PASSAUER HISTORISCHE FORSCHUNGEN
HERAUSGEGEBEN VON
WINFRIED BECKER, EGON BOSHOF, FRANZ-REINER ERKENS, THOMAS FRENZ, HORST W. HEITZER, HANS-CHRISTOF KRAUS, ANDREAS MICHLER, HARTMUT WOLFF, THOMAS WÜNSCH
Band
16
Christian Zgoll
HEILIGKEIT - EHRE MACHT Ein Modell für den Wandel der Herrschaftskonzeption im Spätmittelalter am Beispiel der byzantinischen Kydonesbriefe
2007
BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn.
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Q7R-1-412-20032-9
Inhaltsverzei chni s
VORWORT
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VORSPANN: ZUM WANDEL DER HERRSCHAFTS KONZEPTION IM AUSGEHENDEN MITTELALTER
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I. Tempora mutantur, et nos mutamur in iIIis
2. Historia non facit saltus
I. AUFTAKT: DIE TÜRKEN VOR KONSTANTINOPEL H. HEILIGKEIT DER MACHT: GRUNDSÄTZLICHES
I . Sakralität.
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2. Sakralität von Herrschaft
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III. DEMETRIOS KYDONES UND SEINE ZEIT.. I. Lebenslauf
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2. Zeitgeschichtliche Besonderheiten
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IV. SAKRALlTÄT VON HERRSCHAFT BEI DEMETRIOS KYDONES
1. Auf den Spuren des traditionellen Kaiserbildes a) Der von Gott geleitete Herrscher
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b) Gott als Urheber und Bewahrer herrscherlicher Tugenden c) Gott als "Sieghelfer"
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d) Gott als Verleiher der Herrschaft
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e) Gottesnähe des Herrschers - der Herrscher als Stellvertreter Gottes f) Der Herrscher als Nachahmer Gottes g) Christliches in der Kaiserideologie? 2. Entsakralisierungstendenzen
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b) Der Kaiser als vollkommener Mensch: Religiöses? c) Kaiserideologie und das Alte Testament
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d) Kaiserideologie und die Welt der griechischen Antike e) Herausgehobene Stellung des Herrschers f) Der Kaiser: "heilig"? - "göttlich"?
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a) Der Kaiser als vollkommener Mensch: Weltliches
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47 51 52 57 57 62 64 68 74 84
6 Exkurs: Heiligkeit in anderen Bereichen g) Fehlende Elemente . .
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Kaiser und Kult ..
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Kaiser und Kirche . ..
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Unsterblichkeit des Kaisers
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Einzelne Fälle kaiserlicher Ungerechtigkeiten
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Geißelung der bürgerkriegsähnlichen Zustände in Byzanz . ..
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Kritik an der kaiserlichen Türkenpolitik..
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Allgemeine Kritik
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92 96
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Heiligkeit von kaiserlichen Insignien und sonstigen Gegenständen ...
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Der Kaiser als Wundertäter und Heiler h) Kaiserkritik
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Kritik auftheologischem Gebiet ........................................................... 120
V. HERRSCHAFT ALS EHRENSTELLUNG .............................................................. 123 1. Aufscheinen eines neuen Deutungshorizontes 2. Ehre verdrängt Heiligkeit
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3. Gerechtigkeit und Vernunft verdrängen Frömmigkeit 4. NUtzlichkeitstopik
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5. Funktionalitätsdenken 6. Entsakralisierung
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VII. RESÜMEE
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VIII. INDEX
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1. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones 2. Heiligkeit - Ehre - Macht
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7. Ehrenstellung des Herrschers als "Schwellenmodell"
VI. GRÜNDE FÜR DEN SKIZZIERTEN WANDEL..
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1. Namen und Sachen
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2. Hebräische, griechische und lateinische Wörter
IX. LITERATURVERZEICHNIS
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X. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS . ..
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158 158 162
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Vorwort
Eine kleine Studie zu einem großen Thema: Wie vollzieht sich der Über gang vom mittelalterlichen sakralen Herrscher zum modemen Machtha ber? Antwort: Durch eine unmerkliche Verschiebung zentraler, auf den er sten Blick ähnlicher Begriffsfelder. Ein komplexer Vorgang, der sich nicht in einer epochalen Gesamtschau, wohl aber in der historischen De tailanalyse durchaus erfassen und charakteristische "Phasen" erkennen läßt. Als wichtige Übergangsphase zwischen dem Dominieren der Be griffsfelder "Heiligkeit" und "Macht" entpuppt sich die Betonung der herrscherlichen "Ehrenstellung". Eine Vorstellung von den hauptsächli chen Merkmalen dieser Schwellenkonzeption soll die Fallstudie zu den Kydonesbriefen vermitteln. Zur Entstehung dieser Arbeit haben viele hilfreich beigetragen. An er ster Stelle Prof. Dr. Klaus-Peter Matschke, der die hier entwickelten Ge dankengänge von Beginn an offen, kritisch im besten Sinn und sehr wohl wollend gefOrdert hat. Prof. Dr. Franz-Reiner Erkens hat Anregungen zum Manuskript beigesteuert und darüber hinaus durch seine Forschungspro jekte zur Sakralität von Herrschaft den größeren Horizont geliefert, von dem vorliegendes Buch in vielerlei Hinsicht profitieren konnte; ihm danke ich auch für die Aufnahme des Buches in die Reihe der Passauer
Historischen Forschungen. Prof. Dr. Franz Tinnefeid hat freundlicherwei se das Manuskript durchgesehen und wertvolle Hilfen gegeben. Profitiert habe ich nicht zuletzt von dem offenen Ideenaustausch und der sehr guten Arbeitsatmosphäre unter den Byzantinisten am Leipziger Historischen Se minar; besonders möchte ich mich dafür bei Sebastian Kolditz (MA) be danken. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dankenswerterweise Entstehung und Veröffentlichung des Buches durch die Finanzierung einer anderthalbjährigen halben MitarbeitersteIle sowie durch eine Publi kationsbeihilfe unterstützt. Was wäre Forschung ohne kompetente und interessierte Gesprächs partner? Ermutigenden, konstruktiven und kreativen Austausch von Ideen, dieses Privileg darf ich durch die Forscherin an meiner Seite, PD Dr. Annette Zgoll, die das Manuskript mit durchdacht hat, täglich genießen und bin dankbar dafür. Leipzig, im Juli 2007
Christian Zgoll
Vorspann: Zum Wandel der Herrschaftskonzeption im ausgehenden Mittelalter
1. Tempora mutantur, et nos mutamur in illis
In einer sich verändernden Welt und in ständiger Wechselwirkung mit ihr wandeln sich menschliche Verhaltens- und Handlungsweisen, und damit einhergehend auch das begriffliche Erfassen der Wirklichkeit. Der Mensch entwickelt je neu bestimmte Handlungsmuster und "kognitive Schemata", d ie dann als "operante Mechanismen" im Umgang mit dem Vorfind l ichen eingesetzt werdeni. Die Veränderung der natürlichen Um welt, Wandel wirtschaftlicher, sozialer, politischer und mentaler Struktu ren stel len prinzipiell ein dichtes, sich gegenseitig bedingendes und be einflussendes Geflecht von solcher Komplexität dar, daß ein Vertreter der Transformationsforschung, eines innerhalb der Politikwissenschaft eige nen Forschungsbereiches, zu folgendem, lapidaren Ergebnis kommt 2 : "Welche Ursachen einem Systemwechsel zugrunde l iegen, kann für jede Systemtransformation nur in der jeweils konkreten Analyse erforscht wer den." Eine solchermaßen postulierte, konkrete Analyse wird hier vorgelegt. Es geht um den tiefgreifenden Wandel des Menschen und seiner Welt am Ende des "Mittelalters", an der Schwelle zur "Neuzeit". Aus dem kom plizierten und vielschichtigen Gefüge wird hier ein Aspekt besonders he rausgegriffen, und zwar die innere und äußere Veränderung, der das höch ste politische Amt unterworfen war. Die Wegstrecke, d ie es dabei abzu schreiten gilt, n immt ihren Anfang beim sakral überhöhten, vom Himmel erwählten Stellvertreter Gottes auf Erden und findet ihr Ziel in den säku larisierten Formen neuzeitlicher Monarchien, die den Herrscher als reinen Dux, 1 982, 96. Vgl. auch Burke, 1 998, 238 : "Veränderung könnte man folglich erklä ren als eine Kombination von äußeren 'Kräften' mit 'VerbUndeten' innerhalb des Sy stems ..." Die vorliegende Untersuchung unternimmt es, dem Postulat nach einer "Neuformulierung" der "Mentalitätengeschichte" (Burke, 1 998, 233) gerecht zu wer den, indem sie versucht, "der Beschäftigung mit mentalen Kategorien, mit Begriffs schemata, Stereotypen oder Paradigmen einen größeren Raum zu geben" (ebd. 235). MerkeI, 1 999, 123. Der Autor ftlhrt Detailanalysen durch anhand der Demokratisie rungswellen nach 1 9 45 in Deutschland, Japan und Italien, M itte der 80er Jahre in Ost asien (Phili ppinen, Taiwan, SUd korea, Thailand) und anhand des Wandels der kommu nistischen Systeme nach 1 989.
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Vorspann: Zum Wandel der Herrschaftskonzeption im ausgehenden Mittelalter
Machthaber oder als durch die Verfassung legitimierten Vertreter des Vol kes in Erscheinung treten lassen3 • Aber nicht der Anfangs- und Endpunkt, sondern die verschiedenen, subtilen Formen des Übergangs stehen im Zentrum des Interesses.
2. Historia non facit saltus
Es ist eine Binsenweisheit, daß geschichtliche Veränderungen in der Re gel mit dem Fließen eines Stromes vergleichbar sind. Um so komplizierter ist die adäquate geschichtswissenschaftliche Beschreibung von solchen allmähl ichen Prozessen des Wandels. Eine Möglichkeit, dieser Schwie rigkeiten Herr zu werden, besteht darin, einzelne charakteristische Weg stationen oder Zwischenstufen auszumachen. Dabei ist nicht notwendig entscheidend, wie diese Momente des Übergangs sich innerhalb der Ge schichte rein quantitativ manifestieren - anders gesagt, ob sie sich bei nur einem herausragenden Vor-Denker oder aber in zahlreichen Quellen ver schiedenster Autoren ausmachen lassen. Oft sind es gerade einzelne Erei gnisse, Persönlichkeiten, Quellen oder Quellengattungen, in denen sich Einen kurzen und notwendig sehr allgemein gehaltenen Überblick über die hau ptsäch lichen Stationen dieses Wandels liefert Müller, 1 993. Im Zuge seiner Ausfilhrungen vermutet Müller, daß "das religiöse Element innerhalb des Komplexes Herrschaft '" im Denken der Allgemeinheit deutlicher wohl erst seit der Aufklärung" abnehme (ebd. 476), während Goetz, 1 993, 468, von einer "allmählichen ' Entsakralisierung' des Herr schergedankens" bereits "seit dem I rivestiturstreit im letzten Viertel des 1 1 . Jahr hunderts" spricht. Diese beiden Stellungnahmen werfen ein Schlaglicht auf die Kom plexität der hier aufgeworfenen Fragestellung. Demetrios Kydones spiegelt sicher nicht das "Denken der Allgemeinheit" wider, doch finden durchaus allgemeine Ten denzen in seinem Denken ihren Niederschlag. Wenn Dinzelbacher, 1993, XIX, fordert: "Mentalitäten müssen auch vermittels persönlicher Zeugnisse dargestellt werden, wo diese verbreiteten Haltungen Ausdruck geben", so filhrt dies auf ein grundsätzliches Problem der mentalitätshistorischen Forschung. "Verbreitete Haltungen" können be wußt und reflektiert, aber auch unbewußt und unreflektiert vorhanden sein (und von einem Zustand in den anderen übergehen, vgl. auch Dinzelbacher, 1 993, XXIlI); im ersten Fall sind sie filr den Historiker einfacher nachweisbar als im zweiten, und doch ist es offensichtlich, daß Prozesse mentalen Wandels in der Regel eine "Vorlaufphase" haben, in der sich die Veränderungen noch nicht deutlich abzeichnen, aber in vielerlei Hinsichten andeuten. Unbestreitbar ist die historische Analyse solcher Vorlaufphasen überaus schwierig und in erhöhtem Maß der Gefahr subjektiver Einschätzungen ausgesetzt (vgl. auch Dinzelbacher, 1 993, XIX t), doch enthebt uns dies nicht der Not wendigkeit, eine adäquate Beschreibung solcher schwer faßbarer Vorgänge wenigstens zu versuchen. Zu den Schwierigkeiten mentalitätsgeschichtlicher Forschung s. auch Schöttler, 1 989, v.a. 88 ff.
Vorspann: Zum Wandel der Herrschaftskonzeption im ausgehenden Mittelalter
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ein bestimmtes Entwicklungsstadium besonders deutlich widerspiegelt4 • Des weiteren sagt es auch nichts über den Wert des Erkenntnisgewinns aus, den uns die Beschreibung einer Zwischenstufe, ein "Schwellenmo dell", bringen kann, wenn dieses nicht kontinuierlich weiterentwickelt, sondern durch bestimmte Ereignisse zunächst wieder fallen gelassen und erst später erneut aufgegriffen wird. Die Beschreibung einer bestimmten Wegstation innerhalb einer komplexen Entwicklung kann zu einem bes seren Verständnis geschichtlicher Verläufe beitragen, unabhängig davon, ob diese Zwischenstufe sich nur bei wenigen oder bei vielen nachweisen läßt, ob sich von ihr ausgehend sofort eine direkte Linie zu späteren Ereignissen oder Mentalitäten ziehen läßt oder erst nach Unterbrechungen und mit Umwegen5 • Um ein solches "Schwellenmodell" geht es hier. Es wird der Versuch unternommen, zwischen der antik-mittelalterlichen Vorstellung von der Sakral ität des Königtums und der neuzeitlich-modemen Auffassung von Herrschaft als Machtbesitz eine Zwischenstufe auszumachen und näher zu beschreiben, und zwar eine Konzeption, die Herrschaft als eine Ehrenstel lung begreift. Das mag auf den ersten B lick wenig griffig erscheinen, und das soll es auch. Auf diese Weise entspricht d ie begriffliche Annäherung durch ihre semantische Unbestimmtheit dem Charakter der Unmerklich keit, d ie dem historischen Übergangsstadium eignet. Dies bedarf näherer Erläuterung. Unzweifelhaft besitzt der Herrscher nach antiker und m ittelalterlicher Auffassung ein besonderes Ansehen, eine ihm eigene Würde und Ehre. Diese ist untrennbar verbunden m it seiner Sakralität und wesentlich auf s ie gegründet. Der Herrscher ist zu ehren und zu verehren, wei l er von Gott eingesetzt und dadurch selbst in den Bereich des Göttlichen erhoben ist. Der Begriff der Ehre ist in diesem Modell wichtig, aber er ist nicht zentral. Von zentraler Bedeutung ist die Heiligkeit des Herrschers, denn aus ihr leitet sich seine Ehrenstellung ab, nicht umgekehrt. Es ist nun n icht von der Hand zu weisen, daß auch neuzeitlichen Monarchen oder moder nen Staatsoberhäuptern Hochachtung und Respekt gezollt, also eine geMan denke hierbei etwa an die vergleichsweise Uberaus starke Wirkmächtigkeit von Machiavellis Traktat 11 Principe, um nur ein beliebiges Beispiel herauszugreifen. Vgl. zum Problem auch Dinzelbacher, 1993, XVIII f und XXVII. Freilich muß man "in je dem Einzelfall darUber diskutieren, inwieweit ein solcher 'Trendsetzer' nur schon vorhandene Tendenzen zum Ausdruck bringt und inwieweit er sie allein generiert" (ebd. XXX). Vgl. Dinzelbacher, 1 993, XXV: "Die Darlegung der Verzahnung der verschiedenen Arten von Dauer (Kontinuitäten Uber viele Generationen, kurze Konj unkturen, noch kUrzere Moden) gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Men lalilälsgeschichle."
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Vorspann: Zum Wandel der Herrschaftskonze ption im ausgehenden Mittelalter
wisse Ehrenstellung zuerkannt wird, die sich nicht allein aus der Funktion ihres Amtes herleiten läßt. Es ist da ein gewisser "Überhang an Besonder heit" zu verzeichnen, der quasi-religiösen Charakter besitzen kann, der in der Regel allerdings n icht mehr explizit mit religiösen Argumenten unter mauert wird. Auch hier ist also von der "Ehre" des Herrschers die Rede, aber auch h ier ist sie w iederum n icht von solch zentraler Bedeutung für d ie Bestimmung des Phänomens "Herrschaft" wie etwa die Begriffe Macht, Souveränität oder Amtsgewalt. Dieses Moment der "Ehre" stellt sich nun aus dem B lickwinkel des analysierenden H istorikers als das verbindende Glied zwischen den beiden Auffassungen von Herrschaft dar, und das aus drei Gründen. Zum einen deshalb, wei l es in beiden Konzeptionen vorkommt. Zum zweiten, wei l es in beiden Modellen eine wichtige, aber gerade nicht die zentrale Rolle spielt. Und zum dritten, weil es mit dem Vorläufer und mit dem Nach folgemodell "kompatibel" ist, und das n icht nur aufgrund des erstge nannten Punktes, also nicht nur, wei l es in beiden Fällen zum Einsatz kommt, sondern wesentlich auch deshalb, weil es sich mit unterschiedli chen Argumentationsmustern verbinden läßt. Denn die Heiligkeit des Herrschers kann nach traditioneller Auffassung nur in Gott ihren Ur sprung haben. Da der Rückgriff auf die Religion in einer säkularisierten Welt jedoch als n icht mehr zulässig empfunden wird, muß der Heilig keitsbegriff als konstitutives E lement der Herrscherdefinition wegfallen. Für den Ehrbegriff gilt dies n icht in gleicher Weise. Ehre kann in Gott ihren letzten Ursprung haben, sie kann aber auch als rein innerweltliche Angelegenheit, als menschliches Verdienst, als gesellschaftlich-soziolo gisches Phänomen angesehen werden. Sie bleibt für beide Ableitungen offen. Dadurch schiebt sie sich unmerklich in den Vordergrund und wird gewissermaßen als "Zwischenlösung" zum Kernbegriff des Übergangs modells6 • Kurz gefaßt und leicht vereinfacht kann man sagen: Die Konzeption von Herrschaft als Ehrenstel lung zeichnet sich dadurch aus, daß in ihr der Gedanke an eine Sakralität des Herrschers unmerklich, aber deutlich 6
Auch wenn der Begriff stark strapaziert worden ist, könnte man hier von einem un merklichen "Paradigmenwechsel" sprechen. Vgl. Burke, 1 998, 236: "In einem Para digma kann durch einige recht geringftlgige 'Anpassungen' jede größere Veränderung über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgreich vermieden werden, bis die Tradition in einer Art von 'Gestaltwechsel ' umki ppt beziehungsweise in einer intellektuellen 'Revolution' auseinanderbricht." Solche Übergänge sind durch innere Widersprüche gekennzeichnet; sie sind "keine widerspruchsfreien Systeme, sondern enthalten dialek tische Komponenten" (Dinzelbacher, 1 993, XXII). Zum manchmal paradoxen Inein ander und Nebeneinander von Tradition und Innovation vgl. auch Burke, 2005, 41 f.
Vorspann : Zum Wandel der Herrschaftskonzeption im ausgehenden Mittelalter
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zurücktritt. An seiner Stelle wird zunehmend die Ehre und Würde des Herrschers unterstrichen. Die rel igiöse Verankerung dieser Ehrenstellung weicht zwar noch n icht vollständig einer Profanisierung, spielt aber keine eigentlich vitale Rolle mehr. Im folgenden sollen die Entstehungsbedingungen und die näheren Spe zifika des h ier kurz skizzierten Modells historisch verortet werden. Es handelt sich um eine exemplarische Fallstudie zum Wandel des Kaiserbil des im späten Byzanz, wie es sich in dem Briefcorpus des hochgebi ldeten Literaten und einflußreichen Staatsmannes Demetrios Kydones (ca. 1 3241 397) widerspiegelt. Er kann in besonderer Weise als Exponent des sich anbahnenden Bewußtseinswandels gelten, doch ist sein Schrifttum n icht die einzige Quel le, an der sich das Schwellenmodell von Herrschaft als Ehrenstellung aufzeigen l ieße - eine Arbeit, die weiteren Studien vorbe halten bleiben muß. "Das ist ein weites Feld . .,,7 .
7
Adalbert Stifter, Der Nachsommer, Kapitel 4.
I. Auftakt: Die Türken vor Konstantinopel
Man schreibt das Jahr 1 39 1 . Konstantinopel, die Hauptstadt des einst so mächtigen, mittlerweile stark geschwächten byzantinischen Reiches wird von TUrken umringt und bedroht8 • Der Kaiser selbst, Manuel 11. Palaiolo gos, ist abwesend . Paradoxerweise leistet er mit seiner Gefolgschaft Kriegsdienste ftir den Sultan Bayezid I. in Kleinasien, auf dessen Unter stützung er angewiesen ist, um seine Herrschaftsrechte gegen den eben falls nach dem byzantinischen Kaiserthron strebenden Ioannes VII. Palai ologos durchsetzen zu können. Zu allem Übel bricht in Konstantinopel noch eine unerbittlich wütende Seuche aus, die zahlreiche Opfer fordert. Im November oder Dezember dieses Jahres schreibt Demetrios Kydones, zeitweise ein hoher Staatsbeamter unter den Kaisern Ioannes VI. Kanta kuzenos und Ioannes V . Palaiologos, aus der Hauptstadt an seinen ehema l igen Schüler Manuel II.9 : KahOL nav'CE<; r']An l�o�Ev cmaMayr'Jv nva '(wv bnvwv '(mhwv bla UOÜ bWUElV r']�iv '( ov eEOV, avbQo<; Kai voüv EXOV'(Q<; Kai AOYOl<; xal QOv'(o<; Kai �bovai<; �r'] bouAEuov'(Q<;, blKaLOuUVTJ<; bt avEU Kai vo �wv �TJb' av �fjv EAo�EVOU, Kai epLAou �tv aya8oi<;, novTJQoi<; bt EX8QOü, '(0 '(E KOlVi.i uuvoiuov nQon�wv'[oc; ad '(wv iblq btaepEQOV'(WV, ö bt Kai ßaUlMw<; öQov '(18EV'(at nav'(E<;, 6�Olw<; �tv uoepOl, 6�OlWC; bi: ibLW'(at, Kai öAw<; btil nav'(wv nQEnov'(o<; ßauLAdq. "Wir alle hat -
ten gehofft, Gott werde uns durch dich <wenigstens> bis zu einem gewissen Grade Erlösung von diesen Schrecken gewähren. Bist du doch ein vernunft begabter Mann und erfreust dich an l iterarischen Studien. Du bist den Leiden schaften nicht ergeben und kannst dir ein Leben ohne Gerechtigkeit und Ge setze nicht einmal vorstellen, bist ein Freund der Guten und ein Feind der Bö sen, gibst stets dem, was dem Gemeinwesen nUtzt, vor dem Eigeninteresse den Vorzug - was alle, Weise wie Ungebildete gleichermaßen als Definition eines Kaisers anfUhren - und bist Uberhaupt in jeder Hinsicht ein des Kaiser tums würdiger
."
Weil alle die genannten Tugenden und Pflichten von den Staats lenkern zuvor vernachlässigt worden seien, habe Gott die "Barbaren" zu so großer
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Zur zeitgeschichtlichen Situation s. Tinnefeid, 2003, 2 1 8 f und 236. Brief T 435 L 43 1 , Z. 1 0- 1 6; Datierung des Briefes bei Tinnefeid, 2003, 236, Über setzung von Tinnefeid, ebd. 237. =
I. Auftakt: Die T!lrken vor Konstantinopel
15
Macht gelangen lassen. Manuel 11. wäre der ideale Herrscher, aber die Sündhaftigkeit der Byzantiner verhindere den Nutzen, den die Tugend des Kaisers seinem Volk bringen könnte, nämlich die Errettung vor dem voll ständigen Untergang1 0 •
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L
43 1 , Z. 1 7-30.
11. Heiligkeit der Macht: Grundsätzliches
Bemerkenswert ist d ieser eben zitierte Absatz n icht allein wegen der in ihm enthaltenen geschichtstheologischen Deutung, sondern auch deshalb, weil hier in epistolographischem Kontext - also n icht i nnerhalb eines phi losophischen oder staatstheoretischen Traktats - eine regelrechte "Defi nition" vom Wesen des Kaisertums gegeben wird l I. Allerdings wirft d iese Begriffsbestimmung Fragen auf. Welche Vorstellung vom Wesen des Kaisertums steht hinter dieser Definition? Wie stellt sich dieses Konzept im Gesamt der rund 450 von Kydones erhaltenen Briefe dar? Das leitende Interesse der vorliegenden Untersuchung richtet sich vor allem auf das Phänomen herrschaftlicher Sakralität und auf den Wandel, dem es unterworfen ist. Inwiefern begegnen bei einem großen "Staats mann, Literaten und Humanisten,, 1 2 des ausgehenden Mittelalters, der auf grund seiner hohen Ämter und seiner lebenslangen Beziehungen zu ver schiedenen Kaisern und deren jeweiligen Umgebung gewissermaßen als politischer insider gelten kann l3 , gerade in "privaten" Briefen Äußerun gen, die erkennen lassen, daß für den Verfasser der Kaiser qua Amt mit einer sakralen Aura umgeben ist, die ihn als von Gott in besonderer Weise Erwählten kennzeichnet und aus der Masse der gewöhnlichen Sterblichen heraushebt, und die auf Gegenstände oder Personen in seiner Umgebung ausstrahlt? Inwieweit lassen sich Unterschiede zur traditionellen Kaiser ideologie feststel len? Zur Beantwortung d ieser Fragen ist es notwendig, vorab einige theoretische Überlegungen über das Thema "Sakralität von Herrschaft" anzustellen.
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z. 1 5 : �aav\Ewc; ÖQOC;. So Matschke, 1 98 4, 276. Zur herausragenden Bedeutung der Persönlichkeit von Demetrios Kydones s. Barker, 1 969, 41 4, der ihn zusammenfassend als einen Mann beschreibt, " . . . whose life span ned almost the entire fourteenth century and whose career is inseparable from much of the political and cultural history of Byzantium in that period. Minister and confidant of two Emperors, . . . Cydones was also a theologian and, most important of all, one of the central figures of Byzantine letters ofthe day."
I I . Heiligkeit der Macht: Grundsätzliches
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1. Sakralität
Vorausgesetzt wird die anerkanntennaßen von der Antike bis weit ins spä te Mittelalter selbstverständl iche Überzeugung von der göttlichen Prove nienz herrschaftlicher Macht l 4 . Einschränkend ist allerdings festzuhalten, daß es hier nicht um eine absolute Klärung geht in dem S inn, als könnte man eine allgemein verbindliche, für jede Zeit und Kultur geltende Defi nition dessen erstel len, was unter "Sakralität von Herrschaft" zu verstehen ist. Religionswissenschaftliehe Bemühungen um das Heilige und seine Bestimmung haben gezeigt, daß Etymologien und Tenninologien zwar durchaus bestimmte in den verschiedenen Kulturen greifbare Phänomene als sachlich einander nahestehend kennzeichnen. Es ist jedoch unum gänglich, den spezifischen Begriff von "Hei ligkeit" jeder einzelnen Kultur in seinem individuellen Gehalt zu bestimmen 1 5 . Der Heiligkeitsbegriff, um den es h ier geht, ist derjenige der Gesel lschaft im späten Byzanz, der wiederum seinen Ursprung einerseits in der griechisch-römischen, an dererseits in der jüdisch-christlichen Trad ition besitzt l 6 • Die autochthon paganen Wurzeln im Sakralkönigtum vornehmlich germanischer, kelti scher und gotischer Provenienz hingegen 1 7 beeinflussen die gedankliche Auseinandersetzung in Byzanz kaum 1 8 .
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Vgl. Stockmeier, 1 988, RAC 1 4, 879: "Tatsächlich haben die Menschen aller Zeiten ihr jeweiliges Herrschaftsgefilge dadurch sanktioniert, daß sie dieses als Element einer göttlichen bzw. natürlichen Ordnung betrachteten." Erkens, 2005, 2, zur besonders intensiven Verbindung zwischen Herrscher und dem Numinosen: " . . . natürlich in den frUhen Jahrhunderten der Menschheit, aber auch noch in S pätantike und Frührnittelal ter erscheint sie äußerst stabil". Vgl. dazu Colpe, 1 993, HrwG 3, 79 f; ausführlich und mit weiteren Literaturhinweisen ders., 1 993, HrwG 3 , 7 4 ffund 80 ff. Ein kurzer Abriß über die mittelalterlichen Vorstellungen vom Herrscheramt insge samt bei Goetz, 1 993, 468- 473. Vgl. dazu Anton, 1 995, LMA 7, 1 263- 1 265. Zur oft nicht mehr eindeutig auflösbaren Verquickung der einzelnen Elemente s. Er kens, 2002, 2 1 und 2004, RGA 26, 220 ; zum derzeitigen Stand der Forschung s. die Zusammenfassung der Ergebnisse der Fachtagung "Ideelle und religiöse Grundlagen des frühmittelalterlichen Königtums" vom 1 .-3.7.200 4 in Passau bei Erkens, 2005, 5 : "Nicht d i e Vorstellungen von einem gesteigerten Königshei l germanisch-hei dnischer Provenienz und nicht die Reminiszenzen eines germanischen Sakralkönigtums haben die mittelalterliche Königsidee in einem entscheidenden Maße sakral geprägt, sondern die christliche Tradition, die im Herrscher zwar keinen Gott, Gottessohn oder Götter sprößling mehr verehren konnte, wohl aber den Sachwalter und Stellvertreter Gottes auf Erden, der durch sein Wirken und sein Vorbild nicht zuletzt mitverantwortlich war für das Seelenheil seiner Untertanen."
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11. Heiligkeit der Macht: Grundsätzliches
Schon der älteste Beleg für das griechische Adjektiv äYlOC; ("heilig") bei Herodot l9 deutet darauf hin, daß "Heiligkeit" ein d ialektischer Begriff ist, der sich ohne sein Pendant, das "Profane", nicht verstehen läßt. Es geht dort um die Kennzeichnung eines Tempelbezirks als eines abge grenzten, der Gottheit geweihten Bereiches20• Diese Dialektik bleibt ein wesentliches Element der Sakralitätsvorstel lung 2 1 • Das Hei lige ist das Ausgegrenzte, Auserwählte, zum göttlichen Bereich Gehörige, im Gegen satz zu all den anderen Gegenständen, Orten, Zeiten, Handlungen und Personen, die dem Raum des "Profanen" zugehören22 • Abzugrenzen von äYlOC; ist das im vorliegenden Zusammenhang weniger relevante Adjektiv ÖULOC;, das vor allem zur Kennzeichnung eines "frommen" und "gerech ten" Verhaltens d ient23 , und LEQOC;, das sich vornehmlich auf all das be zieht, was mit dem Kult im engeren Sinn in Verbindung steht24 • Im Alten Testament ist "Heiligkeit" vorrangig eine Eigenschaft Gottes. Rund die Hälfte aller Belegstellen fur das Adjektiv tdi1R ("heilig") bezie\9
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Hdt. 2, 41 . Vgl. Wokart, 1 97 4, HWP 3, \ 03 4; zu weiteren Belegen aus der vorhellenistischen Zeit filr die Kennzeichnung von Heiligtümern als "heilig" s. Procksch, 1 933, ThWNT I , 87f. Vgl. dazu aus religionswissenschaftlicher Sicht Otto, 1 9 1 7, 66 f und Eliade, 1 986, 36 f bzw. Eliade, 1 98 4, 1 4: "Die erste Definition des Heiligen ist, daß es den Gegensatz zum Profanen bildet." Colpe, 1 993, HrwG 3 , 92 : "Das Heilige steht per se, einerlei ob als Begriff oder als Seiendes, in Differenzen zu Nichtheiligem, die von Fall zu Fall verschieden zu bestimmen sind ... Für die Bestimmung aller Differenzarten ist die Un terscheidung von heilig und profan von großem heuristischen Wert." Piper, 1 988, 1 8, definiert: "Die Worte 'heilig' und 'sakral ' ... besagen . . . , daß gewisse empirisch vorfindbare Dinge, Räume, Zeiten, Handlungen die besondere Eigentüm lichkeit besitzen, auf eine aus der Reihe des Durchschnittlichen herausfal lende Weise der göttlichen Sphäre zugeordnet zu sein." Wichtig als Ergänzung sind die Ausfilh rungen von Bruit Zaidman J Schmitt Pantel, 1 994, 1 3 , die zu Recht darauf hinweisen, daß sich in der griechischen Polis trotz aller Unterscheidung die beiden Bereiche des Heiligen und des Profanen permanent gegenseitig durchdringen. Vgl. den alttestamentlichen Begriff des P'��; zum griechischen Begriff der fl)UEßElLX s. unten, S. 1 27 ff. Zur Abgrenzung zwischen äyLO<;; und ÖUlO<;; bzw. LEQ6<;; s. Bruit ZaidmanJ Schmitt Pantel, 1 99 4, 1 3 f. Zu LEQ6<;; s. besonders die detaillierten Ausführungen von Schrenk, ThWNT 3, 1 938, 22 1 ff; er schreibt 223 : "So wird LEQ6<;; das gebräuchlichste Sakral und Kultwort des Griechentums." Zum Gebrauch von ÖUlO<;; vgl. Hauck, ThWNT 5, 1 95 4, 488 ff, besonders 488 : "So entspricht ömo<;; wie das deutsche fromm dem, was der Mensch gesinnungsmäßig aus innerlicher Haltung und aus innerlicher Bejahung der empfundenen Verbindlichkeit tut." Wichtiger filr das Thema ist eine Differenzie rung zwischen dem Bedeutungsgehalt von äYlO<;; und dem von SElo<;; ("göttlich"); vgl. dazu ausführlich unten S. 87 ff und Dagron, 1 996, 1 65 f.
II. Heiligkeit der Macht: Grundsätzliches
19
hen sich auf JHWH25 , aber auch Menschen, Dinge, Orte und Zeiten kön nen als "heil ig" bezeichnet werden26 • Bezeichnenderweise für d ie im Al ten Testament immer wieder durchscheinende kritische Sichtweise auf das Königtum2 7 wird der König selbst kein einziges Mal mit dem Adjektiv "heilig" versehen, und auch bei Philo, Josephus und in der rabbinischen Literatur überhaupt scheint der Heiligkeitsbegriff nicht auf den Herrscher angewendet worden zu sein 28 • Die sogenannten JHWH-Königspsalmen (v.a. Ps 47 ; 93 ; 95-99 ) mögen zwar in erster Linie eine Abgrenzung zu entsprechenden altorientalischen Vorstel lungen vom jeweiligen Hauptgott als "König" darstellen29, implizieren damit aber gleichermaßen eine Rela tivierung des ird ischen (israel itischen) Königs30• Auch im kulturellen Um feld wird die Gottheit, nicht der irdische Machthaber als eigentlicher Herr scher angesehen, wie etwa ein mittelassyrisches Krönungsritual zeigt, in welchem vor der Krönung des irdischen Königs betont in zweimaliger Abfolge ausgerufen wird3 1 : "Assur ist König, Assur ist König!" Muß d ie frühere Etymologie von rtJ;,� (von einer verbalen Basis qd, "trennen, absondern") nach neueren Erkenntnissen wieder als ungesichert gelten32 , so ist doch auch im Alten Testament der dialektische Gegensatz zwischen dem auserwählten Hei ligen und dem davon abgegrenzten Profanen für den Begriff bestimmend 33 •
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Vgl. Scoralick, 1 995, NBL 2, 86. Man vergleiche dazu auch die ausschließliche Ver wendung des Verbums rd,p im Niphal ("sich als heilig erweisen") mit Gott als Subjekt (s. dazu Kornfeld, 1 989 , ThWAT 6, 1 1 85). Scoralick, 1 995, NBL 2, 87. Vgl. v.a. die entsprechenden Passagen in den Samuelbüchem, z.B. 1 Sam 8, 1 0- 1 8; 1 Sam 1 5, 1 0 f; 2 Sam 1 2,7- 1 5 oder Dan 6. V gl. dazu auch Procksch und Kuhn, 1 933, ThWNT, 87 ff. Das heißt jedoch keines wegs, daß die Vorstellung herrschaftlicher Sakralität auch der Sache nach im Alten Testament nicht zu finden wäre; s. dazu unten S. 26. S. Jer\!mias, 1 995, NBL 2, 520 f. Zur aus dem Alten Testament ersichtlichen ambivalenten Einstellung gegenüber dem Königtum vgl. Stockmeier, 1 988, RAC 1 4, 885 f (sieht den König eindeutig Gott un tergeordnet, konstatiert aber in der Nachfolge Davids eine Entwicklung im Status des Königs, und zwar eine Steigerung "bis in die Sphäre der Heiligkeit", ebd. 886); Preuß, 1 992, 27-30 (Königskritik) und 33-36 (positive Sicht auf das Königtum), und Lux, 2002, 1 03 f (anders Schmidt, 1 990, 329, der die kritischen Äußerungen z um Königtum grundsätzlich personen bezogen gedeutet wissen will); eine positive Haltung (und zugleich Ü bernahme altorientalischer Königsideologie) verraten die Königspsalmen (Ps 2; 1 8; 20; 2 1 ; 45; 72; 89; \0 1 ; 1 \ 0; vgl. Lux, 2002, 1 1 6 f). Kolumne I, Z. 29; vgl. Müller, 1 937, 9. So Scoralick, 1 995, NBL 2, 86. Vgl. Lev 1 0, \0; Ez 42,20; 44,23.
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1 1 . Heiligkeit der Macht: Grundsätzliches
Im Neuen Testament trifft man beinahe auf denselben Befund. Der Heiligkeitsbegriff wird zur Kennzeichnung für das Wesen Gottes verwen det, selten auch für Jesus, ansonsten noch im Zusammenhang mit dem Geist Gottes (HI. Geise4 ), mit der Kirche bzw. den einzelnen Christen, die heilig werden sol len, wie Gott heil ig ise 5 , nicht mit dem weltlichen Herr scher36 . Der Gegensatz zwischen den auserwählten "Heiligen" und dem nicht erwählten Rest tritt ebenfalls deutlich zutage3 7 . Im heidnisch-lateinischen Kulturraum verdeutlicht das Adjektiv sacer in der Bedeutung "das dem alltäglichen Gebrauch Entzogene und den Göttern Übergebene,, 3 8 wiederum den dialektischen Aspekt des Hei lig keitsbegriffs. Erst in Augusteischer Zeit ist ein veral lgemeinerter Ge brauch von sacer im Sinn von "himml isch", "göttlich" festzustellen39, und bald darauf, in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., kann auch der römi sche Kaiser mit diesem Adjektiv versehen werden40 • Das von sandre ("als unverbrüchl ich festlegen") abgeleitete sanctus wiederum qualifiziert in seiner ursprünglichen Bedeutung Gegenstände, Orte oder Ämter, die auf grund ihrer besonderen Verehrungswürdigkeit durch bestimmte rechtliche und religiöse Akte in ihrer Existenz abgesichert werden und als unverletz lich gelten. Auch hier läßt sich eine Verallgemeinerung im Gebrauch feststellen, so daß sanctus schlechthin für "verehrungswürdig", schließlich auch für "göttlich" oder für "zu einer Gottheit gehörig" stehen und auf den Kaiser, aber auch auf die durch eine außerordentliche Lebensführung und die Erduldung eines Martyriums ausgezeichneten Christen angewendet werden kann4 1 • Gerade durch die enge Verknüpfung der Vorstel lung von Heil igkeit mit dem Wesen Gottes vor allem im Alten, aber auch im Neuen Testa ment und in der paganen Literatur wird noch eine weitere zentrale Bestim mung des Begriffsfeldes "heilig" im antik-christlichen Verständnis deut l ich. Heiligkeit zielt auf eine besondere, eindeutig positiv konnotierte Qualität, die einerseits statischen, andererseits dynamischen Charakter be sitzt. Zu den statischen Eigenschaften, in denen sich d iese besondere Qualität manifestiert, können beispielsweise solche wie Reinheit oder Vollkommenheit gehören, zu den dynamischen etwa der Besitz einer beJ4
Vgl. als alttestamentliche Wurzel Jes 63, 10 f; Ps 5 1 , 1 3. Zusammengefaßt in der Aufforderung I Petr 1 , 1 6. 36 Vgl. Proksch, 1 933, ThWNT I , 1 0 1 ff. 37 Vgl. etwa KoI 3 , 1 2. 38 So die Paraphrase des Begriffs von Rives, 2001, DNP 1 0, 1 1 95 . 39 Bspw. Verg. Aen. 8,59 1 ; Ov. fast. 6,386. 40 Sta!. si/v. 5,2, 1 77. 41 Vgl. dazu WardIe, 200 1 , DNP 1 1 , 3 1 f. 35
1 1 . Heiligkeit der Macht: Grundsätzliches
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sonderen Ausstrahlung, Kraft oder Macht4 2 • Wie sich die beiden hier her ausgearbeiteten Aspekte von "Heiligkeit" in ihrer jeweiligen geschichtl i chen Konkretion zeigen, welche Bereiche, Personen, Gegenstände etc. von anderem abgegrenzt werden und auf welche Weise, und in welchen Eigenschaften sich die grundsätzl ich positiv konnotierte Qualität des so Abgegrenzten äußert, d ies ist nicht nur von Kultur zu Kultur unterschied l ich, sondern nicht einmal innerhalb eines kulturellen Kontextes, weder räumlich noch zeitlich, von vornherein als einheitlich zu vermuten. Bevor d ies jedoch stellvertretend für das späte Byzanz bei Demetrios Kydones untersucht werden soll , ist noch etwas zu sagen über die Sakralität von Herrschaft im besonderen.
