler-Waldeck (Niederburg)
45 Bacharach-Steg
44 Hochstetten-Dhaun
Befestigte Höhensiedlung
Br,
Handwerk
F
A, H
Landwirtschaft Germanen
Chr
AR
AR
AV
Sonstiges
Anm. 27
Anm. 26
Anm. 25
Anm. 24
Literatur
Befestigte spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück
119
120
Karl-Josef Gilles
Legende zu den Tabellen: Militaria: F = Fibel, G = Gürtel(teil), W = Waffen, Z = Ziegelstempel. Schmuck: A = Armring, F = Fingerring, N = Nadel, P = Perle. Handwerk: BE = Bein-, Br = Bronze-, E = Eisen-, G = Glasverarbeitung. Landwirtschaft: F = forstwirtschaftliche Geräte, L = landwirtschaftliche Geräte. Germanen: F = Fibel, H = Halsring, N = Nadel, W = Waffen. Sonstiges: AV = Goldmünze, AR = Silbermünzen, Chr. = frühchristlicher Kleinfund. In den Tabellen sind vorgeschichtliche Befestigungsanlagen mit geringen römischen Siedlungsspuren (= Refugia) nicht berücksichtigt, wie zum Beispiel Erden, Burgring-Gerolstein, Dietzenlay-Kerpen, Weinberg-Kordel, Burgberg-Kröv, Burgberg-Steineberg, Steineberger LayZemmer-Schleidweiler, Schanzkopf, sowie mittelalterliche Burgen, von denen bisher nur vereinzelte spätrömische Kleinfunde vorliegen, wie Dill, Burg Dill (Münze von Constantius II.), Grimburg, Grimburg (Münze des Gallienus, 2 valentinianische Münzen), Henau, Koppenstein (Münze eines gallischen Kaisers), Treis, Wildburg (Keramik, verschollen), Treis, Burg Treis (Münze des Magnentius), Cochem, Winneburg (Münze auf Urbs Roma), Manderscheid, Oberburg (Münzen des 1./2. Jahrhunderts). 2021222324252627
Die Anmerkungen 20 bis 27 beziehen sich auf die rechte Spalte der Tabellen S. 118 und 119.
20
21
22
23 24 25 26 27
K.-J. Gilles, Bacchus und Sucellus, 2000 Jahre Weinkultur an Mosel und Rhein (Briedel 1999) 207. K.-H. Koch/R. Schindler, Vor- und frühgeschichtliche Burgwälle des Regierungsbezirkes Trier und des Kreises Birkenfeld. Trierer Grabungen und Forschungen 13,2 (Mainz 1994) 48. L. Clemens/K.-J. Gilles, Der Harpelstein bei Horath im Hunsrück. In: H. W. Böhme (Hrsg.), Burgen der Salierzeit I (Sigmaringen 1992) 337. Gilles (wie Anm. 4) 230 ff. Koch/Schindler (wie Anm. 21) 17. Koch/Schindler (wie Anm. 21) 56. Clemens/Möller (wie Anm. 19) 64ff. K.-J. Gilles, Die römischen Münz- und Metallfunde vom „Nahekopf “. Trierer Zeitschrift 61, 1998, 68ff.
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 121–163 Der Heiligenberg beiYork Heidelberg © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · New
121
Zwischen Merkur und Michael: Der Heiligenberg bei Heidelberg in Völkerwanderungszeit und Frühmittelalter Peter Marzolff und Uwe Gross
Der im folgenden betrachtete Berg ist Bestandteil einer Topographie, die in den Grundzügen der – den Tagungsteilnehmern wohl ausreichend vertraut gewordenen – Topographie von Freiburg ähnelt (Abb. 1–2).1 Es sind beim Vergleich nur wenige Komponenten zu verändern: die mittelalterliche Altstadt wandert auf die andere Seite des Flusses, an ihre Stelle tritt eine bedeutende römerzeitliche Siedlung (mit Brücke), die Befestigungen des beherrschenden Berges sind um mindestens anderthalb Jahrtausende älter; eine unübersehbare Konstante ist das turmförmige Bismarckdenkmal des frühen 20. Jahrhunderts. Ein Unterschied noch: der Freiburger Schloßberg mußte anscheinend seinen Namen nie wechseln. Der Name des Heidelberger Heiligenberges ist indessen nicht original (auch wenn er tatsächlich der eines ‚geheiligten Berges‘ ist), geht wahrscheinlich darauf zurück, daß seine zwei Klöster – von Benediktinerpropsteien zu Prämonstratenserschaffneien umgewandelt – in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an die Abtei Allerheiligen im Schwarzwald übertragen wurden. Bis dahin (und dies spätestens seit 882) hieß der Berg ‚Aberinsberg‘, mit frömmelndem Hintergrund auch wohl ‚Abrahamsberg‘. Das Bestimmungswort dürfte, obwohl im deutschen Sprachraum selten, germanischen Ursprungs sein. Die früher bevorzugte
1
Die Literatur zum Heidelberger Heiligenberg ist, zumal sie im l6. Jh. beginnt, kaum überschaubar. Eine größere Auswahl derselben geben die Verzeichnisse in den leicht greifbaren, zusammenfassenden Veröffentlichungen von R. Ludwig/P. Marzolff, Der Heiligenberg bei Heidelberg. Führer zu Archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg 20 (Stuttgart 1999); P. Marzolff, s. v. Heiligenberg. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 14 (Berlin, New York 1999) 183–185; R.-H. Behrends/D. Müller, Die Befestigungen auf dem Heiligenberg bei Heidelberg. Atlas archäologischer Geländedenkmäler in Baden-Württemberg 2, Heft 5 (Stuttgart 2002). – Eine den ebengenannten entsprechende Synthese bieten für ihre Zeit P. H. Stemmermann/C. Koch, Der Heilige Berg bei Heidelberg. Badische Fundberichte 16, 1940, 42–94.
122
Peter Marzolff und Uwe Gross
Abb. 1. Der Heiligenberg im spätantik/völkerwanderungszeitlichen Dekumatland (Pfeil) (römischer Wirtschaftsraum nach Stribrny [wie Anm. 29]).
Der Heiligenberg bei Heidelberg
123
Abb. 2. Besiedlung des mittleren Lobdengaues.
Ableitung vom Namen des Mons Piri – welcher 369 n. Chr. Ort einer militärischen Auseinandersetzung war und gewiß im Rhein-Neckar-Gebiet zu suchen ist2 – hat als problematisch zu gelten, worauf wir zurückkommen werden. Der Heiligenberg ist ein (von Tal zu Tal rund 2 km langer) Abschnitt der vordersten Stufe des Mittleren Odenwaldes, welche – da die hiesige Bildung des Oberrheingrabens relativ jung ist – eine hohe Relief-Energie ohne 2
Amm. Marc. 28,2, 5 (Original: Mons Pyri). – Die ebd. 27,10, 9 referierte Schlacht bei Solicinium, 368 n. Chr., wird von manchen Autoren in dieselbe Gegend verlegt, doch neigen (auch) wir zur Gleichsetzung mit Sülchen.
124
Peter Marzolff und Uwe Gross
Zwischenschaltung ausgedehnter Vorhügel aufweist (Taf. 1,1); die Höhendifferenz Ebene-Hauptgipfel beträgt etwa 325 m. Fundmaterial liegt ab dem Älteren Neolithikum vor. Ein erster Höhepunkt seiner Besiedlungsgeschichte ist mit der Urnenfelderkultur zu verbinden. Noch bedeutender war die Siedlung der FrühlatèneZeit: wir erkennen in ihr die weithin ihresgleichen suchende Frühausprägung eines oppidum, zu welcher ohne Zweifel das örtliche Eisenerzvorkommen einen Beitrag lieferte; das (freilich in römischer Zeit ans Neckarufer verschleppte) Fragment eines Standbildes vom ‚Glauberg‘-Typ verweist auch im Gesellschaftlichen auf eine gipfelförmige Struktur. Ab der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. schwächt sich die dominierende Rolle des Berges wieder ab, ohne daß er aber völlig aufgegeben wird. Es fragt sich, ob die (aus dem späteren Mittelalter überlieferten) Prozessionen und Jahrmärkte nicht, wie auf dem Hesselberg, auf dem Ipf oder dem Mont Beuvray, in jener Periode ihren Ursprung haben. Eine bleibende archäologische Aufgabe ist die alles erfassende Analyse des Ringwall-Systems (Abb. 3); es muß nicht weiter erklärt werden, daß länger anhaltende Grabungstätigkeit sich auf die beiden Klosterstandorte beschränkte. Gemäß einigen, freilich gering dokumentierten Sondagen sowie Überlegungen allgemeiner Art ist die Anlage im großen und ganzen als frühlatènezeitlich einzustufen; der innere, obere Wall hat einen Umfang von gut 2 km, der äußere, untere Wall von gut 3 km, die umschlossene Gesamtfläche beträgt gut 52,5 ha (wozu noch mindestens ein den Sattel sperrendes Außenwerk kommt). Neben Toren kleineren Zuschnitts wurde auch eine mögliche Zufahrt für Fahrzeuge erkannt. Die vorherrschende Bauweise der Wälle ist offenbar die eines trocken geschichteten, talseitigen Bruchsteinwerks mit bergseitiger Hinterfüllung (Taf. 1,2). Lediglich in dem internen Wall, der den Hauptgipfel von der übrigen Gipfelflur abtrennt, will man armierende Pfosten beobachtet haben, was im Verein mit einem hier vorgelagerten Graben mit Vorwall zu einer unterschiedlichen Zeitstellung (früher?/später?) anregte; beim Bau der ‚Thingstätte‘ 1934/35 ist diese sensible Zone leider aufs stärkste geschädigt worden.3 Wider Erwarten erwiesen sich zwei Tore des inneren Walles – oberhalb bzw. unterhalb des genannten Querwalles – als mörtelgemauerte, also schwerlich prähistorische Kammer-Tore (Abb. 4). Diesen Tortyp treffen wir sowohl in spätrömischer Zeit als auch im fortgeschrittenen Frühmittelalter; aus erster seien genannt Irgenhausen, Schaan, Wilten, Zürich sowie
3
M. Lurz, Die Heidelberger Thingstätte. Veröffentlichungen zur Heidelberger Altstadt 10 (Heidelberg 1975) 58f.
Der Heiligenberg bei Heidelberg
125
Abb. 3. Befestigungen und Altwege des Heiligenberges (nach Behrends/Müller [wie Anm. 1]).
126
Peter Marzolff und Uwe Gross
Abb. 4. Einzelheiten des Inneren Befestigungsringes auf dem Heiligenberg: l Tor beim Vorderen Gipfel (nach Wagner 1911), 2 Tor am Hauptgipfel (nach Stemmermann/Koch 1940, ergänzt), 3 Entwässerungsvorrichtung(?) bei 2 (rekonstruiert nach Photographie von 1907 im Kurpfälzischen Museum).
das Wittnauer Horn,4 aus letztem unter anderen die Kesterburg5 und die uns relativ nah benachbarte ‚Bürg‘ von Groß-Eicholzheim.6 In diesem Zusammenhang fällt auf, daß von den kaiserzeitlichen membra dispersa einige in der Trasse der Wälle aufgefunden wurden – sei es, daß dieselben (wieder) ein wirksames Hindernis beim Abtransport nach unten darstellten, sei es, daß die Stücke just zu ihrer Wiederherstellung herangebracht worden sind. 4 5
6
Neudatierung des letzten durch K.-J. Gilles, Germania 54, 1976, 444ff. Überblick bei E. Gersbach in: Stiftung Pro Augusta Raurica (Hrsg.), Provincialia. Festschrift R. Laur-Belart (Basel 1968) 565f. K. Schumacher, Mannheimer Geschichtsblätter 4, 1903, 4–7.
Der Heiligenberg bei Heidelberg
127
Daß das Wallsystem des Berges also wohl zwei, wenn nicht mehr Bauphasen kennt, nimmt nicht wunder: der Verteidigungswert der Position war eigentlich zu allen Zeiten ein außerordentlich hoher, ja dank der vom Hauptmassiv des Gebirges trennenden Einsattelung dies selbst ohne künstliche Befestigung. Erkauft war er mit dem Problem der Wasserversorgung, was ja für alle Höhenstationen im Buntsandstein-Milieu gilt. Eine einzige, nicht sonderlich üppige Quelle kam knapp innerhalb des Außenwalles zu liegen. Ungefähr im 10. Jahrhundert versuchte man, in Tonröhren Wasser vom Hauptmassiv beizuleiten, und ins hohe Mittelalter fällt die professionelle Herstellung von Tank- und Filterzisternen.7 Wir kehren noch einmal zurück zum Ende der keltischen Besiedlung. Die schon vor Domitians Provinz-Gründung einsetzende Wiederbevölkerung des Rhein-Neckar-Gebietes, mit Ladenburg als nunmehrigem Vorort und mit einer deutlichen elbgermanischen Komponente, hat auf unserem Berg zunächst nur einen geringen Niederschlag gefunden. Im späteren 1. Jahrhundert n. Chr. entfaltet sich hier jedoch aufs neue eine bemerkenswerte Aktivität, die dann bis nach der Mitte des 3. Jahrhunderts (Horizont ‚Niederbieber‘) anhält. Im archäologischen Sinne unscharf ausgeprägt ist ein diesbezüglicher Schwerpunkt auf dem Vorderen Gipfel, scharf ausgeprägt dagegen ein solcher auf dem Hauptgipfel, und zumindest auf diesem hat er die Gestalt eines Heiligtums; statusmäßig dürfte es sich um eine Dependance der zu Füßen des Berges, am Platz der späteren Dörfer Neuenheim und Bergheim entstandenen, bedeutenden Brücken- und Straßengabelsiedlung unbekannten Namens handeln. Meistgenannte Gottheit ist, wie in vielen anderen Höhenheiligtümern, Merkur.8 Singulär ist seine hiesige Rolle als Vertreter sowohl des (linksrheinischen, hier: ostgallischen) Visucius als auch des (rechtsrheinischen) Cimbrius/Cimbrianus: es mögen sich hierin multikulturelle Verhältnisse im Ladenburg-Gau spiegeln, mit zugezogenen Mediomatrikern und den notorischen ‚Neckarsueben‘ und wohl anderen mehr; interessant ist das Vorkommen des Cimbrianuskultes auch am entgegengesetzten Rande des Odenwaldes, auf dem ringwallumschlossenen Greinberg ob Miltenberg, das heißt in einer der unsrigen
7
8
Eine vorklösterliche Zeitstellung des bei Stemmermann/Koch (wie Anm. 1) 57 ff. beschriebenen, legendären ‚Heidenlochs‘ im Vorderen Gipfel hat sich nicht verifizieren lassen, siehe noch bei P. Marzolff, Ravitaillement en eau d’un complexe monastique montagnard. Le cas du Heiligenberg près de Heidelberg. In: L. Pressouyre/P. Benoit (Hrsg.), L’hydraulique monastique. Milieux, réseaux, usages. Kongreß Paris 1992. Collection Rencontres à Royaumont 8 (Grâne 1996) 92. G. Weisgerber, s. v. Bergkult. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 2 (Berlin, New York 1976) 272ff.; Th. Baumeister, s. v. Höhenkult. In: RAC 15 (Stuttgart 1991) 994ff.
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fast spiegelbildlich gleichenden Situation,9 – so erscheint das Gebirge, sei es selbst ein Öder Wald, der Wald eines Otto oder aber Odins (und eines ihm verwandten Merkurs?) Wald, durch Höhenkult wie eingehegt. Man darf sich das – übrigens genau in Blickachse einer der in der Ebene heranziehenden antiken Straßen gelegene – Hauptgipfel-Heiligtum wohl ähnlich vorstellen wie das Heiligtum auf dem Metzenberg ob Tawern (welches, dank fehlender Überbauung, gut rekonstruierbar ist).10 Der als ‚Kern‘ der dereinstigen Kirche St. Michael ausfindig gemachte, steinerne Tempelbau scheint einen hölzernen Vorgänger gehabt zu haben, und es ist nicht auszuschließen, daß am selben Ort schon eine latènezeitliche Kultstätte bestand; die wiederholte Praxis, zwecks Platzgewinnes den Gipfel zu planieren (und das Abgetragene an den Seiten aufzuschütten), hat uns freilich der meisten eigentlichen Nutzungshorizonte beraubt. Der Steinbau nun vertritt, mit einer axialen Abfolge von Vorplatz (in Form einer Freitreppe?), Saal und Apsis, einen eher in Gallien als in Germanien bekannten Typ (Taf. 2,1). Eine dicke, ihrerseits sekundär geplünderte Lage von ‚Tempelschutt‘ unterrichtet uns davon, daß erstens (zumindest) dieser, farbig verputzte und innen ausgemalte Bau auch eine beachtliche bewegliche Ausstattung besaß und daß zweitens dieselbe in einem Zeitraum zwischen Aufgabe des Kultes und Einrichtung der Sepultur (s.u.) intentionell zerstört worden ist (Taf. 2,2).11 Es dürften die verbliebenen Fetzen sogenannter Votivbleche den Anstoß zu der Sage von den vergrabenen silbernen Aposteln gegeben haben – einer Sage, die auch an anderen, nicht unbedingt christianisierten Plätzen zuhause ist. Soweit nicht am Ort klein geschlagen oder vom Ort weggetragen, dürfte manches antike Element auf mittelalterlichem Niveau früher oder später neue Verwendung gefunden haben (siehe schon Bemerkung zu den Wällen). Wir denken an Schwellblöcke und mächtige Unterbauteile aus dem einheimischen Sandstein, an Bogensteine aus ortsfremdem (wohl aus dem mittleren Neckargebiet herabgeschifftem) Kalktuff und auch an Dachziegel, welche, im zerbrochenen Zustand, als Abbindehilfe im Mauerwerk willkommen waren bzw., als ganze gesammelt, zu Isolier- oder Drainagezwecken gebraucht worden sein mögen. Daß letzte auch punktuell zur Dachdeckung wiederverwendet wurden, ist denkbar, doch nicht sicher nachgewiesen.12 Un9
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Deutlich der Sachverhalt in Tabula Imperii Romani, Band M 32. Mainz, bearb. v. P. Goessler (Frankfurt 1940). S. Faust, Kurtrierisches Jahrbuch 27, 1987, 42–49. Vergleichbarer Fall zu Stein ‚Tufelbach‘: St. Schmidt-Lawrenz, Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1995, 212. Die durch K. Th. Platz am 12. 12. 2002 bzw. durch M. Sanke am 24. 6. 2004 aus Lorsch bekanntgemachten winkelförmigen Hohlziegel karolingischer Zeitstellung sind im Heiligenberg-Fundgut nicht enthalten.
Der Heiligenberg bei Heidelberg
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gefähr im 11. Jahrhundert setzen sich auf dem Berg, zunächst mit Korbbogen-Querschnitt, die Hohlziegel durch und bleiben vorherrschend, auf Kosten der anderwärts sich ausbreitenden Flachziegel. Für den auch bereits in römischer Zeit gebrauchten (Dach-)Schiefer gelten ähnliche Überlegungen. Mißlicherweise nur als Lesefunde auf uns gekommen sind etliche Bestandteile einer Boden-Intarsia von hellem und dunklem Dekorationsgestein, auch Inkrustationstrümmer von Porfido verde. Völlig identisches kam auch in Lorsch zutage, welches ja seinerseits eine antike, wenngleich nicht recht bestimmbare Vergangenheit hat, und so bleibt die Frage, ob sich jene Abtei, nachdem sie einmal in den Besitz des Berges gekommen war (siehe dazu noch unten), hier oben bedient oder, umgekehrt, hier herauf geliefert hat, einstweilen offen. Unbeschadet dessen dürfte der archäologische Beweis erbracht sein, daß fast alle der (sandsteinernen) römerzeitlichen figürlichen Skulpturen und Relief- und Inschriftsteine, die seit dem frühen 16. Jahrhundert auf unserem Berg immer wieder Aufmerksamkeit erregten, ihm wirklich zugehören. Fast alle! Für die römische Periode sind auf dem Heiligenberg keine Grabstätten nachgewiesen und, bei seinem offenkundig sakralen derzeitigen Status, auch nicht zu erwarten. Also wird ein Kapitell, das um 1000 für die Krypta von St. Michael aus dem Grabmal eines aus Askalon in Palästina gebürtigen Händlers oder Soldaten gefertigt wurde,13 aus einer Ruinenstätte der Ebene stammen, in der vielleicht eine zentrale Werkstätte arbeitete.14 Wer sich nun auch hier oben im 4./5. Jahrhundert aufhielt, er tat es wohl nicht nur um der Tempellegung willen; zum Beispiel wurde der beschriebene Merkurtempel gar nicht gänzlich beseitigt, sein Rohbau blieb als ein Torso bestehen. Besichtigen wir die eigene Hinterlassenschaft dieser Zeit. Unter dem gesamten keramischen Fundmaterial lassen sich nur wenige unverzierte handgemachte Wandfragmente und ein Henkel ausfindig machen, welche von der Scherbenbeschaffenheit und der Brennhärte her nicht prähistorisch sind. Das dickwandige Bruchstück (Abb. 5,2) ist dunkelbraun, grob gemagert und sehr hart gebrannt. Die Zugehörigkeit zu einem geschlossenen Gefäß (Kumpf?) ist dabei wahrscheinlicher als die Herkunft von einer Schüssel oder Schale. Da vom Heiligenberg keine sicher ältermerowingischen Funde vorliegen, kommt nur eine völkerwanderungszeitliche Datierung in Frage. 13 14
Stemmermann/Koch (wie Anm. 1) 70. Etwas später im 11. Jh. können wir jedenfalls eine (mit der postulierten nicht identische) Zentralwerkstatt erkennen, die mit großer Reichweite, nämlich nach Heddesheim, auf den Heiligenberg und ins untere Elsenztal lieferte; Lokalisierung steht aus.
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Etwas besser ist der einstichverzierte Henkel eines dunkeltonigen, magerungsrauen und ebenfalls hart gebrannten Gefäßes (Abb. 5,1) einzuordnen. Eine gut entsprechende Handhabe tritt an der schräggerieften Tasse aus einem Grabfund des beginnenden 5. Jahrhunderts in Reutlingen auf.15 Hier kommen zum Keilstich auf Henkel, Hals und Schulter noch kreuzförmige Rundstempel hinzu. Da Keilstichdekor allgemein als elbgermanische Eigenheit gilt, dürfte ein Zusammenhang dieses Stückes mit germanischen Neusiedlern des 4./5. Jahrhunderts aus dem Raum zwischen Norddeutschland und Böhmen die größte Wahrscheinlichkeit haben. Anders als die durch Rollstempelung eindeutig mit Knickwandtöpfen der Reihengräberzeit zu verbindenden Fragmente, die auf dem Heiligenberg recht zahlreich zum Vorschein kamen (siehe unten Abb. 6), müssen zwei Scherben (Abb. 5,3–4) nach ihrem auffälligsten Merkmal neutral als geglättete Drehscheibenkeramik bezeichnet werden. Das Wandstück (Abb. 5,3) hatte nach Aussage des Wulstes und des geringen Durchmessers einst seinen Platz im oberen Gefäßbereich. Das Bemühen des Töpfers, bei der Oberflächenbehandlung den Halswulst nicht zu beschädigen, ist daran ersichtlich, daß die Glättfacetten nur bis zu dessen unterem Ansatz reichen. Waagerecht verlaufen sie nur in einer Breite von etwa einem Zentimeter, auf der restlichen noch erhaltenen Oberfläche darunter wechseln gut ausgeführte Glättbahnen mit ungeglättet belassenen Streifen von etwa halber Stärke (2–3 mm). Enge Oberteile mit waagerechtem Wulst und darunter befindlicher Glättverzierung können nur von Krügen herrühren, wie sie im donauländischen Milieu der ausgehenden Spätantike und der Völkerwanderungszeit geläufig waren. Der etwa 7 cm betragende Innendurchmesser des Halses unterhalb des Wulstes stellt das Heiligenberger Fragment eher in eine Reihe mit Funden aus dem 5. Jahrhundert, zum Beispiel aus Grafenwörth (Grab 3), Stillfried oder Breitenbrunn, als mit kleineren Krügen des 4. Jahrhunderts, wie sie etwa aus Tulln veröffentlicht wurden.16 Aus der unmittelbaren Nachbarschaft Heidelbergs ist ein Gefäß aus Edingen, Rhein-NeckarKreis, als Vergleich anzuführen.17
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R. Roeren, Zur Archäologie und Geschichte Südwestdeutschlands im 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr. Jahrbuch RGZM 7, 1960, 290 Abb. 26,2. H. Friesinger/H. Kerchler, Töpferöfen der Völkerwanderungszeit in Niederösterreich. Archaeologia Austriaca 65, 1981, 224 ff. Abb. 22,5 und 24,5–7. B. Svoboda, Zu Problemen des 5. Jahrhunderts in Mitteleuropa. Arbeits- und Forschungsberichte zur Sächsischen Bodendenkmalpflege 16/17, 1967, 363 Abb. 17,4. – Auch abgebildet bei U. Gross, Einige bemerkenswerte völkerwanderungszeitliche Funde vom Heiligenberg bei Heidelberg. Archäologische Nachrichten aus Baden 42, 1989, 16 Abb. 5 (links).
Der Heiligenberg bei Heidelberg
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Abb. 5. Heiligenberg bei Heidelberg. Keramik- (1–4) und Metallfunde (5–6) des 4.–5. Jahrhunderts. – M. 1: 2.
Das im Bruch rötliche bis rötlichbraune Fragment (Abb. 5,4) könnte man bei nur flüchtiger Betrachtung für die Randpartie eines kleinen Schälchens halten. Die Unregelmäßigkeiten auf der Innenseite legen jedoch eine ehemalige Funktion als Henkel nahe, denn gerade bei spätantiken und frühmittelalterlichen Krügen und Kannen wurde oftmals der umgeschlagene Rand der Handhabe auf der Unterseite schlecht verstrichen. Die Zuweisung an eine bestimmte Warenart ist problematisch, jedoch verweisen die deutlich erkennbaren, gröberen Glättfacetten eher auf eine Zugehörigkeit zur geglätteten spätantik-völkerwanderungszeitlichen Keramik als zu Knickwandgefäßen der Merowingerzeit. Am naheliegendsten erscheint
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daher die Herkunft von einem Krug ähnlich jenem, von dem die streifendekorierte Halsscherbe stammt. 1971 wurde etwa 90 m südwestlich der Michaelskirche eine Miniaturaxt aufgelesen (Abb. 5,6). Sie dürfte in den Kreis der Kleinwaffen gehören, die man aus germanischen Bestattungen der späten Kaiser- bis früheren Merowingerzeit kennt.18 Das Fundstück vom Heiligenberg weist mit dem zur Spitze hin nur leicht ansteigenden Rücken und der kaum geschwungenen Unterseite sowie den bescheidenen Abmessungen große Ähnlichkeit mit mehreren Hiebwaffen auf, die im frühfränkischen Friedhof des belgischen Ortes Samson bei Namur ausgegraben wurden.19 Die eiserne Schnalle mit D-förmigem Bügel, dessen Oberseite gestuft ist und dessen Außenseite „gelappt“ wirkt (Abb. 5,5), ist nur schwer einzuordnen. Die Fundsituation im sogenannten Paradies westlich der Klosterkirche schließt aber immerhin eine Entstehung nach der Jahrtausendwende aus. Ein Merkmal vieler bronzener Tierkopfschnallen von Militärgürteln des späteren 4. und des 5. Jahrhunderts ist die mähnenartige Profilierung der Bügelaußenseiten.20 Bei einem Fragment aus dem sächsischen Urnenfriedhof von Westerwanna (Grab 438) ist sowohl die deutliche Abgrenzung der einzelnen Mähnenzacken untereinander als auch die Stufung auf der Bügeloberseite gut erkennbar.21 Von diesen Feststellungen her scheint es möglich, daß sich auch Schnallen der Heiligenberger Art unter starker Vergröberung der Mähne und unter Fortfall der Tierköpfe im Laufe des 5. Jahrhunderts aus bronzenen Militärgürtelschnallen entwickelt haben. Auf die Ausführung zahlreicher Militärgürtelschnallen in Eisen im 5. Jahrhundert wies bereits vor längerem R. Christlein hin.22 Selbst hochwertige Fibeln konnten aus diesem Grundmaterial gefertigt sein.23 18
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23
I. Ottinger, Waffenbeigabe in Knabengräbern. In: G. Kossack/G. Ulbert (Hrsg.), Studien zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie. Festschrift J. Werner. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte, Ergbd. 1,II (München 1974) 407 ff. A. Dasnoy, La nécropole de Samson (IVe–VIe siècles). Annales de la Société Archéologique de Namur 54, 1968, 281 ff. Abb. 1,1 und 3,1. H. Bullinger, Spätantike Gürtelbeschläge. Typen, Herstellung, Trageweise und Datierung. Dissertationes Archeologicae Gandenses 12 (Brugge 1969); H. W. Böhme, Germanische Grabfunde des 4. bis 5. Jahrhunderts zwischen unterer Elbe und Loire. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 19 (München 1974) 66ff. Böhme (wie Anm. 20) Taf. 47,3. R. Christlein, Der Runde Berg bei Urach III. Kleinfunde der frühgeschichtlichen Perioden aus den Plangrabungen 1967–1972 (Sigmaringen 1979) 9. Vgl. etwa das silber- und goldtauschierte, mit Almandineinlagen verzierte Fibelpaar aus Grab 23 in der fränkischen Königsgrabkirche von St. Denis: A. Kluge-Pinsker, Königliche Kirchen der Merowinger in Paris und Saint-Denis. In: A. Wieczorek/P. Périn/K. v. Welck/ W. Menghin (Hrsg.), Die Franken – Wegbereiter Europas. Ausstellungskatalog Mann-
Der Heiligenberg bei Heidelberg
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Auch wenn wir dem oben aufgeführten noch eine Münze des 4. Jahrhunderts zurechnen,24 so ändert dies nichts daran, daß spezifisch spätrömische Militaria fehlen. Den Mons Piri des Geschichtsschreibers haben wir nach wie vor wohl in anderer Richtung zu suchen, wie denn auch die Philologie einer Gleichsetzung mit ‚Aberinsberg‘ nicht zuneigt;25 eine Lage links des Nekkars hätte den Vorteil der Nähe zu einer ins Hinterland führenden Straße.26 Die ‚späten‘ Elemente des Heiligenberg-Befestigungssystems sind somit als Bestandteile der königlichen Festung der Karolingerzeit anzusehen. Wie auch immer, es fehlt – mit einer bestimmten Logik – unser Berg in der spätantik/völkerwanderungszeitlichen Siedlungslandschaft am Oberrhein nicht (Abb. 1). Die Vorstellung, daß Höhenstationen auf dem rechtsrheinischen Gebirgsrand zumindest durch Sichtbeziehung, wenn nicht noch weiteres, zu römischen Stützpunkten am Rhein in einem Komplementärverhältnis stehen, ist mit dem neuesten Befund auf dem Hertenberg dabei, Modellrang zu gewinnen.27 Hier wäre der Heiligenberg ganz passend plaziert, kaum 9 km as the crow flies von Ladenburg entfernt, der am weitesten jenseits des Rheines vorgeschobenen Militärposition des späten Römerreiches.28 Und er blickt auf einen Teil des ehemaligen Dekumatlandes hinab, der – unter Anerkennung einer stattgefundenen romanisch-germanischen Symbiose – aus dem Bereich der antiken Zivilisation faktisch nicht ausgeschieden war.29 Bei dieser Gelegenheit sei an die zweite völkerwanderungszeitliche Höhenstation des Odenwaldes erinnert, die Altscheuer, wel-
24 25 26
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heim, Paris, Berlin Bd. 1 (Mainz 1996) 430 Abb. 337. – Zu Eisenfibeln des 5. und 6. Jh. siehe auch: M. Schulze-Dörrlamm, Romanisch oder Germanisch? Untersuchungen zu den Armbrust- und Bügelknopffibeln des 5. und 6. Jahrhunderts. Jahrbuch RGZM 33, 1986, 684f. Mitteilung B. Heukemes (Heidelberg), 18. 1. 1985. Für diesbezüglichen Gedankenaustausch ist W. von Moers-Messmer zu danken. Jüngste Lokalisierungsversuche: Hildebrandt in: L. Hildebrandt (Hrsg.), Archäologie und Wüstungsforschung im Kraichgau. Heimatverein Kraichgau, Sonderveröffentlichung 18 (Ubstadt-Weiher 1997) 19–34 (bei Wiesloch); K. Schmich, Heidelberg 8, 2003/04, 139–146 (bei Rohrbach). – Ein Reflex des Ereignisses von 369 ist vielleicht der außerordentliche Münzschatz von Wieblingen (links des Neckars): B. Heukemes, Fundberichte aus BadenWürttemberg 2, 1975, 160 f. Theorie ansatzweise schon vorgetragen bei Hoeper und Steuer, Germania 77, 1999, 231 f. – Hertenberg: G. Fingerlin, Archäologische Nachrichten aus Baden 66, 2002, 13–21. B. Heukemes, Fundberichte aus Baden-Württemberg 6, 1981, 433–473. K. Stribrny, Römer rechts des Rheins nach 260 n. Chr. Bericht RGK 70, 1989, 351–505, hier 388ff.; E. Schallmeyer, Die Lande rechts des Rheins zwischen 260 und 500 n. Chr. In: F. Staab (Hrsg.), Zur Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter am Oberrhein. Kongreß Speyer 1991. Oberrheinische Studien 11 (Sigmaringen 1994) 53–67, hier 61 f. – Das RheinNeckar-Gebiet als randliche Zone des Spätrömischen Reiches gesehen auch bei Castritius, Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde N. F. 37, 1979, 19 ff.
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che von dem (durch Zullestein gedeckten) großen spätrömischen Werkplatz auf dem Felsberg auch nur knapp 9 km entfernt liegt.30 Eine indirekte Bestätigung findet die eben vorgetragene Sicht der Dinge darin, daß mit der Aufgabe der römischen Stellungen am Rhein anscheinend auch auf unserem Berg Stille einkehrt. Indessen hält sie nicht sehr lange vor: Noch in der ersten Konsolidierungsphase des Fränkischen Reiches, spätestens im ausgehenden 6. Jahrhundert sehen wir ihn auf eine neuartige Weise reaktiviert, und diese Wiederbelebung wird dann mit allerlei, mehr oder weniger heftigem Wandel, doch archäologisch gesehen bruchlos, noch über das Ende des Mittelalters hinaus anhalten. Der unserem Beitrag gesetzte Rahmen erlaubt uns, jetzt den Zeitraum bis zu der definitiven Inbesitznahme und (langsamen) Umgestaltung durch die Abtei Lorsch, das heißt bis zur Wende des 9./10. Jahrhunderts zu behandeln. Lassen wir zunächst das mobile Fundgut dieser merowingisch/karolingischen Jahrhunderte sprechen. Es sei auch hierzu nicht verschwiegen, daß nur der geringere Teil als stratifiziert gelten und damit präzise in die archäologische Sequenz eingeordnet werden kann, da zum einen die intensive Bautätigkeit des hohen und des späten Mittelalters die vorhergehenden Bestände, freiwillig oder unfreiwillig, sehr stark in Mitleidenschaft gezogen und zum Beispiel die wenigsten frühmittelalterlichen Gräber intakt belassen hat, und da zum anderen die ältere Forschung ja so gut wie keine diesbezügliche Dokumentation bietet; manches interessante Stück mußten wir den 1886 ff. angewachsenen Grabungshalden entnehmen und eine unbekannte Menge darin noch zurücklassen. Von feintoniger merowingerzeitlicher Knickwandkeramik sind elf verzierte Rand- und Wandstücke (Abb. 6,1–5.9–11.13–15) bekannt. Eines zeigt auf der Außenseite eine leichte Aufwerfung, innen eine aufgeplatzte „Tonblase“ (Abb. 6,3). Alle diese Scherben sind feintonig, außen dunkelgrau oder schwarz und gut geglättet. Der Dekor besteht aus Rollstempelung oder Wellen, Eindruckstempelzier fehlt dagegen. Von den seltenen Knickwandschalen der jüngeren Merowingerzeit mit abgesetzter Fußplatte31 kamen zwei Fragmente zutage (Abb. 6,17–18). Die insgesamt gut zwei Dutzend Randstücke, die zur rauhwandigen, auf der schnell rotierenden Fußtöpferscheibe gefertigten Keramik der Merowingerzeit zu rechnen sind (Abb. 7–8), gehören überwiegend zu Töpfen, sechs zu Schalen oder zu Schüsseln (Abb. 8,5.7.10–13) und eines zu einem 30
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F.-R. Herrmann in: H. Roth/E. Wamers (Hrsg.), Hessen im Frühmittelalter. Ausstellungskatalog Frankfurt a. M. 1984 (Sigmaringen 1984) 64, 262; Schallmeyer (wie Anm. 29) 63 f. Vgl. ein Gefäß aus Mannheim-Wallstadt: Badische Fundberichte 20, 1956, Taf. 60,C5.H.
Der Heiligenberg bei Heidelberg
Abb. 6. Heiligenberg bei Heidelberg. Feintonige Knickwandkeramik. – M. 1: 3.
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Krug (Abb. 7,2). Von einem weiteren Krug oder einer Kanne rührt das einzige Henkelbruchstück (Abb. 7,18) her. Nur wenige Fragmente sind oxydierend hell (weißlich bzw. rötlich) gebrannt, alle restlichen reduzierend dunkel. Für die in der rauhwandigen Drehscheibenware typischen massiven Unterteile werden hier stellvertretend vier Fragmente abgebildet (Abb. 8,14–17). Das zweifellos interessanteste Fundstück innerhalb dieser Warenart liegt in Gestalt eines Schüsselrandes vor (Abb. 8,13). Vor allem der im Ansatz erkennbare Ausguß zeigt, daß es sich um das Fragment eines Gefäßes handelt, dessen Wurzeln bei den römischen Reibschüsseln zu suchen sind.32 Nach allen bisher verfügbaren Anhaltspunkten33 wird die rauhwandige, überwiegend reduzierend dunkel gefeuerte merowingische Keramik am nördlichen Oberrhein seit dem jüngeren 7. Jahrhundert von einer helltonigen Ware abgelöst, die als ältere, gelbtonige Drehscheibenware Eingang in die Literatur gefunden hat.34 Sie ist auf dem Heiligenberg die dominante Ware bis gegen die Jahrtausendwende. Es fällt auf, daß unter den ornamentierten Scherben (Abb. 9,1–18) diejenigen mit einfachem Rechteckrollstempel überwiegen. Die Masse der übrigen ornamentierten Fragmente ist demgegenüber feintonig oder feinsandig. Besonders die sich am mittleren Oberrhein häufenden Motiventsprechungen lassen für die komplizierteren Muster (Abb. 9,8–9), aber auch für die Hochrechteckstempel (Abb. 9,3.6) auf eine Herkunft aus unterelsässischen Töpfereien des 8./9. Jahrhunderts schließen. Derselben Frühphase der älteren, gelbtonigen Drehscheibenware sind auch die zahlreichen, meist scharf gerieften Rand- und Wandscherben (Abb. 10,1–8) zuzuweisen, wie Vergesellschaftungen an vielen Plätzen in Südwestdeutschland beweisen. Neben nicht abbildungswürdigen Wandfragmenten der steinzeugartig hart gebrannten „karolingischen“ Mayener Ware und möglicherweise be-
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L. Hussong, Frühmittelalterliche Keramik aus dem Trierer Bezirk. Trierer Zeitschrift 11, 1936, 75 ff. mit Beil. 1. – U. Gross, Nachantike Reibschüsseln. Archäologische Informationen 13, Heft 2, 1991, 207 ff. U. Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und Schwäbischer Alb. Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 12 (Stuttgart 1991) 36 ff. – Siehe neuerdings: M. Châtelet, La céramique du haut Moyen Age (6–10e siècle) du sud de la vallée du Rhin supérieur. Technologie, typologie, chronologie, économie et culture. Europe Médiévale 5 (Montagnac 2002) 107 ff. Bei U. Lobbedey 1968 noch „gelbe oberrheinische Drehscheibenware“ genannt: U. Lobbedey, Untersuchungen mittelalterlicher Keramik, vornehmlich aus Südwestdeutschland. Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 3 (Berlin 1968) 17 ff.
Der Heiligenberg bei Heidelberg
Abb. 7. Heiligenberg bei Heidelberg. Rauwandige Drehscheibenware. – M. 1: 3.
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Abb. 8. Heiligenberg bei Heidelberg. Rauwandige Drehscheibenware. – M. 1:3.
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Abb. 9. Heiligenberg bei Heidelberg. Ältere gelbe Drehscheibenware. – M. 1: 3.
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Abb. 10. Heiligenberg bei Heidelberg. Ältere gelbe Drehscheibenware (1–8), Feldflaschen (9–10), Ösenhenkelgefäß (11), Imitation einer Tatinger Kanne (12). – M. 1: 3.
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reits in den hier betrachteten Zeitraum gehörenden Scherben der Glimmerware seien noch einige Sonderformen hervorgehoben. Zwei Bruchstücke von Feldflaschen (Abb. 10,9–10) weisen von der sandigrauen Oberfläche her Ähnlichkeiten mit den Wölbwandtöpfen der rauhwandigen Drehscheibenware auf. Bei dem größeren der beiden (Abb. 10,9) handelt es sich um ein Schulterfragment mit aufgesetztem Ösenhenkel, das an zwei Stellen noch Spuren einer Rollstempelverzierung erkennen läßt. Die kleinere, bereits durch ihre tiefe Fundlage in Fläche VIII im Schnitt 7 als früh- oder allenfalls hochmittelalterlich ausgewiesene Scherbe stammt von der Mündung einer Feldflasche mit unterrandständigem Henkelansatz (Abb. 10,10). Unter den Funden aus den alten Untersuchungen von 1907 bis 1913 befindet sich ein recht ungewöhnliches helltoniges Randstück (Abb. 10,11). Die Bildung des (Ösen-)Henkels durch Aufsetzen und anschließendes Durchbohren eines Tonbatzens auf den Rand eines schon fertiggestellten Topfes hat in Süddeutschland bei der frühmittelalterlichen Drehscheibenkeramik nur wenige Parallelen. Das Material einer merowingerzeitlichen Fundstelle in Mannheim-Vogelstang enthält ein Fragment, bei dem der Henkel die Gefäßmündung deutlich weiter überragt.35 Scheibengefertigte Töpfe mit aufgesetzten Ösenhenkeln sind auch vom fränkischen Niederrhein und aus seinen Nachbarregionen in den merowingischen und karolingischen Jahrhunderten anzuführen.36 So muß leider ungeklärt bleiben, ob das Heiligenberger Fragment fremder Herkunft ist, oder ob es sich um ein heimisches Erzeugnis handelt. In diesem Falle wäre es aufgrund der Helltonigkeit und der Rollstempelzier der älteren, gelbtonigen Drehscheibenware des späten 7. bis frühen 9. Jahrhunderts zuzurechnen. Erst bei genauester Betrachtung erkennt man, daß es sich bei einem merkwürdigen Wandstück (Abb. 10,12) um das Halsfragment einer Kanne des Tatinger Typs handeln muß. Die im fragmentierten Zustand wie eine breite Rinne wirkende Mittelpartie der Scherbe war einst die gefäßseitige Wandung einer schräggestellten Ausgußtülle, deren Einmündung ins Gefäßinnere am unteren Rand gerade noch andeutungsweise festzustellen ist.
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Gross (wie Anm. 33) Taf. 5,9. Batta bei Huy/Belgien: J. Willems, Le quartier artisanal de Batta à Huy. Archaeologia Belgica 148, 1973, 36 Abb. 15. – Dorestad/Niederlande: W. A. van Es/W. J. H. Verwers, Excavations at Dorestad 1. The harbour: Hoogstraat 1 (Amersfoort 1980) 91 Abb. 46,7. – Mayen: H. Eiden, Frühmittelalterliche Töpferöfen in Mayen. In: Ders., Ausgrabungen an Mittelrhein und Mosel 1963–1976. Trierer Zeitschrift, Beiheft 6 (Trier 1982) Taf. 246,B12.
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Abb. 11. Heiligenberg bei Heidelberg. Frühmittelalterliche Metallfunde. – M. 1: 2.
Sowohl die ungelenke Form der Tülle, welche sich im unteren Bereich einseitig unvermittelt verjüngt, als auch der sandreiche, dunkle Ton offenbaren, daß hier eine nur wenig gelungene Imitation einer Tatinger Kanne vorliegt. Aus dem Bestand an nichtkeramischen frühmittelalterlichen Kleinfunden sei zuerst auf die beschädigte Bronzenadel hingewiesen, die sowohl auf dem Nodus als auch auf Teilen des Schaftes Verzierungen trägt (Abb. 11,1). Nadeln mit oberen Schaftverdickungen sieht man, gestützt auf Lagebeobachtungen in ungestörten Frauengräbern, als Haarpfeile oder Mantelverschlüsse an.37 Dem Heiligenberger Stück ähnliche Nadeln, allerdings solche ohne genaue Entsprechungen des Nodusdekors, wurden im 6. und 7. Jahrhundert verwendet.38 Bei der im Ösenbereich abgebrochenen Bronzenadel (Abb. 11,2) fällt vor allem das deutlich abgebogene untere Ende ins Auge. Während gerade Ösennadeln aus Bronze oder Eisen in der gesamten Reihengräberzeit als 37
38
J. Möller, Zur Funktion der Nadel in der fränkisch-alamannischen Frauentracht. Jahrbuch RGZM 23/24, 1976/77, 14 ff. F. Garscha, Die Alamannen in Südbaden. Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit A 11 (Berlin 1970) Taf. 43,13 (Herten), 89,7.8 (Herten, Stockach-Rißtorf); W. Veeck, Die Alamannen in Württemberg. Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit 1 (Berlin 1931) Taf. 45,2 (Kirchheim/Neckar), 45,7 (Erbach bei Ulm).
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Teil der Trachtausstattung begegnen,39 gelten gekrümmte Ausführungen, sogenannte Sacknadeln, als charakteristische Bestandteile spätmerowingischer Männerbestattungen.40 Ein Ohrring aus Bronze mit kreisaugenverziertem, facettiertem Endknopf (Abb. 11,3) stammt wie etliche andere Metallfunde aus der Grabung im sogenannten Paradies westlich der Kirche. Ohrschmuck vergleichbarer Form ist, um Beispiele aus der näheren Umgebung zu zitieren, mehrfach aus dem jüngermerowingerzeitlichen Gräberfeld von Bargen im Kraichgau überliefert.41 Für die Ringe mit fast 4 cm Durchmesser aus dem dortigen Grab 33, welche dem Heiligenberger Stück größenmäßig entsprechen, kommt ein Zeitansatz zwischen 650 und 670 in Frage.42 Eine gestörte Bestattung im „Paradies“ lieferte einen kleinen Ring aus Bronzedraht mit zurückgeschlauftem Ende (Abb. 11,4), der wohl als unvollständiger Ohrring anzusprechen ist. In reihengräberzeitlichen Frauenbestattungen sind zwar auch schlichte Drahtringe als Ohrschmuck belegt,43 jedoch haben diese in der Regel andere Abmessungen.44 Von der Größe des Heiligenberger Ringes her wird man sich am wahrscheinlichsten eine Komplettierung durch einen Blechbommel vorstellen dürfen.45 Nach den Untersuchungen U. von Freedens an Funden des alamannischen Raumes ist mit dem ersten Auftreten von Bommelohrringen der älteren Form (mit zylindrischem Mittelteil) an der Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert zu rechnen,46 größter Wertschätzung erfreuten sie sich in
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Ein spätes Beispiel: Ch. Neuffer-Müller, Der alamannische Adelsbestattungsplatz und die Reihengräberfriedhöfe von Kirchheim am Ries (Ostalbkreis). Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 15 (Stuttgart 1983) Taf. 8,25 (Grab 50). F. Stein, Adelsgräber des 8. Jahrhunderts in Deutschland. Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit A 9 (Berlin 1967) 38; Neuffer-Müller (wie Anm. 39) 97 f. U. Koch, Die fränkischen Gräberfelder von Bargen und Berghausen in Nordbaden. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 12 (Stuttgart 1982) Taf. 10,A1 (Grab 11), 11,1.2 (Grab 14), 13,1.2 (Grab 18), 17,1.2 (Grab 29), 18,1 (Grab 30), 19,1.2 (Grab 33), 24,1 (Grab 43). Koch (wie Anm. 41) 47 f. A. R. Furger, Die ur- und frühgeschichtlichen Funde von Reinach/BL. Basler Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 3 (Derendingen-Solothurn 1978) Taf. 25,A678.679. Zu den Abmessungen: U. von Freeden, Untersuchungen zu merowingerzeitlichen Ohrringen bei den Alamannen. Bericht RGK 60, 1979, 391 (auch bei einem „schlichten“ Ring wäre die Datierung nicht vor 600 n. Chr. anzusetzen: ebd. 391 ff.). Beispiele: Freeden (wie Anm. 44) Taf. 82,l–7. – Eine kleine Silberblechkapsel kommt an einem Ring aus Wiesloch vor: E. Wahle, Der merowingerzeitliche Friedhof „Unterm Eichelweg“ bei Wiesloch. Neue Heidelberger Jahrbücher N. F. 1927, 153 Abb. 3,5. Freeden (wie Anm. 44) 378, 389.
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spätmerowingischer Zeit.47 Die jüngeren Ausführungen mit Kugelkranz werden seit dem letzten Viertel des 7. Jahrhunderts faßbar und reichen in die karolingische Epoche hinein.48 Zu den merowingerzeitlichen Kleinaltertümern gehört auch eine im Bereich der Nietlöcher und der rechten Längsseite beschädigte Riemenzunge (Abb. 11,5). Gegenstücke kommen aus Männergräbern der jüngeren Reihengräberzeit, wo sie als Bestandteil des Waffengürtels gelten. In Grab 48 des Friedhofs von Donzdorf war die zugehörige Leibriemengarnitur dreiteilig, in Grab 36 vielteilig.49 Daraus folgt, daß solche Riemenzungen im zweiten und dritten Viertel des 7. Jahrhunderts gängig waren. Dem Heiligenberger Stück vergleichbare Riemenenden erscheinen aber auch ohne Zusammenhang mit Spatha oder Sax in Frauengräbern. Ein frühes Beispiel, das möglicherweise noch dem ersten Viertel des 7. Jahrhunderts angehört, liegt in Grab 543 von Schretzheim vor.50 Nicht einzeln, sondern in drei Exemplaren, zum Teil verziert mit Querrillen, waren solche Bronzeriemenzungen in der Frauenbestattung 7 (1957) von Eislingen an der Fils aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts vorhanden.51 Der bronzene Ovalrahmen mit eingehängter Lasche (Abb. 11,6) stammt aus einer karolingischen Schicht innerhalb der Michaelskirche. Vergleichbare Objekte kommen in merowingerzeitlichen Reitergräbern vor,52 aber auch eine andere Zugehörigkeit, etwa zum Wehrgehänge, kann in Betracht kommen.53
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Freeden (wie Anm. 44) 378. Freeden (wie Anm. 44) 381. E. Neuffer, Der Reihengräberfriedhof von Donzdorf (Kreis Göppingen). Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 2 (Stuttgart 1972) Taf. 12,12. und 7,20. U. Koch, Das Reihengräberfeld bei Schretzheim. Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit A 13 (Berlin 1977) Taf. 139,17 (Stufe 4–5). Fundberichte aus Schwaben N. F. 15, 1959, 182 f. Taf. 43,A. – Paarig liegen solche Riemenzungen aus einem Frauengrab in Kaiseraugst/Schweiz vor: M. Martin, Das spätrömisch-frühmittelalterliche Gräberfeld von Kaiseraugst, Kt. Aargau. Basler Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 5 B (Katalog und Tafeln) (Derendingen 1976) Taf. 32,4.5 (Grab 469). P. Paulsen, Alamannische Adelsgräber von Niederstotzingen (Kreis Heidenheim). Veröffentlichungen des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege Stuttgart, Reihe A, Vor- und Frühgeschichte 12,I (Stuttgart 1967) Taf. 9,3e; P. Paulsen/H. Schach-Dörges, Das alamannische Gräberfeld von Giengen an der Brenz. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 10 (Stuttgart 1978) Taf. 20,3. U. Koch, Der Runde Berg bei Urach 5. Die Metallfunde der frühgeschichtlichen Perioden aus den Plangrabungen 1967–1981 (Sigmaringen 1984) 95. Zu den in Anm. 5 genannten Beispielen kann noch Grab 397 aus Kirchheim/Ries hinzugenommen werden: NeufferMüller (wie Anm. 39) Taf. 79,B8.
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Der interessanteste Schlüssel vom Heiligenberg, zugleich das einzige Exemplar aus Bronze (Abb. 11,8), ist heute nur noch als Kopie vorhanden.54 Der Altfund im Kurpfälzischen Museum zählt zu den frühmittelalterlichen Schlüsseln mit durchbrochenem, kreisaugenverziertem Griff. Gemeinsam mit etlichen weiteren karolingischen Stücken des südwestdeutsch-elsässischen Raumes bildet er eine eigene Gruppe (Schlüssel mit ovalem, geöstem Griff, deren Zentrum ein offenes Kreuz mit gleichlangen Armen einnimmt).55 Für den Blechfingerring mit einer Verzierung aus leicht erhabenen Buckelchen auf der verbreiterten Schauseite (Abb. 11,7) kennt man gute Entsprechungen aus awarischen und slawischen Frauengräbern des Mitteldonauraumes und aus Bestattungen der sogenannten Köttlach-Karantanischen Kultur im Ostalpengebiet. Während für die spätawarischen Exemplare eine Datierung in das fortgeschrittene 8. Jahrhundert vertreten wird,56 nimmt H. Friesinger für die slawischen Beispiele aus Niederösterreich das 9. Jahrhundert als Verwendungszeitraum an.57 Einschlägige Schmuckstücke faßt J. Giesler als Bestandteile seiner Stufe Köttlach I des fortgeschrittenen 9. und der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts auf.58 Seine Herkunft aus einem tiefen Abstich der ‚Paradies‘-Grabung westlich der Klosterkirche legt nahe, ihn mit einem zerstörten Grab im Gipfelbereich in Verbindung zu bringen. Wenn auch der Heiligenberger Ring aufgrund der geschilderten Fundlage innerhalb des ausgehenden ersten Jahrtausends nicht enger zu datieren ist, so kommt ihm doch für die Kenntnis der materiellen Kultur Süddeutschlands in dieser Epoche einige Bedeutung zu. Gemeinsam mit anderen Gegenständen östlicher Provenienz (zum 54
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Das Stück vom Heiligenberg wurde schon mindestens einmal unter falscher Fundstellenangabe („am Fuße des Heiligenberges“) abgebildet: R. Fahrenkrog, Der Schlüssel zum Haus. Der Heidelberger Portländer 1963, Heft 2, 3. – Vermutlich ist es auch identisch mit dem bei A. von Oechelhäuser, Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Heidelberg. Die Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden 8, Abt. 2 (Tübingen 1913) 566 Abb. 367 unter dem Fundort Kloster Lobenfeld (heute Gemeinde Lobbach-Lobenfeld, RheinNeckar-Kreis) aufgeführten Schlüssel, der schon damals im Heidelberger Museum verwahrt wurde. P. T. Kessler, Schlüssel aus spätmerowingisch-karolingischer Zeit. Mainzer Zeitschrift 27, 1932, 96 ff. (Gruppe II); ders., Teil 2, Mainzer Zeitschrift 29, 1934, 62ff.; ders., Nachtrag, Mainzer Zeitschrift 32, 1937, 116 Abb. 23,1.2. I. Kovrig, Das awarenzeitliche Gräberfeld von Alattyan. Archaeologia Hungarica, Ser. nova 40 (Budapest 1963) 166 ff. H. Friesinger, Studien zur Archäologie der Slawen in Niederösterreich. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 17/18, 1975/78, 96f. J. Giesler, Zur Archäologie des Ostalpenraumes vom 8. bis 11. Jahrhundert. Archäologisches Korrespondenzblatt 10, 1980, 85ff. mit Abb. 2,9.
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Beispiel die sogenannten Knöpfchenringe)59 könnten Stücke wie jenes vom Heiligenberg den Nachweis dafür erbringen, daß die in Schriftquellen der karolingisch-ottonischen Zeit für Gegenden am Ober- und Mittelrhein erwähnten sclavi (Slawen) tatsächlich hier ansässig waren.60 Für die unmittelbare Nachbarschaft des Fundortes, das direkt zu seinen Füßen gelegene Handschuhsheim, erwähnt der Codex Laureshamensis (CL II Nr. 341) zum Jahre 784 einen slawischen Grundbesitzer namens Bretzlawus.61 Im Bereich der Militaria sind Geschoßspitzen am zahlreichsten (Abb. 12,1–6), allerdings ist nur für die Spitze aus Schnitt 7 (Fläche VIII b) (Abb. 12,3) eine Datierung in die Zeit vor der Jahrtausendwende wirklich gesichert. Ein kleiner Eisensporn mit zu runden Ösen ausgeschmiedeten Schenkelenden liefert den bislang sichersten Beleg für die Anwesenheit frühmittelalterlicher Reiter auf dem Heiligenberg (Abb. 12,7). Die bandartig breite Ausgestaltung, der kurze Dorn und die geringen Abmessungen (innere Breite: ca. 7 cm, innere Höhe: 4,5 cm) verweisen den Fund zu den reihengräberzeitlichen Sporen, die seit dem 7. Jahrhundert häufiger vorkommen. Die meisten jüngermerowingischen Stücke sind allerdings mit laschenartig umgeschlagenen Schenkelenden versehen, in die die Befestigungsriemen eingehängt waren.62 Von der Form der Enden her am besten vergleichbar ist ein rillenverzierter Ösensporn aus Grab 171 in Bern-Bümpliz.63 Dieser weist aber mit fast 10 cm Länge von der Ösenspitze zur Dornbasis beträchtlich größere Abmessungen auf. Von ähnlich gedrungener Gestalt ist einer der paarig angetroffenen Sporen der Bestattung 20/1971 im baiuwarischen Reihengräberfeld von Garmisch-Partenkirchen.64 Die rund ausgeformten Enden der im Querschnitt dreieckigen Schenkel waren hier nicht als Ösen gedacht,
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Koch (wie Anm. 53) 43; G. P. Fehring, Unterregenbach. Kirchen, Herrensitz, Siedlungsbereiche. Die Untersuchungen 1960–1963, mit einem Vorbericht über die Grabungen der Jahre 1964–1968. Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in BadenWürttemberg 1 (Stuttgart 1972) Beil. 46 (UF 348, UF 748). U. Gross, Slavische und slavisch beeinflußte Funde zwischen Altmühl und Oberrhein. Die Welt der Slaven 35, Heft 2 = N. F. 14, Heft 2, 1990, 318 ff. E. Herrmann, Slawisch-germanische Beziehungen im südostdeutschen Raum von der Spätantike bis zum Ungarnsturm. Ein Quellenbuch mit Erläuterungen. Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 17 (München 1965) 68. R. Koch, Stachelsporen des frühen und hohen Mittelalters. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 10, 1982, 64; R. Moosbrugger-Leu, Die Schweiz zur Merowingerzeit (Bern 1971) Taf. 21,9. Koch (wie Anm. 62) 65 Abb. 1. E. Keller, Grabfunde der jüngeren Merowingerzeit aus Garmisch-Partenkirchen/Oberbayern. Archäologisches Korrespondenzblatt 3, 1973, 447 ff.
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Abb. 12. Heiligenberg bei Heidelberg. Frühmittelalterliche Metallfunde. – M. 1: 2.
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sondern für die Aufnahme von Nieten bestimmt, die die Riemen fixierten. Die ungleichen Maße der beiden Sporen ließen E. Keller annehmen, daß der besser erhaltene, kleinere möglicherweise ein Stück des 7. Jahrhunderts in einem Grab der Zeit nach 700 darstellt. Zweifellos jünger als unser Heiligenberger Sporn ist ein Exemplar vom Runden Berg bei Urach, das die Lebensdauer solcher Konstruktionen über das Ende der Reihengräberzeit hinaus dokumentiert.65 Für die Ermittlung der Zeitstellung des Schildfesselfragmentes (Abb. 12,8) scheint besonders der massiv rechteckige Querschnitt der im oberen Ansatz erhaltenen Stange hilfreich zu sein. Bei den über die langrechteckige Griffplatte der vor- und frühmerowingischen Schilde hinauswachsenden Halterungen des 6. und früheren 7. Jahrhunderts sind bandförmig flache Stangen geläufig.66 Eine Stangenstärke wie an der Heiligenberger Fessel besitzt ein Exemplar aus Grab 1 von Unterjesingen bei Tübingen.67 Die Form des zugehörigen Umbos (Buckel mit hoch aufgewölbter, deutlich abgesetzter Kalotte) und die weiteren Ausstattungsgegenstände (streifentauschierter Schlaufensporn, schlanke Lanzenspitze mit achteckiger Tülle) verweisen hier auf das ausgehende 7. Jahrhundert als Verwendungszeit. Mit einer Klingenlänge von mehr als 21 cm (die Spitze ist abgebrochen) und einer Klingenbreite von 3,4 cm gehört das einschneidige Objekt (Abb. 12,9) wohl kaum zu den Messern. Die Abmessungen wie auch der leicht bogenförmig geschwungene Verlauf des Rückens oder die Art der Überführung der kräftigen Griffangel in das Blatt finden sich wieder bei Hiebwaffen der Merowingerzeit. Im fränkischen Gräberfeld am Bernerring in Basel68 und in der alamannischen Nekropole von Schretzheim69 treten solche sogenannten Kurzsaxe in Bestattungen aus dem mittleren 6. Jahrhundert bzw. den Jahrzehnten zwischen etwa 525 und 565/570 auf. Aber auch Grab 2 in Niederstotzingen, das wohl erst im frühen 7. Jahrhundert angelegt wurde, enthielt neben einer dreiteiligen Gürtelgarnitur einen Sax mit 22 cm langer und 3,4 cm breiter Klinge, der gleichfalls noch zu den Kurzsaxen gerechnet werden muß.70 Da freilich keinerlei Fundzusammenhänge für die Gegenstände aus den alten Untersuchungen von 1907 bis 65 66
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Koch (wie Anm. 53) 85 f. Taf. 9,7. Beispiele bei Garscha (wie Anm. 38) Typentafel C,A; Moosbrugger-Leu (wie Anm. 62) Taf. 19,3a. Fundberichte aus Baden-Württemberg 2, 1975, Taf. 317,A2; Stein (wie Anm. 40) 293 Abb. 44,12. M. Martin, Das fränkische Gräberfeld von Basel-Bernerring. Basler Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 1 (Basel, Mainz 1976) 44 ff. Koch (wie Anm. 50) 105 f. Paulsen (wie Anm. 52) Taf. 14,2 und 85,1.
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Abb. 13. Bauskulpturfragment aus dem Areal von St. Michael auf dem Heiligenberg.
1913 überliefert sind, zu denen auch das hier behandelte Objekt gehört, kann mit Blick auf ähnliche spätmittelalterliche Dolchklingen ein merowingerzeitliches Alter nicht mit absoluter Sicherheit postuliert werden. Zusätzlich zu diesen keramischen und metallenen Materialien sei wenigstens ein kleines steinernes Stück – bezeichnet als „St. Michael 1907/13“ – vorgelegt, welches uns wertvoll und problematisch zugleich erscheint (Abb. 13).71 Es ist das Fragment eines zierlichen ‚korinthischen‘ Vollblattkapitells, gefertigt aus einem rechtsrheinisch unseres Erachtens unbekannten Gestein, nämlich einem dichten, hell bräunlichweißen PisilithKalk, der am ehesten an den Braunjura Lothringens erinnert, die Sichtflächen geschliffen, eine qualitätvolle Arbeit. Ist das Kapitell antik, etwa als 71
Nr. 75 des von Verf. (P. Marzolff) angelegten provisorischen Katalogs der baubezogenen Altfunde.
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Geschenk eines Ost-Galliers? Ist es frühmittelalterlich und dann etwa durch Lorschs Beziehungen nach Westen vermittelt – Lorsch, wo ebenfalls die Herkunft mancher Steinsorten noch im Dunkeln liegt? Wir selbst bevorzugen zur Zeit eine Datierung in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts;72 die à-jour gearbeiteten Eckvoluten sind der karolingischen Kapitellskulptur nicht fremd, ähnlichste Beispiele: Aachen Münster (794–798), Höchst St. Justinus (um 834). Welchem – sakralen? weltlich-repräsentativen? – Zusammenhang das letztgenannte Fundstück (falls frühmittelalterlich) zuzuordnen ist, läßt sich nicht mehr klären. Im übrigen verteilt sich – siehe oben – das Fundmaterial auf Grabgut, Siedlungsgut und auch Militaria. Es führt in die Zeit, in der sich die mittelalterliche Besiedlungsstruktur des Rhein-Neckar-Gebietes formierte (Abb. 2), mit zahlreichen Dörfern (von welchen nicht alle überleben sollten) – wenn nicht an Siedlungsbefunden, dann doch an (Reihen-) Gräberfeldern kenntlich. Städtisches Zentrum ist, in ganz ‚rheinischem‘ Sinne, weiterhin Ladenburg (Lopodunum; man beachte die Namenskontinuität!), als civitas publica (mit palatium) einer der Stützpunkte des Königtums am nördlichen Oberrhein (welcher freilich im 9. Jahrhundert dem – ohnehin im geistlichen für unsere Gegend zuständigen – Bischof von Worms als künftige Zweitresidenz überlassen werden wird).73 Dazu nun noch eine dritte Kategorie, eben der Sonderfall der autonomen Höhensiedlung auf dem Aberinsberg, welche freilich erst um 870, ohne Nennung ihres Status, bzw. 882, als ein königliches Besitztum mit allerhand Zubehör, in der schriftlichen Überlieferung aufscheint. Die landesgeschichtliche Forschung hat nichtsdestoweniger, schon vor dem jüngsten Zuwachs an archäologischer Erkenntnis, für den gesamten betrachteten Zeitraum hier den „wohl befestigten Sitz einer Königsgutsverwaltung“, den – Ladenburg sekundierenden – Mittelpunkt eines „größeren Reichsgutskomplexes“ gesucht.74 Zum Aspekt der Befestigung haben wir uns schon oben geäußert. Wie steht es mit dem ortsfesten Grabungsbefund intra muros, welcher sich wohlgemerkt auf das Areal des Michaelsklosters auf dem Hauptgipfel beschränkt? Die erste Phase nach der Demolierung des Heiligtums sehen wir, mangels neuer Baubestände, auch noch im Anhang zur Antike. Gleichwohl breiten sich in ihr die ersten Generationen der Gräber aus, die durch viele 72
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Stellungnahmen von St. Kummer (Würzburg), 5. 4. 1987: durchaus karolingisch, von Ch. Sapin (Dijon), 6. 3. 1988: eher antik als (burgundisch-)karolingisch. – Vom gleichen Material ein Lorscher Vollblattkapitell im Hessischen Landesmuseum. H. Maurer, Ladenburg. In: Die deutschen Königspfalzen 3: Baden-Württemberg (1988 ff.) 332–354. M. Schaab in: F. Knöpp (Hrsg.), Die Reichsabtei Lorsch I (Darmstadt 1973) 543f.
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Phasen hindurch den Westhang des Gipfels einnehmen werden. Die Erwachsenen (dabei ein Berittener) liegen in Erd- oder Steinkranzgräbern, Kindern hingegen wird mit Plattengräbern größerer Aufwand gegönnt. Im Hauptraum der Tempelruine trifft eine große (Raub-?)Grube eigenartigerweise ziemlich genau eine eben hier schon in vorrömischer Zeit angelegte große Grube. In sie hinein wird – eine Grube sucht, nach Ausgräbererfahrung, die andere – hernach jenes ‚Zentralgrab‘ eingetieft, welches in der Folge noch weitere Saal-Gräber um sich scharen soll. Von den 18 mittelalterlichen Bauphasen des Komplexes ‚St. Michael‘ seien hier die ersten fünf besprochen. Ihr Rhythmus scheint ein zunehmend unregelmäßiger zu sein, und das Kleinfundgut ist, wie man bereits bemerkt haben wird, chronologisch nicht in der Weise empfindlich, daß es die kürzeren dieser Phasen voneinander scheiden könnte, ganz abgesehen von dem schwachen Anteil des noch ungeschoren stratifizierten; münzdatiert ist erst Teilphase III D 2 (um 1000). Bauphase I A dürfte zwischen dem zweiten Viertel des 7. Jahrhunderts und dem dritten Viertel des 8. Jahrhunderts anzusetzen sein (Abb. 14). Zunächst wird im Westen ein kleines Bauwerk in das existierende – stellenweise übrigens schon geplünderte – Gräberfeld hineingesetzt. Es ist eine auffallend solide gemauerte, vielleicht überwölbte Kammer mit einer geringen Wandausbuchtung – einem Apsis-Rudiment? Aufgrund einer bestimmten Spur ist auch hier mit einem Binnengrab zu rechnen, – wir hätten dann eine Art Double des knapp oberhalb befindlichen und in einem durchaus noch spätantiken – eigentlich ‚linksrheinischen‘ – Sinne neu genutzten Tempeltorsos. Außerhalb dieser beiden Mausoleen werden weitere Gräber angelegt, mit Platten nun anscheinend auch für Erwachsene sowie, als Sammelgrab, für umzusetzende Gebeine aus betroffenen älteren Gräbern; dies ist der Auftakt zu dem cantus firmus eines respektvollen Umganges mit Vorgänger-Relikten, welcher in unserer Sicht schließlich, im Neubau des 11. Jahrhunderts, zu der Einfügung einer gesonderten (West-)Krypta als monumentalen Rahmens eines kollektiven Totengedächtnisses führen wird. In der nächsten Teilphase wird die mutmaßliche Apsidiole des kleinen Mausoleums anscheinend verstärkend ummantelt und in einer der nachfolgenden Teilphasen derselben knapp westlich, nicht genau parallel, ein Bau unbekannten Umfanges vorgesetzt. Von diesem erhielt sich uns, als einziges Überbleibsel, ein Ausschnitt der Bemalung seiner Ostwand (Taf. 3,1); diese nämlich, ohnehin dem Druck des vorgenannten Bauwerks ausgesetzt und bereits einmal ausgebessert, war bei einem Hangrutsch vornübergekippt und bergend verschüttet worden. Der Abschlußfries in Form eines professionell ausgeführten, perspektivischen Mäanders zeugt schon durch Verwendung des seltenen Blaupigments von bemerkenswer-
Abb. 14. St. Michael auf dem Heiligenberg, Bauphasen IA-C.
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tem künstlerischem Anspruch; ist unsere augenblickliche Datierung in das erste Viertel des 8. Jahrhunderts zutreffend, dann ist er unabhängig von dem ja erst ein halbes Jahrhundert später sich entfaltenden Kunstzentrum Lorsch und weithin ohne Vergleichbares.75 In einer früh in dieser Phase einzuordnenden Grube erscheint erstmals die für das fortgeschrittene Frühmittelalter hierzulande so charakteristische gelbtonige Drehscheibenkeramik, wie sie oben bereits beschrieben wurde. Ungefähr in der gleichen Zeit greift eine Maßnahme auf dem unteren Westhang, entgegen der allgemeinen Tendenz zur Aufschüttung, flächig bis ins vorrömische Substrat ein (was zum Abgang von Baubestand des Oberhanges beigetragen haben mag). Vielleicht besteht ein Zusammenhang damit, daß der (sanftere) Gipfelsüdhang vor längerer Zeit einmal terrassierend überformt worden ist – anläßlich eines Versuches, das hier und da, von Felsbank zu Felsbank etwas lehmige Terrain bescheiden zu bewirtschaften? In Bauphase I B (Abb. 14) wird das ‚kleine Mausoleum‘ wieder verfüllt und der – ja nur kurzlebige – ausgemalte Bau fast fluchtidentisch durch ein zweiteiliges winkelförmiges Gebäude ersetzt, mit welchem sich ein rechtekkiger Gehöftsumriß abzuzeichnen beginnt, der sich auf Dauer immer wieder durchpausen wird. Grabplatten können in dem Mauerwerk als Spolien identifiziert werden. Hinter dem Westflügel gibt es eine Grubenhütte, eine weitere möglicherweise weit im Osten. Die erste Hütte hat aber bald einem rückwärtigen Zugang zum Neubau, von dem einstigen Tempel her, zu weichen. Dessen im neuen Zusammenhang störende Apsis wird beseitigt, um ihren verbliebenen Fuß eine Drainage-Lage von zusammengeklaubten antiken Dachziegeln aufgeschüttet und beide mit einem Erdreich abgedeckt, das nun reichlich von der gelbtonigen Keramik in ihrer frühen Ausprägung enthält. Anscheinend konzentriert sich in dieser Phase, das heißt zwischen rund 760 und rund 830, das Bestattungswesen auf den verbliebenen Tempelsaal. Weiterhin werden sowohl männliche als auch weibliche Erwachsene und Kinder zumeist in Plattengräbern beigesetzt (Taf. 3,2); in einer mittleren Teilphase ist eventuell im Zentralgrab ein Inliegertausch vorgenommen worden gegen einen kleinwüchsigen jüngeren Mann (wie überhaupt die innen bestatteten von eher zierlichem Körperbau sind). Zuletzt erhält der Begräbnissaal einen Estrich. In Phase I C (Abb. 14) bleibt das vorige im Prinzip bewahrt, dies allerdings mit einer deutlichen Schwerpunktverlagerung nach Osten, zur höchsten Partie des Gipfels hin. Die massive Westhangbebauung verschwindet – infolge neuer Terrainbewegung? – bis auf einen abgemauerten Rest. In einer 75
Zum Motiv K. Hecht, Die sogenannten perspektivischen Mäander. Stuttgarter Diss. 1945 (Typoskr.).
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Entfernung von rund 45 m bildet ein Gebäude die östliche EnsembleBegrenzung. Hinzu kommt in dieser Richtung ein freistehendes Bauwerk von rund 6,10 × 6,45 m lichter Abmessung, etwas eingetieft (was auf ein gestelztes Hauptgeschoß schließen läßt, siehe Taf. 4,1) und seinerseits unter Verwendung von entnommenen Grabplatten errichtet, im aufgehenden mit mindestens einer Bogenöffnung versehen. Wir messen diesem mutmaßlichen Wohnturm eine spezielle Bedeutung zu, blieb er doch inmitten vieler Veränderungen bis in das zweite Viertel des 11. Jahrhunderts bestehen, um in Bauphase IV C planmäßig abgetragen zu werden – tangiert bereits von neuen Flügelbauten, deren außerordentliche Abmessungen mehr an eine Pfalz denn an eine monastische Behausung gemahnen. Während sich am Westrand des Gipfels ein kirchlicher Pol (stets mit sepulkraler Zusatzfunktion) entwickeln sollte (s. u.), dürfte dieser ‚Wohnturm‘ einen Pol anderer Art darstellen, der weitere Baulichkeiten an sich zog und vielleicht sogar den Entschluß bewirkte, die Wohn- und Wirtschaftsbauten der salischen Epoche im Osten, das heißt axial hinter der Kirche anzulegen. Seit spätkarolingischer Zeit eine erklärte Außenstation der Reichsabtei Lorsch (welche auch nach dem Investiturstreit nie ins Lager der reichsfeindlichen Reformklöster wechseln wird), dürfte Aberinsburg nach wie vor dem König offen gestanden haben, und für Konrad I. ist es auch klar überliefert; so wird denn von der diesbezüglichen Forschung der Heiligenberg als ‚nachweislicher königlicher Aufenthaltsort‘ (Kategorie B; die notorischen ‚Pfalzen‘ = Kategorie A) eingestuft.76 Vielleicht erklären sich eben einige Besonderheiten des früh- bzw. hochmittelalterlichen Komplexes ‚St. Michael‘ von dem Erörterten her.77 Noch nachzutragen für I C ist die erneute Anlage von Bestattungen in dem wieder freien Westhang (dabei die einer Frau mit verheilter Schädelverletzung); das erschlossene Grab einer Slawin (s. o.), zutreffendenfalls nicht das einzige Indiz slawischer Anwesenheit am und im Odenwald, könnte gut in diese Phase gehören. Noch weiter unten (wo man inzwischen mehrmals wiederaufgeschüttet hatte) gibt es eine Grubenhütte sowie eine unbestimmbare Pfosten-Gruben-Vorrichtung, eine weitere Grubenhütte möglicherweise im Norden. Es ist verlockend, eben in dieser Zeit den schon erwähnten Querwall entweder neu erbaut oder (falls älter) wiederhergestellt und damit den Hauptgipfel als Einheit höheren Ranges ausgesondert zu sehen.
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H. Maurer, Heiligenberg. In: Die deutschen Königspfalzen 3: Baden-Württemberg (1988 ff.) 165–175. Einen annähernden Parallelfall im Bereich der Reichsabtei Hersfeld behandelt P. Donat, Gebesee – Klosterhof und königliche Reisestation des 10.–12. Jahrhunderts. Weimarer Monographien zur Ur- und Frühgeschichte 34 (Stuttgart 1999).
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Abb. 15. St. Michael auf dem Heiligenberg, Bauphase II.
Ein Brand erfaßt den Tempelrest, und darauf ändert sich in Bauphase II das Bild im westlichen Sektor des entstandenen gehöftartigen Bezirks (Abb. 15). Es werden die antiken Bauteile in einen ost-westlich langgezogenen, kastenförmigen Neubau einbezogen. Sie geben dessen Breite von rund 9,25 m vor und unterteilen ihn, einen neuen (Lehm-)Estrich einschließend, zweifach. Hinzu kommen mindestens ein seitlicher Ost-Annex sowie, in Fundament und Fuß der auffällig starken Westwand ausgespart, sicher zwei (möglicherweise drei) eingewölbte kleine Grüfte; in einer derselben fanden sich noch Gebeine von mindestens zwölf Personen deponiert, darunter wiederum Erwachsene und Kinder beiderlei Geschlechts. Neue Gräber, zum Teil wechselnd mit Gruben, finden sich zu Seiten des Neubaues ein,
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sichtlich mit Bezug zu demselben. Es liegt nahe, in diesem architektonischen Novum eine wirkliche Kirche zu sehen; sie stünde einem Typ nahe, der aus fortgeschrittener karolingischer Zeit vor allem im klösterlichen Milieu des südlichen Mitteleuropa nachgewiesen ist (so in Esslingen, Frauenchiemsee, Maursmünster, Schuttern, Schwarzach). Haben wir das monasterium vor uns, das der Lorscher Abt Thiotroch zwischen 863 und 875 auf dem Berge errichtete? Nicht außer acht gelassen sei, daß zu seiner Zeit die eine Tagesreise entfernte Abtei noch nicht offiziell als Hausherr in Aberinsburg auftreten konnte, daß genau genommen der Platz dem Vermögen der Königin zugeteilt war.78 Handelte es sich etwa um ein Frauenkloster, nach dem Vorbild von Hohenburg auf dem Odilienberg? Der stark unterteilte Grundriß der Kirche schließt es unseres Erachtens nicht aus, man müßte dazu freilich eine ad-hoc-Umwidmung der übrigen Gebäude auf dem Gipfel annehmen.79 Welcher Art sie auch sei, es hindert die neue Disposition am Gipfelrand nicht daran, auch unten im Hang zu bestatten wie zuvor (wobei man sich teilweise von der vom antiken Bau diktierten Orientierung freimacht); es wurden kaum Lebensalter von mehr als 60 Jahren konstatiert. Kirchenbau II wird, obgleich von kräftiger Bauweise, unvermittelt wieder aufgegeben und durch einen recht andersartigen ersetzt (Abb. 16). Nach wie vor bleiben Teile des antiken Bauwerks beibehalten (und werden auch, wenn sie nicht mehr oberirdisch sichtbar sind, den Ort und die Ausrichtung von St. Michael bis zum Ende seiner Baugeschichte fixieren, siehe Taf. 4,2).80 Im übrigen ist der Bau III A, bei nordwärts versetzter Achse, relativ klein. Er ist dreiteilig in dem Sinne, daß ein schmaler Saalbau mit Apsis und mit West-Abteil (dem Tempelrest nämlich) im Norden, Süden und Westen von einem umlaufenden Flügel – kaum wirklichen Seitenschiffen – eingefaßt wird. In den Beginn dieser Phase kann die erste von mehreren Wiederöffnungen des (noch immer irgendwie markierten?) Zentralgrabes fallen. Anscheinend schon vor seiner völligen Ausführung wird dieser 78 79
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Maurer (wie Anm. 76) 170. Bei Ludwig/Marzolff (wie Anm. 1) 67, werden zwei Chronologien diskutiert, eine ‚lange‘ und die jetzt vorgezogene ‚kurze‘. Mit der ersten wäre ein anonymer Bauherr der Mitte des 8. Jhs. zu akzeptieren, was archäologisch gesehen möglich ist; Thiotroch wäre dann der Bauherr von III A. – Allgemein zur Einrichtung von monasteria in bzw. bei karolingischen Reichsburgen (dabei Aberinsburg): G. Streich, Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters. Vorträge und Forschungen, Sonderband 29 (Sigmaringen 1984) 135 ff. Einen zeitlich zwar nicht so weit gespannten, aber gleichfalls die Zäsur Antike/Mittelalter überwindenden rechtsrheinischen Fall baulicher Kontinuität bietet Zullestein, gleichfalls als königlicher Hof (mit Kapelle) 846 an Lorsch übergeben: W. Jorns, Archäologisches Korrespondenzblatt 3, 1973, 75–80; F.-R. Herrmann, Der Zullenstein an der Weschnitzmündung. Archäologische Denkmäler in Hessen 82 (Wiesbaden 1989).
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Abb. 16. St. Michael auf dem Heiligenberg, Bauphase III A; punktiert der Umriß von IV C.
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wenig anspruchsvolle Bau in bedeutsamer Weise erweitert, und zwar werden die östlichen Enden des Umlaufflügels durch ausladende Kapellen mit je eigener Apsis – im Grundriß querhausähnlich – ersetzt, auch werden eine größere Hauptapsis und hangseitig eine stärkere Westwand errichtet. Auf dem Westhang bestattet man weiter (und wird bis in Phase III C dabei bleiben). Dazu sind hier wieder Gruben (zum Teil schlackenhaltig) und Pfosten zu bemerken sowie, in 40 m Entfernung von der Kirche, eine flüchtige Terrassenmauer, durch Berme von einem vorgelagerten Graben getrennt – ein Annäherungshindernis? Im Osten schließlich beginnt sich ungefähr ab dieser Phase die Bebauung zu verdichten, und zwar mit einem ans Südende des Ostgebäudes anstoßenden Gebäude, knapp neben dem beschriebenen ‚Wohnturm‘. Geht Bau III A nun, gemäß dem oben gesagten, nicht bereits auf Thiotroch zurück, dann fällt er wohl in die Zeit nach Übertragung von Burg und (wo zu lokalisierendem?) Zubehör an Lorsch, also nach 882. Bis zum Jahre 1023, als mit der förmlichen Einrichtung einer – von der Mutterabtei ihrerseits im Prinzip abhängig bleibenden – Propstei eine reguläre mönchische Niederlassung geschaffen wird, erfahren wir eigentlich nichts über den Status dieser, von ihren Einkünften her wichtigsten Dependance (welche übrigens nicht in der gleichen Diözese lag; Lorsch gehörte zum Mainzer Sprengel, was sich dereinst als konfliktträchtiger Umstand erweisen sollte). Vom Bautyp her mutet der Kirchenbau III A eher wie eine Memorialkirche, als Ziel von Wallfahrt und individuellem Bestattungswunsch an. Ein erneuter Brand läßt ihn nicht alt werden, es folgen ab dem Ende des 9. Jahrhunderts Umbauten und ansehnliche Erweiterungen sowie tatsächliche (primäre und sekundäre) Binnenbestattungen, womit wir den uns heute gesetzten Zeitrahmen schon verlassen haben; ab dem Anfang des 11. Jahrhunderts wird dann, nicht ohne wiederholte Anläufe und Rückschläge, jene neue Anlage (IV) realisiert, welche auch als Ruine noch in unseren Tagen zum bedeutendsten Architekturerbe des Landes gehört. Eine weitere Nachricht – welche gemäß vorgetragenem die Bauphase III A betrifft – ist noch zu bewerten. 890/91 ist erstmals von einer basilica sancti Michaelis archangeli die Rede, als Empfängerin einer Schenkung aus dem umgebenden Lobdengau;81 so in der Folge dann häufig. Ob diese Widmung auch schon für den ersten nachgewiesenen Kirchenbau (II) galt, muß offen bleiben. Worauf geht sie, so oder so, zurück? Eine Forschungsmeinung will die höhengebundene Michaelsverehrung im christlichen Westen ab der Mitte des 9. Jahrhunderts und auf dem Wege über Oberitalien vom
81
Chronicon Novaliciense, hrsg. v. G. H. Pertz, MGH SS 21 (Hannover 1846) 379.
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Kult des Erzengels auf dem Monte Gargano hergeleitet wissen.82 Dies trifft in einigen Fällen, so auf dem Mont Saint-Michel bei Avranches, aufgrund entsprechender Überlieferung zu. Auch ohne eine solche haftet aber der Michaelskult, diesseits und jenseits des einstigen Limes, nicht selten just an Stätten, an denen ein vorhergehender paganer Kult nachgewiesen oder wahrscheinlich ist (so im Hinterland des Heiligenberges bei Böttingen, in der Runingenburg ob Cleebronn, bei Sinsheim). Wir wissen nicht, wann und woher Michael an den Neckar kam. Wir können uns jedoch vorstellen, daß er sich in besonderem Maße anbot, die schlummernde Zuneigung zu einer heidnischen Gottheit von der Art des Seelenführers Merkur oder des jenem antwortenden Odin an sich zu ziehen. Vergleichbares hatte es achthundert Jahre früher gegeben. Vor Verlassen des Berges halten wir kurz auf dem Vorderen Gipfel an, auch wenn er dem Augenschein nach nichts aus Völkerwanderungszeit und frühem Mittelalter bietet. Überliefert sind hier die Gründung eines oratorium um 1090 und die anschließende Einrichtung einer zweiten Propstei, 1094. Die ältesten Teile der vorhandenen Ruine zeigen denn auch typische Einzelformen der entsprechenden Jahrhundertwende. Gleichwohl ist der Kirchengrundriß dieser Phase, mit durchgehendem Querhaus und übergroßer Apsis, auffallend altertümlich. Auch scheint der Bau anfänglich nicht frei gestanden zu haben, sondern an einen beschneidenden Mauerzug (Bezirksmauer?) angelehnt gewesen zu sein; neben der Kirche, wo in die Tiefe gegraben wurde, hat ein spätmittelalterlicher (auch ein wenig Römisches enthaltender) Planierhorizont das prähistorische Substrat gekappt. Nichts ist bekannt über das Motiv der Wahl von Stephan und Laurentius, zweier ausgesprochen ‚früher‘ Patrone. Ein heiliger Berg ist der Aberinsberg insofern geblieben, als er sich seine Geheimnisse nicht ohne weiteres entreißen läßt. Vielleicht wird im Falle, daß eine kommende Generation erneut die Höhensiedlungen zwischen Ardennen und Adria einer Tagung für wert hält, auch von ihm noch Neues zu berichten sein.
82
Th. Baumeister, Römische Quartalschrift 83, 1988, 203ff.; ders. (wie Anm. 8) 1012 f.; ders. in: Memoriam Sanctorum Venerantes. Festschrift V. Saxer. Studi di antichità cristiana 48 (Roma 1992) 11–19 (mit dem Fall ‚Heiligenberg‘, 12 ff.). – Noch nicht zugänglich war uns P. Bouet/G. Otranto/A. Vauchez (Hrsg.), Culte et Pèlerinages à Saint Michel en Occident. Kolloquium Cerisy-la-Salle, Mont-Saint-Michel 2000. Collection de l’École Française de Rome 316 (Rom 2003).
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2 Tafel 1. 1 Blick vom linken Neckarufer nach Ostnordost, zum Heiligenberg, 2 Äußerer Heiligenberg-Wall, beim Bittersbrunnen.
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1
2 Tafel 2. 1 Tempel-Apsis unter St. Michael, samt prähistorischem Substrat bewahrt zwischen Mauerzügen der Phasen III A (nördlich) und III D (südlich), 2 Silbernes Votivtäfelchen für Merkur, aus dem Tempel unter St. Michael (mit Ausreiß-Spur).
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2 Tafel 3. 1 Wandmalerei-Ausschnitt aus St. Michael I A (nach Restaurierung), 2 St. Michael, Kindergrab der Phase I B im ehemaligen Tempel (vor Öffnung).
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1
2 Tafel 4. 1 St. Michael, ‚Wohnturm‘-Unterbau der Phase I C, 2 Grabung im Langhaus von St. Michael, mit Mauerzügen des antiken Tempels, der Kirche III A, der Kirche II (von Osten nach Westen).
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 165–183 Der ·Breisacher Münsterberg © Copyright 2008 Walter de Gruyter Berlin · New York
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Der Breisacher Münsterberg: Die Befestigung des Berges in spätrömischer Zeit Marcus Zagermann
1. Einleitung Die befestigte und unbefestigte Besiedlung von erhöht liegenden Plätzen1 tritt in der Spätantike nicht nur in germanischen, sondern auch in römischen Zusammenhängen gehäuft auf, stellt aber keine Neuerfindung dieser Zeit dar. Vielmehr war in der Frühzeit der römischen Expansion in die nordalpinen Gebiete gerade diese Siedlungsform von besonderer Bedeutung.2 Somit stellen die spätrömischen Höhensiedlungen in gewisser Weise einen Rückgriff auf bereits bekannte Traditionen dar. Die Gründe hierfür sollten für jeden Einzelfall geprüft werden. Der Münsterberg von Breisach befindet sich in exponierter Lage (Abb. 1). Heute bestimmt das Münster die Ansicht des Berges, in der Spätantike war es die römische Befestigung, die sich über die Rheinaue erhob. Da am gesamten Oberrhein die spätrömischen Befestigungen zumeist in der Ebene liegen, fällt die Berglage von Breisach auch in dieser Hinsicht auf. Noch existieren kaum verbindliche Kriterien zur Ansprache von Höhensiedlungen – einzige Gemeinsamkeit ist in aller Regel die Höhenlage –, weswegen eine eingehende Betrachtung des Ortes im Hinblick auf diese Tatsache lohnend erscheint. Die Frage nach dem Grund einer Ansiedlung 1
2
Eine Definition des Begriffes Höhensiedlung oder eine Unterteilung verschiedener Typen dieser Siedlungsform existieren bislang nicht. Daher ist es vonnöten, diese Phänomene zunächst in ihrer Gesamtheit zu sammeln, um dann etwaige Differenzierungen vorzunehmen. Genannt seien hier nur einige herausragende Beispiele wie das Handelszentrum auf dem Magdalensberg in Noricum (G. Piccottini, Die Stadt auf dem Magdalensberg. Geschichte – Handel – Kultur. In: H. Straube [Hrsg.], Ferrum Noricum und die Stadt auf dem Magdalensberg [Wien, New York 1996] 168–187), die Siedlung auf dem Auerberg (Ch. Flügel, Der Auerberg III. Die römische Keramik. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 47 [München 1999] 130 ff.) oder die mittlerweile als militärisch angesprochene Anlage auf dem Petrisberg über Trier (H. Löhr, Das frührömische Militärlager auf dem Petrisberg bei Trier. Landesgartenschau und Archäologie. Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 35, 2003, 21–30).
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Marcus Zagermann
Abb. 1. Ansicht des Münsterberges von Westen (nach Fingerlin 1972).
auf der Höhe – die Nachteile3 gegenüber einer Siedlung in der Ebene scheinen offensichtlich – sind daher in diesem Fall von Breisach besonders interessant.
2. Topographie und natürliche Befestigung Heute auf dem rechten Rheinufer gelegen, befindet sich Breisach auf halber Strecke zwischen Basel und Straßburg, ca. 4 km südwestlich des Kaiserstuhls. Der Breisacher Münsterberg ist vulkanischen Ursprungs, liegt knapp 40 m über dem Niveau der ihn umgebenden Flußaue und fällt nach Süden, Westen und Osten hin steil ab.4 Lediglich die Nordseite senkt sich
3
4
Neben den Schwierigkeiten beim Bau einer solchen Anlage treten diese Nachteile vor allem in versorgungstechnischer Hinsicht besonders stark hervor. Versorgung mit Frischwasser und Bevorratung mit Lebensmitteln stellen bei einer Siedlung auf der Höhe einen immensen Mehraufwand dar. Vgl. den Beitrag von Ch. Bücker S. 185 ff. in diesem Band.
Der Breisacher Münsterberg
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Abb. 2. Plan der Rheinebene von A. Cestre. Mittig der Breisacher Münsterberg (aus Nuber/Reddé 2002).
wesentlich sanfter (vgl. Abb. 1) und bot so eine ideale Zufahrtsmöglichkeit für das spätere Castrum. Das heutige Plateau von ca. 500 × 200 m Ausdehnung ist das Ergebnis unterschiedlicher Eingriffe. Wohl in der späten Hallstatt- bzw. frühen Latènezeit wurde begonnen, die ehemals zwei Erhebungen durch Auffüllung der dazwischen liegenden Senke zu einem einzigen Plateau umzugestalten. Bis in das Mittelalter hinein wurde schrittweise die gegenwärtig leicht wellig erscheinende Oberfläche durch Planierungen geschaffen.5 Die antike Topographie ist heute vor Ort nur noch schwer zu erschließen. Dies liegt an mehreren, fast vollständigen Zerstörungen der späteren Stadt Breisach, dadurch bedingten Neuaufbauten und bis in jüngste Zeit reichenden Terrassierungen zur Anlage von Rebgärten. Die natürlichen Gegebenheiten lassen den Platz wie geschaffen für einen festungsartigen Ausbau erscheinen: Die schon erwähnten steil abfallenden Seiten des Plateaus erfuhren durch den antiken Rheinverlauf eine weitere, natürliche Fortifikation. Vor der Rheinkorrektion im 19. Jahrhundert war 5
Die Datierung der Auffüllung basiert auf Beobachtungen von R. Nierhaus. Nierhaus 1940b, 100 mit Anm. 9.
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der Fluß weit verzweigt und konnte bei Hochwasser seinen Verlauf schnell ändern (Abb. 2). Die kontrovers diskutierte Frage der genauen Lage Breisachs ist durch R. Nierhaus’ Bemerkung derzeit immer noch am besten zu beantworten: „Die beiden Hügel [gemeint sind Eckartsberg und Münsterberg; Anm. des Verf.] liegen ziemlich genau in der Mitte des alten Hochwassergebietes aus der Zeit vor der Rheinregulierung, in welchem der Fluß jederzeit seinen Lauf ändern konnte.“6 Neben der gut zu verteidigende Position auf der Höhe tritt im Falle des Münsterberges also auch die Umfließung durch den Rhein als fortifikatorische Komponente hinzu.
3. Chronologie Zur Chronologie des spätantiken Castrums seien hier nur die wichtigsten bekannten Eckdaten erwähnt. Der Beginn der Festung ist noch in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts anzusetzen.7 Dafür sprechen auch zahlreiche gestempelte Ziegel der legio I Martia, die während dieser Zeit am Oberrhein stationiert war.8 Bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts hinein blieb das Castrum besetzt. Ein markanter Punkt in der Geschichte des Münsterberges ist die durch den Codex Theodosianus überlieferte Anwesenheit Kaiser Valentinians I. in Breisach am 30. August 369.9 Er unterzeichnete an diesem Tag eine an den praefectus praetorio Probus10 adressierte Verfügung11, welche den Palatinen, wahrscheinlich sowohl Truppen der pa6
7
8
9
10
11
Nierhaus 1940a, 37 Anm. 2. – Ein ausgezeichneter Beleg für diese Situation ist die 1869 entstandene Karte von A. Cestre, abgebildet bei Nuber/Reddé 2002, 171 Abb. 2. Bender 1976, 312, 314; Bender/Pohl 2005, 314 ff. – Ein heute verschollener Hortfund römischer Münzen, der unmittelbar beim Radbrunnen in Breisach gefunden wurde, enthielt 130 Folles der Jahre 308/317 n. Chr. bis 324/330 n. Chr. (FMRD II 2 Nr. 2069) und stützt damit diesen Ansatz. Einen frühen Zeitansatz vertritt auch M. Klein in Wesch-Klein 1998, 393. Die lange Zeit kontrovers geführte Debatte über die zeitliche Einordnung der Ziegel in die erste oder zweite Hälfte des 4. Jhs. ist mittlerweile mit hoher Wahrscheinlichkeit zugunsten der ersten Variante entschieden. Wichtigste Belege sind eine Grubenfüllung aus Breisach und die Grabungsergebnisse von Oedenburg-Westergass: Wesch-Klein 1989, 405ff. sowie Seitz 2001, 50 und Nuber/Reddé 2002, 219. Andere Belege sind zusammengestellt bei R. Fellmann, Spätrömische Festungen und Posten im Bereich der Legio I Martia. In: Bridger/Gilles 1998, 95–103, bes. 98 ff. Codex Theodosianus 6,35,8. – H. Wirth, Die älteste Urkunde vom badischen Oberrhein. Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 97 = N. F. 58, 1949, 629–631. Sextus Petronius Probus bekleidete damals zum ersten von vier Malen dieses Amt (Vgl. RE XXIII 1, 56 f. s. v. Probus [W. Ensslin]). Zum Verhältnis zu Valentinian I. siehe Ammianus Marcellinus 30,5,4. Eine genauere Definition des Textes ist nicht zu geben, da in der Spätantike nicht mehr zwischen einzelnen gesetzestechnischen Begriffen unterschieden wird. Es dürfte sich am
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latinen Rangklasse als auch Palastbedienstete, weiterhin vollen Urlaub beließ. Für den Ort ausschlaggebend ist aber nicht nur die Nennung des Ortsnamens und die Tatsache der Anwesenheit des Kaisers, der in diesem Jahr unterwegs war, um möglicherweise den Fortgang der Arbeiten am Ausbau der Befestigungen12 entlang und in der Umgebung des Rheins in Augenschein zu nehmen. Vielmehr unterstreicht dieser Text, daß man auf dem Münsterberg damals in der Lage war, die infrastrukturellen Voraussetzungen für einen Kaiserbesuch zu erfüllen. Die Unterbringung des comitatus zählte dabei ebenso zu den Erfordernissen wie geeignete Räumlichkeiten13 für den Kaiser selbst.
4. Funktion der Anlage Im nördlichen Bereich des Kaiserstuhls verlief in der Spätantike die Grenze zwischen den römischen Provinzen Germania I und Sequania (Abb. 3). Parallel zu dieser Grenze führte eine römische West-Ost-Fernstraße aus Richtung Metz über die Vogesen, Horbourg und Oedenburg an den Rhein, wo sie auf Höhe von Breisach den Fluß erreichte. In unmittelbarer Nähe von Breisach lief die bedeutende Süd-Nord-Verbindung der linken Rheintalstraße vorbei. Deutlichen Bezug zu dieser Straße nimmt die valentinianische Festung in Oedenburg-Altkirch.14 Zusammen mit den Anlagen auf der Sponeck, bei Oedenburg und Horbourg hatte die Festung auf dem Münsterberg daher mehrere Aufgaben.
12
13
14
ehesten um ein rescriptum oder neutraler um ein edictum handeln, da wie meist üblich der Gesetzestext eine Antwort auf einen Brief darstellt, in dem ein Mißstand dargelegt wird. Siehe hierzu A. Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr. Handbuch der Altertumswissenschaft, Abteilung 3, Teil 6 (München 1989) 235f. mit Anm. 27. In der Provinz Sequania, zu der Breisach gehörte, wurden in den Jahren um 370 zahlreiche Neubauten infrastruktureller und militärischer Funktion errichtet. Hiervon geben zwei 371 gesetzte Bauinschriften von burgi aus Koblenz, AG (CIL XIII 11537) und Etzgen, AG (CIL XIII 11538) Zeugnis. Im Frühjahr bis Frühsommer des Jahres 369 wurden die Eichen für den Pfahlrost der Anlage von Aegerten-Isel, BE geschlagen, bereits im Herbst des vorangegangenen Jahres jene für die benachbarte Anlage von Aegerten-Bürglen, BE. R. Bacher/P. J. Suter, Die spätrömischen Befestigungsanlagen von Aegerten BE. Archäologie der Schweiz 12, 1989, 124–135, bes. 133. – Aus den Schilderungen Ammians geht hervor, daß Valentinian I. mit großem persönlichen Engagement (Ammianus Marcellinus 28,2,4: vehementia cura) den Ausbau solcher Anlagen verfolgte, am eindrücklichsten beschrieben bei Ammianus Marcellinus 28,2,1–4. Diese sind mit dem Praetorium auf dem Münsterplatz gleichzusetzen, vgl. Nuber/Zagermann 2007, 110 f. Nuber/Reddé 2002, 225ff.; Nuber 2003, 106 f.; Bender/Pohl 2005, 323ff.
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Abb. 3. Das Oberrheingebiet im 4. Jahrhundert n. Chr. (Provinzialrömische Archäologie, Universität Freiburg, S. Berg).
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Als größte der vier Anlagen darf Breisach wohl auch als bedeutendste spätrömische Befestigung dieser Gegend gelten.15 Von großer Wichtigkeit waren Schutz, Überwachung, aber sicher auch die Instandhaltung dieser Straßen. Für Breisach ist noch eine weitere Komponente zu nennen, die nicht zu unterschätzen ist. Der Rhein spielte in dieser Zeit als Verkehrsweg eine große Rolle. Breisach befand sich in der Antike wie erwähnt wohl innerhalb unterschiedlicher Flußarme und war daher für eine Kontrolle des Flußverkehrs16 bestens geeignet. Die Konzentration römischer Befestigungen an diesem Platz und die Anlage von Breisach machen deutlich, daß sich an dieser Stelle auch ein Rheinübergang befand. Dieser ist nicht mehr erhalten, bestand in der Antike aber mit Sicherheit aus verschiedenen Brücken, die über die einzelnen Flußarme führten. Überwacht wurde also der Süd-Nord-Verkehr sowohl auf dem Fluß- als auch auf dem Landweg und der West-Ost-Verkehr von den Vogesen in Richtung Schwarzwald. Breisach dürfte daher wegen der ausgezeichneten Fernsicht und der Lage der Anlage von besonderer Bedeutung gewesen sein. Sicher handelt es sich nicht um einen Brückenkopf für die – zudem später angelegte – Festung von Altkirch.17
5. Die Befestigung des Berges durch das spätrömische Castrum In meinen Ausführungen möchte ich mich auf die Befestigung des Berges in spätrömischer Zeit beschränken. Das spätrömische Castrum auf dem Breisacher Münsterberg nutzt die durch die Höhenlage vorgegebene Situa15
16
17
Das gegenüberliegende Oedenburg-Altkirch hat eine Innenfläche von über einem Hektar (Nuber 2003, 106), das Castrum von Horbourg besitzt eine Innenfläche von 2,89 Hektar (H. U. Nuber, s. v. Horburg. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 15 [Berlin, New York 2000] 113–115). Die einstige Innenfläche der Befestigung auf dem Sponeckfelsen ist nicht zu klären, war aber mit Sicherheit geringer als die von Breisach (R. M. Swoboda, Die spätrömische Befestigung Sponeck am Kaiserstuhl. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 36 [München 1986] 64ff.). Der Nachweis spätrömischer Boote, die auf dem Rhein Patrouillenfahrten unternahmen, wie dies weiter nördlich gelang, steht in der Gegend um Breisach noch aus. Allerdings spricht einiges dafür, auch am südlichen Oberrhein eine durch Boote unterstützte Überwachung des Rheinverlaufs zu postulieren. Vgl. O. Höckmann, Römische Schiffsverbände auf dem Ober- und Mittelrhein und die Verteidigung der Rheingrenze in der Spätantike. Jahrbuch RGZM 33/1, 1986, 369–416. – In einen zivilen Zusammenhang gehört der in etwas frühere Zeit zu setzende Fund eines Frachtschiffes (R. Forrer, Ein versunkener spätantiker Mühlsteintransport in Wanzenau bei Strassburg. Anzeiger für elsässische Altertumskunde 1, 1909/12, 131–143), der allerdings aus keiner regulären Ausgrabung stammt. Nuber/Reddé 2002, 215 f.
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tion ideal aus. Einige Details der bislang publizierten Pläne sind allerdings so stark rekonstruiert, daß es durchaus sehr lohnend erscheint, den tatsächlichen Forschungsstand erneut zusammenzufassen. Die grundlegenden Beobachtungen gelangen R. Nierhaus bei den Ausgrabungen von 1938. Wichtige Erkenntnisse erbrachten Grabungen durch G. Fingerlin 1969/70 und durch H. Bender zwischen 1966 und 1975.18 Die einzelnen Komponenten der Befestigung werden in der Reihenfolge vorgestellt, wie sie sich dem antiken Betrachter beim Betreten der Anlage zeigten.
5.1. Gräben Bereits 193219 gab es durch dunkle Verfärbungen, die bei Kanalisationsarbeiten beobachtet wurden, Hinweise auf zwei den Münsterberg querende Gräben von 10,4 und 9,1 m Breite. Aufgrund dieser Beobachtungen wurden 193820 Suchschnitte angelegt, die zur Erfassung zweier Befestigungsgräben im Profil führten (Abb. 4). Die Ansprache der Gräben wird in Breisach durch mehrere Faktoren erschwert. Das Gelände fiel wohl in der Antike von der Bergmitte nach Westen und Osten ab.21 Die Gräben wurden teilweise in den Fels gearbeitet, weswegen ihre generelle Größe nicht immer eindeutig zu bestimmen ist. Aussagen zur ehemaligen Breite, Tiefe und Form der Gräben sind deshalb als Annäherungswerte zu verstehen. Der innere Graben (Abb. 4,h) hat eine Breite zwischen 11 und 13 m; er beginnt etwa 8 m vor der Nordmauer, die größte erhaltene Tiefe lag bei 4,3 m. Ab einer Tiefe von 2,5 m ist der Graben in den anstehenden Fels eingetieft. In der Felsmulde staute sich das Wasser, wodurch die Beschaffenheit der zähen, nassen Verfüllung erklärt wird. Das Profil läßt eine Ansprache der Form als Sohlgraben zu. Der äußere Graben (Abb. 4,i) beginnt 4 m nördlich des inneren Grabens und ist zwischen 9 und 10 m breit. Aus technischen Gründen konnte der Graben nicht völlig ausgehoben werden. Ein der Castrummauer direkt vorgelagerter Graben (Abb. 4,f, vgl. auch Abb. 5) enthielt römisches Material und kann in seiner Funktion nicht nä18
19
20
21
Literaturangaben zu den einzelnen Grabungen finden sich bei der Besprechung der jeweiligen Befunde. Siehe auch Bender/Pohl 2005, 19–139. Die Beobachtungen wurden in der Kettengasse gemacht: G. Kraft, Badische Fundberichte 3, 1933, 56. Ferner: Nierhaus 1940b, 94. Die von R. Nierhaus geleiteten Grabungen wurden hauptsächlich in zwei thematisch unterschiedlich angelegten Aufsätzen vorgelegt: Nierhaus 1940a (Spätrömisches Castrum) und Nierhaus 1940b (Antike Topographie Breisachs). Zu erkennen auf dem Idealschnitt durch den Berg bei Nierhaus 1940b, 107 Abb. 8.
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Abb. 4. Profilschnitt durch die Nordmauer und die vorgelagerten Gräben der Befestigung in der Kettengasse (nach Nierhaus 1940b).
her eingegrenzt werden. Allerdings ist der Befund nur in einem der zwei Schnitte nachzuweisen, weswegen eine Deutung als Grube – oder als Grabgrube in Bezug auf das unmittelbar daneben liegende Körpergrab (Abb. 4,d) – derzeit nicht unmöglich erscheint. R. Nierhaus vermerkt den Nachweis zweier Gräben noch als Besonderheit,22 doch sind doppelte Grabenanlagen mittlerweile auch von anderen spätantiken Befestigungen bekannt. Ein Beispiel ist Kellmünz, auf das später noch zurückzukommen sein wird, welches ebenfalls eine doppelte Grabenanlage besitzt.23 Bemerkenswert ist in Breisach allerdings die vergleichsweise geringe Ausdehnung der Berme von ca. 8 m. Gleichzeitige Anlagen besitzen mitunter Bermen von 20 m Breite und mehr.24
5.2. Nordmauer Ebenfalls nur in wenigen Schnitten ist die nördliche Befestigungsmauer des Castrum erfaßt. Wie die Gräben durchschneidet sie den Münsterberg ungefähr mittig. Lediglich in den Randbereichen des Berges kann die Mauer nicht mehr verfolgt werden, da diese Stellen durch mittelalterliche Terrassierungen stark überformt sind. Die Stelle, an der die Mauer den Münsterberg quert, ist durch die topographischen Gegebenheiten nicht natürlich befestigt, weswegen die Mauer zusammen mit den Gräben für die erforderliche Fortifikation sorgen mußte (siehe auch Abb. 1). Im Fundamentbereich
22 23
24
Nierhaus 1940a, 44. Mackensen 1995, 80f. – Weitere Beispiele finden sich bei der Anlage „Haus Bürgel“ bei Monheim (Th. Fischer, Neue Forschungen im spätrömischen Kastell „Haus Bürgel“, Stadt Monheim, Kreis Mettmann. In: Bridger/Gilles 1998, 41–47) und in Asperden (H. Hinz/ I. Hömberg, Ausgrabung eines spätrömischen Burgus in Asperden, Kreis Kleve. In: Beiträge zur Archäologie des römischen Rheinlands. Rheinische Ausgrabungen 3 [Düsseldorf 1968] 167–212, bes. 174 ff.). So in Kellmünz (Mackensen 1995, 80f.) oder in der mit Breisach hinsichtlich der Größe vergleichbaren Anlage des Castrum Rauracense in Kaiseraugst, wo der Graben bis 18 m vor der Anlage liegt (L. Berger, Führer durch Augusta Raurica6 [Basel 1998] 207).
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Abb. 5. Detail des in Abb. 4 wiedergegebenen Schnittes: Aufbau der Nordmauer der Befestigung (nach Nierhaus 1940b).
ist die Mauergrube noch bis zu 3,3 m breit, das aufgehende Mauerwerk dürfte wohl um 3 m breit gewesen sein. In den meisten Fällen war die Mauer komplett beraubt, und es fanden sich nur noch die Ausbruchgräben. An einigen Stellen war jedoch noch das antike Mauerwerk der Fundamentierung erhalten. Hier gelangen Beobachtungen zum Aufbau25 der Mauer (Abb. 5 und 6): Unterhalb der Mauer konnten, an diese anstoßend, unregelmäßig gesetzte Pfähle beobachtet werden (Abb. 5,c). Diese waren bis zu 1,3 m lang und meist 10 cm bis 12 cm im Durchmesser.26 Auf diesen Pfahlrost folgen meist drei Lagen grober vulkanischer Bruchsteine, die in Lehm gesetzt sind (Abb. 5,b2), darauf liegt das gemörtelte Fundament (Abb. 5,b1). Vom aufgehenden Mauerwerk ist nichts mehr erhalten. An einer Stelle gelang der Nachweis eines Turmes (Abb. 7). Dieser war rechteckig fundamentiert und sprang 1,9 m nach außen sowie 0,3 m nach innen aus der Mauerflucht hervor. Seine Länge betrug also 5,5 m, von der Breite sind 4,15 m nachgewiesen. Ein entsprechender Turm wurde auf der anderen Seite ergänzt, es ist aber durchaus auch mit mehr Türmen zu rech25
26
Ein Idealprofil findet sich bei R. Nierhaus, Was uns der Boden einer alten Stadt lehrt. Aus Breisachs Vergangenheit. Volk und Vorzeit 2, 1940, 54–58, bes. 55. Siehe jetzt auch A. Bräuning, Nordwestecke des spätrömischen Kastells auf dem „Mons Brisiacus“ entdeckt – Fortsetzung der Grabungen in Breisach, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2006 (2007) 106–107. Mittlerweile sind solche Pfahlsetzungen als bautechnische Details erkannt (Nuber 2003, 101 f.), während die ältere Forschung diese noch ausschließlich als Maßnahmen gegen die Unterminierung der Mauern ansprach (Nierhaus 1940a, 43).
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Abb. 6. Detailaufnahme der Nordmauer (nach Nierhaus 1940b).
Abb. 7. Plan der von R. Nierhaus erfaßten Reste der Befestigung mit Eintragung der postulierten Toranlage (nach Nierhaus 1940b).
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Abb. 8. Ansicht des Profilschnittes in der Radbrunnenstraße, der zur Erfassung einer Torwange der Nordmauer führte (nach Nierhaus 1940b).
nen. Der rechteckige Fundamentgrundriß läßt unterschiedliche Turmformen zu.27 Die antike Höhe der Mauer wird von R. Nierhaus im Vergleich mit anderen Anlagen mit ca. 8 m rekonstruiert.28 Diese Höhe war notwendig, um das Vorfeld mit Pfeilgeschützen bestreichen zu können und dabei sowohl die Berme als auch den Bereich vor dem äußeren Graben zu treffen.
5.3. Toranlage (Wangen und Grabendurchbruch) Einziger Beleg für die Toranlage des Breisacher Castrums ist der Profilschnitt in der Radbrunnenstraße (Abb. 8).29 Die Durchfahrtsbreite ist durch Vergleiche mit anderen Anlagen relativ verläßlich zu bestimmen. Unklar bleibt allerdings die Gestaltung der Toranlage, denn beim derzeitigen Forschungsstand sind mehrere Ergänzungen denkbar. R. Nierhaus rekonstruierte eine einfache Toranlage (siehe auch Abb. 7), wie sie unter anderem aus Andernach oder Altrip (Abb. 9) bekannt ist.30 Ebenfalls denkbar sind rückwärtige Tortürme, bis hin zu halbrund vorspringenden Bauten;
27 28 29 30
Nierhaus 1940a, 40 mit Anm. 8. Nierhaus 1940b, 108. Nierhaus 1940a, 39. Mehrere solcher Tore vom Typ Andernach sind zusammengestellt bei St. Johnson, Late Roman Fortifications (Totowa 1983) 48 Abb. 21. Allerdings überzeugen nur die Toranlagen von Andernach und Richborough, bei den übrigen abgebildeten Toren sind auch andere Rekonstruktionen denkbar.
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Abb. 9. Plan und Rekonstruktion der Befestigung von Altrip. Das Prinzip der Toranlage entspricht dem für Breisach postulierten (aus S. v. Schnurbein/H. Bernhard, s. v. Altrip. In: H. Cüppers [Hrsg.], Die Römer in Rheinland-Pfalz [Stuttgart 1990]).
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alle diese Vorschläge sind aber spekulativ. Laut R. Nierhaus setzt der innere Graben vor der Tordurchfahrt aus.31 Da aber die Breite der Gräben wie erwähnt stark schwankt und der Schnitt nicht sehr weit nach Norden reicht, sind meines Erachtens auch hier andere Möglichkeiten denkbar. Sehr wahrscheinlich bleibt aber die von R. Nierhaus geäußerte Variante.
5.4. Hangbegleitende Mauer Obwohl während der älteren Grabungen noch nicht nachgewiesen, wurde eine hangbegleitende Befestigung schon von R. Nierhaus postuliert.32 Jüngere Grabungen bestätigten diese These. Zunächst gelang G. Fingerlin33 1969/70 der Nachweis eines Turmes (Abb. 10) am Ostrand des heutigen Münsterplatzes. Ergraben wurde ein Teil des Turmfundamentes mit dem Ansatz der hangbegleitenden Mauer. Diese hangbegleitende Mauer war demnach mit knapp zwei Metern Stärke deutlich schwächer als die massive Nordmauer. Ganz offensichtlich wurde der Tatsache Rechnung getragen, daß von den Steilseiten kaum Angriffe, vor allem nicht mit Belagerungsmaschinen zu erwarten waren. Bei dem Turm selbst scheint es sich um einen rundlichen Bau gehandelt zu haben, wobei mehrere Rekonstruktionen der Rückwand möglich sind.34 Die halbrunde Turmform erlaubte vorzüglich den Einsatz von Pfeilgeschützen, die dadurch sehr gut manövrieren konnten und somit ein weites Schußfeld hatten. Bei den Grabungen im Vorfeld des Hotelbaus am Münster konnte die hangbegleitende Mauer 1973 auf über 14 m verfolgt werden (siehe Abb. 11).35 Wieder zeigte sich eine Breite von knapp 2 m, bzw. um 1,9 m. Zwei Anbauten an die Innenseite der Mauer konnten ebenfalls nachgewiesen werden. Im südlichen Bereich dieser Grabung war die eigentliche Mauer nicht mehr vorhanden, der Verlauf ist durch Abarbeitungen im Fels aber zu rekonstruieren.36 Daher ist das Bild der Befestigung an dieser Stelle recht unklar. Möglicherweise deutet sich hier wiederum ein vorspringender Turm an, der von ähnlicher
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Nierhaus 1940a, 44. Nierhaus 1940a, 44. Fingerlin 1972, 10. Zu denken ist an einen komplett runden Turm, ebenso wie an einen Turm mit geradem hinterem Abschluß. Daß die einzelnen Türme auch nicht immer von gleicher Form gewesen sein müssen, zeigt wiederum die Parallele Kellmünz (Mackensen 1995, 80 Abb. 44), wo Turm 7 gänzlich anders gestaltet ist. Bender 1976, Taf. 51; Bender/Pohl 2005, 59–70. Bender 1976, 312.
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Abb. 10. Plan des 1969 ergrabenen Turmes an der Ostseite des Münsterberges (nach Fingerlin 1972).
Form wie auf der gegenüberliegenden Seite gewesen sein dürfte. Ebenfalls nicht völlig klar ist die Interpretation der Anbauten an die Innenseite. Es dürfte sich aber kaum um Türme oder andere rein fortifikatorische Elemente gehandelt haben. Diese wenigen ergrabenen Reste der umlaufenden Randbefestigung erlauben eine recht verläßliche Ansprache ihres ursprünglichen Charakters (Abb. 11): Da die Steilhänge deutlich weniger gefährdet waren, wurde eine sehr viel schwächere Randbefestigung erbaut. Diese war mit halbrund vorspringenden Türmen besetzt. Die Verteilung der Türme wurde in Analogie zu vergleichbaren Anlagen wohl nach Bedarfsgründen ausgeführt: Auch in
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Abb. 11. Gesamtplan der Befestigung mit Eintragung der 1973 ergrabenen Teile der westlichen Randbefestigung (nach Bender 1976).
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Kellmünz scheinen die Türme der Randbefestigung keinem einheitlichen Verteilungsschema zu folgen, sondern sind den Gegebenheiten angepaßt plaziert worden.37
6. Deutung der Befunde Obwohl noch einige Details unklar sind, darf die Ausnutzung der topographischen Situation durch die Breisacher Befestigung als gesichert gelten. Besonders lohnend erscheint ein Vergleich38 Breisachs mit der Anlage von Caelius Mons/Kellmünz an der Iller (Abb. 12). Beiden Anlagen liegt dasselbe fortifikatorische Prinzip zugrunde: Schmale Mauern an den Steilhängen, die in unregelmäßigen Abständen mit vorspringenden Türmen versehen sind, kombiniert mit einer massiven Mauer an der von der Natur nicht befestigten Seite. Beiden Anlagen sind zusätzlich zwei Gräben vorgelagert. M. Mackensen39 postuliert aufgrund der dichten Turmabfolge der Ostmauer von Kellmünz und der nachgewiesenen Aula im Inneren, daß es sich um eine Anlage mit besonderer Funktion handeln könnte. In Breisach sind bislang nur wenig verbindliche Aussagen zum Charakter der Anlage möglich.40 Allerdings gehören die beiden Anlagen wohl nicht zur selben Ausbauphase der ripae an Rhein und Iller, denn während mit Kellmünz bereits eine tetrarchische41 Gründung vorliegt, scheint Breisach dem heutigen Forschungsstand nach erst einige Zeit später erbaut worden zu sein. Mit einer Fläche von über 3 ha zählt Breisach zu den drei größten spätrömischen Befestigungen am südlichen Oberrhein,42 auf dem Berg hätte aber noch mehr Fläche zur Verfügung gestanden. Man entschied sich jedoch seitens der Erbauer, den Berg mittig, gleichzeitig aber auch an der Stelle, an welcher der seichtere Geländeabfall in Richtung Norden beginnt, zu befestigen. Für die sicher nach einem zweckgerichteten Prinzip erbaute Anlage war offensichtlich nicht mehr Platz vonnöten.
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Mackensen 1995, 80. Nuber 2003, 101. Mackensen 1995, 99–106. Der Abstand der Türme ist aus den Suchschnitten heraus nicht zu ermitteln. Das im Süden der Befestigung gelegene Gebäude kann mittlerweile als Praetorium angesprochen werden. Vgl. G. Fingerlin, Neue Ausgrabungen im spätrömischen Kastell Breisach. Archäologische Nachrichten aus Baden 5, 1970, 3–7, bes. 7; Nuber/Zagermann 2007. Die Erbauung der Anlage erfolgte nach 299: Mackensen 1995, 81 f. und Nuber 2003, 100 mit Anm. 26. Nuber 2003, 100 f.
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Abb. 12. Die diokletianische Befestigung von Kellmünz mit demselben fortifikatorischen Prinzip wie Breisach (nach Mackensen 1995).
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Literatur Bender 1976 H. Bender, Neuere Untersuchungen auf dem Münsterberg in Breisach (1966–1975). 2. Die römische und nachrömische Zeit. Archäologisches Korrespondenzblatt 6, 1976, 309–320. Bender/Pohl 2005 H. Bender/G. Pohl, Der Münsterberg in Breisach I. Römische Zeit und Frühmittelalter. Karolingisch-vorstaufische Zeit. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 39 (München 2005). Bridger/Gilles 1998 C. Bridger/K.-J. Gilles, Spätrömische Befestigungsanlagen in den Rhein- und Donauprovinzen. BAR International Series 704 (Oxford 1998). Fingerlin 1972 G. Fingerlin, Ausgrabungen im spätrömischen Kastell Breisach. Denkmalpflege in BadenWürttemberg 1/4, 1972, 7–11. Mackensen 1995 M. Mackensen, Das spätrömische Grenzkastell Caelius Mons-Kellmünz. Führer zu archäologischen Denkmälern in Bayerisch Schwaben 3 (Stuttgart 1995). Nierhaus 1940a R. Nierhaus, Grabungen in dem spätrömischen Kastell auf dem Münsterberg von Breisach (Kr. Freiburg i. Br.) 1938. Germania 24, 1940, 37–46. Nierhaus 1940b R. Nierhaus, Zur Topographie des Münsterberges von Breisach. Badische Fundberichte 16, 1940, 94–113. Nuber 2003 H. U. Nuber, Spätrömische Festungen am Oberrhein. In: Kelten, Römer und Germanen. Frühe Gesellschaft und Herrschaft am Oberrhein bis zum Hochmittelalter. Freiburger Universitätsblätter 42, Heft 159, 2003, 93–107. Nuber/Reddé 2002 H. U. Nuber/M. Reddé, Le site militaire romain d’Oedenburg (Biesheim-Kunheim, HautRhin, France). Premiers résultats. Germania 80/1, 2002, 169–242. Nuber/Zagermann 2007 H. U. Nuber/M. Zagermann, Der neue Plan des römischen Großbaus im Bereich des Münsterplatzes in Breisach, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2006 (Stuttgart 2007) 108–111. Seitz 2001 G. Seitz, Le praetorium d’Oedenburg-Westergass. In: S. Plouin/M. Reddé/C. Boutantin, La frontière romaine sur le Rhin supérieur. À propos des fouilles récentes de BiesheimKunheim (Biesheim 2001) 50–54. Wesch-Klein 1989 G. Wesch-Klein, Breisach am Rhein: Die gestempelten Ziegel aus den Grabungen 1983–1986. Fundberichte aus Baden-Württemberg 14, 1989, 387–426.
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 185–212 Der ·Breisacher Münsterberg © Copyright 2008 Walter de Gruyter Berlin · New York
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Der Breisacher Münsterberg: Ein Zentralort im frühen Mittelalter Christel Bücker
1. Geographische und naturräumliche Grundlagen Das Plateau des Breisacher Münsterberges liegt mit einer Größe von etwa 200 × 530 m direkt am Rhein auf der östlichen Flußseite und erhebt sich mehr als 30 m steil über der Oberrheinebene (Abb. 1). Der Münsterberg gehört zum Kaiserstuhlvulkanismus1 und bildet zusammen mit dem kleineren Eckhartsberg und dem bereits abgetragenen Üsenberg2 den südwestlichsten Ausläufer des Kaiserstuhls, ist jedoch durch eine Senke mit quartären Ablagerungen, also Rheinschotter, vom Kaiserstuhl getrennt. Vor der Rheinregulierung durch Tulla im 19. Jahrhundert verlief der Fluß im Bereich des Oberrheins breit mäandrierend und veränderte immer wieder den Verlauf seines Hauptstromes und seiner vielen Nebenrinnen, vor allem zur Zeit des alljährlichen Sommerhochwassers.3 Der Breisacher Münsterberg, der Sponeckfelsen und der Limberg waren weit in die Mitte des bis zu 1 km breiten alten Rheinverlaufs vorgeschobene, hochwassersichere Anhöhen des Kaiserstuhls, an denen der Rhein auf kürzestem Wege zu überqueren war,4 weswegen diese Plätze in der ur- und frühgeschichtlichen Zeit von erheblicher strategischer Bedeutung für das Oberrheingebiet waren.5 Auf1
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W. Wimmenauer, Junger Vulkanismus. In: Erläuterungen zur geologischen Karte Freiburg i. Br. und Umgebung 1:50000, hrsg. vom Geologischen Landesamt Baden-Württemberg (Stuttgart 1981) 153–174, bes. 157 ff. Haselier 1969, 1ff., 81 ff., 143. Siehe auch die Abbildung von M. Merian aus dem Jahre 1663 bei Schmaedecke 1992, 17 Abb. 3 unten links unter Nr. O. – Zettler 2003, 54ff. E. Kunz, Von der Tulla’schen Rheinkorrektion bis zum Oberrheinausbau – 100 Jahre Eingriff in ein Naturstromregime. In: Naturschutzgebiet Limberg am Kaiserstuhl. Führer Natur- und Landschaftsschutzgebiete Baden-Württembergs 22 (Karlsruhe 1987) 193 ff. – Schröder 2001, 5 f. Nach der Karte von Tulla von 1828 vor der Rheinkorrektur (vgl. Kunz [wie Anm. 436] 200 Abb. 4). Zum Limberg: G. Weber-Jenisch, Der Limberg bei Sasbach und die spätlatènezeitliche Besiedlung des Oberrheingebietes. Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 29 (Stuttgart 1995). Zum Sponeckfelsen: Swoboda 1986. Zusammenfassend auch Fingerlin 1995.
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Abb. 1. Der Breisacher Münsterberg in einer Ansicht von 1644, Blick über den noch nicht regulierten und kanalisierten Rhein von Süden mit den zahlreichen kleinen Rheininseln im Flußbett (Matthäus Merian, Topographia Alsatiae 1644).
grund seiner wichtigen Rolle als Handelsweg bis heute6 sowie als Grenzfluß, hat der Rhein eine wechselvolle Geschichte erlebt, die den Breisacher Münsterberg bis in die Neuzeit in besonderem Maße betroffen hat.7 Der Münsterberg war vor der Rheinregulierung durch die jahreszeitlichen Hochwasser zeitweise vom Rhein umflossen und lag dadurch inselartig im Rheinbett, wodurch eine natürliche Schutzlage gegeben war. Deshalb wurde der Münsterberg als Siedlungsplatz schon seit der Urnenfelderzeit8 über die Späthallstatt-Frühlatènezeit,9 der Spätlatènezeit10 und ab der römi-
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Schröder 2001, 26 f. G. Haselier, Geschichte der Stadt Breisach am Rhein 1–3 (Breisach 1969, 1972, 1985). R. Dehn, Die Abfallgrube eines Töpfers der Urnenfelderzeit. In: Der Keltenfürst von Hochdorf. Ausstellungskatalog Stuttgart 1985 (Stuttgart 1985) 316–318, 328–331. L. Pauli, Hallstatt- und Frühlatènezeit. In: Bender/Pauli/Stork 1993, 21–172. Jetzt die noch unpublizierte, erweiterte Neubearbeitung von: I. Balzer, Chronologisch-chorologische Untersuchung des späthallstatt- und frühlatènezeitlichen „Fürstensitzes“ auf dem Münsterberg von Breisach. Grabungen 1980–1986 (Dissertation Tübingen 2004). Stork 1993. Neubearbeitung vor allem der Ausgrabungen von 1980–1986 in einer Dissertation durch H. Wendling, Tübingen.
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schen Zeit11 kontinuierlich bis in die Neuzeit12 eher aus fortifikatorischen Gründen besetzt. Außerdem ist er für eine landwirtschaftliche Nutzung wegen des geringen Platzes nicht geeignet. Dagegen ist das Umland – der wohl schon seit der Spätantike nach seinem Zentralort Breisach benannte Breisgau13 – sowohl klimatisch wie auch durch seine fruchtbaren Lößböden agrarisch begünstigt,14 was im Frühmittelalter mit der agrarisch geprägten Gesellschaft durch seine dichte Besiedlung deutlich wird15 (Abb. 2). Deshalb kann man davon ausgehen, daß die Bewohner des Breisacher Münsterberges durch das Umland versorgt wurden und damit auch eine zentrale machtpolitische Funktion gehabt haben müssen, zumal die neuzeitliche Gemarkungsgrenze von Breisach nur die siedlungsungünstigen Rheinauen mit einschließt und nicht über das Hochgestade nach Osten hinaus reicht.16
2. Forschungsgeschichte und historische Quellen G. Haselier schrieb 1969 in seiner umfangreichen, dreibändigen Breisacher Stadtgeschichte in Band 1 (Von den Anfängen bis zum Jahr 1700) von „den dunklen Jahrhunderten“ Breisachs in der nachrömischen Zeit bis zum Mittelalter, da uns die schriftlichen Quellen hierzu völlig im Stich lassen.17 Seitdem gab es zahlreiche archäologische Ausgrabungen auf dem Breisacher Münsterberg,18 die erst jetzt nach erneuter Durchsicht des Fundmaterials haben erkennen lassen, daß der Münsterberg zu dieser Zeit nicht nur besiedelt war, sondern weiterhin auch eine zentralörtliche Funktion besaß. Die Erforschung des Breisacher Münsterberges im frühen Mittelalter ist von großer Bedeutung im Rahmen der Geschichte des Breisgaus. Bisher war die Besiedlung und Bedeutung des Breisacher Münsterberges nach dem Ende der Römerzeit (ca. 450–1000 n. Chr.) historisch und archäologisch
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Bender/Pohl 2005. Bearbeitung der Ausgrabungen von 1980–1986 in einer Dissertation durch M. Zagermann, Freiburg. Zettler 2003; Haselier 1969, 56ff. Hoeper 2001, 10; Zotz 2003, 140. Schröder 2001, 5 ff. Hoeper 2001, 22ff. Abb. 5. Hoeper 2001, 196 f. Haselier 1969, 41 ff. Er vermutete sogar, daß der Berg von den Alamannen gemieden wurde, da sie ein Bauernvolk seien und ihnen städtische Kultur fremd sei. Schmaedecke 1992, 37 ff.
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Abb. 2. Die archäologischen Fundstellen des 5. bis 8. Jahrhunderts im Vergleich zu den lößbedeckten Gebieten im Breisgau (nach Hoeper 2001, Abb. 5).
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kaum faßbar.19 Historische Quellen zu Breisach schweigen bis zum Jahr 938, als der westfränkische König Ludwig IV. hier urkundet.20 Als spätantiker Garnisonsort am Rhein war er wichtigster Stützpunkt der Grenzverteidigung zwischen Kaiseraugst bei Basel und Straßburg. Im Jahre 369 unterzeichnete der römische Kaiser Valentinian I. in Breisach ein Gesetz, als er sich hier aufhielt, um den Ausbau der Rheingrenze zu organisieren.21 Die Nennung Breisachs in der Kosmographie des Geographen von Ravenna, die zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert entstanden und nur in späteren, wohl teilweise überarbeiteten Handschriften überliefert ist, bleibt umstritten.22 Es war nicht vorstellbar, daß der Münsterberg als strategisch wichtiger Ort in frühmittelalterlicher Zeit unbesiedelt und bedeutungslos blieb, zumal 939 Breisach ein Streitobjekt zwischen König Otto I. und seinem aufständischen Bruder Heinrich („der Zänker“) war, der Breisach besetzte, um seinen eigenen Machtanspruch zu demonstrieren.23 Nach dem Sieg Ottos I. wurden wieder die schwäbischen Herzöge als Verbündete des Königs eingesetzt, die hier im 10. Jahrhundert außerdem das königliche Recht besaßen, Münzen zu prägen.24 Breisach soll darüberhinaus Handlungsort der sogenannten Harelungensage, einem Teil der Nibelungensage, gewesen sein: Zur Zeit des Hunnenkönigs Attila (gest. 453) soll in Breisach ein König Amelung auf seiner Burg namens Fritilaburg über den Breisgau geherrscht haben.25 Über die wirklichen Besitzverhältnisse in Breisach im frühen Mittelalter besitzen wir keine Nachrichten, jedoch ist anzunehmen, daß der Platz mit den Resten des römischen Kastells direkt nach dem Abzug des römischen Militärs etwa in der Mitte des 5. Jahrhunderts in Besitz der fränkischen Könige gelangte. Vermutlich gibt es aus den folgenden fast 500 Jahren deshalb keine histori-
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Schmaedecke 1992, 136. Er datierte eine Wandscherbe aus der Kapuzinergasse (ebd. Taf. 1,11) mit Wellenverzierung irrtümlich in das 6. Jh., die jedoch in die Spätlàtenezeit gehört (vgl. Stork 1993, Taf. 64,D4, 65,B4.G1). Weiterhin nennt er einen rauhwandigen Krug aus der Klostergasse (Schmaedecke 1992, 66, Inv.-Nr. C 10348), der ins 6. Jh. datiert werden kann (Garscha 1970, 29). H. Bender (1976, 318) konnte bereits karolingische Keramik identifizieren, erwähnt aber, daß die Keramik des 9. bis 12. Jhs. nur spärlich vertreten sei. Zettler 2003, 50. L. Bakker, Bollwerk gegen die Barbaren. Spätrömische Grenzverteidigung an Rhein und Donau. In: Die Alamannen. Ausstellungskatalog Stuttgart 1997 (Stuttgart 1997) 111–118, bes. 116. Keller 2001, 206f. Althoff 1990, 458ff.; Zotz 1992, 9ff. Schmaedecke 1992, 29ff. Schmaedecke 1992, 26; G. Klein, Aus Breisachs Vergangenheit und Gegenwart. Geschichten, Sagen und Erzählungen (Breisach 2002) 21 ff.
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schen Quellen, weil sich an den Besitz- und Machtverhältnissen in dieser Zeit nichts geändert hat. Die Auswertung der Ausgrabungen auf dem Breisacher Münsterberg von 1980 bis 1986 zeigt jetzt eine Fülle von Fundmaterial und Befunden, die diese „dunklen Jahrhunderte“ in Breisachs Geschichte erhellen helfen. Man hatte zwar immer angenommen, daß dieser Ort historisch nach der römischen Herrschaft wohl kaum an Bedeutung verloren hat und Zentralort innerhalb des dicht besiedelten frühmittelalterlichen Breisgaus26 war (Abb. 2), jedoch hatte man archäologisch noch kaum einen Nachweis dafür.27 Weil in Südwestdeutschland im frühen Mittelalter zwischen dem 5. und 11. Jahrhundert jedoch kaum Steingebäude, sondern überwiegend Holzbauten mit Flechtwerklehmwänden errichtet wurden,28 fanden sich auch bei den Ausgrabungen in Breisach nur sehr unscheinbare Spuren der ehemaligen Besiedlung und Bebauung des Münsterberges, die offensichtlich nicht gleich erkannt wurden.29 Da Breisach im 10. Jahrhundert noch castellum munitissimum genannt wird30 – also als eine besonders stark befestigte Burg bezeichnet wird – kann man davon ausgehen, daß die über drei Meter dicken Mauern des spätrömischen Kastells noch nach 500 Jahren aufrecht standen und ihre Funktion erfüllten. Möglicherweise bestand die Nordmauer des spätrömischen Kastells und das römische Straßensystem sogar bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts, als Breisach 1273 zur Reichsstadt erhoben wurde und offensichtlich eine Umstrukturierung der Bebauung stattgefunden hat.31 Grundlage der Untersuchung bildete das Fundmaterial der Ausgrabungen von 1980 bis 1986, da dabei die größten zusammenhängenden Flächen ausgegraben wurden und von hier das meiste Fundmaterial vorliegt.32 Die Grabungen von 1980 bis 1983 in der Kapuzinergasse wurden von M. Schmaedecke geleitet und umfaßten eine Fläche von ca. 2400 m2, die Grabungen von 1984 bis 1986 bei der Rathauserweiterung/Tiefgarage wurden von 26 27 28 29
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Zusammenfassend zuletzt Hoeper 2001. Fingerlin 1979, 392 ff.; ders. 1995, 40. Bücker 1997, 312 ff.; Steuer 1995, 86ff. Auch M. Klein (1985a, 1985b, 1987), der die Ausgrabungen im Bereich „Rathauserweiterung/Tiefgarage“ von 1984–1986 leitete, konnte in den Vorberichten während der Ausgrabungen nur Aussagen zur Römerzeit und zum hohen Mittelalter machen und meinte, daß in den Grabungsflächen auf den römischen Schichten direkt die hochmittelalterliche Bebauung folgt (Klein 1987, 183). Schmaedecke 1992, 31 f. Schmaedecke 1992, 127 f. Klein u. a. 1987, 6 f.; Schmaedecke 1992, 38ff., 55ff.; Ch. Bücker, Der Breisacher Münsterberg: Ein Zentralort im frühen Mittelalter. Freiburger Beiträge zur Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends 11 (Rahden/Westf. 2007, im Druck).
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Abb. 3. Das Plateau des Breisacher Münsterberges mit Eintragung der Grabungsflächen (hellgrau gerastert, nach Bender/Pauli/Stork 1993 und Schmaedecke 1992 mit Ergänzungen) und der römischen Befunde (dunkelgrau gerastert, nach Schmaedecke 1992). 1 Grabung Rathauserweiterung/Tiefgarage 1984–86, 2 Grabung Kapuzinergasse 1980–83.
M. Klein geleitet und hatten eine Fläche von ca. 1500 m2 (Abb. 3). Insgesamt wurden 781 Kisten Fundmaterial (von etwa 20 Liter Inhalt) von diesen Ausgrabungen durchgesehen. Die Fundmenge aus frühmittelalterlicher Zeit ist im Vergleich zur mittelalterlichen oder römischen Fundmasse etwas geringer und oft nur sehr kleinteilig erhalten, weshalb Keramik- und Glasscherben sowie Kleinfunde bisher entweder nicht erkannt worden sind oder schlicht übersehen wurden. Seit der Publikation von Michael Schmaedecke ist die archäologische Forschung zum frühmittelalterlichen Fundmaterial, vor allem der Keramik,33 weiter fortgeschritten, weshalb erst jetzt günstige Voraussetzungen bestanden, um Licht in das Dunkel der Breisacher Frühgeschichte zu bringen.
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Z. B. Bücker 1994b; Bücker 1999; Châtelet 2002; Gross 1991; Marti 2000.
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3. Die frühmittelalterlichen Keramik- und Glasfunde Bereits 1891 wurde ein merowingerzeitlicher Krug aus dem 6. Jahrhundert in der Klostergasse gefunden,34 jedoch waren darüber hinaus bisher nur derart spärliche Funde aus der Merowingerzeit bekannt, daß man kaum von einer intensiveren Besiedlung sprechen konnte. Das spätrömische Kastell von Breisach war noch bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts – unter anderem wohl auch von Germanen – besetzt,35 was Fragmente handgeformter germanischer Keramik (Abb. 4) und wenige Metallfunde wie zum Beispiel ein Schildbuckel germanischer Form vermuten lassen (Abb. 14,11), der einen exakten Vergleich im germanischen Männergrab von Kemathen in Oberbayern aus dem frühen 5. Jahrhundert hat.36 Für die Folgezeit bis in die Zeit um die Mitte des 6. Jahrhunderts sind die Besiedlungshinweise relativ gering. Nur wenige Fragmente einglättverzierter Keramik mit Gitter-, Wellen- und Horizontallinienmuster sind in die Zeit um 500 nach Christus zu datieren (Abb. 5).37 Fragmente von Glasbechern aus dem 5. Jahrhundert sind bisher auch selten (Abb. 6,1). Im dicht besiedelten merowingischen Breisgau des 6. bis 8. Jahrhunderts, als das alamannische Gebiet zum Fränkischen Reich gehörte,38 war Breisach offensichtlich Zentralort und Markt im Breisgau, was jetzt unter anderem auch durch Importkeramik, Glas- und Metallfunde belegt werden kann. Fragmente scheibengedrehter und rädchenverzierter Knickwandtöpfe (Abb. 7) – dabei sind auch Importe aus Töpfereien des Basler Raums39 (Abb. 7,1) – sowie rauhwandige Töpfe mit Deckelfalz (Abb. 8), die in spätrömischer Tradition stehen, aus dem 6. Jahrhundert zeigen Verbindungen zum fränkischen Nachbarn.40 Zahlreiche Fragmente gehören zur sogenannten Elsässer Glimmerware (Abb. 9), die im Südelsaß im 6. und 7. Jahrhundert produziert wurde und dort entsprechend weit verbreitet ist.41 Erwartungsgemäß umfangreich fällt der Anteil an einheimischer handgeformter und zum Teil am Rand nachgedrehter Keramik aus, die häufig mit der ty34 35 36
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Garscha 1970, 29. Siehe den Beitrag von M. Zagermann S. 165 ff. in diesem Band. E. Keller/K. H. Rieder, Eine germanische Kriegerbestattung des frühen 5. Jahrhunderts n. Chr. aus Kemathen. Das archäologische Jahr in Bayern 1991, 132–137, bes. 136 mit Abb. 106. U. Gross, Zur einglättverzierten Keramik des 5. und frühen 6. Jahrhunderts in Süddeutschland. Bayerische Vorgeschichtsblätter 57, 1992, 311–320. Keller 2001, 241 ff. Marti 2000, 222ff. Châtelet 2002, 72 ff. (céramique fine tournée), 63ff. (céramique rugueuse); Marti 2000, 218 ff. (Rauhwandige Drehscheibenware), 209ff. (Nigra/Knickwandkeramik). Châtelet 2002, 51 ff., 178 f. mit Fig. 153 (céramique micacée).
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Abb. 4. Handgeformte germanische Keramik des 4./5. Jahrhunderts. – M. 1: 3.
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Abb. 5. Einglättverzierte Keramik des 5. Jahrhunderts. – M. 1: 3.
Abb. 6. Glasbecher des 5. bis 8. Jahrhunderts. – M. 1: 3.
pischen eingeritzten Wellenverzierung versehen ist (Abb. 10).42 In den ländlichen Siedlungen von Mengen und Sasbach ist der Anteil scheibengedrehter importierter Keramik insgesamt geringer43 als in Breisach, was sicherlich mit der besonderen Stellung des Breisacher Münsterberges in der Merowingerzeit in Zusammenhang zu bringen ist. Auch gibt es in den ländlichen Siedlungen von Mengen und Sasbach bisher keine Fragmente von Trinkgläsern, die von den Alamannen offensichtlich noch nicht selbst hergestellt, sondern aus den Glashütten im fränkischen Kerngebiet importiert wurden.44 In Breisach konnten bisher zwei Fragmente von Trinkgläsern des 7. Jahrhunderts, sogenannte Tummler mit rundem Boden,45 identifiziert werden (Abb. 6,2.3), die Vergleiche in den Grabfunden vor allem im fränkischen Raum haben.
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Châtelet 2002, 56ff., 178 ff. mit Fig. 153 (céramique à dégraissant calcaire); Marti 2000, 229 ff. Zur Siedlung von Sasbach: Châtelet 2000, 381 ff.; zur Siedlung von Mengen: Châtelet 2000, 355ff. K. H. Wedepol/R. Pirling/G. Hartmann, Römische und fränkische Gläser aus dem Gräberfeld von Krefeld-Gellep. Bonner Jahrbücher 197, 1997, 176–189. Vgl. Marti 2000, 128 ff. Taf. 274,15.16 sowie U. Koch, Der Runde Berg bei Urach VI. Die Glas- und Edelsteinfunde aus den Plangrabungen 1967–1983. Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Kommission für Alamannische Altertumskunde Schriften 12 (Sigmaringen 1987) 254 ff., 257 ff.
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Abb. 7. Rädchenverzierte Knickwandgefäße des 6./7. Jahrhunderts. – M. 1: 3.
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Abb. 8. Rauhwandige Töpfe des 6./7. Jahrhunderts. – M. 1:3.
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Abb. 9. Elsäßer Glimmerware des 7./8. Jahrhunderts. – M. 1: 3.
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Abb. 10. Handgeformte und nachgedrehte Ware des 6./7. Jahrhunderts. – M. 1: 3.
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Ebenso ist die karolingische Zeit vom 8. bis zum 10. Jahrhundert deutlicher als bisher im Breisacher Fundmaterial vertreten. Auch hier fällt zuerst die importierte Keramik – die sogenannte „gelbtonige oberrheinische Drehscheibenware“ – auf (Abb. 11), die ab dem 7. bis zum 10. Jahrhundert im nördlichen Elsaß und in Nordbaden produziert wurde und dort in den Siedlungen auch sehr zahlreich vertreten ist.46 In den ausgegrabenen Siedlungen des Breisgaus ist der prozentuale Anteil dieser Importkeramik wesentlich geringer. Zu den Besonderheiten dieser Zeit gehört auch die rot bemalte gelbtonige Keramik aus Werkstätten im nördlichen Rheingebiet und im Nordelsaß (Abb. 12).47 Lokal hergestellt wurden dagegen die ältesten bekannten Ofenkacheln im Breisgau aus dem 8./9. Jahrhundert (Abb. 13,6–9), die den ebenfalls lokal hergestellten Töpfen vergleichbare Randformen (Abb. 13,1–5) und die typische Becherform von frühen Ofenkacheln aufweisen.48
4. Kleinfunde und Handwerk Metallfunde aus dieser Zeit sind relativ selten, was vermutlich damit zusammenhängt, daß Metalle wiederverwendet und umgeschmiedet oder umgeschmolzen wurden. Die einzige Lanzenspitze aus dem 6. Jahrhundert wurde als Lesefund entdeckt (Abb. 14,8).49 Das Fragment eines völlig demolierten Schildbuckels scheint offensichtlich einen Schwerthieb abbekommen zu haben (Abb. 14,12).50 Teile einer Pferderingtrense können nur durch den Befundzusammenhang in das 7. Jahrhundert datiert werden (Abb. 14,5), da sich die Form kaum verändert hat.51 Pfeilspitzen wurden vereinzelt in der
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51
Châtelet 2002, 90ff. (céramique à pâte claire); Marti 2000, 226ff. Gross 1991, 72 ff.; Châtelet 2002, 95; W. Giertz, Reliefbandamphoren aus St. Quirin im Kontext karolingischer Keramik. In: M. Tauch (Hrsg.), Quirinus von Neuss. Beiträge zur Heiligen-, Stifts- und Münstergeschichte (Köln 2000) 222–271, bes. 232 ff. Marti 2000, 232f. Zur Entwicklung der Ofenkachelformen siehe auch: M. Châtelet, Les plus anciens témoins de l’usage du poêle: les pots de poêle du Haut Moyen Âge découverts en Alsace. Revue archéologique de l’Est et du Centre-Est 45, 1994, 481–492. Vgl. U. Koch, Das alamannisch-fränkische Gräberfeld bei Pleidelsheim. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 60 (Stuttgart 2001) 82 ff. mit Abb. 20, MCode 49. Sie datiert diese Lanzenspitzenform in die SD-Phase 3 zwischen 480 und 510 n. Chr. Der Schildbuckel hat einen steilen Kragen und eine runde Kalotte. Vergleiche etwa U. Koch (wie Anm. 482) 84 mit Abb. 22, MCode 60 (SD-Phase 5 = 530–555 n. Chr.) U. Koch, Der Runde Berg bei Urach V. Die Metallfunde der frühgeschichtlichen Perioden aus den Plangrabungen 1967–1981. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Kommission für Alamannische Altertumskunde Schriften 10 (Heidelberg 1984) 90.
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Abb. 11. Gelbtonige oberrheinische Drehscheibenware des 7. bis 9. Jahrhunderts. – M. 1: 3.
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Abb. 12. Rotbemalte gelbtonige Keramik des 9./10. Jahrhunderts. – M. 1: 3.
Abb. 13. Ofenkacheln und einheimische Keramikformen des 8. bis 10. Jahrhunderts. – M. 1: 3.
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Abb. 14. Kleinfunde und Waffen der merowingischen und karolingischen Zeit. – M. 1: 3.
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frühmittelalterlichen Schicht gefunden (Abb. 14,6.7.9.10). Sie entsprechen insgesamt den Formen frühmittelalterlicher Zeit.52 Ungewöhnlich ist ein Bronzefingerring mit einer Zierplatte aus Eisen (Abb. 14,2) aus einem Grubenhaus des 7. Jahrhunderts (Abb. 17; 18), das an Kleinfunden außerdem noch einen Kalkstein-Spinnwirtel (Abb. 15,3), ein Kammfragment (Abb. 14,4) und ein Glasbecherfragment aus der Zeit um 70053 (Abb. 6,3) enthielt. Darüberhinaus fanden sich Fragmente von Bronzedrahtohrringen mit Strichgruppenverzierung aus dem 7. Jahrhundert (Abb. 14,1).54 Eine kleine, von einem Perldraht gesäumte Buckelscheibenfibel aus Bronze (Abb. 14,3) stammt aus einem Grubenhaus des 9. Jahrhunderts.55 Neben der Textilproduktion (Abb. 15,2–5) ist auch das Knochenschnitzerhandwerk in Breisach nachgewiesen. In einem Bereich wurde ein ganzes Arsenal von Rohstoffen und Geräten aus Bein gefunden, vielleicht der Werkstattbereich eines Knochenschnitzers. Im gleichen Bereich wohnten möglicherweise auch Metallhandwerker, da dort neben zahlreichen Schlakken eine große Menge an Schleif- und Wetzsteinen (Abb. 15,6–13) gefunden wurde, die überwiegend aus länglichen Kieseln bestehen und an einer oder mehreren Seiten angeschliffen sind bzw. feine Polierflächen aufweisen. Aus einem Befund des 6./7. Jahrhunderts stammt ein kleines Fragment eines Gußtiegels mit Silberresten, was belegt, das zu dieser Zeit auch Silberschmiede hier tätig waren. Zahlreiche weitere Gußtiegel, auch mit Bronzeresten, wurden gefunden. Noch nicht sicher zuzuordnen, aber mit großer Wahrscheinlichkeit zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert datieren sehr feine transluzide Glasstäbchen in den Farben blau, grünblau, weiß und rot, sowie drei tordierte Glasstäbchen, wobei eines mit einem eingezogenen Faden versehen ist. Diese dienten zum Aufschmelzen von Fadenverzierungen auf kunstvolle Glasbecher.56 Unter den zahlreichen Funden von Breisach konnten jetzt noch weitere Hinweise auf eine Glasproduktion im frühen Mittelalter identifiziert werden. Neben einigen braunen, blauen und grünen Rohglasstük-
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Vgl. etwa Marti 2000, 120 ff. mit Abb. 73. Vgl. U. Koch (wie Anm. 478) 257 ff. A. M. Groove, Das alamannische Gräberfeld von Munzingen/Stadt Freiburg. Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 54 (Stuttgart 2001) 188 ff. Vgl. etwa das Ohrringpaar aus Grab 148: Ebd. Taf. 36,B1. E. Wamers, s. v. Karolingerzeit. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 8 (Berlin, New York 1994) 586–602, bes. 593 mit Abb. 181. Er datiert die Buckelfibeln insgesamt in das 10. Jh., jedoch spricht das weitere Fundmaterial aus dem Breisacher Grubenhaus 28/1 eher für eine Datierung in das 8./9. Jh. Ausführlicher dazu: Bücker 2001, 18 ff.
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Abb. 15. Handwerkliche Funde der merowingischen und karolingischen Zeit. – M. 1: 3.
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ken fanden sich auch gebrannte Lehmstücke mit einer dicken grünen Glasschicht auf einer Seite, offensichtlich Fragmente eines Glasofens, der aus Lehm bestand und direkt als Glashafen diente. Die Glasproduktion in den Glashütten des Schwarzwaldes ist erst seit dem 13. Jahrhundert nachgewiesen.57 Es deutet einiges darauf hin, daß in Breisach wohl schon vorher eingehandeltes Rohglas weiter verarbeitet worden ist.
5. Spuren frühmittelalterlicher Besiedlung Die Besiedlungsstrukturen mit möglichen Hausstandorten und Straßen des frühen Mittelalters sind jetzt neu ausgewertet. Vor allem die Ergebnisse von der Grabung „Rathauserweiterung/Tiefgarage“ (Abb. 3, Nr. 1) lassen drei Hofareale mit Nebengebäuden wie Grubenhäusern und Speichern erkennen (Abb. 16). Mit Sicherheit war das gesamte Hochplateau im frühen Mittelalter besiedelt, da von allen bisherigen Grabungsschnitten auf dem Breisacher Münsterberg Funde vom 5. bis zum 11. Jahrhundert nachgewiesen sind. Wie schon vorher ausgeführt, standen die Befestigungsmauern noch und vielleicht auch einzelne Steingebäude des spätantiken Kastells (Abb. 3). Im Bereich des heutigen Stephansmünsters bestand vermutlich schon eine erste Steinkirche, zumal die Südwand des Münsters auf der Mauer eines spätrömischen Gebäudes gründet.58 Auch das Stephanspatrozinium weist auf eine frühe Gründung hin, obwohl die erste Nennung einer Kirche erst 1143 im Zusammenhang mit einem Meteoriteneinschlag vor der Flügeltüre des Münsters bezeugt ist.59 Eine Gewißheit über das Alter der Breisacher Kirche könnte nur eine Ausgrabung im Inneren des Münsters bringen. Vorerst liegt die Vermutung nahe, daß spätestens im 10. Jahrhundert hier eine Kirche stand, als Breisach eine Vorort der schwäbischen Herzöge war, da eine Markt- und Residenzfunktion ohne einen Sakralbau am Ort nicht denkbar erscheint.60 Trotz der mittelalterlichen bis neuzeitlichen Bebauung, die mit Steinmauern und Kellern die ältere Bebauung teilweise zerstört hat,61 fanden sich Spuren frühmittelalterlicher Besiedlung, vor allem solche, die in die ehemalige Oberfläche eingetieft waren wie beispielsweise ein Gruben-
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58 59 60 61
M. Schmaedecke, Nuppenbecher aus Breisach und Freiburg im Breisgau und weitere Glasfunde. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 13, 1985, 77–108, bes. 91. Schmaedecke 1992, 84f. Schmaedecke 1992, 82ff. Steuer 1995, 95ff. Schmaedecke 1992, 37 ff.
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Abb. 16. Breisach „Münsterberg“, frühmittelalterliche Befunde der Grabungen Rathauserweiterung/Tiefgarage 1984–86.
haus aus dem 7. Jahrhundert von 4 × 3 m Größe (Abb. 17). Es lag direkt unter einer mittelalterlichen Steinmauer und war noch annähernd 1 m tief (Abb. 18). Unter der hochmittelalterlichen Bebauung zeigte sich stellenweise ein etwa 0,60 m mächtiges frühmittelalterliches Schichtpaket, das aus einer oder mehreren dunklen Schichten bestand und Funde des 5. bis 10. Jahrhunderts enthielt. Darin waren die frühmittelalterlichen Grubenhäuser und Abfallgruben eingetieft. Ein weiteres Indiz dafür ist eine Herdstelle aus dem 8. Jahrhundert mitten in diesem Schichtpaket aus römischen Leistenziegeln, die im frühen Mittelalter sicher noch überall vorhanden waren und gerne sekundär verwendet wurden. Insgesamt lassen die Befundkonzentrationen mit Grubenhäusern, Gruben und Pfostenlöchern im Bereich der Grabung „Rathauserweiterung“ in
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Abb. 17. Breisach „Münsterberg“, Grabung Rathauserweiterung/Tiefgarage 1984–86, Grubenhaus 1/1 im Planum (Foto: M. Klein).
Abb. 18. Breisach „Münsterberg“, Grabung Rathauserweiterung/Tiefgarage 1984–86, Grubenhaus 1/1 im Profil (Foto: M. Klein).
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der Nähe des Münsters auf mindestens drei Hofstellen des 6. bis 10. Jahrhunderts schließen (Abb. 16), die sich im Befund kaum von den Befunden in den ländlichen Siedlungen des Breisgaus unterscheiden.62
6. Zusammenfassung Die Auswertung der Funde hat gezeigt, daß der Breisacher Münsterberg in der Merowingerzeit offensichtlich mit Keramik- und Glasgefäßen aus dem Elsaß und der Nordschweiz versorgt wurde, also entsprechende Handelsverbindungen bestanden. Die Hinweise auf Buntmetallhandwerk, Glasverarbeitung und auch auf eine Münzprägung im 10. Jahrhundert unterstützen die zentrale Bedeutung Breisachs im frühen Mittelalter und seine Funktion als Marktort. Als Zentralort im frühmittelalterlichen Breisgau und aufgrund der erhöhten Lage auf dem Berg vulkanischen Ursprungs, der zeitweise noch vom Rhein umflossen wurde, hatte die Siedlung sicher keine landwirtschaftliche Funktion. Die Bewohner wurden wohl aus den landwirtschaftlich geprägten Siedlungen des Umlandes mit versorgt, zumal anzunehmen ist, daß der Münsterberg unter den Frankenkönigen der Sitz eines Herzogs war.63 Erst als Freiburg kurz vor 1120 von den Zähringer Herzögen praktisch auf der „grünen Wiese“ neu gegründet wurde,64 schwand mit der Zeit die Bedeutung Breisachs als Zentralort,65 war dann aber als Rheinübergang und Grenzort von erheblicher strategischer Bedeutung, wie dies auch die folgende Geschichte bis heute gezeigt hat.66 Wenn die Zähringer Freiburg nicht gegründet hätten, wäre die Entwicklung Breisachs wohl ähnlich wie in Basel und Straßburg verlaufen, zumal diese Städte eine vergleichbare Geschichte vom spätrömischen Kastell zum mittelalterlichen Zentralort hatten.67 Nach G. Fingerlin hatten die Orte Riegel und Sasbach eine vergleichbare zentralörtliche Funktion in der Merowingerzeit. Zumindest ist für diese Orte in karolingisch-ottonischer Zeit ein königlicher „fiscus“ bezeugt, 62 63
64 65 66 67
Bücker 1994, 28ff. Th. Zotz, Die Herrschaftsträger in der Region. In: H. Haumann/H. Schadek, Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau 1. Von den Anfängen bis zum „Neuen Stadtrecht“ (Stuttgart 1996) 42–56, bes. 43 ff. Untermann 2003, 242ff.; Steuer 1995, 80ff. Fingerlin 1995, 45f.; Zotz (wie Anm. 496) 46ff. Haselier 1969. Schmaedecke 1992, 119 ff.; Untermann 2003, 227 ff.; Steuer 1995, 95ff.
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was seiner Meinung nach auf einen fränkischen Königshof in merowingischer Zeit hindeutet.68 Archäologisch gibt es bisher jedoch zu wenige Hinweise, um die Funktion und hierarchische Stellung dieser Orte im Vergleich zu Breisach genauer umreißen zu können. Vermutlich handelt es sich bei Sasbach und Riegel in der Merowingerzeit eher um Herrenhöfe mit administrativen und militärischen Funktionen, während Breisach zusätzlich eine zentrale Marktfunktion besaß. Auch die Funde des Zähringer Burgbergs aus dem 7. bis 10. Jahrhundert lassen auf eine elitäre Bevölkerung schließen,69 jedoch ist auch dort vermutlich von einer Besiedlung in der Art eines Herrenhofes auszugehen.70
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68 69 70
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Zotz 2003 Th. Zotz, König, Herzog und Adel. Die Merowingerzeit am Oberrhein aus historischer Sicht. In: Kelten, Römer und Germanen. Frühe Gesellschaft und Herrschaft am Oberrhein bis zum Hochmittelalter. Freiburger Universitätsblätter 42, Heft 159, 2003, 127–141.
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 213–260 Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · New York am Schwarzwaldrand
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Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Schwarzwaldrand. Eine Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede Heiko Steuer und Michael Hoeper
Die Höhenstationen des 4./5. Jahrhunderts am Schwarzwaldrand1 Nachdem der Runde Berg bei Urach schon in den Jahren von 1967 bis 1979 archäologisch umfassend erforscht worden ist, Joachim Werner zuvor 1965 erstmals derartige Höhensiedlungen als Burgen im alemannischen Gebiet zusammengestellt hatte,2 bekam diese Siedlungsform durch die Entdeckung des Zähringer Burgbergs, Gemeinde Gundelfingen, Kr. Breisgau-Hochschwarzwald, bei Freiburg im Breisgau im Jahr 1978 eine zentrale Bedeutung für die Geschichte der Spätantike und der Völkerwanderungszeit in Südwestdeutschland.3 In den Jahren 1985 bis 1991 fanden auf dem Zähringer Burgberg Ausgrabungen statt, gefolgt von Geländeforschungen auf den bald darauf entdeckten Höhenstationen „Geißkopf “ bei Berghaupten und „Kügeleskopf “ bei Ortenberg nahe Offenburg in der Ortenau 1994/95 und jetzt auch 2006;4 hinzu kam 2001 die Entdeckung der Höhenstation auf dem Hertenberg am Hochrhein.5 Nachdem J. Werner etwa ein Dutzend derartiger Plätze aufgelistet hatte, sind gegenwärtig über 65 Höhenstationen bekannt,6 allein 26 Plätze nördlich außerhalb der Alamannia7 (Abb. 1). 1
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Einige Abschnitte dieses Beitrages entsprechen im Text der Veröffentlichung: H. Steuer, Zähringer Burgberg. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 34 (Berlin New York 2007) 398–417; eine Bibliographie zu den Höhensiedlungen am Schwarzwaldrand bis 2003: Hoeper 2003, 180–184. Werner 1965. Fingerlin 1984. Hoeper 2003. Fingerlin 2002; Hoeper 2002. Zuletzt Hoeper 2003, 45 Abb. 1 und 185 f. Liste 1; dazu die Korrekturen bei D. Quast in diesem Band S. 304 Anm. 102. Haberstroh 2003, Abb. 1 und Liste 1.
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Heiko Steuer und Michael Hoeper
Abb. 1. Verbreitung der Höhenstationen des 4./5. Jahrhunderts n. Chr. in Südwestdeutschland: 1 Höhensiedlungen mit größeren Ausgrabungen und Prospektionen, 2 Höhensiedlungen mit vereinzelten Funden, 3 Kastelle des spätrömischen Limes.
Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Schwarzwaldrand
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Auffällig ist die Position der Höhenstationen am Schwarzwaldrand gegenüber den spätrömischen Befestigungen. Die beiden Plätze am Eingang des Kinzigtales liegen gegenüber Strasbourg/Straßburg (Argentoratum), der Zähringer Burgberg ist auf Breisach8 (mons Brisiacus) und die spätrömische Befestigung Sponeck9 am Kaiserstuhl bezogen, und der Hertenberg liegt gegenüber Augusta Raurica (Kaiseraugst) am Hochrhein (Abb. 2).
Der Zähringer Burgberg a) Lage und Topographie: Der Zähringer Burgberg liegt etwa 5 km nördlich von Freiburg oberhalb des Dorfes Zähringen und gehört zu den weithin vom Tal her sichtbaren Schwarzwaldrandbergen; er überragt die Rheinebene um bis zu 250 m. Auf der höchsten, etwa 25 × 45 m messenden Kuppe (über 470 m NN) steht die Ruine der um 1080 errichteten Burg der Zähringer, für die der Berg namengebend wurde (Abb. 3).10 Sie ist von einem Graben umgeben, der teilweise, so im Süden, mit senkrechten Wänden in den Felsen eingearbeitet wurde. Die vom Schwarzwald abgesetzte Gneiskuppe des Zähringer Burgbergs mißt etwa 300 m in Nord-Süd- und 200 m in Ost-West-Erstreckung, also rund 5 ha. Auffällig ist die Terrassenhochfläche (etwa 460 m NN) rund um den Burgfelsen in der Mitte, die nach allen Seiten steil abfällt und zu Füßen – rund 40 m tiefer – von einem Graben (etwa 445 m NN im Süden und 415 m NN im Norden), teils begleitet von einem äußeren Wall, umgeben wird (Abb. 4). Während die breitere Westfläche aus vier gestaffelten, ineinander übergehende, jeweils ebenen Terrassenflächen besteht, verlaufen im Süden und Osten Geländerippen mit breiten Zwischenräumen vom Zentrum des Burgfelsen zum Rand (Abb. 4). b) Forschungsgeschichte: Die für Schwarzwaldberge ungewöhnliche ebene Hochfläche zum Breisgau war im 19. Jahrhundert noch nicht als Besonderheit aufgefallen, der tiefer liegende umlaufende Graben wurde als zur mittelalterlichen Burg gehörend angesehen und die Terrassenhochflächen als Turnierplatz erklärt.11 Bei Ausgrabungen 1902 wurden 200 m südlich der Burg, dort wo das ovale Plateau in einer Spitze ausläuft (Abb. 3), ein Viereck bildende mörtellose Steinwälle beachtlicher Länge freigelegt, die bis
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Vgl. dazu die Beiträge von Ch. Bücker und M. Zagermann in diesem Band. Swoboda 1986. Andrae-Rau 2003. Steuer 1990b, 18 Abb. 6.
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Heiko Steuer und Michael Hoeper
Abb. 2. Das südliche Oberrheingebiet zwischen Basel und Straßburg mit spätantiken Kastellen und germanische Fundplätzen des 4./5. Jahrhunderts n. Chr.
Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Schwarzwaldrand
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Abb. 3. Zähringer Burgberg bei Freiburg. Blick von Südosten über den terrassierten Burgberg hinüber zu den Vogesen. Postkarte aus den 1930er Jahren.
6 m hoch gewesen seien.12 Es handelt sich dabei um den südlichen Bereich der Terrassenkonstruktionen (vgl. e), die während der frühalemannischen Zeit nicht fertig geworden sind und die heute eine wellig erscheinende Plateauoberfläche bilden. C. A. Müller wies schon 1970 darauf hin, daß auf dem Berg eine bedeutende ältere Befestigung bestanden haben müsse, erkennbar am Graben, der ein Areal von 400 m in Nord-Süd- und 300 bis 350 m in West-Ost-Richtung einfaßt, ohne daß er diesen jedoch näher datieren konnte.13 Zufallsfunde im Jahr 1978, datiert in die frühalemannische Zeit, führten 1984 zu ersten Publikation14 mit Hinweis auf eine alemannische Höhensiedlung und haben dann zu langjährigen Forschungen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Freiburger Universität von 1985 bis 1991 geführt, zu denen Prospektionen mit Metalldetektor und Phosphatanalysen der gesamten Hochfläche sowie Ausgrabungen gehörten.15 12 13 14 15
Andrae-Rau 2003, 162. Müller 1970. Fingerlin 1984. Steuer 1989; 1990a; 1990b; 1996; Steuer/Hoeper 2002; Hoeper 2005.
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Abb. 4. Zähringer Burgberg. Oberflächengestalt des Berges mit Steinrippen und Terrassenflächen.
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219
Abb. 5. Zähringer Burgberg 1 Siedlungsschicht der Hallstattzeit mit Herdstelle unter der Terrasse, 2 West-Ost verlaufende Stützmauern der Substruktionen, Blick von Ost nach West über die Steinreihen und Pflasterzonen an der Oberfläche (nach Steuer 1990b, 32 Abb. 17, 2 und 3).
c) Vorgeschichtliche Besiedlung: Die Kuppe des Berges wurde wegen seiner beherrschenden Lage über der Rheinebene immer wieder aufgesucht. Die Ausgrabungen haben Hinweise auf eine neolithische Besiedlung der Michelsberger Kultur erbracht, wovon eine beachtliche Menge an Keramikscherben zeugen, die sich in den Terrassenschüttungen finden. Außerdem wurde der Berg während der Hallstatt- und der Latènezeit intensiv und wohl flächendeckend besiedelt,16 und die meisten Indizien sprechen dafür, daß auch der umlaufende Graben zu Füßen des Plateaus in die Hallstattzeit gehört. Auf der ehemaligen Kuppe des Berges wurden auf einer etwa 50 m2 großen Ausgrabungsfläche mitten auf der westlichen Terrasse die Kulturschicht und eine Herdstelle der Hallstattzeit etwa 2 m unter der heutigen Oberfläche freigelegt (Abb. 5,1), außerdem an der Terrassenkante die Reste der hölzernen Kastenkonstruktion einer Befestigung, die in einem Abstand von meist mehr als 20 m innerhalb des umlaufenden Grabens und deutlich höher als dieser errichtet war. 14C-Datierungen für die Befestigung weisen in die Stufe Ha C/D (700 bis 550 v. Chr.). Die Analyse der Keramik hat
16
Hachtmann 2004; Steuer/Vollmer 1992.
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mehrere Phasen ergeben, geringere Nachweise für die Urnenfelderzeit, eine massive Besiedlung während der frühen Hallstattzeit C und sowie eine oder zwei weitere Besiedlungsphasen zwischen der spätesten Hallstattzeit und der mittleren Latènezeit.17 Während die Besiedlung für die frühe Hallstattzeit (Ha C/D1) auch anhand der Befunde nachgewiesen ist, hat sich die Phase der frühen bis mittleren Latènezeit (LTZ A-B) allein über die Auswertung der Keramik ergeben. Alle diese älteren Besiedlungsstrukturen verschwanden später unter den umfangreichen Terrassenbauten des 4./5. Jahrhunderts. d) Nachalemannische Nutzung des Zähringer Burgbergs: Die heutige Struktur der Bergoberfläche geht auf die Umgestaltung der gesamten Kuppe durch umfassende Baumaßnahmen im 4. Jahrhundert zurück (vgl. f). Die damals entstandenen Terrassen sowie der in der Mitte herausragende Felsen wurden auch später weiter genutzt. So sind nach der Besiedlung vom 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts auch durch einzelne Funde eine Begehung während der Merowingerzeit und erneut in der frühen Karolingerzeit belegt, ohne daß der Charakter der Nutzung näher erkennbar ist, außer daß Hinweise auf kostbare Güter wie ein Reticella-Glas von gewisser Ranghöhe der Besatzung sprechen.18 Ein Grubenhaus oder Keller aus Trockenmauerwerk sowie einige Gruben der Karolingerzeit sind in die Terrassenfläche eingetieft. Der Name Zaringen ist erstmals in einer Urkunde Heinrichs II. von 1008 bei der Beschreibung eines Wildbannbezirks genannt. Nach der Eroberung des Breisgaus durch Bertold II. von jenseits des Schwarzwaldes um 1080 wurde die Burg errichtet, 1099 ist erstmals die adlige Benennung nach Zähringen überliefert: Berhctoldus autem de Zaringon dux quondam Carinthiae, und 1100 begegnet die Bezeichnung dux de Zaringen; eine Beurkundung apud castrum Zaringen 1128 bezeugt die Burg. Warum sich einer der vornehmsten Fürsten des Reiches, so Otto von Freising im späteren 12. Jahrhundert, nach der Burg Zähringen benannte, die später bedeutungslos wurde, wird diskutiert.19 Das Geschlecht übernahm den Namen von Burg und Siedlung (zu Füßen der Befestigung) Zähringen, wahrscheinlich weil der Platz schon immer eine wesentliche Bedeutung für die Beherrschung des Breisgaus hatte. Erst später verlegten die Herzöge von Zähringen ihren
17 18 19
Hachtmann 2004. Bücker 1999b, 218 Abb. 2,14. Andrae-Rau 2003, 165.
Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Schwarzwaldrand
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Sitz zum Freiburger Schloßberg und überließen die Burg auf dem Zähringer Burgberg Ministerialen. Die Burg wurde während der Bauerkriege zerstört, aber mehrfach restauriert, so in den 1830er Jahren nach einem Besuch des Großherzogs Leopold von Baden, nachdem die Großherzöge 1815 die Ruine gekauft hatten, weil auch diese sich auf das Geschlecht der Zähringer zurückführten, und erneute Restaurierungsmaßnahmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten das Bild der Burg weiter. Grenzsteine auf der Ostterrasse des Berges tragen die Jahreszahl 1836. Schon ehe durch die archäologische Forschung die Abfolge der Besiedlungsphasen auf dem Zähringer Burgberg seit dem Neolithikum bekannt war, wurde diskutiert, ob der Name Zähringen mit Tarodunum (Zarten), dem bei Ptolemaios (2,11,15) im 2. Jahrhundert erwähnten keltischen Oppidum zusammenhängt, was dann ebenfalls für die Kontinuität eines Zentrums im Breisgau sprechen würde.20 e) Baustrukturen des 4. Jahrhunderts: Die natürliche, einst gerundete Bergkuppe wurde durch umfangreiche Steinbrucharbeiten und Erdbewegungen zu einem Plateau aus vier ineinander übergehende Terrassen in 455 bis 465 m NN Höhe umgestaltet und damit eine Siedlungsfläche von 4 bis 6 ha gewonnen. Die Substruktionen für diese Terrassenflächen bestehen aus radial verlaufenden mächtigen Steinrippen mit dazwischen errichteten in Längs- und Querrichtung verlaufenden Stützmauern aus bis zu mehreren Metern hohem Trockenmauerwerk. Die Zwischenräume wurden anschließend bzw. während Aufbaus schrittweise mit Steinbruch und Erdmaterial aus Gneisverwitterungslehm aufgefüllt. Etwa 200000 m3 Steinmaterial wurden von der Mitte des Berges gebrochen, wodurch erst die schmale Felskuppe entstand, auf der wegen der exponierten Lage im 11. Jahrhundert die Burg der Zähringer errichtet wurde. Während im Westen und Norden die Terrassenflächen fertig gebaut worden sind, lassen die Areale im Süden und Osten noch heute erkennen, wie die Substruktionen geplant waren, da hier die Zwischenräume nicht mehr aufgefüllt worden sind (Abb. 4). Während zum Tal hin einst eine Front bis zu 6 m Höhe entstanden war, weist der Südbereich noch eine Höhe von bis zu 10 m über dem ursprünglichen Niveau auf. Diese Ecke war seinerzeit 1902 bei Ausgrabungen erkannt worden, ließ sich aber nicht datieren. Die gigantischen Baumaßnahmen auf dem Zähringer Burgberg sollen römische Planung und Ingenieurleistung spiegeln,21 doch bietet sich eine 20 21
Boesch 1983. Böhme 2002, 297. Kommentar dazu im Nachwort S. 835.
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solche Bauweise zur Schaffung eines Hochplateaus unmittelbar an, wie vergleichbare Substruktionen zum Beispiel für die Höhensiedlung Závist bei Prag aus der Latènezeit zeigen, wo sie dazu dienten, die Hochfläche für ein Heiligtum zu schaffen.22 Die dortige Datierung in die späte Hallstatt- und frühe Latènezeit korrespondiert zwar auch mit einer Siedlungsphase auf dem Zähringer Burgberg, doch ist hier die Datierung in das 4. Jahrhundert gesichert (die schon vielfach abgebildete Rekonstruktion der Front mit den anschließenden Substruktionen unter den Terrassenflächen ist nur ein Vorschlag).23 Zu überlegen ist, ob die mächtigen radial verlaufenden Steinriegel auf Metallgewinnung und damit Bergbau zurückgehen könnten; denn Blei-Silber-Erzgänge verlaufen in Nord-Süd-Richtung durch den Berg, unmittelbar parallel zu den Flanken des Burgfelsens, die wohl noch im Mittelalter und sicher in der Neuzeit ausgebeutet worden sind. Dieser Bergbau wäre dann in römischer Zeit betrieben worden, und die Germanen hätten diese „Vorarbeiten“ für den Terrassenbau ausgenützt; denn die Datierung der Baumaßnahmen in die frühalemannische Zeit ist gesichert. Für eine Begehung des Berges in römischer Zeit können die Fibeln des 1.–2. Jahrhunderts sprechen, die auf der oberen Felsfläche gefunden wurden,24 bei denen es sich aber ebenso um Altmaterial handeln kann. f) Datierung der künstlichen Terrassen: Die Ausgrabungen haben gezeigt, daß im Schüttmaterial der Substruktionen Fundstoff vor allem aus dem Neolithikum und der Hallstattzeit,25 von der einstigen Siedlung auf dem Berg, und frühalemannische sowie zeitgleiche römische Keramik eingeschlossen sind. Auf der Terrassenfläche fanden sich außer den eingetieften Gruben der späten Merowinger- und der Karolingerzeit Spuren der alemannischen Besiedlung wie Fundamentgräbchen von Hauswänden und Fundstoff des 4. und 5. Jahrhunderts, was insgesamt die gewaltigen Baumaßnahmen in die frühalemannische Zeit zu datieren erlaubt. Die Oberkanten der Stützmauern reichen bis an die heutige Terrassenoberfläche und lassen sich teilweise quer über den gesamten Berg auf einer Länge von mehr als 80 m verfolgen (Abb. 5,2). Phosphatanalysen haben gezeigt, daß die westlichen Terrassen, die Terrasse im Norden und im Südosten weitgehend besiedelt waren (Abb. 6),26 auch wenn außer verstreuten Pfosten-
22 23 24 25 26
Motyková/Drda/Rybová 1988 mit Beilage 4. Hoeper/Steuer 1999a, 194 Abb. 6; Böhme 2002, 295 Abb. 2; Drinkwater 2007, 103 Fig. 14. Steuer 1990, 30f. mit Abb. 16. Hachtmann 2004; Bücker 1994. Hoeper/Steuer 1999, 193 Abb. 5.
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Abb. 6. Zähringer Burgberg. Phosphatkartierung (nach Hoeper/Steuer 1999a, 193).
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löchern und einigen Fundamentgräbchen keine eindeutigen Bebauungsspuren von Häusern erkannt werden konnten. Mehrere der Steinreihen sowie gepflasterte rechteckige Flächen mit hohem Phosphatgehalt könnten Plätze von Häusern markieren, wie das auch bei vergleichbaren Befunden auf dem Reisberg, Ldkr. Bamberg,27 und in der Wettenburg bei Urphar vermutet wird.28 Die Ausgrabungen haben bisher nur den Randbereich der Besiedlung erfaßt; und es ist zu vermuten, daß auch das Zentrum unter der heutigen Burg einst von der Elite der Alemannen genutzt wurde. Der Berg wurde – datiert über die Keramik – im frühen 4. Jahrhundert erstmals von Alemannen besetzt, und im Laufe des 4. Jahrhunderts folgte dann der Ausbau zur großflächigen Höhensiedlung.29 Die Keramik belegt eine Besiedlung vom frühen 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts, während Hinweise für eine Besiedlung in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts bisher fehlen.30 Eine Silbermünze der Gruppe „argentei minuti“31 aus dem ersten oder zweiten Drittel des 6. Jahrhunderts ist vielleicht als Altstück während der Besiedlungsphase der späten Merowingerzeit auf den Berg gekommen. g) Fundstoff: Das Fundmaterial besteht aus germanischer Keramik der frühalemannischen Zeit, gemischt mit spätrömischer Ware, wodurch germanische und römische Speisegewohnheiten der Alemannen auf dem Zähringer Burgberg bezeugt sind.32 Dazu kommen Glasscherben, darunter Fragmente eines Schliffbechers.33 Waffen (Axtklingen, [auf den anderen Höhenstationen am Schwarzwaldrand auch Knaufhammeräxte34], Lanzen- und Pfeilspitzen (Abb. 8), Schwertteile, die Wangenklappen eines Helmes (Abb. 9) und vor allem zahlreiche Beschläge von Militärgürteln der spätrömischen Zeit mit Kerbschnitt- und Punzverzierung (Abb. 10) sowie einige Schmuckformen, wie Halsringe, gehörten zur Kriegerelite auf dem Berg; und Perlen, Halsschmuck und Schlüssel bezeugen die Anwesenheit von Frauen (Abb. 11), wenn auch anscheinend in geringerer Zahl. Bronzeschrott (zerschnittene Gürtelteile, abgebrochene Griffe römischer Gefäße und zusammengedrückte Gefäßwandungen),35 die konzentriert an einigen Plätzen des 27 28 29 30 31 32 33 34 35
Abels/Roth 1989. Neubauer 2000. Bücker 1994, 168 ff; 1999b, 229. Bücker 1999b, 227. Engbarth/Fischer 1998. Bücker 1994. Bücker 1999b. Hoeper 2003, 84 Karte Abb. 28 und Liste 8. Hoeper 1999, 242 Abb. 4.
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Abb. 7. Zähringer Burgberg. Grabungsflächen und Verteilung der Bunt- und Edelmetallfunde (nach Hoeper/Steuer 1999a, 192 Abb. 4).
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Abb. 8. Zähringer Burgberg. Lanzenspitzen und Fragmente von Streitäxten.
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Abb. 9. Zähringer Burgberg. Vom hohen Rang seines ehemaligen Trägers zeugen die Wangenklappen eines spätrömischen Helmes mit vergoldeten Randbeschlägen.
Berges gefunden wurden, sind Hinweise auf Werkstätten der Buntmetallhandwerker, wie sie auch auf den anderen Höhenstationen am Schwarzwaldrand nachgewiesen sind (Abb. 7);36 weitere Handwerkszweige sind anhand der Werkzeuge wie eiserne Pfrieme, Holzbearbeitungswerkzeuge wie Löffelbohrer oder Meißel belegt. Münzen, byzantinische Gewichte und Reste kleiner Waagen auf dem Zähringer Burgberg und vergleichbar auf den anderen Höhenstationen sind Hinweise auf Handel und die Verwendung von Edelmetall.37 Rang und Stellenwert des Zähringer Burgberges lassen sich erst über den Vergleich mit den anderen bisher bekannten Höhenstationen am Schwarzwaldrand am Ober- und Hochrhein bewerten.
36 37
Hoeper/Steuer 1999a, 192 Abb. 4. Zu den Funden: Bücker 1994; 1999a; Hoeper 1999; Hoeper/Steuer 1999; Steuer 1989; 1990a; 1990b; 1990c; 1996.
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Abb. 10. Zähringer Burgberg. Riemenzungen und Beschläge spätrömischer Militärgürtel.
Abb. 11. Zähringer Burgberg. Frauen- und Männerschmuck.
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Der Geißkopf a) Lage und Topographie: Der Geißkopf liegt am südlichen Ausgang des Kinzigtales zur Rheinebene, oberhalb des Ortes Berghaupten und erhebt sich etwa 200 m über die Rheinebene (Abb. 2). Die ovale Bergkuppe des Geißkopfes (360 m über NN), auch „Bellenwald“ genannt, bietet auf einer zum Teil ebenen Fläche von ca. 100 × 150 m geeignete Siedlungsbedingungen (Abb. 12). Während die Kuppe nach Osten, Norden und Süden durch mäßige Steilhänge begrenzt ist, verbindet sie im Westen ein 25 m tief einschneidender Sattel mit den Schwarzwaldrandbergen. Hinweise auf ein Wall- oder Grabensystem lassen sich nicht erkennen. b) Forschungsgeschichte: Im Jahre 1989 belegten Lesefunde von spätrömischen Militärgürtelbeschlägen erstmals, daß der Geißkopf im 4./5. Jahrhundert n. Chr. besiedelt war. Weitere Begehungen in den folgenden Jahren erweiterten das Fundspektrum. Im Sommer 1994/95 wurden an sieben verschiedenen Stellen kleinere Flächen von insgesamt ca. 250 m2 aufgedeckt (Abb. 12), die jedoch keine eindeutigen Baubefunde erbrachten.38 Beim geringen Anteil der untersuchten Fläche von nur ca. 3 % am möglichen Gesamtsiedlungsbereich läßt sich jedoch das Vorhandensein von Baustrukturen bisher nicht ausschließen. So belegte die im Zuge der Ausgrabungen durchgeführte Phosphatbeprobung der Bergkuppe eine intensive Nutzung des Berges entweder über eine längere Zeit oder in einer kürzeren Phase durch eine beachtlich große Zahl von Menschen mit ihren Tieren.39 c) Das Fundmaterial: Auch das umfangreiche Fundmaterial bestätigte eine intensive Besiedlung im 4./5. Jahrhundert. Insgesamt konnten durch die Grabungen und weitere Begehungen über 1300 Bronze- und Eisenobjekte gewonnen werden.40 Eine Kartierung der Metallfunde zeigt, daß die Funde in mehr oder weniger großer Konzentration über die gesamte Bergkuppe streuen (Abb. 12). In krassem Gegensatz dazu steht die geringe Menge an Keramik- und Glasgefäßfragmenten die in den Ausgrabungsflächen ergraben werden konnten.41 Insgesamt wurden auf dem Kügeleskopf (s. u.) allein durch die Begehungen mehr Keramikfragmente entdeckt als durch die Ausgrabungen
38 39
40 41
Hoeper 2003, 29ff. Hoeper/Steuer 1999a, 203–209 mit Abb. 13; Hoeper 2003, 34–36 mit Abb. 9 und Farbtaf. I ( J. Lienemann). Hoeper 2003, 37 ff. Ch. Bücker, in: Hoeper 2003, 118 ff.
230
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Abb. 12. Geißkopf bei Berghaupten. Grabungsflächen und Gesamtkartierung aller Metallfunde (nach Hoeper/Steuer 1999, 201 Abb. 12).
auf dem Geißkopf. Auch das Fundmaterial zeigt in seiner Zusammensetzung einen deutlichen Unterschied zum Zähringer Burgberg und zum Kügeleskopf. So sprechen zahlreiche Waffen, Lanzenspitzen, Äxte, Pfeil- und Bolzenspitzen, von einer großen Anzahl hier ansässiger germanischer Krieger. Insgesamt befinden sich in dem Fundmaterial bisher 10 Lanzen- und Speerspitzen, 10 Pfeilspitzen und 25 Bolzenspitzen.42 Einige der Lanzen- und Bolzenspitzen sind verbogen und deuten auf kriegerische Handlungen oder Waffenübungen hin. Auf die Anwesenheit germanischer Krieger weisen nicht nur die zahlreichen Waffen, sondern auch die große Menge von 60 vollständigen Teilen
42
Hoeper 2003, 76 ff. mit Taf. 10–16.
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231
Abb. 13. Geißkopf bei Berghaupten. Auswahl der zahlreichen Gürtelbeschläge von spätrömischen Militärgürteln.
und Fragmenten spätrömischer Gürtelbronzen hin.43 Die Qualität dieser kerbschnitt- und punzverzierten Riemenzungen, Gürtelschnallen und Beschläge der spätrömischen Waffengürtel reicht von zum Teil sehr einfach verzierten Gürtelteilen bis hin zu äußerst kunstfertig hergestellten Stücken (Abb. 13). Neben den Gürtelbronzen und Waffen sind vor allem Fibeln und ein Halsring aus der Gruppe der Trachtbestandteile der Männerwelt des 4./5. Jahrhunderts zu erwähnen. Germanischer Herkunft sind sechs Bügelknopffibelfragmente. Aus römischen Werkstätten stammen dagegen zwei Zwiebelkopffibeln aus Bronze.44 Im krassen Gegensatz zu den sehr reichhaltigen Funden männlicher Trachtbestandteile, Militärgürtel und Waffen stehen die wenigen, möglicherweise als Frauenschmuck anzusprechenden Funde. Neben dem Frag43 44
Hoeper 2003, 54ff. mit Taf. 3–7. Hoeper 2003, 37 ff. mit Taf. 1.
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ment einer Glasperle sind es lediglich ein Bronzezierschlüssel und ein römischer Schlüsselfingerring.45 Ohrringe, Fingerringe und Haarnadeln, wie sie aus dem Fundmaterial vom Zähringer Burgberg bekannt sind, fehlen völlig. Auch Spinnwirtel fehlen in dem sehr geringen Keramikinventar. Dieses einseitig ausgerichtete Fundmaterial vom Geißkopf stammt ausschließlich von Kriegern und ihrer Ausrüstung, weshalb diese Höhenstation wahrscheinlich ein Militärlager gewesen ist. Das legen auch die zahlreichen Geräte und Werkzeuge nahe, die hier gefunden wurden.46 Neben Geräten wie Messern, Bügelscheren und einem eisernen Wollkamm sind es vor allem Werkzeuge der verschiedenen Handwerke. Auf Lederverarbeitung deuten Pfrieme und Schlichtmesser. Hobeleisen, Stemmeisen und Löffelbohrer bezeugen das Holzhandwerk. Die größte Anzahl bilden jedoch die Werkzeuge zum Schmiede- und Buntmetallhandwerk. Zu nennen sind hier Feilen, Hämmer, Meißel, Punzen, eine Schmiedezange und Steckambosse. Zusätzlich deuten zahlreiche Schmiedeschlacken auf die Weiterverarbeitung von Eisen hin. Als Rohstoff zur Buntmetallgießerei diente der in großen Mengen gefundene Bronzeschrott, der überwiegend aus zusammengehämmerten und zerhackten Teilen von römischen Bronzegefäßen besteht.47 Darunter sind abgebrochene Kasserollengriffe und Fragmente von Westlandkesseln mit ihren dreieckigen Henkelansätzen.48 Zum Teil ist dieser Schrott angeschmolzen oder bis zur Unkenntlichkeit verschmolzen. Zu dem für das Wiedereinschmelzen vorgesehenen Altmaterial gehören auch einige Stücke der schon angesprochenen Militärgürtelteile, die Schnittspuren aufweisen und in einigen Fällen ebenfalls angeschmolzen sind.
Der Kügeleskopf a) Lage und Topographie: Der Kügeleskopf liegt am nördlichen Ausgang des Kinzigtales zur Rheinebene, oberhalb des Ortes Ortenberg, und erhebt sich etwa 200 m über die Rheinebene (Abb. 2). Die Kuppe des Kügeleskopf mit einer Höhe von ca. 371,80 m über NN wird gebildet durch einen schmalen Ost-West verlaufenden Bergrücken von etwa 50 m Länge, der auf allen Seiten durch steile Berghänge begrenzt wird (Abb. 14). Nur im Nord-
45 46 47 48
Hoeper 2003, 47 ff. mit Taf. 2. Hoeper 2003, 86ff. mit Taf. 18–29. Hoeper 2003, 106 f. mit Taf. 41–45 und 111 ff. mit Taf. 50–58. Hoeper 1999; M. Hoeper, s. v. Westlandkessel. In: Hoops Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 33 (Berlin, New York 2007) 543–545.
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Abb. 14. Kügeleskopf bei Ortenberg. Die den Berg umgebende Befestigung (schwarz) mit der Grabungsfläche (1) im Nordosten der Anlage.
osten verbindet ein schmaler Sattel die Kuppe mit den weiteren Schwarzwaldrandbergen. Dieser Sattel ist durch einen heute noch deutlich sichtbaren Wall und Graben abgeriegelt. Daß es sich bei diesem Wall jedoch nicht nur um einen Abschnittswall, sondern um Teile einer den ganzen Berg umschließenden Befestigungsanlage handelt, konnte eine archäologisch-topographische Geländeaufnahme zeigen.49 Der den Berg umgebende Ringwall ist heute am Nord- und Westhang nur noch als Geländestufe sichtbar. Im Süden und Südosten fehlen hinweise auf einen Ringwall, da hier entweder aufgrund des starken Hanggefälles eine Befestigung nicht notwendig war oder durch den starken Hangabfall vollkommen erodiert ist. Während der schmale Kamm des Kügeleskopfes eher als siedlungsungünstig zu bezeichnen ist, bieten zwei im Westen dem Bergkamm vorgelagerte Terrassen von ca. 50 × 15 m und 70 × 10 m geeigneteren Siedlungsraum, wie auch die hier bei den Begehungen 1988–1993 und 2000 zutage gekommenen Funde bestätigen. 49
M. Hoeper/D. Müller, Ortenberg „Kügeleskopf “. Fundberichte Baden-Württemberg 22/2, 1998, 210–213.
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Abb. 15. Kügeleskopf bei Ortenberg. Die Kartierung der Funde zeigt, daß hier lediglich die kleine ebene Siedlungsfläche im Westen des Berges besiedelt war.
b) Forschungsgeschichte: Im Jahre 1988 belegten Lesefunde von spätrömischen Militärgürtelbeschlägen erstmals, daß der Kügeleskopf im 4./5. Jahrhundert n. Chr. besiedelt war. Weitere Begehungen in den Jahren 1989–1993 erweiterten das Fundspektrum und bewiesen, daß der Kügeleskopf zur Gruppe der frühalemannischen Höhensiedlungen zu zählen ist (Abb. 15).50 Im Frühjahr 1995 wurde am nördlichen Hang des Berges ein Forstweg angelegt. In der frisch angeschnittenen Böschung war unterhalb der westlichen Terrassen eine erodierte Kulturschicht mit Holzkohle und Hüttenlehm zu erkennen, in der vor allem Keramik frühalemannischer Zeit gefunden wurde, aber auch hallstattzeitliche Keramikgefäßfragmente, die erstmals auf eine Besiedlung des Berges in dieser Zeit hinwiesen.51 Dieser
50 51
Siehe dazu Hoeper 2003, 126 ff. und 144 ff. Ch. Bücker, in: Hoeper 2003, 117 und 119 ff.
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Forstweg hatte auch den Abschnittswall an seiner nördliche Flanke auf breiter Front undokumentiert durchschnitten. Anfang 2000 konnte eine große Menge von Keramikgefäßfragmenten und einige Metallgegenstände aus den Wurzeltellern zahlreicher umgestürzter Bäume am Westhang des Kügeleskopfes geborgen werden. Durch den Sturm „Lothar“ im Dezember 1999 waren vor allem hier an der Westflanke des Berges viele Bäume umgestürzt. Die Funde stammen von den westlichen Terrassen und dem Nordwesthang. Datieren lassen sich die Keramikund Metallfunde in die Späthallstatt-/Frühlaténezeit (7.–5. Jh. v. Chr.) und Völkerwanderungszeit (4./5. Jh. n. Chr.).52 Im Sommer 2006 konnten Wall und Graben des Kügeleskopfes im Bereich des neu angelegten Forstweges im Nordosten der Befestigungsanlage (Abb. 14) durch einen Wall-/Grabenschnitt untersucht werden.53 c) Die Befestigungsanlage: Die Ausgrabungen zeigten eine zweiphasige Befestigungsanlage, die sich durch eine große Zahl von Keramikfragmenten in den Schichten und zusätzliche 14C-Daten datieren läßt.54 Danach besteht die ältere Bauphase aus einer nur noch 40 cm hoch erhaltenen HolzErde-Mauer, die in einer Tiefe von 1,70 m, gemessen von der Wallkrone, auf dem gewachsenen Boden aufsitzt. Die hölzerne Vorderfront dieser Konstruktion war als 30 cm breites und 50 cm tief in den gewachsenen Boden eingetieftes Gräbchen vor der ehemaligen Erdfüllung der Holzkastenkonstruktion erkennbar. Die erhaltene Breite dieser ersten Befestigungsmauer von der Außenfront nach innen betrug 1,40 m. Überdeckt wird diese erste Mauer von dem Versturz einer jüngeren Befestigungsbauphase. Diese jüngere Befestigungsmauer wurde nach innen versetzt teilweise auf und hinter den Resten der ersten Bauphase errichtet. Ihre Breite beträgt 1,50 m und ihre noch erhaltene Höhe ca. 1 m. Im Gegensatz zur ersten Mauer wurde sie überwiegend aus Holzbalken und Steinen errichtet. Dies belegen sowohl Pfostenlöcher im Innen- und Außenbereich als auch durch den Mauerkörper laufende Querbalken. Diese jüngere Bauphase war im Innenbereich mit einer schrägen Anschüttung versehen, die auf der ehemaligen Humusoberfläche des Berges aufliegt. Überdeckt wird diese Anschüttung vom Versturzmaterial der jüngeren Bauphase. In der ersten Bauphase und ihrem Versturz kamen keine Funde zutage. Die 14C-Daten, die aus den Holzkohleproben der ersten Bauphase gewonnen wurden, deuten jedoch auf eine Datierung in die Hallstatt-/Frühlatènezeit. 52 53 54
Bräuning/Hoeper 2007; Hoeper 2007. Ebenda. Bräuning/Hoeper 2007, 188 f.; Hoeper 2007.
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In der Steinkonstruktion der zweiten Bauphase, ihrer Hinterfüllung sowie dem Versturz konnte dagegen eine für einen Wallschnitt eher unübliche große Zahl von Keramikgefäßfragmenten geborgen werden. So ließen sich in allen Schichten der zweiten Bauphase Keramikfragmente der Hallstatt-/Frühlatènezeit (60 %) und der frühalemannischen Zeit (40 %) nachweisen. Offenbar wurden beim Bau der zweiten Mauer zahlreiche Siedlungsbefunde der Hallstatt-/Frühlatènezeit zerstört, und die Keramik kam somit in die Mauer. Der im Gelände noch gut als leichte Mulde vor dem Wall sichtbare Graben liegt mit seiner heutigen Sohle ca. 3,70 m unter der Wallkrone. Der Graben war durch den Abtrag der verwitterten anstehenden Gesteinsmassen bis auf den massiven Felsuntergrund in ca. 1,50 m Tiefe enstanden. Bedeckt war er mit einer humosen Schicht, die eine hallstatt-/frühlatènezeitliche Keramikscherbe direkt über dem Felsen barg. Darüber war der Graben mit mehreren Versturzschichten verfüllt, die sowohl hallstatt-/frühlatènezeitlicher Keramik als auch spätrömische und frühalemannische Keramik aufwiesen. Erstmals angelegt in Verbindung mit der älteren Befestigungsbauphase wurde der Graben in der frühalemannischen Zeit wahrscheinlich erneut vom Versturz der älteren Bauphase befreit und ausgeräumt. Nach diesen Erkenntnissen kann davon ausgegangen werden, daß in der Hallstatt-/Frühlatènezeit eine erste Befestigungsanlage auf dem Kügeleskopf errichtet wurde. Rund 1000 Jahre später wurde diese bereits verfallene Anlage im 4./5. Jahrhundert n. Chr. durch die frühen Alemannen im Bereich des Abschnittswalles erneut ausgebaut. d) Die Terrassen: Im Gegensatz zum Geißkopf bei Berghaupten konnte beim Kügeleskopf wie beim Zähringer Burgberg eine Umgestaltung des natürlichen Berges durch den Bau von Terrassen – wenn auch in sehr viel geringeren Ausmaßen als auf dem Zähringer Burgberg (s. o.) – festgestellt werden. Von diesen am westlichen Berghang gelegenen Terrassen stammt fast ausschließlich das bisher bei den Begehungen entdeckte Fundmaterial der Hallstatt-/Frühlatènezeit und der Völkerwanderungszeit.55 Wann diese Terrassen angelegt wurden, wird sich nur durch weitere archäologische Untersuchungen klären lassen. e) Das Fundmaterial: Durch die 1988–1993 vorgenommenen Begehungen konnte weit weniger Fundmaterial zusammengetragen werden als auf dem Geißkopf. Unter den Bronzefunden sind sechs römische Münzen, vier Fibeln und eine Bronzenadel, zahlreiche Bronzefragmente, die als Altmate-
55
Hoeper 2003, 139 f. mit Karte 16.
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Abb. 16. Gürtelbeschläge mit Tierkampfszenen, gefunden auf dem Kügeleskopf (links) und dem Geißkopf (rechts). Sie stammen möglicherweise vom selben Gürtel und unterstreichen die zu vermutende enge Beziehung dieser beiden Höhensiedlungen am Ausgang des Kinzigtales zur Rheinebene zueinander. – M. 1:1.
rial zur Wiederverwendung gedacht waren, und über 30 vollständige Teile und Fragmente von spätrömischen Gürtelbronzen.56 Die enge Beziehung der Höhensiedlung auf dem Kügeleskopfes zum benachbarten Geißkopf wird vor allem durch zwei exklusive Militärgürtelbeschläge vom Typ Mutmannsdorf angedeutet (Abb. 16). Beide Bleche sind mit realistischen Tierkampfszenen verziert. Der Beschlag vom Geißkopf zeigt eine Szene, in der ein Löwe ein Huftier reißt. Der vollkommen erhaltene Beschlag vom Kügeleskopf zeigt einen Bären, der sich über eine Hirschkuh stürzt. Wahrscheinlich stammen beide Stücke aus derselben Werkstatt, wenn nicht sogar vom selben Gürtel und unterstreichen so die zu vermutende enge Beziehung dieser beiden Höhensiedlungen am Ausgang des Kinzigtales. Unter den Eisenfunden vom Kügeleskopf finden sich zwei Pfeilspitzen und vier Äxte bzw. Axtfragmente und einige Geräte und Werkzeuge. Dem gegenüber steht eine relativ hohe Anzahl von Keramikgefäßfragmenten und ein Glasgefäßfragment.57 Die Keramik setzt sich wie auf dem Zähringer Burgberg aus römischer Keramik (Argonnen-Sigillata, TerraNigra sowie römische Gebrauchskeramik) und germanischer Keramik der Ware II (handgemachte Feinkeramik) und Ware III (handgemachte Grobkeramik) zusammen.
56 57
Hoeper 2003, 127 ff. mit Taf. 66–75. Ch. Bücker, in: Hoeper 2003, 119 ff.
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Der Hertenberg a) Lage und Topographie: Erst 2001 konnten Hinweise auf eine weitere spätantike Höhensiedlung im südlichen Breisgau gewonnen werden, die ebenfalls die These bestätigen, daß vor allem im Vorfeld der spätantiken Kastelle an Ober- und Hochrhein mit einer Konzentration germanischer Besiedlung zu rechnen ist (Abb. 2).58 Lesefunde vom Hertenberg belegen, daß auch hier am westlichen Hochrhein, unmittelbar gegenüber dem spätrömischen Kastell von Kaiseraugst /Castrum Rauracense und oberhalb des spätrömischen Brückenkopf von Grenzach-Wyhlen eine Höhensiedlung der frühen Alemannen bestanden hat (Abb. 17). Der in Nord-Süd-Richtung verlaufende Bergrücken (395 m NN) von 120 × 40 m trägt heute die Reste der mittelalterlichen Hertenburg und ist durch einen tiefen Ost-West verlaufenden Halsgraben durchschnitten (Abb. 18). Die Anlage der mittelalterlichen Burg und des Halsgrabens haben wahrscheinlich schon große Teile der frühalemannischen Höhensiedlung im Mittelalter zerstört. b) Das Fundmaterial: Zum bisher vorliegenden Fundmaterial gehören ein Eisenmesser, zwei Pfeil-/Bolzenspitzen, einige Bronzeblechfragmente und das Fragment eines propellerförmigen Gürtelbeschlages zur frühalemannischen Siedlungsphase des Berges (Abb. 19). Eine Begehung des Platzes erbrachte zusätzlich eine große Anzahl germanischer Gefäßkeramikfragmente des 4./5. Jahrhunderts und einen Spinnwirtel (Abb. 19,14). Von diesen Funden läßt sich nur der propellerförmiger Gürtelbeschlag chronologisch genauer datieren (Abb. 19,10). Er gehört zu einer punzverzierten Gürtelganitur des letzten Drittel des 4. und frühen 5. Jahrhunderts.59
Historische Einordnung Der römische Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus berichtet, daß Vadomar, einer der Kleinkönige oder Fürsten des Breisgaus, seinen Wohnsitz gegenüber Kaiseraugst hatte.60 Es ist daher verlockend, die Höhensiedlung auf dem Hertenberg als Wohnsitz Vadomars zu interpretieren. Jedoch läßt sich beim augenblicklichen Forschungsstand kein sicherer Beweis da58 59 60
Fingerlin 2002; Hoeper 2002. Hoeper 2002. Ammianus Marcellinus 18, 2,16.
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Abb. 17. Der Hertenberg und sein spätantikes Umfeld mit dem Castrum Rauracense/Kaiseraugst, dem römischen Brückenkopf Wyhlen und Augusta Raurica.
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Abb. 18. Hertenberg bei Rheinfelden. Plan der mittelalterlichen Burgruine Hertenberg mit Halsgraben.
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Abb. 19. Hertenberg bei Rheinfelden, 1 Bronzering, 2 Ziernagel, 3–9 Bronzeschrott, 10 Propellerbeschlag, 11 Messer, 12 Pfeilspitze, 13 Bolzenspitze, 14 Spinnwirtel. 1–10 Bronze, 11–13 Eisen, 14 Keramik. – M. 2:3; 11–13 M. 1:2.
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für finden – wenn die archäologische Forschung einen solchen Beweis überhaupt jemals führen kann. Das gleiche gilt auch für eine mögliche Verbindung des ebenfalls für den Breisgau genannten Kleinkönigs Gundomad, einem Bruder Vadomars, zur Höhensiedlung auf dem Zähringer Burgberg, und einer Verbindung des Chnodomar als Anführer einer alemannischen Streitmacht in der Schlacht bei Straßburg im Jahre 357 zu den Höhensiedlungen Geißkopf und Kügeleskopf am Kinzigtalausgang.61 Das Fundmaterial des 4./5. Jahrhunderts, das sonst in den nördlichen römischen Provinzen in Gallien sowie zwischen Rhein und Elbe zumeist aus Gräbern bekannt ist,62 wurde auf dem Zähringer Burgberg und den benachbarten Höhenstationen in der Siedlung geborgen, und damit wird das Vorkommen weitgehend desselben Materials auch im Süden belegt. Die Konzentration von Kriegerausrüstung und Handwerk im Vergleich zum Fundstoff der offenen Siedlungen im Breisgau63 spricht für die Ranghöhe und die herausgehobene Stellung der Bewohner dieser Höhenstationen. Nach der schriftlichen Überlieferung, so bei Ammianus Marcellinus,64 sprechen die Befunde dafür, daß hier einer der reges oder reguli der Alemannen gesessen hat.65 Das gewaltige Ausmaß der Umgestaltung des Berges verlangte Planung, den Aufbau einer Infrastruktur zur Versorgung der Bauleute und zeigt zugleich den Willen zur Repräsentation, zum Beispiel gegenüber den am Horizont beiderseits des Rheins errichteten spätrömischen Befestigungen. Militärs und Anführer wie Vadomar, sein Bruder Gundomad oder sein Sohn Vithicap kommen hier als reges der Brisigavi in Frage.66 354 führte Constantius II. einen Kriegszug gegen die beiden Brüder, 361 wurde Vadomar gefangengenommen und deportiert, Gundomad wurde ermordet (wohl 357), 365/366 fielen Alemannen unter Vithicap in Gallien ein, der 368 auf Veranlassung Valentinians ebenfalls ermordet
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Ammianus Marcellinus 16, 12,1; 16, 12,59. H. W. Böhme erläutert in diesem Band S. 76 ff. die verschiedenen Zeitphasen für die Typen von Gürtelbeschlägen: Gürtelbeschläge mit Tierkopfschnallen und Kerbschnittverzierung kommen im nördlichen Gallien erst zur Zeit Valentinians I. (364–375) auf, um 365, und wurden bis weit ins 5. Jahrhundert hinein getragen; parallel dazu wurden im Süden Punzverzierte Gürtel getragen. Voraus gehen spätrömische Schnallen von Militärgürteln eines anderen Typs, datiert in die Zeit von Constantin I. bis Constantius II. (337–361). Im mittleren Drittel des 5. Jahrhunderts folgen sog. Einfache Gürtel nach (425/30–460/65), die auf den südlichen Höhensiedlungen nicht vorkommen, ein chorologisches, kein chronologisches Problem. Bücker 1999a; Hoeper 2001. Vgl. dazu H. Steuer im einleitenden Beitrag „Struktur und Zielsetzung“ der Tagung, sowie Th. Zotz in diesem Band. Steuer 1997ba; 2003a; 2005; Drinkwater 2007, 93 ff., 101 ff. Hoffmann 1978; Geuenich 2005, 50ff.
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wurde. Für König Vadomar (Ereignisse seines Lebens sind von 354 bis 371 überliefert) heißt es bei Ammianus Marcellinus (Amm. 18,2,16), daß er seinen Wohnsitz gegenüber den Raurakern hatte: rex Vadomarius …, cuius erat domicilium contra Rauracos, also jenseits des Rheins, auf dem Zähringer Burgberg oder – nach der jüngsten Entdeckung – in der Höhenstation auf dem Hertenberg. Die vier bisher bekannten Höhenstationen am Schwarzwaldrand sind unterschiedlich strukturiert, was für verschiedene Funktionen spricht:67 Während der Zähringer Burgberg aufgrund der Größe und des Bauaufwandes als fürstliche Residenz anzusprechen ist, wirkt die Station auf dem „Geißkopf “ wie ein Militärlager. Der Zweck der anderen Plätze ist noch nicht näher zu beschreiben. Die Münzspektren auf den verschiedenen Höhenstationen reichen bis an den Anfang des 5. Jahrhunderts: Vom Zähringer Burgberg stammen 7 Münzen aus der spätrömischen Epoche (und eine Münze aus der frühen Merowingerzeit), vom Geißkopf 10 Münzen der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts (zumeist des Magnentius), vom Kügeleskopf 5 Münzen der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts.68 Für alle Höhenstationen am Schwarzwaldrand bescheinigt das Fundmaterial (außer Fibeln und Bronzeschmuck in Fragmenten, die als Altmaterial auf die Höhen gelangt sind) die Besiedlung für die Zeitspanne von vor der Mitte des 4. Jahrhunderts bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts. Bis zu dieser Zeit waren auch die römischen Kastelle besetzt, in denen anscheinend schon fast ausschließlich andere Alemannen für Rom die Grenzraumsicherung als Foederaten übernommen hatten. Die Nutzungszeit der Anlagen bei Biesheim/Kunheim-Oedenburg-Altkirch, die Straßenstation und die mächtige spätrömische Befestigung aus dem valentinianischen Festungsprogramm (364–375), – Valentinians Anwesenheit ist für 369 in Breisach nachgewiesen ist – reicht bis in das 5. Jahrhundert hinein.69 Die Kastelle auf dem Breisacher Münsterberg oder bei der Sponeck waren bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts besetzt, und das Ende zeichnet sich um 450 oder bald danach ab.70 Parallel zu den Höhenstationen wurden also auch die Kastelle aufgegeben, und die alte Grenze verlor ihre militärische Bedeutung, das heißt, die politische Situation machte sowohl römische Festungen als auch ger-
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Hoeper 1998; 2005; Hoeper/Steuer 1999b; Steuer 1997a. Nach M. Hoeper, in: Steuer/Hoeper 2002, 59 Tab. 1 (Geißkopf), 64 Tab. 2 (Kügeleskopf); 67 Tab. 3 (Zähringer Burgberg). Nuber 2005; Nuber/Reddé u. a. 2002. Seitz/Zagermann 2005.
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manische Höhensiedlungen mit ihrer insgesamt schwierigeren Versorgung mit Lebensmitteln überflüssig, und die Wohnplätze der alemannischen Elite wurden wieder in die Ebene in das Weichbild der ländlichen Siedlungen verlegt.71 Die geschilderte geographische Position der Höhenstationen am Schwarzwaldrand hat trotz ihrer unterschiedlichen Struktur und Funktion dazu geführt, sie als Vorposten der römischen Militärorganisation jenseits des Rheins zum Schutz gegenüber der Bedrohung aus der Germania zu deuten.72 Die dort sitzenden germanischen Kriegerverbände stünden in einer Art Foederatenbeziehung zum römischen Reich. Das hieße dann, diese Höhenstationen wären durch das römische Militär installiert oder zumindest angeregt worden. Daß sich die römische Seite andererseits massiv bedroht fühlte, ist aus dem Bau der gewaltigen Kastelle wie das von Biesheim/Oedenburg zu folgern. Die gegnerischen Positionen auf den Schwarzwaldhöhen wie dem Zähringer Burgberg mit seinen ebenfalls gewaltigen, aber völlig unrömischen Umbaumaßnahmen der Bergkuppe geben eine Ahnung von dieser Bedrohung. Die germanischen Anführer, die derartige Höhenstationen als Residenzen haben errichten lassen, waren – wie die schriftliche Überlieferung, zumeist Ammianus Marcellinus, beschreibt – zeitweilig auch Bündnispartner der Römer, aber ebenso häufig militärische Gegner, woraus folgt, daß die Höhenstationen nicht während einer bestimmten politischen Situation der Zusammenarbeit entstanden sind, sondern sie sind eine im 4. Jahrhundert aufkommende Siedlungsweise der germanischen Elite, die sich durchaus auch mit der römischen Seite verbünden konnte. In einer Lobrede des Q. Aurelius Symmachus auf Kaiser Valentinian I. (364–375) im Februar 369 anläßlich seiner Quinquennalien bzw. für den Augustus Gratian (367–383) heißt es: ecce iam Rhenus non despicit imperia sed intersecat castella Romana, a nostris Alpibus in nostrum exit oceanum (Siehe, schon verachtet der Rhein nicht mehr die [röm.] Herrschaft, vielmehr fließt er zwischen römischen Kastellen; von unseren Alpen geht er in unser Meer).73 Demnach war damals der Strom keine Grenze, sondern die Oberrheinebene stand unter Verwaltung des römischen Reiches. Die starken römischen Befestigungen, die unter Valentinian erbaut wurden, lagen aber linksrheinisch, wozu in einigen Fällen rechts des Rheins Brückenköpfe kamen, doch die Schwarzwaldhöhen waren gewissermaßen die vordere Front71 72 73
Steuer/Hoeper 2002. Dazu ausführlich die Diskussion in der Schlußzusammenfassung der Tagungsergebnisse. Steuer/Hoeper 2002, 49: MGH AA VI p. 332,2–4 (2, II, 35).
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linie der Herrschaftsgebiete germanischer Kriegerverbände, die sich zeitweilig – so im Jahr 357 für die Schlacht bei Argentoratum /Straßburg gegen Julian – zu größeren Koalitionen zusammenschlossen, um gegen Rom zu kämpfen. Zahlreich sind die Verträge zwischen Rom und Anführern der Alemannen zwischen 354 (Bündnisvertrag mit Vadomar und Gundomad; Gundomad wurde dann von seinen eigenen Kriegern erschlagen, weil er an dem Bündnis mit Rom festhalten wollte wie sein Bruder Vadomar, aber diese lieber Krieg führen und Beute machen wollten) und 407,74 ebenso zahlreich jedoch auch die kriegerischen Ereignisse.
Zur allgemeinen Verbreitung der Höhenstationen in Südwestdeutschland Von den zahlreichen Höhenstationen in der Germania zwischen Main, Rheins und Donau (Abb. 1) sind bisher erst einige ausführlicher archäologisch erforscht worden. Jede hat ihre eigene Struktur und Geschichte, was keine einheitliche Erklärung dieser spätantiken Siedlungsform erlaubt, auch wenn dieser Zug auf die Höhe als Regelerscheinung zu akzeptieren ist.75 Wesentliche Erkenntnisse wurden außer bei den noch flächenmäßig begrenzten Ausgrabungen durch die Phosphatanalysen des Bodens und vor allem durch den Einsatz von Metalldetektoren gewonnen, so zum Beispiel auf dem Zähringer Burgberg, dem Geißkopf und dem Kügeleskopf, auf der Wettenburg bei Urphar76 und auf dem Reisberg oder dem Dünsberg.77 Der auf diese Weise geborgene Fundstoff aus Metall ist auf allen Plätzen sehr ähnlich zusammengesetzt und besteht aus Militärgürtelschnallen und -beschlägen aus Bronze, aus eisernen Waffen, Werkzeugen und Gerät, aus Fibeln und anderem Schmuck aus Buntmetall und Eisen sowie aus beachtlichen Mengen an Schrott aus römischen Altsachen,78 die zum Ein- und Umschmelzen zusammengetragen wurden. Die Höhenstationen sind also sehr verschieden, was Größe und Struktur sowie die Zusammensetzung des Fundstoffs angeht. Doch stimmt die Datierung 4./5. Jahrhundert im wesentlichen überein, auch wenn manchmal die Nutzung nicht in jedem Fall auf diesen Zeitabschnitt begrenzt ist.
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Steuer/Hoeper 2002, 53f. Spors-Gröger 2005. Zur Wettenburg Wamser 1982; Neubauer 1999b; 2000; Overbeck/Wamser u. a. 2002 (Münzschatz). Prospektion mit Metallsuchgeräten: Steuer 2003b, 499ff. Hoeper 1999.
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Die Höhensiedlungen waren Fürstensitz oder Residenz,79 Heerlager und militärischer Rückzugsraum80 oder Kultplatz.81 Das Fundspektrum spiegelt in starkem Maß römischen Einfluß: Nicht nur römische Militärgürtelteile sind Hinweis auf Söldnerdienste in der römischen Armee, sondern Argonnen-Sigillata oder Mayener Keramik sind Ausdruck römischer Lebensweise, byzantinische Gewichte und römisches Münzgeld – wenn auch in erstaunlich geringer Zahl unter dem Fundstoff – sind Niederschlag antiker Handelsbräuche. Dabei ist kaum ein Unterschied zwischen den nahe am spätrömischen Donau-Iller-Rhein-Limes gelegenen Höhen und den fernen Stationen zu erkennen. Die Höhenstationen sind unterschiedlich groß. Von weniger als 1 bis über 5 ha reicht meist die besiedelte Fläche,82 bei einigen Höhen mit mehr als 10 ha Fläche ist der während der Spätantike besiedelte Bereich noch nicht zu bestimmen. Die Funddichte von Luxusglas und Metallgürtelteilen ist verschieden. Die Reste von Glasgefäßen sind auf dem Zähringer Burgberg zwar – aus chronologischen Gründen – geringer an Zahl als auf dem Runden Berg bei Urach, aber bieten vom Typenspektrum bis zur ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts fast das gleiche Bild. Auf dem Runden Berg ist die Gesamtfläche von 0,5 ha ausgegraben, auf dem Zähringer Burgberg sind von 5 ha nur 0,15 ha erforscht, also im Vergleich nur ein Drittel der Fläche wie auf dem Runden Berg, was fordert, die Fundzahlen zu relativieren.83 Im Vergleich der Anzahl spätrömischer Militärgürtelbeschläge und Waffen sowie von Schmuck, Keramik- und Glasgefäßen derselben Zeit von den Höhensiedlungen am Oberrhein und vom Runden Berg wird sichtbar,84 warum zum Beispiel der Geißkopf als Militärlager erscheint (Abb. 20). Nur für einige der Höhenstationen ist eine Befestigung nachgewiesen, so wahrscheinlich auf dem Runden Berg bei Urach eine Doppelpfostenmauer, datiert um 500.85 Der Palisadengraben und die Doppelpfostenbefestigung mit zweiphasiger Toranlage auf dem Runden Berg wurden um 500 oder in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts errichtet. Die erste Toranlage wurde in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts zerstört. Ähnliche Doppelpfostenbefestigungen, nicht sicher datiert, sind auf der Gelben Bürg bei Dittenheim und auf der Lenensburg bei Betznau nachgewiesen, und als 79 80 81 82 83 84 85
Steuer 1997b; Hoeper 2005. Hoeper/Steuer 1999a; Steuer 1997a. Hoeper 1998; 2003, 146 ff.; Hoeper/Steuer 1999a. Hoeper/Steuer 1999a, 235 Abb. 27. Bücker 1999b, 229 Anm. 129. Hoeper 2003, 149 f. Abb. 37 und 38. Spors-Gröger 1998; Filgis 1998.
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Abb. 20. Vergleich der Anzahl spätrömischer Militärgürtelbeschläge und Waffen von den Höhensiedlungen am Oberrhein mit zeitgleichen Funden vom Runden Berg. 1 Riemenzunge, 2 Gürtelschnalle, 3 Gürtelbeschlag, 4 Lanzenspitze, 5 Axt, 6 Pfeilspitze, 7 Bolzenspitze (nach Hoeper 2003, 149 Abb. 37).
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mögliche Parallele wird auch der Befund vom Castiel in Graubünden genannt.86 Auf dem Zähringer Burgberg wirkten die Terrassenaufbauten mit ihrer Steilkante zum Tal wie eine Befestigung, datiert in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts. Für die Gelbe Bürg werden Datierungen vom 5. bis 7. Jahrhundert vorgeschlagen, auf der Wettenburg bei Urphar datiert man die Holz-Erde-Konstruktion über einer Pfostenschlitzmauer in das 5. Jahrhundert; auf dem Glauberg gibt es eine Trockenmauer, datiert wohl in die frühe Völkerwanderungszeit, und auf dem Reisberg wird die Erneuerung der Pfostenschlitzmauer der Urnenfelderzeit während des 4./5. Jahrhunderts angenommen.87 Eine reguläre, neu errichtete stärkere Befestigung der Höhenstationen ist nicht sicher nachzuweisen, vielmehr nutzte man wohl die vorgegebene Situation. Auf dem Kügeleskopf am Schwarzwaldrand wurde eine Befestigung der Hallstattzeit im 4./5. Jahrhundert von einer Mauer aus Holz und Steinen überbaut. Die regelhaften Funde von Metallschrott und die verschiedenartigen Werkzeuge sind Ausdruck der Konzentration von Handwerk auf den Höhen, was eine gewisse Monopolisierung in der Hand der Führungsgruppen markiert.88 Sichtlich werden Beschläge von Kriegergürteln aus Bronze nicht nur eingeschmolzen, sondern auch repariert und als neue Garnituren hergestellt. Halbfabrikate und Modelle von Fibeln sind der Beweis für Schmuckhandwerk; auch Waffen wurden hergestellt. Die Verbreitung bestimmter Typen von Kriegergürtelbeschlägen besonders im Süden, im Gebiet der Höhenstationen, spiegelt sich exemplarisch in der Kartierung der scheibenförmigen Riemenzungen.89 Die Verbreitung der Westland- und Gotlandkessel, von denen oft nur Fragmente im Schrott zur Weiterverarbeitung überliefert sind, zeigt auf diese Weise eine Massierung am Mittel- und Oberrhein im Bereich der Höhenstationen des 4./5. Jahrhunderts.90
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Spors-Gröger 1998, 716 f. Haberstroh 2003, 208 Anm. 16; Steuer 1990. Steuer 1990a, 177; 1994b. Steuer 1990a, 180 ff. mit Karte Abb. 2 a,b; Brather, M.-J. 2003, 387 Abb. 10 und 392 Liste. Hoeper 1999, 239 Karten Abb. 2 und 3; 2003, 108 Abb. 34; zu den vollständigen Westlandkesseln mit Kartierung auf dem Kontinent jetzt auch Dahlin Hauken 2005, 14 Karte Fig. 5 und Appendix III.
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Der militärisch-politische und siedlungsgeschichtliche Hintergrund Der machtpolitische Stellenwert der Höhenstationen im Gefüge der germanischen Verbände des 4./5. Jahrhunderts wird am besten durch die Nachrichten antiker Schriftsteller wie Ammianus Marcellinus erkennbar. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die limesnahen Zustände am Rhein nicht einfach auf die ferngelegenen Gebiete am oberen Main und jenseits des Neckar übertragen werden dürfen. Doch geben sie eine Vorstellung von der möglichen Struktur auch jener Gemeinschaften. Einige Höhenstationen wie der Geißkopf am Schwarzwaldrand waren Militärlager oder Militärstützpunkte, die vielleicht zeitweise von Foederaten der Römer besetzt waren, doch zumeist als Sammel- und Trainingslager germanischer Kriegerverbände sowie als Rückzugsorte in dichten Wäldern und auf unzugänglichen Höhen dienten, wie sie bei Ammianus Marcellinus beschrieben werden.91 Ammianus spricht nicht von Befestigungen, sondern Lager und Marschwege waren durch Ast- und Baumverhaue gesichert. Die These, daß die Höhenstationen von germanischen Foederaten besetzte römische Vorposten waren, folgt einerseits für die Plätze am Schwarzwaldrand aus ihrer Position gegenüber den spätrömischen Festungen und andererseits aus dem Fundstoff, der starke römische Anteile aufweist, was aber auch für die weit vom Limes entfernten Höhen ebenfalls zutrifft. Für das Vorkommen von Gürtelschnallen ostgermanischen donauländischen Charakters – einschließlich von Gußformen und Halbfabrikaten – auf dem Glauberg sowie auf Plätzen am oberen Main, wie in der Wettenburg bei Urphar oder auf dem Reisberg, gibt es ebenfalls mehrfache Erklärungen. Einerseits könnte es sich um die Einwanderung östlicher Gruppen germanischer Krieger handeln,92 andererseits um vom Westen nach Osten vorgeschobene foederierte germanische Truppen,93 und schließlich könnte es sich um eine Zeitmode handeln, die zur Herstellung derartiger Metallsachen an verschiedenen Orten führte.94 Die auf dem Gebiet des römischen Reiches im Hinterland des RheinIller-Donau-Limes seit der Mitte des 3. und im 4. Jahrhundert ausgebauten Höhensiedlungen können nicht das Vorbild für die Germanen gewesen sein; denn zum einen waren das eindeutig Schutzeinrichtungen der einhei91
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Vgl. dazu die Einleitung in diesem Band mit den entsprechenden Zitaten: Ammianus Marcellinus 16,12,15; 17,10,6; 17, 12, 9; 27,10,9; 31,10,12 (Steuer 1990a, 171 ff.; 1997a, 121). Haberstroh 2003, 226. Böhme 2002, 303. Neubauer 1998b.
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mischen Bevölkerung gegenüber den germanischen Kriegs- und Beutezügen in die Provinzen, andererseits sind sie zumeist älter als die Höhenstationen rechts des Rheins, die erst seit der Mitte des 4. Jahrhunderts aufgesucht und dann bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts besetzt waren.95 Daher ist die These von der Nachahmung spätrömischer Höhensiedlungen des 3. und 4. Jahrhunderts wie dem „Großen Berg“ bei Kindsbach in der Eifel durch die Germanen zum Beispiel am Main kaum schlüssig. Eine derartige Bedrohung wie für die römische Provinzbevölkerung gab es für die germanischen Herrschaftsgebiete nicht, außer daß die Rivalitäten der germanischen Kriegerführer untereinander eine solche Gefahr bildeten. Die besonders auffälligen und nicht im Wald verborgenen Positionen auf den Höhen waren eher aus Repräsentationsgründen ausgebaut worden, zur Betonung der Herrschaft von der Höhe,96 wo neben der Kriegergefolgschaft auch das wichtige Handwerk konzentriert wurde und damit zu kontrollieren war.97 Die Höhenstationen waren zudem Zentren von Siedlungskammern, Sitz der germanischen Elite, wie das anhand der zeitgleichen Siedlungen und Gräberfelder für den Breisgau,98 für das Maingebiet99 und ebenso für Nordbayern100 analysiert wurde.101 Diese neuartige, auch zuvor bei den Germanen nicht übliche Siedlungsweise, die im Sinne des Wortes auf den Höhen „gehobenen Lebensstil“ ausdrücken wollte, unterscheidet sich zudem grundsätzlich von römischen Militäreinrichtungen. Die Besatzungen der Höhenstationen wie auf dem Zähringer Burgberg am Schwarzwaldrand oder auch auf dem Runden Berg bei Urach an der Traufe der Schwäbischen Alb oder der Glauberg in der Wetterau können zeitweilig Bündnispartner der Römer gewesen sein, jedoch trifft das für die zahlreichen weiteren Höhenplätze in größerer Entfernung von Rhein und Donau in den Tiefen der Germania kaum zu. Sie sind ohne römische Anregung entstanden und vielmehr Kennzeichen für die allgemeine Südbewegung germanischer Krieger- und Siedlergruppen im 4. und 5. Jahrhundert, aus denen dann östlich des Rheins und nördlich der Donau „Alemannen“ wurden.102 95 96 97 98 99 100 101
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Dazu im Nachwort S. 835. Steuer 1997b; 2005. Steuer 1994b. Bücker 1999a; Hoeper 2001. Neubauer 1998a; 2000. Haberstroh 1995; 2000; 2003. Zur graphischen Darstellung dieser hierarchischen Siedlungsstruktur im Gebiet der Alemannen: Steuer 1994a; 2003a, 83 Abb. 10; 2005, 36 Abb.; allgemein auch Bücker/Hoeper 1999. Zur germanischen Landnahme und Entstehung der Alemannen als Stamm: Keller 2001; Steuer 1997b; 1998; 2003a.
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Abb. 21. Bügelknopffibeln vom Geißkopf bei Berghaupten.
Die militärische Bedrohung, die von jenen Germanengruppen ausging, führte auf römischer Seite zum Ausbau des Limes mit einer engen Kette von Befestigungen an Donau, Iller und Rhein, auf der Westseite des Stroms gegenüber den Höhenstationen am Schwarzwaldrand zu den gewaltigen Festungen wie bei Oedenburg/Biesheim, die unter Valentinian I. (364–375) errichtet wurden.103 Die germanischen Höhenstationen am Rhein waren anfangs entweder eine Bedrohung für die römische Militärverwaltung, die zum Ausbau des sogenannten spätrömischen Limes führte, oder sie waren eine Antwort der Germanen auf den Ausbau dieses Limes, was jedoch kaum für die fern liegenden Plätze zutrifft. Doch waren sie in der Regel Wohnsitze der Könige oder Kriegsfürsten germanischer Gruppen. Die aus allen Gebieten der Germania, aus dem heutigen Thüringen, auch aus Mecklenburg und Brandenburg, ebenfalls aus Böhmen, einwandernden Gruppen wurden von Gefolgschaftsherren oder Königen geführt, wie sie in den Quellen genannt werden (reges, reguli, optimates). Die Bügelknopffibeln mit doppelkonischen Bügelknopf,104 von denen ein Depot auf dem Geißkopf bei Offenburg entdeckt wurde (Abb. 21 und 22), zeigt die 103 104
Nuber 2005; Nuber/Reddé u. a. 2002; Seitz/Zagermann 2005; La Frontiére Romaine 2001. Hoeper 2003, 44ff. mit Abb. 14.
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Abb. 22. Verbreitung der Bügelknopffibeln mit doppelkonischem Bügelknopf vom Typ Leutkirch (nach Hoeper 2003, 45, Abb. 14).
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Beziehung zwischen Nord- und Mitteldeutschland einerseits und dem südwestdeutschen Gebiet der Höhenstationen andererseits.105 Größere Verbände, die sich dann im Südwesten den Namen Alamannen gaben oder erhielten, entstanden als Bündnisse, wie sie ebenfalls von Ammianus Marcellinus überliefert sind: Zur Schlacht bei Straßburg/Argentorate im Jahr 357 hatten sich unter der Führung eines Chnodomar und seines Enkels Agenarich, mit römischem Namen Serapio, rund zwölf Könige vereint, um mit der größeren Streitmacht – 30 000 bis 35000 Kriegern – eine höhere Chance gegen die römische Armee zu haben. Falls die Zahlen stimmen, dann hatte jeder König, zu dem eine Höhenstation als Sitz gehörte, eine Gefolgschaft von bis zu 3000 Kriegern.106 Germanische Truppeneinheiten im römischen Dienst wurden von römischen Autoren nicht nach den Namen der wechselnden Anführer oder einer Stammesgruppe bezeichnet, sondern nach deren Wohn- und Herrschaftsgebieten, den pagi, die zugleich Rekrutierungsräume waren, wenn man Ammianus Marcellinus so verstehen darf. In der Notitia dignitatum aus dem Anfang des 5. Jahrhunderts sind germanische, wohl alemannische Kriegerverbände überliefert. Genannt werden die Brisigavi seniores und die Brisigiva iuniores, zwei Einheiten, eine früh aufgestellte (die seniores) und eine später aufgestellte Einheit (die iuniores), die anscheinend aus dem Breisgau rekrutiert worden waren, also aus einem Territorium, das von alemannischen Anführern besetzt war. Hier lokalisiert man zum Beispiel in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts Gundomad und seine Leute, seinen populus, die Krieger, oder gegenüber Kaiseraugst Vadomar und dessen Leuten. Genannt werden außerdem die Lentienses und Raetovarii, Militärs aus dem Linzgau am Bodensee und aus den Teilen nördlich der Donau, der ehemaligen Provinz Rätien. Andere Einheiten hießen ala bzw. cohors Alamannorum. Auch Juthungi und Bucinobantes werden genannt, sowie eine cohors nona Alamannorum und die ala prima Alamannorum. Über Vadomar sagt Ammianus Marcellinus, er habe seinen Sitz gegenüber den Raurakern im Schwarzwald (Vadomarius … cuius erat domicilium contra Rauracos) und seine Leute hießen Vadomarii plebs und Vadomarii populus oder das Herrschaftsgebiet Vadomarii pagus.107 Damit zeichnen sich Größenordnungen für die Herrschaftsgebiete der einzelnen Anführer von Kriegerverbänden ab, deren Sitz auf den Höhen-
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Allgemein dazu Steuer 1998, 294 Abb. 3 sowie 298 Abb. 6; Hoeper 2003, 44f. mit Abb. 13 und 14; Böhme 1996, 92–95 Abb. 2 bis 5. Zu den Zahlen Hoeper/Steuer 1999b; Steuer 1997a; 2007b. Amm. 16,12,17; 21,3,1. Allg. Hoffmann 1970, 127 ff., 168 f.; 1978; Steuer/Hoeper 2002, 50; Geuenich 2005, 35; Steuer 2007a, 415.
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stationen anzunehmen ist. Die große Zahl derartiger Höhenstationen weitab vom Schwarzwald oder der Donau in Ober- und Unterfranken und auf der Schwäbischen Alb spricht dafür, darin den speziellen Lebensstil der eingewanderten germanischen Kriegergruppen und ihrer Elite zu sehen, ein gewissermaßen flächendeckendes Netz der Durchdringung des durch Mobilität gekennzeichneten germanischen Raums bis nach Mitteldeutschland. Diese Höhenstationen verteilen sich über ganz Süddeutschland, ein großes Gebiet, das von den spätrömischen Armeen nicht mehr erreicht wurde. Die Hierarchie der Siedlungen mit den gehobenen Plätzen auf den Bergen an der Spitze der gesellschaftlichen Pyramide spiegelt unmittelbar die sozialpolitische Struktur der Germanen. Die Höhenstationen waren für das 4. und 5. Jahrhundert die germanische Lösung für Repräsentation und Machtgebaren. Wären sie nur römische Vorposten gewesen, dann bliebe es bei den Höhenstationen am Schwarzwaldrand oder auf der Schwäbischen Alb. Die Mehrphasigkeit des Fundstoffs spricht für mehrfache Ansätze zu neuen Herrschaftsstrukturen, im Maingebiet ebenso wie auch auf der Schwäbischen Alb und am Schwarzwaldrand. Die zahlreichen Hortfunde auf dem Runden Berg bei Urach, darunter Depots aus Bügelfibeln der Zeit um 500, aber auch ein Werkzeughort des 6. Jahrhunderts, gehören in ein späteres geschichtliches Umfeld. Sie spiegeln nach dem Ende der eigentlichen Phase der Höhenstationen des 4./5. Jahrhunderts die tiefgreifende Umstrukturierung des gesamten Siedlungsgefüges im Zuge der fränkischen Expansion nach Süden gegen Ende des 5. Jahrhunderts wider, die parallel mit der Auflassung der alten, noch kleinen Gräberfelder der frühen Merowingerzeit und der Gründung der neuen Reihengräberfelder verläuft.108
Quellen Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, Lateinisch und deutsch und mit einem Kommentar versehen von Wolfgang Seyfarth, Teile I–IV (Berlin 1968–1971). Quellen zur Geschischte der Alamannen von Cassius Dio bis Ammianus Marcellinus. Quellen zur Geschichte der Alamannen I (Sigmaringen 1976); Quellen zur Geschichte der Alamannen von Libanios bis Gregor vor Tours. Quellen zur Geschichte der Alamannen II (Sigmaringen 1978).
108
Steuer 1998; 2005.
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 261–322 Der· Runde © Copyright 2008 Walter de Gruyter Berlin ·Berg New bei YorkUrach
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Der Runde Berg bei Urach. Die alamannische Besiedlung im 4. und 5. Jahrhundert Dieter Quast
Im heutigen Südwestdeutschland, dem Bundesland Baden-Württemberg, stellen zwei markante, großflächige Geländeformationen verkehrstechnische Hindernisse dar (Abb. 1): Zum einen der nahezu parallel zum Oberrhein verlaufende Schwarzwald, zum anderen die Schwäbische Alb. Sie ist im Norden als deutliche Geländestufe ausgeprägt, die sich gut 300–400 m über das Vorland erhebt. Nach Süden fällt die Albhochfläche hingegen sanft zur Donau hin ab. Der als Albtrauf bezeichnete nördliche Rand ist durch mehrere Bach- beziehungsweise Flußtäler stark gegliedert. Diese Täler bieten von der Natur vorgegebene Aufstiegsmöglichkeiten auf die Hochfläche und wurden dementsprechend seit jeher genutzt, so auch von römischen Straßen.1 Im Bereich dieser Wege finden sich nahezu regelhaft frühalamannische Höhensiedlungen, die aber zumeist nur durch Lesefunde bekannt sind.2 Eine Ausnahme ist der Runde Berg, die einzige fast vollständig ausgegrabene Höhensiedlung in Deutschland. Dieser durch Bäche erodierte Kegel liegt ca. 2,5 km westlich von Bad Urach (Kr. Reutlingen) versteckt in einem Seitental der Erms (Abb. 1 und 2). Dadurch überblickt man allerdings auch vom Runden Berg selbst nur einen sehr kleinen Abschnitt des Ermstals. Das Plateau des Berges erhebt sich ca. 250 m über die Talsohle auf eine Höhe von 711 m über dem Meer und liegt somit gut 50 m tiefer als die umgebende Albhochfläche. Das spitzovale Plateau mißt maximal 300 m × 50 m (Abb. 3). Eine ungefähr gleich große, durch Hang1 2
Quast, Umland 95 ff. Kommentierte Zusammenstellung und Kartierung: Steuer, Höhensiedlungen 146 ff. mit Abb. 1; zuletzt mit Ergänzungen: M. Hoeper/H. Steuer, Eine völkerwanderungszeitliche Höhenstation am Oberrhein – der Geißkopf bei Berghaupten, Ortenaukreis. Germania 77, 1999, 185 ff. mit Abb. 1; Hoeper, Höhenstationen 15 Abb. 1; 185 Fundliste 1. Vermutlich ist auch die Rheinschleife bei Altenburg jetzt in diesem Kontext zu ergänzen, wenngleich keine „Höhen“siedlung, ist doch die topographische Lage innerhalb der Rheinschleife ähnlich exponiert. Archäologie in Deutschland 2005/1, 44 f.
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Dieter Quast
Abb. 1. Lage des Runden Berges in Südwestdeutschland.
rutschungen entstandene Terrasse erstreckt sich knapp 150 m unterhalb des Plateaus am Osthang (Abb. 4).3 Die Flanken des Runden Berges sind mit 32–34° Gefälle sehr steil. Den einzigen Zugang zum Plateau stellt ein an der schmalsten Stelle nur 3 m breiter Grat im Südwesten dar. Dort befinden sich in einem Abstand von 130 m zwei künstlich eingetiefte Gräben.4 Somit ist der Runde Berg eine jener allein schon durch die Topographie begünstigten Stellen, die hervorragend zur Anlage von Höhensiedlungen geeignet sind. 3
4
Vgl. zur Lage und Fundgeschichte RB I 9 ff.; Die Funde der Terrassen werden im folgenden nicht berücksichtigt. Vgl. dazu RB VII 27 ff. S. Schiek, Zur Topographie des Runden Berges. In: Führer RB 54 f.
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1
2 Abb. 2. 1 Luftbild vom Runden Berg (unten in der Mitte) mit Blick ins Ermstal und auf den Hohenurach. 2 Das Plateau des Runden Berges während der Ausgrabungen (Vorlage: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Außenstelle Tübingen).
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Abb. 3. Lage der Fundstellen am Runden Berg. I. Plateau. II u. III. Hangterrassen. IV. Rutschenhof (erst ab der Karolingerzeit besiedelt) (nach RB I 13 Abb. 3).
Bereits 1897 wurde der Runde Berg erstmals als archäologisches Denkmal aufgeführt. Der damalige Landeskonservator Eduard Paulus vermutete eine Opferstätte auf dem Plateau.5 Als schließlich 1925 an zwei Stellen Metallfunde entdeckt wurden, führte Oskar Paret – ebenfalls Landeskonserva5
E. Paulus, Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg. Bd. 2: Schwarzwaldkreis (Stuttgart, Esslingen 1897) 450ff., bes. 452.
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Abb. 4. Die große Terrasse aus dem Brühlbachtal gesehen (Aufnahme: D. Quast).
tor – eine erste Probegrabung durch.6 In den Folgejahren traten immer wieder Einzelfunde zutage, entdeckt von unterschiedlichen Privatpersonen, etwa dem Jagdaufseher Christian Müller und dem Schriftsteller und Chefredakteur des „Ermstal-Boten“ Helmut Burkert, der auch kleinere Grabungen vornahm.7 Eine erste Zusammenstellung der Funde in chronologischer Ordnung legte 1957 Siegwalt Schiek vor, der die Bedeutung der alamannischen Besiedlungsspuren betonte.8 Als gut zehn Jahre später der Ordinarius des Heidelberger Instituts für Ur- und Frühgeschichte, Vladimir Milojcˇic´, ein geeignetes Objekt suchte, um eine frühmittelalterliche Höhensiedlung systematisch zu untersuchen, fiel seine Wahl auf den Runden Berg. Seinem Interesse an der Ausgrabung einer Höhensiedlung waren kontroverse Diskussionen vorausgegangen, inwieweit die mittelalterlichen Adelsburgen direkt auf kaiserzeitliche Anlagen zurückgingen. Bereits 1941 hatte der Tübinger Historiker Heinrich Dannenbauer der aus der Spätromantik stammenden Auffassung widersprochen, nach der die germanische Sozialverfassung auf
6 7 8
Fundberichte aus Schwaben N. F. 3, 1926, 40f. RB I 10 ff. Fundberichte aus Schwaben N. F. 14, 1957, 215 ff.
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Verbänden von Gemeinfreien beruhte.9 Er stellte die These auf, das politische Leben der germanischen Stämme sei in erster Linie durch Könige und Adel bestimmt. Mittelpunkte dieser Adelsherrschaften seien von der Zeitenwende bis ins Mittelalter hinein ununterbrochen Burgen gewesen. Erster Nachweis sei das „castellum“, das der römische Historiker Tacitus für den Markomannenkönig Marbod überliefert. 24 Jahre später stellte Joachim Werner die bis dahin bekannten archäologischen Belege für die Frage des „Burgenbaus“ im 4. und 5. Jahrhundert zusammen, bei denen es sich aber ausschließlich um Oberflächenfunde und kleinere Grabungen handelte.10 Er sah, daß diese Anlagen nicht über das 5. Jahrhundert hinausreichten, womit die von Dannenbauer postulierte Kontinuität bis ins 10./11. Jahrhundert hinein widerlegt wäre. Bei diesem Forschungsstand wurde von Vladimir Milojcˇic´ 1967 die „Kommission für Alamannische Altertumskunde“ an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften ins Leben gerufen. Wesentliches Forschungsziel war, auf dem Runden Berg eine alamannische Höhensiedlung systematisch zu untersuchen.11 Außerdem sollte das groß angelegte Projekt nicht nur die archäologische, sondern auch die historische Überlieferung einbeziehen.12 In den 18 Grabungskampagnen der Jahre 1967–1984 wurde das Bergplateau nahezu vollständig und weitere Siedlungskomplexe auf den Hangterrassen teilweise archäologisch untersucht.13 Die dabei geborgenen Funde sind in mehreren Monographien vorgelegt worden.14 Auch die Bearbeitung der ergrabenen Bau- und Besiedlungsstrukturen ist abgeschlossen, allerdings noch nicht im Druck erschienen, ebenso die frühalamannische und merowingerzeitliche Besiedlung des Umlandes.15
9 10
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14 15
H. Dannenbauer, Adel, Burg und Herrschaft bei den Germanen. Hist. Jahrb. 61, 1941, 1 ff. J. Werner, Zu den alamannischen Burgen des 4. und 5. Jahrhunderts. In: C. Bauer/ L. Boehm/M. Müller (Hrsg.), Speculum Historiale. Festschrift J. Spörl (Freiburg, München 1965) 439ff. V. Milojcˇic´, Der Runde Berg bei Urach. In: Ausgrabungen in Deutschland. Monographien RGZM 1, Bd. 2 (Mainz 1975) 181 ff.; V. Milojcˇic´, Zu den bisherigen Ergebnissen der Untersuchungen am Runden Berg bei Urach. 1968 bis 1975. In: H. Jankuhn/R. Wenskus (Hrsg.), Geschichtswissenschaft und Archäologie. Vorträge und Forschungen 22 (Sigmaringen 1979) 519 ff. Insgesamt sind sieben Bände der „Quellen zur Geschichte der Alamannen“ erschienen. I: (Sigmaringen 1976); II: (Sigmaringen 1978); III: (Sigmaringen 1979); IV: (Sigmaringen 1980); V: (Sigmaringen 1983); VI: (Sigmaringen 1984); VII: Indices (Sigmaringen 1987). Letzte Zusammenfassungen: Führer RB und Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 25 (Berlin, New York 2003) 489ff. s. v. „Runder Berg“ (U. Koch); RB VIII 223ff. RB I – RB XI. Kurz, Befunde; Quast, Umland.
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Besiedlungsphasen Der Runde Berg war bereits in vorgeschichtlicher Zeit wiederholt zum Teil intensiv besiedelt.16 Nur wenige Funde liegen aus dem Neolithikum vor. Da die sonst in allen Siedlungen häufig vertretene Keramik fehlt, dürfte es sich lediglich um Spuren von Begehungen handeln. Erst am Übergang von der Früh- zur Hügelgräberbronzezeit setzte eine dauerhafte Nutzung des Plateaus ein, die gut 200 Jahre andauerte. Eine besonders intensive Besiedlung erfolgte in der Urnenfelderzeit, während aus der Hallstatt- und Latènezeit jeweils nur geringe Fundmengen zu verzeichnen sind. Allerdings liegt direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Ermstales bei Grabenstetten das große keltische Oppidum Heidengraben.17 Die römische Besiedlung des 1.–3. Jahrhunderts kann derzeitig noch nicht bewertet werden, da eine Fundvorlage noch aussteht.18 In der Mitte des 4. Jahrhunderts oder kurz danach setzte die alamannische Besiedlung ein, die im frühen 6. Jahrhundert ein gewaltsames Ende fand und im Folgenden vorgestellt werden soll. Nach einem gut 150jährigem Hiatus wurde das Plateau erst wieder in der jüngeren Merowingerzeit genutzt. Weitere Besiedlungsnachweise liegen aus der karolingisch-ottonischen Zeit sowie aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit vor.19
Chronologische Terminologie Von den bisherigen Bearbeitern wurden unterschiedliche chronologische Termini benutzt, die sich jeweils durch das von ihnen bearbeitete Material ergaben. Sie sind in einer Tabelle zusammengefaßt (Abb. 5). Silvia SporsGröger bezeichnet die gesamte Besiedlung von der Mitte des 4. bis zum frühen 6. Jahrhundert als „frühalamannisch“, da der Großteil der von ihr bearbeiteten handgemachten Keramik nicht präziser datiert werden kann. Auch Katrin Roth-Rubi spricht von einer „ersten Siedlungsphase“. Ursula Koch hingegen unterteilt denselben Zeitraum in zwei Phasen, die sie durch 16
17
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Zu den vorgeschichtlichen Siedlungsphasen vgl. RB IV; RB X; J. Pauli, Die voralamannischen Siedlungen auf dem Runden Berg. In: Führer RB 62 ff. F. Fischer, Der Heidengraben bei Grabenstetten. Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg 2 (3Stuttgart 1982). Vgl. vorerst Bernhard, Importkeramik 188 ff. D. Quast, Die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Siedlungsspuren auf dem Runden Berg bei Urach (Kreis Reutlingen). Fundberichte aus Baden-Württemberg 27, 2003, 1009 ff.; D. Quast, Die spätmerowingische und karolingisch-ottonische Besiedlung des Runden Berges bei Urach (in Druckvorber.).
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Abb. 5. Gegenüberstellung der von den unterschiedlichen Bearbeitern verwendeten chronologischen Termini.
eine kurze Unterbrechung getrennt sieht.20 Ich selbst unterteile die Besiedlung des 4. und 5. Jahrhunderts ebenfalls in zwei Stufen, die sich auf die chronologischen Ergebnisse beziehen, die anhand der Grabfunde erarbeitet wurden. Die frühalamannische Zeit umfaßt dabei den Zeitraum von der Mitte des 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts. Der Terminus „frühalamannisch“ bezeichnet bei mir also nur einen Ausschnitt dessen, was SporsGröger chronologisch damit umschreibt. Die zweite Phase bezeichne ich als Stufe Flonheim-Gültlingen oder absolutchronologisch als zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts.21 Es sei betont, daß sich diese Unterteilung nicht durch Befunde am Runden Berg ergibt, sondern von außen übertragen wurde, um die „erste Besiedlungsphase“ besser auswerten zu können.
20
21
RB V 189 (dort noch als Katastrophe bezeichnet); RB VI 297f.; RB VIII 223f.; Koch argumentiert mit erhöhtem Fundanfall, besonders an Bronzen und damit, daß die Scherben der Glasgefäße dieser Zeit größer seien, demnach durch die rasche Neubebauung gleich unter Holzböden gerieten und nicht zertreten wurden. Zu den Bronzen ist anzumerken, daß sämtliche Formen chronologisch längere Laufzeiten haben und zudem als Rohmaterial genutzt wurden. Es ist nicht ersichtlich, warum sie am Runden Berg gleichzeitig in den Boden gelangt sein müssen. Bei den Gläsern dieser Zeit sind häufig dickwandige Typen vertreten. Für einige der dünnwandigen Gläser bemerkt Koch hingegen „starke Zerscherbung“ und „weite Streuung“ (RB VI 297f.). Ohne eindeutige Befunde wird man m. M. nach keinen Hiatus sicher nachweisen können. Die Bearbeitung der Befunde hat aber keine Hinweise erbracht. Auch Spors-Gröger (RB XI, 115) sieht keinen Hinweis auf eine Zerstörung um 400. Zum Ende der Stufe Flonheim-Gültlingen zuletzt mit älterer Literatur M. Martin, Mit Sax und Gürtel ausgestattete Männergräber des 6. Jahrhunderts in der Nekropole von Kranj (Slowenien). In: R. Bartozˇ (Hrsg.), Slovenija in Sosednje Dezˇele med Antiko in Karolinsˇko Dobo (= Situla 39) (Ljubljana 2000) 141 ff., bes. 184 ff.
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Abb. 6. Befundsituation am Runden Berg mit in den anstehenden Fels eingetieften Pfostenlöchern (Vorlage: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Außenstelle Tübingen).
Befunde und Fundverteilung Das größte Problem bei der Bearbeitung der Befunde auf dem Runden Berg stellt zweifellos das Fehlen einer Stratigraphie dar, denn es ist nur eine sehr dünne Bodenschicht auf dem Plateau vorhanden, und die im Boden vorhandenen Befunde und Funde wurden durch mehrfache Überbauung wiederholt gestört und verlagert.22 Lediglich die in den Fels eingetieften Befunde sind erhalten (Abb. 6), allerdings naturgemäß ohne erkennbare Schichtenabfolge. Darüber hinaus ist das „Plateau“ eigentlich gar keines, denn die Fläche fällt nach NW und SO hin ab, so daß es auch durch Erosion zu Fundverlagerungen gekommen sein muß.23 Ein wesentliches Problem ist das Erkennen und Datieren der Baubefunde.24 Kurz gibt für die von ihm vorgelegten Gebäude völlig zu Recht 22 23
24
Vgl. unten. Die Befundsituation auf den Terrassen zeugt deutlich von Hangrutschungen. Kurz, Befunde Manuskr. 16: „Terrasse bergseitig von einer in bis zu 60 cm Stärke nachgewiesenen Schicht mit Hangschutt überdeckt, die eine mögliche Fundverlagerung vom Hang auf die Terrasse bildlich vor Augen führt“; vgl. auch RB VII 62. Kurz, Befunde.
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nur einen „terminus ante quem non“. Je älter dieser terminus ist, desto mehr Spielraum für eine jüngere Datierung bietet er. Da die Befunde zwar bearbeitet, aber noch nicht publiziert sind, werde ich hier nicht weiter darauf eingehen, um der Vorlage durch Siegfried Kurz nicht vorzugreifen. Lediglich einige allgemeine Beobachtungen sollen genannt werden. Insgesamt konnten bei den Ausgrabungen auf dem Plateau rund 1600 Einzelbefunde – zumeist Pfostengruben – aufgenommen werden. Hört sich diese Zahl zunächst sehr hoch an, so ist doch zu bedenken, daß sie auf sämtliche Siedlungsphasen zu verteilen sind und allein 200 für die Doppelpfostenanlage benötigt werden. Kurz hat errechnet, daß bei einer „Haltbarkeit“ von ca. 30 Jahren pro Gebäude maximal zwölf Gebäude pro Siedlungsphase auf dem Berg gestanden hätten.25 Deshalb muß mit weiteren Schwellbalkenhäusern gerechnet werden. Aussagen zur „Besiedlungsdichte“ lassen sich daher für die einzelnen Phasen nicht machen.26 Hinzu kommt, daß an einigen Stellen mehrfache Überlagerungen festgestellt werden konnten (Abb. 10), also selbst innerhalb der Stufe Flonheim-Gültlingen eine (zumindest teilweise) mehrphasige Bebauung vorliegt. Von den Gebäuden weist keines einen auffälligen Grundriß auf. Allerdings wurde etwa die Hälfte des Plateaus zur Spitze hin durch eine Anlage aus ca. 85 Pfostenpaaren umschlossen (Abb. 7).27 Ein Tor wird im Nordwesten rekonstruiert (Abb. 8).28 Silvia Spors-Gröger hat vor wenigen Jahren die Anlage in die Zeit um 500 datiert und sie als Befestigung interpretiert, für deren Entstehung die fränkisch-alamannischen Auseinandersetzungen den besten Hintergrund böten.29 An der Datierung der Anlage in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts kann nach der sorgfältigen Analyse kaum ge25 26
27
28
29
Kurz, Befunde Manuskr. 22 mit Anm. 88. Lediglich anhand der Fundverteilung vermutet U. Koch für das 4. Jahrhundert „etwa sechs oder sieben Wohngebäude“. RB VIII 223. Ein kleiner Graben, der im Bereich der westlichen Plateauspitze dokumentiert werden konnte, ist in seiner Zeitstellung nicht sicher zu interpretieren. Es kommt zu einer „Kreuzung“ mit der Doppelpfostenanlage, doch ist nicht zu erkennen, welcher Befund älter ist. S. Spors-Gröger, Die Befestigungsanlagen auf dem Plateau des Runden Berges. Fundberichte aus Baden-Württemberg 22/1, 1998, 655ff., bes. 699ff. Spors-Gröger (ebd. 701) hält den Graben für älter, doch ist m. M. nach nicht zu entscheiden, ob der Graben die Doppelpfostenanlage schneidet oder von dieser geschnitten wird. M. N. Filgis, Zur Rekonstruktion des Nordwesttores, Phase 2, der Doppelpfostenbefestigung auf dem Runden Berg bei Bad Urach, Kr. Reutlingen. Fundberichte aus Baden-Württemberg 22/1, 1998, 721 ff. Spors-Gröger, Befestigungsanlagen (wie Anm. 27) 715; zu vergleichbaren Anlagen aus Castiel-Carschlingg und vom Großen Berg bei Kindsbach vgl. M. Martin in diesem Band und H. Bernhard, Die spätantike Höhensiedlung „Großer Berg“ bei Kindsbach, Kreis Kaiserslautern. Archäologie in der Pfalz. Jahresbericht 2000 (Speyer 2001) 174 ff.
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Abb. 7. Die Pfostenpaare der Doppelpfostenbefestigung (nach Spors-Gröger [wie Anm. 27] 660 Abb. 3).
Abb. 8. Rekonstruktion der Nordwestecke der Doppelpfostenbefestigung mit Toranlage (nach Spors-Gröger [wie Anm. 27] 681 Abb. 18).
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zweifelt werden. Der primär fortifikatorische Charakter erscheint mir aber unsicher. Eine Befestigung der halben Fläche ist nicht optimal, da Angreifer die Möglichkeit gehabt hätten, sich direkt vor der Palisade zu sammeln. Sinnvoller wäre daher eine Abriegelung des schmalen Zugangs gewesen. Dort befinden sich zwar in einem Abstand von 130 m zwei künstlich eingetiefte Gräben, doch sind diese nicht untersucht, daher nicht datiert.30 Die Doppelpfostenanlage diente vermutlich eher der „sozialen Abgrenzung“ und hatte „Prestigecharakter“ innerhalb des alamannischen Umfeldes, zumal sie auch vom Tal aus imposant gewirkt haben muß. Die Errichtung der Anlage erfolgte bezeichnenderweise genau in der Periode, in der es insgesamt zu deutlichen Veränderungen auf dem Runden Berg kam.31 Weitgehend unmöglich erscheint es, die Gebäude auf dem Plateau, auch die innerhalb der Doppelpfostenanlage, funktional zu interpretieren. (Lediglich die Ansprache des „Fürstenhofes“ innerhalb der Doppelpfostenanlage dürfte zweifelsfrei sein). Bei allen anderen Gebäuden müßte eine Verknüpfung mit dem Fundmaterial erfolgen, die aber aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich ist. Zunächst einmal muß auf einen ganz allgemeinen Sachverhalt hingewiesen werden, für den R. Asher bereits 1961 den Begriff „Pompeji-Prämisse“ geprägt hat.32 Die römische Stadt wurde am 24. August 79 n. Chr. durch einen Vulkanausbruch des Vesuv unter einer meterdicken Ascheschicht begraben. Diese Schicht hat eine „Momentaufnahme“ des Lebens in der Stadt konserviert. Diese einzigartige Befundsituation darf bei anderen Siedlungsfundstellen nicht vorausgesetzt werden, denn selbst wenn eine Siedlung ihr Ende in einer Katastrophe fand, so kann es dennoch zu zahlreichen nachträglichen Verlagerungen gekommen sein. Das zeigt sich schon daran, daß die Scherben zerbrochener Gefäße nie vollständig an einer Stelle gefunden werden. Während es gerade im amerikanischen Raum zur Pompeji-Prämisse mehrere umfangreiche Aufsätze gibt, fehlt im deutschsprachigen Raum eine Auseinandersetzung mit dem Zustandekommen von
30 31 32
S. Schiek, Zur Topographie des Runden Berges. In: Führer RB 54 f. Vgl. unten S. 313 ff. R. Asher, Analogy in archaeological interpretation. Southwestern Journal of Anthropology 17, 1961, 317 ff., bes. 324; R. R. Newell, Reconstruction of partitioning and utilization of outside space in a late prehistoric/early historic Inuppiat village. In: S. Kent (Hrsg.), Method and theory for activity area research (New York 1987) 107 ff., bes. 136 prägte für den Sachverhalt den Begriff „neutron bomb notation“; U. Sommer, Zur Entstehung archäologischer Fundvergesellschaftungen. Versuch einer archäologischen Taphonomie. In: Studien zur Siedlungsarchäologie I. Univiversitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 6 (Bonn 1991) 51 ff., bes. 61 ff., verwendet „Dornröschenprinzip“.
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Fundvergesellschaftungen in Siedlungen weitgehend.33 Speziell mit diesen Prozessen hat sich Michael Schiffer beschäftigt, dem es dabei darum ging, eine Grundlage für die von ihm geprägte „behavioral archaeology“ zu schaffen.34 Er untersuchte das Zustandekommen von Befunden und Fundverteilungen und prägte den Begriff der „Formatierung“ („formation process“) des archäologischen Befundes. Dabei unterscheidet er zwei Arten von „Umwandlungsprozessen“ beim Zustandekommen archäologischer Fundverteilungen: die natürliche (n-) und die kulturelle (c-) Formatierung.35 Neben diesen Formatierungsprozessen gibt es zwei weitere Gründe, die eine Verknüpfung von Fundmaterial und Gebäuden auf dem Runden Berg unmöglich erscheinen lassen: – es fehlen Laufhorizonte, – das Fundmaterial, das funktional interpretierbar ist, zum Beispiel Werkzeug, ist normalerweise nicht genauer datierbar. Ursula Koch hat dennoch den Versuch unternommen und aufgrund der Fundverteilung bestimmte Gebäudestandorte rekonstruiert.36 Auf der Abb. 9 sind ihre Ergebnisse für die Besiedlung des 4. Jahrhunderts auf eine Karte der frühalamannischen Befunde von Kurz gelegt, wobei bemerkt werden muß, daß sich beide Phasen nicht exakt decken. Eine andere Karte (Abb. 10) zeigt die Befunde des 5. Jahrhunderts und die Befunde der Stufe FlonheimGültlingen. Es fällt auf, daß es – außer innerhalb der Doppelpfostenanlage – kaum Deckungen gibt. Dafür gibt es drei Erklärungsmöglichkeiten:37 33
34
35 36 37
M. B. Schiffer, Archaeological context and systemic context. American Antiquity 37, 1972, 156 ff.; Ders., Towards the identification of formation process. Ebd. 48, 1983, 675 ff.; Ders., Formation process of the archaeological record (Salt Lake City 1987); Ders., Is there a „Pompeii premise“ in archaeology? Journal of Anthropological Research 41, 1985, 18 ff.; L. R. Bindford, Behavioral archaeology and the „Pompeii premise“. Journal of Anthropological Research 37, 1981, 195 ff.; guter Überblick bei Sommer (wie Anm. 32) 53ff.; vgl. jetzt auch R. Schreg, Theoretische und methodische Apsekte einer Synthese von Archäologie und Geschichte (ungedr. Manuskript) Kapitel „Quellenkritik“. M. B. Schiffer, Behavioral archaeology: first principles (Salt Lake City 1995); vgl. M. Johnson, Archaeological theory (Malden, Massachusetts 2000) 62f. Schiffer, Context (wie Anm. 33) 156 ff.; Sommer (wie Anm. 32) 56ff. RB VIII 223ff. Hier wird zunächst einmal außer acht gelassen, daß der Abfall nicht innerhalb der Gebäude lag, somit die Fundkonzentrationen keinesfalls die Hausplätze widerspiegeln. Sicher wurde versucht, die Wohnfläche sauber zu halten und den Müll zu beseitigen. Im günstigsten Fall wurde der Abfall in unmittelbarer Nähe des Hauses entsorgt. Dies bezeugt allein die Tatsache, daß die meisten Gefäße nicht einmal zu 50 % erhalten sind, aneinander passende Scherben zumeist über größere Distanzen streuen, also mit einer wenn auch kleinräumigen Abfallbeseitigung durch die Bewohner zu rechnen ist. Vgl. dazu auch A. Heege, Hambach 500. Villa rustica und früh- bis hochmittelalterliche Siedlung Wüstweiler (Gemeinde Niederzier), Kreis Düren. Rheinische Ausgrabungen 41 (Köln, Bonn 1997) 65ff., bes. 72.
Abb. 9. Baubefunde der frühalamannischen Zeit nach S. Kurz (Befunde) (schwarze Grundrisse) und die von U. Koch anhand der Fundverteilung vorgelegten Interpretationen (graue Flächen [umgezeichnet nach RB VIII 223f.]). 1 „Wohnhaus“, 2 „Schmiedeofen“, 3 „Werkplatz“, 4 „Textilherstellung“, 5 „Gagatverarbeitung“, 6 „Beinverarbeitung“.
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Abb. 10. Baubefunde der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts (ohne Doppelpfostenbefestigung!) nach S. Kurz (Befunde) (schwarze Grundrisse) und die von U. Koch anhand der Fundverteilung vorgelegten Interpretationen (graue Flächen [umgezeichnet nach RB VIII 224f.]). 1 „Wohnhaus“, 2 „Wirtschaftsgebäude“, 3 „Schmiede“, 4 „Metallhandwerker“, 5 „Goldschmiede“, 6 „Webhaus“, 7 „Gürtler“, 8 „Zimmermann“, 9 „Wohnbereich des Fürsten“.
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– die Ergebnisse von Koch weisen auf Schwellbalkenhäuser hin, die archäologisch nicht dokumentiert werden konnten, – die der Argumentation von Koch zugrunde liegenden Fundverteilungen sind durch wiederholte Formatierung „verfälscht“, – schließlich ist mit einer Kombination beider Möglichkeiten zu rechnen. Mir erscheint daher eine methodisch saubere Interpretation der einzelnen Gebäude nicht möglich. Ebensowenig sind aufgrund der stellenweise nachgewiesenen Mehrphasigkeit und der Datierung der Grundrisse mit lediglich einem „terminus ante quem non“ Aussagen zur inneren Struktur der Siedlung und der gleichzeitig bestehenden Gebäude zu gewinnen. Auch wenn das desillusionierend wirken mag, erlauben doch immerhin die Funde an sich wichtige Einblicke in den Charakter der Siedlung.
Funde Keramik Erwartungsgemäß bildet die Keramik die umfangreichste Fundgattung auf dem Runden Berg. Für die hier interessierenden Besiedlungsphasen ist das deutliche Überwiegen der auf der Drehscheibe hergestellten Waren auffällig. Silvia Spors-Gröger schätzt den Anteil der handgemachten Keramik auf lediglich 10–15 %.38 Immerhin ist die Herkunft der Siedler aus dem elbgermanischen Raum aufgrund der Gefäßformen und -verzierungen sicher nachzuweisen.39 Neben Fußschalen liegen stempelverzierte Becher, Schüsseln und Flaschen, zum Teil mit Schrägriefen vor, daneben unverzierte Töpfe, Schalen und Schüsseln (Abb. 11). Auch für die Frage des Besiedlungsbeginns ist gerade die handgemachte Keramik wichtig. Spors-Gröger konnte aufzeigen, daß vergleichbare Keramik in den spätrömischen Militärlagern auftritt, die unter Valentinian I. am Rhein gegründet wurden, so daß sie das Einsetzen der Siedlung auf dem Runden Berg nicht vor der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts vermutet.40 Die handgemachte Keramik deckt chronologisch den Zeitraum von der Mitte 4. bis zum beginnenden 6. Jahrhundert ab. Die Drehscheibenkeramik des 4./5. Jahrhunderts ist vielfältiger. Neben den Gruppen 1–4, 6, 5, 8, 9 nach Kaschau treten auch rotgestrichene Ware, 38
39
40
RB XI 8. Da ein Teil der Drehscheibenkeramik nicht publiziert ist (Gruppe 6, Argonnensigillata, rotgestrichene Ware), ist deren Quantität nur zu schätzen. RB XI; vgl. zur handgemachten Keramik vom Runden Berg auch Ch. Bücker, Frühe Alamannen im Breisgau. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 9 (Sigmaringen 1999) 145 ff. RB XI, 113, 114 mit Anm. 5.
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Abb. 11. Formen der handgemachten Keramik (Kaschau Gruppen 10–12) vom Runden Berg (nach RB XI; Taf. 1; 4; 9; 18; 19). – M. 1: 4.
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Abb. 12. Formen der einglättverzierten Keramik (Kaschau Gruppe 6) vom Runden Berg (nach RB II Taf. 13 und 14). – M. 1:4.
Argonnensigillaten und Nigra sowie deren Derivate auf.41 Da die vier zuletzt genannten Waren ebenso wie die Gruppe 6 (einglättverzierte Keramik) nicht abschließend publiziert sind, kann über Formen und Quantitäten keine Aussage gemacht werden. Bekannt ist nur, das Gruppe 6 sehr umfangreich sein muß und die Scherbenzahl mehrere tausend umfassen soll.42 Krüge, Becher und Schüsseln dominieren das Formenspektrum (Abb. 12). Die Ware geht auf Vorbilder aus dem mittleren Donauraum zurück, wurde aber – wie chemische und mineralogische Analysen zeigen – im direkten Umfeld des Runden Berges gefertigt.43 In alamannischen Gräbern treten einglättverzierte Gefäße erstmals kurz nach der Mitte des 5. Jahrhunderts auf.44 Direkt auf donauländische Vorbilder gehen die Gefäße der reduzierend gebrannten rauhwandigen Drehscheibenkeramik (Gruppen 5, 8, 9) zurück.45
41 42 43
44 45
RB II; Bernhard, Importkeramik 188 ff. Kaschau (RB II 66 Tabelle 1) zählte 1972 schon 1569 Scherben. Th. Fischer, Spätrömische Siedlungsfunde aus Künzing/Quintanis. Bayerische Vorgeschichtsblätter 54, 1989, 153 ff., bes. 169; Bernhard, Importkeramik 190 f.; U. Gross, Zur einglättverzierten Keramik des 5. und frühen 6. Jahrhunderts in Süddeutschland. Bayerische Vorgeschichtsblätter 57, 1992, 311 ff. Gross (wie Anm. 43). S. Spors-Gröger, Die donauländische Gebrauchskeramik des 4./5. Jahrhunderts und ihre Beziehungen zu den Gruppen 5, 8, 9 vom Runden Berg. Fundberichte aus Baden-Württemberg 24, 2000, 369ff.
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Knickwandschüsseln, Schalen, Töpfe mit abgesetzter Schulter, Krüge und Reibschalen, die formale Verwandtschaft zu den glasierten rätischen Reibschalen erkennen lassen, bilden den Formenbestand (Abb. 13). Mineralogische und chemische Untersuchungen liegen nur in geringem Umfang vor.46 Sie zeigen aber signifikante Unterschiede in der Zusammensetzung der Scherben vom Runden Berg und den Referenzproben aus dem mittleren Donauraum. Allerdings hatten hier wie dort die Töpfer anscheinend die Vorstellung, daß Quarz und Feldspat unabdingbare Magerungspartikel seien.47 Immerhin belegt jetzt auch die Entdeckung von vier Töpferöfen in der Wüstung Sülchen, daß dort qualitativ hochwertige Drehscheibenkeramik gefertigt wurde, die „nicht spätrömisch-westlichen Anregungen und Vorbildern folgt, sondern ihre engsten Entsprechungen im mittleren Donauraum hat“.48 Am Runden Berg treten Gefäße der Gruppen 5, 8, 9 nach Spors-Gröger seit dem mittleren Drittel des 5. Jahrhunderts auf und enden mit dem Besiedlungsabbruch um 500.49 Einen enormen Anteil der spätantiken Drehscheibenkeramik stellen die Gruppen 1–4 nach Kaschau dar.50 Die Trennung der Gruppen 1–3 ist allerdings nicht mehr nachzuvollziehen (und wurde auch schon von Kaschau als schwierig beschrieben),51 doch sind sie als „Einheit“ von der Gruppe 4 zu unterscheiden. Dabei zeigen die Gruppen 1–3 einen fast steinzeugartig harten, reduzierten Brand mit dichter Oberfläche, während Gruppe 4 einen weniger harten, oxidierenden Brand aufweist. Das Verhältnis dieser beiden „Gruppen“ wird mit 1:1 beschrieben.52 Mineralogische und chemische Analysen haben deutlich gezeigt, daß die Gruppen 1–3 Importkera-
46
47 48
49 50
51 52
Teilweise sollten diese Analyse dazu dienen, die Gruppen durch einen Vergleich mit Donzdorfer Keramik von ebendieser zu unterscheiden und eine Einordnung in die Besiedlung der jüngeren Merowingerzeit auszuschließen. Spors-Gröger (wie Anm. 45) 369, 371, 386; G. Schneider, Archäometrische Untersuchungen zur reduzierend gebrannten rauhwandigen Drehscheibenkeramik (Gruppen 5, 8, 9) vom Runden Berg. Fundberichte aus Baden-Württemberg 24, 2000, 453ff., bes. 453, 458. Schneider (wie Anm. 46) 460. U. Gross/E. Schmidt, Neue Untersuchungen im Bereich der Wüstung Sülchen auf Gemarkung Rottenburg am Neckar, Kreis Tübingen. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2003, 172 ff. (Zitat 174). Spors-Gröger (wie Anm. 45) 385f. Zur Zeit von Kaschaus Bearbeitung betrug der Anteil seiner Gruppen 1–4 rund 42 % der gesamten Drehscheibenkeramik: RB II 11; Roth-Rubi (RB IX) führt 586 Katalognummern an, die aber teilweise spätmerowingisch und karolingerzeitlich sind; vgl. dazu U. Gross, Zur rauhwandigen Drehscheibenware der Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters. Fundberichte aus Baden-Württemberg 17/1, 1992, 423ff. RB II 10 ff., bes. 13 f. RB II 66 Tabelle 1; Ch. Bücker/H. Maus, Rez. von RB IX. Zeitschr. Arch. Mittelalter 20, 1992, 209ff., bes. 209
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Abb. 13. Formen der rauhwandigen Drehscheibenkeramik (Kaschau Gruppen 5, 8, 9) vom Runden Berg (nach Spors-Gröger [wie Anm. 45] 389; 399; 404; 407; 421; 426; 437).
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Abb. 14. Formen der rauhwandigen Drehscheibenkeramik (Kaschau Gruppen 1–4) vom Runden Berg (nach RB IX Taf. 10; 30; 36; 42; 45; 49; 51). – M. 1: 4.
mik aus der Eifel darstellen, Gruppe 4 hingegen lokale Nachahmungen.53 Dieses Ergebnis ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Interpretation des Platzes. Formal liegen aus beiden „Gruppen“ Deckelfalztöpfe (Alzey 27), Wölbwandtöpfe (Alzey 33/32), Teller (Alzey 29), Kleeblattkannen (Alzey 17/18), Kannen (Alzey 30), Schüsseln (Alzey 28) und Reibschalen (kein Alzey 31!) vor (Abb. 14). 53
Bücker/Maus (wie Anm. 52) 209ff.; Bücker (wie Anm. 39) 152 mit Anm. 436; zu Mayen zuletzt M. Redknap, Die römischen und mittelalterlichen Töpfereien in Mayen, Kreis Mayen-Koblenz. Berichte zur Archäologie an Mittelrhein und Mosel 6 (Trier 1999). Ebd. 65 wird die Keramik vom Runden Berg noch als lokale, oberrheinische Imitation bezeichnet. – Zu Mayener Töpferöfen H.-H. Wegner, Mittelalterliche Töpfereibetriebe in Mayen. Berichte zur Archäologie an Mittelrhein und Mosel 4 (Koblenz 1990).
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Zum zeitlichen Verhältnis der Importkeramik und der lokalen Nachahmungen sind nur wenige Anhaltspunkte zu gewinnen. Zunächst einmal ist wohl davon auszugehen, daß beide Gruppen nicht zeitgleich vorkamen, denn warum sollte man lokale Nachahmungen fertigen, wenn Importkeramik in enorm hoher Zahl erhältlich war. Oder anders herum formuliert: Warum sollte man Leistungen für Importkeramik erbringen, wenn man Vergleichbares selber herstellen konnte? Tendenziell zeigt sich eine Abfolge von Import zu lokaler Produktion auch in der Beobachtung von Christel Bücker, daß die Eifelware vom Runden Berg chronologisch überwiegend die älteren Formen der jeweiligen Typen aufweisen.54 Wann genau der Wechsel von Import zur lokalen Fertigung erfolgte, läßt sich derzeit nicht sicher bestimmen. Geht man von den vorhandenen Quantitäten aus und setzt einen mehr oder weniger kontinuierlichen Zugang zu den Waren voraus, so müßte der Wendepunkt im zweiten Drittel oder in der Mitte des 5. Jahrhunderts stattgefunden haben.
Glasgefäße Die zweitgrößte Materialgruppe bildet auffälligerweise das Glas. Ein hervorragende Studie von Ursula Koch erschließt dieses umfangreiche Material und legt es in übersichtlicher Weise vor.55 Schon die Zahl von 33 Gefäßen für die frühalamannische Zeit ist ungewöhnlich hoch (Abb. 15). Es handelt sich um römische Gläser in Form von Flaschen, Krügen und unterschiedlichen Becherformen, vor allem dickwandige Typen, zum Teil mit Schliffdekor (Abb. 16). Eine unglaubliche Vermehrung ist aber für die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts zu verzeichnen. Es liegen Scherben von 165 Gläsern vor (Abb. 15). Das Formenspektrum deckt so ziemlich alles ab, was wir aus zeitgleichen Gräbern kennen: Schalen, konische Becher, Glockenbecher, Rüsselbecher, selbst Trinkhörner (Abb. 17). Die enorme Zunahme könnte durch unterschiedliche Faktoren bedingt sein. Die Bewohner könnten einfach erfolgreicher „gewirtschaftet“ haben und dadurch mehr Luxusgüter bekommen haben. Vielleicht gelang es dem Herren vom Runden Berg aber auch – neben qualifizierten Töpfern – auch Glasbläser anzusiedeln. Es liegen zwar chemische Analysen zu den Gläsern vor, doch sind sie
54 55
Bücker/Maus (wie Anm. 52) 210. RB VI; Nachträge in RB VII. Auf Einzelnachweise wird hier und bei den folgenden Materialgruppen verzichtet, da alles in den extrem nutzerfreundlichen Publikationen von U. Koch mühelos zu erschließen ist.
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Abb. 15. Tabellarische Zusammenstellung einiger Fundgruppen vom Runden Berg (nach Quast, Umland 115 Abb. 50).
leider für derartige Fragen nicht auswertbar. Prinzipiell sollte man aber diese Möglichkeit nicht vorschnell verwerfen. Da Glas im Gegensatz zu Keramik im zerscherbten Zustand durchaus wiederverwertbar ist, dürfte der enorme Fundanfall auch durch das gewaltsame Ende der Siedlungsphase bedingt sein. Besonders angeschmolzene Stücke des purpurfarbenen Rüsselbechers unterstreichen das.56
Gürtelbeschläge Aus der frühalamannischen Zeit liegen zahlreiche Bronzebeschläge vor, die man gemeinhin als Bestandteile spätrömischer Militärgürtel bezeichnen würde (Abb. 18).57 Über die genaue Ansprache dieser Beschläge ist in den 56 57
RB VI 169. RB I; RB V; RB VII.
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Abb. 16. Gläser der frühalamannischen Besiedlung vom Runden Berg (nach RB VI 33; 55; 63; 109; 125; 190). – M. 1: 2.
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Abb. 17. Gläser der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts vom Runden Berg (nach RB VI 133; 162; 175; 217, 239). – M. 1:2.
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Abb. 18. Spätrömische Gürtelbeschläge vom Runden Berg (1; 4–7; 11; 14 nach RB V Taf. 4–5. – 2–3; 8; 13 nach RB III Taf. 2 u. 20. – 9–10 nach RB I Taf. 11. – 12 nach RB VII Taf. 19). – M. 1: 2.
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Abb. 19. Gürtelbeschläge der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts vom Runden Berg (1 u. 4 nach RB V Taf. 4. – 2–3 nach RB I Taf. 11 u. 14). – M. 1:2.
letzten Jahren allerdings eine kontroverse Diskussion geführt worden, deren Positionen sich zwischen „von Germanen getragenen Militärgürteln“ und „allgemeiner Mode“ bewegen.58 Beide Standpunkte sind in diesem Band vertreten, so daß sie hier nicht referiert werden müssen.59 Lediglich zwei Argumente seien angefügt. Für eine allgemeine Mode spricht meiner Meinung nach die Beobachtung, daß in der Alamannia bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts „barbarische“ Prunkgürtel anscheinend fehlen, es sei denn (lokale Nachahmungen) „römischer Militärgürtel“ hätten diesen Zweck erfüllt. Gerade bei den scheibenförmigen Riemenzungen kann man sich gut vorstellen, daß das breite Formenspektrum zahlreiche germanische Nachahmungen aufweist.60 Andererseits ist es auffällig, daß die Gürtelbronzen mit dem Ende der römischen Grenzverteidigung am Rhein auch im ostrheinischen Barbaricum verschwinden. Ist hier nicht eine Kausalität wahrscheinlich? Die Gürtelbestandteile der Stufe Flonheim-Gültlingen vom Runden Berg sind weit weniger zahlreich (Abb. 15; 19),61 doch ist das sicherlich auch dadurch bedingt, daß die Gürtel nicht mehr so reichhaltig beschlagen waren. Immerhin belegt ein Bleimodell die Produktion von Gürtelschnallen (Abb. 24,6).62
58
59
60 61 62
J. Leicht, Die spätkaiserzeitlichen Kammergräber. In: A. Burzler/A. Höneisen/J. Leicht/ B. Ruckstuhl, Das frühmittelalterliche Schleitheim – Siedlung, Gräberfeld und Kirche. Schaffhauser Archäologie 5 (Schaffhausen 2002) 79 ff., bes. 92 f. Dort sind zahlreiche Arbeiten von H. W. Böhme mit gegenteiliger Meinung zitiert. Vgl. die Aufsätze von H. W. Böhme (S. 71 ff.), H. Steuer/M. Hoeper (S. 213 ff.) und F.Theuws (S. 765 ff.) in diesem Band. Steuer, Höhensiedlungen 180 ff. RB I; RB V; RB VII. RB V Taf. 30,29.
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Abb. 20. Eiserner Sporen (1) und bronzener Riemenverteiler (2) aus der frühalamannischen Siedlung vom Runden Berg (1 nach RB III Taf. 5,1. – 2 nach RB V Taf. 12,1). – M. 1: 2.
Waffen und Reitzubehör Waffen(teile) und Reitzubehör treten nur in sehr geringer Anzahl auf (Abb. 15). Aus der frühalamannischen Zeit liegen acht Pfeilspitzen vor, ein eiserner Sporn und ein bronzener Riemenverteiler (Abb. 20). In der Stufe Flonheim-Gültlingen ändert sich der Charakter der Waffenfunde deutlich. Nicht nur aus den Hortfunden liegen Waffen vor, sondern auch aus der Siedlung, und zwar in einiger Zahl. Dabei fällt die relativ hohe Anzahl von Spathascheidenbeschlägen auf.63 Doch auch eine Schildfessel und ein Saxscheidenortband liegen vor (Abb. 21,10.12). Vom Reitzubehör fanden sich hingegen nur zwei Trensenfragmente (Abb. 21,1.2).
Schmuck Nur wenig Schmuck ist aus der Siedlung überliefert (Abb. 15). Neben Hals-, Arm-, Finger- und Ohrringen handelt es sich um Anhänger vom Gürtelgehänge und um Nadeln (Abb. 22). Sie sind ungefähr gleichmäßig auf beide Phasen verteilt, allerdings stammt ein Teil nicht direkt aus dem Siedlungskontext, sondern aus den Hortfunden. In einiger Zahl liegen auch Glasperlen vor.64
63
64
So schon R. Christlein, Spathascheidenbeschläge des fünften und frühen sechsten Jahrhunderts vom Runden Berg bei Urach. Archäologisches Korrespondenzblatt 1, 1971, 179 ff. RB VI 319 ff.
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Abb. 21. Reitzubehör (1–2) und Waffen(teile) (3–13) aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts vom Runden Berg (1; 2; 4; 6–8 nach RB III Taf. 4; 5 u. 9. – 3; 10 nach RB V Taf. 16. – 5; 9; 11; 13 nach RB I Taf. 6 u. 9–12 nach RB VII Taf. 21). – 5 u. 12 M. 1: 4; sonst M. 1: 2.
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Abb. 22. Kleidungszubehör und Schmuck vom Runden Berg aus dem späten 4. bis beginnenden 6. Jahrhundert (1; 3; 4; 6; 16 nach RB V Taf. 2. – 2; 5; 12–14 nach RB III Taf. 1. – 7 nach RB VII Taf. 19. – 8–11; 15 nach RB VI 337 f.). – M. 1: 2.
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Münzen Die wenigen antiken Münzen vom Runden Berg wurden von Helmut Bernhard vorgelegt, der als „Schlußmünze“ eine Kupfermünze Theodosius II. anführt.65 Nachzutragen sind drei Münzen, die nur noch aus Aktennotizen bekannt sind. Im Münzkabinett des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart befindet sich ein Notizzettel von Elisabeth Nau, auf dem eine „Kleinbronze Konstantin d. Gr. Gloria Exercitus, sonst nicht zu bestimmen“ und ein „Dupondius Trajan“ mit der Herkunft „Urach, Wasserfall beim Runden Berg“ vermerkt sind. Der Hinweis auf den einzigen Solidus findet sich in den Ortsakten des Landesdenkmalamtes in Tübingen. „Etwa 50 Meter von der Schutzhütte im Sattel am Weg zum Wasserfall“ fand sich das Fragment einer Goldmünze, die Nau als in Mailand geprägten Solidus des Honorius bestimmte. Insgesamt fällt auf, daß aus der Stufe Flonheim-Gültlingen, die als Blütezeit der Besiedlung gilt, keine Münzen vorliegen.
Weitere Fundgruppen Aus der Siedlung liegen weiterhin unterschiedliche Objekte vor, wie Pinzetten, Messer, Scheren, Taschenbügel, Werkzeuge unterschiedlicher Art und Agrargerät.66 Spielsteine belegen den hohen Status der Siedler.67 Als Importe sind einige Lavezgefäße überliefert.68 Holz- und Bronzegefäße liegen nur in geringer Zahl vor, denn die Metallteile konnten mühelos weiterverarbeitet werden. Neben Metallbeschlägen von Daubeneimern (Abb. 23,5) konnten auch Bruchstücke von mehreren Bronzegefäße geborgen werden.69 Ein vollständiger Bronzekessel stammt aus dem Hortfund von 1981 (Abb. 23,4).70
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69 70
H. Bernhard, Die Münzen. In: Führer RB 192 ff. Vgl. RB I; RB III; RB V. RB VI 317; E. Stauch, Merowingerzeitvertreib? Spielsteinbeigaben in Reihengräbern. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 23 (Bonn 1994). Die Lavezgefäße wurden von Ch. Holliger bearbeitet, das Manuskript ist aber noch unpubliziert. Für die Möglichkeit der Einsichtnahme danke ich Herrn Holliger herzlich. Eine Kurzfassung „Lavez-Gefäße“ in: Führer RB 185 ff. RB V 171 ff., 178 ff. RB VII Taf. 1,1.
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Abb. 23. Bronzegefäß aus dem Hort von 1981 (4), Attaschen von Vestlandkesseln (1; 3); Rand eines Perlrandbeckens (2) und Beschläge von Holzeimern (5) vom Runden Berg (1;2 nach RB III Taf. 8. – 3 nach RB I Taf. 13. – 4 nach RB VII Taf. 1. – 5 nach RB I Taf. 5). – M. 1: 4.
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Handwerk Nachweise für Handwerk liegen in einiger Zahl vor: Werkzeuge, „Rohstoffe“, Halbfabrikate, Gußmodelle.71 Problematisch bleibt aber gerade bei Werkzeugen und bei den „Rohstoffen“ eine präzise Datierung. Die Fundlage gibt aufgrund (möglicher) Verlagerungen durch nachträgliche Überbauung und Erosion keine Hinweise.72 Aus der frühalamannischen Periode bezeugt ein Halbfabrikat mit Gußnähten einer Elbefibel (Abb. 24,1) die Produktion derartigen Trachtzubehörs auf dem Runden Berg.73 Auch die handgemachte Keramik wurde zumindest im unmittelbaren Umfeld gefertigt, wie chemische und mineralogische Untersuchungen nahelegen. Eventuell wurde auch Gagat verarbeitet. Eisen- und Buntmetallverarbeitung und Textilherstellung sind zu vermuten, aber mangels genauer Datierungsmöglichkeiten nicht sicher für die Siedlungsphase nachzuweisen. Für die Stufe Flonheim-Gültlingen ist eine Zunahme an Belegen zu verzeichnen. Modelle belegen Silberguß (Abb. 24,2–6), Depotfunde Grobschmiede, Textilverarbeitung und Landwirtschaft. Sehr wahrscheinlich gehört ein byzantinisches Gewicht (Abb. 24,7) dieser Siedlungsphase an, eventuell auch ein kleiner Silberbarren (Abb. 24,8). Granatverarbeitung ist möglich, denn es liegen einzelne Einlagen vor, doch können diese ebenso aus Objekten ausgefallen sein (Abb. 24,9.10). Ob die Zunahme der Nachweise auch eine Zunahme handwerklicher Produktion bedeutet, oder ob nicht eher die Befundüberlieferung dafür verantwortlich ist, muß unklar bleiben. Insgesamt ist die Zahl der entsprechenden Funde klein. Lediglich bei der Fertigung der Drehscheibenware ist eine deutliche Ausweitung bisheriger Aktivitäten zu verzeichnen. Damit wurde sicher über den eigenen Bedarf hinaus produziert, und dadurch konnten natürlich „Gegenleistungen“ gefordert werden.
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72 73
R. Christlein, Anzeichen von Fibelproduktion in der völkerwanderungszeitlichen Siedlung Runder Berg bei Urach. Archäologisches Korrespondenzblatt 1, 1971, 47 ff. Anders RB VIII z. B. 24 ff. RB I Taf. 10,2.
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Abb. 24. Halbfabrikat mit Gußnähten (1), Bleimodelle (2–6), Gewicht (7), Silberbarren (8) und Granateinlagen (9–10) vom Runden Berg (1–3; 5; 7 nach RB I Taf. 9 u. 10. – 4 nach RB VII Taf. 18. – 6; 8 nach RB V Taf. 30. – 9; 10 nach RB VI 345). – M. 1:1.
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Besiedlungsintensität Die enorme Fundmenge verdeutlicht zunächst einmal, daß der Runde Berg in den hier vorgestellten Perioden dauerhaft intensiv besiedelt war. Es handelt sich auf keinen Fall um ein nur in Krisenzeiten aufgesuchtes Refugium. Betrachtet man die Verteilung der Funde vom Runden Berg auf die einzelnen Besiedlungsphasen, ergibt sich ein auf den ersten Blick desillusionierendes Bild: Gut ein Drittel ist nicht präzise datierbar (Abb. 25). Die vorgeschichtlichen und römischen Funde fallen sicherlich deshalb quantitativ heraus, weil hier ein sehr langer Zeitraum zusammengefaßt wurde. Für die nachchristlichen Besiedlungsphasen zeigen sich aber interessante Details. Der hier vorgestellten Besiedlung des 4. und 5. Jahrhunderts gehörten mehr als ein Viertel aller Funde an. Im Detail zeigt sich dabei, daß die Stufe Flonheim-Gültlingen doppelt so viele Funde erbracht hat, wie die frühalamannische Zeit. Ein großer Teil der Funde ist allerdings nur allgemein dem 4./5. Jahrhundert zuzuweisen. Die absoluten und prozentualen Fundzahlen der Besiedlungsphasen können aber nicht ohne weiteres zueinander in Beziehung gesetzt werden, da die einzelnen Phasen unterschiedlich lange Zeitspannen umfassen: Die frühalamannische Zeit ca. 90 Jahre (360–450)74 und die Stufe FlonheimGültlingen ca. 60 Jahre (450–510). Um die Anzahl der Funde der einzelnen Siedlungsperioden vergleichen zu können, habe ich daher die durchschnittliche Fundzahl pro Jahr errechnet. Dazu wurde die Fundzahl durch die angenommene Dauer der jeweiligen Periode geteilt. Die 407 Funde der frühalamannischen Zeit wurden durch 90 Jahre geteilt. Der ermittelte Wert liegt bei 4,52 Funden pro Jahr. Für die Stufe Flonheim-Gültlingen ist er hingegen fast dreimal so hoch und liegt bei 13,483 (809 Funde durch 60 Jahre). In einem weiteren Schritt habe ich – rein statistisch – die Säule 4./5. Jahrhundert aufgelöst. Sie umfaßt einen Zeitraum von 150 Jahren. Bei insgesamt 916 Funden läge die durchschnittliche Fundzahl bei 6,107 pro Jahr. Verteilt man diese Funde auf die 90 Jahre der frühalamannischen Besiedlung (= 549,6 Funde) und 60 Jahre der Stufe FlonheimGültlingen (= 366,4 Funde), so erhöht sich die durchschnittliche jährliche Fundzahl dieser beiden Perioden auf 10,629 beziehungsweise 19,59 74
Der Besiedlungsbeginn dürfte nach der Mitte des Jahrhunderts erfolgt sein, ohne daß dies präziser zu datieren ist; deshalb wird hier der Einfachheit halber das Jahr 360 benutzt. Ein späteres Einsetzen um ca. 20 Jahre würde die folgenden Zahlenverhältnisse nur unwesentlich verändern. B. Steidl, Die Wetterau vom 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr. Materialhefte zur Vor- und Frühgeschichte von Hessen 22 (Wiesbaden 2000) 132 mit Anm. 1009 sieht ein Einsetzen der Höhensiedlungen erst am Anfang des 5. Jahrhunderts, begründet diese Ansicht aber nicht weiter.
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Abb. 25. Verteilung des Fundmaterials vom Runden Berg auf die einzelnen Besiedlungsphasen.
(Abb. 26). Das Fundaufkommen verdoppelt sich in der Stufe FlonheimGültlingen also fast! Das eigentliche Verhältnis fällt noch deutlicher aus, wenn man bedenkt, daß die Keramik der umfangreichen Gruppe 6 (einglättverzierte Ware) nicht erfaßt werden konnte.75 Geben diese Zahlen Hinweise auf einen Anstieg der Besiedlungsintensität in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, oder sind sie durch das gewaltsame Ende im frühen 6. Jahrhundert bedingt? Da die Baubefunde keinerlei Hinweise bieten, können hier wirklich nur die Zahlen diskutiert werden. Dabei darf die kulturelle Transformierung nicht völlig vernachlässigt werden, denn durch nachträgliche Überbauung können im Boden befindliche Objekte vorangegangener Besiedlungsperioden über die Hangkante hinaus verlagert worden sein.76 Zudem wurde Altmaterial sicher auch 75 76
Vgl. Anm. 38. Vgl. R. Schreg/A. Kottmann, Archäologie und Geschichte der Burg Spitzenberg (Gemeinde Kuchen, Kreis Göppingen). Resumée einer Altgrabung von 1913. Hohenstaufen/ Helfenstein 8, 1998, 9 ff., bes. 40.
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Abb. 26. Durchschnittliche Fundzahl der einzelnen Siedlungsperioden pro Jahr. Grundlage bilden alle publizierten Funde vom Runden Berg, die im Rahmen der Ausgrabungen geborgen wurden.
wiederverwendet. Das bedingt, daß auf mehrperiodigen Fundplätzen die jüngeren Phasen durch Fundmaterial zumeist zahlreicher vertreten sind als die älteren.77 Sicherlich ist das auch am Runden Berg zutreffend, doch zeigt die große Zahl vorgeschichtlicher Funde, daß dieser Faktor eine wohl eher untergeordnete Rolle spielte. Zunächst einmal stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Faktoren für die Überlieferung von Siedlungsfunden verantwortlich sind. Hans Jürgen Eggers hat Siedlungsfunde als „negative Auslese“ bezeichnet, als „Gegenstände, die beim oder vor dem Verlassen des Platzes als unbrauchbar oder wertlos fortgeworfen“ wurden.78 Es handelt sich also um Abfall – zumeist zerscherbte Keramik –, der allerdings bewußt als solcher an bestimmten Stellen innerhalb (oder auch außerhalb) einer Siedlung abgelagert wurde. Ergänzend treten auch einige Verlustfunde auf. Das sind die zumeist wenigen Objekte, die eigentlich hätten wiederverwendet werden können, es
77 78
Die selbe Tendenz beobachtet bei Heege (wie Anm. 37) 72. H. J. Eggers, Einführung in die Vorgeschichte (3München 1986) 266f.
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aber nicht wurden. Es sind kleinere Gegenstände, die zwischen die Bodenplanken von Gebäuden gerieten oder in den Boden getreten wurden. Für die Frage nach der Besiedlungsintensität dürfte der Abfall aussagekräftiger sein. Dabei ist zu klären, ob der Abfall – zunächst einmal geht es nur um die Keramik – nur einen Teil der ehemals in der Siedlung vorhandenen Gefäße repräsentiert oder nahezu alle. Keramikgefäße hatten nur wenige Möglichkeiten, aus der Nutzung einer Siedlung auszuscheiden. Vielleicht wurden sie im Einzelfall verschenkt oder von abwandernden Siedlern mitgenommen, doch normalerweise zerbrachen sie oder gelangten als Beigabe in ein Grab. Ist es möglich, daß lediglich eine veränderte Beigabensitte den am Runden Berg beobachteten Anstieg des Keramikaufkommens erklärt? Frühalamannische Gräber sind häufig mit Gefäßsätzen ausgestattet, während diejenigen der Stufe Flonheim-Gültlingen – wenn überhaupt – zumeist nur über einen kleinen Becher oder einen Krug verfügen.79 Die Gesamtzahl der Gefäße ist aber zu groß, als daß lediglich die geänderte Beigabensitte eine Verdoppelung des Fundaufkommens bedingt haben könnte. Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, daß in den letzten 50–60 Jahren der Besiedlung deutlich mehr Keramik auf dem Runden Berg verfügbar war, als in den 90 Jahren zuvor. Da keine Fehlbrände vorliegen, ist auszuschließen, daß die Abwurfhalde einer Töpferei die Zahlen „verfälscht“. Der Faktor Töpferei könnte aber durchaus eine gewisse Rolle gespielt haben. Wie oben erwähnt, waren ab der Mitte oder dem zweiten Drittel des 5. Jahrhunderts im Umfeld des Runden Berges Töpfereien tätig, die nach Mayener und mitteldonauländischen Vorbildern Drehscheibenkeramik erzeugten. Dadurch waren diese Waren leicht verfügbar. Die deutliche Vermehrung des Fundaufkommens ist zum größten Teil durch diese neuen Waren – Gruppen 5, 8, 9 und 6 – bedingt. Damit ist man bei der Frage angelangt, ob es in dieser Zeit mehr Bewohner auf dem Runden Berg gab, oder ob die ansässigen Haushalte beschlossen hatten, ihren jeweiligen Keramikbestand zu verdoppeln. Eine weitere Möglichkeit muß diskutiert werden. Ist der erhöhte Fundanfall durch das gewaltsame Ende der Siedlung bedingt? Hans Jürgen Eggers stellte fest, daß „die Zahl der erhalten gebliebenen Gegenstände im […] Verhältnis zur Größe der Katastrophe“ steht.80 Allerdings nimmt er Keramikscherben hiervon aus. Grundsätzlich stellt sich bei der Behauptung, ein 79
80
H. Schach-Dörges, Das frühmittelalterliche Gräberfeld bei Aldingen am mittleren Neckar. Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 74 (Stuttgart 2004) 48ff., bes. 51 mit Anm. 280. Eggers (wie Anm. 78) 266; Eggers spricht hier fälschlich von einem „umgekehrten Verhältnis“, doch zeigen seine folgenden Zeilen, daß er von einem proportionalen Verhältnis ausgeht.
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erhöhter Fundanfall sei durch einen gewaltsamen Abbruch bedingt, die Frage, ob man wirklich nachweisen kann, daß das gesamte Fundmaterial zeitgleich in den Boden gelangte, oder ob nicht eher eine jahrzehntelange Ansammlung vorliegt. Liegen keine eindeutigen Befunde vor,81 bleibt ein solches Postulat sehr fraglich, denn normalerweise ist das Material nur in eine gewisse Zeitspanne zu datieren. Versucht man, sich das Fundaufkommen einer Keramikform an einem simplifizierten Schaubild zu verdeutlichen (Abb. 27), wird klar, wie schwierig eine Interpretation wird. Wir betrachten dazu die Ware X in einer Siedlung. Ihr Auftreten im chronologischen Rahmen unterliegt der Gaußschen Normalverteilung.82 Zur Zeit ihres ersten Auftretens deckt sie – neben vorhandenen älteren Waren – zunächst einen geringen Anteil am Keramikbestand der Siedlung ab. Nach und nach steigt ihr Anteil, bis er wieder sinkt und durch neue Waren zunächst ergänzt, später ersetzt wird. Während der gesamten Laufzeit zerbrechen immer wieder Gefäße, das heißt die Zahl der Scherben wächst ungefähr gleichmäßig an. Je später in der Laufzeit unserer Ware X der Besiedlungsabbruch erfolgt, desto höher ist also die Zahl der zerscherbten Gefäße. Es ist davon auszugehen, daß bei einem gewaltsamen Ende zusätzlich ein Großteil der noch gebrauchsfähigen Keramik zerbrach. Am Ende der Laufzeit unserer Ware X sind das wenige, in der Mitte sind es mehr (Abb. 27). Die Zahl der im Boden vorhandenen Gefäße dürfte aber in beiden Fällen gleich groß sein. Ein gewaltsames Ende hat also letztlich wenig Einfluß auf die Fundmenge des Abfalls, solange nicht eine plötzliche(!) rapide Zunahme nachweisbar ist. Übertragen wir diese Überlegungen auf den Runden Berg. Der Fundanfall wird durch mehrere Waren gebildet. Neben der handgemachten Keramik sind es die Gruppen 5, 8, 9 und 6 sowie weitere Gruppen spätrömischer Feinkeramik. Das erste Auftreten dieser Gruppen liegt spätestens in der Mitte des 5. Jahrhunderts, einige setzen früher ein. Eine Feintypologie der Gefäß- und Randformen ist beim derzeitigen Forschungsstand nicht im ausreichenden Maße möglich. In merowingerzeitlichen Gräbern der Phase SD 4 nach Ursula Koch treten diese Gruppen nur noch vereinzelt auf,83 doch könnte dies mit der mäßig ausgeübten Sitte der Gefäßbeigabe im alamannischen Raum zusammenhängen, zum anderen vielleicht auch einfach 81
82
83
J. Haberstroh, Der Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern in der Völkerwanderungszeit. Germania 81, 2003, 201 ff., bes. 207 f. mit älterer Lit. Selbst wenn eine andere Verteilung vorläge, änderte das kaum etwas an den folgenden Ausführungen. U. Koch, Das alamannisch-fränkische Gräberfeld bei Pleidelsheim. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 60 (Stuttgart 2001) 70 ff.
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Abb. 27. Fundaufkommen einer beliebigen Keramik-Warenart innerhalb einer Laufzeit von „zehn Stufen“: Die dicke schwarze Linie zeigt in etwa eine Gauß’sche Normalverteilung, die dünne schwarze Linie den kontinuierlichen Anstieg zerbrochener Gefäße der Ware innerhalb ihrer Laufzeit. Die gestrichelten Linien simulieren einen plötzlichen gewaltsamen Besiedlungsabbruch einmal in „Stufe 5“ einmal in „Stufe 8“.
mit dem Produktionsende der jeweiligen Töpfereien, unter anderem derer im Umfeld des Runden Berges. Letztlich bleibt gerade dadurch unklar, wann am Ende der Laufzeit dieser Waren der Abbruch auf dem Runden Berg erfolgte. Der im Gegensatz zur frühalamannischen Zeit mindestens verdoppelte Fundanfall wird zu einem großen Teil durch die Gruppen 5, 8, 9 und 6 gebildet. Es waren zugezogenen Töpfer im Umfeld des Runden Berges tätig, und sehr wahrscheinlich kamen sie nicht allein, denn im gesamten alamannischen Raum sind in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts deutliche Kontakte zum mittleren Donauraum und zum Karpatenbecken erkenn-
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bar.84 Das macht eine Zunahme der Besiedlungsintensität auf dem Runden Berg möglich, allerdings ist dieser – wie dargelegt – aus dem Fundmaterial heraus nicht sicher nachzuweisen. Die Zahl der Bewohner kann ohnehin nur sehr grob geschätzt werden und dürfte maximal bei 100 Personen gelegen haben, so daß ein möglicher Zuzug – selbst bei einer Größenordnung von 20–40 % – nur eine geringe Zunahme bedeutet haben würde.85 Dennoch zeigt sich das gewaltsame Ende auch in der Zunahme des Fundmaterials deutlich, allerdings bei jenen Materialgruppen, die nicht als Abfall zu werten sind. Die enorm hohe Anzahl an Glasgefäßen aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts ist wohl kaum anders zu interpretieren, denn Glasscherben sind wiederverwertbar.
Der Runde Berg und sein Umland Für eine abschließende Interpretation der alamannischen Besiedlungsphasen auf dem Runden Berg sollte auch das Umland berücksichtigt werden. Im Dekumatland kam es nach der Rückverlegung des Limes in der Stufe C2 anscheinend nur zu einer „zaghaften“ Besiedlung durch germanische Siedler.86 84
85 86
U. Koch, Alamannen in Heilbronn. Museo 6 (Heilbronn 1993) 15 ff.; Koch (wie Anm. 83) 391 ff.; D. Quast, Vom Einzelgrab zum Friedhof. Beginn der Reihengräbersitte im 5. Jahrhundert. In: Die Alamannen 171 ff., bes. 179 ff.; D. Quast, Höhensiedlungen – donauländische Einflüsse – Goldgriffspathen. – Veränderungen im archäologischen Material der Alemannia im 5. Jahrhundert und deren Interpretation. In: J. Tejral (Hrsg.), Grundprobleme der frühgeschichtlichen Entwicklung im mittleren Donauraum. Spisy Archeologikkého ústavu AV CˇR Brno 19 (Brno 2002) 273 ff., bes. 276 ff.; M. Martin, „Mixti Alamannis Suevi“? Der Beitrag der alamannischen Gräberfelder am Basler Rheinknie. ebd.195 ff.; Schach-Dörges (wie Anm. 79) 46, 85ff. Quast, Umland 114. Vgl. K. Stribrny, Römer rechts des Rheins nach 260 n. Chr. Kartierung, Strukturanalyse und Synopse spätrömischer Münzreihen. Ber. RGK. 70, 1989, 351 ff., bes. 430ff. – Zur Diskussion um den „Limesfall“, der v.a. von den provinzialrömischen Archäologen nicht als plötzlicher Fall, sondern als längerer, nicht nur durch germanische Einfälle bedingter Prozeß gewertet wird vgl. Steidl, Wetterau (wie Anm. 74) 116 ff.; H. U. Nuber, Zeitwende rechts des Rheins. Rom und die Alamannen. In: Die Alamannen 59 ff.; H. U. Nuber, Das Ende des Obergermanisch-Raetischen Limes – Eine Forschungsaufgabe. In: Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 1 (Sigmaringen 1990) 51 ff. (mit weiterer Lit.); F. Unruh, Kritische Bemerkungen über die historischen Quellen zum Limesfall in Südwestdeutschland. Fundberichte aus BadenWürttemberg 18, 1993, 241 ff. – Zur germanischen „Aufsiedlung“ vgl. allgemein H. Steuer, The hierarchy of alemannic settlements in the former limes region of south-western Germany to AD 500. Journal of European Arch. 2, 1994, 82ff.; H. Keller, Probleme der frühen Geschichte der Alamannen („alamannische Landnahme“) aus historischer Sicht. In: M. Müller-Wille/R. Schneider (Hrsg.), Ausgewählte Probleme europäischer Landnahmen
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Diese beschränkte sich zunächst auf die Gebiete zwischen Main und mittlerem Neckar und war sehr deutlich an den größeren Flußläufen orientiert.87 Von Seiten der Numistatiker wurde aufgrund des Münzumlaufs daher eine militärische Kontrolle weiter Teile des Dekumatlandes durch eine „römisch-germanische Miliz“ bis ins ausgehende 3. Jahrhundert postuliert.88 Im römischen Gutshof von Laufenburg am Oberrhein konnte auch archäologisch eine Weiterbenutzung bis weit ins 4. Jahrhundert nachgewiesen werden.89 Die Gewässer- und Ortsnamenkundler rechnen zumindest für die Oberrheinebene und den mittleren Schwarzwald mit verbliebenen Romanen.90 Im Umland des Runden Berges sind nur zwei vorgermanische Ortsnamen (Glems, Neuffen) überliefert. Die bislang für das heutige südwestdeutsche Gebiet vorgelegten paläoethnobotanischen Analysen geben keine eindeutigen Hinweise für die Frage des möglichen Verbleibs romanischer Bevölkerungsgruppen.91 Dies kann unter anderem daran liegen, daß die besiedlungsgeschichtlichen Voraussetzungen von Kleinraum zu Kleinraum schwanken können. So stellte Hans W. Smettan für das Gebiet um Lauffen noch vor 260 einen deutlichen Besiedlungsrückgang fest, der sich im Fehlen von Getreidepollen über mehrere Horizonte in seinen Diagrammen und der Wiederbewaldung ehemals kultivierter Flächen spiegelt.92 Eine Siedlungskontinuität für das Gebiet um
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92
des Früh- und Hochmittelalters. Vorträge und Forschungen 41/I (Sigmaringen 1993) 83ff.; K. Strobel, Raetia amissa? Raetien unter Gallienus: Provinz und Heer im Licht der neuen Augsburger Siegesinschrift. In: C. Bridger/K.-J. Gilles (Hrsg.), Spätrömische Befestigungsanlagen in den Rhein- und Donauprovinzen. BAR Internat. Ser. 704 (Oxford 1998) 83ff. H. Schach-Dörges, „Zusammengespülte und vermengte Menschen“. Suebische Kriegerbünde werden seßhaft. In: Die Alamannen 79 ff., bes. 96 mit Abb. 82. Stribrny (wie Anm. 86) 426, 429ff. (Zitat 433). R. Rothkegel, Der römische Gutshof von Laufenburg/Baden. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 43 (Stuttgart 1994), bes. 183 ff., 190 f. W. Kleiber/M. Pfister, Aspekte und Probleme der römisch-germanischen Kontinuität. Sprachkontinuität an Mosel, Mittel- und Oberrhein sowie im Schwarzwald (Stuttgart 1992) 37, 70; vgl. dagegen B. Boesch, Grundsätzliche Erwägungen zu den nichtdeutschen Orts- und Flurnamen am Oberrhein und im Schwarzwald. Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 113, 1965, 1 ff. Boesch geht von einer frühen Vermischung gallorömischer und alamannischer Bevölkerung aus und erklärt die vorgermanischen Ortsnamen durch Namenwanderungen bzw. als Lehnworte. Die Namen werden z. T. auch durch spätere Ansiedlung von Romanen im Frankenreich gedeutet; vgl. W.-D. Sick, Die Besiedlung der Mittelgebirge im alemannischen Raum. In: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 10, 1992, 49ff., bes. 56. Vgl. jetzt zusammenfassend H. W. Smettan, Besiedlungsschwankungen von der Latènezeit bis zum frühen Mittelalter im Spiegel südwestdeutscher Pollendiagramme. Fundberichte aus Baden-Württemberg 23, 1999, 779 ff. H. W. Smettan, Naturwissenschaftliche Untersuchungen in der Neckarschlinge bei Lauffen am Neckar. Fundberichte aus Baden-Württemberg 15, 1990, 437 ff., bes. 464ff.
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Lauffen sieht Smettan erst ab 500.93 In einer Untersuchung des oberen Neckargebietes zwischen Rottenburg und Rottweil erbrachten die Diagramme hingegen andere Resultate.94 Hier deutet sich eine Besiedlungskontinuität über die römische Periode hinaus an. Ein Abbruch wurde hier allerdings in der Zeit um 500 festgestellt.95 Im Umland es Runden Berges setzte die germanische Besiedlung erst in der Stufe C3 ein (Abb. 30). Diese Stufe umfaßt einen relativ langen Zeitraum (ca. 310–375), innerhalb dessen die wenigen Grabfunde nicht präziser datiert werden können. Es ist also unklar, ob die Besiedlung des Umlandes zeitgleich mit der des Runden Berges einsetzt, schon früher oder erst später. In diesem Zusammenhang sei kurz darauf hingewiesen, daß auch am oberen Neckar anhand der Pollendiagramme eine Aufsiedlung des Gebietes um Rottweil erst in der Mitte des 4. Jahrhunderts festzustellen ist.96 Selbst wenn die ältesten Bestattungen im Umland des Runden Berges bereits der frühen Stufe C3 zugewiesen werden, bedeutet das, daß von der Rückverlegung des Limes an Rhein, Donau und Iller bis zum beginnenden 4. Jahrhundert keine archäologischen Fundstellen bekannt sind. Dies dürfte kaum ausschließlich forschungsbedingt sein. Unklar bleibt daher, in welchem Maße mit dem Verbleiben einer provinzialrömischen „Rest“bevölkerung zu rechnen ist.97 Der „nachlimeszeitliche Schatzfund“ aus Gomadingen könnte bei aller gebotenen Vorsicht als Hinweis gewertet werden.98 Hatte man noch bis in die 1980er Jahre hinein angenommen, die Besiedlung des Runden Berges hätte nach dem „Limesfall“ noch im späten dritten oder in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts eingesetzt,99 so zeigt sich heute,
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Smettan (wie Anm. 92) 465. H. W. Smettan, Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen am oberen Neckar im Zusammenhang mit der vor- und frühgeschichtlichen Besiedlung. Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 49 (Stuttgart 2000)114. Smettan (wie Anm. 94) 115. Smettan (wie Anm. 94) 114. Vgl. K. Weidemann, Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte des Landes zwischen Limes und Rhein vom Ende der Römerherrschaft bis zum Frühmittelalter. Jahrb. RGZM 19, 1972, 99 ff., bes. 112, 130; C. S. Sommer, Die römischen Zivilsiedlungen in Südwestdeutschland. In: D. Planck (Hrsg.), Archäologie in Württemberg (Stuttgart 1988) 281 ff., bes. 306 f.; D. Planck, Die Wiederbesiedlung der Schwäbischen Alb und des Neckarlandes durch die Alamannen. In: Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 1 (Sigmaringen 1990) 69ff., bes. 94; G. Fingerlin, Siedlungen und Siedlungstypen. Südwestdeutschland in frühalamannischer Zeit. In: Die Alamannen 125 ff., bes. 125, 131. Quast, Umland 233 Kat.-Nr. 45 mit Lit. R. Christlein, Die Alamannen (Stuttgart, Aalen 1978) 46, 171 Nr. 367; RB I 34; RB V 188; RB VI 50; 269. – Zum „Limesfall“ vgl. Anm. 86.
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daß die Nutzung des Plateaus erst später erfolgte, und zwar in valentinianischer Zeit, also in der Zeit, in der auch die römische Rheingrenze ausgebaut wurde.100 Die ersten Siedler kamen aus dem elbgermanischen Raum, wie vor allem die handgefertigte Keramik zeigt. Vergleichbare Keramik tritt auch in römischen Grenzbefestigungen auf, etwa der Sponeck bei Jechtingen, wo Elbgermanen in römischen Diensten standen. In frühalamannischer Zeit ist für den Runden Berg die enorme Menge von Mayener Keramik auffällig, die den Anteil der handgemachten Ware um ein Mehrfaches übersteigt. Naturwissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, daß es sich wirklich um Importkeramik handelt. Auch die zahlreichen Gläser sind zweifellos Importe aus dem römischen Gebiet. Es stellt sich die Frage, wie diese Objekte, vor allem die Keramik, auf das Plateau gelangten, beziehungsweise welche Gegenleistungen dafür erbracht wurden. Beide Objektgruppen sind darüberhinaus charakteristisch für Höhensiedlungen, während sie in einfachen Flachlandsiedlungen fehlen.101 Hinzu kommen als typische Fundgruppen von Höhenstationen bronzene Gürtelbeschläge. Sie finden sich am Albtrauf – dem nördlichen, als deutliche Geländestufe ausgebildeten Rand der Schwäbischen Alb – auf jeder „Höhensiedlung“ und zum Teil auch in wichtigen Siedlungen an Albaufgängen (Abb. 28):102 Neben den Exemplaren vom Runden Berg (Abb. 18) sind hier diejenigen von der Achalm bei Reutlingen, vom Lochenstein bei Balingen und vom Rosenstein bei Heubach zu nennen, weitere aus den Höhlen „Venedigerloch“ im Ermstal und „Hohlenstein“ bei Asselfingen, aus dem Gräberfeld Pfullingen, sowie aus der Donau bei Ulm (Abb. 29).103
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Zur Vermutung Steidls, daß die Nutzung der Höhensiedlungen noch später einsetzt vgl. Anm. 74. Als Ausnahme sei hier die Wüstung Sülchen genannt, deren Bedeutung aber durch die Nähe bzw. die Nachfolge des römischen Sumelocenna bedingt sein dürfte. Gross/Schmidt (wie Anm. 48) mit älterer Lit.; vgl. auch Ch. Bücker, Reibschalen, Gläser und Militärgürtel. Römischer Lebenstil im freien Germanien. In: Die Alamannen 135 ff. mit weiterer Lit. Aus der Liste von Steuer, Höhensiedlungen sind die folgenden Fundpunkte am nördlichen Rand der Schwäbischen Alb zu streichen: Calverbühl bei Dettingen (Nr. 46) und Waldenbühl bei Donzdorf (Nr. 35). Der Waldenbühl ist jünger, zum Calverbühl vgl. Quast, Umland 344 Nr. 3. Steuer, Höhensiedlungen 160 ff. Nr. 15–17. – Achalm: Fundberichte aus Schwaben N. F. 16, 1962, 285f. mit Abb. 29. – Lochenstein: Fundberichte aus Schwaben N. F. 2, 1924, Taf. 7,3.7.8. – Rosenstein: C. Oeftiger/D. Müller, Der Rosenstein bei Heubach (Ostalbkreis). Vor- und frühgeschichtliche Befestigungen 1 (Stuttgart 1995) 74 f. mit Abb. 58. – Venedigerloch: Fundberichte aus Baden-Württemberg 15, 1990, 705 f. mit Abb. 131. – Pfullingen: Quast, Umland Taf. 76,185–187. – Donau bei Ulm: E. Pressmar, Vor- und Frühgeschichte des Ulmer Winkels (Berlin, München 1938) 78 Abb. 62. – Hohlenstein bei Asselfingen: Ch. Seewald, Postmesolithische Funde vom Hohlenstein im Lonetal (Markung Asselfingen, Kr. Ulm). Fundberichte aus Schwaben N. F. 19, 1971, 342 ff., bes. 351 Abb. 4,12. – Zur Teck vgl. Anm. 115.
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Abb. 28. Höhensiedlungen und spätrömische Militärgürtel im Bereich der Alb-Übergänge. – M. 1:2. (x) Höhensiedlung mit spätröm. Militärgürtel, (X) Höhensiedlung ohne spätröm. Militärgürtel, ( y ) Höhlenfund spätröm. Militärgürtel, ( v ) Grabfund mit spätröm. Militärgürtel, (c) Flussfund. spätröm. Militärgürtel. 1 Lochenstein, 2 Achalm, 3 Runder Berg, 4 Teck, 5 Rosenstein, 6 Pfullingen, 7 Venedigerloch, 8 Hohlenstein, 9 Donau bei Ulm (Nachweise vgl. Anm. 103).
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Abb. 29. Bronzene Beschläge römischer Militärgürtel und germanische Nachahmungen vom Lochenstein bei Balingen (1–3), aus der Donau bei Ulm (4), von der Achalm bei Reutlingen (5), vom Rosenstein bei Heubach (Ostalbkreis) (6), aus dem Hohlenstein bei Asselfingen (Kr. Ulm) (7), aus dem Gräberfeld von Pfullingen (Kr. Reutlingen) (8–10) und aus dem Venedigerloch bei Urach (11–12) (Nachweise vgl. Anm. 103). – M. 1: 2.
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Abb. 30. Die Fundstellen der frühalamannischen Zeit und die (vermuteten) römischen Straßen im Umland des Runden Berges. (x) Siedlung. ( y ) Bestattungsplatz ( Y ) Grabhügel. (c) Höhlenfund. (—) röm. Straße. (?) Datierung nicht gesichert (nach Quast, Umland 106 Abb. 47).
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Auffällig ist, daß sie in der Mitte des 5. Jahrhunderts verschwinden, ebenso wie die Mayener Keramik auf dem Runden Berg. Auf den meisten Höhensiedlungen Südwestdeutschlands bricht die Nutzung anscheinend in der Mitte des 5. Jahrhunderts ab, zeitgleich mit dem Ende der spätrömischen Grenzverteidigung am Rhein.104 Schon seit Jahren wird in der Forschung immer wieder die Vermutung geäußert, daß gerade die alamannischen Stationen am westlichen Schwarzwaldrand als Vorposten der römischen Grenzlinien geplant worden waren.105 Könnte man auch die Anlagen im Inneren der Alamannia in diesem Kontext sehen? Hatte Rom versucht durch Stützung einiger der zahlreichen Kleinkönige „Pufferstaaten“ zu etablieren? Die römische Außenpolitik liefert genügend Beispiele dafür.106 Auch weit vorgeschobene Wachtposten sind aus der Spätantike bekannt, etwa aus der ungarischen Tiefebene. Allerdings ist aus Fundmangel unklar, woraus sich die Besatzung rekrutierte.107 In diesem Kontext wurde auch schon die Wettenburg gesehen.108 Nun wird man kaum glauben, daß sich die alamannischen Kleinkönige durch Lieferungen Mayener Keramik haben kaufen lassen.109 Doch muss man dabei die Quellenlage berücksichtigen. Wiederverwertbare Materialien, besonders (Edel)Metalle, sind in Siedlungen einfach nicht erhalten. Lediglich Keramik ist in großer Menge vorhanden. Natürlich ist es methodisch unsauber, mit fehlendem Material zu argumentieren, doch ist es vorstellbar, daß lediglich die Keramik in großen Mengen auf den Runden Berg
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Zum Ende der römischen Rheingrenze J. Oldenstein, Die letzten Jahrzehnte des römischen Limes zwischen Andernach und Selz unter besonderer Berücksichtigung des Kastells Alzey und der Notitia Dignitatum. In: F. Staab (Hrsg.), Zur Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter am Oberrhein. Oberrhein. Studien 11 (Sigmaringen 1994) 69ff.; Hoeper, Höhenstationen 156 ff. Nuber, Ende (wie Anm.86) 51 ff.; Hoeper/Steuer (wie Anm. 2) 45; Quast, Höhensiedlungen (wie Anm. 84) 273 ff.; H. Steuer/M. Hoeper, Germanische Höhensiedlungen am Schwarzwaldrand und das Ende der römischen Grenzverteidigung am Rhein. Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 150 (= N. F. 111), 2002, 41 ff. Z. B. D. Braund, Rome and the friendly king. The character of the client kingship (London 1984). S. Soproni, Der spätrömische Limes zwischen Esztergom und Szentendre (Budapest 1978) 81 ff., 122 f., Taf. 84, 92,1 (Hatvan-Gombospuszta). F. Teichner, Gentes foederatae am Untermain? In: Th. Fischer/G. Precht/J. Tejral (Hrsg.), Germanen beiderseits des spätantiken Limes. Spisy Archeologického ústavu AV CˇR Brno 14 (Köln, Brno 1999) 145 ff. Redknap (wie Anm. 53) 126, 134, führt die weite Verbreitung Mayener Keramik zumindest teilweise auf Verträge mit dem Militär zurück. Vgl. auch St. Martin-Kilcher, Die Funde aus dem römischen Gutshof von Laufen-Müschag (Bern 1980) 106.
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gelangte?110 Dann stellt sich wieder die Frage, wie sie über 100 km durch alamannisches Gebiet kam. Dazu muss die Station doch in eine „Vertriebsnetz“ eingebunden gewesen sein. Oder hat sie der „Herr“ vom Runden Berg in der Eifel abholen lassen? Was musste er dafür bieten? In jedem Fall gab es doch über eine langen Zeitraum hinweg funktionierende wirtschaftliche Beziehungen, die in dem Moment endeten, in dem die spätrömische Grenzverteidigung zusammenbrach. Für das Umland des Runden Berges führte die Neuaufnahme und Durchsicht alter Museums- und Sammlungsbestände zu einer Verdoppelung der Fundstellen. Soweit deren Lage charakterisiert werden kann, zeigt sich der Bezug zu Gewässern und zum römischen Straßennetz. In römischen Villen des Umlandes wurden (bislang) noch keine frühalamannischen Funde entdeckt.111 Dabei sind keinerlei Unterschiede zwischen siedlungsgünstigerem Albvorland und der Albhochfläche zu erkennen. Das Verhältnis der archäologischen Quellengattungen ist allerdings ausgewogener als in der „gräberdominierten“ Merowingerzeit. Auffallend reiche Gräber fehlen im Umland, doch belegt ein unbeobachtet zerstörtes Brandgrab aus Erpfingen Importkeramik (Abb. 31,2.3). Es enthielt ein Sigillata-Schälchen der Form Chenet 321 und eine graue Nigra-Schale, die beide eine Datierung in das späte 4./frühe 5. Jahrhundert nahe legen.112 Auch ein Grabfund aus Nürtingen, der nur aus einem alten Bericht rekonstruiert werden kann, enthielt ein TS-Schälchen.113 Andere Gräber aus dem Umland des Runden Berges zeigen die seit Jahrzehnten bekannten Beziehungen zum elbgermanischen Raum, vor allem
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Zu den wenigen Münzen vgl. oben S. 291. Vielleicht ist es möglich, daß auch einige spätrömische Gürtelbeschläge nicht von zurückkehrenden Söldnern mitgebracht wurden, sondern im Zusammenhang mit römischen Lieferungen zu sehen sind. Weidemann (wie Anm. 97) 100 ff.; G. Fingerlin, Ein bisher unbekannter römischer Gutshof auf Gemarkung Herten, Stadt Rheinfelden, Kreis Lörrach. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 1992, 168 ff., bes. 170 f.; M. Luik/H. Schach-Dörges, Römische und frühalamannische Funde von Beinstein, Gde. Waiblingen, Rems-Murr-Kreis. Fundberichte aus Baden-Württemberg 18, 1993, 349ff., bes. 409f. (mit Lit.); Schach-Dörges (wie Anm. 87) 96; Fingerlin (wie Anm. 97) 128, 130. Die entsprechenden Funde werden als Zeugnisse einer Wiederbenutzung römischer Wirtschaftsflächen gesehen. Vielleicht könnten sie sogar im Sinne einer „Landzuweisung“ zur Bewirtschaftung der Agrarflächen zu sehen sein. Quast, Umland Taf. 28,C; G. Chenet, La céramique gallo-romaine d’Argonne du IVe siècle et la Terre Sigillée décorée à la molette (Mâcon 1941) 72 mit Taf. 14; M. Schulze-Dörrlamm, Die spätrömischen und frühmittelalterlichen Gräberfelder von Gondorf, Gem. Kobern-Gondorf, Kr. Mayen-Koblenz. Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit B 14 (Stuttgart 1990) 42; H. Bernhard, Studien zur spätrömischen Terra Nigra zwischen Rhein, Main und Neckar. Saalburg-Jahrbuch 40/41, 1984/85, 34ff., bes. 94 mit Abb. 53,5; 99. Quast, Umland 262 Kat.-Nr. 91.
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Abb. 31. Funde aus den frühalamannischen Gräbern von Erpfingen und Zwiefalten (beide Kr. Reutlingen) (nach Quast, Umland Taf. 28,C; 122,B). – M. 1:2.
durch die handgemachte Keramik aber auch durch bronzene Bügelknopffibeln, wie etwa aus einem Grabhügel bei Zwiefalten (Abb. 31,1).114 Die frühalamannischen Siedlungen zeigen dagegen ein abweichendes Bild. Importe, Drehscheibenkeramik und Gläser fehlen fast vollständig. Lediglich aus Hengen stammt ein Randscherben einer Schale Alzey 28 (Abb. 32,1).115 Normalerweise tritt in den ländlichen Siedlungen nur hand-
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Quast, Umland Taf. 122,B. Ch. Bizer/U. Gross, Völkerwanderungszeitliche und frühmittelalterliche Funde aus Hengen, Stadt Bad Urach, Kreis Reutlingen. Arch. Ausgrabungen Baden-Württemberg 1991, 233 ff. Abb. 148,1. Es ist unklar, ob der Scherben von einem lokalen Produkt stammt, oder von importierter Eifelkeramik. Vergleichbare Scherben liegen jetzt auch von der Teck vor; U. Gross, Keramikfunde der Völkerwanderungszeit und des Frühmittelalters von der Teck bei Owen, Kr. Esslingen. Archäologisches Korrespondenzblatt 35, 2005, 523ff.
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Abb. 32. Keramik aus den alamannischen Siedlungen Hengen (1) und HohensteinOberstetten (2–5) (beide Kr. Reutlingen) (Nachweise vgl. Anm. 115 u. 116). – M. 1:4.
gemachte Keramik in elbgermanischer Tradition auf (Abb. 32,2–5).116 Eisenverhüttung ist im direkten Umland des Runden Berges archäologisch in Lenningen-Schopfloch nachgewiesen.117 Alles in allem zeichnet sich eine dünne, ländlich geprägte Besiedlung ab, in der der Runde Berg als Zentralort steht.118 Dieser dürfte seine wirtschaftliche Potenz kaum aus landwirtschaftlicher Überproduktion bezogen haben. Auch militärische Raubzüge dürften kaum für den regelmäßig Be116
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D. Quast/R. Schreg, Ausgrabungen in einer frühalamannischen Siedlung bei Oberstetten, Gde. Hohenstein, Kreis Reutlingen. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1999, 167 ff. – Zu Sülchen vgl. Anm. 48. M. Kempa, Die Verhüttungsplätze. In: Beiträge zur Eisenverhüttung auf der Schwäbischen Alb. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 55 (Stuttgart 1995) 147 ff., bes. 184 ff. Zur ungenügenden Lage der Schriftquellen zu diesen Zentralorten W. Pohl, Germania, Herrschaftssitze östlich des Rheins und nördlich der Donau. In: G. Ripoll/J. M. Gurt (Hrsg.), Sedes regiae (ann. 400–800) (Barcelona 2000) 305ff.
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zug von Importwaren verantwortlich gewesen, denn sonst wäre mit einem deutlicheren Niederschlag in den Gräbern des Umlandes zu rechnen. Es ist daher zu vermuten, daß der „Input“ von außen kam. Importe liegen vor und charakterisieren den Reichtum der Siedlung. Als Gegenleistung kommt eigentlich nur Ableistung von Militärdienst in Frage. Ob das nun im Reichsgebiet war oder im Vorfeld, bleibt unklar.119 Anlagen wie die Sponeck,120 der Breisacher Münsterberg,121 aber auch der Zähringer Burgberg122 deuten doch auf eine Anwerbung und Einbindung germanischer Kräfte im Vorfeld der Reichsgrenze. Es ist wohl kein Zufall, daß die Besiedlung auf diesen Anlagen in der Mitte des 5. Jahrhunderts endet, also bezeichnenderweise in der Zeit, in der auch der spätrömische Limes am Rhein endgültig aufgegeben wurde.123 Dieses Bild wird durch die Ausgrabungen auf den Höhensiedlungen Geißkopf und Kügeleskopf bestätigt, die gleichzeitig einsetzen und ebenfalls in der Mitte des 5. Jahrhunderts abbrechen.124 Eine Einbindung der Alamannen westlich des Schwarzwaldes und nördlich der Alb ist aufgrund der Funde vom Runden Berg ebenfalls zu vermuten.125 Der enorm hohe Anteil römischer Keramik in frühalamannischer Zeit belegt das meiner Meinung nach sehr deutlich. Die Bewohner vom Runden Berg waren anscheinend in einen „von reichsrömischen Waren beherrschten Wirtschaftsraum“ eingebunden.126 Da Fernhandel mit diesen zerbrechlichen Produkten aufgrund der Transportkosten unrentabel war, wie schon Eggers bemerkte, müssen andere Gründe für die Verbreitung ausschlaggebend gewesen sein.127 Vielleicht sind hier eher Zahlungen von Subsidien und Foederatentributen anzunehmen. Ähnliche Mechanismen haben
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Vgl. hierzu auch Teichner (wie Anm. 108) 145 ff. mit interessanten anthropologischen Ergebnissen. R. M. Swoboda, Die spätrömische Befestigung Sponeck am Kaiserstuhl. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 36 (München 1986). Ch. Bücker, Neues aus dem alten Breisach: Zur frühmittelalterlichen Besiedlung des Münsterberges. Archäologische Nachrichten aus Baden 64, 2001, 15 ff. Vgl. zusammenfassend H. Steuer/M. Hoeper (S. 215 ff.) in diesem Band. L. Bakker, Bollwerk gegen die Barbaren. In: Die Alamannen 111 ff.; vgl. auch Anm.104. Hoeper, Höhenstationen. So bereits F. Teichner, Kahl a. Main. Siedlung und Gräberfeld der Völkerwanderungszeit. Materialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte A 80 (Kallmünz 1999) 144 ff. Teichner (wie Anm. 125) 146. – Das Fehlen größerer Mengen Münzgeldes auf dem Runden Berg verdeutlicht aber – neben der handgemachten Keramik –, daß es sich bei den Bewohnern keinesfalls um Romanen, sondern um Germanen gehandelt hat; vgl. H. Bernhard, Die spätantike Höhensiedlung „Großer Berg“ bei Kindsbach, Kreis Kaiserslautern – ein Vorbericht zu den Grabungen 1985–1987. Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 85, 1987, 37 ff., bes. 60 ff. H. J. Eggers, Der römische Import im freien Germanien. Atlas zur Urgeschichte 1 (Hamburg 1951) 32f.
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die tschechischen Kollegen nördlich der Donau aufgezeigt und die betroffenen Gebiete als „dritte Zone zwischen Imperium und Barbaricum“ bezeichnet.128 In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis von Michael Hoeper und Heiko Steuer zu sehen, daß „militärische Ausrüstung und zivilisatorischer Zuschnitt der Bewohner der Höhensiedlungen und foederierter Germanen in römischen Grenzbefestigungen“ gleich sind.129 Die Absetzung des Bucinobantenkönigs Macrian und die Einsetzung Fraomars durch Valentinian zeigt sehr deutlich die Möglichkeiten römischer Einflußnahme in alamannische Politik.130 Auch in den folgenden Jahren wurden wiederholt Verträge zwischen Römern und alamannischen Teilkönigen geschlossen.131 Könnten in diesem Kontext nicht auch die Höhensiedlungen entstanden sein? Mit der Anlage derartiger Posten an den Albaufgängen konnten alle wichtigen Einfallsrouten nach Süden kontrolliert werden. Vielleicht ist es kein Zufall, daß in den Schriftquellen die militärischen Übergriffe alamannischer Gruppen auf das Reichsgebiet seit dem späten 4. Jahrhundert rückläufig waren.132 Die Beobachtung von Max Martin, daß seit valentinianischer Zeit keine Alamannen mehr in höhere Ränge in der römischen Armee aufstiegen und stattdessen diese Posten mit Franken besetzt worden seien, widerspricht dieser Hypothese nur scheinbar.133 Es könnten bewußt andere, romfreundliche Eliten unterstützt worden sein.134 Im Übrigen können die archäologischen Quellen durchaus die schriftliche kontrastieren.135 In der Mitte des 5. Jahrhunderts trat dann anscheinend ein fundamentaler Wechsel ein. Die Versorgung aus dem linksrheinischen Gebiet versiegte, und der „Herr“ vom Runden Berg machte sich „selbständig“. Inner128
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J. Bouzek/I. Ondrˇejová, „Trˇetí zóna“ mezi a Barbarikem prˇi Noricko-Pannonském Limitu [Die „dritte Zone“ zwischen Rom und Barbaricum an dem norisch-pannonischen Limes]. Arch. Rozhledy 42, 1990, 22ff. [33ff.]. Steuer/Hoeper (wie Anm. 105) 47; Hoeper, Höhenstationen 160 Geuenich, Geschichte 31, 56; Quintus Aurelius Symmachus, Reden (hrsg., übersetzt u. erläutert von A. Papst). Texte zur Forschung 53 (Darmstadt 1989) 340. Zuletzt in Hoeper, Höhenstationen 158; Teichner (wie Anm. 125) 148 f.; vgl. auch R. Schulz, Die Entwicklung des römischen Völkerrechts im vierten und fünften Jahrhundert n. Chr. Hermes Einzelschriften 61 (Stuttgart 1993) 36 Anm. 58. Teichner (wie Anm. 125) 144; K. F. Stroheker, Die Alemannen und das spätrömische Reich. In: W. Hübener (Hrsg.), Die Alemannen in der Frühzeit. Veröffentlichungen des Alemannischen Institut Freiburg (Bühl 1974) 9 ff., bes. 21. M. Martin, Zwischen den Fronten. Alamannen im römischen Heer. In: Die Alamannen 119 ff., bes. 122 ff.; Geuenich, Geschichte 53 ff. Zur Germanenpolitik Valentinians vgl. Papst, Symmachus (wie Anm. 130) 302ff., 338 ff. Vgl. allgemein A. Andrén, Between artifacts and texts (New York, London 1998) 145 ff., 171 ff.
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halb weniger Jahre wurden Töpfereien angesiedelt, die zum einen in Mayener Tradition fertigten, zum anderen nach Vorbildern aus dem mittleren Donauraum. Ob die Handwerker freiwillig kamen, weil sich ihnen im alamannischen Reich bessere Möglichkeiten boten, oder ob sie unfreiwillig umgesiedelt wurden, ist nicht zu klären.136 Die Beziehungen zu den Vorbildern sind aber so eng, daß man mit fremden Töpfern rechnen muß. Die Lage der Töpfereien im Umfeld des Runden Berges ist unbekannt, doch dürften sie im Tal gelegen haben, um die dortigen Wasservorkommen zu nutzen. Nicht nur qualitativ hochwertige Keramik wurde hergestellt. Bleimodelle lassen auch die Anwesenheit von Feinschmieden erkennen, Funde aus Horten bezeugen unter anderem Grobschmiede und Zimmerleute. Weitere Hinweise auf Handwerk liegen – wenngleich nicht sicher zu datieren – durch Halbfabrikate der Bein- und Gagatverarbeitung vor, ebenso durch Spinnwirtel für Textilherstellung.137 Es wurden also Spezialisten angesiedelt. Waren die Krieger vom Runden Berg in der frühalamannischen Zeit anscheinend weitgehend „Empfänger“, so wandelte sich das nach dem Zusammenbruch der römischen Grenzverteidigung dahingehend, daß sie selbst „verteilten“. Sie nutzten und füllten teilweise das entstandene „Machtvakuum“. Dabei ist aber keinesfalls davon auszugehen, daß die Produkte der ansässigen Handwerker für den Reichtum dieser Alamannen verantwortlich waren. Der beruhte sicherlich auf kriegerischen Aktionen, deren enormer Radius durch die Erwähnung der Könige Gibuldus und Gebavult überliefert ist.138 Max Martin hat dies sehr prägnant als parasitäre Wirtschaftsweise bezeichnet.139 Wie sehr sich nach dem Ende der römischen Rheingrenze die Situation im inneralamannischen Raum veränderte, zeigen mehrere Beobachtungen. Zum einen fällt auf, daß nur sehr wenige Höhensiedlungen Funde aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts erbracht haben, nämlich der Runde Berg, die Gelbe Bürg bei Dittenheim, der Dünsberg, der Glauberg, der
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Zu „Töpferwanderungen“ vgl. Redknap (wie Anm. 53) 121 mit Literatur in Anm. 433 und 434. – Vgl. zur Stellung der Goldschmiede zuletzt C. von Carnap-Bornheim, The social position of the Germanic goldsmiths A. D. 1–500. In: B. Magnus (Hrsg.), Roman gold and the development of early Germanic kingdoms. Konferenser Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien 51 (Stockholm 2001) 263ff. – Vgl. zu den Töpfern jetzt auch W. Giertz, Foreign influx in the formation of the Rhenish Vorgebirge pottery industries. Danubian-type wasters from Walberberg, c. 500 A. D. (Manuskript, im Druck). RB VI 350ff.; RB VIII. Geuenich, Geschichte 73 ff. M. Martin, Historische Schlagzeilen, archäologische Trümmer. Siedlungs- und Herrschaftsgeschichte zwischen 436 und 506 nach Christus. In: Die Alamannen 163 ff., bes. 169.
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Reisberg bei Scheßlitz und eventuell auch die Sulzbürg bei Neumarkt.140 Auch vom Breisacher Münsterberg sind „wenige Fragmente von einglättverzierter Keramik und von Rillenbechern“ bekannt.141 Die anderen Plätze erbrachten bislang nur Funde, die bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts reichen. Zumeist handelt es sich dabei um die charakteristischen spätrömischen Gürtelbeschläge. In den Anlagen der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts sind zweifellos Herrschaftszentren zu sehen, die sich nach der veränderten politischen Lage herauskristallisiert haben.142 Selbst im „Mikrokosmos“ des Runden Berges sind Umstrukturierungen erkennbar. Der „Fürstenhof “ wurde durch die Doppelpfostenanlage deutlich abgegrenzt. Auch die Historiker nehmen deutliche Veränderungen wahr, wie etwa die Diskussion über das alamannische Einkönigtum zeigt.143 Den archäologischen Quellen zufolge sind die folgenden Jahrzehnte geradezu als Blütezeit der Siedlung auf dem Runden Berg und der gesamten Alamannia zu beschreiben. Im Umland des Runden Berges zeigt sich das besonders deutlich am Fundmaterial des Gräberfeldes in Pfullingen, ebenso auf den kleinen Nekropolen vom Typ Hemmingen aus Reutlingen und Auingen. Insgesamt ist die Besiedlung des Umlandes in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts aber nur sehr ungenau zu beschreiben, denn es sind nur wenige Fundstellen bekannt (Abb. 33). Diese Situation dürfte aber weniger den realen Bestand liefern, als vielmehr durch den Forschungsstand bedingt sein.144 Zu Beginn des 6. Jahrhunderts fand die Siedlung auf dem Runden Berg ein gewaltsames Ende; Versteckfunde (Abb. 34) von den Hängen des Berges
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Steuer, Höhensiedlungen 146 ff. Nr. 1, 4, 5, 6, 32; vermutlich ist auch die Wettenburg bei Kreuzwertheim über die Mitte des 5. Jhs. hinaus besiedelt gewesen. Vgl. zuletzt D. Neubauer, Das Maintal zwischen Würzburg und Karlburg. In: Beiträge zur Archäologie in Unterfranken. Mainfränkische Studien 63 (Büchenbach 1998) 129 ff.; Haberstroh (wie Anm. 81), bes. 253. – Zur Altenburg vgl. Anm. 2. Bücker (wie Anm. 121) 17 f. Zu Interpretationsmöglichkeiten der Anlagen der zweiten Hälfte des 4. und der ersten Hälfte des 5. Jhs. vgl. zuletzt Hoeper, Höhenstationen 146 ff. mit älterer Lit. Geuenich, Geschichte 72 ff.; D. Claude, Zu Fragen des alemannischen Königtums an der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert. Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 45, 1995, 1 ff. Bewertung von archäologischer Seite, allerdings noch ohne ausführliche Begründung von K. Weidemann, Jahrbuch RGZM 44, 1997, 700. Ausführlich Quast, Umland 111 ff. – Inwieweit das Besiedlungsbild vom frühalamannischen abweicht, ist deshalb kaum zu sagen. Zum abweichenden Bild der merowingerzeitlichen Besiedlung vgl. O. Paret, Zur alamannischen Besiedlung des Langen Feldes. In: Württembergische Vergangenheit (Stuttgart 1932) 71 ff.; J. C. Tesdorpf, Die Entstehung der Kulturlandschaft am westlichen Bodensee. Veröffentlichung der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B 72 (Stuttgart 1972) 166 f.
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Abb. 33. Fundstellen der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts im Umland des Runden Berges. (x) Siedlung, ( y ) Bestattungsplatz, ( b ) Einzelfund (nach Quast, Umland 110 Abb. 49).
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Abb. 34a. Schmuck und Kleidungsbestandteile aus den Hortfunden von den Hängen des Runden Berges (nach RB I Taf. 1–4). – M. 1: 2.
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Abb. 34b. Gerät und Werkzeuge aus dem Hortfund von 1981 (nach RB VII Taf. 2–3). – M. 1:4.
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und Funde mit Brandspuren unterstreichen das.145 Eine Wiederbesiedlung erfolgte erst gut 150 Jahre später. Das Ende wird mit der Eingliederung in das fränkische Reich und den Verlust der politischen Selbständigkeit der Alamannen in Verbindung gebracht. Auffälligerweise deutet auch das Fundmaterial aus Urspring auf eine Siedlungsunterbrechung in dieser Zeit hin.146 Im gleichen Zusammenhang ist wohl das Abbrechen zahlreicher Friedhöfe zu sehen,147 deren Gräber zumeist einer herausgehobenen Personenschicht angehören. Die Besiedlung des Umlandes des Runden Berges wird erst durch die im 6. Jahrhundert einsetzenden Reihengräber deutlicher faßbar (Abb. 35).148 Zunächst war aber das Ermstal nur bis Dettingen besiedelt. Erst im letzten Drittel des 6. Jahrhunderts wurde auch die heutige Gemarkung Urach erschlossen, in einer Zeit, als der Runde Berg seit gut drei Generationen unbesiedelt war.149
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Der „Hortfundhorizont“ wurde bereits von Rainer Christlein bei der Vorlage der Kleinfunde erkannt, die bereits vor Grabungsbeginn zutage gekommen waren: RB I 15 ff.; vgl. Quast (wie Anm.84) 295 mit Anm. 59; vgl. auch L. Pauli, Einige Anmerkungen zum Problem der Hortfunde. Archäologisches Korrespondenzblatt 15, 1985, 195 ff., bes. 196 f. K. Maier, Eine mittelalterliche Siedlung auf Markung Urspring (Gemeinde Lonsee, Alb-Donau-Kreis). Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 23 (Stuttgart 1994) 70 f. Zu den Gräberfeldern vom Typ Hemmingen zuletzt H. Ament, Das alamannische Gräberfeld von Eschborn (Main-Taunus-Kreis). Materialien zur Vor- und Frühgeschichte in Hessen 14 (Wiesbaden 1992) 42ff.; U. Koch, Besiegt, beraubt, vertrieben. Die Folgen der Niederlagen von 496/97 und 596. In: Die Alamannen 191 ff. Abb. 198; U. Koch, Fernbeziehungen im Spiegel merowingerzeitlicher Grabfunde – Wer waren die Kontaktpersonen? Archäologisches Nachrichtenblatt 3, 1998, 107 ff., bes. Anm. 26; Schach-Dörges (wie Anm. 79) 88f. Quast, Umland 121 ff. Die Untersuchung ist im Rahmen des von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projektes „Der Runde Berg bei Urach: Zentraler Ort in Alemannien“ entstanden. Für die finanzielle Unterstützung möchte ich der Fritz-Thyssen-Stiftung herzlich danken. Mein Dank gilt in besonderem Maße Frau Prof. Dr. B. Scholkmann, die den Antrag gestellt und mir jederzeit für Fragen und Diskussionen zur Seite stand. Weiterhin möchte ich in meinen Dank die Mitarbeiter der Archäologischen Denkmalpflege und der Mittelalterarchäologie des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, Außenstelle Tübingen, einschließen, die mir einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellten und mich darüberhinaus in ein stets angenehmes Umfeld integrierten. Namentlich möchte ich Prof. Dr. H. Reim und Dr. S. Kurz danken.
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Abb. 35. Fundstellen des 6. Jahrhunderts im Umland des Runden Berges. (x) Siedlung, ( y ) Bestattungsplatz, ( b ) Einzelfund, (c) Höhlenfund, (C) Eisenverhüttungsplätze (nach Quast, Umland 122 Abb. 52).
Der Runde Berg bei Urach
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Literatur Die Alamannen Die Alamannen. Ausstellungskatalog Stuttgart, Zürich, Augsburg (Stuttgart 1997). Bernhard, Importkeramik H. Bernhard, Importkeramik. In: Führer RB 188 ff. Führer RB Der Runde Berg bei Urach. Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg 14 (Stuttgart 1991). Geuenich, Geschichte D. Geuenich, Geschichte der Alemannen (Stuttgart 1997). Hoeper, Höhenstationen M. Hoeper, Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Oberrhein. Geißkopf bei Berghaupten und Kügeleskopf bei Ortenberg. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 12 (Sigmaringen 2003). Kurz, Befunde S. Kurz, Die Befunde vom Runden Berg bei Urach. Manuskript; in Druckvorbereitung. Quast, Umland D. Quast, Die frühalamannische und merowingerzeitliche Besiedlung im Umland des Runden Berges bei Urach. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 84 (Stuttgart 2006). RB: Der Runde Berg bei Urach RB I R. Christlein, Die frühgeschichtlichen Kleinfunde außerhalb der Plangrabungen (Heidelberg 1974). RB II B. Kaschau, Die Drehscheibenkeramik aus den Plangrabungen 1967–1972 (Sigmaringen 1976). RB III R. Christlein, Kleinfunde der frühgeschichtlichen Perioden aus den Plangrabungen 1967–1972 (Sigmaringen 1979). RB IV J. Stadelmann, Funde der vorgeschichtlichen Perioden aus den Plangrabungen 1967–1974 (Sigmaringen 1981). RB V U. Koch, Die Metallfunde der frühgeschichtlichen Perioden aus den Plangrabungen 1967–1981 (Sigmaringen 1984). RB VI U. Koch, Die Glas- und Edelsteinfunde aus den Plangrabungen 1967–1983 (Sigmaringen 1987). RB VII U. Koch, Frühgeschichtliche Funde von den Hängen und Terrassen und Nachträge zu Urach V und VI (Sigmaringen 1991). RB VIII U. Koch, Frühgeschichtliche Funde aus Bein, Geräte aus Ton und Stein aus den Plangrabungen 1967–1984 (Sigmaringen 1994).
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Dieter Quast
RB IX K. Roth-Rubi, Die scheibengedrehte Gebrauchskeramik vom Runden Berg (Sigmaringen 1991). RB X J. Pauli, Die urgeschichtliche Besiedlung des Runden Berges bei Urach (Sigmaringen 1994). RB XI S. Spors-Gröger, Die handgemachte frühalamannische Keramik aus den Plangrabungen 1967–1984 (Sigmaringen 1997). Steuer, Höhensiedlungen H. Steuer, Höhensiedlungen des 4. und 5. Jahrhunderts in Südwestdeutschland. In: Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 1 (Sigmaringen 1990) 139 ff.
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 323–339 Aspekte Siedlungsmodelle in Süddeutschland © Copyright 2008 völkerwanderungszeitlicher Walter de Gruyter · Berlin · New York
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1. Zum Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern. Zusammenfassung der Ergebnisse bis 2002 Der Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern zählt heute trotz der nur geringen Grabungsaktivitäten zu den wichtigsten Anlagen seiner Art in Bayern. Ursache dafür ist der sonst seltene, hier sichere Nachweis einer völkerwanderungszeitlichen Befestigung sowie das besonders intensive Fundaufkommen aus den Hangbereichen in den Jahren zwischen 1999 und 2002. Durch seine an drei Seiten steil abfallenden Flanken und einen sehr schmalen, annähernd höhengleichen Anschluß an die Hochfläche der Fränkischen Alb bietet der 553 m hohe Bergsporn beste Voraussetzungen, um mit vergleichsweise geringem Aufwand eine wirkungsvolle Befestigung zu errichten (Abb. 1). An der engsten Stelle der Verbindung trennt ein heute noch ca. 1 m hoher Abschnittswall mit vorgelagertem Graben auf einer Länge von ca. 50 m den Bergsporn von der Albhochfläche. Dabei dürfte es sich um das jüngste fortifikatorische Element der Anlage handeln. Eine archäologische Grabung dieses Teils der Befestigung fand bislang noch nicht statt. Demgegenüber konnte an der westlichen Hangkante 1981 in einem 5 m breiten Grabungsschnitt eine Pfostenschlitzmauer nachgewiesen werden, die durch einen anschließenden Zerstörungshorizont datiert ist. Diese Mauer wird den gesamten westlichen Sporn umfaßt haben und vermutlich auch unter dem Inneren der beiden Abschnittswälle zu finden sein (Abb. 2). Einen großen Teil des westlichen Sporns nimmt allerdings ein von den plateauartigen Terrassen weiter allseitig ansteigendes Gelände ein, das die Errichtung von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden zumindest erschwert haben muß. Baustrukturen sind bislang auch nur auf den Terrassenflächen innerhalb des inneren Abschnittswalles nachgewiesen, die bei der Errichtung der Befestigung überarbeitet, das heißt bergseitig erweitert worden sein dürften, um damit Baumaterial und
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Jochen Haberstroh
Abb. 1. Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern. Digitales Geländemodell von Südost (H. Kerscher/R. Frank, BLfD).
bebaubare Terrassenfläche zu gewinnen. Die gesamte Anlage hat eine Größe von ca. 14 ha.1 Funde stammen überwiegend aus den Hangbereichen (Abb. 3). Hervorzuheben ist das in chronologischer Hinsicht deutlich erweiterte Fundspektrum, das heute bis in das letzte Drittel des 5. Jahrhunderts und damit in eine Phase der Völkerwanderungszeit reicht, die im weiteren Umfeld der Anlage bis dahin nahezu unbekannt war.
1
Zu Topographie, Grabungsbefunden, geophysikalischer Prospektion vgl. zuletzt: J. Haberstroh, Der Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern in der Völkerwanderungszeit. Überlegungen zum 5. Jahrhundert n. Chr. in Nordbayern. Mit einem Beitrag von Jörg Faßbinder. Germania 81, 2003, 201–262.
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Abb. 2. Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern. Digitales Geländemodell von Südost mit rekonstruierter Pfostenschlitzmauer auf dem Verlauf der Ringwallanlage (A), rekonstruierter vorgelagerter Abschnittsbefestigung (B) sowie eingetragener Lage bisheriger Untersuchungen (1,4–6) (H. Kerscher/R. Frank/K. Schmidl, BLfD).
2. Chronologische Aspekte der Befestigung auf dem Reisberg In Nordbayern war für das 5. Jahrhundert mit Kontinuitäten im archäologischen Befund bis vor wenigen Jahren kaum zu rechnen. Dies gilt besonders für diejenigen Siedlungsräume, die auch vor dem Fall des Limes 260/270 außerhalb der römischen Provinzen lagen. Für einen weitgehenden Abbruch der Siedlungstätigkeit während des 4./5. Jahrhunderts sprach aus archäologischer Sicht die Vielzahl süddeutscher Depotfunde, das Belegungsende großer germanischer Nekropolen, das im Maingebiet etwa mit dem Übergang zur Körperbestattung zusammenfällt, sowie das Ausbleiben charakteristischer Funde und Befunde des mittleren 5. Jahrhunderts. Für eine durchaus wechselvolle Geschichte sprechen auch die Beobachtungen auf dem Reisberg. Aus der Verteilung gerade der Waffen und Gürtelfunde in den Hangbereichen lassen sich zwei „Ereignisbereiche“ ablesen,
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Abb. 3. Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern. Höhenschichtplan mit eingetragenen Grabungsund Fundstellen (Stand 2001, nach Haberstroh [wie Anm. 1]).
jedoch ohne daß derzeit eine chronologische Differenzierung möglich wäre (Abb. 3). Die Entstehung dieser Fundhäufungen dürfte im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen zu sehen sein, nach deren Ende keine Möglichkeit oder kein Interesse mehr an der Bergung der wertvollen Metalle bestand. Im Osten ist der Bereich des Aufgangs zum ursprünglichen Haupttor in der Südostecke des Ringwalls betroffen. Unterhalb der südwestlichen Terrasse, auf der gegenüberliegenden Seite des Bergsporns, weist die Karte einen zweiten Schwerpunkt auf. Die auf dem Reisberg beobachteten Ereignishorizonte dürften wegen der engen Parallelen des Fundstoffs im gesamten mainfränkischen Raum auch für andere Höhensiedlungen im Maingebiet gelten: 1. In den Jahrzehnten um 400 wird eine trocken gesetzte Mauer in Pfostenschlitzkonstruktion errichtet, deren Zerstörung im Zuge kriegerischer Konflikte nicht jünger als attilazeitlich anzusetzen ist. 2. Der Wiederaufbau der Randbefestigung ist nicht nachgewiesen; jedoch ist die Errichtung einer Abschnittsbefestigung ohne Bezug zur Ringmauer noch im 5. Jahrhundert möglich. 3. Die Schlußdatierung des ältermerowingischen Fundstoffes vom Reisberg liegt derzeit etwa am Ende der Childerichzeit und ist verknüpft mit
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einer Reihe silbervergoldeter Arbeiten, die enge Verbindungen mit der böhmischen Vinarˇice-Gruppe besitzt.2 4. Eine Nutzung während des 6. Jahrhunderts läßt sich nicht nachweisen. 5. Bei den Nutzungen während der jüngeren Merowingerzeit sowie der karolingisch-ottonischen Zeit handelt es sich um neue Ansätze. Beobachtungen wie die Mehrphasigkeit des Fundstoffs, die Verarbeitung und Deponierung von Altbronzen sowie die Stratigraphie des Wallschnitts und das oberflächennahe Fundvorkommen in den Hangbereichen sprechen dafür, daß die Abschnittsbefestigung im „Flaschenhals“ nicht zusammen mit der Ringmauer errichtet wurde. Diese fortifikatorisch kaum zum Konzept der auch repräsentativen Ringmauer passende, äußere Abschnittsbefestigung könnte damit in einer zweiten völkerwanderungszeitlichen Siedlungsphase der Befestigung eines veränderten Siedlungsmodells gedient haben. Sie war in kurzer Zeit an der engsten Stelle zu errichten und mag einen deutlich höheren Verteidigungswert besessen haben – auch gegen einen berittenen Feind. Dem Verteidiger bot das kaum besiedelte Glacis zwischen innerer (älterer) und äußerer Abschnittsbefestigung Bewegungsraum. An eine dauerhafte Verteidigung dieser zweiten Anlage war möglicherweise gar nicht gedacht. Vielmehr scheint das Ziel in der kurzfristigen Abwehr einer überfallartigen Attacke zu bestehen, um vielleicht anschließend selbst die Position zu wechseln. Der repräsentative Aspekt der Ringmauer wird jedenfalls nicht wiederholt. Sollten sich die archäologischen Befunde künftiger Untersuchungen zu dieser Vorstellung fügen, kann dies den Nachweis zweier ganz unterschiedlicher Siedlungsmodelle liefern, die auch in den archäologischen Befunden auf den Terrassen ihre Spuren hinterlassen haben müssen. Demnach wäre eine auf Langfristigkeit angelegte Struktur mit starken zivilen Elementen und ausgeprägter sozialer Differenzierung abgelöst worden von einer militärisch dominierten Siedlungsstruktur mit Lagercharakter.
3. Beobachtungen zum 5. Jahrhundert in benachbarten Regionen Deutlich treten im archäologischen Befund Nordbayerns die Unterschiede zu den benachbarten Siedlungsräumen hervor. Im südwestdeutschen Dekumatland wie im ebenfalls zuvor „römischen“ Untermaingebiet zeigen 2
D. Quast, Vom Einzelgrab zum Friedhof. Beginn der Reihengräbersitte im 5. Jahrhundert. In: Die Alamannen. Ausstellungskatalog Stuttgart 1997 (Stuttgart 1997) 171–190 Abb. 173 (Verbreitungskarte).
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protomerowingische Bestattungsplätze, deren Belegung zum Teil bereits vor der Jahrhundertmitte beginnt, den Weg in die vermeintlich normierte Bestattungskultur der Merowingerzeit. In geringerem Umfang gilt dies auch für die noch bis 528 „römische“ Raetia II. Nach wie vor unklar ist die Situation unmittelbar nördlich der spätantiken Grenze dieser Provinz an der mittleren Donau. Mit der Einbindung der sogenannten Gruppe Friedenhain-Prˇestovicˇe in die Frage der bajuwarischen Ethnogenese wurde der Blick für eine Vielzahl weiterer Fragen an die offenkundig dichte germanische Besiedlung in diesem Raum verstellt (Abb. 4). Verantwortlich dafür ist ein problematischer Publikationsstand. Die zunächst erfreulich zahlreichen „germanischen“ Funde des 3.–5. Jahrhunderts in der Region zwischen dem Obergermanisch-Raetischen Limes (ORL) und der Donau lassen leider rasch erkennen, daß ihnen oft kaum mehr als antiquarischer Wert zugebilligt werden kann.3 Dies gilt besonders für die Siedlungsplätze in Tallage, aber auch für wenige Grabfunde sowie vereinzelte Höhensiedlungen. Dabei läßt eine Anlage wie der Michelsberg bei Kipfenberg, in „Sichtweite“ des Limes, neue Erkenntnisse zum Verhältnis germanischer und römischer Siedlungstätigkeit erwarten. Von weiteren Randhöhen der Alb sind Lesefunde bekannt (Kränzelstein bei Biesenhard, Burgberg in Pappenheim, Göllersreuther Platte bei Landersdorf).4 Daneben deutet die auffallende Dichte der germanischen Siedlungsfunde des 4. Jahrhunderts auf den Lößflächen des nördlichen Donauufers ein durchaus gutnachbarschaftliches Verhältnis mit den Bewohnern Raetiens an.5 Die unterschiedlichen Befunde in der archäologischen Diagnose Süddeutschlands sind also nicht durch die Siedlungsgunst, sondern ganz offensichtlich eher durch die zeitweilige Zugehörigkeit zum provinzialrömischen Kulturraum zu begründen.6 Allerdings unterscheiden sich auch die
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K.-H. Rieder, Archäologischer Beitrag zur Siedlungsgeschichte der Region Ingolstadt von der späten Römerzeit bis ins frühe Mittelalter. Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt 99, 1990 (1991) 9 ff.; ders., Siedlungsgeschichtliche Aspekte zur späten Römerzeit, Völkerwanderungszeit und zum beginnenden Mittelalter an der mittleren bayerischen Donau. Vorträge 11. Niederbayerischer Archäologentag (Deggendorf 1993) 101–146. Göllersreuther Platte: freundl. Hinweis M. Schussmann M. A.; zum Pappenheimer Burgberg: M. Schussmann, Eine neu entdeckte Höhensiedlung der Hallstattzeit im südlichen Mittelfranken. Beiträge zur Archäologie in Mittelfranken 3, 1997, 97 ff. bes. 105 mit Abb. 5. Zuletzt mit Funden des 5. Jhs.: Eichstätt-Stadtfeld, Kösching-Realschule, BeilngriesKevenhüller Loch. Zu diesem Themenbereich mit anderem Schwerpunkt zuletzt A. Rettner, Baiuaria romana. Neues zu den Anfängen Bayerns aus archäologischer und namenkundlicher Sicht. In: G. Graenert/R. Marti/A. Motschi/R. Windler (Hrsg.), Hüben und drüben – Räume und Grenzen in der Archäologie des Frühmittelalters. Festschr. M. Martin. Archäologie und Museum 48 (Basel 2004) 255–286.
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östlichen und nördlichen Nachbargebiete Böhmens und Thüringens hinsichtlich der archäologischen Quellenlage. Trennt die Grabkultur das Maingebiet vom Süden und Südwesten, so verbindet es das gemeinsame Phänomen der völkerwanderungszeitlichen Höhensiedlungen mit diesen Landschaften. In Thüringen und Böhmen fehlt dieses Element, während protomerowingische Gräber durchaus vorhanden sind. Das dichte und sich auch räumlich überschneidende Verbreitungsbild der Fundplätze der älteren und jüngeren Phase der böhmischen Vinarˇice-Kultur zeigt vielleicht am deutlichsten die kontinuierliche Nutzung siedlungsgünstiger Lagen über das gesamte 5. Jahrhundert hinweg.7 Auch im gleichermaßen siedlungsgünstigen Thüringer Becken reichen die Ansätze „frühthüringischer“ Nekropolen in das mittlere Drittel des 5. Jahrhunderts zurück. Bestattungsplätze des „Typs“ Stößen zeigen dort ähnliche Kontinuitätslinien wie in Böhmen, und die Träger etwa der älteren Niemberger Gruppe und ihrer Varianten siedelten in den gleichen Lagen. Besonders im dicht besiedelten Böhmen wäre ein „Burgenbau“ dieser Bevölkerung zu erwarten gewesen, sofern er als Reaktion auf äußere Bedrohung zu verstehen ist. Die Bevölkerung dort könnte demnach im mittleren 5. Jahrhundert andere Beziehungen zur Führung der spätrömischen Provinzen oder auch zu den reiternomadisch dominierten Verbänden in der pannonischen Tiefebene unterhalten haben als diejenige des Maingebietes. Möglicherweise unterblieb hier aber auch eine denkbare Initiative von außen, die zur Übertragung des Siedlungsmodells hätte führen können. Das römische Vorbild bliebe demnach in Böhmen wie in Thüringen unrezipiert, weil sein Transfer aus politisch-strategischen Gründen unnötig war. Das Siedlungsmodell Höhensiedlung in den süddeutschen Gebieten der Völkerwanderungszeit wäre dann eine fortgesetzte Form der „imitatio romana“; nicht im Sinne der Abwehr römischer Expeditionen, sondern zur Verteidigung römischer Grenzen im Rahmen der Bündnispolitik.
4. Burg? – Aspekte der Funktion und Struktur germanischer Siedlungen Nachdem in der süddeutschen Germania libera für mehrere Jahrhunderte von dorfartigen Siedlungen im weitesten Sinne oder von Gehöfthäufungen 7
B. Svoboda, Böhmen in der Völkerwanderungszeit (Cˇechy v dobeˇ steˇhování národu). Monumenta Archaeologica 13 (Praha 1965); J. Zeman, Böhmen im 5. und 6. Jahrhundert. In: W. Menghin (Hrsg.), Germanen, Hunnen und Awaren. Ausstellungskatalog Nürnberg 1987–1988 (Nürnberg 1987) 515–528.
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in siedlungsgünstiger Tallage gesprochen werden muß, erscheint das Phänomen Höhensiedlung (Siedlung auf der Höhe) schlagartig in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Seit den Arbeiten J. Werners und K. Weidemanns stand bei der Behandlung des Phänomens fast ausnahmslos der Begriff „Burg“ mit seinen Konnotationen im Mittelpunkt der Überlegungen. Beinahe analog zu den Tendenzen mittelalterlicher „Burgenforschung“ wurden zunächst fortifikatorische, strategische und herrschaftsgeschichtliche Aspekte behandelt, während später Elemente der Repräsentation in den Vordergrund gerückt wurden.8 Spätestens seit der Zusammenstellung der damals bekannten Anlagen durch H. Steuer ist an der Präsenz des für „Burgen“ zentralen Charakteristikums „Befestigung“ für die allermeisten Anlagen zu zweifeln.9 Bei kritischer Betrachtung der vorhandenen bzw. publizierten Grabungsergebnisse können nur wenige Ausnahmen mit einer in der Spätantike errichteten Befestigung aufwarten (zum Beispiel Wettenburg bei Kreuzwertheim, Gelbe Bürg bei Dittenheim, Zähringer Burgberg [?], Reisberg). Eine umfassend untersuchte Anlage wie der Runde Berg mit respektablem Fundniederschlag konnte den Nachweis einer im 4./5. Jahrhundert errichteten Umwehrung nicht erbringen. Die gut erhaltene und untersuchte nachlatènezeitliche Pfostenschlitzmauer auf dem Staffelberg bei Staffelstein, Lkr. Lichtenfels, ist bislang nicht zweifelsfrei in das 4. oder 5. Jahrhundert zu datieren. Dort ist auch eine Datierung in die jüngere Merowingerzeit in Betracht zu ziehen.10 Zusätzlich läßt es der in den letzten Jahren stark angewachsene Bestand bekannter Höhen mit spätantikem Fundniederschlag in nicht selten enger Nachbarschaft zueinander kaum zu, für die Mehrzahl der Plätze eine Befestigung zu postulieren. Trotz des bemerkenswerten Anteils militärischer Ausrüstung von mehreren bekannten Anlagen sollte daher der Topos „Burg“ bei der Beurteilung des Phänomens heute zugunsten des Begriffsmodells „Siedlung“ in den 8
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J. Werner, Zu den alamannischen Burgen des 4. und 5. Jahrhunderts. In: C. Bauer (Hrsg.), Speculum Historiale. Festschr. J. Spörl (Freiburg i. Br. 1965) 439–453; K. Weidemann, Germanische Burgen rechts des Rheins im 5. Jahrhundert. In: Ausgrabungen in Deutschland 3. Monographien RGZM 1,3 (Mainz 1975) 361 ff.; H. Steuer, Herrschaft von der Höhe. Vom mobilen Söldnertrupp zur Residenz auf repräsentativen Bergkuppen. In: Die Alamannen. Ausstellungskatalog Stuttgart 1997 (Stuttgart 1997) 149–162. H. Steuer, Höhensiedlungen des 4. und 5. Jahrhunderts in Südwestdeutschland. Einordnung des Zähringer Burgberges, Gem. Gundelfingen, Kr. Breisgau-Hochschwarzwald. In: Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 1 (Sigmaringen 1990) 139–207. B-U. Abels, Neue Ausgrabungen im Befestigungsbereich des Staffelberges, Stadt Staffelstein, Ofr. Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 28/29, 1987/88, 143–181.
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Hintergrund treten. Worin aber liegen die Ursachen für die plötzliche Wahl dieses Siedlungstyps? Diese Frage lohnt es, zunächst unter Ausklammerung der bekannten Erklärungsmuster (Bedrohung, militärische Erfordernisse, Repräsentation) zu behandeln. Die Diskussion über das Phänomen der frühgeschichtlichen Höhensiedlungen zeigte im Rahmen der Freiburger Tagung deutlich die erwarteten Trennlinien zwischen der Entwicklung in der Germania libera einerseits und in den für unterschiedliche Zeiträume römisch geprägten Siedlungsgebieten andererseits. Die Höhensiedlungen in den provinzialrömischen Gebieten Raetiens und Obergermaniens stehen ganz augenscheinlich der Gruppe in den nicht besetzten Gebieten sehr nahe bzw. sind nicht von dieser zu unterscheiden. Weniger klar scheint die Zuordnung der rand- oder inneralpinen Höhensiedlungen. Bei näherer Betrachtung lassen sich in den ehemals provinzialrömischen und in den nichtrömischen Gebieten folgende Charakteristika fassen: 1. Die Wiedernutzung (bezogen auf „burgenbauende“ Perioden der Vorgeschichte) bzw. Neunutzung markanter (Rand-)Höhen der „innergermanischen“ Mittelgebirge erfolgt ohne im archäologischen Befund erkennbare Vorgeschichte. Sie beginnt in den meisten heute bekannten Fällen in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Hinsichtlich des Anteils mittelkaiserzeitlicher Metallfunde ist deren möglicher Charakter als Altmaterial zu prüfen. 2. Die Dauer der völkerwanderungszeitlichen Nutzung ist begrenzt. Nach heute gültigen chronologischen Vorstellungen scheinen manche Anlagen bereits im Verlauf der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts wieder aufgegeben zu werden. Andere erreichen das dritte Drittel dieses Jahrhunderts und nur wenige erreichen das erste Drittel des 6. Jahrhunderts. Spätestens zu dieser Zeit endet auf allen Plätzen dieser Art die Siedlungstätigkeit für die Dauer von mindestens einem Jahrhundert. 3. Die nur in wenigen Fällen gesicherte, zeitgenössische Befestigung dieser Höhensiedlungen wird mit zunehmender Zahl untersuchter Plätze immer stärker von einem Problem des Forschungsstandes zum funktionalen Aspekt dieses Siedlungstyps im chronologischen und geographischen Betrachtungsraum.11 11
Stellvertretend für die römischen Varianten der Höhensiedlung etwa seit flavischer Zeit: G. Ulbert, Der Auerberg I. Topographie, Forschungsgeschichte und Wallgrabungen. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 45 (München 1994) bes. 100–108 („künstliche Terrassen“ vgl. Zähringer Burgberg); J. Werner (Hrsg.), Der Lorenzberg bei Epfach. Die spätrömischen und frühmittelalterlichen Anlagen. Veröffentlichungen der Kommission zur archäologischen Erforschung des spätrömischen Raetien der Bayerischen Akade-
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4. Die vom 7. bis 10. Jahrhundert mehrfach zu beobachtende Wiedernutzung eines Teils dieser Anlagen bezeugt weniger den Siedlungstyp der „Siedlung auf der Höhe“, sondern vielmehr den Siedlungstyp „Burg“ im Sinne einer Befestigung als Instrument territorialer Machtausübung oder als kurzfristig angelegter Schutzraum für größere Bevölkerungsteile. 5. Das damit überwiegend auf das 5. Jahrhundert begrenzte Modell der Siedlung auf der Höhe findet damit weder mittelbar noch unmittelbar eine Fortsetzung, wie sie für manche spätantike Siedlung im alpinen oder mediterranen Bereich zu postulieren ist.12 Fragen einer chronologischen und funktionalen Differenzierung des Typs Höhensiedlung nordwärts der Alpen wären künftig stärker in den Vordergrund zu rücken. Sie könnten lauten: Beschreibt Ammianus ein neues Phänomen, eine aus der Auseinandersetzung mit Rom geborene taktische Variante oder einen bekannten Siedlungstyp, der bereits vor Gratians Feldzug in den Gebieten rechts des Rheins und nördlich der Donau gewählt wurde? Und hätte er nicht germanische Burgen als solche beschrieben, wären sie ihm bekannt gewesen?13 Sind die Höhensiedlungen in der Germania des 5. Jahrhunderts überhaupt mit den bei Ammianus beschriebenen „Fluchthöhen“ identisch, oder entstehen sie nicht erst nach den letzten rechtsrheinischen Militäraktionen Roms? Nach ihrem Fundspektrum nur kurzfristig genutzte, rechtsrheinische Höhen kämen durchaus als Stationen des Gratian-Feldzuges in Betracht. Hier wäre vielleicht an den Geißkopf in der Ortenau zu denken. Der unbestreitbare taktische oder gar fortifikatorische Nutzwert solcher Anlagen – ob mit oder ohne Befestigung – kann jedoch auch erst nach dem Ende der Auseinandersetzungen mit Rom für die Germanen wichtig geworden sein.
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mie der Wissenschaften. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 8 (München 1969) 16–59; I. Moosdorf-Ottinger, Der Goldberg bei Türkheim. Bericht über die Grabungen in den Jahren 1942–44 und 1958–61. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 24 (München 1981). Eine Ausnahme ist möglicherweise der Stadtberg von Neuburg/Donau. Allerdings sind die archäologischen Quellen hinsichtlich einer vermuteten spätantiken Befestigung weitgehend unbearbeitet, so daß sich die Beurteilung der hier wichtigen Fragen derzeit verbietet. Der derzeitige Forschungsstand erlaubt wie auch die Formulierung bei Ammianus eigentlich nur die Entstehung des Siedlungsmusters unter römischem Einfluß. Vgl. dazu auch M. Hoeper, Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Oberrhein. Mit Beiträgen von Ch. Bücker, J. Lienemann und H. Steuer. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 12 (Sigmaringen 2003) 151 f. u. Anm. 638.
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Vor allem aus chronologischen Gründen sollte daher für die Anlagen in der Germania nicht mehr von „Counterparts“ zu den provinzialrömischen Anlagen gesprochen werden.14 Schon das bisher oft favorisierte Modell von den aus römischem Dienst zurückkehrenden Söldnergruppen setzt einen prägenden Einfluss Roms auf die germanischen Höhensiedlungen voraus. Aus der Verbreitung der Anlagen in der Germania wird deutlich, daß dieser Einfluß nicht im unmittelbaren Vorland der Grenzen halt machte. Die besondere Häufung der Anlagen gerade dort läßt an eine Duldung oder gar „Planung“ durch die römische Reichsverteidigung in der Nachfolge der Feldzüge Gratians denken. Die längerfristige Nutzung der Höhen und die Errichtung einzelner Befestigungen wären nach diesem Modell durch „römische Militärberater“ initiiert. Die süddeutsche Germania wäre damit als Glacis oder Pufferzone mit garnisonsartigen Stationen der römischen Bündnispartner zu verstehen.15 Mit archäologischen Quellen ist kaum zu entscheiden, welche Bevölkerungsgruppen die Anlagen nutzten bzw. errichteten. Eine ausschließlich zivile Nutzung scheidet nicht zuletzt wegen der zahlreichen Waffenfunde aus (Geißkopf, Reisberg, Wettenburg), die darüberhinaus aus den Talsiedlungen in deutlich geringerer Zahl vorliegen. Die These von der Entstehung des germanischen Siedlungsmodells „Höhensiedlung“ durch römische Anregung kann am derzeit bekannten Bestand derartiger Plätze in Süddeutschland weiter geprüft werden.16 Dabei sind „echte“ Belege intensiver oder gar persönlicher Beziehungen in das spätantike Reichsgebiet, wie oft gezeigt, kaum in den Militärgürtelgarnituren oder römischen Metallgegenständen zu sehen. Bemerkenswert sind jedoch die Häufungen spätkaiserzeitlicher Bügelknopffibeln in Nordbayern ebenso wie die auffallende Konzentration von Zwiebelknopffibeln in Böhmen. Aus einem Grab in der Scheßlitzer Flur „Kohlstatt“ unterhalb des Reisberges liegt ein seltener Beleg für einen angelegten „römischen“ Militärmantel (sagum) vor. Diese Einzelbestattung bietet von der Beigabe einer Terra-Nigra-Schale bis zu den Taschenverschlußknebeln weitere „römische“ Details. In chronologischer Hinsicht kann der hier bestattete „Militär“ durchaus der „Gründergeneration“ auf der
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So H. Roth in B-U. Abels/H. Roth, Die Ausgrabungen auf dem Reißberg in Burgellern, Lkr. Bamberg. Bayerische Vorgeschichtsblätter 54, 1989, 211. Es wäre zu prüfen, ob zu dieser Vorstellung nicht auch die Chronologie des Fundmaterials passen kann, da demnach die Anlagen in ihrer Mehrheit erst im 5. Jh. „entstehen“ würden. Für das Maingebiet wäre eine intensive Einflußnahme im Rahmen römischer Bündnispolitik mit dort siedelnden Gruppen denkbar. Zum römischen Charakter der Plätze vgl. Hoeper (wie Anm. 13) 146 ff.
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Reisberg-Befestigung angehören, die den Bau der Ringmauer initiiert haben mag.17 Für die Frage nach der Entwicklungsgeschichte der rechtsrheinischen Höhensiedlungen ist die in den vergangenen Jahrzehnten angewandte „induktive“ Methode detaillierter Untersuchungen an ausgewählten Einzelfällen heute kaum mehr durchführbar und nur bedingt zielführend. Dagegen sollten sich bei kontrastiver Betrachtung der bekannten Beispiele und anschließender Vertiefung durch den gezielten Einsatz mikroinvasiver Prospektionsverfahren neue Erkenntnisse gewinnen lassen. Schließlich wären in diese Analysen auch alle anderen germanischen Siedlungsmodelle (Talsiedlungen, Einzelhöfe?) einzubeziehen, deren nachgewiesener Bestand sich in Süddeutschland in den letzten Jahren deutlich vermehren ließ. So wäre vergleichend zu untersuchen, ob etwa unterschiedliche germanische Siedlungsmodelle im Dekumatland, dem Donauvorland und der nichtrömischen Germania zu beobachten sind.18 Wie steht es im Dekumatland und zwischen Limes und Donau wirklich mit der spätantiken Nutzung römischer Siedlungsmodelle (villae rusticae, Kastelle bzw. Kastellvici)? Sind für die süddeutschen Höhensiedlungen chronologische Differenzierungen möglich oder spricht ihr gleichzeitiges Auftreten nicht für eine verzögerungsfreie Vermittlung eines (römischen?) Vorbildes? Können funktionale Differenzierungen Hinweise auf eine strategische Ordnung der Anlagen liefern (Wegekontrolle, „Fürstensitz“ und Herrschaftssymbol, Refugium etc.)?19 Schließlich ist zu fragen, weshalb nach etwas mehr als 100 Jahren das Modell Höhensiedlung in Süddeutschland ebenso schlagartig verschwindet wie es zuvor aufgegriffen worden war.
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Zu Scheßlitz vgl. J. Haberstroh, Germanische Funde der Kaiser- und Völkerwanderungszeit aus Oberfranken. Materialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte A 82 (Kallmünz/Opf. 2000) 198, Taf. 110 f.; sagum: Hoeper (wie Anm. 13) 164; Zwiebelknopffibeln: Ebd. Abb. 11 mit Liste 2. Zielführend könnte dabei die umfassende Betrachtung ausgewählter Mikroregionen für die verschiedenen „Großräume“ sein. Denkbar wäre beispielsweise der Main-Regnitzraum in der nordbayerischen Germania, das Donau-Altmühlgebiet im raetischen Vorland und eine Region im Dekumatland an den Oberläufen von Neckar oder Rhein mit den nahegelegenen bekannten Höhensiedlungen am Westrand der Alb oder am Südrand des Schwarzwaldes. So wies D. Quast in seinem Freiburger Beitrag deutlich auf die verkehrsgeographisch abgelegene Lage des Runden Berges bei Urach hin, während andere Anlagen (Wettenburg) durchaus günstig für die Kontrolle des überregionalen Wegenetzes liegen. Darüberhinaus will der bei annähernd vollständiger Ausgrabung fehlende Nachweis einer völkerwanderungszeitlichen Befestigung auf dem Runden Berg nicht recht zur immer wieder vorgetragenen Interpretation als „Fürstensitz“ passen.
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Erneut sollte das siedlungshistorische Umland der Anlagen in die Analysen einbezogen werden, um die wechselseitigen Auswirkungen veränderter Befunde zu überprüfen. Gemeinsam mit Nachbardisziplinen wären die Siedlungs- und Wirtschaftsbedingungen in den Tallagen zu überprüfen, die sich vielleicht gegen Ende des 6. Jahrhunderts stabilisiert haben könnten.20 In ganz ähnlicher Weise müßte sich auch ein politisch-militärisch begründetes Ende der Siedlung auf der Höhe im archäologischen Befund des Umfeldes niederschlagen, sofern es mit kriegerischen Konflikten einherging.21 Die Migration ganzer Bevölkerungsteile scheidet nach diesem Verständnis als Ursache aus, da gerade im besonders migrationsintensiven 5. Jahrhundert die Siedlung auf der Höhe ihre Attraktivität behält. Ohne Antworten auf diese und andere Fragen hier formulieren zu können, sollen noch einige Anregungen der Freiburger Tagung aufgegriffen werden. Die Abwendung von den siedlungsgünstigen Tallagen im 4. und 5. Jahrhundert kann zahlreiche Ursachen haben, die sich durchaus auch in den gleichzeitig gehäuft nachgewiesenen Depotfunden erkennen lassen könnten. Ohne zusätzliche Belege kann allerdings wegen der Häufung militärischer Ausrüstungsgegenstände in den Höhensiedlungen nicht von einer Hierarchie der Siedlungslagen gesprochen werden.22 In jedem Falle sollten die Vorteile des Modells Höhensiedlung die offenkundigen Nachteile (Bodenqualität und Mikroklima, Wasserarmut, Arbeitswege) aufwiegen. Für eine Hierarchisierung müßte, verglichen mit den „Gehöftansammlungen in Tallage“, in den Höhensiedlungen eine fortgeschritten arbeitsteilig organisierte Bevölkerung nachgewiesen werden, die sich auf naturräumlich beschränkter Fläche nicht unbegrenzt ausdehnen konnte. Die Binnenstruktur dieser Anlagen müßte sich grundlegend von derjenigen der Talsiedlungen
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Vgl. für die Siedlungskammer des Regnitztales M. Dotterweich/J. Haberstroh/A. Siegmüller/A. Schmitt/H.-R. Bork, Frühgeschichtliche Boden- und Reliefentwicklung am Talrand der Regnitz bei Altendorf (Oberfranken). Die Erde 134, 2003, 431–450. Tatsächlich wäre hier an eine Phase der Expansion und „Stabilisierung“ im merowingischen Einflußgebiet zwischen 490 und 530 zu denken, die den Burgenbau und die Siedlung auf der Höhe einschränkt und schließlich zum königlichen Regal macht. M. Hoeper/H. Steuer in Hoeper (wie Anm. 13) 165. Das Verhältnis zwischen Kriegergruppen und regionaler „Restbevölkerung“ ist nur für die wenigsten Siedlungsräume Süddeutschlands in Ansätzen untersucht und ist entscheidend von der jeweiligen Funktion der Höhensiedlung abhängig. Eine temporäre Besetzung der Höhen im Rahmen militärischer Okkupation sagt über die örtlichen Eliten wenig aus. Dies gilt umso mehr, wenn aus gleichzeitigen Talsiedlungen „reiches“ Fundmaterial stammt wie etwa im Maingebiet, wo regelmäßig auch Metallverarbeitung und Militärgürtelgarnituren nachgewiesen werden.
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Abb. 4. Grab- und Siedlungsfunde der späten Römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit im Vorland der Donau zwischen Lech- und Altmühlmündung (nach Rieder [wie Anm. 3] mit Ergänzungen [vgl. Liste 1]) (K. Schmidl/H. Unger, BLfD).
unterscheiden. Sie sollte einen im weitesten Sinne urbaneren Charakter besitzen, ohne den Begriff Stadt in diesem Falle zu strapazieren.23 Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach dem Grad der „Urbanisierung“ bzw. vielleicht auch „Romanisierung“ gerade der Höhensiedlungen in Freiburg berechtigt aufgeworfen worden. Besondere Beachtung verdient dabei die Situation in unmittelbarer Nähe der spätantiken Reichsgrenzen (Abb. 4). Zeigen sich in diesen Höhensiedlungen andere Strukturen als in grenzfernen Regionen? Hinsichtlich des Fundinventars läßt sich dies mit Blick auf die Häufigkeit römischer Importe vermuten. So nimmt der Anteil insbesondere der Keramikfunde aus provinzialrömischer Produktion zwischen der Wettenburg und den Höhensiedlungen am Mainoberlauf deutlich ab. Für die Beurteilung germanischer Siedlungsmodelle im Grenzland verdient ein neues Grabungsergebnis in einer germanischen Siedlung im Altmühltal Erwähnung. Die nach dem Ausweis der germanischen Keramik zwischen der ersten Hälfte (?) des 3. und dem 5. Jahrhundert bestehende Siedlung von Eichstätt-Stadtfeld ähnelt in vielen Merkmalen den bekann23
So auch D. Neubauers provokant vorgetragene, aber bedenkenswerte These in seinem Freiburger Vortrag über die Mainschleife bei Kreuzwertheim.
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ten Talsiedlungen Mainfrankens. Sie verfügt über ebenerdige Pfostenbauten, Gehöftabgrenzungen sowie Grubenhäuser und Werkhütten zur Geweih- und Knochenbearbeitung sowie Textilherstellung. Einzige Ausnahme ist das nahezu vollständige Ausbleiben von Metallfunden sowie römischer Erzeugnisse.24 Angesichts der Nähe zur spätrömischen Donaugrenze ein erstaunlicher Befund, der möglicherweise Rückschlüsse auf die soziale Stellung der Bewohner erlauben könnte.25 Unter diesem Aspekt sollte erneut ein prüfender Blick auf die im Verdacht völkerwanderungszeitlicher Besiedlung stehenden Albrandhöhen geworfen werden. Bedauerlicherweise ist die Rolle derartiger Anlagen wie derjenigen auf dem nahen Michelsberg bei Kipfenberg, Lkr. Eichstätt (nördlich des ORL), oder der nur vermuteten Anlagen auf dem Schellenberg bei Enkering, Lkr. Eichstätt, und auf dem Kränzelstein bei Biesenhard, Lkr. Neuburg/Donau-Schrobenhausen (innerhalb des ORL), in der Spätantike derzeit noch kaum bekannt. Besser untersuchten Anlagen wie der Gelben Bürg bei Dittenheim wird man unverändert zentralörtliche Funktionen für die regionale Bevölkerung zubilligen, nicht zuletzt, weil die wichtigsten römischen Siedlungen und Kastellorte zwischen Donau und Limes in Raetien bisher den Beweis für ihr Fortleben in der Spätantike schuldig geblieben sind. Erst im 7. Jahrhundert bietet fast jeder dieser Plätze (zum Beispiel Weißenburg, Kösching) archäologische Befunde zu neuen Siedlungsansätzen. Abseits römischer Vorgängersiedlungen angelegte Siedlungen des 3.–5. Jahrhunderts (Abb. 4 und Liste 1) liefern dagegen selten Hinweise für eine „zentralörtliche“ Funktionshäufung und oft auch keine Belege für eine im 7. Jahrhundert fortgesetzte Nutzung. In der seit zwei Jahren untersuchten Villa Rustica von Nassenfels, Lkr. Eichstätt, zeigen sich dagegen Anhaltspunkte für den Fortbestand römischer „Strukturen“ im Donauvorland bis in das 5. Jahrhundert und gar darüber hinaus. So scheint die Begehung der Gebäude der römischen Villa Rustica nicht nur in der Spätantike gesichert, sondern noch im 7. Jahrhundert wird an diese römischen Wände angebaut.26 Wer sorgte dort seit dem
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M. Jandejsek, Die germanische Siedlung von Eichstätt, „Stadtfeld“. Ein außergewöhnlicher Siedlungsbefund der römischen Kaiserzeit. Stadt Eichstätt, Oberbayern. Das archäologische Jahr in Bayern 2004 (Stuttgart 2005) 111–113. Vgl. dazu die Situation am Oberrhein. M. Hoeper/H. Steuer, Germanische Höhenstationen am Schwarzwaldrand und die römische Grenzverteidigung. In: Hoeper (wie Anm. 13) 157. C.-M. Hüssen, Eine villa suburbana in Nassenfels. Das archäologische Jahr in Bayern 2002 (Stuttgart 2003), 63f.; J. Haberstroh, Vicus, Villa und Curtis? Ausgrabungen in der Villa rustica von Nassenfels. Das archäologische Jahr in Bayern 2004 (Stuttgart 2005) 116–119.