2. Sakralität von Herrschaft
Worin manifestiert sich speziell die Sakral ität von HerrschajfH, im Unter schied beispielsweise zur Hei ligkeit eines Ortes oder einer liturgischen Handlung? Was ist das Spezifikum einer gehei ligten Herrschaft? Unfehl barkeit im Handeln? Unverletzlichkeit oder Unsterblichkeit des Körpers? Das Einnehmen einer besonderen Mittlerposition zwischen Gott und Volk? Die Fähigkeit, für die Wohlfahrt des Volkes44 oder für d ie Frucht barkeit des Landes garantieren zu können45 ? Es wird schnell deutlich, daß man die Reihe der Fragen so weit fortsetzen könnte, bis ihre Anzahl derjenigen aller geschichtlichen Konkretionen sakraler Herrschaftsvorstel lungen gleichkäme. Es ist deshalb unabdingbar, zu unterscheiden zwi schen Sakralität von Herrschaft als einem durch bestimmte Aspekte cha42
Man vergleiche ftlr das eine die Bedeutung "rein" neben "heilig" ftlr das griechische
ayv6c;, ftlr das andere etwa die wohl mit dem griechischen lEQ6C; verwandte Sanskrit wurzel i�ira- mit der Bedeutung "kräftig, ungestUm" (Diskussion dazu bei Frisk, 1 960, Bd. 1 , 7 1 3). 43 "Sakralität von Herrschaft" (und in der Formulierung Vergleichbares) wird hier als variabler Oberbegriff verwendet in Abhebung zu dem spezifischeren Begriff "Sakral königtum", der v.a. bei der Diskussion um das Wesen (frUh-)germanischer Staats formen in der Forschung eine bis heute umstrittene, aber w ichtige Rolle spielt; vgl. dazu und zu der vorgenommenen Unterscheidung "Sakralkönigtum" - "sakrales Kö nigtum" Padberg, 2004, RGA 26, 1 80, und Erkens, ebd., 2 1 9 f und 304 f. Zum (moder nen) Begriff "Herrschaft" vgl. Moraw, 1 982, 1 - 1 3 ; Goetz, 1 993, 467. 44 FUr entsprechende Vorstellungen im Alten Orient vgl. Fauth, 1 988, 2 1 7 f, auf Fidj i und Ceylon vgl. Streck, 2002, 39 f. 4 5 Vgl. dazu Erkens, 2002, 24 f (mit weiteren Lileraturhinweisen) sowie 30 mit Anm. 1 50; Streck, 2002, 38; Köhler, 2004, RGA 26, 1 8 1 ; Bloch, 1 995, 92 f.
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1 1 . Heiligkeit der Macht: Grundsätzliches
rakterisierbaren Zustand und seinen Auswirkungen. Offenbar ist Sakralität von Herrschaft wesentlich ein geistiger Zustand, der einer Person zu kommt, so daß diese von ihrem gesel lschaftlichen Umfeld46 als besonders mit der Sphäre des Göttlichen in Zusammenhang stehend abgehoben und deshalb mit einer positiven Qualität versehen gedacht wird47• Dieser Zu stand kann zwar materiell sichtbar werden und durch äußere Zeichen handlungen ins Gedächtnis gerückt werden, an sich aber ist er unsichtbar. Die äußere Leibesgestalt des Herrschers unterscheidet sich nach dem Amtsantritt nicht von der anderer Menschen. Gerade in den Bemühungen, den Herrscher durch bestimmte Kleidungsstücke oder Attribute von an deren Menschen abzuheben zeigt sich das Bedürfnis, einen an sich im materiellen Zustand materiel l greifbar werden zu lassen4 8 • Wie oben bereits ausgeftihrt, ist d ieser im gedanklichen Modell dem "heiligen" Herrscher zugeschriebene Zustand eine gehobene, von anderen Menschen abgegrenzte Stellung sowie eine besondere, positiv besetzte Qualität. Doch gibt es noch ein Spezifikum, das die Heiligkeit eines Herr schers von anderen Formen der Sakralitätsvorstellung abhebt, und das ist nichts anderes als die Ausübung von Macht, verstanden als Anteilhabe an etwas, das ursprünglich und wesentlich nur Gott zukommt4 9 • Mächtigkeit
46
Die Wichtigkeit der Gesellschaft als Bedingungsgefilge filr und Träger von Machtposi tionen wird von Weber, S 1 980, 1 22, herau sgestellt, wenn er Herrschaft als "Chance" definiert, "filr spezifische (oder: filr alle) Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden". Für Byzanz beschreibt dies Agapetos (unter Kaiser Ju stinian) in seinem Fürstenspiegel, Kapitel 8 (s. jetzt die Au sgabe von Riedinger, 1 995 ; hier zitiert in der Übersetzung von Blum, 1 98 1 , 6 1 ; Kursivierung durch Ver fasser): "Unnahbar wirkst du für die Menschen wegen der Höhe deiner Kaiserherr schaft . . . Vgl. Erkens, 2004, RGA 26, 220 f: "Zentrales Kennzeichen einer sakral fundierten Herrschaft i st ohne Zweifel ein besonderes Verhältnis ihres Trägers zu einer Gott heit . . . Vgl. dazu die Darstellung im Fürsten spiegel des Agapetos, nach welcher der Kaiser körperlich zwar den anderen Menschen gleicht, durch seine Machtstellung und Würde aber über allen Menschen steht und Gott ähnelt, in Kapitel 2 1 (s. dazu jetzt die Aus gabe von Riedinger, 1 995; hier zitiert nach der Übersetzung von Blum, 1 98 1 , 65): "In seiner leiblichen Exi stenz ist der Kaiser jedem Menschen gleich, in der Macht seiner Autorität i st er einzig Gott ähnlich, der über alle Wesen herrscht; denn auf Erden gibt es keinen, der höher stünde al s der Kaiser." Vgl. etwa auch die Kapitel 4 und 8. Für das hohe und späte Mittelalter allgemein vgl. Berger, 1 938, 25; fiir Byzanz be merkt Treitinger, 1 956, 38 f: "Die Bilder, die diesem Gedanken von der ' Herrschaft aus Gott' Ausdruck zu verleihen suchen, sind so zahlreich wie mannigfach und treffen sich nur in dem Bestreben, dieses Verhältnis in immer neuen Versicherungen zu verherrlichen." Vgl. ebd. 44: "Die Machtfillle des einen christlichen Gottes trägt den einen christlichen Kaiser, der durch und mit göttlicher Macht auf Erden waltet." Daß die Divini sierung eines Herrschers vor allem auf seinen Machtbesitz als Grundbedin"
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"
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ist seit jeher ein grundsätzliches Proprium des Numinosen5 o . Phänomeno logisch betrachtet kann man sagen, Sakralität von Herrschaft kommt Macht ausübenden Menschen zu, weil sie von den Untergebenen als an ders, als faszinierend und erschreckend erfahren werden, eben aufgrund der ihnen zukommenden Macht, die als zur göttlichen Sphäre gehörend betrachtet wird 5 1 . In theoretischer Spekulation und theologischer Inter-
so
SI
gung zurilckzuflihren ist, hat wahrscheinlich bereits Euhemeros von Messene (um 300 v. Chr.) behauptet, vgl. Müller, 1 993. Dasselbe Faktum lautet bei Dagron, 1 996, 1 7, et was anders akzentuiert: "Les ethnologues nous montrent que tout pouvoir de fait ne devient pouvoir de droit qu'en se sacralisant, notamment le pouvoir royal . . ." Neben der rur Byzanz (und auch flir den Westen) relevanten gedanklichen Konzeption, daß der Herrscher in der Ausilbung seiner Macht Stellvertreter Gottes ist (vgl. Treitinger, 1 956, 43; Staubach, 1 990, 339), gibt es in anderen Kulturkreisen z.T. andere Begriln dungen rur die Rechtmäßigkeit von Machtausilbung, wie bspw. die Vorstellung, der Herrscher stamme direkt von Gott ab oder sei selbst eine inkarnierte Gottheit oder stehe aufgrund sonstiger Faktoren Gott oder den Göttern besonders nahe (vgl. dazu Köhler, 2004, RGA 26, 1 8 1 ); zur göttlichen Geburt oder Wahl des Königs im Alten Orient vgl. Wilcke, 2002, 68-79; zur Gottähnlichkeit der Pharaonen in Ägypten vgl. B lumenthai, 2002, 53 f; zum König als "Gottheit in menschlicher Form" in Thailand vgl. Kölver, 2002, 1 85 . Vgl. Otto, 1 917, 22-27, der filr "das Moment von 'Mach!', 'Gewalt', 'Übergewalt', 'schlechthinniger Übergewalt'" den "Symbol-Namen 'majestas'" wählt, ebd. 22. Vgl. auch Eliade, 1 986, 49; Lanczkowski, 1 990, 324: "Durch seine Inthronisierung wird der König zum Träger einer numinosen Macht ...". Somit ist die Verbindung zwischen Machtausilbung und Sakralität als eine ursprilngliche anzusehen, die zwar zum Zweck der Herrschaftslegitimation eingesetzt werden kann, aber nicht notwendig und grund sätzlich auf diesen Zweck reduziert werden darf (vgl. etwa die etwas einseitige Dar stellung des Verhältnisses von Heiligkeit und Macht in Byzanz von Patlagean, 1 981, v.a. 1 0 1 - 1 05). Es handelt sich vielmehr um ein im religiös bestimmten Denken der Antike und des Mittelalters nicht wegzudenkendes Phänomen, daß den Trägem von Macht sowohl nach eigenem als auch nach dem Verständnis der "Untergebenen" Hei ligkeit innewohnt und selbstverständlich zugesprochen wird (vgl. auch Treitinger, 1 956, 49). Vgl. dazu Matschke, 2002, 1 48, mit Bezug auf das Kaisertums Konstantins d. Gr. : " . . . filr das Volk ... war der Kaiser wohl auch von höherer Natur als alle anderen Men schen" (mit Verweis auf Treitinger, 1 956, 42 mit Anm. 48). In der religionswissen schaftlichen Forschung hat der phänomenologisch-psychologische Aspekt religiöser Erfahrung maßgeblich in Ottos Werk "Das Heilige" ( 1 9 1 7) seinen N iederschlag gefun den, vgl. die Charakterisierung des Heiligen als tremendum ebd. 1 4-22, und alsfasci nans (42-52). Ottos Reduzierung religiösen Erlebens auf das Psychologische stieß al lerdings in jüngster Zeit auch auf harsche Kritik, vgl. Agamben, 2002, 88: "Hier [sc. bei Otto] feiern eine Theologie, der jeglicher Sinn filr das offenbarte Wort abhanden gekommen ist, und eine Philosophie, die angesichts des Gefilhls alle Nüchternheit verlassen hat, ihre Vereinigung in einer Vorstellung des Heil igen, die nunmehr eins ist mit dem Dunklen und Undurchdringlichen. Daß das Religiöse vollständig in die Sphäre der psychologischen Emotion falle und daß es ganz wesentlich mit dem Schauder und der Gänsehaut zu tun habe, das ist die Trivialität, welcher der Neolo-
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pretation ruhrt das im Rahmen der jüdisch-christlichen Tradition zum Stellvertreter-Gedanken 52 : der Mensch, der Macht über andere ausübt, übt nicht etwa seine eigene, sondern stellvertretend die göttliche Macht aus53 • Locus classicus für diese Sicht im Neuen Testament ist ein Abschnitt aus dem Römerbrief des Paulus54 : näaa tPuX� El;oualau; lJ7lEQEXouamc;; lJ7lo'WaaEa8w. ou yaQ Eanv El; ouala E i f-l� uno 8wü, ai bE ouam uno 8wü 'rE'raYf-lEvm Eialv - "Jede
Seele unterwerfe sich den Ubergeordneten [staatlichen] Mächten; denn es ist keine [staatliche] Macht außer von Gott, und die bestehenden sind von Gott verordnet. "
Ergänzt wird dies durch die inhaltlich paral lele Aussage Jesu vor Pilatus: OUK dXEC;; El;oualav Km' Ef-lOÜ oubq..llav Ei f-l� �v bEbof-lEVOV aOL avw8EV - "Du hättest keinerlei Macht Uber mich, wenn sie dir nicht von oben ge
geben wäre,,55 .
Wenn man sich vor Augen hält, daß im Kern die Anteilhabe an der göttli chen Macht den Heiligkeitsstatus des Herrschers recht eigentlich begrün det, wird auch deutlich, daß es sich bei d iesem gedankl ichen Konzept letztlich nicht um die Heiligkeit einer Person, sondern um die Heiligkeit einer Funktion bzw. eines Amtes handelt; die Heiligkeit der Person leitet sich von der Heiligkeit des Amtes her56• Unbeschadet der in vielen Kul-
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gismus 'numinos' den Anstrich von Wissenschaftlichkeit verpassen soll." Der vorlie gende Ansatz versucht phänomenologische und philosophisch-theologische Zugangs weisen zum Begriffsfeld der Heiligkeit zu vereinen. Vgl. Erkens, 2004, RGA 26, 22 1 . Die Vorstellung vom König als Stellvertreter Gottes ist bereits rur den Alten Orient nachweisbar, vgl. Sallaberger, 2002, 93. Und dabei geht es nicht nur um die Macht des Menschen ilber andere Menschen, son dern grundsätzlich jede Machtausilbung, auch der restlichen Schöpfung gegenUber, wird aus biblischer Sicht dem Menschen von Gott übertragen, vgl. Gen 1 ,28.- Neben der göttlichen Erwiihlung bzw. Einsetzung des Herrschers und dem Stellvertreter-Ge danken macht Erkens, 2004, RGA 26, 305, als drittes zentrales Element eines "sakra len Königtums" im Hinblick auf germanische Verhältnisse die "Priesterähnlichkeit oder -gleichheit" des Herrschers aus und spricht von diesen drei Elementen als einem Kernbestand, dessen Vorhandensein nötig sei, um von einem sakralen König oder ei nem sakralen Königtum sprechen zu können. Zur Problematik der "Priesterähnlich keit" des byzantinischen Kaisers s. die Ausfilhrungen im Kapitel "Kaiser und Kult", S. 96. Röm 1 3 , 1 -7, hier zitiert nur Röm 1 3, 1 . Joh 1 9, 1 1 . Die Übersetzung der in dieser Arbeit zitierten Bibelstellen orientiert sich an der Elberfelder Bibel, Wuppertall Zilrich, 4. bearbeitete Auflage 1 992. Zum Mimesis Gedanken in Byzanz s. Haussig, 1 959, 244. FUr Byzanz vermerkt Kashdan, 1 973, 7 1 , "daß die göttlichen Ehren nicht dem konkre ten, gerade herrschenden Kaiser und seiner Familie galten, sondern der kaiserlichen
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turen zu beobachtenden Forderung, daß ein zur Herrschaft berufener Mensch von sich aus besondere Eigenschaften aufweisen oder erwerben müsse5 7 , hei ligt doch im Grunde nicht der betreffende Mensch das Amt, sondern das Amt heiligt d ie Person. In Ausnahmefallen mag ein "Heil i ger" auf den Thron kommen, der dem Amt besonderen Glanz verleiht58 , aber prinzi iell ist die Heiligkeit des Herrscheramtes unabhängig vom AmtsträgerR9 . Gerade durch das Vorkommen eines solchen Ausnahmefalles in den Kydonesbriefen wird diese Regel unterstrichen. Nach dem Tod des Kai sers Ioannes' V. Palaiologos (1391) zog sich seine Gemahlin Helene Pa laiologina aus dem politischen Leben zurück und verbrachte den Rest ihres Lebens als Nonne im Marthakloster zu Konstantinopel60 • Kurz nach ihrem Eintritt ins Kloster schreibt Demetrios Kydones der Kaiserin Witwe, der er sich sehr verbunden fühlte, einen ausführlichen und nahezu überschwenglichen Brief des Dankes für all die Zuwendungen und Unter stützungen, die er sein Leben lang und besonders auch jetzt, bei der Auf lÖsung ihres Besitzes vor dem Klostereintritt, von ihr erhalten habe, und würdigt ihren Einsatz für das ganze Gemeinwesen. Sie habe dem Staat vorbildlich gedient und sich in jeder Hinsicht der Würde ihres kaiserlichen A mtes entsprechend verhalten, so daß sie, wie Kydones es ausdrückt, "al-
Macht als solcher." Allgemein schreibt Lanczkowski, 1 990, 324: "Diese exemte Stei lung des Königs beruht nicht auf einem persönlichen, sondern auf einem Amtscha risma . . . [sie] bezieht sich ausschließlich auf das Amt und nicht auf die Person." 5 7 Zur Tugendhaftigkeit des Herrschers als Voraussetzung ftIr das Wohlergehen des Vol kes vgl. Erkens, 1 999, 1 1 8 f mit Anm. 1 54. 58 FUr die jUngere Vergangenheit byzantinischer Geschichte mögen als Beispiele die Kai ser Ioannes JII. Vatatzes und Ioannes IV. Laskaris angeftihrt sein, vgl. dazu Macrides, 1 98 1 , 68-73. Nach Schreiner, 1 994, 372, kommt Kaisern, die aufgrund ihrer persönli chen Frömmigkeit als "heilig" verehrt wurden, in Byzanz nur eine sehr geringe Bedeu tung zu: "Konstantin der Große und - auf lokaler Ebene - Johannes Vatatzes ausge nommen, ist keiner der anderen byzantinischen Kaiser und Kaiserinnen zu einer po pulären Heil igengestalt geworden. Ihre Verehrung entsprang kirchlichen, staatlichen oder familiären (genealogischen) Notwendigkeiten, aber keiner wirklichen Veranke rung in der Volksfrömmigkeit . . . " In der Regel, wenn 'es sich bei den betreffenden Per sonen nicht um Herrscher handelte, verlief der Prozeß genau umgekehrt: vor einer "offiziellen" Heiligsprechung stand die (meist lokal beschränkte) Verehrung als Heili ger durch das Volk, vgl. dazu Talbot, 1 983, 23. FUr die Palaiologenzeit zählt Talbot (ebd.) rund 20 Männer, denen eine solche Verehrung entgegengebracht wurde. 59 Das hat umgekehrt auch den Schutz eines "schlechten" Herrschers zur Folge. Vgl. Schreiner, 2 1 994, 57: Die moralische Qualität eines Kaisers sei der Idee des Gottesgna dentums untergeordnet, "da auch ein 'schlechter' Kaiser gottgewollt ist". 60 S. dazu Tinnefeid, 2003, 266.
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lern Anschein nach" das Amt mehr geadelt habe als d ieses sie6 1 . Der "An schein" kehrt die eigentlichen Verhältnisse um und ist damit aber zugleich ein Hinweis auf sie. "Heilige" Menschen können das Ansehen des Amtes heben - selbst in diesen Fällen ist es aber nach Kydones eher Gott, der durch solche von ihm auserwählten Menschen wirkt62 -, doch ihre Wurzel besitzt die Heiligkeit im Amt, nicht im Amtsträger. Die sakrale Aura kann einen Herrscher auch noch dann umgeben, wenn er sich gegenteilig verhält und sich als unwürdig erweist. Klassi sches Paradigma dafür ist der im Alten Testament berichtete Fall des israelitischen "Protokönigs" Sau163 . Obwohl der Geist JHWHs von Saul gewichen ist64 und David zweimal leicht die Möglichkeit hätte, den ihm feindlich gesinnten Gegner zu töten, schreckt er davor zurück und hält auch seine Begleiter vom Morden ab, denn es "schlug dem David das Herz . . . und er sagte zu seinen Männern: Das sei vor JHWH fern von m ir, daß ich so etwas an meinem Herrn, dem Gesalbten JHWHs, tun sollte, meine Hand an ihn zu legen, denn er ist der Gesalbte JHWHs!,,6 5 .
Die Unterlassung der für David eigentlich vorteilhaften Ermordung Sauls gründet sich eindeutig auf d ie Sakralität des "Gesalbten JHWHs", der zwar h ier n icht als "heilig" bezeichnet wird, der Sache nach aber ohne Zweifel als von Gott Erwählter und damit in d ie Sphäre göttlicher Macht ausübung Hineingenommener sakralen Status besitzt66 . Dieser Status ist es, der den Herrscher unter Umständen sogar dann noch schützend um gibt, wenn Gott sich bereits von ihm abgewandt hat und den Nachfolger in der Herrschaft begünstigt67 . Natürlich l iegt es in der Intention des bib lischen Textes, David in günstigem Licht darzustellen . Daß es aber nicht 6\
T 442 = L 222, besonders Z. 1 60- 1 62; Zitierung des griechischen Originals der Pas sage in Anm. 5 1 9, S. 1 26. 62 Der Gedanke der Erwählung eines guten und fahigen Menschen durch Gott in T 436 L 445, Z. 22-26 (mit Bezug auf Kaiser Manuel 1 1 . Palaiologos); die Vorstellung, daß Gott durch besonders beftihigte Menschen wirkt, in T 32 L 1 3, Z. 1 3 f (mit Blick auf Kaiser loannes VI. Kantakuzenos). 63 Zur herausragenden Bedeutung alttestamentlicher Vorbilder fUr die byzantinische Kai serideologie s. Dagron, 1 996, 20: nEn n�alite, I'Ancien Testament pese infiniment plus lourd que l'Antiquite." 64 I Sam 1 6, 1 4. 6S I Sam 24,6 f; vgl. auch I Sam 26,7- 1 1 . 66 Vgl. dazu Schmidt, 1 990, 328. Man vergleiche die Interpretation dieses Vorfalles bei Augustinus (civ. 1 7,6), der in der Salbung und Herrschaft Sauls eine symbolische Vorwegnahme des ewigen Königtums Christi erblickt. 67 Vgl. I Sam 1 6, 1 3 . Um die Frage nach der Unantastbarkeit eines einmal eingesetzten Herrschers kreist auch Shakespeares Richard 11. (besonders 1 II,3 und IV , 1 ). =
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nur darum geht, David als jemanden zu beschreiben, der seine Hände nicht mit dem B lut anderer Menschen befleckt, und daß ein Angriff auf die Person des Herrschers tatsächl ich als strafwürdige Verletzung des von Gott verliehenen sakralen Status verstanden wurde, zeigt mit aller wUn sehenswerten Eindeutigkeit die Erzählung vom Tode Sauls in der Version des 2. Samuelbuches68 • Saul erbittet selbst nach einer verlorenen Schlacht von einem Amalekiter den Gnadenstoß; als dieser dem David vom Tode Sauls berichtet, läßt David ihn gnadenlos umbringen mit der Begrün dung69 : "Dein Blut [komme] auf deinen Kopf1 Denn dein [eigener] Mund hat gegen dich ausgesagt, als du sprachst: Ich habe den Gesalbten JHWHs getötet."
Doch damit wurde bereits vorgegriffen, denn die Zuschreibung einer ge wissen Unverletzlichkeit und die Schützenswertheit auch eines "schlech ten" Herrschers gehören schon zu den konkreten Auswirkungen, welche die Sakral itätsvorstellung mit sich bringen kann, nicht muß. So besteht beispielsweise einer der Unterschiede in der Auffassung vom Herrscher turn zwischen Byzanz und dem eben geschi lderten alttestamentlichen Ex empel darin, daß der byzantin ische Kaiser "abgewählt" werden kann, wenn er seine Verpflichtungen nicht erfü llt oder die göttliche Unterstüt zung nicht mehr sichtbar auf ihm ruheo . Die angestellten Überlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Sakralität von Herrschaft ist ein gedankliches Konzept, nach dem einem Menschen aufgrund der Ausübung eines Herrschaftsamtes, verstanden als Ante i lhabe an göttlicher Macht, in den Augen seines kulturell-gesell schaftlichen Umfeldes eine besondere, positiv kannotierte Qualität zuge schrieben wird, die ihn in den Bereich der göttl ichen Sphäre rückt. Die Frage nach dem Umgang mit einem "schlechten" Herrscher sowie d ie Auswirkungen der sakralen Stellung auf den Aufgabenbereich des Amtes und auf d ie Person des Amtsträgers sind kulturspezifisch sowie intrakultu rel l unterschiedlich. Materiell gesehen sind zwei Bereiche zu berücksichtigen, auf die der Zustand der Heiligkeit sich auswirken kann: a) auf den Körper des Herr schers (z.B . Unverletzlichkeit, heil igende oder heilende Ausstrahlung7 1 ) 68 2 Sam 1 , 1 - 1 6; andere Version: 1 Sam 3 1 , 1 -7. 69 2 Sam l , 1 6. 70 Zur Möglichkeit der "Abwahl" des byzantinischen Kaisers und zu den "Revolutionen" in Byzanz vgJ. Wessei, 1 970, 232 f; Schreiner, 2 1 994, 59 und 62; Lilie, 1 994, 26-28. 71 Heilwirkung kann von der BerUhrung des Kaisers auf Menschen ausgehen, heiligende Wirkung auf Gegenstände aller Art, mit denen der Herrscher in Berührung kommt und sie dadurch gewissermaßen an der eigenen Heiligkeit Anteil haben läßt.
28
11. Hei ligkeit der Macht: Grundsätzliches
und b) auf Gegenstände, die das Amt des Herrschers symbolisieren (wie bspw. Zepter, Krone, Purpur, Thron etc.)72 . In geistiger Hinsicht ist vor al lem zu untersuchen, inwiefern dem Herrscher a) bestimmte (weltliche) Tugenden i n besonderem Maße zukommen oder zukommen sollten und ob ihm b) auf religiösem Gebiet eine außergewöhnl iche Gottesnähe - und damit gegebenenfalls eine besondere Entscheidungskompetenz in theolo gischen und kirchlichen Belangen -, eine herausragende Frömmigkeit oder eine kultische Sonderfunktion eignet oder eignen sol lte. Es wird auf dem Hintergrund dieser erarbeiteten Kriterien im folgen den zu fragen sein, in weIchen Zusammenhängen das Sakralitäts-Modell im Denken des Demetrios Kydones eine Rolle spielt, mit weIchen kultur und religionsspezifischen Eigenarten es behaftet ist, inwiefern es sich von der traditionellen byzantinischen Kaiserideologie unterscheidet, und in wieweit historische und biographische Hintergründe fur die spezielle Aus formung seiner Vorstel lung von herrschaftlicher Sakralität als Erklärung herangezogen werden können. Davor in aller gebotenen Kürze einige Fak ten zu Kydones und "seinen" Kaisern.
72
Auf das Königtum allgemein bezogen schreibt Lanczkowski, 1 990, 324: "Neben dem Herrschernamen findet die sakrale Stellung des Königs Ausdruck in den Insignien sei ner Macht, im heiligen Stuhl des Thronsessels und im königlichen Gewand, in der Krone und im Szepter."
III. Demetrios Kydones und seine Zeit
1 . Lebenslauf
Demetrios Kydones wird um das Jahr 1 324 in Thessalonike geboren 73 • Aus einer angesehenen Beamtenfami l ie stammend verbindet ihn von Ju gend an eine enge Bekanntschaft m it Ioannes VI. aus der Fam i l ie der Kan takuzenen, der Kydones bald nach seiner Kaiserkrönung ( 1 346) als Vor steher der kaiserlichen Kanzlei (I-lEaa�wv) nach Konstantinopel beruft. Kontakte mit abendländischen Gesandten wecken bei Kydones im Lauf seiner Amtstätigkeit ein wachsendes Interesse an der lateinischen Sprache und der blühenden Scholastik. Dies geht so weit, daß er nicht nur um fangreiche Werke des Thomas von Aquin - wie beispielsweise die Summa contra gentiles ins Griechische übersetzt74 , sondern zuletzt sogar kon vertiert und in die römisch-katholische Kirche eintritt75 • Da der Kaiser hingegen ein überzeugter Anhänger und Verfechter des Palamismus ge worden war, einer ostkirchlichen Strömung des 1 4. Jahrhunderts, die ge rade in zentralen Punkten wie beispielsweise der Trinitätslehre und der Soteriologie tiefgreifende Unterschiede zur westl ichen Theologie auf weise6, fuhrt dies zunehmend zu einer Entfremdung zwischen dem Kaiser und seinem Vertrauten. Als Ioannes VI. Kantakuzenos im Jahr 1 3 54 ab dankt, zieht sich Kydones aus der Politik zurück und folgt eher zögernd der Aufforderung des Nachfolgers Ioannes, des flinften Kaisers d ieses Na mens aus der Fam ilie der Palaiologen, weiterhin als I-lEaa�wv im kaiser l ichen Palast tätig zu sein; daneben wirkt er auch als Erzieher des 1 350 geborenen Prinzen Manuel, des späteren Kaisers Manuel II. Palaiologos77 • -
73 74
75 76 77
Die folgenden Ausführungen stützen sich im wesentlichen auf den ausfiihrlichen bio graphischen Abriß über Demetrios Kydones (samt Werkverzeichnis) von Tinnefeid, 1 98 1 , 4-74. Vgl. auch Tinnefeid, 1 99 1 , LMA 5, 1 595, und Todt, 1 99 1 , 283-305. Auch große Teile der Summa Iheologiae. Vgl. dazu Kianka, 1 982, v.a. 268-27 1 . Kydo nes selbst berichtet davon ausführlich in seiner Apologia pro vita sua. Matschkel Tinnefeid, 200 1 , 334 (mit Verweis auf Podskalsky, 1 977, 1 80): "Die Gebrüder Kydo nes leiteten im orthodoxen Umfeld . . . eine regelrechte Rezeption der scholastischen Theologie ein, die in ihrer Intensität mit Recht als 'Einbruch' bezeichnet wurde." Tinnefeid, 1 98 1 , 1 6; Todt, 1 99 1 , 302; Matschkel Tinnefeid, 200 1 , 335. Genauere AusfUhrungen zum Palamismus S. 1 20 ff. So die communis opinio. Zur Problematik der Belegbarkeit dieses Lehrer-Schiller-Ver hältnisses s. Barker, 1 969, 4 1 4-4 1 6.
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III. Demetrios Kydones und seine Zeit
Kydones ist maßgeblich an Unionsverhandlungen mit der römisch-ka tholischen Kirche beteiligt und begleitet 1 369 Ioannes V. Palaiologos auf dessen Reise nach Rom, wo der Kaiser in der Hoffnung auf Beistand gegen die Türken ebenfalls konvertiert78 • Nachdem sich ein Mißerfolg der diplomatischen Schritte und das Ausbleiben der erhofften westlichen Mili tärhilfe immer deutlicher abzeichnen, tritt auch in der Beziehung zwischen Kydones und diesem Kaiser eine merkliche Abkühlung ein79 • Eine regel rechte Demütigung des byzantinischen Kaisertums erlebt Kydones 1 37 1 , als sich die Rückreise Ioannes' V. Palaiologos und seines Gefolges von Italien nach Byzanz aus Geldnot immer wieder verzögert. Zuletzt muß der Kaiser fUr die noch offenen Rechnungen seinen Sohn Manuel II. Palaio logos bis zur Begleichung der Schulden als Bürgen in Venedig zuri.lcklas sen80 • Noch im selben Jahr wird Kydones auf eigenes Ansuchen aus dem kaiserlichen Dienst entlassen und fUhrt das Leben eines Privatmannes, doch wird er auch später noch häufig mit politischen Aufgaben betraut. Als nach dem Tod von Ioannes V. Palaiologos ( 1 39 1 ) ManueI II. Pa laiologos in Konstantinopel die Macht übernimmt8 1 , wird d ie rege Anteil nahme am politischen Geschehen gerade in den Briefen, d ie Kydones an den jungen Kaiser schreibt, noch einmal recht deutlich. Die letzten Jahre des großen Staatsmannes sind gekennzeichnet von zunehmenden Anfein dungen wegen seiner pro-römischen religiösen Gesinnung und der wach senden Not durch die äußere Bedrohung der heranrückenden Türken 82 • Während einer Reise verstirbt der etwa Dreiundsiebzigjährige auf der In sel Kreta im Winter 1 39783 •
2. Zeitgeschichtliche Besonderheiten
Von besonderer Bedeutung ist der Umstand, daß Kydones nicht nur die Regentschaft mehrerer Kaiser, sondern auch extreme innenpolitische Un ruhen erlebt hat, d ie gerade das kaiserliche Amt und seine Besetzung be treffen. Nach dem Tode des Kaisers Andronikos III. Palaiologos ( 1 34 1 )
78 79
Matschkel Tinnefeid, 200 1 , 336. Vgl. Todt, 1 99 1 , 302 f. 80 Vgl. Ostrogorsky, 1 940, 389 mit Anm. 3; Nicol, 1 993, 272 f. 81 Er war bereits Mitkaiser seit 1 373. 82 Die Eroberung seiner Heimatstadt Thessalonike durch die TUrken hatte Kydones be reits im Jahr 1 387 zu beklagen; er selbst hielt sich schon seit längerem in Konstantino pel auf. 8) Vgl. dazu Ganchou, 2002, 479 und 486 (spätestens Dezember 1 397).
III. Demetrios Kydones und seine Zeit
31
greift Ioannes VI. Kantakuzenos, enger Vertrauter des verstorbenen Kai sers und seit geraumer Zeit der eigentlich leitende Kopf auf dem Bereich der Staatspolitik, nach der Macht - obwohl er nicht der rechtmäßige Thronfolger ist84 . Folge davon ist ein Bürgerkrieg, in dessen wechselvol lem Verlauf der Kantakuzene schließlich die Oberhand gewinnt. Einer starken Gegenströmung zum Trotz läßt er sich 1 346 in D idymoteichon zum Kaiser ausrufen. Beendet wird der Krieg aber erst dadurch, daß Ioan nes VI. Kantakuzenos 1 347 als byzantinischer Kaiser Byzanz erobert und damit den in der Hauptstadt sitzenden Gegnern seine Herrschaft auf zwingt, auch wenn man sich formal darauf einigt, diese Herrschaft als zeitlich befristete Vormundschaft fur den erst vierzehnjährigen legitimen Kaiser Ioannes V. Palaiologos anzusehen 85 • Es erstaunt wenig, daß der Herrschaftswechsel nach Ablauf der gesetzten Frist wiederum von bürger kriegsähn lichen Wirren begleitet wird86 • Kaum hat sich die Herrschaft Ioannes' V. Palaiologos einigermaßen gefestigt, als sein Sohn, Andronikos IV. Palaiologos, aus bislang noch
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Zum Versuch dieser Machtübernahme s. zuletzt Nicol, 1 996; vgl. auch Ostrogorsky, 1 940, 366-368, und ausfllhrlich Todt, 1 99 1 , 36-57; grundlegend Matschke, 1 97 1 . Be reits die Thronbesteigung Andronikos' l l l . war mit mehreren kriegerischen Auseinan dersetzungen zwischen ihm und seinem eigenen Großvater Andronikos 1 1 . vonstatten gegangen. Zwar hat Demetrios Kydones dies nicht bewußt miterlebt, aber diese j Ung ste Vergangenheit wird im historischen Bewußtsein seiner Generation mit Sicherheit noch präsent gewesen sein. Vgl. dazu Schreiner, 2 1 994, 30; Ostrogorsky, 1 940, 358 ff. V gl. Wessei, 1 970, 434-436; Ostrogorsky, 1 940, 366 ff. Zu den Folgen dieses BUr gerkrieges fiir die sUdliche Balkanregion vgl. Laiou-Thomadakis, 1 980, 97: "lt is pri marily with the civil war between Kantakouzenos and John V, and with the installation of the Turks on Byzantine soil, that conditions in the southern Balkans become danger ous and extremely uncertain." Zur Lage insgesamt s. Ostrogorsky, 1 940, 367: "Der Ausbruch des Bürgerkrieges '" zerstörte auch das wenige, das Byzanz noch besaß." 379: "Schlimmer noch als die territoriale Verstümmelung war der wirtschaftliche und finanzielle Ruin des byzantinischen Staates." Vgl. Wessei, 1 970, 434 : "Byzanz war bitterarm geworden." Nicol, 1 993, 1 49, bezeichnet die Phase von 1 3 2 1 - 1 354, "the age of civil wars", zusammenfassend als "mortal illness of Byzantium"; vgl. zu den kata strophalen Folgen auch Lilie, 1 994, 230. Der BUrgerkrieg war so prägend, daß er sogar einen Niederschlag in der Volksliteratur, im sogenannten Pulologos, fand, dessen zeit geschichtliche Bezüge Makris, 1 993, herausgearbeitet hat. Einen Überblick Uber die einzelnen Stationen der 1 352 erneut beginnenden Auseinan dersetzungen bietet Ostrogorsky, 1 940, 3 8 1 ff; vgl. auch Nicol, 1 993, 238 ff; Wessei, 1 970, 444 ff. Dabei wurde Ioannes V. von den Serben, loannes VI. von den Türken unterstützt: "So lag die Entscheidung Uber den Ausgang des Kampfes zwischen den hadernden byzantinischen Kaisern in den Händen der Osmanen und der Serben" (Os trogorsky, 1 996, 382). 1 354 dringt Ioannes V. mit Hilfe der Serben und der Genuesen in Konstantinopel ein und zwingt Ioannes VI. zur Abdankung; dieser tritt als Mönch Ioasaph ins Kloster ein, s. ebd. 383 und Wessei, 1 970, 444 ff; Nicol, 1 967. Vgl. auch Tinnefeid, 1 98 1 , 95, mit Anm. 6.
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III. Demetrios Kydones und seine Zeit
nicht eindeutig geklärten Motiven einen Aufstand beginnt ( 1376), mit ge nuesischer und türkischer Hilfe Konstantinopel erobert, die kaiserliche Fa milie einkerkern läßt, sich selbst auf den Kaiserthron setzt und seinen Sohn Ioannes VII. Palaiologos zum Mitkaiser bestimmt87 • Die Rückerobe rung Konstantinopels und des Kaiserthrones glückt Ioannes V. Palaiolo gos, nachdem i hm mit venezianischer Hilfe die Flucht aus seiner Haft ge lungen war, nur mit Unterstützung des türkischen Sultans Murad I. ( 1379). Der Zwist zwischen Vater und Sohn findet erst einen endgültigen Abschluß, als Andronikos IV. Palaiologos im Jahr 1385 bei einem erneu ten Aufstand nach einer plötzlichen Erkrankung den Tod findet88• Er war jedoch nicht der einzige Sohn, der in Konflikt mit seinem Vater geriet. Auch zwischen Manuel 11. Palaiologos und seinem Vater Ioannes V. Palaiologos gab es Spannungen, zu deren Beilegung man auf das vermitte lnde Eingreifen Murads angewiesen war (1387r. Im Jahr 1390 schließl ich kann Ioannes VII. Palaiologos durch d ie Unterstützung des tür kischen Sultans Bayezid I. (Sohn Murads 1.) vorübergehend die Macht in Konstantinopel an sich reißen, wird aber von seinem Onkel Manuel II. Pa laiologos, zu diesem Zeitpunkt noch Mitkaiser unter Ioannes V. Palaiolo gos, wieder vertrieben90 • Daraufhin setzt Bayezid I. loannes V. Palaio logos unter Druck, fordert und bekommt als Gegenleistung dafür, daß dessen Regierung weiterhin unangetastet bleibt, Manuel 11. Palaiologos als Geisel. Da der Empörer Ioannes VII. Palaiologos jedoch geradewegs zu Bayezid I. geflohen war, ergibt sich die paradoxe Situation, daß die beiden miteinander verfeindeten byzantinischen Thronanwärter nun vereint dem türkischen Sultan dabei helfen müssen, Philadelphia, die letzte noch ver bleibende byzantinische Stadt auf kleinasiatischem Gebiet, zu belagern
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Vgl. Barker, 1 969, 29-32; Weiß, 1 980, LMA 1 , 6 1 4. Andronikos IV. hatte den Genue sen den Besitz der Insel Tenedos versprochen, auf die sowohl die Genuesen wie die Venezianer schon seit längerem ein Auge geworfen hatten, vgl. Ostrogorsky, 1 940, 39 1 . Der Aufstand des Andronikos hatte 1 373 bereits eine Vorgeschichte; damals hatte Andronikos die Abwesenheit seines Vaters (loannes V. mußte in Kleinasien dem Sul tan Murad Vasallendienste leisten) genutzt, um zusammen mit dem osmanischen Prin zen Saudschi Tschelebi zu rebellieren, eine "eigentümliche gemeinsame Erhebung des byzantinischen und des osmanischen Prinzen gegen ihre Väter", so Ostrogorsky, 1 940, 3 9 1 . Die Rebell ion wurde rasch niedergeschlagen. S. dazu auch Barker, 1 969, 1 8-22; Wessei, 1 970, 449; Nicol, 1 993, 277 ff. Vgl. Barker, 1 969, 5 1 f; Schreiner, 1 975, 68; Nicol, 1 993, 285 f. S. dazu Barker, 1 969, 57-64; Nicol, 1 993, 288. 1 382 hatte sich Manuel 1 1 . überra schend entschlossen, die Verteidigung Thessalonikes selbst in die Hand zu nehmen, und war gegen den Willen Ioannes' V. abgereist. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Barker, 1 969, 42-47 (v.a. mit den Anm. 1 1 9 und 1 23). Vgl. dazu Wessei, 1 970, 450; Nicol, 1 993, 292; Ostrogorsky, 1 940, 394 f; TinnefeId, 2003, 2 1 9, mit Verweis auf Schreiner, Bd. lI, 1 977, 342 f.
III. Demetrios Kydones und seine Zeit
33
und schließ lich zu erobern9 1 • Als l391 Ioannes V . Palaiologos verstirbt, sichert Manuel II. Palaiologos sich die Herrschaft dadurch, daß er heim lich aus dem Lager des Sultans nach Konstantinopel entflieht, woraufhin Bayezid den Druck auf die Byzantiner deutlich erhöht92 • Diese knappen biographischen und historischen Daten sol len als Hi lfe zur besseren Einordnung der folgenden Ausftihrungen genügen, die sich im einzelnen mit den Vorstellungen des Demetrios Kydones über herr schaftliche Sakralität befassen.
91
Vgl. Barker, 1 969, 79; Nicol, 1 973, 393, der dazu bemerkt: "Das war der Höhepunkt der Erniedrigung" (vgl. auch Nicol, 1 993, 292 f). 92 Vgl. Barker, 1 969, 82-85; Nicol, 1 973, 394.
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
YQa��a'ra 'roie;; unoüm 'rwv LAwv 'rTJv uno 'rfje;; yAw'['[T)e;; 6�tAi.av uvanAT)Qoi. "Briefe ersetzen getrennten Freunden das per
Ta
-
sönliche Gespräch." So definiert Kydones selbst einmal i n Anlehnung an antike Konventionen den Brief als l iterarische Gattung93 • Briefe sind keine Rechtsdokumente, keine kaiserlichen Urkunden oder offiziellen Verlaut barungen. Deshalb handelt es sich bei den im Epistolar des Kydones greif baren Stellungnahmen zu Gesellschaft, Politik und Kultur gewissermaßen um e ine Geschichtsbetrachtung und -deutung "im privaten Raum", auch wenn die l iterarisch durchstilisierten Kleinkunstwerke von vornherein für die Ohren eines größeren Publikums bestimmt waren94 • In ihnen kommt die "Reichs- und Kaiserideologie" nicht rein, sondern gebrochen durch das Prisma persönl icher Anschauung zur Sprache, weshalb sie, Spiegel der Werte- und Gedankenwelt eines kritischen Zeitzeugen, in besonderer Weise etwas vom Denken und Lebensgefühl der damaligen Epoche ver mitteln können95 • Von Bedeutung ist dabei des weiteren der Umstand, daß Kydones selbst gerade kein Herrscher war, so daß seine Sicht auf das Kaisertum nicht durch die gesellschaftlichen Erwartungshaltungen und die mit der Übernahme des Amtes verbundene Eigendynamik in der Selbstwahrneh mung verzerrt wurde. Andererseits war er wiederum den Herrschern so eng verbunden, daß es zu seiner Zeit wohl kaum einen Zweiten gab, der so nahe am Zentrum der Macht stand und einen so tiefen Einblick in d ie Vorgänge und Gedanken "hinter den Palastrnauern" hatte. Sein B lick auf das Kaisertum ist gleichermaßen durch Distanz und Nähe geschärft.
93 94
9S
T 0407 = L 356, Z. 3 f. Zu den Grundlagen der antiken Brieftheorie s. Klauck, 1 998, 1 48- 1 56. In Anlehnung an die Kategorisierung von Hunger, 1 978, Bd. 1 , 203-207, sind die Ky donesbriefe "literarische Privatbriefe". Ebd. 206: "Sie wurden aus praktischen Anläs sen, j edoch mit dem Gedanken an andere Hörer und an die voraussichtliche Aufnahme in eine Briefsammlung geschrieben." Vgl. auch Tinnefeid, 2000, und GrUnbart, 2005, 35. Zur Veröffentlichung von Kydones' Briefsammlung vgl. allgemein Hatlie, 1 996. Zum Brauch der Sammlung eigener Briefe in spätbyzantinischer Zeit s. auch Matschkel Tin nefeld, 200 1 , 253 f.
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
35
In der bunten Vielfalt der von Kydones so zahlreich erhaltenen Briefe96 finden sich neben immer wiederkehrenden Motiven privater Natur (wie z.B. die Mahnung an einen Freund, einen Brief zu schicken97 ) der hohen politischen Stellung des Verfassers entsprechend des öfteren Aussagen, die sich auf einen bestimmten Kaiser oder das Kaisertum überhaupt bezie hen. Dies geschieht erwartungsgemäß in Briefen, d ie direkt an einen Kai ser gerichtet sind, aber es finden sich auch in den übrigen Schreiben ver streut immer wieder Äußerungen, die mit dem Thema "Sakralität von Herrschaft" in Zusammenhang zu bringen sind. Insgesamt betrachtet fäl lt in diesem Bereich aufs erste eine gewisse Zurückhaltung und Ambivalenz auf. Einige Stellen bringen die Heiligkeit des Kaisers deutlich zum Aus druck, andere Sakralitätsaussagen verlieren bei näherem Zusehen ihren eindeutigen Charakter oder werden durch weitere Passagen relativiert; in manchen Kontexten oder Formulierungen, wo man einen Bezug auf d ie Heiligkeit des Herrschers erwarten würde, fehlt ein solcher; vieles bleibt im Allgemeinen verhaftet. Sakrale Überhöhung des Kaisers in ausgepräg ter Form ist nur selten zu finden, gehäuft vor allem in den frühesten Brie fen an Ioannes VI. Kantakuzenos. Nur dort und teilweise noch in den spä ten Briefen an Manuel II. Palaiologos trifft man auch auf überschwengli-
96
TinnefeId 2003, 3, zählt genau 449 Briefe. Edition der Briefe: Loenertz, R.-J., D�m� trius Cydones: Correspondance, II Bde., Studi e Testi 1 86 u. 208, Vatikan 1 956 und 1 960. Seit relativ kurzer Zeit erst liegen die gesamten Briefe in der deutschen Überset zung von TinnefeId vor, mit knappen Regesten der Briefinhalte, historischer und bio graphischer Situierung, Exkursen zu einzelnen Empfiingern, ausftlhrlicher Kommentie rung und erschließenden Registern, das Ergebnis intensiver Forschung fast eines Vier teljahrhunderts: Demetrios Kydones, Briefe, übersetzt und erläutert von F. TinnefeId, IV Bde. (in filnf, Bd. I in 2 Teilen), Bibliothek der griechischen Literatur 1 2, 1 6, 33, 50 und 60: Briefe 1 -47: 1 98 1 (Bd. 1/ 1 ), Briefe 48- 1 38: 1 982 (Bd. I/2), Briefe 1 3 9-229: 1991 (Bd. II), Briefe 230-34 1 : 1 999 (Bd. I I l), Briefe 342-449: 2003 (Bd. IV). Tinne feid hat sich darOber hinaus die im einzelnen diffizile und mühevolle Arbeit gemacht, die Datierungskriterien der Briefe genauer Überprüfung zu unterziehen und auf Grund lage dieser Untersuchungen die Briefe in einer neuen, der Chronologie präziser folgen den Zählung darzubieten, was jedem historisch interessierten Benutzer sehr entgegen kommt und dem Forscher die weitere Arbeit erleichtert. In der vorliegenden Untersu chung werden die Briefe immer in der Zählung von TinnefeId (T) und in der von Loe nertz (L) zitiert. Die Datierungen der Briefe richten sich, soweit nicht anders vermerkt, nach den Forschungsergebnissen von Tinnefeid. Das im folgenden aus den Kydones briefen Angefilhrte wird bis auf eigens gekennzeichnete Ausnahmen nach der Über setzung von Tinnefeid zitiert; die Zeilenzählung bezieht sich aber immer auf den grie chischen Originaltext in der Edition von Loenertz. 97 Dieses recht beliebte und häufige Motiv (vgl. Hunger, 1 978, Bd. I , 222: "bis zum Überdruß") findet sich bereits bei Libanios, dem Archegeten der byzantinischen Epi stolographie (vgl. etwa die Briefe 6 und 20 ed. R. Foerster). Zur Beeinflussung des Ky dones durch Libanios vgl. Tinnefeid, 1 999, 29, Anm. 6.
36
I V . Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
ches Kaiserlob, doch vorausgreifend sei hier schon bemerkt, daß enkomia stische Aussagen keineswegs selbstverständlich und in dem Maße sakra lisierende Tendenzen aufweisen, wie man dies vielleicht erwarten könnte. Angesichts dieser komplexen und sehr differenziert zu beurteilenden Beleglage ist es um so notwendiger, die Stellen im einzelnen zu betrach ten. Darüber hinaus gilt es, beim methodischen Vorgehen nicht nur d ie jenigen Aussagen näher zu untersuchen, d ie einen expl izit positiven oder negativen Bezug zum untersuchten Themengebiet herstellen, sondern auch auf Kontexte zu achten, in denen sich eine Bezugnahme auf das Kaisertum und seine Hei ligkeit direkt anbietet, ja geradezu aufdrängt, aber feh lt. Zunächst zum positiven Befund, zu Äußerungen, in denen ein direk ter Zusammenhang zwischen Kaiser und Gott hergestellt und zwischen beiden eine besonders enge Verbindung konstatiert wird.
1 . Auf den Spuren des traditionellen Kaiserbildes
a) Der von Gott geleitete Herrscher In einem Brief aus dem Winter 1382/83 an Manuel H. Palaiologos im be lagerten Thessalonike gibt sich Kydones überzeugt, daß "Gott dem Kaiser seine Tatkraft vergelten und ihn bei all seinem Tun leiten wird,,98 . An denselben Kaiser in derselben Situation schreibt Kydones i m Frühjahr 1385 recht ähn lich, Manuel werde mit seinen Unternehmungen zum Ziel kommen, "weil auch Gott seine Zustimmung zu deinem Tun gibt,,99 . Der gleiche Gedanke, der in diesen Stellen zum Ausdruck gebracht wird, Ver 100 trauen auf die göttliche Leitung herrscherlichen HandeIns , hört sich allerdings etwas anders an, wenn Kydones in einem Brief an Ioannes VI. Kantakuzenos zu einer Zeit, in der die Beziehung zwischen ihm und d ie sem Kaiser schon etwas abgekühlt war, vorsichtig formuliert: "von deiner
98
= L 247, Z. 39 f: 71E71nu lllXL yaQ UOL Kai 'tov E>EOV 'ri]e; UQE'ri]e; UIlElß6IlEVOV 71aOl"je; i]yrjUW8lXL 71Qa�EWe;. 99 T 302 = L 302, Z. 27 f: biiAov bE ön Kai E>E0 bOKOUV'tWV '((DV YlvollEVWV ou UK071Ele; 'tEAoue; OUK a'tuxi]une;.
100
T 236
Ein grundlegender Zug byzantinischer Kaiserideologie, vgl. Treitinger, 1 956, 43 und 2 1 4 ff.
IV. SakraliUit von Herrschaft bei Demetrios Kydones
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Seite mag wohl nichts geschehen, was nicht auch Gott gutheißen könn te" I OI . Mag man es auf den ersten Blick als eine Selbstverständlichkeit anse hen, daß der von Gott erwählte Herrscher in der Ausübung seines Herr scheramtes weiterhin von Gott unterstützt und geleitet wird, so wird gera de auch aus der zuletzt zitierten Äußerung deutlich, daß es sich in der Vorstellung des Schreibers hier nicht um einen Automatismus handelt, der herrscherliches Handeln und göttliches Wollen mit Notwendigkeit zusam menbindet. Wie jeder andere Christ, so muß auch der Kaiser sein Handeln am göttlichen Gebot und Willen ausrichten; er bekommt diese Fähigkeit nicht zugleich mit dem Amt verliehen. Dies erhellt auch aus einem Pas sus, der sich an die bereits zitierte Stelle aus dem Brief an Manuel Il. vom Frühjahr 1 3 85 anschließt, und in dem Kydones dem Kaiser fur seine den Untertanen zugute kommenden Mühen göttlichen Lohn verheißt. Diese Früchte seiner Anstrengungen ernte der Kaiser gerade wegen seiner "gläu bigen Gesinnung" (1ILOnc;, Z. 3 1 ), die ihm die Erhörung seiner B itten ver schaffe. Eine solche gläubige und bittende Haltung Gott gegenüber, so Kydones, stehe aber nicht nur einem Kaiser, sondern einem jeden weisen und gottesfürchtigen Manne an: nxü'Cu ßuotAci 1IQOoTJKOV'CU, 'Cuü'Cu ooc!>cfJ, 'Cuü'Cu 8COOEßE'i102 . Somit ist der ohnehin nur relativ seIten zur Sprache kommende Gedanke von der göttlichen Leitung des Herrschers kein konstitutives Merkmal fur die Sakralität des Herrschaftsamtes. b) Gott als Urheber und Bewahrer herrscherlieher Tugenden Ähnlich l iegen die Verhältnisse, wenn Gott als Urheber und Bewahrer kaiserlicher Tugenden beschrieben wird. Es ist ausnahmslos Manuel 11. Palaiologos, der in diesem Kontext Erwähnung findet, und die ständig an ihm gepriesene Tugend ist sein rhetorisches Talent. Dieses sei ihm n icht von irgendwelchen Lehrern, sondern durch "göttliche Fügung" verliehen worden 1 03 , und Gott möge ihm diese leidenschaftliche Liebe zum schönen gesprochenen Wort bewahren l O4 • Des Lobes vol l fur den ausgezeichneten Briefstil ManueIs H. bemerkt Kydones einmal, es s�i n ichts kraftvoller 101
102
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T 29 = L 1 4 (aus dem Sommer 1 3 52), Z. 6: OUbEV CtV YEVOl'rO naQtX uou ö /l� KCtV 8EOt; EnmVEUELE, Kursivierungen in der obigen Übersetzung durch den Verfasser. T 302 = L 302, Z. 33 f; der ganze Passus Z. 29-34. T 0 1 43 L 1 20, Z. 1 2 f: . . . 'rou'r ' aVHKQuc; 8E� /loLQq 7IlXVUC; UOl bEMu8m =
ntU'rEUOUUtV. T 266
=
L 284, Z. 35.
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
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und beglückender als e in Mann kaiserlichen Ranges, den Gott in der Öf fentlichkeit m it Redekunst kröntl O\ ein andermal, es sei Gott gewesen, der die Begabung des Kaisers so überaus fruchtbar gestaltet habe, 6 8EOe;, l1oQQw8EV Ul1f.Q 'taue; 110Maue; aE XE LQ o'tov�aae;, 'tTj ßamAdt;t aUflflE'tQOV Kat cpumv al1o�Hboue; "Gott, der dich seit langem vor vielen -
auserwählte und dir zu deiner Herrschaft auch angemessene Fähigkeiten ver 106 lieh" .
Zur Übertragung des Herrscheramtes durch Gott gleich; hier interessiert vor allem die Aussage, daß Gott mit dem Amt auch die zu seiner Aus übung nötigen Gaben verleiht, was Kydones an anderer Stelle noch ein mal optativisch formuliert, indem er Manuel 11. von Gott die Gabe wünscht, d ie Geschicke seiner Untertanen in vernünftiger Art und Weise gestalten zu können1 07 • Die Verleihung solcher Tugenden und Begabun gen ist jedoch eindeutig fakultativ. Wem Gott zusätzlich zum Amt auch sie noch geschenkt hat, den kann man glücklich preisen; sie sind aber wie die Vorstel lung von der göttlichen Leitung herrscherlichen Handeins für die Heiligkeit des Amtes nicht konstitutiv. c) Gott als "Sieghelfer" Wie die Tugenden, so verleiht Gott gegebenenfalls auch Überlegenheit im Kampf gegen die Feinde. Hier kommt man in den Bereich von Macht und Machtausübung, also in die Nähe eines Propriums herrschaftlicher Sakra l ität 108 • Daß militärische Überlegenheit in byzantinischer Weitsicht we sentlich zur Heiligkeit eines Herrschers gehört, ist aber von vornherein lOS
106 107
108
L 304, Z. 2 1 f: OUbEV yaQ Ol),{' lUXUQcYrEQOV, OUT' E7lLTEQ7tEUTEQOV, WU7tEQ avbQoc; ßaUlMwc; c;, SEOC; EV ayoQtJUlv E7tEUl UTE<j>EL. Hier liegt ein text
T 304
=
kritisches Problem vor. Bei Loenertz steht c;" doch scheint im Autograph nach Tinne feIds Angabe ( 1 999, 2 1 2, Anm. 5) q zu stehen, was er in Anlehnung an die von Kydo nes anzitierte Stelle Horn. Od. 8, 1 69 f in öv verbessert, zumal da er im stark überar beiteten Autograph ein Versehen von Kydones' Seite rur möglich hält. Zum Lob des guten Briefstiles als Topos der Epistolographie s. Matschkel TinnefeId, 200 1 , 243 mit Anm. 1 06.f T 436 L 445, Z. 22-24, wörtliches Zitat Z. 23 f. T 307 L 3 08, Z. 13 f. TinnefeId, 1 999, 220, übersetzt KlXTa voüv 8Eu8m mit "in deinem Sinne zu gestalten", doch ein Schalten des Kaisers nach eigenem Gutdünken ist von Kydones hier sicher nicht gemeint. Vgl. dazu die anfänglichen Überlegungen zur Sakralität von Herrschaft im Allgemei nen. =
=
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
39
zweifelhaft. Unbestritten gibt es Kulturkreise, in denen die Heiligkeit des Herrschers unbedingt mit dessen Kraft und Erfolg, also auch mit seiner militärischen Stärke verknüpft wird 1 09 , doch ist ein solcher Konnex aus den Kydonesbriefen nicht ableitbar und für das späte Byzanz schon allein deshalb kaum anzunehmen, weil man durch die Häufung militärischer Niederlagen und reichsterritorialer Einbußen den Kaisern generell einen Verlust ihres Heil igkeitsstatus hätte anlasten müssen. Zur Erklärung des Niederganges hatte man andere Modelle entwickelt, wie etwa die bereits angeführte geschichtstheologische Deutung der Zeitläufe als göttliche Strafe für den sündhaften Lebenswandel des Volkes i l o . Wenn Kydones daher auf kaiserliche Erfolge zu sprechen kommt, so geschieht das in der Regel entweder in der Form eines Wunsches oder als Danksagung; in bei den Fällen wird deutlich, daß es sich bei einem Sieg um ein ungeschulde tes und freies göttliches Geschenk handelt. Letztlich ist es auch nicht der Kaiser, sondern Gott selbst, der durch sein Eingreifen den Kaiser und sein Volk die Oberhand gewinnen läßtl l l . Gott möge Ioannes VI. Kantakuzenos sein Leben lang Siege verleihen, heißt es erstmals in einem Brief aus dem Jahr 1 342 1 1 2 • Das Motiv vom "göttlichen Sieghelfer" war bereits auf dem Weg Konstantins d. Gr. zur Al leinherrschaft ein wichtiges Deutungsmuster, das unter anderem der Herrschaftslegitimation diente 1 1 3 ; dieser Aspekt dürfte auch für Ioannes VI. eine Rol le gespielt haben. Allerdings war der Kantakuzene anderer seits auch wieder so selbstbewußt und gewissermaßen "modem", daß er 109
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Vgl. dazu Erkens, 2002, 25, mit Anm. 1 1 9 (dort weitere Literaturhinweise), der sol ches v.a. in "einfacheren Vorstellungswelten" wie etwa in Australien und Afrika be obachtet. Mehrere Erklärungsmodelle nebeneinander liefert Kydones in T 268 = L 282: Übel als naturnotwendiger Lauf der Dinge; als göttliche Strafe rur Verfehlungen; als Mittel der Einschränkung zukünftiger Verfehlungen. S. dazu ausfUhrlicher Zgoll, 2005, 202-204. Nach Treitinger, 1 956, 1 72- 1 78, handelt es sich in Byzanz bei diesem Gedanken, der sich auch im Zeremoniell äußert, um eine nicht sehr tiefgehende, christliche Ummante lung der römisch-heidn ischen Triumphsymbolik (ebd. ( 77): "In Byzanz geht dem Triumphzug das Kreuz voraus und Lobgesänge preisen Gott als den Urheber des Sie ges. Aber im Grunde ist . . . jene Triumph- und Siegessymbolik, auch wenn das Alte Testament dafUr Motive bot, wenig christlich." Die Euphorie der zeitweise in Byzanz so stark ausgeprägten "kaiserlichen Siegesmystik" (s. Treitinger, 1 956, 264 f) ist bei Kydones aus begreiflichen Gründen deutlich gedämpft. Oder 1 343; T 5 = L 1 2, Z. 4 1 : wü aOl I1EV V LKäv b..a ßlOU bLbOvw<;; m.E. ist das Partizip bLbov'to<; hier zwar nicht mit einem futurischen - dagegen spricht das Partizip Präsens -, zumindest aber doch mit einem optativischen Nebensinn versehen (,jetzt und in Zukunft"). Vgl. Baus, 1 985, 457-462; Stockmeier, 1 988, RAe 1 4, 926 f; zu Konstantin als Leitge staIt ru r die Herrschervorstellung der nachfolgenden Kaiser s. ebd., 930.
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IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
es n icht gut vertragen konnte, als N ikephoros Gregoras in einer Dankrede anläßlich der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1 347 das Wirken der Gottesmutter Maria auf Kosten der Verdienste des Feldherren über alle Maßen lobte l l 4 . Anläßlich der Einnahme von Adrianopel gratuliert Kydo nes Ioannes VI. im Sommer l 3 52 brieflich und beginnt lapidar l 1 5 : TIaQcX 8wü fl E V dc; GE, naQcl GOÜ bE dC; TJ fläC; f]la: -rcl dw8o-ra - "Von Gott geschah d ir, von d ir aber uns das Gewohnte." An Stelle aller anderen sei dem Kaiser Gott als Bundesgenosse - GUflflaxoC; - geblieben (Z. 7 f), mit dessen Hilfe er alle besiegt habe (Z. 3 1 f). Im Rückblick lobt Kydones denselben Kaiser dafür, daß er Byzanz in großen Gefahren vor dem Unter gang bewahrt habe und bemerkt resümierend: vüv bE GEGwGflE8a fl EV TJflEIC;, flE-ra YE -rov 8EOV, un' alJ'roü - ,Jetzt aber sind wir mit Gottes Hilfe durch ihn gerettet" 1 1 6 . Deutlich verhaltener kommt der angesprochene Themenkomplex bei Ioannes V. Palaiologos zur Sprache. Ebenfalls in einem Gratulationsbrief, diesmal zu einem militärischen Sieg des Palaiologen an der Schwarz rneerküste aus dem Jahr l 363, findet sich nur ein einziger, noch dazu im Potentialis formulierter Bezug auf Gott in einer längeren, kl imaktischen Periode 1 1 7 : "Daß sie [sc. die Feinde] aber wegen ihrer Mißachtung deines jugendlichen A lters Schlimmeres erleiden mußten, als wenn man sie gezwungen hätte, gegen Giganten zu kämpfen, das ist der größte Erfolg, weil es zugleich mit dem Ruhm auch Lob vom Standpunkt der Gerechtig keit verdient und somit auch Gott gefallen dürfte." Sonst wird Ioannes V. an keiner Stelle des Briefes in eine sakrale Sphäre gerückt; er ist der erfolgreiche Feldherr, der die homerischen Helden noch übertrifft, nicht aber der von Gott mit unfehlbar siegreicher Kraft begabte und auf diese Weise geheiligte Herrscher. An anderer Stelle bedankt sich Kydones bei Ioannes V. für ein Geldgeschenk und endet mit dem Wunsch l 1 8 : "Dafür 114
115 1 16 1 17 1 18
Vgl. dazu Westerink, 1 967, mit der Paraphrase 262: "Als der Kaiser in Gregoras' Rede, auf die er viel Sorgfalt verwendet hatte, Einsicht nahm, erfolgte eine kleine Fa milienszene. Kantakuzenos meinte, das llberschwengliche Lob, der Jungfrau gespen det, lasse von einer persönlichen Leistung nicht viel llbrig; es sei ungefähr, als hätte sie ihn auf einer hölzernen Leichenbahre in die Stadt hineingetragen. Gregoras war tief gekränkt . . ." T 27 = L 1 5, Z. 4. T 232 = L 200 aus dem Jahr 1 382, Z. 1 1 f. T 5 1 = L 89, Z. 1 9-22, Einfiigung und Hervorhebung durch den Verfasser; zum wahr scheinlichen historischen Hintergrund vgl. Tinnefeid, 1 982, 322 f. T 0 1 42 = L 83, Z. 1 7 f. In Band IV der Kydonesbriefe bemerkt Tinnefeid, 2003, 1 09, nachträglich, daß der Brief chronologisch gesehen anders eingeordnet werden mllßte als in Bd. II geschehen; ebd. 1 25 plädiert er fiir eine Datierung zwischen Winter 1 3 87/
IV. Sakralitllt von Herrschaft bei Demetrios Kydones
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seien d ir von Gott, Kaiser, langes Leben und zah lreiche Siege über die Feinde des Reiches gewährt." Die letzten hier anzuführenden Belege aus den Jahren 1 3 82-83 bezie hen sich auf die Situation des in Thessalonike belagerten Manuel 11. Palaiologosl 19, dem Kydones Gottes Beistand zur Besiegung der Feinde wünscht; andernorts stellt er einen militärischen Teilerfolg Manuels 11. als göttl iche Befreiungstat hin. �OC; b� L.W'rEQ V lKT]V '[0 ßuatAEi - "Ver leihe also, 0 Erlöser, dem Kaiser den Sieg", bittet Kydones in einem die ser Briefe l 2O, eine der seltenen Stellen, die durch die Verwendung des Be griffes "Erlöser" einen näheren Bezug zu christlicher Terminologie auf weist. Zur Rettung der bedrängten Lage möge dem Kaiser Rettung von Gott kommen, so steht es in einem späteren Brief 12 1 , aber auch dem bedrängten Konstantinopel solle Gott zur Hilfe kommen und dabei wenn möglich den Kaiser als seinen Diener - lnC
1 19 120 1 21 1 22
123
88 und 1 389/90. Die Feinde "des Reiches" : wörtlich Feinde "deines Kaisertums" (TI]<; ßaaLAEla<;); es können also auch interne Feinde gemeint sein. Vgl. dazu Barker, 1 969, 42 ff. T 235 = L 244, Z. 33. T 27 1 = L 283, Z. 1 5 f. T 237 L 249, Z. 30-6 1 . Nicht dem Kaiser selbst wird also ein möglicher Sieg oder die Kraft zu siegen zugeschrieben, sondern Gott. Diese Sichtweise entspricht aller dings der Tradition in Byzanz, vgl. Treitinger, 1 956, 1 50: "Die maiestas des Kaisers wird auch nicht durch Dankbarkeit und durch das Bekenntnis gemildert, daß Gott der Urheber des Sieges und aller Größe ist." S. dazu unten S. 1 1 1 ff und S. 1 20 ff. =
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IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
und Ioannes V. Palaiologos nicht von vertiefter Freundschaft geprägt war l 24 • d) Gott als Verleiher der Herrschaft Eindeutig ins Zentrum der sakralen Herrschaftskonzeption führen schließ lich Passagen, die davon sprechen, daß die dem Herrscher verliehene Amtsgewalt von Gott herrührt1 25 • Die diesbezüglichen Stellen in den Brie fen sind zahlreich und lassen keinen Zweifel aufkommen, daß für Kydo nes die Verleihung der kaiserlichen Herrschaft durch Gott eine durchaus geläufige Vorstel lung ist. Am deutlichsten ausgeführt wird dieser Gedan ke in zwei Briefen an Ioannes VI. Kantakuzenos aus dem Sommer 1 345, die als Reaktion auf die Machtergreifung des Kaisers nach den durch die Thronfolgestreitigkeiten ausgelösten kriegerischen Wirren abgefaßt sind. Der erste beginnt mit den Worten l 26 : Nüv �f-liv 1tEQLTJ1<ElV "C�v "Coü TIA1X'tWVOC; El)baLf-l0vlav V0f-ll�W, ÖU "ClfJ näm nav"Cac; naQeveYKovu, Kai f-lWTI':J q>LAOaocplac; ljJUX(], E>eoc; "CaC; lmEQ "Cwv öAwv cpQov"Clbac; anEbwKe, Kai "COiC; nQaYf-lamv EnEG"CfJGe voüv av"Ci "Cwv nQO"CEQWV EKElVWV TeAXlVWV . , - "Jetzt, glaube ich, ist .
uns die Glückseligkeit P latons zuteil geworden; denn einem, der alle in allem
überragt und einer Seele, erftlllt von Philosophie, hat Gott die Sorge ft1r das Ganze übertragen und damit Geist statt jener vorherigen Telchinen 1 2 7 zum Herrscher über den Staat bestellt . . . "
124
125
Trotz zahlreicher Worte an und über den Kaiser bleibt das Bild von Ioannes V. Palaio logos in den Kydonesbriefen auch relativ "blaß und verschwommen" (Tinnefeid, 1 98 1 , 1 98). Darin zeigt sich nach Dagron ( 1 996, 68) einer der Einflüsse der alttestamentlichen Kö nigsideologie auf Byzanz. Eine "idee maitresse" sei der Gedanke, "que la royaute . . . ne saurait etre qu'un don de Dieu" (vgl. auch Stockmeier, 1 988, RAC 1 4, 933 f). In By zanz wie im Alten Testament (vgl. I Sam 1 1 , 1 5) müsse, so Dagron, allerdings die Akklamation des Volkes noch hinzukommen (ebd. 68 f). Vgl. dazu auch Koder, 2004, 88: "Dass die Krönung stets im Wesentlichen bestätigenden Charakter hatte, wird auch aus dem kaiserlichen Epitheton 'von Gott gekrönt' (griech. Iheosleplos . . ) erkennbar, das zum Ausdruck bringt, dass letztlich die Kaiserrnacht ihren Ursprung und ihre Legitimation unmittelbar von Gott hat." Vgl. auch Treitinger, 1 956, 34-40 und 25 1 253, und McCorrnick, 1 99 1 , ODB I , 534. Die Vorstellung, daß die Herrschaft dem Kaiser durch Gott übertragen wird, findet sich auch in den byzantinischen Fürstenspie geln wieder (vgl. etwa den unter Basileios I. überlieferten, Kapitel 1 0 und bereits Aga petos, Kapitel I ). Vgl. zum Thema auch den einschlägigen Aufsatz von Enßlin, 1 943. T 7 = L 6, Z. 4-7. Die Telchinen sind ein mythisches Volk von Magiern aus dem Gebiet der Ägllis, denen überwiegend negative Attribute zugeschrieben werden (schadenstiftende Zauberei, .
126 127
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Schon seit langem habe Gott den Kaiser als denjenigen gekannt, der für Gerechtigkeit sorgen und die Herrschaft auf gerechten Gesetzen begrün den sollte, und um an ihm beispielhaft zu zeigen, daß schwere Zeiten ei nen standhaften und vernünftigen Mann nicht zu Fal l bringen würden, ha be er ihn erst nach längerem Kampf gekrönt. "Jenen Elenden hat er ein Ende, schlimmer als jede Tragödie, beschieden, dir aber wie in einem Wettkampf als Preis der Tugend das Kaisertum verliehen" l 28 . Unverkenn bar wird h ier das zum indest anfechtbare Streben des neuen Kaisers nach der Macht im Nachhinein sakral legitimiert1 29, einhergehend mit einer Ab wertung der Gegenpartei. Der leidvolle und politisch wie wirtschaftlich fatale Folgen zeitigende Bürgerkrieg wird als Prüfung für die Standhaftig keit des neuen Kaisers nicht nur beschönigt, sondern sogar als Bestandteil göttl icher Fügung hingestellt. Der Gedanke, daß Gott den Kaiser durch Schwierigkeiten hindurch selbst auf den Thron zugeführt habe, findet sich breiter ausgeführt noch einmal in dem zweiten Brief aus dem Sommer von 1 3451 3°. Dabei habe Gott einen Mann, der bereits mit inneren Vorzügen ausgestattet gewesen sei, nun folgerichtig ... Kat TOie; EE,w UUflß6AOLe; EKoaflllaE, Kai TÜV aUTY XQTJaLflOV i]vuy KaaE Kai Toie; MAOLe; YEvEa8m. OÜTW nEQi no;\;\wv TOÜT ' E lQllflEvov, we; aQa naQa 8wü Tae; tjJTJcpoue; TfJe; ßaaLJ\dae; KOflLamvTo, Eni aoü flMlaTa ßEßmoüTal, Kai nuvTEe; wanEQ EV Toie; cpavEQwTUTOLe; UUV qbouaL flMlaTa navTwv TlKHV aOL TO aKfJnTQov bai8Ev. - ,. . . . auch
mit äußeren Zeichen geschmückt und den, der sich selbst nützlich ist, veran laßt, es auch rur die anderen zu werden. So hat sich das, was von vielen gesagt ist: sie verdankten ihr Kaisertum dem Willen Gottes, bei dir vor allem bestä tigt, und alle sind sich gleichsam in aller Öffentlichkeit einig, wenn sie rüh mend von dir sagen, dein Zepter komme dir vor allem von dort oben."
Ist d ie das kaiserliche Handeln legitimierende Tendenz in d iesen Passagen nur allzu deutlich, fallt um so mehr auf, daß Vergleichbares in Bezug auf Ioannes V. Palaiologos eher dann zum Einsatz kommt, wenn es darum
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1 29
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neidisches und mißgünstiges Wesen); sie werden von Zeus (oder ApolIon) besiegt und vernichtet. Vgl. dazu Ambühl, 2002, DNP 1 2/ 1 , 86 f. T 7 L 6, Z. 1 1 - 1 6, vgl. v.a. Z. 1 6 : . . UOL b ' aSAov UQE'tf]C; unobEbwKWC; WU1lEQ =
.
EV UYWVl TI]v ßamAEiav. Wahrscheinlich in Anlehnung an vom Kaiser vorgegebene Deutungsmuster des Ge schehens, denn loannes V I . selbst hatte die Vorgänge in Didymoteichon auf göttliches Einwirken zurückgeftlhrt: Gott sei dem Metropoliten der Stadt persönlich erschienen und habe diesem geboten, loannes VI. zum Kaiser zu krönen (vgl. dazu Wessei, 1 970, 434). T 8 L 7, Z. 27-39. Das nachfolgende Zitat umfaßt die Zeilen 22-26. =
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geht, den Kaiser durch die Mahnung an die göttliche Herkunft seiner SteI lung zu einer Änderung oder zumindest einem Überdenken seines Verhal tens zu bewegen . Daß Ioannes V. in Anatolien dem Osmanensultan Murad I. Gefolgschaftsdienste leisten muß, ist in Kydones' Augen ein durchaus untragbarer Zustand, und so versucht er, in einem Brief auf den Kaiser einzuwirken, diesen Zustand zu beenden, indem er, durchaus vorsichtig und eher verkappt, die Richtung seiner Wünsche in folgendes Gebet klei det 1 3 l : EUXOflaL "[OLVUV "[4> "[TJv ai]v KEepaATJV Erti. "[ov ßaaLAE lov 8Qovov Ka8Laavn KlVELV flEV aOl TI]v tPUXTJv Erd "[TJv EÜQWlV "[(;:,V bEOV"[WV, "[ovov bE 7taQEXElV "[4> aWflan 7tQo<; imo7tA�Qwmv "[(;:,v EE,EUTJflEVWV . . - "Ich bete also zu dem, der dein HAUPT auf den kaiserlichen Thron erho ben hat, er möge deine Seele lenken, das, was zu tun ist, zu finden, deinem .
Körper aber auch die Spannkraft verleihen, das so Gefundene auszufiihren ... "
Ein zweites Mal erinnert Kydones den Kaiser an die ihm von Gott verlie hene Würde, um d ie Erfüllung eigener, aus seiner S icht nur zu gerechter und bescheidener Wünsche zu erlangen. Offenbar hat Ioannes V . Kydones nach seiner Entlassung aus dem staatlichen Dienst in seiner Abhängigkeit zu halten versucht und ihn verschiedentlich schikaniert, indem er ihm z.B. einmal die Erlaubnis verweigerte, nach Lesbos zu reisen, um den Schwa ger des Kaisers, Francesco Gatti lusio, zu besuchen 1 32 • Kydones kann die ses Verbot n icht nachvol lziehen und bittet den Kaiser - denn von ihm "hängt nach dem Willen Gottes unser ganzes Schicksal ab" - erneut um eine Reiseerlaubnis l 33 : Evmü8a aE Kat "[oü ax�fla"[o<; avaflvTJa8fJvaL ßouAOflaL, ßamA.Eü, Kat w<; 6 8EO<; E7tt "[OV "[OÜ VOflo8E'lOU aE 8Qovov EKa8laEv, YQcXtP0v "[a 7teXm "[(x bLKaLa. "An dieser Stelle möchte ich dich auch an deine Wür -
de erinnern, Kaiser! Gott hat dich auf den Thron des Gesetzgebers gesetzt, da mit du fiir alle bestimmen kannst, was recht ist."
Nur einmal scheint Kydones mit Ioannes' V. göttlichem Herrschaftsauf trag zufrieden zu sein, und zwar nach einem am Karfreitag des Jahres 131 132 m
T 1 06 = L 1 93, Z. 7-9; der Brief datiert nach Tinnefeid zur Stelle wohl aus den Jahren 1 3 73/74. Vgl. dazu TinnefeId, 1 98 1 , 20 1 , mit Anm. 35 und 36. Die ihm dann schließlich auch tatsächlich noch erteilt wird, vgl. T 1 1 7 L 1 38. T 1 09 L 1 1 7, voriges Zitat: Z. 68 f (f-laALUm bt uoü, Eie; öv ßouAE'raL BEOe; nx nav 'rwv Tif-lwv avf]KELv), nachfolgendes Zitat: Z. 45-47. Die "Appel lation an die Idee vom Kaiser als Gesetzgeber" (TinnefeId, 1 982, 556, Anm. 6) erhält hier einen mahnen den Unterton. =
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1 3 87 am Kaiserhof abgehaltenen theologischen Disput über d ie Frage, ob die Bitte Jesu am Kreuz, Gott möge den Juden ihre Sünde vergeben, in Erfüllung gegangen sei, und die der Kaiser selbst schließlich bejahend entschieden hatte. Das erfreute die Hofgesellschaft. EYW bE UVE7lVWUa, vOf.llum; OUK av 7l0TE '[('lv ßamAEa 7lEQL TOÜ mxv TWV ßam.Mw<; IcaL 7laQ ' ou ,(('l UK1)mQov dAf]cpE TOLaÜT ' u7locpi]vau Sat, d f.lT] KaL 7lQOTEQOV au'(('l<; EKElVOV ok ud 7lQt:XTTEL I:f]Aoüv 7laQ EUKEuauTo. - "Ich aber atmete auf, weil ich glaubte, niemals hätte der Kaiser
solches von dem Herrscher des A lls, dem er seine Herrschaft verdanke, sagen können, wenn er nicht zuvor durch sein ständiges Tun darauf vorbereitet ge wesen wäre, ihm nachzueifem.,, 1 3 4
Aber selbst d iese Stelle wird in dem an den Kaiser selbst gerichteten Brief funktional eingesetzt, um den Herrscher dazu aufzufordern, sich auch Kydones gegenüber in Zukunft als "Nachahmer Gottes" zu erweisen (aE 8wü flll.1TJ't:T]v ci:71obE L�EL, Z. 33), ihm solche Lappalien wie d ie Reise nach Lesbos zu verzeihen und ihn nach der Entfremdung nun gänzlich wieder in die frühere Vertrauensstellung am Hof einzusetzen. Das würde Kydones dem Kaiser dann auch lohnen und allen unablässig von seiner Tugend künden 1 35 . Ganz anders wird der Gedanke von Gott als dem Verleiher kaiserl icher Herrschaft in Briefen an Manuel I I . Palaiologos durchweg mit einer po sitiven Bewertung verbunden. Schon seit langem auserwählt, habe Manuel von Gott zusätzlich zu seiner Herrschaft auch die dazu passenden Fähig keiten erhalten, heißt es in dem bereits zitierten Brief, und Kydones ver spricht sich die besten Hoffnungen für die Zukunft, "weil wir von Gott einen solchen Herrscher erhalten haben'" 36. Wie hier hat Kydones auch in e inem weiteren, ebenfalls bereits angeführten Schreiben an den Kaiser vor allem dessen l iterarische Begabung im B lick, was ihn dazu veranlaßt, mit e inem Wortspiel dem "Göttlichen Wort" dafür Dank zu sagen, "daß es ei nen Mann, der in jeder H insicht das Wort zu gebrauchen weiß, zum Len ker der Staatsangelegenheiten bestellt habe . . ,, 137 So wunderbar es aus Kydones' Sicht ist, daß Manuel 11. dank göttl icher Fügung d ie Herrschaft .
1 34 T 333
= L 340, Z. 22-24. Ebd., Z. 32-35 . 136 T 4 3 6 L 445, Z. 2 6 : 'WLOÜ'WV EXOUUL 1ra:QU 8wü 1:0V nQou1:a'ITjv. 1 37 T 0 1 43 L 1 20, Z. 21 f: ... XaQLV flEV ofloAoyoüvu 1:4' A6ycp 8E4', avbQa Aoycp
IJ S
=
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'ltEQL nav1:a XQWflEVOV 'Wie; nQaYl1aULv Emu'riJuavu ...