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Limesfall für den Bauunterhalt? Plätze dieser Art könnten im Vorfeld der Raetia Funktionen der mainfränkischen Höhensiedlungen teilweise übernommen haben. Erkennt man in der Siedlungsform einen Ausdruck der Wirtschaftsweise und Gesellschaftsstruktur in den süddeutschen Siedlungsgebieten, bleibt die Feststellung, daß es sich um eine „ungermanische“ Siedlungs- und Organisationsform handelt, die in der Germania libera vorbildlos und wegen fehlender „Rahmenbedingungen“ wohl auch „unnötig“ war. Konsequent sollte in der Wahl der „neuen“ Siedlungsform der eigentlich entscheidende „Import“ erkannt werden, der stärker als der Gebrauch römischer Alltagsgegenstände das Verständnis römisch-mediterrraner Organisationsformen und Lebensweise voraussetzt. Dies könnte die Verbreitung des Siedlungstyps über ganz Süddeutschland, insbesondere aber in den nichtrömischen Gebieten erklären, wohin „romanisierte“ Personengruppen diese Siedlungsform brachten, während in den Provinzen urbane Strukturen schon lange bestanden und teilweise auch überlebten. Über die Organisation von Herrschaft ist damit gleichwohl noch nichts ausgesagt. Der unverändert unbefriedigende Forschungsstand und die immer weiter eingeschränkten Möglichkeiten landesgeschichtlicher Forschung mit den Methoden der Archäologie lassen auf die vorgetragenen Fragen und Thesen keine raschen Antworten erwarten. Stärker als bisher sollten daher zerstörungsfreie und kostengünstige Untersuchungsverfahren angewandt werden (Geophysik, Luftbildarchäologie, Phosphatanalysen etc.). Die Analyse ihrer Befunde und die Durchführung mikroinvasiver Grabungen auf dieser Grundlage können mit finanzierbarem Aufwand einen hohen wissenschaftlichen Ertrag liefern. In stärkerem Maß als der traditionelle Wallschnitt könnten diese Verfahren bei maximaler Schonung der Denkmalsubstanz Fragen zu Struktur und Funktion der „Siedlung auf der Höhe“ beantworten. Verborgene Schätze in den Depots von Denkmalpflege, Museen und Universitäten gilt es erneut zu heben, und im Umland der Höhensiedlungen ermöglicht nur eine systematisch und flächendeckend durchgeführte archäologische Denkmalpflege langfristig die Beurteilung der Rolle des Typs „Höhensiedlung“ in seinem Funktionsgefüge. Gerade dieses Problem der Genese eines Siedlungstyps verdeutlicht, daß eine inselartig tätige archäologische Denkmalpflege und Forschung langfristig nicht geeignet ist, archäologisch-historische Quellen in ihren Zusammenhängen zu erfassen und damit zu verstehen.
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Liste 1 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.
Beilngries-Kevenhüller Loch, Lkr. Eichstätt Bittenbrunn, Stadt Neuburg/Donau Breitenfurt, Gde. Dollnstein, Lkr. Eichstätt Demling-Katharinenberg, Gde. Großmehring, Lkr. Eichstätt Dollnstein, Lkr. Eichstätt, BG Urdonautal Eichstätt-Stadtfeld Etting/Lenting, Ettinger Feld, Stadt Ingolstadt Göllersreuther Platte bei Landersdorf, Gde. Thalmässing, Lkr. Roth Großmehring-Auhöfe, Lkr. Eichstätt Gungolding, Gde. Walting, Lkr. Eichstätt Ingolstadt Mauthstraße Kösching, Lkr. Eichstätt, BG Interpark Kösching, Lkr. Eichstätt, BG Realschule Kränzelstein bei Biesenhard, Gde. Wellheim, Lkr. Eichstätt Michelsberg bei Kipfenberg, Lkr. Eichstätt Ochsenfeld, Gde. Adelschlag, Lkr. Eichstätt BG Wiesenstriegel Pappenheim-Burgberg, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen Schellenberg bei Enkering, Gde. Kinding, Lkr. Eichstätt Wolkertshofen, Gde. Nassenfels, Lkr. Eichstätt
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 341–380 Spätantike und de frühmittelalterliche Höhensiedlungen im Schweizer Jura © Copyright 2008 Walter Gruyter · Berlin · New York
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Spätantike und frühmittelalterliche Höhensiedlungen im Schweizer Jura Reto Marti
Spätrömische und ganz besonders frühmittelalterliche Höhensiedlungen sind im Gebiet der heutigen West- und Nordschweiz noch vergleichsweise schlecht erforscht. Moderne Untersuchungen stehen kaum zur Verfügung, und die meisten Altgrabungen – etwa Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus den 1930er Jahren – hatten primär die Untersuchung prähistorischer Anlagen zum Ziel. Allfällige jüngere Siedlungsphasen sind dabei eher zufällig, quasi als Nebenprodukt aufgedeckt worden. Andererseits verfügt der Untersuchungsraum über eine gute archäologische Grunderschließung, was dazu führt, daß viele Höhenstationen zumindest durch Einzelfunde nachweisbar sind und – nicht minder wichtig – ihr siedlungsgeographisches Umfeld vergleichsweise gut erforscht ist. Eine Ursache für die mangelhafte Erforschung von Höhensiedlungen liegt in der Struktur der archäologischen Forschung in der Schweiz begründet. Die Untersuchung archäologischer Stätten ist von Gesetzes wegen Aufgabe der kantonalen archäologischen Ämter, deren Ressourcen seit Jahrzehnten durch Notgrabungen absorbiert werden. Das bedeutet: Gegraben wird nur dort, wo man muß, weil der Bau von Wohnhäusern, Industrieanlagen oder neuen Verkehrswegen dies erfordert. Die zuweilen auf schwer zugänglichen, bewaldeten Bergrücken gelegenen Höhensiedlungen sind in dieser Hinsicht kaum je gefährdet. Universitäre Institute sind andererseits selten bereit beziehungsweise verfügen kaum je über die Mittel, um an solchen Orten großflächigere Grabungen über mehrere Jahre hinweg durchzuführen. Immerhin waren in den letzten Jahrzehnten von dieser Seite her einige Aktivitäten zu verzeichnen.1 Ein eigentliches Programm zur systematischen Erforschung der Höhenanlagen einer ganzen Region fehlt indes. 1
Vgl. die eher kleinflächigen Sondierungen des Seminars für Ur- und Frühgeschichte der Universität Basel auf dem Wittnauer Horn (1980/81) und dem Mont Terri (1984/85, 1987) oder – außerhalb unseres Untersuchungsraums – die mehrjährigen Grabungskampagnen der Abteilung Ur- und Frühgeschichte der Universität Zürich auf dem Ochsenberg bei Wartau, Kt. St. Gallen (M. Primas/M. P. Schindler/K. Roth-Rubi u. a., Wartau – Ur- und
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Neben diesem grundsätzlichen Quellenproblem gibt es ein spezifisches, das allerdings nicht nur die Höhensiedlungen des Untersuchungsraums betrifft: die schlechte Erhaltung. Auf den exponierten Anhöhen bilden sich kaum Ablagerungen, weshalb Funde und Befunde starken Erosionskräften ausgesetzt sind. Die meist nur dünne Humusdecke ruft zudem nur allzuoft Raubgräber mit ihren Metalldetektoren auf den Plan. Damit verschärft sich die generelle Problematik, daß Siedlungen – anders als etwa Grab- oder Hortfunde – in der Regel ein eher einfaches, entsprechend schwer interpretierbares Fundspektrum liefern, auf Höhensiedlungen zusätzlich. Aufgrund der schwierigen Quellenlage wird der vorliegende Beitrag in zwei Teile gegliedert. Ein erster Teil stellt einige Höhensiedlungen vor, die bereits einmal das Ziel archäologischer Forschungen waren. Sie stammen alle aus einer topographisch klar definierten Landschaft: der Gebirgs- und Hügelzone des Schweizer Jura, der sich in einem weit gespannten Bogen vom Hochrhein bei Basel bis nach Genf erstreckt und der überall etwa dieselben – relativ günstigen – Prämissen für die Errichtung von Höhensiedlungen bietet (Abb. 1). Ein zweiter Teil soll dem Aspekt Rechnung tragen, daß Höhensiedlungen – auch bei einer Tagung mit speziellem Thema wie dieser – natürlich nicht losgelöst von ihrem Umfeld betrachtet werden sollten. Am Beispiel des nördlichen Jura, wo bisher besonders viele Höhensiedlungen zumindest durch Einzelfunde bekannt geworden sind, wird deshalb deren Einbettung in das Siedlungsbild von Spätantike und Frühmittelalter unter die Lupe genommen.
1. Beispiele erforschter Höhenstationen 1.1. Trimbach, Frohburg (Kt. Solothurn) Die Höhensiedlung auf der Frohburg (830 m über dem Meer) verdankt ihre Entdeckung einmal nicht einer prähistorischen Anlage (obwohl es die hier auch gab), sondern einer berühmten mittelalterlichen Burg: der Stammfeste der Grafen von Frohburg.2 Die archäologische Untersuchung der 1970er Jahre unter der Leitung des Historischen Seminars der Universität
2
frühgeschichtliche Siedlungen und Brandopferplatz im Alpenrheintal [Kanton St. Gallen, Schweiz] 1. Frühmittelalter und römische Epoche. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 75 [Bonn 2001]). – Bezeichnend ist die Situation um die archäologische Erforschung des Üetliberges, des „Hausbergs“ von Zürich, die von einer Stiftung getragen wird. W. Meyer, Die Frohburg, Ausgrabungen 1973–1977. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 16 (Olten 1989).
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Abb. 1. Lage der im Text behandelten Höhenstationen im Jura. 1 Wittnau, Wittnauer Horn, 2 Trimbach, Frohburg, 3 Sissach, Fluh und Burgenrain, 4 Liestal, Burghalden, 5 Muttenz, Vorderer Wartenberg, 6 Zullwil, Portifluh, 7 Balsthal, Holzfluh, 8 Cornol, Mont Terri, 9 Avenches, Bois de Châtel, 10 Montrichier, Châtel Arruffens (R. Marti; Kartengrundlage © swisstopo).
Basel (Prof. Werner Meyer) erbrachte auch einige spätrömische Funde: zumeist Lesefunde aus jüngeren Zusammenhängen, zu einem geringeren Teil aus Schichtresten in Senken des ansonsten im Mittelalter stark überformten Bergrückens (Abb. 3). Aussagekräftige Befunde aus spätrömischer Zeit sind nicht erhalten geblieben.3 Unter den spätrömischen Funden dominiert Keramik regionaler Herkunft. Sie datiert zum größten Teil ins 3. Jahrhundert, doch gibt es auch ein wenig Argonnensigillata mit einfachen Rollstempelmustern (Schrägstrichgruppen, Eierstab), die wohl noch etwas vor die Mitte des 4. Jahrhunderts datiert. Das sehr bescheidene Kleinfundspektrum – wenig Glas, kaum Metall, eventuell ein paar Pfeifentonstatuetten – ist recht gut vergleichbar mit 3
P. Gutzwiller, Das vormittelalterliche Fundgut vom Areal der Frohburg bei Trimbach SO. Antiqua 18, 1989, bes. 45 ff.
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Abb. 2. Die wichtigsten spätrömischen Münzspektren aus Höhensiedlungen des Jura (R. Marti).
Abb. 3. Frohburg, Ansicht von Norden. (Gutzwiller [wie Anm. 3] Umschlag).
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dem andernorts detaillierter vorgestellten Grossen Chastel bei Lostorf, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen wird.4 Das Münzspektrum besteht nur (noch) aus 26 Münzen, die einen deutlichen Peak im dritten Viertel des 3. Jahrhunderts bilden; Schlußmünze der Serie ist eine des Probus (276–286). Vergleichsweise wenige Münzen zeigen eine Weiter- oder wohl eher Wiederbesiedlung an, die nach 352/353 endet (Abb. 2). Die spätantike Anlage auf der Frohburg steht wohl in Zusammenhang mit dem 400 m tiefer gelegenen Siedlungsgebiet um das Castrum von Olten, von dem archäologisch allerdings noch wenig bekannt ist (Abb. 4). Die spätrömische Befestigung von Olten, deren glockenförmiger Grundriß in der hochmittelalterlichen Altstadtstruktur erhalten geblieben ist, dürfte im späten 3. oder dem ersten Drittel des 4. Jahrhunderts anstelle eines älteren Vicus errichtet worden sein und bildete den Mittelpunkt eines kontinuierlich weitergenutzten Siedlungsraumes am Jurasüdfuß.5 Trotz der Bedeutung der nachmaligen mittelalterlichen Burg, deren Anfänge bereits im 10. Jahrhundert liegen, gibt es indes keinerlei Hinweise auf eine frühmittelalterliche Nutzung des Geländes der Frohburg.6
1.2. Wittnau, Wittnauer Horn (Kt. Aargau) Mit 670 m über dem Meer liegt das Wittnauer Horn gut 250 m über der Talsohle und ist auf drei Seiten durch steil abfallende Bergflanken bestens natürlich geschützt. 1934/35 fanden umfangreiche Grabungen durch Gerhard Bersu statt, die in leider wenig geeigneten Sondierschnitten vor allem den prähistorischen Siedlungsphasen auf den Grund zu gehen suchten.7 1980/81 fanden kleinere Nachgrabungen durch das Seminar für Ur- und
4
5
6
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Ch. Ph. Matt, Der Grosse Chastel bei Bad Lostorf, ein spätrömisches Refugium im Solothurner Jura. Archäologie des Kantons Solothurn 5, 1987, 67–155; vgl. den Beitrag von Ch. Ph. Matt in diesem Band, S. 381 ff. Y. Backman/M. Hochstrasser, Kanton Solothurn. In: Stadt- und Landmauern 2, Stadtmauern in der Schweiz. Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich 15,2 (Zürich 1996) 243–289, bes. 243 ff.; C. Schucany, Fundbericht Olten/Hauptgasse 12/14. Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn 1996, 68–77; M. Martin, Die alten Kastellstädte und die germanische Besiedlung. In: W. Drack (Hrsg.), Ur- und frühgeschichtliche Archäologie der Schweiz 6 (Basel 1979) 97–132, bes. Abb. 15. Zu den Anfängen der Burg vgl. die Rezension von M. Untermann zu Meyer (wie Anm. 2), in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 50, 1993, 190 f. sowie eine Expertise von 1993 zum Fundmaterial vom Verf. und B. Zimmermann, aufbewahrt im Archiv der Kantonsarchäologie Solothurn. G. Bersu, Das Wittnauer Horn. Monographien zur Ur- und Frühgeschichte der Schweiz 4 (Basel 1945).
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Abb. 4. Situation der Frohburg mit dem nahen Castrum von Olten (Kartengrundlage Siegfriedatlas, Ende 19. Jahrhundert). 1 spätrömisches Castrum Olten, 2 spätrömische Kastellnekropole (?), 3 spätrömische Höhensiedlung Frohburg, 4–6 merowingerzeitliche Gräber (R. Marti).
Frühgeschichte der Universität Basel statt.8 Das Horn liegt in knapper Sichtverbindung zur wichtigen Bözbergroute, die in der Antike die römische Koloniestadt Augusta Raurica ostwärts über Frick mit Vindonissa und weiter mit Raetien verband. Im nahen Frick ist ein römischer Vicus zu vermuten, der nachweislich bis in das ausgehende 4. Jahrhundert besiedelt 8
L. Berger/P. Brogli, Wittnauer Horn und Umgebung. Archäologischer Führer der Schweiz 12 (Basel 1980); H.-U. Geiger, Ein kleiner frühmittelalterlicher Münzschatz vom Wittnauer Horn. Archäologie der Schweiz 3, 1980, 56–59; L. Berger u.a., Sondierungen auf dem Wittnauer Horn 1980–1982. Basler Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 14 (Basel 1996).
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Abb. 5. Wittnauer Horn, Topographie mit Situation der Befestigungen. Der Punkt bezeichnet die Fundstelle des frühmittelalterlichen Münzschatzes (Berger/Brogli [wie Anm. 8] Abb. 5).
blieb. Auf dem Kirchhügel von Frick – vielleicht dem Ort eines spätantiken Castrums? – ist eine frühmittelalterliche Peter- und Paulskirche nachgewiesen, die ins 7. Jahrhundert zurückreichen dürfte.9 Allmählich werden im Tal auch frühmittelalterliche Siedlungsspuren archäologisch faßbar.10 Die nur von Westen bequem zugängliche Höhensiedlung zeichnet sich durch eine extreme Spornlage aus (Abb. 5 und 6). Die Zugangsseite wird durch ein doppeltes, prähistorisches Wall-Graben-System geschützt. Die Fläche hinter dem Hauptwall umfaßt rund einen halben Hektar. Auf dem prähistorischen, heute noch gut 7 m hohen und fast 30 m breiten Hauptwall fanden sich Reste einer Abschnittsmauer (Abb. 7). Verlauf und Datierung sind noch nicht klar. Ganz im Norden ist ein quadratischer Torturm von 5 × 5 m nachgewiesen, mit einem Eckverband in Tuffquadern. Daran schließt eine Mauer 2a an, die offenbar von einer Mauer 2b überlagert wird. Südlich eines hier als Turm 2 bezeichneten Fundamentes ist diese Mauer – anders als in der Rekonstruktion angedeutet – indes nicht mehr bezeugt. Etwas davor gibt es Spuren einer offenbar älteren Mauer 1 aus zweischaligem Bruchsteinmauerwerk, die beidseits in einem Turm endete. Sie wird 9
10
Zu Frick vgl. M. Hartmann/H. Weber, Die Römer im Kanton Aargau (Aarau/Frankfurt a. M. 1985) 169 f.; R. Marti, Zwischen Römerzeit und Mittelalter. Forschungen zur frühmittelalterlichen Siedlungsgeschichte der Nordwestschweiz (4.–10. Jahrhundert). Archäologie und Museum 41 (Liestal 2000) Fundstellenliste 1 (mit Lit.). A. Hep/R. Marti, Neues zur Besiedlung des Fricktals in prähistorischer und frühmittelalterlicher Zeit. Die Ausgrabungen in Gipf-Oberfrick 1998 (Allmentweg) und 2002 (Kornbergweg). Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 88, 2005, 217–254.
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Abb. 6. Wittnauer Horn, Ansicht von Osten (Berger u. a. [wie Anm. 8] Umschlag).
gemeinhin um 260 datiert, der Bereich des Torturms wenig danach, weil er Brandspuren aufweise und demnach zu einem Zerstörungshorizont der 270er Jahre gehöre. Die jüngere Mauer 2b bildete nach Meinung der einen eine Zugangsrampe zu Turm 2, nach anderen eine weitere spätrömische Befestigungsphase. Bemerkenswert ist indes ein 14C-Datum von einem Tierknochen aus der obersten Wallschüttung, das einen terminus post für die angeblich ältere Mauer 1 abgibt. Es datiert in die späte Merowingerzeit, etwa um 660–770 n. Chr. Ein einzelnes 14C-Datum ergibt natürlich noch keine feste Datierung; es zeigt aber, daß die Diskussionen um die Einordnung der Anlage noch nicht abgeschlossen sind. Aufgrund der Verteilung der „Herdstellen“ – gemeint war offenbar die Verteilung von Ziegelfragmenten – nahm Bersu an, daß die gesamte Innenfläche des Sporns in spätrömischer Zeit bebaut gewesen war, doch gibt es außer einigen Pfostengruben keine konkreten Belege hierfür. Die damalige Grabungstechnik erlaubte keine weiterreichenden Schlüsse. Allenfalls
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Abb. 7. Wittnauer Horn, Phasenplan der Abschnittsbefestigung (nach Berger/Brogli [wie Anm. 8] Abb. 7).
könnten die recht zahlreichen Eisennägel von Holzbauten stammen, doch sind Eisennägel für Holzbauten natürlich keineswegs zwingend. Das Fundspektrum entspricht demjenigen anderer spätrömischer Höhensiedlungen der Region: Es gibt vor allem regionale keramische Erzeugnisse, kaum TS oder andere Importe, keine Militaria. Bemerkenswert ist immerhin ein spätrömischer schliffverzierter Glasbecher. Nicht unerwähnt bleiben darf eine große Menge an undatierten Eisenschlacken. In der Um-
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Abb. 8. Wittnauer Horn, die Reste des frühmittelalterlichen Münzschatzes. 1 Denar aus Yzeures-sur-Creuse, 2–4 Denare aus Maastricht, 5–8 Denare aus Dorestad (Geiger [wie Anm. 8] Abb. 3). – M. 2:3.
gebung steht oolithisches Eisenerz an, das um Frick herum bis ins 20. Jahrhundert hinein abgebaut wurde. Die Chronologie ist auch im Falle des Wittnauer Horns am besten über die Münzfunde faßbar, die wiederum eine deutliche Massierung im späten 3. Jahrhundert zeigen (Abb. 2). In den 270er Jahren scheint die Anlage zerstört worden zu sein. Danach steigen die Werte bis um die Mitte des 4. Jahrhunderts nochmals an. Die jüngsten Münzen wurden 348–350 geprägt.11 Eine jüngste Siedlungsphase, die wie erwähnt mit (einer jüngeren Phase?) der Abschnittmauer zusammengehen könnte, datiert ins spätere 7./ frühere 8. Jahrhundert. In diese Zeit gehören einige Keramikfragmente, besonders aber der Rest eines kleinen, zufällig entdeckten frühmittelalterlichen Münzschatzes, von dem acht frühkarolingische Denare überliefert sind (Abb. 8). Es handelt sich um sieben niederrheinisch-friesische Prägungen aus Maastricht und Dorestad sowie um einen Denar aus Yzennes-surCreuse (Indre-et-Loire), die im weitesten Sinne die Einbindung der Region und des Horns in ein internationales Verkehrsnetz illustrieren.
1.3. Cornol, Mont Terri (Kt. Jura) Der Mont Terri erhebt sich in etwa 800 m Höhe über dem Meer rund 300 m über der Ajoie, einer Siedlungskammer, die sich gegen die Burgunderpforte hin öffnet und in der Römerzeit und dann – nach einer offenbar ebenfalls bevölkerungsärmeren Zeit – im Frühmittelalter wieder ziemlich dicht besiedelt war.12 Bekannt ist er vor allem wegen seines spätlatènezeitlichen 11 12
Freundlicher Hinweis von Markus Peter, Augst. P.-A. Schwarz, Le Mont Terri. Guides archéologiques de la Suisse 26 (Porrentruy 1991); ders., Die spätlatènezeitliche und spätrömische Höhensiedlung auf dem Mont Terri (Cornol JU). Basler Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 13 (Derendingen/Solothurn 1993). – Zur Situation der Ajoie im Frühmittelalter vgl. J.-D. Demarez, Un bâtiment en pierre du 7e s. à Porrentruy ( JU). Nouvelles données archéologiques dans le Jura mérovingien. Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 86, 2003, 145–166, bes. 157ff.
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Abb. 9. Mont Terri, Ansicht von Südwesten (nach Schwarz 1993 [wie Anm. 12] Umschlag).
Oppidums, ein durch Wall und Felsen geschütztes, leicht nach Norden geneigtes Plateau von rund 4 ha Innenfläche (Abb. 9 und 10). Die altbekannte Anlage war seit dem 18. Jahrhundert immer wieder Ziel archäologischer Forschungen, zuletzt in den 1980er Jahren durch das Basler Seminar für Ur- und Frühgeschichte. Auf dem höchsten Punkt befindet sich eine mit Wall und Graben umwehrte mittelalterliche Burganlage, deren Anfänge noch im 10. Jahrhundert liegen könnten, wie etwas Keramik, ein Sporn sowie eine Münze Ludwigs des Kindes andeuten. In der Nähe verlief eine wichtige Straße, die von Epamanduodurum (Mandeure) nach Petinesca bei Biel im Schweizer Mittelland führte. Zu erwähnen ist zudem das wohl noch in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts gegründete Kloster von St. Ursanne im Tal des Doubs, einige Kilometer südlich des Mont Terri. Auch auf dem Mont Terri wurde ein prähistorischer, späteisenzeitlicher Wall in einer ersten spätrömischen Siedlungsphase des späteren 3. Jahrhunderts zunächst unverändert übernommen (Abb. 11). Erst im mittleren 4. Jahrhundert hat man ihn nochmals gering aufgestockt, wobei große Pfostenlöcher womöglich auf eine Palisade hinweisen. Im Inneren zeugen
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Abb. 10. Mont Terri, Topographie mit Situation der Befestigungen (nach Schwarz 1991 [wie Anm. 12] Annexe 1).
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Abb. 11. Mont Terri, Rekonstruktion der Nutzungsphasen des nordwestlichen Hauptwalles. 1 Siedlung der Spätlatènezeit, 2 Befestigung der Spätlatènezeit, 3 Zerfall der spätlatènezeitlichen Befestigung, 4 spätrömische Befestigung wohl des mittleren 4. Jahrhunderts (nach Schwarz 1991 [wie Anm. 12] Fig. 8).
mehrere Pfostengruben, Ziegel und sogar etwas Flachglas von einer Innenbebauung, ohne daß diese aber bisher präziser zu fassen wäre. Unter den zahlreichen Altfunden befinden sich viele römerzeitliche Metallsachen und fast 4000 Münzen, die wiederum die beiden Peaks in der zweiten Hälfte des 3. und der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts zeigen. Die Münzreihe endet mit Prägungen des Magnus Decentius (351/353 n. Chr.). Zwei Münzen der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts sind klare Ausreißer. In Abb. 2 sind nur die Münzen der jüngsten Grabungen aufgeführt, die modern ausgewertet sind. Daneben liegt etwas Keramik wiederum vorwiegend lokaler Provenienz vor. Es gibt zum Beispiel keine Argonnensigillata,
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Abb. 12. Mont Terri, spätrömische (1–3) und frühmittelalterliche (4–6) Kleinfunde. 1 eiserne Geschoßspitze, 2 bronzene Applike, 3 bronzene Zwiebelknopffibel, 4 Fragment eines bleiernen Fibelmodels, 5 silberplattierter Schuhschnallenbeschlag, 6 bronzener Gürtelbeschlag (nach Schwarz 1991 [wie Anm. 12] Fig. 28 u. 30). – 1–2 M. 1:3, 3 M. 2:3, 4–6 M. 1:1.
die gerade an militärisch genutzten Plätzen der Region sonst kaum fehlt. Der Altfund einer Zwiebelknopffibel sowie ein bislang unpublizierter punzverzierter Riemenendbeschlag sind bisher die einzigen Hinweise auf eine mögliche Militärpräsenz. Auf Militär könnten auch einige glasierte Reibschalen deuten, die am Hochrhein gehäuft – wenn auch keineswegs ausschließlich – an Militärplätzen nachweisbar sind. Daneben gibt es einige eiserne Geschoßspitzen, die spätrömisch sein könnten, vielleicht auch die bronzene Applike eines zurückblickenden Feliden (Abb. 12). Im Vergleich zu anderen Höhensiedlungen des nördlichen Jura ist die Menge und zum Teil auch die Qualität der Funde auf dem Mont Terri bemerkenswert,
Spätantike und frühmittelalterliche Höhensiedlungen im Schweizer Jura
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Abb. 13. Châtel Arruffens, Ansicht von Süden (David-Elbiali/Paunier [wie Anm. 13] Fig. 3B).
auch wenn sie sich keineswegs nur auf die spätrömische Epoche beschränken. Dies dürfte damit zu erklären sein, daß in der näheren Umgebung offenbar kein größerer Zentralort existierte und der Mont Terri wohl zumindest zeitweilig diese Funktion übernommen hatte. Ein eiserner Gürtelbeschlag, der bronzene und silberplattierte Beschlag einer Schuhgarnitur sowie das Bleimodel einer Scheibenfibel zeigen, daß der Berg auch in der späteren Merowingerzeit aufgesucht wurde (Abb. 12). Leider sind alle Stücke ohne Fundkontext, was eine weiterführende Interpretation erschwert.
1.4. Montrichier, Châtel Arruffens (Kt. Waadt) Der klassische Sporn von Châtel Arruffens liegt zwar nur einige Kilometer von einem wichtigen Juraübergang in Richtung Pontarlier entfernt, entscheidender für die Standortwahl dürfte aber die dominante, die Ebene fast 600 m überragende Lage auf der südlichsten Hügelkette des Jura gewesen sein, in 800 m Höhe über dem Meer (Abb. 13).13 Der Châtel Arruffens ist eine der wenigen Höhensiedlungen im westlichen Jura, die bekannt und ar13
M. David-Elbiali/D. Paunier, L’éperon barré de Châtel d’Arruffens (Montrichier, Vaud), Age du Bronze et Bas-Empire. Cahiers d’archéologie romande 90 (Lausanne 2002).
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chäologisch untersucht sind. Er liegt – anders als die bisher vorgestellten Beispiele aus dem nördlichen Jura – in einem Gebiet, das in der Spätantike weniger exponiert war und dessen Blüte im Laufe des 3./4. Jahrhunderts nicht einfach zu Ende ging. Auch in diesem Fall wurde eine primär prähistorische, bronzezeitliche Wallanlage, die eine Fläche von rund 0,8 ha umschließt, in spätrömischer Zeit wiederbenutzt (Abb. 14). Hinweise auf zusätzliche Befestigungsarbeiten in spätrömischer Zeit fehlen. Die spätrömischen Funde streuen aber innerhalb der Wallanlage, die offenbar noch genügend Schutz bot und wohl auch deshalb wieder aufgesucht wurde. Münz- und Fundspektrum unterscheiden sich stark von den bisher besprochenen Anlagen. Die Besiedlung setzt offenbar erst in der Zeit nach Valentinian I. ein, denn es gibt sehr viele Kupfermünzen aus dem ganz späten 4. oder frühen 5. Jahrhundert. Es liegen aber auch ein paar EdelmetallPrägungen vor: ein subaerater Solidus von Theodosius I. (geprägt nach 389/90 in Lyon) und die beiden jüngsten bestimmbaren Münzen, zwei Siliquen des Jovinus, geprägt ebenfalls in Lyon 411–413. Daneben wurden viele unbestimmbare kleinere Aesmünzen gefunden, die offenbar irgendwann zwischen dem Ende des 4. und dem Ende des 5. Jahrhunderts geprägt wurden (Abb. 2). Unter dem übrigen, für eine Höhensiedlung ungewöhnlich umfangreichen Fundmaterial dominieren die Metallfunde (Abb. 15 und 16). Messer beziehungsweise eigentlich einschneidige Dolche, die als Vorläufer der frühmittelalterlichen Scramasaxe gelten können14, sowie Pfeilspitzen belegen die Anwesenheit von Bewaffneten. Mehrere Elemente von zum Teil späten, punzverzierten Gürtelgarnituren geben sich eindeutig als Militaria zu erkennen. Eine große Menge an Nägeln könnte von ansonsten nicht mehr nachweisbaren Holzbauten zeugen. Daneben liegt aber auch auffallend viel und teilweise sehr qualitätvolles Werkzeug vor: Geräte zur Lederverarbeitung, Ahlen, Meißel, Punzen oder ein bleierner und ein beinerner Spinnwirtel. Letztere könnten – wie auch etwas Schmuck und einige Glasperlen – als Zeugnisse für die Präsenz von Frauen zu werten sein. Dieser Befund muß indes abschließend noch genauer analysiert werden (Kap. 3).
14
M. Martin, Observations sur l’armement de l’époque mérovingienne précoce. In: F. Vallet/M. Kazanski (Hrsg.), L’armée romaine et les barbares du IIIe au VIIe siècle. Mémoires publiées par l’Association française d’archéologie mérovingienne 5 (Rouen 1993) 395–409.
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Abb. 14. Châtel Arruffens, Topographie mit Situation der prähistorischen Befestigung (David-Elbiali/Paunier [wie Anm. 13] Fig. 12).
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Abb. 15. Châtel Arruffens, Auswahl aus dem Spektrum der Kleinfunde: Gürtelteile, Fibel, Ringschmuck und Schalenlampe aus Buntmetall; Stilus, Dolche, Pfeilspitzen und Werkzeuge zur Lederverarbeitung aus Eisen (nach David-Elbiali/Paunier [wie Anm. 13] Pl. 53–58). – M. 1: 3.
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Abb. 16. Châtel Arruffens, Auswahl aus dem Spektrum der Kleinfunde: Punzen, Ahlen, Meißel, Hobeleisen (?) und Bohrer aus Eisen (nach David-Elbiali/Paunier [wie Anm. 13] Pl. 58–61). – M. 1: 3.
1.5. Avenches, Bois de Châtel (Kt. Waadt) Das letzte Beispiel liegt zwar ein wenig außerhalb des Jura, es besteht jedoch immerhin Sichtverbindung. Auch wenn es zu den schlecht erforschten gehört, muß es an dieser Stelle Erwähnung finden, weil seine Beziehung zum Umland ziemlich eindeutig ist. Es handelt sich um den „Hausberg“ von Aventicum/Avenches, dem römischen Hauptort der Civitas der Helvetier: den Bois de Châtel, der bereits in spätkeltischer Zeit ein Oppidum beherbergt haben dürfte (Abb. 17). Während dank der Grabungen der letzten Jahre die spätantike und frühmittelalterliche Nutzung der Stadt selbst allmählich faßbar wird,15 stützen sich die Kenntnisse zum Bois de Châtel auf Sondierungen von 1910 sowie einige Lesefunde. Demnach war etwa die Hälfte des langgezogenen Bergrückens aus Molassesandstein – eine Fläche von rund 22000 m2 – befestigt. Eine mindestens 112 beziehungsweise 182 m lange, gut 2 m mächtige Befestigungsmauer ist bisher allerdings nur im 15
U. a. ist auch in der Stadt selbst mit einer spätantiken enceinte réduite zu rechnen. Zuletzt: P. Blanc, Avenches/Aventicum dans l’Antiquité tardive et au haut Moyen Age à la lumière des récentes découvertes archéologiques. In: J.-M.Spieser (Hrsg.), „Villes et villages. Tombes et églises“ – La Suisse de l’antiquité tardive et du haut Moyen Age. Actes du colloque de Fribourg 2001. Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 59/3, 2002, 177–188; ders., Nouvelles données sur l’occupation d’Avenches/Aventicum dans l’antiquité tardive. In: R. Windler/M. Fuchs (Hrsg.), De l’antiquité tardive au haut Moyen Age (300–800), Kontinuität und Neubeginn. Antiqua 35 (Basel 2002) 27–38.
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Abb. 17. Situation des wenig südlich von Aventicum/Avenches gelegenen Bois de Châtel. Im Stadtgebiet sind die bekannten spätrömisch-frühmittelalterlichen Funde sowie die Lage der Kirchen kartiert (nach Windler/Fuchs [wie Anm. 15] Abb. 4).
Südwesten und Südosten nachgewiesen. Die Ecke ist durch einen Polygonalturm gesichert, zwei weitere flankieren ein Tor in der Südwestmauer (Abb. 18). Mehrere im Mauerwerk verwendete römische Spolien dürften aus der gut einen Kilometer entfernten Stadt stammen.16 Größe und Art der Anlage lassen zwar kaum einen Zweifel an einer spätantiken Datierung zu. An datierbarem Fundmaterial liegen bisher allerdings nur eine Keramikscherbe und eine nicht näher spezifizierte Münze des 4. Jahrhunderts vor.17 Ein Indiz für die Datierung ergibt sich vielleicht auch aus der Beobachtung, daß die überaus reichen und auf Militärpräsenz hinweisenden Metallfunde von Höhensiedlungen, die im ausgehenden 4. und 5. Jahrhundert aufgesucht wurden, auf dem Bois de Châtel fehlen
16
17
G. Kaenel/ H.-M. v. Kaenel, Le Bois de Châtel près d’Avenches à la lumière des trouvailles récentes. Archäologie der Schweiz 6, 1983, 110–119; J.-P. Dal Bianco, Fundbericht Avenches/Bois de Châtel, in: Bulletin de l’Association Pro Aventico 40, 1998, 229–232; Blanc (wie Anm. 15) 181 f. bzw. 33 f. Dal Bianco (wie Anm. 16) 229–232.
Spätantike und frühmittelalterliche Höhensiedlungen im Schweizer Jura
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Abb. 18. Bois de Châtel, Grabung 1910 von Albert Naef, Situation von Südwest-Tor und südlichem Eckturm (Kaenel/v. Kaenel [wie Anm. 16] Fig. 12).
(vgl. Montrichier, Châtel Arruffens). Die äußerst geringen Fundmengen weisen demnach auf eine reduzierte Nutzung und/oder eine geordnete Auflassung hin. In Anbetracht der Mächtigkeit der Anlage ist wohl davon auszugehen, daß sie zwar selten, dann aber von verhältnismäßig vielen Leuten aufgesucht wurde. Auch der Bois de Châtel dürfte demnach als temporär genutztes Refugium gedient haben. In ruhigen Zeiten lebte man weiterhin in der nahen Stadt, deren großzügiger Mauerring des 1. Jahrhunderts nur in Krisenzeiten nicht genügend Schutz bot.
2. Höhensiedlungen im nördlichen Jura 2.1. Die „Wiedergeburt“ der Höhensiedlungen im späteren 3. Jahrhundert Das relativ dichte Fundstellennetz der Nordwestschweiz bietet die Grundlage zur Erörterung der Frage, in welches siedlungsgeographische Umfeld die Höhensiedlungen im Jura eingebettet waren. Trotz des allgemein günstigen Forschungsstandes gilt es auch hier zu berücksichtigen, daß es für den Untersuchungsraum bisher keine Forschungen gab, die dieser Frage ge-
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Abb. 19. Römerzeitliche Besiedlung des Nordwestschweizer Jura (1.–3. Jahrhundert), wichtige Durchgangsstraßen und Verbreitung der nachgewiesenen Höhensiedlungen der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts (R. Marti).
zielt nachgegangen wären. Viele Fundstellen – auch Höhensiedlungen – sind nach wie vor nur durch Einzelfunde dokumentiert. Die Verbreitung sämtlicher bekannten römerzeitlichen Siedlungsstellen macht die maximale Siedlungsausdehnung zur Blütezeit des 2. und früheren 3. Jahrhunderts deutlich (Abb. 19). Eine – quellenbedingt sicher noch ziemlich unvollständige – Kartierung der Fundstellen der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts umschreibt demgegenüber die reduzierten Siedlungsräume, welche die Krisen um die Alamanneneinfälle und das Gallische Sonderreich des späten 3. Jahrhunderts, die sich in zahlreichen Münzschätzen und Zerstörungshorizonten manifestieren,18 überstanden haben (Abb. 20). Die im späteren 3. Jahrhundert aufgesuchten Höhenstationen sind ein Produkt ebendieser ersten großen Krisenzeit der nordalpinen römischen Provinzen. Die Belege sind trotz einer fehlenden systematischen Bestandsaufnahme bereits erstaunlich zahlreich (Abb. 19). Dabei handelt es sich keineswegs immer um Anlagen in der zuvor anhand einiger Beispiele erörterten Größenordnung. Es überwiegen vielmehr abgelegene, schwer zugängliche, enge Bergrücken am Rand der verbliebenen Siedlungskammern. Eine strategische Lage ist in manchen Fällen kaum zu erkennen beziehungsweise teilweise schlicht undenkbar. Auch Wirtschaftsland steht in unmittelbarer 18
Zur Quellenlage und zu den historischen Hintergründen vgl. Marti (wie Anm. 9) 286ff. und 315 ff.
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Abb. 20. Spätrömische Besiedlung des Nordwestschweizer Jura (bis Mitte 4. Jahrhundert) und Verbreitung der nachgewiesenen Höhensiedlungen des mittleren 4. Jahrhunderts. 1 Wittnau, Wittnauer Horn, 2 Herten, Hertenberg, 3 Muttenz, Vorderer Wartenberg, 4 Trimbach, Frohburg, 5 Cornol, Mont Terri (R. Marti).
Umgebung oft nicht zur Verfügung. Nach dem unspektakulären Fundmaterial zu schließen, das keine Militaria enthält, dürfte es sich demnach um einfache Refugien der ortsansässigen gallorömischen Landbevölkerung gehandelt haben. Diese zog sich bei Gefahr offenbar in die nächstgelegene schützende Lage zurück, in einer nachgewiesenermaßen sehr unsicheren Zeit, in der in den Tälern noch keine befestigten Castra Schutz boten. Augusta Raurica und Basel erhielten erst im späten 3. Jahrhundert eine enceinte réduite, die wichtigste Befestigung der Region, das Castrum rauracense am Rhein bei Augst, wurde erst um 300 errichtet. Mit ersten Burgi an wichtigen Verkehrsachsen des Hinterlandes ist nicht vor konstantinischer Zeit zu rechnen, ein konsequenter Ausbau des spätrömischen Verteidigungssystems scheint sogar erst unter Valentinian I. erfolgt zu sein.19 Daß ein enger Zusammenhang zwischen der Bedrohungslage der Bevölkerung im Tal und diesen Höhensiedlungen bestand, zeigen nicht zuletzt die Münzspektren, die auf Höhen- wie in Talsiedlungen dieselbe Zusammensetzung aufweisen.20 Die Höhensiedlungen des späteren 3. Jahrhunderts sind demnach Zufluchtstätten der lokalen Bevölkerung, für die es
19
20
Zu Augst: P.-A. Schwarz, Kastelen 4, Die Nordmauer und die Überreste der Innenbebauung der spätrömischen Befestigung auf Kastelen. Forschungen in Augst 24 (Augst 2002); zu Basel: W. Drack/R. Fellmann, Die Römer in der Schweiz (Stuttgart/Jona 1988) 354ff. H.-M. v. Kaenel, Verkehr und Münzwesen. In: W. Drack (Hrsg.), Ur- und frühgeschichtliche Archäologie der Schweiz 5 (Basel 1975) 107–122, bes. Abb. 20.
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damals keine alternative Schutzmöglichkeit gab. Sie stehen damit in der Tradition prähistorischer Refugien, weshalb auch kaum erstaunt, daß an den entsprechenden Stellen praktisch regelhaft auch Spuren einer prähistorischen Nutzung festgestellt werden können. Die Reaktivierung von Anlagen, die schon in prähistorischer Zeit mit einfachen Mitteln befestigt worden waren, scheint sogar oft genügt zu haben. Eigene Befestigungsmaßnahmen waren im späteren 3. Jahrhundert offenbar noch keineswegs die Regel.
2.2. Höhensiedlungen der Mitte des 4. Jahrhunderts Etwas anders sind die Höhensiedlungen situiert, die auch im mittleren 4. Jahrhundert nochmals aufgesucht wurden (Abb. 20). Zum einen spiegelt ihre Verbreitung den Konzentrationsprozeß wider, den die Besiedlung des offenen Landes nach den Krisen des späteren 3. Jahrhunderts durchgemacht hatte. Daneben scheint man jedoch auch die Qualität der Höhensiedlungen nach etwas veränderten Kriterien beurteilt zu haben: Es sind weniger, dafür größere Anlagen wie das Wittnauer Horn, die Frohburg oder der Mont Terri. Hinzu kommt aufgrund einiger Münzfunde wahrscheinlich der Wartenberg bei Muttenz.21 Diese Konzentration läßt auf eine stärkere zugrundeliegende Organisation schließen, die sich möglicherweise auch darin äußert, daß nun auch größere Anlagen wie der Mont Terri neu befestigt wurden. Vorläufig sind allerdings zu wenige Befestigungsanlagen von Höhensiedlungen erforscht, als daß man daraus weiterreichende Schlüsse ziehen könnte. Die Fundstellen zeigen zumeist einen deutlichen Bezug zu wichtigen spätantiken Siedlungskammern. In der Regel befindet sich sogar in wenigen Kilometern Entfernung im Tal ein mittlerweile befestigter Zentralort. In welchem Verhältnis die Siedlung in der Höhe und diejenige im Tal standen, ist anhand der momentanen Quellenlage nicht erschließbar. Die generelle Fundarmut in den Höhensiedlungen spricht indes auch im 4. Jahrhundert noch für eine jeweils nur temporäre Nutzung. Dies ergibt sich insbesondere aus den Münzspektren, die für die Zeit zwischen dem späteren 3. und dem mittleren 4. Jahrhundert auf eine höchstens sporadische Be-
21
Ob der rechtsrheinisch gelegene Hertenberg gegenüber von Kaiseraugst bereits im mittleren 4. Jh. als Siedlungsplatz genutzt wurde, läßt sich vorderhand nicht beurteilen: M. Hoeper, Der Hertenberg bei Rheinfelden – eine neue völkerwanderungszeitliche Höhensiedlung am Hochrhein. In: Ch. Bücker u. a. (Hrsg.), Regio archaeologica, Archäologie und Geschichte an Ober- und Hochrhein. Festschrift G. Fingerlin. Internationale Archäologie, Studia honoraria 18 (Rahden/Westf. 2002) 169–180.
Spätantike und frühmittelalterliche Höhensiedlungen im Schweizer Jura
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Abb. 21. Merowingerzeitliche Besiedlung des Nordwestschweizer Jura aufgrund der Grabfunde (7. Jahrhundert) und Verbreitung der nachgewiesenen Höhensiedlungen des späteren 7. und früheren 8. Jahrhunderts. 1 Wittnau, Wittnauer Horn, 2 Sissach, Fluh, 3 Sissach, Burgenrain, 4 Muttenz, Vorderer Wartenberg, 5 Zullwil, Portifluh, 6 Trimbach, Frohburg, 7 Cornol, Mont Terri (R. Marti).
siedlung schließen lassen.22 Hintergrund für ein erneutes Aufsuchen der Höhensiedlungen dürften die kriegerischen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Usurpation des Magnentius (350–353) gebildet haben, von denen wiederum mehrere Münzschätze und nicht zuletzt die Zerstörung des Castrum Rauracense sowie die Vergrabung des berühmten Kaiseraugster Silberschatzes zeugen.23
2.3. Frühmittelalterliche Höhensiedlungen: (klein-)regionale Zentren neuer Mächte? Im Frühmittelalter verschiebt sich die Quellenlage: Nun sind es – insbesondere für die jüngere Merowingerzeit – die Bestattungsplätze, welche die Siedlungsräume am besten wiedergeben. Wie in der Siedlungsphase des 4. Jahrhunderts liegen die Höhensiedlungen, die frühmittelalterliche Funde lieferten, nirgendwo abseits, sondern in unmittelbarer Nähe wichtiger Siedlungskammern (Abb. 21). Das Wittnauer Horn nahe Frick, dem 22 23
M. Peter, in: Schwarz (wie Anm. 12) 69–72. Zur Situation in der Nordwestschweiz allgemein: Marti (wie Anm. 9) A, bes. 316 ff.; zum Silberschatz zuletzt: M. A. Guggisberg (Hrsg.), Der spätrömische Silberschatz von Kaiseraugst. Die neuen Funde. Forschungen in Augst 34 (Augst 2003).
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Zentrum des nachmaligen Frickgaus, und der Mont Terri, der die Ajoie (Elsgau) beherrscht, wurden auch im späteren 7./früheren 8. Jahrhundert wieder aufgesucht. Die Belege dafür wurden bereits angeführt. Sie sind leider repräsentativ für die allgemeine Quellenlage. Meist sind es nur einzelne Funde, die – dies zumindest eine Gemeinsamkeit – in spätmerowingischfrühkarolingische Zeit datieren. Bei der Spärlichkeit der Funde muß indes ihre Qualität auffallen. Der Münzschatz vom Wittnauer Horn oder der silberplattierte Schuhbeschlag und das Fibelmodel vom Mont Terri sind keine alltäglichen Funde. Dies läßt die Frage aufkommen, ob in der ausgehenden Merowingerzeit nicht ein Bedeutungswandel in der Nutzung von „Höhensiedlungen“ stattgefunden habe. Es gibt noch einige weitere Beispiele, die sich in diesen Befund einreihen und nachfolgend kurz vorgestellt seien. 2.3.1. Muttenz, Wartenberg (Kt. Basel-Landschaft) Der Wartenberg in der Nachbarschaft von Basel thront in bester Lage etwa 150 m über dem Rheintal, in 430 m Höhe über dem Meer. Die bedeutende Dorfkirche von Muttenz, über einem römischen Gutshof gelegen, ist eine frühmittelalterliche Gründung der Zeit um 700. Am Fuß des Wartenbergs liegt ein Gräberfeld der jüngeren Merowingerzeit. Iuxta vicum qui Mittenza dicitur führte Kaiser Konrad II. 1032 jene Verhandlungen, die zur Übergabe des Königreichs Hochburgund ans Reich führten, und es ist anzunehmen, daß sich diese Bezeichnung auf die Burg Wartenberg bei Mittenza/Muttenz bezog.24 Die heute noch sichtbaren Mauerteile der mächtigen Burganlage des Vorderen Wartenberg gehen indes nicht vor das spätere 12. Jahrhundert zurück (Abb. 22). Einige früh gefundene Münzen, unter anderem ein Septimius Severus (193–211) und zwei Claudius Gothicus (260–270), könnten darauf hinweisen, daß die Anhöhe schon im späteren 3. Jahrhundert aufgesucht worden war, was keineswegs erstaunen würde. Etwas unsicher ist die Überlieferung einer Münze Konstantins I. (306–337). Der in mittelalterlicher Zeit durch den Bau der Burganlage stark überformte Bergrücken wurde leider nie modern untersucht. Unter den Funden der Altgrabungen liegt aber das Fragment einer Kanne aus lokaler Drehscheibenware vor, die am ehesten ins fortgeschrittene 7. oder frühere 8. Jahrhundert datiert (Abb. 23).25 Daß ausgerechnet ein Flüssigkeitsbehälter überliefert ist, wird auf einer Anhöhe nicht erstaunen.
24 25
Marti (wie Anm. 9) A 306f. u. Kat. 186 f. Marti (wie Anm. 9) B 188 f. Taf. 214,5.
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Abb. 22. Muttenz, Vorderer Wartenberg. Luftbild der mittelalterlichen Burganlage von Norden (Archäologie Baselland).
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Abb. 23. Muttenz, Vorderer Wartenberg. Fragment einer spätmerowingischen Röhrenausgußkanne (Claudia Spiess, Archäologie Baselland). – M. 1: 2.
2.3.2. Sissach, Fluh und Burgenrain (Kt. Basel-Landschaft) Wie der Raum um Muttenz für den unteren Kantonsteil bildete die Siedlungskammer um Sissach bereits in vorrömischer Zeit ein Zentrum im Ergolztal, im unmittelbaren Hinterland von Augst und Kaiseraugst. Diese kleinregionale Zentrumsfunktion erhielt das nahe dem bekannten LausenBettenach gelegene Sissach spätestens in der jüngeren Merowingerzeit wieder zurück. Dies zeigt – neben weiteren merowingerzeitlichen Fundstellen in der Umgebung – die um 620/30 gegründete Pfarrkirche, eine der wichtigsten Talkirchen der Nordwestschweiz mit reichen Bestattungen des 7. Jahrhunderts.26 Die Bedeutung des Ortes ging danach nicht einfach verloren: 835 wird ein Pagus sisigavensis (Sisgau) genannt, dessen Mittelpunkt Sissach bildete. In der unmittelbaren Nachbarschaft von Sissach gibt es gleich zwei Höhensiedlungen, die frühmittelalterlich sind oder sein könnten: eine auf der Sissacher Fluh nördlich des Ortes, die andere auf dem Burgenrain südöstlich davon. Die hoch aufragende Kuppe der Fluh auf 700 m Höhe ist ein weithin sichtbares Wahrzeichen, das sich über 300 m über den Talgrund erhebt. Grabungen der 1930er Jahren lieferten unter anderem Indizien für ein keltisches Oppidum. Aber auch eine ziemlich gut erhaltene jüngere Befestigungsanlage aus einem zweischaligen Mauerwerk, das mit Erde und Steinmaterial gefüllt war, wurde entdeckt (Abb. 24 und 25). Bisher liegen keine spätrömischen Funde vor, weshalb – quasi im Ausschlußverfahren – an eine frühmittelalterliche Datierung gedacht wird.27 Allerdings gibt es bisher auch keinen einzigen Fund, der sicher ins Früh- oder allenfalls Hochmittelalter datiert. Aus dem Mauerwerk des Torbereichs stammt vielmehr eine zusammengefaltete Schwertscheide der Mittellatènezeit, die in
26
27
S. Burnell, Die reformierte Kirche von Sissach BL. Mittelalterliche Kirchen und merowingerzeitliche „Stiftergräber“. Archäologie und Museum 38 (Liestal 1998); Marti (wie Anm. 9) A, bes. 162 ff. W. Meyer, Burgen von A–Z. Burgenlexikon der Regio (Basel 1981) 128 f.; vgl. Marti (wie Anm. 9) B 245f.
Spätantike und frühmittelalterliche Höhensiedlungen im Schweizer Jura
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Abb. 24. Sissach, Fluh. Plan der Befestigungsanlagen (Meyer [wie Anm. 27] 129).
dieser Fundlage indes auch nicht mehr als einen terminus post abgibt, da sie ursprünglich als Beigabe in einem Grab gelegen haben dürfte.28 Die Befestigungsmauer selbst weist als augenfälliges Merkmal innen vorspringende Treppenpfeiler auf, die zu einem Wehrgang führten. Die Toranlage besitzt einziehende Schenkelmauern, in der Nordostecke befindet sich ein ebenerdig zugänglicher Turm. Ein zweites, analog gestaltetes Tor wurde weiter unten am Zugangsweg entdeckt und überlagert dort die Reste eines möglichen spätkeltischen Murus Gallicus. Da die anschließende Mauer dort nicht weiter führt, ist diese Anlage womöglich unvollendet geblieben. Das rund 2,8 ha große Hauptplateau wird auf den übrigen drei Seiten natürlich geschützt. In der Westecke fanden sich Spuren eines undatierten Pfosten28
J. Tauber, Sissach – ein Zentrum der Latènezeit. In: J. Ewald/J. Tauber (Hrsg.), Tatort Vergangenheit. Ergebnisse der Archäologie heute (Basel 1998) 198–210, bes. 209, Abb. 5.5.10.
370
Reto Marti
Abb. 25. Sissach, Fluh. Detail der konservierten Toranlage (Eckturm) aus zweischaligem Bruchsteinmauerwerk mit Stein-Erde-Füllung (Archäologie Baselland).
baus. Am vorderen Ende der Fluh befindet sich eine neuzeitliche Hochwacht, die mit Wall und Graben geschützt ist. Werner Meyer erwägt indes, ob die Anlage nicht „schon im 10. Jahrhundert als wehrhafte Umgrenzung eines feudalen Wohnbezirks innerhalb des Fluchtburgareals angelegt worden sein“ könnte.29 Die neuzeitliche Hochwacht hätte dann den bereits mit Wall und Graben geschützten Bereich bloß reaktiviert. Das Problem auch hier: Es gibt keine datierenden Funde. Meyer denkt, daß die gesamte Anlage jünger ist als der Burgenrain und entsprechend dem postulierten „feudalen Wohnbezirk“ ins 10. Jahrhundert datieren könnte. Auch der Burgenrain auf der gegenüberliegenden Seite des Ergolztals war in den 1930er Jahren Ziel von Ausgrabungen. Die engen, wenig aussagekräftigen Sondierschnitte galten vor allem einer hallstattzeitlichen Wehranlage, die sich auch durch ein bedeutendes Fundmaterial auszeichnet. Mit 520 m über dem Meer ist der Burgenrain deutlich weniger hoch und auch geographisch näher am Dorf als die markantere Fluh. Ein relativ großes Areal von 2,7 ha wurde offenbar in der Hallstattzeit mit einer Ringmauer befestigt (Abb. 26). Die Befestigungsmauer ist trocken geschichtet und auf
29
Meyer (wie Anm. 27) 128.
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Abb. 26. Sissach, Burgenrain. Plan der Befestigungsanlage (Meyer [wie Anm. 27] 91).
der Innenseite offenbar zusätzlich mit Pfosten verstärkt.30 Die Mauer folgt dem Geländeverlauf, ist im exponierten Südwesten durch einen Graben zusätzlich geschützt und offenbar mit zwei Toren versehen, die nach innen durch vorspringende Türme verstärkt waren. Während die ersten Ausgräber die Mauer für rein hallstattzeitlich hielten, erwog Emil Vogt 1935 für die beiden Toranlagen und eine Wiederaufstockung der Mauer, die ohne hölzerne Armierung auskam, eine frühmittelalterliche Zeitstellung. Dabei stützt er sich wohl auf die Beobachtung, daß die hallstattzeitliche Kulturschicht – in einigen Bereichen (?) – offenbar von der Mauer überlagert wurde. Auch diese jüngere Bauphase war trocken gemauert und bestand – ähnlich wie auf der Fluh – aus zwei mit Erde und Steinen gefüllten Mauerschalen. Eine frühmittelalterliche Bauphase läßt sich heute indes weder anhand der Dokumentation noch anhand der konservierten Bauteile einwandfrei nachweisen. Eine einzelne Münze des Aurelian (270–275) könnte wiederum auf eine Verwendung als Refugium des späten 3. Jahrhunderts hinweisen, wobei – wie häufig zu beobachten – die prähistorische Wehr30
E. Vogt, Der Burgenrain (Sissach, Baselland). Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 28, 1936, 18–20; Meyer (wie Anm. 27) 91; C. Fischer, Eine befestigte Hallstattburg: Sissach-Burgenrain. In: Ewald/Tauber (wie Anm. 28) 181–197.
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Abb. 27. Zullwil, Portifluh. Ansicht von Westen, davor die Burgruine Gilgenberg (Gutzwiller u. a. [wie Anm. 32] 76).
anlage weiterverwendet worden wäre. Weitere Funde oder Befunde der Römerzeit fehlen bisher, doch gilt es zu bedenken, daß das Innere der Anlage kaum untersucht ist. Daß der Burgenrain im Frühmittelalter aufgesucht worden sein könnte, zeigt sich wiederum nur an einigen Einzelfunden, etwa der geperlten Unterlagscheibe eines Saxscheidenniets des späten 7./ frühen 8. Jahrhunderts oder dem Griff einer Spatha.31 2.3.3. Zullwil, Portifluh (Kt. Solothurn) Scheinbar abgelegen, aber an einer früher nicht unwichtigen Ost-WestRoute entlang den Falten der höchsten Jurakette liegt die Portifluh, ein durch eine tiefe Kluft quasi vom „Festland“ abgetrenntes Felsplateau, 870 m über dem Meer gelegen (Abb. 27). Die Fluh erhebt sich rund 250 m über ein Hochtal, das nachweislich seit dem 7. Jahrhundert besiedelt war. Von der Portifluh selbst, die 1953 archäologisch partiell untersucht wurde, gibt es – nebst Funden der Prähistorie und des späten 3. Jahrhunderts – einen kleinen Komplex frühmittelalterlicher Keramik, darunter eine Kanne ähn-
31
Marti (wie Anm. 9) B 245 (die Funde sind mittlerweile wieder greifbar).
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Abb. 28. Zullwil, Portifluh. Frühmittelalterliche Kanne aus regionaler Drehscheibenware sowie bemaltes Keramikfragment aus dem nördlichen Elsaß. – M. 1: 2 bzw. 1:1 (Martin-Kilcher [wie Anm. 32] Abb. 48,15; R. Marti).
lich derjenigen von Muttenz-Wartenberg.32 Besonders bemerkenswert ist das Fragment eines kleinen Topfes oder Bechers aus wohl nordelsässischer, bemalter gelber Drehscheibenware – dem bisher ersten Nachweis dieser Warenart in der Nordwestschweiz (Abb. 28). Auch dieser chronologisch nicht eng eingrenzbare Fundkomplex datiert am ehesten in spätmerowingisch-frühkarolingische Zeit. 2.3.4. Balsthal, Holzfluh (Kt. Solothurn) Die am Südrand des Jura gelegene Holzfluh bei Balsthal ist ein markanter, über 200 m über das Tal und die für den Nord-Süd-Verkehr sehr wichtige Hauensteinstraße aufragender Felsen, 730 m über dem Meer gelegen (Abb. 29). Auch hier galten Altgrabungen primär einer prähistorischen An32
St. Martin-Kilcher, Die Funde aus dem römischen Gutshof von Laufen-Müschhag (Bern 1980) 120 ff., Abb. 48; P. Gutzwiller/R. Marti/J. Schibler/M. Veszeli, Zufluchtsort in unsicherer Zeit. – Die Portiflue als markanter Zeuge früher Besiedlung. In: Nunningen (Nunningen 1996) 75–84, bes. 81 f.
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Reto Marti
Abb. 29. Balsthal, Holzfluh. Ansicht von Südosten (Frey-Kupper [wie Anm. 33] Abb. 5).
Abb. 30. Balsthal, Holzfluh. Spätmerowingische Riemenzunge aus Eisen (Schweizerisches Landesmuseum Zürich).
lage.33 Es gibt aber auch einige jüngere Funde, darunter – als herausragendes Objekt – eine qualitätvolle spätmerowingische Riemenzunge aus Eisen, mit Resten einer Tauschierung (Abb. 30).34 33
34
S. Deschler-Erb, Die prähistorischen Funde der Holzfluh bei Balsthal SO. Archäologie im Kanton Solothurn 6, 1989, 7–100; S. Frey-Kupper, Der keltische Hort von Balsthal – ein Depotfund mit einem Hirschgeweih aus massivem Silber. Archäologie der Schweiz 23, 1999, 83–87. Unpubliziert, aufbewahrt im Schweizerischen Landesmuseum Zürich, Inv. P43856; vgl. Jahresbericht des Schweizerischen Landesmuseums Zürich 66, 1957, 33.
Spätantike und frühmittelalterliche Höhensiedlungen im Schweizer Jura
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Abb. 31. Liestal, Burghalden. Plan der Anlage (R. Marti).
2.3.5. Liestal, Burghalden (Kt. Basel-Landschaft) Als letztes und zugleich jüngstes Beispiel einer großflächigeren befestigten Höhensiedlung im nördlichen Jura sei Burghalden bei Liestal angeführt, wenige Kilometer unterhalb von Sissach gelegen. Liestal bildete schon in der Römerzeit ein wichtiges kleinregionales Zentrum im Hinterland von Augusta Raurica und Basel und erhielt in spätantiker Zeit wohl einen kleinen Burgus zur Sicherung zweier wichtiger Juraübergänge.35 Fränkische Gräber des mittleren 6. Jahrhunderts und eine im postulierten Burgus errichtete frühmittelalterliche Martinskirche mit einem frühromanischen Neubau unterstreichen die Bedeutung des Platzes lange vor der Stadtgründung des mittleren 13. Jahrhunderts. Die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Höhensiedlung auf Burghalden gehört zwar nicht mehr in frühmittelalterliche Zeit, aber in irgendeiner Form doch wohl zum Herrschaftskomplex im Tal. In ihrer Anlage bildet sie zudem ein wichtiges Bindeglied in eine besser dokumentierte Epoche und zu den bekannteren Burganlagen des Hochmittelalters. Sie nutzt wiederum die Situation einer prähistorischen Spornbefestigung (Abb. 31). Die mächtige Schildmauer ist wie im Falle der Sissacher Anlagen zweischalig gemauert und mit Schutt und Steinen gefüllt. Die anschließende Umfassungsmauer umfaßt allerdings nur gerade eine Innenfläche von rund 0,25 ha. Damit ist zwar der Refugium-Charakter noch gegeben,
35
Marti (wie Anm. 9) A, bes. 180 ff.
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die Anlage besitzt aber eine architektonisch abgetrennte Hauptburg, von der bisher leider kaum mehr als die Kapelle untersucht ist. Die durch Funde gut ins 10. und frühe 11. Jahrhundert datierte Anlage ist deshalb ein schönes Beispiel für die Phase des beginnenden „klassischen“ Burgenbaus.36 Vergleiche weisen am ehesten in den Bereich der so genannten „Kirchenkastelle“ des östlichen Alpenraums.37
3. Schlußfolgerungen – Ein Siedlungstyp, mehrere Aufgaben? Die Höhensiedlungen des Jura müssen nach Siedlungsphasen getrennt betrachtet werden. Es gibt keine einzige Fundstelle, in der sich eine Siedlungskontinuität von spätrömischer Zeit bis in die Merowingerzeit nachweisen liesse. Auch zwischen allfälligen Nutzungsphasen des späten 3. und des mittleren 4. Jahrhunderts scheint es jeweils eine Siedlungsunterbrechung gegeben zu haben. Damit ist auch klar, daß es im Untersuchungsraum nie zur Herausbildung von fest etablierten Siedlungskernen oder gar von zentralörtlichen Funktionen in Höhenlage gekommen ist, wie dies im freien Germanien oder zum Teil auch im Alpenraum geschah. Diese Funktion blieb immer den Siedlungen im Tal vorbehalten. Unter diesem Aspekt ist auch klar, daß die in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts wieder aufgesuchten Höhensiedlungen des Jura keinesfalls die „Vorgängersiedlungen“ der späteren Castra dargestellt haben können. Im Hinblick auf die Höhensiedlungen des freien Germanien ist überdies festzuhalten, daß es auf denjenigen des Jura keinerlei Indizien für die Präsenz von Germanen gibt – ganz im Gegensatz zu den befestigten Plätzen des 4. Jahrhunderts in den Talniederungen, wo in Zusammenhang mit der Präsenz von Militär praktisch regelhaft auch germanische Funde gemacht werden.38 Die Geschichte der ersten Höhensiedlungen spätrömischer Zeit ist im Grunde genommen nichts anderes als die Fortschreibung der Geschichte 36
37
38
Meyer (wie Anm. 27) 91 f. Die Anlage ist noch nicht umfassend publiziert; zusätzliche Informationen unter: www.archaeologie.bl.ch (Ausgrabungen). Sehr ähnlich ist die Anlage des Jörgenbergs bei Waltensburg am Vorderrhein (Kt. Graubünden). Dazu zuletzt: M. Bundi/A. Carigiet/L. Högl/J. Rageth, Die Burgruinen Jörgenberg und Kropfenstein in Waltensburg. Schweizerische Kunstführer GSK 749 (Bern 2004). Anders sind die Verhältnisse auf dem Ebersberg, Gemeinde Berg am Irchel, Kt. Zürich, am Hochrhein östlich außerhalb des Jura gelegen. Germanische Funde des späten 4. und früheren 5. Jhs. dürften dort mit der Präsenz von Truppenverbänden oder Foederaten am Rheinlimes in Zusammenhang stehen. In der Nähe des Ebersbergs liegen die bemerkenswert frühen, linksrheinischen germanischen Grabfunde von Flaach, Kt. Zürich (Mitte und zweite Hälfte des 5. Jhs.): Ch. Bader/R. Windler, Eine reiche Germanin in Flaach. Archäologie der Schweiz 21, 1998, 111–124, bes. 121 f.
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entsprechender prähistorischer Anlagen: Es ging in der unsicheren Zeit des späteren 3. Jahrhunderts darum, natürliche Schutzräume aufzusuchen, wie das eine den kriegerischen Ereignissen schutzlos ausgelieferte bäuerliche Bevölkerung schon immer getan hatte. Unter diesem Aspekt erstaunt die weite Streuung der Plätze und die zuweilen schwierige Zugänglichkeit genausowenig wie das schlichte Fundmaterial oder der Umstand, daß tatsächlich sehr oft prähistorische Höhensiedlungen wiederbenutzt worden sind. Letzteres kann geradezu als Regel gelten. Auch wenn die Chronologie vielerorts noch nicht einmal ansatzweise geklärt ist, wird es häufiger so gewesen sein, daß in dieser ersten spätrömischen Nutzungsphase prähistorische Befestigungen ohne großen Aufwand übernommen wurden. Die große Zahl der im späteren 3. Jahrhundert aufgesuchten Höhensiedlungen hängt sicher damit zusammen, daß es im Tal noch keine befestigten Plätze gab. Die ersten, noch ziemlich improvisierten Befestigungen in Augusta Raurica und Basel beziehungsweise an weiteren Zentralorten weiter südwestlich entlang dem Jura sind offensichtlich als Reaktion auf diese Krisen überhaupt erst errichtet worden. Der zweite Anlaß, der erneut zum Aufsuchen einiger Höhensiedlungen führte, waren die kriegerischen Auseinandersetzungen um die Usurpation des Magnentius 350–353 n. Chr. Viele kleinere Anlagen wurden in dieser Phase offenbar nicht mehr aufgesucht, was allerdings auch mit einer Siedlungskonzentration zusammenhängen könnte, die in diesem Zeitraum generell feststellbar ist. Umgekehrt machen die Belege klar, daß die großen Befestigungsprogramme diokletianischer und konstantinischer Zeit, die hauptsächlich Zentralorte und verkehrsgeographisch wichtige Plätze betrafen, die Leute nicht daran hinderten, trotzdem wieder den Schutz der Höhe zu suchen. Das nach wie vor bescheidene Fundspektrum, die einfache Fortifikation und die fehlenden Militaria lassen auch diesmal wieder die gewöhnliche Landbevölkerung dahinter erkennen. Die letzte und größte Phase staatlich koordinierter Befestigungsmaßnahmen in valentinianischer Zeit, die sich vor allem auf den Rheinlimes und wichtige Verbindungslinien im Hinterland konzentrierte, blieb auf den Höhensiedlungen dieser Region bezeichnenderweise denn auch ohne jeden Fundniederschlag. Mit Châtel Arruffens wird im ausgehenden 4. und 5. Jahrhundert eine weitere Nutzungsphase von Höhensiedlungen faßbar, die bisher erst im geschützteren Südwesten des Jura nachweisbar ist, wo die Phasen des späteren 3. und der Mitte des 4. Jahrhunderts offenbar fehlen oder zumindest deutlich weniger gut vertreten sind. Châtel Arruffens ist womöglich kein Einzelfall im französischsprachigen Jura, und man wird den dortigen Befund an weiteren Fundplätzen überprüfen müssen. Jüngst wurde eine Anlage bei Orgelet im Département Jura entdeckt, mit offenbar ganz ähnlichem Fund-
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spektrum.39 Vom Mont-Musiège in der Haute-Savoye (F) ist zudem seit längerem eine Station bekannt, deren kleine Münzreihe bis Valentinian I. (364–367), also ebenfalls über die Mitte des 4. Jahrhunderts hinausreicht. Die Prägungen setzen dort allerdings bereits mit Postumus (259–268) ein und lassen vorläufig keine voneinander getrennten Siedlungsphasen erkennen. Die Anlage auf dem Mont Musiège unterscheidet sich zudem durch die ausgeprägte verkehrsgeographische Lage, einen gemauerten Befestigungsring sowie eine feste Innenbebauung. Auch der Reichtum an Metallfunden fehlt, weshalb dieser Höhensiedlung insgesamt regulärere Verhältnisse zugrunde liegen dürften als derjenigen von Châtel Arruffens.40 Dort weist weniger die Zeitstellung auf eine andere Nutzung hin als das Fundspektrum: Die Fülle an Münz- und Metallfunden – Werkzeug, Schmuck, Militaria – verführt zu weitgehenden Rückschlüssen auf die Präsenz von Militär, Handwerkern und ihrem Gefolge, das auch Frauen umfaßt haben soll. Diese Rückschlüsse sind indes keineswegs zwingend, denn ein Umstand macht argwöhnisch: Weil die Objekte bei regulären Ausgrabungen und nicht etwa mit Metalldetektoren gefunden wurden und auch keine Hortfunde vorliegen, muß die ungewöhnliche Menge und Qualität der Metallfunde auffallen und – damit verbunden – die Vielzahl von Handwerken, die auf dem kargen Bergrücken angeblich ausgeübt wurden. Allein der Metallwert ist viel höher, als in einer gewöhnlichen, regulär aufgelassenen Siedlung zu erwarten wäre. Doch ist diese Vorstellung realistisch? Was sollte die Handwerker in so großer Zahl dazu getrieben haben, ihrem Beruf auf einer derart schwer zugänglichen Anhöhe nachzugehen? Oder sind die Truppen, auf die hier aufgrund der Waffenfunde geschlossen wird, wirklich so viel sorgloser mit den kostbaren Materialien umgegangen als die Leute in der Ebene? Überhaupt: was hätte reguläres Militär auf diesem schwer zugänglichen Bergrücken zu suchen gehabt? Die postulierten Szenarien scheinen wenig plausibel. Wenn wir aber davon ausgehen, daß die Fundüberlieferung nicht spezieller ist als anderswo, also auch hier wie üblich nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der ursprünglich vorhandenen Metallobjekte zurückgeblieben ist, dann hätten wir mit ursprünglich enormen Mengen an Metallgegenständen zu rechnen – Mengen, die auf dem bescheidenen Bergrücken in dieser Zusammensetzung sicher nie benötigt 39
40
Für Hinweise zu diesem noch unveröffentlichten Fundplatz danke ich dem Ausgräber David Billoin, INRAP. D. Paunier, La céramique gallo-romaine de Genève. Mémoires et documents publiés par la Société d’Histoire et d’Archéologie de Genève, série in-4, t. 9 (Genève 1981) bes. 158 ff.; K. Roth-Rubi, in: Chronologie – Archäologische Daten der Schweiz. Antiqua 15 (Basel 1986) 175 f. Nr. 138.
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worden wären. Dies führt zum Schluß, daß hier nicht Gegenstände des täglichen Bedarfs faßbar werden, sondern gezielt gesammeltes Material, wahrscheinlich Beutegut. Wir formulieren deshalb die These, ungewöhnlich fundreiche, in ihrer Anlage aber auffallend bescheidene Höhensiedlungen des späten 4. und 5. Jahrhunderts in der Art von Châtel Arruffens seien keine „regulären“ Anlagen, sondern Verstecke oder ad hoc, vielleicht aber wiederholt aufgesuchte Schutzplätze von Plünderern oder marodierenden Truppen, also eigentliche „Räuberhorte“. Analog zu diesem Befund aus dem Inneren des spätrömischen Reiches sind vielleicht auch ähnliche Fundstellen in Reichsnähe zu interpretieren. Eine mit Châtel Arruffens vergleichbare Situation könnte etwa auf dem gut untersuchten Geißkopf bei Berghaupten vorliegen, wo Michael Hoeper in Anbetracht der vielen Metallfunde und Militaria und der weitgehenden Absenz von Glas und Keramik ein „germanisches Heerlager“ annimmt, das sich vielleicht nur wenig von unseren Vorstellungen unterschied.41 Die dort intensiv betriebene Verarbeitung von Buntmetall, Blei und sogar Silber beschränkt sich – wie Hoeper richtig herausstellt – auf das Einschmelzen von römischem Buntmetall (Hackbronzen, Gürtelteilen etc.). Eindeutige Halbfabrikate oder Gußformen, die auf die effektive Herstellung von Objekten hinweisen würden, fehlen.42 Auch die großen Mengen von Schmiedeschlacken belegen lediglich das Recycling von Alteisen. Verhüttet wurde auf dem Geißkopf nicht, und die Schmiedeschlacken könnten auch bei der Verarbeitung der bemerkenswert oft fragmentierten Eisengeräte zu – ebenfalls nachgewiesenen – Barren und Roheisenstücken entstanden sein. Ein weiterer Wechsel in der Nutzung von Höhensiedlungen dürfte in der letzten hier behandelten Phase in der späten Merowingerzeit stattgefunden haben. Wenn der Eindruck der noch äußerst dürftigen Quellenlage nicht täuscht, haben die in dieser Zeit aufgesuchten Stationen meistens einen Bezug zu einem zumindest kleinregional bedeutenden Herrschaftsmittelpunkt im Tal. Der Verdacht, daß die Höhen nun speziell von wohlhabenden Leuten aufgesucht wurden, mithin die Höhensiedlungen als „Residenzen“ einer Oberschicht gedient haben könnten, wird durch eine fast regelhaft zu beobachtende, überdurchschnittliche Qualität der Funde bekräftigt. Damit würde sich die Funktion der Höhensiedlungen zumin41 42
Vgl. den Beitrag von Michael Hoeper in diesem Band, S. 229 ff. Unter der großen Menge von Metallteilen gibt es eine einzige unverzierte Riemenzunge, die aufgrund von Zirkelrissen als Halbfabrikat angesprochen werden könnte. Ob sie auf dem Geißkopf entstanden oder in dieser Form dorthin gelangt ist, läßt sich unter diesen Umständen nicht entscheiden: M. Hoeper, Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Oberrhein. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 12 (Ostfildern 2003) 57 Taf. 77,C59.
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dest ansatzweise jenen „Fürstensitzen“ im freien Germanien annähern, die schon im 4./5. Jahrhundert zentralörtliche Funktionen übernommen hatten. Die enge Einbettung der Stationen in bestehende Siedlungskammern spricht in den Fällen gegen eine Deutung als „Räuberhorte“, die in Anbetracht kostbarer Einzelfunde natürlich auch möglich wäre. Der Befund steht im Gebiet der heutigen Deutschschweiz zudem nicht allein: Vom Üetliberg bei Zürich43, von Alt-Burg bei Bülach (Kt. Zürich)44, von der Heidenburg bei Seegräben-Aathal (Kt. Zürich)45 oder im churrätischen Rheintal vom Ochsenberg bei Wartau (Kt. St. Gallen)46 und vom Krüppel ob Schaan (Fürstentum Liechtenstein)47 sind ähnliche qualitätvolle Funde bezeugt. Sissach und das nahe Wittnau gelegene Frick waren Zentren nachmaliger Gaue, der Wartenberg und vielleicht auch der Üetliberg werden im 10. Jahrhundert als Residenzen des hochburgundischen Königreichs faßbar. Als Vorbild für diese frühe Form von Herrschaftssitzen könnten befestigte Höhensiedlungen wie der Odilienberg im Elsaß gedient haben, der im späteren 7. Jahrhundert zum Hauptsitz des Herzogsgeschlechts der Etichonen wurde.48 Ein anderes Vorbild könnten die rätischen sogenannten „Kirchenkastelle“ abgegeben haben, wo Funde fast regelmäßig die Präsenz einer begüterten Oberschicht belegen.49 Auch die im Tello-Testament 765 erwähnte Sala muricia auf Sagogn-Schiedberg (Kt. Graubünden) war im Besitz einer mächtigen Familie – der Zacconen/Victoriden – und entwickelte sich im Hochmittelalter zu einer Feudalburg. Die jüngste befestigte „Höhensiedlung“ der Nordwestschweiz, das im 10. Jahrhundert errichtete Liestal-Burghalden, könnte durchaus auf Verbindungen in diese Richtung hinweisen. Die architektonisch ausgeschiedene Kernburg von Burghalden kündigt indes bereits die Zeit des klassischen Burgenbaus an.
43
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45
46 47 48
49
I. Bauer u. a., Üetliberg, Uto-Kulm, Ausgrabungen 1980–1989. Berichte der Zürcher Denkmalpflege, Archäologische Monographien 9 (Zürich 1991) 205ff. R. Windler, Zur Siedlungsgeschichte der Gegend von Bülach im Frühmittelalter. Archäologie der Schweiz 13, 1990, 67–79. H.-U. Geiger, Die merowingischen Münzen in der Schweiz. Schweizerische Numismatische Rundschau 58, 1979, 83–178, bes. 121, Nr. 193. Primas u. a. (wie Anm. 1). Vgl. den Beitrag von Max Martin in diesem Band, S. 389ff. Le Mont Sainte-Odile, haut lieu de l’Alsace. Ausstellungskatalog Strasbourg 2002 (Strasbourg 2002). Primas u. a. (wie Anm. 1) 74 ff.; R. Kaiser, Churrätien im frühen Mittelalter (Basel 1998) 95 f.
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 381–387 Der Grosse Chastel Bad Lostorf © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · Newbei York
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Der Grosse Chastel bei Bad Lostorf, eine spätrömische Höhensiedlung im Solothurner Jura Christoph Philipp Matt
Die Fundstelle „Grosser Chastel“ liegt etwa 3 km nördlich von Olten in der Gemeinde Lostorf (Kt. Solothurn) abseits aller Verkehrswege in einem eigentlichen Rückzugsgebiet. Entdeckt wurde sie 1911 auf einem 714 m hohen Bergsporn, geriet erst in Vergessenheit und wurde dann aber 1937 durch den Oltner Amateurarchäologen Theodor Schweizer ausgegraben (Abb. 1). Dieser barg zwar viele Funde prähistorischer, frühmittelalterlicher und vor allem römischer Zeitstellung, aber interpretierbare Befunde zur Art der Besiedlung fand er in der dünnen, über dem Jurakalk liegenden Waldhumusschicht nicht – Wurzelbewuchs und Baumfall haben offenbar gründliche Arbeit geleistet. Es kamen auch keine Mauerfundamente zum Vorschein. Die Fundstelle wurde 1987 und 1993 umfassend veröffentlicht, so daß im Folgenden eine knappe und summarische Darstellung genügen darf.1 Wir verzichten deshalb auf eine Fund-/Befundvorlage und verweisen auf die Publikationen. Diese Zeilen entsprechen nicht dem Vortragsresumée, sondern versuchen, über die Zusammenfassung hinaus auf Diskussionsbeiträge einzugehen. – Generell sei festgehalten, daß wir die Fundstelle als zivile Höhensiedlung interpretieren, die in den unruhigen Zeiten des 3. Jahrhunderts vorübergehend angelegt worden ist. Potentielle Besiedler dieser maximal 70 × 30 m messenden, heute bewaldeten und einigermaßen ebenen, etwa dreieckigen Hochfläche (Abb. 2) waren Leute aus Gutshäusern der näheren Umgebung; im speziellen kommt dafür eine im Umfeld der Lostorfer Kirche liegende römischen Villa in Frage. Die besten Datierungshinweise liefern 43 Münzen. Die zerstreute Fundlage schließt eine Interpretation als Hort aus; es ist davon auszugehen, daß 1
Ch. Ph. Matt (mit Beiträgen von S. Frey, P. Gutzwiller, H. Schneider und W. B. Stern), Der Grosse Chastel bei Bad Lostorf, ein spätrömisches Refugium im Solothurner Jura. Archäologie des Kantons Solothurn 5, 1987, 67–155; S. Frey-Kupper, Spätere Münzfundmeldung (Streufunde vom Grossen Chastel). Archäologie des Kantons Solothurn 8, 1993, 126 f. (Sest./Ant. von Hadrian, 134–138 n. Chr., bis Tetricus I., nach 270 n. Chr.).
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Christoph Philipp Matt
Abb. 1. Planskizze des Grossen Chastels mit der Lokalisierung der Sondierschnitte, der Befunde und der Fundkonzentrationen. Grundlage: Grabungsunterlagen April 1937.
die Münzen bei der Begehung des Berges verlorengegangen sind. Das Schwergewicht der Münzreihe liegt im dritten Viertel des 3. Jahrhunderts. Aus dem 2. Jahrhundert stammen drei Münzen (Hadrian, Mark Aurel, Commodus, jeweils deutlich bis sehr stark abgenutzt). Des weiteren liegen vor: aus dem ersten Viertel des 3. Jahrhunderts: eine Münze (Severus Alexander, abgenutzt); aus dem zweiten Viertel des 3. Jahrhunderts: drei Münzen (Gordian III. und zwei unbestimmte); aus dem dritten Viertel des 3. Jahrhunderts: 35 Münzen (Antoniniane insbesondere des Gallien, Claudius Gothicus und Tetricus, jüngste Münze dieser Serie: Tacitus 275/76); aus dem vierten Viertel des 3. Jahrhunderts: keine Münzen; Schlußmünze: ein Follis des Diokletian und Maximian für Galerius (300–303 n. Chr.). Die älteren Funde, vor allem die Aes-Nominale des 2. und früheren 3. Jahrhunderts, sind typisch für den Geldumlauf der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts und sind kein Beleg für eine Begehung des Ortes in dieser Zeit.2 Die 2
Frey in Matt (wie Anm. 1) 88; Frey-Kupper (wie Anm. 1) 127. – Im gleichen Sinne P. Markus, IV. Die Fundmünzen. In: P.-A. Schwarz, Die spätlatènezeitliche und spätrömische Höhensiedlung auf dem Mont Terri (Cornol JU). Basler Beiträge zur Archäologie 13 (Derendingen 1993) 72.
Der Grosse Chastel bei Bad Lostorf
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Abb. 2. Blick auf die nordwestliche Ecke des Grossen Chastels vom Vorgelände aus (Foto Ch. Matt aus dem Jahre 1979).
Schlußmünze des frühen 4. Jahrhunderts folgt als Nachzügler scheinbar etwas „abgehängt“ von der übrigen Münzreihe. Auf die vorausgehende numismatische „Lücke“ kommen wir zurück. Zum übrigen Fundgut: Die römische Geschirrkeramik gehört – soweit genauer bestimmbar – dem 3. Jahrhundert an (sehr wenig Terra sigillata, etwas Glas; alle Funde sind kleinteilig zerscherbt). Eine größere Anzahl von Metallfunden sind als Trachtbestandteile, Pferdezubehör, Werkzeug und Baueisen zu interpretieren. Weiter kommen ein oder zwei Pfeilspitzen hinzu. Die Gesamtzahl aller römerzeitlichen Funde (ohne Münzen, Schlacken und zahlreiche Eisennägel) beträgt 309 Katalognummern. Einige figürliche Fragmente gehören zu drei Pfeifentonstatuetten (zwei Veneres, eine Muttergottheit in Korbstuhl sitzend mit Inschrift [P]istillu[s]). Weitere fünf kleine/kleinste Fragmente gleichartiger Figuren können vom Chastel oder (eher!) von der nahe gelegenen mittelalterlichen Burgruine Frohburg (Trimbach, Kt. Solothurn) erwähnt werden.3 Auch eine große Menge von Eisen3
P. Gutzwiller, Das vormittelalterliche Fundgut vom Areal der Frohburg bei Trimbach/SO. Mit einem Beitrag über Fundmünzen von S. Frey-Kupper (Basel 1989).
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nägeln ist zum Vorschein gekommen (über 400 Stück). Sie geben zweifellos einen Hinweis auf Holzbauten. So wurden sie auch in vergleichbaren Höhensiedlungen in größeren Mengen gefunden und dahingehend interpretiert, zum Beispiel auf dem Mont Terri4 oder dem Wittnauer Horn.5 Zusammen mit Werkzeugfunden und einer unbekannten Menge von (Schmiede-?)Schlacken passen sie ins Fundspektrum einer Höhensiedlung. Die Deutung der Fundstelle wird durch fehlende Befunde nicht eben erleichtert. Die abgeschiedene, erhöhte und natürlich befestigte Lage sowie einzelne Funde begünstigten in den 1930er Jahren zwei kontroverse Interpretationen: Römischer Wachtturm (Th. Schweizer) oder gallorömisches Höhenheiligtum (R. Laur-Belart, Ausgräber von Vindonissa und Augst und späterer Professor der Ur- und Frühgeschichte)? – Die im Jahre 1979 erfolgte Aufarbeitung in Form einer 1987 publizierten Lizentiatsarbeit versuchte diese Frage mittels einer kritischen Analyse bezüglich Datierung und Funktion des Fundmaterials zu lösen. Ein Wachtturm wurde ebenso wenig wie ein Tempel gefunden. Werkzeug- und Waffenfunde legen eine profane Deutung nahe. Von den Funden haben einzig die Pfeifentonstatuetten einen sakralen Charakter. Bisher wurden die Pistillusprodukte relativ früh datiert (um die Wende zum 2. Jahrhundert). Damit ergab sich eine schwierig zu deutende zeitliche Diskrepanz zum „Hauptharst“ der Funde im 3. Jahrhundert. Der Fund stand zeitlich etwas isoliert da – ein Indiz für ein Höhenheiligtum? Nachdem die Frühdatierung dank neuerer Untersuchungen aber nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, entfällt diese Diskrepanz.6 Außerdem sind die drei Pfeifentonstatuetten als Beweis für ein Höhenheiligtum zu dürftig, zumal das übrige Fundmaterial normalen Siedlungsfunden entspricht, die sich gemäß Münzbild zudem auf die Zeit der Alamanneneinfälle und die unruhige Zeit danach konzentrieren (Funde, die zwingend bzw. ausschließlich ins 2. oder 4. Jahrhundert zu datieren sind, fehlen). Vielmehr denke ich an eine Höhensiedlung, an einen in Krisenzeiten benützten Rückzugsort für die in der Nähe wohnende Bevölkerung. Spuren von Gutshöfen sind in und um Lostorf denn auch bekannt. Statuetten lassen sich somit unschwer als vom häuslichen Lararium mitgenommene Figuren interpretieren. Gerade in Notzeiten wird man die häuslichen Schutzgottheiten kaum zurückgelassen 4 5
6
Schwarz (wie Anm. 2) 45, 53f. G. Bersu, Das Wittnauer Horn. Monographien zur Ur- und Frühgeschichte der Schweiz 4 (Basel 1945) 89; L. Berger u. a., Sondierungen auf dem Wittnauer Horn 1980–1982. Basler Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 14 (Derendingen 1996) 48–50 (es ist von einem regelrechten „Nagelhorizont“ die Rede!). Nach neueren Forschungsergebnissen datieren die Statuetten ins „spätere[s] 2. und frühere[s] 3. Jh.“: V. v. Gonzenbach, Römische Terrakotten in der Schweiz A (Bern 1995) 366f.
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haben. Und solche Götterfiguren konnten durchaus langlebig sein.7 Jedenfalls halte ich unter den gegebenen Umständen die Deutung als zeitlich befristete Höhensiedlung für weniger spekulativ als diejenige eines Höhenheiligtums. – Weihegaben wie eine kleine Psychestatuette und ein schuppenförmiges Edelmetallblech wurden auch auf dem Wittnauer Horn gefunden, ohne daß dort je ein Heiligtum postuliert worden wäre.8 Auch vom bereits erwähnten, „tempelfreien“ Mont Terri ist das Gewandfaltenfragment einer Terrakotte vom „Typus Ehepaar, Frau oder Göttin“ bekannt.9 Zum „Fehlen“ von Münzen aus dem letzten Viertel des 3. Jahrhunderts: Die der Schlußmünze (300–303 n. Chr.) vorausgehende Münzgruppe bildet wie erwähnt die Hauptmenge. Die Prägungen stammen von den offiziellen Kaisern Gallienus (260–268 n. Chr.) und Claudius Gothicus (268–270 n. Chr.), Aurelian (270–275 n. Chr.) und Tacitus (275–276 n. Chr.) sowie von den Kaisern des gallischen Sonderreiches, namentlich der beiden Tetrici (271–274 n. Chr.). Dazu kommen eine Konsekrations-Prägung für Claudius Gothicus und zwei Gußmünzen aus Blei. Bei den meisten Tetricus-Münzen und bei der DIVO CLAVDIO-Prägung handelt es sich um irreguläre Produkte, deren Umlauf und sogar Herstellung über das dritte Viertel des 3. Jahrhunderts hinausreicht. Interessant sind auch die gegossenen Exemplare aus Blei, ebenfalls inoffizielle Münzen. Das gesamte Münzspektrum ist typisch für den Geldumlauf in Siedlungen, die ohne Unterbruch bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. weiter bestehen. Daß Antoniniane der offiziellen Kaiser nach 275/276 n. Chr. fehlen, ist ebenso charakteristisch und hat geldgeschichtliche Gründe: Die guten silberhaltigen Antoniniane sind in Siedlungsfunden nämlich allgemein selten, da sie durch Horten oder Einschmelzen dem Geldverkehr entzogen wurden.10 In diesem Sinne paßt die Münzreihe des Grossen Chastels durchaus ins übliche Bild von Siedlungsfunden aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr., die Fundleere im letzten Jahrhundertviertel ist nur eine scheinbare Lücke.
7
8 9 10
A. Kaufmann-Heinimann, Götter und Lararien aus Augusta Raurica. Forschungen in Augst 26 (Augst 1998) 182 f. Bersu (wie Anm. 5) 89 Taf. 34,7.13. Schwarz (wie Anm. 2) 49–51, 116 Taf. 11,269. Auf die Fortdauer des Umlaufs und der Produktion irregulärer Antoniniane wurde bereits in der Publikation der Münzen vom Grossen Chastel hingewiesen. Seither wurde das Phänomen vertieft vgl. H. Brem/S. Frey-Kupper/B. Hedinger/F. E. Koenig/ M. Peter, A la recherche des monnaies „perdues“. Zum Münzumlauf im späteren 3. Jh. n. Chr. Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 79, 1996, 209–215, bes. 212.
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Ein anderes Bild bieten dagegen einige Tempel, in denen die „guten“ Antoniniane, die auf dem Grossen Chastel für die Zeit nach 276 n. Chr. fehlen, zahlreich gefunden wurden. Etwa 20 km nordwestlich von Lostorf liegt das gallorömische Vierecktempelchen Pratteln-Schauenburgerfluh (Kt. Basel-Land). Seine 114 römischen Münzen datieren von der Mitte des 1. Jahrhunderts (Claudius) bis in die Zeit vor der Diokletianischen Münzreform (293/95). Darunter befinden sich Antoniniane von Gallien, Claudius Gothicus, Victorinus, Aurelian, Probus, Carus bis Diokletian, Maximian und Constantius I. Wie die starke Präsenz der „guten“ Antoniniane zu interpretieren ist, bleibt noch zu untersuchen. Dasselbe gilt auch für den Tempel 6 aus Thun-Allmendingen (Kt. Bern) und den Tempel im Gutshof von Dietikon (Kt. Zürich).11 Sofern man auf dem Chastel einen Tempel postulieren wollte, wäre zu erklären, weshalb für diesen Zeitraum gerade auf dem Chastel Münzen fehlen sollten, es sei denn, man nähme ein individuelles Schicksal des Lostorfer „Tempels“ an. Doch dann wäre auch zu erklären, weshalb er nach Ausweis der Funde ausgerechnet und ausschließlich in den Unruhezeiten des 3. Jahrhunderts bestanden haben sollte. Aufschlußreich ist auch die nützliche Zusammenstellung der Belegungsdauer gallorömischer Vierecktempel von Hedinger, die für keinen einzigen Tempel eine so kurze Belegungszeit aufführt.12 Wie die Schlußmünze und die angebliche oder eben wirkliche „Münzlücke“ letztlich zu erklären ist, bleibt offen.13 Während der Tagung wurde an der Interpretation als Höhensiedlung Kritik geäußert und die Frage aufgeworfen, ob aufgrund der Statuetten und der frühen Münzen die Deutung als Höhenheiligtum nicht doch vorzuziehen sei. Weder die Statuetten noch die Münzen überzeugen unseres Erachtens als Beweis für die Tempeltheorie (s.o.). Solange keine aussagekräftigen archäologischen Befunde vorliegen, gibt es keinen Grund, einen Tempel zu postulieren. Natürlich können dem damaligen Ausgräber (Th. Schweizer) punktuelle Befunde entgangen sein, und selbstverständlich darf man sich auch der Hoffnung hingeben, daß neue Ausgrabungen mehr Klarheit bringen. 11
12
13
S. Frey-Kupper, Fundmünzen aus dem östlichen Tempelchen. In: P. Suter u. a., Meikirch. Villa romana, Gräber und Kirche. Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern (Bern 2004) 71 (mit Zitaten zur Schauenburger Fluh und zu Thun-Allmendingen). – Dietikon: B. Hedinger, Münzen. In: Ch. Ebnöther, Der römische Gutshof in Dietikon. Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 25 (Zürich, Egg 1995) 194. Hedinger (wie Anm. 11) 190–193. Der in Abb. 271 angeführte, in die „Mitte 3. Jh.“ datierte Tempel von Kaiseraugst bezieht sich auf eine Münze des Gallien. – Das Kybeleheiligtum existierte vom späteren 2. Jh. bis in die Zeit um 260/80. E. Riha, Der gallorömische Tempel auf der Flühweghalde bei Augst. Augster Museumshefte 3 (Augst 1980) 31, 55, 61. Ich danke S. Frey-Kupper herzlich für ihre wertvollen numismatischen Hinweise. Die numismatischen Abschnitte in diesem Artikel basieren auf ihren Angaben.
Der Grosse Chastel bei Bad Lostorf
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Eine weitere Frage in der Diskussion galt dem Alter der kaum präzise datierbaren Eisengeräte und Schlacken. Sollten sie auch in nicht-römische Epochen datiert und somit gewissermaßen ausgelagert werden können, so würden der „Höhensiedlungstheorie“ allenfalls Argumente entzogen und die „Tempeltheorie“ entsprechend gestärkt. Dieser Einwand wäre zu beachten, wenn die in Frage kommenden nicht-römischen Epochen gut belegt wären. In die Hallstattzeit datieren jedoch lediglich einige Keramikfunde (Ha B2 bis Ha C/D), und an nachrömischen Objekten liegen nur fünf hoch- bzw. spätmittelalterliche und neuzeitliche Objekte vor. Da eine Datierung der Metallfunde in die Hallstattzeit ohnehin kaum anzunehmen ist, stünden den fünf sicher mittelalterlich/neuzeitlichen Funden somit rund 350 Katalognummern (Münzen und Funde), zusätzlich über 400 nicht einzeln katalogisierte Nägel und eine unbekannte Menge Schlacke gegenüber – zu wenig, um methodisch haltbar die vielen Funde umdatieren zu dürfen. Fazit: Es sprechen mehr Argumente gegen als für die Interpretation als Höhenheiligtum. Unter den gegebenen Umständen halten wir den „Grossen Chastel“ nach wie vor für eine im 3. Jahrhundert begangene Höhensiedlung.
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Christoph Philipp Matt
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 389–425 Höhensiedlungen der Raetia I und © Copyright 2008 Walter de Gruyterin· Berlin · New YorkMaxima Sequanorum
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Höhensiedlungen der Spätantike und des frühen Mittelalters in der Raetia I und in angrenzenden Gebieten der Maxima Sequanorum Max Martin
1. Untersuchungsgebiet Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich über die spätrömische Provinz Raetia I und angrenzende Gebiete der ebenfalls erst in der Spätantike eingerichteten Provinz Maxima Sequanorum. Geographisch umfaßt es demnach in erster Linie das sich in viele Täler auffächernde Einzugsgebiet des in den Bodensee mündenden Alpenrheins und des oberen Inns einerseits sowie das Gebiet der zwischen Bodensee und Zürichsee zum Hochrhein entwässernden Flüsse Sitter, Thur, Töss und Limmat andererseits. Im Norden bildeten seit dem Fall des Obergermanisch-rätischen Limes in den Jahren um und nach 260 der Bodensee und der nach Westen anschließende Abschnitt des Hochrheins einen Teil der spätrömischen Reichsgrenze. Sie war durch mehrere Kastelle und Wachttürme militärisch massiv befestigt, von Bregenz (Brigantium; Abb. 2 Br) am oberen Ende des Bodensees über Arbon (Arbor felix) und Eschenz (Tasgetium) bis nach Zurzach (Tenedo) im Westen. Vergegenwärtigt man sich zunächst die wichtigsten Zentralorte der Provinz Raetia I und deren Topographie, so läßt sich bereits hier ein wichtiges Charakteristikum des Themas ‚Höhensiedlung‘ ansprechen: Sowohl in Chur (Curia; Abb. 1 und 2), dem Provinzhauptort, wie auch in Bregenz (Brigantium; Abb. 2 Br) und Bellinzona (Bilitio; Abb. 2 Bi)1 gehört zur verkehrs- und siedlungsgünstigen Lage auch ein verteidigungsgünstiger Platz, stets in Form einer markanten Höhe: So wie man sich in der späten Römerzeit in Bregenz schwerpunktmäßig auf die sogenannte „Oberstadt“ zurückzog,2 so verlagerte 1
2
W. Meyer, Das Castel Grande in Bellinzona. Bericht über die Ausgrabungen und Bauuntersuchungen von 1967. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 3 (Olten, Freiburg im Br. 1967). M. Konrad, Das römische Gräberfeld von Bregenz-Brigantium I. Die Körpergräber des 3. bis 5. Jahrhunderts. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 51 (München 1997) 19, 180 f. und Abb. 2.
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Max Martin
Abb. 1. Chur GR. Ansicht der Stadt aus der „Topographia Helvetica“ des Matthaeus Merian von 1642. In A, B und C der „Hof “, eine auf einem Geländesporn gelegene, in die Spätantike zurückreichende befestigte Anlage mit Verwaltungszentrum und Bischofskathedrale (nach Martin/Schaer 2000, Abb. S. 69).
sich in Chur das Zentrum der Siedlung auf den sogenannten „Hof“, einen Felskopf, auf dem das spätrömische Kastell stand (Abb. 1).3 Daß daneben auch Talsiedlungen – in Chur das sogenannte „Welschdörfli“4 – wegen ihrer bequemeren Zugänglichkeit nie ganz aufgegeben wurden, kann nicht überraschen.
2. Quellenlage und Forschungsstand Höhensiedlungen sind – bis auf Ausnahmen – nicht so oft wie andere Siedlungsformen durch moderne Bautätigkeit in ihrem Bestand bedroht. Im Gebiet der Raetia I ist die Höhensiedlung eine der häufigsten Siedlungsfor3
4
Vgl. jetzt, mit weiterer Literatur, u. a. Martin-Kilcher/Schaer 2000, 67–70 und Gairhos 2000, Abb. 1 und 2. Vgl. die Zusammenstellung der einzelnen Fundstellen bei Rageth 2004, 45–51.
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Abb. 2. Karte der spätrömischen bzw. frühmittelalterlichen Höhensiedlungen in der Raetia I und angrenzenden Gebieten der Maxima Sequanorum (ohne gänzlich unsichere Plätze). Vgl. die Liste im Anhang; Bi = Bellinzona; Br = Bregenz (nach Overbeck 1982, abgeändert und ergänzt).
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men der Römerzeit, da im inneralpinen Bereich, vom breiten Alpenrheintal unterhalb von Chur abgesehen, die typischen villae rusticae offenbar fehlen.5 Dementsprechend hat sich hier das auf die römische Epoche gerichtete archäologische Interesse immer wieder und schon früh jenen hoch gelegenen Fundplätzen zugewandt. Trotzdem sind nur wenige davon befriedigend dokumentiert oder publiziert. Zudem erfordert eine Untersuchung, die aussagekräftige Resultate erbringen soll, eine umfangreiche Freilegung des nicht selten schwer zugänglichen Objekts. In der Maxima Sequanorum mit ihrem vielfältigeren und zudem stärker bedrohten Quellenbestand aus römischer Zeit spielt die Erforschung der Höhensiedlungen eine bescheidenere Rolle und ist zum Teil ein ‚Nebenprodukt‘ anderweitiger archäologischer Tätigkeiten.
3. Datierung Bei nur punktuell oder partiell bekannten Höhensiedlungen – sie sind deutlich in der Mehrzahl – ist eine zeitliche Bestimmung der mit den Plätzen einst verbundenen menschlichen Tätigkeiten, was deren Beginn, Dauer, Unterbruch und Ende angeht, nur selten annähernd genau bestimmbar. Schichtfolgen mit wenigstens relativchronologisch datierbaren geschlossenen Fundkomplexen sind praktisch unbekannt. Das sonst als Leitfossil dienende Tongeschirr ist oft nur spärlich vorhanden: Entweder wurde Eßgeschirr seit der Spätantike häufig durch Holzgefäße ersetzt oder Kochgeschirr, vorab im alpinen Bereich, von Gefäßen aus Lavez (Speckstein, pietra ollare) abgelöst. Einzelne genauere Datierungen ergeben sich durch (in der Regel nur fragmentarisch überlieferte) mediterrane Keramik, die als importiertes Eßgeschirr von einigen Plätzen vorliegt. Was die Münzen und deren chronologische Aussagemöglichkeiten betrifft, so ist vorweg zu bedenken, daß die Emissionen des 3. und 4. Jahrhunderts zwar meist kurze und exakte Prägezeiten liefern, aber der betreffende Zeitraum keineswegs a priori auch der Verlustzeit der Münze entsprechen muß, die unter Umständen beträchtlich später liegen kann. Etwas mehr Sicherheit geben Münzserien und Münzreihen, entweder einer Siedlung oder eines Münzhortes. Allerdings läßt sich gerade die Münzreihe eines spätantiken Siedlungsplatzes, die in den Jahren vor und um 400 endet, in unserem Gebiet nicht zur Festlegung des Benutzungsendes des Platzes ver5
Rageth 1986, 105; Martin-Kilcher/Schaer 2000, 72. – Die bei Rageth 2004 aufgelisteten und in Karte 1 eingetragenen „römischen Siedlungen“ Graubündens sind nicht nach ihrer Lage (Talsohle, Terrasse, Kuppe usw.) differenziert.
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werten, da seit jenen Jahren keine neuen Kupferprägungen mehr in die Gebiete nordwärts der Alpen gelangten und deshalb vorhandene Prägungen des 4. Jahrhunderts sehr wohl während einer nicht anhand der Münzen bestimmbaren Zeitspanne weiter umliefen.
4. Fundplätze Im folgenden werden die wichtigsten Fundplätze des Untersuchungsgebiets mit ihren aussagekräftigen Befunden und auswertbaren Funden vorgestellt; einige fragliche, aber derzeit kaum dokumentierte Fundstellen werden nicht berücksichtigt. Dabei wird, soweit möglich, eine chronologische Reihung angestrebt, jedenfalls was das Ende der Anlagen betrifft: Begonnen wird mit denjenigen Plätzen, die – beim jetzigen Forschungsstand – als erste und früheste wieder aufgelassen wurden. Die Besprechung endet mit denjenigen Plätzen, die als späteste, im Laufe des frühen Mittelalters oder noch später, aufgegeben wurden. Dieses Vorgehen bietet sich an, weil der Nutzungs- oder Siedlungsbeginn eines Großteils der Plätze anscheinend fast überall etwa in dieselbe Zeit, nämlich das spätere 3. Jahrhundert, fällt. Bei diesem Vorgehen ergibt sich zugleich eine geographische Aufteilung des Untersuchungsgebiets.
4.1. Ostschweiz und unteres Alpenrheintal 4.1.1. Erste Höhensiedlungen und frühe Münzhorte der Jahre um 270 und 285 Einer ersten Gruppe früher Höhensiedlungen gehören drei Plätze in der Maxima Sequanorum an:6 Bülach-„Alte Burg“ ZH [1]7, Baar-„Baarburg“ ZG [3] und Weinfelden-„Thurberg“ TG [4]. Alle drei haben neben wenigen Metall- und Keramikfunden eine bescheidene Reihe von 14–16 Münzen des 1./2. bis 3. Jahrhunderts geliefert, deren jüngste vornehmlich (zu 47 % bis 86 %) dem Zeitraum von 259/60 bis 270/75 (t. p. 260/68?, 270, 271) angehören. Es sind dies unter den einigermaßen auswertbaren Münzreihen von Höhensiedlungen des Untersuchungsraums jene, die am frühesten en-
6 7
Zugehörig vermutlich die Plätze [2] und [5]. Nummern in eckigen Klammern verweisen auf die Karte Abb. 2 und die Liste der Fundplätze im Anhang. – Abkürzungen der Kantone sind wie folgt aufzulösen: GR = Graubünden; SG = St. Gallen; TG = Thurgau; ZG = Zug; ZH = Zürich. – Mit FL wird das Fürstentum Liechtenstein bezeichnet.
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den. Einen ähnlichen Befund liefern aus unserem Untersuchungsgebiet die Münzhorte: Nach einem völligen Ausbleiben dieser Fundkategorie seit augusteischer Zeit (!) – von einer Ausnahme abgesehen8 – kennen wir als älteste zwei Horte aus Oberriet SG und Vättis SG, beide im unteren Alpenrheintal, die dank ihres Umfangs (831 bzw. 786 Exemplare) einen sicheren t. p. 270 aufweisen.9 Nicht nur die genannten Höhensiedlungen, sondern auch das Wiedereinsetzen von Münzhorten – nach jahrhundertelanger Pause – weisen für die Maxima Sequanorum und die Raetia I auf die Jahre um 260/70 als Beginn unsicherer Zeiten und der Einrichtung von Refugien hin. Unter den zeitlich nachfolgenden Horten im Untersuchungsgebiet findet sich, nebst dem Münzhort mit gut 200 Antoninianen (t. p. 285) von Balgach SG im Rheintal,10 ein weiterer mit etwa gleichem t. p., der auf der Höhensiedlung „Das Lutzengüetle“ [10], Gem. Gamprin/FL, zum Vorschein kam (t. p. ca. 285, zum Teil verbrannt!).11 Der „Lutzengüetlekopf “, ein Plateau von etwa 60 × 35 m, ist von einer (primär wohl prähistorischen) Befestigung aus Trockenmauerwerk umgeben und weist zwei gemauerte, römerzeitliche Gebäude auf. An Funden sind neben den Münzen nur zwei Lanzenspitzen und eine Ringfibel vorhanden, die nicht zwingend jünger als der Hort zu datieren sind. Ein weiterer, leider zu früh erforschter Platz ist die „Heidenburg“ bei Göfis [7] (Abb. 3), wie das „Lutzengüetle“ östlich des unteren Alpenrheins gelegen. Die „Heidenburg“ ist ein markanter, etwa 200 m langer und etwa 40 m breiter Bergsporn, der mit einer wiederum vermutlich auf prähistorische Zeit zurückgehenden Umfassungsmauer versehen war. Im Südteil standen ein mächtiger Turm und mehrere, vielleicht an die Befestigungsmauer angebaute rechteckige Räume von zusammen 31 m Länge, die laut zugehörigen Fundschichten der späten Römerzeit angehören dürften; die drei voneinander merklich abweichenden Pläne aus den Jahren 1861, 1906 und 1917 (Abb. 3) sind allerdings nicht gerade vertrauenerweckend. Bei der „Heidenburg“ ist nach Ausweis der römerzeitlichen Funde, im Unterschied zu den bisher genannten Plätzen, nicht nur an eine temporäre Nutzung der Anlage im späten 3. Jahrhundert, sondern auch an eine weitere Benützung im 4. Jahrhundert zu denken. Vorhanden sind fünf Mün-
8
9 10 11
Einzige Ausnahme ist der bereits 1868 gemachte Fund von Lauterach: Overbeck 1973, Nr. 25 (47 bzw. 51 Denare, t. p. 214). Overbeck 1973, Nr. 51 (Oberriet) und Nr. 60 (Vättis). Overbeck 1973, Nr. 40. Overbeck 1973, Nr. 72 (und z. T. auch 71?)
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Abb. 3. Göfis-„Heidenburg“ (Vorarlberg). Pläne von 1861, 1906 und 1917 (nach Hild 1940).
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Abb. 4. Göfis-„Heidenburg“ (Vorarlberg). Keramikfragmente, Tonlampe, Lavezbecher (nach Overbeck 1982).
zen, die zwischen 259/268 und 282 datieren. Der übrige Fundstoff, bestehend aus Randscherben von Argonnensigillata, innen glasierten Kragenrandschüsseln und Lavezgeschirr sowie dem Fragment einer nordafrikanischen Tonlampe, ist jünger als die Münzen und verweist wohl auf eine spätere „Besiedlung“ des befestigten Platzes um oder nach der Mitte des 4. Jahrhunderts (Abb. 4). Alle weiteren Plätze, die im folgenden vorgestellt werden, haben – wie die eben angeführte „Heidenburg“ bei Göfis – neben (oder anstelle von) Funden des 3. Jahrhunderts (auch) solche des 4. Jahrhunderts und zum Teil aus noch späterer Zeit geliefert. Die Frage, ob dabei Fundstücke des 3. Jahrhunderts von einer ersten, eher temporären Nutzung zeugen oder ob sie etwa erst zusammen mit jüngeren Objekten im 4. Jahrhundert in die jeweilige Höhensiedlung gelangten, ist wegen der Spärlichkeit des Fundstoffs kaum zu entscheiden; allenfalls könnten gut bestückte Münzreihen in dieser Frage weiterhelfen. 4.1.2. Die Höhensiedlung „Auf Krüppel“ bei Schaan [11] und weitere Plätze des 4. Jahrhunderts Einige Höhensiedlungen – übrigens auch Siedlungsplätze im Tal – wurden nach Ausweis ihrer Fundmünzen und des übrigen Fundstoffs, insbesondere
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auch mehrerer Münzhorte,12 im Laufe des drei Jahre dauernden Bürgerkriegs, der im Jahre 350 zwischen dem Usurpator Magnentius (350–353) und dem rechtmäßigen Kaiser Constantius II (337–363) ausbrach, zerstört oder aufgelassen und in der Regel nicht mehr wiederbenutzt.13 Zu dieser Gruppe gehört auch die Höhensiedlung „Auf Krüppel“ bei Schaan [11], die am besten untersuchte und veröffentlichte des gesamten Untersuchungsraums. Im Falle von Schaan kennen wir im Tal selbst ein „klassisches“ spätrömisches Kastell von ca. 60 × 60 m Größe, mit quadratischen Türmen und einem Torturm in der Mitte der Nordmauer.14 Nach seinen Funden, darunter viel Ton- und Lavezgeschirr, wenigen Münzen und einigen Bestandteilen von Militärgürteln, wurde die Anlage in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts erbaut – ob als ‚Ersatz‘ für die aufgegebene Höhensiedlung, wie vermutet wurde, scheint mir allerdings angesichts des Kastellbads und der militärischen Funde fraglich. Die Höhensiedlung „Auf Krüppel“ lag 2 km weiter östlich, fast 400 m über dem Talboden (Abb. 5). Rings um die Hügelkuppe mit ihrem etwa 60 × 30 m großen Plateau verläuft eine teilweise gemörtelte Befestigungsmauer. Im Innern standen zwei rechteckige Bauten, von denen der südliche solid gemörtelt war und zwei aufeinanderfolgende Böden mit jeweils einer Feuerstelle aufwies. Die vergleichsweise reichhaltigen Funde stammen teilweise aus den Bauten I und II. Westlich von Bau II lagen in einer Kulturschicht zahlreiche Fundstücke, unter anderem 126 Kupfermünzen, wovon ca. zehn dem 3. und über 100 dem 4. Jahrhundert angehören (t. p. 350). Da die Münzen des 3. Jahrhunderts bereits um 270/75 enden und die des 4. Jahrhunderts sich – mit einer Ausnahme (Prägung von 317/20) – auf nur zwanzig Jahre von 330/35 bis 352/54 konzentrieren, nahm bereits H.-J. Kellner, der Bearbeiter der Kleinfunde, für den „Krüppel“ zu Recht zwei getrennte Benutzungsphasen an; dabei interpretierte er die jüngere Gruppe von Münzen mit t. p. 351 als sekundär verstreuten Münzhort.15 Im Vergleich zu den Metallfunden ist Keramik, darunter Sigillata und Gebrauchskeramik, relativ wenig vorhanden (Abb. 6). Auffallend ist etwa das Fragment einer Zwiebelknopffibel des Typs 5 aus Bronzeblech, die man 12
13
14 15
Overbeck 1982, 212 ff.; W. Drack/R. Fellmann, Die Römer in der Schweiz (Stuttgart, Jona SG 1988) 290 und Abb. 283; M. Peter, Geldwirtschaft – die Neuerung der römischen Zeit. In: L. Flutsch u. a. (Hrsg.), SPM – Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter Bd. 5. Römische Zeit (Basel 2002) 180–186, hier 186. Zu gleichen Befunden in der westlichen Maxima Sequanorum und weiter westlich vgl. in diesem Band den Beitrag von R. Marti S. 341 ff. Vgl. Beck 1957 und Ettlinger 1959. – Weitere Berichte zitiert bei Overbeck 1982. Kellner 1965, 70 f.
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Abb. 5. Schaan-„Auf Krüppel“ FL. Plan der Ausgrabungen (nach Kellner 1965).
frühestens in die Mitte des 4. Jahrhunderts setzen kann.16 Auffällig ist auch unter den wenigen abgebildeten Fragmenten des Tongeschirrs die Bodenscherbe einer importierten Schale aus sigillata chiara, die sicher der Zeit nach 400 angehört.17 Dazu paßt, daß auch eine große gerippte Glasperle (rot, mit gelben Augen) ihre Gegenstücke erst in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts und später findet (Abb. 6 unten). Es ist demnach anzunehmen, daß der Platz noch nach der Mitte des 4. Jahrhunderts – vielleicht auch erst im 5. Jahrhundert und später – sporadisch aufgesucht wurde. Solchen temporären (?) und noch späteren Aufenthalten wird man auch den frühmittelalterlichen Sporn aus Eisen zurechnen müssen (Abb. 6 unten) sowie mehr als 60 fragmentierte Beinbeschläge vermutlich eines Kästchens, 16
17
Vgl. Ph. M. Pröttel, Zur Chronologie der Zwiebelknopffibeln. Jahrbuch RGZM 35, 1988 (1991) 347–372, bes. 364 ff. Kellner 1965, Abb. 4,7 und Taf. 1.
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Abb. 6. Schaan-„Auf Krüppel“ FL. Kleinfunde (vgl. Text) (nach Kellner 1965).
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die man dem 7./8. Jahrhundert zuweisen möchte.18 Sporn und Beinplättchen stammen im übrigen aus Bau I, ebenso die gerippte Perle. Erwähnenswert ist auch ein Feuerstahl germanischer Form (!) (Abb. 6 unten), wie er in spätrömischen Grabfunden der Raetia II auftritt.19 4.1.3. Die befestigte frühmittelalterliche Siedlung auf dem „Ochsenberg“ bei Wartau SG [14] Eine Ausnahme unter den bisher besprochenen Plätzen scheint Wartau„Ochsenberg“ SG [14] zu bilden. Dieser Platz, noch unterhalb der Talenge von Balzers-„Gutenberg“ [12], aber westlich des Rheins gelegen, zeichnet sich durch eine größere Menge spätrömischer Metallfunde aus, in erster Linie Münzen und Fibeln, die sich im Areal eines jüngereisenzeitlichen Brandopferplatzes konzentrierten, allerdings in unverbranntem (und nicht wie die des Opferplatzes in verbranntem) Zustand. Dennoch nehmen die Ausgräber – mit guten Gründen – an, daß die Funde auf die römerzeitliche Fortsetzung eines vorrömischen Opferplatzes hinweisen könnten.20 4.1.4. Zusammenfassung Die bisher angesprochenen Höhensiedlungen liegen alle entweder in der Ostschweiz oder im unteren Alpenrheintal, das heißt unterhalb der Talenge bei Balzers-„Gutenberg“ [12], also außerhalb des alpinen Bereichs. Keiner der Plätze – unklar ist die Situation auf dem „Krüppel“ bei Schaan (s. o.) – wurde nach einer spätrömischen Benutzungsphase des späten 3. und/oder 4. Jahrhunderts bis ins frühe Mittelalter weiterbenutzt. Zu diesem Befund steht das Bild der südlicher gelegenen Plätze, ob sie nun im Haupttal oder in Nebentälern liegen, in markantem Gegensatz. Derzeit noch als Ausnahme anzusehen ist in den genannten Regionen der während der frühen und mittleren Römerzeit, aber auch im 4. und früheren 5. Jahrhundert aufgesuchte und – anscheinend nach einem Hiatus – wieder seit den ersten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts bis in die Mitte des 18
19
20
Kellner 1965, Taf. 3. – Vgl. etwa L. Vanhaeke, Le coffret mérovingien de Maroeil. Bulletin Commission départementale d’Histoire et d’Archéologie du Pas-de-Calais 15, 1997, 59–92. E. Keller, Die spätrömischen Grabfunde in Südbayern. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 14 (München 1971) 175 ff. und Abb. 57. Primas u. a. 2001, 55; ähnlich Schindler 2001, 85, der allerdings angesichts des Umstands, daß „erst für die Zeit vom zweiten Drittel des 4. bis zum frühen 5. Jh. […] neben den Fibeln und Münzen ein vollständiges Fundensemble mit Keramik, Lavez, Gläsern und weiteren Kleinfunden“ vorliegt, „zeitliche Unterbrüche“ in der römerzeitlichen Besiedlung nicht ausschliesst und vor „verallgemeinernden Aussagen zum Charakter und zur Funktion solcher Plätze“ warnt. Bemerkenswert ist bei den knapp 60 Münzen des 4. Jhs. der – im Vergleich zu anderen Plätzen – hohe Anteil an Prägungen der Jahre zwischen 378 und 402 (ebd. 101 f. mit Tab. 8.2 und 8.3).
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nachfolgenden Jahrhunderts besiedelte und befestigte Platz auf dem „Ochsenberg“ bei Wartau SG [14] (s. o.). Zu Recht wird in der Publikation die beachtliche Qualität der frühmittealterlichen Fundguts (Reitzubehör, Goldmünzen usw.) hervorgehoben, die „auf begüterte und sozial hochstehende Bewohner“ hinweisen.21
4.2. Zwei Höhensiedlungen zwischen Sargans und dem Walensee Südlich von Vaduz, im Raum um Sargans und um Chur, wurden Höhensiedlungen wie im Vorder- und Hinterrheintal (s. u.) teilweise über die spätrömische Zeit hinaus bis ins frühe Mittelalter weiter benutzt; bei einem weiteren Platz der Region, bei Vilters-„Severgall“ [17], war dies hingegen anscheinend nicht der Fall. Südöstlich von Berschis SG [15] erhebt sich aus der Talsohle der nur schwer zugängliche St. Georgsberg, mit Weitsicht bis zum Walensee im Westen und ins Rheintal im Osten. Zum Plan des Bergsporns mit den dort eingetragenen Bauten (Befestigungsmauer, Gebäude, Zisternen) gibt es unterschiedliche Interpretationen und Datierungen: Es wird von einer „römischen Abschnittsbefestigung“ gesprochen, ebenso von Schichten mit römischem Material. An Funden sind vorhanden vier Münzen der Jahre 244/49 bis 259/68 sowie fünf Prägungen der Jahre 341/46 bis 355/60 (sic!). Zusammen mit Argonnensigillata, dem Randstück eines Tellers aus nordafrikanischer Sigillata, Randstücken dreier teilweise innen glasierter Reibschüsseln und Fragmenten von Lavezgeschirr scheint damit eine Nutzung des Berges für das mittlere oder spätere 4. Jahrhundert, wegen der Münzen vermutlich auch bereits im späten 3. Jahrhundert sehr wahrscheinlich (Abb. 7). Was die nachrömische Zeit betrifft, so wurden am Aufstieg zum Berg, nur 100 m südöstlich des Plateaus, in der Flur „Capölle“ (Kapelle) Teile eines frühmittelalterlichen Gräberfeldes aufgedeckt. Von den 42 Gräbern ergaben einige Frauen- und Männerbestattungen Beigaben des 6. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist ein mit Spatha und Sax ausgestattetes Männergrab (Abb. 8), zu dem noch zwei mit Sax bzw. Lanze bewaffnete Männer hinzukommen.22 Aufgrund von Trachtbestandteilen (Körbchenohrringe [verschollen], Eisenarmring, Typen und Farbe der Perlen) und angesichts der insgesamt spärlichen Beigabensitte sind die Verstorbenen einer romanischen Bevölkerungsgruppe zuzuweisen. Diese könnte, nach der Lage des 21 22
Schindler 2001, 76. Schneider-Schnekenburger 1980, 193 (Grab 1923/3) Taf. 32,8; 194 (Grab 1938/35) Taf. 33,3.
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Abb. 7. Walenstadt-Berschis-St.Georg SG. Fragmente von Ton- und Lavezgeschirr, Armring aus Bronze (vgl. Text) (nach Overbeck 1982).
Friedhofs und der Kapelle zu schließen, bis in die Zeit um 600 auf dem Berg selbst gewohnt haben. Eine ähnliche Situation bietet das etwa 100 m über den Talgrund aufragende, markante Plateau des Hügels „Castels“ [16] im benachbarten Ort Mels SG, das leider durch moderne Steinbrüche stark gestört wurde (Abb. 9). Obschon vom Relief her bestens geeignet für eine spätantike Höhensiedlung und auch in der Literatur oft als solche bezeichnet, fehlen entsprechende Funde, von geringen und undefinierten, vermutlich römerzeitlichen Bauresten auf der höchsten Kuppe des Hügels abgesehen. Auch auf „Castels“ sind zwei Gruppen frühmittelalterlicher Bestattungen bekannt, die aber auf dem Bergplateau selbst angelegt wurden; die aus nur zwei Gräbern geborgenen Beigaben gehören in die Zeit um 600. Ob auch hier die
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Abb. 8. Walenstadt-Berschis-St.Georg SG, Flur „Capölle“. Inventar des Waffengrabes 1923/4 mit Spatha, Sax [mit eisernem Ortband], Messer und Geräten (nach Schneider-Schnekenburger 1980).
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Abb. 9. Mels-„Castels“ SG. Plan (nach Schneider-Schnekenburger 1980).
zugehörige Bevölkerungsgruppe seit spätrömischer Zeit (?) auf dem Plateau selbst wohnhaft blieb und erst im Laufe des frühen Mittelalters an den Fuß des „Castels“ zur St. Martins-Kirche oder in den nahen Ort Mels übersiedelte, bleibt mangels Funden offen.
4.3. Höhensiedlungen in den Alpentälern südlich und östlich von Chur 4.3.1. Am Ausgang des Oberhalbstein Gut 20 km südlich von Chur liegt Tiefencastel GR [22] mit seinem Kirchhügel St. Stephan, einem schmalen Sporn zwischen den hier zusammenfließenden und tief eingeschnittenen Flüssen Albula und Julia, die von den
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405
Abb. 10. Tiefencastel-St. Stephan GR. Kleinfunde (vgl. Text) (nach Archäologie in Graubünden 1992).
gleichnamigen, ins Engadin führenden Pässen, dem Albula- und Julierpaß, herabfließen. Vom Kirchhügel sind als Altfunde zwei Münzen der Jahre 259/68 und 278/79 sowie drei der Jahre 346/50 bis 364/75, ferner „Sigillatafragmente, mehrere grün bis gelb glasierte Keramikfragmente und etwas Lavez“ überliefert.23 Bei Grabungen südlich der Kirche kamen 1987 in einer Siedlungsschicht mit Herdstellen, Pfostenlöchern und Hüttenlehm weitere spätrömische und frühmittelalterliche Funde zum Vorschein. Unter den nur teilweise datierbaren Objekten aus Metall und Bein finden wir eine spätrömische Scheibenfibel, das Fragment eines frühmittelalterlichen Kammes und einen wohl der gleichen Epoche angehörenden Stilus (Abb. 10,1). Keramik
23
Rageth 1992, 72.
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Max Martin
Abb. 11. Tiefencastel-St.Stephan GR. Plan der gemauerten, ca. 2,4 m breiten Grabkammer (memoria) und daselbst (im „4. Abstich“) gefundener Ohrring aus Bronze, 4 × 3,8 cm (nach Rageth 1992).
ist im Vergleich zu Lavez nur spärlich, stark fragmentiert und dürfte in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts und später datieren: Vorgestellt werden Argonnensigillata (Abb. 10,8.9), zwei Fragmente nordafrikanischer Sigillata24 sowie etliche Fragmente von Reibschalen mit bräunlicher bis olivgrünlicher Innenglasur (Abb. 10,10–14). Lavez ist reichlicher vorhanden,
24
Rageth 1992, Abb. 20,5 und ohne Abb.
Höhensiedlungen Höhensiedlungenininder derRaetia RaetiaII und und Maxima Maxima Sequanorum Sequanorum
407
wobei als Zierdekor sogenannte „flächendeckende Kannelierung“ überwiegt (Abb. 10,15–23); feine Kannelierung scheint ein spätes Merkmal – vermutlich bereits des frühen Mittelalters – zu sein, wie etwa die Form der Schale Abb. 10,17 vermuten läßt. Auf einem südöstlich des Kirchhügels gelegenen Plateau fanden sich ebenfalls 1987 Reste des zugehörigen Friedhofs in Form einiger stark gestörter Körpergräber und einer sogenannten ‚Memoria‘ aus gut gemörteltem Mauerwerk.25 Diese innen noch 2,4 m × 1,6 m große Gruft (Abb. 11) enthielt die Überreste von mindestens 23 teils W-O, teils O-W gerichteten Individuen, die nach Ausweis eines im „4. Abstich“ der Memoria gefundenen Polyederohrrings aus Bronze (Abb. 11) sicher erst nach 400, vielleicht im Laufe des 6. oder 7. Jahrhunderts, und zweifellos sukzessive bestattet wurden.26 Der Kirchhügel von Tiefencastel, an der wichtigen Paßstraße über den Julier und auch am Zugang zum Albulapaß gelegen, die beide vom Rhein über die Alpen und via Engadin nach Oberitalien führen, wurde nach Ausweis der Funde auch in nachrömischer Zeit weiterbesiedelt. Das um 840 im karolingischen Reichsurbar genannte castellum Impitinis lokalisiert die Forschung mit guten Argumenten in Tiefencastel.27 4.3.2. Schanfigger Tal Auch die Höhensiedlung Castiel-Carschlingg [19], im Schanfigger Tal ungefähr 6 km östlich von Chur gelegen, war einst von spätrömischer Zeit bis weit ins frühe Mittelalter hinein bewohnt (Abb. 12). Es handelt sich bei diesem Platz um die einzige Höhensiedlung des Untersuchungsraums, die komplett erforscht wurde (1975–77). Der markante, bereits in der mittleren Bronzezeit und während der jüngeren Eisenzeit besiedelte Hügel weist ein langovales Plateau von 75 m × 15 m auf. In spätrömischer Zeit wurde in einer ersten Siedlungsphase diese Fläche mit einer 80 cm starken gemörtelten Befestigungsmauer umgeben. Im Innern fanden sich die Reste von mindestens zwölf Häusern oder Hütten von ca. 4,5 m × 5,5 m, die an die Umfassungsmauer angelehnt und deren Böden etwa 40 cm in den Kies eingetieft waren und oft eine Herdstelle besaßen. Sie dürften aus Holz gezimmerte Blockbauten oder Fachwerkbauten gewesen sein. Am Ostende der Anlage stand ein gemauertes Haus, in dem ein Wachtturm vermutet wird (Abb. 12).
25 26
27
Rageth 1992, 92–100 und Abb. 24–30. Vgl. die vermutlich etwa zeitgleichen Memorien von Bonaduz und ihre Mehrfachbestattungen: Schneider-Schnekenburger 1980, 21 ff., 47 Abb. 3,4 und Taf. 57. Rageth 1992, 102 f.
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Abb. 12. Castiel-„Carschlingg“ GR. Plan der befestigten Anlage. Oben „spätrömische“, unten „frühmittelalterliche“ Phase (nach Archäologie in Graubünden 1992). – M. 1:1000.
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Nach einer gewaltigen Brandkatastrophe, die die ganze Siedlung erfaßte, wurde in einer zweiten, laut Ausgräber frühmittelalterlichen Phase die Umfassungsmauer durch eine Befestigung ersetzt, die von zwei Reihen mächtiger Pfähle (Abstand etwa 2 m, Durchmesser der Pfosten bzw. -löcher ca. 30 bzw. 80 cm, Tiefe ca. 100 cm) gehalten wurde und die an vielen Stellen den älteren Mauerring überlagerte oder zerstörte (Abb. 12). Am Ostende, wo die Pfostengruben ausbleiben, war die erste Befestigung vielleicht intakt geblieben. „Über den Hügel verstreut“ fanden sich, außer zwei Steinbauten im Ostteil, über 200 Pfostenlöcher, die – wiederum laut Ausgräber – „mehrheitlich der frühmittelalterlichen Anlage zuzuordnen sind“ und von Häusern stammen dürften. Die Funde, die der ersten Phase zugewiesen werden, sind zahlreich, aber – wie übrigens die gesamte Siedlung – noch weitgehend unpubliziert. An Tongeschirr werden nebst wenigen Scherben von Argonnensigillata vor allem viele grünglasierte Reibschalen angeführt; als Kochgeschirr diente Lavez. Geräte aus Eisen sind zahlreich, Objekte aus Buntmetall hingegen selten, unter anderem ein Armring, Fingerringe sowie eine Armbrustscharnierfibel des späten 3. und eine Zwiebelkopffibel des 4. Jahrhunderts und schließlich drei Münzen des 2. und 3. Jahrhunderts. In der frühmittelalterlichen Phase ist Keramik gegenüber Lavez noch seltener als zuvor. Genannt werden für diese Zeitphase außer Eisengeräten Beinkämme, Körbchenohrringe aus Silber, Armringe aus Bronze und zwei Beschläge tauschierter Gürtelgarnituren, die dem früheren bzw. späteren 7. Jahrhundert angehören (Abb. 14). Jüngere, mittelalterliche Befunde oder Funde wurden nicht beobachtet. Besonders erwähnenswert scheint mir, daß die – auch größenmäßig – beste Parallele zur Befestigung der zweiten Phase in Castiel die sogenannte „Doppelpfostenanlage“ des alamannischen „Fürstensitzes“ auf dem Runden Berg bei Urach darstellt, die der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts oder der Zeit um 500 zugewiesen wird (Abb. 13).28 Noch näher bei Chur, am sogenannten „Tummihügel“ bei Maladers [18], liegt eine ebenfalls von spätrömischer bis in frühmittelalterliche Zeit belegte Siedlung, die wenigstens in Teilen untersucht werden konnte. An einem steilen Hang des heute abgetragenen Hügels konnten die rückwärtigen Reste mehrerer, mit Herdstellen ausgestatteter Häuser dokumentiert werden, deren Vorderteile bzw. Frontseiten abgestürzt waren. Ob es sich bei der Siedlung um ein (befestigtes?) Refugium oder ähnliches handelte, bleibt unklar, da deren Lage im Gelände aus den Vorberichten nicht ausrei-
28
Spors-Gröger 1998, bes. Abb. 1–4.
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Abb. 13. Runder Berg bei Urach. Sog. Doppelpfostenanlage der Zeit um 500 (nach Spors-Gröger 1998). – M. 1:1000.
Abb. 14. Castiel-„Carschlingg“ GR. Frühmittelalterliche Kleinfunde (vgl. Text) (nach Archäologie in Graubünden 1992).
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Abb. 15. Maladers-„Tummihügel“ GR. Kleinfunde (vgl. Text) (nach Archäologie in Graubünden 1992).
chend hervorgeht.29 Nach Ausweis des Fundmaterials war die Siedlung zwischen der Mitte des 4. und dem 6./7. Jahrhundert bewohnt. An Funden werden abgebildet aus spätrömischer Zeit innen glasierte Reibschalen (Abb. 15,1.3.6), das Fragment einer Tonlampe (Abb. 15,2), Reste eines Henkelkrugs und profilierte Kammfragmente (Abb. 15,11.14.15), aus dem frühen Mittelalter gestempelte Keramik (Abb. 15,7.10), ein Kammrest mit geraden Schmalseiten (Abb. 15,16) und ein Beinplättchen mit Zirkeldekor (Abb. 15,18).
29
Vgl. jetzt Rageth 2004, 10.
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4.3.3. Vorderrheintal Ungefähr 10 km unterhalb von Disentis liegt das Dorf Trun GR mit seinem bereits während der Bronze- und Eisenzeit besiedelten Felsrücken „Grepault“ [21], dessen etwa 30 m das Rheintal überragendes Plateau auf allen Seiten – auch im Nordwesten, dort zum Vorderrhein hin – steil abfällt. Prähistorische, vor allem eisenzeitliche Befunde und Funde aus Siedlungsschichten und Herdstellen kamen reichlich zum Vorschein, aber auffallenderweise überhaupt keine römerzeitlichen. In den Vorberichten, die sich in erster Linie mit den vorgeschichtlichen Resten befassen, wird von frühmittelalterlicher Keramik gesprochen und dieser Epoche auch die gemörtelte, 1,4 m starke Wehrmauer entlang des westlichen und südlichen Rands der Hochfläche zugewiesen (Abb. 16). Mit Sicherheit ins frühe Mittelalter, vielleicht ins spätere 5. oder 6. Jahrhundert, gehört jedenfalls die kleine Saalkirche mit später angesetztem seitlichem Annexbau. Sowohl in der Kirche als auch im Annex befanden sich Altarfundamente (Abb. 16). Von den wenigen bisher publizierten Kleinfunden aus Bronze stammt eine ins mittlere 7. Jahrhundert datierbare Gürtelschnalle mit festem Bügel (Abb. 16) aus einem S–N gerichteten Kindergrab vor dem Eingang zur Kirche. Die übrigen veröffentlichten Objekte sind Einzelfunde und datieren ebenfalls ins 7. Jahrhundert, mit Ausnahme einer Bügelknopffibel, die den Jahrzehnten um 500 angehören dürfte.30 Ob der „Grepault“ bereits damals oder erst im 7. Jahrhundert befestigt wurde, ist beim Fehlen weiterer früher Funde und insbesondere beim Fehlen einer modernen Bearbeitung der Befunde und Funde nicht zu sagen. In diese Frage müßte auch die Kirche einbezogen werden, ist sie doch bisher in Raetien – vom Platz Hohenrätien südlich von Sils im Domleschg abgesehen, dessen Erforschung noch in den Anfängen steht und der deshalb hier nicht besprochen wird31 – der einzige frühe Kirchenbau innerhalb einer spätantiken oder, in diesem Fall, nachrömisch-frühmittelalterlichen Höhensiedlung. Wiederum am Vorderrhein, 20 km flußabwärts liegt Sagens (rom. Sagogn) GR mit seiner mittelalterlichen Burgruine „Schiedberg“ [20]. Der heute abgetragene Burghügel ergab bei Ausgrabungen ältere, vor das Mittelalter datierte Baureste und Funde: Älteste Mauerreste eines Hauses aus Stein und Holz können laut Schichtanschlüssen mit Funden ins 4./5. Jahr-
30
31
Schneider-Schnekenburger 1980, Taf. 25,6; M. Schulze-Dörrlamm, Romanisch oder germanisch? Untersuchungen zu den Armbrust- und Bügelknopffibeln des 5. und 6. Jahrhunderts n. Chr. aus den Gebieten westlich des Rheins und südlich der Donau. Jahrbuch RGZM 33, 1986, 668, 709 Abb. 92,1. S. Gairhos/M. Janosa, Ein spätantikes Baptisterium auf Hohenrätien, Sils i. D. GR. Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 85, 2002, 267–273.
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Abb. 16. Trun-„Grepault“ GR. Befestigung, Kirche und Kindergrab (nach Schneider-Schnekenburger 1980).
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Abb. 17. Sagogn-„Schiedberg“ GR. Plan der erhaltenen Baubefunde aus spätrömischer Zeit bis in das 10. Jahrhundert (nach Meyer 1977, Abb. 34 und Schindler 2001, Abb. 5.5).
hundert gesetzt werden.32 Im 6./7. Jahrhundert wird das spätrömische Haus – so der Ausgräber W. Meyer – „zu einem herrschaftlichen Gebäudekomplex“33 erweitert. Um 700 entsteht ein neuer Bering, und ein weiteres, zweiteiliges Haus wird errichtet (Abb. 17); westlich davon entstehen zwei Grubenhäuser. Ältere Gebäude werden umgebaut bzw. abgebrochen. Über ihnen entsteht dann die mittelalterliche Burg. An datierenden Keramikresten liegen unter anderem vor: Fuß- und Randfragment eines Tellers aus nordafrikanischer sigillata chiara (Abb. 18, A 10.11) und Argonnensigillata (Abb. 18, A 13–17),34 Reibschalen, zum Teil mit Innenglasur (Abb. 18, A 20–28 sowie evtl. A 29–31), ferner zwei Randscherben einfacher Keramik, die ins 5. bzw. 7./8. Jahrhundert gesetzt werden (Abb. 18, A 34.35). Vom gut vertretenen Lavezgeschirr werden einige Randfragmente ins 4./5. (Abb. 18, C 14.18) und 6./7. Jahrhundert (Abb. 18, C 13.17) datiert. 32 33 34
Meyer 1977, 87, 90. Meyer 1977, 90. Zu den zu Abb. 18 genannten Katalognummern und Datierungen vgl. Meyer 1977.
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415
Abb. 18. Sagogn-„Schiedberg“ GR. Fragmente von Ton- und Lavezgeschirr (vgl. Text) (nach Meyer 1977).
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5. Schluß Angesichts der vielen noch nicht veröffentlichten Grabungen und Funde möchte ich abschließend – mit aller Vorsicht – lediglich einige Feststellungen treffen und Fragen formulieren:
5.1. Eine Definition des Begriffs ‚Höhensiedlung‘ steht noch aus. 5.2. Bewohner oder temporäre Benutzer der Höhensiedlungen und Träger der damit verbundenen Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen werden sowohl im unteren Alpenrheintal und den angrenzenden Regionen der Maxima Sequanorum (nördliche Zone)35 wie auch im inneralpinen Bereich (südliche Zone) Angehörige der provinzialrömischen Bevölkerung und deren Nachfahren, die sogenannten Romanen, gewesen sein. Hinweise auf germanischen Zuzug wurden im Fundstoff der Höhensiedlungen, vom Feuerstahl auf „Krüppel“ bei Schaan [11] (Abb. 6 unten) abgesehen, bisher nicht festgestellt. Auch Fundstücke, die auf eine militärische Funktion ihrer Besitzer schließen ließen, sind bis auf die Zwiebelknopffibel auf „Krüppel“ bei Schaan [11] (Abb. 6 oben) und – möglicherweise – die Bügelknopffibel aus Trun-„Grepault“ [21] nicht auszumachen. Bemerkenswert ist insbesondere das Fehlen von Gürtelteilen, wie sie bezeichnenderweise aus dem Kastell Schaan vorliegen (s. o.). Eine Ausnahme wären die Militaria auf dem „Ochsenberg“ bei Wartau SG [14], falls es sich wirklich um solche handeln sollte.36 Vereinzelte Importstücke, vorab nordafrikanische Sigillata, bezeugen für die südliche Zone, daß wir es bei den dortigen Höhensiedlungen nicht mit einfachen, rein agrarisch ausgerichteten „Bergdörfern“ oder Refugien zu tun haben, sondern mit Siedlungsplätzen der gesamten, unter anderem auch Handel treibenden Bevölkerung, einschließlich ihrer wohlhabenden Oberschicht. 5.3. Eine weitere Feststellung betrifft das zeitliche Einsetzen der hier diskutierten „Siedlungs“form: In unserem Untersuchungsraum fallen, was die historische Zeit betrifft, früheste Belege für menschliche Anwesenheit oder sogar Siedlungstätigkeit auf natürlich bzw. künstlich geschützten Höhen 35
36
Die beiden hier unterschiedenen Zonen des Untersuchungsraums, die sich etwa auf der Höhe der Talenge bei Balzers-„Gutenberg“ FL [12] voneinander scheiden lassen, werden im folgenden als nördliche bzw. südliche Zone bezeichnet. Schindler 2001, 83–85.
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417
bezeichnenderweise mit dem Einsetzen der ersten Münzdepots und -horizonte zeitlich zusammen. Von augusteischer Zeit an und bis gegen die Mitte des 3. Jahrhunderts wurden im ganzen Untersuchungsgebiet, wie bereits angeführt, kaum je Versteckhorte angelegt. Anscheinend fällt nach Aussage der Münzfunde der Beginn archäologisch faßbarer Sicherungsmaßnahmen, ob nun in Form von Höhensiedlungen oder Versteckhorten, in der Regel ins späte dritte Viertel des 3. Jahrhunderts; dies gilt vermutlich für den gesamten hier besprochenen Raum. Wie oft und wie lange Höhensiedlungen während ihres durch älteste und jüngste Funde begrenzten gesamten Benutzungszeitraums jeweils aufgesucht oder bewohnt wurden, mag von Platz zu Platz verschieden gewesen sein und ist im einzelnen wahrscheinlich kaum je konkret festzustellen. Im inneralpinen Bereich werden manche Plätze dauernd besiedelt gewesen sein. 5.4. Während die Höhensiedlungen weitgehend zur gleichen Zeit beginnen, ist ihr Abbrechen keineswegs einheitlich: In der nördlichen Zone wurden derartige Plätze bereits im Laufe der späten Römerzeit, teilweise anscheinend wenige Jahre nach ihrer Anlage, aufgegeben. Auch mag in einzelnen Fällen, so etwa bei „Auf Krüppel“ bei Schaan [11] (Abb. 5), der Bürgerkrieg der Jahre um 350 deren Abbruch bewirkt oder beschleunigt haben. Jedenfalls konnte sich bei der in der nördlichen Zone verbliebenen Bevölkerung, neben der von ihr nie aufgegebenen traditionellen Siedlungsweise in der Ebene, aus den Höhenstationen keine neue Siedlungsform entwickeln. Ob das untere Seeztal zwischen Walensee und Mels wegen seiner (noch) im frühen Mittelalter genutzten Höhenplätze WalenstadtBerschis-„Georgenberg“ [15] und Mels-„Castels“ [16] (Abb. 9) eine „Übergangsstellung“ zur südlichen Zone einnahm, wäre zu prüfen. 5.5. In der südlichen Zone besitzen wir von der Besiedlung der frühen und mittleren Kaiserzeit ein nur unvollständiges Bild.37 An einigen Orten ist zwar eine spätrömische Höhensiedlung bekannt, nicht aber die oder eine ihr allenfalls vorangegangene, das heißt ältere Siedlungsstelle. Was sich in der alpinen Besiedlung nach der Mitte des 3. Jahrhunderts gegenüber früher veränderte und – falls überhaupt – in welchem Ausmaß, läßt sich deshalb derzeit noch kaum erkennen. Im übrigen ist auch zu bedenken, daß
37
Vgl. die kurzen Abschnitte zu „Strassenstationen und weitere kleine Siedlungen“ sowie „Kastellartige befestigte Siedlungen“ in Graubünden bei Rageth 2004, 9–11, mit dem Hinweis (ebd. 11), daß „zahlreiche Belege für kleinere ländliche Siedlungen vorhanden sind, die aufgrund mangelnder Grabungsbefunde typologisch kaum eindeutig einzuordnen sind“.
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viele Täler der inneralpinen Zone durch ein Geländerelief geprägt sind, das praktisch kaum Talsohlen oder größere Ebenen kennt, wohl aber in vielen Abschnitten nur Höhen und Tiefen, Terrassen und Schluchten. An sich konnte ein hoch gelegenes Plateau – seine einigermaßen passable Erreichbarkeit vorausgesetzt – zu allen Zeiten als Siedlungsplatz in Frage kommen, doch scheinen aus den hier vorgeführten inneralpinen Höhensiedlungen, soweit ihr Fundstoff überschaubar ist, kaum Funde der Zeit vor 260/70 vorzuliegen. Es könnte sich demnach jeweils um neue Anlagen aus spätrömischer Zeit handeln. 5.6. Anders als die meisten Plätze der nördlichen Zone, die eher abgelegen und versteckt abseits der Straßen liegen, so etwa das Paradebeispiel „Auf Krüppel“ oberhalb von Schaan [11], befinden sich Höhensiedlungen im inneralpinen Bereich an verkehrsgünstiger Lage, zum Beispiel das direkt am Fusse der Bündner Alpenpässe gelegene Tiefencastel-„St. Stephan“ [22] oder die Höhensiedlungen Sagogn-„Schiedberg“ [20] (Abb. 17.19) und Trun-„Grepault“ [21] (Abb. 16) unmittelbar an der West-Ost-Achse des Vorderrheintals, aber auch die nahe bei Chur entdeckten Plätze Maladers„Tummihügel“ [18] und Castiel-„Carschlingg“ [19] (Abb. 12); selbst das kaum zugängliche Hohenrätien bei Sils i. D. stellt nach der Meinung der Ausgräber wegen seiner „verkehrsgeographisch beherrschenden Funktion […] keine klassische Rückzugs- oder Fluchtsiedlung dar“.38 5.7. Schließlich ist besonders bemerkenswert, daß in der südlichen Zone, anders als im Norden, die in spätrömischer Zeit belegten oder angelegten Plätze vielfach bis ins frühe Mittelalter oder darüberhinaus bestanden. Offenbar faßt man hier eine andere Entwicklung, die mit der nördlichen Zone möglicherweise nur zu Beginn übereinstimmte. Relativ gut bekannt sind als typische Vertreter dieser kontinuierlich besiedelten Orte die vier während des frühen Mittelalters befestigten Plätze Castel-„Carschlingg“ [19] (Abb. 12), Sagogn-„Schiedberg“ [20] (Abb.17), Trun-„Grepault“ [21] (Abb. 16) und Tiefencastel-„St. Stephan“ [22].39 Trotz ihrer Lage im unteren Alpenrheintal und am Übergang zur nördlichen Zone wird dieser Gruppe zu Recht die ebenfalls befestigte frühmittelalterliche Siedlung auf dem „Ochsenberg“ bei Wartau SG [14] zugerechnet, die allerdings nach Aussage des Fundstoffs, im Unterschied zu den anderen Orten, vielleicht eine relativ kurzlebige Neugründung des 7. Jahrhunderts war. 38 39
Gairhos/Janosa 2002, 272. Kritisch zur Existenz einer „spätrömischen befestigten Siedlung“ auf dem „Schiedberg“ Rageth 2004, 11.
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Abb. 19. Sagogn-„Schiedberg“ GR. Der im Testament des 765 verstorbenen Bischofs Tello von Chur angeführte Besitz in Sagogn und weiteren Orten des Vorderrheintales (nach Kaiser 1998, Karte 28).
In diesen seit spätrömischer Zeit kontinuierlich bis ins frühe Mittelalter weiterbewohnten oder damals – nach einem Besiedlungsunterbruch – erst neu errichteten Plätzen lebte jeweils auch eine sozial hochstehende Familie, der die Bevölkerung des Ortes unterstand.40 Daß diese Vertreter der Oberschicht, denen man noch die entsprechende Dienerschaft zurechnen muß, auch die Besitzer der Anlage waren, ist etwa für den „Schiedberg“ (Abb. 17) durch die bekannte Schenkung des Churer Bischofs Tello († nach 765) urkundlich bezeugt (Abb. 19).41 Der befestigte „Schiedberg“ wird – übrigens wie die anderen Plätze dieser Art – in der Schriftquelle bezeichnenderweise castrum genannt: Im Grunde genommen haben wir in diesen Anlagen nichts anderes vor uns als die mehr oder weniger unmittelbaren Nachfolger der spätantiken Kastelle, die in den Quellen castella, aber seit spätrömischer Zeit42 eben auch castra genannt werden und in denen schon früh auch Zivilbevölkerung Platz gefunden hatte. 5.8. Im Verlaufe der Spätantike scheint man in der südlichen Zone an manchen Orten, wenn nicht sogar allgemein, zu einer neuen, geschlosseneren Siedlungs- und Wohnweise an einem befestigten Platz übergegangen zu 40 41 42
Schindler 2001, 72–77. Kaiser 1998, 136.211–214 und passim. Vgl. dazu D. Geuenich und Th. Zotz in diesem Band S. 795 ff.
420
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sein. Dies kann nicht verwundern, ist doch in diesem Raum wie anderswo kompaktes Bauen und Wohnen an einem erhöhten und befestigten Platz seit der späten Römerzeit auch ein Kennzeichen der zentralen Orte Chur (Abb. 1) und Bellinzona. Die Herausbildung fester Orte ist damals allgemein zu beobachten, nicht nur im Alpenraum.43 Nachdem bereits im späteren 3. Jahrhundert in Gallien und den Grenzprovinzen zivile Orte, das heißt ihre wichtigen zentralen Teile, zum Schutze ummauert wurden, dienten auch später errichtete Befestigungen, auch militärische, bald nicht nur dem Militär, sondern auch dem Schutz der zivilen Bevölkerung. Das von Zivilbevölkerung (und militärischer Garnison) bewohnte Kastell (castellum, castrum) der Spätantike, Inbild des Schutzes und der Repräsentation, wurde bei der damaligen romanisierten Bevölkerung zu einer typischen Siedlungsform zentraler Orte und somit auch ein Vorbild für bescheidenere Siedlungen. 5.9. Rechtsrheinische Höhensiedlungen als Nachbildung linksrheinischer Castra? Angesichts dieser Entwicklung, in deren Verlauf in den Provinzen des weströmischen Reiches viele Teile der zivilen Bevölkerung dazu übergingen, im Innern einer anfänglich militärisch genutzten Befestigung gewissermaßen nach militärischer Art zu siedeln und zu wohnen, sei abschließend die Frage gestellt, ob damals diese neue ‚zivile‘ Siedlungsform – für längere Zeit oder nur vorübergehend – auch in anderen Gebieten und bei anderen Gesellschaftsgruppen Eingang gefunden haben könnte? Die Frage zielt vor allem auf die spätrömischen ‚Höhenstationen‘ der Alamannen in Südwestdeutschland ab,44 die interessanterweise erst nach der Mitte des 4. Jahrhunderts,45 das heißt etwa zu einer Zeit aufkamen, als auf römischer Seite unter Kaiser Valentinian I (364–375) in einem gewaltigen Bauprogramm ‚reihenweise‘ Befestigungen zu massiven Bastionen ausgebaut oder neu aus dem Boden gestampft wurden. Wurde etwa die Höhensiedlung als neue Siedlungsform der Alamannen, bei der die Höhenlage gewissermaßen das Fehlen einer starken Ummauerung wettmachen mußte, durch die benachbarten römischen Kastelle 43 44
45
Zu Belegen aus den südlichen Alpentälern vgl. V. Bierbrauer in diesem Bande S. 643ff. Vgl. die zusammenfassende Übersicht bei H. Steuer/M. Hoeper, Germanische Höhensiedlungen am Schwarzwaldrand und das Ende der römischen Grenzverteidigung am Rhein. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 150, 2002, 41–72. – Vgl. jetzt auch Hoeper 2003 und H. Steuer und M. Hoeper in diesem Band S. 213 ff. Ein Beginn der Besiedlung des Zähringer Burgbergs „kurz nach dem Beginn des 4. Jahrhunderts“ oder „noch im Laufe der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts“ (Hoeper 2003, 145) bzw. „im frühen 4. Jahrhundert“ (ebd. 156), der anhand der „Keramik- und Glasfunde“ ermittelt wurde, ist nach freundl. Auskunft von S. Martin-Kilcher zu früh angesetzt.
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421
entlang der Rheingrenze und in den Grenzprovinzen angeregt? Sollte etwa die Tatsache, daß die dortige provinzialrömische Bevölkerung zunehmend im Schutze von ‚Stadtmauern‘ lebte, bei den Alamannen und insbesondere ihrer Oberschicht eine ähnliche Entwicklung ausgelöst haben?46 Eine zeitgenössische Nachricht darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben: Ammianus Marcellinus, Geschichtsschreiber und Augenzeuge, berichtet, daß die Alamannen, nachdem es ihnen gelungen war, sich infolge des Bürgerkriegs zwischen Constantius II (337–361) und dem Usurpator Magnentius (350–353) für einige Jahre im Elsaß, in der Pfalz und in Rheinhessen niederzulassen, zwar die Städte mitsamt ihrem Umland (civitates) – er nennt Straßburg, Brumath, Zabern, Selz, Speyer, Worms und Mainz – in ihren Besitz gebracht hätten, aber jeweils nur deren Ländereien (territoria earum) bebauen würden, wogegen sie die Städte selbst (ipsa oppida) meiden würden wie von Netzen umspannte Grabmäler (ut circumdata retiis busta declinant)!47 Sollte sich dieses ablehnende Verhalten gegenüber städtischer Lebensweise, einem zweifellos zentralen Bestandteil der antiken Welt, in den nachfolgenden Jahrzehnten gewandelt haben? Aus archäologischer Sicht wurde vor kurzem erneut betont, daß in der Alamannia des späteren 4. und 5. Jahrhunderts bei einem Vergleich zwischen ländlichen Siedlungsplätzen und Höhensiedlungen nicht nur deren exponierte Lage, sondern „ein weiterer prägnanter Unterschied […] durch das Fundmaterial der Höhensiedlungen deutlich“ werde: „Hier herrschte in vielen Dingen ein durch die römische Welt bestimmter Lebensstil, der in den ländlichen Siedlungen in solchen Ausmaßen bisher nicht faßbar ist.“48 Stellen etwa die völkerwan46
47
48
Anders urteilt H. Steuer, Vom Beutezug zur Landnahme: Die Germanen im Südwesten und der lange Weg zur Ethnogenese der Alemannen. Freiburger Universitätsblätter Heft 159 (Freiburg 2003) 65–91. Seiner Meinung nach ist das Aufkommen der Höhenstationen wie folgt zu erklären: „Als germanische Kriegerverbände unter ihren Anführern begannen, sich im Südwesten niederzulassen und nicht mehr in ihre Aufmarschräume zurückzukehren, brauchten sie feste Stützpunkte, die Höhenstationen, um sich vor römischen Gegenangriffen zu schützen“ (ebd. 90). Sollte dies nur anfänglich der Fall gewesen sein? An anderer Stelle wird nämlich von den Höhenstationen gesagt, daß es die von ihnen ausgehende Bedrohung gewesen sei, die zur Anlage der spätrömischen Kastellketten geführt habe: „Ausserdem stellen sie eine beachtliche Bedrohung gegenüber dem Römischen Reich dar, die als Gegenwehr eine immer stärkere Befestigung des Rheinlimes zur Folge hatte“ (ebd. 76). Daß eine von den Höhenstationen ausgehende Gefahr auf der Gegenseite zur Errichtung der vielen Grenzkastelle führte, ist m. E. nicht anzunehmen, da diese zu einem großen Teil früher angelegt wurden als jene. – Vgl. bereits Spors-Gröger 1997, 114 f. Ammianus Marcellinus, res gestae 16, 2, 12. Vgl. dazu M. Martin, in: „Die Alamannen“. Ausstellungskatalog (Stuttgart 1997) 121. Hoeper 2003, 147.
422
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derungszeitlichen Höhensiedlungen der Alamannen – vielleicht auch nur einige unter ihnen – erste, später nicht weitergeführte Ansätze zu einer Art ‚urbaner‘ Lebens- und Wohnweise dar?
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Liste der besprochenen bzw. in Abb. 2 kartierten Höhensiedlungen Abetel = Abetel 1991 Nr. Overbeck 1973 = Overbeck 1973 Nr. Overbeck 1982 = Overbeck 1982 Nr. Rageth = Rageth 2004 Nr. Schneider-Schn. = Schneider-Schnekenburger 1980 Nr. [1] Bülach-„Alte Burg“ ZH: R. Windler, Archäologie der Schweiz 13, 1990, 69f. mit Anm. 11; Hedinger 1991, 203 Anm. 638. [2] Stallikon-„Üetliberg“ ZH: Hedinger 1991, Abb. 214–216. [3] Baar-„Baarburg“ ZG: W. E. Stöckli, Die Besiedlungsgeschichte der Baarburg (Gemeinde Baar, Kanton Zug). Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 83, 2000, 7–24, bes. 12 f.; 18 f. Abb. 5. [4] Weinfelden-„Thurberg“ TG: Hedinger 1991, Abb. 214–216; Brem 1997, 81; 83 Abb. 1. [5] Schönholzerswilen-„Toos-Waldi“ TG: Hedinger 1991, Abb. 214; 215; Brem 1997, 81; 83 Abb. 1. [6] Koblach-„Neuburg“ (Vorarlberg): Overbeck 1973, 22 u. 1982, 7; Schneider-Schn. 1980, 30.
Höhensiedlungen Höhensiedlungenininder derRaetia RaetiaII und und Maxima Maxima Sequanorum Sequanorum
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[7] Göfis-„Heidenburg“ (Vorarlberg): Abetel 3; Overbeck 1973, 14 u. 1982, 5. [8] Bludenz-„Montikel“ (Vorarlberg): Abetel 1; Overbeck 1973, 3 u. 1982, 3; SchneiderSchn. 1980, 27. [9] Nenzing-„Stellfeder“ (Vorarlberg): Abetel 2; Overbeck 1982, 8. [10] Gamprin-„Lutzengüetlekopf “ FL: Abetel 4; Overbeck 1973, 72 (und z. T. 71?) u. 1982, 19. [11] Schaan-„Auf Krüppel“ FL: Abetel 5; Overbeck 1973, 77 u. 1982, 21. [12] Balzers-„Gutenberg“ FL: Abetel 7; Overbeck 1973, 69.70 u. 1982, 18; Schneider-Schn. 1980, 24. [13] Oberriet-„Montlingerberg“ SG: Overbeck 1973, 51. [14] Wartau-„Ochsenberg“ SG: Overbeck 1982, 17; Primas u. a. 2001; Schindler 1994; ders. 2001, 72–77. [15] Walenstadt-Berschis-„Georgenberg“ SG. Abetel 13; Overbeck 1973, 41 u. 1982, 11; Schneider-Schn. 1980, 18; Sennhauser 1979a, 151.157 und Abb. 8. [16] Mels-„Castels“ SG: Abetel 11; Overbeck 1973, 48 u. 1982, 14; Schneider-Schn. 1980, 21. [17] Vilters-„Severgall“ SG: Abetel 10; Overbeck 1973, 61 u. 1982, 16. [18] Maladers-„Tummihügel“ GR: Abetel 18; Overbeck 1982, 34; Rageth 1986, 91–95; Archäologie in Graubünden 1992, 146–149; 185–190; Kaiser 1998, 178; Rageth 163. [19] Castiel-„Carschlingg“ GR: Abetel 19; Zindel 1979; Overbeck 1982, 29; Clavadetscher 1985; Rageth 1986, 84–89; Archäologie in Graubünden 1992, 181–184; Kaiser 1998, 96; 178; 182; Martin-Kilcher/Schaer 2000, 73 f.; Rageth 29. [20] Sagogn-„Schiedberg“ GR: Abetel 22; Overbeck 1973, 130 u. 1982, 37; Sennhauser 1979a, 153; 156 Abb. 20; 21; Sennhauser 1979b; Rageth 1986, 90f.; Kaiser 1998, 96; 136; 211 ff. 241 Abb. 46; Schindler 2001, Abb. 5,5; Rageth 214. [21] Trun-„Grepault“ GR: Abetel 24; Sennhauser 1979a, 152 Abb. 11; Schneider-Schn. 1980, 15; Kaiser 1998, 93; Martin-Kilcher/Schaer 2000, 74 f. Abb. S. 74; Rageth 289. [22] Tiefencastel-„St. Stephan“ GR: Abetel 25; Overbeck 1973, 147 u. 1982, 43; Rageth 1986, 89; Rageth 1988; Rageth 1992; Archäologie in Graubünden 1992, 201–205; Kaiser 1998, 132; 182; Rageth 271 und 269. [23] Untervaz-„Haselbodenkopf “ GR: Jahresber. Arch. Dienst Graubünden 2000, 120; 2001, 35–58; Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 84, 2001, 250; 85, 2002, 284; 87, 2004, 345f.; Rageth 298. [24] Vicosoprano-„Crep da Caslac“ GR: Abetel 32; R. Fellmann, Die Grabungen auf dem Crep da Caslac bei Vicosoprano. Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 58, 1974/75, 115–125; Rageth 308.
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 427–456 Der Oberleiserberg Ernstbrunn © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · Newbei York
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Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn – eine Höhensiedlung des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. Alois Stuppner
1. Einleitung Am Beginn des 5. Jahrhunderts kommt es nördlich der mittleren Donau zu wesentlichen Veränderungen in der Siedlungslandschaft. Exponiert liegende und natürlich geschützte Höhenanlagen1 werden zu dieser Zeit von der spätsuebischen Bevölkerung als Zufluchtsort oder als Dauersiedlung aufgesucht.2 1
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Allgemein zu den spätantiken Höhensiedlungen siehe: J. Werner, Zu den alamannischen Burgen des 4. und 5. Jahrhunderts. In: Speculum Historiale. Festschrift für Johannes Spörl (Freiburg i. Breisgau, München 1965) 439–453; V. Bierbrauer, Frühmittelalterliche Castra im östlichen und mittleren Alpengebiet: Germanische Wehranlagen oder romanische Siedlungen? – Ein Beitrag zur Kontinuitätsforschung. Archäologisches Korrespondenzblatt 15, 1985, 497–513; K.-J. Gilles, Spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück. Trierer Zeitschrift, Beiheft 7 (Trier 1985); S. Ciglenecˇki, Höhenbefestigungen aus der Zeit vom 3. bis 6. Jh. im Ostalpenraum (Ljubljana 1987); H. Steuer, Höhensiedlungen des 4. und 5. Jahrhunderts in Südwestdeutschland. Einordnung des Zähringer Burgberges, Gemeinde Gundelfingen, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. In: Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland. Archäologie und Geschichte 1 (Sigmaringen 1990) 139–205. H. Friesinger, Die archäologischen Funde der ersten zwei Drittel des 5. Jh.s in Niederösterreich. In: Germanen, Awaren, Slawen in Niederösterreich. Das erste Jahrtausend nach Christus. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseum, Neue Folge 75 (Wien 1977) 64; H. Friesinger, H. Adler, Die Zeit der Völkerwanderung in Niederösterreich (St. Pölten 1979); H. Friesinger, Völkerwanderungszeitliche Grab- und Siedlungsfunde aus dem Kamptale, Niederösterreich. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien 123/124, 1993/94, 66; J. Tejral, Nasˇe zemeˇ a rˇímské Podunají na pocˇátku doby ste˘hování národù (Unsere Länder und der römische Donauraum zu Beginn der Völkerwanderungszeit). Památky archeologické 76, 1985, 308–397; J. Tejral, Probleme der Völkerwanderungszeit nördlich der mittleren Donau. In: Germanen, Hunnen und Awaren. Schätze der Völkerwanderungszeit. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums (Nürnberg 1987) 351–355; J. Tejral, Zur Chronologie der frühen Völkerwanderungszeit im mittleren Donauraum. Archaeologia Austriaca 72, 1988, 232, 257–260; J. Tejral, Archäologischer Beitrag zur Erkenntnis der völkerwanderungszeitlichen Ethnostrukturen nördlich der mittleren Donau. In: H. Friesinger/F. Daim, Typen der Ethnogenese unter besonderer Berücksichtigung der Bayern 2 (Wien 1990) 9–87; J. Tejral, Die Besonderheiten der germanischen Siedlungsent-
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Es handelt sich dabei um schwer zugängliche Anhöhen oder Spornlagen in der Peripherie der ehemaligen Siedlungsräume, die auch schon zu vorgeschichtlichen Zeiten besetzt waren. Als eine der Ursachen wird nördlich der mittleren Donau, das heißt in der Südwestslowakei, in Mähren und Böhmen sowie im nördlichen Niederösterreich, das Vordringen fremder, vorwiegend osteuropäischer Elemente betrachtet, die mit den ersten Migrationswellen aus dem Osten verbunden sind.3 Die Blütezeit dieser Anlagen liegt in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. Charakteristische Funde sind handgemachte Töpfe, einheimische Drehscheibenware, späte provinzialrömische Foederatenkeramik mit Einglättdekor, glasierte Keramik und vor allem auch Glasgefäße. Als Funktionen werden zentrale Fürstensitze, Stützpunkte bzw. Zufluchtsorte der einheimischen Bevölkerung und eventuell auch eine Rolle in der römischen Grenzverteidigung überlegt. An Höhensiedlungen werden aus Böhmen Závist u Prahy,4 aus Mähren5 Staré Zámky in Brno-Lísˇenˇ, BrnoObrˇany und Znojmo-Hradisˇt?, aus dem nördlichen Niederösterreich6 der Umlaufberg bei Altenburg, die Heidenstatt bei Limberg, der Schanzberg bei Gars-Thunau, der Burgstall bei Schiltern, Oberleiserberg bei Ernstbrunn und manchmal auch der Kirchenberg von Stillfried und aus den gebirgigen Randgebieten der Südwestslowakei7 Bratislava-Devín, Smolenice im Bez. Trnava,
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wicklung während der Kaiserzeit und der frühen Völkerwanderungszeit in Mähren und ihr Niederschlag im archäologischen Befund. In: A. Leube (Hrsg.), Haus und Hof im östlichen Germanien. Tagung Berlin vom 4. bis 8. Oktober 1994. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 50 (= Schriften zur Archäologie der germanischen und slawischen Frühgeschichte 2) (Bonn 1998) 193–196, 190 Abb. 7; J. Tejral, Archäologisch-kulturelle Entwicklung im norddanubischen Raum am Ende der Spätkaiserzeit und am Anfang der Völkerwanderungszeit. In: J. Tejral u.a. (Hrsg.), L’Occident romain et l’Europe centrale au début de l’époque des Grandes Migrations. Spisy Archeologického ústavu AV CˇR Brno 13 (Brno 1999) 238–258; K. Pieta, Die Slowakei im 5. Jahrhundert. In: Germanen, Hunnen und Awaren. Schätze der Völkerwanderungszeit. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums (Nürnberg 1987) 385–397; K. Pieta, Anfänge der Völkerwanderungszeit in der Slowakei (Fragestellung der zeitgenössischen Forschung). In: J. Tejral u.a. (Hrsg.), L’Occident romain et l’Europe centrale au début de l’époque des Grandes Migrations. Spisy Archeologického ústavu AV CˇR Brno 13 (Brno 1999) 171–189; E. Droberjar, Od Planˇansky´ch pohárù k Vinarˇické skupine˘ (kulturní a chronologické vztahy na území Cˇech v dobeˇ rˇímské a v cˇasné dobe˘ ste˘hování národù (Von Planˇany-Bechern zur Vinarˇice-Gruppe. Kulturelle und chronologische Beziehungen in Böhmen in der römischen Kaiserzeit und der Frühvölkerwanderungszeit). Sborník Národního Muzea v Praze, Rˇada A – Historie 53/1–2, 1999, 6–7, 21–22. J. Tejral, Probleme (wie Anm. 2) 351. L. Jansová, Hradisˇte˘ nad Závistí v období pozdne˘ rˇímském a v dobe˘ ste˘ hování národù (Hradisˇte˘ ob Závist in der späten römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit). Památky archeologické 62/1, 1971, 135–178. J. Tejral, Probleme (wie Anm. 2) 351, 352 Abb. 1. H. Friesinger/H. Adler, Die Zeit der Völkerwanderung in Niederösterreich (St. Pölten 1979) 19. K. Pieta, Anfänge (wie Anm. 2) 175, 178, 182, 181 Abb. 9.
Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn
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Nitra Burg, Ducové im Bez. Trnava, und Skalka n. V. im Bez. Trencˇin, genannt. Wenn die handgemachte Keramik und einheimische Drehscheibenware mit der der Siedlungen vom Typ Zlechov im Flachland übereinstimmen wie im Falle des Oberleiserberges, so ist nach J. Tejral die Herkunft der ersten Ansiedler im Umfeld dieser Siedlungen zu suchen.8
2. Höhensiedlungen in Niederösterreich nördlich der Donau Die Höhenanlagen im norddanubischen Niederösterreich (Abb. 1) konzentrieren sich am Ostrand des Waldviertels bzw. zu beiden Seiten des Kampflusses; einige Höhenanlagen streuen bis zur March. Unsere Kenntnis dieser im Folgenden kurz besprochenen Höhenanlagen beruht mit Ausnahme des Oberleiserberges auf alten und unpublizierten Rettungs- und Forschungsgrabungen. Die Zusammenstellung berücksichtigt auch nicht gesicherte Anlagen wie den Vitusberg bei Grafenberg oder die Höhenanlagen bei Puch. 1. Der Umlaufberg bei Altenburg:9 Ein 340 m hoher, heute bewaldeter Felsrücken bzw. Felssporn, der an drei Seiten vom Kamp umflossen wird und nur im Süden durch eine schmale Landzunge zugänglich ist. Der Erhebung sind im Osten, Norden und Nordwesten ebene Wiesenstreifen vorgelagert, die im Nordosten und Nordwesten ihre größte Breite erreichen. Sie sind von mehreren toten Armen des Kamps durchzogen. Der Umlaufberg stellt ein felsiges Massiv (meist kristalliner Schiefer) dar, über das in wechselnder, meist jedoch geringer Höhe eine Erd- und Humusschicht gelagert ist. Besonders an der Westseite ist der felsige Charakter stark ausgeprägt. Der Osthang des Berges ist streckenweise mit Löß überlagert. Das Bruchstück einer spätrömischen grünglasierten Reibschüssel ist derzeit der einzige Beleg für eine Begehung der Anhöhe im 4. und 5. Jahrhundert. 2. Die Heidenstatt bei Limberg: Die im westlichen Weinviertel und am Ostabhang des Manhartsberges liegende Heidenstatt bei Limberg weist eine ähnliche topographische Situation wie der Umlaufberg bei Altenburg auf. Sie fällt nach Nordosten felsig steil zum Gänsgraben und im Nordwesten und Westen zu einem sich gegen Norden vertiefenden Graben ab. Im Süden befindet sich eine Geländestufe, die nach Südosten verflacht und im Gelände ausläuft. Die Siedlungsstelle ist also an drei Seiten durch natür8 9
J. Tejral, Entwicklung (wie Anm. 2) 241. E. Nischer-Falkenhof, Die vor- und frühgeschichtliche Siedlung auf dem Umlauf am Kamp in Niederösterreich (Bez. Horn). Wiener Prähistorische Zeitschrift 18, 1931, 89–115.
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Abb. 1. Karte der germanischen Besiedlung im nördlichen Niederösterreich vom 1. bis 5. Jahrhundert n. Chr. (Die Höhensiedlungen sind wegen der Orientierung namentlich angeführt).
liche Geländeeinschnitte begrenzt. 1980–1982 wurden durch das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien mehrere Grabungsschnitte angelegt, die die Überreste eines niedergebrannten Hauses mit zahlreichen Keramikfunden des 5. Jahrhunderts zum Vorschein brachten.10 3. Der Schanzberg bei Thunau: Die Siedlung liegt auf einem 400 m über NN Höhe liegenden und aus Gneis bestehenden, vorgeschobenen Höhenrücken, der zum Kamp hin durch, zum Teil steile Felshänge abfällt. Der Höhenrücken ist durch West-Ost-laufende, tief eingeschnittene Talfurchen gegliedert und durch spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Anbau terrassenförmig geformt. Die Schanze, der westliche Teil der gesamten Siedlungsfläche, schließt im Osten mit einer Felszunge an die obere Holzwiese an, die nach Osten fast senkrecht in das Kamptal abfällt und nach Süden 10
G. Trnka/J. Tuzar, Spätrömische/völkerwanderungszeitliche Siedlungsfunde von der Heidenstatt bei Limberg, Maissau, Niederösterreich. Archaeologia Austriaca 68, 1984, 111–125.
Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn
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durch einen Wall am abfallenden Hang geschützt ist. Nach Norden fällt das Gelände terrassenförmig gegliedert ab (untere Holzwiese), wobei im oberen Drittel ebenfalls eine deutlich ausgeprägte Wallanlage erkennbar ist. Im Zuge der systematischen Ausgrabungen seit 1965 durch Herwig Friesinger konnte im Bereich der oberen Holzwiese eine ausgedehnte Siedlung des späten 4. und des 5. Jahrhunderts freigelegt werden, wobei auch die Reste eines spätantiken Holzbaues mit Ziegeldach festgestellt werden konnte.11 4. Der Burgstall von Schiltern: Die Anhöhe mit dem abgeflachten Plateau befindet sich am linken Ufer des Loisbaches und ist 424,2 m hoch. Die 100 m steil abfallenden Hänge werden an der Süd- und Westseite vom Loisbach, an der Ostseite vom Teichtbächlein umflossen. Nach Norden fällt das Gelände zur Flur „Teicht“ flach ab. Bei einer annähernd quadratischen Form beträgt die Plateaufläche ca. 4 ha. Stellenweise treten sowohl am Plateau als auch an den Steilhängen freistehende Felspartien auf. Im Nordwesten befindet sich unterhalb des Plateaus ein Abri. 1939 führte Eduard Beninger Grabungen durch, 1979 erfolgten elf Grabungsschnitte durch Gerhard Trnka.12 Die Besiedlungsnachweise stammen aus dem mittleren und späten Neolithikum, der frühen und späten Bronzezeit, der Spätlatènezeit, der Völkerwanderungszeit und dem 9. Jahrhundert. 5. Der Vitusberg bei Grafenberg: Im 19. Jahrhundert soll auf dem etwa 2,25 km nordwestlich des Ortes Grafenberg gelegenen Vitusberg ein bronzenes römisches Toilettbesteck gefunden worden sein.13 Ob sich unter dem zahlreichen, spätneolithischen Fundmaterial auch Funde des 4. und 5. Jahrhunderts befinden, muß aber erst überprüft werden. 6. Die Kalte Stube und der Haberg bei Puch: Am Nordwestabhang der Kalten Stube und auf dem Plateau des Haberges wurden spätantike Funde aufgelesen.14 Am Nordwestabhang der Kalten Stube wurde eine „spätantike“ Grube beobachtet.
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H. Friesinger/I. Friesinger, Ein Vierteljahrhundert Grabungen in Thunau. Archäologie Österreichs 2/1, 1991, 6–22. G. Trnka, Spätrömische Funde des 4. und 5. Jahrhunderts vom Burgstall von Schiltern im Waldviertel, Niederösterreich. Archaeologia Austriaca 65, 1981, 119–138. M. Pollak, Die germanischen Bodenfunde des 1.–4. Jahrhunderts n. Chr. im nördlichen Niederösterreich. Studien zur Ur- und Frühgeschichte des Donau- und Ostalpenraumes 1. Denkschriften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 147 (Wien 1980) 31. Pollak (wie Anm. 13) 103.
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7. Der Kirchenberg von Stillfried an der March:15 Gelegentlich wird auch Stillfried an der March als Höhensiedlung angeführt. Die spätantike Siedlung liegt auf einer Terrasse, die sich durch einen steilen Geländeabbruch zur March hin abhebt. Gerade bei der topographischen Situation in Stillfried zeigt sich, daß der Terminus Höhensiedlung nicht immer eindeutig gegeben ist. Die oben erwähnten Höhensiedlungen liegen meist auf schwer zugänglichen, zumindest an drei Seiten natürlich geschützten Geländespornen. Auch südlich der Donau werden spätantike Höhensiedlungen vermutet, wie zum Beispiel auf dem Braunsberg bei Hainburg16 und am Südost-Hang der Hohen Wand bei Wiener Neustadt.17 Ihre Erforschung steht aber erst am Anfang.
3. Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn (Abb. 2) ist eine plateauartige, durch steile Abhänge natürlich geschützte Hochfläche, wo nach den jüngsten archäologischen Untersuchungen ein völkerwanderungszeitlicher Königssitz angenommen werden kann.18 Durch seine Höhe von 457 m über NN und durch seine landschaftsbeherrschende Position inmitten der hügeligen Landschaft des Weinviertels bietet er einen hervorragenden Fernblick bis zu den Pollauer Bergen in Südmähren, bis zu den Kleinen Karpaten in der Slowakei und bis ins Wiener Becken und weiter bis ins niederösterreichische Voralpengebirge. Damit be-
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O. H. Urban, Stillfried-Kirchenberg. In: H. Friesinger/F. Krinzinger, Der römische Limes in Österreich (Wien 1997) 293–297; F. Felgenhauer, Stillfried. In: Felgenhauer u. a. (Hrsg.), Stillfried. Archäologie – Anthropologie. Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Stillfried Sonderband 3 (Stillfried 1988) 189–200. O. H. Urban, Ausgrabungen auf dem Braunsberg bei Hainburg 1986. Carnuntum Jahrbuch 1987, 271 ff.; O. H. Urban, Hainburg-Braunsberg. In: H. Friesinger/F. Krinzinger (Hrsg.), Der römische Limes in Österreich (Wien 1997) 272–277. 2001 konnte der Autor dieses Beitrags von dieser Fundstelle umfangreiches Fundmaterial des 5. Jhs. sichten. Von derselben Fundstelle ist auch ein spätantikes Grab bekannt geworden: T. Kühtreiber/P. Trebsche, Maiersdorf. Fundberichte aus Österreich 39, 2000, 652–654. A. Stuppner, s. v. Oberleiserberg. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 21 (Berlin, New York 2002) 483–486, Taf. 32; A. Stuppner, Ein Herrschaftszentrum der Völkerwanderungszeit auf dem Oberleiserberg. In: H. Friesinger/A. Stuppner (Hrsg.), Zentrum und Peripherie – Gesellschaftliche Phänomene in der Frühgeschichte. Materialien des 13. Internationalen Symposiums „Grundprobleme der frühgeschichtlichen Entwicklung im mittleren Donauraum“, Zwettl, 4.–8. Dezember 2000. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission 57 (Wien 2004) 313–326.
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Abb. 2. Oberleiserberg. Luftaufnahme von Westen. Freigegeben durch BMLV Nr. 13088/074–1.6/98.
stand zur damaligen Zeit auch Sichtkontakt mit dem nur 40 km entfernten Römischen Reich. Die natürlich geschützte, leicht nach Westen abfallende Hochfläche von ca. 8 ha Größe ist am Rand von heute noch im Gelände sichtbaren Ringwällen umgeben. Aufgrund der archäologischen Untersuchungen und der bisherigen Prospektionsergebnisse dürfte auch in der Völkerwanderungszeit die gesamte Hochfläche besiedelt gewesen sein. Die Zugänge zur Hochfläche sind im Süden und Südosten bzw. im Norden zu vermuten. Im Gegensatz zu den anderen Höhensiedlungen ist der Oberleiserberg auch das Quellgebiet zahlreicher Gewässer, die nach Süden in die Donau oder nach Osten und Südosten in die March abfließen. Unter diesen sei der Fluß Zaya als wichtige Ost-West-Verbindung erwähnt, wie schon H. Mitscha-Märheim anhand von Fundensembles hervorgehoben hat.19
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H. Mitscha-Märheim, Römische Baureste und Münzen im nördlichen Niederösterreich. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 37 (= Festschrift zum 70. Geburtstag von Karl Lechner), 1965–67, 10.
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Spätantike Siedlungsstrukturen am Oberleiserberg Als Fundplatz „mit römischen Ziegeln“ nördlich der Donau ist der Oberleiserberg schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt.20 Nach dem ersten Weltkrieg hob E. Nowotny in mehreren Abhandlungen die vermutliche Bedeutung des Platzes als römischer Stützpunkt hervor.21 Von 1925 bis 1931 und seit 1976, mit einer Unterbrechung von 1990 bis 1995, wurden bzw. werden vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universtät Wien auf dem Oberleiserberg archäologische Untersuchungen durchgeführt.22 Die bisherigen Untersuchungen erbrachten am Oberleiserberg an völkerwanderungszeitlichen Siedlungsstrukturen Hinweise auf eine Gesamtbefestigung,23 einen Herrenhof und einen Handwerksbereich mit einer Feinschmiede (Abb. 3). Am weitesten fortgeschritten sind die archäologischen Untersuchungen im Bereich des Herrenhofes. Er bildet das Zentrum der Siedlung und liegt am Westrand des Plateaus des Oberleiserberges. An ihm konnten drei bis vier Phasen des Um- und Ausbaus festgestellt werden. Mittelpunkt ist dabei das knapp am Geländeabbruch liegende Hauptgebäude (Abb. 4). 20
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M. Much, Zweiter Bericht über die urgeschichtlichen Ansiedlungen in NÖ. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien 1872, 126; V. Kudernatsch, Poysdorf, Sammlung Kudernatsch. Mitteilungen der Zentral-Kommission 1909, 230. E. Nowotny, Römerspuren nördlich der Donau. Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Phil.-Hist. Klasse 1918, 2. Abteilung, 35; E. Nowotny, Römische Forschung in Österreich 1912–1924. Berichte der Römisch-Germanischen Kommission 15, 1923/24, 175–176; E. Nowotny, Vom Donaulimes. Anzeiger der Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse, 1925, 137. H. Mitscha-Märheim/E. Nischer-Falkenhof, Der Oberleiserberg – Ein Zentrum vor- und frühgeschichtlicher Besiedlung. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission 2/5, 1929, 391–438; E. Nischer-Falkenhof/H. Mitscha-Märheim, Die römische Station bei Niederleis und abschließende Untersuchungen auf dem Oberleiserberge. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission 2/6, 1931, 439–469; E. Nischer-Falkenhof/H. MitschaMärheim, Dritter Bericht über die Ausgrabungen in Nieder- und Oberleis, Bez. Mistelbach, N.-Ö. Wiener Prähistorische Zeitschrift 22, 1935, 83–99; Oberleis. Fundberichte aus Österreich 16, 1977, 423–424 (H. Friesinger); Oberleis. Fundberichte aus Österreich 20, 1981, 513–514, Abb. 640–642 (A. Kern); Oberleis. Fundberichte aus Österreich 23, 1984, 293 (A. Kern); Oberleis. Fundberichte aus Österreich 24/25, 1985/86, 294 (A. Kern); Oberleis. Fundberichte aus Österreich 27, 1988, 313 (A. Kern); Oberleis. Fundberichte aus Österreich 28, 1989, 230 (A. Kern); Oberleis. Fundberichte aus Österreich 37, 1998, 833–836 (A. Stuppner); Oberleis, Fundberichte aus Österreich 39, 2000, 698–701 (A. Stuppner); Oberleis. Fundberichte aus Österreich 41, 2002, 693–695 (A. Stuppner). Zur Frage des Befestigungswesens liegen derzeit nur die Ergebnisse eines Wallschnittes aus dem Jahre 1976 vor. Sie zeigen, daß die völkerwanderungszeitlichen Befestigungsanlagen, die anfangs aus einem Wall und Graben und später dann aus einer hölzernen Palisadenkonstruktion bestanden haben, den prähistorischen Anlagen folgen. Diese Ergebnisse müssen aber noch an anderen Wallschnitten bestätigt und verfeinert werden.
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Abb. 3. Oberleiserberg. Gesamtplan der Ausgrabungsergebnisse zur völkerwanderungszeitlichen Besiedlung (Grabungsstand 2003).
Abb. 4. Oberleiserberg. Rekonstruierter Grundriß des Hauptgebäudes (Steinbau I).
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Der Herrenhof (Abb. 5 a–d) Phase 1 um 380 n. Chr. (Abb. 5a) Der Beginn des Herrenhofes liegt aufgrund von Keramikfunden in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Es tritt in dieser Phase schon einglättverzierte Keramik auf, deren Beginn ins letzte Viertel des 4. Jahrhunderts gesetzt werden kann.24 Der Herrenhof ist an drei Seiten von einer Hofmauer umgeben. Das trapezförmige Hauptgebäude (Steinbau I) besaß zwei gleich große Räume mit Mörtelestrich, wovon der südliche Raum mit einer Fußbodenheizung ausgestattet war. Die zwei Mörtelgruben auf dem Hofgelände standen vermutlich bei der Errichtung des Wohngebäudes und der Hofmauer in Verwendung. Nördlich des Herrenhofes befand sich außerhalb der Hofmauer ein weiteres zweiräumiges, 8,15 × 8,26 m großes Gebäude mit Steinfundament und Mörtelestrich (Steinbau II), dessen Bausubstanz durch die mittelalterlichen Kirchenanlagen stark gestört ist. Phase 2 am Beginn des 5. Jahrhunderts (Abb. 5b) In der zweiten Bauphase, am Beginn des 5. Jahrhunderts, wurde dem Hauptgebäude (Steinbau I) eine Fassade mit Korridor und vorspringenden Risaliten vorgesetzt. Das Gebäude betrat man über den südlichen und nördlichen Risaliten. Damit ist das Hauptgebäude nun zu einem 35 m langen und 17 m breiten römischen Repräsentationsbau (Portikusvilla) mit Steinfundament, Fachwerkwänden und Prunkfassade ausgebaut, der sechs Wirtschafts- bzw. Wohnräume und einen Repräsentationsraum besitzt. Im Bauschutt des Hauptgebäudes fanden sich an Baumaterialien Tubuli, Ziegelplatten, die zum Teil mit dem Stempel Ursicinus versehen waren, und Dachziegel. Für das aufgehende Mauerwerk wurde der vor Ort anstehende Kalktuff verwendet. Die Hofmauer sowie das zweite Steingebäude bleiben unverändert. Das Hauptgebäude gliedert sich durch die beiden Eingänge in einen Nord- und einen Südteil und einen Eckrisalit. Während im Nordteil vermutlich die ökonomischen Einrichtungen untergebracht waren, beinhaltet der Südteil die Repräsentationsräume des Gebäudes. Durch den südlichen Risaliten betritt man zuerst einen Vorraum und anschließend den mit einer Fußbodenheizung ausgestatteten Hauptraum, der wohl für öffentliche Empfänge und Bankette gedient hat. Dieser repräsentative Teil wird ohne
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V. Gassner u. a., Das Kastell Mautern-Favianis. Der Römische Limes in Österreich 39 (Wien 2000) 243.
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weitere Umbauten – und dies sei betont – bis zum Ende des Bestehens der Villa beibehalten. Die architektonisch besonders gestaltete Fassade des Hauptgebäudes findet ihre Vorbilder in der kaiserlichen und feudalen Villenarchitektur.25 Das am Westrand liegende Hauptgebäude des Herrenhofes ist in den Dimensionen zwar wesentlich kleiner als seine römischen Vorbilder, zeigt aber durch die besonders gestaltete Fassade und durch den Repräsentationsraum zwei wesentliche Elemente der kaiserlichen und feudalen Repräsentationsarchitektur. Phase 3 in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts26 (Abb. 5c) Die dritte Phase, die in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts angesetzt werden kann, umfaßt kleinere Umbaumaßnahmen am Hauptgebäude, wie einen neuen Mörtelestrich in den Risaliten und im Korridor, sowie die Errichtung eines Herdes im Raum 3. Im Hofgelände innerhalb der Hofmauer befinden sich ein Ständerbau nördlich des Hauptgebäudes, ein Grubenhaus und Vorratsgruben und südöstlich des Hauptgebäudes mehrere Backöfen. Der Herrenhof ist weiterhin von einer Hofmauer umgeben. Nur die östliche Hofmauerfront dürfte in der Mitte durch einen einschiffigen Torbau, der schon in einer früheren Bauphase errichtet worden sein kann, unterbrochen worden sein. Nordöstlich außerhalb des Herrenhofes befanden sich in einiger Entfernung zu dieser Zeit weitere Backöfen und leicht eingetiefte kleine Pfostenbauten.27 Zehn Backöfen konnten bisher freigelegt werden, die unterschiedlich konstruiert sind. Es handelt sich durchweg um Öfen mit Beschickungsgrube, manchmal wurden von einer Beschickungsgrube aus auch zwei Öfen bedient. Sie waren ebenerdig oder in den gewachsenen Boden eingetieft. Phase 4 um die Mitte des 5. Jahrhunderts (Abb. 5d) Um die Mitte des 5. Jahrhunderts wird der Herrenhof architektonisch umgestaltet. Die Hofmauer wird geschleift. Es werden mehrere neue Holzgebäude errichtet. Mittelpunkt ist nun ein dem Hauptgebäude vorgelagerter, ca. 35 × 33 m großer Platz, den ein monumentaler Torbau mit seitlich an-
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Stuppner, Herrschaftszentrum (wie Anm. 18) 315–316. Es ist nicht gesichert, ob es sich hier um eine eigene Bauphase oder vielmehr um einen Ausbau der Anlage bzw. eine Veränderung der Siedlungsstruktur handelt. Es sind dies vor allem die Ergebnisse der Ausgrabungen im Jahre 2004, die hier im Gesamtplan noch nicht berücksichtigt sind.
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Abb. 5a. Oberleiserberg. Baugeschichtliche Entwicklung des Herrenhofes. a Phase 1 (2. Hälfte 4. Jahrhundert), b Phase 2 (Anfang 5. Jahrhundert).
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Abb. 5b. Oberleiserberg. Baugeschichtliche Entwicklung des Herrenhofes. c Phase 3 (1. Hälfte 5. Jahrhundert), d Phase 4 (Mitte 5. Jahrhundert).
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schließenden hallenartigen Ständerbauten an der Ostseite und rechteckigen Ständerbauten an der Nord- und Südseite säumen. Der Torbau und die Ständerbauten sind in Holz ausgeführt, weisen zum Teil umlaufende offene Säulenhallen (Portiken) auf und stimmen axial mit dem Steinbau I überein. Im Hauptgebäude wird ein weiterer Raum (Raum 2) mit einer Kanalheizung ausgestattet und im rückwärtigen Teil ein Keller eingerichtet. Die Eingänge befinden sich nach wie vor an den Risaliten. Ein dritter Zugang kommt nun an der Rückseite des Eckrisaliten hinzu. Die offenen Flächen zwischen dem Hauptgebäude und den Ständerbauten werden durch eine Pfostenanlage und einen Nebeneingang an der Südseite geschlossen. Charakteristisch für den Herrenhof in Phase 4 sind die symmetrische Anordnung der Ständerbauten und ihre axiale Ausrichtung auf das Hauptgebäude. Das monumentale Eingangsgebäude stimmt in den Proportionen teilweise mit dem Hauptgebäude überein.28 Die Holzgebäude – bzw. in erster Linie das monumentale Eingangsgebäude – sind architektonisch außergewöhnlich gestaltet: Portiken an den Längsseiten, divergierende Architektur der Seitenhallen, die Blendbögen29 an den Außenfassaden der seitlichen Hallen und die räumliche und optische Vergrößerung des Atriums des Torbaues sowie die nach außen gerichteten Giebel und Querdächer, die den kompakten Charakter der Anlage auflockern. Die architektonische Gestaltung und die besondere Ausführung der Holzarchitektur an den Bauten aus Holz erinnern an die Aufzeichnungen des Priscus, der als oströmischer Gesandter im Jahre 449 n. Chr. die Residenz des Hunnenkönigs Attila in der ungarischen Tiefebene aufsucht und dabei auf die besonders ausgeführte Holzarchitektur hinweist. Hier einige Auszüge davon:30 „Wir überquerten mehrere Flüsse und gelangten in ein sehr ausgedehntes Dorf. Dort stand ein stattliches Haus, das größer und schöner sein sollte als alle anderen Wohnsitze. Es war aus Balken gefügt, hatte getäfelte Wände und war rings von einem hölzernen Zaun umgeben, nicht zum Schutz sondern zur Zierde. Daneben stand das Haus des Onegesios, das gleichfalls einen hölzernen Zaun aufwies, der aber im Gegensatz zu dem um Attilas Residenz keine Türme hatte. 28 29
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Stuppner, Herrschaftszentrum (wie Anm. 18) 318. Bei den Ausgrabungen wurden halbrunde bis -ovale Pfostengruben an den Außenrändern der Fundamentgräben dokumentiert, die vermutlich auf in der Mitte gespaltene, bis zu den Schwellbalken hinab geführte Rundhölzer zurückgehen. Nach E. Doblhofer, Byzantinische Diplomaten und östliche Barbaren. In: E. v. Ivánka (Hrsg.), Byzantinische Geschichtsschreiber IV (Graz, Wien, Köln 1955) 40–41, 48.
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Abb. 6. Oberleiserberg. Holzbearbeitungsgeräte: Dechsel, Schaber.
[…] in den umfriedeten Wohnbezirk Attilas […] standen zahlreiche Gebäude; die einen aus geschnitzten und vertäfelten, die anderen aus geglätteten, in Abständen nebeneinandergestellten Balken, welche hölzerne Bogen krönten. Diese Bogen erhoben sich zu ansehnlicher Höhe“. Die Textstelle bei Priscus beschreibt uns in der Residenz des Attila eine äußerst qualitätvolle Holzarchitektur, wie sie auch am Oberleiserberg angenommen werden kann. Es scheint, daß die Holzarchitektur an beiden Plätzen die Steinarchitektur spätantiker feudaler Villen und Paläste nachempfindet. Die Grundrißgestaltung und die architektonische Ausführung der Gebäude, sowie die Achsen- und Maßbezogenheit zwischen den Gebäuden läßt auf im Römischen Reich geschulte Handwerker schließen. Auffallenderweise fanden sich gerade in diesem Fundhorizont auch mehrere zum Zimmermannswerkzeug gehörende Holzbearbeitungsgeräte (Abb. 6).
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Abb. 7. Ravenna. St. Apollinare Nuovo, Wandmosaik: Der Palast des Theoderich (nach Maioli [wie Anm. 32] 240 Fig. III.143).
Die Vorbilder für den in dieser Art ausgebauten Herrenhof sind auch in diesem Fall in der spätantiken Repräsentations- und Palastarchitektur des Römischen Reiches zu finden, wobei der Palast des Ostgotenkönigs Theoderich in Ravenna, der vor allem den großen Palast in Konstantinopel zum Vorbild hatte, genannt sei.31 Für den monumentalen Torbau mit den seitlichen Hallen auf dem Oberleiserberg bietet das Mosaik am südlichen Wandfeld von S. Apollinare Nuovo in Ravenna32 die ansprechenste Vorlage (Abb. 7). Es stellt die Eingangsfassade eines spätantiken Palastes mit überhöhtem Torbau (Propylon) mit seitlichen Flügelbauten in leichter Linksansicht dar. Quer über dem Giebel befindet sich die Inschrift „PALATIUM“ und im Giebelfeld dürfte ursprünglich ein Reiterbild des Theoderich in Mosaik angebracht gewesen sein. Nach F. Deichmann handelt es sich um die Fassade eines Stadtpalastes in Ravenna. Vorbild wäre die Chalke des byzantinischen Kaiserpalastes. Mit den Elementen Torbau, zentraler Hof und Empfangssaal mit Vorraum scheint der Herrenhof am Oberleiserberg in seiner jüngsten Ausbau-
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F. W. Deichmann, Frühchristliche Bauten und Mosaiken von Ravenna (Baden-Baden 1958); F. W. Deichmann, Ravenna, Hauptstadt des spätantiken Abendlandes. Band 1. Geschichte und Monumente (Wiesbaden 1969); F. W. Deichmann, Ravenna, Hauptstadt des spätantiken Abendlandes. Band 2,1. Kommentar (Wiesbaden 1974); F. W. Deichmann, Ravenna, Hauptstadt des spätantiken Abendlandes. Band 2, 3. Kommentar (Wiesbaden 1989) 58–70 Abb. 19 und 21. M. G. Maioli, Ravenna e la Romagna in epoca gota. In: V. Bierbrauer/O. v. Hessen/ E. A. Arslan, (Hrsg.), I Goti. Ausstellungskatalog Milano, Palazzo Reale 28 gennaio8 maggio 1994 (Milano 1994) 232–243, 240 Fig. III.143; Deichmann, Ravenna (wie Anm. 31) 70–75.
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phase um die Mitte des 5. Jahrhunderts dem Schema palatialer Anlagen33 zu folgen, das N. Duval am Beispiel spätantiker Paläste aufzeigt.34 In der jüngsten Ausbauphase kann also der Herrenhof unter die spätantiken palatialen Anlagen eingereiht werden. In diesem Zusammenhang sei noch einmal der Keller im rückwärtigen Teil des Hauptgebäudes erwähnt: Der Keller ist 1 m in den Felsen eingetieft, dürfte innen eine lichte Höhe von 1,30 m besessen haben und ist mit einem 5–6 cm starken Lehmestrich ausgestattet. Die rechteckige Grube ist an der Sohle 2,40 m bzw. am oberen Grubenrand 3 m breit und etwa 3 m lang. Die Lage eines Kellerraumes im rückwärtigen Teil des Hauptgebäudes scheint im Vergleich mit den Villenanlagen in den römischen Provinzen außergewöhnlich. Dieser ist dort meist in den Risaliten des Hauptgebäudes untergebracht.35 Wozu könnte der Keller am Oberleiserberg also gedient haben? In den römischen Kastellen zum Beispiel war gut bewacht unter dem Fahnenheiligtum in einer holzverschalten Depotgrube die Truppenkasse untergebracht, die nur durch eine Falltür im Fußboden zu erreichen war.36 Man könnte daher beim Keller am Oberleiserberg aufgrund der Raumhöhe auch an einen Depotraum denken. Dieser „Depotraum“ lag unmittelbar neben dem Repräsentationsraum und war von diesem aus kontrollierbar.
Feinschmiede (Abb. 8) Außerhalb des Herrenhofes befanden sich in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts außer Backöfen auch Werkstätten für die Metallverarbeitung. Etwa 160 m östlich des Herrenhofes wurde im bewaldeten Teil des Plateaus 33
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G. P. Brogiolo, Edilizia residenziale die età gota in Italia settentrionale. In: V. Bierbrauer/O. v. Hessen/E. A. Arslan, (Hrsg.), I Goti. Ausstellungskatalog Milano, Palazzo Reale 28 gennaio-8 maggio 1994 (Milano 1994) 214–221. N. Duval, Les maisons d’Apamée et l’architecture „palatiale“ de l’Antiquité tardive. In: J. Balty (Hrsg.), Apamée de Syrie. Bilan des recherches archéologiques 1973–1979. Aspects de l’architecture domestique d’Apamée. Actes du colloque tenu à Bruxelles les 29, 30 et 31 Mai 1980. Fouilles d’Apamée de Syrie. Miscellanea. Fasc. 13 (Bruxelles 1984) 447–470; N. Duval, Existe-t-il une „structure palatiale“ propre à l’Antiquité tardive? In: E. Lévy (Hrsg.), Le système palatial en Orient, en Grèce et à Rome. Actes du Colloque de Strasbourg 19–22 juin 1985. Université des Sciences Humaines de Strasbourg 9 (Strasbourg 1987) 463–490. C. S. Sommer, Unterschiedliche Bauelemente in den Kastellvici und Vici. Hinweise auf die Herkunft der Bevölkerung in Obergermanien. In: N. Gudea (Hrsg.), Roman Frontier Studies. Proceedings of the XVIIth International Congress of Roman Frontier Studies (Zala˘ u 1999) 612–621. A. Johnson, Römische Kastelle des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. in Britannien und in den germanischen Provinzen des Römerreiches. Kulturgeschichte der Antiken Welt 37 (Mainz am Rhein 1987) 134–138.
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Abb. 8. Oberleiserberg. Feinschmiede. 1 Ständerbau mit Kanalheizung, 2 Eingetiefter Pfostenbau, 3 Ofen.
ein dreiräumiger, hölzerner Ständerbau mit einer T-förmigen Kanalheizung und einem Vorraum freigelegt, der als Wohngebäude diente. Im Hypokaustum wurden Tubuli als Suspensurträger und gestempelte Ziegel der OF ARN URSICINUS MG-Gruppe verwendet. Südlich davon wurde ein teilweise eingetiefter, 5 × 6 m großer, rechteckiger Pfostenbau ausgegraben, der zu einer Feinschmiede gehören dürfte.37 37
A. Stuppner, Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn, NÖ, in der frühen Merowingerzeit. In: Probleme der frühen Merowinger im Mitteldonauraum. Spisy Arch. ústavu AV CˇR Brno 19 (Brno 2002) 297–311. In diesem Beitrag werden für die beiden Objekte zwei verschiedene Zeithorizonte angenommen. Dabei wird der Ständerbau als älter eingestuft und der südlich davon liegende Pfostenbau, der von der Mitte bis zur zweiten Hälfte des 5. Jhs. datiert wurde, als jünger. Die Ausgrabungen im Sommer 2004 haben ergeben, daß es sich auch um eine umgekehrte Stratigraphie handelt. – Desweiteren hat K.-J. Gilles in den Diskussionen bei Symposien häufiger in Erwägung gezogen, ob die Heizanlage in diesem Gebäude nicht auch als Darre gedient haben könnte. Diese Ansicht findet derzeit im norisch-pannonischen Raum keine Unterstützung. Heizanlagen dieser Form in Wohngebäuden sind in diesem Gebiet für die Spätantike durchaus üblich; siehe dazu auch R. Kastler, Archäologie in Höflein bei Bruck an der Leitha. Tätigkeitsbericht 1995 und 1996. Carnuntum Jahrbuch 1998 (1999) 208 mit Anm. 191.
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Der Fundbestand 38 Zum charakteristischen Fundbestand gehören germanisches bzw. einheimisches Fundgut39 wie Freihandkeramik, germanische Drehscheibenware und Haus- bzw. Gebrauchskeramik des 5. Jahrhunderts.40 Die germanische Drehscheibenware läßt sich nach M. Pollak der mährisch-westslowakischen Gruppe der spätkaiserzeitlichen germanischen Drehscheibenkeramik zuordnen. An Typen sind die großen Umbruchschüsseln und verschiedene Formen an Fußschalen sowie Imitationen von grünglasierten Schälchen und Reibschüsseln, die vor allem in der jüngsten Phase Verwendung fanden, vorhanden (Abb. 9). Die nicht so häufig vorkommende Freihandware ist durch einfache konische Schüsseln und verschiedene Topfformen zum Teil mit gekerbtem Rand vertreten. In wenigen Bruchstücken ist auch im Murga-Stil verzierte Keramik vorhanden, die fast ausschließlich bikonische Formen aufweist. Die römische Keramik stellt etwa ein Fünftel des keramischen Fundguts dar. Es handelt sich um einglättverzierte Gefäßformen (Abb. 10) und vor allem spätrömische grünglasierte Keramik (Abb. 11). Zum römischen Fundbestand zählen auch spätantike Glasgefäße wie eiförmige Becher, Nuppenbecher, Wabenbecher, Becher vom Snartemo-Typus, Trinkhörner und vereinzelt geschlossene Gefäße, wobei die eiförmigen Becher und Nuppenbecher überwiegen.41 Unter den Fibeln fanden sich vor allem solche mit umgeschlagenem und mit rechteckigem Fuß (Abb. 12). Sie wurden hauptsächlich aus Eisen
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Es werden hier nur die wichtigsten Fundgattungen erwähnt. M. Pollak, Die germanische Drehscheibenkeramik vom Oberleiserberg. In: J. Tejral/ H. Friesinger/M. Kazanski (Hrsg.), Neue Beiträge zur Erforschung der Spätantike im mittleren Donauraum. Materialien der Internationalen Fachkonferenz „Neue Beiträge zur Erforschung der Spätantike im mittleren Donauraum“, Kravsko 17.–20. Mai 1995. Spisy Archeologického ústavu AV CˇR Brno 8 (Brno 1997) 165–172; M. Pollak, Die germanischen Funde vom Oberleiserberg (Niederösterreich). In: Th. Fischer/G. Precht/J. Tejral (Hrsg.), Germanen beiderseits des spätantiken Limes. Materialien des X. Internationalen Symposiums „Grundprobleme der frühgeschichtlichen Entwicklung im nördlichen Mitteldonaugebiet“, Xanten vom 2.–6. Dezember 1997. Spisy Archeologického ústavu AV CˇR Brno 14 (Köln, Brno 1999) 207–214. Zur Gebrauchskeramik des 5. Jhs. nördlich der mittleren Donau siehe: J. Tejral, Spätrömische und völkerwanderungszeitliche Drehscheibenkeramik in Mähren. Archaeologia Austriaca 69, 1985, 140–141. A. Stuppner, Die Glasfunde des Oberleiserberges. In: J. Tejral/H. Friesinger/M. Kazanski (Hrsg.), Neue Beiträge zur Erforschung der Spätantike im mittleren Donauraum. Materialien der Internationalen Fachkonferenz „Neue Beiträge zur Erforschung der Spätantike im mittleren Donauraum“, Kravsko 17.–20. Mai 1995. Spisy Archeologického ústavu AV CˇR Brno 8 (Brno 1997) 215–232.
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Abb. 9. Oberleiserberg. Germanische Drehscheibenkeramik (nach Pollak, Funde [wie Anm. 39] 209 Taf. 1).
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Abb. 10. Oberleiserberg. Einglättverzierte Keramik.
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Abb. 11. Oberleiserberg. Grünglasierte Keramik.
gefertigt und sind durch alle Phasen hindurch vertreten. Exemplare aus Bronze mit stempelverziertem Bügel bilden die Ausnahme. Die Amulette und Anhänger umfassen prismatische Knochenanhänger, in Silberdraht gefaßte Steine (Quarz-Pyrit), lanzett- und dreipaßförmige Anhänger aus Gold sowie Chalzedonperlen (Abb. 13).42 Ein als Streufund zum Vorschein gekommener, peltaförmiger Anhänger aus Buntmetall kann als Pferdestirnschmuck oder als Anhänger am Brustgeschirr angesprochen werden (Abb. 14).43 Seine Öse greift in das Scharnier eines Scheibenniets. Die Oberfläche des peltaförmigen Stückes ist mit mäander- und strichgefüllten Feldern verziert. Entsprechende Anhänger fand man im 4. und 5. Jahrhundert in Mitteleuropa von Jütland bis hinunter in den Donauraum. An Knochenkämmen sind ausschließlich einreihige Kämme mit glokkenförmiger Griffplatte vertreten. An Waffen kommen ausschließlich Fernwaffen vor wie spätrömische Geschoßspitzen und zwei- und dreiflügelige Eisenpfeilspitzen (Abb. 15), wobei die erstgenannten überwiegen. Der Oberleiserberg ist bisher die einzige Fundstelle nördlich der mittleren Donau mit spätrömischen Geschoß42
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A. Stuppner, Amulette und Anhänger vom Oberleiserberg bei Ernstbrunn, NÖ. In: K. Kuzmová/K. Pieta/J. Rajtár (Hrsg.), Zwischen Rom und dem Barbaricum. Festschrift für Titus Kolník zum 70. Geburstag. Archaeologica Slovaca Monographiae, Communicationes 5 (Nitra 2002) 377–384. Zum spätrömischen Pferdestirnschmuck siehe: J. Werner, Spätrömischer Pferdestirnschmuck aus Aquilea. In: Lebendige Altertumswissenschaft. Festgabe zur Vollendung des 70. Lebensjahres von Hermann Vetters (Wien 1985) 307–310 Taf. 37–38.
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Abb. 12. Oberleiserberg. Fibeln. 1 Bronzefibel mit rechteckigem Fuß und stempelverziertem Bügel, 2 Eisenfibel mit rechteckigem Fuß, 3 Eisenfibel mit umgeschlagenem Fuß.
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Abb. 13. Oberleiserberg. Verschiedene Anhänger.
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Abb. 14. Oberleiserberg. Peltaförmiger Anhänger aus Buntmetall.
Abb. 15. Oberleiserberg. Waffen. Spätrömische Geschoßspitzen.
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spitzen. Sie lagen in einer Zerstörungsschicht, die mit dem Ende der Siedlung zusammenhängen dürfte. Aus Brandplanierungsschichten bzw. aus Grubeninhalten stammen Spinnwirtel und Webgewichte von Gewichtswebstühlen. Die Webgewichte der Phase 1 weisen rechteckige, nicht näher identifizierbare Werkmarken auf (Abb. 16). Aus der jüngsten Phase stammt ein Webgewicht mit der Werkmarke eines in dieser Zeit sehr gebräuchlichen T-förmigen Hakenschlüssels.44 Es könnte sich um die Marken der Hersteller handeln. Die Anzahl der römischen Münzen ist entgegen den Erwartungen nicht all zu groß. Ihr Anteil macht etwa 1,3 % im Gesamtfundbestand aus. Das Münzspektrum weist sporadische Vertreter des 2. und 3. Jahrhunderts auf, eine stärkere Präsenz ist für das 4. Jahrhundert festzustellen. Die Münzen beginnen mit Prägungen des römischen Kaisers Mark Aurel (161–180) und enden mit Prägungen des römischen Kaisers Theodosius I. (379–395). Einige Münzen waren auch gelocht und wurden als Anhänger getragen.45 Historisch-archäologischer Hintergrund 46 Der Herrenhof knüpft mit bestimmten Elementen, wie dem Empfangssaal, der besonders gestalteten Fassade und der „peristylen“ Hofanlage mit dem architektonisch aufwendig ausgeführten Eingangsgebäude an die Architektur feudaler Villen und spätantiker Paläste an. Als Vorläufer zur Anlage auf dem Oberleiserberg können die römischen Gebäude in germanischen Siedlungen der jüngeren römischen Kaiserzeit wie Stupava und Cífer Pác gelten, die Titus Kolník als Sitze germanischer Klientelkönige betrachtet.47 In unserem Fall könnte die nur 3,3 km entfernte germanische Siedlung mit römischen Gebäuden in Niederleis eine Rolle gespielt haben, deren Bauten man wahrscheinlich ins 4. Jahrhundert setzen kann.48 Haben sich also die 44
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A. Kokowski, Schloßbeschläge und Schlüssel im Barbaricum in der römischen Kaiserzeit und der frühen Völkerwanderungszeit. Klasyfikacja zabytków Archeologicznych 2 (Lublin 1997) 14 (Typ D) 27. Mitscha-Märheim/Nischer-Falkenhof (wie Anm. 22) Taf. X,18. Die folgenden Ausführungen werden vom Autor dieses Beitrages in seiner Habilitationsschrift, die den Oberleiserberg als spätantike Höhensiedlung zum Thema hat, ausführlich dargestellt und erörtert. T. Kolník, Zum Problem der villenartigen Bauten im mitteldanubischen Barbarikum. Balácai Közlemények 3, 1994, 359–368. E. Nischer-Falkenhof/H. Mitscha-Märheim, Die römische Station bei Niederleis und abschließende Untersuchungen auf dem Oberleiserberge. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission 2/6, 1931, 439–469; E. Nischer-Falkenhof/H. Mitscha-Märheim, Dritter Bericht über die Ausgrabungen in Nieder- und Oberleis, Bez. Mistelbach, N.-Ö. Wiener Prähistorische Zeitschrift 22, 1935, 83–99; Thomasl. Fundberichte aus Österreich 15, 1975, 167 (H. Friesinger).
Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn
Abb. 16. Oberleiserberg. Webgewichte mit Werkmarken.
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Bewohner von Niederleis auf die Anhöhe zurückgezogen? Ohne umfassende archäologische Untersuchungen in Niederleis sind keine weiteren Aussagen möglich. Für die römischen Gebäude nördlich der mittleren Donau wird meist Ammianus Marcellinus 29,6,2 zitiert: trans flumen Histrum in ipsis Quadorum terris quasi Romano iuri iam vindicatis aedificari praesidiaria castra mandavit („So ließ er [der römische Kaiser Valentinian I., 364–375 n. Chr.] jenseits der Donau, mitten im Gebiet der Quaden, als wäre es schon römisches Eigentum, eine Schutzfeste errichten“).49 Was versteht man unter den praesidiaria castra? Einige Forscher vertreten die Ansicht, daß die Angabe bei Ammianus Marcellinus sich auf den Ausbau von Brückenköpfen am linksseitigen Ufer der Donau bezieht.50 Andere hingegen sehen jedoch hinter dieser Angabe sämtliche in diese Zeit zu datierenden, auf römische Art errichteten Gebäude jenseits der mittleren Donau, die der römische Kaiser erbauen ließ. Das heißt, man kann unter den praesidiaria castra befestigte Siedlungen mit mehreren Bauten verschiedener Funktion verstehen, zum Beispiel Herrschaftsgehöfte mit Wohn- und Repräsentationsbauten, mit Einrichtungen für das Handwerk usw., die eine oder mehrere Generationen existierten und deren Bewohner germanische Klientelkönige waren. Es fragt sich auch, ob hinter der Angabe „als wäre es schon römisches Eigentum“ der römische Kaiser Landzuweisungen jenseits der Donau an romanisierte, ihm treu ergebene Germanen vornahm. Welcher ethnischen Gruppe können nun die Bewohner des Oberleiserberges zugeordnet werden? Aufgrund des archäologischen Fundmateriales handelt es sich um spätsuebische Gruppen, den Nachfahren der Markomannen und Quaden, wie dies auch Marianne Pollak bei der Auswertung von einheimischen Fundmaterialien angenommen hat.51 Die kontinuierliche baugeschichtliche Entwicklung des Herrenhofes könnte die Annahme unterstützen, daß die Sueben bis zum Ende der Siedlung dort gesessen 49
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Übersetzung nach J. Herrmann (Hrsg.), Griechische und Lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u. Z. Vierter Teil: Von Ammianus Marcellinus bis Zosimos (4. und 5. Jh. u. Z.). Schriften und Quellen der Alten Welt 37/4 (Berlin 1992) 111. T. Fischer, Spätzeit und Ende. In: W. Czysz/K. Dietz u. a., Die Römer in Bayern (Stuttgart 1995) 388–389. M. Pollak, Späte Sueben beiderseits der mittleren Donau in der Spätkaiser- und Völkerwanderungszeit. In: Bericht über den 21. österreichischen Historikertag in Wien vom 6.–10. Mai 1996. Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Historiker und Geschvereine 30 (Wien 1998) 141 ff.; M. Pollak, Späte Sueben beiderseits der mittleren Donau in der Spätkaiser- und Völkerwanderungszeit. In: J. Tejral/C. Pilet/M. Kazanski (Hrsg.), L’Occident romain et l’Europe centrale au début de l’époque des Grandes Migrations. Spisy Arch. ùstavu AV CˇR Brno 13 (Brno 1999) 191 ff.
Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn
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haben. Die außergewöhnliche architektonische Gestaltung der Anlage in der jüngsten Phase scheint auf den Sitz eines suebischen Heerkönigs hinzudeuten. In diesem Umfeld sind vermutlich auch jene historisch überlieferten Persönlichkeiten zu suchen, die möglicherweise mit der Anlage auf dem Oberleiserberg verbunden werden können. Für die Markomannen und Quaden sind in den schriftlichen Quellen historische Personen für das ausgehende 4. und beginnende 5. Jahrhundert, für die späten Sueben vor allem für die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts überliefert. In der Notitia Dignitatum occidentalis XXXIV,24 wird am Ende des 4./ Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. unter den Militärpräfekten der Provinz Pannonia I ein Offizier der Markomannen (Tribunus gentis Marcomannorum) ohne Ortsangabe genannt. Sein Sitz wird im Nahbereich des Legionslagers von Vindobona (Wien) vermutet. Die Vita Sancti Ambrosii Mediolanensis Episcopi 36 von Paulinus Mediolanensis erwähnt in dem Zusammenhang auch einen Briefwechsel zwischen der Markomannenkönigin Fritigil und dem Bischof Ambrosius von Mailand († 397). Dieser gab ihr den Rat, ihr Mann möge die römische Oberhoheit anerkennen und sich in den Dienst Roms stellen. Es könnte sich dabei um den oben erwähnten Tribun handeln. Sowohl dieser als auch die Markomannenkönigin Fritigil könnten ihre Residenz unter anderem auf dem Oberleiserberg gehabt haben. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, nach der Schlacht von Nedao im Jahr 454, werden bei Jordanis in der Getica mehrmals die Sueben und ihre Könige genannt, ohne daß ihr genaues Siedlungsgebiet bekannt ist.52 467 unternehmen die Suawenkönige Hunimund und Alarich einen Beutezug nach Dalmatien und rauben die Viehherden des Gotenkönigs Thiudimir. 469/70 führt der Gotenkönig Thiudimir im Winter sein Heer von Pannonien über die Donau gegen den Suebenkönig Hunimund. Jordanis gibt einen diesbezüglichen topographischen Hinweis zur Residenz des Hunimunds: „Nach einiger Zeit, als die Winterkälte bevorstand, und die Donau, wie gewöhnlich, fest zugeforen war – denn dieser Fluss gefriert so fest, daß er, hart wie Stein, ein ganzes Heer zu Fuß trägt und Wagen und Schlitten und alle möglichen Fuhrwerke, so daß man der Kähne nicht bedarf – da führte der Gotenkönig Thiudimir, als er sie so zu52
Jordanis Gotengeschichte nebst Auszügen aus seiner Römischen Geschichte. Übersetzt von Dr. Wilhelm Martens. Herausgegeben von A. Heine (Essen, Stuttgart 21986) 133–139. Vgl. dazu auch H. Wolfram, Die Goten (München 42001) 264–267.
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geforen sah, sein Heer zu Fuß darüber und erschien unerwartet im Rücken der Suawen. […] Mit diesen Suawen waren damals auch die Alamannen verbunden, die ganz auf den Gipfeln der Alpen wohnten, von wo einige Flüsse, mit großem Getöse herabstürzend, der Donau zuströmen. Hierher an einen hochgeschützten Ort [ein Ort im Gebiet des Suebenkönig Hunimund] führte der König Thiudimir zur Winterszeit das Heer der Goten und besiegte Suawen und Alamannen, die miteinander verbündet waren, verheerte ihr Land und unterwarf sie nahezu. Von hier kehrte er siegreich in seine Heimat nach Pannonien zurück […]“. Aufgrund der Befundsituation (siehe Fernwaffen) stellt sich die Frage, ob mit diesem Ereignis auch das Ende der Siedlung auf dem Oberleiserberg verbunden werden kann, oder handelt es sich um das sieben bis acht Jahre später stattfindende Ereignis im Zusammenhang mit der in der Vita Sancti Severini53 des Eugippius überlieferten Zerschlagung des Rugierreiches? Nach der Vita Sancti Serverini des Eugippius 44,3–4 besiegt Odoaker im Herbst 487 am Ufer der Donau die Rugier, welche der oströmische Kaiser Zenon zum Angriff auf Italien überredet hatte. Der Rugierkönig Feletheus (Feba) wird gefangen genommen und später getötet. 488 sendet Odoaker seinen Bruder Onoulfus gegen die Rugier, die unter Fridericus, dem Sohn des Feletheus, in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Sie werden besiegt und das Rugierreich zur Gänze zerschlagen. Die archäologischen Ergebnisse am Oberleiserberg aber reichen derzeit nicht aus, diese Fragen zu beantworten.54
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K. Dietz, Quellen zur Geschichte an der mittleren Donau im 5. Jahrhundert. In: W. Menghin/T. Springer/E. Wamers (Hrsg.), Germanen, Hunnen und Awaren. Schätze der Völkerwanderungszeit. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums (Nürnberg 1987) 38–39. Ich danke Viktoria Stuppner für die kritische Durchsicht des Manuskripts.
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 457–480 Höhensiedlungen Völkerwanderungszeit im nördlichen Karpatenbecken © Copyright 2008 Walter deder Gruyter · Berlin · New York
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Höhensiedlungen der Völkerwanderungszeit im nördlichen Karpatenbecken Karol Pieta
Burgwälle, Refugien und andere Formen von Höhensiedlungen gehören zu den charakteristischen Merkmalen der Westkarpaten. Allerdings wurden nur wenige von ihnen ausreichend untersucht. Demzufolge stellt dieser Beitrag nur eine allgemeine Information über den Forschungsstand der spätkaiserzeitlichen und völkerwanderungszeitlichen Siedlungen dieser Art dar. Aus archäologischer Sicht wird das Karpatenland durch Hunderte von Erdbefestigungen verschiedener Zeiten und Kulturen charakterisiert. Als Beispiel kann erwähnt werden, daß nur in einer der nordslowakischen Regionen – in Liptov – bis jetzt 56 bronze- und eisenzeitliche Befestigungen entdeckt und dokumentiert wurden. Diese hohe Zahl hängt mit dem Erzreichtum, das heißt mit den leicht zugänglichen Silber-, Kupfer- und Eisenerzlagerstätten zusammen wie auch mit der Tatsache, daß die bronze-, hallstatt- und spätlatènezeitlichen Befestigungen von unterschiedlicher Größe und Charakter waren. Deswegen wurden in der hügeligen Landschaft zu Befestigungszwecken nur selten dieselben Anlagen benutzt. Die letzten in der Reihe, die der Púchov-Kultur angehören, haben ihr Ende am Anfang der Frühkaiserzeit gefunden, wenn auch die einheimische, ethnisch gemischte Bevölkerung hier bis in die siebziger Jahre des 2. Jahrhunderts lebte.
Spätsuebische Besiedlung Das fruchtbare Land zwischen dem Westkarpatenbogen und der Donau haben nach den Kelten seit Anfang des ersten nachchristlichen Jahrhunderts die germanischen Sueben/Quaden besiedelt, die nach den archäologischen und historischen Quellen in diesem Raum bis ins 6. Jahrhundert lebten und dann durch die slawische Bevölkerung ersetzt wurden. In der Frühphase der älteren römischen Kaiserzeit hat sich die germanische Besiedlung im Westen des Landes konzentriert und erst im Laufe der Zeit weiter nach Osten und Norden verbreitet. Zu den bedeutenden Wand-
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lungen kam es vor allem in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, als die germanischen Siedlungen im Norden die Gebirgsketten der Kleinen Fatra und Niederen Tatra zu Lasten der dortigen Púchov-Kultur erreichten. Zu dieser Zeit – der Zeit der Markomannenkriege – begegnen uns am gebirgigen Rand des quadischen Siedlungsareals die ersten Spuren einer refugialen Besetzung von Höhenlagen, die in die turbulenten Jahre der germanischrömischen Konfrontation gut hineinpassen (Pieta 1994). Die dicht am Rand der Siedlungskammern liegenden Anhöhen und Berge mit antiken Wallanlagen in der Südwestslowakei wurden wieder in der Schlußphase der römischen Kaiserzeit, in den Stufen C3 und D1, zu Siedlungszwecken benutzt (Abb. 1). Es sind überwiegend Einzelfunde, oft nur mit Hilfe von Suchgeräten gewonnene Metallgegenstände, die uns die Nachbesiedlung alter vor- oder frühgeschichtlicher Burgwälle belegen. Auch die Grabungsergebnisse deuten daraufhin, daß die westslowakischen Höhenanlagen zu dieser Zeit wenig intensiv besiedelt waren. Bei den Ausgrabungen auf der Burg von Nitra und in Ducové Bez. Trencˇín wurden nur vereinzelte Häuser und Gruben freigelegt. Es spricht dafür, daß diese Anlagen meistens nur als temporäre Refugien dienten. Allerdings gibt es auch Ausnahmen von diesem Modell. Dies belegt die bekannte Fundstelle an der Devíner Klippe über dem Zusammenfluß von March und Donau, die seit augusteischer Zeit als Brückenkopf Carnuntums am nördlichen Donauufer verwendet wurde und bis in die valentinianische Zeit unter römischer Kontrolle stand. In der Umgebung der verlassenen spätrömischen Steinbauten im heutigen Burgareal fand man zahlreiche Befunde mit spätsuebischer Töpferware sowie mit Keramik später provinzialer Tradition. Erwähnenswert sind die zwei entdeckten Backöfen mit Brotresten (Pieta/Plachá 1989). Auch die Nachbargebiete in Niederösterreich und Mähren liefern das gleiche Bild mit refugialen Anlagen wie auch mit auf den Bergen liegenden Siedlungen, die bestimmte zentrale Positionen in der frühvölkerwanderungszeitlichen Siedlungsstruktur innehatten (Tejral 1999, 240f.). Einmalige Ergebnisse in dieser Richtung lieferten die Ausgrabungen am Oberleiserberg mit dem langfristig bewohnten und mehrmals umgebauten Herrenhof (Stuppner 2004; vgl. Beitrag in diesem Band S. 427 ff.). Im nördlichen Teil des germanischen Siedlungsareals im bergigen mittleren Waag- und oberen Gran-Tal hat sich die Zahl der oft neu gegründeten und in den entlegenen Seitentälern liegenden spätsuebischen Siedlungen der Spätkaiserzeit deutlich erhöht. Auch die alten späteisenzeitlichen Burgwälle der Púchov-Kultur kamen als Niederlassungen wieder in Gebrauch. Nach den Ergebnissen der Probegrabungen zu urteilen, wurden diese Höhenlagen kurz und unterschiedlich intensiv besiedelt.
Abb. 1. Höhenanlagen der Völkerwanderungszeit in der Slowakei. Vierecke: Fundorte der donauländischen Germanenbesiedlung, Dreiecke: Fundorte der Nordkarpatischen Gruppe.
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Im Westen der Slowakei konnten die Höhensiedlungen meistens durch charakteristische Einzelfunde, vor allem Fibeln datiert werden. Die relativ hohe Zahl der Höhensiedlungen im mittleren Waag-Tal hängt bestimmt mit der intensiven Besiedlung dieses Gebietes am Ende des 4. und am Anfang des 5. Jahrhunderts zusammen. Es handelt sich um die Nachbesiedlung der alten großflächigen Wallanlagen (zum Beispiel Trencˇianske Bohuslavice, Belusˇské Slatiny, Ducové, Moravany), aber auch die kleinen Burgwälle der PúchovKultur (Vel’ky´ Kolacˇín, Trencˇianske Teplice) wurden in der frühen Völkerwanderungszeit kurzfristig besetzt. Die Funde beschränken sich meistens auf verstreute Keramik und vereinzelte Metallsachen. Nur die Grabungen auf der strategisch wichtigen Anlage bei Skalka nad Váhom haben eine größere Menge Fundmaterial aus dieser Zeit zutage gefördert (Hanuliak 1998). Allerdings fehlen auch hier Erkenntnisse über Bautypen und die Befestigung völlig. Im Fibelspektrum sind die späten Derivate der eingliedrigen Bogenfibeln mit verlängertem Fuß, dem Typ A 166 nahestehende Fibeln wie auch andere späte Varianten mit umgeschlagenem Fuß vertreten (Abb. 2,1.8. Dazu auch die Bronzefibel aus Trencˇianske Teplice: Pieta 2000c, 132, Abb. 4,9; Ma˛czyn´ska 2001, 81f.). Weniger häufig sind die späteren Formen, wie der Typ Prag aus Skalka nad Váhom oder die Silberfibel mit dreieckiger Kopfplatte aus Moravany (Abb. 2,4.7). Zu den besonderen Funden gehört die lanzettförmige bronzene Riemenzunge aus Kosˇeca-Nozdrovice (Abb. 2,9), die zu den Bestandteilen der einfachen Militärgürtelgarnituren gehört (Typ A nach Böhme). Sie waren vor allem in den Provinzen am Rhein und in Britannien und in deren barbarischem Vorfeld in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts verbreitet (Böhme 1974, Abb. 29, Texttaf. B, Karte 18). Neben den Eisengeräten, einfachen Fibeln und sonstigem Trachtzubehör kam auf den westslowakischen Höhensiedlungen auch vereinzelt Silberschmuck zutage, der eher zu einer gesellschaftlich höher stehenden Sozialschicht gehören könnte (Axtanhänger aus Skalka nad Váhom, Fibel aus Moravany-Marhát: Abb. 2,3.7). In der Mittelslowakei, besonders im Gran-Tal, ist dank der Grabungen und Sondagen in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Situation ein wenig deutlicher. Am Burgwall bei Horné Prsˇany unweit von Banská Bystrica mit nur 0,2 ha Fläche konnten Reste einer Werkstatt mit Bronzegußproduktion freigelegt werden (Abb. 3). Eisenschlacke, Eisenhalbfabrikate und Kesselfragmente aus getriebenem Kupferblech belegen die handwerkliche Tätigkeit auf dem Burgwall Kalamárka (816 m) bei Detva mit einer Fläche von 0,9 ha, dessen Datierung in die Stufen C3 und D1/D2 durch Fibeln, Kamm- und Glasbecherfragmente (Abb. 4,1–7) abgesichert ist. Eine gleichzeitige Befestigung beider Anlagen konnte nicht nachgewiesen werden (Sˇalkovsky´ 2002).
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Abb. 2. Funde aus den Höhensiedlungen im Waag-Tal. 1.4–6 Vel’ky´ Kolacˇín, 2 Povazˇská Bystrica-Povazˇská Teplá, 3 Skalka nad Váhom, 7 Moravany nad Váhom, 8.9 Trencˇianske Bohuslavice. 1.2.6.8 Eisen, 3.7 Silber, 4 Eisen mit Bronzeknöpfen, 5.9 Bronze.
Zu den Merkmalen der Schlußphase mittelslowakischer Höhensiedlungen gehören die Silberhortfunde vom Typ Kacˇin/Valea Strimba aus den Burgwällen Banská Bystrica-Selce, Banská Bystrica-Sásová und Ksˇinná. Bronze- und Silberschmuck gleicher Art, freigelegt zusammen mit Menschenknochen und anderen sonderbaren Funden in zwei Höhlen unweit der Höhensiedlungen in Banská Bystrica-Sásová, deuten die Existenz unbekannter Kultpraktiken an (Abb. 4,11–20). Brandspuren, ziemlich reiches Fundinventar, dreikantige Pfeilspitzen und möglicherweise auch versteckte Horte lassen auf ein gewaltsames Ende der Höhensiedlungen im nördlichen Randgebiet des suebischen Siedlungsgebietes während der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts schließen.
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Abb. 3. Horné Prsˇany. 1–3 Bronze, 4.5.7–17.19 Eisen, 18 Sandstein mit Bronzeresten (Gußformfragment).
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Abb. 4. Funde aus den Höhensiedlungen in der Mittelslowakei. 1–7 Detva-Kalamárka, 8.13–15.17 Banská Bystrica-Sásová, Höhle Kaplnka, 9–12 Banská Bystrica-Selce, 16.18–20 Banská Bystrica-Selce, Höhle Netopierska. 1.3.8.14.17 Bronze, 2.9.10.15 Eisen, 4 Bein, 5–7 Glas, 11 Silber vergoldet, 12.16.18–20 Silber, 13 Bernstein.
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Die Nordkarpatische Gruppe Völlig unterschiedlich hat sich die Besiedlung des nordslowakischen wie auch des südpolnischen Karpatenlandes entwickelt. Seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts wurden die mehr als fünf Jahrhunderte lang bewohnten Siedlungskammern für lange Zeit verlassen. Umfangreiche, erzreiche und für die Ansiedlung gut geeignete Regionen von Turiec, Orava, Liptau und Zips blieben im 3. und 4. Jahrhundert kaum besiedelt. Das gesamte Bild änderte sich im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts (in der Stufe C3), als dieses Gebiet erneut, wahrscheinlich von Norden aus dem Bereich der späten Przeworsk-Kultur (besonders aus der Dobrodzien´-Gutentager Gruppe), kolonisiert wurde. In kurzer Zeit entstanden in der Nord- und NordostSlowakei wie auch in Südpolen Hunderte von kleinen Niederlassungen der Nordkarpatischen Gruppe mit charakteristischer materieller Kultur. Die neue Bevölkerung besetzte also nördliche wie auch südliche Täler des westkarpatischen Hauptkammes. Die Kleine Fatra und das Niedere Tatra-Gebirge wurden zu einer gemeinsamen Grenze dieser neuen Bevölkerung zum suebischen Gebiet. Neue Ansiedler ließen sich in früher nicht aufgesuchten Lagen entlang der Bäche in den Seitentälern und auf den Flußterrassen nieder. Die Siedlungsspuren sind auch aus Höhlen in extremen Lagen bekannt. Auf der polnischen Seite sind die Siedlungen der Nordkarpatischen Gruppe meistens in den Tälern weit verstreut. Nach den Grabungsergebnissen polnischer Kollegen handelt sich um kleine Gehöfte mit fundarmem Inventar. Eine andere Struktur hat die Besiedlung auf der Südseite des Hauptkarpatenkammes in der Slowakei. Die hohe Zahl der Siedlungen in den Zipser Niederungen hat Belege intensiver Eisenverhüttung geliefert, aber auch Importe aus den entfernten Schwarzmeer- und Mittelmeergebieten (Vrbov: Pieta 1991a, Fig. 2,26–28). In den westlicher liegenden, gebirgigen Regionen von Orava, Liptov und Turiec errichtete die neue Bevölkerung auf den alten bronze- und eisenzeitlichen Burgwällen in den Bergen die wichtigsten Wirtschafts- und wahrscheinlich auch Machtzentren. Viele dieser Höhenanlagen wurden in den letzten Jahren von Sondengängern stark geplündert. Unsere Kenntnisse bleiben auf die kleineren Grabungen und Untersuchungen beschränkt. Wegen des geringen Ausmaßes der Feldarbeiten und der besonderen Bodensituation, weshalb die Baustrukturen auf dem felsigen Grund oft nur wenige Zentimeter unter der heutigen Oberfläche liegen, sind uns die Hausgrundrisse bis jetzt nur fragmentarisch bekannt. Die Häuser auf den Terrassen sind oft lediglich durch ihre Inventare, meistens ganz erhaltene, wellenverzierte Krausengefäße, zu identifizieren. Die karpatischen Anlagen reichen bis auf eine Höhe von 1000 m über dem Meer (Ka-
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lameny-Liptovsky´ Starhrad). Der Aufbau der Befestigungen, die wir in den Höhenlagen voraussetzen müssen, konnte bisher nicht erkannt werden. Die Funktion einzelner Höhensiedlungen können wir wegen der bescheidenen Grabungsergebnisse nur anhand der Funde vermuten. Die meisten fundarmen Nachbesiedlungen erfüllen wohl die Rolle eines temporären Refugiums. Allerdings sind für viele Anlagen reiche Belege des Eisenschmiedens typisch, was mit der erwähnten Eisengewinnung in den Tälern zusammenhängt und auf die Konzentration bedeutender handwerklicher Aktivitäten unter dem Schutz der schwer zugänglichen Berggipfel hindeutet. In Lazisko Bez. Liptovsky´ Mikulásˇ (855 m über dem Meer) wurden Reste mehrerer Schmieden und eine Menge Geräte und deren Halbfabrikate aus Eisen gefunden. Es sind landwirtschaftliche Geräte wie auch Werkzeuge zum Schmieden und zur Holzbearbeitung. Die hohe Zahl der Eisengegenstände und die vollständig erhaltene Keramik aus den niedergebrannten Häusern spricht für den plötzlichen Untergang dieser „industriellen“ Siedlung. Auch auf dem kleinen Burgwall in Liptovsky´ Ján (876 m über dem Meer) arbeiteten Schmiede, was Geräte, Schlacke und Roheisenknollen belegen. Intensiv besiedelt wurde die Felsklippe Ostrá skala bei Vysˇny´ Kubín (813 m über dem Meer), wo Siedlungsobjekte, zahlreiche Eisengeräte, ja sogar zwei aus massiven Äxten, Sicheln sowie Eimerbeschlägen u. a. bestehende Eisenhorte freigelegt wurden (Cˇaplovicˇ 1987; Pieta 2002c). Dagegen hat der eisenzeitliche Burgwall Havránok bei Liptovská Mara (684 m ü. dem Meer) eher als Refugium gedient. Trotz der langjährigen systematischen Ausgrabungen blieben Funde und Befunde aus den frühvölkerwanderungszeitlichen Schichten relativ selten (Pieta 1996). Die Eisenprodukte liefern uns interessante Informationen über den technischen Stand des Handwerks bei der Karpatenbevölkerung. Nach den metallographischen Analysen haben die einheimischen Schmiede ein sehr hohes technisches Niveau erreicht (Pieta 2002c; Mihok/Pribulová 2002). Die Acker- und Erntegeräte (Pflugeisen, Seche, Wiedeketten, Spaten, Laubmesser, Sensen) deuten an, daß im Karpatenbergland trotz seiner wenig fruchtbaren Böden eine hochentwickelte Landwirtschaft betrieben wurde. In den Höhensiedlungen kamen bisher nur wenige gut datierbare Gegenstände wie Schmuck, Kämme, Gürtelteile oder Münzen zum Vorschein. Es sind hauptsächlich die späten Varianten der einfachen Bogenfibeln und Fibeln mit umgeschlagenem Fuß sowie die Eisenschnallen mit ovalem verdicktem Rahmen und stichelförmige Feuerstähle, die in die Zeitspanne zwischen der Endphase der Römischen Kaiserzeit und dem ersten Drittel des 5. Jahrhunderts hineinpassen und gute Parallelen in der Schlußphase der Przeworsk-Kultur (vor allem in Schlesien) haben (Ma˛ czyn´ska 1999;
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Bemmann 2003, 25 Abb. 7). Hierher gehört auch das Depot stark abgenutzter römischer Denare, das in der fundreichen Anlage von Turík (943 m über dem Meer) entdeckt wurde. Für die Zeitstellung dieser Siedlung ist die Bronzeschnalle mit ovaler Platte des Typs Strzegocice/Tiszaladány von Bedeutung (Abb. 5,14). Die viereckige verzierte Befestigungsplatte einer Eisenschnalle dieses Typs aus Lazisko stellt eine einfache Nachahmung der prunkvolleren Bronze- und Silberexemplare dar (Abb. 5,7). Die punzverzierten Schnallen mit zentralem Rosettenmotiv aus mandelförmigen Punzen gehören zum Horizont „Untersiebenbrunn“ aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts (D2). Die erwähnten Stücke und der Neufund aus dem Gräberfeld der späten Przeworsk-Kultur in Mokra (Oberschlesien) haben die Verbreitung des Typs zwischen Pannonien und dem polnischen Gebiet bedeutend ergänzt (Tejral 1997, 336; Koch 1999; Biborski 2004, 132 f. Abb. 7,h). Das Fragment einer bronzenen Riemenzunge aus Lazisko wurde mit Linien aus Kreisaugenpunzen und feinen Einstichen verziert. Ihre nächste Paralelle finden wir in dem Stück aus der Höhle bei Banská Bystrica-Sásová (Abb. 5,8 und 4,8). Die Zeitstellung dieser Erzeugnisse wird durch die Fundkomplexe aus Jakuszowice und Zamoszcz gesichert. Die eisernen Nachahmungen bronzener Schmuckobjekte, zu denen auch der Ösenarmring und die mit Bronzeblech plattierte Eisenfibel aus Turík gehören (Abb. 5,13.18) belegen die technische Begabung ihrer Schöpfer, zeigen aber zugleich einen Mangel an kostbaren Gütern im karpatischen Milieu an. Die Gegenstände, die auf einen höheren Rang ihrer Träger deuten könnten, fehlen nämlich auf den Höhensiedlungen fast völlig (Ausnahme: kleiner Silberohrring aus Vysˇny´ Kubín: Pieta 1991a, Fig. 2,16). Es ist anzunehmen, daß die Höhensiedlungen der Nordkarpatischen Gruppe plötzlich verlassen wurden. Es muß im gleichen Zeitraum wie die Zerstörung der in der Nachbarschaft liegenden spätsuebischen Niederlassungen in der Mittelslowakei geschehen sein. Die spätere völkerwanderungszeitliche Besiedlung des nördlichen Karpatenlandes ist nur durch sporadische Einzelfunde belegt. Intensiv wurde dieses Gebiet erst wieder im 9. Jahrhundert besiedelt. Ungelöst bleibt das Problem der ethnokulturellen Beziehungen der Nordkarpatischen Gruppe. Ihre materielle Kultur trägt manche gemeinsame Züge mit den Post-Przeworsk-Splittergruppen vom Typ Gutentag/ Dobrodzien´, aber die östlichen Elemente aus dem Post-TschernjachovMilieu sind hier ebenfalls zu finden.
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Abb. 5. Funde aus den Höhensiedlungen der Nordkarpatischen Gruppe. 1–8 Lazisko, 9–21 Turík. 1–5.7.9–11.13 Eisen, 6.8.14–17 Bronze, 12 Bein, Bronzenieten, 18 Eisen mit Bronzebelag, 19–21 Silber.
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Das Ende der donaugermanischen Besiedlung Um die Mitte des 5. Jahrhunderts entstanden im Gran- und Nitra-Tal Siedlungskonzentrationen, und kleine Gräberfelder wurden angelegt (Pieta 2002b). In den südlichen Ausläufern der Inovec- und Tríbecˇ-Gebirge unweit von Nitra wurden auch gleichzeitige Höhenlagen identifiziert. Vor kurzem wurde durch Sondengänger ein neuer Burgwall mit Funden des 5. Jahrhunderts bei Bojná, etwa 30 km nordwestlich von Nitra, entdeckt (Bojná II). Der Geländesporn „Hradisko“ (335 m über dem Meer) kontrolliert den Engpaß des Bojnianka-Tales, das einen der Verbindungswege zwischen Waag- und Nitra-Tal darstellt. Im Zuge der sofort gestarteten Untersuchungen und Vermessungsarbeiten konnte ein kompliziertes Befestigungssystem unbekannter Datierung dokumentiert werden. Auf der leicht zugänglichen Seite des Kammes mit der Toranlage wurde eine mächtige Befestigung, bestehend aus verdoppelter Wall- und Grabenlinie, gebaut. Auf der Nordseite wurde der doppelte Ringwall durch einen Flankenwall, ebenfalls durch einen Graben ergänzt, mit einer tiefen Schlucht verbunden (Abb. 6 unten). Bei der Prospektion konnten mehrere gut datierbare Funde aus der Zeit um die Mitte des 5. Jahrhunderts gewonnen werden. Unter den Fibeln befinden sich charakteristische Typen, wie die eiserne Armbrustfibel des Typs Viminatium, bronzene Exemplare der Typen Prsˇa-Levice und Bratei oder eine entwickelte Zikadenfibel, die alle in die Zeit um die Mitte des 5. Jahrhunderts datiert werden müssen. Eine Sonderform stellt die Variante einer kreuzförmigen Fibel dar (Pieta 2006b). Luxusgüter sind durch den verzierten massiven Dorn einer Silberschnalle vertreten (Abb. 6,2–7). Wichtig ist die bronzene Bügelfibel mit fünf Knöpfen an der halbkreisförmigen Kopfplatte, die eine längere Lebensdauer der Siedlung in Bojná anzudeuten scheint. Ihre Kerbschnittverzierung trägt symmetrisch komponierte Motive mit eingerollten Spiralenden, und ihrer Gestaltung nach gehört sie schon in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts (Abb. 6,1; Tejral 2002). Die weitere Untersuchung dieser bemerkenswerten und im nördlichen Mitteldonauraum bisher einmaligen Anlage wird sich auf die Frage der Zeitstellung der Befestigung konzentrieren. Im Gemeindekataster von Bojná, Bez. Topocˇany befinden sich drei weitere Burgwälle und Wallbefestigungen verschiedenen Zeitalters mit einem Schwerpunkt im Frühmittelalter (9. Jahrhundert). Angesichts des bislang bekannten Materials haben wir es in Bojná II nicht mit den allgemein in diesem Gebiet belegbaren Spuren der frühvölkerwanderungszeitlichen Nachbesiedlung einer Höhenanlage zu tun, sondern mit einer Niederlassung aus der nachfolgenden Zeit (D2, D3). Das
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Abb. 6. Funde aus dem Nitra-Tal. 1–7 und der Plan: Bojná II, 8 Nitra, Burgwall Zobor (Fibel aus dem 7. Jahrhundert), 9 Kostol’any pod Tribecˇom. 1–3.5.6.9 Bronze, 4 Eisen, 7.8 Silber.
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Abb. 7. Funde aus dem Gran-Tal. 1–5 Stará Kremnicˇka, 6–14 Rybník-Krivín, 15 Rybník am Flußufer. 1–5.7.8 Eisen, 6.9.11.12 Bronze, 10.14 Blei, 13 Bronzelegierung, 15 Keramik.
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wirft ein neues Licht auf die Siedlungsgeschichte des mittleren Nitra-Tales, wo zeitgleiche Grab- und Siedlungsfunde bisher nur aus dem Bereich der etwa 30 km südlicher liegenden Stadt Nitra und ihrer weiteren Umgebung bekannt geworden waren (Pieta 1993a; Ruttkayová/Ruttkay 1998). Noch deutlicher sind die Siedlungsverhältnisse in der Mitte und der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts am unteren Lauf der Gran zu beobachten, wo die reichen Gräber von Levice, Sˇarovce und Veky´ Pesek die Existenz eines lokalen Machtzentrums in der Zeit des Attila-Reiches andeuten. Am nördlichen Rand dieses Gebietes, etwa 10 km von Levice entfernt, liegt der urnenfelderzeitliche Burgwall Rybník-Krivín (316 m über dem Meer) (Veliacˇik/Srnka/Valo 2002). Den erworbenen Streufunden zufolge wurde sein weit über das Tal ragende, mit mehreren Wallinien befestigte Plateau seit dem frühen 5. Jahrhundert immer wieder besiedelt. Fibeln der Typen Bratei, Miltenberg und Prag wie auch ein Spiegelfragment vom Typ TschmiBrigetio belegen die Nutzung dieser strategischen Höhenlage um die Mitte des 5. Jahrhunderts (Abb. 7,6–9.13). In die hunnische Periode gehört auch der Einzelfund eines Murga-Krugs, der am Fuß des Berges Krivín als Zufallsfund (durch Professor O.-H. Frey im Jahr 1983) entdeckt wurde und wahrscheinlich aus einem durch den Fluß abgeschwemmten Grab stammt (Abb. 7,15). Einen besonderen Fund stellt das unfertige Bleimodell einer in Kerbschnittechnik mit Spiralrankenmuster verzierten Schnalle dar, das auf dem Burgwallplateau entdeckt wurde (Abb. 7,10). Silberne Prunkerzeugnisse dieser Art (Typ Domolospuszta: Bierbrauer 1975, 135–142) gehören schon in die Endphase des 5. Jahrhunderts, ja sogar an den Anfang des 6. Jahrhunderts (zum Beispiel der münzdatierte Hort von Konarzew, Woiw. Plock: Ma˛ czyn´ska 1999, 159 Abb. 14,1). Das Bleimodell deutet an, daß die Höhensiedlung zu dieser Zeit noch ihre Funktion erfüllte und, nach der Qualität dieses Gegenstandes zu urteilen, zu den wichtigen lokalen Zentren gehörte. Dieser Fund ist umso wichtiger, da Siedlungen und Gräber aus dieser Zeit in der Südwestslowakei schon ziemlich selten sind. Allerdings liegt in der weiteren Umgebung der Höhensiedlung Rybník das mit dem Bleimodell gleichzeitige Grab von Kalná nad Hronom, und kürzlich wurde im etwa 15 km entfernten Gemeindegebiet von Tesárske Mlynˇany ein Gräberfeld mit 74 Gräbern freigelegt, das mit seinen Grabinventaren von der zweiten Hälfte des 5. bis in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts reicht (Ruttkay 2003). Der jüngste Abschnitt der Völkerwanderungszeit nördlich der mittleren Donau ist auch von anderen Höhenanlagen durch Einzelfunde vertreten. Die Vogelfibel aus dem Burgwall Vel’ky´ Lysec (547 m über dem Meer) bei Kostol’any pod Tribecˇom gehört zu den einfachen Kleinformen dieses Typs
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mit quergekerbtem Rücken, abgerundetem Schwanz und rundelförmig schematisierten Krallen. Sie gehört zu den östlichsten mitteleuropäischen Funden dieser Art (Abb. 6,9; Haimerl 1998, Abb. 1). Der Fund scheint anzudeuten, daß die Höhenanlagen im Hinterland der alten germanischen Siedlungskammern noch im 6. Jahrhundert als Refugien benutzt wurden. Nach dem Abzug der Langobarden aus dem Mitteldonauraum in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts, die vielleicht auch die letzten Reste anderer germanischer Splittergruppen aus der Süd-West-Slowakei bei ihrem Weg nach Süden mitgerissen haben, öffnete sich das Land für die slawische Kolonisation. Diese Zeit ist ebenfalls auf den Höhenanlagen durch Einzelfunde sporadisch vertreten. Im südöstlichen Teil des Burgwalls auf dem Berg Zobor bei Nitra (587 m über dem Meer) kam durch Sondengängeraktivitäten eine kerbschnittverzierte silberne (?) Bügelfibel (Strahlenfibel) zutage (Abb. 6,8). Die Fundumstände wurden sorgfältig an Ort und Stelle überprüft und können als verläßlich gelten. Die Fibel gehört zum Typ Sarmizegetusa-Kiskörös (I–G nach J. Werner), und ihrer Form nach steht sie dem Exemplar aus dem frühawarischen Grab 2 in Kiskörös (Kom. Pest) wie auch dem Stück aus einem Grubenhaus mit Keramik des Prager Typus in Dem’ianiv (Halycˇskij rajon) nahe (Werner 1950, 154 Taf. 30,37; Baran 1972, 165 Abb. 45,7). Wie aus den Materialanalysen hervorgeht, gehören die Fibeln des Typs Kiskörös in das 7. Jahrhundert (Vagalinski 1994, 273–276; Gavrituchin 1997, 48), nach der Cluster-Analyse von F. Curta in den Zeitraum zwischen den Anfang und der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts (Curta 2001, 261–263 Tab. 8). Im slowakischen Milieu steht diese Fibel bisher vereinzelt da. Ihr Fundort liegt auf dem Berg über der heutigen Stadt Nitra. Aus dem befestigten Areal kamen auch Einzelfunde aus der jüngeren Kaiserzeit und aus dem 8.–9. Jahrhundert ans Tageslicht. Aus dem Stadtgebiet, das zu dieser Zeit noch außerhalb des von Awaren besetzten Gebietes lag, sind mehrere frühslawische Siedlungen und Grabfunde des 7. Jahrhunderts bekannt (Fusek 1993; ders. 1994, 220–231. Zum Problem der ethnischen Deutung der Strahlenfibeln siehe die kritische Auseinandersetzung bei Fusek 2004, 169, 171). Wie bei den anderen durch Streufunde belegten Höhensiedlungen werden weitere Untersuchungen den Charakter dieses Fundortes und seine Rolle in bezug zu seinem Hinterland erläutern müssen.
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Zusammenfassung Aus der vorgelegten Übersicht geht hervor, daß viele der hoch auf den Berggipfeln und -plateaus liegenden alten Burgwälle in den Westkarpaten während der Völkerwanderungszeit in allen drei Hauptperioden, wenn auch nicht kontinuierlich und mit unterschiedlicher Intensität, nachbesiedelt wurden. Im Westen und Norden des Landes war diese Siedlungsart üblich, dagegen begegnet man den Refugien im Osten und Süden selten. In der Übergangsperiode von der Spätkaiserzeit zur Völkerwanderungszeit und in den ersten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts dienten viele der Höhenlagen in der West- und Mittelslowakei als Zufluchtsorte für die altansässige suebische Bevölkerung. Mehrere Plätze wurden auch dauerhafter für Wohnzwecke und handwerkliche Aktivitäten verwendet. Zur gleichen Zeit kolonisierte eine archäologisch als Nordkarpatische Gruppe faßbare neue Gens das seit fast 200 Jahren entvölkerte Karpatenland in der Nordslowakei und in Südpolen. Ihre stark vom Handwerk geprägten Höhensiedlungen wurden ebenso wie die suebischen Refugien noch vor der Mitte des 5. Jahrhunderts, vielleicht als Folge der Unruhen bei der Herausbildung neuer Machtstrukturen im Mitteldonauraum, verlassen. In der Hunnenzeit wurden anscheinend nur die unweit von den Siedlungskammern in der Südwestslowakei liegenden Höhenanlagen wieder benutzt. Nach dem Fundinventar von Bojná und Rybník ist anzunehmen, daß diese Orte eine ziemlich bedeutende Rolle in der damaligen Siedlungsstruktur gespielt haben könnten. In der zweiten Hälfte des 5. und am Anfang des 6. Jahrhunderts wurden die nördlichen Randgebiete der Donauebene von einer germanisch geprägten Bevölkerung besiedelt, samt einigen Höhenlagen im Nitra- und GranTal. Dies widerspricht teilweise den früheren, aber auch ganz aktuellen Tendenzen mancher Autoren, im Mitteldonauraum zu dieser Zeit – bei G. Fusek und J. Zábojník nach 470 (Fusek/Zábojník 2003) – schon die ersten Gruppen slawischer Bevölkerung mit Keramik vom Prager Typus zu suchen. Es ist aber möglich, daß gerade der jüngste Horizont der völkerwanderungszeitlichen Höhenanlagen ein Ausdruck unruhiger Umbruchszeiten ist, die ein Grund für die Reste der alten Bevölkerung waren, vor den neuen Eindringlingen in den Bergen Schutz zu suchen.
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Verzeichnis der Höhensiedlungen der Völkerwanderungszeit in der Slowakei 1. Banská Bystrica-Sásová, Hrádok (842 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Keramik. Im Massiv des Berges liegen außerdem die Höhlen Kaplnka und Netopierska mit reichen Funden der Völkerwanderungszeit und Belegen von Kultpraktiken (Abb. 4,8.13–20) (Bárta 1955). 2. Banská Bystrica-Selce, Hrádok (780 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Silberhort und Einzelfunde (Abb. 4,9–12) (Ondrouch 1935; Pieta 1989). 3. Belusˇa, Bez. Púchov, Hradisˇte (519 m über dem Meer). VWZ: Fibelfund. 4. Blatnica, Bez. Martin, Plesˇovica (684 m über dem Meer). Burgwall der Lausitzer Kultur und der Púchov-Kultur. VWZ: Fibelfunde (Veliacˇik 2004). 5. Bojná, Bez. Topocˇany, Hradisko (Bojná II, 335 m über dem Meer). Burgwall (Datierung?). VWZ: Fibeln, Gürtelschnalle (Abb. 6,1–7) (Pieta 2006b). 6. Bratislava-Devín, Burg (212 m über dem Meer). Dauerhafte Besiedlung seit der Vorgeschichte, keltisches Oppidum, römischer Stützpunkt. Grabung V. Plachá. VWZ: Zahlreiche Siedlungsobjekte, Doppelgrab (Pieta/Plachá 1989). 7. Detva, Kalamárka (816 m über dem Meer). Vor- und frühgeschichtlicher Burgwall. VWZ: Funde aus der Siedlungsschicht. Grabung (Abb. 4,1–7) (Sˇalkovsky´ 2002). 8. Ducové, Bez. Piesˇt’any, Kostolec (241 m über dem Meer). Burgwall der Lausitzer Kultur. VWZ: Siedlungsobjekt. Grabung und Information L. Veliacˇik. 9. Horné Prsˇany, Bez. Banská Bystrica, Veky´ hrádok (660 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Werkstattreste, Einzelfunde: Abb. 3 (Pieta 1993b). 10. Kalameny, Bez. Ruzˇomberok, Burg (auch unter Liptovská Sielnica, 1000 m über dem Meer). Höhensiedlung oder Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Keramik aus der Grabung von V. Budinsky´-Kricˇka. 11. Kezˇmarok, Jeruzalemberg (630 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Einzelfunde. 12. Kostol’any pod Tribecˇom, Bez. Zlaté Moravce, Vel’ky´ Lysec (547 m über dem Meer). Burgwall der Lausitzer Kultur. VWZ: Fibelfund durch Sondengänger (Abb. 6,9) (Pieta 2002a, 22 Abb. 2,21). 13. Kosˇeca-Nozdrovice, Bez. Ilava, Hradisko (377 m über dem Meer). Burgwall und Siedlung der Púchov-Kultur. VWZ: Einzelfund (Riemenzunge: Abb. 2,9) (Pieta 2000b). 14. Lazisko, Bez. Liptovsky´ Mikulásˇ, Zvon (855 m über dem Meer). Burgwall (Orava-Gruppe, Púchov-Kultur). Grabung. VWZ: Werkstätten- und Häuserreste, Einzelfunde (Abb. 5,1–8) (Pieta/Hanuliak 1988; Pieta 1991b; ders. 2002c). 15. Levocˇa, Marienberg (Mariánska hora, 780 m über dem Meer). VWZ: Keramikfunde. 16. Liptovská Mara (Liptovská Sielnica-Liptovská Mara), Bez. Liptovsky´ Mikulásˇ, Havránok (684 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. Grabung. Funde aus der Siedlungsschicht (Pieta 1996). Liptovská Sielnica, siehe Kalameny. 17. Liptovsky´ Ján, Bez. Liptovsky´ Mikulásˇ, Hrádok (876 m über dem Meer). Grabung. VWZ: Siedlungsobjekte, Werkstätten (Pieta 1992; ders. 2002c). 18. Moravany, Bez. Piesˇt’any, Marhát (748 m über dem Meer). Burgwall (Bronzezeit, Hallstattzeit). VWZ: Fibelfund (Abb. 2,7).
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19. Nitra, Burg (186 m über dem Meer). Grabung. Burgwall (Frühbronzezeit, Spätlatènezeit). VWZ: Siedlungsobjekt (Chropovsky´/Fusek/Bednár 1991). 20. Oravsky´ Podzámok, Bez. Dolny´ Kubín, Burg. Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Keramikfunde. Grabung (Cˇaplovicˇ 1987). 21. Povazˇská Bystrica-Povazˇská Teplá, Oplzenˇ (400 m über dem Meer). Burgwall der PúchovKultur. Fibelfund durch Sondengänger (Abb. 2,2). 22. Ruská Nová Ves, Bez. Presˇov Burg Solivar (auch Zbojnícky hrad, 625 m über dem Meer) (Tomásˇová 2000). 23. Rybník, Bez. Levice, Krivín (316 m über dem Meer). Burgwall (Bronzezeit, Hallstattzeit). VWZ: Sondengängerfunde: Fibeln, Gürtelbeschläge, Spiegelfragment, Bleimodell einer Schnalle (Abb. 7,6–14) (Pieta 2002b). 24. Skalka nad Váhom, Bez. Trencˇín, Chochel (auch Skalka, 307 m über dem Meer). Burgwall (Bronzezeit, Púchov-Kultur). Grabung (Abb.2,3.4) (Hanuliak 1998). 25. Smolenice, Bez. Trnava, Molpír (370 m über dem Meer). Burgwall (Hallstattzeit), keltisches Oppidum. Grabung und Sondengängerfunde. VWZ: Zahlreiche Einzelfunde (Dusˇek/ Dusˇek 1984; dies. 1995). 26. Stará Kremnicˇka, Bez. Zˇiar nad Hronom, Skalka (412 m über dem Meer). Burgwall (Bronzezeit, Púchov-Kultur). VWZ: Einzelfunde (Fibel, Speerspitzen: Abb. 7,1–5). 27. Trencˇianske Bohuslavice, Bez. Nové Mesto nad Váhom, Malovecké (303 m über dem Meer). Keltisches Oppidum. VWZ: Einzelfunde (Fibeln: Abb. 2,8.10) (Pieta 2000a). 28. Trencˇianske Teplice, Bez. Trencˇín, Cˇertova skala (397 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Einzelfunde (Bronzefibel, Eisengeräte) (Pieta 2000c). 29. Turík, Bez. Ruzˇomberok, Hradisˇte (943 m über dem Meer). Burgwall der Lausitzer Kultur. Grabung und Sondengängerfunde. VWZ: Funde aus der Siedlungsschicht (Fibeln, Gürtelschnallen und -beschläge, Eisengeräte, Münzhort: Abb. 5,9–21) (Veliacˇik 1983; Pieta 1991a). 30. Udicˇa, Bez. Púchov, Klapy (654 m über dem Meer). Burgwall, Hallstattzeit und Latènezeit (Púchov-Kultur). VWZ: Eisenfibeln, Ösenarmring, Pfeilspitzen (Pieta 2006a). 31. Vel’ky´ Kolacˇín, Bez. Trencˇín, Markovica (592 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Sondengängerfunde, darunter Fibeln, Bronzearmring, Eisengeräte (Abb. 2,1.5.6). 32. Vysˇehradné, Bez. Turcˇianske Teplice, Vysˇehrad (830 m über dem Meer). Burgwall der Lausitzer- und Púchov-Kultur. Grabung M. Remiásˇová. VWZ: Bronzefibel (Pieta 1999, Abb. 8,3). 33. Vysˇné Matiasˇovce, Bez. Liptovsky´ Mikulásˇ, Podmesˇtrová (815 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Keramik. 34. Vysˇny´ Kubín, Bez. Dolny´ Kubín, Ostrá skala (813 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. Grabung und Sondengängerfunde. VWZ: 2 Eisenhortfunde, Fibeln, Eisengeräte (Cˇaplovicˇ 1987; Pieta 1988; ders. 2002c). 35. Zástranie, Bez. Zˇilina, Straník (768 m über dem Meer). Burgwall der Lausitzer- und Púchov-Kultur. Einzelfunde. VWZ: Keramik. 36. Zˇehra, Bez. Spisˇská Nová Ves Burg (620 m über dem Meer). Burgwall der Púchov-Kultur. VWZ: Keramik.
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 481–532 © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Castra und Höhensiedlungen vom 3. bis. 6. Jahrhundert in Slowenien Slavko Ciglenecˇki
Einleitung Eine Veränderung des Besiedlungsbildes in der Spätantike war seltener so radikal wie gerade im Gebiet des heutigen Slowenien, in einem strategisch wichtigen Raum, wo in der Antike das Mutterland Italien an die Provinzen Noricum, Pannonien und Dalmatien grenzte. Hier war der leichteste Durchgang von Osten nach Italien möglich, also ein Durchgang, der aufgrund der Bürgerkriege und später aufgrund der Wanderungen der barbarischen Völker nach Italien am meisten gefährdet war. Zu Beginn der 1970er Jahre und zum Teil noch später, als wir in Slowenien zusammen mit deutschen Kollegen systematisch einige Höhensiedlungen zu erforschen begannen, erschien das Besiedlungsbild der Spätantike relativ klar. Bis zum Ende des 4. Jahrhunderts sollen die Einwohner in den Flachlandsiedlungen gelebt haben und dann zum Großteil in natürlich gut geschützte Höhensiedlungen in abgelegenen Gegenden gezogen sein, wo sie bis zum Ende der Antike verharrt haben sollen, höchstwahrscheinlich bis zur Einwanderung der ersten Slawen am Ende des 6. Jahrhunderts. Diese relativ logisch konstruierte und anfangs anhand von bestimmten Entdeckungen an einzelnen ausgewählten Orten angeblich nachgewiesene Interpretation stellte sich durch zahlreiche spätere, systematische Forschungen, Sondierungen und Begehungen als zu einfach heraus. Sowohl unter chronologischen als auch typologischen Gesichtspunkten verschwamm das Bild der Höhensiedlungen, und es zeigten sich die verschiedenen Aspekte des zuvor als so homogen und in sich abgeschlossen rekonstruierten Siedlungsbildes. Deswegen erscheint es sinnvoll, die neu gewonnenen Erkenntnisse zusammenzufassen und auf diejenigen Elemente hinzuweisen, die man bislang mit Sicherheit bestimmen konnte und die als solide Grundlage für weitere Forschungen nicht nur im slowenischen, sondern im viel größeren Ostalpenraum dienen können.
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Wichtig ist allerdings, schon in der Einleitung auf die Tatsache hinzuweisen, daß der Begriff Höhensiedlung eigentlich nur ein Synonym für alle spätantiken Siedlungen ist, die zu ihrem Schutz alle Gegebenheiten des Geländes nutzten – ungeachtet dessen, ob es sich um einen Höhenunterschied, um ein den Bereich umgebendes Gewässer, steile Felsen oder sogar um eine Kombination der aufgezählten Möglichkeiten handelt. Deshalb gehören in diese Gruppe auch diejenigen, die nicht ganz im Hügel- oder Bergland liegen, aber durch Gewässer hervorragend gesichert waren (Kranj, Cˇrnomelj).
Forschungsgeschichte Die spätantiken Höhensiedlungen erregten schon im 19. Jahrhundert Neugier, als man sie zum ersten Mal erwähnte und in kleinerem Ausmaß untersuchte (Morlot 1850; Pecˇnik 1894, 11 f.); zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden bereits auf dem Ajdovski gradec oberhalb von Vranje bei Sevnica Grabungen durchgeführt (Riedl/Cuntz 1909). Die ersten systematischen Forschungen führte B. Saria in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Gradisˇcˇe bei Velike Malence durch (Saria 1929; 1930). Saria war auch der Erste, der eine Darstellung von der Zeit der Entstehung und der Rolle der damals noch sehr wenigen spätantiken Höhensiedlungen als Synthese geben wollte. So behandelte er in seinem grundlegenden Überblick über die Militärgeschichte der Römerzeit in Slowenien im Zusammenhang mit dem spätantiken Limes eigens die Befestigungen des Verteidigungssystems Claustra Alpium Iuliarum, an die er noch Velike Malence, das Kastell in Zalog und Limberk anschloß, wo er eine Signalstation vermutete (Saria 1939, 142–148). Ganz am Ende seiner Übersicht erwähnte er auch die hoch gelegenen Refugien Vranje, Rifnik, Tinje und Trbinc, wo seiner Ansicht nach die Bevölkerung nach Barbareneinfällen Zuflucht gesucht habe. Wie er feststellte, verteidigte das Militär diese Siedlungen nicht mehr (Saria 1939, 148). Bei seiner breit angelegten Erforschung des Limes behandelte auch W. Schmid die spätantiken Höhensiedlungen: Bei den Ausgrabungen der spätantiken Gebäude auf dem Rifnik vermutete er aufgrund der gotischen Münzen ein gotisches Dorf. Richtig bezeichnete er dagegen Ancˇnikovo gradisˇcˇe bei Jurisˇna vas als spätantike befestigte Siedlung (Schmid 1944; ANSl 1975, 311). In den 1950er Jahren kam es zu umfangreichen und lang andauernden Aktionen systematischer Erforschungen der spätantiken Sperren Claustra Alpium Iuliarum, in deren Zuge neben dem topographischen Teil auch einige befestigte Höhensiedlungen (Abb. 1) erforscht wurden (Petru 1969; 1972; Sˇasˇel/Petru 1971; Leben/Sˇubic 1990). Eine bedeutende Anregung zu derar-
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Abb. 1. Besser bekannte Höhenanlagen der 1. und 2. Phase in Slowenien und Versuch einer Rekonstruktion des gleichzeitigen Straßennetzes.
tigen Untersuchungen gaben auch die systematischen, deutsch-slowenischen Forschungen auf der Hrusˇica und dem Ajdovski gradec oberhalb von Vranje bei Sevnica, denen die ersten monographischen Darstellungen einzelner Fundorte folgten (Petru/Ulbert 1975; Ulbert 1981). Die zur selben Zeit stattfindenden Grabungen auf dem Rifnik (Bolta 1981) und zum Teil schon davor auf der Brinjeva gora (Pahicˇ 1980) ermöglichten angesichts der beschleunigten topographischen Untersuchungen des Geländes (eine Aktion des Instituts für Archäologie bei der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste) die ersten Versuche einer Synthese der neu gewonnenen Erkenntnisse (Petru 1972; 1978; Slabe 1978; Ulbert 1979; Sˇasˇel 1980; 1988). Eine profunde Analyse der zu den befestigten Höhensiedlungen gehörenden Gräberfelder auf dem Vranje, den Rifnik und in Kranj nahm V. Bierbrauer vor (Bierbrauer 1984, 52–60). Bei den ersten Abhandlungen über die spätantiken befestigten Höhensiedlungen versuchte man den chronologischen Rahmen ihrer Entstehung und ihrer Dauer anzugeben, und man widmete sich besonders dem Problem der Kontinuität bzw. der Diskontinuität in den verschiedenen Epochen. Die Mehrzahl der Forscher war der Auffassung, daß überzeugende
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Anzeichen das Bestehen der Siedlungen von der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts (Entstehung vermutlich nach 378) bis zum Ende des 6. Jahrhunderts oder vielmehr bis zur Einwanderung der ersten Slawen andeuten, zugleich soll dies im ganz und gar einheitlichen Typ der befestigten Siedlungen seinen Ausdruck gefunden haben (Petru 1978, 362; Slabe 1979, 386; Sˇasˇel 1980, 14). Derartige Interpretationen stützten sich vornehmlich auf den damals bekanntesten Fundort Ajdovski gradec bei Vranje, wobei hervorgehoben sei, daß gerade dieser Fundort mit einem großem Kirchenkomplex unter den slowenischen Fundstätten eher eine Ausnahme als die Regel bildet. Deswegen enthalten einige Interpretationen sogar Überlegungen zu künstlichen Verbindungen bestimmer Fundorte untereinander, und man definierte einen ganz neuen Siedlungstyp mit zwei Kirchen (Sˇasˇel 1988, 102). Ganz im Hintergrund blieb indes die andere, in der Literatur zum Teil nur angedeutete Gruppe von Fundorten ohne größere Gebäudereste und mit bescheidenen Funden. Auf diese Weise kam es zu einer Vereinfachung, die lange Zeit das Verständnis des Besiedlungsbildes auch im weiteren Ostalpenraum beeinflußte. Bezeichnenderweise benutzte die Mehrzahl der Autoren für derartige Fundorte den Begriff Refugium, was vor allem den Zufluchtscharakter dieser Siedlungen hervorhob. Bald unternahm man auch schon den ersten Versuch einer Analyse der befestigten Höhensiedlungen, die auf die erheblich größere Vielfalt und auf die Mehrphasigkeit der Siedlungen aufmerksam machte (Ciglenecˇki 1979). Damit erschien der bisherige Gebrauch des Terminus Refugium fraglich geworden, weil dieser eine Bezeichnung für den kleineren Teil künstlich befestigter Fundorte ohne Spuren einer intensiveren und längeren Anwesenheit im Innenbereich wurde. Betont wurde die – damals zwar nur angedeutete – Teilung in zwei größere Siedlungsphasen (Phase 2 und 3), zwischen denen eine Unterbrechung zu beobachten ist. Intensivere Landesaufnahmen, Sondierungen, Rettungs- und zum Teil auch systematische Grabungen haben die Kenntnisse über die befestigten Höhensiedlungen bald wesentlich ergänzt (Abb. 2). So war es möglich, im Rahmen der systematischen Behandlung der ostalpinen Fundorte auch die befestigten Höhensiedlungen Sloweniens als deren am besten erforschten Teil vorzustellen (Ciglenecˇki 1987; 1994). Zugleich wurden die Besiedlungsphasen, die von den neueren Forschungen im Ganzen bestätigt werden, sogar noch genauer bestimmt. Es zeigte sich ein ausgesprochen buntes Bild der spätantiken befestigten Höhensiedlungen, wobei sich trotz der völligen Unterordnung unter die Gegebenheiten des Geländes wichtige Unterschiede abzeichnen. So veränderte sich das Bild, das zu Beginn der Forschungen ziemlich einheitlich und zeitlich homogen aussah. Zugleich knüpften die Erforschungen an die ähnliche Problematik der Höhensied-
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Abb. 2. Besser bekannte Höhenanlagen der 3. Phase in Slowenien und Versuch einer Rekonstruktion des gleichzeitigen Straßennetzes.
lungen auch im damaligen jugoslawischen Raum an, wo diese wegen des günstigeren Klimas besser erhalten sind und die ein besseres Verständnis sowohl der typologischen als auch der chronologischen Aspekte ermöglichten (Basler 1972, 47–61; Jankovic´ 1981; Mikulcˇic´ 1982; Gunjacˇa 1986; Tomicˇic´ 1996). Die slowenischen Siedlungen erwiesen sich anhand dieser Vergleiche nur als Teil eines umfangreichen Phänomens der spätantiken befestigten Höhensiedlungen im größeren Teil des Imperiums und nicht nur als isolierte, spezifisch ostalpine Erscheinung.
Chronologie der spätantiken Höhensiedlungen in Slowenien Die in der Antike dicht besiedelten römischen Städte Poetovio, Celeia, Emona und Neviodunum wie auch zahlreiche römische Villen und andere Flachlandsiedlungen erlebten schon im 3. Jahrhundert viele Krisen, was die verschiedenen Horte, Versturzschichten und indirekt der Beginn der Benutzung von Höhensiedlungen bezeugen (Ciglenecˇki 1990, 154–156). Im 4. Jahrhundert kam es zu einer partiellen Konsolidierung, wie an der Er-
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richtung neuer Gebäude in ländlichen Gebieten des Flachlandes und in den Städten an der Schrumpfung der Stadtareale und zugleich an einer intensiveren Befestigungstätigkeit zu erkennen ist. In der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts sterben die Städte allmählich aus; allem Anschein nach stellten die Hunneneinfälle in der Mitte des 5. Jahrhunderts den entscheidenden Einschnitt in ihrem Bestehen dar. Nach dieser Zeit kennen wir in den Städten und im Großteil der anderen ländlichen Flachlandsiedlungen keine zuverlässig datierten Funde, vor allem nicht in dichten, geschlossenen Siedlungsschichten (Ciglenecˇki 1999, 290f.). Aufgrund der systematischen Erforschung der befestigten Höhensiedlungen lassen sich bereits die Hauptphasen ihrer Besiedlung beschreiben. Deswegen kann man die gewonnenen Feststellungen kurz zusammenfassen sowie den Beginn und die Dauer ihrer Besiedlung aufzeigen (Abb. 3). Erst eine vertiefte Analyse einer Vielzahl von Münzen wird zusätzlich eine genaue Unterscheidung zwischen kleineren Besiedlungswellen ins Hügelland und kurze Zeit dauernden Fluchtbewegungen vor allem im 3. und 4. Jahrhundert ermöglichen, die man anhand von Untersuchungen des Kleinmaterials, der Bauten und der Verteidigungssysteme nicht im Ganzen erkennen konnte (zu guten Resultaten derartiger Analysen siehe Kos 1986, 208–217). Die Untersuchungen ergeben etwa folgendes chronologisches Bild (Abb. 3): 1. Die erste Besiedlungsphase der Höhensiedlungen zeichnete sich schon früh ab, aber man konnte sie nicht zuverlässig bestimmen, weil man in mehrschichtigen Fundorten eine sekundäre Verwendung älterer Gegenstände oder Münzen nicht immer ausschließen konnte. Deswegen waren die Ergebnisse der Forschungen von 1985 auf dem Veliki vrh bei Osredek oberhalb von Podsreda von größter Bedeutung. Damals entdeckten wir anhand von wenigen Schnitten auf dem vorgeschichtlichen Ringwall sichere Spuren einer sehr kurz andauernden Besiedlung, die man vor allem im Hinblick auf die Metallgegenstände und Münzen mit Sicherheit an das Ende der 60er bzw. an den Beginn der 70er Jahre des 3. Jahrhunderts datieren konnte (Ciglenecˇki 1990). Besonders wichtig war dabei die Tatsache, daß die Siedlung später nicht mehr besiedelt war. Vage Hinweise auf diese Besiedlungsperiode besonders in Bezug auf die Konzentration der Münzen hatte man schon zuvor in Velike Malence (Saria 1929, 17) und Hrusˇica (Mackensen 1981, 147) erhalten. Indirekt zeigte sie sich auch auf dem Gräberfeld Zimrajh bei Brezje, das nach Ansicht von S. Pahicˇ zur Besatzung der nahen, befestigten Höhensiedlung auf der Brinjeva gora gehörte und von dem einige Gräber gerade in diesen Zeithorizont fallen (Pahicˇ 1969, 266). S. Pahicˇ datiert diese Phase auf dem Gräberfeld nur annähernd in die
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Abb. 3. Versuch einer schematischen Darstellung der Dauer spätantiker Besiedlung der besser erforschten Höhenanlagen in Slowenien.
zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts, P. Kos stellt hinsichtlich der dazugehörenden Siedlung auf der Brinjeva gora dagegen eine Unterbrechung des regelmäßigen Zuflusses von Münzen zu Beginn der 70er Jahre des 3. Jahrhunderts fest (Kos 1986, 209). Natürlich kann man in dieser frühesten Gruppe der Höhensiedlungen die besser bekannten Militärsiedlungen (Hrusˇica) und die wieder benutzten vorgeschichtlichen Ringwälle ohne zusätzliche römerzeitliche Befestigungen, die man als Fliehburgen (Veliki vrh) interpretiert, zuverlässig voneinander unterscheiden, obwohl wir eine andere Zweckbestimmung nicht ganz ausschließen können (eine vorübergehende militärische Nutzung, mit Beobachtungs- und Signalfunktion) oder sogar eine Kombination aller aufgezählten Möglichkeiten. Kleine Gegenstände und Münzen belegen diese Phase noch in zahlreichen anderen, auch später bewohnten Siedlungen, wie zum Beispiel auf dem Rifnik (Kos 1981, 38) und dem Tonovcov grad (s. u.). Anhand vieler Funde und eines besonderen Typs von Holzkonstruktionen wurde sie auch auf dem Kuzelin, im kroatischen Prigorje, in unmittelbarer Nähe der slowenischen Siedlungen festgestellt (Sokol 1994, 201 f.). 2. In der zweiten Phase (ca. zweite Hälfte des 4. und erste Hälfte des 5. Jahrhunderts) treten schon zahlreichere und besser erforschte Militärsiedlungen in Erscheinung, vor allem vom System Claustra Alpium Iuliarum.
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Abb. 4. Versuch einer schematischen Darstellung der Besiedlungsdauer der besser erforschten Höhenanlagen der 2. Phase in Slowenien.
Hierzu gehören zunächst Hrusˇica, Vrhnika, Martinj hrib und Lanisˇcˇe sowie auch die zweite Phase auf dem Gradisˇcˇe bei Velike Malence, bei dem es sich um eine große, strategisch äußerst wichtige befestigte Siedlung am Zusammenfluß von Sava und Krka handelt, die die Straße Siscia – Emona sperrte (Ciglenecˇki 1997, 193). Nur wenige sind in solchem Ausmaß erforscht, daß man sowohl den Beginn als auch das Ende dieser Phase zuverlässig datieren könnte. Eine bedeutsame Ausnahme sind Martinj hrib und Lanisˇcˇe, deren Nutzungsdauer in die Zeit vom sechsten bis zum achten Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts datiert werden konnte (Kos 1986, 195 f.). Die Höhensiedlungen außerhalb des Systems Claustra werden anhand von besser bestimmbarem Material in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts datiert, aber zugleich auch zuverlässig mindestens in die ersten Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts oder sogar später. Dazu gehören Sˇumenje (Bresˇcˇak/ Dular 2002), Ancˇnikovo gradisˇcˇe (Strmcˇnik Gulicˇ/Ciglenecˇki 2003), Brinjeva gora (Pahicˇ 1980), Zbelovska gora (Ciglenecˇki 1992, 81–85), Tinje (Ciglenecˇki 2000) und Sv. Pavel oberhalb von Planina (Ciglenecˇki 1997, 197f.). Hervorgehoben werden muß die befestigte Siedlung auf dem Rodik, die sich mit ihren komplexen Grundrißkonzepten der Gebäude von denjenigen aus der späteren 3. Phase erheblich unterscheidet (Slapsˇak 1978; 1997). Das charakteristischere Material und vor allem die Münzen lassen die Möglichkeit zu, daß die Mehrzahl der befestigten Siedlungen erst in der
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zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts errichtet wurde (Abb. 4). Das bestätigt die Analyse von Münzen in einigen Siedlungen, die eine Intensivierung des Münzumlaufs in den Jahren von 364–378 belegte (Kos 1986, 208–217). Spuren der 2. Phase kann man auch bei zahlreichen komplex aufgebauten Höhensiedlungen beobachten, wo die Objekte der 3. Phase die Spuren der vorigen in großem Ausmaß zerstörten. Das ist der Fall beim Korinjski hrib (Ciglenecˇki 1985, 256f.), beim Rifnik (Bolta 1981, 43), Vranje (Ulbert 1975, 65) und Prapretno (Ciglenecˇki 1981, 437 f.; Bausovac 2003). Beim Rifnik bietet der Gebrauch von Spolien wichtige Hinweise bei der Datierung der Befestigungsmauer: Die Spolien der älteren heidnischen Kultstätte wurden nur in angebauten Wehrtürmen benutzt. Im Hinblick auf die Tatsache, daß dies erst nach dem Jahr 392 möglich war, als Theodosius die heidnischen Kultstätten geschlossen hatte, haben wir also für den Bau der älteren Befestigungsmauer eine Datierung ante quem, für die spätere Phase der Befestigungsmauer mit Wehrtürmen dagegen eine Datierung post quem. Eine genauere Analyse des neu gewonnenen Fundmaterials und der Münzen wird vielleicht kleinere lokale Besiedlungswellen im 4. Jahrhundert aufzeigen oder eine Kontinuität der Besiedlungsdauer vom 3. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts, was man bislang nicht mit Bestimmtheit bestätigen konnte. Eine derartige kürzere Besiedlungsphase deutet sich indirekt für die sonst unerforschte römische Siedlung Cˇentur an, die in höherer Lage im Hinterland von Koper liegt. Große Münzhorte datieren die kurze Zeit ihrer Benutzung in die Phase der Auseinandersetzungen zwischen Licinius und Maxentius ( Jelocˇnik 1973, 93). Von den besser erforschten Fundorten dieser Phase in der näheren Umgebung muß man im Westen, in Friaul, vor allem Invillino erwähnen. Die dort beobachtete 2. Phase, die in die Zeit von der Mitte bzw. von der zweiten Hälfte des 4. bis zur ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts datiert wird (Bierbrauer 1987, 292) stimmt mit unseren Ergebnissen in großem Ausmaß überein. Im Osten ist dagegen Kuzelin anzuführen, wo die Konzentration der Münzen und die übrigen Funde für eine Nutzungszeit vom letzten Viertel des 4. bis zur ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts sprechen (Sokol 1994, 202–204). 3. Für die zweite Hälfte des 5. und das gesamte 6. Jahrhundert kann man das Bestehen vieler gut befestigter Siedlungen mit hölzernen und noch zahlreicheren gemauerten Gebäuden im Innenbereich feststellen. Indirekt deuten diese Datierung gut die zu den Siedlungen gehörenden Gräberfelder in den Fundorten Kranj, Rifnik, Vranja pecˇ und Zasavska Sveta gora an, wo man keine Elemente findet, die man mit Sicherheit in die Zeit vor dem Ende des 5. Jahrhunderts datieren könnte (Bierbrauer 1984, 52–59; Ciglenecˇki 1999, 295–297). Anders ist die Datierung des Gräberfeldes auf
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dem Vranje, das aber eher die Ausnahme als die Regel darstellt und das in kleinerem Umfang eine partielle Kontinuität vom 4. zum 6. Jahrhundert andeutet (Bierbrauer 1984, 52f.). Von dem derart skizzierten zeitlichen Dreiphasenrahmen weichen nur die Siedlungen Rodik (Slapsˇak 1997, 51) und Kucˇar (Ciglenecˇki 1995a, 154 f.) ab. Beide beginnen zwar in der zweiten Phase, ihre Nutzung dauert jedoch länger – mindestens bis zur zweiten Hälfte bzw. bis zum Ende des 5. Jahrhunderts. Will man von einer Aufenthaltskontinuität ausgehen, dann zeichnet sich diese Möglichkeit nur bei Tinje oberhalb von Loka pri Zˇusmu ab, wo bestimmte Elemente für das Bestehen der Gebäude von der zweiten Hälfte des 4. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts sprechen und in einzelnen Fällen noch weiter bis ins Mittelalter (Ciglenecˇki 2000, 147–156). Auf die gleichzeitige Entstehung der Gebäude in den Siedlungen der 3. Phase deutet vor allem der einheitlich konzipierte Grundriß mit einer Kirche an exponierter Stelle, die in den Siedlungen der 2. Phase fehlt. Bei der großen Mehrzahl der Siedlungen der 3. Phase waren keine Anzeichen erkennbar, die auf eine Besiedlung nach dem Ende des 6. Jahrhunderts hindeuten würden (Petru 1978, 363; Bierbrauer 1984, 54–56; 58; Ciglenecˇki 1987, 127). Eine Ausnahme bildet vielleicht die Siedlung in Cˇrnomelj, wo die Sigillata chiara- und die Amphoren-Funde eine Fortdauer bis an den Beginn des 7. Jahrhunderts andeuten, was man vornehmlich durch ihre Lage in einem Gebiet abseits größerer Einfallstraßen erklären kann (Mason 1998, 300f.). Die ersten zuverlässigen, aber seltenen Funde kommen in den Höhensiedlungen erst wieder am Ende des 8. bzw. in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts vor und weisen auf einen Aufenthalt von kurzer Dauer hin (Ciglenecˇki 1992a). Man konnte jedoch bei allen Plätzen beobachten, daß die späten Gegenstände im oberen Teil des antiken Versturzes gefunden wurden, was ein Beweis dafür ist, daß sich die Zugewanderten in schon eingestürzten Häusern niederließen. Sehr gut illustrieren das die späten Funde im Bereich eines großen, spätantiken Wohnhauses auf dem Tonovcov grad, die ganz oben auf der Versturzschicht entdeckt wurden (Ciglenecˇki 1997a, 26).
Versuch einer Klassifikation der charakteristischeren Höhensiedlungen Die Menge der im Detail sehr unterschiedlichen Höhensiedlungen erfordert eine sorgfältige Auswertung, die die Spezifika bestimmter Typen berücksichtigen muß; denn es ist nur anhand der Verschiedenartigkeit der Siedlungen möglich, das damalige Besiedlungsbild umfassend zu verstehen.
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Die schon durchgeführten systematischen und die Rettungsgrabungen in den befestigten Siedlungen sowie die Sondierungen und andere Methoden zur Identifizierung von Fundorten ergaben ein breites Spektrum von Typen befestigter Siedlungen, die durch die neueren Forschungen in großem Ausmaß bestätigt werden, weil die einzelnen Typen mehrmals auftreten (Ciglenecˇki 1979, 460–466; 1987, 111–120; 1994, 240–248). Bei den Versuchen, die Inhalte der einzelnen Typen zu definieren, werden oft noch unzulängliche Antworten gegeben, oder es bleiben viele Probleme offen (vgl. Ciglenecˇki 1987, 110; Bierbrauer 1990, 43–48). Vor der Darstellung einiger evidenterer Typen erscheint es sinnvoll, auch über die Verfahren des Sammelns von Daten zu sprechen, die zusammen mit den systematischen Forschungen und Sondierungen eine Vielzahl von Angaben ermöglichten und oft nur die Summe zahlreicher Begehungen sind. Diese Verfahren scheinen in den Abhandlungen bislang zu wenig betont worden zu sein, weswegen die gewonnenen Ergebnisse nicht immer überzeugend genug oder sogar fraglich sind. Angesichts dessen muß man hervorheben, daß wir einige Typen noch lange nicht im ganzen systematisch werden erforschen können, vor allem die Refugien, weil für solche großflächigen Arbeiten nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen (vgl. Bierbrauer 1990, 48). Die mangelhafte Kenntnis weniger charakteristischer Siedlungstypen geht darauf zurück, daß diese für die Forscher wegen der wenigen Funde nicht von größerem Interesse sind, weshalb sie sich daher immer auf die reicheren konzentrieren, was aber das tatsächliche Besiedlungsbild stark verzerrt (Ciglenecˇki 1994, 240f.). Besonders glücklich ist der Umstand, daß in Slowenien wegen der abgeschiedenen Lage und der völligen Aufgabe einiger Siedlungen die spätantiken Spuren größtenteils in solchem Ausmaß erhalten sind, daß man die Befestigung der Siedlungen, die Zahl der Gebäude und ihre Ausdehnung und des öfteren auch die Größe und Form schon am Oberflächenrelief ablesen konnte. Das betrifft die Befestigungen Gradec bei Prapretno, Ajdna, Tonovcov grad, Zidani gaber, Korinjski hrib, Sv. Radegunda, Gracˇnica, Gradec bei Velika Strmica, Rodik und Kucˇar, wo die Versuchsgrabungen und mancherorts auch die systematischen Grabungen nur minimale Abweichungen von den Siedlungsplänen zeigten, die vor den Grabungen gezeichnet worden waren. Desgleichen wiesen verschiedene Eingriffe in den Bereichen, die man bei Begehungen entdecken konnte, auf das Bestehen relativ schlecht gebauter Holzgebäude hin, die im Profil der Straßen und Feldwege an einigen Fundorten zu erkennen waren (Tinje, Svete gore oberhalb von Bistrica ob Sotli, Donacˇka gora, Ivank). Alle diese Beobachtungen an den Fundorten, die wegen finanzieller Grenzen und personeller Engpässe bislang nicht adäquat erforscht und publiziert wurden, konnten
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bei unserer Arbeit berücksichtigt werden und trugen sehr viel zur besseren Kenntnis der behandelten Problematik bei. Auf dieser Grundlage war es möglich, die Kirchen in den Siedlungen Limberk, Velika Strmica, Zidani gaber, Gradec bei Prapretno und Gracˇnica zu identifizieren (Ciglenecˇki 2003, 585–588). Ein wichtiges Element an einigen Fundorten sind auch die besonders gut erkennbaren Terrassen: Die Sondierungen auf dem Veliki vrh und der Vipota haben gezeigt, daß sie die Reste einfacher Holzbauten enthalten (Ciglenecˇki 1990, 148 f.; Ciglenecˇki/Pirkmajer 1987, 234). Bei den intensiveren Untersuchungen der Oberfläche haben wir in den letzten drei Jahrzehnten auch systematisch das keramische Material gesammelt, wodurch wir für etliche Fundorte die grundlegenden Besiedlungsphasen bestimmen und mancherorts anhand der Konzentration der Keramikfunde die Lage der einzelnen Siedlungsobjekte innerhalb der Fundorte feststellten konnten. Infolge der bescheidenen Möglichkeiten war die topographische Erforschung der befestigten Höhensiedlungen vor allem an einzelne Personen gebunden, die die Daten trotz der häufig sehr schwierigen Bedingungen des welligen und stark bewachsenen Hügel- oder sogar Berglandes gewannen. Wegen der völligen Eingebundenheit der Fundorte in das Gelände muß man diese um des besseren Verständnisses willen unbedingt ex visu kennen, weil sich bestimmte Beobachtungen auf Plänen oder Fotografien wenig überzeugend vorstellen lassen. Deswegen scheint es angebracht, immer wieder auf die zahlreichen weniger ausgeprägten Formen der Höhensiedlungen hinzuweisen und ihnen in Zukunft mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Zu den Erkenntnissen derartiger Forschungen gesellten sich in den letzten zwei Jahrzehnten Funde, die (größtenteils unbefugte) Sondengänger in den zuständigen Institutionen ablieferten: Trotz der unvollständigen Fundortangaben ergänzen sie mancherorts in bedeutsamer Weise die Kenntnisse einzelner Fundplätze. Die Auswertung des Kleinmaterials ermöglicht meistens nicht, die Funktionen der einzelnen Fundorte hinlänglich zu verstehen, insbesondere, wenn diese nicht in größerem Ausmaß freigelegt sind. Deshalb kann man beispielsweise trotz der vergleichsweise großen Auswahl typischen Materials von Fundorten der 2. Phase die Militärbefestigung Hrusˇica von den anderen gleichzeitigen Siedlungen (zum Beispiel Dunaj, Zbelovska gora, Ancˇnikovo gradisˇcˇe) schwer unterscheiden, da dort sehr ähnliche sogenannte Militaria, vor allem Gürtelgarnituren, Zwiebelknopffibeln und Pfeilspitzen, auftreten (Ciglenecˇki 1997, 193). Mehrere Elemente ermöglichen die Kennzeichnung der verschiedenen Siedlungstypen: der Grundriß und die Größe der Siedlung, die Befestigungsmauer, die gut erforschten Wehrtürme, die Form und die Anordnung
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der Gebäude im Innenbereich, eine hinreichend charakteristische Auswahl des Kleinmaterials, die Intensität des Kleinmaterials in der Kulturschicht, die Lage der Siedlung im Hinblick auf das damalige Netz der wichtigeren Straßen, die Anwesenheit fremder ethnischer Elemente usw. In der 2. Phase ist auch der Vergleich mit den schon erforschten und in den Quellen genauer faßbaren Fundorten aus dem System der Claustra von großer Bedeutung. Unbestreitbar ist die Tatsache, daß eine zuverlässigere Klassifikation in funktional verschiedene Typen erst dann möglich sein wird, wenn die Mehrzahl der Fundorte im ganzen erforscht ist, denn jeder Fundort ist in größtem Maße von den Gegebenheiten des Geländes abhängig oder vielmehr von der Gestaltung des Reliefs auf natürlich befestigten Hügeln und hat deshalb einen eigenen Charakter. Jedoch ergeben auch die schon erwähnten Präliminarforschungen vor den systematischen Grabungen eine Vielzahl von Daten, die die Versuche einer detaillierteren Klassifikation der Höhensiedlungen rechtfertigen. Die neueren Forschungen deckten viele Neuheiten bei den zuvor schematisch klassifizierten „Typen“ auf. Die generelle Aufteilung in drei größere typologische Gruppen wird, was eigens hervorgehoben werden muß, bestätigt und wird immer überzeugender. Das Verständnis der verschiedenen Fundorttypen wird vor allem aufgrund der Tatsache erschwert, daß in verschiedenen Epochen an denselben Fundorten verschiedene Typen auftreten. Das wurde zwar schon explizit betont (Ciglenecˇki 1987, 110), aber nicht immer ganz verstanden (Santoro Bianchi 1992, 189 f.; Moosbauer 2000, 138). Deswegen erscheint es angebracht, erneut vornehmlich auf diejenigen Fundorte hinzuweisen, bei denen es sich um die gewissermaßen „reinsten“ Fundorttypen in allen Phasen handelt. Diese weisen am anschaulichsten die grundlegenden Eigenschaften auf, die im Laufe der Zeit durch Veränderung oder Hinzufügung von Funktionen verwischt wurden. In der 1. Phase haben wir auf der einen Seite Militärlager wie Hrusˇica (Ulbert 1981) und Vrhnika-Gradisˇcˇe (Horvat 1990, 74–77), bei denen man die ältesten Elemente bislang nicht zuverlässig identifizieren konnte. Eine Ausnahme bildet lediglich Velike Malence, wo Saria nur eine Befestigungsmauer ohne Wehrtürme feststellte (Saria 1929, 13). Auf der anderen Seite benutzte man erneut die vorgeschichtlichen Siedlungen, deren schon bestehende Wälle und abgeschiedene Lage einen hinlänglichen Schutz boten. Als Fliehburgen bezeichneten wir diejenigen Fundorte, wo wir bei den bislang durchgeführten Versuchsgrabungen und Begehungen im Verhältnis zur gesamten Fläche sehr bescheidene Besiedlungsspuren fanden. Das Kleinmaterial erreicht nur um 10 % der Fundmengen aus ständig besiedelten Plätzen; darüberhinaus gibt es auch keine gemauerten oder keine besser errichteten Holzgebäude im Innenbereich. In
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diese Phase fällt mit Sicherheit nur der Fundort auf dem Veliki vrh oberhalb von Osredek bei Podsreda, wo ganz bescheidene Holzbauten auf kleineren Terrassen und wenige Siedlungsfunde festgestellt wurden (Ciglenecˇki 1990, 147–154). Die übrigen Fliehburgen sind wegen der bescheidenen Funde so schlecht bekannt, daß sie nicht zuverlässiger zu datieren sind. Da sie auch in der 2. Phase benutzt wurden, herrschen die späteren Funde vor. Aufgrund der Tatsache, daß zur selben Zeit in vollem Umfang die Flachlandsiedlungen weiter bestanden, dürften wir die meisten Fliehburgen in der ersten Phase erwarten, weniger in der zweiten und der dritten, wobei die Bevölkerung allmählich aus den Tälern abwanderte und sich auf Hügeln ansiedelte. Die Grenzen zwischen den Siedlungen und den Fliehburgen sind häufig verwischt, so daß sich zu Recht die Frage erhebt, welche Menge an Material (vor allem Keramik) im Innenbereich der Fundorte die Grenzlinie zwischen den beispielsweise zeitweise benutzten Fliehburgen und den ständig benutzten, aber kürzere Zeit bewohnten Siedlungen darstellt. Das übersteigt vorerst unsere Erkenntnismöglichkeiten. In die 2. Phase werden die Militärlager aus dem System Claustra zuverlässig eingeordnet: Hrusˇica (Ulbert 1981), Martinj hrib (Leben/Sˇubic 1990), Vrhnika-Gradisˇcˇe (Horvat 1990, 74–77) und Vrhnika-Turnovsˇcˇe (Slabe 1979). Für alle erwähnten Fundorte sind eine stärkere Befestigungsmauer und eine geringere relative Höhe charakteristisch. Es gibt allerdings auch einige andere im Bereich vor und hinter den Sperrmauern, die eine strategische Lage, zum Teil Funde militärischen Charakters, eine größere relative Höhe und weniger starke Befestigungsmauern haben, aber nur partiell bekannt sind: Velike Malence (Saria 1929), Ancˇnikovo gradisˇcˇe (Abb. 5) (Pröttel 1996, 153 Anm. 19, 201; Strmcˇnik Gulicˇ/Ciglenecˇki 2003), Brinjeva gora (Pahicˇ 1980; Pahicˇ 1981), Dunaj (Ciglenecˇki 1992, 25–27), Rodik (Slapsˇak 1978; 1997), Zbelovska gora (Abb. 6) (Ciglenecˇki 1992, 81–85), Sˇumenje (Abb. 7 f.) (Bresˇcˇak/Dular 2002), Sˇtanjel (Harej 1988), Tonovcov grad (Ciglenecˇki 1997a) und Sv. Pavel oberhalb von Planina (Ciglenecˇki 1997, 197 f.). Das Spektrum der Funde ähnelt demjenigen in den Militärlagern, und die Orte liegen größtenteils in der Nähe von Verkehrswegen. Die Zweckbestimmung ist bei der Mehrzahl nicht mit Sicherheit feststellbar: Vielleicht handelt es sich nur um vorübergehend benutzte Militärlager, die gelegentlich mit Fliehburgen kombiniert wurden? Einen untrüglichen Siedlungscharakter haben vornehmlich Rodik, Brinjeva gora und Tinje oberhalb von Loka pri Zˇusmu (Ciglenecˇki 2000). Jedoch ist für alle Fundorte der 2. Phase charakteristisch, daß sich in ihrem Innenbereich keine frühchristlichen Kirchen befinden. Erwähnt seien außerdem einige Fundorte, die man als Fliehburgen oder als nur kürzere Zeit benutzte Siedlungen bezeichnen könnte: Donacˇka
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Abb. 5. Ancˇnikovo gradisˇcˇe bei Jurisˇna vas. Grundriß der befestigten Höhensiedlung aus der 2. Phase (nach Strmcˇnik Gulicˇ/Ciglenecˇki 2003).
gora (Abb. 9) (Ciglenecˇki 1992, 30), Ivank (Sagadin 1989; Ciglenecˇki 1994, 242) sowie Hom oberhalb von Sora (Ciglenecˇki 1995, 152–157) und Kunkel (Dular u. a. 1991, 69–76). Von allen bislang erwähnten Fundorten weist der abseits der wichtigeren Verkehrsstraßen gelegene Kucˇar, auf dem der am besten erkennbare Typ eines sakralen Zentrums entdeckt wurde, einen ganz anderen Charakter auf (Dular u. a. 1995). Es handelt sich um zwei Kirchen, ein Baptisterium, ein großes und eine kleineres Wohngebäude und eine Befestigungsmauer mit Wehrtürmen. Gerade auf dem Kucˇar konnte man die bislang ältesten Kirchen innerhalb der Höhensiedlungen nachweisen. Den bescheidenen Funden nach zu urteilen, tritt dieses sakrale Zentrum auf einem artifiziell befestigten Hügel am Ende der 2. Phase auf. Aus dem großen leeren Raum im Innenbereich kann man schließen, daß er bei Gefahr auch als Fliehburg benutzt wurde. Die immer zahlreicheren Funde des 3. und insbesondere des 4. Jahrhunderts machten auf das regelrechte System der Fundorte entlang der Savinja
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Abb. 6. Zbelovska gora. Auswahl von spätantiken Metallfunden (Zeichnungen: D. Knibie Lunder).
und der Sava aufmerksam. Neben den schon bekannten Gradec bei Lisca, Dunaj bei Mladevine und Vipota oberhalb von Pecˇovnik (Ciglenecˇki 1992, 10–20, 25–27, 31–33) stellte man bei Landesaufnahmen noch andere, kleinere Fundorte auf exponierten, natürlich gut geschützten Hügeln fest, die selten noch zusätzlich befestigt waren: Strazˇnik, Svinjski rt bei Radecˇe und Cˇelovnik (unveröffentlicht). Aus der Anordnung entlang der Römerstraße Celeia – Neviodunum und ihrer guten gegenseitigen Sicht ist zu schließen, daß sie als Verkehrskontrollpunkte und Signalanlagen dienten. In der letzten, der 3. Phase kann man die größte Vielfalt der Höhensiedlungen erkennen. In großem Ausmaß wurden gerade diejenigen Fundorte erneut benutzt, deren Bestehen wir schon in der 2. Phase feststellten, jedoch konnte man nirgends mit Sicherheit eine Kontinuität nachweisen. Am wahrscheinlichsten erscheint sie bei Tinje, wo wir in den in die Felsen gehauenen Häusern zuverlässige Zeichen beider Phasen fanden. Bei den anderen
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Abb. 7. Sˇumenje bei Podturn. Grundriß der befestigten Höhenanlage aus der 2. Phase (nach Bresˇcˇak/Dular 2002).
Abb. 8. Sˇumenje bei Podturn. Auswahl von spätantiken Metallfunden (Zeichnungen: D. Knibie Lunder).
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Abb. 9. Donacˇka gora. Blick auf die Südhänge mit eingezeichneter Lage der Siedlung und des darüber befindlichen Refugiums.
(Korinjski hrib, Tonovcov grad) sind Spuren der Zerstörung der 2. Phase zum Teil unter den Gebäuden der 3. Phase erkennbar (unveröffentlicht). Das grundlegende Merkmal der Siedlungen dieser Phase ist, daß es sich fast ausnahmslos um eine ständige oder längere Zeit andauernde Besiedlung handelt. Als Wohnstätten benutzte man alle Schutzformen der Fundorte: von den ganz natürlich befestigten wie Ajdna (Sagadin 1997), Vipota und Vranja pecˇ (Abb. 10) (Ciglenecˇki 1992, 31–33, 53–55) bis zu den sehr stark künstlich befestigten: Rifnik (Bolta 1981), Kranj (Ciglenecˇki 2001, 190), Tonovcov grad (Ciglenecˇki 1997a) oder Cˇrnomelj (Mason 1998). Angesichts der guten Erhaltung der Bauten und der besseren Erforschung konnte man schon vor einiger Zeit zwei Gruppen nachweisen: kleinere Siedlungen, bei denen die Gebäude im ganzen Innenbereich angeordnet waren – Gradec, Ajdna, Vipota, Sv. Radegunda, Tonovcov grad, GradisˇcˇeBasˇelj (Ciglenecˇki 1987, 114) – und größere Siedlungen, bei denen es im Innenbereich einen größeren leeren Raum gibt: Rifnik, Vrtovin und Sv. Lovrenc-Basˇelj (Ciglenecˇki 1987, 115 f.). Die Vermutung, daß der Rifnik vollständig bebaut gewesen sei, erwies sich angesichts der bisherigen langwierigen Forschungen im Innenbereich als Irrtum (Bierbrauer 1984, 54). In der 3. Phase war er entlang der Befestigungsmauer besiedelt (vgl. Duel!),
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Abb. 10. Vranja pecˇ bei Lipni dol. Auswahl von spätantiken Metallfunden (Zeichnungen: D. Knibie Lunder).
eine größere Gebäudegruppe stand allerdings auch in der äußersten südöstlichen Ecke der Siedlung. Offen bleibt die Frage, wozu der große leere Raum im Innenbereich gedient hatte. Drei sakrale Zentren zeigen ein interessantes Bild: Von einem durchaus klaren Konzept eines selbständigen sakralen Zentrums auf dem Kucˇar, das schon in der 2. Phase gebaut wurde, aber bis zum Beginn der 3. Phase überdauerte, über die Kombinationen eines Kirchenzentrums mit Siedlung – Ajdovski gradec oberhalb von Vranje (Petru/Ulbert 1975; Knific 1994, 211–217) – bis zu der komplexen Siedlung Tonovcov grad, wo sich zu dem in die Siedlung eingefügten sakralen Zentrum noch eine Fliehburg (leerer befestigter Raum vor der Siedlung) und die Bedeutung der strategischen Lage (Kontrolle des Verkehrs auf der wichtigen Einfallstraße nach Italien) zu gesellen scheinen (Ciglenecˇki 1997a). Über die Bedeutung dieser Zentren wurden schon viele Vermutungen geäußert (Ciglenecˇki 1995a, 179–190). Anhand des vergleichsweise sehr seltenen Phänomens – nur drei Fundorte mit Doppelkirchen von ca. 40 bekannten – und der Tatsache, daß alle in verschiedenen römischen Stadtbezirken liegen, ist ihre exponierte Lage in der damaligen Organisation des Kirchendienstes zu erkennen. Unter den Vermutungen über ihre Zweckbestimmungen kristallisierten sich vor allem zwei heraus: Wallfahrtsorte oder regionale sakrale Zentren (Glaser 1991, 82 f.; 1997, 77; Ciglenecˇki 1995a, 187–190). Von diesen ist die schlechter befestigte Höhensiedlung Tinje abzugrenzen, die sich in vielfacher Hinsicht von den anderen unterscheidet: durch die
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Lage am Steilhang, die außerordentliche Größe, die schlechte künstliche Befestigung und die Holzgebäude (Ciglenecˇki 2000). Sie scheint den Typ der ständig bewohnten Siedlung zu repräsentieren, bei dem wegen der abgeschiedenen Lage und der Größe der Verteidigungsfaktor nicht so wichtig war. Das Bestehen von Fliehburgen in der 3. Phase deuten zwei Fundorte in der Nähe von Tonovcov grad an, die durch ihren kleinen Umfang, die verborgene Lage und die bislang festgestellten, ganz bescheidenen Funde die Vermutung erlauben, daß sie einer Gruppe von Menschen gehört haben müssen, die zwar in der Nähe (im Tal) lebte, aber dort oben nur bei großer Gefahr Zuflucht suchte. Die erste ist das ca. 120 × 20 m große Gradec bei Logje, dessen Siedlung nur der natürliche Steilhang schützte. Die chronologisch gut ansprechbare gleicharmige Fibel datiert sie in die letzte Phase der antiken Besiedlung (Osmuk 1985a; 2001). Die zweite Siedlung ist der von einem natürlichen Steilhang und einem künstlichen Wall umgebene Fundort Gradec bei Drezˇnica, der 80 × 20 m groß ist (Osmuk 1985). Einen besonderen Typ, der anfangs sehr schwer erkennbar war, stellen die Siedlungen dar, in denen man nur auf die Verteidigung ausgerichtete Gebäude, eine Befestigungsmauer und im Innenbereich eine bescheidene frühchristliche Kirche feststellen konnte (Ciglenecˇki 1979, 460). Dieser Befestigungstyp, der zunächst auf dem Korinjski hrib bei Veliki Korinj konstatiert wurde, war zunächst noch sehr unklar; angesichts der in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegenen Anzahl spätantiker Höhensiedlungen bestätigte er sich aber immer wieder als eine Art Besonderheit unter den übrigen Siedlungen (Ciglenecˇki 1985, 256). Wie sich bei den systematischen Forschungen herausstellte, standen auch kleinere provisorische Gebäude unmittelbar hinter der Befestigungsmauer, wie wir es in ähnlicher Weise in der älteren Phase bei Ancˇnikovo gradisˇcˇe vorfanden. Zunächst in die Kategorie der späten Militäranlagen eingeordnet, erhoben Kritiker einige Bedenken, weil die Existenz eines ständigen Heeres in der späten Epoche fraglich erschien und die Bezeichnung deshalb unzutreffend sei (Bierbrauer 1990, 44f.; Santoro Bianchi 1992, 189; Brogiolo/Gelichi 1996, 11f.). Bis zu einem gewissen Grad wurde die Bezeichnung durch die Tatsache gerechtfertigt, daß man angesichts der Analogien zu den gleichzeitigen byzantinischen Kastellen eine kurz andauernde Anwesenheit byzantinischer Abteilungen in den Jahren von 536 bis 547/548 vermuten konnte (Ciglenecˇki 1994, 245–247). Weil diese nur eine kurze Zeit umfaßte, die Siedlungen aber über einen längeren Zeitraum hinweg benutzt wurden, der sich bei der Mehrzahl wahrscheinlich mindestens vom Ende des 5. bis zur zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts erstreckte, haben wir in der Bezeichnung selbst ihre strategische Bedeutung betont. Wichtig ist die Tatsache, daß sich gerade bei diesem Siedlungstyp unter den neueren Funde der letzten Zeit am meisten ger-
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manisches Material befindet, was zusätzlich auf die militärische Bedeutung dieser befestigten Siedlungen hindeutet. Während das Grundrißkonzept bei Korinjski hrib noch zufällig erschien oder nur als Resultat nicht systematisch genug durchgeführter Untersuchungen, hat sich dieser Typ besonders prägnant im Fundort Gradec bei Velika Strmica mit allen zuvor angedeuteten Elementen und einer noch stärkeren germanischen Komponente im Kleinmaterial bestätigt (Bozˇicˇ/Ciglenecˇki 1995; Klasinc 2001, 67f.). Ähnlich wie alle anderen Höhensiedlungen ist auch dieser Typ dem Gelände völlig angepaßt und weicht deshalb mancherorts, vor allem bei Zidani gaber, im Grundrißkonzept anscheinend von den anderen ab. Ihn kennzeichnet besonders die ausgesprochen effektive Verteidigung durch vollständige Nutzung der natürlichen Gegebenheiten, die ganz einfachen Wohngebäude und sehr bescheidenen Kirchen sowie die zahlreichen germanischen Funde. Alles deutet auf erfahrene Baumeister hin, die angesichts des sehr ähnlichen Konzeptes und der übereinstimmenden Bautechnik im Auftrag einer zentralen Behörde gearbeitet haben dürften. Die befestigte Siedlung Zidani gaber ist hinsichtlich der Geländekonfiguration und der chronologischen Gleichzeitigkeit vergleichbar mit der befestigten Siedlung Monte Zuccon in San Giorgio di Torlano bei Nimis, worin einige das bei Paulus Diaconus erwähnte castrum Nimis vermuten (Villa 2001, 852–854). Eine Kombination der schon zuvor bestehenden Siedlung und derartiger Befestigungsanlagen zeichnet sich in letzter Zeit auf dem Rifnik ab, wo man an die ältere Befestigungsmauer Wehrtürme anbaute; in der größeren Kirche finden wir dagegen die gleichen Anbauten wie bei der Kirche auf dem Korinjski hrib. Die Vergleiche mit ähnlichen Kastellen (Abb. 11) stimmen hinsichtlich der Größe der Befestigungsanlage und der Größe der Kirchen im Verhältnis zur Größe der Kastelle in -Derdap mit den byzantinischen Kastellen Boljetin, Saldum, Cˇezava und Taliata hervorragend überein (Vasic´ 1994/95). Eine noch größere Ähnlichkeit besteht mit den befestigten Siedlungen in Dalmatien, die dem Gelände angepaßt sind: Cˇukar (Delonga 1984, 277), Zˇirje, Vrgada (Gunjacˇa 1986, 126 f.), Korintija, Sveti Damjan und Svetojanj (Tomicˇic´ 1996). Hier stimmt neben den oben erwähnten Ähnlichkeiten auch die Bautechnik überein, mancherorts wurden sogar identische Maße der Wehrtürme und die identische Dicke der Befestigungsmauer (zum Beispiel Korinjski hrib und Vrgada) festgestellt. In der westlichen Nachbarschaft zeichnet sich eine Ähnlichkeit mit dem Duel ab, wo alle Gebäude an der Befestigungsmauer konzentriert sind, der Innenbereich allerdings mit Ausnahme der sakralen Objekte nicht bebaut war (Petrikovits 1986), und zum Teil vielleicht mit Hoischhügel (Glaser 1996, 69–72).
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Abb. 11. Spätantike Befestigungen mit ähnlichen Charakteristika: 1 Korinjski hrib, 2 Gradec bei Velika Strmica, 3 Sveti Damjan, 4 Cˇuker, 5 Boljetin und 6 Cˇezava (nach Ciglenecˇki 1985; Bozˇicˇ/Ciglenecˇki 1995; Domijan 1992; Schnurbein 2001; Vasic´ 1994/95).
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Übersicht über einige neuere, schlechter erforschte und weniger charakteristische Höhensiedlungen Zu den oben behandelten, besser bekannten Siedlungen gesellen sich in letzter Zeit noch einige andere, die durch ihre Lage an Hängen überraschen, welche uns noch bis vor kurzem für eine Besiedlung kaum nutzbar erschienen. Sie ergänzen das Besiedlungsbild und unterstreichen zusätzlich die Not der Menschen, die solch ungewöhnliche, schwer zugängliche und gefährliche Orte zum Überleben wählen mußten. Die Höhensiedlung Vranja pecˇ bei Lipni dol wurde erst indirekt nach der zufälligen Entdeckung eines dazu gehörenden spätantiken Gräberfeldes auf dem schmalen Sattel vor einem gesägten felsigen Bergkamm bekannt (Pirkmajer 1986). Der dazugehörige Bergkamm erschien nämlich so ungeeignet zum Wohnen, daß dort vorher niemand eine spätantike Siedlung gesucht hatte. Bei einer genaueren Untersuchung des ca. 250 m langen Bergkamms, der sich 300 m über dem Gracˇnica-Tal erhebt, entdeckte man die spätantike Siedlung in einer ausgesprochen ungewöhnlichen Lage (Ciglenecˇki 1992, 53–55). Am sehr steilen Osthang zeichnen sich einige Wohnterrassen ab, die infolge der Erosion kaum noch sichtbar sind und die man 30–40 m unter dem Felsrand verfolgen kann. Auf dem Felsgipfel kann man im Relief des Geländes das Gemäuer einer einfachen frühchristlichen Kirche mit Nebenraum erkennen, die ziemlich genau nach Osten ausgerichtet ist (Ciglenecˇki 2003, 15). Die Gebäude auf den Terrassen wurden bislang nicht erforscht, sie waren höchstwahrscheinlich aus Holz. Die Funde von Metallgegenständen vom Bergkamm und von den Hängen an beiden Seiten weisen auf das Bestehen einer ausgedehnten Siedlung des 5. und 6. Jahrhunderts hin, mit einzelnen Hinweisen für eine vorübergehenden Besiedlung in der 2. Phase, was man aber ohne Grabungen bislang nicht mit Sicherheit bestätigen kann (Bitenc 2001, 55). Die vor kurzem entdeckte spätantike Siedlung Krvavica bei Vransko überrascht vor allem durch ihre Lage am Rand des fruchtbaren SavinjaTales, wo in der Antike die Itinerarstraße von Celeia nach Emona verlief (Krempusˇ 2000). Auch hier zeichnete sich bei Landesaufnahmen die Lage einzelner Objekte am umfangreichen, mehrere hundert Meter langen und ausgesprochen steilen Nordhang des spitzen Berges ab, zum Teil allerdings auch eine künstliche Befestigung des Zuganges von der leichter zugänglichen Südseite. Eine ungewöhnliche Kombination von Siedlung und Fliehburg stellt der spätantike Komplex auf der 883 m hohen Donacˇka gora dar. Schon im 18. Jahrhundert wurden die ersten spätantiken Gegenstände in der Mitte des südlichen Berghanges, auf einer längeren schmalen Ebene festgestellt
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(ANSl 1975, 288). Wie die Landesaufnahmen ergeben haben, handelt es sich um eine unbefestigte Siedlung mit Holzgebäuden, wie sie auf dem Tinje festgestellt wurden (Ciglenecˇki 1992, 28–30). Etwa 30–40 m oberhalb der Siedlung befand sich im oberen Teil des Steilhanges und vollständig durch Felsen befestigt die Fliehburg Dvor (Hof). In ihr kann man mehrere Siedlungsterrassen erkennen, auf denen einst kleinere Holzgebäude gestanden haben. Die Konfiguration der Fliehburg unter dem Berggipfel und die Höhe des Fundortes deuten auf eine große Ähnlichkeit mit dem sonst viel kleineren Fundort Montecastello di Gaino am Gardasee hin (Brogiolo/ Gelichi 1996, 20f.). Unlängst identifizierte man Sˇentjurski hrib oberhalb von Trzˇisˇcˇe als befestigte Höhensiedlung. Sie liegt auf einem Inselberg mitten im MirnaTal und dominiert so die vorzügliche natürliche Verbindung zwischen Dolenjsko und Sˇtajersko. Nur der im äußersten westlichen Teil entdeckte Rest der Befestigungsmauer und der darunter befindliche Graben, der an der am leichtesten zugänglichen und engsten Stelle den Bergkamm versperrt, bestätigen das Bestehen einer großen, gut befestigten spätantiken Siedlung (Größe ca. 270 × 30–80 m). An den übrigen Hängen wurde eine künstliche Befestigung noch nicht festgestellt, doch ist die natürliche Befestigung auf allen Seiten vollkommen ausreichend. Schon zuvor machten einzelne archäologische Funde auf die Siedlung aufmerksam, vor allem ein goldenes Christogramm und die figurale Bronzeverzierung eines Reliquiars (Knific 2001; 2001a) sowie der ältere Apsisrest unter der mittelalterlichen Kirche des hl. Georgius (Zadnikar 1977). Aufgrund der Reste des teilweise zerstörten, spätantiken Gräberfeldes im nahen Ort Kaplja vas war ihre Existenz indirekt schon vorher zu vermuten ( Josipovicˇ 1988).
Ethnisches Bild Das in großen Mengen entdeckte und bislang nur zum Teil veröffentlichte Kleinmaterial der Höhensiedlungen ermöglicht bereits eine partielle Identifizierung ihrer ethnischen Struktur. In dieser Hinsicht sind die ersten zwei Phasen natürlich nicht besonders problematisch, weil hier typisch römisches und spätrömisches Material vertreten ist. Bei der zweiten Phase muß man nur einige fremde Elemente ausklammern, die auf die Anwesenheit von Föderaten in den Siedlungen hindeuten: Hier handelt es sich vor allem um einzelne Tracht- und Waffenelemente (Knific/Tomanicˇ-Jevremov 1996). Vielfältig und in den Grundzügen erkennbar ist die ethnische Struktur in der 3. Phase. Die besser bestimmbaren Metallfunde und besonders die in großen Mengen gefundene Keramik deuten überwiegend auf die Präsenz
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der einheimischen romanisierten Bevölkerung hin (vgl. Werner 1962, 121–130; Vinski 1980; Bierbrauer 1984, 49–60; Ibler 1991; Ciglenecˇki 2001). Einzelne Metall- wie auch Keramikelemente weisen dagegen auf die zeitweilige, partielle Anwesenheit kleinerer Gruppen von Fremden hin. Teilweise zeichneten sie sich schon zuvor ab, aber erst die systematischen Forschungen und die neueren, mit Hilfe von Metallsuchgeräten entdeckten Funde ermöglichten ein genaueres Bild dieser Besiedlung. In der Kombination mit den bereits bekannten Gräberfeldern am Fuße der Höhensiedlungen (Kranj, Rifnik) trugen sie vor allem zur Identifikation langobardenzeitlicher und ostgotenzeitlicher Elemente bei. Schon vor einiger Zeit konnte man anhand der Konzentration einiger langobardischer Funde, vor allem der Keramik, auf die zahlenmäßig begrenzte Anwesenheit kleinerer langobardischer Gruppen in romanischen Siedlungen hinweisen (Abb. 12) (Ciglenecˇki 1999, 295; 2001, 187 f.). Die langobardischen Funde konzentrieren sich – neben den seltenen Gräbern extra muros – innerhalb der Siedlungen in der Nähe des jeweils größten Gebäudes, das gewöhnlich an exponierter Stelle stand. Eine solche Situation fand man auf dem Rifnik vor, wo die Verteilung der langobardischen Keramik eine Konzentration in dem höchstgelegenen, großen Wohngebäude zeigt. Eine ähnliche Fundsituation ergaben die Grabungen auf dem Ajdovski Gradec oberhalb von Vranje. Zwei vollständig erhaltene langobardische Gefäße wurden im bedeutendsten Gebäude in unmittelbarer Nähe der Kirche und an höchster Stelle der Siedlung gefunden, Fragmente außerdem in der unmittelbaren Umgebung (Knific 1994, 221 f.). Langobardische Metallfunde wurden auf dem Ajdovski gradec bislang nicht entdeckt, was aber hinsichtlich der Tatsache verständlich ist, daß der Großteil des Gräberfeldes aus dem 6. Jahrhundert noch nicht entdeckt wurde. Die wenngleich nur im kleineren Teil erforschte Siedlung auf dem Tinje oberhalb von Loka pri Zˇusmu zeigt ein ähnliches Resultat (Ciglenecˇki 2000, 148, Taf. 12,4–8). Ein kleiner, vollständig erhaltener langobardischer Krug und Reste von Schüsseln wurden in dem bislang größten freigelegten Haus gefunden, das auch die zentrale Stelle in der Siedlung einnimmt. Die Einheimischen berichten außerdem, sie hätten vor mehreren Jahrzehnten im nahen Weinberg Skelette mit beigegebenen langen Schwertern gefunden. Eine ähnliche Fundsituation liegt auch bei der noch nicht umfassend veröffentlichten spätantiken Höhensiedlung auf der Ajdna vor, wo in einem langen, an die Kirche angelehnten Gebäude ein langobardischer Topf entdeckt wurde (Sagadin 1997; Ravnik Toman 2001, 81). Wie die erwähnten Fundkomplexe zeigen, stationierten die Langobarden im zentralen Wohngebäude der schon zuvor bestehenden Siedlungen der romanisierten Bevölkerung kleinere Besatzungen, die vielleicht aus ein
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Abb. 12. Darstellung der Konzentration langobardischer Keramik in drei besser erforschten, slowenischen Höhensiedlungen der Spätantike.
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oder zwei Familien bestanden und so die Verwaltung und die Kontrolle über die Siedlungen übernahmen. Auf den besonderen Charakter langobardischer Präsenz innerhalb der romanischen Kastelle deutet die Lage des germanischen, langobardenzeitlichen Grabes von der Sveta gora oberhalb von Bistrica ob Sotli. Das zum Teil ausgeraubte, zweifellos germanische Grab wurde auf der obersten Terasse der Siedlung entdeckt, die sich überwiegend am Südhang des Hügels erstreckt (Korosˇec 1974, 486–504; Ciglenecˇki 2001, 180–189). Die ungewöhnliche Lage des Grabes innerhalb der Siedlung kann man nur mit der führenden Rolle erklären, die der Krieger in der Siedlung eingenommen hatte, weil das Gräberfeld der romanisierten Bevölkerung außerhalb lag. In der Siedlung wurde auch eine vergoldete silberne Wirbelfibel mit acht Greifvogelköpfen am Rand entdeckt (Bitenc 2001d). Sie bestätigt die oben angedeutete Datierung des Grabes und weist auf die kürzere Anwesenheit einer langobardischen Besatzung an diesem strategisch wichtigen Ort mit guter Aussicht im Sotla-Tal hin. Eine Siedlungsschicht mit langobardischen Funden wurde vor kurzem auch in Kranj, dem antiken Kastell Carnium, entdeckt (Sagadin 1995, 13–22; Knific 1994, 221 f.). Eine langobardische Besatzung wurde an diesem Ort schon vorher vermutet, da zu dem im Tal liegenden Gräberfeld von Lajh auch typisch langobardische Gräber gehören (Stare 1980; Ibler 2001). Neuere Metallfunde von einigen befestigten Höhensiedlungen sind als die ersten zuverlässigen germanischen Funde vom Ende des 5. und aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts anzusprechen. Wahrscheinlich darf man darin – analog zu den oben vorgestellten langobardischen – auch die ersten Anzeichen der Anwesenheit kleinerer ostgotischer Besatzungen intra muros in einigen wichtigeren Höhensiedlungen sehen. In diesem Sinn seien zwei Siedlungen besonders hervorgehoben: Zidani gaber oberhalb von Mihovo und Gradec bei Velika Strmica. In der ersteren wurde durch Sondierungen in den Jahren 1987 und 1988 der Grundriß einer großen, dem Gelände angepaßten befestigten Siedlung mit starker Befestigungsmauer, einfachen gemauerten Wohnhäusern und einer typisch frühchristlichen Kirche mit Apsis entdeckt (Ciglenecˇki 1990a). Die zahlreichen Metallfunde, die in der Zeit nach den Grabungen erworben wurden, wiesen neben der langobardischen Komponente auch die Anwesenheit von Ostgoten in der Siedlung nach (Abb. 13). Davon zeugen vor allem fünf ostgotische Fibeln und einige besser datierbare Gegenstände aus dieser Zeit (Klasinc 2001c; Bitenc 2001b; Bitenc 2001c). Ähnlich ist die Situation in der allerdings schlechter erforschten, befestigten Siedlung Gradec bei Velika Strmica (Abb. 14), wo einige ostgotische Fibeln und der vermutliche Rest eines Hortes ostgotischer Goldmünzen auf eine kleinere ostgotische Besatzung deuten, die
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Abb. 13. Zidani gaber oberhalb von Mihovo. Auswahl von spätantiken Metallfunden (Zeichnungen: D. Knibie Lunder).
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Abb. 14. Gradec bei Velika Strmica. Auswahl von spätantiken Metallfunden (Zeichnungen: D. Knibie Lunder).
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Abb. 15. Korinjski hrib oberhalb von Veliki Korinj. Auswahl von spätantiken Metallfunden (Zeichnungen: D. Knibie Lunder).
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einen Sold erhielt (Bozˇicˇ/Ciglenecˇki 1995, 247–249; Klasinc 2001). In kleinerem Ausmaß sind die Fundorte Sv. Lambert (drei ostgotische Fibeln) und Pusˇtal (eine ostgotische Fibel) bekannt (Klasinc 2001a; 2001b). Hierzu dürfte man auch den Korinjski hrib mit seiner bedeutenden strategischen Lage zählen, wo eine Vogelfibel entdeckt wurde (Abb. 15), die man mit den Alamannen in Verbindung bringen kann (Ciglenecˇki 1985, 264). Natürlich ist dieses Material noch zu bescheiden, als daß man die kleineren Besatzungen genauer bestimmen könnte, die im Gefüge des ethnischen Konglomerats unter der Führung der Ostgoten die neu eroberten Länder sicherten. Bei den besser erforschten Siedlungen der 3. Phase, wo eine genauere Analyse des zahlreichen Kleinmaterials (Korinjski hrib, Tonovcov grad, Rifnik u. a.) schon möglich war, stellt sich die Frage, ob sie nicht gerade in der Zeit entstanden, als die Ostgoten dieses Gebiet besetzten. Könnte man auch hier an eine Initiative seitens der Oberherrschaft denken, ähnlich wie es bei Verucca der Fall war (Bierbrauer 1985, 497)? Einige Kleinfunde, vor allem die Fibeln mit umgeschlagenem Fuß vom Korinjski hrib (die Provenienz der Fibel Nr. 5 ist nicht ganz zuverlässig) und die Elemente der Helme vom Typ Baldenheim auf dem Sv. Lambert (Bitenc 2001a), dem Zidani gaber (Bitenc 2001b) und dem Rifnik (Bitenc 2001d), könnten auch eine kurzfristige Anwesenheit eines byzantinischen Heeres in einigen Siedlungen andeuten. Darüberhinaus sind an einigen Gebäuden, besonders bei den Kirchen, Anbauten gerade in die Zeit vor die Mitte des 6. Jahrhunderts zu datieren, was mit der ausgesprochen starken Bauaktivität Kaiser Justinians (s. u. Tonovcov grad) übereinstimmen würde.
Anhang: Die spätantike Höhensiedlung Tonovcov grad bei Kobarid Im oberen Socˇa-Tal tritt unter den spätantiken Fundorten Tonovcov grad unweit von Kobarid besonders hervor, da er mit seiner Architektur, dem hervorragenden Erhaltungszustand und der Aussagekraft seines reichen Kleinmaterials eine der bislang größten und wichtigsten spätantiken Siedlungen im Ostalpenraum darstellt. S. Rutar machte auf den archäologischen Fundort, der auf diesem Hügel liegt schon im Jahr 1882 aufmerksam, eine Beurteilung seiner Datierung und seines wahren historischen Wertes ermöglichten dagegen erst die Forschungen, die seit 1993 durchgeführt werden (Rutar 1882, 12; Ciglenecˇki 1994a; 1997a). Auf dem von Natur aus hervorragend befestigten Hügel, der das SocˇaTal im Norden oberhalb von Kobarid versperrt (Abb. 16), wurden durch
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Abb. 16. Blick auf Kobarid und Tonovcov grad von Süden.
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Abb. 17. Tonovcov grad. Blick auf die befestigte Siedlung von Südosten.
Forschungen mehrere Besiedlungsphasen vom Mesolithikum bis zum Mittelalter festgestellt (Ciglenecˇki 1997a). Der Siedlungsplatz auf einer steil abfallenden Felsmasse (Abb. 17) war wohl äußerst durchdacht ausgewählt worden, denn sie entsprach mehreren Anforderungen dieser gefährlichen Zeit: Sie hatte eine hervorragend natürlich gesicherte Lage, günstige Mikroklimaverhältnisse, zugleich war sie aber nicht weit vom Tal entfernt und lag in der Nähe einer wichtigen Römerstraße. Die ersten zuverlässigen Besiedlungspuren der römischen Zeit auf dem Hügel kann man in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts datieren. Die einzelnen, wegen späterer Aktivitäten in sekundären Lagen gefundenen und gut erhaltenen Bronze- und Eisengegenstände sowie Münzen (vor allem Gallienus und des Claudius II.) stimmen vorzüglich mit ähnlichem Material in einigen besser erforschten Fundorten überein (vgl. Ciglenecˇki 1990). Gebäudereste aus dieser Zeit sind nicht bekannt, aufgrund der lückenhaften Forschungslage kann man auch nicht sagen, ob in dieser Zeit schon die erste Befestigungsmauer errichtet worden war oder ob noch ein möglicherweise vorgeschichtlicher Wall genügte. Aus den wenigen Funden kann man schließen, daß diese Besiedlungsphase nur sehr kurze Zeit dauerte. Zeichen einer intensiveren Besiedlung findet man in der zweiten Hälfte des 4. und im ersten Viertel des 5. Jahrhunderts n. Chr. (Abb. 18). Dieser
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Abb. 18. Tonovcov grad. Auswahl von charakteristischen Metallfunden aus der 2. Phase (Zeichnungen: D. Knibie Lunder).
Epoche könnte man im Hinblick auf den Kontext bescheidene Mauerreste unter einem großen Wohngebäude aus dem 6. Jahrhundert zuschreiben; ähnlich wie bei der vorherigen Phase ist aber noch nicht klar, ob schon zu diesem Zeitpunkt die Befestigungsmauer errichtet worden war, was man hinsichtlich der Analogien an anderen Orten zu Recht erwarten könnte (vgl. Ancˇnikovo gradisˇcˇe, Rifnik, Brinjeva gora). Das Spektrum der Metallfunde entspricht, was eigens hervorgehoben werden muß, in weiten Teilen demjenigen in Hrusˇica, dem zentralen Militärlager des Verteidigungssystems Claustra (Ulbert 1981). Hervor tritt eine bronzene Riemenzunge, die als Verzierung an beiden Seiten die Darstellung einer Hirschjagd auf-
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weist – ein ausgesprochen seltenes figurales Motiv, das die Bedeutung der Personen unterstreicht, die sich damals auf dem Hügel aufhielten. Die zahlreichen Münzen, die in den ersten zwei Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts geprägt wurden, bezeugen eine Besiedlung des Hügels wenigstens noch im ersten Drittel des 5. Jahrhunderts. Im Hinblick auf die große Zahl von Funden militärischen Charakters darf man die Anwesenheit einer Militärbesatzung annehmen, die die Aufgabe hatte, die wichtige Straße zu überwachen, welche über den Paß Predil die Stadt Forum Iulii in Friaul in kürzester Linie mit den Siedlungen in Kärnten verband und zugleich eine der bedeutsameren Einfallstraßen nach Italien darstellte (Bosio 1991, 193–199). Ohne Zweifel darf man die befestigte Siedlung mit dem System der Sperrmauern und Befestigungen Claustra Alpium Iuliarum in Verbindung bringen, das in spätrömischer Zeit die Zugänge nach Italien sicherte. Eine Befestigungsanlage an diesem Ort ist durchaus verständlich, denn sie versperrte den Zugang nach Cividale durch den leichten Durchgang nach Italien bei Robicˇ. Ihre Bedeutung ist deshalb umso größer, weil die neueren Forschungen auf dem Hügel Bardo bei San Pietro al Natisone, wo zuvor eine Sperre der Straße nach Cividale als erwiesen angesehen wurde (Sˇasˇel/Petru 1971, 85; Tagliaferri 1986, 123–126), weder ein spätrömisches Kastell noch eine Sperrmauer nachgewiesen werden konnten. So darf man annehmen, daß die befestigte Siedlung auf dem Tonovcov grad eine der wichtigsten Stützpunkte im System Claustra darstellt und zusammen mit der Siedlung auf dem Gradicˇ oberhalb von Kobarid in effektiver Weise einen wichtigen Zugang von Norden nach Italien versperrte (Osmuk 1997, 15). Die wichtigste Epoche in der Besiedlungsgeschichte des Tonovcov grad waren die letzten Jahrzehnte des 5. und das gesamte 6. Jahrhundert. In diese Zeit gehören die umfangreichen Ruinen auf dem Gipfel des Hügels, die man als Wohngebäude, Kirche und Verteidigungsanlagen interpretieren kann. Auf dem durch senkrechte Felsen und Verteidigungsmauern befestigten, 150 × 90 m großen Hügelgipfel kann man die Ruinen großer gemauerter Gebäude erkennen, von denen die Mehrzahl noch in kleinere Räume eingeteilt ist. Die Wohngebäude konzentrierten sich in dem von Natur aus am besten geschützten vorderen Teil, darüber erhebt sich ein kleineres Felsplateau mit den Resten zweier frühchristlicher Kirchen. In deren Nähe sind Spuren von Zisternen zu erkennen. Im leichter zugänglichen Teil war die Siedlung von einer 0,8 m dicken Befestigungsmauer umgeben, die von den daran angelehnten Wohngebäuden zusätzlich verstärkt wurden. Der gut gesicherte Eingang befand sich an der Stelle, an der der heutige Weg in die Siedlung führt. Im rechten Winkel zu dieser Befestigungsmauer schließt sich an der Nordseite noch eine Mauer an, die am Hang steil abfällt und
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Abb. 19. Tonovcov grad. Plan der befestigten Siedlung.
einen ca. 60 × 40 m großen Raum vor der Siedlung abschließt, in den man das Vieh treiben konnte oder wo nach Bedarf Leute von anderen Orten Zuflucht fanden (Abb. 19). Im Jahr 1994 wurde das große spätantike Wohngebäude mit Anbau in der Nähe des Siedlungseingangs vollständig erforscht. Der zentrale Raum, in den ein Eingang mit Windfang führte, vereinigte die Eigenschaften einer Wohnstätte, einer Vorratskammer und zum Teil eines Wirtschaftsgebäudes und ist deshalb in vielfacher Hinsicht typisch für diese Epoche. In der Nähe der südöstlichen Ecke befanden sich eine Herdstelle und um sie herum kleinere Vorratsgruben. In der südwestlichen Ecke lagen die Bestandteile eines Arls, weswegen wir hier einen Bereich für die Unterbringung von Geräten und Feldfrüchten vermuten. Vor dem Eingang ins Haus befand sich ein mit Windfang und Säule unterstützes Schutzdach. Darunter lagen viele kleine Gegenstände, die bezeugen, daß man an warmen Tagen dort verschiedenen alltäglichen Heim- und vielleicht auch anspruchsvolleren Handwerksarbeiten nachging.
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Abb. 20. Tonovcov grad. Wasserzisterne.
Bei den Rettungsgrabungen im Bereich des Gebäudes auf der höchsten Terrasse dieses Fundortes entdeckte man überraschenderweise in der Nähe der Befestigungsmauer der Siedlung eine große Wasserzisterne (Abb. 20). Die systematische Freilegung des während des Zweiten Weltkriegs beschädigten Objektes zeigte einen ummauerten Raum, an dessen Innenseite später eine zusätzliche Mauer (Innenmaße 7,5 × 3,5 m) angebaut worden war. Ebenfalls nachträglich wurde an die Außenseite in einer Entfernung von 0,6–0,8 m eine noch bescheidenere Mauer angefügt, die höchstwahrscheinlich als Zaun oder als Fundament einer Konstruktion für die Überdachung der Zisterne diente. Die Wände und der Boden waren mit qualitätvollem, wasserdichtem Mörtel verputzt. Die Zisterne scheint vor allem das Wasser des eigenen Daches, des benachbarten Wohnhauses und vielleicht des nahen Wehrturmes am Ende der Befestigungsmauer gesammelt zu haben. Bei den archäologischen Forschungen im Jahr 1996 wurden Reste dreier Kirchen und einer Memoria entdeckt. Schon vor den Forschungen zeichnete sich auf dem exponierten Felsplateau ein größerer Gebäudekomplex ab, den man aufgrund seiner Lage, der Orientierung der Gebäude und vergleichbarer Befunde an anderen Orten für Kirchen hielt (Ciglenecˇki 1994a, 189 f.; Glaser 1997, 87). Die Grabungen haben diese Vermutung im ganzen
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Abb. 21. Tonovcov grad. Blick auf einen Teil der frühchristlichen Kirchen von Südwesten.
bestätigt und brachten noch eine Reihe von Details an den Tag, die zuvor nicht zu beobachten waren. Infolge genauer Untersuchungen kann man schon eine ziemlich zuverlässige Darstellung der Entwicklung dieses Kirchenkomplexes aufzeigen. Zuerst wurden zur selben Zeit, in der die gesamte Siedlung angelegt wurde, zwei parallele Kirchen gebaut (Abb. 21). Es handelt sich um rechteckige Gebäude mit Innenmaßen von 12,4 × 6 m und 11,6 × 3,7 m. Der Längenunterschied läßt sich durch die vollständige Anpassung an das schwierige felsige Gelände erklären. Im Innenbereich waren die beiden Presbyterien durch eine Mauer von den Kirchenräumen getrennt und lagen erheblich höher als diese, was vor allem eine Folge des nach Osten hin ansteigenden Felsengeländes ist. Wie die Presbyterien in der ersten Phase ausgestattet waren, ist nicht zu ersehen. Auf dem Boden lag ein Estrich von guter Qualität, der den Großteil der Fläche beider Kirchen bedeckte. An der Südseite der beiden Kirchen wurde später ein kleinerer quadratischer Raum angebaut. Seine Zweckbestimmung ist nicht ganz klar, wir entdeckten darin nur ein in den Felsen gehauenes Kenotaph. Im Hinblick auf den bedeutenden Platz am Presbyterium der Hauptkirche darf man an das Grab des Kirchengründers, eines bedeutenden Priesters oder Donators denken. Den außergewöhnlichen Charakter des quadratischen Raumes be-
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tont auch der profilierte Türsturz, der neben der Tür gefunden wurde, die von der zentralen Kirche zum quadratförmigen Raum führte. Noch später wurde an der Südseite dieses Raumes im äußersten Teil des Felsenkamms die dritte Kirche angebaut. Der Innenbereich des Kirchenraumes ist viel abwechslungsreicher gestaltet als bei den beiden vorigen; die Kirche wurde in Kammlage errichtet. In der letzten Phase wurden an allen Kirchen Narthexe angebaut. In den Presbyterien der Kirchen stellte man Klerusbänke mit kathedra auf; wahrscheinlich renovierte man die Altäre oder errichtete sie sogar ganz neu. Auch baute man damals in zwei Kirchen Stufen ein, die vom Kirchenraum zum Presbyterium führten. Die Kirchenanlage erhielt damit ihr endgültiges Aussehen. Die Länge der Kirchen mit den Narthexen betrug zwischen 17,4 m und 18 m, ihre Breite dagegen 21,8 m, wodurch sie den gesamten exponierten, weit vom Tal her zu erblickenden Teil auf dem Felsenplateau einnahmen. Vom Altar der Nordkirche ist nur die untere Steinreihe erhalten. Sie zeigt, daß er 0,85 × 0,80 m groß und vollständig gemauert war. Im Versturz am Altar wurde eine römische steinerne Urne in sekundärer Verwendung gefunden, die wahrscheinlich als Reliquienschrein diente; das Reliquiar war zweifellos aus wertvollerem Material hergestellt, weswegen es die letzten Bewohner wohl mitgenommen haben. Etwa in der Mitte ragt aus dem Presbyterium ein kleineres ambon hervor. Im Innenraum der zentralen Kirche ist vor dem Presbyterium ein großes Becken in den Felsen gehauen, das 2,6 m lang und 1 m breit ist. Hinsichtlich der Lage und Form ist es als einfaches Taufbecken zu betrachten, das durch eine Erweiterung schon zuvor bestehender Spalten in der Felsgrundlage entstanden ist. In allen drei Kirchen wurden auch zahlreiche Fragmente von Glaslampen und im Narthex der Südkirche ein großes fragmentiertes Bronzegefäß entdeckt (Ciglenecˇki 2003, 18). Einer der besser bestimmbaren Funde ist eine Amphore (Spatheion), die in unmittelbarer Nähe des Altars der zentralen Kirche entdeckt wurde, wo auch eine zwischen 548 und 552 geprägte Iustinianus-Münze gefunden wurde. Da die Amphore durch einen kleineren Kanal mit dem gemauerten Altar verbunden war, kann sie indirekt dessen Errichtung und zugleich auch die letzte Einrichtung des Innenraums und wahrscheinlich auch die Gestaltung der Außenseite (Narthexe!) des Kirchenkomplexes datieren. Der Fund hat hervorragende Parallelen in den Amphoren, die in den Fundorten Rifnik und Vranje in den Wohngebäuden entdeckt wurden; am häufigsten in denjenigen, die sich in Kirchennähe befanden (Knific 1994, 219 f.). Der Zweck all dieser drei Kirchen ist schwer zu bestimmen, auf jeden Fall diente die zentral gelegene angesichts ihrer Größe dem regelmäßigen
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Gottesdienst und in der Anfangsphase zeitweilig aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Taufe. Einen besonderen Charakter hatte die nördliche, kleinere Kirche, in der eine Klerusbank und eine Kathedra hervorragend erhalten sind. Sechzehn Gräber, hauptsächlich von Kindern, in den Kirchen und an deren Außenmauern zeigen, daß man in den Altären bedeutende Reliquien aufbewahrte, weswegen man die privilegierten Personen in deren Nähe begrub. Beigaben, die die bestatteten Personen besser bestimmen, fanden wir nur in einem Grab an der Außenseite des Narthex der Südkirche. Die Verstorbene trug einfache Bronzeohrringe, eine Kette aus bunten Glasperlen und einen massiven Ring aus Weißmetall mit eingefaßtem, gefärbtem Glas. Das im Jahr 2002 teilweise ausgegrabene Gebäude nördlich der Kirchen hat ein einfaches rechteckiges Fundament, das an eine ältere Konstruktion angelehnt war, von der allerdings nur die Ostmauer benutzt wurde. Bescheidene Reste im Innenbereich und die Spuren der Konstruktion einer kleineren Piscina lassen die Existenz einer einfachen Taufkapelle möglich erscheinen, die man beim Aus- bzw. Anbau der dritten Kirche dem Kirchenkomplex hinzufügte. Ihre Funktion wird man zuverlässiger bestimmen können, wenn auch das Gebäude, an das die spätere Konstruktion angelehnt war, vollständig ausgegraben sein wird. Besondere Aufmerksamkeit erweckt neben den drei erforschten Kirchen noch ein nahegelegenes Gebäude, das sich im Relief der Oberfläche in Umrissen abzeichnet. Aufgrund der ähnlichen Lage, Ausrichtung und Größe können wir es zu Recht als vierte Kirche betrachten. Was bedeutet die Präsenz einer vierten Kirche in der Siedlung? Im Hinblick auf die Spuren des Aufenthaltes von Langobarden und – in Analogie zu einigen anderen ostalpinen Fundorten – vielleicht auch von Ostgoten in der Siedlung dürfte man an eine Kirche denken, die von den germanischen Arianern gebaut wurde (siehe Glaser 1997, 58–60; Bierbrauer 1998). Eine endgültige Antwort zu ihrem Charakter und ihrer Rolle wird erst nach weiteren systematischen Forschungen möglich sein. Die funktional verschiedenen Kirchengebäude deuten auf ein wichtiges Kirchenzentrum, wo sich auch gelegentlich oder sogar über einen längeren Zeitraum der Bischof aufhielt, und auf die Möglichkeit einer gleichzeitigen Wallfahrtszweckbestimmung des gesamten Kirchenkomplexes (vgl. Tavano 1995, 6; Ciglenecˇki 1997a, 21 f., 24; Glaser 1997, 87). Die große Menge des ausgegrabenen Materials auf dem Tonovcov grad aus dem 5. und dem 6. Jahrhundert bestätigt die Präsenz hauptsächlich einer romanisierten Bevölkerung in der dicht bewohnten Siedlung (Abb. 22). Auf den christlichen Charakter weisen vor allem die Kreuz- und Taubenfibel sowie eine Nadel mit Pfauenabschluß hin (vgl. Bierbrauer 2002). Die roma-
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Abb. 22. Tonovcov grad. Auswahl von charakteristischen Metallfunden aus der 3. Phase (Zeichnungen: D. Knibie Lunder).
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nische Komponente vertreten auch zahlreiche bronzene und eiserne Bügelknopffibeln sowie Armbrustfibeln (vertreten sind Exemplare vom Typ Gurina, Invillino, Desana, Siscia und Lauriacum), Ohrringe, Gürtelschnallen, Armringe und zahlreiche Bronze- und Eisenstilinadeln. Natürlich herrscht unter dem Siedlungsmaterial die Keramik vor, die sich mit dem charakteristischen Formenspektrum gut in den Formenschatz des Ostalpenraums einfügt. Hauptsächlich handelt es sich um Gebrauchskeramik, zu der es die besten Analogien in den Fundorten Ajdna, Udine und Invillino gibt (vgl. Ciglenecˇki 2000, 109–117, 124–129). In viel geringerem Umfang ist auch Feinkeramik vertreten. Die langobardische Fibel und eine Spatha deuten auf die Präsenz einer kleineren langobardischen Besatzung (Abb. 23), ähnlich wie man sie schon bei Rifnik, Vranje und Tinje feststellen konnte (s. o.). Bislang wurden aber keine zuverlässigen Anzeichen für die Anwesenheit von Ostgoten entdeckt, die an der befestigten Siedlung an einem strategisch so wichtigen Ort zweifellos interessiert gewesen sein müssen. Die Funde von ostgotischen Münzen (Theoderich, Theodachat, Vitiges), Bügelknopf- und Armbrustfibeln bezeugen, daß die Siedlung schon im letzten Jahrzehnt des 5. und in den ersten Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts recht intensiv bevölkert war, also in der Zeit der ostgotischen Besetzung dieses Gebietes. In diesem Zusammenhang kommt dem bei Cassiodor erwähnten Brief, den der ostgotische König Theoderich zwischen 507 und 511 universis Lucristanis super Sontium constitutis (Cass. Var. 1. 29) sandte, besondere Bedeutung zu. Darin schreibt er, daß das Reichsinteresse die Kontrolle über den öffentlichen Verkehr erfordere, weil mit deren Hilfe die königlichen Befehle schneller ausgeführt werden könnten. Deswegen müsse man auf die Pferde achten, die für eine solche Fahrt bestimmt seien, damit sie nicht ihre Kräfte verlören. Er befiehlt den Lukristanen, das Gebiet zurückzugeben, das einst für die Pferde bestimmt gewesen sei, aber von den Besitzern der Stationen an sich gerissen worden wäre. F. Kos vermutete deshalb, daß die Lukristanen im ethnischen Sinn gotische Elemente gewesen seien, die aber nur an dieser Stelle Erwähnung finden (Kos 1902, 4). Nach Sˇasˇel bezieht sich der Ausdruck super Sontium auf das Gebiet jenseits des Socˇa-Flusses, also vor allem auf das Vipava-Tal (Sˇasˇel 1975, 80). Das unmittelbar an der alten Straße gelegene Tonovcov grad und die Siedlungen der Umgebung deuten jedoch die Möglichkeit an, daß Cassiodor auch die Siedlungen im Socˇa-Tal entlang der wichtigen Einfallstraße nach Cividale im Sinn hatte. Wie lange die Siedlung noch nach dem Ende des 6. Jahrhunderts weiter bestand, als die Mehrzahl der befestigten Siedlungen im Binnenland Sloweniens erlosch, kann man nicht mit Sicherheit bestimmen. Im Hinblick auf die Nähe des langobardischen Italien stellte die Siedlung – ähnlich wie
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Abb. 23. Tonovcov grad. Auswahl von spätantiken Eisenwaffen (Zeichnungen: D. Knibie Lunder).
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das Kastell Carnium (Vinski 1980, 19) – einen Vorposten an einem strategisch wichtigen Ort dar. Von der letzten, kürzer andauernden Benutzung des Hügels zeugen vielsagend die wenigen Kulturreste der späteren slawenzeitlichen Einwohner, die die Ruinen der zum Teil schon verfallenen antiken Gebäude benutzten und sich darin Notunterkünfte einrichteten. Der Umfang dieser Besiedlung ist im ganzen nicht klar. Datiert wird sie durch das schöne Exemplar einer karolingischen Riemenzunge, die man aufgrund ihrer Gestaltung und Ornamentik in die Zeit um 800 datieren kann, und durch einen awarischen Gürtelbeschlag, den man höchstwahrscheinlich in derselben Zeit verwendete (Ciglenecˇki 1997a, 25 f.). In die zweite Hälfte des 8. und an den Beginn des 9. Jahrhunderts könnte man auch die Reste der Keramikgefäße stellen, die denjenigen gleichen, die man in zuverlässig bezeugten slawenzeitlichen Fundorten wie Tinje oberhalb von Loka pri Zˇusmu, Zbelovska gora und Gradisˇcˇe oberhalb von Basˇelj ausgegraben hat (Ciglenecˇki 2000, 59–68, 76–83, 107–109). Es stellt sich die Frage, ob für die neuen Bewohner wieder die strategische Lage der Siedlung oder nur ihre hervorragende natürliche Befestigung wichtig war. Aus dem Slowenischen von Marija Javor Brisˇki
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 533–557 Die2008 spätantik-frühbyzantinischen © Copyright Walter de Gruyter · Berlin · befestigten New York Höhenanlagen in Serbien
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Die spätantik-frühbyzantinischen befestigten Höhenanlagen in Serbien Mihailo Milinkovic´
1. Forschungsgeschichte, Forschungsstand und Methode Die Forschungsgeschichte der frühbyzantinischen Befestigungen in Serbien beginnt mit den ersten Ausgrabungen in Caricˇin Grad/Iustiniana Prima(?) im Jahre 1912 und setzt sich danach mit Untersuchungen in dessen Umgebung fort. Der eigentliche Durchbruch, besonders im Hinblick auf die Höhenanlagen, erfolgte aber erst am Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts in der gebirgigen Region um Novi Pazar in Südwestserbien beziehungsweise in der Region des serbischen mittelalterlichen Hauptortes Ras. Hier wurden in den 1970er Jahren Ausgrabungen in Pazarisˇte südwestlich von Novi Pazar begonnen, die Ras gelten sollten. An dieser Stelle soll nicht die Polemik über die Lokalisierung und Bedeutung von Ras aufgegriffen werden.1 Von größerer Bedeutung ist vielmehr, daß man in Anlehnung an diese Ausgrabungen auch die Umgebung archäologisch erkundete. Dabei unternahm man Probegrabungen an den umliegenden Befestigungen, zum Teil von der Annahme ausgehend, daß es sich wie im Falle von Ras um mittelalterliche Burgen handeln wird. Es kam aber anderes heraus: Die überwiegende Mehrzahl erwies sich nicht als mittelalterlich, sondern als spätantik oder frühbyzantinisch. Das Verhältnis fällt etwa 20:4 zugunsten der früheren Anlagen, besonders denen aus dem 6. Jahrhundert aus. Dieser Umstand hatte verständlicherweise das sofortige Überprüfen der alten Denkmodelle zur Folge und führte die auch früher schon behandelten,
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Zu dieser Frage existieren im archäologischen und historischen Schrifttum Serbiens verschiedene Meinungen, die gegenseitig polemisieren, vgl. J. Kalic´, Das Bistum Ras. In: D. Medakovic´/H. Jaksche/E. Pruncˇ (Hrsg.), Pontes Slavici. Festschrift St. Hafner (Graz 1986) 173–178; dies., La région de Ras à l’époque byzantine. In: H. Ahrweiler (Hrsg.), Géographie historique du monde méditerranéen. Byzantina Sorbonensia 7 (Paris 1988) 127–140; M. Popovic´, The fortress of Ras. Archaeological Institute Monographies 34 (Beograd 1999) [Serb. mit engl. Zusammenfassung].
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spätantiken und frühbyzantinischen Höhenbefestigungen endgültig als „neue Fundkategorie“ in die serbische Archäologie ein.2 In Serbien ist bislang fast keine spätantike oder frühbyzantinische Höhenanlage vollständig ausgegraben worden. Die hier vorgelegten Resultate stammen vor allem von Prospektionen, Probegrabungen oder Grabungen kleineren Ausmaßes, deren Umfang von Fundstelle zu Fundstelle variiert. An einigen dieser Fundorte, zum Beispiel auf der Jelica-Gradina,3 werden systematische, aber im Umfang begrenzte Ausgrabungen durchgeführt und an anderen Plätzen flächendeckende Untersuchungen, wie in PazarisˇteGradina (abgeschlossen),4 Postenje-Gradina5 oder Caricˇin Grad.6 Diese Ausgrabungen lassen noch manche Fragen offen, unter anderem die nach der wirklichen, auf den ersten Blick manchmal nicht erfaßbaren Größe der Befestigungen, nach der Lage der leider fast nirgendwo untersuchten Gräberfelder – Jelica ist da eine Ausnahme – und nach der inneren Struktur der Anlagen. Dank der Methode der Sondageprospektion konnte dennoch ein Einblick in die Stratigraphie und Chronologie der Anlagen gewonnen und die Aufnahme ihrer Grundrisse wenigstens in wesentlichen Teilen durchgeführt werden. Beim Versuch einer Kategorisierung der Anlagen sollte man nicht vergessen, daß in einigen Fällen die äußeren Umfassungsmauern wegen der Morphologie des jeweiligen Geländes nur durch topographische Sondierungen oder glückliche Umstände entdeckt wurden. Dadurch war es wie in Vicˇa-Stojkovic´a Gradina im Dragacˇevo (Zentralwestserbien) oder in Postenje-Gradina (Ras-Postenje) in Südwestserbien notwendig, die ältere Interpretation zu revidieren. Ähnliches ist sicherlich noch an anderen Fundstellen zu erwarten. Außerdem sind an manchen Orten die „Suburbien“ nicht untersucht oder in den Situationsplan aufgenommen worden. Da also nicht immer gewiß ist, ob die zur Verfügung stehenden Daten wirklich repräsentativ sind, relativiert sich der Wert von Gruppierungen beziehungs2
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Für eine vorausgehende Auseinandersetzung vgl. -D. Stricˇevic´, Uvod u ispitivanje unutrasˇnjosti romejskog limesa u Iliriku. In: M. Grbic´ (Hrsg.), Limes u Jugoslaviji I. Zbornik radova sa simposiuma o limesu 1960 godine (Beograd 1961) 177–184. M. Milinkovic´, Die byzantinische Höhenanlage auf der Jelica in Serbien – ein Beispiel aus dem nördlichen Illyricum des 6. Jh. Starinar 51, 2001 (2002), 71–130. Diese Fundstelle wird von M. Popovic´ als die mittelalterliche Befestigung Ras gedeutet, so daß sie unter diesem Namen in der Literatur zu finden ist. Allerdings wird auch in der gleichen Region der Platz Gradina-Postenje (Ras-Postenje) bei Novi Pazar mit Ras identifiziert (siehe Anm. 1). D. Mrkobrad, Ras-Postenje: Phases in the development of the fortress. Recueil des Travaux de l’Institut d’Études Byzantines 36, 1997, 203–219, hier 205 [Serb. mit engl. Zusammenfassung]. B. Bavant/V. Ivanisˇevic´, Iustiniana Prima – Caricˇin Grad (Belgrade 2003) 9–16.
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weise Einteilungen der Befestigungen nach ihrer Größe. Aber auch im Falle einer gänzlich erschlossenen Ummauerung kann bei fehlenden flächendekkenden Ausgrabungen intra muros oder modernen geophysikalischen Untersuchungen nicht automatisch anhand der Größe über die Bedeutung der Anlagen geurteilt werden, denn die Vorstädte müssen nicht unbedingt bebaut und ständig in Benutzung gewesen sein, wie es aus zeitgenössischen schriftlichen Quellen und aus Grabungen hervorgeht. Der „Anonyme Byzantiner“ schreibt um die Mitte des 6. Jahrhunderts: „The security of forward walls is also to be considered. They are used to receive our own people when they come in from the country to seek refuge behind the walls. This relieves congestion in the city, and the refugees can also stand there and fight against the enemy“.7 Demzufolge konnten die äußeren Mauergürtel eine nur temporäre Funktion als Refugium für die lokale Landbevölkerung haben, die nebenbei bemerkt in Zeiten der Gefahr wohl das wertvollste bewegliche Gut der Bauern mit sich führte: das Vieh, welches ebenso Platz beanspruchte, während die ständigen Bewohner in ihren Wohnrevieren im inneren Befestigungskreis blieben. Aus diesen Gründen ist bei einer Einteilung der Höhenanlagen nach ihrer Größe immer Vorsicht geboten.
2. Allgemeine Verteilung der Anlagen in Serbien und ihre chronologische Gliederung In Serbien sind heute über 170 spätantik-frühbyzantinische Befestigungen bekannt, davon ungefähr 140 Höhenanlagen (Abb. 1 und 2). Dies sind lediglich Zahlen, die den heutigen Forschungsstand repräsentieren – die ursprüngliche Anzahl der Höhenanlagen wird um ein vielfaches höher gewesen sein. Manche Befestigung, deren Nutzung mit größter Wahrscheinlichkeit nicht (nur) prähistorisch oder mittelalterlich war, wurde nicht in den abgebildeten Karten eingetragen, da Beweise für ihre chronologische Einordnung bislang fehlen. Die Anzahl der datierbaren Höhenanlagen steigt aber von Jahr zu Jahr. Es kann von der in den letzten 20 Jahren bestätigten Annahme ausgegangen werden, daß die gut erforschten Regionen wie diejenigen um Novi Pazar, Caricˇin Grad oder Krusˇevac für die meisten erst zu erschließenden Gebiete Modellcharakter besitzen. Als weiteres Beispiel kann das benachbarte, flächenmäßig kleinere und in dieser Hinsicht 7
The anonymous Byzantine treatise on strategy. In: Three Byzantine military treatises, hrsg. von G. T. Dennis. Corpus Fontium Historiae Byzantinae 25 (Washington D. C. 1985) 1–136, hier 35. Für die Datierung der Abhandlung in das Zeitalter Justinians I. siehe ebd. 3.
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Abb. 1. Die spätantik-frühbyzantinischen Befestigungen in Serbien.
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Abb. 2. Die spätantik-frühbyzantinischen Höhenanlagen in Serbien.
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quantitativ besser erforschte Mazedonien erwähnt werden, wo nach I. Mikulcˇic´ etwa 500 spätantike Befestigungen bekannt sind, davon angeblich 400 aus dem 6. Jahrhundert.8 Zeitlich läßt sich die Nutzung von Höhenpositionen in zwei Hauptphasen einteilen: 3./4. Jahrhundert und 6./Anfang 7. Jahrhundert.
3. Die Ansätze im 3. und 4. Jahrhundert Die durch Grabungen erfaßten befestigten Höhenanlagen dieser Zeit sind nicht häufig und hauptsächlich auf Südwestserbien beschränkt. In Einzelfällen wird zwar bei Ausgrabungen von Anlagen des 6. Jahrhunderts sporadisch Material aus dem 3. Jahrhundert gefunden,9 aber ohne begleitende Architektur. Vielleicht deuten solche Funde eine erste, nur vorübergehende Nutzung von Höhenpositionen an, nach welcher die Bevölkerung bei überstandener Gefahr in ihre ständigen Wohnsitze in den Tallagen zurückkehrte. Wie die Beispiele aus Südwestserbien zeigen, kam es im 3. Jahrhundert wohl auch aus praktischen Gründen zur Wiederbenutzung von vorgeschichtlichen Befestigungen, z.B. bei Trojan auf der Pesˇter-Hochebene (Abb. 3 und 4). Auf dem 1351 m über dem Meer hohen Berggipfel wurde das Areal durch einen wiederverwendeten vorgeschichtlichen, den Höhenlinien folgenden Steinwall geschützt, dessen maximale Ausdehnung 210 × 85 m betrug, was einer Fläche von ca. 1,7 ha entspricht. Die Höhenanlage war bis in das dritte Viertel des 4. Jahrhunderts in Gebrauch.10 Dazu gesellt sich die Gradina in Postenje (Ras-Postenje) bei Novi Pazar, auf 690 m über dem Meer gelegen, wo aus der Vorgängerphase der größeren spätantiken (4. Jahrhundert) und justinianischen Befestigung (220 × 350 m, ca. 7,7 ha) (Abb. 9) Überreste von zwei massiven Steinbauten ohne Wallverbindung ausgegraben wurden. Es wird angenommen, daß diese Agglomeration eine Benefiziarierstation war, deren Existenz durch Inschriftenfunde bezeugt ist.11 Ein weiteres Beispiel in dieser Region bietet Sˇarski Krsˇ auf 1366 m über dem Meer mit einer im Grundriß dem Gelände angepaßten Befestigung, die aus gemörtelten Abwehrmauern bestand. Auch sie wurde den Funden
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I. Mikulcˇic´, Spätantike und frühbyzantinische Befestigungen in Nordmakedonien. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 54 (München 2002) 119 f. Z. B. eine durchbrochene Bronzefibel mit Pelta-Motiv von der Jelica. Für den Typ vgl. D. Bojovic´, Rimske fibule Singidunuma. Zbirke i legati 12 (Beograd 1983) 66 (Varijanta 5). V. Ivanisˇevic´, La forteresse antique de Trojan. Novopazarski Zbornik 13, 1989, 13 [Serb. mit franz. Zusammenfassung]. Mrkobrad (wie Anm. 5) 206f.
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Abb. 3. Trojan, Grundriß (nach V. Ivanisˇevic´).
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Abb. 4. Trojan, Kleinfunde (nach V. Ivanisˇevic´).
entsprechend um die Mitte des 3. Jahrhunderts an der Stelle einer vorgeschichtlichen Anlage erbaut. Ihre Benutzungszeit erstreckt sich bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts. Funde von Eisenschlacke deuten Verbindungen zum antiken Bergbau in diesem bekannten Revier12 an (Abb. 5). Auf dem Platz Gradina in Pazarisˇte (Ras-Gradina) scheint eine specula oder eine statio bestanden zu haben, welche anhand der Kleinfunde in die Mitte und zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts datiert wird. Aufgrund der starken Erosion weist sie nur wenige in situ verbliebene architektonische Überreste auf, wie die eines gemörtelten Objektes, das als Turm gedeutet wird.13 Am Anfang des 4. Jahrhunderts wurde hier eine größere Befestigung erbaut, die nach M. Popovic´ ununterbrochen bis in das 6. Jahrhundert benutzt und 12
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M. Popoviџ, Antiљko utvr„ewe na Оarskom KrПu kod Duge Poqane. Novopazarski Zbornik 7, 1983, 5ff. Popovic´ (wie Anm. 1) 69–72, 292 f.
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Abb. 5. Sˇarski Krsˇ, Grundrißskizze mit Kleinfunden (nach M. Popovic´).
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Abb. 6. Pazarisˇte-Gradina, Grundriß (nach M. Popovic´).
später von der kleineren, mittelalterlichen Burg teilweise überdeckt wurde (Abb. 6). Ihre Dimensionen betrugen ca. 185 × 330 m, was eine zu verteidigende Fläche von etwa 6 ha ergibt. Unterhalb der Feste im Flußtal befand sich ein „sakraler Komplex“, zusammengesetzt aus einer Basilika und einer kleineren Kirche mit Grabkammer.14 Ein Benutzungshorizont des 4. Jahrhunderts wurde in Südwestserbien noch in den Höhenanlagen von Juzˇac (1079 m über dem Meer, 150 × 65 m, ca. 1 ha)15 und Vrsenice auf der PesˇterHochebene beobachtet (1330 m über dem Meer, 107 × 92 m, etwas weniger als 1 ha) (Abb. 7 und 8).16 Diese frühen Anlagen liegen mit Ausnahme von Postenje in entlegenen Berggebieten und wurden von ihren Ausgräbern als Benefiziarierstationen angesprochen, zu deren Aufgabe der Schutz des Bergbaus, der Straßen und des Transportes gehört hätte. Demnach wären
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Popovic´ (wie Anm. 1) 123–138. M. Popovic´, Juzˇac kod Sopoc´ana. Late Roman fortification, Early Iron Age hillfort and Medieval cemetery. Arheolosˇki Pregled 1986 (1987) 115–117. D. Premoviџ-Aleksiџ, Najranije vesti o Srbima i formirawe drхave (V deo), Mozaik god. 2, br. 6 (29. mart 2003) 12.
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Abb. 7. Juzˇac, Grundriß und Kleinfunde (nach M. Popovic´).
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Abb. 8. Vrsenice, Grundriß (nach D. Premovic´).
eher Räuber wie etwa die latrones Dalmatiae et Dardaniae der Grund ihrer Entstehung gewesen und keine äußere Gefahr. Es ist fraglich, ob ihre Deutung als Benefiziarierstationen gänzlich zutreffend ist und ob das Reich tatsächlich ein Bedürfnis hatte, seine inneren Gebiete im 3. Jahrhundert nach einer immerhin länger andauernden Romanisierung in dieser Weise zu befestigen. Die erste archäologisch faßbare Fluchtbewegung der Bevölkerung auf geschützte Höhenpositionen im 3. Jahrhundert verläuft parallel zu den Einfällen verschiedener barbarischer Stämme (Goten, Heruler, Jazygen). Es wäre verfrüht, hier umfassende Schlußfolgerungen zu ziehen, da die Anzahl der untersuchten Anlagen noch zu klein ist. Erst nach weiteren Ausgrabungen und nach vergleichenden chronologischen Analysen wird man folgern können, welche Gründe für die Errichtung der einzelnen Höhenanlagen ausschlaggebend waren. Die Barbareneinfälle sollten dabei nicht außer acht gelassen werden. An dieser Stelle wird von der Darstellung anderer Höhenstationen aus der Frühphase, wie zum Beispiel Mokranjske Stene im Hinterland des Do-
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naulimes in Nordostserbien, abgesehen.17 Insgesamt sind sie ein Indiz für die weiträumige geographische Verbreitung dieser Anlagen aus dem 3. und 4. Jahrhundert.
4. Die Befestigungen des 6. Jahrhunderts Der erste große Kontinuitätsbruch im Leben der romanischen Bevölkerung im Norden Illyricums erfolgte etwa 400 bis 440 Jahre nach dem Einsetzen des Romanisierungsprozesses und zwar durch die verheerenden Hunnenvorstöße in den 40er Jahren des 5. Jahrhunderts, die bis zu den Thermopylen reichten. Allein bei dem Angriff im Jahre 441 wurden 70 kleinere und größere Städte verwüstet, unter ihnen Sirmium, Viminatium und Naissus.18 Daß Attila danach die Verlegung der Reichsgrenze von der Donau nach Nisˇ/Naissus verlangen konnte, zeigt die Tragweite dieser Angriffe. Im archäologischen Fundbild manifestieren sie sich vielfach als eine Zäsur. Die Laufzeit der Funde, die bei Ausgrabungen von Villen in den Tallagen Westund Zentralserbiens zutage treten, erstreckt sich nur bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts, was wahrscheinlich mit den genannten Vorstößen in Verbindung zu bringen ist.19 Es bleibt unklar, was in den nächsten Jahrzehnten mit der romanischen Bevölkerung im Nord- und Zentralbalkangebiet geschah; bisher haben die Resultate von Ausgrabungen diese Lücke nicht schließen können. Die bereits genannten Befestigungen weisen keine Schichten beziehungsweise Funde der Mitte oder der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts auf, außer vielleicht Pazarisˇte. Erst Jahrzehnte später, nach den 30er Jahren des 6. Jahrhunderts, kommt es dank der groß angelegten und von Prokop beschriebenen Bauaktion Justinians zu einer allumfassenden Erneuerung der romanischen Kontinuität in Nordillyricum, was einige frühere Interventionen unter Anastasius nicht ausschließt.20 In Prokops Werk De Aedificiis werden die Namen von 654 Kastellen der Balkanhalbinsel angeführt.21 Das Unternehmen hat bald nach Justinians Regierungsantritt 17
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20 21
Vgl. M. Sretenovic´, Mokranjske Stene. Site d’habitat stratifié. Cahiers des Portes de Fer 2, 1984, 226–230. Fontes byzantini historiam populorum Jugoslaviae spectantes I, hrsg. von F. Barisˇic´/ M. Rajkovic´/B. Krekic´/L. Tomic´. Academia Scientiarum Serbica seorsum edita 241/Institutum Byzantinum 3 (Beograd 1955) 9–13 (Prisci Frg.). Vgl. M. Vasic´, Sites archéologiques de la basse antiquité à Tscatschak et dans ses environs. Bogorodica Gradaљka u istoriji srpskog naroda. Nauљni skup povodom 800 godina Bogorodice Gradaљke i grada …aљka, nov. 1992 (…aљak 1993) 15. Prokop, Bauten, hrsg. von O. Veh. Prokop Werke 5 (München 1977). V. Besˇevliev, Zur Deutung der Kastellnamen in Prokops Werk „De aedificiis“ (Amsterdam 1970) 74.
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begonnen: Die XI. Novelle aus dem Jahr 535 bekundet die Neugründung von Iustiniana Prima als bereits bestehenden Erzbischofssitz und betont ausdrücklich, daß sich das Reichsterritorium auf beide Seiten der Donau erstreckt, was eine Erneuerung des Limes voraussetzt.22 Prokops Listen beziehen sich nicht auf das ganze Territorium des heutigen Serbien, da Moesia I ausgelassen wird, sondern auf Dardanien, die Stadtgebiete von Naissus, Remesiana und Ad Aquas in den Provinzen Dacia Mediterranea und Dacia Ripensis sowie auf die Limesstrecke. Die letztere ausgenommen, erwähnt er auf diesen Gebieten 41 neu erbaute, 105 erneuerte und 30 Befestigungen ohne Spezifikation, insgesamt 176.23 Wenn man in Betracht zieht, daß schon die 400 Anlagen des 6. Jahrhunderts aus dem kleinen Mazedonien, auch wenn nicht alle sicher datiert sind, die Mehrheit von 654 Kastellen auf dem Balkan ausmachen würden und man die Befestigungen aus anderen Regionen des Balkans – Bosnien und Herzegowina, Dalmatien, Serbien, Bulgarien, Albanien, Griechenland und Thrakien – noch hinzuzählen müßte, so wird sofort ersichtlich, daß Prokop in diesem Falle kein Panegyriker war, als der er ansonsten oft dargestellt wird. Im Gegenteil, er hat nur einen Teil der „Kastelle“ angeführt, obwohl er in der Einleitung für den die Balkanhalbinsel betreffenden Teil seines Buches behauptet, alle Befestigungen aufzählen zu wollen.24 Die Frage ist nun, ob er sich dabei an ein Auswahlkriterium gehalten hat, wie manche meinen,25 oder ob er willkürlich verfahren ist. Aufgrund der archäologischen Quellen läßt sich schlußfolgern, daß auf dem Balkan allem Anschein nach die Zahl der Befestigungen vierstellig ist und sich in Serbien sicherlich Hunderte von Fortifikationen des 6. Jahrhunderts befanden, die meisten von ihnen Höhenanlagen. Offensichtlich konnten sie nicht alle einen rein militärischen Charakter besitzen, dazu fehlten bekanntlich Ressourcen an Soldaten, Menschenkraft und auch andere Mittel. Was waren dann diese Befestigungen und wieso hat sie Prokop nicht erwähnt? Waren sie für ihn etwa nicht wichtig? Es ist unwahrscheinlich, daß er über ihr Bestehen nicht unterrichtet war. Es stellen sich die Fragen, wer sie gebaut hat und wie, wer sie sie benutzt hat und wie lange. Im 6. Jahrhundert änderte sich in Serbien das Siedlungsmuster schlagartig von Grund auf. Anstatt der Talpositionen wurden nun Höhenlagen 22 23 24 25
V. Kondic´/V. Popovic´, Caricˇin Grad. Site fortifié dans l’Illyricum Byzantin (Beograd 1977) 371. Fontes (wie Anm. 18) 53–70. Prokop (wie Anm. 20) 193. Vgl. M. Mirkovic´, Villas et domaines dans l’Illyricum central (IV–VI siècle). Recueil des Travaux de l’Institut, d’Études Byzantines 35, 1996, 70. Dort wird behauptet, daß Prokop in Dardanien nur diejenigen Befestigungen erwähnt hat, die kaiserliche und vielleicht kirchliche Domänen schützten, was so formuliert als eine wenig wahrscheinliche, zumindest unvollständige Hypothese erscheint.
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Abb. 9. Postenje-Gradina, Foto D. Mrkobrad.
vorgezogen, die leichter zu verteidigen waren und sich meistens über 500 m über dem Meer befanden, manchmal sogar über 1500 m oder auf 1800 m über dem Meer.26 Die Höhenanlagen wurden zur typischen Form des Wohnens im zentralen Balkangebiet im 6. und am Anfang des 7. Jahrhunderts. Als unausweichliche Folge mußte das Verlassen der Tallagen eine Änderung der Wirtschaftsform zugunsten der Viehzucht und des Bergbaus mit sich bringen. Es ist hervorzuheben, daß die meisten untersuchten Anlagen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand einphasig sind, also im 6. Jahrhundert neu gebaut wurden. Einige Beispiele sollen die Positionen der im 6. Jahrhundert benutzten Befestigungen verdeutlichen: Postenje-Gradina (Abb. 9), Pazarisˇte-Gradina (Abb. 10), Ostrovica-Zlostup (Abb. 11 und 12), Djurdjevica-Djerekare (Abb. 13) und Lis-C´ava (Abb. 14). Daß ihre innere Struktur ungenügend bekannt ist, wurde schon betont. Immerhin gibt es Funde, die auf eine schlichte, häufig ohne Mörtel und Glasfenster auskommende Bautechnik der Steinbauten hindeuten. Die Si26
Vgl. V. Ivanisˇevic´, La forteresse protobyzantine de Hum. Novopazarski Zbornik 12, 1988, 5–12 [Serb. mit franz. Zusammenfassung]; außerdem mündliche Mitteilung der Grabungsleiterin G. Tosˇic´ für den auf ca. 1800 m über dem Meer gelegenen Platz Nebeske Stolice im Kopaonik-Gebirge.
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Abb. 10. Pazarisˇte-Gradina.
tuation ist vergleichbar mit Sadovec-Golemanovo Kale in Bulgarien,27 trifft aber auf die besser ausgestatteten, zentralörtlichen Befestigungen – um hier den Ausdruck „Stadt“ zu vermeiden – nicht immer zu. Die Keramikfunde bilden eine einheitliche Fundkategorie. Es sind bei den kleineren und entlegenen Anlagen mit wenigen Ausnahmen lokale, aber qualitätvolle, auf der Drehscheibe hergestellte und gut gebrannte, selten auch glasierte Produkte. Es handelt sich meistens um Küchengeschirr (Töpfe etc.), Tafelware (Schüsseln) und Ambalage sowie Vorrats- und Transportgefäße (Phytoi, Amphoren). Auf der einen Seite sprechen primitive Überbauungen von Portiken, Viehglocken, Handmühlen und landwirtschaftliches Gerät von einem starken Ruralisierungsprozeß besonders nach der Regierungszeit Justinians I.,28 auf der anderen Seite steht die Importkeramik stellvertretend für Kaufkraft und Handelsverbindungen mit dem Mittelmeer, von wo, den mediterranen Gewohnheiten entsprechend, Olivenöl, Wein und an27
28
S. Uenze, Die spätantiken Befestigungen von Sadovec (Bulgarien). Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 43 (München 1992) 116. V. Popovic´, Desintegration und Ruralisation der Stadt im Ost-Illyricum vom 5. bis 7. Jahrhundert n. Chr. In: D. Papenfuss/V. M. Strocka (Hrsg.), Palast und Hütte. Beiträge zum Bauen und Wohnen im Altertum von Archäologen, Vor- und Frühgeschichtlern. Symposium Berlin 1979 (Mainz 1982) 545–566.
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Abb. 11. Ostrovica-Zlostup.
Abb. 12. Ostrovica-Zlostup, Grundrißskizze.
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Abb. 13. Djurdjevica-Djerekare.
Abb. 14. Lis-C´ava.
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Abb. 15. Jelica-Gradina, Lageplan.
dere Waren bezogen wurden. Feinwaagen, Gewichte, Maße und Schreibgriffel belegen die Anwesenheit von Wechslern und Beamten sowie überhaupt einer verbreiteten Schriftlichkeit. Entsprechende Werkzeuge und Einrichtungen bezeugen das Ausüben verschiedener Handwerke wie Metall-, Stein-, Holz- und Hornbearbeitung oder der Weberei. Diese Überreste der materiellen Kultur sind eindeutig romanischen Ursprungs, unter ihnen kommen aber sporadisch germanische und andere „ethnisch fremde“, das heißt nomadische oder vielleicht slawische Funde zum Vorschein, und zwar in immer größerer Anzahl proportional zum Fortschreiten der Ausgrabungen. In dieser Hinsicht ist Jelica besonders wichtig (Abb. 15). Die ausgezeichnet ausgewählte, dominante und im Unterschied zu manchen kleineren Befestigungen, zum Beispiel oberhalb von Schluchten wie Ostrovica-Zlostup in Südwestserbien, nicht versteckte Lage ermöglichte die Kontrolle über ein weites Umland. Von der Fortifikation sind bislang zwei nur zum Teil erschlossene Befestigungsgürtel bekannt (Abb. 16), deren Dimensionen ohne den äußeren Gürtel mehr als 365 × 125 m (mehr als 4,5 ha) betragen. Vorwiegend gemörtelte und mit Glasfenstern ausgestattete Steinbauten, darunter auch mit Figuralkapitellen (Spolien) geschmückte und mit einem Kanalisationssystem versehene Residenzen, bestimmen die Bausubstanz (Objekt I beim Gipfel und in der Nähe der Kirche „E“, Abb. 17).
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Abb. 16. Jelica, Situationsplan.
Inner- und außerhalb der Mauern wurden bislang fünf Kirchen entdeckt, eine davon mit Baptisterium und teilweise erhaltener Freskenmalerei (Abb. 18). An den westlichen Hängen erstreckte sich das Friedhofsareal mit typisch romanisch-christlichen Grablagen und Grabkammern. Offensichtlich handelt es sich hier um ein wichtiges kirchliches Zentrum des 6. Jahrhunderts; ob Pilgerheiligtum, Bischofssitz oder etwas anderes, ist noch zu klären. In einem Fundzusammenhang fand man typisch germanisches Bekleidungszubehör, germanische Keramik und Kinderschädel mit künstlicher Verformung. Außerdem wurden in Gräbern aus dem Inneren der Kirche „A“ (Abb. 19) eine bronzene Schilddornschnalle (Abb. 20,3) und eine bronzene Vogelscheibenfibel mit randständigen Raubvogelköpfen geborgen (Abb. 20,2). Dazu kommt eine künstliche Schädeldeformation bei einem etwa drei- bis vierjährigen Kind. Ein solcher Fundzusammenhang ist auf dem Balkan bisher einmalig. Gegenüber den Romanen nicht nur im ethnischen Sinne fremd sind auch die klaren Spuren künstlicher Schädeldeformation im Kindergrab bei der Friedhofskirche „B“ (anthropologische Analyse von Zˇ. Mikié, Phil. Fak. Beograd). Diese Grabfunde, die eine Se-
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Abb. 17. Jelica, Oberteil des Objektes I.
Abb. 18. Jelica, Kirche „C“ mit Baptisterium.
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Abb. 19. Jelica, Kirche „A“.
pulkralgemeinschaft von Romanen und Germanen bezeugen, haben ihre Entsprechung auch in Siedlungsfunden: Fragmente germanischer Keramik stammen aus der Brandschicht, die den Fußboden der „Residenz“ (Objekt I, Abb. 17) bedeckte und waren somit Teile des Hausinventars zum Zeitpunkt der Feuersbrunst (Abb. 20,6.7). Es ist schon die Frage gestellt worden, ob diese Keramik dem Diener oder etwa dem Herrn der kleinen „Residenz“ gehört hat. In diesem Zusammenhang sollte man sich an die bekannten Ereignisse in Pannonien aus dem Jahre 567 erinnern, als das Gepidenreich zugrunde ging und einige Angehörige dieses Stammes, darunter auch Persönlichkeiten wie der Dux Usdibad, der arianische Bischof Thrasarich und andere, auf byzantinischem Reichsterritorium Aufnahme fanden.29 Diese anhaltende Kontinuität der romanischen Bevölkerung auf dem Balkan in Gemeinschaft mit ethnisch fremden, sich akkulturierenden Elementen dauerte dem Münzumlauf nach höchstens bis ca. 615.30 Brandhorizonte an vielen Fundstellen indizieren ein gewaltsames Ende nicht nur der großen Zentren, sondern auch der scheinbar unwichtigen kleineren Befestigungen. Die Angriffe der Awaren und landnehmenden Slawen schei29 30
L. Schmidt, Die Ostgermanen (München 1941 [Nachdruck 1969]) 542. Kondic´/Popovic´ (wie Anm. 22) 373 f.
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Abb. 20. Völkerwanderungszeitliche Funde von der Jelica.
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nen gründlich durchgeführt worden zu sein, obwohl das nicht immer eine lange Zäsur bedeuten mußte, wie die frühslawische Keramik von der Jelica aus dem 7. Jahrhundert andeutet.31 Aber es brach eine neue Zeit an. Interessant ist, daß das erwähnte Verhältnis von neugebauten zu bloß rekonstruierten Befestigungen zur Zeit klar zugunsten der neuen (einphasigen) ausfällt, was im Widerspruch zu Prokops Angaben steht, wonach von 176 Kastellen in Serbien 105 erneuert wurden – ein weiterer Hinweis darauf, daß Prokop die meisten gar nicht genannt hat. Bevor der Grund für diese Vorgehensweise gesucht wird, muß man versuchen festzustellen, wer die Höhenanlagen überhaupt gebaut hat. Der allgemeine Rahmen innerhalb Justinians Bauaktion ist bekannt, doch konnte das Imperium allein schon aus finanziellen Gründen kaum Tausende Kastelle von Afrika bis zum Balkan synchron von einem Zentrum aus errichten lassen. Von der fortifikatorischen und bautechnischen Seite aus betrachtet sind die meisten Höhenanlagen eher für den Schutz vor Angreifern ohne besondere Belagerungskenntnisse oder – möglichkeiten ausgerichtet. Sie sollten also in erster Linie Sicherheit während der ersten, vielleicht vorübergehenden Angriffswelle bieten, ermöglichten aber kaum ein längeres Ausharren. Die Breite der Mauern beträgt manchmal wenig mehr als einen Meter, in seltenen Fällen sind Teile der Mauerzüge sogar ohne Mörtel errichtet. F. Wozniak scheint teilweise Recht zu haben, wenn er besonders bei einfacheren Anlagen davon ausgeht, daß es die lokale Bevölkerung war, also Bauern, die sie ad hoc erbaute.32 Daß in spätantiken Zeiten Dörfer als kollektive Bauherren von Befestigungen ( ) auftreten können, ist durch Inschriften belegt.33 Dennoch ist bei näherer Betrachtung der einzelnen fortifikatorischen Lösungen offensichtlich, daß Fachkräfte mit militärischen Kenntnissen anwesend waren, da die Mauerzüge mit variierenden Breiten, die Verteilung der Türme und das Anlegen von Toren raffiniert den Gegebenheiten des bewußt ausgewählten Geländes angepaßt wurden, so daß so schnell und preiswert wie möglich, aber auch funktionsgerecht gebaut werden konnte. Das war ohne Militärarchitekten unmöglich. 1983 im albanischen Byllis in Epirus Nova geborgene Inschriftenfunde bezeugen mehr31
32
33
Vgl. D. Bulic´, Traces of Medieval material culture at the Gradina Site on Jelica Mountain. Historical Review 50, 2003, 153–176. F. E. Wozniak, The Justinianic fortification of interior Illyricum. In: R. L. Hohlfelder (Hrsg.), City, town and countryside in the Early Byzantine Era. East European Monographs 120/Byzantine Series 1 (Boulder 1982) 199–209, hier 200. Hauran in der Provinz Arabien, vgl. L. Di Segni, Epigraphic documentation on building in the provinces of Palaestina and Arabia, 4th–7th c. In: J. H. Humphrey (Hrsg.), The Roman and Byzantine Near East 2: some recent archaeological research. Journal of Roman Archaeology Supplement 31 (Ann Arbor 1999) 150 Anm. 3.