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46
erhalten hatI 38 , so bedauerlich ist es auch, wenn gerade ein solcher Herr scher entgegen der ihm von Gott gegebenen Würde so Entwürdigendes auf sich nehmen muß wie den Dienst in der Gefolgschaft des Sultans Bayezid 1. 1 39, Nicht nur die Macht des Kaisers, sondern die Macht der Herrschenden überhaupt kommt von Gott, wie aus einer lobenden Bemerkung des Kydo nes über den Despoten Theodoros I . Palaiologos in Mistra hervorgeht l 40 , Nur einmal ist von der Macht (buval-.w;; ) des Kaisers die Rede, ohne daß ein Verweis auf deren göttliche Herkunft erfolgt, doch ist aufgrund der ganzen Beleglage klar, daß an dieser Stelle Selbstverständliches ungesagt bleibt l 4 1 , Wenn bisher allgemein von der Verleihung von "Herrschaft" die Rede war, so bleibt zu bemerken, daß in den genannten Kontexten von Kydones der allgemeine Begriff aQxTj oder die konkrete Amtsbezeich nung ßaau\da zwar verwendet, aber oft variiert werden l 4 2 , Gott über trägt "die Sorge rur das Ganze" (al. il7tEQ '[wv ö'\wv cpQov,[lbe<;)14 3 , das Zepter (aKij7I'[Qov)144, die entsprechende Würde (a�la)145, er erhebt den Kaiser auf den Thron (8Qovoe;)146, bestellt ihn zum "Lenker der Staatsan gelegenheiten" ('[oie; 7IQaYIlamv ema'[Tjaae;)147 oder zum "Vorsteher" 1 3 8 Vgl. T 427
=
L 430, Z. 7: ... öu: Kai atho<; nUQa emD '[uXIJ ayu8ij 1:0 m
1:Qov EbEf,w.
1 39 Vgl. T 435
= L 43 1 , Z. 3 1 f: ... Ö1:aV / YE /l�v 1:�V 7luQa emD UOl blbo/lEVTJV af,iav Ev8u/lTJ8w ... Hier wird u.a. deutlich, daß Kydones wohl unterschieden hat
1 40
zwischen dem erzwungenen Kriegsdienst ManueIs H. unter den Türken und der seiner Ansicht nach freiwilligen und deshalb schmählichen Gefolgschaft Ioannes V. unter Murad 1., vgl. dazu ebd. Z. 32-34 mit dem Kommentar von Tinnefeid, 2003, 238. T 232 = L 200, Z. 20 f: EXE'[E 1:OlyuQoDv rlYE/lOVU 7luQa emD bEb0I-'EVOV U/llV otov OUK äAAOl "Ihr habt also nun einen Staatslenker, euch von Gott gegeben, wie ihn andere nicht haben." Die Anwesenheit des Kaisers sorgt ftlr Angst vor seiner Macht, seine Abwesenheit aber läßt den Mutwillen hochkommen: T 68 L 1 29, Z. 22-25. Auch die Verleihung der Krone durch Ioannes V. an Manuel H . , wie sie in T 3 3 1 L 346, Z. 6 f beschrieben wird, ist kein Gegenbeispiel; freilich ist es dort der Kaiser und nicht Gott, der seinen Sohn zum Despoten ernennt, aber er tut dies in seiner Funktion als Gottes Stellvertreter auf Erden und gewährt damit Manuel H. Anteil an der Machtftllle, die er selbst von Gott erhalten hat, was nicht eigens gesagt werden muß. Verwendung von aQX�: T 7 L 6, Z. 1 1 ; von ßumAEia: T 7 = L 6, Z. 16; T 8 L 7, Z. 24 f; T 436 L 445, Z. 23. T 7 L 6, Z. 5 f. T 8 L 7, Z. 26; T 333 = L 340, Z. 23; T 427 L 430, Z. 7. T 435 L 43 1 , Z. 32. T 1 06 L 1 93 , Z. 7; T \ 09 L 1 1 7, Z. 46 f. T 0 1 43 = L 1 20, Z. 22. -
14 1
=
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142 1 43
1 44 1 45 1 46 1 47
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(nQOU'rli'rll e;) 1 4 8 oder schmückt den Kaiser "mit äußeren Zeichen" ('toLe; E�W uUflßoAOLe; f:KOUflllUE) 1 4 9 . Auffallig ist, daß an keiner einzigen Stelle das Amt oder dessen Insignien als "heilig" bezeichnet werden; auch findet sich nirgends ein kausaler Zusammenhang der Art, daß aufgrund der Verleihung herrschaftlicher Macht durch Gott der Kaiser als heilig anzusehen sei. e) Gottesnähe des Herrschers - der Herrscher als Stellvertreter Gottes Gott, König und Vaterland - d iese Trias begegnet zwar bei Kydones so nichtl 50 , durchaus aber floskelhafte Wendungen, die Gott und den Kaiser in einem Atemzug nennen und beide gleichsam zu einer Zweiheit ver schmelzen, freilich keiner gleichberechtigten, sondern einer hierarchisch abgestuften. Kaiser Manuel 11. ist flE'[(x YE 'tov SEOV - "nächst Gott" Lehrmeister ftir alles Gute und Schöne l 5 1 ; seiner Tatkraft vertrauen alle "nächst Gott" ihr gesamtes Schicksal an 1 5 2 ; er allein kann "nächst Gott" dem Vaterland Rettung bringen 1 53 ; in Gefahr sucht auch Kydones per sönlich in ihm den, der "nächst Gott" daraus erretten kann 1 54 . Von "Gott und dem Kaiser" wünscht sich Kydones die Gewährung einer Audienz l 55 oder Unterstützung fur einen Dominikanermönch l 56 , Gott und der bezieh ungsweise die Kaiser sollen d ie Feinde des Reiches bestrafen l 5 7 oder in Schach halten i 5 8 . Aufgrund des Umstandes, daß d iese kurzen Wendungen 148
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ISI I S2 ISJ
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ISS I S6 IS7 I S8
T 436 = L 445, Z. 26; wahrscheinlich ist es kein Zufall, daß im Unterschied dazu in Bezug auf den Despoten Theodoros I. Palaiologos der Begriff �yq.lWV flillt (T 232 = L 200, Z. 20). T 8 = L 7, Z. 22 f. Vgl. den letzten Vers in der ersten Strophe des v.a. im Krieg von 1 87017 1 populär gewordenen Liedes von Heinrich Clauren ( 1 77 1 - 1 845): "Mit Gott filr König und rur Vaterland!", und die von 1 978 (!) aus Frankreich stammende Ä ußerung des Marquis de la Franquerie, "que, pour un Franrrais, I ' amour de Dieu, de la France et du Roi doit etre un seul et meme amour indissociable" (Le caractere sacre et divin de la royaute en France, Vouille 1 978, 7), zitiert und kommentiert bei Erkens, 2002, 3 f. T 200 L 2 1 2, Z. 76. T 268 L 282, Z. I 0 f. T 386 = L 4 1 O, Z. 1 3 f. T 433 L 432, Z. 1 05 f. T 353 L 370, Z. 9: rcaQa 8wü Kai ßaaIAtw<;; . T 230 L 266, Z. 1 7 f. In beiden Fällen handelt es sich um Ioannes V. Palaiologos. T 242 L 259, Z. 22, bezogen auf Manuel H . Palaiologos. T 383 L 396, Z. 36 f, gemeint sind Ioannes V. und Manuel H. TinnefeId, 2003, 1 1 1 , bemerkt zu Recht, daß man aus der pluralischen Anrede nicht mit Notwendigkeit auf = =
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in der Regel woh l eher unreflektiert eingesetzt werden und jedenfalls kei ner außerordentlichen stilistischen Sorgfalt bedürfen, zeigen gerade sie mit am besten, daß die Vorstellung vom Kaiser als Stellvertreter Gottes auf Erden i m Denken des Verfassers fest verankert ist l 5 9 • Breiter fUhrt Kydones diesen Gedanken bezeichnenderweise mit Bezug auf Ioannes V. Palaiologos aus, und wiederum ausgerechnet in einer Situation, in der er den Kaiser zur Erftillung einer Bitte bewegen will. Es geht um die freund liche Aufnahme und Unterstützung einer Gruppe von Dominikanermän ehen, die Kydones vom Kaiser zu erlangen sucht, und er schreibt l 60 : aMo� �EV ouv 'tou� Ei� 'to �EMov �lo8ou� Kat. 'tou� EKa'tovm1lAa O[OU� 8TjoauQou� EVVOWV EioEVEYKEIV av n 1lElo8dTj 't01� 1lEVTjUl 'tOU'tOl�. OE bE ßaUl"\ED ath6 'tE 'toD'tO KlVd'tw Kat. 't0 1laQit emD 'tol� XQ�l;:OUUlV av'tt. emD Ka'taoHxv'ta avaYKalov vo�[l;:ElV E1lw8at 't� 8E� 1lQovo�, Kat. WV athi] K�bE'tat �TjbE oaU'tov vo�[l;:ElV a1lo"\l� m:lvw8at bEiv, aMit 1lQo� 'to b01 diesem auch der bewegen, daß du von Gott als sein SteH vertreter eingesetzt wur dest und es deshalb fur notwendig halten soHtest, der göttlichen VORSEHUNG zu folgen und die, ftlr die sie selbst sorgt, nicht im Stich zu lassen, sondern in deiner Gesinnung m it ihr solidarisch zu erscheinen."
I S9
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die Anwesenheit ManueIs (an den der Brief gerichtet ist) bei seinem Vater schließen könne und folgert daraus, die Anrede sei "allgemein zu verstehen". M.E. ist der kon krete Bezug auf die beiden genannten Kaiser durchaus auch dann denkbar, wenn der Brief nur an Manuel 11. gerichtet ist; jeder der bei den Kaiser soll in seinem Wirkungs bereich tätig sein. Zum - anfänglich nicht unproblematischen - Verschmelzungsprozeß der antiken Kai serideologie mit dem Stellvertretergedanken, der ja eine Statusminderung des divini sierten Herrschers impliziert, s. Dagron, 1 996, 4 1 . In christlichen Fürstenspiegeln ist die Darstellung des Herrschers als Stellvertreter Gottes bzw. Christi, leicht anders nu anciert auch als imago Dei, ein geläufiger Topos, vgl. Berges, 1 938, 25; Blum, 1 98 1 , 9 . Die stellvertretende Ausübung des kaiserlichen Amtes kommt i n Byzanz sinnenfäl lig in der Zeremonie des "leeren Thrones" zum Ausdruck, den der Kaiser an Sonn- und Festtagen aus Ehrerbietung filr den König der Könige Christus frei läßt, vgl. dazu Treitinger, 1 956, 32 f. Vgl. auch Hunger, 1 989, 28: "Belege filr die nunmehr festge wordene Anschauung der Byzantiner von der ' Herrschaft aus Gott' lassen sich aus der rhetorischen Literatur . . . , aber auch aus den Gesetzeswerken und Urkunden hundert fach anfilhren. ' Unsere von Gott stammende Majestät' findet sich als stehende Formel in den Kaiserurkunden." T 04 1 1 L 399, Z. 20-25 (Einfilgung in eckigen Klammem durch den Verfasser). Tinnefeid, 2003, 1 74 f, liefert eine ausfilhrliche Argumentation dafilr, daß es sich bei dem Adressaten des Briefes um Ioannes V. Palaiologos handelt. =
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Das Lancieren des Stellvertretergedankens dient nicht dazu, die Heiligkeit des Herrschers zu begründen oder hervorzuheben, sondern impliziert un ausgesprochen die Befürchtung, der Kaiser könnte den Anforderungen seiner Stellung nicht entsprechen, und läuft damit fast auf das Gegenteil, nämlich eine Mahnung h inaus, die den Kaiser verpflichten will, gemäß der ihm von Gott übertragenen Verantwortung fUr das Wohl der Unterta nen und B ittstel ler auch zu handeln. Wenn Kydones an anderer Stelle Ioannes V. auffordert, sich doch auch um geringfUgige Angelegenheiten zu kümmern, und darauf hinweist, der Kaiser werde damit den "Kaiser des Alls nachahmen", der bei aller Sorge für das Bedeutendste sich trotz dem auch um das Wohlergehen der Geringsten kümmere, so geht dieser Passus in genau dieselbe Richtung l 6 1 . Daß gerade i n der Höhe der kaiserlichen Stel lung ein Angriffspunkt fUr Kritik l iegen kann, zeigt sich ebenfalls in einem Brief vom Beginn der 1 3 80er Jahre an einen gewissen Chloros l 62 , seines Zeichens Fiskalbeamter und mit der Eintreibung von Steuern betraut. Kydones äußert ihm gegen über unverhohlene Kritik an den seiner Ansicht nach zu harten Steu ermaßnahmen l 63 . Das Geschrei und die Tränen der Bauern führten zwar vielleicht nicht dazu, daß der eigene Senat menschlichere Beschlüsse über sie fassen werde, doch den himmlischen Senat Kat 'tGV EKEL ßaatAEa Kai. 'tTJv mh4J auvE71o l1EVllV ud blKllV - "und den dortigen Kaiser und seine unzertrennliche Begleiterin Dike" rührten sie gewiß I64 • Damit zieht Kydones einen direkten Vergleich zwischen Himmelsstaat und Welt staat l 6S , zwischen dem "dortigen" Kaiser und dem auf Erden, läßt aber zugleich Kritik am ird ischen Kaiser durchhören, der zwar d ie Repressalien gegen d ie Bauern - zumindest nach der brieflichen Darstel lung - nicht di rekt zu verantworten hat - denn für das brutale Vorgehen sei in erster Li nie ein Vorgesetzter des Chloros verantwortlich -, der aber als oberster Herrscher natürl ich doch der Letztverantwortliche bleibt l 66 . Sowohl die 161
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T 1 05
L 1 47, Z. 24-26, v.a. Z. 24 ('(ov 7tlxv'(wv ßaatMa I1LI1�)' Im Gegensatz zum ßaav\Eu<; auf Erden ist Gott 7lav'(wv ßaav\EU<;. T 0263 L 257. Offenkundig hatte Kydones zu diesem Zeitpunkt keinen großen Einfluß mehr auf die Steuerpolitik, vgl. Tinnefeid, 1 999, 1 07 (mit Verweis auf Loenertz). T 0263 L 257, Z. 9 f. Ein in Byzanz durchaus gängiger Vergleich, vgl. Treitinger, 1 956, 45 f, und ausfilhr lieh Maguire, 1 997. Die Vorstellung einer Entsprechung und parallelen Existenz des himmlischen und des irdischen "Staates" ist bereits filr den Alten Orient nachweisbar, vgl. dazu Wilcke, 2002, 65 f. Zur indirekten Kaiserkritik in der historiographischen Tradition, die einen Umweg tiber die Kritik an kaiserlichen Beamten nimmt, vgl. auch Tinnefeid, 1 97 1 , 1 83. =
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Darstel lung der Sachlage als auch der auffälligerweise ungenannt blei bende Vorgesetzte des Chloros l 67 mögen Kydones als Schutz gedient ha ben, um n icht allzu deutlich den Eindruck zu erwecken, daß hier der Kai ser selbst im Visier seiner Kritik steht l 68 . Im übrigen zeichnet sich der ganze Brief durch eine weitgehende Unbestimmtheit in der Nennung von Personen aus. Anfänglich spricht Kydones von "den Verursachern des Jammers" und von "den Verantwortlichen", also im Plural; erst gegen Ende des Briefes geht es plötzlich im Singular um "den, der für d ieses verantwortlich ist", um den aQXL'n�K'rwv 'rOlhwv I 69 • Dieser solle nicht meinen, dem - ebenfalls nicht namentlich genannten - Kai ser l 70 mit seinem Tun einen Dienst zu erweisen. In diesem Zusammen hang ist ein zweites Mal vom Himmelsstaat die Rede: Chloros solle den für d ie Steuermaßnahmen Verantwortlichen daran erinnern, daß es auch noch einen anderen Kaiser gebe, dem an den Armen sehr gelegen sei und der ihre Bedrücker unerbittlich strafen werde l 7 l . Ein Vergleich zwischen dem Handeln des irdischen Kaisers und dem des himmlischen, des dMoc; ßaalAtuc;, drängt sich hier auf, aber gerade dadurch wird auch die Dis krepanz zwischen bei den offenkundig, denn der Kaiser des Himmels achtet auf das an den armen Bauern begangene Unrecht, während der irdi sche Kaiser sich anscheinend wenig darum kümmert. Die Parallelisierung von himmlischem und ird ischem Kaiser erhält eine Doppelfunktion, die den Kaiser paradoxerweise sowohl erhöht als auch erniedrigt: Er ist vica rius Dei - aber er handelt nicht danach.
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TinnefeId, 1 999, 1 08, vermutet in ihm den "Chef der Finanzbehörde in Konstantino pel". Es ist wohl kein Zufall, daß etwa zeitgleich ein wahrscheinlich von Nikolaos Kabasilas Chamalltos verfaßter, fragmentarisch erhaltener Appell an die Behörden zur Verteidi gun� der sozial Schwachen gegen Habsucht und Ungerechtigkeit überliefert ist (ediert bei Sev�enko, 1 960, 1 96-20 1 , vgl. dazu Matschkel TinnefeId, 200 1 , 347 f und 356). Kabasilas und Kydones sind Zeitgenossen; beide sind etwa um das Jahr 1 324 geboren. Bei Kabasilas wird der Kaiser selbst noch deutlicher als bei Kydones in Schutz genom men und das Unrecht vor allem den ausftlhrenden Beamten angelastet ( �ev�enko, 1 960, 1 98, Z. 48-54). T 0263 = L 257, Z. 12 f, Z. 1 6 und Z. 29. Nach Tinnefeid, 1 999, 1 08, "zweifellos Ioannes V.". T 0263 = L 257, Z. 3 1 -33.
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t) Der Herrscher als Nachahmer Gottes Stellvertreter- und Mimesisgedanke gehören eng zusammen: Wer Gott auf Erden vertritt und in seinem Namen Macht über andere Menschen ausübt, der sollte i n seinem Handeln zumindest versuchen, den Herrscher des Himmels nachzuahmen 1 72 • Daß d ies n icht immer glückt, haben die ent sprechenden Passagen in den Briefen an Ioannes V. Palaiologos gezeigt. Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele. Ohne einen mahnenden Unterton bemerkt Kydones Manuel 11. gegenüber, es stehe einem Kaiser vor allem an, auf Gott zu schauen 1 73 • Nach Kydones' Urteil müht sich Manuel sogar eifrig darum, Gott durch seine Taten zu gewinnen und ihn "im Verhältnis zu seinen Untertanen nachzuahmen" I 74 . An Matthaios Kantakuzenos, als ältester Sohn zeitweise Mitkaiser unter seinem Vater Ioannes VI. Kanta kuzenos, lobt Kydones d ie Güte, die man ja auch bei Gott vor allem anderen bewundere und d ie der Kaisersohn sich zum Vorbild genommen habe 1 7 5 Am weitesten treibt Kydones die Vorstellung vom Kaiser als Nachahmer und Abbild Gottes in einem der frühesten Briefe an Ioannes VI. Kantakuzenos l 76 : •
End Kai 'rov E>EOV noMaxo8EV E�OV ovofla{,;ELV, aya80v aiQouflE8a fläAAov, Kai. mumv n EQaL'rEQW flTjbev dvai cj>TjaLV � cj>Li\oaocj>ia. bEL Aoü 'roivvv ayav vOfli�w 'rov OÜ'rw<;; aya80v bEboudvaL, Kai flMLa'r' ElJVOla<;; Eni müm KLVOUOT]<;; . - "Mag man auch Gott vielerlei Namen 1 72 Vgl. die bereits oben zitierten Stellen T 333
= L 340, Z. 33 (UE: Gwü f.ll flT]TI]V imobdI;H); T 1 05 = L 1 47, Z. 24 ('rov mhl1:wv ßUUv\EU fllflij). Zur Forderung nach der menschenmöglichen Angleichung des Kaisers an Jesus (ofloLwUle; 8ECiJ) und nach der Nachahmung Gottes (flLfllluLc; mü 8wü) vgl. Hunger, 1 989, 30 f. Der Ge
l 7J 1 74
1 7S 1 76
dankenkomplex ist rur Byzanz schlechthin zentral, vgl. Hunger, 1 989, 82: "Ob man vom Zeremoniell, von verfassungsrechtlichen Elementen, von den kaiserlichen Reser vaten, von der höfischen Rhetorik oder von der kaiserlichen Gesetzgebung ausgeht, stets bietet sich das byzantinische Kaisertum als eine Institution dar, die in der Aus richtung auf Gott, in der Nachahmung seiner Eigenschaften und in seiner Stellvertre tung gegenUber den Menschen ihre unerschUtterliche Grundlage und ihren schier uner schöpflichen Lebensquell hat." T 0 1 96 = L 1 92, Z. 58. T 248 = L 279, Z. 27-29, v.a. 27 f: " . cfJ TrQoe; MvufllV fV mie; TrQOC;; '[oue; UTrll KOOUe; EI;oflOlOÜu8at <jJv\OVHKEl. Das griechische EI;oflOlOÜu8at ist noch eine Nuance stärker als "nachahmen", nämlich "ähnlich werden", ein durchaus sakral Uber höhendes Wort, wenn man die Wirkungsgeschichte der Diskussion um das 0flOOlJ UlOe; auf dem Konzil von N izäa berUcksichtigt. T 23 1 = L 24 I , Z. 5 - 1 1 . T 3 = L 1 1 (ca. Wintert FrUhjahr 1 34 1 /42), Z. 20-23.
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geben, so wollen wir ihn doch am ehesten gut nennen, und die Philosophie sagt, es gebe darüber hinaus nichts mehr. So glaube ich denn, es wäre über triebene Ängstlichkeit, einen, der so gut ist, zu filrchten, zumal, da Zuneigung mich zum Schreiben treibt."
Da der Kaiser so gut sei wie Gott, wäre es übertrieben, sich aus zu großer Ehrfurcht n icht an ihn zu wenden. Hier wird der Kaiser nicht nur als Stell vertreter Gottes geschildert, sondern in seinem Wesen mit Gott selbst verglichen, ja fast Gott gleichgesetzt. Allerdings geschieht dies in e iner recht gewundenen Sprache, deren Klarheit durch den unmarkierten Wech sel des Objektbezugs - im ersten Satz Gott, im zweiten der Kaiser - zu sätzlich verschleiert wird, woraus die Bemühung des aufstrebenden jun gen Kydones kenntlich wird, das Kaiserlob nicht zu einer allzu platten Schmeichelei geraten zu lassen. g) Christliches in der Kaiserideologie? Nimmt man zusammenfassend die Passagen in den Blick, d ie eine beson ders enge Verbindung zwischen dem Kaiser und Gott zum Ausdruck brin gen, so stellt sich bei näherem Zusehen heraus, daß ihnen allen etwas fehlt. Wie bei der noch anstehenden Untersuchung religiöser Tugenden in der Kaiserdarstellung gleichfalls zu beobachten sein wird, sind dies ein deutige Bezüge auf spezifisch christliches Gedankengut. Wenn Kydones sich im Gebet an den "Erlöser" wendet, dem Kaiser doch den Sieg oder Gesundheit zu verleihen1 77 , so ist dies natürlich ein Bezug auf den aW'TTJQ Jesus Christus, doch allenfalls ein sehr vager und allgemein gehaltener, berücksichtigt man zusätzlich noch den Umstand, daß aW'TEQ bereits seit dem Hellenismus eine geläufige Anrede an den Kaiser darstellte l 7 8 und von Kydones auch den Kaisern gegenüber eingesetzt wird 1 79 . Und zur überdies singulären - Verwendung des oben zitierten Ausdrucks "Gött l iches Wort" hat ihn offensichtlich vorrangig d ie Freude an rhetorischer
1 77
Den Sieg: T 235
L 244, Z. 33 (s. dazu oben); Gesundheit: T 283 L 27 1 , Z. 29. Uc1rrE Q entstammt dem Arsenal der hellen i stisch-römisch-byzantinischen Herrscheridee." Zur Begriffsgeschichte v.a. bis zum Hellenismus und im frühen Christentum (dort wird er erst verhältnismäßig spät auf gegriffen) vgl. Zimmermann, 200 1 , DNP 1 1 , 752 f. 1 79 T 8 = L 7, Z. 65; T 1 4 L 1 0, Z. 23 (gegenüber Ioannes VI. Kantakuzenos); T 0 1 96 L 1 92, Z. 55 (gegenüber Manuel 1 1 . Palaiologos). =
1 78 Vgl. Tinnefeid, 1 99 1 , 1 26: "Die Anrede
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53
Gestaltung und die Lust am Erzeugen eines Wortsroieles gebracht, nicht innerliches Erfülltsein von johanneischer Theologie l o • Ein Aspekt der Konzeption vom Herrscher als Stellvertreter und Nach ahmer Gottes wurde allerdings bislang noch nicht angesprochen, und das ist das Verhalten des Kaisers den Bittstellern, Armen und Notleidenden gegenüber. Die Unterstützung der Armen und Bedürftigen durch den Kai ser spielte in Byzanz e ine wichtige Rol le l 81 • Wenn, dann wären hier An spielungen auf Christliches am ehesten zu erwarten wie etwa ein Hinweis auf das Gebot der Nächstenliebe oder auf die Weisung Jesu, den Gering sten beizustehen, da j eder, der so handelt, ihn selbst unterstützt l 82 • Ein einziges Mal ( ! ) ist dies auch der Fall . Es handelt sich um das schon ange führte Empfehlungsschreiben für mehrere Dominikanermönche, mit dem sich Kydones an Kaiser Ioannes V. Palaiologos wendet und ihn unter Vor haltung seines göttlichen Auftrags dazu auffordert, für d iese Armen zu sorgen. Neben der Aussicht auf h immlischen Lohn verpflichte ihn seine hohe Stellung dazu, und schl ießlich werde ihm dafür sicher auch von den Beschenkten selber Dank zutei l l 83 ; Ei ÖE öEi Kai uE nva 7IaQ ' atJ-rwv '[wv E i<; atJ-rou<; U7IllQY/_tf.VWV avn AaßeLv aJ.lOlß�v, 7IQw'[ov J.lEV EE,n<; cxlm)v E7Ii '[oü 7IavÖ�J.l0u 8 ea '[Qou, ö'[av ue XQlU'[O<; '[oü ila'[Qo<; euAoYll J.lEvoV KaA� Kai '[Ti<; E i<; '[ou<; EAaXLU'rou<; '[wv aöeA<j>wv XaQl'[O<; '[�v EV oUQavoL<; ßcxaLAdav avnÖlÖw. "Wenn es aber angebracht ist, daß du nun auch von ihnen für d ie -
ihnen erwiesenen Wohltaten eine Gabe des Dankes empfängst, so wirst du sie erstens bei dem öffentlichen Schauspiel empfangen, wenn Christus dich als den Gesegneten seines Vaters ruft und dir filr dein Erbarmen mit den Ge ringsten deiner BrUder als Gegengabe das H immelreich verleiht."
Zweitens würden die Mönche fur ihn und den Erhalt seiner Herrschaft be ten. Die Anspielungen und wörtlichen Bezüge auf die Gerichtsperikope innerhalb der jesuanischen Endzeitrede des Matthäusevangel iums sind nicht zu übersehen l 84 , doch bleibt d ies ein Ausnahmefall . 180
181 182 183
T 0 1 43
=
L 1 20, Z. 2 1 . Vgl. die obigen AusfiJhrungen. Zum Aoyoe;; BEOe;; vgl. loh 1 , 1
(Kai BE6c;; f]v 6 Aoyoe;;) . S. dazu Treitinger, 1 956, 229 f. Vgl. etwa Mt 22,37-40 und 25,3 1 -46. T 04 1 1 L �99, Z. 29-3 3 . Zum Gedanken an eine himmlische Entlohnung fiJr einen Kaiser, der gut und gerecht geherrscht hat, vgl. auch Treitinger, 1 956, 1 55 - 1 57. Vgl. Mt 25,34 (bEl}'[E oi ElJAOYTH..lEVOL '[oü 7ta1:Qoe;; /lou, KAllQoVo/lr'jua'[E n'jv T]1:OL/lau/lEvllv U/llV ßamAEiav) und Mt 25,40 (a/ltlv AEyw U/llV, Ecj>' ÖUOV =
184
E7tOLr'jua'[E Evi '[OIJTWV '[wv abEAcj>wv /lou 1:WV EAaXLU1:WV, E/loi E7tOLr'jua1:E).
54
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones Die Passage stellt den Interpreten vor besondere Schwierigkeiten. Den him mlischen Lohn hat Kydones bereits angesprochen; ganz offensichtlich setzt mit Zeile 29 ein neuer Gedanke ein, der sich auf den irdischen Lohn beziehen müßte. Wenn der Kaiser nun auch von den Mönchen selbst
(TlaQ ' alrrwv)
Dank erwarte, so würde ihm dieser bei einem "öffentlichen Schauspiel" zuteil, doch eben dieses ist nach den deutlichen Bezügen auf Matthäus zu schließen das Jüngste Gericht, bezieht sich also wiederum auf die himmlische Entloh nung. Das wäre eine wenig stringente Verdoppelung eines bereits geäußerten Gedankens; außerdem wäre nicht recht verständlich, in welcher Hinsicht die ser Lohn, der ja in der Verleihung des Himmelreiches durch Christus besteht,
TlaQ ' au'twv,
von den Mönchen kommen soll . Wozu schließlich die filr den
Vergleich nicht notwendige, auffiiIl ige Charakterisierung des
8ea'tQov
durch
das Adjektiv Tllxvbllf-l0C;? Dazu kommt die Beobachtung Tinnefelds l 8 s: "Der Vergleich des Jüngsten Gerichtes mit einem öffentlichen Schauspiel ist be merkenswert." Sollte die Lösung darin bestehen, daß die vorliegende Passage sich nicht auf das Jüngste Gericht, sondern auf die Aufführung eines Geist lichen Spieles über das Jüngste Gericht bezieht, in dem auf Veranlassung der Mönche der Wohltaten des Kaisers öffentlich gedacht wird? Es ist nicht un denkbar, daß die im Westen seit dem 1 2 . Jahrhundert so florierenden und in ihrem Themenrepertoire immer weiter ausgreifenden Geistlichen Spiele 1 86 ebenfalls nach Byzanz gelangt sind (vielleicht gerade durch den Dominika nerorden?), auch wenn Angehörige der östlichen Konzilsdelegation die Auf filhrungspraxi s solcher Spiele im Westen immer noch als etwas betrachteten, was erstaunlich und deshalb als besonders berichtenswert erschien 1 87 . Geist liche Spiele mit eschatologischen Themen sind ftlr den Westen jedenfalls gut bezeugt; die weithin fehlende Individualisierung der handelnden Personen, unter ihnen an prominenter Stelle auch der Kaiserl 88, kann ihre Übertragbar keit zusätzlich begünstigt haben. Hier weiter ins Detail zu gehen, würde über die Fragestellung der vorliegenden Arbeit hinausfUhren. In jedem Fall kann die Wendung
TlaQ' au'twv
im Text nicht auf eine direkte Ursächlichkeit, son
dern nur auf eine indirekte Veranlassung von seiten der Mönche deuten, denn sie können nach Kydones' Schilderung weder am Jüngsten Gericht den Kaiser entlohnen (das tut Christus) noch selbst direkt eine Auffiihrung über. das Jüngste Gericht leiten. Diese Deutung scheitert an der Fortftlhrung des Briefes durch Em:l'ta Kat OUWl "zweitens werden
UTloubCWOUaLV OUK axaQlU'tOl UOl epavfival auch sie selbst bemüht sein, dir nicht undankbar zu
-
18 5 TinnefeId, 2003, 1 76, Anm. 4. 186 Vgl. dazu Bernt, 1 989, LMA 4, 1 1 92 f; Traub, 1 995, LThK 4, 399 f. 1 87 1 439 anläßlich der Aufführung solcher Spiele (Annuntiatio Mariae und Ascensio Do
mini) in Florenz, Uberliefert in den Sacrae Repraesentationes Florentinae Actae, s. Krajcar, 1 976, 1 1 2- 1 24. Vgl. auch Ciseri, 1 994, 452-455, Danilova, 1 980, und Zorzi, 1 977 (v.a. 7 1 -75 und 1 53- 1 60). Diese Hinweise verdanke ich Sebastian Kolditz. 1 88 Vgl. Langosch, 1 957, 249 f.
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones erscheinen . . . " (indem sie fasser) 1 89.
rur
55
den Kaiser beten; Kursivierung durch den Ver
Die übrigen Stellen wirken blaß und allgemein: Gott habe dem Kaiser den Auftrag gegeben, sich um die Armen "wie um alles andere Gute zu sor gen,, 1 90 ; bei seiner Ankunft in Thessalonike werde der Kaiser den "Ruf der Armen" in der Stadt hören 1 9 1 ; wie Gott solle es auch der Kaiser nicht ver schmähen, sich um das Wohlergehen selbst der Geringsten zu küm mern 192 • Die beiden vorhergehenden Belege beziehen sich auf die sozial Armen (7IEVrrr et;), während dieser letzte, oben bereits angeführte Beleg Bittsteller überhaupt bezeichnet, zu denen sich in leicht übertriebener Selbstbescheidenheit Kydones selbst zählt. Somit bleibt der bemerkenswerte Befund, daß gerade in der Rede vom Verhältnis zwischen Gott und Kaiser kaum christliche Töne zu vernehmen sind. Man ist versucht, bei Kydones von dem Gebrauch eines allgemein phi losophischen Gottesbegriffs zu sprechen, was nicht zuletzt auf die Schulung seines Denkens an der antiken, aber auch an der neuplatoni schen und scholastischen Philosophie und Terminologie zurückzuführen sein dürfte. Mehrere Elemente können mitunter auch ineinanderfließen und einen recht heterogenen Flickenteppich verschiedenster Geistesströ mungen entstehen lassen, wie der folgende Abschnitt aus einem frühen Brief an Ioannes VI. Kantakuzenos zeigt, der in der Kategorie von Stellen mit biblisch-christlichen Anspielungen als letztes Beispiel angeführt wer den soll und wie kaum ein anderer Text bei Kydones zugleich e ine solche unauflösbare Mischung aus "christlichen" und "pagan-phi losophischen" Elementen darstel lt l93 : "Das Wirken der Liebe also, die deine Seele beherrscht, ist nicht noch auf zu sätzliche Antriebskräfte angewiesen, sondern sobald siel94 nur ein wenig von 189 Zu den eher spärlichen und recht disparaten Belegen tUr eine "Theater"-Tradition in
1 90 1 91 1 92 1 93 194
Byzanz s. Puchner, 1 990. Immerhin läßt nach Puchners Meinung die belegbare Ver breitung westlicher spätmittelalterlicher Höllenrachenszenen "auf einen allgemeinen Gebrauch auch in byzantinischer Zeit schließen" (ebd. 1 6). T 57 L 32, Z. 28-30; nach Tinnefeid, 1 982, 350, eine "erstaunlich naive Übernahme des €U€QYE'IT]C;-Motivs der Kaiseridee". T 6 1 L 94, Z. 29 f. Bemerkenswert ist die "Aufgabenteilung" am Schluß dieses Brie fes: wenn Gott den Hochmut der Barbaren zerschlagen habe, dann werde der Kaiser nach Thessalonike kommen und den Ruf der Armen hören. T 1 05 L 1 47, Z. 24-26. T 4 L 1 6, Z. 30-43 (AprIlI Mai 1 342). Zur Vermischung heidnischer und christlicher Elemente in der byzantinischen Kaiserideologie s. auch Treitinger, 1 956, 1 20- 123. "Sie", d.h. die Seele, in der die Liebe wirkt; im folgenden fließen die Aspekte "Liebe" und "Seele" ineinander ("sie" der liebende Seelenteil). =
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S6
I V . Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones dem hört oder sieht, was ihr gemäß ist, lodert sofort ihre Flamme 1 95 empor und setzt alles in Brand l96 • Und zuerst steigt sie empor zum Himmel und ruht sich aus bei den Schauungen, die ihr dort zuteil werdenI97 , noch mehr aber will sie das Gute selbst sehenl98 , von dem sie auch ausgegangen ise99, und zieht diese sterbliche Welt zum unsterblichen Vater200• Sie versöhnt, verbindet und fUgt zusammen20I ; sie gibt den Liebenden den Mut, sich mit Paulus zu rühmen, nichts könne sie von Christus trennen202• Wenn sie aber die Wonne dort genossen und sich genügend an jener Seligkeit gesättigt hat, steigt sie menschenfreundl ich zum Nächsten hinab203 • Zuerst erfleht sie dann allen im Gebet, was über menschliches Sehen und Hören hinausgeht und alles Sinnen des Herzens h inter sich läßeo4 • Soll der Liebende aber auch noch äußere Ga ben hinzufilgen, womit würde er geizen, der er doch sogar bereit wäre, sein Leben fUr die Freunde hinzugeben205 , aber nicht nur fUr sie: trägt er doch bis zu den äußersten Erdenbewohnem seinen liebenden Eifer und will fUr sie das selbe wie filr sich selbst erwirken206 ."
Sowohl in der Dichte seiner intertextuellen Bezüge 207 als auch in der Überhöhung der kaiserlichen Seele, die aufgrund ihrer hervorragenden Beschaffenheit dazu befähigt ist, sich zu Gott zu erheben und von dort wie 1 95 Nach Tinnefeid, 1 98 1 , 1 04, Anm . 1 2, spielt das Bild von der Flamme .. in der Sprache
Symeons des Neuen Theologen eine große Rolle"; überdies verweist er auf die Ein flüsse neuplatonischer Lehren auf den vorliegenden Abschnitt. 1 96 Anlehnung an platonische Gedankengänge aus dem Phaidros; allerdings wird der ..pla tonische" €QWC; durch die ..christliche" aycol:rl ersetzt. 1 97 Vgl. Plat. Phaidr. 247a. Zum Aufstieg der Seele vgl. etwa auch Plotin 1 , 1 9; 5,3. Zu solchen neuplatonischen Gedankengängen in der byzantinischen Kaiserideologie vgl. auch Treitinger, 1 956, 39 f. 1 98 Vgl. Plat. rep. 5 1 7b-c. 1 99 Vgl. Plotin 1 ,39. 200 Anlehnung an johanneisches Gedankengut, vgl. etwa Joh 6,44. 201 Vgl. den Preis der positiven Eigenschaften der Liebe bei Paulus, I Kor 1 3,7. Daß Ky dones sich im Gegensatz zu dem weiten Spektrum bei Paulus v.a. auf die verbindende und versöhnende Kraft der Liebe konzentriert, steht sicherlich im Zusammenhang mit der von ihm an Ioannes VI. immer wieder gerühmten Eigenschaft der Feindesliebe, mit welcher der Kaiser besonders den politischen Gegnern im eigenen Reich entgegenkam; zur Feindesliebe des Kaisers vgl. Tinnefeid, 1 98 1 , 96 mit Anm. 33. 202 Vgl. Röm 8,38 f. 203 Vermischung von Plat. Phaidr. 247e mit Mt 22,39 und Tit 3,4. 204 Die christliche Vorstellung vom Fürbittgebet; durch die klaren Bezüge auf Platon im Kontext ist es schwer zu entscheiden, ob verbunden mit dem platonischen Gedanken der Schau des Guten und Wahren, die über menschliches Vermögen eigentlich hinaus geht (vgl. Plat. Phaidr. 247c-d), oder mit dem von Paulus in I Kor 2,9 zitierten Jesaja vers (64,3). 205 Zitat von Joh 1 5, 1 3 . 206 Vgl. den Missionsauftrag am Ende des Matthäusevangeliums (28, 1 9). 207 Im einzelnen ließen sich sicherlich noch weitere auffinden.
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
57
Christus als Heilbringer fUr die Bewohner der ganzen Erde wieder hinab zusteigen und sich fUr die Menschen einzusetzen, steht dieser Passus ein zigartig da, fUgt sich aber in das B i ld der ersten, von einem politisch am bitionierten Aufsteiger an Ioannes VI. Kantakuzenos gesandten Briefe, in denen d ie pointieltesten Aussagen bezüglich herrschaftlicher Sakralität zu finden sind, wie sich auch bei der Untersuchung d es Einsatzes antik-grie chischer Vorstellungen im Briefcorpus noch zeigen wird208 • Insgesamt betrachtet ist allerdings ein deutlicher Rückgang spezifisch christlicher Terminologie zu verzeichnen, eine Beobachtung, d ie zum Ne gativbefund überleiten soll. Zunächst zu Kontexten, in denen man eigent lich positive Aussagen zur Sakralität von Herrschaft voraussetzt, eine Er wartung, die sich in den Kydonesbriefen bei genauerem Zusehen j edoch nicht erfUllt.
2. Entsakralisierungstendenzen
a) Der Kaiser als vollkommener Mensch: Weltliches Aussagen, die erkennen lassen, daß der Kaiser durch sein Amt einen be sonderen Status besitzt, der ihn über andere Menschen erhebt und in die Sphäre des Göttl ichen rückt, sind traditionellerweise besonders in Passa gen anzutreffen, in denen der Herrscher gerühmt und mit positiven Eigen schaften bedacht wird209 • Bevor es um speziell religiöse Tugenden, um Frömmigkeit oder Gottesnähe des Kaisers geht, sollen zuerst Aussagen untersucht werden, die dem Kaiser "weltliche" Tugenden zuschreiben. Unter "weltlichen Tugenden" werden hier solche Eigenschaften verstan den, die bereits in philosophischen oder staatstheoretischen Werken der griechisch-römischen Antike von einem herausragenden Menschen gefor dert sind. Insofern sich Überschneidungen zu christlichen Tugenden erge ben, folgt ihre Behandlung nur dann erst später, wenn sie speziell mit Ver weis auf die christliche Religion oder durch klare Bezüge auf biblische Texte motiviert oder begründet werden. 208 209
S. dazu Kapitel IV.2.d), S. 68 ff. Zum byzantinischen Kaiser als "Träger aller idealen Eigenschaften" vgl. Treitinger, 1 956, 253-255. Bei Thomas Magister ist dies so formuliert: "So bedürfen wir alle un bedingt der Tugend, der Kaiser jedoch bedarf ihrer noch viel mehr. Er muß nämlich alle Menschen ebenso im Bereich der Tugend übertreffen, wie er sie in seiner äußeren Stellung überragt" (Fürstenspiegel, Kapitel 30, zitiert nach der Übersetzung von Blum, 1 98 1 , 1 39).