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fach die Aktivitäten eines solchen Architekten namens Viktorinos, der den Bau von Befestigungen in Moesien, Scythien, Illyricum, Thrakien und Byllis selbst geleitet hat.34 Wenn man diesen Umstand mit der großen Anzahl der Anlagen und dem ländlichen Charakter mancher Behausungen und Kleinfunde in Verbindung bringt, bietet sich die Schlußfolgerung an, daß die meisten Höhenanlagen – außer die mit zentralörtlicher Funktion, wie Caricˇin Grad oder Jelica – eigentlich befestigte Dörfer waren, auch wenn andere Funktionen im Bereich des Bergbaus und des Handwerks in vielen Fällen ebenso wichtig waren. Hier wurde keine auf die Sicherheit der Straßen oder etwa der Abwehrlinien ausgerichtete Verteidigungslogik angewandt, sondern ein mikroregionales, den lokalen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Landbewohner entsprechendes und gewiß kein strategisch-überregionales System. Auf dem Balkan gibt es abgesehen vom Limes an der Donau keine großräumig angelegten frühbyzantinischen Abwehrlinien. Der Schutz der Existenz auf mikroregionaler Ebene hatte wohl Vorrang vor den Repräsentationsbedürfnissen und dem Wunsch nach einer Machtdemonstration. Ausnahmen könnten vielleicht die größeren Anlagen von Jelica oder Caricˇin Grad sein, wo an den dominantesten Stellen Kirchen standen – was aber wiederum eher mit dem Glauben beziehungsweise dem christlichen Gruppenbewußtsein als mit Repräsentation (besonders der Repräsentation einer Einzelperson, zum Beispiel eines barbarischen Anführers) zu tun haben wird. Der am besten geschützte Ort war sicherlich derjenige, der von den Angreifern gar nicht gesehen wurde. In dieser Hinsicht konnte die Feste in Ostrovica-Zlostup wahrscheinlich mehr Schutz bieten als die auf der Jelica. Daß Dorf- oder Lokalbewohner ihre Hacken, Sicheln und anderes Gerät bei Bedarf mit Waffen tauschen konnten, zeigt das Beispiel vom griechischen Thermopylae, wo lokale Bauernmilizen engagiert wurden, oder das Beispiel der Stadtmiliz von Asemus.35 Es kann also gewagt werden, die Höhenanlagen generell als befestigte Dörfer anzusprechen, und zwar als Dörfer einer Viehzucht treibenden Population, die genau in denjenigen Bergregionen des Balkans lebte, für die einige Jahrhunderte später mittelalterliche Quellen die romanisch sprechenden Wlachen erwähnen, welche ihre Transhumanz und den Halbnomadismus bis in die moderne Zeit betrieben.
34
35
D. Feissel, L’architecte Viktôrinos et les fortifications de Justinien dans les provinces balkaniques. Bulletin de la Société Nationale des Antiquaires de France 1988, 136–146. Wozniak (wie Anm. 32) 201. In einer dezentralisierten Verteidigung und bei ungenügendem Heeraufgebot ist bei privaten Domänen ebenso an die buccelaroi zu denken, die es auch im Illyricum gab, vgl. ebd. 203.
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 559–594 Late 2008 Antique anddeEarly Byzantine © Copyright Walter Gruyter · Berlinfortifications · New York in Bosnia and Herzegovina
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Late Antique and Early Byzantine fortifications in Bosnia and Herzegovina (hinterland of the province of Dalmatia) Perica Sˇpehar
The Western Balkans came under Roman rule during the reign of Augustus, when the region of Dalmatia was established, stretching from the Arsia (Rasˇa) river in Istria in the north to the town of Lissus (Ljesˇ) in the south, and including Kvarner (the bay of Rijeka). In the north, the province of Dalmatia bordered the province of Pannonia Superior along a line lying slightly to the south of the course of the river Sava. In the east it bordered the province of Moesia Superior along a line that goes from the confluence of the Kolubara river through Cˇacˇak and Mt. Sˇara to the Lissus. The borders established during the 1st century did not change significantly, apart from the separation of a part of the territory around the bay of Kotor and Skadar at the end of the 3rd or beginning of the 4th century to form the province of Prevalis, while in the east the province of Dalmatia bordered the province of Moesia I, most probably along the course of the river Drina.1 Geographically, the province of Dalmatia can be divided into two zones: the coastal and the mountainous regions. The karst coastland is distinguished by its indented coastline and many islands and bays, but with a small number of fertile fields suitable for agricultural activity. North of the Adriatic coastal area, stretching to the Sava basin, numerous mountains rise to over 1800 meters, covered with deciduous and coniferous woodland. However, the pronounced mountain landscape of the hinterland of the province of Dalmatia also has many fields and meadows, situated at the feet of the mountains, which encircle them. These geographical characteristics created varying climatic differences, so that the coastal region has a Mediterranean climate, whereas the hinterland is dominated by a characteristic moderate continental climate.2 1 2
Wilkes 1969, 78 f. Wilkes 1969, xxiii–xxv.
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Perica Sˇpehar
The territory of Bosnia and Herzegovina today is situated on part of the area occupied by antique Dalmatia, bordered by the river Drina in the east, the Sava to the north, and the Una in the west, although it should be noted that a smaller part of the territory lies on the west side of the Una, and in the high mountains in the south. In other words, the territory of Bosnia and Herzegovina today includes most of the hinterland of the former province of Dalmatia. The high, impenetrable mountains lying right behind the coastal belt are distinguished by a small number of passable ridges, over which it was possible to reach the interior from the coast. Thus, on Velebit Mountain there were two crossings by which the territory of Japods in Lika and Sisak on the bank of the Sava were reached from north of the Sinjsko Polje lowland, while at the southern end of Velebit there was a road joining Lika to the Ravni Kotari region. Apart from that, a crossing led to the interior via Klis, from which the road continued on towards the Sinjsko Polje, a route that followed the course of the Neretva river.3 Although the geographical conditions greatly hindered the marking of road routes in the hinterland of the province of Dalmatia, numerous roads existed to secure the undisturbed transportation of valuable raw materials (such as wood, metal or salt). It is worth noting the road leading towards the Una and Sana valley, or the course of the route from Burnum towards Narona, which passed through Andertium (Muc´) across the Cˇikola valley, and then through Sinjsko and Imotsko Polje towards the Trebizˇat valley, which lay near Ljubusˇka and Narona. Apart from that, there were three basic routes from Salona towards the interior. There one should note especially the Salona-Sinj (Aequum) road, running towards the north across the Dinaric Alps (that is, the Prolog crossing towards Livanj and Glamocˇ), then towards Servitium. The second route, leading towards the northwest, crossed through Cetina at Tilurium, and through the Arzˇano crossing towards Duvljansko Polje. From there the road ran further towards the northern slopes of Ljubusˇa (Mons Bulsinius), towards the Rama valley, then through the Neretva valley towards Konjic. Then it turned towards the northwest, through the Ivan crossing, to the Bosna valley. There was no road along the Neretva canyon, but from the region around Mostar the interior could be reached over the Prenj Mountain. Another road led from Salona through Duvljansko Polje towards Kupres, then towards the northern part of the Vrbas valley around Bugojno, and towards the Lasˇva valley, situated around Travnik. There was also a road from Narona towards Tre-
3
Wilkes 1969, xxi f.
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binje through Popovo Polje, avoiding the mountains around Boka. This also led to Niksˇic´ and the Zeta valley, from where it stretched further towards Skadar and Ljesˇ.4 Road routes mainly followed the course of the valleys, which stretched in a north-south direction. An exception is part of the link between Salona and Sirmium, which ran through Cibalae like many of the routes from the town now known as Sarajevo towards the east, connecting it to mining centres. These roads led towards today’s Zvornik, Gorazˇde, Uzˇice and Cˇacˇak.5 The Romanisation of the province of Dalmatia, whose territory was already inhabited by the Illyrians, began immediately on its creation. The geo-climatic characteristics and resources of the region played a decisive role during colonisation and formed the basis for the commercial activity of the defined area. Thus the coastal inhabitants focused on navigation (i.e. maritime trade), leading to the appearance of large, established ports, such as Salona, which also represented the administrative centre for the whole province. Then in the hinterland, forestry and mining (not only to extract metal ores but also for the exploitation of salt) were dominant,6 together with agricultural activity, including both crop cultivation and livestockbreeding, although these activities were rather limited to the narrow, fertile river valleys such as the Neretva, or inland plateaus, or „polja“, such as Glamocˇko and Livanjsko. The newly arrived inhabitants were mainly concentrated in lowland areas, where urban centres were formed, while only mines were situated at higher altitudes, together with smaller military posts controlling roads and communications. During the Late Antique period the situation changed to a large extent, due to Barbarian invasions causing the coastland inhabitants to seek refuge at higher altitudes and in less accessible, fortified positions. The archaeological study of Bosnia and Herzegovina only began at the end of the 19th century, when a number of researchers, especially V. Radimsky and F. Fiala, carried out explorative surveys, while on individual occasions smaller sounding excavations were carried out. The further course of excavation was predominantly focused on prehistoric archaeology, so that only a small number of Late Antique fortifications were archaeologically excavated and publicised in an adequate way. Thanks to the great undertaking of the publication of the Archaeological Lexicon of Bosnia and Herzegovina in 1988, insight was made possible into many sites from the 4 5 6
Wilkes 1969, xxv f. Wilkes 1969, xxvi f. Pasˇalic´ 1975, 294–304 map I; Dusˇanic´ 1995, 219–226.
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Late Antique period. However, this was to a great degree limited since much of the information was collected during general surveying. It should be stressed, however, that by the publication of this Lexicon there was at least increased interest in these problems, leading to the sounding excavation in the Gradac and Biograci locations, during which significant data were collected. Unfortunately, the cruel events of the 1990s halted or at least limited all further research. During the archaeological research a significant number of fortifications were identified from the Late Antique or Early Byzantine period. Unfortunately, the degree of investigation of individual areas is not equal, so that in the Sava basin, along the course of the river Bosna, and around the antique town of Domavia empty zones appear, which were certainly not the results of non-habitation during late antiquity, since in these areas there are important natural resources, fertile valleys along the river Bosna and its tributaries, or mining sites in eastern Bosnia. Since most sites were evident during initial reconnaissance, and just in a few cases brought to light by archaeological sounding, for most of the established fortifications data about their size and appearance is not available. The size and function of fortifications determines their division into large, medium-sized and small fortifications. Besides these, there are also the forts with the unknown area (map 1).7
Fortresses covering an area of 1 hectare or more Relatively large fortifications, with a surface area greater than 1 hectare, fall into the first group of fortresses. These are mainly situated above a river or fertile fields. Forts built above a small number of fertile plains primarily had the role of enabling undisturbed agricultural activity in addition to the withdrawal to higher altitudes. On the other hand, these forts also presented a kind of collection centre for the storage of produced and collected commodities. In the hinterland of the province of Dalmatia, only a small number of such fortifications are noted. We know of six in total. Of these, the best-excavated location is at the site Crkvina-Makljenovac. About 5 km northwest of Doboj, above the confluence of the Usora and Bosna rivers, on the left bank, lies elevated Crkvenica, 40 m high, on which was discovered the many-layered location of Crkvina-Makljenovac (map 1, 7
The geographical foundation of the map was given to us by the kindness of Dr. M. Milinkovic´.
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Map 1. Late Antique and Early Byzantine fortifications in Bosnia and Herzegovina (hinterland of the province of Dalmatia). 1. Crkvina-Makljenovac, Doboj 2. Ovan-Grad, Cˇele, Bosanski Novi 3. Kalaura-Jelasˇinovci, Sanski most 4. Gradina (Gradac)-Ravno, Kupres 5. Gradac-Mokronog-Gunjacˇe, Visoko 6. Gradina-Renic´i, Duvno 7. MogorjeloCˇapljina 8. Bugar Grad (Gradina)-Gornja Gata Bugar, Bihac´ 9. Grad-Gornji Vrbljani, Kljucˇ 10. Zecovi-Cˇarakovo, Prijedor 11. Donje Vrtocˇe 1-Donje Vrtocˇe, Drvar 12. Gradina-Grkovci, Bosansko Grahovo 13. Pohovac (Puhovac)Haltic´i, Sokolac 14. Kosˇtur-Dabrica, Stolac 15. Gradac-Halapic´i, Glamocˇ 16. Velika gradina-Veliki Kablic´i, Livno 17. Gradac-Homolj, Kiseljak 18. Gradac (Ilinjacˇa)-Gornji Kotorac, Ilidzˇa 19. Biograci-Lisˇtice 20. GradinaGornja Petrovica, Kalesija 21. Vrsˇcˇic´-Gradina, Gornje Ratkovo-Ilic´i, Kljucˇ 22. Hreljin Grad-Cˇitluci, Sokolac 23. Grad Biograd-Zabrd-e, Konjic 24. Gradac, Potocˇani-Mihaljevic´i, Livno 25. Gradina-Donji Rujni, Livno 26. Gradina-Podgradina (Kamenska), Glamocˇ 27. Gradina-Rajicˇke, Glamocˇ 28. Gredine-Potocˇani, Livno 29. Keˇ sic´eva gradina-Celebic´, Livno 30. Mareljic´a gradina-Staro selo – Carevica, Glamocˇ 31. Gradina (Grad)-Gradac, Posusˇje 32. Gradina-Letka, Duvno 33. Gradina-Prisoje – Perkovic´i, Duvno 34. Gradina-Sapna, Zvornik 35. Zelengrad-Han Kola – Cˇutkovic´i, Banjaluka 36. Zmajevac-Egic´i, Cˇelinac 37. Grad-Kijevo, Sanski most 38. Grcˇka Gradina-Gornje Ratkovo – Kocˇic´i, Kljucˇ 39. Gradina-Sˇipova 40. Pogana Glavica-Kupres 41. Velika vrata-Kupres 42. Veliki kamen, Volari, Sˇipovo 43. Gradina-Alihodzˇe, Travnik 44. Bobovac 45. Gradina-Dabravina, Varesˇ 46. Gradina-Gradac, Karaula, Kakanj 47. Debelo brdo, Sarajevo-centar 48. Gat, Novi Dulic´i-Galesˇine, Gacko 49. Vidosˇki Grad-Stolac 50. Gradac-Hudutsko, Prozor 51. Gradina-Podgradina, Livno 52. Soldatova (Velika) gradina-Sˇumnjaci, Glamocˇ 53. Blagaj (Stjepan Grad)-Blagaj, Mostar 54. Karlovac-Cˇitluk 55. Kosmaj-Biletic´i, C´itluk 56. Krstina-Hamzic´i, Cˇitluk 57. Gradina-Bivolje Brdo, Cˇapljina 58. Gradina-Pocˇitelj, C´apljina 59. Brekovica-Bihac´ 60. Tefericˇ-Krupac, Ilidzˇa
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no. 1). This dominant hill, which controlled the Usora confluence, had been occupied since prehistoric times, during the Late Neolithic, the Late Bronze and Early Iron Ages. Besides the prehistoric layers, traces from the Roman, late Antique and Medieval periods could be seen, to which a discovered church and necropolis dating from the 9th to the 13th century testify.8 Edward Por, a devotee of ancient times, while building his summer house on the mentioned elevation, came across some small archaeological finds and informed V. Radimsky, who started archaeological excavation of this area in 1890.9 According to V. Radimsky, an Early Byzantine fortification of uneven trapezoid shape was established during excavation, 200 × 100 m (NE-SW to NW-SE) in dimension. It comprised an acropolis and suburbs of approximately the same dimensions (fig. 1). The fortification is exceptionally well positioned, surrounded by steep slopes except on the northwestern side. The fortification ramparts, 2 m thick, have faces composed of slanting stones, placed alternatively and cemented together with mortar (opus spicatum technique), with rubble in between. During the construction of fortifications Roman spolia were used, probably originating from different locations, on which can be found the inscriptions dedicated to veterans of the cohors I Belgianorum and the cohors I Flavius Hispanorum, Septimius Severus. The thick walls of the fortification were strengthened by rectangular and trapezoid towers, formed by „breaking“ the rampart, so that the back sides of the tower did not have a wall. Besides the tower on the thick walls, an unevenly rectangular tower was found, situated on the highest point of the acropolis.10 The following sites also belong to this group of fortresses: – Ovan Grad-Cˇele, Bosanski Novi (map 1, no. 2), 16.5 km southeast of Bosanski Novi. During reconnaissance a round tower with a diameter of 10 m was established, together with a fossa in front of the fortress (AL - . Basler]). BiH 1988, 02.74, 38 [D – Kalaura-Jelasˇinovci, Sanski Most (map 1, no. 3), 11.3 km southwest of Sanski Most (AL BiH 1988, 10.109, 147 [B. Cˇovic´]). – Gradina (Gradac)-Ravno, Kupres (map 1, no. 4), 54 km southeast of Jajce. On this site there is a fortification, triangular in shape, surrounded by ramparts on two sides, while the steep slope protects the third. The
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9 10
Radimsky 1891, 251 f., 258–260; Cˇremosˇnik 1951, 249; AL BiH 1988, 04.14, 62f. Crkvina- . Basler). Makljenovac, Doboj (D Radimsky 1891, 253–257. - . Basler); Radimsky 1891, 253; AL BiH 1988, 04.14, 62f. Crkvina-Makljenovac, Doboj (D Basler 1972, 54.
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Fig. 1. Crkvina – Makljenovac (after Basler 1972, fig. 28).
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gate through which one entered the fortress is 2.15 m wide, and is situated on the eastern side (Basler 1953, 337; AL BiH 1988, 12.91, 178 - . Basler]). [D – Gradac-Mokronog, Gunjacˇe, Visoko (map 1, no. 5), 10.2 km southwest of Kakanj (AL BiH 1988, 14.79, 19 [I. Bojanovski]). – Gradina-Renic´i, Duvno (map 1, no. 6), 21 km southwest of Duvanj (AL BiH 1988, 23.115, 266 [B. Cˇovic´]).
Fortifications with a surface area of 0.5 to 1 hectare Medium-sized fortifications were those having several purposes, generally found at higher altitudes. Situated in favourable positions, they could function not only as refuge but also as strategic points, controlling roads connecting mines with urban centres, along which they were built. An exception is the site of Mogorjelo, on which lies the only known fortification situated on a plain. Since during past archaeological research, besides reconnaissance sounding excavation was also conducted, we can distinguish a few sites where the degree of investigation has enabled insights into life during the Late Antique period. Near Cˇapljina, about 2 km to the southwest, lies the site of Mogorjelo (map 1, no. 7). Here, situated on a hillock, there is a fortress, 92 × 75 m (NE-SW by NW-SE) in dimension. K. Patch excavated it from 1899–1903 (fig. 2). During the 1st century a large commercial property was constructed on this site (destroyed in a fire during the 3rd century), with auxiliary buildings to meet the needs of the population of nearby Narona. On its reconstruction, which followed in the 4th century, a rampart was erected around the property, strengthened at the corners with external square towers, 7.5 × 7.5 m in dimension, to the north, west and south, while in the east there was a internal round tower with a diameter of 7.5 m. During construction, antique construction principles were respected, so that the whole interior was divided into four parts by two main streets, cardo and decumanus. The fortress could be entered from four directions. While three gates were flanked by two external square towers each, on the southeastern side there was a smaller entrance, strengthened by a single square tower. Inside the rampart there were incorporated parts of an earlier agricultural complex (spaces varying in character), which were still in use, along with the palace.11 11
- . Basler/N. Miletic´); Dyggve/Vetters AL BiH 1988, 25.224, 331. Mogorjelo, Cˇapljina (D 1966, 7–44; Basler 1972, 38–41.
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Fig. 2. Gornji Vrbljani (after Basler 1993, fig. 4–5).
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Judging from finds of coins, discovered in a burnt layer, the fortress is thought to have been destroyed at the end of the 4th or the beginning of the 5th century. Since it is established that the blocking of the western door and the narrowing of the eastern door were carried out subsequently, it can be concluded that after an irrepressible barbarian invasion, the fortification was temporarily renewed, and then abandoned once more.12 However, the space once occupied by the fortress was in use during the 6th century, since at that time two churches were erected, on the southern corner of the fortification, on the site of the former palace. The northern church is 21.4 × 14.05 m (E-W by N-S) in dimension, and represents a three-nave type with a narthex, while the northern nave is divided into three rooms, of which the central room has a cross-shaped font. Outside the apse three rectangular tombs were built, two on the north side, and one on the south. The southern church has a simple shape, with nave and narthex, while its dimensions are 18.5 × 10.4 m (E-W by N-S).13 Besides the architectural traces, on and near the site occupied by the fortification traces of a Late Antique and later Medieval necropolis have been found. However, since site documentation on excavations was not preserved, and discovered finds were not adequately publicised, it is impossible to complete with certainty an ethnic or chronological classification.14 It appears that these two churches were built during a relatively peaceful period in the Dalmatian area during the 6th century. As we do not know what had happened to the remaining part of the fortress at that moment, it is impossible to say whether this fortress had a significant defensive role during the 6th century. Approximately 10 km northwest of Bihac´ lies the fortification of Bugar Grad (Gradina)-Gornja Gata-Bugar, Bihac´ (map 1, no. 8), situated on the right bank of the river Korana. The remains of fortifications dating to the 4th to 6th centuries were discovered here, with dimensions of 158 × 50 m (E-W by N-S). It was divided by a wall on the eastern (acropolis) and western (suburbs) sections (fig. 3). The fortification was entered from the west side, where there was a gate flanked by two round towers. Besides these, it is established that there were three more towers, identical in shape, one of which was situated on the junction where the transversal joined the southern rampart. The other two were at the eastern end of the southern rampart, which had clearly been most jeopardised. To construct the rampart (made using the opus mixtum technique) bricks with the inscription (H)ERACLI 12 13 14
Basler 1972, 42. Dyggve/Vetters 1966, 44–51; Basler 1972, 97–100. Basler 1972, 47; Miletic´ 1984, 387.
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Fig. 3. Bugar Grad (after Radimsky 1893, fig. 26).
were used. Inside the acropolis a small church was uncovered, completely square in shape, 16 × 14 m (E-W by N-S) in dimension.15 Approximately 25 km from Kljucˇ, above the source of the river Sana, lies the site of Grad-Gornji Vrbljani, Kljucˇ (map 1, no. 9). This was situated above the deep ravine of the Lucˇica stream. Due to its position, this space had been used during prehistoric times. After many centuries, it was once again occupied during Late Antiquity. The fall of Byzantine rule in this region led to another short period of abandonment, but during the 8th and 9th centuries it was inhabited again.16 During agricultural activities in 1966, traces of a stone wall cemented with mortar were discovered on this line. As a result, sounding excavations were made in 1967/68, during which the Iron Age ruins were discovered, above which lies a Late Antique fortress (4th–6th century), 110 × 65 m (N-S by E-W) in dimension. Ramparts were uncovered only on the northern and western sides, while there are steep slopes to the east and south (fig. 4). During excavation, a rampart without a tower was discovered, made with the opus incertum technique. It had shallow entrenched foundations, 0.30 m deep. Apart from that, access to the fortress from the northern side was discovered, on which there was a fossa, and an entrance on the western rampart.17
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Radimsky 1893, 51; Basler 1972, 54 f.; AL BiH 1988, 01.10, 14. Bugar Grad (Gradina)- . Basler). Gornja Gata-Bugar, Bihac´ (D Basler 1972, 52–54; AL BiH 1988, 10.63, 144. Grad-Gornji Vrbljani, Kljucˇ (V. Pasˇkvalin). Bojanovski 1967, 119 f.; Bojanovski 1968, 156 f.; Basler 1972, 52–54; AL BiH 1988, 10.63, 144. Grad, Gornji Vrbljani, Kljucˇ (V. Pasˇkvalin).
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Fig. 4. Gornji Vrbljani (after Basler 1993, fig. 20–21).
Apart from the main walls, on the northern side of the fortifications a building leaning on the north rampart was discovered. According to the excavation leader, I. Bojanovski, this related to an inhabited complex 23.45 × 9.90 m in dimension, intended for a military company. It was formed of broken, compressed stone, cemented with mortar. The complex comprises a central chamber, unevenly trapezoid in shape, 10.10–11.10 × 9–9.90 m (E-W by N-S) in dimension, with access from the eastern side. The central room then led into a chamber with a heating stove, leading in turn to a smaller room, 5.30 × 2.28 m (N-S by E-W) in dimension. This may have
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Fig. 5. Zecovi (after Basler 1972, fig. 25).
served as a kitchen. Next to the residential quarters, a cistern made of hydraulic mortar with a brick floor was discovered.18 Some 35 km southwest of Banja Luka lies the site of Zecovi-Cˇarakovo, Prijedor (map 1, no. 10). During brief excavation works, the ruins of a prehistoric settlement, occupied during Neolithic times, were discovered. On these lay Late Antique fortifications, unevenly trapezoid in shape, 130 × 50 m (N-S by E-W) in dimension (fig. 5). With the aim of excavating the fortress interior, a control ditch oriented north-south was opened in the eastern section. This enabled the discovery of Roman layers in addition to the prehistoric strata. In addition to the inhabited layers, the interior of the fortress and traces of its architecture were discovered. It was thus established that in the southern section of this unevenly trapezoid structure, there were three chambers, 15 × 15 m in dimension, and a two-part building 15 × 10 m 18
Bojanovski 1967, 119 f.; Bojanovski 1968, 156–158.
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(N-S by E-W) in dimension in the northern part of the fortification. In the central part of the fortification there was also a rectangular church with narthex, 20 × 10 m (NE-SW by NW-SE) in dimension.19 Besides these hilltop settlements, fortifications with similar dimensions also fall into this group, including the following sites: – Donje Vrtocˇe 1-Donje Vrtocˇe, Drvar (map 1, no. 11), 5.3 km northwest of Drvar (AL BiH 1988, 11.31, 147 [B. Cˇovic´]). – Gradina, Grkovci, Bosansko Grahovo (map 1, no. 12), 33 km southeast of Drvar (AL BiH 1988, 11.61, 162 [B. Cˇovic´]). – Pohovac (Puhovac)-Haltic´i, Sokolac (map 1, no. 13), 45 km northwest of Visˇegrad (AL BiH 1988, 17.277, 105 [B. Govedarica]). – Kosˇtur-Dabrica, Stolac (map 1, no. 14), 8 km northeast of Stolac. Inside the fortress two internal square-shaped towers and a church in the central part were discovered (Basler 1972, 90; AL BiH 1988, 20.311, 184 - . Basler]). [D – Gradac-Halapic´i, Glamocˇ (map 1, no. 15), 5.5 km northwest of Glamocˇ. Two buildings and a cistern were found inside the fortress (AL BiH 1988, 22.66, 238 [V. Pasˇkvalin]). – Velika gradina-Veliki Kablic´i, Livno (map 1, no. 16), 5 km northwest of Livno (AL BiH 1988, 22.275, 250 [B. Cˇovic´]).
Fortifications with a surface area smaller than 0.5 hectares The group of small fortifications contains those smaller than 0.5 hectares, which may have had a double function like the previous group. They were arranged evenly along roads and communication routes, where they functioned as control points, while at higher altitudes they also served as refuge. Although we are familiar with most of these fortifications, only a small number have been excavated by sounding. The results of study of the Late Antique period are therefore presented on the basis of three sites. Approximately 30 km southeast of Kakanj, on a hill 40 m above the moor it controls, lies the Gradac, Lepenica-Homolj, Kiseljak site (map 1, no. 17). During excavation carried out by V. Skaric´ in 1931/32, it was established that the site had many strata, originally dating from Neolithic times. Besides prehistoric layers, a Late Antique refuge with church was discovered, as well as a Medieval graveyard.20 19 20
Cˇremosˇnik 1956, 137 f.; Basler 1972, 55. - . Basler/N. MiSkaric´ 1932, 1; 8–20; AL BiH 1988, 14.78, 19. Gradac, Homolj, Kiseljak (D letic´).
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Fig. 6. Gradac – Lepenica (after Skaric´ 1932, fig. 4).
During archaeological excavation it was established that ramparts on each side encircled a plateau (fig. 6) whose dimensions were 70 × 50 m (E-W by N-S). A rectangular tower was found on the interior side of the northern rampart, in the inner section, connecting two of the rampart’s divided walls. There was also a smaller undefended entrance on the western rampart, 1.2 m wide.21 In the northwestern corner of the fortification there is a church measuring 23.5 × 14.5 m (E-W by N-S), entrenched in the rampart. Its apse protrudes from the line of the extended rampart.22 This is a threenave building with a narthex and font with two chambers. Access to the cross-shaped font was down three steps. Its lateral naves are divided into two sections. During the Late Antique period, it seems, four skeleton burials took place in the church, one in the southern and three in the northern nave (fig. 7).23 Apart from traces of architecture, a significant number of movable finds were collected during excavation. These testify to the Byzantine population
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Skaric´ 1932, 1; 8–20. The same method is used also on the territory of the province of Moesia I. On this issue see Jeremic´/Milinkovic´ 1995, 210 f. Abb. 3. - . Basler/ Skaric´ 1932, 8–20; AL BiH 1988, 14.78, 19. Gradac, Homolj, Kiseljak (D N. Miletic´).
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Fig. 7. Gradac – Lepenica (after Skaric´ 1932, fig. 5).
staying in this area. The objects discovered include parts of a lock (fig. 8), keys (fig. 9) and tools that are typical for the Early Byzantine period (fig. 8). The Gradac (Ilinjacˇa)-Gornji Kotorac, Ilidzˇa site (map 1, no. 18) is situated 15 km south of Sarajevo, in the southeast section of the Sarajevo plain, on the hill which controls it. On top of this elevated site there is a plateau 115 × 40 m (NW-SE by NE-SW) in dimension, whose slopes descend steeply (fig. 10). Since the inclination is gentler on the southeastern and northwestern sides, the road giving access to the fortification was on this side. In the middle of the longitudinal axis of the plateau lies the highest point, in the form of a rock from which the terrain falls in all directions.24 The site became a focus of archaeological interest very early on, since in 1926 V. Skaric´ carried out excavation there. Since the results of the excavation were not published at the time, J. Korosˇec accepted work on the preserved finds several decades later. It was not until the late 1980s that further
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AL BiH 1988, 15.105, 44. Gradac (Ilinjacˇa) Gornji Kotorac, Ilidzˇa (K. Basler/L. Fekezˇa); Fekezˇa 1990, 155–158.
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Fig. 8. Gradac – Lepenica (after Skaric´ 1932, T. IV).
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Fig. 9. Gradac – Lepenica (after Skaric´ 1932, T. VIII).
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Fig. 10. Gradac – Gornji Kotorac (after Fekezˇa 1990, map. I).
moves were made to investigate this site, and new sounding excavations were carried out.25 During excavation, a prehistoric, defensive covering was identified, on which lay a late Antique rampart, following the edge of the plateau. It was built of stone and mortar, and was 0,8–1 m in width. Inside the rampart a single-nave church of 14 × 9 m (E-W by N-S) was found, its northern side included in the rampart wall. The church was constructed using the opus incertum technique, and comprised a narthex, naos and southern chamber. As it seems, during the Late Antique period, a skeleton grave was dug in the southern chamber, while two more were dug in the northeast corner of the narthex.26 Some 12.5 km southwest of Mostar lies the Biograci-Lisˇtice, Mostar site (map 1, no.19), located on a hillock 90 × 40 m (NW-SE by NE-SW), from which it controlled the Mostar marsh. V. Radimsky first noted the exceptional position of the hillock when he found traces of the fortification here in 1894 (fig. 11).27 During excavation carried out a century later, it was found that the fortress was built during the period of Roman rule, during the 3rd or 4th century. In building the rampart (0.6–0.7 m in width), the opus spicatum technique was used. This was applied in the construction of two towers flanking the entrance on the northern side. Inside the fortification many buildings situated along the rampart were discovered. They probably served as barracks for the military company. Besides military quarters, cellar spaces with 25 26 27
Fekezˇa 1990, 155 f. Fekezˇa 1990, 158–161. Radimsky 1894, 442f.
Perica Sˇpehar
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Fig. 11. Biograci – Lisˇtice (after Cˇremosˇnik 1989, 85).
hydraulic mortar were found. Rainwater was collected in these, and also in the main cistern, which was coated in the same way.28 According to I. Cˇremosˇnik, who led the excavation, the fortress was constructed during the 3rd or 4th century. The fortification system had been modified by the erection of polygonal towers and double ramparts, faced with the danger of later barbarian attacks. A building whose eastern side is built into the rampart is an interesting phenomenon, since part of the building, shaped like an apse, extends beyond the line of the surrounding rampart wall. As I. Cˇremosˇnik referred to this building as a tower, the question remains as to whether this was in fact a church, as was the situation in the two sites described above (map 1, no. 17 and 18).29 From collected material it could be concluded that the fortress was used during the 4th century. Finds of a cross-like fibula and a bronze necklace 28 29
Cˇremosˇnik 1989, 83–89. Cˇremosˇnik 1989, 89–92.
Late Antique and Early Byzantine fortifications in Bosnia and Herzegovina
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testify to this (fig. 12,1.8). Facing danger, the fortress was renovated in the 6th century, this indicated by the find of a fibula (fig. 13,6), a tool typical for the Early Byzantine period (fig. 14,2) and amphorae (fig. 15). The fortress was used again during the 8th and 9th centuries by a population with Slavic characteristics, according to I. Cˇremosˇnik (fig. 16), although it was under Frankish influence, as evidenced by a spur discovered here (fig. 13,1).30 Other fortifications with similar dimensions that also fall into this group include the following sites: – Gradina-Gornja Petrovica, Kalesija (map 1, no. 20), 12.7 km southeast of - . Basler]). Tuzla (AL BiH 1988, 07.27, 106 [D – Vrsˇcˇic´-Gradina, Gornje Ratkovo-Ilic´i, Kljucˇ (map 1, no. 21), 12.5 km northeast of Kljucˇ (AL BiH 1988, 10.202, 151 [B. Cˇovic´]). – Hreljin Grad-Cˇitluci, Sokolac (map 1, no. 22), 37.5 km northwest of Visˇegrad. During the reconnaissance the double ramparts were found (AL BiH 1988, 17.149, 99 [B. Govedarica]). – Grad Biograd-Zabrd-e, Konjic (map 1, no. 23), 2 km northwest of Konjic (AL BiH 1988, 21.97, 213 [P. And-elic´]). – Gradac-Potocˇani-Mihaljevic´i, Livno (map 1, no. 24), 5.3 km southeast of Livno (AL BiH 1988, 22.68, 238 [I. Bojanovski]). – Gradina-Donji Rujni, Livno (map 1, no. 25), 25 km northwest of Livno (AL BiH 1988, 22.71, 239 [B. Cˇovic´]). – Gradina-Podgradina (Kamenska), Glamocˇ (map 1, no. 26), 4 km southeast of Glamocˇ. During the reconnaissance fossa was noted on the west side (AL BiH 1988, 22.81, 239 [V. Pasˇkvalin]). – Gradina-Rajicˇke, Glamocˇ (map 1, no. 27), 7.6 km northeast of Glamocˇ (AL BiH 1988, 22.89, 240 [B. Cˇovic´]). – Gredine-Potocˇani, Livno (map 1, no. 28), 6.5 km southeast of Livno (AL BiH 1988, 22.118, 242 [B. Cˇovic´]). – Kesic´eva gradina-Cˇelebic´, Livno (map 1, no. 29), 25.5 km northwest of Livno (AL BiH 1988, 22.159, 244 [B. Cˇovic´]). – Mareljic´a gradina, Staro selo-Carevica, Glamocˇ (map 1, no. 30), 0.2 km southeast of Glamocˇ (AL BiH 1988, 22.186, 245f. [B. Cˇovic´/T. Glavasˇ]). – Gradina (Grad)-Gradac, Posusˇje (map 1, no. 31), 36 km southeast of - . Basler/M. Kraljevic´]). Duvno (AL BiH 1988, 23.93, 264 [D – Gradina-Letka, Duvno (map 1, no. 32), 4.5 km northeast of Duvno (AL BiH 1988, 23.104, 265 [B. Cˇovic´]). – Gradina, Prisoje-Perkovic´i, Duvno (map 1, no. 33), 13.5 km southwest of Duvno (AL BiH 1988, 23.114, 266 [B. Cˇovic´/I. Bojanovski]).
30
Cˇremosˇnik 1989, 89–92.
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Fig. 12. Biograci – Lisˇtice (after Cˇremosˇnik 1989, T. III).
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Fig. 13. Biograci – Lisˇtice (after Cˇremosˇnik 1989, T. IV).
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Fig. 14. Biograci – Lisˇtice (after Cˇremosˇnik 1989, T. VIII).
Late Antique and Early Byzantine fortifications in Bosnia and Herzegovina
Fig. 15. Biograci – Lisˇtice (after Cˇremosˇnik 1989, fig. 1–3).
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Fig. 16. Biograci – Lisˇtice (after Cˇremosˇnik 1989, T. XI).
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Fortifications whose surface area is not known Sites on which fortification elements and traces of the material culture were found that researchers have dated to the late Antique period, but without firm data on their appearance or size, form a special group. The position of these fortifications varies. They are found on elevations above valleys and fields, along roads and at isolated dominant points. The following fortifications belong to this group: – Gradina-Sapna, Zvornik (map 1, no. 34), 15.5 km northwest of Zvornik - . Basler]). (AL BiH 1988, 06.72, 91 [D – Zelengrad, Han Kola-Cˇutkovic´i, Banja Luka (map 1, no. 35), 9 km southwest of Banja Luka (AL BiH 1988, 09.110, 133 [O. Jamakovic´]). – Zmajevac-Egic´i, Cˇelinac (map 1, no. 36), 9.8 km southeast of Banja Luka (AL BiH 1988, 09.113, 133 [B. Graljuk]). – Grad-Kijevo, Sanski Most (map 1, no. 37), 7.3 km southeast of Sanski Most. On this site a round tower with a diameter of 10–15 m was discovered (AL BiH 1988, 10.65, 145 [V. Pasˇkvalin]). – Grcˇka Gradina, Gornje Ratkovo-Kocˇic´i, Kljucˇ (map 1, no. 38), 16.5 km northeast of Kljucˇ. Inside the fortress an acropolis with cistern, several buildings and the suburbs were discovered (AL BiH 1988, 10.94, 146 [B. Marijanovic´]). – Gradina, Sˇipovo (map 1, no. 39), 14 km northwest of Jajce (AL BiH 1988, 12.93, 22 [B. Marijanovic´]). – Pogana Glavica, Kupres (map 1, no. 40), 44 km south of Jajce (AL BiH - . Basler]). 1988, 12.195, 184 [D – Velika vrata, Kupres (map 1, no. 41), 36.5 km southeast of Jajce (AL BiH 1988, 12.255, 187 [V. Pasˇkvalin]). – Veliki kamen-Volari, Sˇipovo (map 1, no. 42), 12 km south of Jajce (AL - . Basler]). BiH 1988, 12.256, 186 [D – Gradina-Alihodzˇe, Travnik (map 1, no. 43), 12.5 km northwest of Zenica (AL BiH 1988, 13.64, 198 [A. Benac]). – Bobovac (map 1, no. 44), 9.8 km northeast of Kakanj. Only one Late Antique wall is noted. The wall is now a part of the tower built in the Middle Ages (AL BiH 1988, 14.13, 15 [P. And-elic´]). – Gradina-Dabravina, Varesˇ (map 1, no. 45), 17.5 km southeast of Kakanj. One church, 15.50 × 11.28 m, is found. The church was raised on top of an ancient tomb (AL BiH 1988, 14. 86, 19 [V. Pasˇkvalin/N. Miletic´]). – Gradina (Gradac)-Karaula, Kakanj (map 1, no. 46), 13 km northwest of Kakanj (AL BiH 1988, 14.91, 20 [V. Pasˇkvalin]). – Debelo brdo, Sarajevo-centre (map 1, no.47) (AL BiH 1988, 15.68, 42 [B. Cˇovic´]).
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– Gat, Novi Dulic´i-Galesˇine, Gacko (map 1, no. 48), 11.7 km southeast of Gacko (AL BiH 1988, 19.68, 144 [N. Mandic´/N. Miletic´]). – Vidosˇki Grad, Stolac (map 1, no. 49), 1 km southeast of Stolac. On the site traces were detected of the ramparts built by opus spicatum, later de- . Basler]). stroyed during the Middle Ages (AL BiH 1988, 20.540, 195 [D – Gradac-Hudutsko, Prozor (map 1, no. 50), 19.5 km northwest of Konjic - . Basler]). (AL BiH 1988, 21.105, 213 [D – Gradina-Podgradina, Livno (map 1, no. 51), 13.5 km southwest of Livno (AL BiH 1988, 22.82, 239 [V. Pasˇkvalin]). – Soldatova (Velika) Gradina-Sˇumnjaci, Glamocˇ (map 1, no. 52), 12 km northwest of Glamocˇ (AL BiH 1988, 22.249, 248 [B. Cˇovic´]). – Blagaj (Stjepan Grad)-Blagaj, Mostar (map 1, no. 53), 12.5 km southeast of Mostar. Inside the fortification several archaeological strata were identified. Only three external, trapezoid-shaped towers from the Late Antique period survived the constant rebuilding at the site (Basler 1972, 47 f.). – Karlovac, Cˇitluk (map 1, no. 54), 15.5 km southwest of Mostar (AL BiH - . Basler]). 1988, 24.208, 300 [D ˇ – Kosmaj-Biletic´i, Citluk (map 1, no. 55), 15.8 km southwest of Mostar (AL BiH 1988, 24.217, 300 [P. And-elic´]). – Krstina-Hamzic´i, Cˇitluk (map 1, no. 56), 16.8 km southwest of Mostar - . Basler]). (AL BiH 1988, 24.236, 301 [D ˇ – Gradina-Bivolje Brdo, Capljina (map 1, no. 57), 8.3 km northeast of Cˇapljina (AL BiH 1988, 25.110, 325 [P. And-elic´]). – Gradina-Pocˇitelj, Cˇapljina (map 1, no. 58), 4 km northeast of Cˇapljina (AL BiH 1988, 25.133, 326f. [B. Marijanovic´/I. Marijanovic´]). – Brekovica-Bihac´ (map 1, no. 59), 1 km north of Bihac´. At the site traces of the ramparts and the pentagonal tower (10 × 6 m) were detected (Radimsky 1893; Ciglenecˇki 1987, 105 f.). – Tefericˇ, Krupac, Ilidzˇa (map 1, no. 60), 11.5 km southwest of Sarajevo. Traces of the Late Antique/Early Byzantine period were not detected, but according to the shape of the fortification and its round towers, this site could belong to this period (Sergejevski 1947, 46–48; AL BiH 1988, 15.379, 57 [K. Topolovac]; Popovic´ 2003, 103).
Conclusive observations The province of Dalmatia did not escape the migration of large ethnic groups at the end of the 4th century, although for most of its existence it had enjoyed peace, and had not undergone direct attack from barbarian
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tribes. After the division of the Roman Empire in 395, the province was incorporated into the Western Empire, as part of the Illyrian diocese, in an attempt to stabilise the situation. The sudden death of Theodosius I led to the first Goth uprising. They arrived at the wall of Salona, devastating much of the province en route. The beginning of the barbarian penetration led to further weakening of central rule. This stimulated the self-will of local rulers, who had acted more or less independently from 454. After the last of these, Nepos, the province was attached to the Eastern Empire (480).31 Although Dalmatia formally belonged to the Eastern Empire, Odoacer from Rome, nominally recognising the rule of Zeno, governed the province. Skilfully using the end of the dynastic struggles of the Ostrogoths, Zeno finally succeeded in persuading Theodoric in 488 to move towards Italy, where an Ostrogothic monarchy was formed. Since the Eastern Empire was not in a position to independently control its remote areas, it was agreed that the Ostrogoths should govern Dalmatia on behalf of the rulers on the throne in Constantinople. The agreement was quickly broken by Theodoric, who in 504 attached the provinces of Dalmatia, Pannonia II and Savia to his kingdom. The enlargement of Ostrogothic territory led to the formation of new administrative units, so that Dalmatia was governed by Osvin the Goth, with the title comes Dalmatiae et Saviae. Although dramatic, these changes did not endure. Thus, during 535, right at the beginning of the conflict between the Byzantines and the Goths, Dalmatia was returned to the Constantinople wing, although the Ostrogoths tried twice to have it returned, without success, in 537 during the reign of Vitiges and in 554 during the reign of Totila.32 The submission of the Ostrogothic state on the part of Justinian I brought apparent peace, since on the northern border of the Empire new barbarian groups, the Avars and the Slavs, had arrived, penetrating later to Dyrrachium in 548, followed by the Byzantine military unit 15 000 men strong. They did not dare to intervene. The above advance was only an introduction to the siege of Thessalonica, carried out in 550, but without success. During 550/551 the Slavs were penetrated in the east, and then the Kutrigurs in northeast Bosnia in 568. The same year, the Avars took over complete leadership in Pannonia, since their allies up to that point, the Lombards, headed off towards Italy. Free from competition the Avars very quickly took the initiative, conquering Sirmium in 582, and temporarily occupying Singidunum and Viminacium in 584. The further expansion of 31 32
Wilkes 1969, 418–421. Wilkes 1969, 423–425.
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the Avar-Slav attacks continued in 586, when Thessalonica was once again besieged, unsuccessfully. The Byzantine Empire did not begin with the repression of Avar dominance until they were able to resolve the situation on the eastern front in 591. Nevertheless, the Avars and the Slavs quickly agreed to besiege Thessalonica, which they unsuccessfully attempted in 597. After a great victory by the Byzantines over the Avars (601), when it seemed that the Avar danger would be averted forever, there was an armed uprising and the enthronement of Phocas in 602. Conflicts over the throne led to the fall of the limes, by which the way was left wide open for the barbarians’ invasion. The abandonment of border fortifications led to a succession of Avar-Slav penetrations in the period between 612 and 641, during which the province of Dalmatia was finally made to submit. Several coastal towns, as a result of their position, were able to resist attacks by conquerors.33 The chaotic times that had befallen the population of the province of Dalmatia compelled them to abandon the fertile plains with their pleasant climate, and to move to higher, harsher regions that offered them more safety. However, this process of movement did not happen at once – the change occurred gradually. From available data we can see that the process of adaptation to new surroundings unfolded in two directions. One method of adaptation is represented by fortification of existing bases in the plains, which was the case with Mogorjelo (map 1, no. 7). There, the approach was to fortify a large agricultural farm at the beginning of the 4th century. The other method was the movement of fortifications to higher altitudes, as was the situation with the Biograci-Lisˇtice site (map 1, no. 19). Further developments show that bases situated in lower areas, even with strong ramparts and high towers, did not offer adequate protection, and that movement to higher zones (i.e. vertical migration) was a much more efficient approach. The abandonment of earlier posts and the crossing to new positions caused a succession of changes, seen both in new fortification forms, and in conceptual changes regarding the function of settlement and fortification. The gradual deterioration of central rule and the impossibility of maintaining control over territories belonging to the Empire, the decreased number of available troops and great depopulation demanded new ideas for the construction of fortifications. As a result, high, easily defended points were chosen in the main. From these it was possible to control communication routes as well as fertile fields and river valleys. When fortresses
33
Kovaљeviџ 1994, 118–123.
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were erected, older rectangular models were abandoned, since shapes were now determined by the configuration of the terrain. Since in most cases the dominant points, encircled by steep slopes, deep-bottomed rivers, or even artificial fossae, were chosen, the inhabitants usually did not build ramparts on inaccessible sides, to save both money and time. Occasionally towers were formed simply by „breaking“ up the ramparts. Innovations are shown also by the phenomenon of pronounced polygonal or round towers, with the occasional appearance of double ramparts. Apart from this, cisterns are often seen inside fortresses. These were essential for securing sufficient water supply in the event of barbarian attacks. The construction of fortifications brought with it changes in the materials used. Bricks were almost completely abandoned.34 Half-treated stone cemented with mortar dominated in the treatment of ramparts, and only the outer face was arranged evenly, whereas the heart of the main wall was filled with rubble. Besides fortification innovations, there are changes in the internal structure of fortresses, since they no longer functioned only as military posts, but were now inhabited. Normal, everyday life activities occurred in the interior, so that almost all fortified settlements had a church, while occasionally there is an acropolis or administrative centres and fortified suburbs, where everyday life was carried on. The abandonment of fertile valleys and the departure to higher altitudes was not carried out totally, however. Fertile plains ideal for successful agricultural activity were too precious to be easily forsaken. Thus on dominant raised points overlooking great fertile river valleys or plains fortifications were erected that, besides their defensive role, were also collection centres for the storage of all commodities, produced and harvested through extensive cultivation and livestock breeding. For that reason, in such locations fortifications greater than 1 ha in size were built, with some up to 2 ha (Crkvina-Makljenovac, map 1, no. 1), or even 3 ha (Gradac-Mokronog, map 1, no. 5), to satisfy the needs of the residents. One should not rule out the possibility that these fortifications may also have served as warehouses for metal before its further transport, since the Ovan-Grad (map 1, no. 2), Kalaura-Jelasˇinovci (map 1, no. 3) and Gradac-Mokronog (map 1, no. 5) are all near mining areas. The altitude at which large fortifications are situated varies according to the depth of river canyons, or the elevation at which fields and meadows lie. Thus the sites Crkvina-Makljenovac (map 1, no. 1), Ovan-Grad (map 1, 34
Except on the Bugar-Grad site (map 1, no. 8), where construction using the opus mixtum technique can be seen.
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no. 2), Kaluara-Jelasˇinovci (map 1, no. 3) and Gradina-Renic´i (map 1, no. 6) are situated approximately 500 m above sea level, to control shallow river basins, while the remaining two fortifications in this group (Gradina [Gradac]-Ravno, map 1, no. 4 and Gradac-Mokronog, map 1, no. 6) lie between 500 and 1500 m above sea level. Vis-à-vis large fortifications, which seem to have clear reasons for their position, medium-sized and small fortifications do not appear in typical positions. Their presence is established both along roads and in isolated positions, at elevations varying from 200 to 1500 m above sea level. We can conclude that since fortresses of this kind could have served as refuge or even control points from which certain road routes were observed or protected, their size probably mostly depended on the number of inhabitants. The process of gradually abandoning the plains and settling in more inaccessible positions was not just typical for the province of Dalmatia. The same principle is met in the mountain regions of the neighbouring province of Moesia I, where there are a number of fortifications in high locations. Their shape, method of construction and character is similar to the fortifications found in the territory of Bosnia and Herzegovina. During archaeological excavation of southwest Serbia35 it was noted that here population movement to higher altitudes started to occur at the end of the 3rd and beginning of the 4th centuries. Archaeological excavation of the sites of Trojan36 and Zlatni Kamen37 testify to this. In the western part of Serbia, also a mountainous region, several fortifications with traces from the Late Antique stratum surrounding Gradina on Jelica were found.38 We meet a similar situation in the territory of Albania, which includes the former provinces of Prevalis and Epir Novus as well as part of the province of Epir Vetus, where fortifications raised at higher levels can also be seen dating from the Late Antique and Early Byzantine period.39 The vertical migration of the Byzantine population before the barbarian advances, as seen in the Dalmatian hinterland, was played out on the Imperial territory to its west. The same is seen in the Eastern Alpine region, which included part of 35
36 37 38 39
During excavation to date of southwest Serbia, i.e. the southwestern part of the province of Moesia I, a large number of fortifications have been found in the Late Antique-Early Byzantine stratum. Since sounding excavation as well as reconnaissance was carried out, we quote part of the literature in which this issue is dealt with: Milinkoviџ 1982, 131–140; Popoviџ 1983, 5–14; Popoviџ 1984, 11–18; Milinkoviџ 1983, 29–37; Milinkoviџ 1985, 49–57; IvaniПeviџ 1987, 5–12; IvaniПeviџ 1988, 5–12; IvaniПeviџ 1989, 7–16; IvaniПeviџ 1990, 7–18. IvaniПeviџ 1989, 16. IvaniПeviџ 1990, 17. Milinkovic´ 2001, 71–73 Abb. 2. Popoviџ 1988, 216–218.
Late Antique and Early Byzantine fortifications in Bosnia and Herzegovina
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the province of Raetia II and the provinces of Noricum Ripense, Noricum Mediterraneum, Venetia, Savia and Liburnia. There, the process of migration to higher parts is seen occurring between the 3rd and 6th centuries.40 However, the situation is somewhat different in the coastal area of Dalmatia, where the principle applied is of horizontal migration. Coastal inhabitants moved to the islands, and succeeded in keeping themselves from barbarian attacks, thanks to their connection with their home over the sea.41 On the coast we therefore see large fortified towns, while on the islands safe havens are mixed with observation posts controlling maritime routes, which ensured survival. The maritime routes were threatened not only by pirates, but also by the Ostrogoths, who had in the meantime become sailors. They were destroyed in 551, after the Byzantine victory in a sea battle at Sinigaglia. Their retreat to the islands saw the erection of Late Antique havens on the foundations of Early Antique buildings. They were also constructed of pressed stone and mortar, as is the case with the traces of the rampart on the Glavina-Veli grad site on Krk,42 or the island of St. Mark, where a cistern was found inside the fortress43. As can be seen, on the territory of the whole Empire historical circumstances led to the migration of the resident population, who were seen in mountain areas after so-called „vertical migration“, i.e. moving to higher altitudes, before the barbarian advance. Nevertheless, the inhabitants of the province of Dalmatia stayed near lowland parts, where the largest fortifications are found, to provide themselves with essential food supplies. In addition, fortifications are also seen along communication routes, to ensure the safe passage of goods and enable mines to function. Newly erected fortresses were adapted to difficult times, strengthened by a new type of tower and rampart. The fortified elevated position thus became fortified posts and havens in which everyday life activities were carried on, as shown amongst other things by churches inside fortifications clearly playing an important role. The absence of necropolises near these fortresses, excepting Mogorjelo44 and several graves at Gradac-Lepenica and Dabravina, may simply be due to the excavation level, but it can also indicate that settlement was not permanent on some of the fortifications. 40 41 42 43 44
Ciglenecˇki 1987, 160–164. Tomicˇic´ 1993, 92f. Faber 1988, 118. Faber 1988, 119 f. On this site, according to several researchers, as mentioned earlier, lies what seems to be a Late Antique necropolis in which it seems that the German and Ostrogoth populations were buried alongside the Byzantine. On this issue see Miletic´ 1970.
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An attempt by the inhabitants of the Dalmatian hinterland to resist relentless destruction was not, however, successful. Since, in contrast to the coastal area, they were cut off from their homeland, without the influx of fresh strength and money, the inhabitants, separated by isolated posts, slowly disappeared, leaving behind them abandoned buildings. This was the final testimony of the fall of an empire. Translated by Esther Polenezer
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 595–642 © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Castra und Höhensiedlungen in Kärnten und Nordtirol Franz Glaser
Der geographische Rahmen wurde von den Herausgebern nach heutigen Regionen abgesteckt. In der Spätantike gehörten Kärnten und Osttirol zu Noricum Mediterraneum und Nordtirol zur Raetia Secunda (Abb. 1). Eugippius, der während der Ostgotenherrschaft im Jahre 511 die vita Severini in Campanien verfaßte, spricht nur von Noricum, wenn er Noricum Mediterraneum meint, weil Odoaker den Abzug der romanischen Bevölkerung aus der Provinz Noricum Ripense im Jahr 488 angeordnet hatte. Dementsprechend bezeichnete er auch die Provinzhauptstadt Tiburnia (= Teurnia) als metropolis Norici.1 Für die Ostgotenzeit wurde die Vermutung ausgesprochen, daß Noricum (493–536), das heißt das alte Binnennorikum „auch über die Alpenpässe nach Norden bis etwa zur Linie Kufstein-Salzburg“ gereicht habe.2 Die vorgeschlagene Grenzziehung beruht auf der Ortsnamensforschung, die südlich dieser Linie nämlich eine große Dichte romanischer Elemente aufzeigt. Weiter südlich, nämlich in Kärnten fehlen romanische Ortsnamen fast vollständig, obwohl der archäologische Befund eine dichte romanische Besiedlung anzeigt. Daher kann die sprachwissenschaftliche Beobachtung allein nicht für eine ausschließliche Beurteilung dienen. Die genannte Grenzziehung würde gut zum Gebiet der Breonen, den Foederaten der Ostgoten passen. Doch würde ein solche Grenze bedeuten, daß das Territorium von Iuvavum zu Binnennorikum gekommen wäre, wofür es keinen Beleg in den Bischofsnennungen dieser Provinz gibt. Die Höhenbefestigungen im Ostalpenraum hat S. Ciglenecˇki katalogmäßig erfaßt und in Typen gegliedert,3 sodaß die sonstigen von den Ver1
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Eugippius, vita S. Severini 21, 2 (Tiburnia, quae est metropolis Norici); 25, 1 (Maximus aus Noricum). H. Wolfram, Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung. Österreichische Geschichte 378–907 (Wien 1995) 62. S. Ciglenecˇki, Höhenbefestigungen aus der Zeit vom 3. bis zum 6. Jh. im Ostalpenraum (Ljubljana 1987).
Abb. 1. Spätantike Höhensiedlungen und Kirchen in Kärnten (Rasterfläche), Osttirol und Nordtirol.
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Castra und Höhensiedlungen in Kärnten und Nordtirol
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anstaltern der Tagung gestellten Fragen im Vordergrund stehen sollen. Die spätantiken Castra und Höhensiedlungen unterscheiden sich in Kärnten und Nordtirol offenbar durch die Kontinuität und Diskontinuität in der Besiedlung. Daß hier Anlagen mit unterschiedlichem Forschungsstand verglichen werden, muß uns bei einer solchen Feststellung bewußt sein. Meist sind die Kirchen innerhalb der Höhenanlagen besser erforscht als die anderen Gebäude. Als letzte Großbauten der römischen Antike – wenn man vom Befestigungsmauerbau absieht – sind sie deshalb aber auch von Interesse, weil aufgrund der Dimensionen umfassendere Planierungsmaßnahmen (als bei den privaten Wohnbauten) notwendig waren, weshalb mit größerer Wahrscheinlichkeit mehr datierendes Fundmaterial unter den Kirchenböden zu erhoffen ist. Die steingebaute Kirche kann für die Besiedlungszeit sicherlich einen Hinweis bieten. An der Benützungszeit der Kirchen werden Unterschiede zwischen Kärnten, Nordtirol und Osttirol deutlich. In Nordtirol haben alle bisher entdeckten spätantiken (frühchristlichen) Kirchen am Ort eine Kulttradition bis heute, während in Kärnten das Gegenteil der Fall ist. In Osttirol können beide Phänomene dann beobachtet werden, wenn zwei Kirchen in einer Siedlung bekannt sind. Eine von beiden kann nämlich während der Ostgotenzeit für den arianischen Gottesdienst genutzt worden sein und hat daher keine Nachfolge der Kulttradition bis heute gefunden.4
Zentralorte Die Verlagerung der Provinzverwaltung Binnennorikums aus Virunum, einer Stadt in der zentralen und weiten Ebene des Zollfeldes, nach Teurnia/ Tiburnia zwischen dem Spittaler Becken und dem Lurnfeld erfolgte in der Spätantike zu einem bisher nicht faßbaren Zeitpunkt.5 Ein entscheidender Anlaß für die Übersiedlung der norischen Verwaltung war die Tatsache, daß Tiburnia auf dem Hügel (Holzer Berg) im Gegensatz zu Virunum in der Ebene leichter zu befestigen war, und außerdem, daß das Steinmaterial der aufgelassenen Wohnbauten am Bergfuß in unmittelbarer Nähe zur Verfügung stand (Abb. 2). Der Holzer Berg war durch seine steilen Hänge, durch seine geringe Höhe über dem Talboden, durch seine Lage zwischen Drau und Freßnitzbach ein geeigneter Siedlungsplatz seit dem 12. Jahr4
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F. Glaser, Kirchenbau und Gotenherrschaft. Auf den Spuren des Arianismus in Binnennorikum und Rätien II. Der Schlern 70, 1996, 83ff. Vgl. F. Glaser, Teurnia. In: M. Sˇasˇel Kos/P. Scherrer (Hrsg.), The autonomous towns of Noricum and Pannonia (Ljubljana 2002) 141 f.
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Abb. 2. Die römische Stadt Tiburnia/Teurnia (St. Peter in Holz, Kärnten).
hundert v. Chr., da außerdem auf der Hügelkuppe eine Wasserquelle und Schachtbrunnen vorhanden waren. Die Drautalstraße bildete die Ost-WestVerbindung zwischen den Nachbarstädten Virunum und Aguntum (Osttirol), während die Straße nach Norden über den Radstädter Tauernpaß nach Iuvavum (Salzburg) führte. Ein terminus ante quem für den neuen Sitz der Provinzverwaltung ist sicherlich durch die Belagerung der Stadt Tiburnia durch die Ostgoten aus dem pannonischen Raum im Jahr 467 gegeben. In der vita S. Severini heißt es, daß der Kampf zwischen den Romanen und den Ostgoten hin- und herwogte.6 Daraus ist zu erschließen, daß die neue Provinzhauptstadt mit einer Befestigungsmauer umgeben war. Der Rechtshistoriker K. H. Ziegler zeigte auf, daß es sich bei den Sachleistungen an die Ostgoten nicht um eine Lösegeldzahlung Privater an Marodeure, sondern um einen echten Kriegsvertrag handelte.7 Außerdem wird aus dieser Untersuchung entgegen früheren Auffassungen klar, daß die Ostgoten aus Pannonien gezielt gegen die Provinzhauptstadt zogen, um letztlich die gesamte binnennorische Pro6 7
Eugippius, vita S. Severini 17,4. K. H. Ziegler, Zwei römische Kriegsverträge in der Vita Sancti Severini, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, romanistische Abteilung 110, 1993, 638ff.
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vinz zu übernehmen. Die Abwehr der Ostgoten von der Provinz Noricum feierte daher Sidonius Apollinaris in einem Panegyricus zum ersten Januar des Jahres 468.8 Zwar wurde bei den Ausgrabungen der letzten Jahre in Teurnia die Basis für eine Ehrenstatue des Kaisers Maximianus I. (Herculius) entdeckt, die von einem vir perfectissimus praeses Norici Mediterranei kurz vor 305 gestiftet wurde.9 Allerdings kann man aus der Inschrift nicht zwingend darauf schließen, daß Teurnia bereits im Zuge der diokletianischen Reform zur Provinzhauptstadt wurde, da auch in den Städten Virunum, Celeia und Flavia Solva Stiftungen von nachfolgenden Statthaltern bezeugt sind. Für die Verlagerung des Verwaltungssitzes von Virunum nach Teurnia/ Tiburnia könnten ein Jahrhundert später Ereignisse der Völkerwanderungszeit maßgeblich gewesen sein. Im Jahre 409 forderte nämlich Zosimus zufolge der Westgotenkönig Alarich vom weströmischen Kaiser Honorius die Überlassung der beiden norischen Provinzen mit dem Hinweis, daß aufgrund ständiger Überfälle ohnehin das Steueraufkommen sehr gering sei.10 Die Steuerlast wurde noch 20 Jahre später als drückend empfunden, sodaß es anläßlich eines Juthungeneinfalls zwischen 429 und 431 in Noricum und Rätien zu einem Aufstand kam. Alarich war sicher gut informiert und wollte Noricum wegen seiner strategischen Bedeutung in seinen Besitz bringen, denn der Kärntner Raum bildet mit seinen Alpenpässen mögliche Einfallspforten nach Italien. Diese Rolle des binnennorischen Gebietes wurde auch im Jahre 536 am Beginn des byzantinisch-ostgotischen Krieges deutlich, als die Ostgoten Noricum an die Franken übergaben, wobei ausdrücklich erwähnt wird, daß sie die Alpenpässe besetzten und damit die Flankendeckung für das ostgotische Italien übernahmen. Die Ereignisse dieser Zeit im ersten Drittel des 5. Jahrhunderts können den Hintergrund für Veränderungen in der Verwaltung und der Siedlungsstruktur bilden. Im Jahr 402 wurde aus Sicherheitsgründen die Hauptstadt des weströmischen Reiches von Mailand nach Ravenna verlegt. In dieser Epoche kann auch die Übersiedlung der Provinzverwaltung Binnennorikums erfolgt sein. Zahlreiche befestigte Höhensiedlungen und Castra dürften ebenfalls in diesem Jahrhundertdrittel entstanden sein, wie dies die Funde zeigen. H. Wolff spricht von einer zweiten Urbanisierungsphase 8
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Sidonius Apollinaris, carmina 2, 377. Zutreffende Datierung der Gotenbelagerung im Jahr 467: RE 17,1 (1936) 1013 s. v. Noricum (E. Polaschek). Dagegen datieren R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Norikum (Wien 1916) 11, und Wolfram (wie Anm. 2) 385 mit Anm. 97, die Gotenbelagerung erst in das Jahr 472. I. Piso, Ein neuer Statthalter von Noricum Mediterraneum. Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 107, 1995, 299ff. Zosimus, hist. 5, 50, 3.
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Norikums.11 Die Vermutung, daß aufgrund von Fundmünzen auch schon im 3. Jahrhundert einige der Höhensiedlungen angelegt wurden, ist nicht haltbar. Manche besser erforschte Anlagen zeigen nämlich, daß die Keramik des 3. Jahrhunderts fehlt, und die Antoniniane als Rohstoff im 5. und 6. Jahrhundert in den Werkstätten genützt wurden.12 Auf dem Kirchbichl in Lavant lassen sich abgesehen von spätantiker Sigillata auch 18 Terra Sigillata-Gefäße des 1.–3. Jahrhunderts nachweisen.13 Diese geringe Menge an Gefäßkeramik muß nicht aus einer Siedlung stammen, sondern kann auch mit einem Heiligtumsbetrieb erklärt werden. Nicht nur die Verlagerung der Provinzverwaltung von einer Stadt in die andere setzten Entscheidungen einer staatlichen Macht voraus, sondern auch die Errichtung von Castra und befestigten Höhensiedlungen ist offenbar in einem größeren strategischen Konzept eingebunden. Wie die von Odoaker angeordnete Evakuierung der romanischen Bewohner aus Ufernorikum im Jahr 488 zeigt, war es dem König möglich die Befehle in den alpinen Provinzen durchzusetzen. Es dürften allerdings nur jene Bevölkerungsteile abgezogen sein, die vor allem Grund und Boden zu verlieren hatten.14 J. Sˇasˇel vermutet nämlich, daß in Binnennorikum eine Föderatenansiedlung geplant war.15 Mit dem Jahr 488 ist der frühest mögliche Zeitpunkt gegeben, daß nach der Aufgabe von Noricum Ripense ein dux für die Provinz Noricum Mediterraneum bestimmt wurde. Vorher hatte der dux seinen Sitz in einer namentlich unbekannten Stadt in Pannonien.16 H. Wolfram vermutet, daß der Dukat erst mit dem Beginn der Ostgotenherrschaft im Jahr 493 in Binnennorikum mit dem Sitz in Tiburnia eingerichtet wurde.17
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H. Wolff, Über die Rolle der christlichen Kirche in den administrationsfernen Gebieten von Noricum im 5. Jh. n. Chr. In: W. Eck (Hrsg.), Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit (Köln, Wien 1989) 269, 278. S. Ladstätter, Die materielle Kultur der Spätantike in den Ostalpen. Eine Fallstudie am Beispiel der westlichen Doppelkirche auf dem Hemmaberg (Wien 2000) 56f., 66ff. H. Rodriguez-Mattel, Die vor- und frühgeschichtlichen Funde vom Lavanter Kirchbichl in Osttirol (unpubl. Dissertation 1986) 48ff. F. Glaser, Der Untergang der Antike und ihr Nachleben in Noricum. In: R. Bratozˇ (Hrsg.), Slowenien und die Nachbarländer zwischen Antike und karolingischer Epoche. Anfänge der slowenischen Ethnogenese (Ljubljana 2001) 215 ff. J. Sˇasˇel, Antiqui Barbari. In: Von der Spätantike zum frühen Mittelalter. Vorträge und Forschungen 25 (Sigmaringen 1979) 131 ff. (= ders., Opera Selecta, Situla 30, 1992, 752 ff.). RE 17,1 (1936) 1008 s. v. Noricum (E. Polaschek). RE Suppl. 7 (1940) 585 s. v. Noricum (E. Polaschek). H. Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas (Wien, Berlin 1987) 74. Für selbständige duces war der Titel vir spectabilis vorgesehen: A. Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr. (München 1989) 281. Vgl. auch: G. A. Cecconi, Istituzioni e politica nella Venetia et Histria tardoromana. Antichità Altoadriatiche 47, 2000, 58f.
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Dadurch gewinnt die Stadt zusätzliche militärische Bedeutung. Dem Bischof in der Provinzhauptstadt kam eine Vorrangstellung gegenüber den anderen Bischöfen in der Provinz zu. In der Zeit nach 453 bis 482 gab es rege Kontakte zwischen den Christen in Tiburnia und dem Kloster des heiligen Severin, was die karitativen Hilfslieferungen (auch im Winter) für die notleidenden Christen an der Donau und der Besuch des Presbyters und späteren Bischofs Paulinus im Kloster Favianis (Mautern) belegen.18 Wie oben schon angedeutet, veränderte sich das Gesicht der Stadt Tiburnia in der Spätantike gegenüber der römischen Kaiserzeit (Abb. 2). Am Ostfuß des Stadthügels befinden sich zwei Terrassen mit Häusern wohlhabender Bürger aus der claudischen und nachclaudischen Zeit. Eine lokale Brandzerstörung gehört in die Zeit nach Kaiser Elagabal. Von den Wohnterrassen am Ostfuß des Stadthügels stammen als jüngste Funde des 3. und 4. Jahrhunderts einige Fragmente mitteltunesischer Terra Sigillata Chiara C (Typ Hayes 50 A u. 50 B), zwei Fibeln (Typ Hrusˇica) und einzelne Prägungen der Kaiser Gallienus, Aurelianus und Gratianus.19 Vermutlich anläßlich der Errichtung der Stadtmauer (um 400) wurden zwei Meter von der fünf Meter hohen Terrassenmauer abgetragen und das Ruinengelände als Friedhof (125 Gräber freigelegt) verwendet. Die Aufgabe von Häusern könnte auch für einen Siedlungsplatz auf einem westlichen Ausläufer des Höhenrückens nördlich der Stadt ebenfalls gelten, doch sind bisher von diesen Terrassen bis 2004 nur wenige Oberflächenfunde bekannt. Das befestigte Areal der spätantiken Stadt umfaßte ca. 10,5 Hektar. Die Stadtmauer ist an der Südseite zur Drau und zum Fischerbach hin durch Erosion des Moränenhügels auf weite Strecken zerstört. Die 0,90 m starke Mauer wurde vor die ca. 1,00 m tief senkrecht abgestochene Hangkante gesetzt, sodaß sich keine Baugrubenfüllung ergab.20 Am westlichen Ausläufer des Hügels wurden beispielsweise urnenfelderzeitliche Schichten nach außen planiert. Die unzureichende Fundamentierung führte hier zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt zum Kippen der Mauer, wie es der enorme Überhang der unteren erhaltenen Scharen belegt. In diesem Bereich war die Mauer nur 0,60 m stark und außen mit 0,40 m vorspringenden Lisenen gegliedert, deren Vorkommen auch auf dem benachbarten Duel bei Feistritz bekannt ist. An der schmalen Westspitze dürfte es ein Tor gegeben haben, 18
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Eugippius, vita S. Sverini 17, 1–4. 29, 1–4. H. Graßl, Die wirtschaftlichen Grundlagen für das Kunstschaffen in Noricum. In: Akten des 1. internationalen Kolloquiums über Probleme des provinzialrömischen Kunstschaffens. Mitteilungen der Archäologischen Gesellschaft Steiermark 2 (Graz 1991) 9. Glaser (wie Anm. 5) 138 f. M. Huber, Die Ausgrabungen an der Stadtmauer von Teurnia. Carinthia I 183, 1993, 297 ff.
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worauf eine breite Lisene in der Flucht einer Torwange hinweist. Die Westmauer ist gegen den Sattel des Höhenrückens deutlich verstärkt (1,80 m). Das Innenniveau der Torbastion überragt heute noch das Außenniveau um drei Meter. Die Mauerverläufe an der Nordecke der Stadtmauer (Abb. 2) dürften nicht allein als Turm, sondern vielleicht auch als ein Torturm mit einer Rampe zu erklären sein. Der Fund eines Skelettes in der Nähe könnte auf ein Gräberfeld auf der etwas sanfter abfallenden Hangpartie hinweisen. Die Türme dürften so verteilt gewesen sein, daß die Mauerabschnitte mit weitreichenden Geschützen bestrichen werden konnten. Im Bereich des Forums sind die Terrassenmauern in die Befestigung einbezogen und zumindest ostseitig mit einem Turm verstärkt worden. Das Ruinengelände am Hügelfuß der Ostseite wie auch in der Senke an der Westseite wurde nach der Ausbeutung für das Baumaterial der Befestigungsmauer als Friedhof verwendet, weil es landwirtschaftlich nicht nutzbar war. Ein weiterer Friedhof könnte sich auf dem sanfteren Geländeabfall vor der stark befestigten Nordecke der Stadtmauer befunden haben (Abb. 2).21 Während die Belegung des östlichen Gräberfeldes zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im 5. Jahrhundert begann und sich im 6. Jahrhundert fortsetzte, erfolgte die Belegung im westlichen Gräberfeld in Planierungen, die offenbar mit der Kirche extra muros in Zusammenhang stehen. Für die Entstehung der Planierungen gibt die Prägezeit (429/505) eines Tremissis des Kaisers Anastasius einen terminus post quem.22 Auch in diesem Friedhofsareal bestattete man in den Ruinen älterer Bauwerke.23 In der südlichen Reliquienkapelle der Kirche extra muros wird in der Mosaikinschrift Ursus, vir spectabilis genannt. Dieser Titel kommt dem dux, also dem militärischen Kommandanten einer Provinz zu, und gibt für das Mosaik einen terminus post quem, nach 488 oder 493 (vgl. S. 595). H. Wolfram vermutet die Einrichtung des Dukats erst mit der Ostgotenherrschaft und sieht in Ursus einen Amtskollegen des dux vir spectabilis Servatus in Rätien, an den Theoderich ein Schreiben richtete.24 Weil im Jahre 1931 das Mosaik abgenommen und auf einem Betonbett verlegt wurde, ist heute 21
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U. Kersting, Spätantike und Frühmittelalter in Kärnten (ungedruckte Dissertation, Bonn 1993) 45ff.; G. Piccottini, Das spätantike Gräberfeld von Teurnia, St.Peter in Holz (Klagenfurt 1976). Glaser (wie Anm. 5) 142. F. Glaser/Ch. Gugl, Ausgrabungen westlich der frühchristlichen Kirche extra muros in Teurnia. Mitteilungen zur Christlichen Archäologie 2, 1996, 9ff. In den Luftaufnahmen des Jahres 2006 sieht man auch südlich der Kirche die Umrisse eines weiteren größeren Gebäudes. M. Fera/P. Gleirscher, Die Ausgrabungen westlich der frühchristlichen Kirche extra muros. Kuratorium pro Teurnia: Vereinsmitteilungen 1999, 3. Cassiodor, Variae 1, 11,1; H. Wolfram, Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts (3München 1990) 316; Wolfram (wie Anm. 2) 62.
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nicht mehr zu klären, ob das Mosaik zur Erstausstattung der Kapelle gehörte (Abb. 3). Für die Wandmalerei konnte in der südlichen und nun auch in der nördlichen Seitenkapelle festgestellt werden, daß sie nicht zur ursprünglichen Ausstattung gehörte und auf einer bereits weiß getünchten Wand aufgebracht wurde. Daraus ergeben sich die Fragen, ob Malerei und Mosaik gleichzeitig sind, und ob die Kirche extra muros schon vor der Ostgotenzeit errichtet wurde. Durch die anspruchsvolle architektonische Gestaltung sticht die Kirche deutlich aus allen übrigen ihrer Zeit im Alpenraum hervor (Abb. 3). Die Reliquien von drei Heiligen, nämlich unter dem Altar im Kirchensaal und in den beiden Memorialkapellen, heben den Sakralbau auch in kultischer Hinsicht besonders hervor. Reliquien stellten stets einen Anziehungspunkt für Pilger dar, und nicht selten wurde versucht, die Bedeutung von Bischofskirchen durch eine Ansammlung von Reliquien zu verstärken. Diese Aspekte wären dadurch gut erklärbar, daß während der Ostgotenherrschaft die hundert Fuß lange Kirche für den Gottesdienst des arianischen ostgotischen Stadtbischofs genutzt wurde. Mit dem Ende der Ostgotenherrschaft im Jahr 536 und der Übergabe der Provinz an die Franken könnte die Kirche extra muros für die Grablege von privilegierten (beigabenlosen) Personen gedient haben. Das Gräberfeld westlich der Kirche war in der Zeit nach 492/505 (vgl. S. 602) bis gegen das Ende des 6. Jahrhunderts belegt.25 War schon durch den Wasserleitungsbau im Jahr 1908 die beschriebene Kirche außerhalb der Stadtmauern von Tiburnia entdeckt worden, so wurde bis 1983 die Meinung vertreten, daß die Bischofskirche der Hauptstadt unter der heutigen Pfarrkirche St. Peter in Holz läge. Die oben geschilderte Beobachtung der unterschiedlichen Siedlungsgeschichte zwischen Nordtirol und Kärnten führte den Autor im Jahr 1984 entgegen der bisherigen Historiker-Thesen zur Entdeckung der Bischofskirche in Tiburnia, deren Lage er aufgrund einer langgestreckten Mulde im Wald (im äußersten Westen der Stadt) vermutete.26 Die Bischofskirche weist zwei Bauperioden auf. Die erste einschiffige Kirche ist vermutlich um 400 oder bald nach 400 n. Chr. entstanden (Abb. 4). Das Bodenniveau im nördlichen Transept entsprach dem des
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Glaser/Gugl (wie Anm. 22) 18 ff. F. Glaser, Die Entdeckung der frühchristlichen Bischofskirche in Teurnia. Carinthia I 175, 1985, 77 ff.; ders., Die frühchristliche Bischofskirche in Teurnia. Carinthia I 176, 1986, 109 ff.; ders., Die Erforschung der frühchristlichen Bischofskirche in Teurnia. Carinthia I 177, 1987; ders., Frühchristliche Kirchen an Bischofssitzen, in Pilgerheiligtümern und in befestigten Höhensiedlungen. In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit (München 2003) 865ff.
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Abb. 3. Tiburnia/Teurnia, Kirche extra muros, rekonstruierte Ansichten.
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Abb. 4. Tiburnia/Teurnia, Bischofskirche, 1. Bauperiode, Rekonstruktion.
Presbyteriums, war aber von diesem durch die Altarschranken getrennt. Der separate Zugang und die umlaufende Bank könnten vielleicht den Honoratioren der Provinzverwaltung vorbehalten gewesen sein.27 Nach einem Brand im 6. Jahrhundert wurde die ältere Apsis durch einen Trikonchos ersetzt und außen Längshallen angebaut (Abb. 5). Die repräsentative Vergrößerung des Altarraumes wäre vergleichbar mit jener des schismatischen Bischofs Eufrasius in Parentium, der die Mosaikausstattung mit Inschrift zu einer eindrucksvollen Selbstdarstellung nutzte, während der Bischof Elias der programmatischen Heiligen des Aquileienser Schismas Eufemia einen monumentale Kathedrale in Grado weihte. Daher ist auch für die Bischofskirche in Tiburnia zu erwägen, ob nicht im Fresko über der Kathedra auch Eufemia dargestellt war und die Erweiterung des Presbyteriums mit dem
27
Die Nutzung der Bank für Gedächtnismähler von Klerikern erklärt nicht den separaten Zugang.
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Abb. 5. Tiburnia/Teurnia, Bischofskirche (mit Xenodocheion), 2. Bauperiode, Grundriß.
Bischof Leonianus zu verbinden ist. Zur Bischofskirche der zweiten Bauperiode gehörte ein Xenodocheion (Hospitium) mit 256 m2 Nutzfläche und ersetzte vermutlich einen älteren Bau. Zum Ende der Stadt geben der oben genannte westliche Friedhof sowie die historische Überlieferung, daß im Jahre 610 die Slawen die Baiern bei der benachbarten Stadt Aguntum (Osttirol) besiegten, einen Hinweis.28 Die Befunde in den spätantiken Häusern der Stadt ergaben keine Anhaltspunkte über das Ende der Benutzungszeit, da die Böden der Räume fundleer (gleichsam „ausgekehrt“) vorgefunden werden. Mittelalterlicher und neuzeitlicher Steinraub und dadurch bedingte Störungen veränderten den ursprünglichen Zustand, als die Gebäude verlassen wurden. Die historische Forschung verknüpfte die Kirchweihe des Chorbischofs Modestus in Liburnia civitate nach 756 mit der spätantiken Bischofskirche von Tiburnia. Die Entdeckung derselben hat allerdings gezeigt, daß keine
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Paulus Diaconus, hist. Lang. 4, 39; Wolfram (wie Anm. 2) 76 ff.
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frühmittelalterliche Bauperiode vorhanden ist. Diese zweite Missionierungsphase im Kärntner Raum ging von Salzburg aus und galt den Slawen Karantaniens, deren Fürstenkinder Cheitmar und Cacatius in Bayern christlich erzogen worden waren. Die Salzburger Mission war nicht von Erfolg gekrönt, sodaß es zu Aufständen kam, die mit dem Karantanensieg des Baiernherzogs Tassilo III. im Jahre 772 endeten.29 Mit ihm kann offenbar die Klostergründung in Molzbichl, zehn Kilometer östlich von Teurnia, verbunden werden. Nachdem Tassilo bei Karl dem Großen in Ungnade gefallen war, kamen die Missionsbemühungen zum Erliegen, und in Millstatt wurde durch die Kirchengründung des Domicianus, einem Parteigänger Karls des Großen die Grundlage für die spätere Klostergründung der Aribonen zwischen 1086 und 1088 geschaffen. An der Südseite des Millstätter Sees befindet sich auf dem Hochgosch eine Anlage mit einer Holz-ErdeBefestigung und steinerner Blendmauer, für die aus zwei verschiedenen Labors zwei 14C-Daten für die Zeit von 750–950 und 810–885 vorliegen.30 Allerdings konnten noch keine umfassenderen Ausgrabungen durchgeführt werden. Die Kirchen des 8. Jahrhunderts in Molzbichl, in Millstatt und jene auf dem Höhenrücken westlich des Hochgosch, nämlich St. Wolfgang am Fratres, waren mit Flechtwerk verzierten Chorschranken ausgestattet, die eng mit dem sozialen Prestige ihrer adeligen Stifter verbunden sind.31 Nahe der einstigen römischen Stadt Teurnia befindet sich am gegenüberliegenden Drauufer ein frühmittelalterliches Gräberfeld (Rosenheim, Gem. Baldramsdorf) aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts.32 Hinweise auf die weitere Besiedlungsgeschichte auf dem Boden der antiken Stadt erbrachten Rettungsgrabungen im Jahre 2004. Nördlich der heutigen Pfarrkirche St. Peter in Holz kam die unterste Steinlage eines römischen Hausfundamentes zutage, das von einer ca. 60 cm schwarzen Erdschicht mit Asche und Steinen überdeckt ist.33 In diese schwarze Erdschicht wurden im 9. Jahrhundert Gräber eingetieft. Es liegt die Vermutung nahe, daß es sich dabei um den Friedhof bei einer Vorgängerkirche von St. Peter handelt.
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H. Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich. Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und die Quellen ihrer Zeit (München 1995) 283ff. K. Gostencˇnik, Die frühmittelalterliche Befestigungsanlage auf dem Hochgosch bei Molzbichl in Kärnten, Archaeologia Austriaca 81, 1997, 255ff. K. Karpf, Frühmittelalterliche Flechtwerksteine in Karantanien. Marmorne Kirchenausstattungen aus tassilonisch-karolingischer Zeit (Innsbruck 2001) 29ff., 41 f., 43, 79 ff. F. Glaser, Ein frühmittelalterliches Gräberfeld in Baldramsdorf/Rosenheim, Carinthia I 180, 1990, 213 f. F. Glaser, Rettungsgrabung in St. Peter in Holz, Rudolfinum. Jahrbuch des Landesmuseums Kärnten 2004, 2005, 124.
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Während im Waldgebiet die Spuren römischer Gebäude zu erkennen sind, wurden etwa im Areal zwischen dem heutigen Pfarrhof und der Pfarrkirche (Abb. 2) die römischen Bauwerke bis in die unterste Fundamentlage abgetragen. Vielleicht ist der Befund so zu deuten, daß in einem Teil des Ruinengeländes eine Brandrodung durchgeführt und anschließend brauchbare Steine als Baumaterial gewonnen wurden, bevor um die Kirche die Bestattungstätigkeit einsetzte. Über die weitere Entwicklung der benachbarten Stadt Virunum nach der Verlegung der Provinzverwaltung nach Teurnia sind nur Vermutungen anzustellen.34 Sicher ist die Besiedlung der Stadt Virunum im 4. Jahrhundert. Eine Kirche, die aus Luftaufnahmen bekannt ist (Abb. 6), wird gegen Ende des 4. Jahrhunderts entstanden und vom Stadtbischof genützt worden sein.35 In der Spätantike ist der Grazer Kogel, ein Hügel 2,7 Kilometer nördlich der Stadt, befestigt und besiedelt worden (Abb. 7). Er liegt unmittelbar an der Straße, die nach Norden über den Triebener Tauernpaß an die Donau führte. Bekannt sind auf der Hügelkuppe zwei Kirchen in einem Abstand von ca. 25 m. Da bei dieser Entfernung nicht von einer Doppelkirche gesprochen werden kann, darf man vermutlich wie auf dem Hemmaberg mit einer katholischen und einer arianischen Kirche aus der Zeit der Ostgotenherrschaft rechnen (vgl. S. 624).36 Auch wenn die Art der fortifikatorischen Maßnahmen noch unbekannt ist, dürfen aufgrund der steingebauten Kirchen solche vorausgesetzt werden.37 Es bleibt beim derzeitigen Forschungsstand offen, ob die befestigte Höhensiedlung schon am Beginn des 5. Jahrhunderts oder erst an dessen Ende angelegt wurde.38 Auf jeden Fall kann der Grazer Kogel zum Verwaltungs- und Bischofssitz für das Territorium von Virunum geworden sein. Dafür könnten auch die Kirchen der beiden Konfessionen sprechen. Der Grazer Kogel mit geringer relativer Höhe (50 m) ist für einen Verwaltungssitz der geeignetere Platz im Vergleich zum Ulrichsberg mit 500 m über der Ebene.
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G. Piccottini/H. Dolenz/F. Glaser/R. Jernej, Virunum. In: M. Sˇasˇel Kos/P. Scherrer (Hrsg.), The autonomous towns of Noricum and Pannonia (Ljubljana 2002) 103 ff. F. Glaser, Frühes Christentum im Alpenraum. Eine archäologische Entdeckungsreise (Regensburg, Graz 1997) 120 f. Glaser (wie Anm. 4) 98. Vgl. Korinjski hrib mit steingebauter Kirche und ebensolchen Türmen. Die Abschnitte zwischen den Türmen waren mit vergänglichem Material gesichert; Ciglenecˇki (wie Anm. 3) 101 ff. Ciglenecˇki (wie Anm. 3) 116, denkt beim Grazerkogel an eine befestigte Dauersiedlung (Typ 3c mit mehreren Kirchen) oder an eine Fliehburg (118 f., Typ 4 e).
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Abb. 6. Die römische Stadt Virunum im Zollfeld (Maria Saal, Kärnten).
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Abb. 7. Grazer Kogel bei St. Michael im Zollfeld (Kärnten).
Über die Besiedlung des 5. Jahrhunderts in Virunum liegen keine sicheren Ergebnisse vor. Das benachbarte norische Municipium Celeia südlich der Karawanken ist aufgrund der Funde im 5. Jahrhundert besiedelt. Eine Kirche und ein Baptisterium wurden an der Nordostecke innerhalb der befestigten Stadt in der Ebene entdeckt. Westlich des Baptisteriums kamen spätantike Gräber zutage. Entweder handelt es sich um solche eines privilegierten Personenkreises, oder es wurde ungenütztes Stadtgelände für die Bestattungen verwendet. Bislang fehlt in der Stadt der Fundstoff des 6. Jahrhunderts, der allerdings in den Höhensiedlungen der Umgebung vorhanden ist.39 Westlich der Provinzhauptstadt Tiburnia liegt ebenfalls am linken Drauufer die Stadt Aguntum im heutigen Osttirol (Abb. 8). Von dort führte die Hauptstraße weiter in das Etschtal im heutigen Südtirol und Trentino. Die Entstehungszeit der Kirche in Aguntum ist nicht festgelegt. Sie könnte gegen 400 n. Chr. vor der Errichtung der Höhensiedlungen in der Umgebung erbaut worden sein. Offensichtlich handelt es sich um die Bischofskirche, 39
S. Ciglenecˇki, Pólis Norikón-Poznoanticˇne visˇinske utrdbe med Celjem in Brezˇicami (Posreda 1992); ders. in diesem Band S. 483.
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Abb. 8. Die römische Stadt Aguntum (Dölsach, Osttirol).
an der zahlreiche privilegierte Personen begraben wurden.40 Wie in Tiburnia, Celeia und in Meclaria/Straßfried gibt es auch im Ruinengelände von Aguntum im 6. Jahrhundert Bestattungstätigkeit.41 In Analogie zu den jüngsten Funden bei der Straßenstation Iuenna (S. 624 ff.) müssen wir in Betracht ziehen, daß der Platz von Aguntum im Talboden zumindest noch während der Ostgotenzeit (493–536) für den cursus publicus eine Rolle gespielt hat (vgl. unten). Im 6. Jahrhundert wird der schismatische Bischof Aaron von Aguntum bei Synoden in Grado (572/77, 579) bezeugt. Daraus resultiert die Frage nach der 40
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F. Glaser, Beispiele frühchristlicher Kirchen an der Donau und an der Drau. In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit (München 2003) 630f.; ders. (wie Anm. 35) 120 f. Aguntum: Vgl. M. Tschurtschenthaler, Osttiroler Heimatblätter 62/5, 1994, ohne Seite. Die Bestatteten sind allerdings aufgrund der oben genannten Parallelen wohl nicht als Tote der Schlacht zwischen Baiern und Slawen zu betrachten. Tiburnia: F. Glaser, Teurnia, Römerstadt und Bischofssitz (1992) 121f.; Celeia: B. Djuric´, Anticˇki mozaiki na ozemlju SR Slovenije, Arheolosˇki Vestnik 27, 1976, 547 Abb. 1, Nr. 15 = Lage der Gräber. Meclaria/ Straßfried: H. Dolenz, Archäologische Funde aus Stadt und Bezirk Villach, Neues aus Alt-Villach 9/10, 1972–73, 29ff.; Leifling bei Grafendorf im Gailtal: M. Schlechter, Beiträge zur alten Geschichte des Obergailthales in Kärnten (Wien 1885) 47f. (römische Villa).
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Abb. 9. Die Höhensiedlung auf dem Kirchbichl von Lavant (Osttirol).
Lage seiner Residenz: Für die befestigte Siedlung von Lavant südlich der Drau spräche, daß es dort offensichtlich während der Ostgotenherrschaft (493–536) in Noricum eine katholische und eine arianische Kirche gegeben hat (Abb. 9).42 Wie die Bistümer der Ausdehnung der Munizipien der römischen Kaiserzeit entsprechen, orientierte sich die kirchliche Organisation auch später an der staatlichen Verwaltung. Dagegen ist zu bedenken, daß vor 811 der Patriarch von Aquileia im Lienzer Becken nördlich der Drau eine Eigenkirche besitzt, die auch namengebend für die Ortschaft Patriasdorf wurde. Hier entdeckte man unter der heutigen Kirche St. Andreas auf einer deutlich vortretenden Südhangterrasse ein spätantikes Gotteshaus.43 Von Bedeutung sind auch die beiden frühchristlichen Kirchen in Oberlienz, von denen die heutige Pfarrkirche eine Kulttradition bis in die Spätantike besitzt.44 Das frühmittelalterliche Gotteshaus wurde von einem karantanischen Adeligen mit reliefierten marmornen Chorschranken, die Flechtwerkmotive zeigen, ausgestattet. Für Osttirol ist demnach (im Gegensatz zu Kärnten) mit einem starken romanischen Element zu rechnen, welche die Platzkontinuität von den spätantiken zu den frühmittelalterlichen Kirchen erklären würde. Die zweite Kirche in Oberlienz liegt ca. 80 m weiter östlich und diente vermutlich während der Ostgotenzeit für den arianischen Gottesdienst.45 Sie 42
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Glaser, Beispiele (wie Anm. 40) 632ff.; M. Tschurtschenthaler, Lavant (Osttirol) St. Ulrich. In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit (München 2003) 771 ff. L. Zemmer-Plank, Die Ausgrabungen in der Pfarrkirche St. Andreas in Lienz, Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum in Innsbruck 54, 1974, 251 ff. W. Sydow, Kirchenarchäologie in Tirol und Vorarlberg (Wien 2001) 45ff. Glaser (wie Anm. 4) 83ff.; H. Stadler, Oberlienz/Lamprechtsgarten. In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit (München 2003) 765 f.
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wäre am Ende der Ostgotenherrschaft in Norikum im Jahre 536 aufgegeben worden und könnte danach auch als Friedhofskirche genützt worden sein (vgl. Tiburnia, oben S. 603), bevor sie am Ende der Antike verfiel. Nordtirol gehörte in der Antike mit dem Inntal und den angrenzenden Tälern zur Provinz Raetia Secunda und war von den Breonen bewohnt, wie unter anderem aus einem Schreiben des Ostgotenkönigs Theoderich an den dux Servatus im Jahre 511 hervorgeht.46 Der alpine Teil Rätiens gehörte zum Ostgotenreich, und die Breonen sind als Foederaten unmittelbar in militärischen Angelegenheiten dem Dux unterstellt. Die römische Siedlung Veldidena (Wilten in Innsbruck) lag an der Sill, die 1700 m weiter in den Inn mündet. Nordöstlich der Siedlung entstand am Beginn des 4. Jahrhunderts das Kastell von Veldidena (ca. 6000 m2), das auch zum Schutz von Horrea diente. Zwischen dem Kastell und der Siedlung kam unter der Pfarrkirche Mariä Empfängnis in Wilten47 ein Apsidensaal mit Bodenheizung zutage.48 Für den Ausgräber gaben lediglich die Apsis mit Annexraum sowie „Fragmente einer hexagonalen oder trapezförmige Mensaplatte“ Anlaß, die Baureste als Kirche zu deuten, die bis zu ihrer Erweiterung im Jahre 1311 bestand. Es fällt allerdings auf, daß die Kirche 800 Jahre49 in ihrer wesentlichen Form bestanden haben soll, während anderenorts in Nordtirol deutlich mehrere Bauperioden gut zu erfassen sind. Die vom Ausgräber angeführte Parallele der Kirche auf der Piazza della Corte in Grado besitzt eine Klerusbank an der Apsiswand, während eine solche aufgrund eines Estrichrestes an der Apsismauer in Wilten auszuschließen ist.50 Der Estrich wurde nämlich in der Regel erst nach den Einbauten und nach dem Verputzen der Mauern ausgeführt. Für die Bodenheizung kann die Kirche St. Laurentius in Lorch /Lauriacum nicht mehr als Parallele dienen, weil sie dort nicht zur Kirchenbauperiode gehört.51 Mensaplatten mit hexagonaler oder trapezoidaler Form sind bisher nicht bekannt. Außerdem sind nur Funde aus der Zivilsiedlung von Veldidena vom 2.–4. Jahrhundert bekannt. Das Kastell bestand lediglich im 4. Jahrhundert und wurde vermutlich unter Stilicho geräumt. Eine frühchristliche Kirche 46
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Cassiodor, Variae 1, 11. 7, 4; I. Heittmeier, Zur Kontinuität der Raumorganisation in Nordtirol von der Spätantike bis ins hohe Mittelalter. In: R. Loose/S. Lorenz (Hrsg.), König, Kirche, Adel. Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum und in den angrenzenden Gebieten (6.–13. Jh.) (Lana, Bozen 1999) 267 f., 272 mit Lit. Bis 1643 war das Gotteshaus auch die Pfarrkirche von Innsbruck und nicht nur von Wilten. Sydow (wie Anm. 44) 29 ff. Sydow (wie Anm. 44) 35. Sydow (wie Anm. 44) 32 teilt mit, „daß der erste Estrich nur in einer 0,30 × 0,20 m großen, mit Kehle in die Wand einbindenden Fläche erhalten war.“ Glaser, Beispiele (wie Anm. 40) 627 ff.
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wird unter der Stiftskirche St. Lauretius und St. Stefan in Wilten vermutet, an deren Südwand 30 geostete beigabelose Körpergräber zutage kamen.52 Keine der beiden Kirchen konnte bisher in die topografischen Betrachtungen des spätrömischen/spätantiken Gräberfeldes südlich der Stiftkirche einbezogen werden.53 Da sich der Ortsname Wilten von Veldidena ableitet, erwartet man allerdings eine kontinuierliche Besiedlung bis zur ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 870. Diente der Ort zumindest noch in der Zeit der Ostgotenherrschaft (493–536) als Straßenstation? Die bedeutende Lage an der Süd-Nord-Route vom Brenner über Teriolis/Zirl und Seefeld nach Augsburg wäre ein wichtiger Aspekt zumindest für eine militärische Nutzung als Straßenstation.54 Das Gebiet entlang dieses Straßenzuges und des rechten Innufers bis in die Gegend von Wattens rechnet I. Heitmeier in ihrer namenkundlichen Studie zu einer Domänenverwaltung für militärische Nutzung, damit die landwirtschaftliche Basis für den cursus publicus gesichert war.55 Die Bedeutung als zentralörtliche Siedlung für die Breonen könnte von Veldidena auf das Castrum von Teriolis (Martinsbühel bei Zirl) übergegangen sein. Teriolis ist in der notitia dignitatum (35, 22) als Sitz des tribunus gentis per Raetias deputatae belegt. Ob mit der gens die Breonen gemeint sind, wird unterschiedlich bewertet. I. Heitmeier ist der Ansicht, daß es sich eher um den Befehlshaber einer lokalen Miliz handelt.56 Der zweite ranghohe Offizier in Teriolis war als praefectus legionis tertiae Italicae transvectioni specierum deputatae für die Sicherung der Nachschubwege verantwortlich. Die Funde von punzierten Bleibullen (unter anderem mit Kaisertiteln) auf dem Martinsbühel können mit den militärischen Aufgaben in Verbindung stehen. Die Schnüre in den Bleisiegeln hatten einen Durchmesser von einem Millimeter. Daher vermutet A. Höck, daß sie zur Verschnürung von Geldbeuteln gemünzten Geldes, unter anderem für Soldzahlungen dienten.57 Derartige Bleibullen sind auch in Veldidena/Wilten ans Tageslicht gekommen. 52 53
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J. Pöll, Stadt Innsbruck, KG Wilten. Fundberichte aus Österreich 44, 2005, 61 f. W. Sydow, Die spätrömischen Gräber vom Lorenzi-Acker, Wilten, SG Innsbruck. Fundberichte aus Österreich 43, 2004, 551 ff., 555 (Topografie), 587 (spätantike Bevölkerung). W. Sydow, Die spätrömischen Gräber vom Lorenzi-Acker, Wilten, SG Innsbruck. Fundberichte aus Österreich 43, 2004, 587 (vermutete Bautätigkeit im 5. Jahrhundert in Veldidena und Soldaten im Gräberfeld). I. Heitmeier, Die frühen Kirchenbauten im Rahmen der Siedlungsgeschichte Nordtirols. In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit (München 2003) 819 Abb. 2: Karte. Heitmeier (wie Anm. 55) 820. A. Höck, Archäologische Forschungen in Teriola 1. Die Rettungsgrabungen auf dem Martinsbühel bei Zirl von 1993–1997. Spätrömische Befunde und Funde zum Kastell (2003) 68.
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Das Castrum Teriolis wurde zwischen dem Inn und der 1113 m hohen Martinswand angelegt. Der Abschnitt zwischen der Felswand und der Befestigung wurde mit einer Mauer gesperrt.58 In römischer Zeit wird die Straßenführung zwischen Veldidena und Teriolis auf der rechten Innseite vermutet. Bei Teriolis gab es dann für die Brennerstraße einen Flussübergang in Form einer Furt oder einer Brücke, den die militärische Anlage sicherte. Es braucht nicht erwähnt werden, daß es sich hier um einen wichtigen Punkt an der Straße zwischen Verona und Augsburg handelte, die den Seefelder Sattel nützte. Der befestigte Hügel mit einer Fläche von 2,5 Hektar überragt den Inn um 25 Meter. Mit diesem Areal ist er doppelt so groß wie der Duel oder der Hoischhügel in Kärnten. S. Ciglenecˇki rechnet das Castrum zu den größeren Militärstationen des 3. und 4. Jahrhunderts (Typ 1a).59 Als Zugänge könnte man sich schräg zum Hang geführte Rampen wie in Duel (vgl. S. 631ff.) vorstellen. Auf dem Plan von 1913 sind im Nordwesten und im Südosten Wege eingetragen,60 die für solche spätantike Zugänge passen würden, weil sie von der Befestigungsmauer aus gut zu kontrollieren waren. In der Publikation des Jahres 2003 ist als einziger Gesamtplan des Hügels jener von 1913 wieder abgedruckt,61 obwohl der Leser gerne auch die beschriebenen Bereiche des Hügels am Plan lokalisieren möchte. Ungefähr das westliche Sechstel (ca. 80 Meter vom Westende des Hügels entfernt) wurde von einer Mauer mit (wenigstens) einem Turm abgetrennt, das für einen älteren Teil gehalten wird.62 Der Zweck der Abschnittsmauer könnte auch darin begründet sein, daß im äußersten Westteil Speicherbauten lagen.63 Die wenigen ergrabenen Mauerreste werden nämlich zu Hallenbauten gerechnet und als Magazinbauten gedeutet. Daher wäre es denkbar, daß es nur einen Zugang vom Kastellinneren und keinen weiteren außen an der Westseite gab.64
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Vgl. Sperrmauern: Nördlich der römischen Stadt Teurnia befand sich in der Senke zwischen den beiden Hügeln Laschitzen und Olschitzen eine Mauer, die auf einem Rost aus Holzpfählen des 1. Jahrhunderts n. Chr. gegründet war (unpubliziert). V. Gassner, Zur Funktion und Datierung der Stadtmauer von Aguntum. Römisches Österreich 13/14, 1985/86, 77 ff. Ciglenecˇki (wie Anm. 3) 111. O. Menghin, Die Lage von Teriolis. Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols u. Vorarlbergs 10, 1913, 182; Plan wieder abgedruckt bei: Höck (wie Anm. 57) 11 mit Abb. 3. Höck (wie Anm. 57) Gesamtplan 1: 500 (im Anschluß an Taf. 17) zeigt nur die Schnitte im äußersten Westzipfel des Martinsbühels. Höck (wie Anm. 57) 24 ff., 79 f. Vgl. L. Borhy, Non castra sed horrea. Zur Bestimmung einer der Funktionen spätrömischer Binnenfestungen. Bayerische Vorgeschichtsblätter 61, 1996, 207 ff. Vgl. Höck (wie Anm. 57) 13, 79.
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Hölzerne Mannschaftsunterkünfte auf gemauerten Fundamenten werden aufgrund der Rettungsgrabungen im Südosten (Südterrasse) der Befestigung lokalisiert. Sie sind gegen die Mitte des 4. Jahrhunderts errichtet worden.65 Der Umlauf des Kleingeldes endet hier wie in Wilten um 400 n. Chr. mit dem inflationären Zusammenbruch der Kupfermünzprägung. Nordafrikanische Terra Sigillata ist (wie in Wilten oder auf dem Zirner Bichl) bis um die Mitte des 5. Jahrhunderts nachzuweisen.66 Von einem frühchristlichen Gotteshaus unter der heutigen Martinskirche ist nur die Klerusbank mit Kathedra gesichert. Die außen rechteckige Ummantelung der Apsis könnte auch späteren Datums sein.67 Daß der Bau als ursprünglicher Audienzsaal den beiden hohen Offizieren und somit dem Militär entzogen worden wäre, ist juridisch nicht leicht denkbar. A. Höck rechnet mit 700 hier stationierten Soldaten.68 Den Beginn der militärischen Verbauung auf dem Martinsbühel nimmt er in der Zeit der Kaiser Aurelian oder Probus an, während er den großflächigen Ausbau erst in der valentinianischen Epoche (um 370) sieht. Bei einer derartigen großen Besatzung wird man auch mit einem entsprechenden Vicus rechnen müssen, für den es noch keine Hinweise in der Umgebung gibt. Vielleicht ist ein solcher bei Zirl gelegen, das seit dem Frühmittelalter die Namenstradition fortführt und das urkundlich erstmals im Jahre 799 als Cyreolou belegt ist.
Befestigte Höhensiedlungen a) Dauersiedlungen Zu dauernd belegten Höhensiedlungen sind auch jene an den besprochenen Zentralorten zu rechnen. Eine Differenzierung nach teilweiser oder gänzlicher Innenverbauung (Typ 3a, 3b, 3c bei S. Ciglenecˇki)69 hängt von der Erkenntnismöglichkeit an der Oberfläche und vom Forschungsstand ab, sodaß die jeweilige Siedlung nicht immer sicher einem der drei Typen zugeordnet werden kann. An den Anfang soll eine langjährig erforschte Zone im südlichen Kärnten gestellt werden, da hier zahlreiche neue Ergebnisse zur Spätantike im alpi65 66 67
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Höck (wie Anm. 57) 80. Für die freundliche Mitteilung zum Zirner Bichl danke ich H. Stadler. Sydow (wie Anm. 44) 37 f., analysiert die Dokumentation nochmals und kommt zum Schluß, daß nur eine neuerliche Untersuchung den Baubestand klären kann. Höck (wie Anm. 57) 79. Ciglenecˇki (wie Anm. 3) 114 ff. Typ 3a, b, c.
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nen Raum gewonnen werden konnten. Die römische Straßenstation Iuenna (heute Globasnitz) an der Straße von Virunum nach Celeia war kein Verwaltungssitz wie die Munizipien, doch für das Jauntal ein zentraler Ort, da sich die Bezeichnung des Tales von der keltischen Gottheit Iouenat ableitet, die auf dem Hemmaberg bei Globasnitz verehrt wurde und der Straßenstation den Namen gab. Noch im 17. Jahrhundert hieß der Hemmaberg Junberg oder Jaunberg.70 Die spätantike Besiedlung beginnt auf dem Hemmaberg nach den Grabungsergebnissen im Gräberfeld und im verbauten Gebiet zufolge um ca. 400 n. Chr. In diese Zeit dürfen wir auch die Entstehung der ersten Kirche auf einem noch günstigen Baugelände am Ostrand des Gipfelplateaus setzen (Abb. 10: J). Die Apsidenkirche besaß ursprünglich Märtyrerreliquien unter dem Altar. Ein privilegierter Personenkreis, Stifter und Priester mit ihren Familien konnten sich in den Hallen an der Süd- und Westseite bestatten lassen, um dem Märtyrer bei der Auferstehung nahe zu sein. Im Jahre 2004 war es möglich, das Fundament der spätantiken Befestigungsmauer festzustellen. Die Steine der Mauer sind für einen späteren Wall (im Mittelalter?) wieder verwendet worden. Der Verlauf dieser Wallkrone wurde um ca. 4 m gegenüber der Befestigungsmauer zurückgenommen. S. Ciglenecˇki ordnet die Siedlung auf dem Hemmaberg aufgrund der Oberflächenbeobachtung jenem Typ von Dauersiedlungen (Typ 3c) zu, deren Innenraum zum Teil unverbaut ist. Die Untersuchungen haben gezeigt, daß wir mit dichterer Verbauung (Holzbauten) zu rechnen haben, und zwar auf den ebenen Stellen an den Abhängen; auf dem ebenen Gürtel hinter der Befestigungsmauer dürfen wir ebenfalls Holzbauten vermuten, von denen einer freigelegt wurde. Im Areal des unbewaldeten Gipfelplateaus ist zumindest ein großes Steingebäude vollständig eingeebnet. Am Beginn des 6. Jahrhunderts entstanden zwei Doppelkirchenanlagen, wie uns die Funde lehren (Abb. 10). Ihre Gleichzeitigkeit bestimmt die Ausführung der Bodenmosaiken durch dieselbe Mosaikwerkstätte. Die petrographischen Untersuchungen ergaben außerdem, daß das gleiche Steinmaterial für beide Doppelkirchen verwendet wurde.71 Eine spätere Ausstattung mit Mosaiken in dem einen oder anderen Bau ist nicht in Betracht zu ziehen, da die verschiedenen Bodenflächen klar zu differenzieren sind. Jene Böden, für welche kein Mosaikbelag vorgesehen war, bekamen einen Ziegelsplittestrich, während für die Mosaiken jeweils als Unterlage ein Mörtel70
71
Vgl. den Ortsnamen Jaunstein am Fuß des Hemmaberges und die mittelalterliche Benennung „castrum Iounek“ (urk. 1267) für die Burg, die später Sonnegg hieß. E. Flügel/Ch. Flügel, Applied Microfacies Analysis: Provenance Studies of Roman Mosaic Stones. Facies 37, 1997, 1 ff.
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Abb. 10. Das frühchristliche Pilgerheiligtum auf dem Hemmaberg (Globasnitz, Kärnten).
estrich ohne Ziegelsplittzuschlag ausgeführt wurde. Die Planung der Kirchen und die vorgesehene Ausstattung gehören also zeitlich zusammen. An beiden Doppelkirchenanlagen ist die Verwendung der gleichen Maßgrundlagen (modulus) festzustellen.72 Die naturwissenschaftlichen Analysen zeigen, daß für beide Doppelkirchen (zum Beispiel im Gegensatz zur ersten Kirche) ein identischer Mörtel verwendet wurde.73 Die östliche Doppelkirche wurde auf einem Felssporn errichtet (Abb. 10).74 Ein Baukonzept, das für ebenes Baugelände geeignet ist, wurde auf verschiedenen Niveaus verwirklicht; dennoch mußten für die Terrassierungsmaßnahmen ungefähr 200 Kubikmeter Erdmaterial angeschüttet werden. Wäre beispielsweise nur eine Kirche geplant gewesen, hätte man sie in der Mitte des Felssporns ohne Terrassierungsmaßnahmen erbauen können. Der Nachweis der Gleichzeitigkeit eines Ensembles von Sakralbauten ist 72
73
74
F. Glaser, Eine weitere Doppelkirchenanlage auf dem Hemmaberg und die Frage ihrer Interpretation. Mitteilungen zur frühchristlichen Archäologie in Österreich 5, 1993, 35 und Carinthia I 183, 1993, 175 f. S. Ladstätter/R. Sauer, Ergebnisse petrographischer Untersuchungen von Mörtelproben aus dem frühchristlichen Pilgerheiligtum und der spätantiken Siedlung vom Hemmaberg/ Kärnten. Arheolosˇki vestnik 49, 1998, 315 ff. F. Glaser, Das frühchristliche Pilgerheiligtum auf dem Hemmaberg (Klagenfurt 1991) 15 ff.
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ein wesentlicher Faktor für die Interpretation als Doppelkirche, ebenso wie die Zusammengehörigkeit der Sakralbauten in ihren kultischen und liturgischen Funktionen. Die Doppelkirche ist eine besondere Ausprägung mehrräumiger Sakralbauten. Die Nordkirche diente für die Eucharistiefeier (Abb. 10: A). In der Apsis der Südkirche (B) befand sich das Märtyrergrab, abgetrennt durch eine Holzschranke, die sicherlich gleichartig gestaltet war wie die Marmorschranke in der Apsis der südlichen Memorialkapelle der Kirche extra muros in Teurnia. Die Südkirche diente demnach für Memorialfeiern, aber auch für die Spendung der Firmung, wie das zugehörige oktogonale Baptisterium (Abb. 10: C) nahe legt. Wurde im 4. Jahrhundert den Katechesen zufolge die Handauflegung und die Myron-Salbung im Baptisterium durchgeführt,75 so spiegelt sich offenbar im Baukonzept der östlichen Doppelkirche bereits die (im Westen charakteristische) Abtrennung des Geistritus (consignatio, confirmatio) von der Wassertaufe. Südseitig an der Apsis ist eine Stifterkapelle (D) mit Mosaikbelag angebaut. Das eine der beiden zugehörigen Gräber liegt außen an der Mauer, das andere innerhalb der Kirche. Die Frauengräber in unmittelbarer Nähe des Märtyrergrabes in der Apsis sind als Bestattungen ad sanctos aufzufassen. Drei weitere Gräber befanden sich an den Außenwänden des Baptisteriums, da der Initiationsritus der Taufe im Besonderen symbolisch mit der Auferstehung verknüpft war.76 Die westliche Doppelkirchenanlage wurde auf dem abfallenden Hang errichtet (Abb. 10).77 Für die Terrassierungsmaßnahmen der Bauwerke mußten ebenfalls etwa 200 Kubikmeter Erdmaterial angeschüttet werden, das reichlich Kleinfunde wie nordafrikanische Terra Sigillata und Fibeln (zum Beispiel eine alamannische Bügelfibel) enthielt.78 Aufgrund der Funde unter dem Kirchenboden und in den Planierungen an der Nordmauer der Südkirche (Abb. 10: N) ist eine zeitliche Einordnung an den Anfang des 6. Jahrhunderts möglich. Diese tiefer am Hang liegende Apsidenkirche weist im Bereich des erhöhten Presbyteriums einen Mosaikbelag auf. Das Reliquiengrab befand sich unter der Altarmensa. Ein Stifter- bzw. Priestergrab lag an der Südkante des Presbyteriums, ein anderes außen an der Südmauer und ein drittes im Narthex. Dieses Gotteshaus weist alle Merkmale einer 75 76
77
78
Theologische Realenzyklopädie 11 (1993) 196 f. s. v. Firmung. Reallexikon zur byzantinischen Kunstgeschichte 1 (1966) 492 s. v. Baptisterium (Ch. Delvoye). F. Glaser, Die Ausgrabung der vierten und Entdeckung der fünften Kirche auf dem Hemmaberg. Carinthia I 182, 1992, 19ff.; ders., Carinthia I 183, 1993, 165ff.; ders., Èglises doubles ou famille d’églises: Les cinq églises du Hemmaberg (Mont Sainte-Hemma). Antiquitè Tardive 4, 1996, 142ff. Ladstätter (wie Anm. 12) 85ff., 169 ff.
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Abb. 11. Die spätanike Siedlung auf dem Hemmaberg (Globasnitz).
Kirche für die Eucharistiefeier auf. Der hangaufwärts parallel gelegene Sakralbau ist etwas nach Westen versetzt (Abb. 10: O). Den Boden des Narthex hatte man deutlich tiefer gelegt als den des Kirchenschiffes, damit der Zugang von Süden her, vom Vorplatz der benachbarten Kirche erfolgen konnte: ein wichtiges Detail, das die gegenseitige funktionale Abstimmung der Kultbauten andeutet. In dieselbe Richtung weisen die offenen, einander zugewandten Hallen der beiden Kirchen. Es handelt sich beim zweiten Sakralbau um eine Apsidenkirche mit einem Querschiff. Der erhöhte Ostteil war durch Schranken abgetrennt und gegliedert, sowie über seitliche Stufen zugänglich. Der Beckenboden läßt auf eine Piscina schließen, so daß eine Deutung als Taufkirche zutreffend ist. Dazu paßt auch das Fehlen der Klerusbank. Die Lage der Piscina, die Abschrankung und die seitlichen Stufen lassen sich mit dem Baptisterium in Vranje bei Sevnica vergleichen.79 Einen 79
T. Ulbert, Vranje bei Sevnica. Frühchristliche Kirchenanlagen auf dem Ajdovski Gradec (Ljubljana 1975) 49 ff., 57 ff.
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Tisch in der Apsis darf man in Verbindung mit der Spendung der Handauflegung und Myron-Salbung vermuten, also gab es keine Abtrennung des Geistritus von der Wassertaufe (wie in der östlichen Doppelkirche). Bestattungen waren östlich und südlich der Piscina sowie an der Südwestecke des Narthex zu beobachten: sie können als Stifter- oder Priestergräber angesehen werden. Die enge gedankliche Verbindung von Taufe und Auferstehung haben wir bereits oben erwähnt. In den Gräbern der privilegierten Personen fanden sich auf dem Hemmaberg je einmal eine Gürtelschließe, ein Haubenringlein und ein Glasfläschchen. Obwohl es sich, wie bei den Bestattungen in der Friedhofskirche von Teurnia, um Personen gehobener sozialer Stellung handelt, fällt im Verhältnis zu den Gräberfeldern die Beifundlosigkeit auf.80 Offensichtlich wollte der Reiche entsprechend dem Bibelwort vom Kamel und Nadelöhr „möglichst arm“ vor den Richter treten: eine Vorstellung, die auch im Mittelalter und in der Neuzeit geläufig ist.81 Wesentlich für das Ende der Kirche ist die Beobachtung profaner Nachnutzung im Narthex für Wohnzwecke.82 In dieses Bild würde auch das Fehlen von Fensterglas im Kirchenschiff passen. Dies würde bedeuten, daß die Fenster entfernt wurden, während Nebenräume nach dem Auflassen der Kirche genutzt wurden. Wir haben gesehen, daß alle kultischen und liturgischen Einrichtungen zur gleichen Zeit verdoppelt wurden. Daraus kann der Schluß auf zwei Christengemeinden gezogen werden. Die Kirchen für die Eucharistiefeier haben eine Länge von ca. 30 m (= ca. 100 römische Fuß) und gehören damit zu den größten Sakralbauten des Ostalpenraumes. Mit dem Hinweis auf „Bedarf “ kann die Errichtung der großen und zahlreichen Kirchenbauten auf dem Hemmaberg nicht begründet werden. Für die Stifter mußte der Hemmaberg bedeutend genug gewesen sein, um ihr Kapital dort einzusetzen und auch einen privilegierten Begräbnisplatz in der Kirche möglichst nahe beim Märtyrer zu bekommen, dessen Gebeine vielleicht sogar die Stifter selbst besorgt hatten. Eine Folge der Märtyrerverehrung ist das Pilgerwesen, das verschiedene Einrichtungen, wie zum Beispiel Pilgerhäuser mit Speisesaal, Küche und Unterkünfte notwendig machte (Abb. 10).83 Der Laienraum in den beiden Feierkirchen wurde gegenüber der älteren Kirche fast verdoppelt. Dieses im Ostalpenraum singuläre Phänomen ist neben dem besonderen Baukonzept 80 81
82 83
Kersting (wie Anm. 21) 12 ff. F. Glaser, in: R. Bratozˇ (Hrsg.), Slowenien und die Nachbarländer zwischen Antike und karolingischer Epoche. Anfänge der slowenischen Ethnogenese (Ljubljana 2001) 200. Ladstätter (wie Anm. 12) 201 ff. S. Schretter, Die Ausgrabungen auf dem Hemmaberg 1995. Mitteilungen zur Christlichen Archäologie 2, 1996, 28ff.; Glaser (wie Anm. 74) 41 f., 69f.
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und der Ausstattung als weiterer Hinweis auf das Pilgerwesen zu werten. An Pilgerorten mit einem verehrungswürdigen Heiligen wurden oftmals noch weitere Reliquien zugebracht, wie das auch am Hemmaberg erkennbar ist. Wenn mehrere Kirchen in einer Stadt oder an einem Ort vorkommen, so kann dies verschiedene Ursachen haben. Für Gerasa in Jordanien spricht man von einem Kirchenbauboom der justinianischen Zeit, der zur Entstehung jeweils einer Kirche in einem der Stadtviertel führt.84 Bei solch ausgedehnten Kirchenanlagen wird oft zuerst an ein Kloster gedacht. Im Kloster Mar Saba (gegründet 478) nahe Jerusalem gab es für die Mönche der drei nicht-griechischsprachigen Gruppen jeweils eine eigene Kirche für den Wortgottesdienst, während die gemeinsame Eucharistiefeier anschließend in der großen Kirche der griechischen Brüder stattfand. Der heilige Theodosius gründete in Kutila (zwischen Jerusalem und dem Toten Meer) aus dem gleichen Grund eine Kloster mit vier Kirchen, wobei dort allerdings eine den besessenen (das heißt geistig behinderten) Brüdern vorbehalten war, die nach dem Wortgottesdienst nicht an der Eucharistiefeier in der großen griechischen Kirche teilnehmen durften. Mit einem der Klöster in Mar Saba oder Kutila lassen sich die Kirchen auf dem Hemmaberg nicht vergleichen, da keine Haupt- und Nebenkirchen vorhanden sind, sondern je zwei liturgisch und kultisch zusammengehörige Doppelkirchen vom beginnenden 6. Jahrhundert und ein älteres Gotteshaus vom Anfang des 5. Jahrhunderts. Wenn beide Baptisterien als getrennte Räumlichkeiten für die Männer- und Frauentaufe erklärt werden sollten, dann werden in diesem Modell nicht die beiden Kirchen für die Eucharistiefeier verständlich.85 In der Diskussion zog S. Ciglenecˇki früher in Betracht, die Anlage auf dem Hemmaberg als Bischofssitz zu sehen. Es käme dafür der Bischof von Virunum in Frage, der sich in eine befestigte Höhensiedlung zurückgezogen hätte, nämlich nach dem Modell von H. Vetters, der dafür den klingenden Begriff episcopus in castellis einführte.86 Bei einem solchen Vorschlag müssen jedoch die zivilen oder auch die militärischen Verwaltungsstrukturen berücksichtigt werden, die auch für die kirchliche Organisation stets maßgeblich waren. Aufgrund der oben zitierten schriftlichen Quellen decken sich die Bischofssitze und ihre Bistümer jeweils mit den municipia in Binnennorikum. Die Verfügung, daß der Bischof seine Gemeinde in der Stadt
84
85 86
C. Jäggi/H.-R. Meier, Zum Kirchenbauboom am Ende der Spätantike. In: R. L. Collela u. a. (Hrsg.), Pratum Romanum. Richard Krautheimer zum 100. Geburtstag (Rom 1997) 181 ff. Kersting (wie Anm. 21) 49. H. Vetters, Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Wien, phil.-hist. Klasse 106 (1969) 75 ff.
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nicht länger als drei Wochen im Jahr verlassen darf, trägt der Rolle und den Aufgaben des Bischofs Rechnung.87 Das Phänomen von Kirchen (und Baptisterien) unterschiedlicher Konfessionen in e i n e r Siedlung ist aus Nordafrika ebenso bekannt wie aus dem östlichen Mittelmeerraum. Erinnert sei beispielsweise an die Städte Mailand (4. Jahrhundert) und Ravenna (6. Jahrhundert), in denen die arianischen Gemeinden eigene Kirchen und Baptisterien besaßen.88 Für das gewaltige Bauvorhaben auf dem Hemmaberg im beginnenden 6. Jahrhundert wurden nicht nur Mosaizisten aus dem Adriaraum geholt, sondern man muß auch mit dem zeitweiligen Zuzug von Bauleuten rechnen. Auffallend ist, daß für jede der beiden Doppelkirchenanlagen ca. 200 Kubikmeter Erdmaterial angeschüttet wurden, während auf dem flachen Gelände, dem Plateau des Hemmaberges, keine Sakralbauten entstanden. Daraus ist zu schließen, daß das günstige Baugelände den Christen nicht zur Verfügung stand, das heißt auch nicht käuflich erworben werden konnte. Geht man davon aus, daß sich im Bereich des Plateaus einst das Heiligtum der keltischen Gottheit Iouenat befand, die durch einen Votivaltar der römischen Kaiserzeit bezeugt wird, dann wird die Situation verständlicher: Das Heiligtum war noch in Betrieb, als die erste Kirche um oder bald nach 400 errichtet wurde. Für die Kirche stand ein relativ günstiger Bauplatz am Ostrand des Plateaus zur Verfügung. Nach der Konfiskation des heidnischen Tempellandes fiel dieses dem Fiskus zu. Daraus kann für den Hemmaberg gefolgert werden, daß die zuständige Verwaltung im beginnenden 6. Jahrhundert den besten Bauplatz auf dem Plateau weder der einen noch der anderen Christengemeinde überließ oder verkaufte. Der Grund für ein solches Verhalten ist naheliegend: Wenn keine der beiden Christengemeinden öffentliches Gut erwerben konnte, war kein Anlaß zu Streitigkeiten gegeben. Im Falle der westlichen Doppelkirchenanlage hatten die Stifter das Areal samt Wohnbauten besessen oder erworben, wie die Heizkanäle und spärlichen Baureste unter den Gotteshäusern bezeugen. Wie die Datierung auf dem Hemmaberg zeigt, werden die beiden Doppelkirchenanlagen im frühen 6. Jahrhundert errichtet. Da in dieser Epoche zwischen 493 und 536 Noricum zum Herrschaftsgebiet der Ostgoten gehörte und nun auch ostgotisches Militär im Talboden von Globasnitz
87
88
H. Wolff, Die Kontinuität der Kirchenorganisation in Raetien und Noricum. In: E. Boshof/H. Wolff (Hrsg.), Das Christentum im bairischen Raum (Köln, Weimar, Wien 1994) 4 f. R. Sörries, Auxentius und Ambrosius. Ein Beitrag zur frühchristlichen Kunst Mailands zwischen Häresie und Rechtgläubigkeit (1996) 23ff.
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nachgewiesen ist (vgl. unten S. 625), kann man auf dem Hemmaberg mit einer katholischen Christengemeinde der Romanen und einer arianischen Gemeinde der Goten rechnen.89 In diesem Sinn (analog zu Ravenna) interpretierte Sergio Tavano auch schon die beiden Kirchen mit je einem Baptisterium in Grado.90 Auf dem Hemmaberg kommt hinzu, daß in der westlichen Doppelkirchenanlage und zwar im Narthex bereits in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts aufgrund der vorgefundenen Gefäße profane Nachnutzung von S. Ladstätter festgestellt wurde.91 Zudem muß festgehalten werden, daß in der westlichen Doppelkirchenanlage keine räumliche Abtrennung für den Geistritus (im Gegensatz zur östlichen Doppelkirche) erfolgte, was sich aus der untergeordneten Rolle des Heiligen Geistes (nämlich als Geist Christi) bei den Arianern erklären läßt. Da keine Notwendigkeit bestand, vier Kirchen gleichzeitig zu errichten, die vergleichsweise die Länge der Bischofskirche (nach der Vergrößerung in der 2. Bauperiode) in der Provinzhauptstadt Teurnia besaßen, wird für den Hemmaberg Prestige und Anspruch der katholischen wie der arianischen Stifter eine Rolle gespielt haben. P. Amory verweist in seinem Buch über Volk und Identität im ostgotischen Italien auf die Wahrscheinlichkeit, daß der Arianismus in der romanischen Bevölkerung während der Ostgotenherrschaft einen Aufschwung erlebt hätte.92 Nachdem wir in den letzten Jahren bereits umfangreiche Kenntnisse zur spätantiken Siedlung mit dem frühchristlichen Pilgerheiligtum auf dem Hemmaberg gewonnen haben, sollte in einem weiteren Grabungsprojekt in Globasnitz das zeitliche Verhältnis von Berg- und Talsiedlung geklärt werden. Im Ortsgebiet von Globasnitz am Fuße des Hemmaberges ist durch Funde (zum Beispiel dem Votivaltar eines Beneficiariers) und die Angabe in der Tabula Peutingeriana die römische Straßenstation zu lokalisieren. Skelettfunde am Ostrand von Globasnitz in den vergangenen Jahrzehnten wiesen auf ein Körpergräberfeld hin und ließen eine Klärung der genannten Fragestellung erwarten. Bislang wurden 360 Gräber und eine Kirche freigelegt93 (Abb. 12). 89 90 91 92 93
Glaser (wie Anm. 4) 83ff. S. Tavano, Aquileia e Grado. Storia, arte, cultura (2Trieste 1991) 419. Ladstätter (wie Anm. 12) 41 ff. P. Amory, People and Identity in Ostrogotic Italy 489–554 (Cambridge 1997). F. Glaser, Gräberfeld der Ostgotenzeit (493–536) in Iuenna/Globasnitz. In: Spätantike Gräber des Ostalpenraumes und benachbarter Regionen. Symposium Graz, 13. April 2002 = Fundberichte aus Österreich 41, 2002 (2003) 431 ff.; ders., Projekt Iuenna – Hemmaberg, Rudolfinum. Jahrbuch des Landesmuseums Kärnten 2001, 65 ff.; ders., Projekt Iuenna – Hemmaberg 2002, Rudolfinum. Jahrbuch des Landesmuseums Kärnten 2002, 79 ff.; R. Goedecker-Ciolek, Ein Gotengrab und sein Befund, Rudolfinum. Jahrbuch des Landesmuseums Kärnten 2002, 99ff.
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Abb. 12. Gräberfeld der Ostgotenzeit (493–536) mit frühchristlicher Kirche bei der Straßenstation Iuenna (Globasnitz).
Abgesehen vom Trachtzubehör der Frauen ist vor allem ein Offizier mit ostgotischem Militärgürtel und mit einer eisernen Bügelknopffibel vom Typ Desana mit Messingtauschierung hervorzuheben (Abb. 13).94 Die drei rechteckigen bronzenen durchbrochenen Beschläge des Gürtels zeigen je zwei Adlerköpfe. Im unserem Fall setzte der Kunsthandwerker durchsichtiges Glas ein und hinterlegte dieses mit rotem Leder, sodaß der Eindruck von Almandinen entstehen sollte. Die eiserne Gürtelschnalle besitzt eine Tauschierung aus Silber und Messing: Der Schnallenrahmen zeigt winzige Quadratfelder mit Rosettenkreuzen. Der Schnallendorn ist mit einem Schnurornament und einem silbernen Kreuz verziert, das den Mann als Christen ausweist. Der Träger des Gürtels ist daher als Ostgote ein arianischer Christ. Am Gürtel waren noch ein Feuerzeugtasche sowie Nadel-
94
V. Bierbrauer, Die ostgotischen Grab- und Schatzfunde in Italien (Spoleto 1974) 266f.
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Abb. 13. Gräberfeld Iuenna (Globasnitz), Gürtelschnalle mit Silber- und Messingtauschierung aus Grab 11.
büchse und Ahle befestigt. Die militärische Kleidung samt Zubehör waren als Rangabzeichen dem verstorbenen Offizier (vielleicht in einem Holzsarg) mit ins Grab gegeben worden. Der Tote selbst war aber in einer Tunika begraben worden, von deren schmalen Gürtung eine kleine Eisenschnalle und eine kleine bronzene Riemenzunge stammen. Schon im pannonischen Raum war es bei den Goten nicht gebräuchlich, den Toten Waffen beizugeben, sodaß die Krieger nicht leicht zu identifizieren sind. Im Gräberfeld konnten bisher an neun Schädeln von Frauen und Männern jeweils künstliche Schädelumformung festgestellt werden. Die aufwändigeren Gräber besaßen Holzsärge, Steinkisten aus Marmorspolien (römischer Grabbauten) mit einem kleinen Tumulus oder einmal eine gemauerte vertiefte Kammer. Die Gräber waren den Befunden zufolge durch rechtekkige Steinsetzungen an der Oberfläche gekennzeichnet. Dies erklärt auch, daß es sehr selten zur Überschneidung von Grabgruben kam. Im Vergleich dazu waren die spätantiken Gräber in Faschendorf durch ovale Ringe von Steinen und ebenfalls von rechteckigen Steinlagen gekennzeichnet.95 95
J. Polleres, Der römische Grabbezirk von Faschendorf. In: K. Strobel (Hrsg.), Der AlpenAdria-Raum in Antike und Spätantike (Klagenfurt 2003) 41 f.
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Die Tumuli sind in dieser Zeit und im romanischen Umfeld ebenfalls als germanisches Element zu werten. Im Zentrum des Friedhofes befindet sich ein rechteckiges Gebäude (19,20 × 14,80 m), das von den Gräbern respektiert wird (Abb. 12).96 Feststellbar sind Fundamente und deren Ausbruchgruben, Fragmente eines zerstörten Ziegelsplittestrichs und Bruchstücke zweier Marmorsäulchen. An einen Saal (18,00 × 9,6 m lichter Weite) schließen nordseitig drei Räume an. Im mittleren Nebenraum kam eine Piscina zutage (Abb. 12). Da im Inneren keine Gräber und kein einziger menschlicher Knochen zutage kamen, ist vermutlich ein Grabbezirk auszuschließen. Aufgrund dieser Reste wird man dagegen an eine Kirche denken dürfen. Außerdem rühren die Spuren einer Mauerzunge an der Ostseite des Saales offenbar von der Nordwange des Presbyteriums her. Die Piscina ist ihren Maßen zufolge und wegen des vollständigen Fehlens von Knochen nicht als Grab zu deuten. Ein weiteres Bauwerk südlich des Gotteshauses war schon eine Ruine, als das Gräberfeld angelegt wurde. Vielleicht wurde auch Baumaterial von dem älteren Gebäude schon für die Kirche verwendet. Zwar läßt sich die Benutzungszeit der Kirche mit der Belegung des Gräberfeldes gleichsetzen. Doch die Bauzeit ist damit noch nicht festgelegt (vgl. Anm. 134). Bis zur Entdeckung des Gräberfeldes in Globasnitz waren in Kärnten vier ostgotische Fibeln bekannt. Infolge der Ausgrabungen in Globasnitz wird deutlich, daß unser Geschichtsbild der Völkerwanderungszeit unvollständig ist. Unser bisheriges Forschungsbild im Alpenraum war geprägt durch die befestigten Höhensiedlungen des 5. und 6. Jahrhunderts, die im ostalpinen Raum später überbaut wurden. Gleichzeitig mit der Bergsiedlung auf dem Hemmaberg besteht im Tal die Straßenstation für den staatlichen Nachrichtendienst. Daher ist hier auch das Militär, nämlich die ostgotischen Soldaten, stationiert. Im Tal befindet sich wie in den vorangegangenen Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit der Markt, auf dem die Produkte aus dem Alpenraum und aus dem Süden gehandelt wurden. Eine Verordnung Theoderichs zeigt, daß der cursus publicus im Ostalpenraum nicht mehr in der notwendigen Weise funktioniert hat, weil beispielsweise Bauern im Isonzotal staatliches Weideland für die Pferde des Straßendienstes entfremdet hatten.97 Die Lukrestani am Isonzo wurden angehalten, die Weiden wieder zurückzugeben. Die Straßenstationen dienten für den raschen Nachrichtendienst und zum Territorialschutz und waren damit ein wesentlicher Faktor für die 96
97
F. Glaser, Die frühchristliche Kirche in der antiken Straßenstation Iuenna. Mitteilungen zur Christlichen Archäologie 12, 2006, 9ff. Cassiodor, Variae 1, 28.
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Herrschaft und die Kontrolle des Reiches. Damit können die Schlußfolgerungen aus dem Gräberfeld bei Globasnitz beispielhaft für die Zeit der Ostgotenherrschaft im Ostalpenraum gewertet werden. Demnach kann man auch die ostgotischen Gräberfelder (mit künstlichen Schädelumformungen) in Dravlje nahe dem Schnittpunkt von Autobahn und Celovsˇka cesta nördlich von Ljubljana (Emona) in Verbindung mit einer Straßenstation dieser Epoche sehen.98 Über das spätantike Leben abseits der befestigten Höhensiedlungen brachten auch die Ausgrabungen in Faschendorf, das gegenüber der römischen Stadt Teurnia auf der anderen Drauseite liegt, neue Ergebnisse. Es handelt sich um spätantike Körpergräber, die innerhalb und außerhalb eines kaiserzeitlichen Grabbezirkes in unterschiedlicher Tiefe zutage kamen.99 Die Grabbauten stehen offenbar mit einer römischen Villenanlage in Verbindung, die im heutigen Ortskern von Faschendorf liegt.100 Da die Gräber bis in die Spätantike reichen, ist auch mit der Nutzung des Gutshofes in der Spätantike zu rechnen, ein Aspekt der durch die Funde erst allmählich faßbar wird. Die Erforschung des völkerwanderungszeitlichen Friedhofes in Globasnitz bedeutet für die Zukunft, daß wir im Ostalpenraum mit Gräberfeldern der Ostgotenzeit nicht auf den Bergen, sondern im Tal rechnen müssen. Manche bereits bekannte, aber noch nicht erforschte Körpergräberfelder ungeklärter Zeitstellung könnten in diese Epoche der Gotenzeit gehören. Mehrfach wurde im 20. Jahrhundert versucht, die Zeit der Ostgotenherrschaft archäologisch und historisch in Noricum zu erfassen. Im Jahr 1953 behauptete F. X. Kohla, daß ca. vier Kilometer nördlich des Hemmaberges eine 15 m hohe Erhebung in Gösselsdorf (Gem. Eberndorf) als „Gotenschanze“ bezeichnet würde. Im unveröffentlichten Bericht seiner Ausgrabungen im gleichen Jahr wies er auf das Fehlen von Kulturschichten hin. Allerdings wurde in der Neuauflage des Kärntner Burgenbuches 1973 weder das Grabungsergebnis noch der Plan berücksichtigt. Dadurch hielt sich die Vorstellung eines ostgotischen Siedlungsplatzes bis in jüngste Zeit. Eine archäologische Untersuchung im Jahre 1993 bestätigte die Beobachtung fehlender Kulturschichten.101 Nach der Feststellung der beiden zeitgleichen Doppelkirchenanlagen auf dem Hemmaberg wurden in den spätantiken Siedlungen in Lavant, in
98 99
100 101
M. Slabe, Dravlje. Grobisˇcˇe iz cˇasov preseljevanja ljudstev (Ljubljana 1975). J. Polleres, Der römische Grabbezirk von Faschendorf. In: K. Strobel (Hrsg.), Der AlpenAdria-Raum in Antike und Spätantike (Klagenfurt 2003) 41 f. Glaser, Teurnia (wie Anm. 41) 141. F. Glaser, Die Grabungen an der sogenannten Gotenschanze in Gösselsdorf. Fundberichte aus Österreich 32, 1993, 773 mit Lit.
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Oberlienz und auf dem Rifnik jeweils eine zweite Kirche entdeckt.102 Auch die Piscinen zweier Baptisterien in Säben, dem spätantiken Bischofssitz Sabiona, dürfen in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht bleiben.103 Auf dem Hemmaberg war in den Nebenräumen der arianischen Doppelkirche profane Nachnutzung festzustellen. In Lavant und Oberlienz kann die fehlende Kontinuität jeweils e i n e r Kirche mit ihrer Funktion als arianischer Sakralbau wie bei der Basilika auf der Piazza della Corte in Grado erklärt werden (vgl. S. 624). Auf dem Grazerkogel ist eine zweite Kirche bekannt, aber noch nicht näher erforscht. Auch in Duel bei Feistritz könnte ein weitgehend unausgegrabenes, großes Gebäude mit Baptisterium eine zweite Kirche darstellen, wie dies schon unter anderem Vorzeichen H. v. Petrikovits vermutete.104 Da auf dem Hemmaberg die Errichtung der beiden Doppelkirchenanlagen in die Zeit des Ostgotenkönigs Theoderich fällt, muß man auch an den anderen genannten Orten nach einer arianischen Gemeinde der Ostgoten und einer solchen der katholischen Romanen fragen. Da die Gräber im Kirchenkomplex – wie oben bemerkt – praktisch beigabenlos sind, kann für die gehobene soziale Schicht auch mit archäologischen Mitteln keine ethnische Differenzierung der Bestatteten vorgenommen werden. Wohlhabende Goten sind als Kirchenstifter nicht erkennbar. In gesellschaftlich gehobener Schicht ist in der Begräbnissitte oft kein Unterschied zwischen Goten und Romanen feststellbar, was sich auch in einem Ausspruch Theoderichs spiegelt, den uns noch als Redewendung im Volksmund der Anonymus Valesianus überliefert:105 „Ein armseliger Römer ahmt einen Goten, ein angesehener Gote einen Römer nach.“ Aus der Tatsache, daß sich im Jahre 507 eine Verordnung Theoderichs nur an die Provinzialen von Noricum richtet, darf nicht auf eine fehlende Präsenz der Ostgoten in den alpinen Provinzen Noricum Mediterraneum und Raetia Secunda geschlossen werden.106 Daß die Goten nicht auch als Adressaten wie in manchen anderen Verordnungen aufscheinen, hängt mit dem Inhalt zusammen: Die vor den Franken auf ostgotisches Gebiet geflüchte102
103
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106
Literatur bei: Glaser (wie Anm. 4) 86ff. Anm. 9–23; Tschurtschenthaler (wie Anm. 42) 771ff.; H. Stadler, Oberlienz /Lamprechtgarten. In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit (München 2003) 765ff. H. Nothdurfter, Frühchristliche und frühmittelalterliche Kirchenbauten in Südtirol. In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit (München 2003) 273 ff. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 6 (2Berlin, New York 1986) 235 s. v. Duel (H. v. Petrikovits). I. König, Aus der Zeit Theoderichs des Großen. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar einer anonymen Quelle (Darmstadt 1997) 80f. Vgl. dagegen V. Bierbrauer, Arianische Kirchen in Noricum Mediterraneum und Raetia II. Bayerische Vorgeschichtsblätter 63, 1998, 205ff.
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Abb. 14. Spätantike Höhensiedlung auf dem Ulrichsberg (Klagenfurt) und der im Gelände erkennbare Wall (Raster).
ten Alamannen dürfen ihre großen, aber geschwächten Rinder gegen die kleinen, robusten Alpenrinder der Noriker tauschen.107 Zu den Dauersiedlungen mit gänzlicher Innenverbauung (Typ 3a) rechnet S. Ciglenecˇki auch den Ulrichsberg und das Kappele bei Jadersdorf. Auf dem Ulrichsberg gingen R. Egger und R. Noll von einem unbefestigten Almdorf aus. Doch kann man im Gelände einen Wall beobachten, der eine Befestigung darstellt oder als Spur der verfallenen Befestigungsmauer zu betrachten ist (Abb. 14). Im Falle Jadersdorf sind wir auf die Oberflächenbeobachtung angewiesen, weil nur ein Gebäude teilweise freigelegt wurde. Unter den Dauersiedlungen mit teilweiser Innenverbauung (Typ 3b) erscheinen bei S. Ciglenecˇki die befestigten Siedlungen auf dem Tscheltschnigkogel (bei Warmbad Villach) und auf dem Kathreinkogel (südlich des Wörthersees). Auf dem Tscheltschnigkogel hat sich gezeigt, daß sich auf einer Terrasse am Zugang zum Tor der Befestigung eine Kirche (und nicht eine Kapelle) befindet, in deren Nebenräumen auch privilegierte Personen bestattet wurden.108 Innerhalb der Mauer läßt sich an der Oberfläche kein Kirchenbau erkennen. Auf dem Kanzianiberg bei Finkenstein wurde 107 108
Cassiodor, Variae 3,50. F. Glaser, Frühchristliche Denkmäler in Kärnten. Ein Führer (Klagenfurt 1996) 66ff. Abb. 29: Lageplan.
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unterhalb der Kuppe in der Nähe spätantiker Gräber ein Reliquiar gefunden. Vielleicht kann dieser Fund als Hinweis auf eine Kirche gelten, die in ihrer Situierung (samt den Gräbern) mit dem Tscheltschnigkogel (bei Villach/Warmbad) vergleichbar wäre. Auf dem Kathreinkogel wurde ein kleines Gotteshaus nahe dem höchsten Punkt innerhalb der Befestigungsmauer entdeckt, von der längere Abschnitte freigelegt sind. In der Nähe der Kirche und der benachbarten Zisterne wurden Gräber privilegierter Personen angetroffen. Dabei zeigt sich an der Südseite, daß eine Zisterne offenbar erst von einer mittelalterlichen Befestigungsmauer überbaut wurde,109 auch wenn spätantike Änderungen im Verlauf von Befestigungsmauern auf dem Rifnik (Slowenien) oder auf dem Duel bei Feistritz/Drau bekannt sind. Die spätantiken Gräber liegen auf einer Terrasse auf halber Höhe des Berges. Auf dem Lamprechtskogel bei Mittertrixen ist die Befestigungsmauer abschnittsweise gut erkennbar und die Lage der frühchristlichen Kirche zu vermuten. Die Gräber dagegen liegen am Fuß des Berges.110
b) Militärbefestigungen Als Militärbefestigungen (Typ 2) bezeichnet S. Ciglenecˇki jene Anlagen, die an Fernstraßen liegen, deren Grundrisse vollständig dem Gelände angepaßt sind und für die der günstigen Lage zufolge Befestigungsmauern mit geringerer Stärke ausreichend waren.111 Zu den gut erforschten Militärbefestigungen gehört der ca. 35 m hohe Hügel Duel bei Feistritz112 (Abb. 15), der am Südrand einer Ebene am rechten Ufer der Drau nahe einer römischen Siedlung bei Nikelsdorf liegt, von der nur ein Gebäude mit Wandmalereifunden bekannt ist.113 Die Mauern dieses Hauses sind gezielt bis auf die Fundamente und den Ziegelsplittestrich abgetragen worden, sodaß nur der Verputz mit der Malerei zurückblieb. Der Zeitpunkt des Steinraubes ist
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M. Fuchs, Die Ausgrabungen auf dem Kathreinkogel. In: Die Marktgemeinde Schiefling am See und ihre Geschichte (Schiefling am See 2006) 69. F. Glaser, Spätantike Gräberfunde vom Lamprechtskogel. Fundberichte aus Österreich 21, 1982, 276 f. und Carinthia I 173, 1983, 107 ff. Ciglenecˇki (wie Anm. 3) 112 f. R. Egger, Ausgrabungen in Feistritz/Drau. Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes 25, 1929, Beiblatt 189 ff.; Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 6 (2Berlin, New York 1985) 226ff. s. v. Duel (H. v. Petrikovits). Ciglenecˇki (wie Anm. 3) 30 f., 113; U. Steinklauber, Die Kleinfunde aus der spätantiken befestigten Siedlung vom Duel, Feistritz a. d. Drau, Kärnten (ungedruckte Dissertation, Graz 1988). F. Glaser, Eine römische Siedlung in Nikelsdorf. Carinthia I 180, 1990, 139 ff.
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Abb. 15. Die spätantike Höhensiedlung auf dem Duel bei Feistritz an der Drau (Kärnten). Kirche (K), Baptisterium (B), Toranlage (TA), Turm (T), Badehaus (BH) und Zisterne (Z).
bisher nicht festgelegt. Daher kann nur vermutet werden, daß das Steinmaterial für den Bau der Befestigung auf dem Duel verwendet wurde. Sieht man im Duel eine militärische Anlage, in der Soldaten mit ihren Familien wohnten, erhebt sich natürlich die Frage nach dem Siedelplatz von weiteren Teilen der Bevölkerung. Der Bach an der Südseite des Duel war wohl maßgeblich für die Trinkwasserversorgung, wenngleich mit Zisternen gerechnet werden muß. Die römische Hauptstraße führte zwar aufgrund der Meilensteinfunde (in Edling und Oberwollanig) am linken Flußufer entlang,114 doch die Straße an der Südseite des Drautales besaß bei Duel eine Abzweigung zu einem Paßübergang (Kreuzen) vom Drautal in das Gailtal und damit weiter über den Pontebba-Paß nach Süden in die Regio Decima Italiens. Die goldführenden Schotter bei Tragin südlich vom Duel haben vielleicht für die Platzwahl einen weiteren Gesichtspunkt geboten. Die Befestigungsmauer mit einer Stärke von 90 cm ist dem Gelände angepaßt und wurde an der Nordwestseite einmal erneuert und mit äußeren Mauerpfeilern verstärkt, die wir auch von einem Mauerabschnitt in Tiburnia/ Teurnia kennen. Der Turm an der Nordwestecke des Duel wurde durch einen spitzen Mauerwinkel ersetzt und dabei ein Turm in der Mitte der
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Glaser, Teurnia (wie Anm. 41) 140, 174.
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Abb. 16. Nordansicht des Duel bei Feistritz an der Drau.
Nordwestfront eingefügt. Möglicherweise dienten die baulichen Veränderungen zur Aufstellung weitreichender Geschütze. An der Nordwestseite trennt nämlich nur ein Einschnitt den Hügel vom westlich anschließenden Höhenrücken (Abb. 16). Daher könnten die baulichen Veränderungen durch die besondere Geländesituation bedingt sein. Vom genannten etwas höheren Hügelrücken (Abb. 15) aus hätte ein feindlicher Angriff mit Geschützen und Brandgeschossen der Befestigung Gefahr bringen können. Von Norden, aus der Gegend des Gräberfeldes, führt eine Rampe zur Toranlage, die von einem Turm verengt wird. Die Wohnbauten konzentrieren sich entlang der Befestigungsmauer, während eine Kirche und drei Nachbargebäude die höchste Kuppe an der Südmauer einnehmen (Abb. 15). Die Apsidenkirche besitzt ein Querschiff; ihre nach außen offene Hallen entsprechen den Fundamenten, die wir heute in Analogie zur Bischofskirche in Tiburnia deuten können. Das etwas tiefer liegende Gebäude mit Baptisterium ist vielleicht als eine weitere Kirche mit Nebenräumen zu deuten (vgl. oben S. 621), sodaß je ein Gotteshaus für die katholische Gemeinde der Romanen und für die arianischen Ostgoten vorhanden gewesen wäre. Die Zone entlang der Befestigungsmauer ist von militärischer Bedeutung, sodaß der Schluß nahe liegt, daß die Gebäude entlang der Mauer nur vom Militär genutzt wurden, ähnlich wie die Wohntürme des Befestigungsringes auf dem Korinjski hrib (1,2 Hektar). Ebenso sind auf dem etwa gleich großen Innenraum des Duel (1,3 Hektar) weite unverbaute Flächen vorhanden, die zur Aufnahme von Flüchtlingen dienen konnten.115 Cassiodor
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Ciglenecˇki (wie Anm. 3) 112.
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Abb. 17. Die spätantike Höhensiedlung auf dem Hoischhügel (Meclaria) bei Thörl-Maglern (Kärnten).
überliefert uns, daß der Ostgotenkönig Theoderich die Gutsbesitzer aufforderte, in die Festung Verucca (Dos Trento bei Trient) zu kommen.116 Zur gleichen Kategorie (Typ 2) gehört auch der Hoischhügel mit einer spätantiken Befestigungsanlage (1,4 Hektar), die an drei Seiten von der Gailitz und dem Klausbach umflossen wird (Abb. 17). Die Siedlungsterrasse liegt 100 m über dem Fluß und konnte nur an der Südseite über einen Zugang von den Karnischen Alpen her versorgt werden. Nach den bisher bekannten Spuren und der Oberflächenbeobachtung dürfte sich auch hier die Steinverbauung auf die Randzonen entlang der Befestigungsmauer konzentrieren. Der Typus des weitgehend am Steilhang abgestürzten Gotteshauses ist wie in Duel eine Apsidenkirche mit Querschiff und freistehender Klerusbank.117 Der Hoischhügel wird gerne mit dem Ort Meclaria (locus Meclaria) aufgrund der Erwähnung bei Paulus Diaconus identifiziert.118 Damit hätte der Hoischhügel in der Spätantike den Namen und die Bedeutung der römischen Siedlung Meclaria bei Straßfried übernommen. Doch Paulus Diaco116 117 118
Cassiodor, Variae 5, 9. F. Glaser, Frühchristliche Denkmäler in Kärnten (Klagenfurt 1996) 69ff. Paulus Diaconus, hist. Lang. 4, 38.
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nus spricht in diesem Zusammenhang nicht von castrum und zählt Meclaria auch nicht unter den langobardischen Befestigungen (castra) auf. Es scheint, daß er bewußt den Begriff locus verwendete, um die Situation zu charakterisieren. Von Meclaria leitet sich schließlich auch der heutige Ortsname Maglern ab, der zwischen den beiden Fundorten Hoischhügel und Straßfried liegt. Paulus Diaconus berichtet, daß Taso und Kako das Land der Slawen, das Zellia genannt wird, bis zum Ort Meclaria besaßen. Diese Slawen entrichteten bis in die Zeit des Herzogs Ratchis (737–744) Zahlungen an die Herzöge von Friaul. Vor diesem Hintergrund kommt dem Hoischhügel eine Schlüsselstellung in der Geschichte der Spätantike und des Frühmittelalters in Kärnten zu. Vom Blickwinkel des Herzogssitzes Cividale ist die regio Zellia nördlich davon gelegen und wird das Gebiet des unteren Kanaltales und der Gailitz = Ziljica (slowen.) bis zur Mündung der Gail bei Maglern meinen.119 Die Bezeichnung Zellia kann auch das Tal der Gail = Zilja umfaßt haben, doch begrenzt Paulus Diaconus den Abschnitt von Süden her mit dem locus Meclaria. Die ursprüngliche norische Grenze zwischen Camporosso und Chiusaforte ist damit für hundert Jahre weiter nach Norden verschoben worden.
c) Militärische Kleinkastelle Zu den „kleineren Militärposten, Burgi (Typ 1b)“ zählt S. Ciglenecˇki den Turm120 bei Mauthen im Gailtal an der Straße über den Plöckenpaß, aber auch die Anlage mit unregelmäßigem Grundriß (ohne Turm) auf dem Martinj hrib.121 Da gesicherte römische Funde praktisch um Mauthen fehlen, dürfte in der Antike die Straße in diesem Abschnitt einen anderen Verlauf genommen haben. Damit bleibt auch die Vermutung, daß der Turm spätantik sein müsse, ohne den Nachweis von Kleinfunden unwahrscheinlich. Vielmehr handelt es sich um die Turmburg bzw. das „feste Haus“, das Kaiser Friedrich III. dem „Hannsen zu Plecken“ im Jahr 1489 verleiht.122 Die
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H. Krahwinkler, Die Langobarden und Kärnten. In: K. Anderwald/P. Karpf/H. Valentin, Jahrbuch für Politik (Klagenfurt 2000) 58f. 6,07 × 4,95 m lichte Weite; Mauerstärke 1,35–1,45 m; Seehöhe 815,91. Ciglenecˇki (wie Anm. 3) 47 (Mauthen), 79 (Martinj hrib). Im Jahr 1489 verleiht Friedrich III. dem „Hannsen zu Pleckchen auf dem Crewczperg“ (Kreuzberg = Plöcken) und dessen Erben „das haws daselbs zu Pleckchen, darauf er yetzt sitzt“. Passo di Monte Croce (also Kreuzberg) wird noch heute der Plöcken-Paß im Italienischen genannt. M. Pollak, Der Attergau als archäologische Fundlandschaft. In: P. Trebsche/M. Pollak/Gruber (Hrsg.), Eisenzeitliche Hügelgräber im Attergau. Fundberichte aus Österreich. Materialien Reihe A, Sonderheft 5 (Wien 2007) 14.
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Befestigung auf dem Martinj hrib ist in die Sperrmauer eingebunden, die südlich von Dolenji Logatec nahe der römischen Straße verläuft. Die Anlage mit einer Fläche von ca. 600 m2 besaß einen gedeckten und geheizten Raum (31 m2) im Inneren. Vergleichbar wäre damit auf dem Katzenlocherbühel (bei Kastelruth, Südtirol) eine kleine Befestigung (800 m2) mit einem Gebäude, vermutlich einem Turm.123 Als Vergleich sei darauf hingewiesen, daß das Castrum mit Horrea in Veldidena etwa die zehnfache Fläche bedeckte (vgl. S. 613). Acht Kilometer östlich der Stadt Teurnia ist in Baldersdorf römische Besiedlung feststellbar.124 Es handelt sich um kaiserzeitliche Grabbauten, vermutlich um eine Villenanlage und um spätantike Gräber. Oberhalb der Hangterrasse steht heute auf einem Felssporn die Kapelle St. Magdalena, wo bei Ausgrabungen unter anderem spätantike Keramik zutage kam.125 Weiter bergwärts zum langgezogenen Rücken des Fratres, nahe dem Weg zum Millstätter See, liegt eine Rückfallkuppe, die „Lug ins Land“ genannt wird und früher Zmölnigkofel hieß. Abgesehen von hallstattzeitlichen Spuren blieben hier die Mauerreste einer kleinen spätantiken Befestigung (ca. 600 m2) erhalten, von der die besser zugängliche Westseite infolge Steinraubes weitgehend abgetragen wurde (Abb. 18).126 An der Kante über der südwestseitigen Felswand waren keine Fundamentreste erkennbar. Ein kleiner Bach an der Ostseite des Hügels konnte den Trinkwasserbedarf sicherstellen. Vielleicht darf man diese Befestigung mit der Sicherung von Vorräten in Verbindung bringen, ähnlich wie wir dies aus der Vita des hl. Florinus kennen. Florinus sollte für den Abt seines Klosters Wein aus dem castellum holen, den er aber einer Frau als Medikament für ihren kranken Mann gab. Als der Mönch nochmals zum Kastell zurückkehrte, war es schon dunkel, und das Tor wurde nicht mehr geöffnet.127 Offensichtlich konnten Klostergemeinschaften oder wohl auch Privatpersonen in Klein-
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F. und E. Schubert, Der Katzenlocher Bühel bei Kastelruth. Der Schlern 47, 1973, 60ff. F. Glaser, Baldersdorf zur Römerzeit. In: K. Karpf/Th. Meyer (Hrsg.), Die große Geschichte einer kleinen Kirche (2003). H. Losert, Die Funde der Grabungen 1995–1997. In: K. Karpf/Th. Meyer (Hrsg.), Die große Geschichte einer kleinen Kirche (Spittal an der Drau 2004) 109 ff. Die breite Datierung der Keramik als spätantik-frühmittelalterlich ist im Kärntner Raum nichtssagend, weil sich die Siedlungs- und Bevölkerungsstrukturen grundlegend im beginnenden 7. Jahrhundert ändern. Es handelt sich bei dem Gefäß um ein spätantikes Produkt, wie wir es vergleichsweise auch vom Hemmaberg kennen: Ladstätter (wie Anm. 12) Taf. 51/1. K. Gostencˇnik, Die Ausgrabungen auf dem „Lug ins Land“ bei Molzbichl von 1992 bis 1995 – Ein Vorbericht. Carinthia I 190, 2000, 101 ff. Die zerstörte Nordwestseite kann nicht als Merkmal von Unfertigkeit gelten. Vita S. Florini, cap. 3–5. Der Heilige füllt Wasser in den Krug und übergibt ihn dem Abt. Das Wasser war zu Wein geworden.
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Abb. 18. Kleine Höhenbefestigung auf dem Lug ins Land bei Molzbichl (Kärnten).
festungen ihre Güter sicher lagern, ähnlich wie im Mittelalter Kaufleute Magazine in Burgen mieteten. L. Borhy hat gezeigt, daß Horrea und Magazine für den militärischen Nachschub in kleinen Festungen im Hinterland gesichert wurden, zu denen auch die befestigten und oben besprochenen Speicher von Veldidena und Teriolis gehören.128 Insofern wäre es interessant zu wissen, ob beispielsweise Kaufleute gegen Gebühr ihre Güter auch in militärischen Magazinen lagern konnten. In der Vita Severini erfahren wir, daß die reiche Witwe Procula anläßlich einer Hungersnot in Favianis (Mautern) ihre Speicher öffnete.129 Sogleich im nachfolgenden Kapitel der Vita Severini berichtet Eugippius von Barbarenräubern, die in einem unvermuteten Raubzug alle Menschen und das ganze Vieh außerhalb der Mauern wegführten. Das Suchen der Feinde nach Lebensmitteln in der Gegend vor den Mauern von Lauriacum (Lorch bei Enns) und Viehraub werden vom gleichen Autor bezeugt.130 Gegen solche räuberischen – oft in den Quellen be128
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L. Borhy, Non castra sed horrea. Zur Bestimmung einer der Funktionen spätrömischer Binnenfestungen. Bayerische Vorgeschichtsblätter 61, 1996, 207 ff. Eugippius, vita Severini 3,2. Eugippius, vita Severini 30,4.
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legten – Gefahren konnte man sich nur mit entsprechenden Mauern und rigorosen Vorschriften schützen, wie dies die Legende des Florinus zeigt. Im Fall des „Lug ins Land“ ist noch zu fragen, ob befestigte Magazine abseits der Siedlung auch von einer lokalen Miliz geschützt werden konnten. Weitere Anlagen, denen aufgrund ihrer Lage militärischeBedeutung zugesprochen wird, konnten nicht in aussagekräftigen Plänen erfaßt werden. Oft liegen nur wenige Daten vor, wie zum Beispiel für Pittersberg oder Ödenfest bei Pölling.
Fliehburgen Die beschriebenen Kleinkastelle werden bei S. Ciglenecˇki von jenen Anlagen unterschieden, die als Fliehburgen bezeichnet werden. Ummauerungen sind manchmal nur an einer Seite vorhanden. Erweckte beispielsweise der Steinerberg den Eindruck der Sicherung einer „Fliehburg“ mit Wällen,131 so haben die Grabungen von P. Gleirscher eine 1,2 m starke Ringmauer aus Mörtelmauerwerk zutage gebracht, die ein Areal von einem Hektar umfaßte und einen Erdwall des 3. Jahrhunderts ersetzte. Wahrscheinlich ist die Anlage als militärische Festung zu verstehen.132
Der Kirchenbau In diesem Rahmen sollen nur einige Ergebnisse der jüngeren Ausgrabungen und Forschungen zusammengefaßt werden, da dem Leser ein kürzlich erschienenes umfangreiches Werk zu diesem Thema (mit den entsprechenden Literaturangaben) zur Verfügung steht.133 Der Kirchenbau beginnt in Noricum um 400, als die Ostung allgemein gebräuchlich wird.134 Ältere 131 132 133
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Ciglenecˇki (wie Anm. 3) 118 f. P. Gleirscher, Karantanien. Das slawische Kärnten (Klagenfurt 2000) 61. F. Glaser, Der frühchristliche Kirchenbau in der nordöstlichen Region (Kärnten/Osttirol). In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit (München 2003) 213 ff.; ders., Frühchristliche Kirchen an Bischofssitzen, Pilgerheiligtümern und in befestigten Höhensiedlungen. In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), a.a.O. 865ff. Vgl. auch: ders. (wie Anm. 35); ders. (wie Anm. 74) 95ff.; ders., Über das Christentum im Alpen-Adria-Raum nach archäologischen Zeugnissen. In: G. Hödl/ J. Grabmayer, Karantanien und der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter (Wien, Köln, Weimar 1993) 235ff.; ders., in: E. Boshof/H. Wolff, Das Christentum im bairischen Raum (Köln, Weimar, Wien 1994) 193 ff. Durch die Entdeckung der Kirche am Fuße des Hemmaberges bei der Straßenstation Iuenna (siehe oben S. 624) ergeben sich nun die Fragen, ob nicht schon das Gotteshaus im
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Kulträume (Hauskirchen) sind bisher nicht nachweisbar. Die Gestaltung des Chorabschlusses und der Standort der Klerusbank stellen weder ein zeitliches noch ein regionales Charakteristikum (zum Beispiel Begrenzung auf eine Metropolie) dar. In den meisten älteren Studien wird nur der Grundriß in selektiver Betrachtungsweise herangezogen und nicht der Raum als dritte Dimension betrachtet.135 Maßgeblich sind die Einrichtungen für den Reliquienkult und die Wahl von Baukonzepten. Überblickt man die Grundrisse der Kirchen (Abb. 19), so ergeben sich fünf verschiedene Entwurfsprinzipien für die Innenraumgestaltung, die jedoch nicht auf einen regionalen Typus einzuengen sind: (1) Die eingezogene Apsis einer Kirche kann die Klerusbank aufnehmen. (2) Wenn sich allerdings in der eingezogenen Apsis ein Märtyrergrab befindet, dann wird die Klerusbank in das Kirchenschiff gerückt. (3) Eine weite Apsis in der Breite des Kirchenschiffes bedingt eine freistehende Klerusbank, welche einen geringeren Radius braucht. (4) Beim geraden Chorschluß einer Kirche kann die Klerusbank im Scheitel die Ostwand berühren. (5) Im rechteckigen Kirchensaal steht aber meistens die Klerusbank frei. Aus der Grundrißform der Kirchen allein darf man nicht auf die Funktion schließen. Die Apsis hat in der römischen Baukunst die Aufgabe, einen Bereich im Raum zu betonen, und kann daher sowohl für die Aufnahme des Märtyrergrabes als auch der Klerusbank dienen. Der Baumeister gestaltet entsprechend dem Bauauftrag mit allen Mitteln der römischen Architektur die Sakralräume. Je talentierter er war, desto eigenständiger der Entwurf. Die Sakralbauten auf dem Hemmaberg und die Kirchen in Teurnia weisen auf anspruchsvolle Auftraggeber und zeigen deutlich, wie der Architekt mit den Baukörpern umging und sie für unterschiedliche liturgi-
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ausgehenden 4. Jahrhundert errichtet wurde, oder ob die Straßenstation im Tal weiter parallel mit der neu gegründeten Höhensiedlung bestand. Vielleicht werden die Ausgrabungen der Bischofskirche in Virunum oder Nachuntersuchungen an der Kirche in Aguntum Antworten auf diese Fragen bringen. R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Norikum (Wien 1916) 110 ff.; G. Piccottini, Carinthia I 161, 1971, 9 ff.; G. C. Menis, La basilica paleocristiana nelle diocesi settentrionali della metropoli d’Aquileia (Città del Vaticano 1958) 183 ff.; ders., Antichità Altoadriatiche 9, 1976, 375 ff.; ders., in: Friaul lebt. 2000 Jahre Kultur im Herzen Europas (1977) 42ff.; D. Rendic´-Miocˇevic´, in: Kulturhistorische und archäologische Probleme des Südostalpenraumes in der Spätantike (Wien, Graz, Köln 1985) 119 ff. – Vgl. dagegen: T. Ulbert, Vranje bei Sevnica. Frühchristliche Kirchenanlagen auf dem Ajdovski gradec (Ljubljana 1975) 71; Glaser (wie Anm. 35); ders. (wie Anm. 74) 95ff.; ders., Über das Christentum im Alpen-Adria-Raum nach archäologischen Zeugnissen. In: G. Hödl/J. Grabmayer, Karantanien und der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter (Wien, Köln, Weimar 1993) 235 ff.; ders., in: E. Boshof/H. Wolff, Das Christentum im bairischen Raum (Köln, Weimar, Wien 1994) 193 ff.; N. Duval, Quelques remarques sur les „églises-halles“ (Résumé). Antichità Altoadriatiche 22, 1982, 399ff.
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Abb. 19. Die Grundrisse der frühchristlichen Kirchen Norikums.
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sche Ansprüche verwendete. Die Vorstellung von R. Egger am Beginn des 20. Jahrhundert, daß sich die Kirchengrundrisse in Noricum eigenständig vom rechteckigen Saal zum Apsidenraum entwickelt hätten, würde bedeuten, daß der Sakralbau die Architektur seiner Zeit ignoriert hätte.136 Die Vermutung von N. Duval, daß es sich bei der freistehenden Klerusbank um Innenapsiden handelt,137 wird durch die Verwendung von Erdmörtel für die Klerusbank der ersten Bauperiode der Bischofskirche in Teurnia widerlegt. Aber auch die eingangs geschilderte Rekonstruktion des Presbyteriums der Kirche extra muros in Teurnia gibt derartigen Spekulationen keinen Raum. Der einschiffige Kirchensaal (Menis: unicità del aula) ist nicht auf die alpin-aquileiische Region beschränkt, sondern ist im gesamten Alpen- und Balkanraum gebräuchlich. Der einheitliche Saal ist nicht nur das Merkmal kleinerer Kirchen oder das Ergebnis mangelnder Geldmittel. Gerade die Kirchen in Teurnia zeigen (S. 620), daß man einschiffige Kirchensäle bewußt wählte und die Hallen mit Säulen nach außen öffnete. Die Kirche mit Querschiff oder Querannex ist ein weitverbreiteter Typus, der auch in Noricum sehr oft auftritt (Abb. 19), aber bisher keine Beachtung fand. Dieser Kirchentypus mit Querschiff ist wie in S. Croce in Ravenna oder in Sepen (früher Veglia) auf Krk mit äußeren Hallen versehen. In Teurnia besaßen die Säulenhallen wie bei S. Croce eine Brüstungsmauer. Die Anspielung auf die Form des Kreuzes wird in S. Croce durch die sekundäre Erweiterung der Transepte deutlich. Diese Beobachtungen sind sicher maßgeblich für die Rekonstruktion der frühchristlichen Kirche S. Giovanni in Aquileia. Die Kirche in Celeia im südöstlichen Noricum gehört ebenfalls zu diesem Typus, ist aber im Gegensatz zur Basilica della Beligna in Aquileia nur einschiffig. Der Raumeindruck der Transeptkirchen wurde durch die drei Bögen entscheidend bestimmt, die von den Querschiffmauern über die Säulen an den Häuptern der Klerusbank verliefen (Abb. 4). Wie sich bei der Kirche extra muros in Teurnia nachweisen läßt, war das Transept mit einem Satteldach bedeckt, sodaß es außen im Baukörper deutlich hervortrat (Abb. 3). Oft wurden schon komplizierte Messfiguren als Grundlage der einfachen Kirchengrundrisse vermutet. An mehreren Kirchen Norikums läßt sich zeigen, daß zum Beispiel die mehrfach aufgetragene Breite des Narthex die maßgeblichen Abstände im Grundrißplan bestimmte und der Querschiffbreite entsprach. Das Maß von hundert Fuß für manche Kir136
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R. Egger/R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Norikum (Wien 1916) 110 ff. Duval (wie Anm. 135) 409f.
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chen wurde vermutlich bewußt gewählt, da dies der Länge des salomonischen Tempels entsprach, der auch maßgeblich war für die Vorhänge des Presbyteriums. Entgegen der früheren Rekonstruktion besaßen die Chorschrankenanlagen in Noricum nicht nur halbhohe Pfeiler, sondern auch Säulchen, Architrav und Vorhänge (Abb. 4). Wie die Bestellung Amalasuinthas, der Tochter des Ostgotenkönigs Theoderich, und der Schiffsfund vor der Küste Siziliens bei Marzamemi belegen, lieferten die Werkstätten von Konstantinopel vollständige Chorschrankenanlagen, die auch für die Kirchen im Westen paßten. Die Vorhänge spiegeln auch die Orientierung des Klerus am Priestertum des Alten Testaments, dem zufolge nur der Hohe Priester im Tempel von Jerusalem den Vorhang zum Adyton durchschreiten durfte. Das abgeschlossene Presbyterium mit Altar und Märtyrergrab war so zum Adyton geworden. Daher unterscheiden sich die Kirchen Norikums (und der benachbarten Regionen) in der Gestaltung des erhöhten Presbyteriums maßgeblich von den frühesten Sakralbauten Aquileias. Für die Marmorbearbeitung der Altarschranken mußten im alpinen Raum ebenso wie für die Mosaiken Werkstätten im oberen Adriaraum herangezogen werden. In je einer Kirche in Lavant und auf dem Hemmaberg kommt eine Solea vor. Im Fall von Lavant führte sie vom Presbyterium zum Ambo. Da Ambonen im alpinen Raum meist fehlen, muß man damit rechnen, daß der ungedeckte Altar während des Wortgottesdienstes als Lesepult verwendet wurde. Wichtig für die Ausstattung der Kirchen ist die Beobachtung von Fußwaschbecken in der äußeren Halle der Bischofskirche von Teurnia, wodurch die mailändische Taufliturgie für Noricum bezeugt ist. Laut Ambrosius und Augustinus erfolgte zwischen dem Initiationsritus und der ersten Messfeier der Reinigungsritus der Fußwaschung des Neophyten im Gegensatz zur römischen Liturgie.138
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Ambrosius, de sacramentis 3, 4–7. De mysteriis 31–33.
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 643–713 © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Castra und Höhensiedlungen in Südtirol, im Trentino und in Friaul Volker Bierbrauer
Südtirol und das Trentino (I) einerseits und Friaul andererseits (II) behandele ich getrennt, da beide Untersuchungsräume geomorphologisch zu unterschiedlich sind: Südtirol und das Trentino sind bekanntermaßen alpin geprägt, Friaul im wesentlichen durch seine ‚pianura‘ (Tiefebene), woraus sich unterschiedliche Fragestellungen ergeben. Für beide Untersuchungsräume gehe ich zunächst auf die Schriftquellen und den historischen Befund ein und erst danach auf die archäologischen Quellen und Befunde, dort jeweils auf die Schriftquellen und deren Auswertung durch die historische Forschung rekurrierend. Durch diese strikte Trennung möchte ich gemischte Argumentationen vermeiden, die in hohem Maße die archäologische und auch teilweise die historische Forschung kennzeichnen. Meine Vorgehensweise folgt im historischen Teil für Südtirol und das Trentino den vier Zeitebenen: der spätrömischen (a), der ostgotenzeitlichen (b), der byzantinischen (c) und der langobardenzeitlichen (d), was im archäologischen Teil mit dieser strikten Trennung nicht möglich ist. Im Sinne einer zielführenden und auch fächerübergreifenden Auseinandersetzung mit meinem Vortragsthema werden die in den Schriftquellen namentlich überlieferten Anlagen (castra und castella) eine besondere Rolle spielen.1 Schon vorab sei zur Enttäuschung des Lesers formuliert: Allgemein gültige, ja generalisierende Ergebnisse kann ich nicht erarbeiten; dies ist wegen der unbefriedigenden archäologischen Quellenlage nicht möglich, was nach meiner Auffassung auch nicht selten auf die Schriftquellen und deren Auswertung durch die historische Forschung zutrifft. Dennoch hat es an solchen Versuchen nicht gefehlt (s. u.), und auch für diese gilt, daß jeder Verallgemeinerung selbstredend bereits der Keim ihrer eigenen Contradictio innewohnt, erst recht – wie gesagt – angesichts einer schlechten Quellenlage. Gesichertes Wissen ist, auch dies eine Selbstverständlichkeit, von nicht gesichertem
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Hinsichtlich des ausführlichen Anmerkungsapparates mußte ich dennoch aus der Fülle der historischen und archäologischen Literatur auswählen.
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streng zu trennen. Aus diesem Grund werde ich immer wieder von Arbeitshypothesen sprechen, die mir gegenwärtig vertretbar erscheinen. Hierauf lege ich besonderen Wert, da vermeintlich gesicherte, durch die Archäologie vorgetragene Ergebnisse in den hinreichend bekannten interdisziplinären Kreislauf bzw. circulus vitiosus gelangen, meist bereits schon im Stadium der sogenannten gemischten Argumentation. Der Historiker, der mit der Archäologie nicht ausreichend vertraut ist, übernimmt allzu oft solches vermeintlich gesichertes Wissen vom Archäologen und umgekehrt, nicht selten die Geburtsstunde auf den ersten Blick überzeugend wirkender Geschichtsbilder.
I. Südtirol und Trentino 1. Schriftquellen und historischer Befund a. Der tractus Italiae circa Alpes sub dispositione viri spectabilis comitis Italiae in der Notitia Dignitatum, pars occidentis mit ihrer letzten Redaktion zwischen 425 und 429: Der tractus erbringt für unsere Erörterungen nichts, da keine Anlagen namentlich genannt sind. Da man mit großer Gewißheit annehmen darf, daß er zum Schutz der italischen Nordgrenze am Südrand der Alpen zu lokalisieren ist und nicht in den Alpen, berührt er auch Südtirol und das (nördliche) Trentino nicht.2 Dieses Nichtwissen schließt unter anderem die Frage ein, ob es sich um ein mehr oder minder lineares Befestigungssystem handelte, sich auf befestigte Städte und Höhensiedlungen (castra, castella) bezog und welcher Art die Besatzungen waren.3 Trotz dieser konkreten Unkenntnis über den tractus erwähne ich ihn, weil sowohl in der historischen als auch in der archäologischen Forschung immer wieder eine militärisch bestimmte Kontinuität in ostgotische, byzantinische und langobardische Zeit vermutet wurde, insbesondere bezogen auf die Castra meiner beiden Untersuchungsgebiete (s. u.). 2
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Notitia Dignitatum utriusque imperii, ed. O. Seeck (11876), (21962), occ. XXIV, 5; G. Clemente, Problemi politico-militari dell’Italia settentrionale nel tardo impero. In: Athenaeum, fasc. speciale (Convegno in memoria di P. Fraccaro, Pavia 1975) (1976) 162–172; ders., La Notitia Dignitatum. In: Il passaggio dal mondo antico al Medioevo. Da Teodosio a S. Gregorio Magno. Convegno Internazionale (Rom 1977) (1980) 38–49; vgl. auch H. Zeiss, Die Nordgrenze des Ostgotenreiches. Germania 12, 1928, 26–29; R. Schneider, Fränkische Alpenpolitik. In: H. Beumann/W. Schröder (Hrsg.), Die transalpinen Verbindungen der Bayern, Alemannen und Franken bis zum 10. Jahrhundert (1987) 32f. und mit weiterer Literatur: Milano capitale dell’impero 286–402 d.c. Mostra Milano, Palazzo Reale (1990) 38 Nr. 1c.1a, 53 Nr. 1e.1, 54 Nr. 1e.1b, 55 f. 1e.2 und 1e.3. Vgl. z. B. Zeiss (wie Anm. 2) 27.
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b. Die Augustanae clusurae, überliefert in einem Schreiben Theoderichs an den Praetorianerpräfekten Faustus für die Jahre 507/511:4 Wo diese clusurae mit ihren 60 milites lagen, ist umstritten; wurde eine Lokalisierung versucht, dachte man meistens an Aosta (Augusta Praetoria) bzw. an das Aostatal.5 Die in diesem Brief gebrauchten Bezeichnungen finalibus locis und porta provinciae sowie ähnliche6 lassen eher an die Südausgänge der Alpen denken als an das inneralpine Gebiet,7 dies ganz im Sinne von H. Wolframs erster gotischer „Verteidigungslinie“.8 Für diese clusurae sind die Besatzungen nicht erwähnt, für die H. Wolfram sowohl ostgotische Truppen wie lokale Milizformationen annimmt.9 Nur aus Prokop weiß man, daß in den Kottischen Alpen „zahlreiche edle Goten mit ihren Weibern und Kindern [die dort schon seit langem wohnten] die Grenzwacht [versahen]“, worauf sich sehr wahrscheinlich ein Theoderich-Brief aus dem Jahre 509 beziehen läßt.10 Die einzige namentlich bekannte Anlage, die in mein Arbeitsgebiet fällt, ist das castellum Verruca. In einem Schreiben aus den Jahren 507/511 an die Universis Gothis et Romanis circa Verrucam castellum consistentibus fordert Theoderich seinen saio Leodefridus auf (Leodefrido saioni nostro praesenti delegavimus),11 für den Fall kommender Gefahr, domicilia in Verruca castello zu erbauen. Ob dieses Schreiben sehr konkret in den zuvor erwähnten Kontext der Augustanae clusurae einzuordnen ist, um noch in Friedenszei-
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Cassiodor, Variae II, 5, MGH AA 12 (1894) 49f. (ed. Th. Mommsen). Vgl. z. B. V. Bierbrauer, Die ostgotischen Grab- und Schatzfunde in Italien (1975) 34; A. Settia, Le fortificazioni dei Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 1992 (1993) 110 (dort in Anm. 34 auch der Text abgedruckt); H. Wolfram, Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts (31990) 306 mit Anm. 126. Cassiodor, Variae II, 19 (wie Anm. 4) 57: Brief Theoderichs an die Universi Gothi et Romani vel qui portibus vel clusuris praesunt, also allgemein gerichtet an Goten und Romanen, denen die Bewachung von Häfen und clusurae obliegt (für die Jahre 507/11). Z. B. Settia (wie Anm. 5) 111; Bierbrauer (wie Anm. 5) 33–35; so schon u. a. R. Heuberger, Rätien im Altertum und Mittelalter (11932), (21981) 126 und 133 f. – Zum Bestallungsformular des dux Raetiarum Servatus (Variae VII,4) mit Raetia … munima sunt Italiae et claustra provinciae vgl. immer noch Heuberger a.a.O. 130–135; Zeiss (wie Anm. 2) 29f.; Settia (wie Anm. 5) 113; Wolfram (wie Anm. 5) 316. Wolfram (wie Anm. 5) 316. Vgl. Anm. 8. Prokop, bellum gothicum II, 28; Brief Theoderichs: Provincialibus Alpium Cottiarum … qui viam Italiae defensoribus (Variae IV, 36 [wie Anm. 4] 130), hierzu Bierbrauer (wie Anm. 5) 34. Cassiodor, Variae III, 48 (wie Anm. 4) 103 f. Der Brief ist in großen Teilen abgedruckt bei Settia (wie Anm. 5) 113 Anm. 44 und vollständig bei: V. Chiocchetti und P. Chiusole, Romanità e medioevo nella Vallagarina (1965) 180; vgl. ferner M. Pavan, Il Trentino in età gotica. Atti della Accademia Roveretana degli Agiati. Contributi della Classe di Scienze Umane, di Lettere ed Arti. Anno Accademico 236 (1986), Serie VI, Vol. 26 (1987) 32–36.
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ten die Nordflanke des Ostgotenreiches zu sichern, ist möglich, vor allem wegen des Hinweises castrum … tenens claustra provinciae. Aber auch um sehr viel weiter südlich gelegene Plätze sorgte sich Theoderich, so zum Beispiel in einem weitgehend ähnlichen Schreiben an die Universi Gothi et Romani Dertona consistentes. Er ordnete an, daß „das bei euch errichtete (bestehende) Castrum befestigt werde, weil alles, was kriegerische Auseinandersetzungen angeht, immer dann gut geplant ist, wenn es bereits in Friedenszeiten betrieben wird“.12 Dertona (Tortona) liegt ganz im Südosten Liguriens bei Allessandria, und die Stadt war unbefestigt.13 Was sagt der Brief zu Verruca für unsere Vortragsproblematik aus? Unstrittig ist 1., daß Goten und Romanen in der Talschaft um Verruca siedelten und 2., daß sie sich im Falle der Gefahr in das castrum Verruca zurückziehen können, für das sie durch Häuserbau bereits Vorsorge treffen sollten. Daraus folgt 3., daß es sich zum Zeitpunkt von Theoderichs Brief bei Verruca nicht (schon) um eine im 5. Jahrhundert dauerhaft angelegte Höhensiedlung gehandelt haben kann, sondern um ein (vorzubereitendes bzw. vorbereitetes) Refugium für beide Bevölkerungsgruppen. Somit war Verruca auch keine mit ostgotischen milites belegte Militärstation trotz der Bezeichnung tenens claustra provinciae. 4. wird Verruca auffallend genau beschrieben und als castrum wegen seiner topographischen Eigenschaften gerühmt: Est enim in mediis campis saxeus in rotunditate consurgens … castrum pene in mundo singulare tenens claustra provinciae. Strittig ist jedoch, wo Verruca zu lokalisieren ist: Anders als im Falle von Dertona14 wird für die um das Castrum von Verruca Siedelnden merkwürdigerweise keine geographisch-territoriale Angabe gemacht, auch nicht ein Bezug zum Schutze der ummauerten Stadt Tridentum, die der königlichen Kanzlei in Ravenna natürlich bekannt war, zum Beispiel durch die Anlage eines staatlichen Getreidespeichers.15 Dennoch wurde Verruca meist auf den Doss Trento extra muros von Tridentum auf der jenseitigen Etschseite bezogen, so auch von mir, unter anderem geleitet durch die auffallende Beschreibung des Castrum, die vorzüglich auf den Doss Trento zu passen scheint (Taf. 1).16 12
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Cassiodor, Variae I, 17 (wie Anm. 4) 23 f.; hierzu ausführlich V. Bierbrauer, Ostgotische und ostgotenzeitliche Grabfunde von Tortona, Prov. Alessandria. Bollettino della Società pavese di storia patria N. S. Bd. 22–23, 1970/71, 27–54, bes. 49–51; Settia (wie Anm. 5) 112, 122 f. mit Abdruck der Quelle 122 Anm. 74. Prokop, bellum gothicum II,23; Settia (wie Anm. 5) 122; vgl. auch Anm. 6. Vgl. Anm. 12. Cassiodor, Variae X, 27 (wie Anm. 4) 314 (für 535/536). Vgl. hierzu zuletzt: Settia (wie Anm. 5) 113–115, 123 f.; V. Bierbrauer, Frühmittelalterliche Castra im östlichen und mittleren Alpengebiet: Germanische Wehranlagen oder romanische Siedlungen? Ein Beitrag zur Kontinuitätsforschung. Archäologisches Korrespondenzblatt 15, 1985, 497 f. Taf. 56,1 (übersetzt ins Italienische in: V. Bierbrauer/C. G. Mor
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Abgesehen von der Verbindung des Namens Verruca mit dem castrum Ferruge der Langobardenzeit, dessen Lokalisierung aber gleichfalls nicht gesichert bzw. umstritten ist (s. u.), taucht Verruca in der Geschichte Trients auch später nicht mehr auf.17 Jene, die diesen Bezug von Verruca auf den Doss Trento ablehnen, sehen das theodorianische castellum in Frags (heute mit der Fragsburg, erbaut 1357) südlich von Meran auf der linken Etschtalseite:18 Der mächtige, weithin sichtbare Hügel ist 724 m hoch und liegt 448 m über dem Etschtal und von diesem aber ca. 1,5 km entfernt. Er fällt nach allen Seiten steil ab, und das wenig gegliederte Plateau ist mit ca. 1600 m2 ca. 80 m lang und ca. 25 m breit.19 Nach V. Chiocchetti und P. Chiusole soll Frags sprachgeschichtlich auf Ferruge zurückgehen.20 Trotz der strittigen Lokalisierung bleibt doch der oben genannte Gesamtbefund der Quelle zu Verruca, der nochmals pointiert zusammengefaßt sei: 1. Läßt sich anhand dieser Quelle keine ostgotische Militärstation und 2. keine generelle Veränderung im Siedelverhalten der Menschen von der Talsiedlung zur Höhensiedlung erkennen, insbesondere nicht für die Romanen. Diese Feststellungen lassen sich auch über Verruca hinaus auf das gesamte Arbeitsgebiet in Südtirol und im Trentino erweitern, da auch die Augustanae clusurae nicht gesichert auf dieses zu beziehen sind. c. Konkrete Angaben in dieser Hinsicht fehlen auch für die Endzeit des Ostgotenreichs, die zugleich auch eine Geschichte der frühen fränkischen Alpenpolitik unter Theudebert I. und seines Nachfolgers Theudebald (Ende 533 – Ende 555) ist, in die bekanntermaßen auch Byzanz verwickelt war. Dies verwundert, da die Heerzüge der Franken und die kriegerischen Auseinandersetzungen einschließlich der in fränkischem Auftrag bis nach Süditalien vorgedrungenen alamannischen Herzöge Leuthari und Butilin
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[Hrsg.], Romani e Germani nell’arco alpino (secoli VI–VIII) [1986] 250–252); E. Cavada, Tombe di età teodericana a Trento. In: Teoderico il Grande (wie Anm. 5) 627 f. mit Anm. 34; G. Albertoni, Modelli di affermazione vescovile nell’arco alpino altomedievale: Il caso dei vescovi di Sabiona e Trento. In: Paolo Diacono e il Friuli altomedievale (secc. VI–X). Atti del XIV Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo (2001) 158. Cavada (wie Anm. 16) 627 mit Anm. 34; für den Doss Trento: Castrum Trentum – 1280, Castrum Tridentinum und Dossum Casteltridenti – 1329. Settia (wie Anm. 5) 114; ausführlich: Chiocchetti/Chiusole (wie Anm. 11) 177–182. Nach G. Innerebner, Die Wallburgen Südtirols. Bd. 2: Vintschgau, Burggrafenamt, Überetsch (1975) 80–82 (Fundmaterial bisher nur aus der Bronzezeit); Foto bei Chiocchetti – Chiusole (wie Anm. 11) 179 Abb. 5. Chiocchetti/Chiusole (wie Anm. 11) 182, jedoch ohne Nachweise; bei C. Battisti/G. Giacomelli, I nomi locali del Burgavriato di Merano (1970) 68 findet sich nur de Trifago – 1355, de Tyfrages – a. 1357 und Fragsberg – 1377. Zurecht ablehnend: W. Landi, Enn-Montan im Frühmittelalter. In: Montan Bd. 1, hrsg. von der Schützenkompanie Montan (2003) 145 mit Anm. 139.
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insbesondere das Trentino betroffen haben. So starb Leuthari, „als er mit reicher Beute beladen nach Hause zurück ziehen wollte, zwischen Verona und Trient bei dem See Benacus (Gardasee) eines natürlichen Todes“.21 Dies alles, vielmals erzählt,22 läßt wieder nur – wie für das 5. Jahrhundert – die sehr allgemeine Feststellung zu, daß die im mittleren Alpenraum siedelnden Romanen sich besonders bedroht fühlten, verbunden mit der Vermutung, daß dies sich auch auf ihr Siedelverhalten ausgewirkt haben könnte. Auch das byzantinische Intermezzo nach dem Tod Chlotars I. (560–561) bis zur Errichtung des Langobardenreiches 568, einschließlich der Episode um den magister militum, den Heruler Sindual(d), der im Auftrag von Narses die regio Tridentina schützen sollte, reiht sich in dem zuvor erwähnten Sinne ein.23 d. Erst mit der Langobardenzeit liegt für mein Vortragsthema eine bessere Quellenlage vor, vor allem, weil eine Vielzahl von Castra namentlich aufgeführt ist. Das Schrifttum ist entsprechend umfangreich, einsetzend mit der langen und fundierten Studie von Bartolomeo Malfatti aus dem Jahre 1883 bis hin zu einem Aufsatz von Walter Landi von 2003.24 Die fränkische Alpenpolitik lebte unter Sigibert und seinem Sohn Childebert II. wieder auf;25 21 22
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Prokop, bellum gothicum II,2. Vgl. immer noch: G. Löhlein, Die Alpenpolitik der Merowinger im VI. Jahrhundert (1932) 3–50; H. Büttner, Die Alpenpolitik der Franken im 6. und 7. Jahrhundert. Historisches Jahrbuch 79, 1960, 62–88; Schneider (wie Anm. 2) 26–29; L. Dal Ri, Il declino della Romanità e la restaurazione bizantina nel Trentino del VI secolo. Atti della Accademia Roveretana degli Agiati. Contributi della Classe di Scienze Umane, di Lettere ed Arti. Anno Accademico 229 (1979), Serie VI, Vol. 19 (1979) 385–401. Löhlein (wie Anm. 22) 50–53, jedoch mit falschem Bezug der durch Paulus Diaconus erst für 590 genannten Castra; Heuberger (wie Anm. 7) 136 f. B. Malfatti, I castelli trentini distrutti dai Franci. Illustrazione a due capituli di Paolo Diacono. Archivio Storico per Trieste, l’Istria e il Trentino 2, 1883, 289–345 und Landi (wie Anm. 20) 124–155. Die wichtigste Literatur ist genannt bei Bierbrauer (wie Anm. 16) mit Anm. 15–18; ders., Die germanische Aufsiedlung des östlichen und mittleren Alpengebietes im 6. und 7. Jahrhundert aus archäologischer Sicht. In: H. Beumann/W. Schröder (Hrsg.), Frühmittelalterliche Ethnogenese im Alpenraum (1985) 20–33; ders., Langobarden, Bajuwaren und Romanen im mittleren Alpengebiet im 6. und 7. Jahrhundert. Siedlungsarchäologische Studien zu zwei Überschichtungsprozessen in einer Grenzregion und zu den Folgen für die ‚Alpenromania‘. In: W. Haubrichs/R. Schneider (Hrsg.), Grenzen und Grenzregionen (1994) 147–178 (wieder abgedruckt in: G. P. Brogiolo/L. Castelletti [Hrsg.], Il territorio tra tardoantico e altomedioevo. Metodi di indagine e resultati [1992] 31–51); ders., L’insediamento del tardoantico e altomedievale in Trentino – Alto Adige (V–VII secolo). Fondamentali caratteristiche archeologiche e notazione per una carta sulla diffusione degli insediamenti. In: G. C. Menis (Hrsg.), Italia longobarda (1991) 121–173. Löhlein (wie Anm. 22) 53–74; R. Heuberger, Frankenheere im Langobardenherzogtum Trient. Tiroler Heimat. Zeitschrift für Geschichte und Volkskunde Tirols. N. F. 4, 1931, 137–173; P. M. Conti, Romani e Germani nei territori alpini: antitesi politica, imitazione istituzionale e conflitto sociale (secoli VI–VII). In: Bierbrauer/Mor (Hrsg.), Romani (wie Anm. 16) 27–53; Büttner (wie Anm. 22); Schneider (wie Anm. 2).
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noch deutlicher als zuvor ist dabei das Romanentum der Hauptleidtragende. Für 575 ist ein militärischer Zusammenstoß zwischen Franken und Langobarden bezeugt: „In diesen Tagen ergab sich das castrum Anagnis, quod super Tridentum in confinio Italiae positum est, den Franken (se eisdem tradidit). Deswegen zog der comes Langobardorum de Lagare, Ragilo nomine, vor Anagnis und verwüstete das Gebiet. Als er aber mit seiner Beute zurückkehrte, stieß Chramnichis, der Frankenherzog, in campo Rotaliani auf ihn und machte ihn und viele von seinen Leuten nieder. Nicht lange nachher kam dieser Chramnichis alles verheerend bis nach Trient. Jedoch Evin, Tridentinus dux, verfolgte ihn, erschlug ihn samt seinen Leuten in loco qui Salurnis dicitur, nahm ihm alle Beute, die er gemacht hatte. Expulsisque Francis Tridentinum terrirorium recepit“.26 Anagnis ist mit Nanno im Nonsberger Noce-Tal zu identifizieren (Abb. 1).27 Anagnis wird bei Paulus Diaconus nach seinem für die Frühzeit so wichtigen Gewährsmann Secundus von Trient († 612) für 580 nicht als castrum, sondern in loco bezeichnet: Acta sunt suprascripta omnia in civitate Tridentina in loco Anagnis.28 Zwei völlig unterschiedliche Bewertungen zu Anagnis stehen einander gegenüber: Zum einen R. Heuberger, der – vor allem mit Verweis auf die Bezeichnung in loco bei Secundus – das castrum Anagnis für eine „wehrhafte Dorfsiedlung und nichts weiter“ hält,29 also mit Romanen verbindet, und andererseits die Interpretation durch P. M. Conti. Er glaubt, daß Anagnis ein militärisch bestimmtes Castrum gewesen sei, zunächst in byzantinischer Hand,30 dann von den Franken erobert und besetzt und danach langobardisch.31 Ich bin kein Historiker. Dennoch fällt mir auf, daß es keinen unstrittigen Beleg da-
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Paulus Diaconus, Historia Langobardorum III, 9, MGH SS rer. Lang. et Ital. saec. VI–IX (ed. L. Bethmann/G. Waitz [1878] 97 f. (deutsche Übersetzung nach: O. Abel, Paulus Diakonus und die übrigen Geschichtsschreiber der Langobarden [1849]); vgl. hierzu ausführlich P. M. Conti, La spedizione del „Comes Langobardorum di Lagare“ contro il „Castrum Anagnis“. Archivio per L’ Alto Adige 58, 1964, 305–318; Heuberger (wie Anm. 25) 142–154; J. Jarnut, Das Herzogtum Trient in langobardischer Zeit. Atti della Accademia Roveretana degli Agiati. Contributi della Classe di Scienze Umane di Lettere ed Arti. Anno Accademico 235 (1985), Serie VI, Vol. 25 (1986) 168–170; ders., Bozen zwischen Langobarden, Bayern und Franken. In: R. Lunz/L. Dal Ri (Red.), Bozen. Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern (1991) 136. M. Pfister, La popolazione del Trentino – Alto Adige verso l’anno 600. In: Menis (Hrsg.), Italia (wie Anm. 24) 177 und 194; Conti (wie Anm. 26) 308; zuletzt Landi (wie Anm. 20) 127. MGH SS rer. Lang. et Ital. (wie Anm. 26) 25 Anm. 3. Heuberger (wie Anm. 25) 142 f.; so auch Jarnut, Das Herzogtum (wie Anm. 26) 170. Hierbei stützt er sich auf eine nicht unproblematische Quelle, die Descriptio orbi romani von Georgius Cyprius, in der auch ein in byzantinischer Hand befindliches Kastron Anagnia erwähnt wird; so auch z. B. Löhlein (wie Anm. 22) 63. Conti (wie Anm. 26); ders. (wie Anm. 25) 36 f., 39.
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Abb. 1. Castra, von Paulus Diaconus erwähnt.
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für gibt, daß Anagnis zunächst ein byzantinisches und dann ein fränkisches Militärkastell war. Dies geht auch nicht aus Paulus Diaconus hervor: Hier wird nur berichtet, daß sich das Castrum den Franken ergab, von einer byzantinischen Besatzung ist nicht die Rede. Gesichert ist nur, daß das Etschtal unter Chramnichis vorübergehend von seinen Franken kontrolliert wurde, bis sie dann von Evin, dem dux Tridentinus vertrieben wurden. Die Interpretation von R. Heuberger scheint mir die quellennahere zu sein. Bei P. M. Conti überzeugt mich vor allem sein Analogieschluß bzw. die von ihm mit Verweis auf die Descriptio von Georgius Cyprius konstatierte Parallelität mit Susa und der Isola Comacina nicht, da dort kaiserliche magistri militum bezeugt sind,32 nicht aber ein solcher für Anagnis. Folgt man R. Heuberger, bleibt die für unsere Vortragsproblematik so wichtige Frage dennoch ungeklärt: Wann und warum wurde die romanische „wehrhafte Dorfsiedlung“, also das castrum Anagnis angelegt, das heißt schon im 5. Jahrhundert wegen der zunehmenden Bedrohung der romanischen Bevölkerung? Auf den Heerzug des Chramnichis folgten weitere fränkische Heerzüge unter Childebert II. in den Jahren 584, 585 und 588, um in Italien wieder Fuß zu fassen, wobei wiederum Byzanz die Hand im Spiel hatte.33 Dies war auch 590 so, als der umfangreichste fränkische Angriff gegen das Langobardenreich erfolgte, dies in einer Zangenoperation, die die Franken mit ihrem westlichen Heereskontingent bis vor Mailand und mit ihrem östlichen bis in die Valsugana und bis Verona führte. Hierüber berichten Gregor von Tours in komprimierter Form und ausführlich Paulus Diaconus. Für den östlichen Heereszug schreibt Gregor: „Chedinus war dagegen mit tredecim ducibus zur Linken in Italien eingerückt und eroberte dort fünf Burgen (castella), die er in Eid und Pflicht nahm … drei Monate fast durchzog das Heer Italien; da es aber nichts ausrichten konnte und am Feind nicht Vergeltung üben konnte, weil er sich in feste Burgen einschloß (in locis firmissimis) … so beschloß das Heer … in die Heimat zurückzukehren, … sie unterwarfen dabei jedoch der Herrschaft des Königs, was schon sein Vater zuvor gehabt hatte und ließen ihm in diesen Orten (locis) schwören, aus denen sie auch Gefangene und andere Beute mit sich fortschleppten“.34 Der Text wird von Paulus größtenteils wörtlich übernommen, jedoch mit einem 32
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Susa: Gregor von Tours, Historia Francorum IV, 44 (Sisinnius); Isola Comacina: Paulus Diaconus, Historia Langobardorum III, 27 (Francio); so schon Heuberger (wie Anm. 25) 144. Löhlein (wie Anm. 22) 64–67; Heuberger (wie Anm. 25) 138 f. Gregor von Tours, Historia Francorum X, 3 (zitiert nach: R. Buchner Hrsg.), Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein – Gedächtnisausgabe, Bd. III (1974) 332f.
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von mir gekennzeichneten wichtigen Einschub: „Cedinus mit dreizehn Herzögen zog nach der linken Seite Italiens, eroberte fünf Burgen (castella [! = V. B.]) und ließ sich von den Einwohnern Treue geloben. Bis vor Verona kam das Heer der Franken; die meisten Burgen aber (castra [! = V. B.]) ergaben sich ohne Widerstand, nachdem sie den eidlichen Versprechungen Glauben geschenkt hatten, daß ihnen kein Leid widerfahre. Die Namen der Burgen aber (nomina castrorum), die im Tridentinerland (in territorio Tridentino) zerstört wurden, sind: Tesana, Maletum, Sermiana, Appianum, Fagitana, Cimbra, Vitianum, Bremtonicum, Volaenes, Ennemase, et duo in Alsuca et unum in Verona. Und nachdem alle diese Burgen (castra) von den Franken zerstört worden waren, wurden sämtliche Einwohner (cives universi) von ihnen gefangen fortgeführt. Die Burg Ferruge (pro Ferruge vero castro) durfte sich durch die Vermittlung der Bischöfe Ingenuinus von Sabiona (Säben) und Agnellus von Tridentum loskaufen, und es mußten per capud uniuscuiusque viri solidus unus usque ad solidos sexcentos entrichtet werden [hier endet der Einschub des Paulus] … und nachdem es [das Heer: V. B.] sich drei Monate lang ohne etwas auszurichten in Italien herumgetrieben hatte, sich an seinen Feinden nicht zu rächen vermochte, die sich in die festesten Plätze (in locis firmissimis [! = V. B.] zurückgezogen hatten … so beschloß … das durch Hunger geschwächte Heer nach Hause zurückzukehren“.35 Über die Lokalisierung dieser Castra ist seit alters gestritten worden; es macht wenig Sinn, diese Literatur, zumal die landeskundliche, zusammenzustellen, da dies bei kritischer Kommentierung – soweit ich dies überhaupt vermag – einen eigenen Beitrag bedingen würde.36 Mit der folgenden Lokalisierung (Abb. 1) halte ich mich an den Saarbrücker Romanisten Max Pfister: Tesana–Tisens, Sermiana–Sirmian, Maletum–Mölten, Appianum– Eppan (alle in Südtirol), Fagitana–Fadana, Cimbra–Cembra (beide im Val di Cembra), Vitianum–Vezzano (im Sarca-Tal), Bremtonicum–Brentonico (bei Rovereto) und Volaenes–Volano (bei Rovereto);37 Ennemase wurde meist auf 35
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Paulus Diaconus, Historia Langobardorum III, 31 (wie Anm. 26) 111; Paulus berichtet also im Unterschied zu Gregor, daß alle castra zerstört worden seien. – Zu diesem Heerzug vgl. u. a. Löhlein (wie Anm. 22) 67–70; Heuberger (wie Anm. 25) 154–173. – Die Verwendung der Benennung castellum dürfte auf Secundus zurückgehen. Eine Übersicht bei Bierbrauer, Germanische Aufsiedlung (wie Anm. 24) 26–31; ders., L’insediamento (wie Anm. 24) passim; ergänzt sei noch z. B. Chiocchetti/Chiusole (wie Anm. 11) 176 f. Ausführlich befaßte sich hiermit außer Malfatti (wie Anm. 24) vor allem Heuberger (wie Anm. 25) 157–171, wobei er auch die von Paulus genannte Reihenfolge der Castra in Verbindung mit den möglichen Anmarschwegen des fränkischen Heeres diskutiert; zuletzt Landi (wie Anm. 20) 134–145. Pfister (wie Anm. 27) passim; ders., Il popolamento del Trentino settentrionale e del Sudtirolo prima dell’anno Mille. In: J. Kramer (Hrsg.), SIVE PADUS RIPIS ATHESIM SEV PROPTER AMOENUM. Festschrift für G. B. Pellegrini (1991) 285–307; so auch Landi
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Castelfeder-Enn (Montan) bei Auer (Ora) bezogen.38 Wie bei dem Castrum Verruca der Ostgotenzeit geht auch bei dem Castrum Ferruge die Forschungsmeinung in zwei Richtungen: der Doss Trento oder Frags bzw. Fragsburg39 oder mit Hinweis auf verderbte Lesarten die Burg Formigar (Siegmundskron) bei Bozen.40 Welche Schlußfolgerungen ergeben sich aus der Quelle zu 590? 1. Außer Ennemase und Ferruge handelt es sich um Ortsnamen vorlateinischen oder lateinischen Ursprungs, was auf ein hohes Alter der Castra schließen läßt.41 2. Einige der Castra liegen nicht an der Fernstraße Via Claudia Augusta bzw. an der durchs Noce-Tal und über den Tonale-Paß ins Bergamasco führenden Straße, sondern an Positionen, die für Militärstationen völlig unsinnig sind, so Cimbra–Cembra und Fagitana–Fadana42 im Avisiotal und Bremtonicum–Brentonico auf dem Hochplateau westlich von Trient;43 gleiches gilt für die Castra von Sermiana–Sirmian und Maletum–Mölten im Etschtal in deutlichen Rückzugspositionen.44 3. Außer für Ferruge benennt Paulus die Einwohner der Castra als cives: Damit sind eindeutig Romanen gemeint und nicht Langobarden, für die
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(wie Anm. 20) 128, 138–143. Abweichende Meinungen und Lokalisierungsmöglichkeiten vgl. S. 657 ff.). – Jedoch sei auf Probleme hingewiesen, Ortsnamen im Appelativ „di distinguere, si siano romani o medievali“: z. B. A. Settia, Stabilità e dinamismi di un’area alpina: strutture insediative nella diocesi di Trento. Atti della Accademia Roveretana degli Agiati. Anno Accademico 235 (1985), Serie VI, Vol. 25 (1986) 257 f. (mit Verweisen auf die Arbeiten von G. Mastrelli-Anzilotti). Ennemase aus Endidae mansio (?): Vgl. P. Reinecke, Endidae. Germania 10, 1926, 150–156; Baggio/Dal Ri, Die Vergangenheit von Castelfeder. In: Montan (wie Anm. 20) 34f. Dieser Lokalisierung widersprach zuletzt Landi (wie Anm. 20) 135–138, 143–145, zum einen, weil Ennemase in der Reihenfolge der Castranennungen bei Paulus an letzter Stelle steht, und andererseits aus philologischen Gründen, die überlegenswert sind; somit schlägt er Vigo Lomaso (S. Martino?) im Val di Sole vor, an einer Straße, die über den Paß von S. Giovanni ins Becken von Riva am Garda-See führt. Vgl. Anm. 18. Heuberger (wie Anm. 25) 161 f.: Femigero und Femugero; zurecht ablehnend: Landi (wie Anm. 20) 145 mit Anm. 137; vgl. auch Albertoni (wie Anm. 16) 161 mit Anm. 25. Vgl. Anm. 37. Wenn Fagitana nicht mit dem Dosso di Faedo im Etschtal gegenüber von Mezzocorona gleichzusetzen ist: so schon z. B. Heuberger (wie Anm. 25) 158; E. Cavada/M. Lanzinger, Il popolamento della valle dell’Avisio: dalle origini alla comunità medievali. In: M. Felicetti (Hrsg.), La Vallata dell’Avisio. Fiemme Fassa Cembra Altopiano di Piné (1995) 100 mit Anm. 98. Dies ist aus philologischen Gründen nicht zutreffend: vgl. Pfister (wie Anm. 27) 189 Nr. 166; Landi (wie Anm. 20) 140 f. Zur Lage: Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 163 Karte VI. Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 167 Karte VIII. Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 152 f. Karte I; ders. Germanische Aufsiedlung (wie Anm. 24) 30 Taf. 10,1; ders., Langobarden (wie Anm. 24) 155 Abb. 6.
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Paulus bzw. Secundus sicherlich von milites oder Langobardi gesprochen hätte; hierüber ist sich die Forschung weitestgehend einig.45 4. Paulus berichtet ferner, daß „sich die meisten castra ohne Widerstand ergaben, nachdem sie den eidlichen Versprechungen Glauben geschenkt hatten, daß ihnen kein Leid widerfahre“ (s. o.); dies paßt nicht zu Castra, die von Langobarden besetzt waren bzw. nicht zu Langobarden, die sich in ihnen verteidigten.46 5. Die Vermittlung der Bischöfe Agnellus von Trient und Ingenuinus bezog sich nicht nur auf das castrum Ferruge (s. o.), sondern auch auf die captivi aller castra: „Nachdem Agilulf oder Ago, wie er auch heißt, in seiner königlichen Würde bestätigt war, schickte er wegen derer, welche aus den tridentinischen Burgen von den Franken abgeführt worden waren (ex castellis Tridentinis captivi a Francis), den Bischof Agnellus von Trient ins Frankenland. Dieser kam mit einer ziemlichen Anzahl von Gefangenen zurück (aliquantos captivos), welche Brunihilde die Frankenkönigin mit ihrem eigenen Gelde losgekauft hatte“.47 Die Vermutung liegt nahe, daß die Bemühungen des Bischofs von Trient sich auf seine orthodoxen Romanen bezog. Ähnliches würde ich auch für das Bemühen dieses Oberhirten und seines Amtsbruders aus Sabiona (Säben) für die Freikaufaktion der Bewohner von Ferruge annehmen.48 Faßt man alle fünf Punkte zusammen, so spricht alles
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Z. B. Heuberger (wie Anm. 25) 164; Conti (wie Anm. 25) 45f.; Jarnut, Bozen (wie Anm. 26) 136; ders., Herzogtum (wie Anm. 26) 170; Landi (wie Anm. 20) 128; Albertoni (wie Anm. 16) 161. So schon Heuberger (wie Anm. 25) 164. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum IV, 1 (wie Anm. 26) 116; über diese Friedensverhandlungen berichtet auch Gregor von Tours, Historia Francorum X, 3. Anderer Ansicht ist Heuberger (wie Anm. 25) 165 f.: Die Einwohner von Ferruge hätten sich im Unterschied zu jenen in den anderen Castra „nicht freiwillig und widerstandslos den vorrückenden Austrasiern ergeben … Endlich legt die Tatsache, daß … Lösegeld mit 1 bis 600 Solidi für jeden Mann … berechnet wurde – für Frauen und Kinder wurde also nicht gezahlt – die Annahme nahe, daß sich auf dem in Rede stehenden Castrum auch und vor allem langobardische Krieger befanden. Denn jene Summe wurde jedenfalls nach Zahl und Stand der betreffenden Männer, gemäß den Anschauungen der Austrasier bemessen … und die solidi sexcenti entsprachen genau dem (dreifachen) Wergeld des freien Franken im Königsdienst, während der solidus unus dem Sachwert eines gebrechlichen Unfreien gleichgekommen sein kann. Dem Gesagten zufolge darf man mithin annehmen, daß das Castrum … keine wehrhafte Dorfsiedlung, sondern eine wichtige Feste mit langobardischer Besatzung war.“ – Die in den Text eingestellten Anmerkungen habe ich weggelassen, von der eine jedoch erwähnenswert ist (Anm. 204): „Die Annahme Schneiders [F. Schneider, Die Entstehung von Burg und Landnahme in Italien. Studien zu historischen Geographie, Verfassungs- und Sozialgeschichte, 1924, 22: V. B.], es sei für jeden Mann ein Solidus berechnet worden und, da 600 Männer anwesend waren, insgesamt ein Betrag von 600 Solidi bezahlt wurden, wird dem Wortlaut der einschlägigen Quellenstelle nicht gerecht. Sie ist auch sachlich kaum haltbar. Denn es erscheint als höchst unwahr-
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für romanische Bewohner dieser Castra, also für „wehrhafte Romanensiedlungen“ und nichts für ständige langobardische Besatzungen, also für langobardische Militärstationen.49 Zusammenfassung: Für das Trentino und für Südtirol ergaben sich aus den Schriftquellen keine eindeutigen Hinweise, daß hier gelegene castra und castella als Militärstationen verstanden werden müssen bzw. können, weder für den spätrömischen tractus (ohnehin ohne namentliche Nennung von Anlagen und deren Besatzung), noch für die ostgotenzeitlichen clusurae (auch nicht für Verruca)50 und erst recht nicht für die Anlagen, die Paulus nennt, mit wechselnden Bezeichnungen als castella (wohl Secundus folgend) oder als castra und loca firmissima. Dennoch wurden diese castra und castella für Südtirol, das Trentino (und Friaul: s. u.) von der historischen Forschung mit nur wenig voneinander abweichenden Bewertungen überwiegend als langobardische Neuanlagen und zwar im Sinne von Militärstationen interpretiert, nicht selten auch auf byzantinische (und ostgotische) Anlagen und gar auf den spätrömischen tractus zurückgeführt.51 So schrieb zuletzt R. Schneider: „Goten, Byzantiner und Langobarden dürften sich kontinuierlich in der Besetzung der längst ausgebauten Clusurae Alpium abgewechselt haben, zumal auch die Langobarden das bewährte Befestigungsprinzip beibehielten: ein System sichernder Höhenburgen im Bereich der Klausen, dazu eine Vermauerung der Talenge selbst und reguläre Wachmannschaften“.52 Diese lückenlose Kontinuität ist aus den Schriftquellen, die ich für mein Arbeitsgebiet bewußt vollständig zusammengestellt habe, nach meiner Auffassung nicht ableitbar, auch nicht im Sinne P. M. Contis für das castrum Anagnis (s. o.). Allein für die Castra der Langobardenzeit darf man, wie ausgeführt, damit rechnen, daß am Ende des 6. Jahrhunderts Romanen in solchen loca firmissima lebten. Folgt man dieser Bewertung, so bleiben mit Blick auf die Archäologie dennoch die entscheidenden Fragen
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scheinlich, daß sich … auf dem Castrum genau 600 Mann befunden und daß sich die Franken mit der geringen Summe von 600 Solidi begnügt haben sollten“. Der ‚einfachen Rechnung‘ von Schneider wird auch sonst meist gefolgt, so auch von mir: V. Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung in Italien: Gräberarchäologie und Siedlungsarchäologie. Methodische Probleme ihrer Interpretation. In: I Longobardi dei Ducati di Spoleto e Benevento. Atti del XVI Congresso internazionale di studi sull’alto medioevo (2003) 67. Bierbrauer (wie Anm. 16) 498 mit Anm. 18. – „Wehrhafte Romanensiedlungen“ von mir stets im Sinne von R. Heuberger gebraucht (s. o. mit Anm. 29); vgl. dazu Bierbrauer (wie Anm. 16) 498 mit Anm. 18. Ausnahme: vgl. oben S. 645 mit Anm. 10. Einige Belege bei Bierbrauer (wie Anm. 16) 498 mit Anm. 15–17; Settia (wie Anm. 5) 115; Conti (wie Anm. 26) 306f.; zuletzt Landi (wie Anm. 20) 126. Schneider (wie Anm. 2) 34.
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offen, auf die schon in den Zwischenbilanzen hingewiesen wurde: 1. Wann und warum wurden diese (romanischen) Castra angelegt, das heißt 2. wie ist das Siedelverhalten jener Menschen zu beurteilen, die ab dem 5. Jahrhundert zunehmend den in den Schriftquellen klar erkennbaren Gefährdungen ausgesetzt waren, also der Romanen: Wich man sehr früh, also schon im Verlauf des 5. Jahrhunderts in dauerhafte Höhensiedlungen aus oder behalf man sich zeitweise mit Refugien? Das heißt letztlich: Wie steht es um das Verhältnis von Tal- zur Höhensiedlung in Spätantike und Frühmittelalter? Zu ergänzen sind noch zwei Schriftquellen für das späte 7. und das frühe 8. Jahrhundert. Zum Jahre 680 berichtet Paulus Diaconus im Kontext seiner ausführlichen Darstellung der Auseinandersetzungen zwischen König Perctarit und Herzog Alahis von Trient: Alahis „geriet in Fehde mit dem comite Baioariorum … qui Bauzanum et reliqui castra regebat“.53 Unter welchen Umständen der Bozener Raum unter baierische Oberhoheit geriet, ist ungeklärt. J. Jarnut vermutet, daß dies 661 geschah und eben 680 wieder rückgängig gemacht wurde.54 Um 720 war dies wieder anders, da das castrum Maiense bei Meran sich unter der Herrschaft des baierischen Dux Grimoald befand, bald danach aber wieder in langobardischer Hand.55
2. Archäologische Quellen und archäologischer Befund Die Beantwortung der zuvor gestellten Fragen hängt natürlich von der Qualität der archäologischen Quellenlage ab. Diese ist außerordentlich schlecht: Von den elf durch Paulus Diaconus zum Jahr 590 genannten Castra sind sieben, sofern sie überhaupt topographisch gesichert lokalisierbar sind, weder untersucht, noch sind Lesefunde bekannt (Abb. 1):56 Sermiana– Sirmian, Maletum–Mölten, Fagitana–Fadana, Cimbra–Cembra, Vitianum– Vezzano, Bremtonicum–Brentinico und Volaenes–Volano;57 Untersuchungen sehr begrenzten Umfanges und/oder mit Streufunden liegen nur vor aus Tesana–Tisens, Ennemase – sofern Castelfeder-Enn (Montan) bei Auer (Ora) und aus Eppan, jedoch ohne gesicherten Bezug auf Appianum. Ähnliches gilt für den Doss Trento, nach meiner Auffassung doch wohl das castrum Verruca der Ostgotenzeit bzw. das castrum Ferruge der Langobardenzeit. Auf 53 54 55 56 57
Paulus Diaconus, Historia Langobardorum V, 36 (wie Anm. 26) 156. Jarnut, Bozen (wie Anm. 26) 137. Jarnut, Bozen (wie Anm. 26) 137; Heuberger (wie Anm. 27) 223–238. Vgl. Anm. 37–42. Bierbrauer, Germanische Aufsiedlung (wie Anm.24) 29–31; ders., L’insediamento (wie Anm. 24) passim.
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das castrum Bauzanum ist vielleicht der Virgl in Bozen zu beziehen. Für das castrum Maiense fehlt ein archäologischer Nachweis ebenso wie für das Castrum Anagnis. Die umfaßende Behandlung meines Themas erfordert über die in Schriftquellen genannten Castra hinaus auch die Einbeziehung nicht namentlich überlieferter Höhensiedlungen. Nicht nur dies: Beides, die namentlich überlieferten Castra und die Höhensiedlungen müssen zudem in einen Bezug zur umgebenden Talsiedlung gebracht werden, verbunden mit den entscheidenden, schon im Kontext der Schriftquellen mehrfach angesprochenen Fragestellungen: 1. Wann und warum kam es zur Anlage dieser Castra und Höhensiedlungen und 2. auf wessen Initiative geht dies zurück, das heißt waren es germanische Wehranlagen (Ostgoten, Langobarden) oder romanische Siedlungen (dauerhaft angelegte oder nur Refugien)? Befriedigende Antworten sind – um es vorweg schon zu formulieren – vorerst nicht möglich. Dies liegt nicht nur an der schon erwähnten schlechten Quellenlage zu den Castra und Höhensiedlungen, sondern auch daran, daß die Quellenlage und die Publikationslage zum Problem der Talsiedlungen quantitativ und qualitativ sehr bescheiden sind. Entsprechend ist der Forschungsstand. Aus Platzgründen ist es mir nicht möglich, alle Castra, Höhensiedlungen und die Befunde zur Talsiedlung detailliert zu beschreiben und zu erläutern; ich werde versuchen, auf der Grundlage einer paradigmatischen Vorgehensweise das herauszuarbeiten, was mir gegenwärtig vertretbar erscheint. a. Südtirol (Abb. 1) Tesana ist sehr wahrscheinlich auf der Höhensiedlung Tisens-St. Hyppolyth südlich von Meran auf der rechten Etschtalseite zu lokalisieren (Taf. 2,1); im höchsten Punkt 758 m hoch gelegen, handelt es sich um eine vielfach gegliederte Hochterrasse in Sichtweite der Via Claudia Augusta. Der Fundstoff setzt bereits in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts mit einer Armbrustfibel des Typs Invillino (Abb. 2,1) ein58 und erstreckt sich bis ins 7. Jahrhundert.59 Gleiches gilt für Ennemase – sofern Castelfeder – Enn (Montan) bei Auer (Ora), einer ausgedehnten, terrassengegliederten Fels58
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Bierbrauer (wie Anm. 16) 507 Abb. 8,2; M. Schulze-Dörlamm, Romanisch oder Germanisch? Untersuchungen zu den Armbrust- und Bügelknopffibeln des 5. und 6. Jahrhunderts n. Chr. aus den Gebieten westlich des Rheins und südlich der Donau. Jahrbuch RGZM 33, 1986, 639–641 Abb. 56,5; zur Datierungsproblematik V. Bierbrauer/H. Nothdurfter, Die Ausgrabungen im spätantik-frühmittelalterlichen Bischofssitz Sabiona – Säben (in Vorbereitung). Bierbrauer (wie Anm. 16) 507 Abb. 8,1.3–8; ders., Germanische Aufsiedlung (wie Anm. 24) 29 f.
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kuppe am linken Etschtalrand, 405 m hoch und ca. 190 m über der Talsohle (Taf. 2,2; Abb. 3,1), ebenfalls mit einem Fibelbruchstück aus der zweiten (?) Hälfte des 5. Jahrhunderts (Abb. 2,2)60 und mit Fundstoff bis ins 10./11. Jahrhundert.61 Die Kirche auf der Spitze des Berges, St. Vigilius und Laurentius, gehört offenbar nicht in die durch Kleinfunde belegte Frühzeit des ummauerten Castrum,62 sondern wohl erst in das 7. Jahrhundert.63 Die Lokalisierung von Appianum–Eppan im Gelände ist noch offen.64 Hinzu kommen vier Höhensiedlungen, die für die angesprochenen Fragestellungen wichtig sind: 1. Bemerkenswert ist die hoch an die rechte Etschtalseite vorgeschobene Felskuppe Altenburg (Castelvecchio) (Abb. 4,1), die nach drei Seiten senkrecht abfällt, bemerkenswert wegen der Kirche des 5./6. Jahrhunderts mit Klerusbank (Abb. 4,2)65 und zweier Bügelknopffibeln der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, die eine vom Typ Desana aus Silber (Abb. 2,3), die andere silbertauschiert (Abb. 2,4).66 2. Die Höhensiedlung von Perdonig-St. Vigilius (874 m) liegt direkt am rechten Etschtalrand auf einem langgezogenen Felskamm, der zum Tal senkrecht abfällt.67 Leider sind die italienischen Grabungen von 1938 in der ummauerten Anlage (Abb. 5,1) nur unzureichend dokumentiert; angeblich
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L. Dal Ri/G. Rizzi, Il territorio altoatesino alla fine del VI e nel VII secolo d. C. In: G. P. Brogiolo (Hrsg.), Città, castelli, campagne nei territori di frontiera (secoli VI–VII) (1995) 100 Abb. 13,6; E. Baggio/L. Dal Ri, Die Vergangenheit von Castelfeder. In: Montan (wie Anm. 20) 43 Taf. 13,4. Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 92 und 103 Abb. 18,1–4; der Fundstoff erstmals vollständig abgebildet bei Baggio/Dal Ri, Die Vergangenheit (wie Anm. 60) Taf. 13–20; vgl. ferner H. Nothdurfter, Das spätantike und frühmittelalterliche Bozen und sein Umfeld aus der Sicht der Archäologie. In: Lunz/Dal Ri (Hrsg.) (wie Anm. 26) 109 f. Ringmauer mit Wehrgang über Viereckpfeilern und Rundbogen, ein Viereckturm mit Lagen von opus spicatum und große erhaltene Toranlage (6. Jh.?): H. Nothdurfter, Frühchristliche und frühmittelalterliche Kirchenbauten in Südtirol. In: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit (2003) 331 f. mit Abb. 2–6; Baggio/Dal Ri (wie Anm. 60) 41 f., 43. Nothdurfter (wie Anm. 62) 331 f. mit Abb. 1; Baggio/Dal Ri (wie Anm. 60) 37–39. Bierbrauer, Germanische Aufsiedlung (wie Anm. 24) 30f. mit Fundstoff; Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 92; H. Nothdurfter, Eppan in den Kriegswirren des 6. Jhds. In: R. Lunz, Ur- und Frühgeschichte des Eppaner Raumes (1990) 87 f., 89; Landi (wie Anm. 20) 139 f. G. Bombonato/G. L. Ravagnan, Due chiese paleocristiane: Castelvecchio/Altenburg (7) e Fiera di Primiero (Trentino) mit einem Beitrag von H. Nothdurfter. In: Sennhauser (wie Anm. 62) 601–604. Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 92, 102 Abb. 15; zum Fibeltyp Desana: Schulze-Dörlamm (wie Anm. 58) 657–659; vgl. dazu Bierbrauer/Nothdurfter (wie Anm. 58). Die Höhensiedlung ist ansonsten nicht untersucht. Bierbrauer, Germanische Aufsiedlung (wie Anm. 24) Foto Taf. 10,2; ders., Langobarden (wie Anm. 24) 155 mit Foto Abb. 5.
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Abb. 2. Armbrust- und Bügelknopffibeln: 1 Tisens-St. Hippolyth, 2 Castelfeder, 3–4 Altenburg, 5 Lothen-Burgkofel, 6 Laag-Egna, 7 Bozen-Waltherplatz, 8 St. Lorenzen-‚Puenland‘. – 3–4 M. unbekannt.
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stammen der Schildbuckel, der Sporn und vielleicht eine Riemenzunge aus einem Grab der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts intra muros (Abb. 5,2a–c), das schon 1931 geborgen wurde, während die Pferdchenfibel (Abb. 5,2d) von 1938 zu einem Haus gehören soll.68 3. Der Burgkofel von Lothen im Pustertal auf der rechten Talseite der Rienz gegenüber von Sebatum–St. Lorenzen auf der gegenüberliegenden Talseite in Tallage (Taf. 3,1–2): Aus begrenzten Grabungen auf dem Burgkofel liegen spätantik-frühmittelalterliche Siedlungsfunde vor, darunter wieder eine Armbrustfibel der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts vom Typ Invillino (Abb. 2,5).69 4. Sehr wahrscheinlich zu einem Castrum, wohl dem für 680 erwähnten castrum Bauzanum (s. o.), gehört die Kirche St. Vigilius auf dem VirglHügel am östlichen Rand des Bozener Beckens, etwa 100 m über der Talsohle (Taf. 4,1). Die kleine Kirche aus einem Rechtecksaal (6 × 4,50 m) wurde über Planiermaterial des 5. Jahrhunderts (!) vermutlich erst im Verlauf des 6. Jahrhunderts erbaut, jedenfalls wurden erst zu dieser Zeit Gräber in und um diesen Kirchenbau eingebracht bis in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts.70 5. Die Kirchengrabung unterhalb von Schloß Tirol lasse ich beiseite, da der älteste Kirchenbau des 5.(?)/6. Jahrhunderts (noch?) nicht auf ein Castrum beziehbar ist, weil das umgebende Areal nicht untersucht wurde.71
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Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 92, 108 Abb. 25; L. Dal Ri/G. Fusi, Eppan, der Vigiliusbühel in Perdonig. Denkmalpflege in Südtirol 1989/90 (1995) 37–42 mit Abb. 1–5; der hier abgebildete Plan Abb. 5,1 nach den Nachuntersuchungen von 1990: Abb. 39. Nach R. Lunz (wie Anm. 64) 50 stammen der Schildbuckel und der Sporn aus einem Haus an der südlichen Ringmauer. Das Alter der Vigilius-Kirche ist unbekannt; Nothdurfter (wie Anm. 61) 110; ders. (wie Anm. 64) 88. Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 93, 100 Abb. 13,2 und 111 Abb. 32–33; zum Fibeltyp: Schulze-Dörlamm (wie Anm. 58) 639–641; vgl. dazu Bierbrauer/Nothdurfter (wie Anm. 58). L. Dal Ri, Die Ausgrabungen in der Kirche St. Vigilius am Virgl, Bozen, und eine Bestattung aus dem 8. Jahrhundert. In: F. Daim (Hrsg.), Die Awaren am Rande der byzantinischen Welt (2000) 249–252; Nothdurfter (wie Anm. 62) 295f.; Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 93; dies., Ricerche archeologiche in Alto Adige tra tardo antico e primo medioevo. In: P. Gatti/L. de Finis (Hrsg.), Dalla tarda latinità agli albori dell’Umanesimo: alle radice della storia europea (1998) 354. G. Bombonato/L. Dal Ri/C. Marzoli, Dorf Tirol, Schlosshügel von Tirol (C25). In: Sennhauser (wie Anm. 62) 607–610; Nothdurfter (wie Anm. 62) 278; C. Marzoli, Die Kirchengrabung von Schloss Tirol. In: L. Dal Ri/S. di Stefano (Hrsg.), Archäologie der Römerzeit in Südtirol. Beiträge und Forschungen (2002) 1053–1069, bes. 1063–1065; Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 93.
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Was läßt sich diesen Castra und Höhensiedlungen an Befunden in Tallage gegenüberstellen? Paradigmatisch seien einige erwähnt, die sich nahe bei den Castra und Höhensiedlungen befinden (Abb. 3,2): 1. Die Siedlung aus Laag, Gemeinde Neumarkt (Egna), St. Florian reicht mit reduzierten Siedlungsstrukturen noch bis in die zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts mit einer Bügelknopffibel vom Typ Altenerding (Abb. 2,6).72 Die Fundstelle liegt 7 km südlich von Castelfeder (Ennemase?), ebenfalls mit einer Fibel aus dieser Zeit (s. o.). 2. Auch in Pfatten (Vadena), etwa 8 km nördlich von Castelfeder, ist Siedlung in Tallage durch eine Nekropole bezeugt, wiederum mit einer Bügelknopffibel vom Typ Altenerding, also bis in die zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts;73 Pfatten, auf der rechten Etschtalseite, liegt zudem nur etwa 6 km von der Höhensiedlung von Altenburg (Castelvecchio) entfernt, ebenfalls mit zwei Fibeln dieser Zeit (s. o.). 3. Der gleiche Bezug zwischen Höhensiedlung und Talsiedlung findet sich im Pustertal mit dem Burgkofel von Lothen und Sebatum–St. Lorenzen (Taf. 3,1–2; s. o.). Die ausgedehnte Talsiedlung Sebatum ist im 5./6. Jahrhundert nur noch durch Ruinenkontinuität beschreibbar mit einer Restbesiedlung in Holzbauten,74 unter anderem mit einer Bügelknopffibel vom Typ Altenerding in „fondo Puenland“ (Abb. 2,8);75 auch die frühchristliche Kirche des 5. Jahrhunderts am Rande von Sebatum ist spätestens im 6. Jahrhundert nicht mehr in Funktion.76 72
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M. Bonfanti. Laghetti di Egna, località San Floriano (scavi 1982–1983). In: Ausgrabungen im Raum Bozen und Unterland 1976–1985. Ausstellungskatalog Bozen (1985) 209–213 mit Taf. 58, Nr. 14.7 (Bügelknopffibel); zum Typ: Schulze-Dörlamm (wie Anm. 58) 661 f.; vgl. dazu Bierbauer/Nothdurfter (wie Anm. 58). L. Dal Ri, Römerzeitliche Gräber aus dem 4.–5. Jahrhundert in Pfatten – Vadena. Der Schlern 55, 1981, 59–81; Fibel abgebildet bei Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 101 Abb. 14,1. Vgl. z. B. E. Baggio/L. Dal Ri, Ripresa degli Scavi a San Lorenzo di Sebato in Val Pusterio. Denkmalpflege in Südtirol 1984 (1985) 136; Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 89; R. Lunz, Sebatum. Die römischen Fundmünzen aus den Jahren 1938–1940. In: Dal Ri/di Stefano (wie Anm. 71) 816. – Ähnlich der Befund im benachbarten Littamum – Innichen: L. Dal Ri/S. di Stefano/B. Leitner, L’impianto termale di Littamum, San Candido/Innichen. In: Dal Ri/di Stefano (wie Anm. 71) 943–947. B. Maurina, Edilizia residenziale a Sebatum (San Lorenzo di Sebato, Bolzano/St. Lorenzen/Bozen). In: Abitare in Cisalpina. L’edilizia privata nelle città e nel territorio in età romana. Antichità Altoadriatiche 49 (2001) 559–598, die Grabungen „nel fondo Puenland“: 563–560, die Fibel vom Typ Altenerding: Taf. X,12. – Ferner: Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 101 Abb. 14,7; Dal Ri/di Stefano/Leitner (wie Anm. 70) 938; zum numismatischen Befund: G. Rizzi, Considerazioni sul prolungato uso di moneta in relazione alle fasi stratigrafiche e cronologiche di una casa di età tardo romana di Sebatum a San Lorenzo di Sebato in Val Pusteria – fondo Puenland. Rivista Italiana di Numismatica e Scienze affini 87, 1985, 143–164, Stratigraphie: 146–150. Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 89 mit Anm. 12; Nothdurfter (wie Anm. 62) 344f.
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Abb. 3. 1 Castelfeder; 2 Armbrust- und Bügelfibeln in Südtirol: 1 Laag-Egna, 2 Pfatten, 3 Bozen-Waltherplatz, 4 Tisens-St. Hippolyth, 5 Algund, 6 Säben, 7 St. Lorenzen‚Puenland‘, 8 Lothen-Burgkofel, 9 Castelfeder, 10 Altenburg, 11 Perdonig.
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Abb. 4. Altenburg mit Kirche des 5./6. Jahrhunderts.
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Abb. 5. Perdonig-St. Vigilius: 1 Plan. – 2 a-c Grabfund, d Siedlungsfund.
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4. Das sicherste Indiz für den Fortbestand römerzeitlicher Besiedlung im heutigen Stadtgebiet von Bozen ist die frühchristliche Kirche des 5. Jahrhunderts. Wann diese Kirche zwischenzeitlich außer Funktion geriet, ist unklar: noch am Ende des 5. Jahrhunderts oder erst im 6./7. Jahrhundert.77 Die dazugehörige spätrömisch-spätantike Siedlung ist noch nicht konkret lokalisiert, dürfte sich aber in der Nähe befunden haben, unweit des Waltherplatzes mit verschleppten Kleinfunden, darunter eine Armbrustfibel vom Typ Siscia aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts (Abb. 2,7).78 Auf weitere Beispiele für den Fortbestand der Talsiedlung in das 5. Jahrhundert sei verzichtet.79 Was läßt sich aus den genannten Befunden zu dem Problem der Höhensiedlung mit ihrem Bezug zur Talsiedlung folgern? Die Antwort fällt nicht nur schwer, sondern sie ist – streng genommen – nicht möglich. Mit Ausnahme von Laag und Sebatum80 sind alle genannten Siedlungen nicht ausreichend erforscht, das heißt die Bewertungsgrundlage ist äußerst bruchstückhaft, meist nicht repräsentativ. So ist derzeit nicht mehr als eine Arbeitshypothese formulierbar: 1. Ein Einschnitt im romanischen Siedelverhalten scheint im 5. Jahrhundert, vermutlich in der zweiten Jahrhunderthälfte vorzuliegen (Abb. 3,2). 2. Ob damit eine völlige bzw. weitestgehende Aufgabe der Talsiedlung und die Anlage von dauerhaften Höhensiedlungen verbunden ist, läßt sich nicht gesichert beantworten. Da ich aber keine Regelbefunde für eine kontinuierliche Talsiedlung bis weit in das 6. Jahrhundert hinein kenne, scheint mir das Ausweichen der romanischen Bevölkerung in dauerhaft angelegte Höhensiedlungen wahrscheinlicher zu sein als nur in zeitweise benutzte Refugien. Hierfür würden auch die Höhensiedlungen mit Kirchen spre-
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Nothdurfter (wie Anm. 62) 291–293. L. Dal Ri/P. Zangirolami, Piazza Walther. In: Ausgrabungen im Raum Bozen (wie Anm. 72) 167–174; L. Dal Ri, Gli edifici medievali dello scavo di Piazza Walther a Bolzano. In: Lunz/Dal Ri (wie Anm. 26) 245–304, bes. 252f., Fibel: Abb. 18,18; zum Fibeltyp: Schulze-Dörlamm (wie Anm. 58) 635–637; vgl. dazu Bierbrauer/Nothdurfter (wie Anm. 58). – Zu Bozen ferner die Befunde bei der Propstei: Denkmalpflege in Südtirol 1989/90 (1995) 22 und im Kapuzinerkloster: Denkmalpflege in Südtirol 1996 (1998) 11 f. mit einer Taubenfibel des 5./6. Jhs.; ferner Dal Ri/Rizzi, Ricerche (wie Anm. 70) 351–354. Vgl. z. B. Nothdurfter (wie Anm. 61) 106 f.; Dal Ri/Rizzi, Ricerche (wie Anm. 70) 347. – Auf den siedlungsgeschichtlichen Aussagewert der Armbrust- und Bügelknopffibeln wies bereits nachdrücklich H. Nothdurfter hin (wie Anm. 61); ders., Das südalpine Raetien in Spätantike und Frühmittelalter aus archäologischer Sicht. In: Die Römer in den Alpen (1989) 197–199. Dazu Brixen-Stufels: Literatur zuletzt bei A. Vittorio, Monete dello scavo di Stufles 10/B 1986. Denkmalpflege in Südtirol 1989/90 (1995) 257–275.
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chen (Altenburg, Castelfeder, der Bozener Virgl und vielleicht auch Perdonig), die doch wohl die kirchliche Kontinuität der dörflichen Talsiedlung anzeigen. 3. Es handelt sich – wie gesagt – um Romanen, die diese Änderung im Siedelverhalten betrifft;81 diese ist nach meiner chronologischen Justierung noch vor der Langobardenzeit anzusetzen. 4. Trifft dies zu, so wurden die Castra und Höhensiedlungen nicht von Langobarden angelegt. Zeitweise langobardische Präsenz ist nicht auszuschließen, gesichert nachweisbar ist sie aber nicht. Der einzige Hinweis wären der Sporn und der Schildbuckel der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts aus Perdonig, die vermutlich keine Siedlungsfunde darstellen, sondern aus einem gestörten Grab stammen, das dann aber nur extra muros angelegt worden sein kann (s. o.), so wie dies auch für ein wohl langobardisches Waffengrab am Fuße des Castrum Tesana–Tisens der Fall ist.82 Für Ostgoten fehlt jegliche archäologische Evidenz, nicht nur für die Castra und Höhensiedlungen, sondern generell für Südtirol.83 5. Nicht betroffen von diesen Änderungen im Siedelverhalten ist ganz offensichtlich die romanische Siedlung in hoher Hanglage, so an den Talrändern im engen Eisacktal Villanders (Taf. 4,2); obgleich auch diese Siedlung durch Fremdeinwirkung betroffen ist, bleibt bzw. kehrt man dennoch zurück:84 „Evidamente la posizione relativamente distante rispetto al fondovalle garantiva qualche elemento di sicurazza in più, tale da permettere la presenza di abitanti“.85
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Die genannten Armbrust- und Bügelknopffibeln sind, anders als Frau Schulze-Dörlamm annimmt, nicht mit Germanen zu verbinden (wie Anm. 58), sondern mit Romanen: ausführliche Beweisführung bei Bierbrauer/Nothdurfter (wie Anm. 58). Bierbrauer, Germanische Aufsiedlung (wie Anm. 24) 24 und 30; Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 109 Abb. 26. Hierzu künftig ausführlich Bierbrauer/Nothdurfter (wie Anm. 58), auch mit Bezug auf P. Gleirscher, der dies annimmt, so auch in Sabiona–Säben. L. Dal Ri/G. Rizzi, L’edilizia residenziale in Alto Adige tra V e VIII secolo. In: G. P. Brogiolo (Hrsg.), Edilizia residenziale tra V e VIII secolo (1994) 135–148 mit Brandzerstörungen und Siedelunterbrüchen in der 1. Hälfte des 5. Jhs. und im fortgeschrittenen 6. Jh., die die Autoren mit historischen Ereignissen verbinden. Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 91; vgl. ferner E. Cavada, Quale presenza umana nelle valli dolomitico-ladine dall’età romana all’alto medioevo? Riesame delle fonti archeologiche per un tema controverso. In: L’entità ladina dolomitica: etnogenesi e identità. Mondo Ladino 22, 1998, 177 f.; ferner die nahegelegenen Fundorte Feldthurns und Gufidaun: Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 91. – Ferner Höhensiedlungen auf dem Hochplateau von Völs und Seis: Cavada a.a.O. 177 und Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 136 mit Karte II.
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Meine Arbeitshypothese weicht meist erheblich von dem ab, was die moderne Südtiroler Landesforschung hierzu geschrieben hat. Dies betrifft vor allem die zeitliche Justierung im veränderten Siedelverhalten, die sehr viel später angesetzt wird als von mir als Arbeitshypothese vorgeschlagen, so zum Beispiel von Lorenzo Dal Ri um die Mitte des 6. Jahrhunderts86 bzw. „Bei fast allen Siedlungsgrabungen konnte festgestellt werden, daß in den Ruinen [! = V. B.] der älteren und mittleren Kaiserzeit das Leben bis in das 5. und 6. Jahrhundert weiterging, während eine echte Unterbrechung vielleicht im 7. Jahrhundert angesetzt werden muß“.87 Dieser Ansicht war auch Hans Nothdurfter 1991,88 der ein Jahr zuvor aber historisch wertend noch schrieb: „Es hat im 6. und 7. Jahrhundert kaum so etwas wie eine Besiedlung des offenen Landes gegeben …“ und „schon während … des Gotenkrieges in Italien (ca. 536–555) beginnt die Tragödie auch der einheimischen Bevölkerung. Es ist dies die Zeit, aus der wir nur selten Reste einer Besiedlung im offenen Tal kennen. Vielmehr werden jetzt befestigte Plätze auf der Höhe aufgesucht, Fluchtplätze, die aber auch zu dauerndem Aufenthalt benutzt werden“.89 Daß diese von Romanen angelegt wurden, wird von beiden Autoren nicht bezweifelt, aber vermutet, daß sie „im Kriegsfall eine germanische Besatzung [aufnehmen]“, dies mit Bezug auf Perdonig.90 Die überwiegend sehr spät angesetzten Zäsuren im Siedelverhalten sind Wertungen, die – wie schon zuvor betont – nicht durch nachprüfbare Gesamtstudien zu diesem Problemkreis mit detaillierten Begründungen gestützt werden können. Solange diese nicht vorliegen, möchte ich an meiner Arbeitshypothese festhalten und somit auch an dem Gesamtbefund, den ich 1991 in Grundzügen herauszuarbeiten versuchte: Das Etschtal mit der Fernstraße Via Claudia Augusta scheint im 5.–7. Jahrhundert von Romanen in Tallage nur noch sehr dünn besiedelt bzw. überwiegend gemieden worden sein. Dieses romanische Siedelbild ist ganz offensichtlich nicht zufallsbedingt, auch nicht von der Denkmalpflege abhängig, da hier im Etschtal auch vorromanische und romanische Ortsnamen nur sehr spärlich vertreten sind und archäologische 86 87 88
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Dal Ri/Rizzi (wie Anm. 60) 91. L. Dal Ri in: 10 Jahre Landesdenkmalamt 1973–1983 (1983) 61. Mit Übernahme dieses Zitates: Nothdurfter (wie Anm. 61) 107. – In einer Rezension zu dieser Publikation und konkret zu Nothdurfters Stellungnahme schrieb P. Gleirscher, daß die Bevölkerung „grundsätzlich aber im Talboden [ausharrte], wo sie vor allem im 6., 7. und 8. Jahrhundert mehrfach Heerhaufen über sich hinwegziehen lassen mußte. Diese Tatsache [! = V. B.] wird seitens der archäologisch verfügbaren Daten in zunehmendem Maße gestützt und erhärtet, vermochte in der Literatur aber noch nicht zu einem adäquaten Umdenken in der sog. castra-Frage zu führen“ in: Geschichte und Region. 1. Jahrgang 1992/Heft 1 (Zeitschrift der Arbeitsgruppe Regionalgeschichte, Bozen). Nothdurfter (wie Anm. 64) 87; ähnlich ders. in: Sennhauser (wie Anm. 62) 278. Nothdurfter (wie Anm. 64) 88.
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Fundorte des 5.–7. Jahrhunderts und romanische Ortsnamen sich überwiegend decken.91 Die romanische Siedlung befindet sich dagegen mehrheitlich in deutlichen Rückzugspositionen, also in geschützter Lage abseits von den Hauptverkehrswegen, insbesondere von der Via Claudia Augusta, An- und Rückzugswege feindlicher Heere. Dieses romanische Siedlungsbild unterscheidet sich somit grundlegend von dem langobardischen (Abb. 6).92 Um nochmals zu dem Problem der zeitlichen Fixierung der Zäsur zurückzukehren: Hierüber kann das romanische Siedelbild keine befriedigende Auskunft liefern. Dies liegt daran, daß romanischer Fundstoff, sei er aus Siedlungen oder aus siedlungsindizierenden Nekropolen, während des 5./6. Jahrhunderts in der Regel nur sehr schwer datierbar ist;93 Ausnahmen sind eben die Armbrust- und Bügelknopffibeln, weswegen ich diese als gesicherte Anhaltspunkte für meine Arbeitshypothese benützt habe. Bleibt noch zu erwähnen, daß man gelegentlich eine byzantinische Besetzung in einigen Höhensiedlungen glaubt ausmachen zu können. Da entsprechender Fundstoff für eine solche Beweisführung nicht erkennbar ist, beruft man sich auf Kirchen mit dem Patrozinium der Hl. Cosmas und Damian, außer auf dem Doss Trento (s. u.) in Siebeneich im Burggrafenamt zwischen Bozen und Meran, und auf Technik und Bauweise der Befestigungsmauer in Castelfeder (Ennemase?): „Den Franken im Vinschgau näherte man sich nicht. Vielmehr hielt man in Trient, auf Castelfeder und auf Cosmas und Damian in Siebeneich in drei Castra das Etschtal unter
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Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 134–137 mit Karten I–III; ders., Langobarden (wie Anm. 24) 153–168; zu den Ortsnamen Pfister (wie Anm. 27) passim mit Karten. – Im Einzelfall wie in St. Florian – Laag (Neumarkt) können Hangablagerungen Siedlungen des Frühmittelalters in Tallage überdeckt haben: M. Coltorti, La stratigrafia ed il contesto ambientale del sito archeologico di S. Floriano (frazione Laghetti di Egna, Prov. Bolzano). In: Ausgrabungen im Raum Bozen (wie Anm. 72) 205–208; E. Cavada, Identità e alterità: dinamismi ed esiti della romanizzazione in una regione di confine. In: Dal Ri/di Stefano (wie Anm. 71) 103. Vgl. die Anm. 91; bedauerlich ist, daß das spätantik-frühmittelalterliche Siedlungsbild nicht durch Kartierungen zum Siedelbild des 3./4. Jhs. gegenkontrolliert werden kann: Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24). Eine Kartierung für die römische Zeit (1.–4./5. Jh.) und für das Frühmittelalter (ab 6. Jh.) bietet nur Cavada (wie Anm. 85) 194 f. mit Abb. 1–2; abgesehen von den problematischen Datierungen ins 5. Jh. können die nicht nummerierten Funde nicht mit dem Fundortverzeichnis in Tabelle 1 korreliert werden. Diese beiden Karten nochmals abgedruckt von E. Cavada, Forme e testimonianze archeologiche della presenza umana nell’area ladino-dolomitica durante il primo millennio D.C. In: Archeologia nelle Dolomiti. Ricerche e ritrovamenti nelle valli del Sella dall’età della pietra alla romanità. Istitut Cultural Ladin „Majon di Fashegn“ (1993) 75 f. Abb. 3–4. Vgl. z. B. zuletzt V. Bierbrauer, s. v. Romanen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 25 (Berlin, New York 2003) 212–223; vgl. auch Anm. 118 und 121.
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Abb. 6. Germanische und romanische Bestattungsplätze im mittleren Alpengebiet.
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Kontrolle“94 (Zu spätrömischem Militär vergleiche unten abschließend zu I: S. 685 f.). b. Trentino Wie oben schon erwähnt, ist keines des von Paulus Diaconus erwähnten Castra archäologisch erforscht, auch liegen keine Streufunde vor: Anagnis– Nanno, Fagitana–Fadana, Cimbra–Cembra, Vitianum–Vezzano, Bremtonicum–Brentonico und Volaenes–Volano. Dem Doss Trento (Taf. 1) wird hier ein längerer Exkurs gewidmet, weil er in der Literatur immer wieder auf Verruca und auf Ferruge bezogen wird (s. o.). Unter der Voraussetzung, daß dem auch nach meiner Auffassung so ist, so ist der Doss für das Verhältnis von Höhensiedlung zur Talsiedlung besonders wichtig, hier also zur römischen Stadt Tridentum; diese bestand im 5.–7. Jahrhundert weiter, wenn auch mit allen Merkmalen einer Ruralisation gekennzeichnet.95 Das einzige, aber zugleich bedeutsame Monument auf dem Doss Trento ist die leider schon 1900 bzw. 1922/1923 ergrabene frühchristliche Kirchenanlage, deren Patrozinium unbekannt und deren Erbauung strittig ist (spätes 4.–6. Jahrhundert). In die Nordkirche, nur mit ihrem Ostteil freigelegt, wurde das berühmte Mosaik eingebracht (schon 1900 freigelegt) mit der Inschrift: De donis dei et s(an)c(t)orum Cusme et Dammiani tempor(ibus) do(mi)ni Eugypi epi(scopi) Laurentius cant(or) c […]; sie dürfte in die Jahre 530–535 zu datieren sein,96 das heißt die Nordkirche und die Südkirche, deren relativchronologischer Bezug zur Nordkirche unbekannt ist, existierten als Gesamtanlage jedenfalls spätestens zu dieser Zeit.97 Ob dies schon der Fall war, als
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Nothdurfter (wie Anm. 64) 89; zu Castelfeder: Baggio/Dal Ri, Die Vergangenheit (wie Anm. 60) 41f.; zu Siebeneich: Bierbrauer, Germanische Aufsiedlung (wie Anm. 24) 31 mit Karte S. 39; ferner zu den neuen Grabungen: H. Nothdurfter, Der Kirchenbau von St. Cosmas und Damian. Der Schlern 67, 1993, 33–66; ferner ebenso: M. Negro Ponzi, Romani, Bizantini e Longobardi: le fortificazione tardo antiche e altomedievali nelle Alpi Occidentali. In: G. P. Brogiolo (Hrsg.), Le fortificazioni del Garda e i sistemi di difesa dell’Italia settentrionale tra tardo antico e alto medioevo (1999) 147f. – Vgl. auch Anm. 140. Vgl. z. B. G. Ciurletti, Trento romana. Archeologia e urbanistica. In: E. Buchi (Hrsg.), Storia del Trentino Bd. II: L’età romana (2000) 291 f.; V. Bierbrauer, Die Kontinuität städtischen Lebens in Oberitalien aus archäologischer Sicht (5.–7./8. Jahrhundert). In: W. Eck/H. Galsterer (Hrsg.), Die Stadt in Oberitalien und in den nordwestlichen Provinzen des Römischen Reiches (1991) 281–284; E. Cavada, Trento in età gota. In: I Goti. Ausstellungskatalog Milano (1994) 224–227; ferner zur Grabung Palazzo Tabareli: E. Cavada (Hrsg.), Materiali per la storia urbana di Tridentum. Archeologia delle Alpi, Bd. 3 (1995). Hierzu ausführlich zuletzt: D. Mazzoleni, Mosaici pavimentale paleocristiani in territorio trentino. Archeologia delle Alpi, Bd. II (1993) 159–173. G. Ciurletti, Antiche chiese del Trentino, dalla prima affermazione de cristianesimo al X secolo. Breve excursus alla luce di trent’anni di ricerche e scavi archeologici. In: Sennhauser (wie Anm. 62) 358, 393f.
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Theoderich seinen berühmten Brief an die Universis Gothis et Romanis circa Verrucam castellum consistentibus (507/511; s. o.) schrieb, ist wahrscheinlich, aber nicht beweisbar. In und um die Kirche wurden Gräber eingebracht, darunter wohl auch eines der Oberschicht;98 unter den Streufunden sind insbesondere ein wohl als Schatzfund zu definierendes Ensemble aus 13 byzantinischen Solidi zu erwähnen, mit Prägungen von Marcian (450–457) bis Justinian I. (7 x; 527–565), also t. p. 527,99 und eine Bronzemünze von Theodahat (534–536).100 Wie ist der Doss Trento aus archäologischer Sicht zu beurteilen? Folgende Überlegungen, denen weniger Fakten als Probleme zugrunde liegen, bilden die Beurteilungsgrundlage: 1. Eine große Kirchenanlage, spätestens aus der Ostgotenzeit. 2. Streufunde, leider nur erwähnt, aber nicht publiziert,101 deuten vielleicht auf eine Siedeltätigkeit hin; wenn ja, so bleibt dennoch unklar, ab wann und vor allem, ob diese mit einem Refugium oder mit einer dauerhaften Siedlung verbunden werden können. 3. In Tridentum stehen bereits ab dem Ende des 4. Jahrhunderts bzw. seit Beginn des 5. Jahrhunderts die vigilianische Basilika (basilica martyrum) extra muros102 und spätestens im 6. Jahrhundert die bislang nur in Resten bekannte Bischofskirche S. Maria intra muros103. 4. Tridentum ist auch im 5.–7. Jahrhundert bewohnt; ostgotische und langobardische Gräber intra muros bezeugen zudem die Anwesenheit von Ostgoten und Langobarden in der Stadt.104 5. Nicht in diese Überlegungen einbeziehen werde ich vorsichtigerweise die Grabinschrift des Censorius aus der vigilianischen Basilika der Phase II mit den formae aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts: Hic req(uiescit) v(ir) s(pectabilis[?] Censorius qui vixit an(nos) LXII et dies VII et transsiet s(ub) d(ie) pr(idie) id(us) Mart(ias) ind(ictione) secunda. Bekanntlich ist die Ergänzung von v s als vir spectabilis oder als vir sanctus
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G. Roberti, Disiecta membra archeologiche di Trento. Studi Trentini 21, 1940, 105 (Körbchenohrringpaar aus Gold). Bierbrauer (wie Anm. 5) 251. C. Amante Simoni, Schede di archeologia longobarda in Italia. Trentino. Studi Medievali, III. serie, 25, 1984, 32. Darunter Armreife, Nadeln und eine Pferdchenfibel: vgl. Roberti (wie Anm. 98). G. Seebach in: I. Rogger/E. Cavada (Hrsg.), L’antica basilica di San Vigilio in Trento. Storia, Archeologia, Reperti, Bd. 1 (2001) 284–290; ders., Trient – Basilica San Vigilio. In: Sennhauser (wie Anm. 62) 673–678. Ciurletti (wie Anm. 95) 309–311; ders. (wie Anm. 97) 390–392. Bierbrauer (wie Anm. 95) 282–284; ein entsprechender Plan auch bei Bierbrauer (wie Anm. 133) 43 Abb. 4; Cavada, Trento in età gotica (wie Anm. 95); ders., Tombe di età teodericiana a Trento. In: Teoderico il grande (wie Anm. 5) 621–632; ders., Cimiteri e sepolture isolate nella città di Trento (secoli V–VIII). In: G. P. Brogiolo/G. Cantino Wataghin (Hrsg.), Sepolture tra IV e VIII secolo 1998) 123–141.
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umstritten, eben einerseits als ein römischer Militärkommandant zur Ostgotenzeit im „Rahmen der regionalen Milizorganisation“, für die nach H. Wolfram „für den Bau, die Erhaltung wie die Besatzung der Städte und Kastelle in gleicher Weise Goten wie Römer herangezogen [wurden]“105 oder als „espressione di rispetto e venerazione, sopratutto nei riguardi di un ecclesiastico“; zudem ist die Datierung mit 539 oder 554 unsicher, 569 sehr unwahrscheinlich.106 Faßt man diesen kleinen Exkurs zum Doss Trento und Tridentum zusammen, so ergibt sich kein widerspruchsfreies Bild: 1. in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts zwei Kirchen zu Tridentum intra muros und eine extra muros auf dem Doss Trento (die aber älter sein kann);107 warum zumindest zeitweise zeitgleiche Kirchen ‚unten‘ und ‚oben‘? Die von F. Glaser favorisierte Erklärung, daß der arianische Bischof sowohl der Ostgoten als auch der Langobarden „jeweils seinen Sitz im Castrum Verruca hatte“,108 befriedigt mich nicht (zu Ferruge s.u.): Goten und Langobarden lebten in Tridentum und wurden auch hier bestattet. Warum also nach F. Glaser der Sitz des jeweiligen arianischen Bischofs auf dem Doss Trento? Fragen über Fragen, deren Antworten alle im Bereich der Spekulation liegen, weil sie weder durch Schriftquellen noch durch die archäologischen Befunde beantwortbar sind.109 Dies liegt 2. eben daran, daß der Doss Trento archäologisch nicht erforscht ist. So bleibt nach meiner Auffassung nur die Vermutung, daß der Doss Trento für die Einwohner von Tridentum (und Umgebung) als nicht nur kurzfristiges Refugium diente, in dem dann auch die Errichtung einer Kirche Sinn hat. Bezieht sich der Theoderich-Brief auf den Doss Trento, so würde er dieser vorsichtigen Bewertung nicht widersprechen.
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Wolfram (wie Anm. 5) 300 und 497 f. Anm. 63. Hierzu ausführlich: D. Mazzoleni, I reperti epigrafici della basilica vigiliana di Trento. In: Rogger/Cavada (wie Anm. 102) Bd. II, 389–392, Zitat 391. Vgl. Anm. 96–97; selbst das Mosaik mit Inschrift muß nicht zeitgleich mit der Erbauung der Nordkirche auf dem Doss Trento sein. F. Glaser, Frühes Christentum im Alpenraum (1997) 158; ders., Kirchenbau und Gotenherrschaft. Auf den Spuren des Arianismus in Binnennoricum und in Rätien II. Der Schlern 70, 1996, 83–100, Trient und Doss Trento: S. 84; vgl. hierzu V. Bierbrauer, Arianische Kirchen in Noricum mediterraneum und Raetia II? Bayerische Vorgeschichtsblätter 63, 1998, 205–226. So z. B. H. Nothdurfter: „Die Bischofskirche [von Tridentum: V. B.] wird hinauf verlegt [auf den Doss Trento: V. B.] und noch im 6. Jahrhundert liegen in den Ruinen vornehmer Häuser in der Stadt und zum Teil auch unter dem Bauschutt auf den Straßen Gräber. Also ist die Stadt weitgehend entvölkert. 590 wird dann auch die langobardische Besatzung auf dem Doss Trento belagert. Im 8. Jahrhundert wird die Kirche auf dem Doss noch verschönert, aber kurz nach 800 kehrt der Bischof mit den Reliquien und damit die gesamte Bevölkerung in die Stadt zurück“ (wie Anm. 64) 88 und E. Cavada, der in der Kirche auf dem Doss mit der vorsichtig angedeuteten Möglichkeit von Bischofsgräbern rechnet: Cavada in: Rogger/Cavada (Hrsg.) (wie Anm. 102) Bd. II S. 601.
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Archäologisch weiß man über den Doss Trento aus den genannten Gründen auch nichts für die Langobardenzeit außer der naheliegenden Annahme, daß die Kirchenanlage weiter bestanden hat. Lag auch das von Paulus Diaconus zum Jahre 590 genannte Ferruge auf dem Doss Trento, was anzunehmen ist (s. o.), so ist seine Nachricht von Belang: Im Gegensatz zu den anderen in der Quelle überlieferten Castra, die von den Franken zerstört wurden und deren Gefangene von diesen ins Frankenreich verschleppt, von Agnellus von Trient losgekauft und zurückgeführt wurden, durfte sich „das Castrum Ferruge durch die Vermittlung der Bischöfe Ingenuinus von Sabiona und Agnellus von Tridentum loskaufen per capud uniusque viri solidus unus usque ad solidos sexcentos“ (s. o.), das heißt die Deportation ins Frankenreich konnte dadurch abgewendet werden. Ob hieraus, wie Heuberger annimmt, gefolgert werden kann, daß sich Ferruge „nicht freiwillig und widerstandslos den vorrückenden Austrasiern ergeben hat“ und in Ferruge eine langobardische Besatzung lag, läßt sich aus der Quelle selbst nicht stringent beweisen, ebenso nicht seine Argumentation zum Lösegeld.110 Ich erwähne diese Schriftquelle im Kontext meiner archäologischen Ausführungen auch deswegen, weil der Archäologe F. Glaser, wie zuvor erwähnt, auch den Sitz des arianisch-langobardischen Bischofs auf dem Doss Trento annimmt, dies bezogen auf die Kirchenanlage.111 Diese Interpretation ist – abgesehen von meinen zuvor geäußerten Bedenken für die Ostgotenzeit – erst recht für die Langobardenzeit nicht stichhaltig, weil nach dem Tode des dux Eoin (595) sein Nachfolger für den Dukat von Trient Gaidoald zum katholischen Glauben übertrat, was Paulus ausdrücklich berichtet: „Euin quoque duce in Tridentu mortuo, datus est eidem loco dux Gaidoaldus, vir bonus ac fide catholicus“.112 Lag Ferruge auf dem Doss Trento, wovon ich – wie schon gesagt – überzeugt bin, so würde ich hier wie für die Ostgotenzeit auch für die Langobardenzeit ein Refugium vermuten, eben weil Tridentum auch im 7. Jahrhundert weiterhin bewohnt war,113 weswegen ich – um meinen Exkurs zu Verruca/Ferruge abzuschließen – den Doss Trento we110 111 112
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Vgl. Anm. 48. Vgl. Anm. 108. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum IV, 10 (wie Anm. 26) 120; Jarnut, Herzogtum (wie Anm. 26) 171f; Dal Ri (wie Anm. 22) 392. Vgl. Anm. 104; ferner z. B. Landi (wie Anm. 20) 145 f. – An dieser Bewertung ändert auch das langobardische Oberschichtgrab aus der 2. Hälfte des 7. Jhs. zu Füßen des Doss Trento in Piedicastello nichts: zuletzt V. Bierbrauer, Il ducato di Tridentum. In: G. C. Menis (Hrsg.), I Longobardi. Ausstellungskatalog Codroipo/Villa Manin di Passariano (1990) 118 f. – Wie auch in Tesana–Tisens im Südtiroler Etschland (S. 666) mit einem ähnlichen Lagebezug (vgl. Anm. 82) sind langobardische Gräber in der Nähe von Castra kein Indikator für eine (längere) Stationierung von Langobarden im Castrum: vgl. auch meine Ausführungen zu Friaul.
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gen seines konkreten Bezugs auf eine Stadt anders beurteilen möchte als alle anderen von Paulus überlieferten Castra, denen ich mich nun zuwenden will. Wie schon betont, ist keines dieser castra (Abb. 1) erforscht, auch liegen, anders als in Südtirol, keine Streufunde vor. Archäologisch verbietet sich somit jegliche Aussage zu den im Kontext meines Vortragsthemas gestellten Fragen. Daß es sich dennoch nicht um langobardische Militärstationen handeln dürfte, legt die Lage einiger Castra weitab von der Fernstraße Via Claudia Augusta im Etschtal nahe, worauf ich schon hinwies (S. 667 f.): Cimbra–Cembra und Fagitana–Fadana114 im Hochtal des Avisio und Bremtonicum–Brentonico auf dem rechts der Etsch und südlich des Beckens von Mori gelegenen Hochplateau (Taf. 5,1). Daß diese wie die anderen von Paulus Diaconus zum Jahre 590 genannten castra von den Franken zerstört wurden, bedeutet nicht, daß hier – wie gleichfalls schon ausgeführt – Langobarden stationiert waren, zumal die verschleppten und von Agnellus von Trient freigekauften Bewohner als cives bezeichnet werden. Zu der Annahme, daß es sich bei diesen drei Castra von Cimbra, Fagitana und Bremtonicum um „wehrhafte Romanensiedlungen“ handelte, fügt sich insgesamt gut der siedlungsarchäologische Befund. Was schon für Südtirol festgestellt wurde, trifft noch deutlicher für das Trentino zu: Langobardische Siedlung findet sich nicht in Hochtälern und Mittelgebirgslagen, wohl aber romanische, so auch im Avisiotal mit Cimbra und Fagitana und um Bremtonicum, was die Karte (Abb. 6) nur unzureichend vermitteln kann.115 Die Nennung auch dieser abgelegenen Castra bei Paulus bedeutet ohne die Schriftquellen zu überfordern doch wohl nur, daß das fränkische Heer unter Cedinus im territorio Tridentino plündernd umherzog. Weitere Aussagen zu den Castra verwehrt, wie schon gesagt, die Quellenlage, die historische wie die archäologische. Läßt sich dennoch für das Trentino etwas zur Problematik Tal- und Höhensiedlung aussagen? Besonders geeignete Untersuchungsräume sind wie in Südtirol jene, deren Talschaften durch Hauptverkehrswege, also durch An- und Rückmarschwege für Heerzüge besonders gefährdet sind, das heißt 1. das Etschtal mit der Via Claudia Augusta, an Südtirol anschließend mit dem Becken von Mezzocorona bis nach Avio im Süden, 2. das Nocetal und 3. die Valsugana mit dem Seitenast der Via Claudia nach Altinum bzw. nach Aquileia. Die Valsugana lasse ich beiseite, da zu wenige aussagekräftige Befunde für die angesprochene Problematik zur Verfügung ste114 115
Zu Fagitana vgl. Anm. 42. Hierzu ausführlich: Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 140–142 mit Karten VI und VIII.
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hen.116 Sowohl für das Noce-Tal mit dem Nonsberg wie für das Etschtal erschließt sich eine nun anders geartete Problematik: Da der Typus der Höhensiedlung an den Talrändern, vor allem im Etschtal wie zum Beispiel der Dosso della Pozza oberhalb von Nomi (Taf. 5,2) oder der Hügel von Castel Pradaglia in Terrassenlage bei Isera (Taf. 6,1),117 kaum bekannt bzw. erforscht ist, verlagert sich die Thematik auf die Interdependenz von der Talsiedlung zum ‚Siedeln in der Höhe‘, wie ich es nennen möchte. Dieses Bezugsfeld wurde in den letzten 15 Jahren für das Etschtal nördlich und südlich von Rovereto und für das Becken von Riva mit dem unteren Sarcatal zunehmend durch die Trentiner Landesarchäologie, insbesondere durch Enrico Cavada erforscht (s.u.). Auf den Nonsberg gehe ich nur kurz und zusammenfassend ein: Hier ist das sogenannte Siedeln in der Höhe ohnehin kennzeichnend für das 5.–7. Jahrhundert, bedingt ausschließlich durch den Naturraum und somit meist über 500 m hoch gelegen, da das Sarcatal sich bald hinter dem Bekken von Mezzocorona extrem verengt. Die Siedlung, erweisbar nur durch siedlungsindizierende Nekropolen und frühchristliche Kirchenbauten, befindet sich auf den Hochterrassen bzw. auf dem Hochplateau links des Noce, so zum Beispiel Vervò, S. Martino (886 m; Taf. 6,2) und ansonsten verteilt auf den Nonsberg (Abb. 7; Vervò: Nr. 55). Im Vergleich zur römi116
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Vgl. die Übersicht bei E. Cavada, Archeologia e territorio: esame dell’informazione dell’alta valle di Brenta e del Trentino orientale. Atti dell’Accademia Roveretana degli Agiati. Contributi della classe di Scienze Umane, di Lettere ed Arti. Anno Accademico 249 (1999), Serie VII, Vol. IX, A (1999) 281–312; ders., Dai possessores feltrini ai signori delle torri. In: M. Lanzinger u. a., Il castello di Pergine (1991) 59–78; Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 140 f. Nomi: Dieser aber ohne gesicherte Beurteilungsmöglichkeit (4./5. Jh.?): S. Tamanini, Nomi – Dosso della Pozza. Studi Trentini 59, 1980, 320–326. – Unterhalb romanische Gräber: R. Perini, Tombe del periodo longobardo rinvenute a Nomi. Studi Trentini 54, 1975, 350–353; E. Cavada/M. Capitanio, Nuove testimonianze cimeteriali dell’altomedioevo a Nomi in Villalagarina (Trento). Annali dei Musei civici, Rovereto 3, 1987, 77–106. – Castel Pradaglia: Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) Nr. 147 S. 150 mit Karte IX. – Nomi = Nr. 10 und Pradaglia = Nr. 26 auf der hier abgebildeten Karte Abb. 10. – Die einzige Höhensiedlung im Trentino, deren Erforschung seit einigen Jahren im Gange ist, ist jene von S. Andrea in einer ehemaligen Insellage am „Lago di Loppio“ (hier Abb. 9–10 Nr. 55): zuletzt B. Maurina/A. Postinger, Loppio-Isola di Sant’Andrea (TN). Relazione prelimare delle campagne di scavo archeologico 2000 e 2001. Annali del Museo civico Rovereto 17, 2001, 41–92; dies., Ricerche archeologiche sull’isola di S. Andrea-Loppio (TN). Relazione prelimare sulla campagna di scavo 2002. Annali del Museo civico Rovereto 18, 2002, 3–32. Beim gegenwärtigen Forschungsstand handelt es sich um eine ummauerte zweiphasige Siedlung des 4. Jhs. (2. Hälfte?) bis zum 7. Jh.; sie wird mit ihrem Beginn – vorsichtig von Barbara Maurina wertend – mit dem tractus Italiae circa Alpes in Verbindung gebracht mit Kontinuität in die Langobardenzeit, eben auch mit einer militärischen Komponente zur Kontrolle der Straße vom Etschtal zum Gardasee. – Ich bedanke mich herzlich bei Barbara Maurina für einen gemeinsamen Besuch ihrer Grabung und wertvolle Erläuterungen im August 2004.
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Abb. 7. Fundorte des 5.–7. Jahrhunderts im Nonsberg.
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schen Siedlung (Abb. 8)118 ist eine deutliche Reduktion festzustellen, wobei einige Fundorte Kontinuität in das 5.–7. Jahrhundert aufweisen. Die Erklärung für diese Siedelreduktionen sind weitgehend ungeklärt; vermutlich handelt es sich um Siedlungskonzentrationen, bezogen auf schon bestehende oder erst im 5./6. Jahrhundert neu angelegte Siedlungen.119 Wir werden diesem siedlungsgeschichtlichen Befund vor allem im Etschtal um Rovereto und im Becken von Riva mit dem Sarcatal begegnen (s. u.). Das Etschtal um Rovereto und das Becken von Riva mit unterem Sarcatal: Am ausführlichsten hat sich hiermit E. Cavada in einer längeren Studie befaßt.120 Grundlage dieser Arbeit sind zwei Karten zum römischen Siedelbild des 1.–5. Jahrhunderts (Abb. 9) und des 6.–7. Jahrhunderts (Abb. 10).121 118
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C. Bassi, Il problema della continuità dell’insediamento umano tra età tardoantica ed altomedievale in Val di Non (Trentino). In: Gatti/de Finis (Hrsg.) (wie Anm. 70) 307–344. – Nachbemerkung zu den Bildunterschriften der hier abgebildeten Karten Abb. 7–8 mit den Bezeichnungen 1.–5. Jh. für „età romana“ und 6.–7. Jh. für „epoca altomedievale“ bei Frau Bassi: Diese weichen von meinen Kartierungen (L’insediamento [wie Anm. 24]) ab, wo für die nachrömische Zeit der Zeithorizont des 5.–7. Jhs. erfasst ist, einsetzend im fortgeschrittenen 5. Jh. Mit der von C. Bassi vorgenommenen Trennung zwischen 1.–5. Jh. und 6.–7. Jh. geht – auch und besonders in der Kartographie – genau jenes Jahrhundert, eben das 5., ‚verloren‘, in dem sich nach meiner Auffassung bereits entscheidende Siedelveränderungen abzeichnen. Auch aus diesem Grund sind in meiner Kartierung zum Nonsberg (a.a.O. Karten I und III) mehr Fundorte enthalten als in der Kartierung von Cristina Bassi, letztere hier Abb. 7. – Gewiß ist die gesicherte Datierung romanischen Fundstoffs ins 5. Jh. ein höchst schwieriges Unterfangen, weil dessen Datierungsspannen meist groß sind, aber eben oft noch das fortgeschrittene 5. Jh. mit einschließen. – Dieselbe hier angesprochene Problematik in der Gestaltung von Verbreitungskarten mit der Trennung zwischen 1.–5. Jh. und 6.–7. Jh. betrifft auch die Karten von Enrico Cavada: vgl. Anm. 121. – Vervò, S. Martino (hier meine Taf. 6,2): Bassi a.a.O. 339; Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) Karte III Nr. 37. Die italienische Forschung bezeichnet dies als „accorpamento delle abitazioni in nuclei di maggior dimensione“ bzw. als „aggregazioni polinucleati“: z. B. E. Cavada, Elementi romani e germani nel territorio alpino tra Adige e Sarca: aspetti e continuità dell’insediamento. In: G. P. Brogiolo/L. Castelletti (Hrsg.), Il territorio tra tardoantico e altomedioevo. Metodi indagine e risultati (1992) 123. Vgl. Anm. 119; für die Vallagarina das Fundstellenverzeichnis von Cavada differenzierend fortführend: M. R. Caviglioli, Uomo e territorio in Vallagarina tra età del ferro e altomedioevo. Considerazioni sulla Carta archeologica di Giacomo Roberti alla luce di nuove ricerche. Archeologia delle Alpi 6, 2002, 75–131; vgl. ferner G. P. Brogiolo/S. Gelichi, Nuove ricerche sui castelli altomedievali in Italia settentrionale (1996) 84–86. Vgl. meine Bemerkungen in Anm. 118 zu der Trennung bei Cavada in „età romana“ mit 1.–3. Jh. und 4.–5. Jh. einerseits und andererseits mit „età altomedievale“ mit 6./7. Jh. (Tabelle 1 S. 124 f.). – In meinem Text verwende ich wie in meiner Arbeit von 1991 (L’insediamento [wie Anm. 24]) anstatt der zeitlichen Justierung von E. Cavada mit 6./7. Jh. weiterhin 5.–7. Jh. Auf diese chronologischen Schwierigkeiten weist auch E. Cavada hin, z. B. S. 101 und S. 124; Datierungen mit sog. romanischer Hauskeramik zwischen dem 4./5. und 6. Jh. halte ich für verfehlt, was aber immer wieder versucht wird, so in dieser Arbeit von Cavada und wie in vielen anderen Studien; hinweisen möchte ich diesbezüglich nur auf meine Arbeit: V. Bierbrauer, Invillino-Ibligo in Friaul I. Die römische Siedlung und
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Die Kartierungen umfassen die Etschtalstrecke zwischen Besenello auf der linken Talseite (Nr. 2–3) bzw. Nomi auf der gegenüberliegenden Talseite (Nr. 22–23; Taf. 5,2) ca. 8–9 km nördlich von Rovereto und Avio (Nr. 38) im Süden ca. 20 km südlich von Rovereto, dazu die das Etschtal umgebenden Hochterrassen und Hochplateaus (Taf. 5,1) (zum Becken von Riva und dem unteren Sarcatal: s. u.). Leider beginnen die Isohypsen auf diesen Karten erst mit der 500 m – Linie, so daß man zum besseren Verständnis die von mir gefertigten Karten hinzuziehen muß,122 um Talsiedlung und Talrandlagen (zum Beispiel im Becken von Mori und Rovereto: Taf. 5,2 und 6,1) von den Siedlungen auf Hochterrassen (Taf. 5,1) unterscheiden zu können.123 In dieser Studie wie in anderen124 kommt Herr Cavada zu folgenden
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das spätantik-frühmittelalterliche Castrum (1987) 188–223. – Ein sehr großer Teil der Fundortnachweise bei Cavada und damit auch ihrer chronologischen Einordnung beruht auf den verdienstvollen Arbeiten von Giacomo Roberti, in denen ohne Abbildungen die Funde der einzelnen Fundstellen aufgelistet sind (mit Verweis auf Lokalliteratur und Zeitungsmeldungen); ich habe große Zweifel, ob dies für gesicherte chronologische Zuweisungen aller Fundorte und Fundstellen ausreicht. In meiner Arbeit L’insediamento (wie Anm. 24) habe ich nur jene berücksichtigt, die eine klare Einordnung erkennen lassen: G. Roberti, La zona archeologica di Rovereto. Studi Trentini 40, 1961, 3–16, 105–137, 201–212; ders., Edizione archeologica della Carta d’Italia al 100 000. Foglio 21 (Trento) (1952) 1–104; ders., Quadro sinottico dei ricuperi archeologici germanici nel Trentino dalla caduta dell’impero romano d’occidente alla fine del regno longobardo (476–774). Studi Trentini 30, 1951, 323–361; ders., Tavola sinottica delle affermazioni archeologiche cristiane del Trentino fina alla caduta del regno longobardo. Studi Trentini 30, 1951, 161–189; ders., Edizione archeologica della Carta d’Italia al 100 000. Foglio 35 (Riva) (1954). – Meine hier abgebildeten Karten Abb. 9–10 nach Cavada, Elementi (wie Anm. 119) Abb. 4–5. – Unterschiede zwischen meinen und Cavadas Kartierungen ergeben sich auch in ethnischer Hinsicht: Die Kartierung der Anzahl der Gräber „con armi e parti di armatura“, die Cavada offensichtlich den Langobarden zurechnet (Karte 17 mit Tabelle 2) ist wesentlich größer, als ich dies mit Blick auf die gesichert überlieferte Waffenbeigabe (ohne Sax!) zu erkennen vermag; andererseits habe ich auf Abb. 10 noch Nr. 29a hinzugefügt: Rovereto–Sabbioni Alti, entsprechend Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) Karte IX Nr. 141. In dieser meiner Kartierung fehlen hingegen drei Waffengräber, die ich damals noch nicht kannte und die nun hier in Abb. 10 gleichfalls noch hinzugefügt sind, dies entsprechend Cavadas Tabelle 2: Nr. 8 = Castellano-Pralongo, Nr. 25 = Pomarolo und Nr. 32 = Servis (V. Chiocchetti, Necropoli antiche nel territorio dell’antico comun comunale. Il Comunale 1, 1986, 14–16; die Kenntnis dieses Artikels verdanke ich E. Cavada). Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) Karten 8–11. Im Fundortverzeichnis der Tabelle 1 S. 124 f. ist bei Cavada jeweils die Lage einer Siedlung bzw. eines Fundortes (meist Gräber) mit Höhenangaben und den Bezeichnungen F = fondovalle, T = terrazzo, V = versante und D = dosso/altura angegeben, was man jedoch nur versteht, wenn man die Geomorphologie insgesamt gut kennt. Z. B. E. Cavada, Il territorio: popolamento, abitati, necropoli. In: Buchi (Hrsg.) (wie Anm. 95) 347–437; ders., Identità (wie Anm. 91) 87–108; ders., Forme e testimonianze del popolamento nella Vallagarina prefeudale. In: G. Berlanda (Hrsg.), Il castello di Noarna (1992) 59–76.
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Abb. 8. Fundorte des 1.–4./Anfang des 5. Jahrhunderts im Nonsberg.
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Abb. 9. Fundorte des 1.–4./Anfang des 5. Jahrhunderts im Trentino.
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Abb. 10. Fundorte des 5.–7. Jahrhunderts im Trentino.
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Ergebnissen: 1. In vielen Fällen eine (gebrochene) Kontinuität von der Römerzeit bis ins 5. Jahrhundert und zum Teil auch darüber hinaus,125 2. seit dem 5./6. Jahrhundert werden Siedlungen auch über 500 m angelegt und 3. die „neue Tendenz, vor allem im Zusammenhang mit Fundorten einer älteren Kolonisation, das heißt die Neigung zum Zusammenziehen der Siedlungen in nuclei di maggior dimensione, dessen Konsequenz die Siedelleere einiger Gebiete ist, vielleicht ein Indiz für die Aufgabe dieser dortigen Siedlungen“.126 Dieses „Phänomen“ konstatiert er insbesondere im Becken von Riva (s. u.) und in abgeschwächter (Abb. 11) Form in drei „aggregazione polinucleate“ in der Vallagarina auf der rechten Etschtalseite (A), auf der linken Etschtalseite um Volano und Rovereto (B) und auf der Hochterrasse am Ausgang des Beckens von Mori (C).127 In diesem Zusammenhang ist er auch 4. der Auffassung, daß die beiden hier gelegenen Castra von Volaenes und Bremtonicum (Abb. 1) nichts anderes waren als ständig bewohnte romanische Höhensiedlungen, die sich letztlich in ihrer Struktur in nichts unterscheiden von zeitgleichen Siedlungen in Tallage außer ihrer geschützten Lage, so Volaenes durch die Flußschleife der Etsch (Taf. 5,2)128 und Bremtonicum (736 m) auf dem Hochplateau westlich der Etsch (Taf. 5,1) mit umgebenden romanischen Siedlungen.129
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Cavada, Il territorio (wie Anm. 124) 372 f.; ders., Identità (wie Anm. 91) 103; ders., Elementi (wie Anm. 119) 122: Nach Ausweis der Tabelle 1 S. 124 f. (ohne das Becken von Riva und das untere Sarcatal) ergibt sich folgender Befund: 1. für das 6./7. Jh. (einschließlich einiger nicht gesichert datierbarer Fundorte) insgesamt 32 Fundorte, davon 13 neue und 19 mit Kontinuität seit dem 4./5. Jh., 2. für das 4./5. Jh. insgesamt 35 Fundorte, davon 25 neue (!) und 10 mit Kontinuität seit dem 1.–3. Jh. 3. Talsiedlung: im 6./7. Jh. insgesamt 8 Fundorte, davon 2 neue und 6 mit Kontinuität seit dem 4./5. Jh. und im 4./5. Jh. insgesamt 10, davon 6 neue und 4 mit Kontinuität seit dem 1.–3. Jh. Zu den möglicherweise problematischen Verhältniszahlen zur Talsiedlung vgl. Anm. 118 und 121. Vgl. ferner: B. Maurina, Aspetti dell’insediamento rustico di età romana nel Trentino meridionale. In: Dal Ri/di Stefano (Hrsg.) (wie Anm. 71) 575; Brogiolo/Gelichi, (wie Anm. 120) 84–86 mit Abb. 27 (die hier angegebenen Zahlenverhältnisse schließen auch das Becken von Riva und das untere Sarcatal ein und stimmen in der Auszählung nicht immer mit der oben angegebenen Tabelle von Cavada überein). Cavada, Elementi (wie Anm. 119) 123. Meine hier abgedruckte Abb. 11 nach Cavada, Elementi (wie Anm. 126) 123 Abb. 20 links. Vermutlich auf dem Hügel Destòr (= Dieci Torri): vgl. zuletzt Landi (wie Anm. 20) 143. – Daneben in Terrassenlage am Etschtalrand die bislang nur mit einem Gebäude nachgewiesene Siedlung von Volano des 4.–6.(?) Jhs.: E. Cavada, Tracci di un complesso produttivo di età tardoromana a Volano. Nota Preliminare. Atti del I° Convegno archeologico sulla Valdadige meridionale, Volargne-Verona (1985) 79–98; ders., Elementi (wie Anm. 119) 115 f. Abb. 16; Volano Nr. 35 auf den hier abgebildeten Karten Abb. 9–10. Cavada, Elementi (wie Anm. 119) 116 f.; das Castrum vermutlich auf dem Dosso Maggiore: vgl. zuletzt Landi (wie Anm. 20) 143. – Für zahlreiche Belehrungen im Gelände danke ich sehr herzlich Enrico Cavada, so zuletzt im August 2004.
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Abb. 11. Siedlungskonzentrationen im 5.–7. Jahrhundert im Trentino.
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Das Becken von Riva mit unterem Sarcatal: Die zuvor unter Punkt 3 für das Etschtal um Rovereto genannte Tendenz zur Siedlungsagglomeration im 5.–7. Jahrhundert bei gleichzeitiger weitgehender Aufgabe römischer Besiedlung trifft besonders hier zu, was der Vergleich der beiden Karten gut erkennen läßt (Abb. 9–10).130 Die ausgedehnte römische Talsiedlung im siedlungsgünstigen Becken von Riva (Abb. 9)131 wird verlagert an die Randlagen und ins untere Sarcatal (Abb. 10 und 11,D), unter anderem mit der Kirche von Riva–Varone, S. Maria del Pernone (5./6. Jahrhundert) (Abb. 10 Nr. 82)132 und der abgegangenen Kirche von Riva, S. Cassiano (Abb. 10 Nr. 73) mit dem bekannten Grabstein der Ianuarius und Cabriolus, datiert 539, und mit umgebenden Gräbern.133 Das von E. Cavada erarbeitete Bild weicht in den wesentlichen Aspekten nicht von meiner schon mehrfach zitierten Arbeit von 1991 ab, in die ich auch die Ergebnisse von M. Pfister zur romanischen Ortsnamensforschung einbezog.134 Die romanischen Siedlungen liegen im 5.–7. Jahrhundert nur noch selten im Etschtal bzw. unmittelbar an seinen Rändern, meist nur in den Talweitungen, so von Mezzocorona,135 von Mori und von Rovereto, ansonsten eben auf den Hochterrassen und Hochplateaus, dies ganz im Gegensatz zu siedlungsindizierenden langobardischen Bestattungsplätzen, was ich strategisch begründete (Abb. 6).136 Wie beim Untersuchungsfeld in Südtirol findet sich – wiederum ganz im Gegensatz zur langobardischen Siedlung – romanische Siedlung des 5.–7. Jahrhunderts sodann in den Hochtälern (Abb. 6), so insbesondere im Ledrotal mit sei-
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E. Cavada, In Summolaco: continuità o discontinuità dell’insediamento. In: G. P. Brogiolo (Hrsg.), La fine delle ville romane: trasformazioni nelle campagne tra tarda antichità e alto medioevo (1996) 21–34; ders., Elementi (wie Anm. 119) 120–122. Zusammenfassend mit weiterer Literatur: Cavada, Il territorio (wie Anm. 124) 370–377; ders., In Summolaco (wie Anm. 130); Maurina (wie Anm. 125) 557–564. Ciurletti in: Sennhauser (wie Anm. 62) 384f.; E. Cavada, Cristianizzazione, loca sanctorum e territorio: la situazione trentina. In: G. P. Brogiolo (Hrsg.), Chiese e insediamenti nelle campagne tra V e VI secolo (2003) 180. Cavada, Elementi (wie Anm. 119) 120; ders., Cristianizzazione (wie Anm. 132) 176; in einem der Gräber eine Fibel vom Trientiner Typ: V. Bierbrauer, Zwei romanische Bügelfibeltypen des 6. und 7. Jahrhunderts im mittleren Alpenraum. Ein Beitrag zur Kontinuitäts- und Siedlungsgeschichte. In: A. Lippert/K. Spindler (Hrsg.), Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (1992) 65 Nr. 20. Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 141 f. mit Karten III (Becken von Mezzocorona), VI, VIII–XI; Pfister (wie Anm. 27) 178 f. mit Karten VIII, X–XIII. E. Cavada (Hrsg.), Archeologia a Mezzocorona. Documenti per la storia del popolamento rustico di età romana nell’area atesina (1994). Vgl. Anm. 134; ferner Bierbrauer, Langobarden (wie Anm. 24) 153–165.
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nem Seitental des Val di Concei137 und im Avisiotal mit dem Val di Cembra mit den Castra Cimbra und vielleicht Fagitana (s. o.) und mit dem Val di Fiemme. Wiederum handelt es sich aus naturräumlichen Gründen um ein Siedeln in der Höhe, im Ledrotal bislang nur mit einer Siedlung nachgewiesen ab dem 7. Jahrhundert in Ledro B (Volta di Besta),138 im Avisiotal zusätzlich mit exponierten Höhensiedlungen, von denen die beiden bekanntesten der Doss Zelor und der nahegelegene Dosso S. Valerio im Val di Fiemme sind, beide schon seit römischer Zeit besiedelt, der Doss Zelor mit Siedlungsende im 5./6. Jahrhundert, der Dosso S. Valerio bis in das 10. Jahrhundert.139 Noch nicht angesprochen habe ich mit Blick auf die Schriftquellen und die diesbezüglichen Auffassungen der historischen Forschung das byzantinisch-fränkische und das fränkisch-langobardische Intermezzo, jeweils vergleichsweise kurzfristig auf die Ereignisgeschichte bezogen (s. o.). Die archäologische Forschung tut gut daran, hier zu schweigen, denn: Wie will sie byzantinische Präsenz in Castra, konkret im Sinne von P. M. Conti für Anagnis (s. o.), beweisen, ebenso eine byzantinische Besetzung bzw. Oberhoheit über bestimmte Gebiete? Ich wüßte nicht, wie diese in einem Castrum, in einer Siedlung oder in der Gräberkunde definiert werden kann. Auch über die vermutete byzantinische Befestigungstechnik auf Castelfeder in Südtirol kann man streiten.140 Franken würden sich immerhin über die Gräberarchäologie nachweisen lassen, wozu jedoch jegliche Belege fehlen. Mit anderen Worten: Die oftmals von der historischen Forschung formulierte These, so zum Beispiel durch R. Schneider, daß „Goten, Byzantiner und Langobarden sich kontinuierlich in der Besetzung der längst ausgebauten clusurae Alpium abgewechselt haben dürften“,141 läßt sich durch die Archäologie nicht beweisen. 137
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Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 142 mit Karte VIII; ders., Langobarden (wie Anm. 24) 163 mit Abb. 10; ders. (wie Anm. 133) 47 mit Abb. 7, 68f. mit Abb. 12–13. L. Dal Ri/G. Piva, Ledro B: una stazione del primo medioevo a Volta di Besta sul lago di Ledro nel Trentino. Atti dell’Accademia Roveretana degli Agiati. Contributi della Classe di Scienze Umane, di Lettere ed Arti. Anno Accademico 236 (1986), Serie VI, Vol. 26 (1987) 265–347; Bierbrauer, L’insediamento (wie Anm. 24) 130. P. Leonardi, La val di Fiemme nel Trentino dalla preistoria all’alto medioevo (1991) 138–327, 402–419 (Doss Zelor), 336–384, 387 f. (dosso S. Valerio); C. Bassi/E. Cavada, Aspetti dell’edilizia residenziale alpina tra l’età classica e il medioevo: il caso trentino. In: G. P. Brogiolo (Hrsg.), Edilizia residenziale tra V e VIII secolo (1994) 121–127; Cavada/ Lanzinger (wie Anm. 42) 92–96 mit guter Luftaufnahme 93. Vgl. S. 670 mit Anm. 94; handelt es sich bei der (nicht genauer) datierbaren Befestigungsarchitektur tatsächlich um eine byzantinische, so muß sie nicht auf eine byzantinische Besatzung zurückgehen, sondern auf einen ‚byzantinischen‘ Baumeister, der diese zu einem unbekannten Zeitpunkt errichtete. S. 655 mit Anm. 52.
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Dies führt abschließend zu der Frage des tractus Italiae circa Alpes. Mit dieser hat sich zuletzt E. Cavada befaßt. Für die Höhensiedlungen (Castra) erbringt das vollständig zusammengestellte Material (ca. 70 Kleinfunde von 23 Fundorten) der „complementi dell’abbigliamento maschile“142 bzw. der „militaria tardoantichi“143 vom Ende des 4. und des 5. Jahrhunderts für die hier behandelte Thematik nichts, da nur eine Höhensiedlung zwei diesbezügliche Streufunde aufweist: der Castelàc bei Portolo im Nonsberger Nocetal.144 Alle anderen Belege beziehen sich auf Fundorte in Tallage, in Hanglage im Eisacktal wie zum Beispiel Feldthurns145 und auf die Hochplateaus seitlich des Etschtales, weniger aus Siedlungskontexten als aus Grabfunden stammend (ein großer Teil zudem von nicht gesicherten Fundorten). Obgleich E. Cavada zivile Träger dieser „Militaria“ zurecht nicht ausschließen will und kann, plädiert er, vor allem mit Blick auf die Verbreitung längs der Via Claudia Augusta und der Straße durchs Noce-Tal, dann doch für spätrömisches Militär, was er aber ausdrücklich als Arbeitshypothese verstanden wissen möchte.146
Zusammenfassung zu Südtirol und Trentino 1. Wie oben ausgeführt, ergeben die Schriftquellen vom Ende des 4. Jahrhunderts bis in die Langobardenzeit kein gesichertes Bild, das im Kontext der Vortragsproblematik für castella und castra verwertbar ist: Weder der spätrömische tractus Italiae circa Alpes noch die ostgotenzeitlichen clusurae lassen sich – außer vielleicht Verruca mit dem Doss Trento (Refugium für Tridentum) – auf Höhensiedlungen beziehen. Selbst die bei Paulus Diaconus genannten Anlagen (Abb. 1) vermitteln keine Klarheit für die Fülle der 142
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E. Cavada, Complementi dell’abbigliamento maschile e militaria tardoantichi (fine IV–V secolo d. C.) nelle valli alpine centrorientali (bacini del Sarca e dell’Adige). In: G. P. Brogiolo (Hrsg.), Le fortificazioni del Garda e sistemi di difesa dell’Italia settentrionale tra tardoantico e alto medioevo (1999) 93–108. E. Cavada, Militaria tardoantichi (fine IV–V secolo) dalla valle dell’Adige e dalle aree limitrofe. L’informazione archeologica. In: M. Buora (Hrsg.), Miles Romanus dal Po al Danubio nel Tardoantico (2002) 139–162. Portolo: Cavada, Militaria (wie Anm. 143) 142, 158 Taf. 2,1 und 12,3; bei Cavada nicht erwähnt ein peltaförmiger Gürtelbeschlag von Castelfeder: Nothdurfter (wie Anm.61) 107 mit Anm. 18. Cavada, Militaria (wie Anm. 143) 159 Taf. 12, 11–12. Cavada, Militaria (wie Anm. 143) 139: „Es folgt daraus [bezogen auf die zivile Interpretation: V. B.], das die Verbindung mit den militaria mehr eine Arbeitshypothese bleibt als eine Gewißheit bietet“. – Verbindung mit Militär hält für die Südtiroler Fundorte auch H. Nothdurfter für möglich: wie Anm. 61, 106 f. – Vgl. auch Anm. 117 mit S. Andrea di Loppio.
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mit ihnen verbundenen Fragestellungen. Entsprechend unterschiedlich sind die Bewertungen der historischen Forschung. Jene, die in diesen castra und castella eher „wehrhafte Romanensiedlungen“ sehen als langobardische Militärstationen, haben nach meiner Auffassung die stärkeren Argumente auf ihrer Seite. Informationen zu dem Verhältnis der Höhen- zur Talsiedlung enthalten die Schriftquellen ohnehin nicht. 2. Wegen der schlechten Quellenlage kann auch die Archäologie die durch die Schriftquellen aufgeworfenen Fragen zu den castra und castella sowie zu anderen Höhensiedlungen nicht gesichert beantworten. Da für Südtirol immerhin Streufunde und begrenzte Grabungsausschnitte für einige von diesen Anlagen vorliegen, dürften diese – so meine Arbeitshypothese – bereits im 5. Jahrhundert (zweiten Hälfte?) bestanden haben oder entstanden sein (Abb. 3,2), und vieles spricht dafür, in ihnen seit dieser Zeit dauerhafte romanische Höhensiedlungen anzunehmen. Hinweise auf germanische Wehranlagen liegen nicht vor, auch nicht auf langobardische. Letzteres trifft nach meiner Auffassung wohl auch auf die Castra (und Höhensiedlungen) im Trentino zu. Obgleich alle ohne jegliche archäologische Evidenz (auch keine Streufunde, mit den Ausnahmen im Val di Fiemme und von S. Andrea di Loppio; s. o.), liegen einige von ihnen weit abseits der Via Claudia Augusta in Positionen, die militärisch-strategisch unsinnig für langobardische Wehranlagen sind (im Hochtal des Avisio: Cimbra–Cembra und Fagitana–Fadana sowie Bremtonicum–Brentonico auf dem Hochplateau zwischen Etschtal und oberem Gardasee; Taf. 5,1). Zudem findet sich hier auch keine langobardische Siedlung (Abb. 6). Archäologisch gut beurteilbar ist stattdessen im Trentino das ‚Siedeln in der Höhe‘; zwar schon verstärkt seit dem 4. Jahrhundert nachweisbar mit Kontinuität in das 5.–7. Jahrhundert, werden hier auch eine Vielzahl neuer Siedlungen ab dem 5. Jahrhundert angelegt, offensichtlich auch im Zusammenhang mit aufgegebenen Talsiedlungen, so besonders im Becken von Riva mit unterem Sarcatal nachweisbar (Abb. 9–11). Die Gründe für diese Veränderungen im Siedelverhalten liegen in Südtirol und im Trentino seit dem 5. Jahrhundert in den anhaltenden Gefährdungen der romanischen Bevölkerung, die aus den Schriftquellen gut bekannt sind. Der Exkurs zum Doss Trento sollte die Interpretationsmöglichkeiten zusammenfassen, die mit Blick auf die Schriftquellen und die archäologischen Befunde derzeit möglich sind, falls Verruca und Ferruge auf den Doss beziehbar sind. Ist dies – wie ich annehme – der Fall, so handelt es sich um den einzigen Platz in meinem Arbeitsgebiet, bei dem ein Castrum mit einer Stadt (Tridentum) in einen direkten Bezug gebracht werden kann, nach mei-
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ner Meinung für die Ostgoten- und Langobardenzeit jeweils ein Refugium. Ich halte dies für einen Sonderfall, also nicht beispielhaft für die anderen behandelten Castra.
II. Friaul Aus naturräumlichen Gründen liegen für Friaul, wie einleitend schon erwähnt, völlig andere Grundkonstellationen vor als für Südtirol und das Trentino, da Friaul überwiegend geprägt ist durch seine Tiefebene (Taf. 7,1), eingeschlossen im Nordwesten durch die Carnischen Alpen und im Nordosten durch die Julischen Alpen. Da ich in den letzten Jahren mich zweimal mit den Castra und Höhensiedlungen in Friaul und auch mit ihrem Verhältnis zur Talsiedlung befaßt habe,147 erlaube ich mir, mich zu den Schriftquellen und zum archäologischen Befund nur zusammenfassend zu äußern.
1. Schriftquellen und historischer Befund Wie für Südtirol und das Trentino ist es wieder Paulus Diaconus, der mehrere Castra nennt, dies anlässlich eines verheerenden Einfalls zum Jahre 610 oder 611: „Communierant se quoque Longobardi et in reliquis castris quae his vicina erant [bezogen auf Foroiulanum = Cividale: V. B.], hoc est in Cormones, Nemas, Osopo, Artenia, Reunia, Glemona, vel etiam in Ibligine, cuius positio omnino inexpugnabilis existit“ und Paulus fährt fort: „In gleicher Weise verschanzten sie sich auch in den übrigen Burgen (reliquis castellis), damit sie nicht den Hunnen oder Awaren in die Hände fielen. Die Awaren aber überzogen das ganze Land Friaul (Foroiulanum fines), verheerten alles mit Feuer und Schwert, belagerten die Stadt (Foroiulanum oppidum [! = V. B.]), und boten ihre ganze Macht auf, sie zu erobern“.148 Wieder wurde wie in Südtirol und im Trentino (590) geplündert und zerstört, und wiederum wurden
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V. Bierbrauer, Friaul im 5.–8. Jahrhundert: siedlungsgeschichtliche Grundlinien aus archäologischer Sicht. In: R. Bratozˇ (Hrsg.), Slowenien und die Nachbarländer zwischen Antike und karolingischer Epoche. Anfänge der slowenischen Ethnogenese (2001) 299–327; ders., Frühe langobardische Siedlung in Italien: Gräberarchäologie und Siedlungsarchäologie. Methodische Probleme ihrer Interpretation. In: I Longobardi dei ducati di Spoleto e Benevento. Atti del XVI Congresso internazionale di studi sull’ alto medioevo (2003) 61–72 (Castra). Paulus Diaconus, Historia Langobardorum IV, 37 (wie Anm. 26) 129; zum historischen Hintergrund vgl. weiter H. Krahwinkler, Friaul im Frühmittelalter (1992) 39–44, zur Datierung 39 f. mit Anm. 56.
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Abb. 12. Langobardenzeitliche Castra und Höhensiedlungen in Friaul mit spätantik-frühmittelalterlichem Straßennetz.
auch Gefangene gemacht (in Foroiulanum) und in die pannonische Avaria verschleppt.149 Alle genannten Castra sind eindeutig lokalisierbar (s. u.; Abb. 12). Eine ganz ähnliche Situation wie 610 ergab sich 663, als erneut Awaren aufgrund innerlangobardischer Schwierigkeiten in Friaul einfielen 149
Vgl. Anm. 148; diese verschleppten Gefangenen glaubten einige ungarische Archäologen auch in Pannonien ‚wiederfinden‘ zu können: Vgl. dagegen V. Bierbrauer, Die KeszthelyKultur und die romanische Kontinuität in Westungarn (5.–8. Jh.). Neue Überlegungen zu einem alten Problem. In: H. Seibert/G. Thoma (Hrsg.), Von Sachsen bis Jerusalem. Menschen und Institutionen im Wandel der Zeit. Festschrift für Wolfgang Giese zum 65. Geburtstag (2004) 58 mit Anm. 25.
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und nach dem Tod von Herzog Lupus Langobarden, die den Awaren entkommen waren, „sich in Kastellen verteidigten“ (reliqui qui remanserant sese per castella communiunt).150 Des weiteren werden Nemas (664) und Reunia (698?) nochmals von Paulus als castra genannt, gleichfalls im Zusammenhang innerlangobardischer Zwistigkeiten.151 Osopus und Reunia werden auch für 565 erwähnt, als Venantius Fortunatus auf seiner Reise von Venetien zum Grabe des hl. Martin hier vorbeizog,152 wovon auch Paulus berichtet.153 Auf Nennungen weiterer Orte, so zum Bischofssitz Iulium Carnicum (Zuglio), und zu den Städten Forum Iulii, der Hauptstadt des Dukates (Foroiulensis ducatus)154 und zu Aquileia sowie Gradus (Grado) gehe ich nicht ein, da sie für die Vortragsthematik ohne Bedeutung sind. Anders als die von Paulus Diaconus genannten Castra in Südtirol und im Trentino wurden die Castra in Friaul von der historischen Forschung übereinstimmend als langobardische Wehranlagen verstanden, ja sogar als ‚Limes‘ bezeichnet, auch wurde gelegentlich angenommen, daß sie byzantinische Neuanlagen seien, ja sogar auf den tractus Italiae circa Alpes zurückgingen.155
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Paulus Diaconus, Historia Langobardorum V, 20 (wie Anm. 26) 152; Krahwinkler (wie Anm. 148) 47–49. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum V, 22 (wie Anm. 26) 152 (Nemas) und VI, 3 (wie Anm. 26) 165 (Reunia); Krahwinkler (wie Anm. 148) 49f. und 53f. Venantius Fortunatus, Vita S. Martini. MGH AA 4 (1881) 640 f.; Krahwinkler (wie Anm. 148) 26 f. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum II, 13 (wie Anm. 26) 94: „Qui sibi, ut in suis carminibus refert, illuc properandi per fluentia Tiliamenti [Tagliamento] et Reunam perque Osupum et Alpem Iuliam perque Aguntum castrum Dravumque …“. Erwähnt seien jedoch am Beispiel von Forum Iulii, einer ummauerten Stadt, die auffallenden wechselnden Bezeichnungen bei Paulus mit castrum = 6x (II, 9; II, 37; V, 23; VI, 51), civitas = 2x (II, 9; II, 32), urbs (in Inhaltsverzeichnis zu Buch IV) und oppidum (IV, 37), durchgesehen nach dem Index von O. Holder-Egger in der MGH Ausgabe (wie Anm. 26). Mit castrum bzw. castra und castellum bzw. castella werden auch die hier in Rede stehenden Anlagen bezeichnet, die Paulus anläßlich der Awareneinfälle bzw. innerlangobardischer Zwistigkeiten nennt, die sicherlich keine Städte wie z. B. Forum Iulii waren. Vgl. dieselbe Problematik für das ummauerte castrum Montis Silicis (Paulus, Hist. Lang. IV 25) (Monselice) südlich von Padova, ebenfalls eine Höhensiedlung, die zugleich auch als civitas bezeichnet wird (II, 14): vgl. hierzu den Beitrag von G. P. Brogiolo/E. Possenti in diesem Band. – Eine Studie zu der Benennung ‚castrum‘ bzw. zu den angesprochenen anderen wechselnden Benennungen kenne ich nicht; den Ausführungen von W. Landi (wie Anm. 20) 124–126 kann ich für das 6./7. Jh. nicht folgen, bei denen er sich auch auf die Rechts- und Verfassungsgeschichte stützt, so z. B.: „Daraus geht klar hervor, daß das castrum ab dem 5. Jahrhundert der Sitz und die räumliche Komponente zuerst des kaiserlichen comes et tribunus und später des comes Gothorum bzw. des comes Langobardorum war. Nachweise bis 1987 bei Bierbrauer (wie Anm. 121) 35 mit Anm. 47–48 und 337 mit Anm. 12, 16, 18. Nach 1987 sei nur auf R. Schneider verwiesen, der noch in Unkenntnis der Endpublikation zum castrum Ibligo (Bierbrauer [wie Anm. 121]) aus den beiden Vorberichten glaubte entnehmen zu können, daß Ibligo und die anderen von Paulus genannten
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Auch in Kenntnis der Ausgrabungen in Ibligo-Invillino und der darauf einsetzenden archäologischen Diskussion (s. u.) wurden diese Interpretationen von Seiten der historischen Forschung nur wenig modifiziert.156 Die Interpretation als „wehrhafte Romanensiedlungen“ wurde zu keiner Zeit direkt aus den Schriftquellen erwogen. Auch das Verhältnis dieser Castra im Siedlungsgefüge Friauls, also vor allem mit Blick auf die Langobardenzeit zur zeitgleichen Siedlung in der friulanischen Tiefebene, wurde noch nicht angemessen thematisiert. Obgleich nicht fachkompetent, hat mich die skizzierte Bewertung der friulanischen Castra durch die historische Forschung stets verwundert:157 Aus der Quelle zum Awareneinfall 610/611158 läßt sich nach meiner Meinung nicht folgern, daß die genannten castra ständig mit langobardischem ‚Militär‘ (arimanni/exercitales)159 besetzt waren. Im Kontext der gesamten Textstelle zum Awareneinfall wird nur deutlich, daß sich Langobarden in diese castra zu Verteidigungszwecken zurückzogen bzw. sich hier gegen die Awaren schützten = communierant, dies zu einem Zeitpunkt, als die Awaren bereits tief im Landesinneren standen: Das Heer des langobardischen dux Gisulf war bereits geschlagen, und die Hauptstadt des Dukats Foroiulanum wurde entweder noch belagert oder war schon gefallen und geplündert.160 Auch ist nicht die Rede davon, daß die castra in Friaul zuvor byzantinische Wehranlagen waren, so wie es zum Beispiel von Paulus ausdrücklich für das castrum Montis Silicis südlich von Padova vermerkt wird161 (zur Frage des tractus Italiae circa Alpes: s.u.).
2. Archäologische Quellen und archäologischer Befund Mit Bezug auf meine beiden erwähnten Studien162 äußere ich mich hierzu nur zusammenfassend, jedoch mit längeren Anmerkungen zu deren historisch-archäologischen Auswertungen in den letzten Jahren.
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Castra seit spätrömischer Zeit besetzt gewesen und dann von Ostgoten, Byzantinern und Langobarden übernommen worden seien. Nachweise bei Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 306 mit Anm. 23. So schon Bierbrauer (wie Anm. 121) 35 f., 337 f. Wie Anm. 148. Zur Revision der mit den arimanni und exercitales verbundenen Militärsiedlertheorien: J. Jarnut, Die Landnahme der Langobarden in Italien aus historischer Sicht. In: M. Müller-Wille/R. Schneider (Hrsg.), Ausgewählte Probleme europäischer Landnahmen des Früh- und Hochmittelalters. Teil I (1993) 191; zu den farae 182–188. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum IV, 37. Vgl. Anm. 154; dieselbe Bezeichnung communiunt auch bei der ähnlichen Konstellation für das Jahr 663: vgl. Anm. 150. Vgl. Anm. 147.
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1. Alle von Paulus genannten castra sind topographisch im Gelände lokalisierbar (Abb. 12).163 2. Um sogenannte Inselberge im Tagliamentotal bzw. in der Tiefebene handelt es sich bei den Castra von Ibligo–Invillino (Taf. 8,1), Osopus– Osoppo (Taf. 7,2) und Reunia–Ragogna. Die Castra von Artenia–Artegna und Glemona–Gemona (Taf. 8,2) befinden sich auf den Schloßbergen der heutigen Orte am Rande der Vorgebirgslandschaft zu den Julischen Alpen, ebenso Nemas–Nimis und auch Cormones–Cormons, die sich zum „l’anfiteatro morenico del Tagliamento“, zur Tiefebene hin öffnet (Abb. 13).164 3. Der Forschungsstand zu den Castra: Vollständig untersucht ist nur das Castrum Ibligo-Invillino im oberen Tagliamentotal, wo dieses noch in die Ausläufer der Carnischen Alpen eingeschnitten ist (Taf. 8,1).165 Die Grabungsergebnisse auf dem Siedlungshügel Colle Santino seien nur knapp referiert:166 1. eine zweiperiodige römische Siedlung in Steinbauweise (I–II) auf dem knapp 60 m hohen und in Talrichtung insgesamt 630 m langen und maximal 190 m breiten Inselberg wird in der ersten Hälfte oder Mitte des 5. Jahrhunderts völlig demontiert und ohne Hiatus eine völlig anders strukturierte, nun auch eine größere Siedlerzahl umfassende und damit anderen Funktionen dienende Siedlung angelegt (Periode III). Über und neben den demontierten älteren Bauten werden Wohnhäuser und handwerklichen Tätigkeiten dienende Gebäude in einer neuen Bauweise errichtet, nämlich Holzbauten auf Trockenmauersockeln, einer kennzeichnenden Bauweise des 5.–7. Jahrhunderts. Eine Ummauerung war nicht (mehr) feststellbar, aber Türme.167 Da
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Bierbrauer (wie Anm. 121) 24–33; L. Villa, Nuovi dati archeologici sui centri fortificati tardoantichi–altomedievali del Friuli. In: Paolo Diacono e il Friuli altomedievale (secc. VI–X). Atti del XIV Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo (2001) 825–861. G. C. Menis, Civiltà del Friuli centro collinare (1984) 13–22. Bierbrauer (wie Anm. 121); ders., Invillino-Ibligo in Friaul II. Die spätantiken und frühmittelalterlichen Kirchen (1988). Vgl. Anm. 165; Kurzfassungen finden sich in Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 307–310; ders. s. v. Invillino. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 15 (Berlin, New York 2000) 470–475. Die Annahme von L. Villa (wie Anm. 163) 830, daß die Neuanlage der Periode III nicht vor dem fortgeschrittenen 6. Jh. erfolgt sei, kann ich als verfehlt zurückweisen, auch wenn er einschränkt: „nella maggior parte dei casi“. Mir fehlt die Möglichkeit, dies hier näher zu begründen, da ich auf die Relevanz datierbarer Kleinfunde im stratigraphischen Kontext dieser Holzbauten und in ihrem Umfeld näher eingehen müßte. Daß wohl nicht a l l e Bauten der Periode III gleichzeitig im 5. Jh. errichtet wurden, ist jedoch zu vermuten (z. B. Holzbau B: Bierbrauer [wie Anm. 121] 102–104). Auch ist der Bezug der Neuanlage mit der durch Brand zerstörten frühchristlichen Kirchenanlage auf dem benachbarten Colle di Zuca (Villa [wie Anm. 163] 830) in der 1. Hälfte des 7. Jhs. reine Spekulation, von Villa zudem vordatiert an das Ende des 6. und den Beginn des 7. Jhs., was nicht gesichert möglich ist (Bierbrauer, Invillino-Ibligo II [wie Anm. 165] 78).
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Abb. 13. Geomorphologie der nördlichen Tiefebene Friauls.
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diese Siedlung der Periode III im 5.–7. Jahrhundert keinen Veränderungen mehr unterworfen ist, darf sie wie bei Paulus Diaconus für die Zeit um 600 als castrum bezeichnet werden. Im Sinne der historischen Fragestellung ist der Grabungsbefund eindeutig: Es handelt sich um keine germanische Wehranlage bzw. Militärstation (Ostgoten/Langobarden), sondern um eine auf kaiserzeitliche Wurzeln gründende und bereits im 5. Jahrhundert eingerichtete ‚wehrhafte‘ romanische Siedlung, neu angelegt von Romanen aus der umgebenden Talschaft des Tagliamento in einer historisch-politisch instabilen Zeit. Der einzige Kleinfund, der gesichert mit Langobarden verbunden werden kann, ist ein Schwertknauf.168 Er kann allenfalls mit einer zeitweisen Anwesenheit von Langobarden, etwa 610/11 oder 663, verbunden werden, aber nicht mit einer ständigen Besatzung durch Langobarden (zu den archäologischen Kriterien einer von Langobarden ständig besetzten/bewohnten Siedlung: s.u.). Die Interpretation der Siedlung des 5.–7. Jahrhunderts (Periode III) als eine Art von ‚Mittelpunktsiedlung‘ für Romanen aus der Talschaft um Ibligo korrespondiert gut mit der großen frühchristlichen Kirchenanlage auf dem benachbarten, 750 m weiter westlich und auf derselben Talseite gelegenen Colle di Zuca, der nächsten hochwasserfreien Geländesituation.169 Diese Kirchenanlage wurde im 5. Jahrhundert, wohl in der ersten Hälfte, angelegt mit einer Gemeindekirche für den Wortgottesdienst und einer Taufkirche (Gesamtlänge 39,50 m). Sie wurde nach einer Brandkatastrophe in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts demontiert und über ihr eine zweiperiodige Nachfolgekirche erbaut, mit einem Bestand wohl bis in die ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Die zuletzt geäußerte Kritik an dem von mir vermuteten ausschließlichen Bezug auf das Castrum Ibligo ist möglicherweise nicht ganz unberechtigt, wenn auch (noch) nicht beweisbar. Man vermutet nämlich, daß diese Kirchenanlage auch zu beziehen sei auf eine „aggregazione per una vasta comunità“170 bzw. als „punto di riferimento per un più ampio comprensorio rurale“,171 dies bezogen auf drei Invillino nahe gelegene Höhensiedlungen, zwei im Degano-Tal bei Raveo (Monte Sorantri [896 m] und Col Budin [601 m] sowie Colle Mazeit bei Verzegnis [495 m])172 (Abb. 12). Dies kann so 168 169 170
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Bierbrauer (wie Anm. 121) Taf. 60,8. Bierbrauer, Invillino-Ibligo II (wie Anm. 165). L. Villa, Edifici di culto in Friuli tra l’età paleocristiana e l’altomedioevo. In: Sennhauser (Hrsg.) (wie Anm. 62) 541. A. Cagnana, Luoghi di culto e organizzazione del territorio in Friuli Venezia Giulia fra VII e VIII secolo. In: G. P. Brogiolo (Hrsg.), Le chiese rurali tra VII e VIII secolo in Italia settentrionale (2001) 105 f. Villa (wie Anm. 163) 858f.; T. Miotti, Carnia, feudo di Moggio e capitaneati settentrionali. Castelli di Friuli Bd. 1 (1976) 107–110 mit Lageplänen im Annex XV–XVI (Col Budin und Monte Sorantri) und 151–155 mit Plan XIX. Das Deganotal ist ein nördliches kleines Seitental des Tagliamento, und Verzegnis liegt südlich des Tagliamento auf einer gegliederten
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sein, aber die beiden Höhensiedlungen im Deganotal können genauso gut auf das näher gelegene frühchristliche Zentrum mit Gemeinde- und Taufkirche von Ovaro bezogen werden, gleichfalls im Deganotal.173 Außer Ibligo-Invillino und der Höhensiedlung von Castelraimondo (s. u.) ist kein Castrum und auch keine Höhensiedlung mit größeren Ausschnitten (bisher) untersucht. Nur aus Osopus-Osoppo (Taf. 7,2) und Reunia-Ragogna liegen bislang begrenzte Untersuchungen vor, jeweils in und um die Peterskirchen, immerhin in Ragogna mit dem wichtigen Ergebnis einer Gemeindekirche mit Taufraum aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts oder des frühen 6. Jahrhunderts mit einer frühmittelalterlichen Nachfolgekirche, in der ein Angehöriger der langobardischen Oberschicht aus dem ersten Drittel des 7. Jahrhunderts beigesetzt wurde.174 Ähnliches gilt für Osopus-Osoppo mit einer Kirche vermutlich aus dem 5. Jahrhundert.175 Die kleinen Grabungsausschnitte lassen auch erkennen, daß beide Höhensiedlungen des 5.–7. Jahrhunderts wie in Invillino auf kaiserzeitliche Wurzeln zurückgehen. Obgleich eine Fülle von Keramik, außer der schwierig zu datierenden Hauskeramik auch Importkeramik, von beiden Plätzen vorliegt,176 bleibt das Faktum, daß Reunia und Osopus noch nicht flächig untersucht sind, mithin auch die Struktur der Siedlungen noch nicht ausreichend gesichert beurteilt werden kann, auch nicht mit ihren Veränderungen seit dem späten 4. und 5. Jahrhundert. Auf der Grundlage von Ibligo-Invillino, Reunia-Ragogna und OsopusOsoppo hat die friulanische Forschung, insbesondere L. Villa, sich mehr-
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Hochfläche. – Zum Monte Sorantri und Col Budin sowie zum Colle Marzeit vgl. auch: F. Piuzzi, Ricerche sui castelli del Friuli. In: G. P. Brogiolo (Hrsg.) (wie Anm. 142) 164 f., 158. Cagnana (wie Anm. 171) 100–102; Villa (wie Anm. 170) 541 f. Selbst dies ist keineswegs gesichert, da hier die archäologischen Untersuchungen erst begonnen haben und noch frühchristliche Kirchen entdeckt werden können. S. Lusuardi Siena/L. Villa, Castrum Reunia (Ragogna, Udine): Gli scavi nella chiesa di S. Pietro in Castello. In: S. Patitucci Uggeri (Hrsg.), Scavi medievali in Italia (1998) 179–198; Villa (wie Anm. 163) 834–838; ders., Aspetti e tendenze della prima diffusione del cristianesimo nel territorio Aquileiese alla luce dei dati archeologici. In: Aquileia romana e cristiana fra II e V secolo. Antichità Altoadriatiche 47 (2000) 410–415; ders. (wie Anm. 170) 543–545; zuletzt: ders., Ricerche archeologiche nel castrum Reunia. In: F. Piuzzi (Hrsg.), Alle origini dei siti fortificati: oltre l’archeologia e il restauro (1999) 69–76. Villa (wie Anm. 163) 840–843; ders. (wie Anm. 170) 550f.; ders., Aspetti (wie Anm. 174) 415–423; ders., Osoppo, storia, arte, archeologia (1995). – Die berühmte Grabplatte der Columba, virgo sacrata d(e)i von 524 läßt sich leider nicht mit der 1806 abgerissenen Kirche der hl. Colomba verbinden, erstmals bezeugt 1262: Villa, Aspetti (wie Anm. 174) 421 f. und ders., Ossoppo a.a.O. 109–111. Villa, Osoppo (wie Anm. 17) 32–49; ders., Alcuni aspetti della circolazione di prodotti di importazione in Friuli tra VI e VII secolo. In: L. Saguì (Hrsg.), Ceramica in Italia: VI–VII secolo (1998) 280–283 mit Abb. 3.
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fach mit historisch-archäologischen Wertungen festgelegt, die kurz zusammengefaßt seien:177 Er glaubt bei diesen Castra (und allen anderen von Paulus Diaconus genannten) eine „ruolo polivamente“ erkennen zu können, so konkret auch bei Ibligo-Invillino eine „funzione di centro di controllo, anche militare del territorio“. Da freilich als „Hypothese“ gekennzeichnet und somit mit Einschränkungen für diese so weitgehende Bewertung versehen,178 trägt diese reichlich spekulative Züge. Nun ist einmal ein Castrum vollständig ausgegraben, eines der wenigen in Oberitalien,179 und so frage ich mich, warum man sich von eindeutigen Grabungsergebnissen (s. o.) so weit entfernt?180 Reunia-Ragogna und Osopus-Osoppo können wegen der sehr begrenzten Grabungsausschnitte noch keinen Beitrag für eine generelle historisch-archäologische Wertung der friulanischen Castra leisten.181 Dennoch ging L. Villa für das castrum Reunia zuletzt in einer umfassenden Synthese noch weiter, die er sozusagen modellhaft für alle Castra Friauls verstanden wissen will, also auch für Ibligo-Invillino (und für viele Anlagen dell’area alpine orientale):182 1. Läßt sich die Hypothese einer Ummauerung von Reunia noch kurz vor der Mitte des 4. Jahrhunderts bestätigen, dann „avremmo una delle più antiche attestazioni archeologiche della fortificazione dei punti arretrati del sistema difensivo dell’Italia orientale, prima cioè della ristrutturazione del sistema difensivo del tractus Italiae circa
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Ausführlicher dazu Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung (wie Anm. 147) 62–64. Zitat: Villa (wie Anm. 163) 833; die Betonung des Hypothetischen [mit Hervorhebung durch V. B.]: „Se aspetti quali la conservata funzione strategica del Colle Santino e la possibilità di trovar difesa, la sua frequentazione da parte di popolazione romanza e germanica, tra cui alcuni armati, nonché un riassetto dell’abito che pare derivare da un generale progetto di intervento, non solo elementi sufficiente per valutare l’interesse della classe dominante del VI–VIII secolo per questa sede, costituiscono comunque dei segnali che consentono di ipotezzare l’esistenza di un insediamento, probilmente castrense, che aveva una posizione preminente nella struttura stanziale del periodo, sia nella vesta di attrazione per un abito civile che nella contestuale“ (dann folgt das Zitat in meinem Text): Villa a.a.O. 833. Vgl. die Übersicht bei A. Cagnana, Le strutture del Castello. Planimetria, dimensioni, organizzazione degli spazi: una analisa comperativa con i castra dell’Italia settentrionale. In: T. Mannoni/G. Murialdo (Hrsg.), S. Antonino: Un insediamento fortificato nella Liguria bizantina (2001) 101–134 mit Tab. 9,1 S. 103. Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung (wie Anm. 147) 63. – In ihrem grundlegenden Aufsatz folgt Frau Pani Ermini meiner Interpretation zu Invillino-Ibligo: L. Pani Ermini, Il recupero dell’altura nell’altomedioevo. In: Ideologie e pratiche del reimpiego nell’alto medioevo. Settima di Studio del Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo 46 (1999) 639. Über Reunia-Ragogna, nach Villa ein „nucleo di potere“, vielleicht sogar in Verbindung mit der „corte regia“ kann man wegen des langobardischen Oberschichtgrabes (s. o.) streiten: Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung (wie Anm. 147) 63f. Villa, Ricerche (wie Anm. 174) 71–73.
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Alpes“, und was danach zwischen dem Ende des 4. und im 5. Jahrhundert in einer Zeit allgemeiner Instabilität und Gefährdung im Grenzbereich geschieht, läßt sich „ohne Zweifel“ zuordnen „al processo di evoluzione delle strutture territoriali, portando ad un probaili abbandono di alcuni siti di pianura ed il potenziamento di quelli su altura, soprattutto se strettamente connessi al sistema viario“ und letztere nicht als Refugien, sondern diese ständig besetzten Höhensiedlungen erlangen „una funzione preminente nella dinamica del popolamento rurale e nel controllo del territorio in età tardoantica e altomedievale, soprattutto se caratterizzati anche di una funzione militare (Sperrungen, auch im folgenden: V. B.).183 Denkbar und möglich ist vieles, aber die begrenzten Grabungsausschnitte in Ragogna und Artegnia lassen solche Wertungen gewiß (noch) nicht zu, da zudem auch sogenannte Militaria wie im Trentino und in Südtirol (s. o.) fehlen. Im gänzlich ausgegrabenen Ibligo-Invillino würde ich heute selbst die Vermutung (!) nicht mehr wagen, daß die ‚Neueinrichtung‘ der Siedlung der Periode III (s. o.) mit milizartig organisierten Romanen im Kontext des tractus zu sehen sein könnte.184 2. Auch die Interpretation von Reunia im Zusammenhang mit dem ersten Kirchenbau in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts bzw. Anfang des 6. Jahrhunderts, hier vielleicht verbunden mit einer ristrutturazzione dell’insediamento, läßt sich archäologisch nicht beweisen: „La stretta coincidenza temporale della nuova fase strutturale dell’insediamento con l’età Gota permetterebbe di gettare nuova luce sulla attività promosse dall’élite politico–militare ed ecclesiastica del periodo nei centri fortificati del Friuli“.185 Ich kann meine Verwunderung darüber nicht verhehlen, wie weit die extrem begrenzte Quellenlage, die Luca Villa am Ende seiner Studie sogar nochmals betont, und seine historisch-archäologischen Wertungen auseinanderklaffen, Quelle und Aussage in keiner Weise mehr miteinander korrespondieren. Man schadet damit der frühgeschichtlichen Archäologie in zweierlei Weise: Entweder werden diese ‚Ergebnisse‘ von Historikern aufgegriffen, oftmals, weil sie selbst mit den Schriftquellen zu keinem gesicherten Ergebnis gelangen und eben das aus der archäologischen Forschung aufnehmen, was sich zu ihrer Sicht der Dinge gut fügt, oder Historiker, die auch nur ein wenig mit der Archäologie vertraut sind, entwickeln eine zunehmende Reserve im interdisziplinären Gespräch zur 183 184
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Villa, Ricerche (wie Anm. 174) 72. So noch Bierbrauer (wie Anm. 121) 335. – Obgleich zum tractus auch für Friaul keine Anlagen genannt werden, sucht man diese auch hier, eben mit Hilfe der Archäologie, z. B. C. Zaccaria, L’arco alpino orientale nell’età romana. In: S. Santoro Bianchi (Hrsg.), Castelraimondo, scavi 1988–1990 (1992) 91–93, bes. 92 mit Nennung vieler Orte, darunter auch die von Paulus Diaconus genannten Castra, was reine Spekulation ist. Zitate: vgl. Anm. 183.
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frühgeschichtlichen Archäologie, Tendenzen, die ohnehin weit verbreitet sind.186 In diese Richtung geht auch ein Beitrag des englischen Archäologen N. Christie, der sich gleichfalls weit von den archäologischen Quellen und ihrer Aussagekraft entfernt; er schreibt in einer Studie über die friulanischen Castra unter anderem: „Even if there was no bulk of occupation of a site like Invillino, this does not signify that this castrum or its habitants were not viewed as ‚Longobard‘, either by the duke, his nobility or by the ‚natives‘ themselves [das ist doch wohl Mentalitätsgeschichte! = V. B.]. This was a Longobard duchy, a new power and authority, but strong, and all settlements in Friuli – town, fort and farm – were part of this duchy“.187 Gewiß gehören diese zum Dukat von Foroiulanus, doch lassen sich daraus so weitgehende archäologische Schlüsse ziehen? Meine Antwort: nein! Auch die anderen, nicht in den Schriftquellen genannten Höhensiedlungen tragen zur Klärung der angesprochenen Fragen und Probleme letztlich nichts bei, unter anderem deswegen, weil auch hier die Siedlungsstrukturen nur sehr begrenzt erfaßt sind, unter anderem Udine-Kastellhügel, Buia („Monte di Buja“, jedoch mit dem Nachweis einer Kirche des 6. Jahrhunderts), Castelazzo di Doberdò, San Daniele188 und die oben schon genannten Anlagen bei Raveo und Verzegnis (Abb. 12). Nur in Castelraimondo di Forgaria am rechten Tagliamentoufer gegenüber von OsopusOsoppo wurden systematische Grabungen durchgeführt, jedoch mit begrenzten Baustrukturen, vielleicht am Ende des 4. Jahrhunderts zum tractus gehörend.189 Es stellt sich nun die entscheidende Frage, wie diese von Paulus genannten Castra (und Höhensiedlungen) im Verhältnis zur umgebenden Talsiedlung zu verstehen sind und zwar schon seit dem 5. Jahrhundert, also seit der gesicherten Neustrukturierung der Siedlung in Ibligo-Invillino und wohl auch in Reunia-Ragogna und Osopus-Osoppo.190 Meinen Überlegungen lege ich zugrunde, daß es sich wie in Ibligo-Invillino auch in Reunia-Ra-
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Zur frühgeschichtlichen Archäologie und Geschichtsforschung in Italien: Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung (wie Anm. 147) passim, bes. 29–33. N. Christie, The castra of Paul the Deacon and the longobard frontier in Friuli. In: Paolo Diacono (wie Anm. 163) 231–251, Zitat 247. Zur Auseinandersetzung mit N. Christie: Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung (wie Anm. 147) 247. Literaturnachweise bei Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 312; vgl. ferner Piuzzi (wie Anm. 172) passim. Wie Anm. 188, 312 f.; S. Santoro Bianchi, Edilizia abitativa negli insediamenti d’altura dell’Italia nordorientale: alcuni riflessioni. In: Abitare (wie Anm. 75); dies., Castelraimondo (wie Anm. 184). Die römische Besiedlung in diesen Anlagen lasse ich beiseite, da sie nicht direkt zum Thema gehört und außer in Invillino auch nicht flächig erfaßt ist.
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gogna191 und Osopus-Osoppo um romanische Siedlungen handelt; wenn sich in diese Castra Langobarden zu Verteidigungszwecken zeitweise zurückzogen, ändert dies nichts an dieser grundsätzlichen Bewertung. Der Bezug dieser Castra zur Talsiedlung in der zweiten Hälfte des 4. und in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts ist nur schwer einzuschätzen, da die Talsiedlung mit modernen Gesamtkartierungen nicht erfaßt ist; erkennbar wird in Grundzügen dennoch, daß die Talsiedlung auch zu dieser Zeit kontinuiert, auch wenn sich das Siedelbild wandelt, faßbar zum Beispiel an der Aufgabe der villae rusticae und am starken Rückgang der Siedlungsplätze.192 Obgleich nach meiner Auffassung aus den genannten Gründen ein (ursächlicher?) Wechselbezug zwischen Tal- und Höhensiedlung nicht zweifelsfrei nachweisbar ist, hält man diesen dennoch für wahrscheinlich.193 Veritable Probleme ergeben sich für den Bezug der Höhensiedlung, insbesondere der Castra, zur Talsiedlung spätestens ab der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts bis ins gesamte 7. Jahrhundert, weil nun ein dichtes Netz von Talsiedlungen durch siedlungsindizierende romanische Bestattungsplätze belegt ist (Abb. 14),194 dazu kommen frühchristliche Kirchen.195 Wie paßt beides zusammen? Diese Frage wurde bislang noch nicht gestellt, weder von der friulanischen Forschung, noch von mir. Die vermeintlich naheliegende Antwort, daß es sich bei den Castra (und Höhensiedlungen) um Refugien handeln könne, scheidet aus: Dies jedenfalls trifft auf Ibligo-Invillino gesichert nicht zu, wohl auch nicht für Reunia-Ragogna und OsopusOsoppo, trotz der begrenzten Grabungsausschnitte; immerhin standen auch hier im 5.–7. Jahrhundert Gemeinde- und Taufkirchen. Also doch ständig besetzte langobardische Wehranlagen, in denen sich auch noch Romanen befanden? Auch diese Antwort befriedigt mich nicht, da – wie ich zu begründen versuchte – hierfür keine stichhaltigen archäologischen Beweise vorliegen.196 Langobardische Siedlung ist ähnlich dicht in der Tiefebene belegt wie die romanische Siedlung, wiederum durch siedlungsindi191 192 193
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Vgl. Anm. 181. Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 300–303. Vgl. z. B. das Zitat von L. Villa oben S. 697 mit Anm. 183; ebenso z. B. Zaccaria (wie Anm. 184) 93. Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 317–320 mit Abb. 8. Villa, Aspetti (wie Anm. 174); ders. (wie Anm. 170); Cagnana (wie Anm. 171); Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 314–137; M. Sannazaro, Insediamenti rurali ed ecclesiae baptismales in Friuli: il contributo della ricerca archeologica. In: Paolo Diacono (wie Anm. 163) 253–280. Wie ein gesicherter archäologischer Nachweis für eine ständige Präsenz von Langobarden in Siedlungen und somit auch in Castra aussehen muß, habe ich an anderer Stelle ausführlich dargelegt: Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung (wie Anm. 147) 46f. und 68–71.
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Abb. 14. Romanische Bestattungsplätze des 5.–7. Jahrhunderts in Friaul mit spätantik-frühmittelalterlichem Straßennetz.
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Abb. 15. Langobardische Bestattungsplätze des 6. und 7. Jahrhunderts in Friaul (Punkt) mit spätantik-frühmittelalterlichem Straßennetz und Gegenkartierung der romanischen Bestattungsplätze (Dreieck).
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zierende Nekropolen (Abb. 15), auch zum Teil in unmittelbarer Nähe zu den Castra.197 In einer beträchtlichen Zahl dieser Bestattungsplätze dürften auch Romanen mitbestattet worden sein,198 so wie auch umgekehrt Langobarden in romanischen Nekropolen mit dem wichtigen Beispiel von Romans d’Isonzo.199 Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die Installierung langobardischer Siedlung in der romanischen Infrastruktur, da Friedhofsgemeinschaften doch wohl auch auf gemeinsam benützte Siedlungen schließen lassen.200 Angesichts dieser Beweiskette wiederhole ich nochmals die zuvor gestellte Frage zum Verhältnis von Höhen- und Talsiedlung, verbunden nun mit meiner Antwort: Ich weiß es nicht! Da meine Ausführungen zu Friaul zusammenfassend gehalten waren, verzichte ich auf eine weitere Zusammenfassung.
III. Schlußwort An das Ende meines Beitrags möchte ich ein kurzes Schlußwort stellen: Sowohl für Südtirol und das Trentino als auch für Friaul war es nicht möglich, das gesamte Spektrum an Fragen, das die Thematik der Tagung bedingte, auch nur annähernd befriedigend zu beantworten. Für Südtirol und auch das Trentino ist hierfür die insgesamt schlechte archäologische Quellenlage zu den Castra und Höhensiedlungen verantwortlich; sie erschwerte zudem auch das Bezugsfeld zur gleichfalls nicht leicht einzuschätzenden Talsiedlung. Mehr als eine Arbeitshypothese war nicht formulierbar. Hinzu kommt die Überlieferung der Schriftquellen, die für den tractus Italiae circa Alpes und für die ostgotenzeitlichen Clusurae Augustanae keinen konkreten Bezug zu den archäologischen Quellen erlauben, und selbst für die Langobardenzeit bietet das, was die Mediävistik für die Castra seit alters her versuchte zu erarbeiten, ein höchst widersprüchliches Bild. Für Friaul bietet
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Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 324 f. mit Abb. 9; I. Ahumada Silva, Necropoli longobarde a Cividale ed in Friuli. In: Paolo Diacono (wie Anm. 163) 321–356 mit Karte II. – Die Kartierung hier in Abb. 15 beruht auf dem Kriterium der Waffenbeigabe (aber ohne Sax) und ist damit ethnisch m. E. nicht angreifbar: vgl. dazu z. B. Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung (wie Anm. 147) 35–43; ders., Zur ethnischen Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie. In: W. Pohl (Hrsg.), Die Suche nach den Ursprüngen. Von der Bedeutung des Frühmittelalters (2004) 63–68. Nach meiner Durchsicht, aber noch nicht systematisch ausgewertet. Kurz informierend: V. Bierbrauer, s. v. Romans d’Isonzo. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 Bd. 25 (Berlin, New York 2003) 320–323; Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung (wie Anm. 147) 44 f. mit Taf. 3–10. Von diesen ist noch keine erforscht, auch nicht in Romans d’Isonzo.
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die historische Forschung ein vergleichsweise sehr einheitliches Bild zu den Castra und ihrer Genese; vielleicht ist dieses der Grund, daß man in der archäologischen Forschung der letzten Jahre sich an dieses sehr stark anlehnte. Ich halte dies für höchst bedenklich, da trotz einer etwas besseren archäologischen Quellenlage als in Südtirol und im Trentino diese für ein Gesamtbild noch nicht trägt und die Gefahr einer gemischten Argumentation im Raum steht. Stattdessen bemühte ich mich, eng an der archäologischen Quelle zu bleiben und auch diese auswertend nicht zu überfordern. Aus diesem Grunde halte ich es auch (noch) nicht für vertretbar, in meinen beiden Arbeitsgebieten Modellbildungen näher zu treten, so wie ich es 1985 noch glaubte zu tun können,201 auch wenn die Grundtendenz vielleicht nicht ganz falsch sein dürfte. Insgesamt also: Derzeit noch mehr Fragen als befriedigende Antworten. Erst eine deutlich verbesserte Quellenlage kann Abhilfe schaffen.
Nachtrag Nach Abgabe meines Beitrages erschien die Publikation zu einer Ausstellung in Schloß Runkelstein bei Bozen (19. 04.–30. 10. 2005), herausgegeben vom Südtiroler Kulturinstitut: W. Landi (Red.), Romanen und Germanen im Herzen der Alpen zwischen 5. und 8. Jahrhundert. Beiträge (Bozen 2005) mit 407 Seiten. Dieser Band enthält zahlreiche Beiträge, die thematisch meine Freiburger Studie mehr oder minder insgesamt berühren, so die beiden Aufsätze von G. Albertoni über „Germanen und Romanen als geschichtswissenschaftliche Frage“ (S. 17–27) und „Die Langobarden in Trient“ (S. 29–43), ferner W. Landi, „Die spätantiken-frühmittelalterlichen castra der vallis Tridentina“ (S. 85–119), E. Cavada, „Trient in gotischer und langobardischer Zeit. Eine Stadt zwischen Erhaltung, Fortbestand und Veränderung“ (S. 241–261) und auch ein Beitrag des Verfassers über: „Romanen und Germanen im 5.–8. Jahrhundert aus archäologischer Sicht“ (S. 215–239). Direkten Bezug nehmen auch die Beiträge von G. P. Brogiolo und G. Gentilini, „Castelfeder und Perdonig in Südtirol. Frühmittelalterliche Mauerstrukturen im Vergleich“ (S. 315–329), H. Rizzoli, „Völkerwanderungszeitliche Geldwirtschaft im nachmaligen Tiroler Raum“ (S. 283–295)
201
Vgl. Anm. 16. – Zu solchen Modellbildungen vgl. ferner: G. P. Brogiolo, Castra tardo antichi (IV – metà VI). In: R. Francovich/G. Noyé (Hrsg.), La storia dell’alto Medioevo italiano (VI–X secolo) alla luce dell’archeologia (1994) 151–158; ders./S. Gelichi, Nuove ricerche (wie Anm. 120) 12–22; Piuzzi (wie Anm. 172); Pani Ermini (wie Anm. 180) 628–632.
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und B. Maurina, „Befestigte Siedlungen der Spätantike im Trentiner Raum. Der Fall Loppio“ (S. 351–371). Auf den numismatischen Beitrag von H. Rizzoli sei eigens hingewiesen, der eine Vielzahl von Münzen aus einer um 1900 angelegten Privatsammlung publiziert; sie waren bislang unbekannt und besitzen Provenienzangaben, so auch zu den in meinem Beitrag publizierten Plätzen, vor allem: 1. aus Portolo (Castrum Anagnis): ein 10 Nummi-Stück von Theoderich (493–526; Fundortangabe: „mit großer Wahrscheinlichkeit“), zwei Halbsiliquen von Witigis (536–540) und mehrere byzantinische Münzen (539–568), 2. aus St. Peter in Altenburg: eine Viertelsiliqua von Athalarich (526–534) und eine byzantinische Drittelsiliqua (539–568). Diese Münzfunde wie auch andere aus Nord- und Südtirol sowie aus dem Trentino sind hier nur summarisch behandelt mit Verweis auf das in Druck befindliche Werk von H. Rizzoli, Münzgeschichte des alttirolischen Raumes im Mittelalter und Corpus Numorum Tirolensium Medievalium Bd. 2 (2005). Schließlich sei noch auf eine außerordentlich wichtige Studie von Ingrid Heitmeier hingewiesen über: „Baiern im Inn-, Eisackund Pustertal? Frühmittelalterliche Machtpolitik und die Frage der Siedlungsentwicklung im Tiroler Alpenraum (S. 45–67): Völlig konträr zur bisherigen Forschungsmeinung zur ‚Landnahme‘ der Bajuwaren südlich des Brenners im Verlauf des 7. Jahrhunderts vertritt Frau Heitmeier auf der Grundlage detailliert kleinräumlich strukturierter landesgeschichtlichen Analysen die Ansicht, daß „eine bairische Siedlungsinitiative vor dem 8. Jahrhundert ausschließlich auf norischem und nicht auf rätischem Boden erfolgte … Erst Herzog Tassilo III. gelang es, nach der Mitte des 8. Jahrhunderts auch die ehemals rätischen Täler Tirols mit dem bairischen Herzogtum zu verbinden, ohne daß sie deshalb Teile des Herzogtums geworden wären“ (S. 63 f.). Nur eine kurzfristige bajuwarische Präsenz in Südtirol wird für das 7. Jahrhundert konzediert, etwa von 660–680, also jene in den Schriftquellen erwähnte Episode mit dem bairischen Grafen von Bozen, den der langobardische Herzog Alahis von Trient 680 wieder vertrieb. I. Heitmeier rechnet das Eisacktal – trotz teils vorsichtiger, teils wenig klarer Formulierungen – auch nach 591 noch zum langobardischen Herrschaftsgebiet. Zahlreiche Beiträge betreffen das Trentino von der Vorgeschichte bis ins Mittelalter in dem Sammelband: M. de Vos (Hrsg.), Archeologia del territorio. Metodi Materiali Prospettive. Medjerda e Adige: due territori in confronto (2004), ab S. 237–558, darunter: R. Oberosler, Terra sigillata africana: importazione di manufatti nel territorio trentino (S. 237–244), G. P. Brogiolo/E. Cavada/A. Colecchia, L’aerofotointerpretazione come strumento di lettura del paesaggio antico: possibilità applicative in area alpina. L’esperienza nelle Giudicarie (S. 510–546).
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Ferner sei noch auf einen Beitrag von Luca Villa für Friaul verwiesen: Sepolture e necropoli in Friuli tra tarda antichità e il primo altomedioevo. Fundberichte Österreich 41, 2002, 525–541. Bis zur Fahnenkorrektur ist mir noch weitere Literatur bekannt geworden, die nur kurz aufgezeigt sei: 1. zu Volano: R. Adami/M. Bonazza/ G. M. Varanini (Hrsg.), Volano. Storia di una Comunità (2005); 2. G. Cuscito/F. Maselli Scotti (Hrsg.), I borghi d’altura nel Caput Adriae. Il perdurare degli insediamenti dall’età del ferro al medio evo. Antichità Altoadriatiche 56 (2004) und 3. N. Christie, From Constantine to Charlemagne. An Archeology of Italy AD 300–800 (2006). – Zuletzt sei noch auf die Höhensiedlung S. Martino di Lundo/Lomaso verwiesen, wo E. Cavada seit 2004 gräbt (Vorbericht in: Studi Trentini di Scienze Storiche 84 [4], 2005, 138–142), vielleicht das Castrum Ennemase.
Nachweise zu Tafeln und Abbildungen: Tafelnachweis: Soweit nicht angegeben, Fotos vom Verfasser. – Die Computergraphik erstellte Frau Sabine Peisker von unserem Institut in München. Tafeln: 1.1: Aufnahme Enrico Cavada (Trient); 3.1: nach Carta d’Italia F° 25 II NO (M. 1: 25 000); 4.1: nach Nothdurfter (wie Anm. 62) 295 Abb. 2; 6.2: Aufnahme K. Gruber (Brixen); ansonsten: nach Verfasser. – Abbildungen: 1: Verfasser; 2: Nachweise in den Anmerkungen; 3.1: nach Denkmalpflege in Südtirol 1986, 269 Abb. 1; 3.2: nach Bierbrauer (wie Anm. 16) 510 Abb. 10, mit Ergänzungen; 4: nach Anm. 65; 5: nach Dal Ri/Fusi (wie Anm. 68) 38–40 Abb. 1–3; 6: nach Bierbrauer (wie Anm. 93) 221 Abb. 19; 7: nach Bassi (wie Anm. 118) Abb. 5; 8: nach Bassi (wie Anm. 118) Abb. 4; 9: nach Cavada (wie Anm. 119) 103 Abb. 4; 10: nach Cavada (wie Anm. 119) 104 Abb. 5; 11: nach Cavada (wie Anm. 119) 123 Abb. 20 links; 12: nach Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 305 Abb. 3, mit Ergänzungen; 13: nach Menis (wie Anm. 164) 15 Abb. 2; 14: nach Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 318 Abb. 8; 15: nach Bierbrauer, Friaul (wie Anm. 147) 319 Abb. 9.
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2 Tafel 1. 1 Trient mit dem Doss Trento, 2 Doss Trento von Osten.
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2 Tafel 2. 1 Tisens-St. Hippolyth im Etschtal von Südwesten, 2 Castelfeder im Etschtal von Süden.
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2 Tafel 3. 1 Burgkofel von Lothen und St. Lorenzen, 2 Burgkofel von Lothen von Osten (mit römischem Meilenstein von 217 n. Chr., Kopie).
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2 Tafel 4. 1 Bozen, St. Vigilius am Virgl mit dem Eisacktal von Südwesten, 2 Eisacktal mit Villanders von Norden.
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2 Tafel 5. 1 Das ansteigende Hochplateau von Brentonicum von Norden, 2 Becken von Nomi und Volano im Etschtal: Nomi mit dem Dosso della Pozza und Volano (Pfeil); das Castrum Volaenes auf dem Dosso Dieci Torri direkt hinter der Hügelkette, von Südwesten.
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2 Tafel 6. 1 Castel Pradaglia am westlichen Etschtalrand in Terrassenlage (im Hintergrund) von Westen, 2 Vervò im Nonsberg mit S. Martino.
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2 Tafel 7. 1 Tagliamento mit Tiefebene, 2 Osoppo von Nordosten.
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2 Tafel 8. 1 Invillino, Colle Santino im Tagliamentotal von Südosten, 2 Kastellhügel von Gemona von Südosten.
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 715–748 © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Höhensiedlungen und castra zwischen Spätantike und Frühmittelalter in Oberitalien Gian Pietro Brogiolo und Elisa Possenti
Das Thema „Höhensiedlungen zwischen Spätantike und Frühmittelalter in Oberitalien“1 entspricht einigen seit circa zwanzig Jahren laufenden Forschungsprojekten zu den italienischen alpinen Befestigungsanlagen. Intensivere Forschungen wurden in der Gegend des Comer Sees, im westlichen Teil des ligurischen Appennins, in Colli Euganei bei Padua und in einem Areal südöstlich des Gardasees durchgeführt. Detaillierte archäologische Untersuchungen innerhalb dieser Regionen (Abb. 1) fanden in den Siedlungen von Monte Barro, S. Antonino di Perti, Rocca di Monselice und Rocca di Garda (s. u.) statt; außerdem wurden Forschungen in beschränkterem Umfang (surveys sowie kleine Sondagen) in anderen Orten vorgenommen, welche das gesamte Bild bereichern. Obwohl sich die Forschung heutzutage noch in einer Entwicklungsphase befindet,2 macht der Vergleich der bis heute gesammelten Daten deutlich, daß 1. die Befestigungsanlagen in den verschiedenen geographischen Arealen eine unterschiedliche Entwicklung hatten, und daß 2. dieses Phänomen mit den Befestigungen der Poebene, vor allem entlang der Flüsse und Seen, in einem sehr engen Zusammenhang stand. Hier müssen wir hinzufügen, daß diese Unterschiede auf die jeweiligen politischen Veränderungen des 4.–7. Jahrhunderts zurückzuführen sind, die sich auf Befestigungsanlagen auswirkten, wie auch den schriftlichen Quellen zu entnehmen ist. Im 5. Jahrhundert war zum Beispiel die Verteidigung der Durchfahrtstraßen zwischen Mailand und Aquileia das vorrangige Ziel, in ostgotischer Zeit der allgemeine Schutz der wichtigeren Städte in der
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Die Höhensiedlungen in Friaul und Trentino-Alto Adige werden hier nicht betrachtet, da sie in diesem Band (S. 643ff.) von Volker Bierbrauer analysiert werden. Jüngere Zusammenfassungen dazu in: Brogiolo/Gelichi 1996; mit Ergänzungen in Cagnana 2001a; Villa 2001; Brogiolo 2002; Brogiolo 2004; Possenti 2004. Siehe auch Bierbrauer 2003, 61–72 der vor allem aus methodologischer Sicht den italienischen Forschungsstand behandelt.
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Abb. 1. Die wichtigsten Städte und Castra in Oberitalien, die im Text zitiert sind: 1 Pollenzo, 2 Torino, 3 Susa, 4 Belmonte, 5 Ivrea, 6 S. Giulio d’Orta, 7 Varallo Pombia, 8 Novara, 9 Castelnovate, 10 Castelseprio, 11 Laino d’Intelvi, 12 Como, 13 Isola Comacina 14 Monte Barro, 15 Colle Brianza, 16 Milano, 17 Lomello, 18 Pavia, 19 Brescia, 20 Gaino, 21 Sirmione, 22 Rocca di Garda, 23 Verona, 24 Padova, 25 Monselice, 26 Ceneda, 27 Oderzo, 28 Eraclea, 29 Grado, 30 Campomarzio, 31 S. Antonino di Perti, 32 Varigotti, 33 S. Donato di Varazze, 34 Monte Castellaro di Zignago, 35 Monte Castello, 36 Filattiera, 37 Ravenna.
Poebene gegen die Franken und in langobardischer Zeit innerhalb der byzantinischen Gebiete die Verteidigung der Durchfahrtstraßen, die von den Langobarden bedroht wurden. Diese Voraussetzungen führten zur Entwicklung unterschiedlich gestalteter „Verteidigungssysteme“, die in den jeweiligen chronologischen Abschnitten ihren Ursprung hatten und nicht immer die gleichen Ziele verfolgten. Der politische Wandel bestimmte außerdem das eventuelle Überleben bzw. das totale Verschwinden dieser „Verteidigungssysteme“.
Höhensiedlungen und castra zwischen Spätantike und Frühmittelalter in Oberitalien
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Die spätantike Zeit In der zwischen 401 und 425 erstellten Notitia Dignitatum ist erstmals der Tractus Italiae circa Alpes erwähnt, der unter der Führung des Comes Italiae stand.3 Wie aus dem Codex-Landi-Bild hervorgeht,4 bestand das System aus an Berghängen liegenden Mauerstrecken, die eine befestigte Stadt schützten (Abb. 2).5 Einige Jahrzehnte früher fanden an der Reichsgrenze einige krigerische Ereignisse statt, die den Bau des Befestigungssystems höchstwahrscheinlich auf unterschiedliche Weise beeinflußten: im Westen der alamannische Einfall von 355, der bei Campi Canini in der Nähe von Bellinzona gestoppt wurde, und 406 die Überquerung des Rheins; im Osten der Durchbruch des pannonischen Limes im Jahr 395. Außerdem ist zu bemerken, daß sich die Hauptstadt des westlichen römischen Reiches bis 402 in Mailand befand, bevor der Hof nach Ravenna verlegt wurde. Die archäologischen Forschungen haben gezeigt, daß die julianischen Befestigungen (heute auf slowenischem Gebiet) wahrscheinlich am Anfang des 5. Jahrhunderts und vermutlich nicht früher als im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts errichtet wurden.6 Dagegen wurden bis heute noch keine westlichen Anlagen ähnlicher Zeitstellung gefunden.7 Die ältesten archäologischen Zeugnisse von befestigten Höhensiedlungen in den mittleren und westlichen Alpen sind nämlich erst in die Mitte des 5. Jahrhunderts zu datieren. Außerdem kann man andere Anlagen anführen, die im 5. Jahrhundert errichtet wurden und in der Poebene oder wenig nördlicher lagen, darunter Lomello und Sirmione. Von diesen letzten großen castra ist das Gründungsdatum noch nicht bekannt, sondern nur 3 4 5
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Seeck 1876; Clemente 1968; Clemente 1980; Sannazaro 1990. Piacenza, Biblioteca Comunale Passerini Landi, manoscritto Landi 9, XVI secolo. In den schriftlichen Quellen des 4. Jhs. sind außerdem die sog. Claustra Alpium Iuliarum erwähnt, die die östliche Grenze schützen sollten. Über die Claustra Alpium Iuliarum, ihre Chronologie, strategische Wertung und ihr insgesamt abweichendes Erscheinungsbild: Sasel/Petru 1971; Christie 1991, 414–420; Zaccaria 1992, 90–93. Sasel/Petru 1971; Zaccaria 1992, 90–93; Napoli 1997, 56–58, 95–96, 260–286. Die schriftlichen Quellen bestätigen diese Datierung (Napoli 1997, 56–58). Man muß jedenfalls bemerken, daß zumindest in Venetien einige nicht völlig überzeugende Hinweise auf eine ähnlich „alte“ Zeitstellung vorhanden sind. Zum Beispiel kann man den sog. „Forte Teodosio“, in der Nähe von Riva del Garda (Trento) und Rivoli Veronese bei Verona anführen. Forte Teodosio liegt an einem steilen Felsvorsprung; dort wurden 1860 goldene Münzen aus teodosianischer und valentinianischer Zeit gefunden (Cavada 1996, 29). In Rivoli Veronese hat man die Reste einer allgemein spätantikfrühmittelalterlichen Besiedlung untersucht und eine Zwiebelknopffibel aus dem 4. Jh. ausgegraben. Für diesen und andere ähnliche Befunde in Venetien (Bereich von Feltre, prov. Belluno und Vittorio Veneto/Ceneda, prov. Treviso) siehe: Possenti 2004, 126 f.
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Abb. 2. Notitia Dignitatum (ms. Landi 9, Piacenza), Vignette des Comes Italiae.
eine allgemein spätantike Datierung. Die Thermoluminiszenz-Analysen haben für Lomello eine Zeitspanne von 414 ±90 ergeben (Abb. 3).8 Die erste Phase des castrum Sirmione soll nach Elisabetta Roffias Meinung in das 8
Maccabruni 1993, 125 f. Die Analysen bezogen sich auf einige vermutlich nicht wiederbenutzte Ziegel, aus denen die Befestigungsmauer besteht. Nach Claudia Maccabruni, der wissenschaftlichen Leiterin der Ausgrabungen, ist die Errichtung des Castrums wahrscheinlicher am Anfang des 5. Jhs. anzunehmen.
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Abb. 3. Lomello (Pavia). Eine spätantike Befestigungsmauerstrecke, die in S. Maria Maggiore Kirche einbezogen ist.
5. Jahrhundert gehören, ohne daß eine genauere Angabe möglich wäre (Abb. 4).9 Auf jeden Fall spielten diese castra eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Durchfahrtstraßen: Lomello überwachte die Straße nach Gallien und Sirmione die Straße von Verona nach Brennero sowie die Routen des Gardasees, wo man für das 5. Jahrhundert eine Flotte vermutet.10 Für die alpinen Areale, die das Thema dieses Berichts darstellen, sind Monte Barro und Castelseprio (s. u) die wichtigsten Beispiele großer castra.11 Bis heute ist Monte Barro (prov. Lecco) das einzige castrum der südwestlichen Alpen, das großflächig ausgegraben und ganz veröffentlicht worden ist. Hier haben die archäologischen Untersuchungen (1988–1997)12 nachge9 10 11
12
Roffia 1999, 29; bestätigt in Ghiroldi/Portulano/Roffia 2001, 111 f. Roffia 1999, 35f. In Castelseprio könnten jedoch die drei inneren Türme älter sein (Brogiolo/Gelichi 1996, 120–122; mit größerer Sicherheit Surace 2004, 272–275). Dieses Problem ist leider nur durch neue Ausgrabungen lösbar, da die Hypothese auf alten Untersuchungen sowie Teildaten beruht und es noch unklar ist, ob die drei Türme (von denen einer heute der Glokkenturm der Kirche S. Giovanni ist) wirklich älter als die gesamte Befestigungsanlage sind und, wenn es so ist, wieviel älter sie sind. Monte Barro I; Monte Barro II.
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Abb. 4. Sirmione (Brescia). Plan des castrum (nach Ghiroldi/Portulano/Roffia 2001).
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wiesen, daß die Siedlungsgründung im 5. Jahrhundert, höchstwahrscheinlich zwischen dem zweiten Viertel und der Mitte des Jahrhunderts stattgefunden hat.13 Die Besiedlung hatte eine Ausdehnung von circa 50 ha und wurde größtenteils von einer Befestigungsmauer geschützt (Abb. 5). Das wichtigste Gebäude, das sogenannte „Grande edificio“, hatte einen U-förmigen Grundriß (Abb.6) und war vermutlich der Sitz des militärischen Befehlshabers. Im ersten Stock des mittleren Teils gab es den bedeutendsten Saal, der wahrscheinlich zur Repräsentation und dem Empfang diente; diese Hypothese wird von einer hängenden Krone (Abb. 7) bestätigt, die in den Zerstörungsschichten des ersten Stocks gefunden wurde.14 Auch der größte Teil der anderen Gebäude hatte zwei Stockwerke (Erdgeschoß und erster Stock), aber ihr normalerweise dreiteiliger Grundriß war einfacher als der Plan des U-förmigen Gebäudes. Die Mauerzüge waren qualitätvoll ausgeführt, so daß anzunehmen ist, in Monte Barro haben Fachleute gearbeitet. Die Siedlung wurde nach einem Brand verlassen, der zwischen 540 und 580 stattgefunden hat. Die Datierung dieses chronologischen Abschnitts wird von den späteren Münzen, von den Sigillata-Scherben (Form Hayes 104) und von einigen 14C-Analysen gestützt. Den archäologischen Daten folgend hat man vorgeschlagen, daß Monte Barro von der Zentralbehörde gefördert wurde; außerdem wäre das castrum in erster Linie für den Befehlshaber, die Soldaten und deren Familien errichtet worden. Trotzdem sei es geräumig genug gewesen, um die zivilen Bewohner der Umgebung wenn nötig aufzunehmen. Jedenfalls benutzten die ständigen Bewohner des castrum Ressourcen von außen, die größtenteils lokaler Herkunft waren. Es handelt sich um Hauskeramik, Lavez usw.; nur ein sehr kleiner Teil besteht dagegen aus eingeführten Waren (Sigillata, Amphoren). Es scheint, als seien Monte Barro und die anderen zeitgenössischen Befestigungen in der Gegend der Stadt Lecco ein Katalysator für die wirtschaftlichen Tätigkeiten und die zivile Besiedlung des Areals gewesen.15 Davon bieten die Ausgrabungen in der Kirche von S. Stefano di Garlate ein indirektes Zeugnis. Hier hat man nämlich auf dem Talboden in der Nähe des Sees ein Mausoleum aus dem 5./6. Jahrhundert ausgegraben, das später (mindestens ab dem 7. Jahrhundert) zu einer Kirche wurde16 (Abb. 8). Jedenfalls war Monte Barro nicht die einzige Festung in der Gegend von Lecco.17 Trotz der eingeschränkten Untersuchungen kann man vermuten, 13 14
15 16 17
Brogiolo 2001, 87–90. Zur Interpretation der Krone und zu einem Vergleich mit anderen hängenden Kronen, die auch aus ikonographischen Quellen bekannt sind: De Marchi 1991, 107–113. Brogiolo 2001, 79–87. Garlate 2001. Brogiolo 2001, 90–99.
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Abb. 5. Monte Barro (Lecco). Plan des castrum (die graue Linie bezeichnet die Befestigungsmauer) (nach Monte Barro II).
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Abb. 6. Monte Barro (Lecco). Plan des sogenannten „grande edificio“ (nach Monte Barro I).
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Abb. 7. Monte Barro (Lecco). Die hängende Krone, die im sogenannten „grande edificio“ entdeckt wurde (nach Monte Barro I).
daß sich spätantike Befestigungen wahrscheinlich in Colle Brianza, Paderno-Madonna della Rocchetta und vielleicht in Brivio18 befanden (Abb. 9). Dieser Komplex kontrollierte die gesamten Durchfahrtstraßen im Gebiet des Comer Sees, dessen strategische Wichtigkeit von der Notitia Dignitatum bestätigt ist. In der Notitia Dignitatum wird nämlich erstmals die flotta comensis zitiert, die unter der Leitung eines praefectus cum curis civilis stand. Diese Flotte wurde wahrscheinlich schon im 4. Jahrhundert eingeführt, um Verproviantierung und Verstärkung des Limes sowie die Nachrichtenübermittlung dorthin zu garantieren. Wahrscheinlich wurde im 5. Jahrhundert die neue militärische Rolle der Stadt Como beschlossen, deren Mauerring mit Türmen verstärkt wurde.19
18 19
Brogiolo 2001, 94–97. Brogiolo 2001, 99–102.
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Abb. 8. Garlate (Lecco). S. Stefano Kirche, die spätantik- und frühmittelalterlichen Phasen (nach Garlate 2001).
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Abb. 9. Monte Barro in Verhältnis mit dem oberitalienischen Befestigungssystem (nach Monte Barro II).
Ein anderes großes castrum war Castelseprio20 (Abb. 10), das auf einem Hügel im Olonatal errichtet wurde, wahrscheinlich entlang der (bis heute noch nicht belegten) Straße, die Como/Comum und Novara/Novaria verband. Die Befestigungsanlage wurde vermutlich um die Mitte oder in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts erbaut, obwohl man nicht ausschließen
20
Ein zusammenfassendes Bild über Castelseprio (und die sehr umfangreiche Bibliographie) in: Brogiolo/Gelichi 1996, 119–158; Surace 2004; Possenti 2005.
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Abb. 10. Castelseprio (Varese). Plan des castrum (nach Surace 2002).
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Abb. 11. Garda (Verona). Der Hügel, wo sich das castrum befindet.
sollte, daß die Gründung einige Jahrzehnte älter ist.21 Das castrum bestand aus einer Mauer mit Türmen, die ca. 800 m lang war und eine Fläche von etwa 4,5 ha einschloß. Wahrscheinlich wurde in einer zweiten Phase ein Anbau in Richtung Talboden hinzugefügt, danach folgte eine weitere Vergrößerung von ca. 2 ha.22 Innerhalb der Siedlung gab es drei Türme, eine Taufkirche (S. Giovanni), ein Gebäude, das normalerweise „casaforte“ genannt wird und vielleicht der Sitz des Befehlshaber war, sowie ein Wohnviertel. Ein drittes castrum wurde am südlichen Rand der Alpen im 5. Jahrhundert erbaut. Es handelt sich um Garda (Abb. 11), das sich auf der Hochebene des gleichnamigen Hügels befindet. Das castrum war nicht weit entfernt von dem nordöstlich gelegenen Sirmione, dessen Halbinsel von Garada aus gut zu sehen ist.23 21
22
23
Zur Datierung Castelseprios und der Hypothese einer früheren Errichtung der drei inneren Türme (s. o.). Leider stammt der größte Teil der archäologischen Daten bezüglich Castelseprio aus alten Ausgrabungen (ausgenommen die wichtigen polnischen Ausgrabungen der sechziger Jahre und die jüngsten in den letzten zwanzig Jahren); daraus wird eine noch ungenaue Datierung vor allem der älteren Phasen des castrum abgeleitet. Es handelt sich um den Teil, der den Torba-Turm enthält. Sehr problematisch bleibt, ob diese Erweiterung ostgotenzeitlich ist. Die Identifizierung des castrum Garda mit dem Ort Garada wurde von La Regina 1988 vorgeschlagen.
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Abb. 12. Garda (Verona). Plan des castrum (nach Malaguti/Riavez 2005).
Während der letzten Ausgrabungen (1998–2003) wurden unter anderem einige interessante Strukturen aufgedeckt und belegt24 (Abb. 12). Die Befestigungsmauer, die in mehreren Teilstrecken erhalten ist, war in der Nähe des Eingangstores in mindestens drei Mauerringe gegliedert, von denen der innerste im 5. bzw. am Anfang des 6. Jahrhunderts errichtet wurde.25 Wohngebäude wurden an mindestens zwei unterschiedlichen Stellen ausgegraben: auf der Hochebene und auf dem Plateau eines Felsabhangs in der Nähe des Sees.26 Im ersten Fall wurde ein großes Wohngebäude aus dem 5.–7. Jahrhundert dokumentiert, dessen erhaltene Mauern in qualitätvoller Technik ausgeführt worden sind.27 Im zweitem Fall hat man die Reste eines Wohngebäudes mit rechteckigem Grundriß ausgegraben, das in das zweite Viertel des 5. Jahrhunderts datierbar ist. Schließlich ist eine Kirche mit halbrunder Apsis zu erwähnen, die am Anfang des 6. Jahrhunderts im nördlichen Teil der Hochebene errichtet wurde. Der Fußboden wurde mit Mosaiken verziert, die Wände der Apsis mit Fresken. Vermutlich aus dem 24 25
26 27
Garda I; Garda II; Malaguti/Riavez (2005). Chavarria 1999. Es ist bis heute nicht geklärt, ob dieser innerste Mauerring die älteste Befestigung war oder nicht. Archeologia a Garda 2006. In diesem Fall ist auch Putz belegt; es war aber nicht möglich, den gesamten Grundriß des Gebäudes zu erkennen.
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5./6. Jahrhundert stammende Bestattungen sind außerdem inner- und außerhalb der Kirche gefunden worden. Das Gebäude liegt über einigen Strukturen aus dem 4./5. Jahrhundert, die wahrscheinlich als Wohngebäude dienten.28 Für Piemont gibt es weniger Informationen. Nichtsdestotrotz blieb Piemont mindestens bis zum Ende des 6. Jahrhunderts eine bestimmende Region.29 Demnach kann man vermuten, daß in dieser Zeit (um die Mitte des 5. Jahrhunderts) die südliche Verteidigungslinie des Piemonts schon gebildet worden war. Dieses System bestand aus Städten und castra entlang der strategischen Straßen nördlich des ligurischen Apennins, die bis heute nur teilweise identifiziert werden konnten. Jedenfalls waren diese Siedlungen nicht nur Höhenbefestigungen. Das ist zum Beispiel der Fall von Pollenzo, wo wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts eine Befestigung errichtet wurde.30 Auf die Mitte des 5. Jahrhunderts geht auch die Gründung des castrum Belmonte zurück.31 Es war vermutlich abhängig von Ivrea, das vielleicht mit dem ehemaligen castron Eourias von Giorgio Ciprio zu identifizieren ist.32
Die ostgotische Zeit In der ostgotischen Zeit wurde das beschriebene System verstärkt. In einigen Fällen wurden Restaurierungen durchgeführt, in anderen beschloß man, neue Komplexe zu erbauen. In dieser Zeit war die Organisation der alpinen und voralpinen Gebieten vielleicht so durchstrukturiert wie nie zuvor. Der Grund hierfür liegt vermutlich in der Außenpolitik Theoderichs, der fränkische Einfälle aus dem Norden befürchtete.33 Zu den Zentren, die in ostgotischer Zeit benutzt wurden, zählen die genannten Anlagen Monte Barro34, Castelseprio35 sowie Garda36. Eine ostgotische Phase ist außerdem für Friaul (ein Gebiet, das hier nicht betrachtet wird) angenommen worden.37 28 29 30 31 32 33 34 35
36 37
Crosato/Malaguti/Mancassola 2006. Ein zusammenfassendes Bild bei: Negro Ponzi 1999; Murialdo 2001. Micheletto 2006. Micheletto/Pejrani Baricco 1997, 318–325. La Regina 1988. Zu Theoderichs Außenpolitik: Settia 1993; Brogiolo 1999. Brogiolo 2001, 87–90. Brogiolo/Gelichi 1996, 121 f. Man sollte allerdings bemerken, daß bis heute keine „ostgotischen“ Funde, sondern nur ostgotenzeitliche Zeugnisse aus Castelseprio bekannt sind. Brogiolo 1999, 14 f.; Mancassola 2001; Crosato/Malaguti/Mancassola 2006. Villa 2001, 842 f.
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Abb. 13. Gaino (Brescia). Plan des Ortes.
Aus den schriftlichen Quellen ist darüberhinaus eine Tätigkeit ex novo zu vermuten. Sie ist für das Trentino und besonders für das Etschtal (ein Gebiet, das hier ebenfalls nicht betrachtet wird) vorausgesetzt worden;38 außerdem hat man eine ähnliche Initiative in Venetien entlang des Abhangs der östlichen Alpen und Voralpen aufgrund einiger Hinweise nicht ausgeschlossen.39 Archäologisch belegt ist die kleine Befestigung von Gaino,40 die sich auf dem Gipfel eines schwer zugänglichen Hügels befindet (Abb. 13). Hier haben Ausgrabungen archäologische Schichten aus dem gesamten 6. Jahrhundert erbracht. Sehr plausibel ist die Interpretation dieses Platzes als Sitz einer kleinen militärischen Station, die mit dem wichtigeren castrum Garda verbunden war. Das ganze System kontrollierte den Verkehr auf dem Gardasee.41 38 39
40 41
Brogiolo 1999. Possenti 2000–01; Possenti 2004, 126 f. Wie schon bemerkt (Azzara 1994, 49f.; Azzara 1999, 23f.), bekamen einige Städte in der Ebene (vor allem Treviso) gerade ab der Ostgotenzeit eine strategisch wichtigere Rolle. Brogiolo u. a. 1999. Zur Interpretation der kleinen Befestigung: Brogiolo 1999, 17. Anzumerken ist, daß am Anfang des 6. Jahrhunderts auch der südliche Befestigungsmauerring des castrum Sirmione errichtet wurde (Roffia 1999, 29–34).
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Abb. 14. Orta Insel (Novara).
Diese Interpretation stimmt im übrigen mit den schriftlichen Quellen überein. Im Bellum Gothicum II,28 des Prokop wird nämlich der Ostgote Sisigis genannt, der die castra in den gesamten Alpes Cottiae (Piemont) befehligte. Es ist nicht auszuschließen, daß das Modell, wonach unter anderem die ostgotischen Soldaten in den Befestigungen zusammen mit ihren Familien lebten, auch für andere Bereichen gelten kann. Ein ostgotenzeitlicher Bau ex novo ist auch auf der Insel S. Giulio im Ortasee erkennbar (Abb. 14). Während der letzten archäologischen Untersuchungen konnte ein Befestigungsmauerring dokumentiert werden, der vermutlich zwischen dem Ende des 5. und dem Anfang des 6. Jahrhunderts entstanden ist. Im einzelnen handelt es sich um einige Strecken am südlichen Ufer und in der unmittelbaren Nähe einer Kirche, die ebenfalls an das Ende des 5. und den Anfang des 6. Jahrhunderts zu datieren ist (Abb. 15). Die Kirche weist einen rechteckigen Grundriß mit Querannexen auf, über deren Konstruktion noch einige Zweifel bestehen. Das Gebäude wurde über den Resten einer ehemaligen Memoria oder Kapelle errichtet, die zwischen dem Ende des 4. und dem Anfang des 5. Jahrhunderts erbaut wurde. Die Ausgrabungen erbrachten wertvolle Bruchstücke von opus sectile, die wahrscheinlich in einer der besten Werkstätten Mailands hergestellt worden waren. Der gleichzeitige und organische Bau des Mauerrings und der Kirche lassen vermuten, daß der Gründer des castrum der Bischof von
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Abb. 15. Orta Insel (Novara). S. Giulio Kirche, Plan der Ausgrabungen. Periodo 1: Ende 4.–Anfang 5. Jharhunderts. Periodo 2: Ende 5.–Anfang 6. Jahrhunderts. Periodo 3: 10.–11. Jahrhundert (nach Pejrani Baricco 2003).
Novara war. In der Tat stimmt die Erbauungszeit mit den Angaben bei Ennodius von Pavia überein, der die Bischöfe von Novara lobte, da sie den Anweisungen Theoderichs folgend Kirchen und castra errichteten.42 Eine ähnliche, allerdings bescheidenere Anlage ist auch in Laino d’Intelvi (Como) bezeugt. Hier erbaute der mailändische subdiaconus Marcellinus, der im Jahr 555 starb, eine kleine Befestigung, deren Erwähnung in einem epigraphischen Text erhalten ist.43 Marcellinus gründete die Befestigung auf eigene Kosten (sua industria et labore nec sine maxima expensa). Allerdings ist noch unklar, ob er die Initiative im Auftrag des Staates oder ohne öffentliche Kontrolle während des byzantinisch-ostgotischen Krieges ergriff. In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts läßt sich dann ein teilweise neues Phänomen erkennen, in das die kirchliche Elite verwickelt war. Die Bischöfe hatten in der Tat schon während der ersten Phasen der Befestigungsanlagen mit dem Staat zusammengearbeitet: bereits im 5. Jahrhundert wurden große Kirchen innerhalb der wichtigeren castra erbaut. Diese Kir42 43
Pejrani Baricco 2003, 70–72. Brogiolo/Gelichi 1996, 20.
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chen, zum Beispiel von Castelseprio, stehen vermutlich mit Christianisierungsprozessen in Verbindung. In der folgenden Ostgotenzeit wurde, wie in S. Giulio d’Orta, Laino und Grado (s. u.) bezeugt, die kirchliche Herrschaft direkt mit der Errichtung der Befestigungen verbunden.44
Die Langobardenzeit Im Laufe des 6. Jahrhunderts, genauer gesagt im zeitlichen Abschnitt zwischen dem byzantinisch-gotischen Krieg, der byzantinischen Phase und den ersten Jahrzehnten des langobardischen Königtums, ereignete sich ein zweites wichtiges Phänomen. Es handelt sich um die Entstehung von südlicher gelegenen Verteidigungslinien. Die Gründe für ihren Bau sind in den geänderten politischen und militärischen Zuständen zu suchen. Deswegen standen sich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts und mindestens bis zur Eroberung von Rotari (639) zwei parallele Systeme gegenüber: 1. ein nördliches und älteres System, das von den Langobarden stufenweise erobert und kontrolliert wurde,45 2. ein südliches und jüngeres System, das von den Byzantinern ex novo errichtet wurde. Über weite Strecken verläuft diese zweite byzantinische Verteidigungslinie entlang der Flüsse.46 Diese südliche Reihe wurde offenbar von den verschiedenen geomorphologischen Gegebenheiten der Plätze bestimmt; daher bestand sie nicht nur aus Höhenstationen, die von Natur aus geschützt waren, sondern auch aus Orten, die unterschiedliche Verteidigungmöglichkeiten nutzten. Das ist zum Beispiel der Fall des schriftlich und heute vermutlich auch archäologisch bezeugten byzantinischen kastron Opiterbeton (Oderzo, das ehemalige Opitergium), das am Ende des 6. oder am Anfang des 7. Jahrhunderts auf einem flachen fluviale entstandenen Hügel erbaut wurde47 (Abb. 16), oder des bis heute nur in den historischen Quellen belegten byzantinischen neokastron Cittanova-Heraclia, das höchstwarscheinlich nach 639 in den ve44 45
46 47
Brogiolo 2002, 43. Es handelt sich um die früheren Befestigungsanlagen, die entweder in der Spätantike oder in der Ostgotenzeit errichtet wurden. Es ist jedenfalls zu bemerken, daß die langobardische Eroberung nicht linear und zeitgleich verlief; einige wichtige castra blieben nämlich mindestens bis zum Ende des 6. Jhs. unter byzantinischem Befehl (Zanini 1998, 44–48; Brogiolo 1999, 16–18). Zanini 1998, 223–244. Ein kastron Opiterbeton, das Cosentinos Meinung nach auf Opitergium (heute Oderzo) zurückzuführen ist, ist zum Ende des 6./Anfang des 7. Jhs. in der Descriptio orbis romani von Giorgio Ciprio erwähnt (Cosentino 1996, 504). Archäologische Untersuchungen haben im südlichen Teil der römischen Stadt eine Befestigungsmauerstrecke ergeben, die in das 7. Jh. datiert wird (Castagna/Tirelli 1995; Tirelli/Castagna/Spagnol 1999).
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Abb. 16. Oderzo (Treviso), altes Gefängnis. Plan der frühmittelalterlichen Phase. 1 Wassergraben, 2 Befestigungsmauer, 3–4 Holzhütten, 5 Turm (nach Tirelli 2003).
netischen Lagunen errichtet wurde und das kastron Opiterbeton ersetzte.48 In den venetischen Lagunen wurde im Laufe des 6. Jahrhunderts auch das castrum Grado erbaut (Abb. 17), dessen auf Anregung der Bischöfe von Aquileia zurückgehende Errichtung heute nicht genauer zu datieren ist.49 48 49
Zanini 1998, 226–231. Zu den historischen Quellen: Tozzi/Harari 1984, 53–59. Brogiolo/Cagnana 2005. Aus den historischen Quellen ist zu erschließen, daß im Jahr 579 das castrum schon existierte (Cuscito 2001, 387). Außerdem bezog sich eine noch unveröffentlichte Ausgrabung (casa Fonzari) auf einen Turm, der in der Ostgotenzeit (am Anfang des 6. Jhs.) errichtet wurde. Die Resultate dieser beschränkten Untersuchung lassen sich aber nicht automatisch auf die gesamte Befestigungsmauer anwenden.
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Abb. 17. Grado (Gorizia), Plan des castrum (nach Cuscito 2001).
Eine Höhenbefestigung ist dagegen das castrum Mons Silicis (Monselice), das die Langobarden zwischen 601 und 603 den Byzantinern entrissen. Es befindet sich im nordöstlichen Oberitalien und wurde auf dem Gipfel eines isolierten Hügels, der die römische Straße Annia und den ehemaligen Fluß Etsch kontrollierte, errichtet.50 Dank der archäologischen Untersuchungen der 1980er und 1990er Jahre sind einige Strecken des frühmittelalterlichen Mauerrings bekannt geworden (Abb. 18), der wahrscheinlich den ganzen Gipfel umfaßte.51 Zu den bedeutendsten Zeugnissen innerhalb dieser Schutzmauer zählen die Überreste der – mit großer Wahrscheinlichkeit – S. Giustina geweihten Kirche, deren Spuren leider fast komplett von dem später errichteten, mittelalterlichen Schloß zerstört wurden. Aufgrund des Patroziniums ist die Behauptung aufgestellt worden, daß die Errichtung von Kirche und Mauerring gleichzeitig am Anfang 7. Jahrhunderts erfolgt sei.52 Bemerkenswert ist außerdem das Fehlen einer römischen oder spatrömischen Vorgängerphase in der gesamten Siedlung. Die Ausgrabungen haben sich darüber hinaus auf die Reste eines Turms konzentriert, dessen innere und äußere Räume untersucht worden sind. Das Erdgeschoß wurde in der ersten Phase als Keller oder Müllablage benutzt, danach entstand eine Feuerstelle. Eine andere, aber noch nicht be-
50
51 52
Die strategische Bedeutung von Monselice wurde jedenfalls nach 589 schwächer, als die Etsch aufgrund einer Überschwemmung ihre Richtung änderte, unter anderem überliefert von Paulus Diaconus. Brogiolo/Gelichi 1996, 159–175. Brogiolo/Tuzzato 1996.
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Abb. 18. Monselice (Padova), Plan des castrum (nach Brogiolo/Gelichi 1996).
stimmte Nutzung hatte der erste Stock, dessen Existenz aus der Basis einer Treppe erschlossen wird. Die hier gefundenen mit Fresken bemalten Bruchstücke sind wohl auf die unterschiedliche Nutzung dieser Ebene zurückzuführen.53 Außerhalb des Turms, an den später eine Laube angebaut worden ist, wurden in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts sieben langobardische Bestattungen angelegt54 (Abb. 19). In die byzantinische Zeit ist auch das castrum Pertice (S. Antonino di Perti) datierbar, das sich an der ligurischen Küste befindet. Die wenig ausgedehnte Siedlung wurde in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts, höchstwahrscheinlich in dessen letztem Viertel errichtet und ist vermutlich mit dem zeitgleichen byzantinischen Zurückweichen nach Süden in Verbindung zu bringen. In den Jahren zwischen 575 und 584 oder nur wenig später fielen nämlich die byzantinischen Verteidigungslinien im südlichen Piemont.55 Die befestigte Siedlung wurde auf einem Hügel des ligurischen Hinterlands errichtet, so daß sie die Talwege zwischen südlichem Piemont und der 53 54 55
Brogiolo/Gelichi 1996, 165 f. De Marchi/Possenti 1998. Murialdo 2001, 752–756.
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Abb. 19. Monselice (Padova), die langobardischen Bestattungen (nach Brogiolo/Gelichi 1996).
ligurischen Küste kontrollieren konnte. Castrum Pertice hatte eine ältere, am Ende des 6. Jahrhunderts errichtete Befestigungsmauer und eine jüngere, dahinter liegende Befestigungsmauer, die zwischen dem Ende des 6. und dem Anfang des 7. Jahrhunderts erbaut wurde (Abb. 20); Giovanni Murialdos Meinung nach war diese zweite Struktur vielleicht eine Reaktion auf die langobardischen Angriffe, die von König Agilulf forciert wurden.56 Die beiden Mauern wurden in einer guten Bautechnik hergestellt. Auch die Häuser wurden gut fundamentiert, jedoch in einer unterschiedlichen Technik: Die bis heute erhaltenen Befestigungsmauern wurden nämlich aus
56
Murialdo 2001, 756.
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Abb. 20. Perti, S. Antonino, Plan des castrum (nach S. Antonino 2001).
Steinen und Mörtel hergestellt, die Häuser (vgl. Abb. 21) bestehen dagegen aus Holzwänden auf einem Steinsockel aus Steinen und Lehm, eine spätantike Technik.57 Bemerkenswert ist das Fundmaterial von S. Antonino. Die kleine Siedlung wurde ausschließlich von außen versorgt. Die gefundene Keramik läßt eine wichtige Rolle des byzantinischen Staates und der militärischen Annona vermuten. Die Gesamtanalyse des archäologischen Materials hat nämlich einen sehr hohen Prozentsatz von importierten Materialien (vor allem Amphoren und Terra Sigillata) erbracht, aber nur wenige Funde regionaler oder lokaler Herkunft.58 Das castrum S. Antonino lag nicht isoliert, sondern war wahrscheinlich in ein gegliedertes System eingefügt, das ganz Ligurien umfaßte. In der Umgebung von S. Antonino sind archäologische Zeugnisse aus einem Kü-
57 58
Cagnana 2001b; Cagnana 2001c. Siehe die unterschiedlichen Beiträge in S. Antonino 2001.
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Abb. 21. Perti, S. Antonino, Idealrekonstruktion der hölzernen Gebäude (nach Cagnana 2001c).
stenvorgebirge (Varigotti) bekannt;59 im westlichen Ligurien befinden sich außerdem die castra Campomarzio und S. Donato, die auf zwei Hügeln im Tal errichtet wurden und dem Ende des 6. Jahrhunderts angehören.60 Weiter östlich (Gegend von La Spezia) liegt die in das 6.–7. Jahrhundert datierbare kleine Höhensiedlung Monte Castellaro, die wahrscheinlich den Stra-
59
60
Hier hat man bis heute keine frühmittelalterliche Befestigungsmauer gefunden. Von diesem Platz sind allerdings einige bedeutende Funde bekannt: zwei goldene Münzen aus justinianischer Zeit, Material (auch in diesem Fall Terra sigillata und Amphoren), das in das 6. bis 7. Jh. datierbar ist, und eine bulla plumbea eines magister militum Basilius (Murialdo 2001, 764–766). Murialdo 2001, 767 f.
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ßenverkehr zwischen Luni und der Emilia kontrollierte.61 Als letzte Siedlungen seien Filattiera (in Lunigiana), das vielleicht mit dem kastron Soreon des Giorgio von Zypern übereinstimmt,62 und Monte Castello in Val Caprio63 erwähnt. Es ist klar, daß zum ligurischen System viele Orte zählten, die die möglichen Einfallwege kontrollierten. Diese Orte lagen allerdings nicht in unmittelbarer Grenznähe (s. o.), sondern ziemlich nah an den Siedlungen der Küste und des Hinterlandes, und überdauerten ohne wesentliche Unterbrechungen vom 4. bis 7. Jahrhundert.
Die institutionellen Veränderungen des 7. Jahrhunderts Am Anfang des 7. Jahrhunderts fanden wesentliche Veränderungen statt. Einige castra wurden nämlich Sitz von civitates. Die älteste Quelle hierzu ist die Liste der civitates des Anonymus Ravennatis, die am Ende des 7. Jahrhunderts mit Bezug auf einen älteren Text (wahrscheinlich vom Ende des 6. Jahrhunderts) geschrieben worden ist. Unter den civitates, die mit castra übereinstimmen, finden sich Pombia und Castelnovate (auf niedrigen fluvial entstandenen Hügeln gelegen) sowie Castelseprio, Monselice, Garda und Ceneda. Settias Meinung nach64 soll sich der Wechsel schon in ostgotischer Zeit ereignet haben. Eine andere Möglichkeit ist dagegen, daß die Einrichtung von civitates am Ende des 6./Anfang des 7. Jahrhunderts geschah, als der Krieg zwischen Langobarden und Byzantinern in Oberitalien besonders heftig war.65 Das wichtigste Argument für letztere Möglichkeit ist die Position der castra-civitates, die entlang der südlichen Voralpen verbreitet sind. Die Umwandlung konnte hier stattfinden, weil die Langobarden in ihren Gebieten Strukturen benutzten, die die Byzantiner schon ausgearbeitet hatten. Genau in diesen Jahren (den letzten 50 Jahren des 6. Jahrhunderts) läßt sich nämlich die Einrichtung des Esarca nachweisen, der gleichzeitig militärische und verwaltungstechnische Aufgaben hatte,
61
62
63 64 65
Monte Castellaro könnte mit dem castrum Cornelius des Anonymus Ravennatis identifiziert werden; die Struktur besteht aus einem einfachen Mauerring und einem Turm. Beide sind aus Trockenmauerwerk errichtet und bis heute nicht genauer zu datieren (Murialdo 2001, 768). Die gegliederte, befestigte Anlage sperrt das Tal und ist auf einer clausura gelegen. Murialdo 2001, 768 f.; Giannichedda 1998. Murialdo 2001, 769. Settia 1993, 106–110. Brogiolo 1995, 192–194; Brogiolo/Gelichi 1996, 35–43.
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wobei auch bei den relativ unabhängigen byzantinischen Herzogtümern eine ähnliche Machtstellung zu beobachten ist.66 Unklar bleibt allerdings, welche institutionelle Voraussetzungen diese Umwandlungen erlaubten, die auch eine territoriale Bedeutung hatten: Zu den castra-civitates gehörte nämlich ein territorialer Bereich, über den sie ihre Verwaltungsgerichtsbarkeit ausübten. Eine Antwort darauf könnte wiederum in der spätantiken Militär- und Verwaltungsorganisation gefunden werden. Den schriftlichen Quellen zufolge hatten schon die spätantiken Limessoldaten (limitrofi) einen Bereich (saltus) zur Verfügung,67 der wahrscheinlich der Verproviantierung diente. Diese Bestimmungen sind noch im Codex Justinianus belegt.68 Die Entwicklung brachte jedenfalls eine beherrschende Position der castra-civitates über die umgebenden Gebiete mit sich; gleichzeitig war diese Entwicklung der wichtigste Faktor für das Überleben der castra-civitates. Schon ab der Mitte des 7. Jahrhunderts begann dann ein zweigeteilter Prozeß: Größtenteils wurden die castra verlassen, weil sie nicht mehr nützlich waren,69 in anderen wenigen Fällen dauerte die Besiedlung dagegen noch an. Dank dieser letzten Entwicklung nahm die Zahl der Häuser zu, anfangs innerhalb der Mauerringe, danach auch außerhalb. In Castelseprio wurden die neuen Gebäude sogar an und über der Mauer errichtet, die offenbar ihre einstige Funktion verloren hatte.70 Diese civitates erreichten ihre größte Ausdehnung im 8. Jahrhundert, was durch die Errichtung von Kirchen und Klöstern am Rande der Siedlungen bezeugt ist. Dank der schriftlichen Quellen sind Beispiele aus Castelseprio, Monselice und Garda bekannt.71 Bereits im 8. Jahrhundert erscheinen erste Zeichen für das Ende der Siedlungen, die über die Mitte des 7. Jahrhunderts hinaus existierten. Die wichtigsten Gründe dafür waren die zunehmende Macht des Königtums und das Wiedererstarken der antiken Städte. Deswegen verschwanden die alpinen und voralpinen Befestigungsanlagen. Manchmal verblieben die Kirchen und ihre Anlagen, die oft eine beherrschende Stellung innerhalb der umliegenden Gebiete besaßen. 66 67 68 69
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Zanini 1998, 53–63. Delmaire 1989, 671 (Codex Theodosianus, V,12,2, 415; Nov. Theod. V,2). Delmaire 1989, 671 (Codex Justinianus, XI, 62,13). Es ist allerdings anzumerken, daß nicht alle Befestigungsanlagen bis zur Mitte des 7. Jhs. überlebten. Wie das Beispiel von Monte Barro zeigt, konnten die Befestigungen auch früher aufgegeben werden (Monte Barro wurde um die Mitte des 5. Jhs. zerstört und danach vollständig verlassen). Dabrowska u. a. 1978–79. Brogiolo/Gelichi 1996, 40.