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
58
Auf Stellen, in denen die kaiserlichen Tugenden im Verhältnis zum ge samten Briefcorpus relativ stark gepriesen werden, stoßen wir vor allem in den frühen Briefen an Ioannes VI. Kantakuzenos. Hätte Platon den Kaiser gekannt, so Kydones in einem Brief aus dem Winterhalbjahr 1 34 1 /42, er hätte gesagt, dem Kaiser sei eine königliche Seele und königliche Ver nunft angeboren2 1 0 ; im weiteren Verlauf rühmt Kydones am Kaiser � 'twv �8wv �oualKi] die "Musik seiner Sitten" - und � nQoe; 'toue; 0lll Aoüv'tae; EuaQ�oa'tla - sein "harmonisches Gleichmaß im Umgang mit anderen", indem er zur I l lustration dieser blumigen Ausdrücke eine Paral lele zu dem frühgriechischen Kitharoden Terpandros aus Lesbos zieht, so dann 'to 'tiJe; nQao'tTJ'toe; KaAov die "Schönheit seiner Sanftmut", seine T]� EQo'tTJe; ("Milde")2 1 1 und <j>LAav8Qwnla ("Menschenfreundl ich keit")2 1 . Nimmt man Aussagen aus anderen frühen Briefen hinzu, ergibt sich von Ioannes VI. Kantakuzenos ein ziemlich positives B i ld . Als "voll kommener,,2 1 3 Kaiser besitzt er Scharfsinn 2 1 4 , Klugheit2 l 5 , Vernunft und Einsicht2 l 6, Weisheit2 l 7 , Tapferkeit2 l 8 , Gerechtigkeit2 l 9 , Beharrl ichkeit220 -
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210 21 1
S. T 3 L 1 1 , Z. 7 f; vgl. Plal. Phi/eh. 30d. Vgl. die fast wörtliche Wiederaufnahme in T 232 L 200, Z. 1 8-20. Hier Obersetze ich anders als Tinnefeid ("Schönheit seiner GOte" und "Sanftmut"), der auch sonst 7tQuoTI]C;; in der Regel mit "Sanftmut" wiedergibt. Zu 7tQuoTI]C;; bzw. 7tQäov als Eigenschaft des Kaisers vgl. noch T 8 L 7, Z. 20 und 3 1 ; T 1 3 L 9, Z. 23; T 32 L 1 3, Z. 60. S. T 3 L 1 1 , Z. 9-20. Zu Güte, Sanftmut und Menschenfreundlichkeit als kaiserliche Eigenschaften s. Treitinger, 1 956, 229 mit Anm. 90; Tinnefeid, 1 98 1 , 94, Anm. 9. Die q>LAav8Qw7tia des Kaisers bspw. noch in T 35 L 57, Z. 1 1 (vgl. auch die Belege bei Tinnefeid, 1 98 1 , 96 mit Anm. 29). FOr Byzanz vgl. Hunger, 1 989, 8 1 : "Ein wichtiges Schlüsselwort der byzantinischen Kaiserideologie '" ist schließlich die Philanthropia." Sie steht gerade einem christlichen Kaiser natürlich an (so Tinnefeid, 1 98 1 , 96), doch gehen die Wurzeln dieses Begriffs weit zurück in die antik-pagane Literatur (Tinne feid, a.a.O. mit Literaturhinweis); im Neuen Testament ist er und seine Ableitungen ausgesprochen selten (Tit 3,4; Apg 27,3; 28,2). Zur Be riffsgeschichte vgl. auch die Belege unter den jeweiligen Lemmata bei Bauer/ Aland, 1 988, 1 7 1 2. Die Vollkommenheit (um:QßoA�, T 5 L 1 2, Z. 9, vgl. auch T 8 L 7, Z. 1 6) zeigt =
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r
2 13
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sich v.a. im Besitz der clQEU], vgl. T 4 L 1 6, Z. 1 9 ('to 7toAu 'ÜjC;; clQE'ÜjC;; ), des weiteren T 5 L 1 2, Z. 57; T 7 L 6, Z. 4 1 ; T 8 L 7, Z. 20; T 10 L 8, Z. 16; T 27 L 1 6, Z. 35. L 1 2, Z 57 f: � tUXUC;; 'tOÜ AOYLaJlOü; vgl. auch die Verwendung von Vgl. T 5 M,uTI]C;; (T 8 L 7, Z. 1 8; T 1 3 L 9, Z. 23). QovTJaLC;; , vgl. T 8 L 7, Z. 18 und 32. LUVWU;, vgl. T 27 L 1 6, Z. 32. LOq>ia, vgl. T 5 = L 1 2, Z. 57; T 10 L 8, Z. 1 6. To clvbQEloV bzw. clvbQEia, vgl. T 8 L 7, Z. 30; T 1 3 L 9, Z. 23 . =
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2 14 21S 216
2 17 2 18
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IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
59
und Großmut22 l , auch B ildung und rhetorisches Talenf 22 • Die meisten die ser Tugenden sind nach den panegyrischen und das höfische Zeremoniell betreffenden Schriften in der byzantinischen Kaiserideologie traditionell verankert223 • Nur die normalerweise dort ebenfalls und sogar als besonders zentral angeführten "religiösen" Tugenden fehlen bei Kydones. Auf die sen auffallenden B efund wird später eingegangen224 • Einen zweiten Schwerpunkt positiver Kaiserdarstel lung bilden die Briefe des bereits gealterten Staatsmannes an Manuel 11. Palaiologos. Sie fal len bezüglich der Aufrichtigkeit des Gemeinten noch mehr ins Gewicht, denn hier schreibt nicht mehr ein junger, ehrgeiziger und aufstrebender Neul ing an einen Kaiser, von dem er sich nicht zuletzt eine Stellung bei Hof verspricht, sondern der erfahrene Weltmann, der seine politische Kar riere bereits hinter sich gelassen hat, an einen ehemaligen Schüler. Viel leicht schwingt stets etwas Stolz m it, wenn Kydones an Manuel H. immer wieder dessen hervorragende Bildung und große rednerische Begabung hervorhebf25 • Daneben finden sich im großen und ganzen die positiven 219
220 22 1 222
ß LKaLOaUVTJ, vgl. T 8
L 7, Z. 19 und 33; T 27 L 1 6, Z. 32; T 35 L 57, Z. 1 0. So mit erscheinen drei von den vier bereits auf Platon zurUckgehenden "Kardinaltugen den" (vgl. Plal. Men. 73d-74a; Plal. leg. 630a-63 I c; Plal. rep. 433c-d u.a.; vgl. die ausfll h rliche Wiederaufnahme bei eic. inv. 11,1 59- 1 65); es fehlt die "Besonnenheit" (awcj>QoaUvTJ). Zur traditionellen Vorstellung, der byzantinische Kaiser sei in beson derer Weise durch den Besitz der Kardinaltugenden ausgezeichnet, vgl. Treitinger, 1 956, 254 f. Die Kardinaltugenden sind auch in sämtlichen byzantinischen Fürsten spiegeln vertreten, vgl. Hunger, 1 978, Bd. 1 , 1 59. KaQ'tEQCa, vgl. T 8 L 7, Z. 39. TO IlEyaAo7tQE71EC;, vgl. T 13 L 9, Z. 23; IlEyaAol/luXla, vgl. T 27 L 1 6, Z. 32. Der Kaiser als cj>LA6AoyoC; in T 1 3 L 9, Z. 24; keiner übertreffe ihn auf dem Gebiet der Redekunst (T 21 L 88, Z. 2 1 f). Vgl. Dennis, 1 997, 133, der seiner Aufzählung als Quellenbasis die höfische Panegyrik zugrundelegt: "The orator was to recall the emperor's place of origin, his birth, his pa rents, . . . ; he was to portray hirn as a shining example of the virtues, especially wis dom, courage, justice, and moderation. He should stress his philanthropy and piety." Vgl. auch Treitinger, 1 956, 2 1 5 und 228 f, der als Quellen besonders die Zeremo nienbücher heranzieht und u.a. die Weisheit, Klugheit, Tapferkeit, Tugendhaftigkeit, Milde, Güte und Menschenfreundlichkeit als kaiserliche Tugenden anfll hrt. S. dazu Kapitel IV.2.b), S. 62 ff. Bildung bzw. Einsatz flIr die Wissenschaften: T 2 1 3 L 220, Z. 28; T 388 L 239; T 435 L 43 1 , Z. 12; rhetorisches Talent: T 233 L 203, Z. 1 3- 1 5; T 265 = L 262; T 387 L 82; vgl. dazu auch Kapitel rV.2.a), S. 57 ff. Manuel hielt viel auf seine Bil dung, sammelte bereits frUh einen Kreis von Gelehrten um sich und förderte wohl auch das Schulwesen in Byzanz, wofll r sich in Bezug auf seine direkten Vorgänger im Amt keine Hinweise finden lassen (vgl. dazu Matschkel Tinnefeid, 200 1 , 307 f). Zu den psycho-soziologischen Funktionen der am klassischen Altertum orientierten rhetori schen Bildung in Byzanz s. Dennis, 1 997, 1 32. =
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Eigenschaften wieder, d ie schon an Ioannes VI. Kantakuzenos gelobt wur den226 • Es ist bemerkenswert, daß das Motiv vom Herrscher als Wohltäter nicht nur bei den beiden genannten Kaisern, sondern auch insgesamt eine eher untergeordnete Rolle spielt. Dies steht in deutlichem Gegensatz zur Tradition in Byzanz227 • In kaum einer Passage, d ie sich dem Herrscherlob widmet, wird zusammen mit den anderen Tugenden der Kaiser in einem Atemzug auch als EUEQye'tT]C;; "Wohltäter" - gepriesen. Kydones kommt auf d ieses Motiv vorwiegend indirekt oder in mahnendem, biswei len sogar in negativem Kontext zu sprechen. Indirekt und eher positiv in Bezug auf Manuel 11. Palaiologos228, bei Ioannes V. Palaiologos meistens appellierend und s ich teilweise sogar über ausbleibende, aber geschuldete Wohltaten beklagend229 • Eindeutig positiv wird d irekt als EUEQYEnc;; nur einmal die Kaiserin Helene Palaiologina, d ie Gattin Ioannes' V. Palaiolo gos, gepriesen, zwar aus dem Mund des Volkes, aber es ist offensichtlich, daß Kydones, der davon berichtet, dieser Volksstimme seine ganze Sym pathie schenkt2 30 • Zur Erklärung des Umstandes, daß das Euergetes-Motiv -
226 lAccv8Qwnla Manuels: T 1 1 1 = L 1 32, Z. 29 f; blKalOaUV'l (T 2 1 3 = L 220, Z. 27; T 233 = L 203, Z. 1 2; T 435 = L 43 1 , Z. 1 3); flEYccAmjJUXla (T 2 1 3 L 220, Z. 27 t); L 203, Z. 1 0; vgl. auch voüv EXWV in T 383 = L 396, Z. 8 und T 435 = L 43 1 , Z. 1 2); avbQla (T 233 = L 203, Z. 1 1 ); aQETI] Oberhaupt (T 2 1 3 = L 220, Z. 29). UneigennUtzigkeit und Sorge ftIr das Gemeinwohl wird besonders in der bereits eingangs zitierten "Kaiserdefinition" betont (T 435 L 43 1 , Z. 1 3 t). Im Gegensatz zu Ioannes VI. Kantakuzenos ist bei Manuel H. auch die Eigenschaft der oW
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i m Vergleich zu anderen positiven Eigenschaften zurückgedrängt er scheint, ist die historische Situation in Anschlag zu bringen: d ie byzantini schen Kaiser hatten schlichtweg nicht mehr viel zu verschenken. Man halte sich nur die bereits erwähnten katastrophalen Auswirkungen der Bürgerkriege auf die wirtschaftlichen Verhältnisse insgesamt und die auch im Kaiserhaus herrschende Geldnot vor Augen, d ie Ioannes' V. Palaiolo gos sogar zwang, in Italien seinen eigenen Sohn als Bürgen für die Bezahlung noch offener Rechnungen zurückzulassen 23 \ . Kein Wunder also, daß von einer besonderen Freigebigkeit der Kaiser ebenfalls kaum die Rede ist. Es gibt noch eine weitere Qualifikation des Kaisers, die wohl in der Tradition, bei Kydones aber ebenfalls keine Rolle mehr spielt, woftir glei chermaßen äußere Bedingungen verantwortlich gemacht werden können, und das ist die lobende Bezeichnung des Kaisers als "Friedensstifter"m . Gerade die innenpolitischen Streitigkeiten dürften neben den ständigen militärischen Bedrohungen von außen eine Ursache daftir sein, daß diese Tugend im Katalog der von Kydones genannten kaiserlichen Vorzüge fehlt. In den Briefen an Ioannes V. Palaiologos stößt man auf vergleichs weise sehr viel weniger Herrscherlob. Einmal rühmt Kydones einen mili tärischen Sieg des Kaisers und sein kühn-überlegtes Vorgehen dabei233 ;
23 I V gl. dazu die sich auf die traumatisch-prägenden Erlebnisse des Sohnes Manuel 11. Pa
laiologos beziehenden Ausführungen bei Matschke, 1 984, 28 1 f, besonders 28 1 : "Der Palaiologenprinz war sich schon seit frühester Jugend in qualvoller Weise der politi schen und ökonomischen Ohnmacht des Reiches bewußt, die den Kaiser daran hin derte, freigebig zu sein und zu schenken, wie es die Kaiserideologie von ihm forderte ..." Die sich in wertvollen Geschenken äußernde Präsentation von Pracht und Macht war rur die Byzantiner immer von besonderer Wichtigkeit, vgl. Treitinger, 1 956, 202. Exemplarisch wird dies etwa an dem ausflihrlichen diesbezüglichen Kapitel S im Für stenspiegel des Thomas Magister deutlich, wo die Verpflichtung zur Freigebigkeit theologisch begründet wird, wie folgende Passage daraus zeigt (zitiert nach der Übersetzung von Blum, 1 98 1 , 1 04): "In dem Maße aber, in dem Gott den Menschen in diesen Dingen übertrifft, wird von allen Herrschern der am meisten kaiserliche jener sein, der sich allein darin' übt, Gutes zu tun. Solch ein Mensch sollst auch du sein; nimm von nirgendwoher irgendetwas an, es sei denn, eine echte Notlage zwingt dich dazu, von deinen eigenen Schätzen und von dir selbst sollst du jedoch jedem immer Geschenke geben - und dies noch über die eigentlichen Bedürfnisse des Bittstellers hinaus." 2J2 Vgl. Treitinger, 1 956, 230 f; 230:"Der Kaiser ist weiterhin ElQT]VOTrOlOC; ... 233 Nach Tinnefeid, 1 982, 322 f, wohl Eroberungen an der Schwarzmeerküste im Jahr 1 363 . Es handelt sich um BriefT 51 L 89, v.a. Z. 4- 1 3 . Im selben Brief(und in T 5 1 L 89, Z. 4) wird auch d ie flEyaAOIjJUXla des Kaisers lobend erwähnt (Z. 4). "
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ein andermal dankt er dem Kaiser flir eine zugestandene Audienz und lobt in d iesem Zusammenhang dessen flEyaAmpUXla und <jltAav8Qwnla234 • Es wird deutlich, daß die Hervorhebungen positiver Eigenschaften, die sich vor allem auf Ioannes VI. Kantakuzenos und Manuel II. Palaiologos beziehen, somit in erster Linie auf die Persönlichkeit der Herrscher zuge schnitten sind, denen Kydones zumindest zeitweise große Sympathien entgegenbrachte. Der jeweilige Kaiser hat die genannten Tugenden nicht qua Amt, und es findet sich auch nirgends die Bemerkung, daß die Heilig keit des Kaiseramtes d iese oder jene Tugend obligatorisch erfordere oder mit sich bringe. V ielmehr wird der Kaiser als Person in den Blick genom men und flir herausragende Tugenden gelobt, im Gegenzug aber unter Umständen auch getadelt23S • Die genannten positiven Eigenschaften sind zwar eine Zierde flir das Amt und seinen Träger, aber die Heiligkeit des Kaisers als Herrscher liegt n icht in ihnen begründet. Daß sie eine nicht notwendige Zugabe sind, bringt Kydones selbst in einem der frühen Briefe an Ioannes VI. Kantakuzenos zum Ausdruck2 36 • Man müsse dem Kaiser die ihm gebührenden Ehren erweisen, so verlange es das göttliche Gesetz und die allgemeine Natur. Wenn aber das Herrschen sich auch mit Tugend eine, so könne man e inen solchen Herrscher mit noch mehr Recht verehren. Zeichne ihn aber außer seiner Ehrenstel lung auch noch Neigung zur und Leidenschaft flir d ie Weisheit aus, so lasse das die Verehrung rur ihn noch mehr wachsen237 • Besondere Tugend oder hervorragende Bil dung bei einem Kaiser sind zwar ein Glück rur die Untertanen, aber keine konstitutiven Merkmale des durch das Amt geheiligten Herrschers. b) Der Kaiser als vollkommener Mensch: Religiöses? Ähnlich liegen die Verhältnisse, wenn man die Stellen betrachtet, in denen am Herrscher religiöse Tugenden lobend hervorgehoben werden. Wie derum verteilen sich die wenigen Passagen auf Ioannes VI. Kantakuzenos
234
S. T 333 L 340, Z. 7. Daneben wird die Gattin des Kaisers, Helene Palaiologina, in dem oben bereits zitierten Brief neben ihrer Eigenschaft als Wohltäterin auch als weise und tugendhaft gepriesen (T 442 L 222, Z. 1 37). 235 Ausftlhrlicheres zur Kaiserkritik s. unten, Kapitel IV.2.h), S. 1 03 ff. 23 6 T 8 L 7 aus dem Sommer 1 345, Z. 4- 1 4. 237 Sprechend ist v.a. die Wendung 1tQOC;; '1:4> aX�IlU'l:l (Z. 9 f): "noch zusätzlich zu seiner =
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Ehrenstellung". Zu dem Begriff aXTJllu s. auch die Ausftlhrungen unten, Kapitel V. I , S . 123 ff. Tinnefeid Ubersetzt mit "Stellung" oder auch mit "WUrde"; davon abwei chend wird in vorliegender Untersuchung aXTJllu von mir einheitlich mit "Ehrenstei lung" wiedergegeben.
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
63
und Manuel 11. Palaiologos. Gerade im Vergleich mit den "weltlichen" Tugenden fällt besonders ins Auge, wie selten Kydones auf speziell christliche Eigenschaften zu sprechen kommt. So kann man es kaum als besonders herausragend vermerken, wenn er ein einziges Mal ManueIs 11. "Glauben" (7IlUnc;; ) als Grundlage für seine Erfolge benennf3 8 oder in ei ner längeren Aufzählung kaiserlicher Tugenden unter anderem einmal auch Ioannes' VI. Kantakuzenos EuuißELCl - "Frömmigkeit" - er wähnt 2 39 ; die Stellen stehen vereinzelt da. Einer der ebenfalls äußerst seltenen Anklänge an das Neue Testament liegt vor, wenn Kydones in ei nem ansonsten eher von platonischen Begriffsvorstellungen geprägten Brief Ioannes VI. ftlr sein Mitleid und seine Vergebungsbereitschaft lobf40 • Hinsichtlich Manuel 11. Palaiologos kann man darüber streiten, ob man in einem Abschnitt, in dem Kydones ihn einen "menschenfreundli chen und zur Erbarmung bereiten Kaiser" nennt, eine Anspielung auf entsprechende alttestamentliche Stellen sehen will 24 1 ; auch das Lob der Opferbereitschaft Manuels, der sich unter persönlicher Gefahr für die Be freiung Thessalonikes von der türkischen Belagerung einsetzt, "um das Heil der anderen zu erkaufen", ist wohl eher nicht als bewußter Anklang an Jesu Sühnetod zu verstehen242 • In derselben Situation - Thessalonike wird von den Türken belagert - schreibt Kydones an anderer Stelle Ma nuel 11. persönlich, der e inzige verbleibende Trost sei er, der Kaiser selbst, in dessen Wesen "Gott viel von seiner Gnade wohnen läßt" - TJ aiJ cpu UlC;;, 1:J 7IoMa '[lic;; ClU'[OÜ xa�)L'[oc;; 6 E>EOC;; EYKCl'[cfJKLUE243• Das Kom-
238 239 240
24 1
242
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T 302 L 302, Z. 3 1 . Vgl. T 8 L 7, Z. 38. Vgl. T 32 L 1 3 , Z. 55 f: " ... du hast Mitleid mit den UnglUcklichen und vergibst dei nen Schuldigem, damit auch du dasselbe erlangst." Der Bezug von Kat 'roU:; o>d AOUULV a>ld�, Lva 'rWV athwv Kat uu 'rI)XT,J� auf das Vater Unser in Mt 6, 1 2 (Ka t ä>E� TJ IlLV 'ra o>nATJlla'ra TJllwv, w� Kat TJIlEic; a>i}KaIlEV 'rOL� o(IJElAE'ral� TJllwv) ist klar erkennbar. Die bei Tinnefeid, 1 98 1 , 95, Anm. 1 1 angeftihrten weiteren Belege ftir die "Feindes liebe" des Kaisers sind nicht explizit christlich begrUndet und könnten somit genauso gut bspw. auf die fast sprichwörtliche clementia Caesaris zurUckgefllhrt werden. Vgl. T 200 L 2 1 2, Z. 3 1 f; das dort verwendete Substantiv ftir "Erbarmung! Mitleid" (OrK'tO�) könnte eine Wiederaufnahme des (von Gott ausgesagten) Adjektives OiK'rlQ Ilwv in Ex 34,6 bzw. Ps 85, 1 5 (LXX) sein. Vgl. T 284 L 273, Z. 1 9: 't1)v 'rwv äAAwv aMa�au8at uW'rT]Qiav. Das hier ver wendete Verbum aAAauuw taucht im Neuen Testament in entsprechenden Kontexten nicht auf; dafUr steht bspw. I Kor 6,20 oder 7,23 ayoQa�w. T 285 L 277, Z. 32. =
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IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
positum EYKiX'tOlldl:w, das Kydones hier gebraucht, kommt im Neuen Testament zwar n icht VO�44 , dafür aber KlX'tOlKll:w mit der Präposition EV an einer durchaus vergleichbaren Stelle245 • Auch hier gelten die bereits angestellten Überlegungen: Das kaiserli che Amt bringt die genannten religiösen Tugenden n icht mit sich oder hervor; wiederum sind die Lobesworte speziell auf d ie Persönlichkeit der Kydones nahestehenden Kaiser loannes VI. Kantakuzenos und Manuel 11. Palaiologos gemünzt. Von entscheidender Bedeutung aber ist der Um stand, daß im ganzen Kydones'schen Briefcorpus spezifisch religiöse Tugenden im Kaiserlob so gut wie keine Rolle spielen und in den seltenen genannten Passagen der Bezug auf jüdisch-christliches Gedankengut dar über hinaus meist vage bleibt. Das steht in einem gewissen Gegensatz zur Tradition, nach der vom Kaiser generel l die Frömmigkeit als selbst verständ liche, ja als wesentliche Pflicht und Tugend gefordert war. Als Stellvertreter des Höchsten war der Kaiser zur Nachahmung Gottes ver pflichtet. Im Fürstenspiegel des Agapetos etwa "bildet die EuueßEllX die eigentliche Grundlage des Kaisertums,,246, und auch in dem Basileios I. zugeschriebenen Fürstenspiegel247 bildet d ie Religion "den Eckpfeiler und die Grundlage einer guten Herrschaft,,248 . Daß Kydones auf d iesen Punkt so auffallend selten zu sprechen kommt, verlangt nach einer Erklärung, die jedoch vorerst zurückgestellt und erst nach der Darstel lung des Ge samtbefundes gegeben werden sol f4 9 . c) Kaiserideologie und das Alte Testament Wenn Moses aufgrund seiner Erwählung als einziger aus dem Volk Israel in der Lage ist, auf dem Berg Sinai von Gott d ie Gesetze in Empfang zu
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Nur das verwandte EYKa'l:OlKEW, allerdings in ganz anderem Kontext (2 Petr 2,8). Jak 4,5: 'l:0 nv€üfla Ö Ka'l:4JKlU€V EV T]fliv "der Geist, den er [sc. Gott] in uns woh nen ließ". Vgl. auch noch Ka'l:OlKEW EV in Eph 3 , 1 7 und KoI 2,9. Blum, 1 98 1 , 34; zum FUrstenspiegei des Agapetos s. jetzt die Ausgabe von Riedinger, 1 995. Zur nur verrnutbaren Verfasserschaft durch Photios s. Blum, 1 98 1 , 39. V gl. Blum, 1 98 1 , 39 f. Bei Theophylaktos von Ochrid findet sich Entsprechendes im 1 2. Kapitel seines FUrstenspiegels. Vgl. auch Treitinger, 1 956, 1 45- 1 47 ( 1 45: " ... der Kaiser muß in byzantinischer Auffassung auch im Leben EUUEßr'J� sein, er muß auch fromm sein, sonst hätte ihn Gott nicht erwählt"). S. zu diesem Komplex noch aus fUhrlicher S. 1 27. Vgl. Kapitel V.2 und V.3, S. 1 25 ff. -
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
65
nehmen 250 , und wenn danach ein übernatürliches Leuchten von seinem Antlitz ausgehf 5 1 , so wird er zwar nicht explizit als "Heiliger" bezeichnet, doch gehört er als Führer seines Volkes und besonderer Mittler zwischen Gott und Volk in die Sphäre des Göttlichen hinein, was ihn erkennbar aus der Menge der übrigen Israeliten heraushebt252 • Daher erscheint es ange bracht zu untersuchen, ob und inwieweit Kydones "seine" Kaiser mit sol chen herausgehobenen, "heiligen" Gestalten aus dem A lten Testament vergleicht oder in Zusammenhang bringt, zumal gerade in Byzanz das Alte Testament für die Kaiserideologie eine besondere Rolle spielt253 • Hier kommt man zu einem auffal lenden Ergebnis. Nahezu alle dies bezüglichen Äußerungen konzentrieren sich auf die späten Briefe an Ma nuel 11. Palaiologos; nur einmal schreibt Kydones an Ioannes VI. Kanta kuzenos, er habe für seine Sanftmut Moses und David als Vorbilder ge nommen, "an deren Ste l le . . . Gott selbst als Rächer auftrat"254 . Manuel 11. wird dreimal m it David, zweimal mit Moses, ansonsten noch mit Hiskija, Joseph, Ijob und Daniel in Zusammenhang gebracht. Abgesehen von einer Stelle, d ie für das Thema "Sakralität von Herrschaft" weniger relevant ist - der Kaiser sol le den Bedürftigen im Sommer "Pyramiden voll Getreide" bereitstellen wie einst Joseph255 -, geht es in den betreffenden Passagen darum, einmal eine besondere, auf eigener Unbescholtenheit beruhende Unmittelbarkeit Manuels H . zu Gott zum Ausdruck zu bringen, zum zwei ten darum, daß Gott Manuel auf dem Weg zu einer gesicherten Herrschaft unterstützt und ihm, drittens, in seinem Kampf gegen die Feinde macht voll beisteht. In dem bereits zitierten Brief aus dem Jahr 1 3 84, in welchem Kydones den im Abwehrkampf gegen die Türken stehenden Kaiser für seine per sön liche Einsatzbereitschaft rühmt, die den Untertanen "das Hei l erkau fen" sol le, wird im selben Atemzug betont, daß die Vergebl ichkeit all d ie ser Bemühungen n icht ihm, dem Kaiser selbst, anzurechnen sei, sondern 250
25 1 252 251
254 255
In einer Quellenschicht Moses allein, vgl. Ex 1 9,20; 24, 1 8 ; 3 1 , 1 8; 34,3; in einer ande ren Moses zusammen mit Aaron, vgl. Ex 1 9,24; in einer weiteren Moses, Aaron, Na dab, Abihu und siebzig Älteste, vgl. Ex 24, I . Ex 34,29 f und 35. Der Berg der Gottesbegegnung selbst ist ein "heiliger" Ort (vgl. Ex 1 9,23). Vgl. dazu öfters Dagron, 1 996, bspw. 70: "Ä Byzance, I'Ancien Testament a valeur constitutionelle; iI a la meme normativite dans le domaine politique que le Nouveau Testament dans le domaine moral." Zum Vorbildcharakter von Moses, David und Salomon vgl. auch Dennis, 1 997, 1 35, und Treitinger, 1 956, 1 30- 1 35, bes. 1 3 5 : "Der byzantinische Kaiser sollte eben wieder als Nachfolger der alttestamentlichen Könige, ja selbst als ein solcher erscheinen." T 32 = L 1 3, Z. 60 f. T 236 = L 247, Z. 29 f.
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
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"vielen äußeren Ursachen,,25 6. An was der Verfasser dabei unter anderem denkt, wird deutlich, wenn Kydones im folgenden ausfUhrt, auch Moses hätte einst das sündige Volk n icht lenken können, "weil die Bosheit der Untertanen stärker als die Tugend ihrer Vorsteher war". Das dahinter ste hende geschichtstheologische Deutungsmuster wird aus einem weiteren, im selben Zeitraum geschriebenen Brief klar erkennbar. Die Sünden des byzantinischen Volkes seien an der gegenwärtigen Notlage schuld; wie Ijob oder Daniel rür die Ihrigen keine Begnadigung bei Gott erreichen konnten, "obwohl sie sich, was sie selbst betraf, große Freiheit im Um gang mit Gott erlauben konnten", so habe auch der Kaiser keinen Erfolg bei dem Versuch, diejenigen von Übeln zu befreien, die Strafe verdient hätten257 • Damit wird Manuel II. ein Sonderstatus zuerkannt; er selbst ist frei von Sünde und wird deshalb, was den "Umgang mit Gott" betrifft, auf eine Stufe mit Ijob und Daniel gestel lt, muß nun aber zusammen mit den Untertanen die Strafe Gottes ertragen, obwohl eigentlich nur das Volk sie verdient hätte2 5 8 . Auf dem langen und schwierigen Weg ManueIs 11. zum byzantinischen Kaiserthron hält Kydones ihm vor Augen, wie Gott einst David unter stützte. Gott werde "auch nicht davon ablassen, dein Haupt zu bekränzen, bis er dir wie David den Thron bereitet hat"259 ; Manu�1 solle sich David zum Vorbild nehmen, "der nach dem Willen Gottes von der Schafherde zur Königsherrschaft gerufen wurde,,260 . Der Gedanke, daß Ausübung von Herrschaft Anteilhabe an von Gott verliehener Macht bedeutet, kommt hier indirekt, aber deutlich zum Tragen. Kydones geht so weit, daß er auch in der konkreten Herrschaftsausübung letztlich nicht den Herrscher 256 2 57
T 284 L 273, Z. 1 8-20; rur das Folgende s. Z. 2 1 -23. T 283 L 27 1 , Z. 34-37; wörtliches Zitat Z. 36 f: KahOl '[WV ibiwv EVEKa TIoAA�C; =
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av'[oic; OÜOT)C; TIaQcX '[0 E>E0 TIaQQTJuiac;.
2 58
Vgl. dazu auch den Inhalt von Brief T 274 L 320 (ebenfalls an Manuel 1 1 . im bela gerten Thessalonike, 1 383/84), v.a. Z. 26-33: Wenn Gott Gutes beschließt, dann wUrde Er dies durch den Kaiser Manuel 1 1 . schenken; denn wie Gott sich der Bösen bedient, um Böse zu bestrafen, so läßt er durch die Guten den mit der Gottheit Versöhnten Gutes zukommen. Gott solle wenigstens Manuel vom Bösen ausnehmen, auch wenn alle anderen Verantwortlichen samt und sonders zugrundegingen. Vgl. dazu Zgoll,
259 260
T 237 L 249, Z. 39-4 1 . T 3 5 1 L 365, Z. 23-35 (hier zitiert Z. 29 f). Nach TinnefeId ad loc. weilte Manuel H. im ersten Fall ( T 237) in Thessalonike (Winter 1 382/83), im zweiten Fall im klein asiatischen Herrschaftsbereich der Osmanen (Herbst 1 387, vielleicht in Brussa). Ein dritter, in diesem Kontext weniger wichtiger Bezug auf David liegt in T 435 L 43 1 , Z . 49, vor, wo Manuel i n Anlehnung an David 1IIs "Leuchte Israels" bezeichnet wird (vgl. 2 Kön 2 1 , 1 7 LXX).
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2005, 202-204. =
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67
selber, sondern Gott am Werke sieht. Der Kaiser solle sich Gott als Feld herrn unterstellen, dann würden sich die alttestamentlichen Wunder wie die vorangehende Feuersäule, die Wanderung durch das Meer und der Brotregen in der Wüste wiederholen. Ja, mehr noch: Gott ist es, "der nun mehr durch dich Ruhmestaten wirken wird, die dem, was in Ägypten Mo ses wunderbar vollbrachte, nicht nachstehen,, 26 I . Gott möge die Türken vol lständig von der belagerten Stadt Thessalonike vertreiben und so "dem Kaiser und der Stadt die Wundertaten erweisen, die er unter Ezechias rur Jerusalem wirkte,,262 . Wie David erhält Manuel 11. Palaiologos die Herrschaft von Gott; auf grund seiner Integrität steht er Gott so nahe wie Ijob oder Daniel. Erkennt man in dem ersten Motiv einen Grundzug herrschaftlicher Sakralitätsvor stellung, der sich nicht nur hier, in Vergleichen mit alttestamentlichen Ge stalten, findet263 , dürfte das zweite wiederum einen auf die Persönlichkeit ManueIs zugeschnittenen Gedanken darstel len, und er bleibt denn auch auf diese wenigen Stellen beschränkt. Auffallend ist nicht nur, daß Vergleiche mit Persönlichkeiten aus dem Alten Testament bei Kydones nur selten und dann vor allem erst in den späten Briefen vorkommen, sondern auch das Fehlen jeglichen Bezugs auf das alttestamentliche Königtum an sich. Kein Wort vom Königtum nach der Ordnung Melchisedeks, was die Tradition byzantinischer Herrschafts legitimation eigentlich erwarten l ieße264 . Nirgends ist d ie Rede von der Salbung des Kaisers, die ihn symbolhaft und ideell gewissermaßen in eine dynastische Abstammung von Saul, David und Salomon rückt265 . Bezüge auf David betreffen seinen Aufstieg zur Herrschaft, nicht aber das Wesen
261
T 237 L 249, Z. 33-37; wörtliches Zitat 36 f: ... Kai 'rwv fV Aiyu7l'l:Y btil Mw aE� naQab6�� n:n:AwflEVWV OUbfV lhq_I
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262
263 264 265
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50 1 ).
68
IV.
Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
seines Königtums266 • Ja sogar auf die Bibel als wichtige Inspirationsquelle flir das herrscherliche Handeln i nsgesamt kommt Kydones nirgends zu sprechen. Ist in dem unter dem Namen des Basileios I. überlieferten Fürstenspiegel neben dem Verweis auf die Wichtigkeit der "Schriften der Alten" (Kapitel 56) immerhin wenigstens auch von der Bibel als ljJuxfjc;; 'rQocpi] (Kapitel 1 7) die Rede, so fehlt eine solche Bemerkung bei Kydo nes völlig. Ähnlich bei Machiavelli: Zur Geistesübung soll der Fürst Ge schichtsbücher lesen und sich die Handlungen großer Männer vor Augen halten; von einer Notwendigkeit oder Fruchtbarkeit der B ibellektüre ist . mrgend s d Je ' Red e267 . d) Kaiserideologie und die Welt der griechischen Antike Die relativ geringe Rolle alttestamentlicher Bezüge wird noch einmal be sonders deutlich, wenn man zum Vergleich Stellen heranzieht, an denen Kydones den Kaiser mit anderen Bild- und Vorstel lungswelten in Zusam menhang bringt, vornehmlich mit Gestalten aus der griechischen Antike d ie römische Antike spielt bei Kydones, so weit ich sehe, nirgends eine Rolle268 • D ie Belege sind zahlreicher und verteilen sich auf alle drei Kai ser, wobei wiederum Schwerpunkte bezüglich Ioannes VI. Kantakuzenos und Manuel 11. Palaiologos auszumachen sind. Passagen, die zur Illustration weltlicher Tugenden wie Freundlichkeit, philosophische Begabung, Redetalent, Fähigkeiten als Feldherr und ähnli ches Parallelen zwischen Ioannes VI. Kantakuzenos und beispielsweise Terpandros aus Lesbos, Platon, Demosthenes, Odysseus, Palamedes, He rakles und Alexander dem Großen ziehen, sind fur das Konzept herr schaftlicher Sakralität noch wenig relevanf69, es sei denn, man will in der - allerdings von Kydones nirgends explizit erwähnten - D ivinisierung AI exanders bzw. in der Apotheose des Herakles bereits Andeutungen in die-
266 Zur Bedeutung des davidischen Königtums als prägendes Exempel rur die Herrschaf'ts konzeption in Byzanz vgl. Dagron, 1 996, 205 f und 280. 267 Vgl. Machiavelli, 1/ Principe, Kapitel 1 4. 268 Zur Tendenz einer allgemein stärkeren Auseinandersetzung der intellektuellen Elite mit dem geistigen Erbe der Antike in spätbyzantinischer Zeit s. Matschkel TinnefeId,
200 1 , 224-226. Aus der beobachteten Hinwendung zur Antike folgt nicht notwendig,
daß die literarisch Gebildeten in der spätbyzantinischen Gesellschaft gewissermaßen Fremdkörper darstellten. So betonen auch Matschkel Tinnefeid, 200 1 , 237, daß sie "nicht abseits von den filhrenden Kreisen in Kirche und Staat ein gesellschaftliches Sonderdasein filhrten oder gar eine Art intellektuelle Opposition bildeten". 269 Vgl. dazu das oben Ausgeführte.
IV. SakmIität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
69
ser Richtung erblicken2 70 • Daß jedoch die Nennung Alexanders d. Gr. in enkomiastischem Kontext nicht unbedingt speziell auf d ie Göttlichkeit des Kaisers abzielt, kann neben den j eweiligen Kontexten eine Stelle in den Briefen zeigen, an der Kydones auch den Despoten Manuel Kantakuzenos in Mistra mit Kyros und Alexander d. Gr. in Verbindung bringt27 1 . Ioannes V . Palaiologos wird in dem ebenfalls schon angeführten Brief aus dem Jahr 1 3 63 über Achilleus gestellt; seine beispiellosen Taten lie ferten der "Zunge eines Homer" genügend StoW7 2 • Eine Sakralisierung des Herrscherbi ldes ist auch damit n icht verbunden. Wenn schl ießlich der hochgebildete Manuel H . Palaiologos vor allem Demosthenes und Platon an d ie Seite gestellt wird, so ist dies sicherlich kein Zufall273 • In ihm sieht Kydones gewissermaßen die Verkörperung des von P laton als Ideal vorgestel lten Philosophenkönigs 2 74 . Mit literarisch künstlerischem Effekt dankt Kydones einmal Manuel 1I. die Übersendung einer Platonhandschrift damit, daß durch ihn von nun an al le wissen sol len, "mit dir sei nun wahrhaftig der philosophische Herrscher erschie nen"m. In der Wortwahl spielt Kydones hier durch d ie Verwendung von <palVO�aL ("erscheinen") mit dem Epiphaniemotiv, was der Stelle einen durchaus sakralen Charakter verleihf76 , der den übrigen Passagen, in de nen Manuel als Philosophenkönig gepriesen wird, hingegen fehlt2 77 • Die Rühmung einer nach Platons Ansicht "königlichen Seele" be ziehungsweise eines "königlichen Sinnes" bei Ioannes VI. Kantakuzenos 270
Der Vergleich Ioannes VI. Kantakuzenos mit Terpandros aus Lesbos wurde bereits oben zitiert (T 3 L I I , Z. 8- 1 0); eine Wiederholung findet sich in T 1 3 L 9, Z. 32. Zusammenstellung mit Alexander d. Gr. in T 5 L 1 2, Z. 7 und T 10 = L 8, Z. 3 1 ; mit Demosthenes, Odysseus, Nestor und Palamedes in T 5 L 1 2, Z. 7 f; mit Herakies in T 5 L 1 2, Z. 51 und T 27 L 1 5, Z. 13; s. dazu auch Tinnefeid, 1 98 1 , 96 mit Anmerkungen. S. T 77 L 22, Z. 22 f. S. T 5 1 L 89, Z. 8 und 3 1 f. Es geht hier m.E. nicht darum, daß Homer "der einzig angemessene Herold der Taten gerade dieses Kaisers sein soll" (Tinnefeid, 1 982, 324), sondern gemeint ist wohl eher, daß die Leistungen des Kaisers so viel Stoff bieten, daß dies sogar rur eine zweite, Homers Ilias vergleichbare Schöpfung hinreichen würde. Vgl. etwa T 370 L 388, Z. 44; T 37 1 L 3 9 1 , Z. 50; T 387 L 82, Z. 30: Demosthe nes; Demosthenes und Platon in T 359 = L 379, Z. 7 f; T 3 7 1 L 39 1 , Z. 65; T 387 = L 82, Z. 65. Das Ideal vom philosophisch gebildeten Herrscher liegt dann später auch den Fürsten spiegeln von Erasmus von Rotterdam (Inslitutio Principis Christiani, 1 5 1 6) und Guillaume Bude (De " institution du prince, 1 547) zugrunde. T 242 L 259, Z. 24 f: . vüv ,,,UXA.Lu'ta cj>avEv Erd uoü 'tov cj>LA6uocj>ov ßauLAEa. Vgl. den Gebrauch von cj>alvoflaL im Neuen Testament von Elijas (Lk 9,8) und dem auferstandenen Jesus (Mk 1 6,9). Vgl. T 388 L 239, Z. 1 4 f; T 427 L 430, Z. 1 0. =
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27 1 272
27J
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wurde bereits angeführt2 78 ; in eine ähnliche Richtung geht eine andere Be merkung Uber denselben Kaiser, der so gut sei, "daß einer, der ihn die Idee der besonnenen Herrschaft nennen wUrde, genau die Sache treffen dUrf te,,279 . Ins Sakrale gesteigert findet sich das Bild vom Philosophenkönig in dem ebenfalls schon zitierten Briefan Ioannes VI. aus dem Sommer 1 345. Kydones bemerkt, daß Platon für einen Kaiser, der zusätzlich zu seiner Ehrenstel lung noch tugendhaft ist und darüber hinaus auch noch philo sophische Gesinnung und Verlangen nach Weisheit in sich trägt, nicht nur Verehrung übrig hat, sondern sogar kultische Opfer hinzufügt, we;; av Eie;;
8E'iOV '[lva KAf]Qov '[wv MWVEK'[ll ll u'[wV au'[ov IlE8 LU'[uv'[wv
-
"als ob seine Taten ihn gleichsam in ein göttliches Dasein versetzten,,280 . Ohne allzu platt den Kaiser direkt sogar kultischer Ehrungen für würdig zu erklären, gibt Kydones aber doch deutlich zu verstehen, daß Ioannes VI. in seinen Augen solcher Ehren wert wäre. Was kriegerische Aktivitäten ManueIs H . Palaiologos anbelangt, so spricht Kydones in einem Brief aus dem Herbst 1 3 82 einmal den Wunsch aus, Manuel möge für das von TUrken belagerte Thessalonike das werden, was einst Hektor für Troja gewesen - ein fast prophetisch anmutender Vergleich, wenn man bedenkt, daß Thessalonike wie einst Troja trotz tapferer Gegenwehr schl ießlich doch erobert wurde ( 1 3 8 7)28 1 Aber hier fehlt ein erkennbarer Bezug zum Thema Sakralität ebenso wie an Stellen, an denen Kydones die Tätigkeit eines der Kaiser mit der eines Arztes, Steuermannes oder Lehrers in Beziehung setzt282• .