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 749–764 and early medieval hilltop settlements in central Italy © Copyright Late 2008 antique Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Late antique and early medieval hilltop settlements in central Italy: State of research and interpretations Carlo Citter
1. The geographical context (fig. 1) Central Italy coincides almost exactly with five regions (Tuscany, Latium, Marche, Umbria and Abruzzo), and the Apennine Mountains divide it into two long strips. Because of this, the river system consists of short streams that trace small valleys, with the exception of the Arno and the Tiber. Regarding the orographical situation, we can see roughly three zones: high mountains in the middle (often more than 2000 m above sea level), then foothills (between ca. 300 and 600 m) and, finally, plains close to the coastline, where one can find rock formations too.
2. The chronological context We can start with the death of Emperor Theodosius I (395 AD) and end with the death of Otto III (1002 AD). These are six centuries full of great changes; the fall of the Roman Empire revealed the existence of „many Italys“ (Vera 1997). A first division occurred at the end of the 4th or the beginning of the 5th century, with „Urbicaria“ and „Annonaria“, probably just two departments within the „Dioecesis italiciana“. There are some indications that all central Italian regions were included in „Urbicaria“, even if, between the 5th and the 6th century, the northern part of Tuscany and Le Marche were named as part of „Annonaria“. This means that Rome, the „urbs“ referred to in the name Urbicaria, had close connections with central Italy, both in economy and institutions (for all these subjects see Cantarelli 1964, 104; Conti 1973, 67 f.). We do not have indications about juridical changes under the Gothic rule of Italy, while the Lombard invasion produced a strong division: tiny coastal strips of land often not connected to each other on both the Tyrrhenian and the Adriatic Seas and an inland route from Ravenna to Rome
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Fig. 1. Late antique and early medieval hilltop settlements in central Italy (Tuscany, Latium, Marche, Umbria and Abruzzo).
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were still under the control of the Byzantine army. The Lombards were in between (Delogu 1980 and, for central Italy, Kurze/Citter 1995). The most recent studies (Gasparri 1990) state a stronger centralisation of political power during the 8th century, so we can posit a civil administration of central Italy based upon a few duchies (Lucca, Florence, Chiusi, Spoleto) and many more gastaldus seats that had closer connections with the king (like Siena, Rieti, Tuscania, Bagnoregio). We do not have any data about some former Roman towns like Roselle, Arezzo and Chieti, so it is possible that they did not have any civil administration for some decades. It is hard to find a solution to the problem of the frontiers between Lombards and Byzantines: literary as well as archaeological sources give no more than some indications on this (for Tuscany see Kurze/Citter 1995). Nevertheless, we know that the Frankish invasion of Italy did away with all the internal frontiers of central Italy. The Franks established a new border southward, close to the abbey of S. Vincenzo al Volturno (in Molise). In any case, the modern distinction between Latium and Tuscany has its roots in the former division between „Tuscia Romanorum“ and „Tuscia Langobardorum“. The end of Carolingian rule allowed the arising of new, local powers and a more effective distinction between those territories controlled by the papacy and those controlled by earls and marquises. The „Regnum Italiae“ central power was quite ineffective, despite the imperial restoration of Otto I (962–973). Therefore, the institutional picture of central Italy during the late 9th and the 10th century is one of great political fragmentation.
3. The state of research 3.1. The sources 3.1.1. The written sources Compared with other European regions, Central Italy is very rich in written sources, most of them of Lombard and Carolingian age. The Lucca bishop’s archive (Barsocchini 1837/1841 and Bertini 1818/1836) and the finds of the abbeys of S. Salvatore al Monte Amiata and Farfa (Kurze 1974–2004; Giorgi/Balzani 1879–1914, respectively), as well as pontifical documents like the Liber Pontificalis, Liber Censuum or the writings of Gregory I (Duschesne 1866–92; Mommsen 1898; Fabre 1910; Morrich 1924; and Ewald/Hartmann 1893–99, respectively), give us probably the most important European good: charts from the 6th to the 9th century. For the 6th century, some evidence comes from the Ravenna bishop’s archive (Holder-Egger 1878) and Byzantine writers as well (Procopius of Caesarea:
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Dewing 1978; Agathias: Keydell 1867; Jordanes: Bartolini 1991; Georgius Cyprius: Gelzer 1890; and Anonymus of Ravenna: Pinder/Parthey 1860). All in all, we have no more than 500 charts from the 8th century, half of them regarding Tuscany (see Bartoli Langeli 2002, 206f.). When we move from simply counting written sources to determining their spatial distribution, we notice that they are concentrated in some areas like northern Tuscany – although the Apennines are almost without mention – Rome, Farfa and the main routes. This wealth of sources notwithstanding, there are some „dark ages“, as, for instance, the period between the end of the 6th century and the end of the following, where the total amount of written sources brushes the bottom of the scale. However, the sources from the 5th century give us fewer data about settlement patterns too. Troubles also arise when we inquire into topographical details, so as to compare archaeological and written records. Most of the quotations tell us nothing about the earliest phases of, for instance, the fortified hilltop settlements of Tuscany (castelli). Nor can we determine, based on the texts, whether some settlements were on the hilltop or on the plain. 10th-century sources are less abundant but more precise (see Cammarosano 1991, 85). 3.1.2. The archaeological sources From an archaeological point of view we can sketch two main guidelines for research: a geographical one (the intensity of research varies from region to region) and a thematic one (hilltop settlement is a large framework that contains many different subjects). We can start with the first topic. Tuscany is the region with the most research regarding medieval castles in all of Italy. In fact, we can count projects concerning 37 hilltop settlements, of which 24 had early medieval phases and further developments, as well as many surveys covering about 20 % of the land in the provinces of Grosseto and Siena (see for instance Francovich/Milanese 1989; Cambi and others 1994; Francovich/Wickham 1994; Valenti 1995; Valenti 1999; Valenti 2004). However, the most important project is the „Atlas of the fortified hilltop settlements of Tuscany“, which, based on aerial photographs and written and archaeological sources, has identified some 4235 points, about 2212 of which are possible medieval hilltop settlements (see Francovich/Ginatempo 2000). Sites like Scarlino (Francovich 1985), Montarrenti (Cantini 2003), Campiglia (Bianchi 2004), Poggio Imperiale (Valenti 1996) and Rocchette Pannocchieschi (Belli et al. 2003) undoubtedly show evidence of hilltop farmers’ communities during the early middle ages, though not all of them with the same chronologies. We shall discuss them further on in this paper.
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Even if Tuscany is the most studied region, there are some clusters here with very few data, such as the surroundings of Lucca and Arezzo. Latium counts a certain number of projects, though fewer than Tuscany. For example, the great „South Etruria Survey“ (Potter 1985) had no interest in hilltop sites, but French and Italian scholars made advances with this research. Here the work of Pierre Toubert (Toubert 1973) also deserves mention. As the studies surrounding Casale S. Donato (Moreland and others 1993), Montagliano in Sabina (De Minicis/Hubert 1991) and as far south as the boundary between Latium and Abruzzo show (Hubert 1995), the fortified hilltop site was the normal trend in early medieval settlement patterns. Latium shows both settlement continuity and discontinuity with earlier occupation of hilltops. Some of the latter type survived until the late middle ages, like the typical castle of Tuscany; some others did not. Also, in Abruzzo many castles are known to have been built upon former wooden hut villages (Staffa 2000). This brief survey leaves two regions out of consideration: Umbria and Le Marche. That is because there are not enough studies on these regions, even if there were much to know. From a thematic point of view, we have focussed on two subjects: early medieval castles (the so-called castelli altomedievali) and civil settlement on the hilltops.
4. Historical problems and interpretations 4.1. From late antique to medieval fortified hilltop settlement: A swerving path (ca. 500–1000 AD) Starting with the great crisis of the Roman Empire of the 3rd century, but better evidenced in the 4th, the central administration of Italy was highly interested in building fortifications, both on the plains and on the hilltops. Thanks to its geographical position, central Italy was not affected by this first wave, whose focuses were the Alps and the Po valley. However, the second one – c. 500–680 AD – did affect it, although studies on this are just beginning to be carried out. We have signs that „castra“ were rare inside the settlement system (unlike in northern Italy, see Brogiolo/Gelichi 1996), but sometimes having the status of a bishop’s seat, or the simultaneous failure of the former Roman town in the neighbourhood, motivated their development during the central middle ages (see Kurze/Citter 1995; Augenti 2000). In the Carolingian age, we have rare references and almost no archaeological data, but for the moment, there is no reason to assume there were
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any changes at all. Written sources mention new fortifications from the late 9th century, to provide a defence against Hungarian, Viking and Muslim raids along the coastlines and in the Po valley. However, this seems not to change settlement patterns at all. The innovation came shortly thereafter. All the scholars agree to see a close relationship between the crisis of central powers (Regnum Italiae), which began with the death of Charles the Bald, and the subsequent fights for succession. The weakest point was during the 10th century, notwithstanding the imperial restoration of Otto I. From the 10th until the 13th century, central and northern Italian landscapes were characterised by a kind of settlement, named „castello“, that had no more than the name in common with its late-antique forerunner. These fortified hilltop settlements were built for different reasons and these new castles had very different connections with their surroundings. First of all, private proprietors, and not a central government, built them; also, their defensive character looks very weak in contrast to other features (such as managing natural resources and people). We must now look deeper into the particulars of castle building, including: The juridical and social reasons that allowed private people to get enough power to create the „signoria territoriale“ (landed lordship). The reasons for choosing the hilltop site to show both social status and a stronger control over people and resources. The transformation processes that started with a settlement pattern focussed on the plains and ended with a network of fortified hilltop sites. A first step is the idea of immunity, a juridical way the Carolingians found to secure greater loyalty from the higher clergy. Giving them in return the double privilege to be free from the control of imperial officers and to be allowed to act in place of the emperor in some important public functions (the so-called bannus or districtus), the Carolingians created clusters of private power connected with a district that eroded the public power. The highest lay authorities (earls and marquises) soon imitated this. The second step is less distinct and there are not many studies about it. The castle was not the only possible outcome of this new power structure. Many Italian regions did not have castles until the 13th century (in particular, southern Italy). Castles had a different impact even in those regions that were deeply affected, like Tuscany, Latium or Piedmont. Nor does the absence of, or a later chronology of, castle building imply any social hierarchies. Probably there was no planning at the beginning, but a more realistic verification of its effectiveness in the course of development.
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The third step, because of its implications for the territory we are dealing with, and because of the great debate it aroused, deserves major attention.
4.2. From „curtis“ to „castrum“: Hilltop settlements and the debate over the making of medieval landscapes in central Italy That the military explanation for castle building was not a suitable one is proved, among other things, by simply noticing that Hungarian, Viking and Muslim raiders affected at first the southern regions, while castles appeared first in the central and northern parts. In addition, after the danger was over, they should have been abandoned, like their late-antique predecessors, but they were not. We can even guess that danger and protection could be the official excuses to hide stronger reasons, such as to control people and land. A turning point in the history of research on this subject was represented by the two volumes about Latium published in 1973 by Pierre Toubert. Studying the Farfa abbey’s charts regarding the Sabina (a sub-region of Latium), the French scholar outlined a model maintaining that 10th-century castle making was a breaking point in the landscape, whose pattern had remained almost unchanged since Roman times. New regional powers built castles upon what until that moment had been unsettled hilltops, moving people into them. Although Toubert did not talk about any other sub-region but the Sabina, this model was so strong that it provoked a very lively debate among historians and archaeologists too. Nearly at the same time Aldo Settia was producing new data on northern Italy, and his model seemed to disagree with Toubert’s: castles were superimposed upon a variety of settlement situations; and the research of Elio Conti in Tuscany had gone in the same direction (Settia 1979; Settia 1984; Conti 1965). Scholars have worked so hard on this problem in the last 20 years that it is difficult just to sketch the main steps of the debate (see for instance Comba/Settia 1984; Francovich/Milanese 1988; Castrum 2, 1984; Castrum 4, 1992; Castrum 7, 2001; Francovich 1995; Toubert/Barcelo’ 1998; Francovich 2002; Francovich/Hodges 2003; Francovich/Valenti 2005; Valenti 2004). Toubert’s model was in the background for all of them, however, whether they accepted or rejected it. In the 1980s, Chris Wickham studied the area between Abruzzo and Molise, the core of S. Vincenzo al Volturno’s landed property, and suggested that castles were not a breaking point, but the last chapter of a long
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history, whose roots lay in the dissolution of late Roman landscapes (Wickham 1985). Therefore, the shifting from plains to hilltops and the concentration of people would have occurred in different times. The landed lordship would have been responsible just for the latter, peasant communities for the former. Therefore, the first appearance of castles in written sources had a changed meaning: no longer the marker of a new settlement foundation, it was now the juridical confirmation of an existing one. In the same years, excavations held by Riccardo Francovich in Scarlino and Montarrenti (Francovich 1985; Cantini 2003), two southern Tuscan castles, and in Molise, by Richard Hodges (Hodges et al. 1980), made it clear that nucleated settlements were already present on the hilltops long before the erection of 11th-to-12th-century stone-made seignorial castles. The chronologies were definitely early, focussing on the 7th century. The same century was recently stated as the end of the long period of late antiquity (Hansen/Wickham 2000). In contrast, excavations held by Riccardo Francovich in Rocca San Silvestro, another southern Tuscan castle, proved no previous occupation of the hilltop before the seignorial stone yard (Francovich 1991). Therefore, the general picture was going to become intriguing. Toubert has recently come back to this subject, accepting that economic growth occurred since the 8th century, so that the 11th-century castles are the final step of a long-term process in which landed property based upon the „villa/curtis“ played a central role. He also accepted that hilltop reoccupation and castle making are two different steps that occurred at different times, but the chronology he proposed, the 9th–10th century, does not fit in with archaeological records at all (in Toubert/Barcelo’ 1998). Therefore, archaeology showed that the subject „fortified hilltop settlement“ of the central middle ages is a part of a greater landscape-transformation process whose roots lay in the dissolution of Roman ones, although a few of these roots were really born in the 10th century. Its development ran through thorny subjects like the manorial system (sistema curtense) and the relationship between nucleated and sparse settlement (see Francovich/Milanese 1989; Wickham 1989; Francovich/Wickham 1994; Francovich 1995; Wickham 1999; Francovich/Ginatempo 2000; Francovich 2002; Francovich/Hodges 2003; Valenti 2004). Already quoted in 8th-century charts (but with more evidence in the 9th century), the curtis is mentioned by historians of written sources as the first step in landscape reorganisation whose end lay in the full establishment of seignorial power that is archaeologically evidenced by the stone-made
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castles (see Fumagalli 1980; Andreolli/Montanari 1983; Toubert 1983; Sergi 1993). In any case, the curtis was first a system of social relationships between private people, and second an economic enterprise. Therefore, we expect to find distinct markers of social hierarchy inside a curtis. That is why it is hard to believe that the core of a curtis could be an isolated farmstead on the plain, whereas it does fit in with hilltop wooden hut settlements where, right in the 9th century, archaeology can outline clear markers of a previously unknown social hierarchy (this is particularly evident in Scarlino and Montarrenti). Late Lombard and, even more so, Carolingian elites had established a reorganisation process of landed property which had, of course, an effect on social relationships too. The nature of the curtis is not a matter of theory, because it does fit in with contemporary model making and current ideas about early medieval landscapes. However, it also fits in with interpretations of written sources. Let’s start from the beginning. Archaeologists, acting as both parachutists and truffle hunters, have noted the substantial invisibility of early medieval sparse settlement, whose existence and importance the majority of historians of written sources never doubted (see for instance Settia 1984, 266–268; Comba 1985, 369–372; Toubert 1983, 10), notwithstanding the scarcity and the irregular geographical distribution of charts we pointed out above. This means that castle making from the 10th to the 12th centuries was not concentrated on the top of the hierarchy, people who were previously sparsely settled on the plain. It means that this process occurred before, thus confirming that nucleated settlements that have been found thanks to excavations underneath stone-made castles are part of a longer trend, in which sparse settlement does not play any role at all. Objections about the validity of archaeological tools are at least ungenerous. Today archaeology has several chronological markers, lying both in 14C analyses (whose sigma now is ±25 years) and in pottery. Now we can distinguish features of, for example, the 7th or the 8th century. This means that the absence of evidence is evidence of absence. More generally speaking, we can say that nucleated settlement was already the main feature of landscapes long before seignorial stone-made castles appeared. The main difficulty between historians and archaeologists lies in the nature of their sources. Written sources provide data about landed property, archaeological ones about settlement patterns. One should ask whether the typology of early medieval charts, basically notarial acts and a few polyptics, hide the existence of nucleated settlement
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under a textual format that does not throw light on all the properties in a certain curtis or vicus (such as houses, wells, granaries), but just those involved with that particular transaction. The reference to a house A in a curtis B does not contradict the presence of other houses in the same place that are not mentioned within the text because they could belong to other proprietors, thanks to the very fragmentary character of 8th-to-9th-century landed property. Based upon the count of Aldo Settia we have no more than 40 quotations of so-called isolated houses in Tuscany for the 8th to 9th centuries (Settia 1984, 272 appendix IV). Were they really far from any other human presence or were they part of some kind of nucleated settlement (see for instance Roberts 1997, in particular 19–20)? Nucleation could mean many different landscapes. From a single farmstead isolated in the forest to a crowded, busy town there could be many possibilities: therefore, we must shift our focus from a theoretical and unrealistic discussion – nucleation versus dispersion – to a more effective analysis about the degree of settlement concentration. In addition, we could see the ever-increasing number of charts from the 8th to 9th century (contemporary with the growing of the manorial system) as an indication of the need to concentrate a previously very sparse property by exchange, buying and selling, or bequest. Therefore, we are dealing with two different levels of data: the topographical look of nucleated settlement (archaeological datum) does not oppose the fragmentary character of landed property (written datum). There is no reason to think that middle and small proprietors behaved differently. Possibly we can go even further. Nucleated settlement – whatever its degree of nucleation – is the best answer to the control and management needs of both peasant communities and great proprietors. Therefore, proprietors acted in the direction of a closer connection between nucleated settlement and concentration of landed property. That is a long-lasting process, which began in the late 8th century and ended with 11th-to-12th-century seignorial castles made of stone. We still have to focus the different degrees of nucleation in early medieval landscapes, but archaeologists can prove its presence during the late antique period – c. 5th to 6th century – both on the plains and on the hilltops. In the first case, it coexisted for a while with other settlement types (like farms), which disappear as we progress into the 7th century. Nucleated settlement seems to navigate the transition safely, whether on plain or on hilltop. We can thus argue that its success did not depend on its
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location, but on its nature. And because the hilltop type was increasing in number from the 9th to the 10th century, while those on the plains are quite abandonded, we can also argue that these two features – being concentrated and being on the hilltops – were the most suitable answers to both peasant communities’ needs (first) and land lordship enterprises (later). Archaeology has thus described what and when. We also need to know why. That is more challenging and intriguing. Up to now the only possible „because“ is that nucleated settlement allowed cooperation and solidarity among equals to provide necessities for daily life. This was the best answer to the failure of late Roman production and distribution networks from the 6th to the 7th century. The role of proprietors is, from an archaeological point of view, unreliable until the 9th century (Valenti 2007). This does not mean that these communities were free from any connection with proprietors. It simply means that Lombard-age elites did not have the disposition, the will or the ability to interrelate with peasants’ communities like the Carolingian elite did. The simplified social hierarchy of the 7th to 8th centuries could imply just the payment of a fee, while during the rest of the year proprietors did not interfere with communities’ daily life. Archaeologists dig up the features of a community, but cannot record its juridical relationship with a proprietor living some hundreds of miles away. To replace a farmer living in a single farmstead in the hierarchical 1st century AD settlement system was not a great deal of trouble for a Roman proprietor, but it was indeed for a Lombard proprietor in the 7th century, when the complex network was gone, properties were sparse and incoherent and communication rare and difficult. Therefore, the proprietors did not work against peasants’ concentrated communities because these fit in with their interests too.
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Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 765–793 der Völkerwanderungszeit © CopyrightZentralsiedlungen 2008 Walter de Gruyter · Berlin · New York im Maas-Rhein-Gebiet
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‚terra non est‘ Zentralsiedlungen der Völkerwanderungszeit im Maas-Rhein-Gebiet Frans Theuws
illa regio divinis expeditionibus tuis, Caesar, vindicata atque purgata, quam obliquis meatibis Scaldis interfluit quamque divortio sui Rhenus amplectitur, paene, ut cum verbi periculo loquar, terra non est.
(Panegyrici Latini VIII/V, Eumenius?, Pan. Constantio Caesari 8 [297])
Das Maas-/Rheingebiet (links- und rechtsrheinisch) nördlich der römische Straße Bavai-Köln gilt als das Ursprungsgebiet der frühen Franken (Abb. 1). Verschiedene Namen von rechtsrheinischen Stämmen, die den Franken zugeordnet werden, sind in den spätantiken Quellen überliefert: Chamavi, Bructeri, Chattuarii, Amsivarii, Thivanti, Salii und andere.1 Am Ende des 3. und im frühen 4. Jahrhundert finden sich Franken im Batavergebiet,2 und um die Mitte des 4. Jahrhunderts haben Salii Toxandrien als Siedlungsgebiet ausgewählt.3 Von hier scheinen sie weiter nach Süden gewandert zu sein in Richtung Nordwest-Frankreich, wo das Kerngebiet der ‚Salische Franken‘ gelegen hat. Dieses traditionelle Bild aus einer Kombination von Wanderung, Kolonisation und Ethnogenese ist in letzter Zeit problematisiert und die Forschung in eine neue Richtung geleitet worden.4 1
2 3
4
De Boone 1954, 15 (es ist bemerkenswert, wie wenig diese wichtige Arbeit zur Geschichte der frühen Franken [eben weil sie alle antiken Texte zusammenstellt] im Ausland bekannt ist). Hiddink 1999, 217–227; Pohl 2000, 33–37, 107–115, mit vielen Literaturangaben; Schmauder 2003. De Boone 1954, 50–79; Willems 1984, 432–461. Ammianus Marcellinnus, XVII, 8; De Boone 1954, 18. Ein Ereignis, dasß in fast allen modernen Übersichtswerken über die frühen Franken erwähnt wird, zum Beispiel Demandt 1989, 97, 126, 316, der den Namen Toxiandria bevorzugt. Daß die Erwähnung von Salischen Franken für wichtig gehalten wird, hat seinen Grund in der Möglichkeit, daß es sich um den ersten spätrömischen Vertrag zwischen einem germanischen Volk und den Römern handeln könnte. Geary 1983; Amory 1997; Pohl/Reimitz 1998; Pohl 2000; Gillet 2002; Brather 2002; Goetz 2003; Brather 2004.
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Frans Theuws
Abb. 1. Das Rhein-Maas-Schelde-Gebiet mit den im Text genannten Plätzen. 1 Flachland, 2 Mittelgebirge, 3 Moorgebiete, 4 Marschgebiete, 5 Strandwälle.
An erster Stelle wird an der Vorstellung von Salii als einem einheitlichen ethnischen Verband gezweifelt.5 Die Meinung von Springer, daß Salii eine allgemeine Bezeichnung (‚Geselle‘, ‚Gefährte‘, ‚Freund‘) ist und kein Name einer Gruppe, und daß Julianus Salii also mißverstanden hat, hat viel für sich. Selbst der Name ‚Franken‘ ist eher eine allgemeine Benennung für ‚Angreifer‘ aus dem Norden (wie Wikinger), als die Bezeichnung für einen ethnischen Verband.6 Aus dieser Sicht läßt es sich auch besser verstehen, warum so viele verschiedene Personen und Gruppen aus verschiedenen Landschaften (der Küstenregion als auch dem Innenland) als ‚Franken‘ be5 6
Springer 1997. Siehe auch Springer 1999 zum Frankennamen. Springer 1999.
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zeichnet werden. Wir müssen damit rechnen, daß der Begriff ‚Franken‘ nicht länger ein Element in der Analyse des Ethnogeneseprozesses des 4. und frühen 5. Jahrhunderts im Raum unmittelbar nördlich und südlich des Rheins sein kann. Es ist daher auch unwahrscheinlich, daß sich ‚Franken‘ im archäologischen Fundgut identifizieren lassen. ‚Franken‘ ist ein Begriff, der erst später in Verbindung mit Prozessen in Nordgallien weiter mit Inhalt gefüllt wird (ein von außen gegebener Name mit negativer Nebenbedeutung kann sich zu einem durch diese Gruppen benutzten Namen mit positiven Assoziationen entwickeln)7 und dann ständigen Bedeutungswandlungen unterliegt, weshalb Franken auch im 6. und 7. Jahrhundert archäologisch schwierig zu erkennen sind.8 Daher muß die in der holländischen Forschung populäre Identifikation von Salland an der IJssel als Ursprungsgebiet oder wenigstens Durchzugsgebiet des Stammes der Salischen Franken als zweifelhaft erscheinen.9 Auch die räumliche Gleichsetzung des spätantiken Toxandrien mit dem ab 700 genannten Pagus Texandrien und die Lokalisierung des bei Hieronymus überlieferten Deusone (Saxones caesi Deusone in Regione Francorum) mit dem späteren Diessen in der Provinz Noord-Brabant in den Niederlanden scheinen mir nicht ohne Weiteres möglich.10 Der frühmittelalterliche Name Texandrien ist möglicherweise eine Wiederverwendung eines aus den antiken Schriften bekannten Namens durch aristokratische Gruppen, die eine enge Verbindung zu Klöstern hatten, wie zum Beispiel die Gruppe um Plektrud mit Besitz in Texandrien, der von diesen Aristokraten an Willibrord geschenkt wurde.11 Die Ausdehnung des frühmittelalterlichen Pagus braucht also nicht identisch zu sein mit der spätrömischen Landschaft Toxandrien.12 Das heutige Diessen, daß mit dem spätantiken Deusone indentifiziert wird, ist ein von einem Flußnamen übernommener Siedlungsname. Diese Übernahme hat vermutlich irgendwann im Frühmittelalter stattgefunden und konnte an mehreren Stellen entlang des Flusses (mit dem Namen 7 8 9
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Cohen 1993 (1985). Goetz 2003. Zum Beispiel Blok 19793, 15–17; Willems 1984, 432–461. Vorsichtig schon De Boone 1954. Siehe auch Springer 1997, 74. Hieronymus, Chronicon, 2389. Vorsichtig schon De Boone 1954. Möglicherweise ist eine Stelle an der Mündung der Dieze in die Maas gemeint. Zur Wiederverwendung von Landschafts- und Gruppennamen im niederländischen Raum: Bazelmans 2001. Zu Texandrien und der Aristokratie: Theuws 1991. Dort vertrete ich noch die Meinung, daß die Texandrische Aristokratie aus Texandrien selbst stammt, was mir jetzt unwahrscheinlich erscheint. Ihre landschaftliche Herkunft läßt sich nicht genau feststellen. Siehe auch Costambeys 1994. Frühmittelalterlicher pagus Texandrien: Theuws 1988, 103–122. Theuws/Bijsterveld 1991, 111–123.
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Deuso) geschehen. Das römische und abgegangene Deusone kann irgendwo anders gelegen haben, zum Beispiel an der Mündung der Dieze in die Maas.13 Das Siedlungsgebiet der sogenannten Salischen Franken läßt sich also nicht ohne weiteres anhand der mittelalterlichen Siedlungs- und Landschaftsnamen identifizieren, auch nicht, wenn man an der Meinung festhält, daß es ein Stammesname ist. In der heutigen Forschung wird öfter angenommen, daß der Raum zwischen der Maas nördlich von Maastricht und der Römerstraße von Bavai nach Köln entweder unbesiedelt war oder eine andere Position einnahm, als der durch spätantike Waffengräber gekennzeichnete Raum südlich dieser Straße.14 Wir werden sehen, daß das Erste nur für bestimmte Perioden zutrifft und das Zweite nur teilweise der Fall ist. An zweiter Stelle wird das Bild von ständig angreifenden Germanen und sich verteidigenden Römern aufgrund einer neuen Bewertung der Quellen (Autor, Zweck, Publikum) weiter nuanciert und in Frage gestellt.15 Römisches Militär, Kaiser und germanische ‚Fürsten‘ waren in einem Prozeß von Legitimation und Identitätsbildung aufeinander angewiesen.16 Wir kennen die römische Vorstellung, die zum Teil durch literarische Gestaltung bestimmt wird, aus den schriftlichen Quellen. Gefährlich waren an erster Stelle die Usurpatoren in Gallien selbst, nicht so sehr die Franken. Ihre zum Beispiel in den Panegyrici geschilderte Bedrohung war notwendig als Legitimation für die Aufrechterhaltung und Finanzierung von Truppen, welche wiederum von den römischen Kaisern und Gegenkaisern in Gallien bei der Behauptung ihrer Machtpositionen benötigt wurden.17 Ob es eine umfangreiche fränkische Bedrohung gab, unabhängig von innergallischen Machtkämpfen, ist noch nicht eindeutig festgestellt worden.18 Das oben geschilderte ereignisgeschichtliche Bild von einem einwandernden fränkischen Stamm, Schlag und Gegenschlag, Eroberung und
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Siehe zum diesem Gebiet: Roymans/Derks 1994. Z. B.: Brulet 1990, 337–344. Die traditionellen Eröffnungen von Aufsätzen über die Archäologie der späten Kaiserzeit wie: „Im Verlauf der massiven germanischen Angriffe wird eine geschlossene Kette römischer Militärlager am niedergermanischen Limes überrollt und zerstört“ und die Reden von „Frontabschnitten“ (beides bei: Verlinde/Erdrich 1998, 693) basieren auf einer traditionellen Interpretation der schriftlichen Quellen. Römer und Germanen erscheinen dabei als zwei einheitliche gegenüberstehende Einheiten, wobei die Germanen fast als frühe Staaten operieren und Eroberung als Ziel haben. Siehe jetzt z. B.: Goffart 1980; Drinkwater 1996. Mann muß sich fragen, ob die Entwicklung einer hierarchischen Gesellschaft rechts des Rheins als ein ‚innergermanischer‘ Prozess gedeutet werden kann. Drinkwater 1996, 27. Drinkwater 1996, 22–23.
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fränkische Kolonisation wird heutzutage kritisiert und muß nicht unbedingt das Rahmenwerk für die Interpretation archäologischer Funde im Maas-Rheingebiet sein. Dennoch ist es aufgrund archäologischer Informationen möglich festzustellen, daß es in diesem Raum wichtige gesellschaftliche Transformationen gegeben hat. Das zeigen zum Beispiel die Schatzfunde mit Münzen und Objekten aus dem späten 4. und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts unabhängig davon, ob diese nun Versteckfunde oder rituelle Deponierungen sind.19 Eine Erklärung dieser Transformationen einfach mit ‚germanischen Einfällen‘ und ‚germanischen Siedlungen‘ ausgehend von ethnischen Identitäten, die einander gegenüber stehen und einer einander ausschließenden gesellschaftliche Ordnung, und der dazu gehörenden materiellen Kultur, scheint mir heutzutage nicht mehr möglich und von einem ethnographischen Simplismus zu sein. Die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Prozesse einer so komplizierten Transformation und der dazugehörenden rituellen Repertoires und symbolischen Systeme wie die der Spätantike, verlangen nach einer stärker nuancierten Interpretation. Zum Beispiel: Eine einfache Gleichsetzung von Waffe = Militär verneint die vielschichtige Deutung von Objekten wie Beilen, Lanzen und Bögen und ihre Nutzung im spätantiken Grabritual.20 Ereignisgeschichte auf einer anderen Ebene schreiben jetzt Archäologen anhand dendrochronologischer Daten. Diese zeigen, daß es im letzten Jahrzehnt des 4. und am Anfang des 5. Jahrhunderts rege Bau- und Siedlungsaktivitäten im Maas-/Rheingebiet gab.21 Es handelt sich offensichtlich um zwei verschiedene Unternehmungen: die Wiederherstellung von wichtigen infrastrukturellen Elementen (Brücken) und die Wiederbesiedlung von augenblicklich unbesiedelten Landschaften.22 Beides sind wahrscheinlich zusammenhängende Initiativen des Römischen Staates in Verbindung mit Bezahlungen an Gruppen jenseits des Rheins (Schatzfunde). 19 20 21
22
Heidinga 1990; Martin 1997. Siehe jetzt: Theuws, im Druck 1. Bergeyk (Niederlande, Noord-Brabant), Brunnen: AD 396, Reparatur sechs Jahre später (unpubliziert); Donk (Belgien, Limburg), Brunnen: nach 383 ± 10–15 Jahren (siehe Anm. 34); Cuijk (Niederlande, Noord-Brabant) Reparatur Brückenpfeiler: 387–398 (Mioulet/Barten 1994, Goudswaard/Kroes/Van der Beek 2000/2001); Gennep (Niederlande, Limburg), zwei Brunnen: nicht vor 390 und um 408 (Heidinga/Offenberg/Koelman 1992); Alphen (Niederlande, Noord-Brabant), Brunnen 401–403 (freundl. Mitteilung J. de Koning/A. Verhoeven ADC-ArcheoProjecten). Etwas älter ist: Maastricht, Reparatur Brückenpfeiler oder Neubau Brückenpfeiler: nach 337 ã6, 344–352, 362–363; aber vielleicht ist ein steinerner Brückenpfeiler noch jünger (Vos 2004). Außerdem wird die Mauer der Maastrichter Verstärkung im letzten Jahrzehnt des 4. Jhs. repariert (Panhuysen 1996, 57).
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Mit der Kolonisation der Salischen Franken unter Julian (um 350) oder einem germanischen Einbruch scheint mir das nichts zu tun zu haben. Bei der Wiederbesiedlung können verschiedene Siedlungstypen unterschieden werden, obwohl die Underschiede zwischen Siedlungen und Landschaften vielleicht zum Teil durch den archäologischen Forschungsstand bestimmt werden.23 Die Siedlungen auf dem nördlichen Rheinufer gleichen teilweise den Siedlungen der Geestlandschaften in den nördlichen Niederlanden und in Norddeutschland. Beispiele sind die beiden Siedlungen in Bennekom, die Siedlung Deventer-Colmsgate und Heeten.24 In Heeten fällt die umfangreiche Eisenproduktion in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts auf.25 Es handelt sich meistens um Siedlungen mit bis zu zehn Gehöftanlagen mit Wohnstallhaus, Nebengebäuden, Grubenhäusern und Umzäunungen um das Areal eines einzelnes Gehöftes oder einer Gruppe von Wohnstallhäusern.26 Außerdem zeichnen sich diese Siedlungen durch eine ziemlich platzkonstante Lage aus. Sie sind häufig kontinuierlich ab dem 1. oder 2. Jahrhundert bewohnt und besitzen eine Kontinuität bis in das frühe Mittelalter. Darin unterscheiden sich diese Siedlungen von denen südlich des Rheins. Die Topographie der Siedlung ZutphenOoyerhoek unterscheidet sich innerhalb dieser nördlichen Siedlungen außerdem durch ihre lockere Streuung von Gebäuden über das Gelände.27 Auf römischem Gebiet handelt es sich meist um kleine Siedlungen neben einigen etwas größeren, die als zentrale Siedlungen ihrer Umgebung gedeutet werden können, aber nicht hoch liegen und nicht befestigt sind. In diesen größeren Siedlungen gibt es eindeutige Anzeichen für einen gehobenen Lebensstil und Handwerksaktivitäten. Anhand des zu einer solchen Siedlung bei Gennep gehörenden Gräberfeldes läßt sich feststellen, daß die Bewohner dieser Siedlungen vergleichbar sind mit Gruppen, die auf den Gräberfeldern bei Höhensiedlungen wie Samson und Vireux-Molhain und vielleicht Furfooz und Vieuxville beigesetzt worden sind.28
23
24
25 26
27 28
1991 hat Van Es eine vergleichbare Übersicht publiziert: Van Es 1991. Seine Übersicht ist mit dem bis dahin gebräuchlichen Konzept von Einwanderung, Ethnogenese und ethnischer Zuschreibung mittels der Zuordnung spezifischer materieller Kultur an spezifische germanischer Gruppen geschrieben. Allgemein: Hiddink 1999, 133–143; Bennekom:Van Es 1991, 18–19; Van Es/Miedema/ Wynia 1985; Deventer-Colmsgate: Abbildung bei Verlinde/Erdrich 1998. Verlinde/Erdrich 1998. Für eine kritische Analyse der Ausdehnung großerer Siedlungen im germanischen Gebiet siehe jetzt Hiddink 1999. Bouwmeester 2000. Siehe die Aufsätze von R. Brulet (S. 13 ff.) und H. W. Böhme (S. 71 ff.) in diesem Band.
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Zeitlich lassen sich die Transformationen, gekennzeichnet durch diese Siedlungs- und Bauaktivitäten, nur schwer mit den schriftlichen Quellen in Verbindung bringen. Die Erwähnung der Ansiedlung der salischen Franken in Toxandrien um die Mitte des 4. Jahrhunderts datiert mehr als eine Generation früher als die archäologischen Belege neuer Siedlungsaktivitäten, obwohl das Anfangsdatum von einiger Siedlungen entweder schwierig zu bestimmen oder noch nicht publiziert ist. Bei der Besprechung der Siedlungen müssen wir uns immer vor Augen halten, daß es noch die römischen Befestigungen gibt und daß diese vielleicht nicht rein militärisch betrachtet werden können. Zum Beispiel Nimwegen, das im 4. Jahrhundert beschränkt ist auf eine Befestigung auf dem Valkhof (wo später Karl der Große seine wichtige Pfalz errichtet).29 Diese Befestigung ersetzt sowohl die militärische Festung als auch die römische Stadt des 2. und 3. Jahrhunderts. Die Festung ist umgeben von einem Erdwall mit Steinverkleidung an der Außenseite und zwei Gräben. Außerdem befinden sich in weiterem Abstand nochmals zwei Gräben, die das Ganze umgeben. Die Gräben unmittelbar vor dem Stein/Erdwall sind um 400 noch immer als solche erkennbar, obwohl mit ihrer Verfüllung schon begonnen wurde. Der Charakter der Befestigung nach 400 ist unklar. Ein zweites Beispiel bietet Maastricht, wo eine Befestigung kontinuierlich ab Konstantinischer Zeit bis in die Merowingerzeit oder sogar noch bis ins 9. Jahrhundert benutzt worden ist.30 Kleine Siedlungen gibt es auf dem Areal ehemaliger römischer Villen, auf dem Gelände ländlicher Siedlungen aus dem 2. und 3. Jahrhundert und in bis dahin unbesiedeltem Gelände, wobei möglicherweise eine Besiedlung des 2. und 3. Jahrhunderts in der Umgebung bestanden haben kann. Beispiele von kleinen Siedlungen auf Villenarealen sind Voerendaal, Neerharen-Rekem (Abb. 2) und Wange-Damekot.31 Sichere Angaben über den Anfang der Besiedlung sind bis jetzt nicht publiziert, doch deutet der Münzspiegel von Neerharen-Rekem eine Besiedlung ab dem Ende des 4. Jahrhunderts an.32 Die Siedlungen bestehen nur aus einem oder wenigen 29
30 31
32
Willems 1984, passim; Bloemers/Thijssen 1990; Van Enckevort/Thijssen 1996, 87–94; Thijssen 2002. Panhuysen 1984, 60; Theuws 2005. Allgemein für Nordgallien: Van Ossel 1992. – Voerendaal: Willems 1986a; 1986b; 1987a; 1989; 1990; 1992; Willems/Kooistra 1987; Kooistra 1986. – Neerharen-Rekem: De Boe 1982; 1983; 1985; 1986; De Boe/De Bie/Van Impe 1992 (mit ausführliche Literaturangabe). – Wange Damekot: Lodewijckx 1995; Opsteyn/Lodewijckx 2001 und 2004. De Boe 1983.
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Abb. 2. Plan der spätrömischen Siedlungsreste von Neerharen-Rekem (nach De Boe/De Bie/Van Impe 1992).
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Häusern und vielen Grubenhäusern. Nebengebäude gibt es fast oder gar nicht.33 Der Charakter der Siedlung von Donk (Provinz Limburg) in Belgien im 4. Jahrhundert auf dem Gelände einer älteren römischen Ansiedlung ist nicht ganz klar.34 Dort scheint die Wiederbenützung von zwei Häusern in Holzbauweise aus dem 2. und 3. Jahrhundert vorzuliegen, obwohl mir das unwahrscheinlich vorkommt.35 Außerdem gibt es zwei Grubenhäuser, die vielleicht früher als das 4. Jahrhundert datieren, drei Brunnen und zwei Häuser, die Ähnlichkeiten mit denen aus der nordniederländischen Siedlung von Wijster zu haben scheinen. Der Wunsch, die Siedlung mit der Erwähnung der Ansiedlung der Salier bei Ammianus Marcellinus in Verbindung zu bringen, hat die Ausgräber dazu veranlaßt, die Wiederbesiedlung in die Mitte des 4. Jahrhunderts zu datieren. Das Fundmaterial und die 14C-Datierungen lassen jedoch eine solch genaue Datierung nicht zu. Es liegt allerdings ein dendrochronologisches Datum aus einem der Brunnen von etwas nach 383 vor. Westlich von Breda (Provinz Noord-Brabant, Niederlande) ist auf dem Gelände einer älteren römerzeitlichen Siedlung mit dem heutigen Name Steenakker eine kleine Siedlung aus dem 4. (und frühen 5.) Jahrhundert ausgegraben worden (Abb. 3).36 Es handelt sich wahrscheinlich um einen Einzelhof, der ein bis zwei Generationen bestanden hat. Obwohl der Hausgrundriß Übereinstimmungen mit den Häusern aus den Siedlungen der nördlichen Niederlande zeigt, läßt sich dieser Grundriß nicht unbedingt in eine Typologie von Hausgrundrissen einordnen.37 Auffallend ist, daß nur handgemachte Keramik angetroffen wurde. Diese läßt sich auf der einen Seite mit Keramik aus verschiedenen Regionen in den nördlichen Niederlanden vergleichen, auf der anderen Seite gibt es aber auch Unterschiede.38 Die Datierung der Siedlung kann nicht genau festgelegt werden. Die Bearbeiter schlagen eine Datierung in das mittlere 4. Jahrhundert vor, eventuell in dessen dritten Viertel, wobei für den schalenurnenartigen Topf aufgrund seiner Stempelverzierung ein etwas späterer Zeitansatz um 400 n. Chr. anzunehmen ist.39 Außer der handgemachten Keramik sind nur verbrannte
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35
36 37 38 39
Für Grundrisse und Pläne siehe Theuws/Hiddink 1996. Van Impe 1983; 1987; De Paepe/Van Impe 1991; Van Impe/Huyge/Van Laere/Vynckier 1992 (mit ausführlichen Literaturangaben). Vielmehr ist anzunehmen, daß im 4. Jh. flache Eintiefungen im Siedlungsgelände, die nach dem Verschwinden der Häuser mit eingetieften Stallteilen zurückgeblieben sind, zugeschüttet worden sind. Berkvens/Taayke 2004. Berkvens/Taayke 2004, 41–42. Berkvens/Taayke 2004, 44. Berkvens/Taayke 2004, 44.
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Abb. 3. Plan der spätrömischen Siedlungsreste von Breda (nach Berkvens/Taayke 2004).
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Knochen und Fragmente von Webgewichten gefunden worden. Drehscheibenware, Glasfragmente und Münzen sind also auf diesem Gelände nicht aufgedeckt worden. In jüngster Zeit sind drei spätantike Siedlungen in Goirle, Alphen und Holtum ausgegraben worden.40 In Alphen wurden bis jetzt vier Hofstellen gefunden, die wahrscheinlich nicht alle zeitgleich sind. Möglicherweise gibt es jeweils zwei gleichzeitige Hofstellen. Das Gelände konnte aber nicht vollständig ausgegraben werden.41 Einige Hausgrundrisse (Abb. 12) sind vergleichbar mit denen aus Siedlungen in den nördlichen Niederlanden. Für das Gebäude mit dem zweischiffigen Ostteil gibt es im Norden kaum Parallelen. In Goirle ist sowohl handgemachte Keramik als auch importierte Drehscheibenware gefunden worden. In Alphen gibt es Siedlungsspuren aus dem 5. und 6. Jahrhundert. Die Auswertung der Funde und Befunde hat erst vor kurzem angefangen. Die Siedlung wird klein gewesen sein und setzt wahrscheinlich um 400 ein. In der Siedlung Holtum (Niederlande, Limburg) gibt es Anzeichen für Handwerksaktivitäten; aus dem späten 4. Jahrhundert stammen 110 Münzen.42 Das letzte Beispiel einer kleinen Siedlung kommt aus Geldrop, wo mindestens eine, vielleicht aber auch drei Hofstellen aus dem 4. oder 5. Jahrhundert zum Vorschein kamen. Es handelt sich wie in Breda und Neerharen wahrscheinlich um Einzelhöfe oder eine Siedlung mit zwei Gehöften. Diese Hofstellen liegen verstreut in der Landschaft auf in der Römerzeit unbewohntem Gelände. Es gibt Siedlungsreste aus dem Neolithikum, der Bronze- und Eisenzeit. In einer Entfernung von einigen hundert Metern lag eine römische Siedlungsstelle und wahrscheinlich ein Gräberfeld des 2. und 3. Jahrhunderts.43 Von einer Kontinuität zwischen beiden Siedlungsphasen kann nicht ausgegangen werden. Das Fundmaterial ist so spärlich, daß eine genaue Datierung unmöglich ist, obwohl der Streufund eines Fi-
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Beide Siedlungen sind noch nicht publiziert (Stand 2005). Alphen ist von BAAC bv. Onderzoeks- en Adviesbureau, Goirle durch ADC ArcheoProjecten bv ausgegraben worden. Die Publikation von Goirle wird in Kürze erscheinen: Bink 2005. Ich danke Martijn Bink von BAAC und Jan de Koning und Arno Verhoeven von ADC-Archeoprojecten für die Informationen über diese Ausgrabungen. Von Holtum ist mir nichts weiteres bekannt als das, was in dem Internetbericht über die Ausgrabung gemeldet wird (www.sna.nl/nieuws/ nieuws_overzicht.php?unid=84&zoekOpdracht=). Der nicht ausgegrabene zentrale Teil ist bodendenkmalpflegerisch geschützt, was noch einmal zeigt, wie unsinnig die sittenstrengen Maßnahmen der modernen holländischen Bodendenkmalpflege für die Wissenschaft sind. Es ist kaum anzunehmen, daß das Gelände auch tatsächlich von weiteren kleinen Bodeneingriffen in Zukunft geschützt ist. www.sna.nl/nieuws/nieuws_overzicht.php?unid=84&zoekOpdracht= Siedlungsstelle und Gräberfeld sind in einer Sandgrube entdeckt und im Laufe der Zeit völlig zerstört worden.
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belfragments des 5. Jahrhunderts bei einer der Hofstellen (Siedlungsstelle C) und Glas- und Keramikfragmente aus dem späten 4. oder 5. Jahrhundert bei einer der anderen Hofstellen (Siedlungsstelle A) vielleicht Ansatzpunkte für eine Datierung geben.44 Die Keramik der Siedlungsstelle A (der östlichen Siedlung) besteht überwiegend aus handgemachter Ware (70–75 %) und etwas Importkeramik. Die soeben besprochenen Siedlungen sind nicht nur klein, sie unterscheiden sich auch durch das spärliche und wenig aufsehenerregende Fundmaterial: Einige Bronzen, etwas Terra Sigillata, handgemachte Keramik und etwas importierte Drehscheibenware, in Geldrop auch ein wenig einfaches Glas und in Neerharen-Rekem dazu noch viele Münzen. Viel mehr wurde nicht gefunden. Die meisten Siedlungen scheinen die Mitte des 5. Jahrhunderts nicht lange überdauert zu haben. Die Struktur der Siedlungen (sie sind klein) zeigt große Unterschiede zu denen der nördlichen Niederlande. Eine Kolonisation durch große Gruppen, die dorfähnliche Siedlungen erbaute, wie sie im Norden bestehen, kann aufgrund der archäologischen Ergebnisse gegenwärtig nicht festgestellt werden. Eher ist von kleinen Gruppen, die sich verstreut in der Landschaft niederließen, auszugehen. Ob dies das Resultat eines langsamen Prozesses von Kolonisation durch individuelle Familien ist oder einer organisierten, durch den Staat gelenkten Ansiedlung, läßt sich beim heutigen Kenntnisstand nicht feststellen. Nachweise für Handwerksaktivitäten oder andere Aktivitäten in diesen Siedlungen, die das einfache bäuerliche Leben überstiegen, sind nicht gefunden worden. Wie anders ist die Situation in Gennep, wo auf einem etwas höheren Geländeabschnitt am Zusammenfluß von Maas und Niers Teile einer Siedlung und eines Gräberfeldes ausgegraben worden sind (Abb. 4).45 Über die Siedlungsgrabung ist schon öfter berichtet worden; das Gräberfeld, welches unter nicht allzu guten Bedingungen ausgegraben werden mußte, ist noch nicht vorgestellt worden.46 Ich kann das hier nur skizzenhaft tun, weil es noch in Bearbeitung ist. 44
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Bazelmans 1991. Bei der Bearbeitung der Ausgrabungen von Geldrop haben wir die merowingerzeitliche Siedlung und die Gräber mit Vorrang behandelt, so daß noch keine entgültige Aussagen über die spätrömische Besiedlung möglich sind. Heidinga/Offenberg/Koelman 1992. Die Siedlungsreste werden bearbeitet von A. Verhoeven. Das Gräberfeld ist 1994 ausgegraben worden unter Leitung von F. Theuws, M. Seijnen und H. Hiddink. H. Hiddink bearbeitet die spätrömischen Gräber und Funde, die merowingerzeitlichen Gräber und Funde werden von mir mit Hilfe von Studenten bearbeitet. Heidinga/Hiddink/Seijnen 1998.
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Abb. 4. Lage der Ausgrabungsflächen bei Gennep (mit Genehmigung von H. Hiddink).
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Die Siedlung liegt am Rande des Maastals, das Gräberfeld ungefähr 200 m südlich davon. Aufgrund des Fundmaterials, der Münzen und der dendrochronologischen Daten wird angenommen, daß die Besiedlung um 390 anfing.47 Wie lange sie angedauert hat, können wir nicht genau sagen, weil die Siedlung nicht vollständig ausgegraben ist; einige Funde datieren noch in das 6. und späte 7. bis frühe 8. Jahrhundert. Das Gräberfeld ist möglicherweise kontinuierlich ab dem Ende des 4. oder Anfang des 5. Jahrhunderts bis an den Anfang des 8. Jahrhunderts belegt, obwohl nur ein Teil ausgegraben wurde. Die Siedlung hat sich also im Laufe der Zeit verlagert. Wahrscheinlich ist nur der westliche Rand der Siedlung, die sich weiter nach Osten erstreckt, ausgegraben worden. Das Bild, das wir jetzt haben, wird also bestimmt von der internen Dynamik der Siedlung. Am Ende des 4. Jahrhunderts liegt das Zentrum der Besiedlung wahrscheinlich weiter im Osten. Ein Brunnen und 15 Grubenhäuser gehören zu dieser Phase. Auch eine Gruppe von Gräbern gehört wohl in diese Zeit. Wahrscheinlich gibt es noch keine ebenerdigen Häuser in dieser frühen Siedlungsphase auf dem ausgegrabenen Gelände. Diese erscheinen in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, und um die Mitte des 5. Jahrhunderts befinden sich dort drei oder vier Häuser, wozu viele Grubenhäuser, zwei Brunnen, viele Öfen und Gruben gehören (Abb. 5). Auf den ersten Blick sieht das alles aus wie eine einfache bäuerliche Siedlung, wie man sie auch nördlich des Rheins antreffen kann. Das Bild täuscht aber. Die Funde sind von einer höheren Qualität als die der kleinen Siedlungen und die der Siedlungen im Norden. Es gibt in Gennep viele bronzene Objekte und eine Anzahl von Objekten aus Edelmetall. Die Drehscheibenware (importiert aus dem Süden) überwiegt hier im Gegensatz zu den Siedlungen nördlich des Rheins und den kleinen Siedlungen südlich davon, wo die vermutlich lokal angefertigte handgemachte Ware vorherrscht. Auch wurden hunderte von Glasfragmenten gefunden, weil die Verfüllungen der Befunde ausgesiebt worden sind. Die archäobotanischen und archäozoologischen Untersuchungen zeigen, daß es sich um eine Siedlung handelt, in der das konsumierte Getreide und das Fleisch wahrscheinlich nicht selbst produziert worden sind.48 Die archäobotanischen Proben enthalten nur Getreidekörnchen, keine Druschreste. Die Botaniker nehmen an, daß man letztere findet, wenn das Getreide in der Siedlung selbst verarbeitet wurde. Die Knochenreste der Rinder stammen fast ausschließlich von jungerwachsene Tiere, das heißt um Tiere für die Fleischkonsumption. Das normale Bild 47 48
Heidinga/Offenberg/Koelman 1992, 63–65. Heidinga/Offenberg/Koelman 1992, 86–93.
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Abb. 5. Plan der spätrömischen Siedlungsreste von Gennep (Mitte 5. Jahrhundert) (nach Heidinga/Offenberg/Koelman 1992).
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einer Agrarsiedlung zeigt dagegen viele Knochen von jungen und älteren Tieren. Vorsicht ist natürlich geboten, weil wir nur einen Teil der Siedlung ausgegraben haben, aber es entsteht als Bild für den ausgegrabenen Teil der Siedlung, daß die Bewohner in Bezug auf die Agrarprodukte eher konsumptiv als produktiv tätig waren. Vielleicht handelt es sich um einen Siedlungsteil überwiegend mit Handwerk. Wichtig für die Beurteilung der Siedlung ist die Anwesenheit dieser Handwersaktivitäten. Eisenverarbeitung hat sicher stattgefunden, Bronzeverarbeitung ebenfalls, und in Schmelztiegeln anhaftende Goldspuren deuten auf Goldverarbeitung hin.49 Spuren von Handwerksaktivitäten sind bis jetzt in den kleinen Siedlungen nicht gefunden worden. Ihr Vorhandensein bedeutet, daß wir vorsichtig sein müssen mit der Interpretation der vielen Bronzefunde. Nicht alle Bronzeobjekte brauchen unmittelbar als solche in der Siedlung benutzt worden zu sein. Eine Anzahl kann auch als Rohmaterial für die Weitererarbeitung und die Fabrikation von Fibeln und Gürteln benutzt worden sein. Letztendlich ist es legitim, diese Siedlung anders zu interpretieren als die kleinen Siedlungen südlich des Rheins und auch diejenigen nördlich des Rheins. Gennep kann man als eine Zentralsiedlung betrachten, in der eine etwas abgehobene Schicht von Bewohnern lebte. Wie ausserordentlich diese Siedlung wirklich ist, kann nur durch die Ausgrabung neuer Siedlungen festgestellt werden. Wichtig bei der Bewertung und Interpretation der Siedlung ist das zugehörige Gräberfeld, das einige Jahre später zufällig entdeckt worden ist. Das Gräberfeld besteht sowohl aus Brandgräbern als auch aus Körpergräbern (Abb. 6). Sie kommen möglicherweise in der zweiten Hälfte oder am Ende des 5. Jahrhunderts kurz gleichzeitig vor. Ob es tatsächlich eine ununterbrochene Belegung des Gräberfeldes vom späten 4. bis ins 8. Jahrhundert gegeben hat, können wir leider nicht feststellen. Das ist aber wahrscheinlich. Das Gräberfeld des späten 4. und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts besteht nur aus Brandgräbern. Eine Anzahl von Brandgräbern ist wahrscheinlich später bei der Anlage der Körpergräber zerstört worden. Es gibt ein Urnengrab, 19 Brandschüttungsgräber und fünf Brandgrubengräber.50 Die Toten wurden samt Kleidung und anderen Beigaben auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In den Grabgruben haben wir viele Bronze- und Silbertropfen der metallenen Teile von Gürteln und Schmuck gefunden. Manch49 50
Heidinga/Offenberg/Koelman 1992, 113–118. Für die Angaben über das spätrömische Gräberfeld und die Zeichnungen der Funde danke ich Herrn Dr. H. Hiddink.
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Abb. 6. Plan des spätrömischen und frühmittelalterlichen Gräberfeldes von Gennep-Touwslagersgroes.
mal sind sogar sehr kleine Resten noch zu bestimmen. Außerdem haben wir Glastropfen angetroffen, die von Gläsern auf den Scheiterhaufen stammen könnten. Was wir an Beigaben bestimmen konnten deutet eher auf eine Datierung der Gräber in das 5. Jahrhundert als in das späte 4. Jahrhundert (Abb. 7). Die Leichenbrandreste könnten fast alle anthropologisch bestimmt werden, es gibt sowohl Frauen, als auch Kinder und Männer.51 Unter den Männern sind mindestens zwei, aber wahrscheinlich eher drei Schwertträger, die in der Mitte des Gräberfeldes ihre Grabstätte fanden (Abb. 8 und 9). Der Streufund eines Fragments von einem Scheidenmundblech des Typs Krefeld-Gellep zeigt, daß der Bevölkerung von Gennep die spätrömische Sachkultur von Nord-Gallien bekannt war (Abb. 10, Nr. 918). Meiner Meinung nach ist das Gräberfeld von Gennep, was die Funde anbelangt, gut vergleichbar mit Gräberfeldern wie diejenigen von Samson und Vireux Molhain und zum Teil mit denen von Haillot, Furfooz und Vieuxville. Die Genneper Funde sind aber nicht mit einer Höhenbefestigung in Verbindung zu bringen, obwohl wir damit rechnen müssen, daß in der Nähe eine kleine römische Befestigung zur Sicherung der Übergänge über Maas und Niers bestand. Das macht unsere Siedlungsbewohner aber
51
Die Bearbeitung der Leichenbrandreste ist von Frau L. Smits durchgeführt worden.
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Abb. 7. Gennep-Touwslagersgroes Grab 55 (mit Genehmigung von H. Hiddink).
noch nicht zu römischen Soldaten. Die Genneper Funde legen nahe die Deutung solcher Gräber und Gräberfelder noch einmal zu überdenken. Die Funde sind allerdings kein Anlaß dafür, die Bewohner als Germanen oder Franken zu deuten. Vielleicht sind die Funde überhaupt kein Grund, die Bewohner eindeutig ethnisch einzuordnen. Vermutlich besitzt die Verbindung von materieller Kultur und Identität, wovon ethnische Identität nur eine ist, eine größere Vielschichtigkeit, als die eindeutige Verbindung von spezifischen Formen mit einer spezifischen ethnischen Identität.52 Die Masse des Fundmaterials in Gennep kommt in erster Linie aus dem Süden. Außerdem zeigen die Schwertfunde, daß die Bewohner der Siedlung Mit52
Ich werde darüber berichten in einem leider noch nicht erschienenen Beitrag über die Waffengräber des 4. Jhs. in Nord-Gallien (Theuws in Druck 1).
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Abb. 8. Gennep-Touwslagersgroes Grab 1 (mit Genehmigung von H. Hiddink).
glieder eines Netzwerkes von Schwertträgern waren, die aus dem Süden gekommen sind (Abb. 11). Bei der Beurteilung der Siedlung muß vielleicht ein Unterschied gemacht werden zwischen den Anwesen und ihren Bewohnern im späten 4. Jahrhundert und den Anwesen der Mitte des 5. Jahrhunderts. Es ist nicht allzu unsinnig, an der nördlichen Grenze des Imperiums nicht nur mit Einwanderern aus dem Norden, sondern auch mit durch den Staat unterstützten Kolonisten aus dem Süden zu rechnen. Co-residente Gruppen, wie die in Gennep, brauchen nicht unbedingt eingereiht zu werden in ein unvollkommen überliefertes Schema ethnischer Namen in den Texten, wobei wir kaum verstehen, was die antiken Autoren mit diesen Namensnennungen andeuten möchten, die meistens für spezifische Zwecke und unter spezifischen Umständen geschrieben worden sind.
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Abb. 9. Gennep-Touwslagersgroes Grab 20 (mit Genehmigung von H. Hiddink).
Siedlungen wie Gennep hat es möglicherweise auch in Rhenen und Bergeik gegeben.53 In Rhenen ist nur das kleine vergleichbare Gräberfeld bekannt. In Bergeik haben wir nur sehr beschränkte kleine Suchschnitte gegraben und dabei Fundmaterial und einen Brunnen gefunden, die auf eine solche Siedlung hindeuten könnten. Letztendlich deuten die Münzreihen einiger nicht ausgegrabener Siedlungen im mittelniederländischen Flußgebiet auch eine Kolonisationsbewegung im letzten Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts an.54 Auch diese läßt sich kaum mit einer der in den schriftlichen Quellen genannten germanischen Kolonisationen in Verbindung bringen. Die Archäologie des spätrömischen Nordgallien sollte sich über die zukünftige Ausrichtung der Forschung Gedanken machen. Das stark einschränkende Modell von zwei einander gegenüber stehenden Kulturen (= Völker) und die ethnische Interpretation als fast exklusives Forschungsergebnis verstellt uns die Sicht auf die Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit der spätrömischen materiellen Kultur. Diese Vielfältigkeit ist problematisch für diejenigen, die an die Möglichkeit glauben, zum Beispiel Keramik ethnisch deuten zu können, wie eine Aussage über die Keramik von Breda zeigt: „Seine Porosität deutet auf ein fränkisches Fabrikat hin, wenngleich die einer Schalenurne ähnelnde Form eher eine sächsische Herkunft ver-
53 54
Rhenen: Van Es/Wagner 2000; Bergeik: unpubliziert. Willems 1984, 447–448.
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Abb. 10. Gennep-Touwslagersgroes, Streufunde (mit Genehmigung von H. Hiddink).
muten läßt“.55 Franken oder Sachsen? Wahrscheinlicher ist, daß eine Verbindung derartiger Keramik mit einem aus den römischen schriftlichen Quellen überlieferten Namen wenig zur Interpretation dessen beiträgt, was sich in Breda abgespielt hat. Die Herkunft der Siedler läßt sich, auch nach der Meinung der Bearbeiter, nicht feststellen, und wenn man es hätte feststellen können, was hätte diese Aussage zum besseren Verständnis der sozialen, kultu-
55
Berkvens/Taayke 2004, 44.
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Abb. 11. Die Verbreitung von Schwertscheiden mit Beschlägen vom Krefelder Typ (1 Grabfunde, 2 Streufunde) und Schwerter und Schwertscheiden mit Almandinverzierung (3) (nach Theuws/Alkemade 2000).
rellen, ökonomischen und mentalen Strukturen einer solchen Kolonistengruppe beigetragen? Es ist kaum anzunehmen, daß diese Strukturen völlig identisch sind mit denen der sozialen Gruppen im Herkunftgebiet. Das selbe gilt für die Hausgrundrisse: Im Prinzip gleicht fast keiner der Hausgrundrisse südlich des Rheins einem anderen, und alle weichen auch in manchen Punkte von denen in den nördlichen Niederlanden ab (Abb. 12). Vielfältigkeit ist die Regel im Gegensatz zu einer homogenen „germanischen“ Hausbaukultur, mitgebracht von Siedlern aus dem Norden. Diese Vielfältigkeit muß Ausgangspunkt der Forschung sein, statt alle spätrömische materielle Kultur in ein bipolares Schema (Römer-Germanen) zu zwängen.56 Das bipo56
Siehe jetzt auch Brather 2004.
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Abb. 12. Spätrömische Hausgrundrisse aus den südlichen Niederlanden und Belgien (M. 1: 400). Die Pfeile kennzeichnen die sicher festgestellten Eingänge (nach Berkvens/Taayke 2004; Bink 2005; Heidinga/Offenberg/Koelman 1992; De Boe/De Bie/Van Impe 1992).
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lare Schema ist kein Ergebnis der Forschung, wie akribisch die Fibelstudien auch sein mögen, sondern ein vorgegebener statischer Denkrahmen, der immer wieder gefüllt wird mit neu ans Tagelicht gekommenen archäologischen „Fakten“.57 Stattdessen scheint es mir viel wichtiger zu fragen, auf welche Weise ein bestimmter (und letzendlich von uns „konstruierter“) Umgang mit der materiellen Kultur in spätrömischer Zeit zur Gestaltung der gesellschaftlichen Transformationen beiträgt, die diese Epoche kennzeichnen. Neue gesellschaftliche Verhältnisse und Mentalitäten werden mitbestimmt von neuen rituellen Repertoires wie neue Grabrituale oder Gräberfeldstrukturen. Neue Auffassungen über den Schutz und neue Ansprüche auf Land und Menschen werden mitbestimmt von neuen Formen des Wohnens, Bauens und der Landschaftsgliederung. Solche Ausgangspunkte machen es zum Beispiel möglich, die „germanischen Waffengräber“ Nordgalliens ganz anders zu interpretieren.58 Die Archäologie der Spätantike hat die Möglichkeit, diese gesellschaftliche Vielschichtigkeit zu erforschen, anstatt sie hinter einem zu einfachen bipolaren Modell zu verstellen, das auch aus ethnographischer Hinsicht als Erklärungsmodell viel zu einfach ist. Als vorläufiges Ergebnis der Forschung zu den spätrömischen Siedlungen in den südlichen Niederlanden möchte ich vorschlagen, der Tyrannei des alten Modells ein Ende zu bereiten, das bestimmt wird vom Nationalismus des 19. Jahrhunderts, und von der Interpretation der Ereignisse in der nördlichen Grenzzone mit Angriffen, Einwanderung, Kolonisation und Ethnogenese als wichtigsten Elementen und der ethnischen Deutung als dass fast einzige Erklärungsziel abzulassen. Besser wäre ein Modell, das die Verschiedenheit der kulturellen Quellen in einem Prozess von Aneignung, Interpretation und Verhalten von Gruppen sowie Individuen berücksichtigt und als Ergebnis hat, daß es im Frühmittelalter nicht nur Römer und Germanen gab, sondern eine Vielfalt an Gruppenkulturen wie die von Männern und von Frauen, von Aristokraten, Bauern, Klerikern, von Altersgruppen, Handwerkern, Kultgemeinschaften,Viehzüchtern, Ackerbauern und so weiter. Die von uns Archäologen wahrgenommenen Rituale sollten als wichtige Bestandteile in der Konstituierung und Entwicklung neuer Gruppenkulturen betrachtet und nicht als eine schwache Widerspiegelung von ethnischer Identität und Ethnizität betrachtet werden.
57 58
Siehe jetzt sowohl Schmauder 2003 wie Brather 2004. Böhme 1974; 1985; 1999; 2002; Theuws im Druck.
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Willems, W.J.H., 1986a: Voerendaal, in: H. Stoepker (ed.), 1985: Archeologische kroniek van Limburg over 1986, Publications de la Société Historique et Archéologique dans le Limbourg 122, 228–237. Willems, W.J.H., 1986b: De Romeinse villa te Voerendaal: opgraving 1985, Archeologie in Limburg 28, 143–150. Willems, W.J.H., 1987: Voerendaal, Romeinse villa, in: H. Stoepker (ed.), 1987: Archeologische kroniek van Limburg over 1986, Publications de la Société Historique et Archéologique dans le Limbourg 123, 223–235. Willems, W.J.H., 1989: An officer or an gentleman? A late-Roman weapon-grave from a villa at Voerendaal (Nl), in: C. van Driel-Murray (ed.), 1989: Roman military equipment: the sources of evidence, Proceedings of the fifth Roman Military Equipment Conference, Oxford 1989 (BAR, International Series 476), 143–156. Willems, W.J.H., 1990: Down to earth: a note on bolt-heads and rake-prongs, Arma 2, 22–23. Willems, W.J.H., 1992: De Romeinse villa van Voerendaal, in: G. Bauchens e.a. (eds), 1992: Spurensicherung. Archäologische Denkmalpflege in der Euregio Maas-Rhein, Mainz, 526–534. Willems, W.J.H./L. Kooistra, 1987: De romeinse villa te Voerendaal opgraving 1986, Archeologie in Limburg 32, 29–38.
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Frans Theuws
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 795–820 © Copyright 2008 Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Castra und Höhensiedlungen in der schriftlichen Überlieferung von der Spätantike bis zur frühen Karolingerzeit Dieter Geuenich und Thomas Zotz
Die Aufgabe, die Erwähnung von castra und Höhensiedlungen in der schriftlichen Überlieferung aufzuspüren, die Historikern in einem überwiegend von Archäologen gestalteten Sammelband zum Thema „Höhensiedlungen“ zufällt, ist nicht so leicht zu lösen, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Der naheliegende Weg, etwa über die Register der einschlägigen MGH-Editionen die Textstellen aufzusuchen, an denen Höhensiedlungen erwähnt werden, läßt sich nicht erfolgreich beschreiten, weil es keinen lateinischen oder volkssprachigen Terminus gibt, der eindeutig eine Höhensiedlung oder Höhenburg bezeichnet. Mustert man die frühmittelalterlichen Schriftquellen auf solche militärisch oder friedlich genutzten Höhen durch, so sind diese einmal als castellum, ein anderes Mal als arx oder munitio, als oppidum oder civitas, dann auch als urbs oder burc oder auch nur als mons bezeichnet. Ortsnamen, die, wie einige archäologische Beiträge in diesem Band vermuten lassen, auf Höhensiedlungen hinweisen, lauten oftmals Kastell, Niederkastell, der Chastel,1 oder sie sind mit den Grundwörtern -berc oder -burc, -stein oder -kopf oder einem ähnlichen, eine Höhe bezeichnenden Namenbestandteil gebildet. Keiner dieser Termini weist aber eindeutig auf den Typus einer Höhensiedlung hin, wie er von den Archäologen gesucht wird und in den letzten Jahrzehnten auch in zunehmender Zahl gefunden wurde. Ähnlich verhält es sich mit dem anderen Suchbegriff castra. In dieser Plural-Form begegnet der Begriff in der schriftlichen Überlieferung von der Spätantike bis zur Karolingerzeit häufig, bezeichnet aber in der Regel ein mobiles, nur temporär genutztes Lager, meist ein Heereslager. Dementsprechend oft begegnet castra im Kontextzusammenhang mit bestimmten Verben wie castra metari, „ein Lager abstecken“, castra facere, ponere, locare, collo-
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Vgl. oben S. 381.
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Dieter Geuenich und Thomas Zotz
care, „ein Lager aufschlagen“ usw.2 Castrum im Singular bezeichnet dagegen einen „befestigten Ort“ und kann dann auch eine „Feste“ oder eine „Festung auf einer Höhe“ bedeuten, also das, was wir heute unter einer „Burg“ oder einer „Höhenburg“ verstehen.3 Der Terminus castrum an sich sagt freilich nichts über die Höhenlage aus, so daß nur weitere Zusätze wie etwa castrum in monte oder das Grundwort -berc im Namen des betreffenden castrum auf eine befestigte Anlage in der Höhe hinweisen können: castrum Wartenberg, castrum Buraberg, castrum Hohenberg usw. In einem solchen Fall erweist sich der Hinweis auf ein castrum in der schriftlichen Überlieferung tatsächlich als weiterführend. Aber selbst dann bleibt fraglich, ob die Befestigung auf der Höhe nur im Rahmen einer ad hoc-Defensivmaßnahme erfolgte oder auf Dauer angelegt war. In diesem letzteren Falle wird man von einer „Höhenburg“ im Sinne der Thematik des vorliegenden Bandes sprechen können. Für eine „Höhensiedlung“ aber gibt es ganz offensichtlich in den Schriftquellen keinen Terminus; dies ist vielmehr ein Forschungsbegriff.4 D. G.
I. Zur schriftlichen Überlieferung der Spätantike und frühen Merowingerzeit Mit Blick auf die terminologischen Grundschwierigkeiten, die Dieter Geuenich bei der Suche nach „Höhensiedlungen“ in der schriftlichen Überlieferung benannt hat, sollen im folgenden einige Quellen der Spätantike und der frühen Merowingerzeit auf ihre Informationen zum Generalthema der Freiburger Tagung hin befragt und dabei auch quellenkritische Anmerkungen gemacht werden. Was können wir von der schriftlichen Überlieferung erwarten? Wo sind die Grenzen ihrer Aussagekraft? Aber auch: Was bietet diese Überlieferung in Ergänzung zu den archäologischen Befunden und deren Auswertbarkeit, sei es bezogen auf einen Einzelfall, sei es allgemeiner Art? Hierfür wurden hauptsächlich zwei Autoren ausgewählt, zum einen der römische Geschichtsschreiber griechischer Herkunft Ammianus Marcelli-
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3 4
Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert, Bd. 2, München 1999, Sp. 347–350, hier Sp. 349 f. Ebenda, Sp. 347–349. Er fehlt allerdings bislang als Stichwort in den einschlägigen Lexika, z. B. im Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München-Zürich 1991; Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2, Bd. 15, Berlin-New York 2000.
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nus (ca. 330–ca. 395),5 der in seinen ‚Res gestae‘ in Fortsetzung des Tacitus die Geschichte des Römischen Reiches von Nerva bis zum Tod von Valentinian I. (375) und Valens (378) dargestellt und hier die Alemannenfeldzüge Julians und Valentinians I. so detailliert geschildert hat, daß uns Ammians Werk, obgleich eine durch die römische Brille gefilterte Quelle, doch ein kostbares Instrument für die Annäherung an diese gens sein kann.6 Im zeitlichen Kontrast hierzu soll als zweiter Autor gleichfalls ein Römer, dieses Mal gallischer Herkunft, zu Wort kommen, Gregor von Tours (538–594),7 der in seinen zehn Büchern ‚Historiae‘ als Bischof der Stadt an der Loire die Geschichte von Adam und Eva an schreibt, aber bereits ab dem zweiten Buch von den für ihn das alltägliche Gegenüber bildenden Franken und den Ereignissen im Merowingerreich des 6. Jahrhunderts handelt.8 Zu beginnen ist indes mit einem unmittelbar an der Schwelle von der Antike zum Mittelalter stehenden Autor, nämlich mit Cassiodor (ca. 485–ca. 580),9 der uns hier in seiner Eigenschaft als Quaestor Theoderichs des Großen10 im Zeitraum 507–511 interessiert, hat er doch amtliche Schreiben des Ostgotenkönigs stilisiert und in den ‚Variae‘ gesammelt, die das Thema von castra und Höhensiedlungen auf ganz eigene und für unseren Zusammenhang aufschlußreiche Weise berühren. Es geht dabei näm5
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Joachim Gruber, Ammianus Marcellinus, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, MünchenZürich 1980, Sp. 538 f. Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, 4 Bde., hg. von Wolfgang Seyfarth, Berlin 1968–1971. Zu Autor und Werk vgl. Klaus Rosen, Ammianus Marcellinus (Erträge der Forschung 183), Darmstadt 1982; The late Roman world and its historian: interpreting Ammianus Marcellinus, hg. von Jan Willem Drijvers, London 1999. Zur Darstellung der Alemannen im Werk Ammians vgl. Thomas Zotz, Die Alemannen in der Mitte des 4. Jahrhunderts nach dem Zeugnis des Ammianus Marcellinus, in: Die Franken und die Alemannen bis zur „Schlacht bei Zülpich“ (496/97), hg. von Dieter Geuenich (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 19), Berlin-New York 1998, S. 384–406. Zu den Alemannen in spätrömisch-frühmittelalterlicher Zeit vgl. allgemein Dieter Geuenich, Geschichte der Alemannen, Stuttgart 22005. Hans Hubert Anton, Gregor von Tours, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München-Zürich 1989, Sp. 1679–1682. Vgl. auch Martin Heinzelmann, Gregor von Tours (538–594): „Zehn Bücher Geschichte“. Historiographie und Gesellschaftskonzept im 6. Jahrhundert, Darmstadt 1994. Hierzu überblickhaft Eugen Ewig, Die Merowinger und das Frankenreich, Stuttgart-Berlin-Köln 42001; Patrick Geary, Die Merowinger: Europa vor Karl dem Großen, München 22004; Reinhold Kaiser, Das römische Erbe und das Merowingerreich (Enzyklopädie deutscher Geschichte 26), München 32004. Eingehende kulturgeschichtliche Auswertung des Werkes Gregors von Tours bei Margarete Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit nach den Werken Gregors von Tours, 2 Bde. (Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Monographien 3, 1–2), Mainz 1982. José M. Alonso-Núñes/Joachim Gruber, Cassiodor, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, München-Zürich 1983, Sp. 1551–1554. Vgl. Frank M. Ausbüttel, Theoderich der Große, Darmstadt 2003.
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lich um die Fundierung von Höhensiedlungen, also um jenen Aspekt einer spezifischen Situation bzw. Prozeßhaftigkeit, der als Charakteristikum schriftlich-narrativer Überlieferung gelten kann und der insofern die strukturelle Aussagekraft archäologischer Befunde ergänzt. Zweimal wandte sich Theoderich an die bei einem castrum lebenden Goten und Römer – man beachte die Nennung in einem Atemzug11 –, nämlich bei dem castrum Dertona (Tortona Prov. Alessandria) und bei dem castrum Verruca (Doss Trento) gegenüber Trient auf der anderen Etschseite. In beiden Fällen ging es dem König darum, die Bevölkerung zur Befestigung des castrum bzw. zum Häuserbau darin anzuhalten. Den Leuten von Tortona gibt er die Begründung:12 Quia res proeliorum bene disponitur, quotiens in pace tractatur. „Weil das Kampfesgeschäft gut geordnet wird, solange es in Friedenszeiten geschieht“. Eine munitio sei dann wertvoll, wenn sie durch langdauernde Planung gestärkt sei. Deshalb sollten sie – und damit wendet sich Theoderich an die Goten und Römer bei Tortona – sich jetzt in besagtem castellum eifrig Häuser bauen. Die Anlage einer geschützten Siedlung soll also nicht erst erfolgen, wenn es brenzlig wird, sondern von langer, von ruhiger Hand. Im übrigen ist zu beachten, daß in ein und demselben Text einmal von castrum, ein anderes Mal von castellum gesprochen wird. Während der Text bezüglich Tortona nichts über die Topographie dieses castrum aussagt, hören wir darüber etwas im zweiten Text, der die Festung bei Trient mit dem für ihre erhabene Lage aussagekräftigen Namen Verruca (Warze) benennt.13 Wenn Theoderich auch für dieses castrum den Bau von Häusern anordnet, so verknüpft er dies mit einer werbenden Beschreibung von dessen Lage: Ut […] in Verruca castello vobis domicilia construatis, quod a positione sui congruum nomen accepit. „Daß ihr im Kastell Verruca euch Häuser errichtet, das von seiner Lage her den für es passenden Namen empfangen hat.“ Est enim in mediis campis tumulus saxeus in rotunditate consurgens, qui proceris lateribus, silvis erasus, totus mons quasi una turris efficitur, cuius ima graciliora sunt quam cacumina et in mollissimi fungi modos supernus extenditur, cum in inferiore parte tenuetur. „Es ist dies nämlich ein felsiger Hügel inmitten der Gefilde, rund aufragend, der auf seinen schroffen Flanken entwaldet ist, der ganze Berg gleichsam ein Turm, dessen Inneres gefälliger als ein – eng 11
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Zur Situation von Goten und Römern jetzt Herwig Wolfram, Gotische Studien. Volk und Herrschaft im frühen Mittelalter, München 2005. Cassiodor, Variae I/17, hg. von Theodor Mommsen (MGH Auctores antiquissimi 12), Berlin 1894, S. 23 f. Ebenda, III/48, S. 103 f. Vgl. dazu Herwig Wolfram, Die Goten von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie, München 31990, S. 306; Ders., Gotische Studien (wie Anm. 11), S. 201.
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gedachter – (Berg-)Gipfel ist und sich nach Art eines weichen Pilzes erstreckt.“ Agger sine pugna, obsessio secura, ubi nec adversarius quicquam praesumat nec inclusus aliquid expavescat. Huic Athesis inter fluvios honorus amoeni gurgitis puritate praeterfluit causam praestans muniminis et decoris. „Die Stadtmauer (agger) läßt nicht an Kampf denken, eine Einschließung erscheint gefahrlos, wo weder der Gegner etwas wagen könnte, noch der Eingeschlossene etwas zu fürchten braucht. Die Etsch, edel unter den Flüssen, fließt mit anmutig-klarer Strömung vorbei, Schutz und Zier (munimen et decus) bietend.“ Das weitere überschwengliche „Städtelob“ sei hier übergangen und nur noch der Schluß von Theoderichs bzw. Cassiodors Bau-Appell erwähnt: Et quamquam deo iuvante nostris temporibus provinciam securam credamus, tamen prudentiae nihilominus est cavere etiam quae non putantur emergere. „Und obwohl wir mit Gottes Hilfe zu unserer Zeit die Provinz sicher glauben, ist es doch ein Zeichen der Klugheit, Vorsorge zu treffen“. Das Idealbild einer Höhensiedlung? Auf jeden Fall sollte den circa castellum consistentes das Engagement für den Notfall nahegebracht werden, so daß wir in diesem Fall wie auch bei Tortona ein Beispiel für die (Wieder-)Benutzung einer in ihrem Bering vorhandenen befestigten Höhensiedlung vor uns haben. Aus einer ganz anderen Quelle erhalten wir übrigens noch eine sehr konkrete Angabe zur Größe des castrum Verruca: Der langobardische Geschichtsschreiber Paulus Diaconus berichtet in seiner gegen Ende des 8. Jahrhunderts geschriebenen ‚Historia Langobardorum‘, daß beim Einfall der Franken in Oberitalien im Jahre 590 viele castra in der Nähe von Verona zerstört und die Bewohner in Gefangenschaft abgeführt worden seien.14 Für das castrum Ferruge, so ist bei Paulus zu lesen, sei damals auf Intervention der Bischöfe Ingenuinus von Säben und Agnellus von Trient hin eine redemptio (Lösegeld) gegeben worden, pro Kopf eines jeden Mannes ein solidus und dies bis zu 600 solidi – eine aufschlußreiche Angabe zur Bevölkerungsstärke in diesem castrum, in dem wie in den anderen nach dem Bericht des Paulus cives, nicht Soldaten gewohnt haben, worauf Jörg Jarnut nachdrücklich hingewiesen hat!15 14
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Paulus Diaconus, Historia Langobardorum III/31, hg. von Georg Waitz, in: MGH Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum, Hannover 1878, S. 111. Jörg Jarnut, Die Landnahme der Langobarden in Italien aus historischer Sicht, in: Ausgewählte Probleme europäischer Landnahmen des Früh- und Hochmittelalters. Methodische Grundlagendiskussion im Grenzbereich zwischen Archäologie und Geschichte, hg. von Michael Müller-Wille und Reinhard Schneider (Vorträge und Forschungen 41), Sigmaringen 1993, S. 173–194, hier S. 191, wieder in: Ders., Herrschaft und Ethnogenese im Frühmittelalter. Gesammelte Aufsätze von Jörg Jarnut zum 60. Geburtstag, hg. von Matthias Becher, Paderborn 2002, S. 207–328, hier S. 325.
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Die Erwähnung von Paulus Diaconus gibt Gelegenheit, noch ein Wort zu seiner auch von archäologischer Seite16 viel zitierten Nachricht über die friaulischen castra zu verlieren, die von der Forschung bisweilen in die vorlangobardische Zeit datiert, bisweilen als langobardische Gründungen angesehen werden.17 Im größeren Kontext lesen wir dort, daß dem zu Beginn des 7. Jahrhunderts in die Venetiarum fines einfallenden Awarenkönig der in Cividale residierende dux Gisulf I. mit den ihm zur Verfügung stehenden Langobarden tapfer entgegengetreten, aber schließlich mit fast allen der Seinigen ums Leben gekommen sei. Seine Frau Romilda aber habe sich mit den Langobarden, die entfliehen konnten, und mit den Hinterbliebenen derer, die im Kampf umgekommen sind, innerhalb der Mauern des castrum Foroiulianum, also Cividale, verschanzt (muniit). Auch in den übrigen nahen castra, deren Namen im einzelnen aufgezählt werden, darunter das als uneinnehmbar geltende Ibligo, und castella hatten sich die Langobarden verschanzt (se communivere), um nicht zur Beute der Awaren zu werden. Liest man diese Passage im Vergleich mit Theoderichs bzw. Cassiodors Aufforderung, das bereits bestehende castrum Tortona durch Häuserbau und sicher auch Verstärkung der Ummauerung zu befestigen (communire), so könnte man auch für die friaulischen castra einschließlich Cividale, das bei Paulus so genannt wird, einmal übrigens auch castrum vel potius civitas (Festung oder eher Stadt), vermuten, daß es den Langobarden in der bedrohlichen Situation des Awareneinfalls in das Veneto darum ging, an bestehenden festen Orten sich zu verschanzen, also das in Zeiten der Not zu tun, was Theoderich als Vorsorge in Friedenszeit angeordnet hatte. Wenden wir uns nun Ammianus Marcellinus und damit einer Quelle aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts zu. Wenn hier im folgenden die Aussagen des Autors zu den Siedlungen der Alemannen im Vordergrund stehen,18 so ist für deren Analyse zu beachten, daß es sich hauptsächlich 16
17 18
Vgl. Volker Bierbrauer, Frühmittelalterliche Castra im östlichen und mittleren Alpengebiet: Germanische Wehranlagen oder romanische Siedlungen? Ein Beitrag zur Kontinuitätsforschung, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 15 (1985), S. 497–513; Ders., s. v. Invillino, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde2, Bd. 15, Berlin-New York 2000, S. 470–475. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum IV/37 (wie Anm. 14), S. 128 f. Dies hat in erster Linie arbeitstechnische Gründe. Denn das „Sachregister in Auswahl“ im 4. Bd. der zweisprachigen Ausgabe des Werkes durch Wolfgang Seyfarth (vgl. Anm. 6) hat Ortsbezeichnungen nicht aufgenommen, anders als der von Ursula Koch erarbeitete Index rerum zu den „Quellen zur Geschichte der Alamannen“, deren erster Band umfangreiche Auszüge aus Ammian enthält. Vgl. Quellen zur Geschichte der Alamannen, Bd. 7: Indices, bearb. von Ursula Koch, Wolfgang Kuhoff und Klaus Sprigade (Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Kommission für Alamannische Altertumskunde. Schriften, Bd. 11), Sigmaringen 1987.
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um kriegsgeschichtliche Zusammenhänge handelt. Ammian meint mit castra denn auch fast durchgängig kurzfristig stationierte Heereslager, die von hier nach da verlegt werden. Allerdings wird das Wort bisweilen auch im Sinne eines längerfristig geplanten Standorts gebraucht, und hier fassen wir den zugegebenermaßen fließenden Übergang zur Siedlung, wie er auch in etablierten Ortsnamen, etwa Castra Bonnensia (Bonn) oder in Italien Castrum Novum, Stadt an der Küste von Picenum, jetzt Giulia nova, entgegentritt. So spricht Ammian einleitend zum zweiten Kapitel des 28. Buches davon, daß der Kaiser Valentinian totam Rheni ripam Gallicam castris, castellis et turribus, das ganze Rheinufer auf gallischer Seite mit Kastellen, kleineren Forts und Türmen befestigt habe.19 Nebenbei bemerkt: Nicht nur der Begriff der Höhen-Siedlung, sondern überhaupt der Siedlung wäre noch genauer zu diskutieren. Ab welcher Zeit ist ein temporär genutzter Platz eine Station, wann eine Siedlung? In dem gerade angesprochenen Kapitel führt Ammian dann weiter aus, daß der Kaiser im Zuge der für das Jahr 369 anzunehmenden Baumaßnahmen an höheren Punkten (altius) Lager und Kastelle sowie turres assiduas, beständige Türme, an geeigneten und günstig gelegenen Plätzen errichten ließ. Höhere Lage und Beständigkeit sind also zwei Merkmale, die für diese Baumaßnahmen ausdrücklich hervorgehoben werden. Aber nicht nur linksrheinisch, sondern auch trans Rhenum, im Barbarenland, sollte nach dem Willen Valentinians ein munimentum, eine Befestigungsanlage, geschaffen werden, nämlich in monte Piri (qui barbaricus locus est), der auf dem Heiligenberg bei Heidelberg oder in dessen Nähe gesucht wird.20 Hier seien ein paar Worte von der schriftlichen Überlieferung her angefügt: Ammian schildert recht ausführlich, wie der dux Syagrius im Auftrag Valentinians die fundamenta für dieses munimentum graben ließ – also eine auf Dauer angelegte befestigte Siedlung – und wie im weiteren Verlauf dieser Bauarbeiten alemannische optimates, nämlich die Väter der von den Römern zwecks Friedenssicherung genommenen Geiseln, erschienen und kniefällig darum baten, von dieser für sie anstößigen Maßnahme (res indigna) abzulassen.21 Als sie ungehört von dannen gezogen waren, stürmte plötzlich aus der den 19
20
21
Ammianus Marcellinus, Rerum gestarum libri [im folgenden: Amm. Marc.] XXVIII/2. Seyfarth (wie Anm. 6), Bd. 4, S. 112; Quellen zur Geschichte der Alamannen, Bd. 1, hg. von Camilla Dirlmeier und Gunther Gottlieb (Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Kommission für Alamannische Altertumskunde. Schriften, Bd. 1), Sigmaringen 1976, S. 78. Quellen (wie Anm. 19), S. 79. Zur Frage der Lokalisierung vgl. hier Anm. 160 und den Beitrag von Peter Marzolff, Die neuen Grabungen in St. Michael auf dem Heiligenberg, in: Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 8 (1983), S. 57–78, hier S. 59, und Ders. sowie U. Gross in diesem Band S. 121 ff. Vgl. zur Sozialstruktur der Alemannen Zotz, Die Alemannen (wie Anm. 6), S. 400 ff.
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Blicken verborgenen Schlucht an einem nahen Hügel ein Haufen Barbaren hervor und tötete die mit den Erdarbeiten beschäftigten Soldaten. Nur Syagrius überlebte den Überfall und kehrte an den Kaiserhof zurück. Liest man die ganze von Ammian berichtete Geschichte zum Mons Piri, so wird deutlich, daß aus dieser Befestigung nichts geworden ist, und so kann man aber von archäologischer Seite auch keine römischen Militaria-Reste an der mutmaßlichen Örtlichkeit erwarten, ganz abgesehen von der geringen „Überlieferungschance“ von Metall vor Ort, wie sie auf der Tagung diskutiert wurde. So dürfte der Heiligenberg selbst für die Identifizierung des Mons Piri nicht von vornherein auszuschließen sein, wenngleich sicher nicht nur die oberste Kuppe als Standort des munimentum in Frage kommt, sondern vielleicht eher vorgelagerte Anhöhen, die auch noch unter diesem Namen gefaßt wurden, worauf Peter Marzolff in seinem gerade zitierten Beitrag hingewiesen hat. Übrigens verdient auch die Namengebung für den Heiligenberg Beachtung: Der Berg hieß im frühen Mittelalter Abirinesberg; die Nähe zu dem von Ammian überlieferten Namen Mons Piri ist durchaus gegeben.22 Wenn wir nun den Blick auf die Alemannen selbst und auf Angaben Ammians zu deren Siedlungen richten, so ist dies – das sei gleich betont – nicht sehr ergiebig für unsere Fragestellung. Beiläufig findet etwa Erwähnung, daß König Vadomar sein domicilium contra Rauracos gehabt habe;23 hier ist in funktionaler Hinsicht vom Sitz dieses Königs gegenüber den Raurakern, also gegenüber dem von den Römern kontrollierten Gebiet um Augst, die Rede.24 Darauf kam es Ammian in diesem Zusammenhang an, nicht auf die topographische Lage und das Aussehen dieses zentralen Ortes im angrenzenden Barbarenland, während er für die Bauwerke Valentinians die Position in der Höhe (altius) gewiß als Ausweis ihrer raumgreifenden Bedeutung erwähnte. Eigenart und Grenzen schriftlicher Überlieferung! Vollends geben uns die mehrfachen Angaben Ammians zum Rückzug der Alemannen in die Berge, in immer höhere Berge, wie er anläßlich des Kriegszugs von Gratian 378 gegen die Lentienses schreibt,25 keinen Hinweis auf bereits vorhandene, von den Alemannen nun genutzte befestigte Hö22
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25
Vgl. Helmut Maurer, Heiligenberg, in: Die deutschen Königspfalzen, Bd. 3, 1: BadenWürttemberg 1, bearb. von Helmut Maurer, Göttingen 2004, S. 165. Amm. Marc. XVIII/2. Seyfarth (wie Anm. 6), Bd. 2, S. 12; Quellen (wie Anm. 19), S. 65. Zu Vadomar vgl. Gerhard Fingerlin, Frühe Alamannen im Breisgau. Zur Geschichte und Archäologie des 3.–5. Jahrhunderts zwischen Basler Rheinknie und Kaiserstuhl, in: Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland (Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 1), Sigmaringen 1990, S. 97–137, hier S. 100 f. Amm. Marc. XXXI/10. Seyfarth (wie Anm. 6), Bd. 4, S. 278. Quellen (wie Anm. 19), S. 87.
Castra und Höhensiedlungen in der schriftlichen Überlieferung
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hensiedlungen. Wie Heiko Steuer schon einmal betont hat,26 sind hier durch Verhaue geschützte Rückzugsräume in schwer zugänglichen Wäldern gemeint. So schreibt Ammian über den Zug Kaiser Julians 358:27 Hoc progresso secutus exercitus, celsarum arborum obsistente concaede, ire protinus vetabatur. „Er ging voran, das Heer folgte, aber durch einen Verhau von hohen Stämmen wurde es am Weitergehen gehindert.“ Nähere Aufmerksamkeit verdient der Bericht Ammians zu dem durch den alemannischen rex Vithicabius, Sohn Vadomars, provozierten Kriegszug Valentinians 368:28 Post haec leniore gressu princeps ulterius tendens, cum prope locum venisset, cui Solicinio nomen est, velut quadam obice stetit. „Dann rückte der Kaiser in langsamerem Tempo weiter vor; als er in die Nähe eines Ortes gekommen war, der Solicinium heißt, machte er halt, wie vor einer Barrikade.“ Die Identifizierung des Ortes bereitet Schwierigkeiten.29 Ludwig Schmidt hat an Sulz am Nekkar, Wolfgang Seyfarth an einen Ort nahe Heidelberg gedacht;30 in der Diskussion ist (mit hohem Wahrscheinlichkeitsgrad) auch Sülchen bei Rottenburg am Neckar.31 Nachdem neuerdings Stefan Lorenz das Problem ausführlich diskutiert hat, kann man immerhin sicher davon ausgehen, daß Solicinium „in der weiteren Umgebung der Donauquellen“ zu suchen ist.32 Ammian führt nun aus, die Alemannen hätten im Vertrauen auf ihre Kenntnis der Gegend einen hohen Berg (montem praecelsum) besetzt, der auf allen Seiten steil und unzugänglich war, außer an der Nordseite, wo er einen flachen Abhang hatte. Auch hier ist interessant zu sehen, weshalb Ammian diese verhältnismäßig genaue Beschreibung gibt. Genau diese nördliche Schwachstelle der natürlichen Befestigung wird nämlich später von den Römern im Kampf mit den Alemannen erfolgreich ausgenutzt; deshalb erwähnt sie Ammian. 26
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Heiko Steuer, Herrschaft von der Höhe. Vom mobilen Söldnertrupp zur Residenz auf repräsentativen Bergkuppen, in: Die Alamannen, Stuttgart 1997, S. 149–162, hier S. 158 mit Anm. 34. Amm. Marc. XVII/10. Seyfarth (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 234; Quellen (wie Anm. 15), S. 60. Weitere Belege bei Steuer, Herrschaft (wie Anm. 26). Amm. Marc. XXVII/10. Seyfarth (wie Anm. 6), Bd. 4, S. 82 f.; Quellen (wie Anm. 19), S. 75 f. Geuenich, Geschichte (wie Anm. 6), S. 57. Vgl. Quellen (wie Anm. 19), S. 76 Anm. 150. Vgl. Philipp Filtzinger, Römerzeit, in: Handbuch der Geschichte Baden-Württembergs, Bd. 1, 1, hg. von Meinrad Schaab (†) und Hansmartin Schwarzmaier, Stuttgart 2001, S. 131–190, hier S. 189. Für Sülchen plädiert mit Nachdruck auch Bernd Gutmann, Studien zur römischen Außenpolitik in der Spätantike (364–395 n. Chr.) (Habelts Dissertationsdrucke Reihe Alte Geschichte H. 31), Bonn 1991, S. 26. In diesem Sinne auch Geuenich, Geschichte (wie Anm. 6), S. 57. Stefan Lorenz, Imperii fines erunt intacti. Rom und die Alamannen 350–378 (Europäische Hochschulschriften III 722), Frankfurt am Main 1997, S. 108 ff., Zitat S. 116.
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Alles in allem erscheint die Ausbeute bei Ammian für das Thema castra und Höhensiedlungen nicht sonderlich groß, und wenn er sich zu Befestigungsanlagen in der Höhe äußert, so geht es – verständlicherweise – um die Werke der Römer. Ganz anders stellt sich die Quellensituation im Falle von Gregor von Tours dar, dem aufmerksamen Beobachter gallorömischer Herkunft im frühen Merowingerreich. Sein die eigene Zeit darstellendes Werk ‚Historiae‘ bietet in zahllosen Bereichen eine kulturgeschichtliche Fundgrube, die Margarete Weidemann in ihrem großen Werk von 1982 ausgebeutet hat.33 Das dortige Kapitel über castra konnte als willkommene Basis für die folgenden Ausführungen dienen.34 Zwei größere Beschreibungen von castra durch Gregor von Tours bieten genaueren Aufschluß zur Thematik der Höhensiedlungen, wie das auch bei Cassiodor der Fall war. Allerdings ist die Motivation zur Beschreibung hier eine andere, nicht wie aus dem Munde Theoderichs werbend-auffordernd, um die Einheimischen zur Pflege und zum Ausbau eines castrum anzuhalten.35 Worum geht es bei den Beschreibungen Gregors? Im einen Fall hören wir Näheres über das castrum Meroliacense, Chastel Marlhac, Département Cantal, das durch den Kriegszug König Theuderichs 532 in die Auvergne in Mitleidenschaft gezogen worden ist.36 Gregor erregt sich darüber, daß sich die Bewohner dieses castrum durch ein Lösegeld freigekauft haben (also wie jene des oberitalienischen castrum Verruca 590), um nicht in Gefangenschaft zu geraten; dies sei nur aus Feigheit geschehen, denn der caster, wie Gregor hier und an einer anderen Stelle schreibt, sei durch die Natur selbst geschützt gewesen (propria natura monitus erat). Dies wird dann näher ausgeführt: Das castrum wird von einem ausgehauenen Felsen von mehr als 100 Fuß Höhe umwehrt, ohne künstliche Mauer, und in der Mitte ist ein sehr großer Teich mit klarem Wasser, an anderer Stelle strömen reichliche Quellen. Die Versorgung, so die Botschaft, wäre also nicht problematisch gewesen, und dies wird auch mit dem Hinweis darauf angedeutet, daß die munitio so ausgedehnt sei, daß die Bewohner innerhalb der Befestigung das Land bebauen und Früchte in Fülle gewinnen konnten. Es ist nicht zu übersehen, daß diese Beschreibung tendenzgeleitet ist, und wie realitätsbezogen sie ist, bliebe noch zu überprüfen. Wichtig erscheint für unsere Fragestellung, wie stark hier der Versorgungsaspekt thematisiert wird.
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Weidemann, Kulturgeschichte (wie Anm. 8). Ebenda, Bd. 2, S. 66–81. Vgl. oben S. 798. Gregor von Tours, Historiae III/13, hg. von Bruno Krusch und Wilhelm Levison (MGH Scriptores rerum Merovingicarum 1, 1), Hannover 1951, S. 109 f. Dazu Weidemann, Kulturgeschichte (wie Anm. 8), S. 69.
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Auch dem castrum des locus Divionensis, Dijon, widmet Gregor seine nähere Aufmerksamkeit und zwar deshalb, weil sich an diesem Ort der heiligmäßige Bischof Gregor von Langres oft und gern aufgehalten habe, zudem ein Urgroßvater Gregors von Tours – also Grund genug für den Autor, auf den favorisierten Aufenthaltsort seines Verwandten genauer einzugehen:37 Es ist ein castrum mit sehr starken Mauern inmitten einer reizvollen Ebene mit fruchtbaren Böden. Im Süden fließt die fischreiche Ouche, im Norden ein anderer Fluß, der in sanftem Fall die gesamte Befestigung umströmt. Das Bild der natürlichen Befestigung eines Ortes! Dann folgen genaue Einzelangaben: Vier Tore nach den vier Himmelsrichtungen, 33 Türme als Schmuck (decus) der ganzen Anlage – der Zier-, nicht der Befestigungsaspekt wird angesprochen! Die Mauer ist bis zu einer Höhe von 20 Fuß aus Quadersteinen (quadris lapidibus), darüber aus Backsteinen (minuto lapide) gebaut, mit insgesamt 30 Fuß Höhe und 15 Fuß Breite. Gregor wundert sich, warum der Ort nicht ‚Stadt‘ (civitas) genannt wird. Dazu ist anzumerken: Dijon fungierte im 6. Jahrhundert meist als Zufluchtsort und damit als Sitz der Bischöfe von Langres, da dieser Ort seit der Mitte des 5. Jahrhunderts verfallen war.38 Hier wird also das Verhältnis castrum – civitas berührt,39 das in der Diskussion um castra und Höhensiedlungen berücksichtigt werden müßte. Unter welchen Bedingungen entwikkelten sich castra zu civitates, zu Städten auf dem Berg? In spätantik-merowingischer Zeit ist sicher das entscheidende Kriterium, ob es sich um einen Bischofssitz handelt, der einen Ort zur civitas macht. Dijon war zu der Zeit, von der Gregor spricht, eben de facto Bischofssitz. Ab karolingischer Zeit wurden die terminologischen Grenzen fließend, wie sich an der Bewertung des nichtbischöflichen Ortes Cividale als castrum vel potius civitas durch Paulus Diaconus zeigt.40 Was läßt sich aus Gregors Werk noch über castra, ihre Funktion, ihre Siedlungsgeschichte aussagen? Die Aufgabe der Schutzgewährung wird mehrfach angesprochen. Ein Beispiel dafür ist das castrum Cainonense, Chinon bei Tours, auf einem Bergsporn aus Kalkgestein über dem Viennetal gelegen.41 In Gregors ‚Liber in gloria confessorum‘ lesen wir dazu, daß der 37
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Gregor von Tours, Historiae III/19 (wie Anm. 36), S. 120 f. Dazu Weidemann, Kulturgeschichte (wie Anm. 8), S. 68. Vgl. Jean Richard, Dijon, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, München-Zürich 1986, Sp. 1047–1051. Vgl. dazu auch den Beitrag von G. P. Brogiolo und E. Possenti in diesem Band S. 715 ff. Vgl. oben S. 800. Gregor von Tours, Liber in gloria confessorum cap. 22, hg. von Bruno Krusch, in: MGH Scriptores rerum Merovingicarum 1, 2, Hannover 1885, S. 311 f. Dazu Weidemann, Kulturgeschichte (wie Anm. 8), S. 67.
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religiosus vir Maximus nahe bei diesem castrum und in der Nähe des gleichnamigen vicus mit der Pfarrkirche ein Kloster gegründet habe. Diese Nachricht ist Gregor Anlaß, auf die Geschichte dieses castrum einzugehen: Als es von Aegidius (dem römischen Heermeister), der im Jahre 463 gegen die Westgoten kämpfte, belagert worden und der populus pagi illius, die Bewohner der Umgebung, dort eingeschlossen gewesen sei, hätten die Feinde den an einer Bergseite gegrabenen Brunnen, den die Belagerten zum Trinken brauchten, verstopft. Auch der hl. Maximus gehörte zu den Eingeschlossenen. Dieser betete zu Gott um Hilfe für die zu Unrecht Dürstenden, und ein großer Regen ergoß sich und füllte die Gefäße, welche die Belagerten auf des Heiligen Geheiß draußen auf die Straßen gestellt hatten. Das castrum Cainonense war übrigens nach dem Zeugnis Gregors auch im 6. Jahrhundert bewohnt: Zwei Brüder aus Tours besaßen hier ein hospitium, wie Gregor in den ‚Historiae‘ zum Jahr 581 berichtet.42 Chinon blieb im übrigen auch das Mittelalter hindurch eine Stadt auf der Höhe.43 Zu unterstreichen ist noch einmal die Konstellation von gleichnamigem vicus und castrum, unbefestigter und befestigter (und zugleich erhabener) Örtlichkeit. Das Oben und das Unten erscheinen in ihrer topographischen Relation. Ähnlich äußert sich Gregor zur Funktion eines castrum als Refugium im Falle von Grèzes, Dep. Lozère, in der Nähe der Bischofsstadt Javols. Zu der Zeit, als die Alemannen in Gallien eindrangen, weiß er zu berichten, habe der Bischof Privatus von Javols in einer Höhle gefastet und gebetet, während der populus der Bischofsstadt in der Befestigung des castrum Gredonense eingeschlossen gewesen sei.44 Auch zur Siedlungsgeschichte, zur Frage der Aufgabe von castra und ihrer funktionalen Umwidmung bietet das Werk Gregors Hinweise: So erwähnt er anläßlich der Schilderung eines Heereszugs von König Childebert II. im Jahre 587 eine villa im Woëvregau nahe Verdun.45 Über dieser villa habe ein mons arduus emporgeragt. Auf dessen Gipfel habe Childebert eine Basilika zu Ehren des hl. Martin erbaut. Ferebant enim ibi castrum antiquitus fuisse: Hier soll nach der Überlieferung vor alters eine Befestigung gestanden haben. Jetzt aber war die Stelle non cura, sed natura tantum monitus, „nicht durch menschliche Kunst, sondern nur durch ihre Lage geschützt“, wie die auf Wilhelm von Giesebrecht zurückgehende Übersetzung in der 42 43
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Gregor von Tours, Historiae VI/13 (wie Anm. 36), S. 283. Vgl. Guy Devailly, Chinon, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, München-Zürich 1983, Sp. 1838 f. Gregor von Tours, Historiae I/34 (wie Anm. 36), S. 26. Dazu Weidemann, Kulturgeschichte (wie Anm. 8), S. 68. Gregor von Tours, Historiae IX/9, 12 (wie Anm. 36), S. 423 f., 426. Dazu Weidemann, Kulturgeschichte (wie Anm. 8), S. 71.
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zweisprachigen Freiherr vom Stein-Ausgabe lautet.46 Man wird dies so zu verstehen haben, daß die Ummauerung zu Zeiten Gregors von Tours und der Errichtung einer Martinsbasilika durch König Childebert in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts verfallen war. An die Stelle des castrum war ein Gotteshaus getreten. Auch hier fassen wir das eine Einheit bildende Nebeneinander von unbefestigter villa und hochgelegenem castrum. Ebenso läßt sich im Falle der Bergbefestigung Maillé-Luynes bei Tours aus Gregors Werk, hier wieder aus dem ‚Liber in gloria confessorum‘, ablesen, daß das früher bewohnte castrum im 6. Jahrhundert abgegangen und zur Ruine geworden war und daß hier im Laufe dieses Jahrhunderts das monasterium Malliacense erbaut worden ist, in cacumine montis est constitutum, ab antiquis vallatum aedificiis iam erutis, „auf dem Gipfel des Berges, umgeben von altem, schon eingestürzten Mauerwerk“.47 In der Nähe von Clermont befand sich die arx Chantargues, wohl mit Auguste Longnon und Margarete Weidemann als ‚forteresse‘, als Befestigung auf dem Berg, zu verstehen, wo bereits Mitte des 5. Jahrhunderts ein Kloster gegründet worden ist, das zur Zeit Gregors zu einem oratorium verkümmert ist.48 Wollte man die Streifzüge durch schriftliche Quellen vom 4. bis 6. Jahrhundert auf der Suche nach castra und Höhensiedlungen kurz zusammenfassen, so hat sich gezeigt, daß keine Ortsbezeichnung speziell für die Siedlung auf der Höhe reserviert ist, auch nicht castrum, am ehesten vielleicht arx, ein Wort, dem noch näher nachzugehen wäre, erscheint es doch dem Begriff der Akropolis sprachlich verwandt und inhaltlich benachbart, die als Gipfel- oder Oberstadt, mithin als Höhensiedlung par excellence, zu verstehen ist. Auch wenn in den meisten Fällen die Ortsbezeichnungen selbst keine klare Positionierung anzeigen, so ließ doch der Kontext der Quellenbelege immer wieder die erhabene Lage einer Siedlung, altius oder in monte, hervortreten und damit verbunden deren Funktion als Refugium oder als raumbeherrschende Örtlichkeit. Die einseitige Optik eines Geschichtsschreibers wie Ammianus Marcellinus machte die Grenzen der Aussagekraft schriftlicher Überlieferung deutlich – man erfährt nicht immer das, was man gern wissen möchte –, andererseits bietet diese Überlieferung Einblick in die Dynamik und Prozeßhaftigkeit von Geschichte und nicht zuletzt auch der Geschichte von Höhensiedlungen, sei es in deren Auf-, 46
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Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten, hg. von Rudolf Buchner, Bd. 2 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 3), Darmstadt 1972, S. 247. Gregor von Tours, Liber in gloria confessorum cap. 21 (wie Anm. 41), S. 310 f. Dazu Weidemann, Kulturgeschichte (wie Anm. 8), S. 72. Gregor von Tours, Historiae II/21 (wie Anm. 36), S. 67. Dazu Weidemann, Kulturgeschichte (wie Anm. 8), S. 71 f.
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bzw. Wiederaufbau, wie dies aus Cassiodor oder auch aus Paulus Diaconus sichtbar wurde, sei es in deren Auflassung oder Umwidmung in ein Kloster, auch eine Siedlung auf der Höhe, sei es im kontinuierlichen Fortbestand. Als roter Faden in der Wahrnehmung von castra und Höhensiedlungen durch die schreibenden Zeitgenossen erwies sich deren Schutzfunktion, vielfach gepaart mit Erhabenheit im mehrfachen Sinn des Wortes: Munimen et decus, Festigkeit und Zierde – mit diesen beiden Aspekten, die Cassiodor am castrum Verruca hervorhebt,49 läßt sich wohl das Wesen des Siedlungstyps, dem das Interesse dieses Bandes gilt, am besten umschreiben. Th. Z.
II. Zur schriftlichen Überlieferung der späten Merowinger- und der frühen Karolingerzeit Im 8. und 9. Jahrhundert fließen die schriftlichen Quellen in den Annalen, Chroniken, Viten und Briefen sehr viel reichlicher. Im Gegensatz zu den Klöstern des Frühmittelalters, deren oft legendenhaft ausgeschmückte Gründungsgeschichten uns in vielen Fällen überliefert sind, fehlen jedoch solche Berichte über die Anlage von Höhensiedlungen oder -burgen. Befestigte Höhen finden auch in dieser Zeit – wie bei Ammianus Marcellinus und Gregor von Tours – nur punktuell im Zusammenhang kriegerischer Ereignisse Erwähnung, etwa, wenn sie heftig umkämpft oder verteidigt wurden. Als Karl der Große im Jahre 791 gegen die Awaren zu Felde zog, stießen seine beiden Heere auf ihrem Marsch donauabwärts zunächst auf keinerlei Widerstand.50 Erst als Karl tiefer ins Awarenland vordrang, trafen seine Truppen beiderseits der Donau, wie in den Reichsannalen berichtet wird, auf loca …, ubi … Avari firmitates habuerunt praeparatas51 („eine Gegend, wo die Awaren Befestigungen vorbereitet hatten“). Südlich der Donau stießen sie in der Höhe des Wienerwaldes iuxta Comagenos civitatem in monte Cumeoberg52 „auf eine Befestigung der Awaren“. Diese Festung lag also dem Wort-
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Vgl. oben S. 799. Vgl. zum folgenden Walter Pohl, Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567–822 n. Chr., München 22002, S. 316 f. Annales regni Francorum a. 791, hg. von Reinhold Rau, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Bd. 1 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 5), Darmstadt 1968, S. 60 f. Annales qui dicuntur Einhardi a. 791, hg. von Friedrich Kurze (MGH rerum Germanicarum in usum scholarum), Hannover 1895, S. 89.
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laut nach auf einer Höhe (in monte), die in der ‚Vita Hludowici imperatoris‘ des Anonymus Chuneberg, im Metzer Bischofskatalog Chunisberch genannt wird und in den Reichsannalen bei einem Ort lokalisiert wird, der nach dem dortigen Donauzufluß Camp heißt.53 Allein der Tatsache, daß die Franken, die bei diesem gut vorbereiteten Awarenfeldzug von einem großen Kontingent von Sachsen und Friesen unterstützt wurden, erfolgreich waren, die Befestigung auf der Höhe zu erstürmen vermochten und die Awaren flohen, ist wohl die konkrete Erwähnung des Chunisberch in den genannten Schriftquellen zu verdanken. An zahlreichen anderen Stellen ist ohne weitere Ortsangabe lediglich von einem uualum54 (wohl zu lat. vallum „Wall, Lager, Verhau“) irgendwo im Gelände die Rede, das von den Franken erobert wurde, oder von munitiones55 („Befestigungen, Bollwerken“) oder – wie an der eben zitierten Stelle der Reichsannalen – von firmitates praeparatae (von „zur Verteidigung errichteten Befestigungen“). Die Lagebezeichnung in monte und der Ortsname Chunisberch sind es, die uns hier eine befestigte Höhe vermuten lassen. Der Wortlaut der Reichsannalen, die von der erfolgreichen Erstürmung einer Befestigung auf dem mons Cumeoberg berichten, erlaubt aber keine Feststellung darüber, ob es sich um eine langfristig befestigte Höhe oder um eine ad hoc errichtete Verschanzung handelte. Da die Awaren bekanntlich ein Reitervolk waren, ist es, wie Walter Pohl hervorhebt, an sich schon erstaunlich, daß sie sich „überhaupt hinter Befestigungen verschanzten …“. Die übereinstim-
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Annales regni Francorum a. 791 (wie Anm. 51), S. 60 in loco, qui dicitur Camp; Anonymi vita Hludowici, hg. von Reinhold Rau, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte (wie Anm. 51) cap. 6, S. 266; Catalogus episcoporum Mettensium, in: MGH Scriptores 2, Hannover 1829, S. 269: in loco qui dicitur Asnagahunc Chunisberch. Zur Lokalisierung s. Richard Müller, Chunisberch und Mons Comagenos, in: Blätter für Landesgeschichte von Niederösterreich 30 (1896), S. 420 ff. Vgl. auch Rudolf Büttner, Befestigungsanlagen am Wienerwald um die Jahrtausendwende, in: Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 93 (1956), S. 323 ff.; Herbert Mitscha-Märheim, Gab es ‚Awarenringe‘ in Niederösterreich?, in: Jahrbuch für Landeskunde Niederösterreichs 27 (1938), S. 25–29; Peter Czendes, Zu den Awarenkriegen unter Karl dem Großen, in: Unsere Heimat 41 (1970), S. 93–107, hier S. 96; Pohl, Die Awaren (wie Anm. 50), S. 462 Anm. 58. Zu den Namen Cumeoberg und Comagenis vgl. Heinrich Koller, Die Awarenkriege Karls des Großen, in: Mitteilungen der österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte 15 (1964), S. 1–12, hier S. 5; Ders., Der ‚Mons Comagenus‘, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 71 (1963), S. 237–245; Herwig Wolfram, Ethnogenesen im frühmittelalterlichen Donau- und Ostalpenraum (6. bis 10. Jahrhundert), in: Frühmittelalterliche Ethnogenese im Alpenraum, hg. von Helmut Beumann und Werner Schröder (Nationes 5), Sigmaringen 1985, S. 97–152, hier S. 143. Epistolae variorum Carolo Magno regnante scriptae Nr. 20, in: MGH Epistolae Karolini aevi 2, hg. von Ernst Dümmler, Berlin 1895, S. 528. Annales qui dicuntur Einhardi a. 791 (wie Anm. 52), S. 89.
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menden Quellenaussagen machen deutlich, „wie weit sich die Awarenkrieger schon von ‚nomadischer‘ Lebensweise entfernt hatten“.56 Die Aussage der Lorscher Annalen, daß die Awaren aut fossas aut aliquem firmitatem sive in montibus seu ad flumina aut in silvis factam habuerunt,57 läßt vermuten, daß sie Gräben und Berge spontan zur Errichtung von Verschanzungen gegen den eindringenden Feind nutzten und es sich nicht, wie Charles R. Bowlus meint, um „castles“ – um längerfristig angelegte Burgen der Awaren –, handelte.58 Ähnlich sind wohl die „Verhaue“ zu deuten, von denen Ammianus Marcellinus berichtet, daß die Alemannen sie auf der Flucht vor den sie verfolgenden römischen Truppen auf unzugänglichen Höhen errichtet hätten, um sich dahinter zu verschanzen.59 Daß es sich dabei um längerfristig befestigte Höhenburgen handelte, ist zunächst einmal – wie im Falle der munitiones und firmitates der Awaren – zu bezweifeln oder jedenfalls nicht nachzuweisen. Anders verhält es sich offenbar mit dem ein Jahrhundert zuvor bei Fredegar erwähnten castrum Wogastisburg, in dem sich um 630 „eine sehr große Zahl tapferer Wenden verschanzt hatte“.60 Drei Tage belagerte das austrasische Heer König Dagoberts vergeblich das castrum, das von der Forschung meist bei Kaaden in Nordböhmen lokalisiert wird. Andere Forscher vermuten die Wogastisburg weiter westlich in Burk bei Forchheim in Oberfranken.61 56 57
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Pohl, Die Awaren (wie Anm. 50), S. 316 und dazu S. 462 Anm. 55. Annales Laureshamenses a. 791, hg. von Georg Heinrich Pertz, in: MGH Scriptores 1, Hannover 1826, S. 34. Charles R. Bowlus, War and Society, in: Austrian History Yearbook 14 (1978), S. 10 ff. Vgl. dazu kritisch Pohl, Die Awaren (wie Anm.50), S. 462 Anm. 53; Herwig Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung, Wien 1987, S. 254 f. Vgl. dazu oben S. 803 mit Anm. 26 (mit Hinweis auf Steuer, Herrschaft von der Höhe, S. 158). Chronicarum quae dicuntur Fredegarii libri quattuor, hg. von Andreas Kusternig, in: Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 4 a), Darmstadt 1982, cap. 68, S. 236 f.: Aostrasiae vero cum ad castro Wogastisburc, ubi plurima manus forcium Venedorum inmuraverant, circumdantes, triduo priliantes, pluris ibidem de exercito Dagoberti gladio trucidantur … Vgl. Gerard Labuda, Wogastis-Burg, in: Slavia Antiqua 2 (1949/50), S. 241–252; Vaclav Chaloupeky´, Considerations sur Samon, le premier roi des Slaves, in: Byzantinoslavica 11 (1950), S. 223–239, hier S. 235; Ernst Schwarz, Die Ortsnamen der Sudetenländer als Geschichtsquelle, München 1961, S. 63 ff.; Helmut Preidel, Die Anfänge der slawischen Besiedlung Böhmens und Mährens, 2 Bde., Gräfelfing bei München 1957, S. 91; Walter Schlesinger, Das Frühmittelalter. Geschichte Thüringens, hg. von Hans Patze und Walter Schlesinger, Bd. 1, Wien-Köln-Graz 1968, S. 336; Herwig Wolfram, Conversio Bagoariorum et Carantanorum. Das Weißbuch der Salzburger Kirche über die erfolgreiche Mission in Karantanien und Pannonien, Wien-Köln-Graz 1979, S. 74; H. Jakob, War Burk das hi-
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Wie dem auch sei; daß es dem Hauptheer der Austrasier nicht gelang, die Wogastisburg einzunehmen, während die verbündeten Langobarden und die Alemannen gegen die Truppen des Slawenkönigs Samo durchaus Erfolge verbuchen konnten, dürfte wohl nicht allein an der „mangelnden Einsatzbereitschaft des fränkischen Heeres und der austrasischen Großen“ gelegen haben, wie Fredegar uns glauben machen will.62 Vielmehr muß es sich schon um eine massive Bergbefestigung gehandelt haben, die es den Wenden offenbar möglich machte, dem Heer Dagoberts drei Tage lang standzuhalten und schließlich die Austrasier, die, wie Fredegar berichtet, „alle Zelte und all ihren Besitz zurück(ließen)“,63 sogar in die Flucht zu schlagen. Die Wogastisburg, wo immer sie gelegen haben mag, war zweifellos nicht die einzige Höhenburg im Reiche Samos, das sich, wie überwiegend angenommen wird, über das Gebiet Böhmens und Mährens erstreckte. Auch die nach seinem Tod (um 660) im Donauraum regierenden Herrscher – seien es Slawen-, Karantanen- oder Awarenfürsten – bis hin zum Mährerfürsten Zwentibald I. (870–894) scheinen weniger über geschlossene Territorien verfügt zu haben als über verstreute Machtzentren. Herwig Wolfram glaubt, diese Zentren in den „zahlreichen Mährer-Burgen“ sehen zu können.64 Ratislav, Fürst der Mährer von 846 bis 870, verfolgte geschickt die Taktik, „sich hinter diese Befestigungen zurückzuziehen, um die fränkischen Angriffe zu überstehen und den Feind (dann) auf dem Rückzug zu überfallen“.65 Vielleicht ist dies ein wichtiger Aspekt, unter dem „Höhenburgen“ betrachtet werden sollten: Solange man eine Höhenburg als prestigeträchtiges Herrschaftszentrum behauptete, konnte man den Anspruch auf Herrschaft über ein erheblich weitläufigeres Territorium demonstrieren. Der Feind konnte durch das Land hindurchziehen, konnte es aber, solange die Höhensiedlungen nicht erstürmt und erobert waren, nicht in Besitz nehmen. Vereinzelt überliefern die Quellen den Namen einer solchen Burg des Fürsten Ratislav, wie etwa den der civitas, quae lingua gentis illius Dowina
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storische Wogastisburg, und wo lag das oppidum Berleich? Eine historisch-geographische Standortanalyse, in: Die Welt der Slaven 25 (1980), S. 39–67; Heinrich Kunstmann, Der Name der Abodriten, in: Die Welt der Slaven 26 (1981), S. 395–419, S. 7 ff.; Kusternig (wie Anm. 60) S. 237 Anm. 98; Pohl, Die Awaren (wie Anm. 50), S. 260 und S. 430 Anm. 44. So Pohl, Die Awaren (wie Anm. 50), unter Bezug auf diesbezügliche Aussagen Fredegars (wie Anm. 60, S. 238 f.). Fredegar (wie Anm. 60), S. 236–239: … omnes tinturius et res quas habuerunt relinquentes … Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas (wie Anm. 58), S. 365. Ebenda.
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dicitur, i. e. puella.66 Im Jahre 864 ging „König Ludwig“ (der Deutsche) nach dem Bericht der Annales Fuldenses „im Monat August mit Heeresmacht über die Donau“ und belagerte Ratislav mit Hilfe von bayerischen und bulgarischen Truppen in dieser civitas Dowina. Es kam nicht zur offenen Schlacht, Ratislav stellte Geiseln, erneuerte den Treueid, und die Franken traten den Rückzug an. Man hat nicht den Eindruck, daß dieser Feldzug als Erfolg der Franken gefeiert wurde, auch wenn Ratislav sich als Vasall bekannte. In der Forschung ist stets von der „Burg“ Dowina die Rede, obwohl die Annales Fuldenses von einer civitas Dowina sprechen und eine eindeutige Lokalisierung, bislang noch nicht gelungen ist. Allerdings werden slawische Burgen offensichtlich in fränkischen Quellen immer civitates genannt,67 während der Begriff civitas im Frankenreich für einen Bischofssitz reserviert zu sein scheint: Civitates, in quibus more antiquo sedes episcopales constituerentur, illi penitus provinciae deerant,68 heißt es in der ‚Translatio Sancti Liborii‘ des 9. Jahrhunderts. Solange unklar ist, ob dieser (zeitweilige?) Sitz des Mährerfürsten im slowakischen Devín an der Marchmündung, auf dem Devín-Maydenberg der Pollauer Berge oder auf dem Oberleiserberg bei Ernstbrunn zu suchen ist,69 kann über das Aussehen und die Höhenlage von Dowina keine sichere Aussage gemacht werden. Wenden wir uns nun noch zwei Beispielen zu, bei denen sich die Schriftquellen eindeutig einem archäologisch erforschten Befund zuordnen lassen. Das Interessante an diesen Quellen und das ihnen Gemeinsame ist, daß sie dem frühen 8. Jahrhundert entstammen und über die Umwandlung ehemaliger Höhensiedlungen oder -burgen in kirchliche oder monastische Zentren berichten.
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Annales Fuldenses a. 864, hg. von Friedrich Kurze (MGH rerum Germanicarum in usum scholarum), Hannover 1891, S. 62 ff. Zur Lokalisierung BM2, Nr. 1455c; Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas (wie Anm. 58), S. 361; Herbert Mitscha-Märheim, Oberleis, Niederleis, von der Urzeit zum Mittelalter, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 31 (1955/56), S. 42. Herwig Ebner, s. v. Burg. B. Terminologie, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, MünchenZürich 1983, Sp. 962–965, hier 963. Translatio S. Liborii, in: Bibliotheca hagiographica latina antiquae et mediae aetatis, ed. Socii Bollandiani, Brüssel 1898–1901, S. 4910–4915, zitiert nach Walter Schlesinger, Stadt und Burg im Lichte der Wortgeschichte, in: Studium Generale 16 (1963), S. 433–444, wiederabgedruckt in: Die Stadt des Mittelalters, hg. von Carl Haase, Bd. 1: Begriff, Entstehung und Ausbreitung, Darmstadt 1969, S. 95–121, hier S. 99. Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas (wie Anm. 58), S. 361. Zum Oberleiserberg s. Alois Stuppner, in diesem Band, S. 427 ff.
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Bonifatius teilt im Jahre 742 in einem Schreiben an Papst Zacharias mit, daß er – offenbar mit Zustimmung des Hausmeiers Karlmann – „für die Völker Germaniens … drei Bischöfe bestellt und die Provinz in drei Sprengel eingeteilt“ habe, und er bittet den Papst, die folgenden von ihm bestimmten „drei Orte oder Städte“ (tria oppida sive urbes) als Bischofssitze für die drei Stämme des ehemaligen Thüringerreiches70 durch Urkunden zu bestätigen und zu sichern: „Ein Bischofssitz, so haben wir bestimmt, soll in der Burg sein, die Würzburg heißt (in castello, quod dicitur Wirzaburg); und der zweite in der Stadt, die Buraburg heißt (in oppido, quod nominatur Buraburg); der dritte an einer Stelle, die Erfurt heißt (in loco, qui dicitur Erphesfurt)“.71 Alle drei Örtlichkeiten, die daraufhin als Sprengelzentren eingerichtet und von Karlmann mit Besitz ausgestattet wurden, hatten bereits zuvor Bedeutung als weltliche Herrschaftszentren gehabt. Das entsprach einem Anliegen des Papstes, der Bonifatius unter Hinweis auf die kanonischen Vorschriften mahnend darauf hingewiesen hatte, man solle „nicht für Dörfer und unbedeutende Städte Bischöfe bestellen …, damit der Bischofstitel nicht in Mißachtung kommt“.72 Der links des Mains gelegene Marienberg in Würzburg war im 6./7. Jahrhundert Sitz des Herzogsgeschlechts der Hedene;73 Erfurt war bereits im Königreich der Thüringer „ein bedeutendes polit(isches) und wirtschaftl(iches) Zentrum“,74 möglicherweise „eine altgermanische Fliehburg“ (fuit iam olim urbs paganorum rusticorum);75 und auf dem Büraberg bei Fritzlar, dem wir uns nun etwas eingehender zuwenden wollen, befand sich „ein fränkisches Grenzkastell“,76 eine „Burgstadt“,77
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Alfred Wendehorst, s. v. Würzburg, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, München 1998, Sp. 377–382, hier Sp. 379 (mit weiterer Literatur). Briefe des Bonifatius Nr. 50, in: Briefe des Bonifatius, Willibalds Leben des Bonifatius nebst einigen zeitgenössischen Dokumenten, hg. von Reinhold Rau (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 4 b), Darmstadt 1968, S. 140–149, hier S. 140 f. Ebenda, S. 150 f.: Meminis enim, carissime, quid in sacris canonibus precipimur obeservare, ut minime in villulas vel in modicas civitates episcopos ordinemus, ne vilescat nomen episcopi. Wendehorst, Würzburg (wie Anm. 70), Sp. 377. Zu dem Adelsgeschlecht der Hedene s. Georg Scheibelreiter, s. v. Heden(e), § 2 Historisches, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2, Bd. 14, Berlin-New York 1999, S. 107–109. Wolfgang Timpel, s. v. Erfurt. § 2 Archäologisches und Historisches, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2, Bd. 7, Berlin-New York 1989, S. 489–497, Zitat S. 490. Briefe des Bonifatius Nr. 50 (wie Anm. 71), S. 141 Anm. 3 (lateinisches Zitat aus dem Text des Bonifatiusbriefes). Briefe des Bonifatius Nr. 50 (wie Anm. 71), S. 141 Anm. 3. Norbert Wand, s. v. Büraburg. § 1 Archäologisches, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2, Bd. 4, Berlin-New York 1981, S. 98–102, Zitat S. 101 nach Ders., Die Büraburg bei Fritzlar. Burg – „oppidum“ – Bischofssitz in karolingischer Zeit (Kasseler Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 4), Marburg 1974.
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deren Nutzung seit dem ausgehenden 7. Jahrhundert archäologisch nachweisbar ist.78 Norbert Wand, der durch seine Ausgrabungen auf dem Büraberg in den Jahren 1967–1973 die von Joseph Vonderau 1926–1931 durchgeführten Grabungen „in allen wichtigen Fragen korrigiert“ hat,79 beschreibt einen etwa 12 ha großen Bergsporn, von dessen Fläche 8 ha, also zwei Drittel, im ausgehenden 7. Jahrhundert mit einer Mauer umgeben wurden.80 Vorgeschichtliche Funde im Bereich der zuvor „offenen Höhensiedlung“81 entstammen vor allem dem Mittel- und Spätpaläolithikum, der Hallstatt- und der Latène-Zeit. „Auf eine Besiedlung von der frühen Römischen Kaiserzeit bis ins 5. Jahrhundert“ weisen „ein kaiserzeitlicher Friedhof mit Brandgrubengräbern“ und „eine Anzahl Kleinfunde hin“.82 Für die Zeit von 700 bis 850 konnte eine Bebauung mit zahlreichen Häusern und Grubenhütten mit Feuerstellen gesichert werden, die „einen recht planmäßigen Eindruck“83 macht. Keramik, Schmuck, Waffen, Reitzubehör und auch ein Schleifstein, der auf eine Schmiede hinweist, lassen nicht nur an eine militärische, sondern zugleich auch an eine wirtschaftliche Nutzung des Areals denken. Wenn auch die bislang ergrabene Fläche relativ gering ist, so könnte es sich nach diesen Beschreibungen durchaus um den Typus einer „Höhensiedlung“ mit Wohnbebauung und ziviler Nutzung handeln. Es ist bezeichnend, daß diese Höhensiedlung als solche keine Erwähnung in der schriftlichen Überlieferung gefunden hat. Nur zweimal wird das oppidum, quod 78
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Reinhold Rau (wie Anm. 71), S. 141 Anm. 3 datiert das „Grenzkastell“ – unter Hinweis auf Joseph Vonderau, Die Ausgrabungen am Büraberg bei Fritzlar 1926–31, in: 22. Veröffentlichung des Fuldaer Geschichtsvereins, Fulda 1934 – in die Mitte des 6. Jahrhunderts, während N. Wand „für eine intensive Benutzung der B(üraburg) etwa einen Zeitraum vom Ausgang des 7. bis zur Mitte des 9. Jh.“ angibt (Fred Schwind, s. v. Büraburg. § 2 Historisches, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2, Bd. 4, Berlin-New York 1981, S. 102 f.). Neuerdings äußerten sich Joachim Henning und Richard I. Macphail, Das karolingische Oppidum Büraburg: Archäologische und mikromorphologische Studien zur Funktion einer frühmittelalterlichen Befestigung in Nordhessen, in: Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 100 (2004), S. 221–251 kritisch zur früher vertretenen These von einer „Stadt“ auf dem Büraberg. Demnach habe sich der von Norbert Wand „auf dem Ostplateau des Bürabergs erschlossene und angeblich in der Karolingerzeit dicht besiedelte suburbane unbefestigte Wirtschaftsteil des Siedlungskomplexes … als Fiktion erwiesen“. (ebenda S. 248) „Es fehlen … alle Hinweise auf einen dauerhaft besiedelten Ort“ (a.a.O.). Wand, Büraburg (wie Anm. 77), S. 100. Wand, Büraburg (wie Anm. 77), S. 98–102 (mit einem Luftbild und einer Planzeichnung). Wand, Büraburg (wie Anm. 77), S. 100. Ebenda. Vgl. Horst Wolfgang Böhme, Völkerwanderungszeitliche Metallgegenstände vom Büraberg bei Fritzlar, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 4 (1974), S. 165–171. Wand, Büraberg (wie Anm. 77), S. 101.
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nominatur Buraburg, genannt: einmal in dem zitierten Bonifatiusbrief, in dem von der Gründung eines Bistums in diesem oppidum die Rede ist, und in den darauf Bezug nehmenden Antwortschreiben des Papstes84; und ein zweites Mal drei Jahrzehnte später beim Einfall der Sachsen in das nördliche Hessen. Die Reichannalen berichten zum Jahr 773: „Die Sachsen … fielen mit großer Heeresmacht ein in die Grenzgebiete (confinia) der Franken und kamen bis zum castrum, quod nominatur Buriaburg, die Grenzlandbewohner (confiniales) gerieten eben dadurch in große Bestürzung und zogen sich, als sie das sahen, in das castellum zurück.“85 Dort überlebten sie den Einfall der Sachsen, die ringsum alle Häuser niederbrannten. Am Beispiel dieser Höhensiedlung Büraberg bei Fritzlar erscheint in unserem Zusammenhang dreierlei bemerkenswert: 1. Vieles spricht dafür, daß es sich um eine sogenannte „Fluchtburg“, ein „Refugium“,86 handelt; jedenfalls wurde sie beim Sachseneinfall des Jahres 773 als solche erfolgreich genutzt. 2. Die archäologischen Funde deuten darauf hin, daß der Bergsporn vor, aber vermutlich auch noch nach der Ummauerung, die nach Wand zweiperiodig im ausgehenden 7. und in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts erfolgte,87 als Wohn- und vielleicht auch als Handelsplatz genutzt wurde. 3. Dieselbe Höhensiedlung wird 742 als oppidum und 773 als castrum sowie als castellum bezeichnet, obwohl sich in diesen drei Jahrzehnten weder ihr Aussehen noch ihre Funktion geändert haben. Die ‚Vita Wigberti‘, die ebenfalls den Sachseneinfall schildert, spricht 773 vom oppidum, cui Buraburg nomen est.88
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Briefe des Bonifatius (wie Anm. 71), Nr. 50 (oppidum Buraburg), 51 (oppidum Buraburg) und 52 (ecclesia Burabana), S. 141–163. Annales regni Francorum a 773 (wie Anm. 51), S. 28 f. Henning/Macphail (wie Anm. 78), S. 248: „Die Funktion der Befestigung auf dem Büraberg muß heutigem Wissensstand zufolge trotz der beträchtlichen Ausdehnung der umschlossenen Fläche in allen sich andeutenden Nutzungsperioden (besonders 8.–10. Jh.) auf eine schlichte Nutzung als Refugium für Notzeiten begrenzt werden“. Wand, Büraburg (wie Anm. 77), S. 100: „Die älteste Mauer, nach den Funden am Ende des 7. Jh. errichtet, ist i. a. 1,50 m breit und umschließt bereits die gesamte Anlage. Die zweite Mauer, 1,80 m stark, wurde um 700 erbaut. Sie erhielt vermutlich um 750 an besonders gefährdeten bzw. beschädigten Stellen eine Verstärkung von 0,90 m, …“. Kritisch dazu Henning/Macphail (wie Anm. 78), S. 248: „Ob die Befestigung des Büraberges in der Karolingerzeit bereits über eine steinerne Mörtelmauer verfügte, erscheint zweifelhaft“. Vita Wigberti abbatis Friteslariensis auctore Lupo, hg. von Georg Waitz, in: MGH Scriptores 15, 1, Hannover 1887, S. 36–43, hier S. 41.
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Als letztes Beispiel sollen die frühesten schriftlichen Zeugnisse über den Odilienberg (Mont Sainte-Odile bei Ottrott im Elsaß) erörtert werden, über dessen archäologischen Befund inzwischen neue, höchst bemerkenswerte Erkenntnisse vorliegen.89 In der schriftlichen Überlieferung wird diese markante Höhe unweit von Straßburg erstmals im letzten Viertel des 7. Jahrhunderts in der ‚Vita Odiliae‘ im Zusammenhang der Errichtung eines Frauenklosters in praecelsis montibus situm, cui nomen ob altitudinem urbium Hoenburc erat, erwähnt.90 Nach dieser Heiligenlegende, die zu Beginn des 10. Jahrhunderts aufgezeichnet worden ist, soll die als urbs bezeichnete Anlage auf dem Berg einst – tempore Marcelliani regis – propter firmitatem atque defensionem ingruentium bellorum errichtet worden sein. Auf die in der Forschung immer wieder gestellte Frage, wer denn dieser rex Marcellianus sei, kann die Antwort mit dem Herausgeber der Vita, Wilhelm Levison, nur lauten: Marcellianus rex fabulosus est.91 Die im 12. Jahrhundert verfaßte Chronik des Klosters Ebersheimmünster spricht von einem castrum in vertice montis situm, weiß aber hinsichtlich der Anfänge auch nicht mehr, als daß das castrum … olim propter irruptionem Ungarorum a superioribus regibus erbaut worden sei.92 Eine andere Abschrift derselben Chronik spricht statt von Einfällen der Ungarn von „Einfällen der Hunnen“, zu deren Abwehr man die Befestigungen errichtet habe. Interessant ist allenfalls, daß diese Chronik berichtet, das castrum habe den Namen Altitona gehabt, werde jetzt aber eadem ethimologia Hohenburc genannt.93 Soweit die frühesten schriftlichen Zeugnisse zum Odilienberg, die uns aber weder hinsichtlich der Erbauung noch hinsichtlich der Nutzung des imponierenden Hochplateaus ca. 700 m über dem Oberrheintal weiterhelfen. Weniger die der hl. Odilia geweihte Klosteranlage als die dort oben weitgehend erhaltene ca. 10,5 km lange „Heidenmauer“ (frz. „mur païen“)
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Vgl. zuletzt s. v. Odilienberg. 1. Archäologisches von Heiko Steuer und 2. Historisches von Dieter Geuenich, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2, Bd. 21, BerlinNew York 2002, S. 551–559 (mit Quellen- und Literaturangaben). Ein Sammelband über die Ergebnisse neuerer Forschungen und neuester Erkenntnisse befindet sich in Vorbereitung. Vita Odiliae abbatissae Hohenburgensis, hg. von Wilhelm Levison, in: MGH Scriptores rerum Merovingicarum 6, Hannover-Leipzig 1913, S. 24–50, hier S. 37. Vgl. dazu demnächst ausführlich: Karl Weber, Die Formierung des Elsaß im Regnum Francorum. Untersuchungen zu Königtum, Episkopat und Adel am Oberrhein in merowingischer und frühkarolingischer Zeit, Diss. phil. Freiburg/Breisgau 2005, in Druckvorbereitung. Vita Odiliae (wie Anm. 90), S. 37, Anm. Chronicon Ebersheimense, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH Scriptores 23, Hannover 1874, S. 427–453, hier S. 434. Chronicon Ebersheimense (wie Anm. 92), S. 434.
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und ihre einstige fortifikatorische und politische Bedeutung geben nämlich der Forschung seit jeher – und in neuester Zeit in besonderer Weise – Rätsel auf.94 Nachdem diese Mauer – oder zumindest Teile dieser gewaltigen Ummauerung – durch die dendrochronologische Datierung bereits früher entdeckter Holzkeile, die beim Mauerbau Verwendung gefunden haben, in die Zeit um 700 datiert werden muß und dadurch eine völlig neue Fundsituation eingetreten ist, die durchaus als spektakulär bezeichnet werden kann, ist es die Aufgabe der Historiker, diesen neuen Befund mit den Schriftquellen der Zeit „zw(ischen) 685 und 750“95 zu konfrontieren und wenn möglich in Einklang zu bringen. In diesem Zeitraum amtierten der elsässische Herzog Eticho (ca. 673 bis nach 683), der Stifter des seiner Tochter Odilia übertragenen und als „Etichonen-Grablege“ vorgesehenen Klosters, sein Sohn und Nachfolger Adalbert († 723) und seine Enkel Liutfrid († nach 743) und Eberhard († 747) im Elsaß.96 Eine für die Interpretation zentrale Frage, die sich aus der dendrochronologischen Datierung der Holzkeile in die Zeit zwischen 680 und 750 ergibt97, ist: Hat man die Mauer zu dieser Zeit repariert und wiederhergestellt, oder ist sie zu dieser Zeit überhaupt erst erbaut worden? Es fällt zweifellos schwer, anzunehmen, man habe diese 1,60 bis 1,80 m dicke und bis zu 3,50 m hohe Mauer, mit deren Bau Hunderte von Arbeitskräften jahrelang beschäftigt gewesen sein dürften, in dieser technisch anspruchsvollen Form in den „dark ages“ der ausgehenden Merowingerzeit erbaut. Aber es fällt sicher nicht leichter, anzunehmen, man habe sich in der Zeit um 700, um ein Stück der Mauer zu reparieren, einer komplizierten und – wie von archäologischer Seite festgestellt wurde – zum Bau der Mauer im Grunde überflüssigen und unnötigen Technik aus längst vergangenen (römischen?) Zeiten erinnert und bedient. Haben die Denkmalpfleger im 19. Jahrhundert die Mauer, wo sie verfallen war, nicht auch durch einfaches
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Pläne und Zeichnungen über die Lage des Odilienberges, über den Verlauf der Mauer im Gelände, über die Klosteranlage und die Mauertechnik finden sich bei Steuer, Odilienberg (wie Anm. 89), S. 551–554 (Abbildungen 69–72). Steuer, Odilienberg (wie Anm. 89), S. 555 mit Hinweis auf Pascal Flotté, Matthieu Fuchs, Carte Archéologique de la Gaule 67/1: Le Bas-Rhin, 2000, darin: Nr. 368 Ottrott: Mont Sainte-Odile, S. 510. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Dieter Geuenich, … noluerunt obtemperare ducibus Franchorum. Zur bayerisch-alemannischen Opposition gegen die karolingischen Hausmeier, in: Der Dynastiewechsel von 751. Vorgeschichte, Legitimationsstrategien und Erinnerung, hg. von Matthias Becher und Jörg Jarnut, Münster 2004, S. 129–143 (mit einer genealogischen Darstellung des Herzogshauses der Etichonen und weiteren prosopographischen Hinweisen). Steuer, Odilienberg (wie Anm. 89), S. 555 (mit genaueren Angaben zur dendrochronologischen und Radiocarbon-Datierung).
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Aufeinanderschichten der Steine restauriert, statt die komplizierte Holzkeil-Bauweise zu imitieren? Spricht deshalb nicht doch mehr Wahrscheinlichkeit für einen Gesamtbau und nicht nur eine Restauration in der Zeit um 700?98 Wenn auch beim jetzigen Stand der archäologischen Forschung grundsätzlich „zwei Möglichkeiten für die zeitliche Einordnung der mächtigen Mauer (bleiben), eine Datierung in die Spätant(ike) und eine in die Zeit des frühen H(er)z(og)t(um)s der Etichonen“99, so spricht doch mehr für die zweite Möglichkeit. Und so konstatiert Heiko Steuer mit Blick auf die Zeit um 700: „Es handelt sich aber kaum nur um die immerhin umfassende Reparatur einer wesentlich ält(eren) Mauer“.100 Wir können die Antwort auf diese Frage in unserem Zusammenhang offen lassen; denn entscheidend ist, daß die mächtige Mauer um 700 offenbar vollständig war, sei es nun durch erstmalige Errichtung oder durch eine umfassende Wiederherstellung einer früheren Anlage. Als Urheber der Planung einer solch monumentalen Maueranlage kommen im Grunde nur die Etichonen in Frage, die zu dieser Zeit auf dem Berge residierten, dort ein Kloster mit einer Familien-Grablege errichteten und sich darin auch bestatten ließen. Dagegen erscheint es weniger wahrscheinlich, die Merowingerkönige oder deren Hausmeier als Bauherren in Betracht zu ziehen, da sie zu dieser Zeit ja gerade daran gingen, die Provinzen an die Zentralgewalt zu binden und die regionalen Herzogtümer zu beseitigen. Wie dem auch sei: Fest steht nach allem, was wir jetzt wissen, daß auf der markanten Höhe über dem Rheintal unweit von Straßburg ein repräsentatives und kaum überwindbares Herrschaftszentrum weithin zu sehen war – ob gerade gebaut oder umfassend restauriert, sei, wie gesagt, dahingestellt –, das um 700 wohl seinesgleichen gesucht haben dürfte. Wir kennen in Südwestdeutschland kein auch nur annähernd vergleichbares Bauwerk aus dieser Zeit. Muß dieser wehrhafte repräsentative Herzogssitz demnach nicht in der politisch unruhigen Zeit von 700 bis 744 (Ende des elsässischen Herzogtums) beziehungsweise bis 746 (Ende des alemannischen Herzogtums im sog. „Blutgericht zu Cannstatt“) eine bedeutende Rolle gespielt haben? Diese Frage stellt sich um so mehr, als vom linksrheinischen Odilienberg und von Straßburg aus der Zugang zum rechtsrhei-
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Steuer, Odilienberg (wie Anm. 89), S. 556 weist auf weitere zeitgenössische Mauerbauten dieser Art im Elsaß hin, etwa auf der Frankenburg bei Neubois, „streckenweise gebaut in derselben Weise aus großen Blöcken, die mit Klammern in Schwalbenschwanzform zusammengefügt sind …“. Steuer, Odilienberg (wie Anm. 89), S. 556. Ebenda.
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nisch vorgelagerten Kinzigtal kontrolliert werden konnte, das von den karolingischen Hausmeiern auf ihren zahlreichen Feldzügen gegen die aufständischen Bayern und Alemannen benutzt wurde. Die dem Odilienberg auf der rechten Rheinseite vorgelagerte (M)Ortenau wurde von den Franken in den Jahren 709–712 erobert, mit Klostergründungen (Ettenheimmünster, Gengenbach, Schuttern) gesichert und diente fortan als Brückenkopf ins rechtsrheinische Alemannien.101 Die Forschung, die sich mit den letzten Kämpfen der fränkischen Hausmeier Pippin und Karlmann gegen den letzten Alemannenherzog Theudebald beschäftigt hat, sah sich stets mit dem Problem konfrontiert, daß es Pippin war, der gegen diesen mit Waffengewalt vorging, und nicht dessen Bruder Karlmann.102 Denn Karlmann war im Teilungsvertrag Karl Martells103 Alemannien zugesprochen worden und nicht Pippin, der Neustrien, Burgund und auch das Elsaß erhalten hatte.104 Wäre Pippin in Alemannien gegen Theudebald vorgegangen, so hätte er damit, wie die Forschung zu Recht festgestellt hat, in die Rechte seines Bruders eingegriffen.105 So muß man nahezu zwangsläufig an einen Schauplatz außerhalb Alemanniens denken, und zwar in Pippins Herrschaftsbereich. Insofern erscheint es nicht ausgeschlossen, daß es bei den Kämpfen des Hausmeiers Pippin mit dem rebellierenden Alemannenherzog Theudebald in der ersten Hälfte der vierziger Jahre des 8. Jahrhunderts um den Herrschaftssitz der Etichonen hoch oben auf dem Odilienberg im Elsaß ging. Denn wer diese Festung, über deren Aussehen und Bedeutung zu dieser 101
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Zu diesen Klöstern in der Ortenau, die bezeichnenderweise dem Bistum Straßburg und nicht dem „Alemannen-Bistum“ Konstanz zugeordnet waren, und zu den elsässischen Klostergründungen Geuenich, … noluerunt obtemperare ducibus Franchorum (wie Anm. 96), S. 135 ff. mit weiterer Literatur. Vgl. dazu die Quellen und Literatur bei Geuenich, … noluerunt obtemperare ducibus Franchorum (wie Anm. 96), S. 140 ff. Vgl. die Quellen und Literatur bei Matthias Becher, Eine verschleierte Krise. Die Nachfolge Karl Martells 741 und die Anfänge der karolingischen Hofgeschichtsschreibung, in: Von Fakten und Fiktionen. Mittelalterliche Geschichtsdarstellungen und ihre kritische Aufarbeitung, hg. von Johannes Laudage, Köln-Weimar-Wien 2003, S. 95–133. Chronicarum quae dicuntur Fredegarii Scholastici libri IV cum Continuationibus cap. 23, hg. von Bruno Krusch, in: MGH Scriptores rerum Merovingicarum 2, Hannover 1888, S. 179. Vgl. dazu Jörg Jarnut, Untersuchungen zu den fränkisch-alemannischen Beziehungen in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 30 (1980), S. 7–28, hier S. 21 f. Vgl. Karl Weber, Zwischen Austrien und Burgund. Die Formierung des Elsaß im Reich der Merowinger, in: Freiburger Universitätsblätter 159 (2003), S. 143–164, hier S. 163 in Auseinandersetzung mit Heinz Joachim Schüssler, Die fränkische Reichsteilung von VieuxPoitiers (742) und die Reform der Kirche in den Teilreichen Karlmanns und Pippins. Zu den Grenzen der Wirksamkeit des Bonifatius, in: Francia 13 (1985), S. 47–112, hier S. 74 ff. (Alemannien) und S. 70 ff. (Elsaß) mit einer Karte der Teilung von 742 (S. 60).
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Zeit wir erst jetzt aufgrund des neuen archäologischen Befundes Genaueres wissen, in seinem Besitz hatte, der verfügte über die Herrschaft im Oberrheintal und über den Zugang durch das Kinzigtal nach Alemannien und Bayern. Insofern fällt nun möglicherweise ein neues Licht auf die Schriftquellen, die von einer Rebellion Theudebalds in Alsatia berichten106 und von seiner Vertreibung aus Stellungen in den Alpes, die schon Bruno Krusch – ohne von der Anlage auf dem Odilienberg zu wissen – mit den Vogesen gleichsetzen wollte.107 Der Kampf zwischen Pippin und Theudebald um das Elsaß könnte durchaus auch – oder gar insbesondere – ein Kampf um die befestigte Höhe auf dem strategisch wichtigen Odilienberg gewesen sein. Erst dadurch, daß Pippin den Alemannenherzog „durch die Macht seines Heeres schimpflich aus den Stellungen in den Alpes in die Flucht“ schlug, brachte er „den Dukat dieser (!, Zusatz D. G.)108 Gegend wieder an sich und kehrte als Sieger nach Hause zurück“.109 Die vorgetragenen Überlegungen bieten sicher keine zweifelsfreie Lösung aller Probleme, die der Mont Sainte-Odile und seine monumentale Festungsarchitektur einerseits und die Schriftquellen, die vom Heerzug Pippins gegen den Alemannenherzog und von dessen Vertreibung aus den Stellungen in den Alpes berichten, andererseits aufwerfen. Sie sollten vielmehr als ein erster Versuch verstanden werden, die neuen archäologischen Erkenntnisse zur Befestigungsanlage um den Herzogssitz der Etichonen mit den Schriftquellen zu konfrontieren, die über die zeitgenössischen kriegerischen Auseinandersetzungen in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts berichten. D. G.
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Annales Guelferbytani a 741, hg. von Georg Heinrich Pertz, in: MGH Scriptores 1, Hannover 1826, S. 27: Theudeballus reversus in Alsatia rebellavit cum Wascones, Baiuvarii et Saxones. Vgl. dazu Geuenich, … noluerunt obtemperare ducibus Franchorum (wie Anm. 96), S. 139. Chronicarum quae dicuntur Fredegarii cap. 27 (wie Anm. 104), S. 180 f.: Per idem tempore, rebellante Theudebaldo, filium Godafredo duce, Pippinis cum virtute exercitus sui ab obsidione Alpium turpiter expulit fugientem …Zur Identifizierung der Alpes mit den Vogesen s. dort S. 181 Anm. 2. Damit könnte der ducatus Alsatiae gemeint sein, der in der Tat in Pippins Herrschaftsbereich lag. Chronicarum quae dicuntur Fredegarii (wie Anm. 104), cap. 27: … revocatoque sibi eiusdemloci ducato, victor ad propria remeavit … Übersetzung und Kommentar: Quellen zur Geschichte der Alamannen von Marius von Avenches bis Paulus Diaconus, übersetzt von Camilla Dirlmeier und Klaus Sprigade (Quellen zur Geschichte der Alamannen, Bd. 3. Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Kommission für Alamannische Altertumskunde. Schriften, Bd. 5), Sigmaringen 1979, S. 17 mit Anm. 42.
Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter – RGA-E Band 58 – Seiten 821–872 Ergebnisse © Copyright 2008 Walter Nachwort de Gruyter–· Berlin · Newund Yorkoffene Fragen
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Nachwort – Ergebnisse und offene Fragen 1Heiko
Steuer und Volker Bierbrauer*1
Allgemeines (V. B.) Im Antrag an die Deutsche Forschungsgemeinschaft und an die Akademie der Wissenschaften in Göttingen hieß es: „In unserem Kolloquium soll erstmals der aktuelle Forschungsstand zu den spätantiken und frühmittelalterlichen Höhenstationen zwischen Ardennen und Adria vergleichend betrachtet werden. Dazu wurden Kolleginnen und Kollegen zur Teilnahme gewonnen, die in den vergangenen Jahren eigenständige Feldforschungen betrieben haben. Mit ihnen sehen die Veranstalter die Zeit gekommen, diese europaweite Zeiterscheinung nach Funktionen und Typen der Höhensiedlungen, nach Bewohnern und Trägern, nach Kontinuitäten und Brüchen und nach ihrer geographischen und politischen Raumgebundenheit zu analysieren.“ Für unsere Unterrsuchungsräume nördlich der Alpen, im Alpenraum, in Italien und in Teilen des Balkans gibt es inzwischen eine Fülle von Studien, auch Monographien, die sich auf Höhensiedlungen beziehen, eine überregional vergleichende Analyse fehlt jedoch. So unterschiedlich die Untersuchungsräume unter fast allen Gesichtspunkten sind, so stand die vergleichende Archäologie in Zeit und Raum sozusagen als Überbau, als Leitmotiv über der Tagung. Mit anderen Worten: Was bewog die Menschen in dem Zeitraum „Spätantike“ in weiterem Sinne dazu, Höhensiedlungen anzulegen, in den Schriftquellen meist castra und castella genannt, fokussiert noch einmal in den bekannten W-Fragen: Wer, wann, wo und warum? Was läßt sich in einem ersten, vorläufigen Resumée bilanzieren? Es ist unmöglich, das in den drei Tagen Erarbeitete angemessen wieder aufzugreifen, und so sei erlaubt, uns besonders auf das zu konzentrieren, was wir persönlich und damit auch sicherlich subjektiv als strittig oder gar ungelöst empfunden haben, und wir bitten also um Verständnis, wenn wir diese Art der Zusammenfassung wählen. Sie soll und kann keineswegs *1 Der Text ist gemeinsam verfaßt worden; nur einige Abschnitte sind persönlich mit V. B. oder H. St. gekennzeichnet.
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überdecken, welche enormen Fortschritte bei der Erforschung der Castra und Höhensiedlungen inzwischen erreicht wurden. Die Vorträge haben dies eindrucksvoll gezeigt, und auch daran wird deutlich, daß die Zeit für eine solch anspruchsvolle Tagung erst jetzt gekommen ist mit der erklärten Zielsetzung einer überregional vergleichenden Archäologie. (H. St.) Anlaß zur Tagung waren die Forschungen der Veranstalter in Südwestdeutschland, am Schwarzwald, und in Norditalien sowie im Alpenraum auf verschieden strukturierten Höhensiedlungen und die dabei gewonnene Einsichten, daß nur in einer bestimmten Phase tatsächlich Höhen für längere Zeit als Siedlungsplatz, Befestigung oder Rückzugsort aufgesucht wurden. Die Phase der Höhenstationen während der Spätantike vom 4. bis 8. Jahrhundert bildet nicht etwa nur einen Ausschnitt aus der kontinuierlichen Folge von Nutzung der Höhen als Schutz- und Herrschaftszentrum. Vielmehr hat es besondere politische und gesellschaftliche Gründe gegeben, Höhen in dieser Epoche erneut für eine bestimmte Zeit aufzusuchen und sich dort festzusetzen. Nicht nur Gruppen zogen sich auf möglichst unzugängliche Höhen zurück, um sich dort zu schützen, sondern auch entscheidende zentralörtliche Funktionen der Gemeinschaft wurden zeitweilig auf die Höhe verlagert.
Zum Inhalt der Beiträge1 Die Reihenfolge der Referate, die in der Publikation im wesentlichen beibehalten wird, war topographisch angelegt, wie im Thema formuliert, und die Vorträge behandelten die Erscheinung, Höhen aufzusuchen, als spezielle Siedlungs- und Herrschaftsweise von den Ardennen bis zur Adria, von Belgien bis nach Slowenien, Kroatien und Italien. Die Referate geben vielfach auch spezielle Antworten auf die in den vorbereitenden Rundschreiben formulierten Fragestellungen, die deshalb in der Einleitung wiederholt werden. Auf die älteren Nutzungsepochen der Höhen wird hingewiesen, der Ausbau von Höhenstationen während der Spätantike mit mehreren detailliert faßbaren Phasen beschrieben sowie die Höhenstationen in eine Hierarchie der Siedlungen und in die Besiedlung des Umlandes eingeordnet. Dabei zeigt sich, daß die Höhenstationen in einer Landschaft oder in einer politisch-territorialen Einheit untereinander – trotz weiterer Unter1
Literatur, die etwa zeitgleich parallel zur Tagung 2004 und danach erschienen ist, wird teilweise nachgetragen, so vor allem die Stichwörter aus dem Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (2Berlin, New York), hinfort abgekürzt RGA.
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schiede – ähnlicher strukturiert waren als zwischen den verschiedenen Landschaften. Nützlich ist zu Beginn, die Frage nach der Definition zu stellen, die von Raymond Brulet aufgeworfen wurde. Die Bezeichnungen wechseln im Franösischen zwischen „fortification de hauteur“, „havitat perché“ oder „site de hauteur“, im Deutschen zwischen „Höhensiedlung“ oder „Höhenstation“, im Italienischen zwischen „sito“ und „fortificazione di altura“ bzw. Castrum und Castellum, im Englischen begnügt man sich meist mit „hilltop settlement“. Auch Marcus Zagermann und Max Martin weisen in ihren Beiträgen darauf hin, daß bisher keine nähere Definition erarbeitet ist, was eigentlich mit Höhensiedlung gemeint und wie dabei zu differenzieren sei. Die Beiträge der Historiker am Schluß erweitern das Bezeichnungsspektrum anhand der schriftlichen Überlieferung noch einmal erheblich, und keine Ortsbezeichnung ist, so Dieter Geuenich und Thomas Zotz, speziell für Siedlungen auf der Höhe spezialisiert. Die erste Gruppe der Referate befaßt sich mit Höhensiedlungen in den Nordostprovinzen des römischen Reichs.2 Die spätantiken und frühmittelalterlichen Höhenstationen zwischen Fagne/Hennegau, Ardennen und Eifel bespricht Raymond Brulet (Louvainla-Neuve). Rund 15 Anlagen werden vorgestellt, die seit dem Ende des 3. und mit Schwergewicht im 4./5. Jahrhundert besetzt waren, und Spuren von Wiederbegehungen gibt es erneut aus der Merowingerzeit und später bis ins 11. Jahrhundert. Die Höhen waren also nicht kontinuierlich besetzt, und auch ihre Funktion wandelte sich zeitlich und geographisch, vom Refugium oder der Militärstation bis zur ständig besiedelten Anlage. In der konstantinischen Periode, während der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, wurden sie durch Einheiten der Armee genutzt. Umstritten ist, ob die Befestigungen noch von offiziellem römischen Militär oder von germanischen Milizen besetzt waren. Seit der Mitte des 5. Jahrhunderts gab es auf römischem Boden kein offizielles römisches Militär mehr, sondern Kriegerverbände germanischer Herkunft. Deren Anführer, die reguli, errichteten in diesem Gebiet aber keine Residenzen nach der Art des Runden Bergs bei Urach. Die Plätze bildeten anscheinend später nur noch symbolische Zentren der Macht in der Hand des lokalen Adels.
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Die jeweilige Zusammenfassung stützt sich auf die gehaltenen Vorträge, auf die Diskussionen und auf die anschließend vorgelegten Manuskripte. Weicht die Meinung der Referenten dieser Zusammenfassung von der Ansicht der Autoren ab, so wird versucht, dies deutlich zu kennzeichnen.
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Keine der Stationen ist ausreichend archäologisch erforscht. Der gesammelte Fundstoff allein ermöglicht die chronologische Einordnung. Es gibt Hinweise auf die Befestigung, selten auf Gebäude im Inneren der Anlage, aber auf handwerkliche Produktion. Wie im Hunsrück und in der Eifel unterscheidet man militärische Anlagen, Rückzugsorte der Bevölkerung und Kultplätze. Die natürliche Schutzlage scheint wichtiger gewesen zu sein als die Befestigung. Die Anlagen machen den Eindruck von Fluchtburgen, weniger von ständigen Siedlungen. Die Höhenstationen direkt an den Straßen hatten einen anderen Zweck als die abseits gelegenen Refugien. Sie dienten anscheinend dem Militär als Garnisonen zur Verteidigung, aber nur für kurze Zeit, und zur Sicherung des Straßennetzes. Die Refugien demgegenüber schützten die umwohnende Bevölkerung, von denen die Anlagen auch ausgebaut worden zu sein scheinen. Auffällig sind die Gräberfelder des 4./5. Jahrhunderts nahe dieser Höhenstationen, deren Beigaben, Waffen und Militärgürtel, auf Germanen hindeuten. Die zugehörigen Siedlungen sind aber nicht auf den Höhen, sondern in der Nachbarschaft in der Ebene zu suchen. Horst Wolfgang Böhme (Marburg) behandelt ebenfalls dieses mögliche Verhältnis zwischen den Höhensiedlungen in Nordgallien und den germanischen Söldnern während des 4./5. Jahrhunderts, deren Gräberfelder besser erforscht sind als die Höhenstationen. Es geht dabei um die verzierten Militärgürtel, um Fragen der Hersteller und Träger sowie um die Nekropolen und den Nachweis germanischer Bestattungen. Grundlage für die historische Bewertung dieser Militärgürtel ist ihre möglichst genaue zeitliche Einordnung. Tierkopfschnallen und Kerbschnittgarnituren kommen als neue Militärgürtelbeschläge erst in der Zeit Valentinians I. (364–375) auf und wurden dann bis weit ins 5. Jahrhundert hinein getragen, parallel zu den nachfolgenden Typen der sogenannten Einfachen Garnituren bis um 455. Falls die Verbindung zwischen Höhenstationen und Gräberfeldern in Nordgallien tatsächlich bestand und diese als Garnisonsfriedhöfe bezeichnet werden können, dann ergibt sich, daß die Höhenstationen – zuerst im letzten Drittel des 3. Jahrhunderts besetzt – vom fortgeschrittenen 4. Jahrhundert bis zum Ende der römischen Militärpräsenz um 455 als spätrömische Militärposten mit germanischer Besatzung zu erklären sind.3 Träger waren wohl, wie H. W. Böhme meint, zumeist Militärs, auch wenn es sich nach einer anderen These, wie sie F. Theuws vertritt, um eine allgemeine Modeerscheinung handeln könnte, denn alle Männer waren auch Krieger. 3
Vgl. dazu auch M. C. Blaich, Vireux-Molhain. RGA2 32 (2006) 439–443; H. W. Böhme, Furfooz. RGA2 10 (1998) 249–254; ders., Vieuxville. RGA2 32 (2006) 362–363.
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Karl-Josef Gilles (Trier) erläutert die spätrömischen Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück und kommentiert die Befunde von über 60 Anlagen.4 Die befestigten Höhensiedlungen und Bergheiligtümer bestanden bis ins letzte Drittel des 3. Jahrhunderts, über den „Limesfall“ hinaus, und wurden wieder von konstantinischer Zeit bzw. von der Mitte des 4. Jahrhunderts an besetzt und endeten um 355 in Zerstörungen. Einige wurden in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts in valentinianischer Zeit wiederbesetzt und bestanden über die Mitte des 5. Jahrhunderts hinaus. Als Gemeinsamkeit der gesamten Gruppe sind die geringe Größe von nur 1 bis 1,5 ha und der frühe Beginn im 3. Jahrhundert zu betonen. Grabungen sind noch selten, das meiste Fundmaterial wurde durch systematische Begehungen mit Metallsonden geborgen. Auffällig ist, daß in verschiedenen Flußtälern Reihen von Befestigungen wie nach einem strategischen Konzept positioniert worden waren. Anhand der beachtlich umfangreichen Münzreihen scheint sich eine sehr wechselvolle, chronologisch fein gegliederte Geschichte der Höhenstationen abzuzeichnen. Zumeist waren sie militärisch besetzt. Vielleicht läßt sich sogar unterscheiden, daß Höhen nahe der Kaiserresidenz Trier von Einheiten romanisierter Bewohner und entlegenere Plätze von aus Germanen gebildeten Truppenteilen besetzt waren. Auch die Höhensiedlungen in der Pfalz müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden. Helmut Bernhard, der an der Tagung nicht teilnehmen konnte, hat schon vor zwanzig Jahren 19875 im pfälzischen Bergland mehr als 10 Anlagen aufführen können. Er wies auf die zahlreichen Höhenstationen zwischen Schweizer Jura bis zum Pfälzer Bergland sowie Hunsrück und Eifel nach 260 hin, die damals vor allem als Refugien erschienen. Der Münzspiegel wurde historisch gedeutet, das heißt der Abbruch der Münzenreihen mit dem Ende des Gallischen Sonderreichs nach 275 geht auf Germaneneinfälle zurück, die auch die Höhenstationen zeitweilig vernichteten. In der konstantinische Phase des frühen 4. Jahrhunderts spielten sie keine Rolle und wurden erneut erst in der Mitte des 4. Jahrhunderts wieder ausgebaut, mit Schwerpunkt in der Zeit des Maxentius 350 bis 355. Erneut führten Germaneneinfälle nach 352 zur Auflassung der Höhenstationen. Nur wenige Höhen blieben bis ins 5. Jahrhundert besetzt. Die Höhenstationen dieses Gebiets sind von beachtlicher Größe im Vergleich 4
5
Die Liste nach K.-J. Gilles, Spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück (Trier 1985) wird von 26 auf 63 Plätze deutlich erweitert. H. Bernhard, Die spätantike Höhensiedlung „Großer Berg“ bei Kindsbach, Kr. Kaiserslautern – ein Vorbericht zu den Grabungen 1985–1987. Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 85, 1987, 37–77; ders., Die spätantike Höhensiedlung „Großer Berg“ bei Kindsbach, Lkr. Kaiserslautern, in: ders. (Hrsg.), Archäologie in der Pfalz – Jahresbericht 2000 (Speyer, Rahden/Westf. 2001) 174–176.
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zu den Anlagen im Moselraum und in Nordgallien. Der weithin sichtbare, raumbeherrschende „Große Berg“ bei Kindsbach wurde seinerzeit durch großflächige Ausgrabungen untersucht. Etwa 1,7 ha sind durch eine Befestigung, einer zwei- und großenteils aber nur einschaligen Wehrmauer von 500 m Länge gesichert, die im Wesentlichen erst nach 350 errichtet worden ist. Im Inneren sind kleinere Bauten in Holztechnik sowie Gewerbeareale nachgewiesen, und dem Platz wurde 1987 die Funktion eines Vicus zugeschrieben. Offen blieb, ob eine adminsitrative, offizielle oder eine private Organisation zum Ausbau der Höhensiedlung geführt hat. Für alle Höhenstationen dieser ersten Gruppe auf römischen Provinzboden gilt, daß ihre Größe relativ begrenzt ist und der Beginn des Ausbaus in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts fällt. Die verschiedenen, zeitlich getrennten Ausbauphasen werden von den Autoren mit politisch-militärischen Ereignissen, das heißt auf römische Iniative oder Reaktion auf germanische Einfälle zurückgeführt. Dazu dienten in erster Linie Münzreihen der Schatzfunde, deren Ursache gegenwärtig jedoch auch andersartig gedeutet wird. Sie spiegeln eher spätantike Wirtschaftsverhältnisse und den Versuch, das eigene Barvermögen zu sichern als Reaktionen auf punktuelle kriegerische Ereignisse. Die nächste Gruppe von Höhensiedlungen beiderseits des Rheins gehört in einen anderen politischen und damit auch chronologischen Zusammenhang, das heißt es geht um Siedlungen auf der Höhe, die einen eigenen Charakter hatten und nicht in erster Linie als Refugien anzusehen sind. Die Besonderheiten des Heiligenbergs bei Heidelberg beschreiben Peter Marzolff (Heidelberg) und Uwe Gross (Esslingen) in nachrömischer und vorklösterlicher Zeit (5.–9. Jahrhundert). Dieser Berg war während der Urnenfelderzeit besiedelt und wird von einer frühlatènezeitlichen Befestigung, die 52,5 ha einschließt, beherrscht. Trockenbruchsteinmauerwerk einer Pfostenschlitzmauer stecken im äußeren und inneren keltischen Ringwall. Mörtelgemauerte Kammertore sind in spätrömischer Zeit oder im fortgeschrittenen Frühmittelalter, wohl in der Karolingerzeit, entstanden. Sie werden mit den Befunden auf dem Wittnauer Horn in der Schweiz verglichen. Der Berg liegt gegenüber dem römischen Ort Ladenburg und wäre mit 9 km Entfernung die am weitesten über den Rhein vorgeschobene römische Militärposition. Doch ist stattdessen ein römischer Tempelbezirk auf dem Gipfel des Berges bis in die Zeit um 260/270 nachgewiesen. Der Berg wurde von der Forschung zeitweilig mit dem bei Ammianus Marcellinus genannten Mons Piri (Amm. 28, 2, 5ff.) gleichgesetzt, auf dem 369 römische Truppen zur Zeit Valentinians I. Schanzarbeiten für den Bau einer
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Befestigung leisteten, aber von Germanen gestört und getötet wurden.6 Der Berg wurde zwar auch im 4./5. Jahrhundert aufgesucht, was aber weniger deutlich nachgewiesen ist. Wie auf dem Breisacher Münsterberg sind es auch hier Keramikscherben, die völkerwanderungszeitlich eingeordnet werden können; nur wenige Schnallen von Kriegergürteln und Waffenteile kommen hinzu. Die eigentlichen spätrömischen Militaria fehlen aber. Erst im späten 6. Jahrhundert oder um 600 wird der Berg wieder besiedelt, wie ein Bestattungsplatz in eigentlich ungewöhnlicher Position in der Merowingerzeit, aber ähnlich wie auf dem Odilienberg oder in Höhenstationen der Ostalpen, bezeugt und außerdem ein reichhaltiges Fundmaterial aus Keramik und Metallgerät. Die Kirche St. Michael im Bereich des römischen Tempelbaus ist erst (oder schon) zwischen dem zweiten und dritten Viertel des 7. Jahrhunderts errichtet und wird im 3. Viertel des 8. Jahrhunderts weiter ausgebaut. Der Heiligenberg hatte also als Höhenheiligtum in römischer Zeit und wieder seit der Merowingerzeit und als Kloster seit spätkarolingischer Zeit eine besondere zentralörtliche sakrale Funktion, ebenfalls vergleichbar mit dem Odilienberg und dem dort Ende des 7. Jahrhunderts eingerichteten Kloster. Vorerst ist über die spätrömische Epoche und die Völkerwanderungszeit wenig zu erkennen. Ähnlich komplex ist die Bauabfolge auf dem Breisacher Münsterberg zu bewerten, die Marcus Zagermann (Freiburg) und Christel Bücker (Freiburg) aufgrund der Grabungsunterlagen und der Funde jüngst neu analysiert haben. Der höchst auffällige Inselberg inmitten der Rheinaue – zeitweilig linksrheinisch und zeitweilig rechtsrheinisch gelegen – kontrollierte sowohl den Fluß- als auch den Landverkehr, war schon durch die Natur befestigt und fast immer ein Zentralort in der fruchtbaren Agrarlandschaft des Breisgaus. Während die meisten spätrömischen Befestigungen am Oberrhein in der Ebene lagen, wurde einzig auf dem Breisacher Münsterberg eine starke Festung mit doppeltem Graben und 3 m dicker sowie einst 8 m hoher Mauer noch in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts errichtet. Zuvor war der Berg schon während der Urnenfelderzeit, der Späthallstatt- und Frühlatènezeit sowie der Spätlatènezeit mit zentralörtlichen Funktionen besetzt. Die Festung bestand bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts, war neben den Festungen beiderseits des Rheins7 in der Ebene mit mehr als 3 ha die größte und von überregionaler Bedeutung, ablesbar am historisch bezeugten Besuch Valentinians I. samt Gefolge im Jahr 369. 6
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Vgl. dazu auch die Bemerkungen von Th. Zotz im Beitrag von D. Geuenich und Th. Zotz in diesem Band. H. U. Nuber, Valentinianischer Festungsbau. RGA2 35 (2007) 337–341.
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Der Breisacher Münsterberg war dann im frühen und beginnenden Hochmittelalter wiederum ein Zentralort für den Breisgau; die mächtigen römischen Mauern blieben stehen, die Festung wurde noch im 10. Jahrhundert als castellum munitissimum bezeichnet. Siedlungsnachweise nach der Mitte des 5. Jahrhunderts sind aber spärlich. Erst in der Merowingerzeit seit der Mitte des 6. Jahrhundert werden die Nachweise deutlicher und sprechen von mindestens drei Hofstellen des 6. bis 10. Jahrhunderts. Offen ist, wann die erste Steinkirche auf dem Berg – wohl unter dem heutigen Münster – entstanden ist. Wie komplex die Gründe für den Ausbau von Höhensiedlungen gewesen zu sein scheinen, belegen also einerseits der Heiligenberg bei Heidelberg auf der rechten Rheinseite und der Breisacher Münsterberg in der Rheinaue und andererseits der Odilienberg im Elsaß auf der linken Rheinseite. Auf diesem weithin sichtbaren steilen hoch über dem Rheintal gelegenen Berg wurde eine fast 11 km lange Befestigungsmauer aus mächtigen Steinblöcken errichtet, die in antiker Technik mit hölzernen Schwalbenschwanzkeilen miteinander verbunden waren. Die Aussparungen in den Blöcken waren seit langem bekannt, aber die Datierung war unklar. Für die chronologische Einordnung dieses exzeptionellen Bauwerks wurden die spätbronzezeitliche Urnenfelderzeit, die Hallstatt- oder die Latènezeit – im Sinne der Befestigung eines Oppidums – und schließlich die Spätantike vorgeschlagen. Wegen der dort gefundenen antiken Münzen, der Kammertore in der Steinmauer und allgemeiner Überlegungen zur spätrömischen Reichsverteidigung nahm man an, daß diese ungewöhnliche Baumaßnahme von der örtlichen Bevölkerung gewissermaßen als Refugium im 3. oder 4. Jahrhundert errichtet worden sei. Dem widerspricht aber eindeutig einerseits die Größe der Anlage von rund 118 ha, die mit keinem der sonst bekannten Refugien vergleichbar ist, und andererseits die auffällige und weithin sichtbare Anlage. In den letzten Jahren wurden erhalten gebliebene Holzkeile entdeckt und dendrochronologisch datiert, die alle eine Datierung um 700 ergeben haben. Für die späte Merowingerzeit ist aber eine solche großflächige Höhensiedlung und einer – aus fortifikatorischer Überlegung – überlangen und ungüstig verlaufenden Mauer bisher nicht zu erklären. Die in den hochmittelalterlichen Quellen als Höhenburg (altitona) beschriebene Anlage war der Herzogssitz der Etichonen im späten 7. Jahrhundert und um 700, von etwa 680 bis bald nach 740. Dort wurde 673 ein Kloster gegründet.8 8
Vgl. dazu den Beitrag von D. Geuenich im Aufsatz von D. Geuenich und Th. Zotz in diesem Band und die Bemerkungen im Beitrag von P. Marzolff und U. Gross S. 156 in diesem Band.
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Während der Heiligenberg, der Odilienberg und der Breisacher Münsterberg seit der Merowingerzeit, aber nicht nachweisbar im 4./5. Jahrhundert, mit zentralörtlichen Funktionen besetzt waren, gehören die Höhenstationen im südwestdeutschen Raum, vom Rhein bis zum mittleren Main, im germanischen Siedlungsgebiet der späteren Alemannen vor allem in diese Phase.9 Die von Michael Hoeper (Freiburg) und Heiko Steuer (Freiburg) vorgestellten Höhenstationen am Schwarzwaldrand werden seit 1985 erforscht. Ausgrabungen fanden auf dem Zähringer Burgberg von 1985 bis 1990 statt, auf dem Geißkopf bei Berghaupten 1994/95 und auf dem Kügeleskopf bei Ortenberg ebenfalls 1994/95; die neue Entdeckung auf dem Hertenberg bei Rheinfelden fällt in das Jahr 2001. Alle diese Höhensttaionen sind auffällig gegenüber den spätrömischen Befestigungen am Rhein-Limes positioniert.10 Geißkopf und Kügeleskopf bei Offenburg liegen gegenüber dem römischen Kastell Strasbourg11, der Zähringer Burgberg bei Freiburg gegenüber den Kastellen Breisach und Sponeck am Rhein sowie Oedenburg-Biesheim/Altkirch im Elsaß und der zuletzt erst entdeckte Hertenberg gegenüber Kaiseraugst.12 Sie beginnen im frühen 4. Jahrhundert und werden noch innerhalb der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts aufgegeben. Sie haben unterschiedlichen Charakter, nicht nur was die Größe betrifft, die beim Zähringer Burgberg 5 ha erreicht, sondern auch verschiedene Funktionen. Der Geißkopf mit den Fundmengen an Waffen und Werkzeug und ohne Hinweis auf die Anwesenheit von Frauen wird als Militärlager interpretiert, der Zähringer Burgberg wegen seiner Größe und der umfangreichen Terrassenstrukturen eher als Residenz eines der alemannischen Kleinkönige mit zentralörtlichen Aufgaben. Eine Wiederbegehung findet auf dem Zähringer Burgberg in der späten Merowinger- und frühen Karolingerzeit und erneut im hohen Mittelalter statt.
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Allg. H. Steuer, Zähringer Burgberg. RGA2 34 (2007) 398–417 mit Lit. zu den anderen Höhenstationen. M. Hoeper, Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Oberrhein. Geißkopf bei Berghaupten und Kügeleskopf bei Ortenburg. Mit Beiträgen von Chr. Bücker, J. Lienemann und H. Steuer. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 12 (Stuttgart 2003). A. Greule/R. Scharf, Straßburg. RGA2 30 (2005) 70–73 und zur römischen Epoche RGA2 35 (2007) (im Druck). G. Fingerlin, Im Blickfeld von Kaiseraugst: Der Hertenberg, eine neu entdeckte Höhensiedlung der Völkerwanderungszeit im westlichen Hochrheintal. Archäologische Nachrichten aus Baden 66, 2002, 13–21; M. Hoeper, Der Hertenberg bei Rheinfelden-Herten – eine neue völkerwanderungszeitliche Höhensiedlung am Hochrhein. Mit Bemerkungen zu den spätantiken Militärgürteln mit Propellerbeschlägen, in: Ch. Bücker/M. Hoeper/ N. Krohn/J. Trumm (Hrsg.), Regio Archaeologica. Festschrift für Gerhard Fingerlin zum 65. Geburtstag. Studia honoraria 18 (Rahden/Westf. 2002) 169–180.
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Die Verbindung dieser Höhenstationen am Schwarzwaldrand mit dem ländlichen Siedlungsgefüge spiegelt sich in einer hierarchischen Struktur, ablesbar auch an der Zusammensetzung des Fundstoffs der Siedlungen sowie in den Beigaben der Grabfunde in der Rheinebene.13 Wie bei allen Höhenstationen des 4./5. Jahrhunderts wurden diese Plätze durch den Einsatz des Metallsuchgeräts erst entdeckt und das umfassende Material an Metallgegenständen systematisch geborgen, was differentierte Aussagen zur inneren Struktur erlaubt. Die Rolle der Höhensiedlungen beiderseits des Rheins hängt mit der militärischen Situation während der Spätantike zusammen und mit der römischen Besiedlung der Landschaft in den ehemaligen Provinzen14 sowie dem Ende der römischen Grenzverteidigung.15 Der langjährig und fast vollständig ausgegrabene Runde Berg bei Urach wird von Dieter Quast (Mainz) nicht nur in seiner zeitlichen Entwicklung vorgestellt, sondern auch in das Besiedlungsumfeld eingeordnet.16 Die Besiedlung des schmalen Berges erfolgte nach einer Phase während der Urnenfelderzeit in zwei getrennten Abschnitten während der Frühgeschichte. Eine erste Phase gehört in das 4./5. Jahrhundert, eine Lücke ergibt sich für die Mitte des 5. Jahrhunderts, gefolgt von der zweiten Phase seit dem späten 5. Jahrhundert bis in die jüngere Merowingerzeit. Damit liegen hier andere Besiedlungsphasen vor als bei den Stationen am Schwarzwaldrand. Es scheinen Baustrukturen nachgewiesen zu sein. Sechs bis sieben maximal zwölf Pfostengebäude standen gleichzeitig, auch werden Schwellbalkenhäuser angenommen, wie sie für den Zähringer Burgberg ebenfalls in Spuren belegt sind. Während Befestigungen für die Höhensiedlungen am Oberrhein bisher kaum nachgewiesen werden konnten17, wird die Doppel13
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H. Steuer, Die Alamannia und die alamannische Besiedlung des rechtsrheinischen Hinterlands, in: Imperium Romanum. Römer, Christen, Alamannen – Die Spätantike am Oberrhein. Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Stuttgart 2005) 26–41, hier 36, Abb. H. Bernhard, Die Merowingerzeit in der Pfalz. Bemerkungen zum Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter und zum Stand der Forschung. Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 95, 1997, 7–106, zum Ende der Spätantike am Oberrhein: 9 ff. H. Steuer/M. Hoeper, Germanische Höhensiedlungen am Schwarzwaldrand und das Ende der römischen Grenzverteidigung am Oberrhein. Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 150, 2002, 41–72; G. Fingerlin, Zeit der Wende. Das Ende der römischen Herrschaft und der Beginn der alamannischen Siedlung im Dekumatland. Alemannisches Jahrbuch 2003/2004 (2006), 9–46. U. Koch, Runder Berg bei Urach. RGA2 25 (2003) 489–493. Auf dem Kügeleskopf bei Ortenberg haben jüngste Ausgrabungen nachgewiesen, daß eine Abschnittsbefestigung der Hallstattzeit im 4./5. Jahrhundert erneut ausgebaut worden ist: M. Hoeper/A. Bräuning, Kelten und Alamannen auf dem Kügeleskopf bei Ortenberg, Ortenaukreis. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2006 (Stuttgart 2007) 186–190.
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pfostenbefestigung auf dem Runden Berg in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts oder um 500 datiert und ihr Bau mit den alemannisch-fränkischen Auseinandersetzungen erklärt. Doch scheint es sich eher nur um einen Zaun als Abgrenzung des Herrschaftssitzes vom Handwerksareal gehandelt zu haben, um den Prestigecharakter zu betonen. Es soll hier nicht verschwiegen werden – worauf auch D. Quast nachdrücklich hinweist –, daß die Rekonstruktion von Gebäudestandorten auf dem Runden Berg wegen der dünnen Kulturschicht und der möglichen mehrfachen Verlagerung des Fundstoffs problematisch bleibt. Doch spricht die Fundmenge immerhin für eine dichte Besiedlung. Dem 4./5. Jahrhundert – das sind 90 Jahre (360–450) – gehören etwas mehr als 25 % der Funde an. Darunter sind kaum Münzen. Die doppelte Menge stammt aus der zweiten Hälfte des 5. und dem frühen 6. Jahrhundert – aus nur ca. 60 Jahre (450–510) – und ist vielleicht aufgrund der Schlußkatastrophe so umfangreich. Wie schon zuvor H. W. Böhme diskutiert auch D. Quast die Funktion der Gürtelgarnituren als Militärgürtel oder allgemeine Mode, weist einerseits auf die zahlreichen Nachahmungen in der Alemannia hin, aber andererseits auch auf die Erscheinung, daß Gürtelbronzen mit dem Ende der römischen Grenzverteidigung am Rhein auch im ostrheinischen Barbaricum verschwinden, was eine gewisse Kausalität andeuten würde. Der Beginn der Besiedlung auf dem Runden Berg fällt in die Zeit Valentinians I. (364–375) und wurde damit parallel zum Ausbau der Rhein- und Donaufestungen besetzt, und sie endet mit der älteren Phase um die Mitte des 5. Jahrhunderts. Der Anfang der frühalemannischen Umlandbesiedlung, in die der Runde Berg also später eingebettet war, fällt in die Zeit um 300–375 (Stufe C 3). Der Rang der Bewohner auf dem Runden Berges könne – so D. Quast – nicht über die landwirtschaftlichen Produktion des Umlandes, sondern eher durch Militärdienst erreicht worden sein. Um 450 gab es dann einen tiefgreifenden Wandel. Statt über Fernversorgung mit Tonware wird in den Siedlungen eigene Keramik nach Mayener Vorbild hergestellt, vielleicht mit Hilfe fremder Töpfer. Auf dem Runden Berg wurden zahlreiche Produkte produziert. Der endgültige Abbruch der Höhensiedlung wird um 500 parallel zum Abbruch der kleinen Gräberfelder in der offenen Landschaft datiert, und es folgt die Neustrukturierung des gesamten Siedlungsnetzes. Die Höhensiedlungen in Mainfranken beschreibt Jochen Haberstroh (Ingolstadt). Er registriert etwa 20 Plätze und beginnt mit der Darstellung der Befunde zum 14 ha großen Reisberg bei Scheßlitz. Die Ringbefestigung, eine um 400 trocken gesetzte Mauer in Pfostenschlitzkonstruktion, und jüngere Abschnittswälle befestigten den Bergsporn bis zum Ende der Nut-
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zung gegen 500 oder im frühen 6. Jahrhundert, aber wohl in unterschiedlichen Phasen. Erneut wird der Berg dann während der jüngeren Merowingerzeit sowie in karolingischer und ottonischer Zeit besetzt. Das sekundär verlagerte Fundmaterial wurde bei systematischen Begehungen mit Metalldetektoren vor allem im Hangbereich geborgen und spiegelt mehrere Phasen bzw. Ereignishorizonte. Die Siedlungsstrukur des 5. Jahrhunderts ist über die anderen bekannten Höhensiedlungen sowie die Verteilung der Gräberfelder zu studieren. J. Haberstroh weist darauf hin, daß für das 4./5. Jahrhundert die Position als Höhen„siedlung“ entscheidend war, weniger die bisher nur selten nachzuweisende Befestigung, während im 7. bis 10. Jahrhundert der Befestigungscharakter „als Instrument territorialer Machtausübung“ sowie als Refugium „für größere Bevölkerungsteile“ im Sinne von „Burg“ aufgekommen sei. Die Verknüpfung von Höhenstationen und Talsiedlungen im Vergleich der verschiedenen Landschaften kann offenlegen, daß es sich um unterschiedliche germanische Siedlungsmodelle gehandelt haben könnte, die entweder mit oder ohne römische Vorbildfunktion entstanden seien. Das schlagartige Ende ereignet sich parallel zum Ende der römischen Verteidigung in der Mitte des 5. Jahrhunderts, wie auch D. Quast betont. Höhenstationen waren nicht mehr nötig, um militärischen Rang oder Herrschaft auszudrücken. Doch kann dieses Bild nur vorgetäuscht sein, weil die jüngeren Phasen auf den Höhen nicht so intensiv und eindeutig zu erfassen sind wie die älteren anhand der römischen Münzen sowie der Gürtelgarnituren; denn ohne ausführliche Ausgrabungen sollte man zurückhaltend sein. Mit fortschreitendem Forschungsstand verwischt sich auch das Bild der klaren Hierarchie der Siedlungen; denn auch in Talsiedlungen ist handwerkliche Produktion nachweisbar sowie gut ausgestattete Gräber mit Waffen- und Gürtelbeigabe dokumentiert, so auch in anderen Landschaften wie im Breisgau. Um 500 ändert sich auch dort die gesamte Siedlungsstruktur, die alten kleinen Reihengräberfelder werden aufgelassen und die Landschaft neu organisiert. Im benachbarten Thüringen und in Böhmen (vgl. aber A. Stuppner in diesem Band S. 428) gibt es nach J. Haberstroh anscheinend keine derartigen Höhenstationen. Das mag am größeren Abstand zum römischen Reich gelegen haben. Auf diese Deutung der Höhenstationen in Abhängigkeit vom römischen Reich wird die Berichterstattung noch zu sprechen kommen. Daß tatsächlich diese Siedlungsform der Höhenstation zum Beispiel in Thüringen und den benachbarten Gebieten bisher nicht oder kaum zu erkennen ist, mag am Forschungsstand liegen. Damit ist nicht entschieden, daß es sie nicht gegeben hat; denn wie für das nördliche Flachland gezeigt wird, hat es entsprechende Zentralorte dort ebenfalls gegeben.
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Der Schatzfund von Großbodungen18 in Thüringen am Hang des Kampberges aus dem Beginn des 5. Jahrhunderts mag wie die Schatzfundorte in Nordwestdeutschland und den Niederlanden vom Typ Dortmund19 bis Velp20 auf die Nähe von Herrschaftszentren hindeuten. Höhenburgen des 3. und 4. Jahrhunderts, die teils noch bis ins 5. Jahrhundert besetzt waren, sowie des 7./8. Jahrhunderts sind – wohl eher als Fluchtburgen – in Thüringen mehrfach nachgewiesen.21 Hingewiesen sei auch auf die Zusammenstellungen von H. Brachmann22, der mehrere gesicherte und vermutete Höhenstationen auflistet. Da der Bericht von Dieter Neubauer (Würzburg) zu den völkerwanderungszeitlichen Höhenstationen im Maintal nicht zur Verfügung stand, jedoch eine Zusammenfassung vom Beginn der Tagung, sei auf die inzwischen vorgelegt Literatur verwiesen,23 für die im Reallexikon eine kurze Übersicht gegeben wird, vor allem zur Wettenburg bei Urphar in einer Mainschleife.24 Zu den bekanntgewordenen Höhenstationen gehören mehrere Randhöhen von Steigerwald und Fränkischer Alb, dann Plätze wie der Gangolfsberg in der Rhön, der Greinberg bei Miltenberg und die Marienburg oberhalb von Würzburg. Ausreichend durch Ausgrabungen von 1981 bis 1988 erforscht ist allein die Wettenburg. Der Berggrat von 400 m Länge und 40 m Breite ist durch 5 bis 6 m breite Holz-Erde-Konstruktionen mit 1,20 m starken Trockenmauerfronten befestigt, die in die Völkerwanderungszeit 18
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P. Berghaus, Großbodungen. RGA2 13 (1999) 76–78; B. Schmidt, Großbodungen, in: Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik 2 (Leipzig Jena Berlin 1989) 562–563; offen bleibt ein Zusammenhang mit der benachbarten Hasenburg, die sporadisch in spätrömischer Zeit bewohnt war und für die eine Militärstation in fränkischer Zeit angenommen wird: R. Müller, Hasenburg. RGA2 14 (1999) 39–40. P. Berghaus, Dortmund. RGA2 6 (1986) 124–127. H. Steuer, Velp. RGA2 32 (2006) 120–124 mit Verbreitungskarte zu diesen Plätzen. W. Timpel, Frühmittelalterliche Burgen in Thüringen, in: J. Henning, A. T. Ruttkay (Hrsg.), Frühmittelalterlicher Burgenbau in Mittel- und Osteuropa (Bonn 1998) 151–173, hier 151. H. Brachmann, Der frühmittelalterliche Befestigungsbau in Mitteleuropa. Untersuchungen zu seiner Entwicklung und Funktion im germanisch-deutschen Bereich (Berlin 1993) 34 Abb. 9 und Liste 1: Höhensiedlungen des 3.–5. Jh. D. Neubauer, Die Wettenburg bei Kreuzwertheim. Eine befestigte Höhensiedlung der Völkerwanderungszeit. In: K. Leidorf/P. Ettel, Burgen in Bayern. 7000 Jahre Burgengeschichte im Luftbild (1999) 66f.; und ders., Die Wettenburg in der Mainschleife bei Urphar. Eine Höhenbefestigung des Jungneolithikums, der Urnenfelderzeit, der frühen Eisenzeit und der Völkerwanderungszeit (2000); vgl. auch F. Teichner, Gentes foederatae am Untermain?, in: Th. Fischer/G. Precht/J. Tejral (Hrsg.), Germanen beiderseits des spätantiken Limes. Spisy Archeologického Ústavu AV CˇR Brno 14 (Köln Bonn 1999) 145 ff. und D. Quast in diesem Band. H. Steuer, Zähringer Burgberg. RGA2 34 (2007) 398–417, hier 411 f.