278 S. dazu S. 58. 279 T 12 = L 1 9 (Winter
1 345/46), Z. 19 f: öv d TL<; aQXf]c; EflCPQovoC; ibiav 7IQOUEl7IOL, ucp6bQ ' äv TUyxavOL TOÜ Dvn)<;. 280 T 8 L 7, Z. 1 3 f. 28 1 S. T 233 L 203, Z. 34 f. 282 Ioannes VI. Kantakuzenos soll filr das bedrohte Thessalonike zum rettenden Hippokra tes werden: T 8 = L 7, Z. 65. In T 6 1 = L 94, Z. 1 0- 1 5 wird Ioannes V. Palaiologos mit einem Arzt und einem Steuermann verglichen. Das Bild vom Steuermann, der das Staatsschiff durch unruhige Zeiten lenkt oder lenken soll, ist ein geläufiger Topos (Theophylaktos von Ochrid widmet diesem Bild in seinem FUrstenspiegel ein ganzes Kapitel, 2 1 ) und wird von Kydones besonders oft bei Manuel 11. Palaiologos angewen det (T 2 1 3 L 220, Z. 25; T 233 L 203, Z. 23; T 269 = L 270, Z. 25-28; T 433 L 432, Z. 1 03 f). Der Topos ist jedoch nicht filr das Kaiserlob reserviert, da Kydones auch einmal den Staatsmann Georgios Synadenos Astras als KUßEQvirrrJC; lobt (T 64 L 98, Z. 35). Manuel 1 1 . wird einmal mit seiner Umgebung in ein Verhältnis gesetzt wie ein Lehrer (bLbauKaAoc;) zu seinen Schulkindern (T 265 L 262, Z. 34), doch geht es hier darum, vor allem ManueIs Bildung auf dem Gebiet der Rhetorik her vorzuheben, nicht um eine generalisierbare Charakterisierung des Verhältnisses zwi schen Kaiser und Untertanen; auch eine andere Passage - Manuel sei rur einen gewis=
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IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
Etwas anders liegen die Verhältnisse, wenn man Gleichsetzungen von byzantinischen Kaisern mit antiken Gottheiten ins Auge faßt, denn hier besteht die Möglichkeit, unmittelbarer noch als beim Vergleich mit Ge stalten aus dem Alten Testament, daß damit eine Erhebung des Herrschers in die Sphäre des Göttlichen intendiert ist. Die Ehrenstel lung (axfJ�a) des Kaisers setze ihn auf den G ipfel des Zeus, äußert Kydones einmal bezüglich Ioannes' VI. Kantakuzenos 2 83 • Der Vergleich des Herrschers m it Zeus kommt in den Briefen selten, aber durch alle Zeiten hindurch d irekt oder indirekt - indem die besiegten Feinde des Kaisers m it den überwundenen Giganten geglichen werden - immer wieder zur Anwen dung2 84 . In einem nicht genau datierbaren Brief geht es um einen Kaiser, der "nichts widerruft oder täuschend ankündigt, was er <einmal> mit dem Nicken seines Hauptes bestätigt,,2 85 ; in Anlehnung an antike epische Tra d ition wiederum eine Anspielung auf Zeus2 86 . Tinnefeid identifiziert den Gemeinten m.E. mit überzeugenden Argumenten mit Ioannes V. Palaio logos, auf den das Zeuszitat h ier "nicht ohne feine Ironie" bezogen sei287 • Die "feine Ironie" ist schwer festzumachen oder gar zu beweisen, doch entspricht die Annahme einer solchen durchaus dem Raffinement des ge bildeten Verfassers288 ; damit wäre der Vergleich mit Zeus allerdings re lativiert. Es gibt noch eine weitere Stelle, welche die Bedeutung der Zeus vergleiche etwas abschwächt, denn einmal ist es auch lediglich ein gewis ser Richter namens Alusianos, den Kydones dazu auffordert, gegen seine redegewandten Prozeßgegner wie gegen Giganten anzutreten, um sie schließlich doch zu überwinden und Gerechtigkeit zu erzwingen2 89 . Dieser letzte Beleg wirft die Frage auf, ob eine antike Gottheit rur einen christ l ichen Gelehrten aus dem 1 4. Jahrhundert überhaupt noch Divinität im eisen Asanes ftlr alles Gute und Schöne zu einem Lehrer geworden - trägt zu persönli chen Anstrich, als daß sie verallgemeinerbar wäre (T 200 L 2 1 2, Z. 75 f). S. T 3 L 1 1 , Z. 6 f: aE yaQ, ßaUlAEü, '[0 flEV aXtlfla En' aimiv KaSten Ujv =
283
284
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'[oü LllOC; KOQU
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keit rur die Giganten = Feinde, Zeus den Kaiser anzugreifen). Der Kaiser rur die Feinde schlimmer als die Giganten bei loannes V. Palaiologos in T 51 L 89, Z. 1 9 f. Die Feinde als fliehende Giganten bei Manuel 11. Palaiologos in T 237 L 249, Z. 1 4 =
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285 286 287 288
f.
S. T 042 1 L 4 1 9, Z. 1 0 f. Vgl . bspw. Horn. 11. 1 ,526 f und Verg. Aen. 9, 106. S. Tinnefeid, 2003, 1 92 und 1 94; Zitat ebd., 1 94, Anm. 3. =
Zu anderen, deutlich ironischen Passagen in den Kydonesbriefen vgl. bspw. T 73 7 1 , Z. 1 4 f; T 209 L 2 1 8, Z. 1 0- 1 5; T 332 L 338, 1 8-34. Vgl . T 245 L 246. =
289
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gentl ichen Sinn besitzt, und wenn ja, inwieweit. Der Brief an Alusianos kann auch als Hinweis darur gewertet werden, daß das Zusammenbringen eines Mächtigen mit Zeus nicht explizit der sakralen Überhöhung dient, sondern mittlerweile zur allgemeinen Lobesfloskel verblaßt ist. Trotzdem kommt gerade in den frühen Briefen an Ioannes VI . Kanta kuzenos eine Divinisierung des Herrschers mehrmals zum Tragen. Kydo nes gibt n icht nur indirekt Platon recht, wenn man einem solch vollkom menen Kaiser, wie Ioannes VI. es ist, eigentlich kultische Opfer darbrin gen müßte290, sondern er sehnt sich an anderer Stelle selbst nach der Wie derkunft des in Thrakien weilenden Herrschers wie nach der Ankunft des Gottes Asklepios2 91 , da er krank darniederlie� und durch die heilbringen de Gegenwart des Kaisers zu gesunden hofft2 2 ; E'\8ov'IWV bl 'ILVWV Kat Myov'IWV WC; �l;ElC; avi]VEYKa, 'IOV aW'IijQa E'\nLaac;. �KE bi], mxaac; aUf-lcpoQUC; av8Q�mwv buvaf-lEVoc; 8EQamv E lV. naV'Ia YUQ LXV tmoXWQ�aElE buaXEQij aoü YE cpavEV'IOC;. "Als -
aber einige kamen und sagten, du kämest hierher, ging es mir in der Hoffnung auf den Erlöser besser. Komm also, der du alles Unglück der Menschen heilen kannst! A lle Plagen verschwinden ja gewiß, wenn du erscheinst!"
Sowohl die inhaltlich zum Ausdruck gebrachte Vorstellung, der Kaiser könne durch seine bloße Gegenwart alle nur erdenklichen Krankheiten293 und Widrigkeiten zum Verschwinden bringen, als auch die Wortwahl im einzelnen (aw'trlQ,
290 291 292 29]
294
Vgl. den bereits oben zitierten Abschnitt aus T 8 L 7, Z. 13 f(S. 70). 14 L 1 0, Z. 1 8-20. T 1 4 L 1 0, Z . 22-24. EUIlCPOQU ist nicht nur das UnglUck, sondern speziell auch die Krankheit, was in die sem Kontext natUrlich besonders mitschwingt. Die Bezeichnung des Kaisers als "Heiland" (uumlQ), die nach Tinnefeid, 1 99 1 , 126, "dem Arsenal der hellenistisch-römisch-byzantinischen Herrscheridee" entstammt (vgl. zur Antike Carlier, 1 997, ONP 2, 467, zu Byzanz Hunger, 1 989, 80 f), ist in Be zug auf loannes VI. Kantakuzenos noch zu finden in T 1 3 L 9, Z. 44, bezüglich Ma nuel II. Palaiologos in T 0 1 96 L 1 92, Z. 55, und mittelbar auf Kaiserin Helene Pa laiologina angewendet, die "dem Reich das Heil bringen werde", in T 442 L 222, Z. 1 39. Zur Vorstellung von besonderen Heilkräften des persönlich anwesenden Herr schers s. Erkens, 2004, RGA 26, 23 I f. =
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stens durch die Gegenwart des Kaisersohnes Manuel Kantakuzenos trö sten, der vieler Tugenden gerühmt werde, d ie aIle vom Vater geerbt seien. vüv flEV OUV EYW T01�Y[Ql<; Eflaun'>v Wa7tEQ EV LEQ
nem Heiligtum und erfreue mich an all dem. Es sei mir aber doch vergönnt, in die großen Mysterien eingeweiht zu werden und die unser Land durchstrah lende Vollkommenheit des Kaisers zu schauen.,,295
Der U ntertan als Myste, der zwar bereits im Heiligtum weilen darf, sich aber danach sehnt, in die innersten Geheimnisse der mystischen Schau vorzudringen, das ist ein starker Ausdruck religiöser Devotion gegenüber dem sakral überhöhten Kaiser296 • Schon in spätrömischer Zeit konnten Züge des höfischen Zeremoniells an entsprechende Bräuche in den My sterienkulten erinnern 297 Wenn Kydones hier einen solchen Vergleich zieht, so legt das bei aller Rücksicht auf enkomiastische Übertreibung ei nen gewissen Realitätsbezug auf tatsächliche Gegebenheiten im höfischen Zeremoniell auch noch in spätbyzantinischer Zeit nahe. Doch ist abgese hen von dieser einen Stelle der Ton, in dem Kydones vom kaiserlichen Hof und von dort stattfindenden Begegnungen mit dem Kaiser spricht, jegl icher Mystik und Sakralität entkleidet. Von dem gerade in der Spätzeit immer mehr in Gebrauch kommenden ZeremonieIl der Prokypsis bei spielsweise erwähnt Kydones nichts298 • Soweit d ie antik-pagane Vorstellungs- und B ildwelt, wie sie in Bezug auf den Kaiser in den Kydonesbriefen eine Rolle spielt. Anklänge in die ser Richtung überwiegen biblisch-christliches Gedankengut, was ebenfalls die noch ausstehenden Untersuchungen zeigen werden. Sakralisierende Überhöhungen des Herrschers sind hauptsächlich auf die frühen Briefe an Ioannes VI. Kantakuzenos beschränkt, welcher wie der über allem thro nende Zeus seine Feinde besiegt, den Kydones indirekt kultischer Ehren •
295 T 7 = L 6, Z. 40-42. 296 Tinnefeid, 1 98 1 , 1 2 1 , Anm. 26, weist bereits daraufhin, daß sich die genannten "gro
ßen <Mysterien>" auf Eleusis beziehen; er hält es darUber hinaus für möglich, daß hier eine Anspielung auf die Parusie des Menschensohnes nach Lk 1 7,24 vorliegt: "Denn wie der Blitz blitzend leuchtet von einem <Ende> unter dem Himmel bis zum anderen <Ende> unter dem Himmel, so wird der Sohn des Menschen sein an seinem Tag." Vgl. den Satzanfang wumQ yaQ Tj aU1:Qcx11T] aU1:QtX111:0UUCX mit ibflV aQf1:T]v .. , au1:QtX 111:0UUCXV. 297 V gl. Alftildi, 1 934, 36. 298 Zur Prokypsis vgl. Treitinger, 1 956, 1 12-1 20, bes. 1 1 4 mit Anm. 335.
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rur würdig erklärt, den er in mystischer Schau zu erblicken hofft und des sen rettende Ankunft er w ie das Kommen des Asklepios herbeisehnt. e) Herausgehobene Stellung des Herrschers Ein Grundzug des Konzeptes herrschaftlicher Sakralität besteht darin, daß der Herrscher aufgrund göttlicher Machtverleihung aus der Masse der "normalen" Menschen herausgehoben ist. In archäologischen Zeugnissen von frühester Zeit an manifestiert sich der Abstand zwischen Herrscher und Untertanen durch eine entsprechende Disproportion in der Darstel lung der Größenverhältnisse. Als Beleg rur die altorientalische Kultur mag hier nur auf die berühmte Stele des Naramsin von Akkade aus dem 23 . Jahrhundert v. ehr. verwiesen sein: der Herrscher überragt alle anderen allein durch seine Länge. Die besondere Gottesnähe des Königs im Alten Testament verdeutlichen etwa die Psalmen 2, 2 1 und 1 1 0. Im �riechisch römischen Kulturkreis ist das Phänomen allenthalben geläufig 99 und hat nachhaltige Auswirkungen auf d ie mittelalterliche Vorstellungswelt im westlichen und östlichen Mittelmeerraum30o • Bei der Suche nach entsprechenden Belegen hat man m ithin n icht nur solche Aussagen zu berücksichtigen, in denen durch die Parallelisierung des Regenten mit anderen, als "heilig" charakterisierten Führungspersön lichkeiten oder göttlichen Gestalten eine intendierte Divinisierung klar zu tage tritt, sondern auch Passagen, in denen losgelöst von solchen Bezügen ein Abstand zwischen Untertan und Herrscher konstatiert oder thema tisiert wird. Man ginge sicherlich zu weit, wenn man in jeder dieser Äuße rungen nun Relikte einer diffusen autochthon-paganen, sei es keltisch-ger manischen oder gotisch-slawischen Vorstellung vom Sakralkönigtum er-
299 Vgl. dazu Cain, 2002, 1 23 : "Es dürfte wohl kaum einen hellenistischen König oder 300
römischen Kaiser gegeben haben, der sich durch seine besondere Nähe zu den Göttern nicht von den Menschen abgehoben hätte." Zum mittelalterlichen Westen s. etwa Schütte, 2002, 1 72; zu Byzanz s. Matschke, 2002, 1 48, und McCorrnick, 1 99 1 , OOB 1 , 692: "The emperor was distinguished from his subjects (dou/oi) by his seclusion in the palace and his way of Iife . . . ; by a sacral status inherited from the imperial cult; by his use of purple and gold ... , ceremony, and insignia; and by a sanctity indirectly derived from the cult of Constantine l and the commemoration of his successors in the Synaxarion o[ Constantinop/e". Vgl. auch Engemann, 1 988, RAC 1 4, 967 f, der die Tradition griechisch-römischer Herrscher ikonographie durch den mit Konstantin d. Gr. markierten Einschnitt nicht wesentlich verändert sieht; v.a. werde "gerade jene Auffassung des von den übrigen Menschen in weitem Abstand isolierten, Ober Beherrschte wie Besiegte hoch erhabenen Kaisers weitergeftlhrt und noch erheblich ausgebaut".
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blicken wollte, die gleichsam als unterbewußtes kulturelles Substrat auf diese Weise ihre Auswirkungen zeitige30 ' . In ihnen kommt ein Grundcha rakteristikum der Sakralitätsvorstel lung zum Ausdruck, das aufgrund sei ner A llgemeinheit schwer zu verorten ist und schließlich einer solchen Festlegung auch nicht bedarf, da sie diesem universalen Charakter kaum Rechnung tragen würde302 . Ein Topos, der in d iese Richtung geht, ist die Bezeichnung des Herr schers als Vorbild flir seine Untertanen303 . Al lerdings können viele Per sönlichkeiten wie beispielsweise Heilige, erfolgreiche Feldherren oder Kirchenlehrer und andere eine solche Vorbildfunktion ebenfalls zugespro chen bekommen; es handelt sich hier also sicher nicht um ein Spezifikum sakraler Herrschaftskonzeption. Etwas ganz anderes ist es, wenn in der er sten Hälfte der 1 370er Jahre Kydones sich in einem Brief an Manuel II. Palaiologos flir eine ihm von seiten des Kaisers widerfahrene Ehrung be dankt, eine Ehrung n icht nur vom Senat oder der Stadt, aMa 1t:aQa ßa av\EWC;;, DU mxV'ra tAa.'r'rw "sondern von einem Kaiser, dem alles zu Füßen liegt,,304 . Kydones rechne sich zu den Glücklichsten, da eines Kai sers Votum ihn ausgezeichnet habe, -
7t:lxQ ' Tje; Kai. V6�0le; KQl.l-tOe; Kai. ÖLKCUe; 7I€Qae; Kai. 't'WV EV av8Q(�mOle; a�
-
den Händeln der Menschen untereinander ihre Grenze setzt, das keine Appel lation und kein Urteil außer Kraft setzt."
3 01 3 02
3 03
Vgl. zu diesen Einflüssen die Ausftlhrungen von Anton, 1 995, LMA 7, 1 263-1 265. Vgl. dazu auch Erkens, 2004, RGA 26, 220: "Angesichts dieser starken Verschmel zung von heidnisch-antikem und jüdisch-christlichem Gedankengut und unter Berück sichtigung der Tatsache, daß Aufzeichnungen über sakrale Elemente germanischer Kö nigsherrschaften oft erst in christlicher Zeit erfolgten, läßt sich häufig nicht eindeutig entscheiden, ob diese Elemente eher christlichen oder paganen Ursprungs waren und wenn die heidnische Herkunft sicher ist - ob sie in einer germanischen oder antiken Tradition standen." Von daher ist auch die Feststellung von Lilie, 1 994, 8, der "helle nistisch-orientalische Gedanke des Gotteskönigtums" sei es, der "den Kaiser weit über seine Umgebung hinaushebt", zu eng geftlhrt. Zum Kaiser als naQabnY !la vgl. T 7 L 6, Z. 22 f (Ioannes VI. Kantakuzenos als Vorbild ftlr die Untertanen in allem Guten); T 8 L 7, Z. 20 (Ioannes VI. als Vorbild ftlr die anderen; Z. 38 f: hinsichtlich der Tugenden ist er ftlr alle ein "Wahrzeichen", UlJ!lß0'\ov; TinnefeId, 1 98 1 , 1 22, übersetzt auch hier mit "Vorbild"); T 5 1 L 89, Z. 5 (Ioannes V, Palaiologos als Vorbild gerühmt); T 2 1 3 L 220, Z. 29 (Manuel 1 1 . Pa laiologos als ein Vorbild an Tugend). In den Fürstenspiegeln ist der Topos vom Kaiser als Vorbild verbreitet, vgl. Hunger. 1978, Bd. I , 1 6 1 . S . T 0 1 96 L 1 92, Z . 1 3 . =
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3 04
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Damit habe er einen Freund, "der an Würde alle übertrifft"
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EXW ..
.
Zwei Gedanken kommen h ier deutlich zum Ausdruck, einmal, daß der Kaiser alle anderen Menschen überragt, zum anderen, daß der Kaiser das Gesetz nicht nur selber verkörpert, sondern sogar über ihm steht. Beim er sten Punkt drängt sich erneut d ie Frage auf, ob Kydones hier vom Kaiser tum schlechthin oder nur von der Persönlichkeit Manuels 11. spricht, zu mal es im Kontext des Briefes wieder einmal um die hohe Bildung Manu eis gehe06 . Ist es n icht vielmehr seine geistige Begabung, die ihn über alle anderen erhebt, als das Innehaben des kaiserlichen Amtes? Auch wenn Kydones in den frühen Briefen an Ioannes VI. Kantakuzenos dessen Milde rühmt, trotz seiner "hervorragenden Stellung,,307 , oder schreibt, der Charakter des Kaisers sei "allem gewohnt Menschl ichen" unähnl ich308, ist d ie geäußerte Vermutung schwer von der Hand zu weisen. In dieser Rich tung sind auch zwei weitere Aussagen mit Bezug auf Manuel 11. zu in terpretieren. Ein B rief aus dem Spätsommer 1 3 83 thematisiert die Belarce rung Thessalonikes durch die Türken und schließt mit den Worten 09 : "Soviel wie alle zusammen aber wiegt an Bedeutung der Kaiser, der alle übertrifft, und so glaube ich, daß allein mit Rücksicht auf seine gute Ge sinnung Gott den Ansturm der Barbaren, der alles bedroht, aufhalten wird, so daß , was die anderen leisten, dagegen ein Schatten ist." Löst man den ersten Tei lsatz mxv't'Cuv b' dc; av't'a�loc; 6 71av't'ac; naQEvEYKWV ßaau\Euc; aus dem Zusammenhang, klingt die Aussage allgemeingültig; beachtet man hingegen in der Fortsetzung den Verweis auf die gute Gesinnung des Kaisers und den ganzen Kontext des Briefes, wird deutlich, daß Kydones dabei vor allem Manuel 11 . vor Augen hat. Im Frühjahr 1 3 87, nach der Eroberung Thessalonikes durch d ie Türken, bemerkt Kydones mit Blick auf Manuel 11., diesen Schicksalsschlag hätten "gewöhnliche Menschen" (ol 't'uXOV't'EC;) nicht ertragen können3 1 O . Auch hier scheint mir Kydones n icht so sehr den Gegensatz zwischen dem Kaiser als Amtsträger und den Untertanen unterstreichen zu wollen als vielmehr den Unterschied zwischen der herausragenden Persönlichkeit -
-
]05 ]06 307 308
Ebd. Z. 32-36. Vgl. ebd., Z. 1 0- 1 5. So tlbersetzt TinnefeId 'ra TIAEOVEKulflcx'tcx, T 3 L 1 1 , Z. 19. Vgl. T 5 L 1 2, Z. 6 1 f: OÜ'tE yaQ 'ta ua u6bQcx 'toie; av8QWTILVOL!;; EU'tlV =
=
EOLKmcx.
309 T 259 L 248, 34-37. 31 0 T 342 = L 348, Z. 14. =
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Manuels 11. und der gewöhnl ich zu beobachtenden Schwäche vieler Men schen, wenn es darum geht, Unglück tapfer zu ertragen. Andererseits verwendet sich Kydones in einem ausführlichen Brief an Manuel 11. für einen gewissen Asanes, der sich in Gegenwart des Kaisers zu einem Zornesausbruch über einen den Herrscher selbst mittelbar an greifenden Lästerer hatte h inreißen lassen und dem Kaiser indirekt Schwäche vorgehalten hatte, wei l er nicht eingeschritten sei, und schreibt in d iesem Zusammenh ang3 I I : aMa f.l�v 'tWV ßamMwv uf.lwv avEU EUq>fJ f.l la<;; Kat 'tfi<;; f.lEylU'tfJ<;; OUbE 'tWV Ovof..ux:rwv El;WTL f.lVfJ f.l0VElJELV, 'toaaü't ' cl7tEXEL q>oQfJ'tOV dvaL 't0 bUUXEQE<;; 'tL KaS ' Uf.lWV cl7tOQQL7t'tELV. - "Aber freilich, bei euch
Kaisern darf man ohne lobende Rede, und zwar die ausgesuchteste, nicht ein mal die Namen erwähnen; so fern des Erträglichen ist es, etwas Ungebührl i ches gegen euch verlauten zu lassen ! "
Hier wird eine allgemeine, die Kaiser schlechthin betreffende Verhaltens regel formuliert, die einschärft, daß man mit Kaisern nicht umgehen dürfe wie mit j edermann. Schon allein der kaiserliche Name darf nicht unge bührlich verwendet werden, was an das entsprechende biblische Verbot aus dem Dekalog, den Gottesnamen zu verunehren, erinnert3 l 2 • Mit einem weiteren solchen "allgemeinen Gesetz" läßt Kydones den bereits zitierten Brief an Kaiser Ioannes VI. Kantakuzenos in Thrakien aus dem Sommer 1 345 beginnen3 l 3 : Kat vOf.lo<;; cl7taL'tEl SEio<;; Kat � KOLV� ßoUAE'taL q>um<;; ßamAEümv &7tam 7taQoüm f.lEV 'ta<;; YLvoflEva<;; cl7tO�HMvaL T LfltX<;;, cl7tOV'tWV bE flE't ' EUq>fJflLa<;; flEflvfiUSaL. - "Ein göttliches Gesetz verlangt und die allge
meine Natur will es so, daß man aIlen Herrschern, wenn sie anwesend sind, die schuldigen Ehren erweist, der abwesenden aber mit l obender Rede ge denkt."
Der Abstand zum und der damit nötige andere Umgang mit dem Kaiser wird h ier mit Verweis sowohl auf d ie natürliche Ordnung als auch auf göttl iches Recht sanktioniert. Es wird gleich darauf zurückzukommen sein; zuerst jedoch soll noch kurz auf den zweiten Punkt eingegangen werden, die Stellung des Kaisers über dem Gesetz. D ieser Gedanke bezieht sich nicht nur auf die Persön311 312 313
S . T 200 = L 2 12, Z, 50-53. Vgl. Ex 20,7: "Du sollst den Namen JHWHs, deines Gottes, nicht zu Nichtigem aus sprechen ..." T 8 = L 7, Z. 4-6.
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I ichkeit Manuels 11., sondern ist bereits in der Tradition der byzantini schen Kaiserideologie verankert 3 1 4 • Das wird auch bei Kydones selbst deutlich, der, ebenfalls in einem Brief an Manuel 11., vom Kaisertum schlechthin spricht, das nicht "durch Furcht vor den Gesetzen einge schränkt" sei3 l 5 • Und doch ist es wohl kein Zufall, daß die Erhebung eines Kaisers über das gesetzte Recht auf die zwei erwähnten Passagen be schränkt bleibt und somit innerhalb des Briefcorpus eher eine Ausnah mestellung innehat. Kydones, der auch vor d irekter Kaiserkritik keines falls zurückschreckt, kann in anderen Zusammenhängen sehr deutlich werden, wenn ein Kaiser nicht das tut, was er gerechterweise zu tun ver pflichtet wäre3 \ 6 . Manuel II. gegenüber kann er sich schmeichelnde Aus sagen erlauben, da speziell d ieser Kaiser gerade durch seine Gerechtig keits- und Tugendliebe in den Augen seines ehemaligen Lehrers auch außerhalb der Gesetze stehend nichts tun würde, was den Gesetzen wider spräche3 1 7 • Das bestätigt ebenfalls der zuletzt zitierte Brief, wenn Kydones zwar einerseits behauptet, daß das Kaisertum, frei von j eder rechtlichen Beschränkung, Leichtsinnige dazu verleiten könne, sich mehr dem luxu riösen Lotterleben als der Bildung zu widmen, andererseits aber im sei ben Atemzug hinzufügt, daß solche Abwege natürlich auf Manuel selbst eben gerade nicht zuträfen3 \ 8 . Somit wird man d iesen Gedanken in den Kydo nesbriefen nicht überbewerten dürfen . 3 14 Der Gedanke wird oft mit der Forderung verknüpft, sich deshalb gerade besonders an die Gesetze zu halten, was in kaum überbietbarer Knappheit Agapetos im 27. Kapitel seines FUrstenspiegels (Riedinger, 1 995) so formuliert (zitiert nach der Übersetzung von Blum, 1 98 1 , 67): "Zwinge dich selbst dazu, die Gesetze zu bewahren, da du ja nie manden auf Erden hast, der dich dazu zwingen könnte." Vgl. auch Treitinger, 1 956, 2 1 5 f und Beck, 2 1 994, 8 1 , der dazu scharfsinnig bemerkt, daß gerade die Durchset zung des Anspruchs, über allem Gesetz zu stehen, den Kaiser erst recht immer wieder zu Arrangements mit den von ihm Beherrschten gezwungen habe. Lilies und Dagrons Überlegungen gehen in die gleiche Richtung, wenn sie schreiben: "Angeblich war der Kaiser den Gesetzen nicht unterworfen. Aber Verstöße gegen sie und gegen die öf fentliche Moral durfte er sich nur erlauben, wenn seine Position stark genug war" (li lie, 1 994, 1 1 7), bzw. Dagron ( 1 996, 39): "Ce n'est donc pas le pouvoir qui est legitime, c'est celui qui se I'approprie qui peut le devenir en choisissant de respecter la loi . . . En bref, la legitimite passe par une conversion a la legalite." Auf Dauer kann eine Rechts ordnung letztlich nur dann Bestand haben, wenn sie von beiden Seiten, vom Herrscher wie von den Beherrschten, anerkannt und getragen wird, vgl. Berges, 1 938, 2 1 . 31S Vgl. T 265 = L 262, Z. 62 f. 31 6 S. dazu unten. 3 17 Vgl. auch die Beschreibung Manuels II. in dem eingangs zitierten BriefT 435 = L 43 1 , Z. 12 f: "Du bist den Leidenschaften nicht ergeben und kannst dir ein Leben ohne ' Gerechtigkeit und Gesetze nicht einmal vorstellen .... " 318 Vgl. T 265 = L 262, Z. 59-64.
IV.
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Zurück zum Topos der herausgehobenen Stellung des Kaisers. Wie be reits angedeutet, lassen sich manche Stellen, die diesen Gedanken aufgrei fen, auf d ie herausragende Persönlichkeit eines bestimmten Kaisers bezie hen, während andere offenbar AlIgemeingültigkeit beanspruchen. In eini gen Fäl len wird man auch davon ausgehen müssen, daß Kydones trotz ei ner allgemein gehaltenen Formulierung dabei einen einzelnen Herrscher im Auge hat. Zu einem etwas eindeutigeren Ergebnis gelangt man, wenn man Passagen hinzuzieht, in denen die dem Topos inhärente Dialektik ex plizit zum Ausdruck kommt, wenn also nicht nur die herausgehobene Stellung des Herrschers im Blick ist, sondern diese auch mit der unter geordneten Stellung der Übrigen, der Untertanen, kontrastiert wird. Nach der Eroberung Thessalonikes (Herbst 1 3 87) schreibt Kydones einen Brief an Manuel H., der sich irgendwo im kleiriasiatischen Herrschaftsbereich der Osmanen aufhält. Es geht um das unter Freunden beliebte Thema "Mahnung zum Briefschreiben", doch wird dem Leser bald klar, daß dann, wenn einer der beiden Briefpartner ein Kaiser ist, die Angelegenheit etwas heikler ist und vorsichtiger behandelt werden muß als sonst. Wenn der Kaiser einmal keinen Antwortbrief schickt, so würde er, Kydones, ihn dafür niemals tadeln, da er von der Zuneigung Manuels auch so überzeugt sei; und er fährt fort3 1 9 : Kai. f-l�V Kai. '[0 '[OÜ ßamMwc:; a#wfla ,[lva OUK arW'[QEtjJw:V rua av'[ '
ai.n:lv, Ö Kai. 7taQa '[WV OflOlWV a7taL'[ouflEVOV uacj>�c:; av EboE,EV aYQOLKla; [ cj> ' U f-lWV yaQ YQacj>ov'[wv f-lEV �fläc:; bEL bExwSaL ,[�v n flrlv, aLW7twv'[wv bE '[r:i '[wv aQXov'[wv Ell<:E LV U 7tEQ oxr:i, Kai. f-l� ,[�V Of-lOlav aV'ra7tat'rElV Kai. � fläc:; af-lOLßrlV' '[(x f-lEV yaQ 7taQ ' � f-lWV 7tQOC:; uf-läc:; ocj>E tArl, '[a bE 7taQ' Uf-lWV � f-llV XaQ Ln bEL 7tQounS EVat. "Wen rUWV
-
würde zudem der Rang eines Kaisers nicht davon abschrecken, Gleiches rur Gleiches zu fordern, zumal es sogar bei Menschen gleichen Ranges als offen sichtliche Taktlosigkeit empfunden würde? Wenn ihr also schreibt, haben wir dies als Ehrung entgegenzunehmen; schweigt ihr aber, ha ben wir uns der überlegenen Stellung der Herrscher zu fUgen und nicht eine gleiche Gegengabe zu fordern. Denn euch gegenüber stehen wir in der Schuld; was aber ihr uns anbietet, ist eurer Gunst zuzuschreiben."
Ganz ähnl ich heißt es in einer inhaltlich diese Passage wieder aufnehmen den Stelle320 :
3 19 320
T 352 = L 367, Z. 8- 13. T 3 7 1 = L 391, Z . 24-26, an Manuel 1 1 . auflemnos.
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�bElV yaQ we; oubEVt ßauLAEl)(; clflOLßae; YQaflflcX"[WV oq> dA E l. "[QÜ"[Q yaQ TJflwV flEV dvaL "[wv 7toAAwv 7tQoe; aAATJAoue; "[0 b LKaLOv. - "Denn
ich wußte, daß der Kaiser niemandem eine Antwort auf einen Brief schuldet, weil dies ein Recht ist, das fiir uns gewöhnliche Leute untereinander gilt . . .
"
Ansehen und Machtposition des Kaisers d:�Lw�a bzw. unEQoxi] ver leihen diesem eine besondere Stellung, durch die er sich von anderen Menschen, den ,,vielen" OL noMoL , unterscheidet, und die ihm Son derrechte verschaffi. Es ist offenkundig, daß Kydones h ier eine Grundge gebenheit zur Sprache bringt, die für ihn tatsächlich allgemeine Gültigkeit beansprucht. Diese Sonderstellung bezieht sich nicht allein auf das Amt des Kaisers, sondern auf die Herrschenden aQXovuc;; überhaupt, stellt für Kydo nes somit einen Grundzug seiner Vorstellung von herrschaftlicher Sakrali tät dar. Das wird auch aus einem Brief an den Despoten Theodoros I. Palaiologos in Mistra (Herbst 1 3 89) deutlich, wo dasselbe Thema verhan delt wird. Theodoros brauche sich nicht zu entschuldigen, daß er Kydones n icht geschrieben habe, denn man könne nicht dasselbe wie von Freunden auch von den Herrschern verlangen32 I : -
-
-
-
-
-
"[a yaQ 7taQa "[WV flEYlU'rWV Kat flEYMOLe; oq>ELAE"[al, "[ale; b ' OU7tEQ TJflEle; "[E"[aYflEvOLe; flEya "[0 Kat XWQav TJfllV dvat 7tE7tElu8aL 7taQa "[,;j "[oü t:XQxov"[oe; flvTJflTJ. "Denn das, was die Größten zu geben haben, wird -
auch Großen geschuldet. Denen aber, die dorthin gehören, wo wir sind, bedeutet es schon viel, wenn sie überzeugt sein können, im Gedächtnis des Herrschers einen Platz zu haben.,, 3 22
In den meisten Fällen geht es allerdings um den Unterschied zwischen dem Kaiser (ßaatAEuc;;) und dem "einfachen Bürger" ( lbLW'tT)C;;)32 3: Wenn Manuel 11. seine eigenen Schriften "Obolen", die des Kydones hingegen "Talente" nennt, dann sei ein solches Lob ungleich viel höher einzuschät zen, als wenn es aus dem Mund eines "einfachen Bürgers" gekommen wäre32 4 ; so wie die Stellung Ioannes' V. Palaiologos die der anderen über32 1 3 22 123
3 24
391 = L 42 1 , Z. \ 0 f: ou blKaLOV bw7tO'rwv UflwV CtnaL'rEiv.
T
ä
naQCt 'rwv <j>lAwv, mÜ'ra Kai naQCt ,,[(LlV
39 1 = L 42 1 , Z. 1 1 - 1 3 . Hier ist vielleicht eine leichte Verschiebung in der Sicht auf das Verhältnis zwischen Kaiser und Untertan zu beobachten, wenn man bedenkt, daß traditionell eher das Oppositionspaar �amAEuc;; - boüAoC;; in Anschlag zu bringen ist, vgl. dazu Treitinger, 1 956, 228. Vgl. T 385 = L 401 , Z. 9- 1 1 .
T
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ragt, so sollten auch die kaiserlichen Geschenke die Gefälligkeiten der "einfachen Bürger" übertreffen325; wenn subalterne Beamte die Anwei sungen des Kaisers nur schleppend ausfuhren, so solle er sie lehren, was ein Kaiser und was ein "einfacher Bürger" ist, damit sie lernen, "vor den Anordnungen eines Herrschers zu erschauern,,326 ; der Kaiser verwende in seinen Urkunden eine Tintenfarbe, welche "den einfachen Bürgern" zu gebrauchen n icht gestattet seim. Der andere Umgang mit dem Herrscher kann sich natürlich auch in den Vorschriften des höfischen Zeremoniells äußern, jedoch finden sich in den Kydonesbriefen so gut wie nie Hinweise darauf2 8 . Es gibt allerdings eine, noch dazu sehr bemerkenswerte Ausnahme, und zwar eine wohl aus dem Herbst 1 3 89 stammende, unadressierte Notiz - also kein Brief, und doch im Briefcorpus mit überl iefert _329, in der Kydones einen ihn offensicht lich stärker beschäftigenden Traum niedergeschrieben hat. Dieser Traum handelt von einer Audienz bei Kaiser Ioannes V. Palaiologos, und man kann - unter Vorbehalt - auf einige Elemente im höfischen Umgang mit dem Herrscher schließen, wie beispielsweise eine Person, die den Betref fenden zum Kaiser einfuhrt, vorgeschriebene Anredeformeln, Proskynese und Erwartung der kaiserlichen Anrede im Stehen. Auf die seit früh byzantinischer Zeit übl iche Proskynese vor dem Kaiser330 kann man auch indirekt aus einem Brief an die Kaiserin Helene Palaiologina33 1 oder aus einer Bemerkung in einem Brief an Georgios Synadenos Astras schlie ßen332, obwohl Kydones an anderer Stelle einmal urteilt, eine so tiefe Ver ehrung komme weder Kaisern noch Satrapen, sondern allein Gott zu333
J25 Vgl. T 0406 = L 349, Z. 27 f. 326 Vgl. T 0224 = L 2 1 5, Z. 2 1 -24, besonders Z. 22 f:
Kai )Ja8E'[wuav
3 27 3 28
J 29 330 331 JJ 2 m
lich ist dieser Brief ebenfalls an Ioannes V. Palaiologos gerichtet, vgl. dazu die Über legungen von Tinnefeid zur Stelle. T 33 1 = L 346, Z. 13 f; hier abweichend von Tinnefeid Ubersetzt . (Tinnefeid, 1 999, 298: "welche wir Untertanen ... nicht verwenden dUrfen"). Vgl. Lanczkowski, 1 990, 324, der in Bezug auf das Königtum allgemein schreibt: "Mit numinoser Scheu umgibt ihn [sc. den König] das höfische Zeremoniell, zu dem Pros kynese, Saumküssen und oft Verbote gehören, dem Herrscher ins Antlitz zu sehen und ihm beim Entfernen den RUcken zuzukehren." Treitinger, 1 956, 50 ff, zieht rur Byzanz zahlreiche Parallelen zwischen höfischem Zeremoniell und christlicher Liturgie, doch die Kydonesbriefe liefern daftlr keine Hinweise. Bei Tinnefeid unter der Nummer T 390 ( L 41 1 ) angeftlhrt. Vgl. dazu Treitinger, 1956, 84-90; Wessei, 1 970, 95. Vgl. T 1 13 = L 1 34, Z. 1 5 f. Vgl. T 44 = L 46, Z. 1 7. Vgl. T 041 4 = L 408, Z. 9- 1 1 . =
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ein scheinbarer Widerspruch, der aber auf die unterschiedlichen Bedeu tungsgehalte des Verbums nQoOlwVELV zurückgeführt werden kann334 . Die herausgehobene Stellung des Kaisers kommt schl ießlich auch noch durch einige B i lder und Vergleiche zum Ausdruck, die Kydones hier und da verwendet. Der Kaiser mag ja seine guten Gründe haben, sich trotz kritischer Zeiten nicht in der Hauptstadt aufzuhalten, so heißt es einmal . "Was aber unsere, der großen Menge, Meinung betrifft, so gilt uns der Herrscher als die Seele seiner Untertanen, und wenn er lange von ihnen entfernt ist, hat die Seele den Körper verlassen, und die Abgetrennten lie gen wie Tote darnieder und sind fortan zu nichts mehr zu gebrauchen.,,335 Zu dem ungewöhnlichen Ausdruck "Seele seiner Untertanen" verweist TinnefeId auf Nikephoros Blemmydes, der den Kaiser als Geist (VOUC;) der Untertanen bezeichnet336 • Viel leicht dachte Kydones auch an Isokra tes' Areopagitikos, wo die nOAl'rElLX als tfUXT] n6M:wc; bezeichnet wird 337 • Wie bei Isokrates die noAln:ta die "Seele" der n6AlC; ist, so wäre bei Kydones der Kaiser als höchster Repräsentant der gesamten noAl'rl:ta die "Seele" der Untertanen338 • Dieses starke B i ld vom Kaiser als belebende Seele, ohne die das ganze restliche Gemeinwesen lediglich ein Leichnam wäre, wiederholt sich noch einmal, kürzer gestreift, im Hin blick auf die (ehemalige) Kaiserin Helene Palaiologiml, "die, solan�e sie unter uns weilte, gleichsam die Seele unseres Gemeinwesens war,,33 . Das übrige, was in d iesem Zusammenhang noch anzuführen ist, sind relativ kurze und von daher auch nicht sonderlich herausstechende Bemerkun gen; einmal wird Ioannes VI. Kantakuzenos mit der Sonne in Zusammen-
334 VgI. dazu Treitinger, 1 956, 86, mit Anm. 1 97. Zu den verschiedenartigen Ausfilhrun 335 336 337 3J 8
339
gen der Proskynese und ihrer gesamtgesellschaftlichen Verbreitung s. McCormick, 1 99 1 , ODB 3, 1 738 f. T 204 = L 222, Z. 5-8, vgI. v.a. Z. 5 f: & bio �lllV bOKEt 'rOle; noMoü;, 'rGV iiQXov'rCl 'rOle; aQxoIlEVOle; aV'rL \(Juxije; dvCIl vOllll;0/lEv; hier auch wieder der Gegensatz zwischen dem Herrscher und den "Vielen". TinnefeId, 1 99 1 , 1 57. Isokr. or. 7, 14: run yaQ \(JUXT] noAEwe; oubiov f'l:EQOV � nolmElCl, 'rouCllhTJv EXOUUCI bUvClIlLv, öOTJvnEQ EV uWIlCln CPQOVTJULe; . Im Hintergrund könnte ebenfalls die stoisch-monistische Auffassung von Gott als Weltseele stehen (vgI. Aug. civ. 4, 12; 7,6 und 1 3, v.a. das Bild in 7,23), was der Stelle einen sakralen Zug verleihen wUrde (Parallelisierung von Kaiser als belebende Seele der Untertanen und Gott als belebende Seele des Weltalls). Der Brief datiert etwa um 1 3 8 1 und ist vermutlich an Manuel 11. gerichtet (vgI. dazu die Überlegungen von TinnefeId zur Stelle). T 442 = L 222, Z. 137 f: ... 'ri]v EWe; Il iov nClQijv aV'rL \(Juxije; YEvollEvTJv 'rOle; nQcXYIlClUL . . .
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hang gebrache40, ein andermal das "allgemeine Glück" genannt34 I , und einmal fällt die Aussage, Manuel 11. sei unter den Menschen das, was un ter den anderen Geschöpfen der Löwe ise4 2 . Mag somit für Kydones auch die weit über die Untertanen herausgeho bene Stellung des Herrschers ein selbstverständliches Faktum sein, so ist es doch erstaunlich, daß dieser Unterschied nur ein einziges Mal an deutungsweise religiös motiviert wird343. Darüber hinaus wird nur noch einmal, allerdings auf Umwegen, das Verhältnis zwischen Untertan und Herrscher mit der Beziehung eines Gläubigen zu Gott verglichen. Es han delt sich um die Fortsetzung des oben zitierten Briefes an den Despoten Theodoros I . Palaiologos in Mistra344 . Theodoros, so Kydones, solle doch davon ablassen, sich selbst dafur zu entschuldigen, daß er ihm nicht ge schrieben habe, denn sonst müsse er noch fast vermuten, der Despot wolle ihm durch diese Entschuldigung versteckt einen Vorwurf machen, nämlich den, daß er, Kydones, dem Despoten nicht geschrieben habe. Denn wie man nicht erwarten könne, daß Gott umhergeht und die Men schen auffordert, zu i hm zu beten, sondern selbstverständlich die Men schen sich mit ihren Anliegen von sich aus an Gott zu wenden haben, Gott also nur schweigend zu warten und die Gebete zu erhören brauche, so wäre es auch fur den Despoten undenkbar und unziemlich, Kydones direkt zu tadeln und zum Schreiben aufzufordern, weshalb er es also vielleicht versteckt versuche34 5. Kurz gesagt lautet der Vergleich: Man muß genauso 340
34 1 34 2
343 344 345
T 5 L 1 2, Z. 55 f. Es handelt sich um einen seit der Antike wichtigen und auch in der byzantinischen Panegyrik geläufigen Topos, vgl. Grilnbart, 2005, 1 44 f; Dennis, 1 997, 1 34; Hunger, 1 989, 33: "Der Vergleich Kaiser-Helios war in Byzanz so beliebt, daß die gesamte rhetorische Literatur, alle Kaiserreden, aber auch die Briefe und Gedichte an den Kaiser, von der Helios-Metapher gleichsam ilbersät sind." Gemessen daran geht Kydones mit diesem Vergleich sehr sparsam um. T 18 L 87, Z. 8 f: � KOLVT] ElJ'Wxla. T 356 = L 373, Z. 1 1 f. Vgl. den oben zitierten (S. 77) Brietbeginn von T 8 L 7, Z. 4-6. T 3 9 1 = L 42 1 . TinnefeId, 2003, 1 3 1 , Ubersetzt die entsprechende Passage mit: "Es ziemt sich aber für Gott nicht, umherzugehen und sich die <Menschen> auszusuchen, die er erhören <will>, sondern er hat nur schweigend zu verharren und auf die Gebete zu hören", und vermerkt dazu (ebd. 1 33 f, Anm. I): "Die Vorstellung, daß Gott nur schweigend Ge bete der Menschen entgegennehme, ohne ihnen seinerseits entgegenzukommen, er scheint als Aussage eines Theologen wie Kyd. befremdlich. Er will damit jedenfalls sagen, daß Theodoros zu Unrecht versteckte Vorwürfe gegen säumige Briefschreiber erhebe und in gleicher Weise wie Gott schweigend zu verharren habe." M.E. ist in dem Halbsatz aMa bEi floVOV Ka8�flEvoV ULwnf,] '[wv EUXWV aKQoäa8m (Z. 20 f) bEi jedoch nicht so aufzufassen, daß Gott nach Kydones' Ansicht ausschließlich zum schweigenden Anhören der Menschengebete mit Notwendigkeit verurteilt sei, sondern =
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IV.
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als Untertan von sich aus einem Herrscher schreiben, wie man als gläubi ger Christ von sich aus zu Gott beten sollte, denn weder fUr Gott noch für den Herrscher ziemt es sich, ohnehin Geschuldetes aktiv einfordern zu müssen. Die Parallelisierung des Verhältnisses zwischen Gott und einem from men Menschen mit dem von Herrscher und Untertan fUhrt zwar noch ein mal sehr deutlich den großen Abstand vor Augen, der in Kydones' Vorstellung zwischen einem "Normalsterblichen" und dem Herrscher be steht, doch genau genommen wird auch hier dieser Abstand zwar anhand eines Vergleiches aus dem religiösen Bereich illustriert, aber nicht reli giös motiviert. Religiös motiviert wäre der Abstand dann, wenn die Aus sageintention nicht nur dahin ginge aufzuzeigen, daß zwischen Herrscher und Untertan ein großer Unterschied besteht, sondern zu erklären, daß der Herrscher aufgrund gewisser Ursachen wie beispielsweise aufgrund gött l icher Erwähl ung oder Salbung weit über andere Menschen erhoben ist. Das ist aber nicht der Fall. Liegt das einfach nur daran, daß Selbst verständliches nicht gesagt werden muß? Oder sol lte dieser Umstand da rauf zurückzuführen sein, daß sich die in der Tradition byzantinischer Kaiserideologie fest zusammengehörenden Bereiche von Heiligkeit und Macht allmählich voneinander abzulösen beginnen? Für so weitreichende Schlußfolgerungen ist die Zeit noch nicht gekommen, mag auch der folgende zu besprechende Punkt scheinbar in dieselbe Richtung weisen; es wird später darauf zurückzukommen sein. Jetzt soll es darum gehen, inwieweit und in welchen Zusammenhängen Kydones den Kaiser direkt als "heilig" bezeichnet. f) Der Kaiser: "hei lig"? - "göttl ich"? Das Ergebn is ist eine Überraschung. "Heilig", aYloc;, ist der Kaiser bei Kydones kein einziges Mae46 • Zunächst ist zu klären, ob dieser Befund al lein darauf zurückzufUhren ist, daß uns die Adressierungen der Kydonesdaß er in Kydones' Augen nur dies zu tun braucht, weil alles andere seiner Hoheit und Majestät nicht entsprechen würde. Wie Gott schweigt und darauf wartet, daß der Mensch zu ihm betet, so hat der Despot darauf gewartet, daß Kydones ihm schreiben wUrde, und auf das Ausbleiben eines Briefes von ihm ebenfalls geschwiegen und seine Erwartungshaltung Kydones gegenUber nur ganz versteckt zum Ausdruck gebracht. Gegen diesen angenommenen versteckten Vorwurf, daß er dem Despoten lange nicht geschrieben habe, versucht sich Kydones dann auch im Fortgang des Briefes ausfUhr lich zu rechtfertigen. 346 Zur Diskussion von T 277 L 80, Z. 4 fs.u. =
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briefe bis auf wenige Ausnahmen nicht erhalten sind. Es ist kaum anzu nehmen, daß die Briefe ohne eine vorangestellte Adresse verschickt wor den sind, und es wurde vorgeschlagen, ihr Fehlen darauf zurückzuführen, daß sie in den Abschriften der Briefe weggelassen wurde, weil diese le diglich für den eigenen Gebrauch bestimmt waren 347 • Das ist durchaus plausibel, da d ie wenigen erhaltenen Eröffnungsanreden, die den Charak ter einer Adressierung aufweisen, sich nur in denjenigen Kydonesbriefen finden, die in der überlieferten Form nicht auf das - sowohl als Autograph als auch in einer Abschrift seines Schülers Manuel Kalekas erhaltene Kopialbuch des Kydones zurückgehen. S ie sind kein einziges Mal an ei nen Kaiser gerichtee48, so daß die Untersuchung auf Herrscheranreden und -titulaturen basiert, die sich in den Initia und im laufenden Text der jeweiligen Briefe finden. Das Schicksal nicht überlieferter Adressierungen betrifft jedoch bei weitem nicht das Corpus der Kydonesbriefe allein, und abgesehen von diesem U mstand bieten die Briefanfänge und die Anreden innerhalb der Briefe genügend umfangreiches Material fur eine Analyse der diesbezüglichen Redekonventionen. Damit ist sowohl die Vergleich barkeit gewährleistet als auch die Materialfulle mehr als ausreichend, so daß ein verläßliches und aussagekräftiges Ergebnis darüber erzielt werden kann, in weIches Wortgewand Kydones seine Anrede an den Kaiser kleidet und inwieweit diese sich von der anderer Verfasser unterscheidet. Nun gibt es allerdings innerhalb des überlieferten Corpus einen Brief, i n dem Manuel 11. Palaiologos vom Verfasser eine prunkhafte Anrede er hält, i n welcher das Adjektiv "heilig" vorkomme49 : 'EI-lE Kat '(() XQEOC;
avaYKlll,;EL YQllCPELV Kat avacpEQE LV 'tfj KQa'ta� Kat aYtq ßaUL i\Etq uou - "Mich zwingt die Pflicht, zu schreiben und deiner gewaltigen, heiligen Majestät Bericht zu erstatten . . . " Diese Ausdrucksweise fällt aber
347
34 8
So Tinnefeid, 1 999, 261 , Anm. 2, auf: "Es ist anzunehmen, daß sich in den abgesand ten Briefexemplaren regelmäßig oder zumindest häufiger eine Anrede fand, die in der flIr den eigenen Gebrauch bestimmten Briefsammlung weggelassen wurde." Grtlnbart, 2005, 4 1 , weist ebenfalls darauf hin, "daß die uns überlieferten Briefllberschriften nicht den Originalzustand der Adresse wiedergeben". Vgl. dazu die Anrede zweier am Hof einflußreicher Persönlichkeiten mit "Hochverehr ter Kollege!" BEAnun: avbQwv in T 320 = L 36 1 , Z. 4 bzw. mit "Mein Hochver ehrter!" AQlU1'E avbQwv in T 04 1 2 L 406, Z. 3 (Ilberliefert nur in den drei Hand schriften B, 0, i); die Anrede an die Mönche Ioasaph und Theodoritos mit T(I-.llE 71(X't'EQ - "Ehrwllrdiger Vater" in T 04 12 L 406, Z. 3 und in T 0422 L 420, Z. 3; die Anrede an einen gewissen Paulus mit "Mein lieber Paulus" n XQT]U1'f TIaüAE in T 448 = L 439, Z. 5 und an Manuel Kalekas mit äQlun avbQwv "bester Mann" (hier nicht ganz am Briefanfang, aber im ersten Satz) in T 449 L 437, Z. 4. T 277 = L 80, Z. 4 f. -
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so aus dem Rahmen all dessen, was an Anredeformeln in den Briefen sonst - und gerade auch gegenüber Manuel 11. zu beobachten ist, daß sie Verdacht erregt350 . Dies hat bereits TinnefeId, den Herausgeber der deut schen kommentierten Ausgabe der Kydonesbriefe, einen der besten Ken ner der Materie, dazu bewogen, die Verfasserschaft durch Kydones zu be zweifeln, n icht nur aufgrund inhaltlicher, sondern auch aufgrund stili stischer Kriterien35 1 . Es b liebe zu fragen, wer dann als Verfasser dieses Briefes in Frage käme; daß er in die Sammlung der Kydonesbriefe geraten ist, erstaunt weniger, da er sowohl vom zeitgeschichtlichen Hintergrund her als auch bezüglich des Adressaten sehr gut von Kydones stammen könnte. Was die Situation der Handschriften betrifft, so ist der Brief T 277 CL 80) nach dem Herausgeber der kritischen Ausgabe des griechischen Textes Loenertz nur in einer Handschrift überliefert352 , was bei der Zahl von insgesamt 33 Loenertz damals bekannten Handschriften353 jedenfalls nicht dazu beiträgt, die Echtheit des Briefes zu untermauern. Mag man mit letzter Sicherheit hier vielleicht auch keine Entscheidung fällen können, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß im gesamten Epistolar des Kydones die Bezeichnung des Kaisers als "heilig" bis auf eine, noch dazu ungesicherte Ausnahme, nirgends vorkommt. Dieses Ergebnis gewinnt an Schärfe, wenn man bedenkt, daß die Hei ligkeitsanrede des byzantinischen Kaisers traditionell zum festen und un verzichtbaren Bestand der höfischen Umgangsformen gehört354 , wie dies in aller wünschenswerten Deutlichkeit Dagron zusammenfassend konsta-
350 Nicht nur das Adjektiv "heilig", auch die Bezeichnung "Majestät" kommt sonst nie in
diesem Kontext vor (nur noch einmal "heilige Majestät" im gleichen Brief, Z. 1 6). Vgl. auch Tinnefeid, 1 999, 1 48, Anm. I: "Soweit ich sehe, kommt die devote Anrede des Kaisers als 'gewaltige und heilige Majestät' ... in den Briefen des Kydones sonst nicht vor." J5I Tinnefeid, 1 999, 1 47 f: "Mag ... auch die Situation des Briefes einigermaßen klar sein, so möchte ich doch vorsichtige Zweifel an der Verfasserschaft des Kydones anmelden, einmal wegen der ungewöhnlichen Anrede des Kaisers, dann auch aus stilistischen Gründen: Die Sätze sind im Vergleich zum übrigen Epistolar des Kydones auffallend kurz ... 352 Vgl. Loenertz, 1 956, IV -XII. Es handelt sich um die Handschrift mit der Sigle B (Cod. Burneyan. 75 aus dem British Museum in London). m Vgl. Loenertz, 1 956, III f. , 354 Vgl. die Zusammenstellung der Briefanfilnge mit der Anrede äYl!: bzw. aYlW1:an: im Index byzantinischer Briefanfllnge von GrUnbart, 200 I , 2 f. Die Recherche über diesen Index ist etwas mUhsam, da nicht ersichtlich wird, welcher Adressat jeweils angeredet ist. Thematisch geordnet und nach Adressaten differenziert findet man einschlägige Belege bei Grünbart. 2005, 249 (rur die Kaiseranrede), dort allerdings nur rur den Zeit raum vom 6. bis zum 12. Jahrhundert. "
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tiert355: "Le qualificatif hagios est d'un usage general et obligatoire. Le refuser a I ' empereur, c'est considerer ce demier comme i llegitime, ou au moins comme abandonne de Dieu. Si les empereurs eux-memes ne partent pas de leur saintete, leurs correspondants et les documents officieIs qui les designent les appellent tres habituellement 'saints maitres' , 'saints em pereurs couronnes par Dieu ', etc. . . . " Treitinger schreibt lapidar356 : "Für das Vorkommen von äY lO� bedarf es, da es in der ganzen byzantinischen Zeit hindurch üblich ist, keiner Belege. Es begegnet fast bei jeder Nen nung des Kaisers." Als der Patriarch Joseph (gestorben 1 283) dem Usur pator Michael VIII. Palaiologos demonstrativ die äY lo�-Anrede vorent hält, reagiert dieser äußerst erzümt357 • An der Wende zum 1 4. Jahrhundert verwendet der Patriarch Athanasios in seinen Briefen an den Kaiser die äY loc;-Anrede noch regelmäßig, und bei der im 1 4 . Jahrhundert üblichen Krönungs- bzw. Salbungszeremonie des Kaisers spielt die dreimalige äY lo�-Akklamation eine zentrale Rolle358 • Wie sich bereits bei der Diskussion der Vergleiche des Herrschers mit Gestalten aus dem Alten Testament gezeigt hat, kann eine Person frei l ich auch der Sache nach als heilig gekennzeichnet sein, ohne daß sie expressis verbis "heilig" genannt werden müßte. Das Fehlen des Heiligkeitsbegriffs ist an sich schon auffällig, läßt aber zugleich die Frage aufkommen, ob es denn n icht einen oder mehrere äquivalente Begriffe gibt, die Kydones aus irgendeinem Grund anstelle des Adjektivs "heilig" verwendet. Ein Wort, das sich nach einer ersten Sichtung als Ersatz anzubieten scheint, wäre die Bezeichnung des Herrschers als 8ELO�, "göttlich". Aber s ind "göttl ich" und "heilig" semantisch äquivalente Begriffe? Die Ent scheidung, ob man "Göttlichkeit" und "Heiligkeit" als unterschiedliche oder als gleiche, sich zumindest gegenseitig ergänzende Vorstellungsmo delle anzusehen hat, hängt davon ab, was unter "Göttlichkeit" genauer zu verstehen ist. Für die vorliegende Fragestellung spielt eine entscheidende Rolle, ob 8 Elo� jemanden oder etwas als göttlich im strengen S inn oder nur als auf irgendeine Weise mit dem Bereich des Göttlichen in Bezie hung stehend kennzeichnet. Im zweiten Fall wäre der Begriffsinhalt mit dem von äY lO� in etwa gleichsetzbar, im ersten nicht. m
Dagron, 1 996, 1 65. Treitinger, 1 956, 43, Anm. 58 (vgl. auch ebd. 123). 3S7 S. Faillerl Laurent, 1 984, 639. Vgl. dazu Weiß, 1 980, LMA I, 1 054; Matschke, 2002, 1 6 1 mit Anm. 72. 358 Vgl. Treitinger, 1 956, 1 5 ; Dagron, 1 996, 283. Weitere Beispiele dazu s. im Kapitel V.7, S. 140 ff. m
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Die Beleglage zeigt, daß 8ELOe; so gut wie nie zur Kennzeichnung des göttlichen Wesens selbst verwendet wird. Göttlich ist alles, was entweder von den Göttern seinen Ursprung nimmt oder Göttern geweiht oder sonst irgendwie anbefohlen ist oder was aus dem gewohnt Irdischen oder Menschlichen so herausragt, daß es als in den göttlichen Bereich gehörend empfunden wird359 • Es gibt allerdings eine Art, das Adjektiv zu gebrau chen, die den angeftihrten Verwendungsweisen nicht entspricht, und zwar dann, wenn es um den nach dem Tode divinisierten Herrscher gehe60; hier bedeutet 8 ELOe; n icht "von Gott eingesetzt" oder "den Göttern geweiht" o.ä., sondern "vergöttl icht" bzw. "Gott seiend". Der Kaiser oder sonst ein herausragender Mensch als Gott, auf einer Stufe m it Gott Vater, Sohn und Hei ligem Geist, dies kommt fur das späte christliche Byzanz natürlich nicht in Frage36 I , was auch aus einer Stelle in den Briefen hervorgeht, an der Kydones fein unterscheidet, jemand, der Weisheit auch noch mit ed lem Charakter verbinde, sei rur ihn zwar keineswegs Gott, durchaus aber ein "göttlicher Mann" 'wu'[Qv EYW 8EOV f.H':V oubaf.lwe;, 8E'iov be avbQa KaA.w362 . Somit zielt 8ELOe;; inhaltlich tatsächlich ziemlich genau auf das, was auch mit äYLOe; gemeint ist. Die Überschneidungen des Be deutungsfeldes von 8 ELOe; mit dem anfangs analysierten Hei ligkeitsbegriff - vom "Profanen" abgehobene Stellung durch eine positive Qualität, die den Träger in den Bereich des Göttlichen rückt - sind klar und deutlich. -
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Zur göttlichen Abstammung vgl. Horn. II. 6, 1 80; von den Göttern geschickt (Traum) vgl. Horn. II. 2,22; von den Göttern bewirkt vgl. Hdt. 6,69 und Plat. rep. 499b; von den Göttern eingesetzt (König) vgl. Horn. Gd. 4,69 1 ; einer Gottheit geweiht vgl. Horn. 11. 7,298 und Gd. 8,264; unter göttlichem Schutz vgl. Horn. II. 9,21 4; herausragend und damit den Göttern ähnlich oder dem göttlichen Bereich zugehörend vgl. Horn. Gd. 8,43 und Plat. leg. 642d. Die Belege ließen sich in jedem Punkt natürlich vermehren. Vgl. zum letzten Punkt auch die Definition vom Begriff des 8 El<J<;; aVT]Q von Bieler, 1 935, Bd. I , 20: "er ist ein Mensch mit Menschenrnaß überragenden Eigenschaften und Fähigkeiten, Liebling der Götter und eine Art Mittler zwischen der Gottheit und den Menschen, zugleich ihr Ratgeber und KCI'COQ8wnl<;;, zu dem sie von fernher gezo gen kommen." Vgl. bspw. Cass. Dio 56,35; die lateinische Entsprechung wäre divus, vgl. etwa Ov. met. 1 5,842. Dazu Dagron, 1 996, 1 66. Vgl. Erkens, 2005, 5. Allerdings wurde die Bezeichnung des Kaisers als 8E6<;; im byzantinischen Protokoll immerhin noch bis ins 9. Jahrhundert n. Chr. verwendet, vgl. Fears, 1 988, RAC 1 4, 1 066. T 40 = L 378, Z. 6 f, ein Anklang an Platon (Sph. 2 1 6b). Deshalb geht Kashdan, 1 973, 68, etwas zu weit, wenn er schreibt: "Die politische Doktrin der Byzantiner behandelte den Kaiser als irdische Gottheit."
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Vielleicht liegt es an Kydones' Vorliebe ftir antike Kultur und B il dung 363 , daß er sich nicht ftir den Gebrauch von äY lOe;, sondern von S Eioe; entschieden hat. Die herausgearbeitete Äquivalenz der beiden Be griffe m i ldert das zunächst so überraschende Fehlen der Heiligkeitsanrede ab, doch ist auch die Verbindung eines Kaisers mit dem Adjektiv SEioe; relativ selten; soweit ich sehe, kommt sie in den rund 450 Briefen gerade sechsmal vor 364 . Diese sechs Stellen werden in ihrer Bedeutung noch zusätzl ich abgeschwächt durch den Umstand, daß Kydones einmal auch den Despoten Theodoros I. Palaiologos in Mistra mit dieser Anrede ehrt365 - immerhin auch einer der Herrschenden -, einmal aber sogar einen ge wissen Centurione Asan Zaccaria, zwar nicht direkt mit demselben Adjek tiv, aber semantisch äquivalent durch die Umschreibung "nicht mensch l ich" und "gotterleuchtet,,366 . Und schließlich kann Kydones, wie oben bereits zitiert, auch einen jeden Menschen, der Weisheit mit Charakter stärke verbindet, als S Eioe; bezeichnen. Ein solcher "göttlicher Mann", fährt Kydones in diesem Brief fort, "wird ja geradezu wie ein Geschenk ftir alle von Gott den Städten gesandt, ein Führer zur Gotteserkenntnis ftir die, die ihm folgen können, und jedermann muß ihn sogar denen vor ziehen, die uns die Mauer erbauten und die unsere Freiheit vertei digten,,3 67 . Gerade weil Kydones es - vielleicht bewußt - in der Schwebe läßt, ob damit allgemein ein gebildeter und tugendhafter Mensch oder eventuell auch der Kaiser selbst gemeint ist, wird der S Eioe;-Anrede ihre Exklusivität genommen. Zur stärkeren Profil ierung dieser Ergebnisse ist es sinnvoll, verglei chend die übrigen Formen der Kaiseranrede im Briefcorpus näher zu betrachten. Es fäl lt auf, daß in dieser Hinsicht bei Kydones ein eher 3 63 3 64
Sie wurde bereits oben deutlich bei der Gegenüberstellung von biblischem und pagan antikem Bild- und Gedankengut in den Briefen. Vgl. T 25 = L 60, Z. 1 9 (Ioannes VI. Kantakuzenos); T 0 1 27 = L 75, Z. 29 f; T 1 99 = L 2 1 I , Z. 3 1 f (loannes V. Palaiologos); T 1 1 1 = L 1 32, Z. 5; T 1 1 3 L 1 34, Z. 22 (im Superlativ 8no-ra'WL bezllglich Ioannes V. Palaiologos und Manuel 11. Palaiologos; zur Anwendung des Superlativs auf die Kaiser vgl. die bei Bauer/ Aland, 6 1 988, 7 1 9, angefiihrten Belege aus Inschriften und Papyri); T 307 = L 308, Z. 1 4 (..göttliches Haupt", bezogen auf Manuel 11. Palaiologos). Der chronologisch letzte Beleg stammt aus dem Juni 1 385 (T 307 = L 308). VgI. T 3 1 8 = L 336, Z. 33 f. Vgl. T 0222 = L 209, Z. 1 9 f: Kat AEy€LC;; OlJK av8Qwn(vt;J flTJXavTj Kat ao�, aAA' o'� 'tOVC; 8wflavn:LC;; ElKOC;. T 40 = L 378, Z. 7-9: an:xvwc; YcXQ oU'WC; wamQ '[L KOLVlYra'Wv bWQov naQcX 8wü 'taie; noAt:UL nEflnE'mL, nQoc; 't1'jv fKElVOU YVWULV 'Wie; Enm8aL buva f-IEVOLC; �YOUf-lEVOC; ... Zitat insgesamt Z. 7-1 0. =
3 65 3 66 3 67
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"weltliches" Vokabular eindeutig den Vorzug erhält. Am häufigsten wird der Herrscher mit der Wendung 6 rrav'(a aQLo'(oc; ß'a Ou\EUC; - "aller edelster Kaiser" bedache68 • Während andere Briefpartner, die wie Kydo nes rangmäßig unter dem Herrscher stehen, mit aQLo'(E - "Edelster", an geredet werden können369, so ist der Kaiser gemäß seiner herausgehobe nen Stellung der rrav'(a aQLo'(oc; der "Al leredelste". Der Kaiser ist hier, zumindest rein sprachlich gesehen, nicht mehr substantiell von seinen Untertanen unterschieden, sondern nur noch graduell. Die Opposi tion des "Heil igen", "Göttl ichen" gegenüber dem "Profanen", "Ge wöhnl ichen" wird aufgegeben zugunsten einer Juxtaposition des "Aller edelsten" neben den "Edlen". Mag die Bezeichnung 6 rrav'(a aQLo'(oc; für den Kaiser auch gebräuch lich sein 370 , so ist es trotzdem bemer kenswert, daß gerade diese allgemein-weltliche, die sakrale D imension nicht notwendig im Denken, aber - immerhin - auf der Ebene der Sprache ausblendende Redeweise bei Kydones zur Standardformel avanciert, die alles andere verdrängt. Ein Ergebn is, das abermals an Aussagekraft gewinnt, wenn man das traditionell Übliche in Rechnung stellt, wonach bei Titulatur und Anrede des Kaisers der Gottesbezug und die Religiosität des Herrschers im Zen trum stehen. Der üblicherweise verwendete Titel der byzantinischen Kai ser lautet in seiner geläufigsten Form EV XQLO'(et> '(et> BEet> mo'(oc; -
ßaou\Euc; Kai alnoKQa'(wQ 'PWJ;alwv37 1 • Unter Anführung zahlreicher Belege faßt Treitinger zusammen 72 : " . . . während der ganzen byzantini
schen Zeit kehren die Formeln, die dieses Leben und Wirken [sc. des Kai sers] in Gott bezeichnen, fast in jedem Brief und jeder Urkunde wieder. Der byzantinische Kaiser ist EV XQLO'(et> '[et> BEet> mo'[oc; ßaou\Euc;, er ist ßaou\Euc; EV XQLO'(et> ßaou\c'i alWVl4J, EV cnhet> '(et> BEet>, seine Herrschaft ist eine Ev8wC; ßaou\da." Nicht einmal die in der Tradition zu beobachtende Ablösung der äY Loc;-Qualifikation des Kaisers (und kai serlicher Attribute) durch EUOEßiJC;; ist in den Kydonesbriefen zu ver zeichnen 373 ; das sakrale oder zumindest religiös konnotierte EUOEßiJC;
368 Diese Titulatur bspw. in T 5 = L 1 2, Z. 28; T 59 = L 93, Z. 30; T 68 = L 1 29, Z. 65; T
69 = L 1 03, Z. 7 f; T 74 = L 28, Z. 7; T 1 53 = L 1 43, Z. 4; T 1 60 = L 1 87, Z. 1 3 ; T 1 97 L 206, Z. 1 5; T 362 L 385, Z. 1 8 ; T 400 = L 237, Z. 4; T 042 1 = L 4 1 9, Z. 7. 369 Vgl. etwa T 74 = L 28, Z. 1 8; T 04 1 2 L 406, Z. 3; T 449 L 437, Z. 4. 370 Vgl. dazu TinnefeId, 1 98 1 , 1 09, Anm. 1 1 (mit Stellenangaben). J7 I Vgl. Koder, 2004, 78. m Treitinger, 1 956, 39. 373 Vgl. Treitinger, 1 956, 42. =
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wird von Kydones in d iesen Zusammenhängen nirgends verwendet. Nach Treitingers Forschungen ist darüber hinaus "mu'[o<; neben epIAOXQLU'rO<; fast ständi es Beiwort [sc. der Kaiser] und erscheint später auch in der § Intitulatio" 74; aber auch diese ftir die byzantinische Kaiserideologie typi schen Qualifikationen fehlen bei Kydones. Bei seiner Untersuchung der Anredeformen im byzantinischen Brief vom 6. bis zum 1 2. Jahrhundert trägt Grünbart eine lange Liste von Adjektiven zusammen, die im Zusammenhang mit der Kaiseranrede als typisch zu verzeichnen sind, ne ben epIAOXQLU'[O<; und 8 EOUn:1l:,[O<; an herausgehobener Stelle zahlreiche weitere Adjektivbildungen mit der Vorsilbe 8EO- (wie 8EObol;au'[o<;, 8EOKlVT)'[O<;, 8EOKUßEQVT)'W<; u.a.)37S; die Kydonesbriefe liefern ftir kei nes dieser Adjektive auch nur einen einzigen Beleg. Dazu kommt noch der Umstand, daß es wie beim Adjektiv SElO<; kein absolutes kaiserliches Vorrecht auf die Bezeichnung als mxv'[a aQLu'[o<; gibt, da sie von Kydones einmal auch einem dem Kaiser untergebenen Mann zugedacht wird37 6 • Die übrigen, seltener gebrauchten Kaiseranreden fügen sich in dieses B ild. Der Kaiser wird noch am häufigsten als 8au /-lau'[o<; "wunderbar/ bewundernswert" bezeichnee77, sodann als Ka Ao<; bzw. aya80<; "gut,,378 , als 1l:Qao'[a'[o<; "gütigster,,3 79, als Aa/-l1l:Qo<; "ruhmreich"3 80, als KQlX-rLU'[O<; "mächtigster,,3 8 \ oder als 6 '[wv öAwv KUQLO<; "Herr über alles,,382 , die Kaiserin Helene Palaiologina einmal als UE/-lVO'[lX-rT) "ehrwürdigste,,383 . Aufgrund ihrer sehr allge -
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meinen und "neutralen", nicht auf den religiösen Bereich festgelegten Semantik könnten die oft superlativischen Wendungen ohne weiteres auch J74 m
376 m
Treitinger, 1 956, 2 1 5 . GrUnbart, 2005, 140 f. In T 48 = L 275, Z. 28. Vgl. T 252 = L 263, Z. 4; T 3 1 8 = L 336, Z. 3 1 ; T 321 = L 357, Z. 6; T 324 = L 337, Z. 48 f; T 332 = L 338, Z. 4; T 373 L 394, Z. 1 9. Vgl. T 303 = L 303, Z. 37; T 399 L 236, Z. 26 f. Vgl. T 1 09 L 1 1 7, Z. 8; T I 1 1 L 1 32, Z. 16. Vgl. T 303 = L 303, Z. 2 1 f. Vgl. T 389 = L 424, Z. 4. Die Anrede als "mächtigster" ist beispielsweise auch Uberaus häufig in einem Enkomion auf Kaiser Matthaios Kantakuzenos aus der Palaiologenzeit (Z. 2; 22; 37; 42; 66; 8 1 ; 99; 1 08; 1 1 7; Zeilenzählung, Text und Übersetzung nach Karisson, 1 98 1 , 84-92). I mmerhin findet sich im Text daneben noch die Bezeichnung des Kaiservaters als "göttlichster" (Z. 48: 8no't'(h:cp ßaau\Ei, Z. 62: mü 8no't'(hou ßaau\twc;). Vgl. T I I I = L 1 32, Z. 1 8. Vgl. T 442 = L 222, Z. 5. =
m
379
380 3 81
382 ]83
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zur Bezeichnung eines monarchischen Oberhauptes in einem modemen, säkularen Staat herangezogen werden384•
Exkurs: Heiligkeit in anderen Bereichen An dieser Stelle ist ein Exkurs lohnend. Wenn Kydones sich vielerorts schon so auffällig darauf beschränkt, die herausgehobene Stellung des Herrschers ohne Verweis auf ihre traditionell-religiöse BegrUndung dar zustellen, und wenn in der Kaiseranrede die sakrale Dimension des Amtes stark zurUckgedrängt erscheint, gibt es dann im Briefcorpus tatsächlich nichts und niemanden, das oder der als "heilig" bezeichnet wUrde, oder spricht Kydones abgesehen vom Kaiser, vielleicht sogar in Abhebung zu ihm, anderen Dingen oder Personen eine besondere Heiligkeit zu? Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine nach den drei griechischen Be griffen äYlOt;, ÖUlOt; und LEQ6t; differenzierte Vorgehensweise, wobei das Hauptaugenmerk auf äYLOt; und seinen Derivaten l iegen wird385, doch l iefert auch d ie Einbeziehung der beiden anderen Adjektive interessante Einblicke in Kydones' Werte- und Gedankenwelt. Als Kaiser Manuel 11. aus dem belagerten Thessalonike an Kydones in Konstantinopel schreibt, er solle doch den Staat in dieser bedrängten Lage nicht i m Stich lassen und deshalb seinen Plan, nach Italien zu reisen, aufgeben, antwortet Kydones, er wisse auch ohne diese Mahnung, daß die Vaterlandsliebe eine "hei lige Pflicht" (ÖULa) see86, aber er erfahre zu vie le Anfeindungen und eine zu massive Ablehnung seiner politischen Hal tung, als daß sein Hierbleiben dem Vaterland nUtzen könne; außerdem tobe der BUrgerkrieg zwischen Kaiser Ioannes V. und dessen Sohn An dronikos IV., und daher lehne er die Bitte Manuels ab. Die fromme Ver pflichtung der Vaterlandsliebe steht hier sicher nicht im Gegensatz zur Respektspflicht des Untertanen dem Kaiser gegenüber. In einem anderen Kontext wird jedoch dasselbe Adjektiv ömot; zur Kennzeichnung der El ternliebe verwendet und in direkte Opposition zu der dem Kaiser geschul deten Ehrfurcht gestellt. Auf dem Rückweg von seiner diplomatisch we184
18S 386
Daß die monarchischen Herrscher moderner Staaten wiederum z.T. durchaus noch sa krale ZUge beibehalten haben, steht auf einem anderen Blatt, doch filhrte die Verfol gung dieser Fragestellung zu weit vom Thema ab. Zur Begründung s. die begriffliche Unterscheidung der drei Adjektive in Anm. 22, S. 1 8. T 308 L 309, Z. 48 f: arba flEV yaQ Kai alJ't:oc;; öm.a bQaawv ct>tAwv '[E 'l'i]v na'tQLba ... =
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nig erfolgreichen Reise nach Rom wird Kaiser Ioannes V. wegen Geldnot in Venedig auf wenig ehrenvolle Weise festgehalten387. Da Manuel sich nach Venedig aufmacht, um seinem Vater aus der Verlegenheit zu helfen, lobt Kydones ihn in einem Brief für seine Hilfsbereitschaft, denn dem Kaiser zu gehorchen schreibe des Gesetz vor, die Eltern zu ehren aber sei etwas Hei liges (ÖOlOV) und ein deutliches Anzeichen von Gottesfurchf88 . Diese Gegenüberstel lung ist doch recht bemerkenswert. Die Eltern gilt es zu ehren, es ist dies eine heilige Pflicht, und sie beruht auf Gottes Willen; dem Kaiser gilt es zu gehorchen, und diese rechtliche Verpflichtung ergibt sich aus dem vom Menschen errichteten Gesetz. Man darf diese Passage, die der Absicht entspringt, ManueIs Verdienste zu loben und durch eine klimaktische Periode die über das normale Maß hinausgehende Verhaltensweise ManueIs besonders zu unterstreichen, sicher nicht überstrapazieren, sie dürfte aber dennoch für das Gesamtbild der Herr schaftskonzeption in den Kydonesbriefen ein nicht ganz unbedeutender Mosaikstein sein. Das Adjektiv lCQ6c;; findet vorwiegend im Bereich des Kultes Anwen dung, und diesen S inn hat es auch, wenn Kydones an einer Stelle schreibt, im Vergleich zu einem Krieg mit den Türken seien Kriege zwischen feindlichen Parteien des christlichen Abendlandes immerhin insofern weniger furchtbar, als die christlichen Feinde untereinander wenißstens noch den Glauben gemeinsam hätten und das, was ihnen heilig sd . E in Bezug auf den Kaiser l iegt h ier ebensowenig vor wie auch sonst der Kai ser nie lCQ6C;; , lCQcuC;; oder aQXlcQcUC;; genannt wird. Ein bezeichnendes Licht auf d ie bedrängte Lage des spätbyzantinischen Reiches wirft aller dings die von Kydones einige Male gebrauchte, sprichwörtliche Redewen dung oubev lCQ6v - "nichts Heiliges" - zur Charakterisierung besonders hoffnungsloser, chaotischer und heilloser Zustände in Konstantinopel390 • Von diesem "unheiligen" Zustand war natürlich auch, zumindest mittel-
3 87 VgI. dazu S. 30 mit Anm. 80. 3 88 T 76 = L 2 1 , Z. 8- 1 0: ßaau\Ei 3 89 390
'[f YCtQ m(SwSm VOlllf.lOV, Kai yoviac; nlläv öalov, Kai ÜJC; 7tQOC; 't0 SEiov 'tlllfJC; TJ 7tQOC; EKElVOUC; 'tEKIlTJQloV Kai f..la lU aacj>ic;. T 309 = L 3 1 3, Z. 26 f: Kai YCtQ Kai LEQCt KOlVCt Kai 7tLanc; KOlVi]. VgI. T 77 = L 22, Z. 25; T 1 72 = L 1 67, Z. 1 3 ; T 270 = L 272, Z. 1 0 und die Erläute rung von TinnefeId, 1 982, 437: "Das Sprichwort OUbfV LEQOV (Suda 0798) nimmt Bezug auf eine Äußerung des HerakIes vor einer Statue des Adonis, hier sei 'nichts Heiliges', weil nur Wohltäter der Menschheit Ehre verdient hätten, und wird ... angewendet, wo ein Widerspruch zwischen äußerem Anspruch und tatsächlicher Lei stung vorliegt."