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zu datieren sind. D. Neubauer findet für diese Bauweise keine germanische Tradition, sondern eher Analogien auf spätantiken römischen Höhenbefestigungen und in den Beschreibungen des Militärschriftstellers Vegetius (um 400 n. Chr.). Im Inneren der Wettenburg sind zahlreiche Handwerksarten belegt, so Grob- und Feinschmiede, Leder-, Geweih- und Holzhandwerk, so wie das auf den meisten Höhensiedlungen nachgewiesen ist, wogegen landwirtschaftliches Gerät fehlt. Insgesamt ist an der materiellen Kultur ein hoher Grad der Romanisierung abzulesen, was den Zugang und die Teilhabe am spätrömischen Wirtschaftssystem spiegelt. Hier seien einige zusammenfassende Bemerkungen erlaubt, da die Höhenstationen in Südwestdeutschland, dem Siedelgebiet der Alemannen im Vorfeld des römischen Reichs, als Phänomen des 4./5. Jahrhunderts unterschiedlich bewertet werden. Die wichtigsten widersprüchlichen Auffassungen bestehen zur Frage nach dem Ursprung und der Funktion dieser Stationen. Die Zweiphasigkeit der Besiedlungstätigkeit auf den Höhenstationen im südwestdeutschen Raum spiegeln zwei unterschiedliche politische und gesellschaftliche Situationen. Die erste Phase endet parallel zur römischen Reichsverteidigung um 450. Eine militärische Elite, die auch das gehobene Handwerk monopolisierte, besetzte die Höhen. Nur auf einem Teil dieser Plätze im Inneren Alemanniens gibt es Funde aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Für den Runden Berg kann man für diese spätere Phase von der eigentlichen Blütezeit sprechen. Derartige Höhen mögen Herrschaftssitze eines neuen „Adels“ gewesen sein. Vor allem die Stationen am Schwarzwaldrand werden widersprüchlich gedeutet, einerseits als militärische Posten im Vorfeld des römischen RheinLimes, auf denen germanische Söldner im Dienste Roms die Verteidigung übernahmen, und andererseits als Herrensitze der neu eingewanderten germanischen Kriegergruppen, gewissermaßen als Gegenpol zu den spätrömischen Kastellen jenseits des Rheins. Die schriftlichen Quellen zu den politischen Ereignissen erlauben es aber, beide Positionen als mehr oder weniger gleichzeitig anzusehen; denn wechselnd wird von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern am Rhein gesprochen oder von Bündnissen derselben germanischen Kriegsfürsten mit Rom gegen die Bedrohung durch andere germanische Gruppen. Es bleibt die Frage, ob diese Höhensiedlungen in der Nähe des Rheins in irgendeiner Weise mit den von Ammianus Marcellinus genannten Fluchtburgen der Germanen identisch waren, eine nicht überlieferte Siedlungsform der Elite spiegeln oder ob sie nicht doch nach den rechtsheinischen Militäraktionen als Vorposten Roms entstanden. Auch H. W. Böhme regt an, darüber nachzudenken, ob die rechtsrheinischen Höhensiedlungen – vom Zähringer Burgberg am Schwarzwaldrand
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nahe dem Limes bis zur Wettenburg bei Urphar am mittleren Main – als spätrömische militärische Vorposten mit römischen Soldaten germanischer Herkunft besetzt gewesen sein könnten, was unter dem Eindruck der zahlreichen Funde spätrömischer Gürtelbeschläge verständlich erscheint. Doch erlaubt der archäologische Befund inzwischen anscheinend schon differenziertere Aussagen. Bemerkenswert ist, daß zahlreiche Stationen zeitgleich mit dem Ende der römischen Grenzverteidigung aufgelassen werden, das heißt weder als römische Vorposten, noch als germanischen Fürstensitze waren sie noch nötig. Nun meint J. Haberstroh, daß Höhenstationen „ungermanische“ Siedlungsformen gewesen seien, die es in der Germania weder gegeben hat, noch benötigt wurden, sondern daß romanisierte Personengruppen Höhenstationen wie römischen Import übernommen hätten. Doch einerseits gab es im römischen Bereich während des 4./5. Jahrhunderts derartige Plätze als Vorbild eben nicht mehr; die Fluchtburgen des 3. Jahrhunderts und die nachfolgenden Militärposten und Garnisonen des 4./5. Jahrhunderts spielten eine andere Rolle. Andererseits war die gesellschaftliche Organisation der schweifenden Heerhaufen unter Kriegsfürsten neuartig, was in der speziellen Lage zu den neuen Herrschaftssitzen in den neu besetzten Landschaften geführt hat. Erinnert sei an die sich etwa zur selben Zeit entwickelnden Zentralorte im südwestlichen Ostseegebiet mit Gudme auf Fünen, und an der südlichen Nordseeküste mit Sievern bei Wilhelsmhaven oder Wijnaldum im niederländischen Friesland. Eine weitere Meinung ist, daß römische Militärberater den Ausbau der Höhenstationen initiiert hätten. Unter Gratian (367–383) wurde der Ausbau der Höhenstationen geduldet, oder dieser Ausbau gehörte gar zur Planung durch die römische Reichsverteidigung, womit dann aber ganz Süddeutschland bis an die Grenze zu Thüringen zum Glacis oder zur Pufferzone geworden wäre. Doch entspricht die Bauweise, zum Beispiel die umfangreichen Terrassierungsmaßnahmen auf dem Zähringer Burgberg in Trockenmauertechnik ohne jegliche Verwendung von Mörtel, in keiner Weise römischer Bautechnik. Im übrigen spricht die geringe Zahl der römischen Fundmünzen in den Stationen am Oberrhein ebenfalls gegen eine stärkere Romanisierung der Bewohner dieser Höhensiedlungen, von denen man den Gebrauch römischen Geldes in anderem Umfang erwarten müßte, wenn es sich um reguläre Söldner gehandelt hätte. Auch überzeugt die Aussage nicht, daß die Alemannen auf die Höhen gingen, weil die provinzialrömische Bevölkerung noch im Schutze von Stadtmauern lebte oder teilweise seit dem 3. Jahrhundert auch kleine Fluchtburgen errichtete. Es bleibt dann die Frage, welcher Vorgang zuerst welche Entwicklung verursacht hat, der römische Zug auf die Höhen die
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Reaktion der Germanen oder umgekehrt der Zug der germanischen Kriegsfürsten auf die Höhen und die von dort ausgehenden Kriegszüge den Weg der römischen Bevölkerung zu Fluchtburgen auf der Höhe; oder haben wir es mit zeitgleichen Erscheinungen zu tun, einer Modeerscheinung mit sozialpolitischem Hintergrund, so wie im hohen Mittelalter das Aufkommen und die rasche Verbreitung der Motten oder Turmhügelburgen als adlige Wohnsitze durch Europa als eine solche zeitliche Mode erfolgte und eine eigene Mentalität spiegelte. Die germanischen Höhensiedlungen werden zwar teilweise im Lebensstil von der römischen Welt bestimmt, der anders als der in den ländlichen Siedlungen ist. Doch nimmt dieser in der Sachkultur faßbare römische Einfluß mit der Entfernung vom Limes schnell ab. Waren die Höhensiedlungen der Alemannen erste, nicht weitergeführte Ansätze einer Art urbaner Lebens- und Wohnweise? Höhensiedlungen spiegeln eine arbeitsteilig organisierte Gesellschaft mit Monopolisierung des gehobenen Handwerks. Diese Binnenstruktur der Höhenstationen lassen urbanen Charakter ahnen, und deshalb wird mit der Frage nach dem Grad der Urbanisierung zugleich die nach der „Romanisierung“ gestellt. Nicht die von den Höhenstationen ausgehende Gefahr – so M. Martin in diesem Band – regte den Bau der römischen Grenzkastelle an; denn diese seien älter. Doch der Ausbau erfolgte entscheidend erst unter Valentinian I. (364–375) und die germanischen Höhenstationen entstanden deutlich vor der Mitte des 4. Jahrhunderts. Nur bestimmte Gürtelgarnituren erscheinen im Fundstoff nicht vor der valentinianischen Zeit – wie H. W. Böhme in diesem Band erläutert –, weil noch andere Formen – jedenfalls in Südwestdeutschland – in Gebrauch waren. Diese These einer Reaktion der germanischen Elite auf den römischen Festungsbau hängt auch von der Datierung der Keramik- und Glasfunde auf dem Zähringer Burgberg ab, die nach Ch. Bücker seit dem frühen 4. bzw. vor der Mitte des 4. Jahrhunderts vorkommen, während das S. Martin-Kilcher anders sieht und eine spätere Datierung vorschlägt. Die zwei Phasen der Höhenstationen werden ausgehend vom Runden Berg auch in chronologischer Hinsicht zweifach gedeutet: Bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts waren sie römische Klientel-Vorposten – so D. Quast in diesem Band –, als Pufferstaaten enden sie um die Mitte des 5. Jahrhunderts wie die römische Grenzverteidigung insgesamt; die wenigen weiter besiedelten Plätze der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts (Runder Berg, Gelbe Bürg, Dünsberg, Glauberg, Reisberg etc.) waren Herrschaftszentren in neuer politischer Lage, frühe Fürstenhöfe. Erst diese Blütezeit auf dem Runden Berg ist durch die Doppelpfostenreihe als Abgrenzung des Herrensitzes vom Handwerkerareal gekennzeichnet.
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Ohne Zweifel hat der Söldnerdienst der Germanen im römischen Heer eine besondere Rolle gespielt; und die Anregung zum Tragen des Militärmantels mit der Fibel auf der rechten Schulter geht schon bis in die Zeit des Postumus (259–268) zurück, wie die mitteldeutschen Fürstengräber vom Typ Leuna mit entsprechender Fibelbeigabe beweisen.25 Nicht nur Militärgürtel, sondern Bügelknopffibeln in Nordbayern oder Zwiebelknopffibeln in Böhmen spiegeln ebenfalls diese römische Kriegerkleidung bei den Germanen wider.26 In einem Grab in der Scheßlitzer Flur war der Tote mit römischem Sagum ausgestattet, und nach Meinung von J. Haberstroh könnte der hier bestattete Militär den Bau der Ringmauer auf dem Reisberg initiiert haben. Das Phänomen Höhensiedlung in Südwestdeutschland setzt also schlagartig vor der Mitte des 4. Jahrhunderts ein. Diese Höhenstationen dienten weniger als Befestigungen, sondern eher der Repräsentation für die Kriegsfürsten. Das Ende um Mitte des 5. Jahrhunderts geht synchron mit dem Ende der römischen Reichsverteidigung. Doch einige Höhen werden erneut in der zweiten Hälfte des 5. und zu Anfang des 6. Jahrhunderts unter anderen Zielsetzungen aufgesucht, und die Wiedernutzung in der Epoche vom 7. bis zum 10. Jahrhundert hat wiederum andere Gründe. Als Abschluß dieses längeren Kommentars zur Deutung der südwestdeutschen Höhenstationen sei noch folgendes vermerkt. Dieser weite Raum von der Rheingrenze bis nach Oberfranken muß nicht unbedingt als Einheit gesehen werden. Der Bau der so auffällig mächtigen römischen Grenzfestungen wie Oedenburg-Altkirch27 unter Valentinian I. (364–375) war sicherlich nicht nur gegen schweifende germanisch Kriegerhaufen gerichtet, sondern gegen eine sich auf der anderen Rheinseite festsetzende starke militärische Macht unter germanischen Anführern.
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J. Werner, Zu den römischen Mantelfibeln zweier Kriegergräber von Leuna. Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 72, 1989, 121–134. Lit. bei H. Steuer, Zwiebelknopffibel. RGA2 34 (2007) § 8, 618 ff. und M. Hoeper, Völkerwanderungszeitliche Höhenstationen am Oberrhein. Geißkopf bei Berghautpen und Kügeleskopf bei Ortenberg (Ostfildern 2003) Karten 40 Abb. 11 (Zwiebelknopffibeln in den germanischen Siedlungsgebieten; 45 Abb. 14 (Bügelknopffibeln mit doppelkonischem Bügelknopf). H. U. Nuber/M. Reddé, Das Römische Oedenburg (Biesheim/Kunheim, Haut-Rhin, France / Le site militaire romain d’Oedenburg (Biesheim-Kunheim, Haut-Rhin, France). Premiers résultats. Germania 80, 2002, 169–242; M. Reddé (Coordination) et al., Oedenburg. Une agglomération d’époque Romaine sur le Rhin supérieur. Gallia 62, 2005, 215–277; ders., Biesheim-Kunheim. Bilan scientifique de la région Alsace 2000 (2005) 45f.
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Der nächste Block der Vorträge galt den Höhensiedlungen im Alpengebiet nördlich des Hauptkammes, teils auf dem Boden des römischen Reichs, teils im unmittelbaren Vorfeld. Reto Marti (Liestal) widmet sich den spätantiken und frühmittelalterlichen Höhensiedlungen im Schweizer Jura. Eine große Zahl ist bekannt, wenn auch archäologisch noch wenig untersucht, und die Einbettung in das siedlungsgeographische Umfeld ist erforscht, vor allem im nördlichen Jura. Von der als hochmittelalterliche Anlage bekannten Frohburg stammen Funde des 3. Jahrhunderts und frühen 4. Jahrhunderts; der Münzspiegel endet 353. Beziehungen zum castrum von Olten zu ihren Füßen bestanden, das im späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert errichtet worden ist. Das Wittnauer Horn28 im Fricktal nahe einer Fernstraße wohl mit einem castrum in Frick ist auf 0,5 ha mit einer Mauer um 260 befestigt worden, das Münzspektrum reicht bis 350; eine Wiedernutzung ist während der Merowingerzeit im späten 7. und frühen 8. Jahrhundert, nicht zuletzt durch einen Münzschatz, belegt. Der Mont Terri mit 4 ha als Oppidum der SpätLatènezeit mit einem prähistorischen Wall ist in einer ersten römischen Siedlungsphase des späteren 3. Jahrhunderts besetzt worden, und im mittleren 4. Jahrhundert wurde die Mauer erneut aufgestockt. Die Münzreihe endet 353. Diese und weitere im späteren 3. Jahrhundert aufgesuchten Höhenstationen waren das Ergebnis der ersten großen Krisenzeit in den nordalpinen römischen Provinzen. Sie liegen mehrheitlich versteckt in schwer zugänglicher Position und waren Refugien der örtlichen romanischen Landbevölkerung, und regelhaft wurden prähistorische Anlagen wieder ausgewählt. In einer zweiten Welle wurden in der Mitte des 4. Jahrhunderts diese Höhen erneut aufgesucht, wobei andere Organisationsformen entwickelt worden sein müssen; denn nur wenige Funde spiegeln die sicherlich temporäre Nutzung. Sie haben einen klaren Bezug zu den wichtigen spätantiken Sieldungskammern. Vorgeschlagen wird der Rückzug auf die Höhen während der Jahre der Usurpation des Magnentius 350 bis 353. Zur Merowingerzeit mögen die Höhen, die in größerer Zahl besetzt wurden, kleinregionale Zentren neuer lokaler Mächte geworden sein, die wiederum nahe wichtiger Siedlungskammern des fortgeschrittenen 7. und 8. Jahrhunderts begründet wurden. Auch in diesem Gebiet des Jura gibt es also keine Kontinuität bei der Nutzung von Höhen, sondern verschiedene Phasen. R. Marti versucht, diese Etappen in enger Verbindung zu den militärischen und politischen
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H. Steuer, Wittnauer Horn. RGA2 34 (2007) 156–157.
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Ereignissen zu sehen. Zuerst wurden im späten 3. und dann wieder im mittleren 4. Jahrhundert Höhen als Refugien aufgesucht, ohne daß diese eine zentralörtliche Funktion einnahmen, denn die Siedlungen im Tal behielten ihre wichtige Rolle bei. Es zogen also keine Germanen auf die Höhen, eher wurden von den romanischen Siedlungen im Tal in schwieriger Zeit prähistorische Befestigungen wieder benutzt und der Ausbau improvisiert. Die folgenden Phasen sind um 400 und ins frühe 5. Jahrhundert zu datieren. Der Metallreichtum an Militaria, Werkzeug und Schmuck auf einer Höhensiedlung wie der von Châtel d’Arruffens war Anlaß für die These, daß hier auf unzugänglicher Höhe nicht etwa zahlreiche Handwerker wirkten, sondern daß wir den Niederschlag von Beutezügen fassen, daß es sich bei derartigen Plätzen des späten 4. und 5. Jahrhunderts also nicht um reguläre Anlagen, sondern um Verstecke von Räuberbanden oder marodierenden Truppen gehandelt hat. Die sehr ähnlichen Befunde und Fundmengen zur selben Zeit auf dem Geißkopf bei Offenburg, auf die R. Marti verweist, oder auf dem Reißberg bei Scheßlitz werden aber von den Bearbeitern dieser Plätze jeweils anders interpretiert. Eine letzte Phase der Nutzung von Höhenstationen fällt in die späte Merowingerzeit. Wohlhabende Leute einer Oberschicht schufen sich Residenzen, was kostbare Einzelfunde belegen, so auch auf dem Châtel d’Arruffens, ähnlich wie schon während des 4./5. Jahrhunderts in Südwestdeutschland. Ein Vorbild könnten der Odilienberg als Hauptsitz des Herzogsgeschlechts der Etichonen oder rätische Kirchenkastelle gewesen sein, so R. Marti. Als besonders gut erforschtes Beispiel stellt Christoph Ph. Matt (Basel) den Grossen Chastel im Solothurner Jura vor, einen abgeschieden gelegenen Inselberg von 0,2 ha Fläche. Eine zivile Höhensiedlung wurde in versteckter Lage als Refugium nach Münzfunden im dritten Viertel des 3. ausgebaut und wurde bis ins 4. Jahrhundert benutzt. Es gibt Waffen und Frauenschmuck im Fundspektrum. Das Fehlen von Funden aus dem letzten Viertel des 3. Jahrhunderts spiegele nur scheinbar eine Lücke, denn gute silberhaltige Antoniniane der Kaiser nach 275 seien eingeschmolzen worden. In der Forschung schwankt die Deutung zwischen römischem Wachtturm und gallorömischem Höhenheiligtum, während sich Chr. P. Matt für ein Refugium der Bevölkerung aus der Umgebung entscheidet. Max Martin (Basel) bewertet die Höhensiedlungen der Spätantike und des frühen Mittelalters in den römischen Provinzen Raetia I und Maxima Sequanorum südlich des Limes am Bodensee und Hochrhein und listet 24 Fundplätze auf. Eine erste Gruppe bilden militärisch befestigte Plätze mit zentralörtliche Funktion noch in der Spätantike. Dazu zählen unter anderem die Hauptorte Bellinzona, Chur und Bregenz. Sie verfügten jeweils
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eine Feste auf der Höhe. Die normale Höhensiedlung wurde in der Raetia I dann zur häufigsten Siedlungsform, von der mehr als drei Dutzend registriert sind. Die meisten Höhenstationen wurden zum Schutz der romanischen Bevölkerung gebaut und aufgesucht, worauf die lokal gut begründete Schutzlage hinweist, die bescheidene Befestigungsweise und die wenigen Funde militärischen Charakters. Der Beginn der Höhenstationen liegt fast überall im späteren 3. Jahrhundert. Die Koppelung der Münzhorte mit den Höhensiedlungen belegt die erste Phase von 270 bis 285 und eine zweite Phase im 4. Jahrhundert durch Horte mit Magnentius-Münzen. Der Abschluß von Münzreihen markiere – so M. Martin – das Ende des Bürgerkriegs zwischen Magnentius (350–353 und Constantius II (337–361). Doch auch hier sei bemerkt, daß die Münzreihen eher die Struktur der Münzproduktion und -zufuhr widerspiegeln als die punktuellen Ereignisse. Die Höhensiedlungen liegen nur teils abgelegen (von der nördlichen außeralpinen Zone aus gesehen), teils, so inneralpine Stationen, nahe von Pässen in verkehrsgünstiger Position. Noch bis ins 5. Jahrhundert wurden die Höhen sporadisch aufgesucht und erneut im 7./8. Jahrhundert oder gar schon im 6. Jahrhundert. Die einheimische provinzialrömische Bevölkerung verlegte Siedlungen auf die Höhen – Spuren von Germanen gibt es nicht. In der nördlichen Zone wurden die Höhenstationen sehr bald wieder aufgegeben, in der südlichen Zone entstanden neue Anlagen in spätrömischer Zeit und bestanden oftmals bis ins frühe Mittelalter. In der südlichen Zone waren die Höhensiedlungen denn auch keine Refugien oder einfache ‚Bergdörfer‘, sondern Wohnsitz der gesamten Bevölkerung einschließlich der Oberschicht. Weiter bis ins Mittelalter saßen hier jeweils sozial höher gestellte Familien mit ihrem Anhang, die Höhensitze wurden systematisch ausgebaut, so in Chur und Bellinzona. M. Martin vergleicht die Situation dieser neuen zivilen Siedlungsform auf befestigten Höhen in den Alpen, „gewissermaßen nach militärischer Art zu siedeln“, mit den südwestdeutschen Befunden, die – anders als er meint – aber schon vor der Mitte des 4. Jahrhunderts beginnen und ihr Ende um die Mitte des 5. Jahrhunderts fanden. Weil die römische Bevölkerung hier links des Rheins nun im Schutz von Stadtmauern (und Kastellen) lebte, könnte das die alemannische Oberschicht angeregt haben, auf geschützte Höhen zu wechseln. Im östlichen Voralpengebiet nimmt der Oberleiserberg bei Ernstbrunn in Niederösterreich aufgrund der schon fortgeschrittenen großflächigen Ausgrabungen und der dabei entdeckten Baustrukturen eine herausragende Position ein. Alois Stuppner (Wien) stellt als Leiter der dortigen Forschungen
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die Ergebnisse vor.29 Der Oberleiserberg war nicht, wie früher vermutet, eine römische Villa weit im Vorfeld des Donau-Limes in Schutzlage auf der Höhe, sondern von Anfang an ein völkerwanderungszeitlicher Königssitz in auffälliger Höhenposition. Die 8 ha große Plateaufläche war mit Ringwällen befestigt, die gesamte Fläche während der Völkerwanderungszeit besiedelt. Der vierflügelige Herrenhof ist mit den Großhöfen auf dem Monte Barro vergleichbar. Ein ständiger Um- und Erweiterungsbau von der Phase 1 (um 380) über Phase 2 (Beginn des 5. Jahrhunderts), Phase 3 (erste Hälfte 5. Jahrhundert) bis zur Phase 4 (Mitte 5. Jahrhundert) mit Torbau, zentralem Hof, Empfangssaal unter anderem bildet das Schema einer palatialen Anlage. Die Gebäude wurden von römischen Handwerkern für germanische Fürsten und Könige nach Vorbildern der römischen Repräsentations- und Palastarchitektur errichtet. A. Stuppner vergleicht diese repräsentativen Holzbauten mit der Beschreibung der Residenz Attilas bei Priscus zum Jahr 449 sowie mit der Palastarchitektur unter anderem des Ostgotenkönigs Theoderich in Ravenna und nennt als Vorläufer römische Gebäude in germanischen Siedlungen der jüngeren römischen Kaiserzeit im Donaugebiet, die als Sitze germanischer Klientelkönige gedeutet werden. Ammianus Marcellinus (Amm. 29,6,2) weist auf praesidiaria castra zur Zeit Valentinians I. (364–375) hin, der jenseits der Donau, mitten im Gebiet der Quaden, als wäre es schon römisches Eigentum, eine Schutzfeste errichten ließ, Sitz eines suebischen Heerkönigs (spätsuebische Nachfahren der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts der Markomannen oder Quaden des ausgehenden 4. und frühen 5. Jahrhunderts). Als weitere Deutungsmöglichkeit für diese Höhenstation und ihr Ende nennt A. Stuppner, ausdrücklich als Spekulation bezeichnet, anhand historischer Quellen den Heereszug des Gotenkönigs Thiudimir gegen den Suebenkönig Hunimund 469/70 oder 487 und die Zerschlagung des Rugierreiches. Jordanes erwähnt in seiner Gotengeschichte die Residenz des Hunimunds als „hochgeschützten Ort“. Auch nur als Spekulation zu bezeichnen ist die Überlegung, so H. Steuer, ähnliche Strukturen wie die Schwellbalkenbauten auf dem Oberleiserberg auch auf der Oberfläche der Terrassen des Zähringer Burgbergs bei Freiburg am Schwarzwaldrand zu vermuten. Auch hier handelt es sich nicht um einen römischen Vorposten, sondern um einen Königssitz. Dafür sprechen einerseits die umfangreichen Terrassenbauten und andererseits ebenfalls Fundamentgräbchen als Hinweis auf Hallenbauten. Am Beginn des 5. Jahrhunderts wurden von der germanischen spätsuebischen Bevölkerung allgemein Höhen als Zufluchtsort oder Dauersied-
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A. Stuppner, Oberleiserberg. RGA2 21 (2002) 483–486.
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lung aufgesucht, meist Plätze in periphärer Lage zu den damaligen Siedlungsräumen, die schon in urgeschichtlicher Zeit besetzt waren. Die Blütezeit fällt in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts. Fürstensitze als Stützpunkte und Zufluchtsorte der lokalen Bevölkerung entstanden in Böhmen (mit Zavist)30, Mähren (mit Staré Zámky) und in der Slowakei sowie im nördlichen Niederösterreich (neben dem Oberleiserberg werden sieben weitere Anlagen genannt), als Reaktion auf das Vordringen fremder Völkerschaften aus dem Osten. Hier lassen sich die Höhenstationen der Völkerwanderungszeit im nördlichen Karpatenbecken und in den Westkarpaten, der heutigen Slowakei, anschließen, deren Erforschung sich Karol Pieta (Nitra) gewidmet hat. Es handelt sich fast ausschließlich um die Wiederbesiedlung alter Wallanlagen. Nur wenige Höhensiedlungen sind eingehender untersucht. Er listet für die Slowakei 36 Höhensiedlungen auf. Die hier bis ins 6. Jahrhundert siedelnden Germanen, als Spätsweben bezeichnet, wurden von Slawen abgelöst. Die erste Besetzung der Höhen in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts wird mit den Markomannnenkriegen in Verbindung gebracht. Erneut wurden Höhen in den Stufen C 3 und D 1 der Römischen Kaiserzeit im 4. Jahrhundert aufgesucht und bis Ende 4./Anfang 5. Jahrhundert, meist als temporäre Refugien, genutzt. Regelhaft gibt es Spuren intensiver handwerklicher Tätigkeiten in den 0,2 bis 0,9 ha großen Anlagen, darunter Goldschmiede, Toreuten, Grobschmiede sowie Bronzeguß und zahlreiche Schmuck-, Münz- und Eisengeräte-Horte. Brandspuren weisen auf den gewaltsamen Untergang mancher Höhensiedlungen hin, die vor der Mitte des 5. Jahrhunderts ihr Ende fanden. In der Nordslowakei sowie in Südpolen sind Spuren des Handwerks ebenfalls Kennzeichen der Höhenstationen, so hier vor allem Eisenschmiede. Die Eisengerätschaften weisen ein breites Spektrum auf und gehören in das erste Drittel des 5. Jahrhunderts. Der Abschluß der donaugermanischen Besiedlung wird unter anderem auf dem besonders wichtigen Burgwall Bojná nördlich von Nitra erfaßt, der durch Sondengänger entdeckt wurde und wo reichhaltiges Fundmaterial, darunter Fibeln aller Art, gefunden wurden, die bis Ende 5. oder Anfang 6. Jahrhundert reichen. Das Bleimodell einer in Kerbschnittechnik mit Spiralrankenmuster verzierten Schnalle um 500 vom Burgwall Rybník-Krivin ist der Hinweis auf handwerkliche Produktion von Militär- bzw. Männergürteln in diesem Gebiet. Im Hinterland dienten solche Höhenstationen noch im 6. Jahrhundert als Refugium für Germanen gegenüber den vor-
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K. Motyková, Zavist. RGA2 34 (2007) 476–485.
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dringenden Slawen. Die ersten Slawen bzw. Keramikfunde vom Prager Typ sind etwa ab 470 nachgewiesen. Einen eignenen Charakter haben die Höhenstationen im Ostalpengebiet und südlich des Alpenhauptkammes sowie auf dem nördlichen Balkan in Slowenien, Serbien und Dalmatien, weil mehrheitlich in christianisiertem Umfeld ein zentralörtlicher sakraler Aspekt erfaßt wird, da mit der Siedlung auch die Kirchen aus der Ebene auf die Höhen verlegt wurden. Eine umfassende Zusammenstellung hatte Slavko Ciglenecˇki (Ljubljana/ Laibach) in einer Monographie 1987 vorgelegt31, darin die Höhenbefestigungen der Zeitspanne vom 3. bis zum 6. Jahrhundert im Ostalpenraum aufgelistet, beschrieben und nach Typen gegliedert. Der Katalog für das Gebiet der römischen Provinzen vom nördlichen Balkan bis an die Donau enthielt damals schon fast 130 Anlagen, die nach Militäranlagen, befestigten Dauersiedlungen und Fliehburgen getrennt kartiert wurden. Sein Beitrag in diesem Band zu „Castra und Höhensiedlungen vom 3. bis 6. Jahrhundert in Slowenien“ erweitert die Zahl der Befunde, die durch gezielte Prospektion sowie durch Sondengänger ergänzt worden ist, und bestätigt die damalige Typisierung. Der Begriff Höhensiedlung steht als Synonym für alle geschützten Anlagen in unterschiedlicher Höhe oder auch in der Ebene, gesichert durch Flußläufe. Der Typenbildung legte S. Ciglenecˇki die geographische Position, den Grundriß, die Größe, die Befestigungsmauer mit Wehrtürmen sowie die Anordnung und Art der Gebäude und die Lage zu den Fernstraßen zugrunde, außerdem das Fundspektrum einschließlich des Hinweises auf fremdes Material. Zu unterscheiden ist die Wiederbenutzung alter prähistorischer Befestigungen ohne neue Baumaßnahmen vom Ausbau bescheidener Mauern oder der Errichtung starke neugebauter Verteidgungsanlagen. Drei Phasen zeichnen sich ab. Während in der ersten Phase die Besiedlung in der Ebene bestehen blieb, verödete später dieses Besiedlungsbild; denn schon seit dem 3. Jahrhundert erlebten die römischen Städte wie Poetovio, Celeia oder Emona Krisen, wurden im 4. Jahrhundert befestigt und verloren im 5. Jahrhundert ihre Bevölkerung. Zur 1. Phase der 260/270er Jahre gehörten Militärsiedlungen und Fliehburgen, diese in prähistorischen Anlagen. Die römische Bevölkerung stellte die Bewohner. Die 2. Phase entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts und bestand noch während der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Zahlreiche nun stärker befestigte Militärstationen in geringerer Höhe nahe der Verkehrswege bildeten das Verteidigungssystem aus Sperr31
S. Ciglenecˇki, Höhenbefestigungen aus der Zeit vom 3. bis 6. Jh. im Ostalpenraum (Ljubljana 1987).
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mauern und Befestigungen der claustra Alpium Iularum zur spätrömischen Sicherung Italiens gegenüber dem Norden. Jetzt entstand erstmals ein sakrales Zentrum auf der Höhe mit zwei Kirchen, aber nur an einem Ort, in Kucˇar. Zur römischen Besatzung kamen Foederaten und andere fremde Gruppen hinzu. Die 3. Phase deckte die zweite Hälfte des 5. und das gesamte 6. Jahrhundert ab. Dazu gehören die schon früher besetzten Plätze wie Korinjski hrib, Rifnik32 und die Höhe über Vranje sowie zahlreiche weitere variantenreiche Höhenstationen als größere und nun ständig bewohnte Siedlungen. Sie wurden stark befestigt und erhielten eine komplexe Innenbebauung aus Holz- und Steinhäusern. Neben diesen größeren Orten gab es weiterhin kleine Militäranlagen und Fluchtburgen. Erfahrene Baumeister haben in den Militärlagern gewirkt, wie identische Maße der Wehrtürme und der Mauerstärken bezeugen. Neben der einheimischen romanisierten Bevölkerung sind kleine Gruppen von Ostgoten und Langobarden nachweisbar, die wohl als kontrollierende Besatzung in den Hauptgebäuden der Höhenbefestigungen saßen. Das militärische Fundmaterial, Waffen und Gürtelbeschläge, dominiert. Die ethnische Zuordnung zu Goten wird über Fibeln und Münzen, zu Langobarden über Keramik und gleichfalls über Fibeln (darunter das Model einer S-Fibel) vorgenommen. Die Gesamtorganisation könnte zeitweilig von der ostgotischen Herrschaft oder dem byzantinischen Heer ausgegangen sein. Von den 40 Höhenstationen waren drei (Kucˇar, Vranje, Tonovcov grad) sakrale Zentren mit mehreren, bis zu vier Kirchen, während in den übrigen höchstens eine kleine Kirche stand. Eine späte Phase sah die Wiedernutzung derselben Höhen zum Ende des 8. und während der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Die meisten Höhen wurden wie auch andernorts in den verschiedenen Phasen immer wieder aufgesucht, doch nur wenige waren kontinuierlich besetzt. Behutsam wird die Vielfalt der Höhenstationen erläutert und außerdem die enge Kombination mit der historischen Überlieferung gesucht, die die ethnische Bewertung des Fundstoffs maßgeblich beeinflußt. Gerade die besser erforschten Anlagen haben auch Funde erbracht, was statistisch zu beachten ist, die auf kleinere ostgotische oder auch langobardische Besatzungen hinweisen. Für Serbien erläutert Mihailo Milinkovic´ (Beograd/Belgrad) die Fülle und Vielfalt der Höhensiedlungen und weist besonders auf die seit 1912 erforschte frühbyzantinische Befestigung von Caricˇin Grad hin. Rund 170 spätantik-frühbyzantinische befestigte Höhenanlagen sind registriert, von
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V. Bierbrauer, Rifnik. RGA2 24 (2003) 613–619.
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denen 140 auf Höhen in wenigen Kilometern Abstand positioniert sind. Doch gibt es kaum ausführlichere Ausgrabungen. Im flächenmäßig kleineren Makedonien soll es sogar über 500 spätantike Befestigungen, davon 400 aus dem 6. Jahrhundert, geben. Die Anlagen in Serbien verteilen sich auf zwei Phasen, auf das 3./4. und auf das 6. und den Anfang des 7. Jahrhunderts. Während der älteren Phase dienten die Höhen als Fluchtorte, oftmals auch hier prähistorische Anlagen, und die Bevölkerung siedelte weiterhin in den Tälern. Neben einigen Militärposten des 4. Jahrhunderts in entlegenen Gebieten oder zum Schutz von Straßen gibt es die ersten sakralen Zentren mit mehreren Kirchen, so zu Füßen der Höhe bei Gradina in Pazaris¸te. Die Flächengröße der Höhensiedlungen reicht von weniger als 1 ha und 1,5 ha bis über 7,7 ha. Diese Höhenbefestigungen entstanden als Fluchtorte der einheimischen Bevölkerung bei Überfällen der Goten oder Heruler. Demgegenüber haben die Hunnenvorstöße der 440er Jahre anscheinend kaum Spuren auf Höhenstationen hinterlassen, die erst in der jüngeren Phase des 6. Jahrhunderts wieder ausgebaut wurden. Prokop nennt für einen Teil der Balkanhalbinsel immerhin Namen von 654 Kastellen, die auf Justinian zurückgehen. Insgesamt wird mit einer vierstelligen Zahl von Befestigungen des 6. Jahrhunderts gerechnet und mit hunderten allein in Serbien. M. Milinkovic´ stellt die berechtigte Frage, welchen Charakter diese vielen Stationen hatten, die oft in nur wenigen Kilometern Abstand liegen; denn von regulärem Militär hätten sie in dieser Menge nicht besetzt werden können. Im 6. und zu Anfang des 7. Jahrhunderts wurden die Talsiedlungen aufgegeben und mehrheitlich leicht zu verteidigende Höhen als Wohnsiedlungen dafür aufgesucht, mit Konzentration von Handwerk und Handelsbeziehungen und gewandelter Landwirtschaft. Die Höhe Jelica bildet mit einer Fläche von 4,5 ha, zwei Befestigungsringen und fünf Kirchen ein politisches und sakrales Zentrum, vielleicht einen Bischofssitz. Die Liturgie, so seine berechtigte Erklärung, erforderte die Prozession von Kirche zu Kirche, oder verschiedene Glaubensrichtungen von Arianern, Nestorianern und Katholiken lebten beisammen; die Gräber spiegeln eine romanische und germanische Bestattungsgemeinschaft. Bei den normalen Höhenstationen war die Mauerstärke der Befestigungen erstaunlich gering und beträgt wenig mehr als 1 m. Manchmal ist die Befestigung als Trockenmauer ohne Mörtel hochgezogen worden und konnte nur ein zeitweiliger Schutz vor Angreifern gewesen sein. Im Inneren der Befestigungsmauern wurden schlichte Steinbauten und Kirchen errichtet. Man meint, die Anlagen wurden von der lokalen Bevölkerung, der Balkanromanitas, gebaut. Doch waren auch hier Fachleute dabei; denn der Mauerverlauf mit Toren und Türmen verrät Spezialisten, Militärarchitekten und wiederkehrende
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Baumuster. Das Ende der Höhenstationen, erkennbar an Brandschichten, wird mit Zerstörungen durch Awaren und Slawen zusammengebracht. Zentralörtliche und mikroregionale oder beide Funktionen zugleich sind zu beobachten. Es gab befestigte ländliche Siedlungen und ruralisierte Städte. Das Siedlungsnetz änderte sich merklich, da die Tallagen verlassen und neue befestigte Siedlungen in den Höhen ausgebaut wurden, als letzte Stützpunkte der romanischen Bevölkerung auf dem Balkan, die aber nach den Funden nicht das einzige Ethnikum intra muros gewesen sind. Die spätantik-frühbyzantinischen Höhensiedlungen im Hinterland der Provinz Dalmatia, im heutigen Bosnien und der Herzegowina, stellt Perica Sˇpehar (Beograd/Belgrad) vor. Höhenstationen als Militärposten sicherten während der Spätantike das durch Straßen von der Küste erschlossene Hinterland mit seinen fruchtbaren Landschaften. Die zu überwachenden Straßen im Binnenland dienten dem Transport von Rohstoffen (Holz, Salz und Metalle) den Nord-Süd verlaufenden Tälern folgend und hinüber zur Küste. Schon vor und während der Invasion der Barbaren zog sich die Bevölkerung wie andernorts in Refugien auf die Höhen zurück. Eine Gliederung der 60 registrierten Plätze kann anhand der Fläche erfolgen. Es gibt große Höhenstationen mit über 1 ha (6 Plätze), solche mit 0,5–1 ha (etwa 10 Plätze) und kleine unter 0,5 ha (etwa 15 Plätze), und fast 30 weitere noch nicht ausreichend erforschte Höhenstationen werden genannt. Wie andernorts sind die großen Plätze in fast allen prähistorischen Perioden schon besiedelt gewesen und weisen auch noch im hohen Mittelalter Gräber und Kirchen auf. Unter byzantinischem Einfluß wurden starke Mauern und Türme errichtet. Inschriftensteine als Spolien nennen fremde römische Militäreinheiten. Die Höhenstationen mittlerer Größe liegen höher, waren nicht nur Refugien, sondern auch strategische Posten zur Kontrolle von Straßen. Sie waren teils seit dem 1. Jahrhundert besetzt und wurden im 4. oder frühen 5. Jahrhundert zerstört, erneuert und wieder zerstört. Im 6. Jahrhundert wurden in der Festung Mogorjelo, die in der Ebene liegt, erstmals zwei Kirchen an der Stelle des früheren Palastes errichtet. Ob der Platz damals noch eine fortifikatorische Rolle spielte, ist offen. Weitere große Höhenstationen waren vom 4. bis 6. Jahrhundert besetzt, befestigt mit Mauern und Türmen und hatten eine Kirche. Eine späte Phase der Befestigung folgte nach dem Ende der byzantinischen Herrschaft noch einmal im 8. und 9. Jahrhundert. Die kleinsten befestigten Höhenstationen längs von Straßen dienten als Kontrollpunkte, einige sehr hoch gelegene als Refugium. Auch auf manchen dieser Höhen gab es eine Kirche und Gräber. Die Nutzungsphasen der Höhen sind also sehr unterschiedlich, nachgewiesen sind nach den Anfängen im 1. Jahrhundert das spätrömische
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3./4. Jahrhundert, dann das 4. bis 6. Jahrhundert und ebenfalls wieder das 8./9. Jahrhundert, entsprechend der bewegten politischen Geschichte dieses Raumes seit dem 4. Jahrhundert, mit wechselnden Gruppierungen wie römisches Militär, Goten, Awaren, Slawen und byzantinisches Militär, wobei vor allem an Militärstationen und Refugien zu denken ist. Erst später folgte der Wechsel vom militärischen Posten zur befestigten Wohnsiedlung mit Kirche. Das Fehlen von Gräberfeldern in zahlreichen Höhenstationen könnte der Hinweis – wenn nicht Forschungslücken vorliegen – auf eine nur temporäre Besetzung der Höhen sein. Der Beginn des Zuges der byzantinischen Bevölkerung auf die Höhen erfolgte im dalmatinischen Hinterland also ebenso wie in den Ostalpen und in anderen Gebieten des römischen Reichs vor Beginn der eigentlichen barbarischen Invasionen. In Nordtirol und Kärnten, den römischen Provinzen Noricum Mediterraneum und Raetia II hat Franz Glaser (Klagenfurt) Castra und Höhensiedlungen des 4. bis 6/7. Jahrhunderts systematisch durch Ausgrabungen erschlossen, in dem Bereich des Ostalpenraums, den auch S. Ciglenecˇki berücksichtigt und schon 1987 umfangreich katalogisiert sowie nach Typen gegliedert veröffentlicht hat.33 Zu unterscheiden sind Castra und Höhensiedlungen nach Kontinuität und Diskontinuität der Besiedlung. An der Nutzungszeit der Kirchen34 als letzte Großbauten der römischen Antike in den Höhenstationen zeigen sich Unterschiede zwischen Kärnten (Abbruch der Tradition), Nordtirol (Kulttradition bis heute) und Osttirol (sowohl Kontinuität als auch Abbruch, dieser bei den arianischen Kirchenbauten). Auf dem Hemmaberg und andernorts erfolgte jeweils die Verdoppelung der kultischen und liturgischen Einrichtungen, weil man Kirchen für die beiden unterschiedlichen Christengemeinden, den katholischen Romanen und den arianischen Ostgoten, brauchte. Nach dem Ende der Ostgotenherrschaft (493–536) werden die arianischen Kirchen profan genutzt. Die befestigen Höhensiedlungen untergliedert F. Glaser in Dauersiedlungen, Militärbefestigungen und militärische Kleinkastelle sowie Fliehburgen in Sinne von S. Ciglenecˇki. Zu den Dauersiedlungen gehören Zentralorte. Im südlichen Kärnten ist als ein solcher der Hemmaberg35 umfassend erforscht. Die Besiedlung mit der Befestigungsmauer und der ersten Kirche begann um 400. Am Anfang 33
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S. Ciglenecˇki, Höhenbefestigungen aus der Zeit vom 3. bis zum 6. Jahrhundert im Ostalpenraum (1987); vgl. dazu auch seinen Beitrag in diesem Band. F. Glaser, Frühes Christentum im Alpenraum. Eine archäologische Entdeckungsreise (Regensburg Graz Wien Köln 1997); allg. H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit, 2 Bde. (München 2003) dort mit den Beiträgen Glasers 413–438 und 865–880. F. Glaser, Hemmaberg. RGA2 14 (1999) 374–377.
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des 6. Jahrhunderts wurden zur Zeit der Ostgotenherrschaft die zwei Doppelkirchen-Anlagen errichtet. Die Kirchen für die Eucharistiefeier gehörten mit 30 m Länge zu den größten Sakralbauten des Ostalpenraums. Märtyrerverehrung und Pilgerwesen haben zur großen Zahl der Kirchen geführt. Ob sich der Bischof von Virunum hierher zurückgezogen haben könnte (so auch S. Ciglenecˇki in diesem Band S. 520), nach dem Modell von H. Vetters episcopus in castellis, ist offen. Eher dienten die Kirchen unterschiedlichen Konfessionen, errichtet zur Zeit des Theoderich, wie das auch für Lavant36, Oberlienz und Rifnik in Slowenien sowie in Sabiona/Säben37 anzunehmen ist, vielleicht auch auf dem Grazer Kogel und auf dem Duel, also für eine katholische Gemeinde der Romanen und eine arianische der Goten; V. Bierbrauer teilt diese Meinung bekanntlich nicht. Neben den befestigen Höhensiedlungen des 5./6. Jahrhunderts hat es im Tal Straßenstationen mit ostgotischer Besatzung gegeben, wofür in Globasnitz am Fuße des Hemmabergs dieses Verhältnis von Tal- und Bergsiedlung zu beobachten ist. Im Tal bestanden eine Kirche und ein Gräberfeld mit Bestattungen romanischer und germanischer Bevölkerung (diese – so F. Glaser – zum Beispiel anhand „ostgotischer“ Kriegergürtel und Schädeldeformationen nachgewiesen). Die zweite Gruppe der Höhenstationen nach S. Ciglenecˇki sind Militärbefestigungen in entsprechend ausgewählter natürlich gesicherter Geländeposition mit einer Befestigungsmauer, die daher mit 90 cm Stärke nur geringmächtig zu sein brauchte. Der 35 m über der Ebene hohe Duel38 bei Feistritz nahe der Fernstraße mit 1,3 ha Fläche war von eine Kette von Wohnbauten längs der Mauer und einer Kirche besetzt. Der Platz ist mit dem Korinjski hrib in Slowenien, der eine Fläche von 1,2 ha einnimmt, vergleichbar, wo das Militär ebenfalls in Bauten längs der mit Türmen bestückten Mauer stationiert war. Die dritte Gruppe bilden militärische Kleinkastelle oder Militärposten, sogenannte burgi. Diese Fliehburgen waren mit Mörtelmauerwerk befestigt, nur wenige hundert m2 groß, aber mit einer Kirche und Speicherbauten für Notzeiten ausgestattet. Für die Gesamtentwicklung ist das Verhältnis zwischen der teils fortbestehenden Besiedlung im Tal und dem Zug auf die Höhe aufschlußreich. Der Wechsel der Siedlungen auf die Höhe galt auch für Zentralorte wie Virunum mit der Provinzverwaltung, das nach Tiburnia/Teurnia39 auf eine
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E. Walde, Lavant. RGA2 18 (2001) 158–159. V. Bierbrauer, Säben. RGA2 26 (2004) 69–73 (mit abweichender Interpretation, auch für Binnennorikum). H. V. Petrikovits, Duel. RGA2 6 (1986) 226–238. F. Glaser, Teurnia an der Drau. RGA2 35 (2007) (im Druck).
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niedrige Höhe, die schon in prähistorischer Zeit genutzt worden war, verlegt wurde, da sie leichter zu befestigen war. Das geschah vermutlich im ersten Drittel des 5. Jahrhunderts auch mit anderen Orten, nicht etwa schon im 3. Jahrhundert, so F. Glaser, und zwar aufgrund staatlicher Veranlassung im Rahmen eines strategischen Konzepts, ähnlich wie die Evakuierung Ufernoricums im Jahr 488. Um 400 wurde der Ort mit einer 0,90 m starken Mauer versehen, ähnlich gebaut wie die Mauer vom Duel. Etwa 10,5 ha der spätantiken Stadt wurden gesichert, und intra, aber auch extra muros schon Kirchen errichtet sowie Gräberfelder im 5. und 6. Jahrhundert belegt. In unmittelbarer Nähe zur alten Stadt Virunum wurden der Grazer Kogel, 50 m über die Ebene aufragend, befestigt und dort zwei Kirchen errichtet, entweder am Anfang oder erst am Ende des 5. Jahrhunderts, wohl eine katholische und eine arianische. Auch in Aguntum wurde die Bischofskirche schon gegen 400 vor Errichtung der umgebenden Höhensiedlungen gebaut, und Bestattungen wurden bis ins 6. Jahrhundert angelegt. In 4 km Entfernung lag auf der Höhe die befestigte Siedlung von Lavant40 südlich der Drau mit zwei Kirchen. Entscheidend für den Strukturwandel war – so F. Glaser – anscheinend das Ende der Ostgotenherrschaft und die Übergabe der Provinz an die Franken. Die Bischofskirche innerhalb der Mauern zeigt zwei Bauphasen, eine um oder bald nach 400 und die andere im 6. Jahrhundert. Die Stadt scheint ihr Ende zu Anfang des 7. Jahrhunderts gefunden haben, wohl durch Slawen. Als nächste wesentlich jüngere Phase erfolgte eine Klostergründung 10 km östlich von Teurnia im 8. Jahrhundert, in Molzbichl, und auch an weiteren Orten wurden Kirchenbauten zu dieser Zeit errichtet. Höhensiedlungen in Osträtien und Noricum bzw. in Nord- und Osttirol des 5. bis 7. Jahrhunderts hat jüngst auch Harald Stadler beschrieben und mehr als 30 Plätze aufgelistet.41 Er weist darauf hin, daß bei der Tagung in Freiburg Vorarlberg sowie der Nord- und Osttiroler Anteil Osträtiens und Westnoricums nicht behandelt worden seien und schließt mit seinem Aufsatz im Katalog „Romanen & Germanen“ von 2005 gewissermaßen die Lücke. Deshalb soll hier auf diesen Beitrag hingewiesen werden. Da in diesem Gebiet die Schriftüberlieferung wenig zur Frage der Höhensiedlungen 40
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B. Kainrath, Lavant. Eine spätantike Höhensiedlung und ihr Handels- und Kulturbeziehungen, in: J. Holzner/E. Walde (Hrsg.), Brüche und Brücken. Kulturtransfer im Alpenraum von der Steinzeit bis zur Gegenwart (Bozen 2005) 135–150; ferner F. Glaser, in: Sennhauser (wie Anm. 34) 630–635 und M. Tschurtschenthaler, ebenda 771–773. H. Stadler, Höhensiedlungen der Spätantike und des frühen Mittelalters in Osträtien und Noricum (5.–7. Jh. n. Chr.) mit einem Corpus germanischer Kleinfunde in Tirol, in: Romanen und Germanen im Herzen der Alpen zwischen 5. und 8. Jahrhundert. Beiträge, hrsg. vom Südtiroler Kulturinstitut (Bozen 2005), 263–281, 278 Abb. 130 Karte, 279 Liste.
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beiträgt, kann nur die Archäologie neue Aufschlüsse bieten, nicht zuletzt durch den Einsatz des Metallsuchgeräts. H. Stadler bezieht sich auf eine ältere Gliederung der Anlagen durch V. Bierbrauer 42 in Höhensiedlungen an Hauptverkehrswegen auf Inselbergen oder Anhöhen im alpinen Gebiet. Zu diesen beiden Lagen kommen nun Terrassensiedlungen am Hang hinzu. H. Stadler erläutert beispielhaft drei Höhenstationen, nämlich den Großen und den Kleinen Sonnenburger Hügel bei Natters an der Fernstraße zum Brenner, jeweils auch mit frühmittelalterlichen Gräbern, den Lavanter Kirchbichl (s.o.) und den Zienerbichl und dazu auch das aufschlußreiche Fundmaterial. Er weist wie andere auf die Problematik des Begriffs „Höhensiedlung“ hin, da er im gebirgigen alpinen Bereich von Natur her mehrdeutig ist und offen bleibt, ob für die Vertikalverschiebung soziale, wirtschaftliche oder klimatische, banal landschaftliche Gegebenheiten maßgeblich waren. Für die Zeit seit dem 4. Jahrhundert ist der Zug auf die Höhe nachgewiesen, vielleicht vor dem Hintergrund der konstantinischen Ordnung, nach der in Rätien Festungsbauten entstanden sein sollen. Wann die Höhen wieder verlassen wurden, bleibt offen. Nach den „Kriterien der Gräberkunde“ bringen Sondengäber immer mehr ostgotische, bairische, alemannische und langobardische Funde zu Tage, die als Siedlungfunde aber nicht ethnisch auswertbar seien. Deshalb müsse offen bleiben, ob die Funde des 5./6. Jahrhunderts mit den Goten verbunden werden könnten, die bis 536 in Tirol nachweisbar wären oder ob allgemeine Akkulturation mit zu berücksichtigen sei; denn „jede Höhensiedlung hat ihre eigene Geschichte“. Castra und Höhensiedlungen im alpinen Südtirol und im Trentino einerseits und in den Ebenen von Friaul andererseits aus spätrömischer, ostgotischer, byzantinischer und langobardischer Zeit erläutert ausführlich Volker Bierbrauer (München).43 Er weist darauf hin, daß die beiden Gebiete geo-
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V. Bierbrauer, Frühmittelalterliche Castra im östlichen und mittleren Alpengebiet: Germanische Wehranlagen oder romanische Siedlungen? Archäologisches Korrespondenzblatt 15, 1985, 497–514. V. Bierbrauer trägt als neue Literatur den Katalog nach: W. Landi (Red.), Romanen & Germanen im Herzen der Alpen zwischen 5. und 8. Jahrhundert. Beiträge (Bozen 2005), darin sind für das archäologische Thema relevant u. a. G. P. Brogiolo/G. Gentilini, Castelfeder und Perdonig in Südtirol. Frühmittelalterliche Mauerstrukturen im Vergleich, 315–329; V. Bierbrauer, Die Ausgrabungen im spätantik-frühmittelalterlichen Bischofssitz von Sabiona-Säben, 331–349; B. Maurina, Befestigte Siedlungen der Spätantike im Trentiner Raum. Der Fall Loppio, 351–371; zuletzt dies., Due reperti di epoca carolingia da Loppio-S. Andrea (TN). Atti dell’ Accademia Roveretana degli Agiati, a. 256 (2006), ser. VIII, vol. VI, A, 41–56; B. Maurina/C. A. Postinger, Loppio, Isola di S. Andrea (TN). Relazione preliminare sulla campagna di scavo 2005. Annali del Museo Civico di Rovereto 21, 2005, 23–40; C. Pezzato, Studio di alcuni reperti mobili provenienti scavo di Loppio S. Andrea (TN), settore A, ebenda 41–86.
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morphologisch grundverschieden sind, einerseits das alpin geprägte mittlere Alpengebiet, andererseits die Tiefebene von Friaul, die naturräumlich dominiert. Die Verbindung zum Thema schuf gewissermaßen Paulus Diaconus44, der für beide Gebiete castra nennt, und zwar zwölf für das Alpengebiet anläßlich der fränkisch-langobardischen Kriege zum Jahr 590 (Hist. Lang. III,31) und sieben für Friaul in Zusammenhang mit dem Awareneinfall 610 oder 611 (Hist. Lang. IV,37). Für das mittlere Alpengebiet ergibt sich trotz des ungenügenden Forschungsstandes, daß im Verlauf des 5. Jahrhunderts der Weg von den offenen Talsiedlungen zu den geschützten Höhensiedlungen führte, die nicht etwa Refugien waren, sondern die Siedlungskontinuität bis zum 7./8. Jahrhundert spiegeln. Dieser Prozeß setzte – so V. Bierbrauer im Gegensatz zur übrigen archäologischen und historischen Forschung – schon in vorostgotischer und vorlangobardischer Zeit als Kennzeichen des romanischen Siedelverhaltens ein. Paulus Diaconus und auch zuvor Gregor von Tours (Hist. Franc. X,3) berichten für die Zeit um 590 von den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Franken und Langobarden. Die Franken eroberten castra und castella, zerstörten die Burgen und führten die Einwohner fort, und zwar Romanen, nicht Langobarden. Es handelt sich um „wehrhafte Romanensiedlungen“. Es waren also keine – wie man bisher gemeint hat – langobardische Neuanlagen im Sinne von Militärstationen, auf byzantinische oder ostgotische Anlagen zurückgehend, und vor allem kein insgesamt geplantes Befestigungssystem. In Friaul lagen die Verhältnisse völlig anders, denn dort siedelte die romanische Bevölkerung, aber auch die langobardische, vom 5. bis zum 7./8. Jahrhundert weiterhin in der Ebene. Die castra auf den Inselbergen, von denen sowohl der Siedlungshügel als auch der zugehörenden Kirchhügel von Ibligo-Invillino vollständig ausgegraben sind, waren seit der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts anscheinend romanische Mittelpunktsieldungen und nicht etwa langobardische Militärsiedlungen. Doch fehlen noch sichere Belege, so für die anderen castra. Die Überlieferung der Schriftquellen wird gesichtet und dann mit den archäologischen Ergebnissen parallelisiert, um eine gemischte Argumentation zu vermeiden. Von der historischen Überlieferung ausgehend sind vier Zeitebenen zu berücksichtigen, die spätrömische, die ostgotenzeitliche, die byzantinische und die langobardenzeitliche. Für den mittleren Alpenraum sind aus vorostgotischer Zeit keine Castra namentlich überliefert. Erst ein
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W. Pohl, Paulus Diaconus. RGA2 22 (2003) 527–532.
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Brief Theoderichs von 507/511 (Cassiodor, Variae III,48)45 nennt ein castellum Verruca. Theoderich fordert darin die Gothi und Romani auf, auf Verruca (höchstwahrscheinlich der Doss Trento bei Trient) für den Fall kommender Gefahr Unterkünfte als Vorsorge schon in Friedenszeiten zu bauen. Es handelt sich also um ein im frühen 6. Jahrhundert weiter vorbereitetes Refugium, das schon bestanden hat, nicht um eine mit ostgotischen milites besetzte Militärstation; denn noch war kein allgemeiner Weg vom Tal in die Höhe, vor allem nicht für Romanen, zu beobachten. Von den ebenfalls zu 507/511 überlieferten Augustanae clusurae (Cassiodor, Variae II,5) ist keine Anlage namentlich bekannt. Erst für die Langobardenzeit werden tatsächlich zahlreiche castra bzw. castella von Paulus Diaconus mit Namen genannt, aber nicht als Höhenstationen beschrieben, die von byzantinischem oder auch fränkischem Militär besetzt gewesen waren. Man muß von romanischen Bewohnern der castra ausgehen, diese als wehrhafte Romanensiedlungen ansehen; denn nichts spricht für ständige langobardische Militärstationen, d.h die castra waren keine Militärposten, sondern befestigte Siedlungen. Wann und warum wurden diese romanischen Castra angelegt, fragt V. Bierbrauer. Ursache waren die Gefährdungen der Bewohnerschaft seit dem 5. Jahrhundert. Offen ist, ob man schon auf die Höhen mit den kompletten Siedlungen auswich oder nur Refugien ausbaute. V. Bierbrauer erläutert die begrenzten Aussagemöglichkeiten aufgrund der unbefriedigenden Forschungslage. In Südtirol sind auch nicht mit Namen benannte Höhensiedlungen bekannt, deren Verhältnis zu den Talsiedlungen aufschlußreich ist. Das Fundspektrum erstreckt sich von der 2. Hälfte des 5. bis ins 7. Jahrhundert oder gar in einigen Fällen bis ins hohe Mittelalter, das 10./11. Jahrhundert. In der Höhensiedlung von Castelfeder wurde im 7. Jahrhundert eine Kirche errichtet, auch in Altenburg/Castelvecchio eine Kirche des 5./6. Jahrhunderts. Die Talsiedlungen sind bis in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts oder noch bis ins 6. Jahrhundert bewohnt, die italienischen Kollegen meinen sogar, bis weit ins 6. oder gar 7. Jahrhundert, das heißt die Frage nach dem Verhältnis von Tal- zu Höhensiedlung ist derzeit noch nicht sicher zu beantworten. Wohl in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts erfolgte nach Auffassung von V. Bierbrauer der Zug auf die Höhe, als Ausweichen der romanischen Bevölkerung in dauerhaft bewohnte Höhensiedlungen und nicht nur in Refugien. Sie wurden nicht von Goten oder Langobarden angelegt, für die höchstens eine kurz-
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Auch herangezogen in den Beiträgen von F. Glaser sowie D. Geuenich und Th. Zotz in diesem Band.
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fristige Präsenz denkbar ist, ebenso wie möglicherweise für eine byzantinische Besatzung. Im Trentino existierte Tridentum im 5.–7. Jahrhundert weiter, aber mit deutlichen Merkmalen einer Ruralisierung. Die Zeit der Erbauung der großen Kirchenanlage auf dem Doss Trento (s. o.) ist strittig (4.–6. Jahrhundert), existent spätestens in den 30’-Jahren des 6. Jahrhunderts. Die Lage der Höhensiedlungen im Nonsberg, besetzt wohl schon ab dem 5. und dann im 6. und 7. Jahrhundert, war durch den Naturraum bedingt. Siedlungen sind durch Kirchenbauten und Nekropolen für diese Zeit gesichert. Im Trentiner Etschtal ist Siedlungstätigkeit vom 1.–5. Jahrhundert nachgewiesen. Wie lange und in welchem Umfang diese hier weiterbestand bzw. ein Rückzug in Höhenanlagen erfolgte, ist zwischen E. Cavada und V. Bierbrauer umstritten. Außer Höhensiedlungen (Castra von Paulus Diaconus und namentlich nicht bekannte) weist V. Bierbrauer mit Blick auf den Naturraum auch auf das ‚Siedeln in der Höhe‘ hin, besonders seit dem 4. Jahrhundert mit Kontinuität bis ins 7. Jahrhundert, auch diese Siedelweise verbunden mit der Frage nach dem Ausweichen von Romanen aus der Talsiedlung. Insgesamt wird für Südtirol und das Trentino deutlich, dass beide Regionen hinsichtlich der Siedlungsstrukturen und des Siedelverhaltens vom 4.–7. Jahrhundert vermutlich deutliche Unterschiede aufweisen, wenn die schlechte Quellenlage nicht täuscht, zum Beispiel Kirchen in den Castra in Südtirol, aber bislang (mit Ausnahme des Doss Trento) im Trentino (noch) nicht (unterschiedliche kirchliche Strukturen?). Die völlig andere Situation in Friaul ist hinsichtlich der Castra wiederum wesentlich durch den Naturraum bestimmt. Anlässlich eines verheerenden Awareneinfalls 610 oder 611 nennt Paulus Diaconus mehrere castra sowohl auf Inselbergen im Tagliomento-Tal bzw. in der Tiefebene als auch am Rande der Vorgebirgslandschaft zu den Julischen Alpen. Alle Anlagen sind lokalisierbar; eine ähnliche Situation wiederholte sich 663. Die historische Forschung und ihr folgend auch die archäologische sah in diesen Anlagen lange Zeit langobardische Wehranlagen, sogar einen Limes, eine Auffassung, die man auch nach den Ausgrabungen in Ibligo – Invillino in ähnlicher Form noch weiter findet: Nach V. Bierbrauer handelt es sich jedoch um genuin wehrhafte romanische Siedlungen, entstanden im Verlauf des 5. Jahrhunderts; wie in Ibligo gehen sie – soweit bekannt – auf römische Wurzeln zurück. In diese castra zogen sich Langobarden im Falle der Gefahr – wie 610/611 und 633 – eben nur zu Verteidigungszwecken zurück, eine interdisziplinäre Interpretation, die – so V. Bierbrauer – jedenfalls auf Ibligo – Invillino zutrifft und auf diese Weise auch die Quelle bei Paulus Diaconus nicht überfordert. Ostgotische und byzantinische Präsenz ist
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nicht belegbar, weder historisch noch archäologisch. Invillino – Ibligo ist nach wie vor das einzige von Paulus überlieferte castrum, das flächig untersucht ist46, gelegen auf dem Inselberg Colle Santino im oberen Tagliamento-Tal und als inexpugnabilis bezeichnet. Drei Perioden konnten nachgewiesen werden: zwei kaiserzeitliche vom 1. Jahrhundert bis in die 1. Hälfte oder Mitte des 5. Jahrhunderts, eine letztlich bescheidene Ansiedlung ohne besondere Ausstattungsmerkmale und ohne nennenswerte ökonomische Grundlage, was sich erst gegen Ende der Periode II ab dem späten 4. Jahrhundert zu wandeln beginnt. Für Periode III (bis in die 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts) wird die römische Siedlung demontiert und einplaniert und darüber Wohnhäuser und handwerklichen Tätigkeiten dienende Gebäude errichtet in einer völlig neuen Bauweise, nämlich Holzbauten auf Trockenmauersockeln. Diese Siedlung ist es, die Paulus Diaconus als castrum bezeichnet. V. Bierbrauer interpretiert diese als eine Art Mittelpunktsiedlung für die romanische Bevölkerung der umgebenden Talschaft, eine Interpretation, die auch durch die nahe gelegene große Kirchenanlage (Gemeindeund Taufkirche) aus der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts auf dem benachbarten Colle di Zuca gestützt wird. Sie fiel einer Brandkatastrophe in der 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts zum Opfer und wurde ohne Hiatus als Rechteckbau neu errichtet mit einem Bestand vermutlich bis in die 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts. Ob die Grabungsergebnisse in Ibligo sozusagen als Modell auf die anderen friulanischen Castra übertragen werden darf, bleibt natürlich fraglich, solange diese nicht flächig untersucht sind. Dennoch hält V. Bierbrauer neuerdings vertretene historisch-archäologische Auffassungen (N. Christie, L. Villa), die wieder nahe an die alten Forschungsmeinungen (s. o.) heranrücken, weder mit den Schriftquellen noch mit dem Wenigen, was man archäologisch über Ibligo hinaus zu den anderen castra in Friaul weiß, vereinbar47. Die Interpretation der castra bei Paulus Diaconus bleibt also – wie in Südtirol und im Trentino – weiterhin ein Problem und zeigt wiederum beispielhaft das Spannungsfeld zwischen archäologischer und schriftlicher Überlieferung auf. Mit anderen Worten: Wie weit darf der Archäologe interpretativ voranschreiten? Eine andere offene Frage ist ferner die Siedlungsstruktur vom 4.–7. Jahrhundert in der friulanischen Tiefebene, also dort, wo die romanische Be46
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V. Bierbrauer, Invillino. RGA2 15 (2000) 470–475; ders. Säben. RGA2 26 (2004) 69–73; allg. auch ders., Italien § 16. Germanen in Italien. RGA2 15 (2000) 585–593. Ausführlich hierzu N. Christie in seinem kürzlich erschienenen Werk „From Constantine to Charlemagne. An Archaeology of Italy AD 300–800 (Ashgate 2006) 391–396, nun wieder mit Annäherung an die Positionen von Bierbrauer; für unsere Tagung ist das Kapitel 4: „Defence and Power“ (S. 281–399) wichtig, ebenso Kapitel 5: „Rural Settlement and patterns of Change“ (S. 401–491).
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völkerung nicht auf die wenigen, naturräumlich vorgegebenen Inselberge sich schützend zurückziehen konnte, und dies ist der größte Teil der ‚pianura‘. Der archäologische Befund im 6. und 7., wohl auch schon im 5. Jahrhundert, ist eindeutig, nämlich Nekropolen (romanische und langobardische, oft in einer Sepulkralgemeinschaft, so in Romans d’Isonzo)48, aus denen Talsiedlung erschließbar ist, ebenso Kirchen dieser Zeit. Da lagebezogen in der Regel nicht an die römischen Siedlungen anschließbar, bleibt der Wandel in der Siedlungsstruktur ab dem 5. Jahrhundert gleichfalls ein noch ungelöstes Problem. Höhensiedlungen und Castra zwischen Spätantike und Frühmittelalter im westlichen Oberitalien erläutern Elisa Possenti (Maserada sul Piave, Treviso) und Gian Pietro Brogiolo (Padova), die in den verschiedenen Gebieten Norditaliens eine durchaus ungleiche Entwicklung hatten, als Folge der unterschiedlichen politischen Entwicklung vom 4. bis 7. Jahrhundert. Galt es im 5. Jahrhundert, die Fernstraßen zu sichern, dann in ostgotischer Zeit die Städte gegen die Franken zu schützen, ehe in byzantinischer Epoche wiederum die Sicherung der Straßen vor der Bedrohung durch die Langobarden zu sichern war. Diese Abfolge verbindet sich mit Vorstellungen von Befestigungssystemen in der Poebene, also mit der These von regelrechten Verteidigungssystemen, wobei aber noch nachzuweisen ist, daß diese tatsächlich existiert haben, was V. Bierbrauer für den östlichen Bereich entschieden ablehnt. In der Übersicht zu Anfang referiert E. Possenti, daß in Slowenien vom Ende des 4. bis Anfang des 5. Jahrhunderts Befestigungen errichtet wurden, in den mittleren West-Alpen aber erst gegen Mitte des 5. Jahrhunderts. Damals entstanden das castrum Sirmione und im Alpenareal der Monte Barro49 und Castelseprio.50 Beide Anlagen sind beste Beispiele für sehr große castra. Die ausführlich erforschten Plätze sind S. Antonino di Perti an der Küste Liguriens, der Monte Barro und Castelseprio in der Lombardei, der Rocca di Garda und Monselice in Venetien. Auf dem Monte Barro oberhalb des Comer See wurde die Siedlung im zweiten Viertel bis Mitte 5. Jahrhundert gegründet und auf der Gipfelpartie eine Fläche von 50 ha mit einer 5 km langen Mauer und rechteckigen Türmen befestigt, überall dort, wo der Steilhang eine Sicherung unnötig machte. Auf ebenen Terrassen innerhalb dieser Fläche wurden verteilt das Grande edificio als Vierseitanlage mit leichter Ummauerung und Torgebäude – als Sitz des Militärbefehlshabers – und weitere Großgehöfte errich48 49 50
V. Bierbrauer, Romans d’Isonzo. RGA2 25 (2003) 320–323 G. P. Brogiolo, Monte Barro. RGA2 20 (2002) 199–204. E. Possenti, Seprio, Castel. RGA2 28 (2005) 182–185.
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tet, jeweils in Steinbauweise. Das Ende der Siedlung markiert ein großer Brand zwischen 540 und 580. Mehrere vergleichbare Festungen liegen auf den Höhen oberhalb des Comer Sees, und in Como selbst wurde die Mauer im 5. Jahrhundert mit Türmen verstärkt. Die Höhenstationen hatten weiterhin Kontakt zu den ländlichen Siedlungen in der Ebene und waren eher Militärstationen zur Kontrolle der Fernstraßen als zurückgezogene Dörfer. Castelseprio erstreckt sich auf einem niedrigen Hügel, wurde in der Mitte oder der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts errichtet und mit einer 800 m langen Mauer mit Türmen befestigt. Die Größe von 4,5 ha wurde später um 2 ha erweitert. Der Ausbau dieser Anlagen erfolgte in ostgotischer Zeit (Ende 5. und 6. Jahrhundert), eine durchstrukturierte Organisation ergänzt durch neue kleinere Befestigungen auf Höhen wie Gaino oberhalb des castrum Garda. In der Mitte des 5. Jahrhunderts bis zum Ende des 6. Jahrhunderts wurde eine südliche Verteidigungslinie in Piemont aus Städten und castra entlang der Straßen nördlich des ligurischen Apennin ausgebaut, nicht nur Höhensiedlungen organisiert. Während der ostgotischen Zeit am Ende des 5. und in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts wurde dieses Verteidigungssystem verstärkt durch Ausbau der alten und Errichtung neuer Befestigungen. Dazu gehörten der Monte Barro, Castelseprio und Garda sowie mehrere kleinere Befestigungen, ebenso auch der Bau von Kirchen innerhalb der Castra. Für die Langobardenzeit, seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts, werden zwei Systeme mit Verteidigungslinien unterschieden, ein nördliches als älteres, das von den Langobarden in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts erobert und kontrolliert wurde, und eine südliche jüngere Befestigungslinie, die von den Byzantinern 575/584 gegen die Langobarden neu ausgebaut wurde, auf niedrigen Hügeln unter anderem in den Lagunen bei Venedig, zum Beispiel Grado im 6. Jahrhundert, oder auf Höhen, wie das castrum Mons silicis/Monselice, letzteres 23 km südwestlich von Padova (Venetien), das die Langobarden 601/3 den Byzantinern abnahmen. Sie waren ummauert und besaßen Kirchen. Schließlich ist noch eine Kastellkette an der Küste Liguriens bei Genua entstanden, für die Versorgung der byzantinischen Gebiete über See. Zu Anfang des 7. Jahrhunderts änderten sich erneut die politischen Strukturen. Einige castra wurden Sitze von civitates, darunter Castelseprio, Monselice und Garda, wobei es sich um die Übernahme eines Modells handelt, das von den Byzantinern als territoriale Bereiche der Verwaltung entwickelt worden war. Die größte Ausdehnung dieser civitates wurde im 8. Jahrhundert erreicht, bald danach wurden sie wieder verlassen, weil sie
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nicht mehr nützlich waren. In Castelseprio wurden Häuser an und auf der Mauer errichtet, weil diese nicht mehr gebraucht wurde. Nur ein Ausblick auf Höhensiedlungen der Spätantike und des frühen Mittelalters für Mittelitalien war möglich, dem sich Carlo Citter (Grosseto) mit einer Skizze widmet. Die Landschaft schließt Hochgebirge, Mittelgebirge und Küstenregionen ein. Der Forschungsstand ist noch schütter, zumal die Spannweite vom 4./5. Jahrhundert bis nach 1000 berücksichtigt werden muß. Zahlreiche Belege gibt es für Höhensiedlungen in der Toskana, wenige für die in Latium und in den Abruzzen und kaum Hinweise auf Höhenstationen für Umbrien und die Marken. C. Citter unterscheidet zwei hochmittelalterliche Gruppen, einerseits die vom Kaisertum errichteten militärischen Befestigungen, andererseits die Dörfer auf den Höhen. Die Wurzeln führen zum einen bis in das 7. Jahrhundert zurück, und die Anlagen bilden zum anderen die Basis für das spätere „incastellamento“. Die frühen Phasen in der Toskana haben keinen Niederschlag in den Schriftquellen gefunden. So werden zwar mehrere tausend Fundstellen genannt, darunter über 2000 Höhensiedlungen, die aber zumeist nicht datiert sind, und zudem ist nicht bekannt, was sich unter den hochmittelalterlichen Burgen verbirgt. In der Toskana werden etwa 37 Höhensiedlungen registriert, davon 24 auch für die frühen Phasen, die landwirtschaftlich ausgerichtet waren. Die allgemeine Krise des römischen Reichs im 3./4. Jahrhundert führte zu Befestigungen in der Ebene und auf den Höhen, doch war Mittelitalien davon weniger betroffen, vielmehr die Alpen und die Poebene. Erst in der zweiten Welle von etwa 500 bis 680 wurden castra gegründet, selten innerhalb des alten Siedlungssystems, mit Ausnahme der Bischofssitze. Erneut ist mit dem Ausbau von Befestigungen während der Karolingerzeit im 9. Jahrhundert zu rechnen, gegen Überfälle der Ungarn, Wikinger und Muslime an den Küsten und in der Poebene, ehe die Entwicklung der Burgen des hohen Mittelalters, des 10. bis 13. Jahrhunderts einsetzte, als Wohnsitze des Adels und Mittelpunkt von Grundherrschaften. Nach anderer Meinung (Chr. Wickham) erfolgte der Schritt zur Verlagerung der Siedlungen, auch der curtes, von der Ebene auf die Höhen zu verschiedenen Zeiten, und zwar nicht in der spätrömischen Zeit des 3./4. Jahrhunderts, sondern am Ende der Spätantike im 5./6. Jahrhundert, und endete schon wieder im 7. Jahrhundert. Danach setzte dann im 8. Jahrhundert eine neue Phase der Konzentrierung von Siedlungen auf Höhen ein, die im 11./12. Jahrhundert endete. Es gibt also eine Unterbrechung im 7./8. Jahrhundert. Die Entwicklung zu den befestigten Höhensiedlungen war Teil eines größeren Transformationsprozesses, dessen Wurzeln zwar in der
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römischen Zeit liegen, auch wenn manche Höhestationen anscheinend erst im 10. Jahrhundert im Rahmen des grundherrschaftlichen Systems entstanden sind. Der Prozeß führte von den römischen Einzelhöfen zu den konzentrierten, dörflichen Siedlungen auf den Höhen seit dem 5./6. Jahrhundert bis ins 7. Jahrhundert. Darauf folgten die curtes des 8./9. Jahrhunderts. Als Kontrast zu den Höhenstationen in Gebirgslandschaften wurden abschließend herausragende Plätze in der norddeutschen und niederländischen Tiefebene südlich der Nordsee diskutiert. Dafür hat sich inzwischen die Bezeichnung Zentralorte51 eingebürgert. Mit diesem Attribut wird den Siedlungen eine herausragende Bedeutung zugewiesen, die nicht für alle Höhenstationen angenommen werden darf; denn außer auffallenden Höhen mit Zentralorten als sakrale Mittelpunkte gibt es auch Fluchtburgen, die nur zum Schutz bewußt in abseitiger Lage gegründet wurden. Frans Theuws (Amsterdam) beschreibt Zentralsiedlungen der Völkerwanderungszeit im Maas-Rhein-Gebiet, in Nordgallien. Ein Grundproblem bot die Vielfalt der durcheinander siedelnden Bevölkerungsgruppen von alteingesessenen Römern, zugewanderten Germanen und Franken, die keine territorialen oder „staatlichen Einheiten“ bildeten. Das Bild der Kombination von Wanderung, Ethnogenese und Kolonisation bei der Entstehung der „Franken“ wird gegenwärtig problematisiert. Auch die Vorstellung vom Gegensatz zwischen angreifenden Germanen und sich verteidigenden Römern wird ebenfalls anders gesehen, denn römisches Militär und germanische „Fürsten“ waren aufeinander angewiesen und führten zu einem neuen Prozeß der Identitätsbildung von Gruppen. Diese umfassenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse lassen sich aber nur schwer mit den schriftlichen Quellen korrelieren. Eine rege – heute dendrochronologisch datierte – Bautätigkeit im ausgehenden 4. und zu Anfang des 5. Jahrhunderts stellte alte infrastrukturelle Einrichtungen wieder her, und siedlungsleere Landschaften wurden durch „Bezahlung“ von Germanen durch Römer wieder neu besiedelt. Die Landschaften nördlich und südlich des Rheins, also außerhalb und innerhalb des Reichsgebietes, wiesen unterschiedliche Siedlungsstrukturen auf. Größere geschlossene Ansiedlungen nördlich des Rheins zeigen eine andere Planung als im Süden, sind mit denen in Norddeutschland zu vergleichen und waren seit dem 1./2. Jahrhundert kontinuierlich besiedelt. Südlich des Rheins, also auf römischem Provinzgebiet, sind die Siedlungen kleiner, verstreut und gruppieren sich um einige zentrale Plätze, darunter zum Beispiel die größere Siedlung Gennep.52 51
52
Th. Andersson, Zentralorte. Skandinavien, RGA2 34 (2007) 506–511; H. Steuer, Zentralorte. Archäologisch, RGA2 35 (2007) 878–914. H. A. Heidinga u. a., Gennep. RGA2 11 (1998) 73–77.
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Römische Orte waren noch bis gegen 400 mit Mauer und Graben gesichert, so Nijmegen, und andere wie Maastricht behielten sogar bis ins 9. Jahrhundert ihre Befestigung und blieben bewohnt. Das flache Land wurde im 4. und 5. Jahrhundert wiederbesiedelt mit kleinen Gehöften auf dem Gelände ehemaliger römischer Villen und durch Anlage größerer Siedlungen, die aus mehreren Gehöften bestanden und teils bis ins 6. Jahrhundert bewohnt blieben. Die Häuser ähneln denen in den nördlichen Niederlanden. Das Fundmaterial ist kärglich, Nachweise für Handwerk fehlen. Von diesen Anwesen unterscheidet sich ein Platz wie Gennep mit mehreren größeren Gehöften grundlegend. Diese Siedlung begann um 390 und existierte mindestens bis ins frühe 8. Jahrhundert; ein Gräberfeld in der Nähe wurde vom Ende des 4. ebenfalls bis ins 8. Jahrhundert belegt. Das Fundmaterial ist qualitätvoll, vielfältiges Handwerk auch mit Edelmetall ist nachgewiesen. Daher war Gennep ein Zentralort, wie er im Süden wohl auf einem Berg gelegen hätte. Das Gräberfeld ist mit Bestattungsplätzen wie Vireux-Mohain und Samson oder auch wie Furfooz und Vieuxville vergleichbar, für die man vermutet, daß sie teilweise auf die Höhensiedlungen bezogen waren.53 Die Bewohner der Siedlungen waren sowohl Einwanderer aus dem Norden als auch vom spätrömischen Staat organisierte Kolonisten aus dem Süden. F. Theuws lehnt grundsätzlich ab, anhand des Fundmaterials die Zuweisung an ethnische Gruppen wie Sachsen oder Franken vorzunehmen, und sieht eher die Wirkung eines Zeitstils in den verschiedenen Herstellungsorten. Die bekannten Waffengräber werden von ihm nicht mehr direkt als Bestattungen germanischer Söldner gedeutet, etwa im Sinne von H. W. Böhme, sondern zum Beispiel als Grabstätten von ranghohen Jägern mit Waffen oder Äxten und Lanzen als Beigaben, um damit symbolhaft die neuen grundherrschaftlichen Rechte zu zeigen. Diese werden von ihm an anderem Ort publiziert. W. Haio Zimmermann (Wilhelmshaven) widmete sich den – wenigen – Befestigungen und den erst jüngst entdeckten Reichtumszentren der Völkerwanderungszeit im Nordseeküstengebiet.54 Neben den lange bekannten, jetzt erneut erforschten Wallanlagen Heidenschanze und Heidenstadt55 erörterte er die Hierarchie der Siedlungen. Ein Großgehöft mit mehreren Phasen des 4./5. Jahrhunderts in Flögeln56 oder der Herrenhof
53 54 55 56
Vgl. dazu die Beiträge von R. Brulet S. 13 ff. und H. W. Böhme S. 71 ff. in diesem Band. Eine Publikation ist an anderer Stelle vorgesehen. P. Schmid, Heidenschanze; Heidenstadt. RGA2 14, 1999, 154–156. W. H. Zimmermann, Flögeln. RGA2 9 (1995) 206–216.
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auf der Feddersen Wierde57 sind Kennzeichen für einen Zentralort ebenso wie die reich ausgestatteten Gräber von der Fallward/Wremen58 in der Wurtenkette des 1. bis 5. Jahrhunderts in der Wesermarsch.59 Inzwischen ist durch systematische Prospektion Sievern als Zentralort zu charakterisieren, wo seinerzeit Goldbrakteaten gefunden und jetzt wieder einige entdeckt wurden.60 Nach diesen Schilderungen und Bewertungen der archäologischen Befunde, jeweils nur mit einigen Seitenblicken auf die möglicherweise zugehörige schriftlich überlieferter politische Situation, folgen Beiträge von zwei Historikern, gegliedert in die beiden Zeitabschnitte Spätantike und frühes Merowingerzeit, behandelt von Thomas Zotz (Freiburg), sowie späte Merowingerzeit und frühe Karolingerzeit, erörtert durch Dieter Geuenich (Duisburg/Essen). Beide weisen auf die terminologische Problematik hin. In den Schriftquellen werden für militärisch oder friedlich genutzte Höhen die Begriffe castellum, arx, munitio, auch oppidum und civitas oder urbs, burc sowie einfach mons gewählt, obwohl keiner der Bezeichnungen tatsächlich eindeutig eine Höhensiedlung meint; castra als temporäre Anlage steht gegenüber castrum als befestigtem Ort, aber nicht unbedingt auf der Höhe, was durch altius oder in monte gekennzeichnet wird. Th. Zotz merkt an, daß bisher nicht zu unterscheiden sei, wann von „Höhen-Station“ und wann von „HöhenSiedlung“ gesprochen werden kann, von Gipfel- oder Oberstadt, und kein Begriff ist für eine Erscheinung reserviert. Die Spannweite reicht vom Refugium bis zur raumbeherrschenden Örtlichkeit, von Schutzfunktion bis zur Erhabenheit. Thomas Zotz geht die insgesamt spärlichen Belege für Castrum und Höhensiedlungen bei Cassiodor (um 485–580) für Italien und bei Ammianus Marcellinus (um 330 bis um 395) sowie bei Gregor von Tours (538–594) für die Gebiete nördlich der Alpen durch. Ausführlich behandelt er die beiden Schreiben Theoderichs an Goten und Römer, die bei einem Castrum leben (castrum Dertona/Tortona; castrum Verruca/Dos Trento), in denen vorausschauend der Ausbau von schon existierenden Befestigungen für Gefahrenzeiten empfohlen wird. Eine Bewohnerzahl für derartige Höhensiedlungen überliefert indirekt Paulus Diaconus für das Jahr 590, wenn er berichtet, daß bei einem Fran57 58 59 60
P. Schmid, Feddersen Wierde. RGA2 8 (1994) 249–266. J. Udolph/M. D. Schön/K. Düwel, Wremen. RGA2 34 (2007) 244–251. P. Schmid, Wursten. RGA2 34 (2007) 345–351. W. H. Zimmermann/K. Düwel, Sievern. RGA2 28 (2005) 368–374.
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keneinfall für das castrum Ferruge/Verruca als Lösegeld pro Mann 1 Solidus, insgesamt bis zu 600 Solidi gezahlt worden seien, und zwar für cives, nicht für Militärs (vgl. hierzu auch den Beitrag von V. Bierbrauer S. 654). Deutlich wird dabei auch, daß es bei den castra darum ging, sich in schon bestehenden Orten zu verschanzen, so wie man sich in ummauerten Städten in der Ebene wie Cividale oder auf Höhen wie Ibligo-Invillino sicherte. Die bei Ammianus Marcellinus genannten castra dienten als kurzfristig stationierte Heerlager, die leicht und häufig verlegt wurden.61 Th. Zotz erläutert auch die von Valentinian I. veranlaßten römischen Bauarbeiten jenseits des Rheins in monte Piri62 ein. Aufschlußreich sind die Angaben des Gregor von Tours zu castra im Inneren des Merowingerreichs, die einen eigenen Charakter erkennen lassen. Gregor weist vor allem auf das Problem der Versorgung solcher castra mit Wasser und Lebensmitteln hin. Der Zusammenhang von castrum und civitas, das heißt Bischofssitz, wird am Beispiel des stark befestigten Dijon mit mächtiger antiker Stadtmauer im 6. Jahrhundert erörtert. Gregor von Tours ist zu entnehmen, daß ein castrum auf dem Berg in kriegerischer Zeit als Refugium diente, und daß dann mehrfach im 6. oder teils schon im 5. Jahrhundert in alten, verfallenen Festungen Kirchen oder Klöster errichtet wurden. Dieter Geuenich nennt aus den Awarenkriegen Karls des Großen neben temporären Verteidungsanlagen auch Befestigungen auf der Höhe, zum Beispiel in monte Cumeoberg oder Chunisberch und Chuneberg, eine Verschanzung der Awaren bei Wien, die erstürmt wurde. Es mag sich hier ebenfalls um eine kurzfristige Anlage gehandelt haben oder aber um eine ältere Befestigung, die von den Awaren ad hoc übernommen und ausgebaut wurde; denn es scheint mehrere derartige Plätze gegeben zu haben. Bei der von Fredegar zu 630 erwähnte Wogastisburg63 des Samo handelt sich vielleicht ebenfalls um eine Bergbefestigung, die von einer großen Zahl slawischer Krieger besetzt war. Ihre Lage ist bisher aber unbekannt. Im 9. Jahrhundert bestanden im Großmährischen Reich sowohl befestigte Großsiedlungen in der Ebene als auch Bergbefestigungen,64 so wie von slawischen Stämmen besiedelte Gebiete zu Burgenlandschaften wurden, von denen je nach geographischer Struktur der Landschaft die Ring61
62 63 64
Auf diese Plätze geht H. Steuer in der Einleitung näher ein, vgl. auch ders., Herrschaft von der Höhe. Vom mobilen Söldnertrupp zur Residenz auf repräsentativen Bergkuppen, in: Die Alamannen (Stuttgart 1997) 149–162. Vgl. den Beitrag von P. Marzolff und U. Gross in diesem Band. S. Brather, Wogastisburg. RGA2 34 (2007) 189–190. L. Polácˇek, Großmährisches Reich. RGA2 13 (1999) 78–85 mit den entsprechenden Verweisen auch auf die anderen Befestigungen auf der Höhe.
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wälle entweder geschützt in Flußniederungen oder aber auf Bergeshöhen lagen. D. Geuenich weist auf eine weitere sprachliche Differenz hin. Während der Begriff civitas im Frankenreich immer einen Bischofssitz meinte, werden in fränkischen Quellen aber auch slawische Burgen civitates genannt. Die Umwandlung von ehemaligen Höhenbefestigungen in kirchliche oder monastische Zentren erfolgte beim castrum Büraburg, bei Würzburg und Erfurt zur Zeit des Bonifatius. Dabei handelt es sich um ältere Höhensiedlungen mit Wohn- und Werkstätten sowie mit einer militärischen Besatzung. Über diese internen Strukturen berichten die Schriftquellen nichts; sie nennen nur die Kirche und den Krieg: Die Grenzbewohner, confiniales, zogen sich in die Burg zurück und machten sie damit zur Fluchtburg. Dieselbe Höhensiedlung Büraburg wird zudem in den Schriftquellen als oppidum, als castrum oder als castellum bezeichnet. Eine längere Erörterung widmet D. Geuenich dem Odilienberg bei Strasbourg. Die neue Datierung mit Hilfe der Dendrochologie65 in die Zeit um 700 hat allen früheren Spekulationen den Boden entzogen und zwingt Archäologen wie Historiker zu einer neuen Erklärung für die gewaltige Mauer.66 Die im ausgehenden 7. Jahrhundert erfolgte Gründung eines Frauenkloster auf einem Sporn des Berges ist schriftlich überliefert; im 12. Jahrhundert wird zuerst die Bergbefestigung genannt, die einst gegen die Hunnen bzw. Ungarn errichtet worden sei. Der Ausbau des mächtigen, repräsentativen und weit ins Land wirkenden Herrschaftszentrums der Etichonen wird vom Historiker mit den Kriegen zwischen dem Alemannenherzog Theudebald und dem karolingischen Hausmeier Pippin verbunden. Doch das erklärt nicht diese für die Zeit um 700 exzeptionelle Anlage, was Größe und Bauweise betrifft. Nun gibt es eine weitere Höhenbefestigung mit vergleichbarer Mauertechnik und ebenso zu datieren auf der sogenannten Frankenburg nur wenige Kilometer südlich des Odilienberges, was zeigt, daß die Verklammerung großer Steinblöcke mit schwalbenschwanzförmigen Holzkeilen bei den Bauleuten im Elsaß allgemeiner bekannt war. Nur als Idee kann man vorschlagen, daß Eticho – der sich zeitweilig in Burgund aufgehalten hat –, auch eine Stadt auf der Höhe haben wollte, wie er sie im Süden Frankreichs und allgemein nahe des Mittelmeers vielfach sehen konnte.
65 66
Vgl. S. 828 und Anm. 8. Zum Odililienberg auch: L. Clemens, Tempore Romanorum constructa. Zur Nutzung und Wahrnehmung antiker Überreste nördlich der Alpen während des Mittelalters (Stuttgart 2003) 179 f., 266.
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Leider ist während der Tagung der südfranzösische Raum nicht behandelt worden, da Referenten später verhindert waren. Im Zuge der geplanten Veröffentlichung zum Odilienberg wird nach Vergleichen dort gesucht.67
Kritische Bemerkungen (V. B.) Im Sinne der Fragestellungen seien die folgenden Bemerkungen nach einigen Aspekten gegliedert, die besonders wichtig erscheinen, aber fast alle auf unterschiedliche Weise einander bedingen: 1. Begonnen sei mit einer Selbstverständlichkeit: Archäologische Analysen können im Ergebnisbereich nur so gut sein, wie die Quantität und Qualität der Quellenlage dies vorgeben. Den Aspekt Quantität sollte man dem Aspekt Qualität deutlich nachordnen. So wichtig es natürlich ist, auch aus denkmalpflegerischen Gründen, den Gesamtbestand an Höhensiedlungen zu kennen, so etwa besonders eindrucksvoll in Serbien rund 170, entscheidend bleibt aber, daß möglichst viele möglichst großflächig und modern untersucht sind. Wie steht es damit? Am weitesten fortgeschritten scheint der Forschungsstand in Slowenien zu sein. Ansonsten ist er eher problematisch zu nennen. Dies hat nichts damit zu tun, daß man den Castra und Höhensiedlungen anderswo keine Bedeutung beimessen würde, sondern deren Erforschung ist fast ausschließlich eine Frage erheblicher finanzieller und personeller Ressourcen; im Rahmen denkmalpflegerischer Arbeit ist dies kaum zu bewältigen, zumal es sich in der Regel um Forschungsgrabungen handelt. So ist zum Beispiel in Südtirol keine einzige Anlage erforscht; im Trentino bieten die Grabungen der letzten Jahre in Loppio-S. Andrea und S. Martino di Lundo bei Vigo Lomaso erste hoffnungsvolle Ansätze, bei letzterer künftig mit Beteiligung der Münchner Akademie-Kommission. Für das gesamte Oberitalien von Ligurien bis Friaul und bis in die Poebene sind es nur wenige Höhensiedlungen, die mehr oder weniger flächig untersucht sind. 2. Angesichts dieser Quellenlage ist es noch nicht ratsam, verbindliche Modelle zu entwickeln, obgleich dies nicht selten versucht wird, besonders für Oberitalien. 67
L. Schneider, Nouvelles recherches sur les habitats de hauteur de la fin de l’Antiquité tardive et du haut Moyen Âge dans le sud-est de la France. Le cas du Roc de Pampelune à Argelliers. Les Nouvelles de l’Archéologie No. 92, 2003, 9–16. Die Sammelpublikation mit den neuen Überlegungen zum Odilienberg wird in der Gallia erscheinen.
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3. Castrum und Höhensiedlung stehen mit der Talsiedlung der Umgebung in einem wechselseitigen Verhältnis. Da ländliche Siedlungen mit ihrem Transformationsprozess vom 3. bis zum 7. Jahrhundert großflächig noch kaum erforscht sind, ist auch dieser Problemkomplex allzu oft nicht ausreichend gesichert beurteilbar. Verwiesen sei auf das Beispiel Friaul. 4. Hiermit sind sehr direkt jene Fragen verbunden, die die Genese der Castra und Höhensiedlungen betreffen, das heißt wann wurden sie warum von wem angelegt? Waren die in Schriftquellen, insbesondere von Paulus Diaconus genannten Castra romanische, in einer spezifischen historischen Situation angelegte Dauersiedlungen, oder waren sie – wie die Mediävistik überwiegend meint – germanische Wehranlagen oder vielleicht beides? Germanische, also ostgotische oder langobardische dauerhafte Präsenz ist nur selten zu belegen. 5. Dies führt zur nächsten Frage: Welcher archäologischer Kriterien bedarf es im nördlichen Italien, um Germanen in Siedelkontexten methodisch unangreifbar zu beweisen, ein schwieriges Unterfangen. Am Beispiel des castrum Montis Silicis ließ sich zeigen, daß die Gräberarchäologie die sicherste Beweisgrundlage ist. Ähnliches gilt für Slowenien, wo sowohl Ostgoten als auch Langobarden hier nun einmal ausnahmsweise auch durch Siedlungsfunde von Trachtzubehör in erstaunlich großer Zahl belegt sind. Andererseits ist hervorzuheben, daß Giovanni Murialdo, der Ausgräber des Castrums von S. Antonino in Ligurien, nicht der Versuchung erlegen war, Fragmente einer stempelverzierten Flasche und vier spiraltauschierte Gürtelbesätze mit Langobarden zu verbinden, obgleich die zuvor byzantinischen Kastelle Liguriens 643 von Langobarden übernommen wurden.68 6. Damit gelangt man schließlich zur fächerübergreifenden Arbeitsweise, das heißt zu den durch die Mediävistik aufbereiteten Schriftquellen. Können sie bei der Interpretation archäologischer Befunde weiterhelfen. Aus archäologischer Sicht sollte man in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend sein, jedenfalls dann, wenn die Schriftquellen nicht eindeutig sind, zum Beispiel für die von Paulus Diaconus genannten Anlagen. Dazu sei aus einem Beitrag von Jörg Jarnut im Kongressbericht Reichenau aus dem Jahr 1993 zitiert: „Kurz: Es kann gar nicht genug betont werden, daß castra ummauerte kleinere Städte des regnum Langobardorum waren, die ähnlich wie die civitates wegen ihrer Mauern allerdings auch militärische Defensivfunk68
Hierzu ausführlich V. Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung, zitiert in seinem Beitrag mit Anm. 147, 45–60.
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tionen zu erfüllen hatten“; und ich möchte hinzufügen, daß dies auf Ibligo-Invillino sicherlich nicht zutrifft. Wenige Zeilen weiter schreibt Jarnut dann: „Ebenso wenig wie bei den civitates sind wir im übrigen bei den castra in der Lage, etwas Präzises über die Art der Ansiedlung der Langobarden zu sagen“.69 Hierzu trägt, so kann man hinzufügen, wohl auch der oftmals bei Paulus Diaconus synonyme Gebrauch von civitas und castrum bei, zum Beispiel beim castrum Montis Silicis. Eine umfassende Studie ist mir hierzu nicht bekannt. Generell hilft den Archäologen alles dies nicht weiter, ebenso wie auch nicht der Forschungsstreit in der italienischen Mediävistik darüber, ob die langobardische Siedlung in Anlehnung an Bognetti, Schneider und Mor eine Militärsiedlung gewesen sei, was nun unter anderem von A. A. Settia und S. Gasparri bestritten wird.70 Angesichts des archäologischen und historischen Forschungsstandes ist die Gefahr der gemischten Argumentation gegeben, so wie zum Beispiel an den Friulaner castra gezeigt. Jedes castrum hat seine eigene Geschichte, eingebettet in das jeweils spezifische Umfeld. Erst seine möglichst flächige Ausgrabung mit einer vollauf geklärten Chronologie einerseits und sodann der Vergleich mit gesichert interpretierten Schriftquellen andererseits schaffen die Voraussetzungen für eine verlässliche Interpretation. Ist dies für viele Anlagen der Fall, öffnet sich der Schritt für Modellbildungen (vgl. Nr. 2). Trotz noch vieler offener Fragen, die letztlich nur durch weitere gezielte Feldforschungen zu lösen sind, möchte ich – wie oben gesagt – dennoch das jetzt schon Erreichte in den Vordergrund rücken und damit nochmals das Ziel der Tagung ansprechen: Der Blick über das jeweilige Arbeitsgebiet hinaus hilft, dieses im Lichte neuer Fragestellungen künftig neu zu überdenken.
69
70
J. Jarnut, Die Landnahme der Langobarden in Italien aus historischer Sicht, in: M. Müller-Wille/R. Schneider (Hrsg.), Ausgewählte Probleme europäischer Landnahmen des Früh- und Hochmittelalters. Methodische Grundlagendiskussion im Grenzbereich zwischen Archäologie und Geschichte 1. Vorträge und Forschungen 41 (Sigmaringen 1993) 173–194, wieder abgedruckt in: J. Jarnut, Herrschaft und Ethnogenese im Frühmittelalter. Gesammelte Aufsätze von Jörg Jarnut. Festgabe zum 60. Geburtstag (Münster 2002) 307–328, hier 191 bzw. 325. Vgl. hierzu ausführlich V. Bierbrauer, Frühe langobardische Siedlung, zitiert in seinem Beitrag mit Anm. 147, 49–54.
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Ergebnisse (H. St.) a) Für die Entwicklung der Höhensiedlungen auf dem Gebiet der römischen Provinzen ist vom Rheinland bis in die Alpen die Verzahnung mit der spätrömischen und frühmittelalterlichen politischen Geschichte entscheidend. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß oftmals historisch überlieferte Daten direkt mit archäologischen Befunden verknüpft werden, die bei möglichen weiter gespannten Datierungsansätzen auch das Bild verunklaren können. Die Schriftüberlieferung ist für Norditol und Kärnten, für Südtirol, Trentino und Friaul und für das westlich anschließende Gebiet herangezogen worden. Die turbulente Ereignisgeschichte mit den Eroberungen der Goten und Langobarden, mit der Verteidigung durch romanische Bevölkerung und das byzantinische Militär sowie den Einfällen der Awaren und Slawen ist außerordentlich vielfältig und hat sicherlich den Zug auf die Höhen bestimmt. Doch das erschwert naturgemäß die Parallelisierung der archäologischen Datierung mit den überlieferten historischen Daten. Nördlich der Alpen werden die Daten der Ereignisgeschichte einerseits für die Höhenstationen in den römischen Provinzen in den Blick genommen, andererseits für die Höhenstationen rechts des Rheins im germanischen Gebiet, ausgehend von den bürgerkriegsähnlichen Unruhen unter Postumus oder der Usurpation des Magnentius bis zum Ausbau des spätrömischen Limes an Rhein und Donau unter Valentinian I. Der Charakter der Verknüpfung von archäologischen und schriftlich überlieferten Daten ist verschieden. In den verschiedenen Beiträgen wird entweder die Ereignisgeschichte referiert und unmittelbar Schritt für Schritt den archäologischen Befunden gegenübergestellt, oder der Weg verläuft umgekehrt, indem der archäologische Befund beschrieben und dazu diese oder jene historischen Daten herangezogen werden. Die dritte Möglichkeit besteht darin, getrennt die geschichtliche, in den Quellen überlieferte politische Entwicklung zu beschreiben und auch die Abfolge der archäologischen Befunde zu erläutern, um dann locker und offen beide Stränge zu parallelisieren. Nicht immer entscheidet man sich eindeutig für eine der Möglichkeiten, und der Leser muß dann versuchen, sich ein eigenes Bild zu erarbeiten. Die Archäologie kann also anhand des – immer unzureichenden Forschungsstandes – die Entwicklung einer Höhenstation, auch eines Gebietes mit mehreren Höhensiedlungen beschreiben. Da jedoch archäologische Datierungen – bis auf den Weg über die Dendrochronologie – meist nur breite Zeiträume anbieten können, sind sie kaum mit der schriftlichen Überlieferung, das heißt mit der Ereignisgeschichte unmittelbar zu paralle-
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lisieren. Die Darstellung der politisch-militärisch-territorialen Entwicklung von Höhensiedlungen, die selten in den Schriftquellen direkt beschrieben und lokalisierbar sind, anhand der historischen Überlieferung und die Beschreibung der Entwicklung der Plätze anhand der archäologischen Quellen kann daher nur selten gelingen und sollte, worauf V. Bierbrauer nachdrücklich hinweist, eigentlich vermieden werden. Aber alle Beiträge bringen schriftlich überlieferte Ereignisse und archäologische Befunde in einen Zusammenhang, der – mit wachsenden Kenntnissen – immer wieder geändert werden muß oder auch nach und nach zu gegensätzlichen Thesen führt. Das ist einerseits so bei der Deutung der Höhenstationen in Südwestdeutschland, die entweder als römische militärische Vorposten oder als germanische Zentralplätze angesehen werden. Das ist andererseits bei den norditalienischen castra so, die entweder als Schutzanlagen der eingesessenen romanischen Bevölkerung gedeutet werden oder als gotische bzw. langobardische militärische Festungen. b) Höhensiedlungen oder Höhenstationen sind politisch-militärisch, soziologisch und ethnisch einzuordnen. Die Folge von Ausbauphasen kann demnach politisch oder sozialgeschichtlich begründet werden. Vielfach besetzen die Höhensiedlungen auffällige und weithin sichtbare Höhen. Das ist so vom Zähringer Burgberg am Schwarzwaldrand bis nach Ibligo-Invillino und anderen Inselbergen und dem Doss Trento in Norditalien. Trotz Schutzlage kann man aber nicht von einem Refugium sprechen, da man anscheinend gesehen werden und durch die repräsentative Lage imponieren wollte, eine Frage der Mentalität. Der politische und wirtschaftliche sowie der soziale Stellenwert kann an der eingeschlossenen Fläche der Höhensiedlungen gemessen werden. Mit dem Zug auf die Höhen werden auch zentralörtliche Funktionen mitgenommen. Unmittelbar ist das beim Bau von Kirchen und Kirchenfamilien auf den Höhen ersichtlich, wie bei den sakralen Zentren im östlichen Alpenraum und südlich der Alpen. Andererseits werden im Merowingerreich in verfallenen Höhenbefestigungen Kirchen und Klöster nachträglich erst errichtet. Höhensiedlungen sind Machtzentren, manchmal für ein politisches Territorium, so vielleicht in Teilen der römischen Provinzen, meist aber verstreut gelegen direkt nur für ein unmittelbares Umfeld. Die Höhenstationen werden als individuelle Anlagen gewertet, oder aber es wird versucht, so für Norditalien, Befestigungssysteme und strategisch ausgebaute Verteidigungslinien der Langobarden oder Byzantiner zu rekonstruieren, mit einiger Unterstützung aus der Schriftüberlieferung (Hinweise dazu bei E. Possenti und G. P. Brogiolo, V. Bierbrauer, S. Ciglen-
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ecˇki und für Serbien bei M. Milinkovicˇ). Ähnliches wird für Ketten von Höhenstationen in der Eifel vorgeschlagen (K.-J. Gilles). Linien und Netze von Höhenstationen scheinen möglich, seitdem immer mehr derartige Plätze entdeckt und archäologisch einzuordnen sind. In den römischen Provinzen beginnt der Zug auf die Höhen und der Ausbau von Refugien zumeist in der Mitte und der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts. Gewöhnlich werden die Kriegszüge der Germanen und anderer barbarischer Völker dafür verantwortlich gemacht, aber ebenso sind die internen Bürgerkriege und Usurpationen zu berücksichtigen, die die Bevölkerung gleichfalls bedrohten. Es gibt Phasen für das Aufsuchen und den Ausbau von Höhenstationen, das 3., das 4./5. bis 6./7. und das 8./9. Jahrhundert. Dabei sind manchmal Kontinuitäten oder auch größere Unterbrechungen zu registrieren, jedenfalls Unterschiede von Gebiet zu Gebiet, und außerdem hat fast jede Höhensiedlung ihre eigene Geschichte. Durch die Abhängigkeit vom Forschungsstand werden Phasen und Lücken auch vorgetäuscht. Es hat den Anschein, daß zwischen Spätantike und frühem Mittelalter der Zug auf die Höhe und der Ausbau von Höhensiedlungen eine europaweite Erscheinung gewesen ist, über die Zone zwischen Ardennen und Adria hinaus. Auch im skandinavischen Raum ist der Ausbau von Höhenbefestigungen zu beobachten, und vor allem entwickeln sich dort, zum Beispiel im südwestlichen Ostseeraum und in Mittelschweden Zentralorte entsprechend den Höhensiedlungen, und das in der Ebene, wenn Höhen fehlen. Für die Bewertung entscheidend ist, ob der Zug auf die Höhe die gesamte Bevölkerung und alle Siedlungen erfaßte, wie in Teilen des Balkans, was wegen der Versorgung zu einer Veränderung der Wirtschaftsweise führen mußte. Damit ist die Frage verbunden, ob sich eine Hierarchie der Siedlungen entwickelt hat. In Südwestdeutschland zog nur die Elite auf die Höhen, während darum herum sich die landwirtschaftlich ausgerichteten Siedlungen weiter entwickelten. In Norditalien setzte sich die einheimische romanische Bevölkerung auf natürlich geschützte Höhenpositionen, auf Inselberge, fest, doch existieren ländliche Sieldungen in der Ebene weiter. Andernorts ist eine Siedlungskonzentration zu beobachten, das heißt mehrere Gehöfte von Talsiedlungen werden gemeinsam als eine Konzentrationsbewegung auf die Höhe verlagert, so in Mittelitalien. Die Unterscheidung zwischen temporärer Nutzung der Refugien und einer ständigen Niederlassung auf der Höhe ist aufgrund von Gräberfeldern möglich. Ihre Verlagerung auf die Höhe, nicht immer zusammen mit dem Sakralbau, spiegelt die Entscheidung, auf Dauer dort oben zu wohnen.
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c) Der Forschungsstand erlaubt es nicht für alle Bereiche, die Einbindung der Höhenstationen in das allgemeien Besiedlungsnetz zu beschreiben, wie das für die süddeutschen Anlagen möglich ist, so für den Runden Berg bei Urach oder für die Höhen am Schwarzwaldrand sowie für die Stationen in Oberfranken. Wichtiges Ergebnis ist, daß trotz einer auf den ersten Blick relativ einheitlichen Erscheinung doch lokale und zeitliche Unterschiede auszumachen sind, was die gesellschaftliche und wirtschaftliche Position der Bewohner der Höhensiedlungen sowie die Funktion des Platzes betrifft. Auch sind nicht alle Höhenpositionen in einem Gebiet gleichartig, sondern weisen schon in einer Landschaft unterschiedliche Funktionen von der Fluchtburg über die Militärstation bis zum Kirchenzentrum auf. Die „interne“ Vielfältigkeit einer insgesamt doch geographisch auf bestimmte Landschaften und auch zeitlich auf bestimmte Jahrhunderte begrenzten Erscheinung wurde in ihren Konturen erkannt. Zugleich wurde auch bestätigt, daß nicht etwa reine Willkür oder Zufälligkeit den für die Tagung gewählten Ausschnitt aus Europa bestimmt haben, sondern daß in jener Epoche über vielfältige Kommunikation von einem weitläufigen inneren Zusammenhang ausgegangen werden kann. d) In spätmerowingischer Zeit wurden in verschiedenen Teilen des Frankenreichs ebenfalls Höhen aufgesucht, die schon einmal im 4./5. Jahrhundert zu Höhenstationen germanischer Anführer ausgebaut worden waren, wie der Runde Berg bei Urach oder der Zähringer Burgberg bei Freiburg sowie zahlreiche Höhen am mittleren Main in Oberfranken. Von mehreren derartiger Höhen sind in vergangenen Jahrzehnten Funde aus der späten Merowingerzeit regelhaft bekannt geworden. Doch bleibt die Zahl der Funde gering, im Vergleich mit der früheren Phase auf demselben Berg, zugleich sind die Objekte jedoch oftmals von herausragender Qualität. Eine Befestigung oder der Ausbau einer Siedlung ist nicht zu belegen. Was das erneute Aufsuchen dieser Höhen nun bedeutet hat, im Sinne einer Fluchtburg, als Jagdaufenthalt oder als neue Form eines Adelssitzes und Mittelpunkt einer Grundherrschaft bleibt vorerst ungeklärt. Auf den Höhen errichtete Mauern der späten Merowingerzeit, eigentlich erst der Karolingerzeit, sind in Trockenmauertechnik aus Bruchsteinen oder in Mörtelbauweise errichtet, wobei dann ebenfalls handliches kleinteiliges Material verwendet wurde, aber keine auffällig großen Blöcke wie auf dem Odilienberg bei Strasbourg. Die größten königlichen Befestigungen des späten 8. Jahrhunderts gegen die Sachsen wie die Büraburg oder die Anlage auf dem Christenberg sind in Mörtelbauweise errichtet und schließen Flächen von wenigen
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Hektar, was etwa dem Sporn auf dem Odilienberg mit der Klosteranlage entspricht, die 2,5 bis 3 ha ausmacht. Es bleibt zu überprüfen, wo es um 700 in Europa Höhenbefestigungen gegeben hat. Dabei ist von vornherein zu unterscheiden zwischen kleinen Fluchtburgen, die mit Wall, Mauer und Graben gesichert sein können, und großen Anlagen, die zumindest von der Fläche her Städten des Mittelmeerraumes vergleichbar sein könnten. Daß im Süden, in Südfrankreich und auch in Mittelitalien, Städte auf Höhen verlegt und ausgebaut wurden, auch mit einer Mauer als Befestigung und Statussysmbol umgeben, ist seit der Spätantike üblich gewesen, sowohl in Gebieten, die von Germanenzügen bedroht waren, als auch in weniger bedrohten Landschaften. Dabei sollte nicht vergessen werden, daß neben dem äußeren Feind vor allem innere Bürgerkriege zahlreicher Usurpatoren im 3. und 4. Jahrhundert ähnlich bedrohlich für die Zivilbevölkerung von Städten waren, wie die fremden Heere. Und auch aus diesem Grund war der Zug zu mehr Schutz und Sicherheit eine Zeiterscheinung. e) Außer den Zentralorten im Nord- und Ostseegebiet, die mit den Höhenstationen in Berglandschaften zu vergleichen sind, gibt es während der späten Römischen Kaiserzeit, der Völkerwanderungszeit und wieder der Karolingerzeit einen anderen Typ von Befestigungsanlagen, die naturräumlich geschlossen wirkende Landschaften fortifikatorisch absicherten. Ob diese Langwälle oder Landwehren zum Beispiel in Jütland, oder auch die Landwehren der späten Merowinger- und der Karolingerzeit in England oder das Danewerk in Jütland oder die Langwälle in den ungarischen Tiefebene vergleichbar sind mit den postulierten, aber nicht beweisbaren Ketten von Höhenstationen in der Eifel oder in den südlichen Alpen, ist bisher nicht näher betrachtet worden.71 f) Abschließend sollen noch einige Stichworte, die in den verschiedenen Beiträgen gefallen sind, aufgereiht werden, um zu weiterer Diskussion anzuregen. Höhenstationen waren „aktive“ und „passive“ Anlagen. Viele Höhenstationen lagen auf weithin sichtbaren Bergen, andere – so beispielsweise in Slowenien – waren nur äußerst mühsam zu erklimmen. Sie entstanden mehr oder weniger gleichzeitig in verschiedenen Phasen in einer breiten Zone von den Ardennen bis zur Adria. Wurden sie entweder als wandernde Idee oder ad hoc aufgrund der militärischen Gegebenheiten erfunden?
71
H. Steuer, Grenze § 2. RGA2 13 (1999) 5–10; ders., Landwehren. RGA2 18 (2001) 28–30 mit entsprechenden Verweisen.
Nachwort – Ergebnisse und offene Fragen
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Der Aufwand beim Ausbau der Höhenstationen war sehr unterschiedlich. Beim Aufsuchen alter vorgeschichtlicher Plätze stießen die neuen Herren auf Wälle oder Mauerreste als Relikte der früheren Befestigungen. Diese wurden erkannt und deshalb mehr oder weniger umfassend neu überbaut oder sie wurden genommen, wie sie waren, weil es eigentlich nicht um die Befestigung ging. Zu analysieren ist, wer die Höhen besetzte: Es waren fremde Gruppen (so in Süddeutschland) oder die umwohnende Bevölkerung, die Romanen oder die provinzialrömischen Einwohner. Die Höhen waren Refugien für Germanen sowie Römer oder auch Verstecke von Räuberbanden. Gab es einen Bevölkerungswechsel auf den Höhen? Zog es in Norditalien Gruppen der Goten (Monte Barro?), der Langobarden und Byzantiner in Höhensiedlungen oder nur die provinzialrömische Bevölkerung, während die anderen zusätzlich nur kleinere Besatzungen stellten. Die Dichte der Höhenstationen und ihr Abstand werden entscheidend für die Bewertung der Anlagen. Da die Zahl der bekannten Höhensiedlungen in manchen Gebieten beachtlich wächst, verschiebt sich auch der Stellenwert des einzelnen Platzes, und dieser muß jeweils neu betrachtet werden, da sich neue Hierarchien abzuzeichnen beginnen. Die Zahl der Bewohner ist meistens unbekannt und nur schwierig abzuschätzen; nicht einmal die nur punktuell ausgegrabenen Gräberfelder, die Größe der Kirchen oder die Größe der befestigten Fläche helfen befriedigend weiter. Aus der Zahl und der Ausmaße von Gebäuden ließe sich eine Größenordnung gewinnen; doch sind diese auch selten flächendeckend für eine Anlage komplett erfaßt worden. Eine ständige oder zeitweilige Bewohnerschaft muß sich versorgen können. Die Bewohner der Höhenstationen waren beispielsweise entweder die umwohnende Bevölkerung, einheimische Militäreinheiten oder fremde Kriegerverbände. In diesem Zusmamenhang erheben sich die Fragen, ob die Höhenpositionen politisch zentral oder lokal organisiert wurden, und wer die Organisatoren waren, die lokale Bevölkerung, zugezogene Kriegerscharen oder eine mehr oder weniger existierende staatliche Obrigkeit. Auch für die militärischen Anlagen sind unterschiedliche Funktionen zu berücksichtigen: als kleinerer Wachtposten, als Kaserne einer militärischen Einheit oder Überwachungsplatz für eine wichtige Straße, als temporäre Machtposition, als Versteck von Räuberbanden. Als Summe bleibt regelhaft: Höhen dienten dem militärischen Schutz, der Herrschaft, der Repräsentation, der Monopolisierung und Zentralisierung von gehobener handwerklicher Produktion, mit Zügen einer Urbanisie-
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Heiko Steuer und Volker Bierbrauer
rung, als sakrales Zentrum, südlich und östlich der Alpen erkennbar an den Kirchen, während in den nichtchristianisierten Bereichen bisher keine Spuren kultischer Anlagen faßbar sind, außer als römische Bergheiligtümer in der Eifel. Höhensiedlungen sind somit Ausdruck eines besonderen, gehobenen Lebensstils. Sie spiegeln Mentalität entscheidender gesellschaftlicher Gruppen in den verschiedensten Epochen, also auch während der Spätantike im 4./5. Jahrhundert oder während der späten Merowingerzeit und der frühen Karolingerzeit im 7./8. Jahrhundert. Sie sind nicht nur Reaktion auf kriegerische Ereignisse und Ausbau von Rückzugspositionen, sondern mehr noch Zeichen von Weitblick dieser Gruppen, die ihren geistigen und realen Horizont von der heimischen Siedlung, dem Dorf in der Ebene, in größere Ferne gerückt haben.
Ortsregister
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Ortsregister zusammengestellt von Michael Hoeper Zu jedem (Fund-)Ort ist die Staatszugehörigkeit angegeben. Dabei werden die heutigen Staaten folgendermaßen abgekürzt: A – Österreich; AL – Albanien; B – Belgien; BG – Bulgarien; BIH – Bosnien-Herzegowina; CH – Schweiz; CZ – Tschechien; D – Deutschland; F – Frankreich; FL – Liechtenstein; GB – Groß Britannien; GR – Griechenland; H – Ungarn; HR – Kroatien; I – Italien; IL – Israel; JOR – Jordanien; L – Luxemburg; MNE – Montenegro; NL – Niederlande; PL – Polen; RO – Rumänien; SK – Slowakei; SLO – Slowenien; SRB – Serbien; SYR – Syrien; TR – Türkei. Nicht immer ist zu den Fundorten die heutige Verwaltungszugehörigkeit angegeben, dies ist nur der Fall, wenn sie auch im Kontext genannt wurde. Kursiv gesetzt sind überlieferte Ortsnamen, die heute nicht mehr bestehen bzw. einen anderen Namen tragen oder deren Identifizierung bis heute nicht gelungen ist. Hinter dem Ortsnamen in Klammern „(…)“ gesetzte Flur-, Burg- oder Bergnamen ergänzen zum Teil den Fundort. Kursive Seitenzahlen verweisen auf Abbildungen. Die Bemerkung „(A …)“ bezeichnet die Nennung in einer Anmerkung und gibt die Nummer dieser Anmerkung an. Im Ortsregister sind alle Ortsnamen, auch die in den Karten und Tabellen berücksichtigt.
Aachen, D 150 Abbeville-Homblières, dép. Aisne, D 96 (A 56), 98 (A 62) Aberinsberg/Heiligenberg bei Heidelberg, D 121, 133, 150, 156, 159, 802 Achalm bei Reutlingen, D 304, 305 f. Ad Aquas, SRB 546 Ad Tricosimum, I 689, 700 f. Aegerten-Bürglen, Bern, CH 169 (A 12) Aegerten-Insel, Bern, CH 169 (A 12) Aguntum, Gem. Dölsach, A 596, 598, 606, 610 f., 615 (A 58), 639 (A 134), 640, 849 Ajdna, SLO 483, 485, 491, 498, 505, 522 Ajdovski gradec bei Vranje, SLO 482–484, 499, 505, 639 (A 135) Alattyan, H 145 (A 56) Aldingen a. Neckar, D 298 (A 79)
Alf, Kr. Cochem-Zell (Arras), D 106, 115, 118 Algund, I 662 Alken, Kr. Mayen-Koblenz (Burgberg/ Thurandt), D 101 (A 68), 106, 110, 114, 117 Allerheiligen im Schwarzwald (Abtei), D 121 Alphen, NL 766, 769 (A 21), 775 Alte-Burg bei Bülach, Kt. Zürich, CH 380 Altenburg (Castelvecchio), I 658, 659, 661, 662 f., 666, 704, 852 Altenburg, Gem. Jestetten, D 261 (A 2) Altendorf, D 335 (A 20) Altenerding, D 661 Altinum, I 674 Altitona s. Mont Saint-Odile Altrip, D 176, 177
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Ortsregister
Altscheuer bei Fischbachtal, D 133 Alzey, D 98 (A 61), 281, 308 (A 104), 310 Amiens, F 74 Anagnis/Nanno, I 649–651, 655, 657, 670, 685, 704 Ancˇnikovo gradisˇcˇe bei Jurisˇna vas, SLO 482, 487 f., 492, 494, 495, 500, 514 Andernach, D 176, 308 (A 104) Andertium (Mucˇ), BIH 560 Angleur, B 22, 47 Apamée, SYR 443 (A34) Appianum/Eppan, I 650, 652, 656, 658 Aquileia, I 448 (A 43), 483, 485, 612, 639 (A 135), 641 f., 674, 689, 690, 695 (A 172), 700 f., 735 Arbor felix/Arbon, CH 389 Arezzo, I 750, 751, 753 Artenia/Artegna, I 688, 689, 692, 697, 700 f. Asemus 557 Asperden, Kr. Kleve, D 173 (A 23) Auerberg bei Bernbeuren, D 165 (A 2), 331 (A 11) Augsburg, D 614 f. Augusta Raurica/Augst, CH 73 (A 7), 346, 363, 368, 375, 377, 384 Auingen, D 315 Aventicum/Avenches, Kt. Vaud, CH 359, 360 Avio, I 674, 678 Baar-Baarburg, Kt. Zug, CH 391, 393, 424 Bacharach, Kr. Mainz-Bingen (Stahleck), D 106, 115, 119 Bad Dürkheim, D 86, 87 (A 45) Bad Lostorf s. Grosser Chastel Bad Urach s. Runder Berg Bagnoregio, I 750, 751 Baldersdorf, A 636 Balgach, Kt. St. Gallen, CH 394 Balzers-Gutenberg, FL 391, 400, 416 (A 35), 425 Banja Luka, BIH 571, 585 Banská Bystrica, SK 460
Banská Bystrica-Sásová (Hrádok), SK 461, 463, 466, 474 Banská Bystrica-Selce (Hrádok), SK 461, 463, 474 Barbenhausen, D 74 Bardo bei San Pietro al Natisone, I 515 Bargen, D 143 Basel, CH 86, 166, 170, 208, 216, 342, 343, 375, 377 Basel-Bernerring, CH 148 Basˇelj, SLO 483, 485 Bauzanum/Virgil in Bozen, I 656, 660, 666 Bavai, F 768 Beaulieu-en-Argonne, F 50 Befort, L 22, 49 Beilngries-Kevenhüller Loch, Lkr. Eichstätt, D 328 (A 5), 336, 339 Beilstein, Kr. Cochem-Zell (Burgberg), D 106, 115, 117 Beinstein, Gem. Waiblingen, D 309 (A 111) Bellinzona/Bilitio, I 389, 391, 420, 717, 726, 839 Belluno, I 669 Belmonte, I 716, 730 Belusˇa, Bez. Púchov (Hradisˇte), SK 474 Belval-Bois-des-Dames, F 22, 49 Ben-Ahin, B 50 f., 67, 100 (A 68) Ben-Ahin (Lovegnée), B 22, 34 f. Bennekom, NL 770 Bergeik, NL 766, 769 (A 21), 784 Berghausen, D 143 (A 43) Bergheim, D 127 Berleich (Oppidum) 811 (A 61) Bern-Bümpliz, CH 146 Bernkastel, Kr. Bernkastel-Wittlich, D 106, 107, 116, 119 Bernkastel, Kr. Bernkastel-Wittlich (Landshut), D 101 (A 68), 106, 107, 115, 118 Bertrix, B 47 Besanello, I 678 Bienne, B 170 Bihac´, BIH 568, 586
Ortsregister
Binningen, Kr. Cochem-Zell (Kuhkeller), D 101 (A 68), 106, 109, 111, 114, 117 Biograci-Lisˇtice, BIH 562, 563, 577, 578, 580–584, 588 Bittenbrunn, Stadt Neuburg/Donau, D 336, 339 Blagaj (Stjepan Grad)-Blagaj, Mostar, BIH 563, 586 Blatnica, Bez. Martin (Plesˇovica), SK 474 Bled, SLO 485 Bludenz-Montikel (Vorarlberg), CH 391, 425 Blumenthal, L 22, 49 Bobovac, BIH 563, 585 Bocˇna, SLO 483 Bois de Châtel bei Avenches, Kt. Waardt, CH 343, 359–361 Bojná, Bez. Topol’cˇany (Hradisko), SK 468, 469, 473, 474, 842 Boljetin, SLO 501, 502 Bonn, D 82, 84, 98 (A 62) Bordesholm, D 83 (A 39) Bosanski Novi, BIH 564 Böttingen, D 159 Bourscheid, L 22, 49 Bozen, I 649, 654 (A 45), 656, 658 (A 61), 660, 661 (A 72), 665, 668, 669 Bozen-Waltherplatz, I 659, 662 Bratei, RO 468, 471 Bratislava-Devín, SK 428, 474 Braunsberg bei Hainburg, A 432 Breda, Prov. Noord-Brabant, NL 766, 773–775, 784 Bregenz s. Brigantium Breisach (Münsterberg), D 165–212, 215, 216, 243, 312, 315, 827–829 Breitenfurt, Gem. Dollnstein, Lkr. Eichstätt, D 336, 339 Brekovica-Bihac´, BIH 563, 586 Bremtonicum/Brentonico, I 650, 652f., 656, 670, 674, 682, 687, 710 Brennero, I 719 Breny, F 98 (A 62) Brescia, I 669, 716
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Brigantium/Bregenz, A 389, 391, 839 Brigetio/Komarom, H 471 Brinjeva gora, SLO 483, 486f., 487 f., 494, 514 Brivio, I 724, 726 Brixen, I 669 Brixen-Stufels, I 665 Brno-Obrˇany, CZ 428 Brodenbach, Kr. Mayen-Koblenz (Ehrenburg), D 106, 112, 114, 117 Brumath, F 421 Budersberg, L 100 (A 68) Büdlich, Kr. Bernkastel-Wittlich (Burgkopf), D 106, 109, 115, 118 Bugar Grad (Gradina)-Gornja Gata Bugar, Bihac´, BIH 563, 568, 569, 589 (A34) Bugojno, BIH 560 Buia (Monte di Buja), I 689, 698 Bülach, CH 380 (A 44) Bülach-Alte Burg, Kt. Zürich, CH 391, 393, 424 Büraberg (Buraburg/Buraburg) bei Fritzlar, D 813, 814 (A 82), 815, 862, 869 Bürg bei Groß Eicholzheim, D 126 Burg Spitzenberg, Gem. Kuchen, Kr. Göppingen, D 296 (A 76) Burgavriato, I 647 (A 20) Burgellern s. Reisberg Burgenrain bei Sissach, CH 365, 368–372 Burghalden bei Liestal, CH 343, 375 f., 380 Burglay bei Strotzbüsch, D 82 Burgstall bei Schiltern, A 428, 431 Burk bei Forchheim, D 810 Buzenol, B 16, 17 Byllis, AL 556 Byzanz/Istanbul, TR 647, 651 Cˇacˇak, SRB 559, 561 Caelius Mons/Kellmünz an der Iller, D 3 (A 6) Calverbühl bei Dettingen, D 304 (A 102) Camp 809 Campi Canini, I 717
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Campiglia, I 752 Campomarzio, I 716, 740 Camporosso, I 635 Cannstatt, D 818 Cˇapljina, BIH 566, 586 Caricˇin Grad/Iustiniana Prima, SRB 533, 535, 546 (A 22), 557, 844 Carnium/Kranj, SLO 507, 524 Carnuntum, A 86, 458 Casale San Donato, I 753 Castel Grande bei Bellinzona, I 389 (A 1) Castel Pradaglia bei Isera, I 675, 711 Castelàc bei Portolo, I 686 Castelfelder-Enn (Montan) bei Auer, I 653, 656f., 658 (A 60), 659, 661, 662, 666, 668, 670 (A 94), 685, 686 (A 144), 703, 707, 850 (A 43), 852 Castellano-Pralongo, I 678 (A 121) Castellazzo di Doberdò (San Daniele), I 698, 689 Castellum Impitinis/Tiefencastel, Kt. Graubünden, CH 407 Castelnovate, I 716, 726, 741 Castelraimondo di Forgaria, I 689, 695, 698 Castelseprio, I 716, 719, 726 f., 728 (A 21), 730, 734, 741 f., 855–857 Castiel-Carschlingg, Kt. Graubünden, CH 248, 270 (A 29), 391, 407–410, 418, 425 Castra Bonnensia/Bonn, D 801 Castrop-Rauxel, D 80 Castrum Cainonense/Chinon bei Tours, F 805 f. Castrum Dertona/Tortona, Prov. Alessandria, I 646, 798, 860 Castrum Meroliacense/Chastel Marlhac, dép. Cantal, F 804 Castrum Novum/Giulia Nova, I 801 Castrum rauracense/Kaiseraugst, CH 72 (A 3), 144 (A 51), 170, 173 (A 24), 189, 215, 216, 238, 239, 253, 363, 364 (A 21), 365, 368, 829 Celeia/Celje, SLO 483, 485, 496, 503, 596, 599, 610 f., 617, 640, 641, 843 Celovsˇka cesta, SLO 628
Ceneda, I 669, 716, 741 Cˇentur, SLO 483, 489 Cetina, I 560 Cˇezava, SLO 501, 502 Chameleux, B 49 Chantargues, F 807 Châtel Arruffens bei Montrichier, Kt. Waadt, CH 343, 344, 355–358, 361, 377–379, 839 Châtel-Chéhéry, F 22, 49f. Chécy, F 73, 79 f. Chiavenna, I 726 Chieti, I 750, 751 Chinon bei Tours, F 806 Chiusaforte, I 635 Chiusi, I 750, 751 Christenberg s. Kesterburg Chuneberg/Chunisberch 809, 861 Curia/Chur, CH 389 f., 391, 392, 401, 404, 407, 418, 420, 839 Ciergnon, B 22, 47 Cífer Pác, SK 425 Cimbra/Cembra, I 650, 652f., 656, 670, 674, 685, 687 Cittanona-Heraclia, I 734 Cividale, I 515, 522, 800, 805, 861 Clairefontaine, B 16 Clermont, F 807 Cochem (Winneburg), D 120 Col Budin, I 689, 694 Col Monaco, I 689 Colle Brianza, I 716, 724, 726 Colle di Zuca, I 854 Colle Marzeit bei Verzegnis, I 689, 694 Colle Santino, I 7, 854 Comum/Como, I 716, 724, 726, 856 Concordia, I 689, 700 f. Contern, L 22 Cormones/Cormons, I 688, 689, 692, 700 f. Couvin (Aux Roches), B 22, 23, 65 Cremona, I 726 Crkvina-Makljenovac, Doboj, BIH 562, 563, 564 (A 8, 10), 565, 589 Cˇrnomelj, SLO 483, 485, 487, 490, 498 Cuijk, NL 766, 769 (A 21)
Ortsregister
Cˇukar, HR 501, 502 Cyreolou (Zirl), A 616 Dabravina, BIH 591 Dachstein, F 170 Dasburg, Kr. Bitburg-Prüm (Burg Dasburg), D 106, 108, 116, 119 Daun, Kr. Daun (Burgberg), D 106, 114, 117 Debelo brdo, Sarajevo-centar, BIH 563, 585 Demling, Gem. Großmehring, Lkr. Eichstätt (Katharinenberg), D 336, 339 -Derdap, SLO 501 Desana, I 522, 625, 658 Destòr (Dieci Torri), I 682 (A 128) Dettingen, D 319 Detva (Kalamárka), SK 463, 474 Deusone 767 f. Deventer-Colmsgate, NL 770 Devín s. Dowina Diessen, NL 767 Dietikon, Kt. Zürich, CH 386 Dijon s. Divionensis Dill (Burg Dill), D 120 Disentis, CH 412 Divionensis/Dijon, F 805 Djurdjevica-Djerekare, SRB 547, 550 Doboj, BIH 562 Dobrodzien´/Guttentag, PL 464, 466 Dolenji Logatec, SLO 636 Dolenjsko, SLO 504 Dollnstein, Lkr. Eichstätt (Urdonautal), D 336, 339 Dommery, F 22, 49 Domolospuszta, H 471 Donacˇka gora, SLO 483, 491, 494, 498, 503 Donje Vrtocˇe, Drvar, BIH 563, 572 Donk, Prov. Limburg, B 766, 769 (A 21), 773 Donzdorf, D 144 Dorestad, NL 141 (A 36), 350 Dortmund, D 833 Dorweiler, Kr. Rhein-Hunsrück (Waldeck), D 106, 116, 119
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Doss Trento, I 8, 646f., 653, 668, 670–673, 686f., 706, 798, 852f., 867 Doss Zelor, I 685 Dossa Maggiore, I 682 (A 129) Dosso della Pozza bei Nomi, I 675, 710 Dosso San Valerio, I 685 Dourbes (La Roche à Lomme), B 22, 24, 25–27 Dourbes, B 16, 51, 52, 53, 55f., 65 Dowina/Devín, SK 812 Dravlje, A 628 Drezˇnica, SLO 485 Drvar, BIH 572 Ducové, Bez. Piesˇt’any (Kostolec), SK 460, 474 Ducové, Bez. Trnava, SK 429 Duel bei Feistritz, A 498, 501, 596, 601, 615, 629, 631–633, 640, 848f. Duisburg-Huckingen, D 74 Dunaj bei Mladevine, SLO 483, 487 f., 492, 494, 496 Dunaj pri Jereki, SLO 483 Dünsberg, D 214, 245, 314, 836 Duvanj, BIH 566 Duvljansko Polje, BIH 560 Duvno, BIH 579 Ebersberg bei Berg, Kt. Zürich, CH 376 (A 38) Echternach, L 108 Ede-Bennekom, NL 766 Ede-Veldhuizen/Ede-Op den Berg, NL 766 Edling, A 632 Ehl, F 170 Eichstätt-Stadtfeld, D 328 (A 5), 336, 339, 337 (A 24) Eislingen a. d. Fils, D 144 Emmerich-Praest, D 82, 83 Emona/Ljubljana, SLO 483, 485, 488, 503, 628, 843 Engelsdorf, D 74 (A 10) Ennemase, I 650, 652f., 656, 657, 661, 705 Entersburg s. Hontheim Eourias, I 730 Epamanduodurum/Mandeure, dép. Doubs, F 351
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Ortsregister
Eppan s. Appianum Eprave, B 16, 17, 51, 52, 53, 55f., 69, 100 (A 68) Eprave (Devant-le-Mont), B 97 (A 59) Eprave (Rouge Croix), B 93, 94, 97 Eprave (Tienne de la Roche), B 22, 38–42 Eraclea, I 716 Erbach bei Ulm, D 142 (A 38) Erden, D 120 Erpfingen, D 309, 310 Erphesfurt/Erfurt, D 813, 862 Eschborn, D 319 (A 147) Eschenz s. Tasgetium Esch-sur-Alzette, L 49, 74 (A 10) Esslingen, D 156 Esztergom, H 308 (A 107) Ettenheimmünster, D 819 Etting/Lenting, Ettinger Feld, Stadt Ingolstadt, D 336, 339 Etzgen, Aargau, CH 169 (A 12) Fagitana/Fadana, I 650, 652f., 656, 670, 674, 685, 687 Falaën, B 16, 50f., 52, 55, 67 Falaën (Montaigle), B 22, 33f. Falkenstein, Kr. Bitburg-Prüm (Burg Falkenstein), D 106, 108, 112, 116, 119 Fallward bei Wremen, D 79 f., 860 Falmignoul, B 22, 47 Farfa, I 750, 751 f., 755 Faschendorf, A 626, 628 Favianis/Mautern, A 436 (A 24), 601, 637 Feddersen Wierde, D 860 Feldthurns, I 666 (A 85), 686 Fell, Kr. Trier-Saarburg (Burgkopf), D 105 Feltre, I 669, 717 (A 7) Ferruge s. Verruca Filattiera, I 716, 741 Firenze, I 750, 751 Flaach, Kt. Zürich, CH 376 (A 38) Flavia Solva, A 599 Flögeln, D 859
Flonheim, D 268, 270, 273, 283, 287, 288, 291, 293, 295–298 Fluh bei Sissach, CH 343, 365, 368–372 Formigar (Siegmundskron) bei Bozen, I 653 Foroiulanum (Dukat), I 688 f., 691, 800 Forte Teodosio, I 717 (A 7) Forum Iulii/Cividale, I 483, 515, 689, 690, 700 f. Fragsburg, I 647, 653 Frankenburg, F 862 Frauenberg, Kr. Birkenfeld (Nahekopf), D 106, 116, 119, 120 (A 27) Frauenchiemsee, D 156 Freiburg, D 121, 205 (A 57), 208 Freiburg (Schloßberg), D 121 Frick, CH 170, 350, 380 Friedenhain, D 328 Frohburg bei Trimbach, Kt. Solothurn, CH 343, 342–345, 363, 364, 365, 383, 838 Furfooz (Hauterecenne), B 22, 37–39 Furfooz, B 16, 17, 51, 52, 53, 55f., 68, 89, 90, 91, 97, 100 (A 68), 766, 770, 781, 824 (A 3), 859 Gacko, BIH 586 Gaino, I 716, 731, 856 Gamprin-Lutzengüetlekopf, FL 391, 394, 425 Gangolfsberg bei Oberelsbach, D 833 Garada, I 728 (A 23) Garda, I 728, 729, 730 f., 741 f., 856 Garlate, Pieve di San Stefano, I 721, 725, 726 Garmisch-Partenkirchen, D 146 Gat, Novi Dulic´i-Galesˇine, Gacko, BIH 563, 586 Gebesee, D 154 (A 77) Geißkopf bei Berghaupten, Ortenaukreis, D 5, 6, 81, 84, 101, 170, 213, 214, 216, 229–232, 236, 237, 242, 243, 245f., 247, 249, 251, 312, 332, 333, 379, 829, 839 Gelbe Bürg bei Dittenheim, D 214, 246, 248, 314, 330, 337, 836
Ortsregister
Geldrop, NL 766, 775 f. Genève, CH 342, 343, 378 (A 40) Gengenbach, D 819 Gennep, NL 766, 769 (A 21), 770, 776–785, 858f. Genova, I 856 Gerasa, JOR 622 Gerolstein (Burgring), D 120 Gerolstein, Kr. Daun (Auberg), D 106, 114, 117 Giengen a. d. Brenz, D 144 (A 52) Gipf-Oberfrick, CH 347 (A 10) Glamocˇ, BIH 560, 572, 579, 586 Glauberg, D 124, 214, 248–250, 314, 836 Glavina-Veli grad, HR 591 Glemona/Gemona, I 688, 689, 692, 700 f., 713 Glems, D 302 Globasnitz, A 623 f., 627 f. Göfis-Heidenburg (Vorarlberg), CH 391, 394–396, 425 Goirle, NL 766, 775 Goldberg bei Türkheim, D 332 (A 11) Göllersreuther Platte bei Landersdorf, Gem. Thalmässing, Lkr. Roth, D 328, 336, 339 Gomadingen, D 303 Gondorf, Gem. Kobern-Gondorf, D 309 (A 112) Gorazˇde, BIH 561 Gorenji Mokronog, SLO 485 Goriza, I 689, 700 f. Gösselsdorf, Gem. Eberndorf, A 628 Graach, D 87 (A 45) Gracˇnica, SLO 485, 491 f. Grad Biograd-Zabrd-e, Konjic, BIH 563, 579 Gradac (Ilinjacˇa)-Gornji Kotorac, Ilidzˇa, BIH 563, 574, 577 Gradac, Potocˇani-Mihaljevic´i, Livno, BIH 562, 563, 579 Gradac-Halapic´i, Glamocˇ, BIH 563, 572 Gradac-Hudutsko, Prozor, BIH 563, 586 Gradac-Lepenica-Homolj, Kiseljak, BIH 563, 572, 573–576, 591
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Gradac-Mokronog-Gunjacˇe, Visoko, BIH 563, 566, 589f. Gradec bei Drenica, SLO 500 Gradec bei Lisca, SLO 496 Gradec bei Logje, SLO 500 Gradec bei Prapretno, SLO 491 f. Gradec bei Velika Strmica, SLO 491, 501, 502, 507, 508 Grad-Gornji Vrbljani, Kljucˇ, BIH 563, 567, 569, 570 Gradicˇ bei Kobarid, SLO 515 Gradina (Grad)-Gradac, Posusˇje, BIH 563, 579 Gradina (Gradac)-Karaula, Kakanj, BIH 563, 585 Gradina (Gradac)-Ravno, Kupres, BIH 563, 564, 590 Gradina-Alihodzˇe, Travnik, BIH 563, 585 Gradina-Bivolje Brdo, Cˇapljina, BIH 563, 586 Gradina-Dabravina, Varesˇ, BIH 563, 585 Gradina-Donji Rujni, Livno, BIH 563, 579 Gradina-Gornja Petrovica, Kalesija, BIH 563, 579 Gradina-Grkovci, Bosansko Grahovo, BIH 563, 572 Gradina-Letka, Duvno, BIH 563 Gradina-Pocˇitelj, C´apljina, BIH 563, 586 Gradina-Podgradina (Kamenska), Glamocˇ, BIH 563, 579, 586 Gradina-Podgradina, Livno, BIH 563 Gradina-Prisoje, Perkovic´i, Duvno, BIH 563 Gradina-Rajicˇke, Glamocˇ, BIH 563, 579 Gradina-Renic´i, Duvno, BIH 563, 566, 590 Gradina-Sapna, Zvornik, BIH 563, 585 Gradina-Sˇipova, BIH 563, 585 Gradisˇcˇe bei Basˇelj, SLO 524 Gradisˇcˇe bei Velike Malence, SLO 482, 488
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Ortsregister
Grad-Kijevo, Sanski most, BIH 563, 585 Gradus/Grado, I 605, 611, 613, 624, 629, 689, 690, 700 f., 716, 734 f., 736 Grandpré, F 22, 49 f. Grazer Kogel bei St. Michael, A 596, 608, 629, 640, 848f. Grcˇka Gradina-Gornje Ratkovo-Kocˇic´i, Kljucˇ, BIH 563, 585 Grdavov hrib, SLO 483 Gredine-Potocˇani, Livno, BIH 563, 579 Greinberg bei Miltenberg, D 127, 833 Grenzach-Wyhlen, D 170, 238, 239 Grèzes, dép. Lozère, F 806 Grimburg (Grimburg), D 120 Großbodungen, D 833 Grosser Chastel bei Bad Lostorf, Kt. Solothurn, CH 344 f., 381–387, 839 Großer Berg bei Kindsbach, Kr. Kaiserslautern, D 2 (A 2), 71 (A 1), 250, 312 (A 126), 270 (A 29), 825 (A 5), 826 Grosseto, I 752 Großmehring-Auhöfe, Lkr. Eichstätt, D 336, 339 Gufidaun, I 666 (A 85) Gültlingen, D 268, 270, 273, 283, 287, 288, 291, 293, 295–298 Gungolding, Gem. Walting, Lkr. Eichstätt, D 336, 339 Gurina, Gem. Dellach, A 522 Haberg bei Puch, A 429, 431 Haillot, B 77 (A 18), 98 (A 60), 766, 781 Hambach, D 87 (A 45), 273 (A 37) Hambuch, Kr. Cochem-Zell (Burgberg), D 101 (A 68), 106, 111, 114, 117 Handschuhsheim, D 146 Han-sur-Lesse (Sur-le-Mont), B 93 (A 53) Haus Bürgel bei Monheim, D 82, 173 (A 23) Heddesheim, D 129 (A 14) Heeten, NL 766, 770 Heffingen, L 22, 49 Heidelberg, D 803
Heidenburg bei Seegräben-Aathal, Kt. Zürich, CH 380 Heidengraben bei Grabenstetten, D 267 Heidenschanze, D 859 Heidenstadt, D 859 Heidenstatt bei Limberg, A 428–430 Heilbronn, D 301 (A 84) Heiligenberg bei Heidelberg, D 121–164, 801 f., 826–829 Helpert, L 22, 49 Hemmaberg s. Iuenna Hemmingen, D 315, 319 (A 147) Henau (Koppenstein), D 120 Hengen, Stadt Bad Urach, D 310, 311 Herbergen, D 73, 74 (A 10) Hersberg, L 22, 49 Hersfeld, D 154 (A 77) Herten, Gem. Rheinfelden, D 142 (A 38), 239, 309 (A 111) Hertenberg bei Rheinfelden, D 72, 133, 170, 213, 214, 215, 216, 238–241, 243, 363, 364 (A 21), 829 Hesselberg bei Wassertrüdingen, D 124 Hochgosch bei Molzbichel, A 607 Höchst (St. Justinus), D 150 Hochstetten-Dhaun, Kr. Bad Kreuznach (Schloß Daun), D 106, 109 f., 112 f., 115, 119 Hoffeld, Kr. Ahrweiler (Burgberg), D 106, 116, 119 Höflein bei Bruck a. d. Leitha, A 444 (A 37) Hohe Wand bei Wiener Neustadt, A 432 Hohenstein-Oberstetten, D 311 Hohlenstein bei Asselfingen, D 304, 305f. Hoischhügel bei Thörl-Maglern, A 596, 615, 634f., 640 Holtum, NL 766, 775 Holzfluh bei Balsthal, CH 343, 373 f. Hom bei Sora, SLO 483, 495 Hontheim, Kr. Bernkastel-Wittlich (Entersburg), D 82, 106, 109, 115, 118 Horath, Kr. Bernkastel-Wittlich (Harpelstein), D 106, 115, 118, 120 (A 22) Horbourg, F 169, 170, 171 (A 15), 216
Ortsregister
Horné Prsˇany, Bez. Banská Bystrica (Vel’ky´ hrádok), SK 460, 462, 474 Hotton, B 16 (A 10), 22, 47 Houbirg bei Kappurg, D 214 Houffalize, B 22, 47 Houssen, F 170 Hovelingen, L 22, 49 Hreljin Grad-Cˇitluci, Sokolac, BIH 563, 579 Hrusˇica, SLO 483, 486, 488, 492f., 494, 601 Hum, SRB 547 Husseren-les-Châteaux, F 170 Huy, B 22, 48, 141 (A 36) Ibligo/Invillino, I 6 f., 489, 522, 657, 660, 667 (A 121), 688, 689, 690 (A 155), 691 f., 694–699, 700 f., 800, 851, 853 f., 861, 865, 867 Ibligo/Invillino (Colle di Zuca), I 692 (A 169), 694 Ibligo/Invillino (Colle Santino), I 692, 696 (A 178), 713 Illzach, F 170, 216 Imotsko Polje, HR 560 Ingolstadt, D 328 (A 3), 336, 339 Innsbruck, A 613 f. Insul, Kr. Ahrweiler (Burgberg), D 106, 114, 117 Invillino s. Ibligo Ipf bei Bopfingen, D 124 Irgenhausen, CH 124 Isola Comacina s. Monte Barro Itzig, L 22, 49 Iuenna/Hemmaberg bei Globasnitz, A 3 (A 6), 596, 600 (A 12), 611, 617–624, 625 f., 627–629, 636 (A 125), 639, 640, 642, 847 Iulium Carnicum/Zuglio, I 689, 690, 700 f. Iustiniana Prima s. Caricˇin Grad Iuvavum/Salzburg, A 595, 598 Ivank, SLO 483, 491, 495 Ivrea, I 716 Jajce, BIH 564, 585 Jakuszowice, SK 466
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Jambes, B 97 (A 59) Jamiolle, B 97 (A 59) Jaufferbësch, L 22, 49 Jaunberg s. Iuenna/Hemmaberg Jaunstein, A 617 (A 70) Javols, F 806 Jelica-Gradina, SRB 534, 538 (A 9), 551–555, 556f., 590, 845 Jemelle, B 17, 87 (A 45) Jerusalem, IL 642 Johannisberg (Düdelingen), L 22, 54, 49, 51 Jörgenberg bei Waltensburg, Kt. Graubünden, CH 376 (A 37) Juckelsbësch, L 22, 49 Jülich, D 80 (A 30) Jülich-Bourheim, D 87 (A 45) Junberg s. Iuenna/Hemmaberg Juzˇac bei Sopoc´ana, SRB 542, 543 Kaaden, CZ 810 Kahl a. Main, D 312 (A 125). Kaiseraugst s. Castrum rauracense Kakanj, BIH 572 Kalamárka bei Detva, SK 460 Kalameny, Bez. Ruzˇomberok (Burg), SK 474 Kalameny-Liptovsky´ (Starhrad), SK 465 Kalaura-Jelasˇinovci, Sanski Most, BIH 563, 564, 589f. Kalborn, L 22, 49 Kallnach, CH 170 Kalná nad Hronom, SK 471 Kalte Stube bei Puch, A 429, 431 Kampberg bei Großbodungen, D 833 Kankanj, BIH 566, 585 Kanzianiberg bei Finkenstein, A 596, 631 Kapelle bei Jadersdorf, A 596, 630 Kaplja vas, SLO 504 Karlburg, D 315 (A 140) Karlovac-Cˇitluk, BIH 563, 586 Kastelen, CH 363 (A 19) Kathreinkogel, A 596, 630f., 640 Katzenlocherbühel bei Kastelruth, I 636
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Ortsregister
Kellmünz, D 173 (A 24), 178 (A 34), 181, 182 Kemathen, D 192 Kembs, D 170, 216 Kempfeld, Kr. Birkenfeld (Wildenburg), D 106, 115, 118 Kerpen (Dietzenlay), D 120 Kesic´eva gradina-Cˇelebic´, Livno, BIH 563, 579 Kesterburg/Christenberg bei Münchhausen, D 126, 869 Keszthely, H 689 (A 149) Kezˇmarok (Jeruzalemberg), SK 474 Kinheim, Kr. Bernkastel-Wittlich (Colai), D 106, 107, 115, 118 Kindsbach s. Großer Berg Kirchbichl bei Lavant, A 596, 600, 612, 628 f., 640, 642, 848–850 Kirchenberg bei Stillfried, A 428, 432 Kirchheim a. Neckar, D 142 (A 38) Kirchheim a. Ries, Ostalbkreis, D 143 (A 39), 144 (A 53) Kiskörös, Kom. Pest, H 472 Kleinbasel, CH 170 Klis, HR 560 Kljucˇ, BIH 579, 585 Klotten, Kr. Cochem-Zell (Coraidelstein), D 106, 110, 114, 117 Kobarid, SLO 483 Kobern-Gondorf, Kr. Mayen-Koblenz (Niederburg), D 106, 107, 113 f., 117 Koblach-Neuburg (Vorarlberg), CH 391, 424 Koblenz (Kondertal), D 106, 116, 119 Koblenz, Aargau, CH 169 (A 12) Köln, D 79, 766, 768 Köln-Severinstor, D 80 (A 26), 98 (A 61) Kolverath, Kr. Daun (Hochkelberg), D 106, 114, 117 Konarzew, Woiw. Plock, PL 471 Konjic, BIH 560, 579, 586 Konstantinopel/Istanbul, TR 442, 587 Konstanz, D 819 (A 101) Koper, SLO 489 Kopstal, L 22, 49
Kordel (Weinberg), D 120 Korinjski hrib bei Veliki Korinj, SLO 483, 485, 487, 489, 491, 498, 500f., 502, 510, 511, 608 (A 37), 633, 844, 848 Korintija, HR 501 Kösching, Lkr. Eichstätt, D 336, 337, 328 (A 5), 339 Kosˇeca-Nozdrovice, Bez. Ilava (Hradisko), SK 460, 474 Kosmaj-Biletic´i, C´itluk, BIH 563, 586 Kostol’any pod Tribecˇom, Bez. Zlaté Moravce (Vel’ky´ Lysec), SK 469, 471, 474 Kosˇtur-Dabrica, Stolac, BIH 563, 572 Kotor, MNE 559 Kranj, SLO 268 (A21), 483, 485, 487, 489, 498, 505, 507 Kränzelstein bei Biesenhard, Gem. Wellheim, Lkr. Eichstätt, D 328, 336, 337, 339 Krefeld-Gellep, D 76–80, 85, 96, 98, 99 (A 65), 100–102, 194, (A 44), 781, 786 Krizˇna gora, SLO 483, 485 Krk, HR 591 Kröv, Kr. Bernkastel-Wittlich, D 106, 107, 116, 119 f. Krstina-Hamzic´i, Cˇitluk, BIH 563, 586 Krüppel s. Schaan Krusˇevac, SRB 535 Krvavica bei Vransko, SLO 483, 485, 503 Ksˇinná, SK 461 Kucˇar, SLO 483, 485, 488, 490f., 495, 499, 844 Kufstein, A 595 Kügeleskopf bei Ortenberg, Ortenaukreis, D 5 (A 13), 101, 170, 213, 214, 216, 232–237, 242f., 245, 247, 248, 312, 829, 830 (A 17) Kunkel, SLO 483, 495 Künzing s. Quintanis Kupres, BIH 560 Kutila, IL 622 Kuzelin bei Donja Glavnica, HR 3 (A 6), 487, 489
Ortsregister
La Roche-en-Ardenne, B 22, 47 La Spezia, I 740 Laag-Egna (St. Florian), I 659, 661, 662, 665, 668 (A 91) Ladenburg, D 127, 133, 150, 826 Laino d’Intelvi, I 716, 733 Lajh, SLO 507 Lamprechtskogel bei Mittertrixen, A 631 Langres, F 805 Lanisˇcˇe, SLO 488 Lasserg, Kr. Mayen-Koblenz (Bischofstein), D 106, 114, 117 Laubendorf, A 596, 640 Laufenburg/Baden, D 302 Laufen-Müschag,CH 308 (A 109), 373 (A 32) Lauffen a. Neckar, D 302 f. Lauriacum/Lorch bei Enns, A 522, 596, 613, 637, 640 Lausen-Bettenach, CH 368 Lavant s. Kirchbichl Lazisko, Bez. Liptovsky´ Mikulásˇ (Zvon), SK 465 f., 467, 474 Le Héraple, F 56 Lecco s. Monte Barro Leifling bei Grafendorf, A 611 (A 41) Lenensburg bei Betznau, D 246 Lenningen-Schopfloch, D 311 Leuna, D 836 Leutkirch, D 252 Levice, SK 468, 471 Levocˇa (Marienberg/Mariánska hora), SK 474 Libna, SLO 483 Limberg bei Sasbach, D 185 Limberk, SLO 482, 483, 485, 492 Lind-Obliers, Kr. Mayen-Koblenz (Wensburg), D 107 (A 4) Linz, A 75 Liptov, SK 464 Liptovská Mara (Liptovská Sielnica-Liptovská Mara), Bez. Liptovsky´ Mikulásˇ (Havránok), SK 465, 474 Liptovsky´ Ján, Bez. Liptovsky´ Mikulásˇ (Hrádok), SK 465, 474 Lisca, SLO 483, 487
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Lis-C´ava, SRB 547, 550 Lissendorf, Kr. Daun (Burgberg), D 106, 114, 117 Lissus (Ljesˇ), AL 559 Littamum/Innichen, I 661 (A 74) Livanj/Livanjsko, BIH 560 f. Livno, BIH 572, 579, 586 Ljubusˇa/Ljubusˇka (Mons Bulsinius), BIH 560 Lobenfeld, Gem. Lobbach, Rhein-Nekkar-Kreis, D 145 (A 54) Lochenstein bei Balingen, D 304, 305 f. Logje, SLO 485 Lohrsdorf, Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, Kr. Ahrweiler (Landskrone), D 106, 110, 114, 117 Lomello, I 716, 717–719, 726 Lompret, B 22, 47 Loppio-Isola (San Andrea), I 675 (A 117), 704, 850 (A 43), 863 Lorenzberg bei Epfach, D 331 (A 11) Lorsch, D 128 (A 12), 129, 134, 150, 154, 156, 158 Lothen (Burgkofel), I 659, 660f., 662, 708 Loxstedt, D 74 (A 10) Lucca, I 750, 751, 753 Lug ins Land (Zmölnigkofel) bei Molzbichl, A 636, 637, 638 Lustin, B 51, 68 Lustin (Rochers de Frênes), B 22, 37 Luxembourg, L 22, 49 Lyon, F 356 Maastricht, B 86, 350, 766, 768, 769 (A 21), 771 Magdalensberg, A 165 (A 2) Maiense bei Meran, I 656 Mailand s. Milano Maillé-Luynes bei Tours, F 807 Mainz, D 86, 158, 421 Mainz-Bretzenheim, D 98 (A 61) Maladers-Tummihügel, Kt. Graubünden, CH 391, 409, 411, 418, 425 Maletum/Mölten, I 650, 652f., 656 Malliacense, F 807 Mamer, L 82
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Ortsregister
Manderscheid (Oberburg), D 120 Mandeure, F 170 Mannheim-Vogelstang, D 141 Mannheim-Wallstadt, D 134 (A 31) Mantova, I 669 Mar Saba bei Betlehem, IL 622 Mareljic´a gradina-Staro selo-Carevica, Glamocˇ, BIH 563, 579 Marienberg/Marienburg bei Würzburg, D 813, 833 Maroeil, F 400 (A 18) Martinj hrib, SLO 483, 488, 494, 635f. Marzamemi, I 642 Mastershausen, Kr. Rhein-Hunsrück (Burgberg), D 101 (A 68), 106, 107, 112, 115, 118 Maursmünster, D 156 Mautern s. Favianis Mauthen im Gailtal, A 635 Maydenberg bei Devín, SK 812 Mayen, D 39, 42, 101 (A 68), 141 (A36), 281 (A 53), 304, 308, 314, 831 Mayen (Katzenberg), D 106, 114, 117 Meclaria/Straßfried, A 611, 634f. Mehring, Kr. Trier-Saarburg (Kammerknippchen), D 86, 87 (A 45), 106, 107, 115, 118 Mels-Castels, Kt. St. Gallen, CH 391, 402, 404, 417, 425 Mengen, Gem. Schallstadt-Wolfenweiler, D 194 Meran, I 647, 657, 668, 669 Mestre, I 669 Metz, F 20 (A 49), 169 Mezzocorona, I 653 (A 42), 674, 684 Michelsberg bei Kipfenberg, Lkr. Eichstätt, D 328, 336, 337, 339 Mihovo, SLO 483 Milano, I 291, 455, 599, 623, 644, 651, 716, 717, 732 Millstatt, A 607 Miltenberg, D 471 Minheim, Kr. Bernkastel-Wittlich (Burgley), D 101 (A 68), 106, 111, 115, 118 Misery, F 74, 98 (A 62) Mittenza/Muttenz, CH 366
Mogorjelo-Cˇapljina, BIH 563, 566, 588, 591, 846 Mokra, Oberschlesien, PL 466 Mokranjske Stene, SRB 544, 545 (A 17) Molise, I 756 Molzbichl, A 596, 607, 849 Monceau-le-Neuf, F 79, 80 (A 26), 98 (A 62) Mondorff, L 22, 49 Mons Cumeoberg/Mons Comagenos, A 809, 861 Mons Piri 123, 133, 801 f., 826 Mons Silicis/Monselice, I 690 (A 154), 691, 715, 716, 736, 737 f., 741 f., 856, 864 Mont, B 16, 22, 47 Mont Beuvray, F 124 Mont Saint-Michel bei Avranches, F 159 Mont Saint-Odile/Odilienberg bei Ottrott, F 6, 12, 156, 380, 816–819, 827–829, 839, 862f., 870 Mont Terri bei Cornol, Kt. Jura, CH 341 (A 1), 343, 344, 350–355, 363, 364, 365, 366, 382 (A 2), 384f., 838 Montagliano in Sabina, I 753 Montaigle bei Falaën, B 82, 84, 100 (A 68) Montarrenti, I 750, 752, 756 f. Monte Barro bei Lecco, I 3 (A 6), 715, 716, 719, 721–724, 726, 730, 742 (A 69), 841, 855f., 871 Monte Castellaro di Zignago, I 716, 740 Monte Castello in Val Caprio, I 716, 741 Monte Gargano, I 159 Monte Sorantri, I 689 Monte Zuccon bei San Giorgio di Torlano, F 501 Montecastello di Gaino (Gardasee), I 504 Montfaucon, F 50 Mont-Musiège bei Musiège, dép. Haute-Savoye, F 378 Moravany, Bez. Piesˇt’any (Marhát), SK 460, 460, 474
Ortsregister
Mori, I 678, 682, 684 Mörsdorf, Kr. Cochem-Zell, D 106, 107, 116, 119 Mostar, BIH 560, 577, 586 Mt. Sˇara, BIH 559 Munshausen, L 22, 49 Munzingen, Stadt Freiburg, D 203 (A 54) Muthmannsdorf, A 73, 237 Muttenz s. Mittenza Naissus/Nisˇ, SRB 545, 546 Naklo, SLO 483 Namur, B 48 Narona, HR 560, 566 Nassenfels, Lkr. Eichstätt, D 337 Nebeske Strolice, SRB 547 Nedao, Schlacht von 455 Neef, Kr. Cochem-Zell (Petersberg), D 101 (A 68), 106, 107, 110 f., 115, 118 Neerharen-Rekem, B 87 (A 45), 766, 771, 772, 775 f. Nemas/Nimis, I 688, 689, 690, 692, 700f. Nenzing-Stellfeder (Vorarlberg), CH 391, 425 Neuburg a. d. Donau (Stadtberg), D 332 (A12) Neuenheim, D 127 Neuffen, D 302 Neumagen, Kr. Bernkastel-Wittlich (Tempelkopf), D 101 (A 68), 106, 111, 115, 118 Neviodunum, SLO 483, 485, 496 Newel, D 86 Niederbieber, D 127 Niederleis, A 434 (A 22), 452f. Niederstotzingen, Kr. Heidenheim, D 144 (A 52), 148 Niemberg, D 329 Nijmegen, NL 83, 766, 771 Nikelsdorf, A 631 Niksˇicˇ, MNE 561 Nimwegen s. Nijmegen Nismes, B 16, 55, 100 (A 68) Nismes (Sainte-Anne), B 22, 23, 24, 51, 65
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Nismes (La Roche Trouée), B 22, 23–25, 51, 52, 54, 66 Nitra, SK 471 f. Nitra (Burg), SK 429, 458, 469, 475 Nomi, I 678 Nonsberg, I 675, 677 (A 118) Nörvenich-Hochkirchen, D 87 (A 45) Novaria/Novara, I 716, 726, 733 Novi Pazar, SRB 533, 535 Nürtingen, D 309 Nusbaum, Kr. Bitburg-Prüm (Ofenlay), D 100 (A 68), 106, 112, 116, 119 Oberleiserberg bei Ernstbrunn, A 427–456, 458, 812, 840–842 Oberlienz, A 596, 612, 629, 640, 848 Oberöfflingen, Kr. Bernkastel-Wittlich (Biederburg), D 106, 116, 119 Oberriet, Kt. St. Gallen, CH 394 Oberriet-Montlingerberg, Kt. St. Gallen, CH 391, 425 Oberwollaning, A 632 Ochsenberg bei Wartau, Kt. St. Gallen, CH 341 (A 1), 380 Ochsenfeld, Gem. Adelschlag, Lkr. Eichstätt (Wiesenstriegel), D 336, 339 Ochtendung, Kr. Mayen-Koblenz (Wernerseck), D 106, 109, 112, 114, 117 Ödenfest bei Pölling, A 638 Odilienberg s. Mont Saint-Odile Oedenburg-Biesheim, F 169, 170, 216, 243 f., 251 Oedenburg (Altkirch), F 169, 171, 829, 837 Oedenburg (Westergass), F 168 (A 8) Olten, CH 345, 346, 381, 838 Omont, F 22, 49, 55, 100 (A 68) Opiterbeton, I 734 f. Opitergium/Oderzo, I 689, 700 f., 716, 734 Orava, SK 464 Oravsky´ Podzámok, Bez. Dolny´ Kubín (Burg), SK 475 Orgelet, dép. Jura, F 377 Ortho, B 16, 17, 52, 69, 100 (A 68) Ortho (Le Cheslain), B 22, 42–44
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Ortsregister
Osopus/Osoppo, I 688, 689, 690, 692, 695 f., 698f., 700 f., 712 Ostrovica-Zlostup, SRB 547, 549, 551, 557 Oudenburg, B 75, 76, 79, 80 (A 26), 85, 96 Ovan-Grad, Cˇele, Bosanski Novi, BIH 563, 564, 589 Ovaro, I 695 Paderno-Madonna della Rocchetta, I 724, 726 Padova, I 669, 690 (A 154), 715, 716, 856 Pappenheim, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen (Burgberg), D 328, 336, 339 Patriasdorf, A 612, 640 Pavia, I 716, 726 Pazarisˇte-Gradina, SRB 534, 540, 542, 545, 547, 548, 844 Perdöhl, D 83 (A 39) Perdonig (St. Vigilius), I 658, 660 (A 68), 662, 664, 703, 709, 850 (A 43) Perlberg, D 80 Perledo, San Ambrogio, I 726 Petinesca bei Biel, CH 351 Petrisberg bei Trier, D 165 (A 2) Pfatten (Vadena), I 661, 662 Pfullingen, D 304, 305 f., 315 Piedicastello, I 673 Pittersberg, A 638 Pivka, SLO 483 Planina, SLO 483 Pleidelsheim, D 199 (A 49), 299 (A 83) Poetoviona/Ptuj, SLO 483, 485, 843 Pogana Glavica, Kupres, BIH 563, 585 Poggibonsi, I 750 Poggio Imperiale, I 752 Pohovac (Puhovac)-Haltic´i, Sokolac, BIH 563, 572 Polch-Ruitsch, Kr. Mayen-Koblenz (Burgberg), D 101 (A 68), 106, 114, 117 Polhograska gora, SLO 483, 485 Pollenzo, I 716, 730 Pomarolo, I 678 (A 121) Pombia, I 726, 741
Pons Sonti, I 689, 700 f. Pontarlier, F 355 Popovo Polje, BIH 561 Pordenone, I 689, 700 f. Portifluh bei Zullwil, Kt. Solothurn, CH 343, 365, 372 f. Postenje-Gradina bei Novi Pazar, SRB 534, 538, 542, 547 Povazˇská Bystrica-Povazˇská Teplá (Oplzenˇ), SK 461, 475 Poysdorf, A 434 (A 20) Prag, CZ 471 Prapretno, SLO 483, 485, 489 Pratteln-Schauenburgerfluh, Kt. BaselLand, CH 386 Prˇestovicˇe, CZ 328 Prsˇa, SLO 468 Pry, B 16, 17, 52, 53, 54 f., 67, 100 (A 68) Pry (Al Rotche), B 22, 31, 32 Pucinum, I 689, 700 f. Pusˇtal, SLO 511 Quintanis/Künzing, D 278 (A 43) Ras, SRB 533 Ravenna, I 552, 599, 623f., 641, 716, 717, 749, 750, 751, 841 Raveo (Monte Sorantri), I 694, 698 Regensburg, D 86 Reifferscheid, Kr. Ahrweiler (Alt Burg), D 106, 114, 117 Reims, F 74 (A 11) Reinach, Basel Land, CH 143 (A 43) Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern, D 3, 81, 214, 224f., 248f., 299 (A 81), 315, 323–327, 330, 333, 334 (A 17), 831, 836f., 839 Remesiana/Bela Palanka, SRB 546 Reunia/Ragona, I 688, 689, 690, 692, 695–699, 700 f. Reutlingen, D 130, 315 Rheinbach, D 87 (A 45) Rheinheim, D 170 Rhenen, NL 74, 94–96, 98 (A 62), 766, 784 Richborough, GB 74 (A 10), 176 (A 30) Riegel, D 170, 208
Ortsregister
Rieti, I 750, 751 Rifnik, SLO 482 f., 485, 487, 489, 498, 501, 505, 506, 511, 514, 519, 522, 596, 629, 631, 640, 844, 848 Rijeka, HR 559 Riva del Garda, I 653 (A 38), 667, 677 f., 682, 684, 687, 717 (A 7) Rivoli Veronese bei Verona, I 717 (A 7) Robicˇ, SLO 515 Roc de Pampelune bei Argelliers, F 863 Rocca di Garda, I 715, 716, 855 Rocca di Monselice s. Mons Silicis Rocca San Silvestro, I 750, 756 Rocchetta Panocchieschi, I 752 Rochefort, B 22, 55, 97 (A 59) Rodik, SLO 483, 487 f., 490f., 494 Roma, I 749, 750, 752 Romans d’Isonzo, I 702, 855 Rosello, I 750, 751 Rosenheim, Gem. Baldramsdorf, A 607 Rosenstein bei Heubach, D 304, 305f. Rottenburg, D 303 Rottweil, D 303 Rovereto, I 669, 675, 677 f., 682, 684 Rovigo, I 669 Rudna, SLO 483 Runder Berg bei Urach, D 3, 5, 56, 84, 132 (A 22), 144 (A 53), 148, 194 (A 45), 199 (A 51), 213, 214, 246, 247, 250, 254, 261–322, 330, 334 (A 19), 409, 410, 823, 830f., 834, 836, 869 Runingenburg bei Cleebronn, D 159 Runkelstein bei Bozen, I 704 Ruská Nová Ves, Bez. Presˇov (Burg Solivar), SK 475 Rybník, Bez. Levice (Krivín), SK 470, 471, 473, 475, 842 Sabina, I 750 Sabiona/Säben, A 629, 647 (A 16), 652, 654, 657 (A 58), 662, 666 (A 83), 669, 673, 799, 848, 850 (A 43), 854 (A 46) Sadovec-Golemanovo Kale, BG 548 Saeul, L 22, 49 Sagogn-Schiedberg, Kt. Graubünden, CH 391, 412, 414 f., 418 f., 425 Saint-Berthould, F 22
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Saint-Berthould (Chaumont-Porcien), F 49 Saint-Denis, F 132 (A 23) Sainte-Menehould, F 50 Saint-Quen-du-Breuil, F 88, 96 (A 56) Saldum, SLO 501 Salona, HR 560 f., 587 Salona-Sinj (Aequum), HR 560 Salurnis, I 649 Salzburg, A 595 Samson, Gem. Thon, B 22, 35, 91–93, 97, 100 (A 68), 132 (A 19), 766, 770, 781, 859 San Antonino di Perti/castrum Pertice, I 715, 716, 737–740, 864, 855 San Danielle, I 689 San Donato di Varazze, I 716, 740 San Giulio d’Orta, I 716, 726, 732, 733, 734 San Martino di Lundo/Lomaso, I 705, 863 San Martino, Lecco, I 726 San Salvatore al Monte Amiata, I 750, 751 San Vincenzo al Volturno in Molise, I 750, 751, 755 Sanski Most, BIH 564, 585 Sarajevo, BIH 561, 574, 586 Sargans, CH 401 Sarmizegetusa, RO 472 Sˇarovce, SK 471 Sˇarski Krsˇ, SRB 538, 541 Sars-la-Buissière, B 22, 47 Sasbach, D 194, 208 Scarlino, I 750, 752, 756 f. Schaan, FL 124 Schaan (Krüppel), FL 380, 391, 396–400, 416–418, 425, 425 Schanzberg bei Gars-Thunau, A 428, 430 f. Schanzkopf, D 120 Schellenberg bei Enkering, Gem. Kinding, Lkr. Eichstätt, D 336, 337, 339 Scheßlitz s. Reisberg Schiedberg bei Sagogn, Kt. Graubünden, CH 380
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Ortsregister
Schleitheim, CH 72 (A 5), 287 (A 58) Schneppenbach, Kr. Birkenfeld (Schmidtburg), D 106, 115, 118 Schöneck-Büdesheim, Wetterau, D 76 Schönholzerswilen-Toos-Waldi, Kt. Thurgau, CH 391, 424 Schretzheim, D 144, 148 Schuttern, D 156, 819 Schutz, Kr. Daun (Buerberg), D 106, 114, 117 Schwarzach, D 156 Sebatum/St. Lorenzen, I 660f., 665 Sedan, F 74 Seefeld, D 614 Seis, I 666 (A 85) Selz, D 308 (A 104), 421 Sˇentjurski hrib bei Trzˇisˇcˇe, SLO 485, 504 Sepen auf Krk, HR 641 Seprio, I 855 (A 50) Sermiana/Sirmian, I 650, 652f., 656 Servis, I 678 (A 678) Servitium 560, HR/BIH Sery, F 22, 49 Siebeneich, I 668, 670 (A 94) Siena, I 750, 751 f. Sievern, D 835, 860 Sils im Domleschg, Kt. Graubünden, CH 412 Singidunum/Belgrad, SRB 587 Sinjsko Polje, HR 560 Sirmione, I 716, 717–720, 728, 731 (A 41), 855 Sirmium, SRB 561, 587 Siscia/Sisak, HR 483, 488, 522, 560, 665 Sissach, Kt. Basel-Land, CH 368, 375, 380 Sissy, F 74 (A 11) Skadar, AL 559, 561 Skalka nad Váhom, Bez. Trencˇín (Chochel), SK 429, 460, 461, 475 Smolenice, Bez. Trnava (Molpír), SK 428, 475 Soldatova (Velika) Gradina-Sˇumnjaci, Glamocˇ, BIH 563, 586 Soleuvre, L 22, 49
Sonnenburger Hügel bei Natters, A 850 Speicher, Kr. Bitburg-Prüm (Leiköppchen), D 100 (A 68), 106, 112, 115, 118 Speyer, D 421 Spoleto, I 688, 750, 751 Sponeck bei Jechtingen, D 169, 170, 171 (A 15), 185, 215, 243, 304, 312, 829 Spontin, prov. Namur, B 17, 100 (A 68) St. Aldegund, Kr. Cochem-Zell (Hangelenberg), D 106, 107, 115, 118 St. Lorenzen-Puenland, I 659, 662 St. Ursanne im Tal des Doubs, CH 351 Stadtberg s. Neuburg a. d. Donau Staffelberg bei Staffelstein, Lkr. Lichtenfels, D 330 Sˇtajersko, SLO 504 Stallikon-Üetliberg, Kt. Zürich, CH 391, 424 Sˇtanjel, SLO 494 Stará Kremnicˇka, Bez. Zˇ iar nad Hronom (Skalka), SK 470, 475 Staré Zámky in Brno-Lísˇenˇ, CZ 428, 842 Starkenburg, Kr. Bernkastel-Wittlich (Schloß), D 106, 110, 115, 118 Stein (Tufelbach), D 128 (A 11) Steineberg (Burgberg), D 120 Steinerberg, A 638 Steinfort, L 100 (A 68) Stockach-Rißtorf, D 142 (A 38) Stolac, BIH 572, 586 Stößen, D 329 Strasbourg, F 166, 170, 189, 208, 215, 216, 242, 245, 253, 421, 818, 819 (A 101), 829 Straßburg s. Strasbourg Strazˇnik, SLO 483, 496 Strohn, Kr. Daun (Kierberg), D 106, 109, 112, 116, 119 Strotzbüsch, Kr. Daun (Burglay), D 106, 109, 112, 116, 119 Strzegocice, PL 466 Stupava, SK 452 Sülchen, Gem. Rottenburg a. Neckar, D 123 (A 2), 279 (A 48), 304 (A 102), 803
Ortsregister
Sülm, Kr. Bitburg-Prüm (Burgberg), D 106, 116, 119 Sulz a. Neckar, D 803 Sulzbürg bei Neumarkt, D 315 Sˇumenje bei Podturn, SLO 483, 488, 494, 497 Susa, I 716 Sv. Jakob, SLO 483, 485 Sv. Katarina, SLO 485 Sv. Lambert, SLO 483, 485, 511 Sv. Lovrence, SLO 483, 485, 498 Sv. Pavel bei Planina, SLO 488, 494 Sv. Radegunda, SLO 485, 491, 498 Svete gore bei Bistrica ob Sotli, SLO 483, 485, 491 Sveti Damjan, HR 501, 502 Svetojanj, HR 501 Svinjski rt bei Radecˇe, SLO 483, 496 Szentendre, H 308 (A 107) Tabor, SLO 483, 485 Taliata, SLO 501 Tarodunum/Zarten, D 221 Tarquimpol, F 56 Tasgetium/Eschenz, CH 389 Tating, D 141 f. Tawern, Kr. Trier-Saarburg (Metzenberg), D 105, 128 Teck bei Owen, Kr. Esslingen, D 305, 310 (A 115) Tefericˇ-Krupac, Ilidzˇa, BIH 563, 586 Tenedo/Zurzach, CH 170, 389 Tergeste, I 689, 700 f. Teriolis/Martinsbühel bei Zirl, A 614–616, 637 Tesana/Tisens (St. Hyppolyth), I 650, 652, 656f., 659, 662, 666, 673 (A 113), 707 Tesárske Mlynˇany, SK 471 Teurnia s. Tiburnia Thermopylae, GR 557 Thessalonica, GR 587 f. Thon, B 17, 51, 55, 68 Thun-Allmendingen, Kt. Bern, CH 386
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Tiburnia/Teurnia (St. Peter in Holz), A 3 (A 6), 595, 596, 597, 599–608, 610 f., 613, 621, 624, 628, 632f., 636, 639, 640, 641 f., 848 Tiefencastel-St. Stephan, Kt. Graubünden, CH 391, 404–407, 418, 425 Tilurium, HR 560 Tinje bei Loka pri Zˇ usmu, SLO 483, 485, 487, 490f., 494, 496, 499, 504 f., 506, 522, 524, 596 Tirol, I 660 Tiszaladány, H 466 Tombois, B 31, 32 Tongeren, B 77 (A 18) Tonovcov grad bei Kobarid, SLO 483, 485, 487 f., 491, 494, 498–500, 511–524, 844 Torgny-Rouvroy, B 87 (A 45) Torino, I 716 Tortona, I 646, 798, 800 Tournai, B 74, 766 Tours, F 805 Traben-Trarbach, Kr. Bernkastel-Wittlich (Göckelsberg), D 106, 107, 115, 118 Traben-Trarbach-Kautenbach, Kr. Bernkastel-Wittlich, D 106, 116, 119 Tragin, A 632 Travnik, BIH 560 Trbinc, SLO 483, 485 Trebinje, BIH 560 Treis, D 120 Treis-Karden (Zillesberg), D 106, 114, 117 Trencˇianske Bohuslavice, Bez. Nové Mesto nad Váhom (Malovecké), SK 460, 461, 475 Trencˇianske Teplice, Bez. Trencˇín (Cˇertova skala), SK 460, 475 Trento, I 669 Treviso, I 669, 731 (A 41) Tridentum/Trient, I 647–649, 653f., 656, 670–673, 798 f., 853 Trier, D 74, 86, 109, 111 (A 11), 112 f., 136 (A 32) Trimbs/Welling, Kr. Mayen-Koblenz, D 106, 116, 119
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Ortsregister
Trnje, SLO 483, 485 Trojan bei Pesˇter, SRB 538, 539 f., 590 Trun-Grepault, Kt. Graubünden, CH 391, 412, 413, 416, 418, 425 Tscatschak, SRB 545 (A 19) Tscheltschnigkogel bei Warmbad Villach, A 630 f., 640 Tulln, A 86 Turiec, SK 464 Turík, Bez. Ruzˇomberok (Hradisˇte), SK 466, 467, 475 Tuscania, I 750, 751 Tuzla, BIH 579 Übach-Palenberg, D 111 Udicˇa, Bez. Púchov (Klapy), SK 475 Udine, I 522 Üetliberg bei Zürich, CH 342 (A 1), 380 Ulm, D 304, 305 f. Ulrichsberg, A 596, 608, 630, 640 Umlaufberg bei Altenburg, A 428 f. Undine, I 689, 700 f. Undine (Kastellhügel), I 698 Unterjesingen bei Tübingen, D 148 Unterregenbach, D 146 (A 59) Untersiebenbrunn, A 466 Untervaz-Haselbodenkopf, Kt. Graubünden, CH 391, 425 Urspring, Gem. Lonsee, D 319 Uzˇice, SRB 561 Vaduz, FL 401 Varallo Pombia, I 716 Varigotti, I 716 Vättis, Kt. St. Gallen, CH 394 Vauquois, F 50 Veky´ Pesek, SK 471 Veldenz, Kr. Bernkastel-Wittlich (Schloß Veldenz), D 101 (A 68), 106, 109 f., 115, 118 Veldidena/Wilten, A 613–616, 636f. Velika gradina-Veliki Kablic´i, Livno, BIH 563, 572 Velika Strmica, SLO 483, 485, 487, 492 Velika vrata, Kupres, BIH 563, 585
Velike Malence, SLO 486, 493f. Veliki kamen-Volari, Sˇipovo, BIH 563 Veliki vrh bei Osredek, SLO 483, 487, 492, 494 Vel’ky´ Kolacˇín, Bez. Trencˇín (Markovica), SK 460, 461, 475 Velp, NL 833 Vemania/Isny (Kastell), D 111 Venedigerloch bei Bad Urach im Ermstal, D 304, 305 f. Venezia, I 669 Verdun, F 806 Vermand, F 74–76, 96, 96 (A 57), 98 (A 62) Verona, I 615, 648, 651 f., 669, 716, 719, 799 Verruca, I 511, 634f., 645–647, 650, 652–656, 670–672 f., 686f., 798 f., 808, 852, 860 Vervò (San Martino), I 675, 677 (A 118), 711 Verzegnis, I 698 Vianden, L 22, 48, 108 Vicˇa-Stojkovic´a Gradina im Dragacˇevo, SRB 534 Vicenza, I 669 Vicosoprano-Crep da Caslac, Kt. Graubünden, CH 391, 425 Vidosˇki Grad-Stolac, BIH 563, 586 Vieux-Poitiers, F 819 (A 105) Vieuxville, B 17, 52, 54f., 68, 73, 79f., 83, 91, 97, 100 (A 68), 112, 766, 770, 781 Vieuxville (Logne), B 22, 36 f., 824 (A 3), 859 Villanders, I 666, 709 Vilters-Severgall, Kt. St. Gallen, CH 391, 401, 425 Viminacium, SRB 587 Vindobona/Wien, A 455 Vindonissa/Windisch, Kt. Aargau, CH 346, 384 Vipota bei Pecˇovnik, SLO 483, 485, 492, 496, 498 Vireux-Molhain, F 16, 49–51, 52, 54–56, 66, 74 (A 11), 89–91, 92, 97, 100 (A 68), 766, 770, 781, 824 (A 3), 859
Ortsregister
Vireux-Molhain (Le Mont Vireux), F 22, 28–31 Vireux-Wallerand, F 89 Virneburg, Kr. Mayen-Koblenz (Virneburg), D 106, 116, 119 Virton, B 16, 50, 52, 53, 54, 70 Virton (Château Renaud), B 22, 45–48, 100 (A 68) Virunum, Gem. Maria Saal, A 596, 597–599, 608, 617, 622, 639 (A 134), 848 f. Visˇegrad, BIH 572, 579 Vitianum/Vezzano, I 650, 652, 656, 670 Vittorio Veneto/Ceneda, I 717 (A 7) Vitusberg bei Grafenberg, A 429, 431 Voerendaal, NL 87 (A 45), 98 (A 61), 766, 771 Vogenée, B 22, 47 Volaenes/Volano bei Rovereto, I 650, 652, 656, 670, 682, 705, 710 Völs, I 666 (A 85) Volta di Besta, I 685 Vranja pecˇ bei Lipni dol, SLO 483, 485, 489, 498, 499, 503 Vranje bei Sevnica, SLO 3 (A 6), 482f., 485, 489f., 506, 519, 522, 596, 620 (A 79), 639 (A 135), 640, 844 Vrbov, SK 464 Vrgada, HR 501 Vrhnika, SLO 483, 488 Vrhnika-Gradisˇcˇe, SLO 493f. Vrhnika-Turnovsˇcˇe, SLO 494 Vron, F 76 (A 17), 96 (A 56) Vrsˇcˇic´-Gradina, Gornje Ratkovo-Ilic´i, Kljucˇ, BIH 563, 579 Vrsenice bei Pesˇter, SRB 542, 544 Vrtovin, SLO 483, 485, 498 Vysˇehradné, Bez. Turcˇianske Teplice (Vysˇehrad), SK 475 Vysˇné Matiasˇovce, Bez. Liptovsky´ Mikulásˇ (Podmesˇtrová), SK 475 Vysˇny´ Kubín, Bez. Dolny´ Kubín (Ostrá skala), SK 465 f., 475 Wachenheim, D 87 f. (A 45f.) Walberberg, Stadt Bornheim, D 314 (A 136)
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Waldenbühl bei Donzdorf, D 304 (A 102) Walenstadt-Berschis-St. Georgenberg, Kt. St. Gallen, CH 391, 401–403, 417, 425 Walsdorf, Kr. Daun (Arensberg), D 101 (A 68), 106, 114, 117 Walsdorf, L 22, 49 Wange-Damekot, B 766, 771 Wanzenau bei Strasbourg, F 171 (A 16) Wartau-Ochsenberg, Kt. St. Gallen, CH 391, 400f., 416, 418, 425 Wartenberg bei Muttenz, Kt. BaselLand, CH 343, 363, 364, 365, 366–368, 373, 380 Wattens, A 614 Wehden, D 80 Weinfelden-Thurberg, Kt. Thurgau, CH 391, 393, 424 Weinsheim, D 87 (A 45) Weißenburg, D 337 Westerwanna, D 80, 132 Wettenburg bei Kreuzwertheim, D 3, 101, 214, 224, 245, 248f., 308, 315 (A 140), 330, 333, 334 (A 19), 336, 833–835 Wieblingen, D 133 (A 26) Wiesloch, D 143 Wijnaldum, NL 835 Wijster, NL 766 Willers-Chameleux, B 100 (A 68) Williers, F 22, 49 f. Wilten, A 124, 614 Windisch, CH 170 Wirzaburg s. Würzburg Wittlich, D 101 (A 68) Wittlich, Stadtteil Bombogen, Kr. Bernkastel-Wittlich (Lüxemkopf), D 106, 107, 112, 115, 118 Wittlich-Neuerburg, Kr. BernkastelWittlich (Neuerburger Kopf), D 106, 107, 109, 116, 119 Wittnau, Kt. Aargau, CH 380 Wittnauer Horn bei Wittnau, Kt. Aargau, CH 126, 341 (A 1), 343, 344, 345–350, 363, 364–366, 384f., 826, 838
892
Ortsregister
Wogastisburg 810 f., 861 Wolfersheim, D 87 (A 45) Wolkertshofen, Gem. Nassenfels, Lkr. Eichstätt, D 336, 339, 336, 339 Wormersdorf, Stadt Rheinbach, Kr. Rhein-Sieg (Tomburg), D 106, 114, 117 Worms, D 150, 421 Würzburg, D 315 (A 140), 813, 862 Wüstweiler, Gem. Niederzier, D 273 (A 37) Yzeures-sur-Creuse, dép. Indre-etLoire, F 350 Zabern, D 421 Zähringer Burgberg bei Gundelfingen, Kr. Breisgau-Hochschwarzwald, D 2 (A 4), 4 (A 10, 11), 5, 6, 81, 101, 170, 209, 213, 214, 215–228, 232, 236, 242–248, 250, 312, 330, 331 (A 11), 420 (A 44), 427 (A 1), 829f., 833 (A 24), 834–836, 841, 867, 869 Zalog, SLO 482 Zamoszcz, SK 466 Zasavska Sveta gora, SLO 489 Zástranie, Bez. Zˇ ilina (Straník), SK 475 Zàvist bei Prag, CZ 222, 428, 842 Zbelovska gora, SLO 483, 487 f., 492, 494, 496, 524 Zecovi-Cˇarakovo, Prijedor, BIH 563, 571
Zˇ ehra, Bez. Spisˇská Nová Ves (Burg), SK 475 Zelengrad-Han Kola-Cˇutkovic´i, Banja Luka, BIH 563, 585 Zell, Kr. Cochem-Zell (Alteburg), D 106, 109 f., 115, 118 Zell, Kr. Cochem-Zell (Marienburg), D 106, 111, 115, 118 Zemmer-Schleidweiler (Steineberger Lay), D 120 Zenica, BIH 585 Zidani gaber bei Mihovo, SLO 485, 491 f., 507, 508 Zienerbichl, A 850 Zimrajh bei Brezje, SLO 486 Zˇ irje, HR 501 Zirner Bichl, A 616 Zlatni Kamen, BIH 590 Zmajevac-Egic´i, Cˇelinac, BIH 563, 585 Zmölnigkofel bei Molzbichl, A 636 Znojmo-Hradisˇt, CZ 428 Zolwerknapp, L 22, 49, 51 Zullestein, D 134, 156 (A 80) Zülpich, D 97 (A 58), 797 Zürich, CH 124, 343 Zurzach s. Tenedo Zutphen-Ooyerhoek, NL 770 Zvornik, BIH 561, 585 Zweifalten, D 310
Ortsregister
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Autorenverzeichnis Bierbrauer, Prof. Dr. Volker, Kommission zur vergleichenden Archäologie römischer Alpen- und Donauländer, Bayerische Akademie der Wissenschaften, Alfons-Goppel-Str. 11, 80539 München, Deutschland Böhme, Prof. Dr. Horst Wolfgang, St. Sebastian-Str. 1E, 55128 Mainz, Deutschland Brogiolo, Prof. Dr. Gian Pietro, Dipartimento di Archeologia, Università degli Studi di Padova, piazza Capitaniato 7, 35139 Padova, Italien (gpbrogiolo@ unipd.it) Brulet, Dr. Raymond, Centre de Recherche Archeologie Nationale, Université de Louvain, Avenue du Marathon, 3, 1348 Louvain-la-Neuve, Belgien (brulet@ arke.ucl.ac.be) Bücker, Dr. Christel, ArchäologieWerkstatt, Altgasse 53, 79112 Freiburg, Deutschland (archä
[email protected]) Ciglenecˇki, Dr. Slavko, Znanstvenoraziskovalni Center Sazu, Insˇtitut za Arheologijo, Novi trg 2 (p. p. 306), 1000 Ljubljana, Slovenija Citter, Dr. Carlo, Medieval Archaeology Grosseto, via Vinzaglio 27, 58100 Grosseto, Italien (
[email protected]) Geuenich, Prof. Dr. Dieter, Historisches Seminar, Abteilung für Mittelalterliche Geschichte, Universität Duisburg-Essen, Lotharstrasse 65, 47048 Duisburg, Deutschland (dieter.
[email protected]); Schwarzwaldstraße 56, 79211 Denzlingen (
[email protected]) Gilles, Dr. Karl-Josef, Lahnstraße 1, 54296 Trier-Filsch, Deutschland Glaser, Dr. Franz, Landesmuseum Kärnten, Abteilung für Archäologie und Ur- und Frühgeschichte, Museumgasse 2, 9010 Klagenfurt, Österreich (franz.glaser@ landesmuseum-ktn.at) Gross, Dr. Uwe, Regierungspräsidium Stuttgart, Referat Denkmalpflege, Berliner Straße 12, 73728 Esslingen, Deutschland (
[email protected]) Haberstroh, Dr. Jochen, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Unterer Graben 37, 85049 Ingolstadt, Deutschland (
[email protected]) Hoeper, Dr. Michael, Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Belfortstaße 22, 79085 Freiburg, Deutschland (
[email protected])
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Autorenverzeichnis
Marti, Dr. Reto, Archäologie Baselland, Amtshausgasse 7, 4410 Liestal, Schweiz (
[email protected]) Martin, Prof. Dr. Max, Bachlettenstr. 64, 4054 Basel, Schweiz Marzolff, Dr. Peter, Jaspers-Str. 33, 69126 Heidelberg, Deutschland Matt, Dr. Christoph Philipp, Archäologische Bodenforschung des Kantons BaselStadt, Petersgraben 11, 4051 Basel, Schweiz (
[email protected]) Milinkovic´, Prof. Dr. Mihailo, Odeljenja za arheologiju, Filozofskog fakulteta u Beogradu, Abteilung für Archäologie, Philosophische Fakultät Belgrad, 11102 Beograd 3, Serbien Pieta, Dr. Karol, Slovenská Akadémia Vied, Archeologicky´ Ústav, Akademická 2, 94921 Nitra, Slowakei (
[email protected]) Possenti, Dr. Elisa, Università Degli Studi di Trento, Dipartimento di Filosofia, Storia e Beni Culturali, Via S. Croce, 65, 38100 Trento, Italien (elisa.possenti@ lett.unitn.it) Quast, Dr. Dieter, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz, Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte, Ernst-Ludwig-Platz 2, 55116 Mainz, Deutschland (
[email protected]) ˇSpehar, Perica, M.A., Arheolosˇki Institut, Knez-Mihajlova 35/IV, 11000 Beograd, Serbia and Montenegro (
[email protected]) Steuer, Prof. Dr. Heiko, Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Belfortstaße 22, 79085 Freiburg, Deutschland (
[email protected]) Stuppner, Dr. Alois, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Franz-Klein-Gasse 1, 1190 Wien, Österreich (
[email protected]) Theuws, Prof. Dr. Frans, Faculteit der Geesteswetenschappen, Amsterdams Archeologisch Centrum, Turfdraagsterpad 9, 1012 XT Amsterdam, Niederlande (
[email protected]) Zagermann, Dr. Marcus, Erlenweg 1 / Zi. 6.6.1, 79115 Freiburg, Deutschland (
[email protected]) Zotz, Prof. Dr. Thomas, Historisches Seminar, Abteilung Landesgeschichte, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Werderring 8, 79085 Freiburg, Deutschland (
[email protected])