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bar, der in Konstantinopel residierende Kaiser betroffen, so daß man die Verwendung dieses Sprichwortes durchaus auch als symptomatisch für ei nen schleichenden Verfall der herrscherlichen Sakralitätsvorstellung anse hen kann. Zuletzt zu äyLOC;. Ob Kydones auch nur in einem einzigen Brief den Kaiser einmal als äYLOC; bezeichnet hat, bleibt zweifelhaft. Sonst ge braucht er dieses Adjektiv und Derivate davon ebenfalls sehr selten. Ne ben einer kollektiven Erwähnung der "Heiligen" (äYLOL), die wie alle Menschen der Wechselhaftigkeit des Lebens unterworfen seien391 , gibt es nur zwei Einzelpersonen, die als "heilig" charakterisiert werden. Das eine Mal handelt es sich um einen aus der Schar der "Heiligen", um Ioannes Chrysostomos, der von Kydones "heiliger und goldener Vater" genannt wird392 • Bei der zweiten Person handelt es sich hingegen um einen Zeit genossen, und das ist bei der vorliegenden Fragestellung natürlich von be sonderer Bedeutung. Im Frühjahr 1 3 85 schickt Manuel 1 1 . aus dem belagerten Thessalonike eine Gesandtschaft nach Rom, um durch Zu geständnisse auf theologischem Gebiet im Gegenzug vielleicht doch noch die schon länger vergebl ich erhoffte westliche Militärhilfe zu erhalten393 • Kydones, der von diesem Unternehmen ausgeschlossen blieb, nimmt in einem Brief an einen nicht genannten Freund darauf Bezug und amüsiert sich offenbar sehr darüber, daß ein gewisser, im Grunde streng orthodox gesinnter Euthymios Mitglied der Gesandtschaft war. Er malt ironisch aus, in welche Gewissenskonflikte Euthymios kommen werde, wenn er gegen seine eigenen Überzeugungen handeln und reden müsse, wozu es notwendig komme, wenn er ü berhaupt etwas erreichen wol le. Denn dann müsse er den Papst formgerecht mit "Seligk�it" (�aKaQL6'[T]C;), "Hei ligkeit" (aYLÜ'rT]C;), "Oberhirt" (KOLVOC; 7lOL��V), "Vater" (71a'[�Q) und "Stellvertreter" (ßLKaQLoc;) anreden, und das bedeute zwangsläufig Verrat an seinem Glauben394 • Es ist Papst Urban VI., der hier mit dem Substantiv "Heiligkeit" tituliert wird395 • Zwar ist es streng genommen n icht Kydones
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T 87 = L 35, Z. 1 4- 1 6. T 0424 = L 423, Z. 8. Vgl. dazu Barker, 1 969, 55 f. T 30 I = L 3 14, Z. 2 1 -23: Ei bi: -nie; avaYKT]e; ßlC(l:0f-lEVT]e; Kai. -nie; 7lQEUßd ae; ovau8al '[l ßOUAOf-IEVoc; 'ri]v f-IaKaQLÜ'rrJ'ta Kai. 'ri]v aYLo'tT]'ta Kai. 'tov KOLVOV 7l0Lf-IEva Kai. 7la'tEQa Kai. ßUalQLOV El71OL, 'tOi)'(' EKElVO � -nie; 7llU'tfOe; 7lQobo ula ... 395 Nach Dennis, 1 960, 1 36, Anm. 1 0, handelt es sich um Papst Urban VI. in Italien ( 1 378- 1 389), nicht um den Gegenpapst Clemens VII. in Avignon.
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selbst, der den Papst als aYlo'rllC; anredet, sondern nur seine Ausfüh rungen darüber, wie seiner Ansicht nach ein byzantinischer Gesandter den Papst anreden müßte. Dennoch ist diesem Passus für das Thema "Sa kralität von Herrschaft" einige Bedeutung zuzumessen, und dies vor allem deshalb, weil er in den Kydonesbriefen keineswegs isoliert dasteht. In anderen Briefen werden die jeweiligen Päpste von Kydones selbst mit höchsten Ehrentiteln bedacht. Daß sich darunter kein weiterer Beleg für die Anrede des Papstes als iiYlOC; oder aYlo'rllC; findet, mag damit zusam menhängen, daß kein einziges dieser Schreiben an einen Papst selbst gerichtet ist; wäre dies der Fall, so sähe die Beleglage vermutlich anders aus, doch ist es müßig, darüber Spekulationen anzustellen. Es handelt sich des näheren um Urban V. ( 1 3 62- 1 370), Gregor XI. ( 1 3 70- 1 3 78), Urban VI. ( 1 3 78- 1 3 89) und Clemens VII. ( 1 378-1 394 in Avignon), die den Beginn des Abendländischen Schismas markieren, und um den Nachfolger Urbans VI., Bonifatius IX. ( 1 3 89- 1 404). Immer, wenn der zum römischen Glauben übergetretene Staatsmann vom Papst spricht, tut er dies voller Hochachtung und Ehrerbietung. Man könnte allenfalls eini ge Zeit nach dem Beginn des Abendländischen Schismas in dieser Hin sicht eine gewisse Ernüchterung konstatieren, wenn Kydones im letzten Brief aus dem Jahr 1 3 9 1 , in dem vom Papst die Rede ist, also 1 3 Jahre nach der Aufteilung der Obödienzen im Westen, trocken und knapp vom nana - "Papst" - spricht, im Gegensatz zu der in den früheren Briefen zu beobachtenden Überhöhung ohne ein weiteres ausschmückendes Bei wort396 . Sonst heißt der Papst beispielsweise IJ.EYlU'rOC; - "Höchster,,397 , KOQuepa'ioc; - "Erhabenster,,398 , 'rcX IJ.EYlu'ra buvalJ.€voc; - "Mächtig ster,,399, KOlVOC; na'rT]Q - "gemeinsamer Vater,,400 oder mxv'rwv KUQlOC; Kai. na'rT]Q - "Herr und Vater aller',40 J , und einmal lJ.Eyac; aQXl€Q€UC; "großer Hoherpriester,,402 , womit indirekt auch das bei der Kaiseranrede fehlende l€QOC; für den Papst verwendet wird. So wie h istorisch gesehen die Verhandlungen ManueIs 11. mit Urban VI. zum indest nach einem von Kydones referierten Gerücht so weit gegangen sein sollen, daß man von 396 397 398 399
400 401 402
T 428 L 443, Z. 28. T 83 = L 23, Z. 29 (Urban V.) und T 1 78 = L 190, Z. 36 (Urban VL). T 302 = L 302, Z. 58 (Urban VL); TinnefeId, 1 999, 205, Ubersetzt KOQua:ioC; mit "Höchster". T 1 78 = L 1 90, Z. 43 (Urban VI.). T 1 72 = L 1 67, Z. 49 (Gregor XL) und T 1 78 L 1 90, Z. 45 f(Urban VL). T 1 78 L 190, Z. 54 (Urban VL). T 1 50 = L 1 40, Z. 36 (Gregor XL). =
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byzantinischer Seite n icht nur das filioque, sondern sogar die Superiorität des Papstes über den Kaiser akzeptierte403, so überbieten der Sache nach die Ruhmestitel des Papstes in den Kydonesbriefen an Glanz fast die entsprechenden, oben aufgezählten Kaiseranreden. Kydones geht aber noch weiter, indem er in einem Brief aus dem Anfang der 1 3 70er Jahre einmal auch breiter entfaltet, was implizit bereits aus den päpstlichen Ehrentiteln herausgelesen werden könnte. Wenn dort von einem Mann die Rede ist, "der über alle herrscht und allen gebietet und den jeder nächst der Gottheit selbst scheut, herbeisehnt und verehrt", und wenn die Men schen in dessen direkter Umgebung "hohe Diener des Höchsten" genannt werden, dann würde man ohne nähere Kenntnis des Kontextes m it Sicher heit davon ausgehen, daß damit der Kaiser und sein Hofstaat gemeint sein müsse; es handelt sich aber wiederum um den Papst und seine Kurie404 • Ging es bisher um Kontexte in den von Kydones überlieferten Briefen, die einen Bezug zum Thema Sakral ität von Herrschaft zumindest erwarten l ießen, welche bei näherem Zusehen aber dieser Erwartung nicht oder nur zu einem geringen Tei l oder mit einigen Einschränkungen entsprachen, soll das Augenmerk nun Bereichen der Sakralitätsvorstellung gelten, die durchaus zur Sprache hätten kommen können, aber keine oder lediglich marginale Erwähnung finden, des weiteren Passagen, die dem Kaiser Hei l igkeit, einen besonderen Gottesbezug oder übermenschliche Fähigkei ten impl izit oder explizit gerade absprechen, und anschließend soll es um die Frage gehen, ob, und wenn j a, womit das durch den Rückgang des Sakralitätskonzeptes entstandene Vakuum ersatzweise geftillt wurde. g) Fehlende Elemente
Kaiser und Kult Auch wenn es sicherlich nicht zwingend erwartet werden kann, so ist doch bemerkenswert, daß in den Hunderten von Kydones überlieferten Briefen kein einziges Mal davon die Rede ist, daß der Kaiser spezifische, mit sei-
40] Vgl. T 3 16
= L 327, v.a. Z. 1 6 f: äAAOL bE, 1tuQoE,UVElV "COUC; EV"CUÜSU ßou AOJ-lEVOL, 1tQoU"ClSEam Kai "Cac; KAEic;, Kai TI]V tmEQ "Co ßauu\LKov OT]J-leLOV "COlJ"CWV U1tEQOX�V. 404 In diesem Fall ist es Urban V.; vgl. T 83 = L 23, v.a. Z. 27-29: 6 bE m�v"Cwv J-lEV äQXwv mxv"Cwv bE EE,TlYOUJ-lEVOC; Kai öv mxc; "ClC; J-lna "Co S E iov Kai UE ßE"CaL Kai EUXE"Ca L Kai "ClJ-l�, Ö "CE 1tEQi atnov XOQOC;, J-lEyaAOL "COU J-lEY [U"COU bLtXKOVOL ... Tinnefeid, 1 982, 472, bezeichnet den entsprechenden Passus als "enthusiastische Periphrase des Papstes und der Kardinäle".
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nem Amt als Herrscher zusammenhängende Funktionen im religiösen Kult ausübt. Vorbild dafür waren die alttestamentlichen Könige, die an den Hei ligtümern von Jerusalem bzw. Bet-EI bereits gewisse priesterliche Rechte besaßen405; die Vorstellung vom Priesterkönigtum reicht aber na türlich noch weiter zurück, wie etwa die speziell dem Herrscher vorbehal tene Zeremonie der "Heiligen Hochzeit" im Alten Orient zeigt4 06 . Trotz der von Treitinger und Dagron herausgearbeiteten "priesterlichen" Ele mente auch in der byzantinischen Kaiserideologie407 bleibt die Feier der Liturgie freilich in den wesentlichen Punkten ausschließlich dem Klerus vorbehalten, was nicht unbedingt erwarten läßt, daß kultische Sonderfunk t ionen des Kaisers in den Vordergrund gerückt werden408 . Kydones er wähnt weder solche noch äußert er sich überhaupt zur Rolle des Kaisers i nnerhalb der kirchlichen' Liturgie.
Kaiser und Kirche Schon erstaunlicher ist es, daß sich in den Briefen auch keine Aussage über das Verhältnis von Kaiser und Kirche findet, trotz der tief verwurzel ten und bis ans Ende des byzantinischen Reiches belegbaren Vorstel lung, daß die Schicksale von Staat und Kirche unauflösbar miteinander verbun den sind409 . Nirgends ist etwa die Rede vom Kaiser als E1ILGK01IOC; KOL-
405 Vgl. Treitinger, 1956, 1 36, und Weippert, 1 995, NBL 2, 5 1 5: "Als staatliche Ein 406 407
408
409
richtungen unterstanden diese Kultstätten dem König, der an ihnen kultisch tätig war, ftlr ihren Unterhalt sorgte, das Personal bestellte und auch Änderungen des Kults an ordnen konnte." S. dazu Cooper, 1 993, und Steinkeller, 1 999. Treitinger, 1 956, 1 24 ff, bes. 1 36- 140; Dagron, 1996; vgl. auch Hunger, 1 989, 57 f. Haussig, 1 959, 239, bemerkt, allerdings sehr pauschal: "In Byzanz besaß der Kaiser Kraft und Macht eines Priesters." Vgl. darüber hinaus besonders die ausftlhrliche Schilderung und Interpretation der kaiserlichen Teilnahme an der Liturgie nach Kon stantinos Porphyrogennetos bei Dagron, 1 996, 106 ff, und die Darstellung des Verhält nisses zwischen Kaiser und Patriarch während großer Kirchenfeste bei Matschke, 2002, 1 53 f. Nach Erkens, 2004, RGA 26, 223, kann das Vollziehen kultischer Handlungen auch nur dann dem Herrscher sakralen Status verleihen, wenn er "ausschließlich oder wenigstens hauptsächlich für den Kult zuständig ist". Das ist in Byzanz nicht der Fall, obwohl es immerhin "zahlreiche Überschneidungen und Verflechtungen des höfischen Zeremoniells und der kirchlichen Liturgie" gegeben hat (Hunger, 1 989, 5 1 ). Vgl. auch Brehier, 1 948, 92: "Alle Bemühungen, den byzantinischen Kaisern einen priesterlichen Status zuzuerkennen, scheinen vergebens." Auch im Alten Testament sind kultische Funktionen des Königs nicht als regelmäßige belegbar, vgl. Preuß, 1992, 24 f. Vgl. Dagron, 1996, 321 f. Zur Stellung des Kaisers in der Kirche s. auch Treitinger, 1 956, 27 f und 220-227; Lilie, 1994, 3 1 -44; Dagron, 1996, 256 ff; allgemein dazu
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VOC;; oder E7'do'Konoc;; 'rwv EK'rOC;; in Anlehnung an das Vorbild Konstan
tins4 1 O ; an keiner Stelle kommt die Problematik der Salbung des Kaisers zur Sprache4 1 1 • Es wurde darauf hingewiesen, daß gerade im späten Mit telalter eine Tendenz zur "Verrechtlichung" des beiderseitigen Verhält nisses einsetzt4 l 2 , und man hat diesen Prozeß sicher zu Recht als Be standte i l einer "Entsakralisierung" des Herrscherbildes gedeutet 4l 3 • Als nicht eben unbedeutender Akt einer solchen Verrechtlichung ist der gera de zu Kydones' Lebzeiten unternommene Vorstoß Kaiser Ioannes' V. Pa laiologos zu werten, der sich die bisherigen wesentlichen kaiserlichen Rechte bezüglich der Kirchenverwaltung von der Patriarchalsynode per Dekret sanktionieren ließ4 I 4 • Daß der Kaiser sich der Kirche gegenüber Privilegien erzwingt, die ihm bisher ohne rechtliche Satzung zugestanden worden waren, zeigt sowohl seine Macht als auch die Schwächung seiner Position. Bei Kydones findet sich kein einziger Reflex auf diesen Vor gang, obwohl er als maßgeblich Mitbeteiligter an den Unionsverhandlun gen in Kirchenfragen bewandert und als gebildeter Theologe mit der Problematik der Gewaltenteilung durchaus vertraut gewesen sein muß. Daß sein ebenfalls der westlichen Theologie zugewandter Bruder Procho ros Kydones in einer Auseinandersetzung mit den Palamiten Kaiser Joan nes V. vergebl ich als Schiedsrichter angerufen hat, kann. allenfalls als klei ner Hinweis darauf gedeutet werden, daß der Kaiser in theologischen Belangen nicht al lzu viel zu sagen hatte, doch mögen hier auch höfische Intrigen in Anschlag zu bringen sein4l S•
Unsterblichkeit des Kaisers Erwartungsgemäß spielt im christlichen Byzanz der Gedanke, daß der kai serliche Herrscher aufgrund seines Amtes Unsterblichkeit besitzen könnte, keine RoUe, jedenfalls nicht in dem S inn, als müßte sein Leib durch die enge Zugehörigkeit zum Bereich des Göttlichen dem Tod gegenüber ebenfalls Koder, 2004, 87 f; zur engen Verflechtung von Kaiser und Kirche auch Hun ger, 1 989, 49 ff. 410 Vgl. Matschke, 2002, 1 48 f. 411 Vgl. Ostrogorsky, 1 955; Bloch, 1995, 102 ff und v.a. 485-50 1 (speziell zu Byzanz 498-50 I ); Dagron, 1 996, 275 ff. 412 Vgl. allgemein Erkens, 2002, 27 f, rur das späte Byzanz Matschke, 2002, 1 6 1 . 413 Vgl. Beck, 1 968, 6 1 9; nach Dagron, 1996, 288 f, geht der Kaiser seines sakralen Charismas verlustig; vgl. auch Matschke, 2002, 1 6 1 . 4 1 4 Die betreffende Patriarchalsynode fand zwischen 1 380 und 1 382 statt; vgl. Beck, 1 968, 6 1 9. Ausftlhrlich Dagron, 1 996, 3 1 6-3 1 8, mit Aufzählung der einzelnen Privilegien und Interpretation. 41S Vgl. T 8 1 (nicht bei L, sondern nur bei Mercati ediert), v.a. Z. 230-235.
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immun sein, wie man sich etwa in antiker Tradition den mythischen Ur herrscher Roms, Romulus, nach seiner Herrschaft nicht als gestorben, son dern als zu den Göttern entrückt vorstellte4 16 • Wie sehr die Regierungszeit eines Kaisers selbst ohne die natürliche Grenze des Todes "vergänglich" sein konnte, zeigen gerade die wechselvollen Verhältnisse bei der Thron besteigung von Ioannes V. Palaiologos und in der Auseinandersetzung zwischen ihm und seinem Sohn Andronikos IV. Palaiologos4 l 1, und ein mal heißt es im Briefcorpus sogar explizit, daß alles dem Wandel und dem Schicksal unterworfen sei, auch das Los der Kaiser4 l 8 •
Der Kaiser als Wundertäter und Heiler Eine weitere mögliche, aber nicht notwendige Facette herrschaftlicher Sakralität besteht in der Vorstellung, der Herrscher verfUge über wunder bare Heilkräfte4 l 9 . Durch einen Kaiser bewirkte Heilungswunder werden von Kydones nirgends erwähnt, doch lassen sich gewisse Anklänge an 416
Vgl. Cic. rep. 2, 10: Als Romulus nach einer Sonnenfinsternis nicht mehr aufgetaucht war, glaubte man, er sei unter die Götter versetzt worden. Es sei erstaunlich, so Cicero (durch den Mund des Scipio), daß sich diese Meinung über Romulus durchsetzen konnte, denn die Sagen von Apotheosen aus früheren Zeiten könne man auch auf die Naivität und Leichtgläubigkeit der damaligen, noch ungebildeten Menschen zurück fUhren, Romulus aber habe erst vor relativ kurzer Zeit unter bereits aufgeklärten und geistig fortgeschrittenen Zeitgenossen gelebt. Vgl. dazu die mit zweifelnden Untertö nen durchsetzte Schilderung der EntrUckung des Romulus bei Liv. 1 , 16. Zum Ge danken der aeternitas des römischen Kaisers und seinem Fortwirken in Byzanz s. auch Treitinger, 1 956, 1 22 f. 41 7 Man vergleiche dazu folgende Bemerkung in dem Schreiben an Ioannes V. Palaiolo gos, in dem Kydones gegen das kaiserliche Verbot, nach Lesbos auszureisen, Be schwerde erhebt (T 1 09 L 1 1 7, Z. 54 f): "Denn ist das keine öffentliche Strafe, wenn du mir die Freiheit entziehst, die du, solange du Kaiser bist, von Rechts wegen allen bewahren sollst?", mit dem bezeichnenden kurzen Einschub: EWe; LXV �e; ßaaLAeue;. 418 T 220 = L 224, Z. 33-35. 41 9 Es geht hier also speziell um die Vorstellung vom Herrscher als Wunderheiler (ra; thaumaturge, Bloch, 1 995), nicht um das Bild vom Herrscher als Soter, als Heilbringer im weiten Sinn. Allgemein dazu und mit weiterfUhrenden Hinweisen Erkens, 2002, 1 113. Für die byzantinische Geschichte s. Haussig, 1959, 244; Hunger, 1 989, 80 f, und 1 990, 1 8, der die Bedeutung dieses Aspektes fUr Byzanz unterstreicht. Zum Zusam menhang von Heiligkeit und Wunderkraft des Herrschers vgl. Bloch, 1 995, 98: "Die Könige Frankreichs und Englands konnten zu Wunderheilern werden, weil sie bereits seit langem geheiligt waren . . . " und 1 1 2 f: "Die Könige waren also doppelt fUr ihre Rolle als wohltätige Thaumaturgen prädestiniert: zunächst durch ihren geheiligten Charakter an sich und näherhin durch die aufflilligste und ehrwürdigste Quelle, die ih nen diesen Charakter vermittelte." Letzteres sagt Bloch "von jenem geweihten Öl, das vielen Kranken als das wirksamste Heilmittel erschien", und mit dem die Könige bei der Krönung gesalbt wurden ( 1 1 2). =
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diese Vorstellung finden, die erahnen lassen, daß für ihn ein solches Ge schehen zumindest im Bereich des Denkbaren lag. Am deutlichsten ge schieht dies in dem bereits etwas ausführlicher behandelten Brief an den in Thrakien weilenden Ioannes VI. Kantakuzenos aus dem Spätsommer l 346, in dem der krank darniederliegende Kydones auf die Rückkehr des Kaisers wie auf die Ankunft des Asklepios hofft und seiner Zuversicht Ausdruck verleiht, mit dem Kommen des Kaisers würden alle Plagen ver schwinden, denn er könne jedes Übel der Menschen heilen420 • Weniger konkret ist eine an einen Arzt in Thessalonike gerichtete Bemerkung aus der Mitte der 1 3 60er Jahre, mit der Kydones den Adressaten, der offensichtlich den selbst einer Heilung bedürftigen Kaiser Ioannes V. Palaiologos wieder gesund gemacht hatte, lobt und rühmt, ön Kat '[ilv OlKOUflEVTJV EQQwaac;, ave ' '!ml0KQcX'tOUC; '[CiJ ßaau\LKciJ Y E VOfl E voC; aWflan "weil du dem ganzen Erdkreis Gesundheit geschenkt hast, da du dem Leib des Kaisers zum Hippokrates wurdest,,4 2 1 . Spielte Kydo nes aber in dem vorher angefiihrten Brief allem Anschein nach auf eine tatsächliche Krankheit an, unter der er zu leiden hatte, und damit auch auf eine - erhoffte - tatsächliche Hei lung durch die Gegenwart des Kaisers, ist der Zusammenhang zwischen Gesundheit des Herrschers und seiner heilenden Ausstrahl ung auf den "ganzen Erdkreis" bereits mehr im S inne einer bildhaften Enkomiastik zu verstehen, nicht so sehr als Hinweis auf den Glauben an einen ursächl ichen und notwendigen Zusammenhang zwi schen Herrscherwohl und Untertanenheil 422 • Auch die einen Brief an Ioannes VI. Kantakuzenos abschließende Bitte, der Kaiser möge der be drängten Heimatstadt des Absenders, Thessalonike, zur Hilfe eilen, und damit denen, die "in Ohnmacht sinken", zum Hippokrates werden, ist zweifellos in übertragenem Sinn zu verstehen42 3• Die "materiellen" Auswirkungen der Heiligkeit können sich n icht nur auf eventuelle Wunderkräfte des Herrschers beziehen, sondern auch in ei nem weiter gefaßten S inn auf eine gewisse Ausstrahlung, die vom Körper des Herrschers - zu seinen Lebzeiten wie auch noch danach - ausgeht, auf -
420
Vgl. T 14
=
L 1 0, Z. 20-24; s. dazu oben unter V,4 am Ende.
42 1 T 65 = L 1 00, Z. 8 f. Zur ansonsten in Byzanz sehr geläufigen Vorstellung, daß vom
Wohlergehen des Kaisers das Wohl des Volkes und Reiches abhängt, vgl. Treitinger, 1 956, 1 82: "Es verging kein Fest, an dem nicht die Verbundenheit des Volkes mit dem Herrscher und die Sorge rur sein Wohl, das ja das Wohl des Staates war, sich in zahlreichen Bittakklamationen zeigte." 422 Die Stelle ist somit nicht als Beleg rur die Existenz einer dem germanischen "Königs heil" (so es ein solches überhaupt gegeben hat) ähnlichen Vorstellung in Byzanz zu werten. Zum "Königsheil" s. Erkens, 2004, RGA 26, 225 ff. 423 T 8 L 7, Z. 65 (ca. August 1345). =
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eine sakrale Aura, die ihn umgibt4 24• Diesbezügliches läßt sich i m Brief corpus so gut wie Überhaupt nicht finden. Entfernt mag dieser Vorstel lungskomplex anklingen, wenn Kydones sich wie ein Myste danach sehnt, in die "großen Mysterien" eingeweiht zu werden Kai. ßaaIAEWC;; lbElV aQE'tTJV 1[EQI. 'tTJV tl!J.E'tEQav aa'tQa1['tovaav XWQav - "und die unser Land durchstrahlende Vollkommenheit des Kaisers zu schauen"m . Ein andermal stellt Kydones 'toü !J.EYciAov ßaaIAEWC;; 6�JlC;; Kai. 0!J.lAla, das Verweilen in der Nähe des "großen Kaisers", als etwas Kostbares dar426, doch wird diese auf Ioannes V. Palaiologos gemünzte Bemerkung durch das Prisma untergründiger Ironie gebrochen42 7 •
Heiligkeit von kaiserlichen Insignien und sonstigen Gegenständen Hinweise auf eine heiligende oder heilende Ausstrahlung kaiserlicher Insi gnien oder m it dem Kaiser in Berührung kommender oder in enger Bezie hung stehender Gegenstände feh len gänzlich - wiederum im Gegensatz zur Tradition42 8 • Von natilrlicherweise zu erwartenden Abwandlungen und
4 24 Zur Aufteilung in "materielle" und "geistige" Auswirkungen herrschaftlicher Sakralität
42 5 426 427
4 28
vgl. H,2. So spricht bspw. der Mönch Theoktistos, ein Zeitgenosse von Kydones, in seinem i\oyoe; eie; u']v avaKofllbTJv 'wü €V aYlOle; 7la1:QOe; �flwV A8avaulou na1:QuXQXou Kwvu1:avnvovnoAew<; in Bezug auf den verstorbenen Patriarchen Athanasios vom "seligen und allheiligen Leichnam des göttlichen Vaters" (Kap. 4, fol. 1 59r: 1:0 1:0Ü 8elou na1:Qoe; flaKdQlov Kai navleQov uWfla, vgl. dazu die Bearbei tung von Talbot, 1 983; Zitat: 46). T 7 = L 6, Z. 41 f; s. dazu oben unter V,4 am Ende. Gemeint ist loannes VI. Kantakuzenos. T \ 07 = L 1 94, Z. 35. So interpretiert bereits Tinnefeid, 1 982, 549. Eine andere Passage, in der Kydones an Kaiser Manuel H. schreibt, er, Kydones, wUrde dem Kaiser auf seine Bitte hin gern die Gunst einer gemeinsamen Unterredung gewähren (T 352 = L 367, Z. 20 f: m(8oflal '(QLVUV ai.'roÜV1:L um bwunv um xaQlv 1:TJv €flTJV ofltALaV), läßt sich m.E. nur als ironisches Spiel mit der höfischen Etikette erklären, indem Kydones hier durch einen Rollentausch sich Manuel gegenUber so ausdrückt, als wäre er der Kaiser und Manuel der Untertan, ein Spiel, das er sich wohl nur aufgrund der großen Vertrautheit im bei derseitigen Verhältnis erlauben kann. Vgl. etwa Treitinger, 1956, 42 und Schreiner, 1 994, 366: "Als Nachkomme des heid nisch-antiken Gottkaisers ist auch der byzantinische Kaiser von Gottes Gnaden äYLOe;, und alle Bereiche, die mit ihm in BerUhrung stehen, haben an dieser Heiligkeit AnteiL" Vgl. auch Bloch, 1 995, 1 10: "Die heiligen Handlungen, Gegenstände oder EinzeIper sonen wurden nicht nur als BUndei von Kräften aufgefaßt, die sich jenseits des gegen wärtigen Lebens auswirkten, sondern auch als Quellen einer Energie, die bereits auf dieser Erde einen unmittelbaren Einfluß ausUben konnte." Als zeitgleiches Gegenbei spiel vgl. den unter Kapit�1 V.7 (S. 1 40 ff) zitierten Brief an Ioannes VI. Kantakuze-
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
1 02
einigen lokalen Besonderheiten abgesehen ist das Inventar solcher herr schaftlicher Insignien kulturenübergreifend ähnlich42 9 • Die Vorstellung ei ner sakralen Aura von Gegenständen, die mit dem Kaiser in engem Kon takt stehen, ist in Byzanz zu Kydones' Zeiten keineswegs gänzlich über holt, wie der Umstand zeigt, daß der Usurpator Ioannes VI. Kantakuzenos zur Legitimierung seiner Herrschaftsabsichten darauf verweist, er habe unter dem verstorbenen Kaiser Andronikos IIl. auch schon m it roter, also kaiserlicher Tinte geschrieben, bei Feldzügen sogar das Bett des Kaisers mit benutzt und selbst die kaiserlichen Hausschuhe tragen dürfen 4 30 . Kaiserliche Insignien, die ftir das Zusprechen einer Heiligkeit in Frage kämen, sind schon in frühbyzantinischer Zeit etwa Diadem, Szepter, Glo bus, Fibel, Purpurmantel und rote Schuhe43 1 ; grundsätzlich und bis in die Spätzeit von Bedeutung waren Gewand (die Chlamys, erst in der Spätzeit der Sakkos), Diadem und Schuhe432 • Auf all dies finden sich in den Kydo nesbriefen keinerlei Hinweise. Einmal scheint etwas in d ieser Richtung angedeutet zu sein, wenn Kydones von den "Pforten der Mächtigen" schreibt, "denen man nicht weniger Respekt als Heiligtümern zollt,,433 , doch bezieht sich dies zum ersten mehr übertragen auf d ie Sakralität des Herrschers selbst als auf die konkreten Palasttore, und zum zweiten wird diese Sakralitätsaussage im gleichen Atemzug fast in ihr Gegenteil ver kehrt, da Kydones fortfährt: "drinnen aber bekommen die, die sich hilfe suchend an sie wenden, n ichts als Beschimpfungen zu hören,,434 . Diese Aussage mag als Überleitung zu den Passagen dienen, welche die Vorstel-
429 430 431 432 433
434
nos, wo von dessen "allergöttlichsten und ruhigen kaiserlichen Kammer" die Rede ist, in welcher der Herrscher seine Gebete verrichtet. Sallaberger, 2002, 87, nennt bspw. fiir den Alten Orient bereits Krone, Szepter und Thron, seltener auch Gewand oder Waffen. S. Schopen, 1 83 1 , 369 f. Zur Interpretation s. Matschke, 2002, 1 59 f. Treitinger, 1 956, 50 ff, parallelisiert den Thron im Palast mit dem Altar in der Kirche und sieht noch weitere Parallelen zwischen höfischem Zeremoniell und christlicher Liturgie. Vgl. Wessei, 1 970, 84, und Restle, 1 988, RAe 1 4, 943 ff; zur Purpurfarbe speziell Hunger, 1 989, 63-67. Vgl. Treitinger, 1 956, 24 f. Die ausfiihrlichsten Informationen zu Art, Anzahl und Be zeugung der fiir Byzanz relevanten Insignien findet man im entsprechenden Artikel von Wessel/ Piltzl Nicolescu, 1 978, RbK 3, 369-498. T 44 L 46, Z. 1 6 f: ai 'rwv buvaflEvwv 8uQaL, 'rWV lEQWV OUK EAanov 7tQOaKUVOUflEVaL. Zur Bezeichnung des Palastes als "heilig" oder als "Heiligtum" allgemein s. Treitinger, 1 956, 50 f; Kashdan, 1 973, 7 1 ; Matschke, 2002, 1 5 1 ; in früh byzantinischer Zeit vgl. Wessei, 1 970, 93. T 44 = L 46, Z. 1 7 f. Der Brief richtet sich an Georgios Synadenos Astras auf Lemnos, 1358/59. =
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lung vom sakralen Herrscher direkt oder indirekt anzugreifen und gewis sermaßen zu untergraben scheinen. h) Kaiserkritik Die textliche Basis flir diese Untersuchung bildet nicht die staatstheoreti sche Streitschrift eines philosophischen Denkers der beginnenden Neuzeit, sondern das Briefcorpus eines spätmittelalterlichen Menschen, und von daher sind Äußerungen, welche die dem Herrscher traditionell zukom mende Sakralität direkt absprechen, eigentlich n icht zu erwarten. Es ist daher in erster Linie angebracht, auf das Fehlen oder Schwinden geläufi ger Sakralitäts-Topoi zu achten und kritische Äußerungen über Kaiser und Kaisertum daraufhin zu überprüfen, ob sie lediglich "oberflächlich" ge meint sind oder tatsächlich an die Substanz der Sakralitätsvorstellung ge hen. Das nun zu behandelnde Feld der Kaiserkritik ist in dieser Hinsicht genauso ambivalent wie die bereits behandelten enkomiastischen Passa gen: die Kritik kann sich lediglich auf die jeweilige Persönlichkeit eines bestimmten Kaisers beziehen, sie kann sich aber auch gegen die Institu tion als solche richten, und dies bedarf in jedem Einzelfall sorgfältiger Abwägung435•
Allgemeine Kritik Die zum Einstieg zitierte Passage aus einem Brief an Manuel II. Palaiolo gas im türkischen Kleinasien lieferte eine Art definitorischer Sammlung positiver, vom Kaiser geforderter Eigenschaften436 • Gerade dadurch gerät sie aber auch zu einer Art Generalabrechnung des Verfassers mit dem by zantinischen Kaisertum, denn in der Fortsetzung behauptet Kydones, all die genannten Tugenden und Pflichten seien von den vorigen Kaisern ver nachlässigt worden, und nur deshalb habe Gott die Feinde zu so großer Macht gelangen lassen. Wörtlich genommen bedeutete dies, Ioannes V . Palaiologos, Ioannes VI. Kantakuzenos und alle weiteren Vorläufer seien unvernünftig, ungebildet, den Leidenschaften ergeben und ungerecht ge wesen, hätten die Gesetze m it Füßen getreten, die Bösen bevorzugt, die Guten unterdrückt und stets dem Eigeninteresse vor dem Gemeinwohl den Zur Kaiserkritik allgemein vgl. den Abriß bei Beck, 2 1 994, 1 39- 1 4 1 , der trotz seiner Knappheit die "herbe Kritik" in den Kydonesbriefen mit anfilhrt ( 1 40). Eine ausfilhrli che Aufarbeitung der Kaiserkritik in der byzantinischen Historiographie bei Tinnefeid, 1 97 1 . 436 T 435 = L 43 1 , Z. I O- 16. 435
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Vorzug gegeben. Es ist einsichtig, daß dies eine die Intention des Autors nicht wirklich treffende Interpretation wäre; vielmehr handelt es sich of fensichtlich um ein rhetorisch übertriebenes Lob ManueIs 11., dessen Lei stungen und gute Gesinnungen sich auf diesem zu schwarz gemalten Hin tergrund um so strahlender abheben sollen43 7 . Eine ähnliche "Generalab rechnung" l iefert Kydones in einem anderen Brief, wenn er an den Philosophen Georgios schreibt, der Kaiserhof sei für ihn lediglich eine Stätte des Scheins, des Reichtums und des Luxus, nicht aber der Wahrheit und des Seelenheils4 38 • Zieht man den brieflichen Kontext und Kydones' Lebenssituation in Rechnung, dann wird deutl ich, daß er sich auch hier nicht unbedingt auf das Kaisertum an sich, sondern vornehmlich auf die Regierung Ioannes' V . Palaiologos bezieht. Dasselbe gilt analog für die oben zitierte harte Bemerkung, man bekomme als Hilfesuchender hinter den Pforten der Mächtigen nichts als Beschimpfungen zu hören439 ; auch hier hat Kydones in erster Linie die Verhältnisse am Hof Ioannes' V. im Visier. Ein ebenfalls nicht besonders schmeichelhaftes Zeugnis für die Tätigkeit dieses Kaisers stellt ein weiterer an Georgios gerichteter Brief aus, wenn Kydones dem in M istra weilenden Philosophen schreibt, er könne doch genauso gut wieder nach Byzanz zurückkehren, da ohnehin überall gleichermaßen Gewalt und Gesetzlosigkeit herrschten 440 . Man fragt sich, ob Kydones all diesen Bemerkungen deswegen eine so vage und allgemeingültige Ausformulierung hat zutei l werden lassen, weil es zum guten Ton gehörte, den Kaiser n icht namentlich zu nennen, oder weil er befürchtete, allzu deutliche Kritik könnte dem Kaiser h interbracht wer den und ihm Nachteile einbringen. Im weiteren wird sich aber zeigen, daß er auf die Etikette zum Tei l wenig Rücksicht nahm und vor offener Kritik gegebenenfalls keineswegs zurückschreckte. Es besteht zumindest die Möglichkeit, daß mit diesen generalisierenden Aussagen auch eine tiefer sitzende Kritik am Kaisertum überhaupt zum Ausdruck kommen sol l .
437 4] 8 4]9 440
Vgl. zu diesem bspw. i n der byzantinischen Geschichtsschreibung des öfteren zu beob achtenden Moment der Kaiserkritik (ZUrücksetzung vorangegangener Herrscher zu gunsten des gegenwärtigen) Tinnefeid, 197 1 , 1 85. T 49 = L 3 1 , 1 6-24. Daneben klagt Kydones des öfteren über den anstrengenden Dienst im Palast (T 53; T 0 1 36; weitere Stellen gesammelt bei Tinnefeid, 1 9 8 1 , 1 5 mit Anm. 76). T 44 = L 46, Z. 1 6 f. T 57 L 32, Z. 30-37. =
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Einzelne Fälle kaiserlicher Ungerechtigkeiten Daß besonders das Verhältnis zwischen Kydones und Ioannes V. Palaiolo gos nicht eben von inniger Zuneigung bestimmt war, hatte sich bereits des öfteren angedeutet und findet allenthalben weitere Bestätigung. So lehnt sich Kydones nicht nur, wie bereits erwähnt, gegen Ioannes' V. Verbot, nach Lesbos auszureisen, schließlich erfolgreich auf, sondern muß sogar darum kämpfen, vom Kaiser wiederum die Erlaubnis zur Rückreise nach Byzanz zu erhalten, was wir aus einem Brief erfahren, in dem Kydones sich über den Erhalt dieser Erlaubnis beschwert - beschwert deswegen, wei l sie in einem unangenehm kühlen und frostigen Ton abgehalten sei44 1 • Daneben kam es vor a llem in steuerpolitischer und finanzieller Hinsicht immer wieder zu Reibungspunkten zwischen dem selbstbewußten Staats mann und seinem Kaiser, sowohl was die eigene, aber auch was die Be handlung anderer anging. Über den anklagenden Brief an den Steuerbe auftragten Chloros war bereits ausftihrlicher die Rede; die herbe Kritik des Absenders an den überaus harten und politisch seiner Ansicht nach un klugen Maßnahmen gegen die länd liche Bevölkerung beim Eintreiben der Steuern richtete sich zwar nicht direkt gegen Ioannes V., machte aber durch die wiederholte NebeneinandersteI lung von "himmlischem" und "irdischem" Kaiser deutlich, wer der Letztverantwortliche in dieser An gelegenheit ist und wie anders dieser aufgrund seiner Stellung eigentlich handeln müßte442 • Eine ungerechte Behandlung widerfuhr aber auch Kydones selbst, da er sich zweimal sehr unwil l ig über die anscheinend unverhältnismäßige Besteuerung eigener Ernteerträge äußert443 • Einmal beschwert er sich bei der Kaiserin Helene Palaiologina über den Einzug seiner Mispelernte, und er tut dies in einem ziemlich bitter-sarkastischen Ton, wenn er ins Allgemeine ausweitend den Brief m it den Worten einleitet, oi nav"Ca aQlu"Col
ßautAEic:; - "die alleredelsten Kaiser" - gäben den Reichen immer noch
Geld dazu, den Armen hingegen nähmen sie auch noch das wenige, was sie besitzen444 • Zwar kann man die pluralische Formulierung "die Kaiser" 44 1
Mit dieser Episode befassen sich insgesamt vier Briefe: Beschwerde gegen die Ver weigerung der Ausreise in T 1 09 = L 1 1 7; Schreiben an die Kaiserin Helene Palaiolo . gina, sie möge in dieser Sache FOrsprache bei loannes V. einlegen in T 1 1 3 = L 1 34; Beschwerde Ober den kUhlen Ton der Erlaubnis zur RUckkehr in T 1 1 7 = L 1 38; Bitte an Ioannes V., diese Angelegenheit doch endlich ad acta zu legen in T 333 = L 340. 442 T 0263 L 257; s. dazu oben unter V,7. 443 Kaiserkritik in Byzanz kommt des öfteren von den sozial besser Gestellten, die sich Ober eine Schwächung ihrer Position oder eine Minderung ihres Besitzstandes be schweren, vgl. TinnefeId, 1971, 1 84. 444 T 1 53 = L 1 43, Z. 4-8. =
1 06
IV.
Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
auf Ioannes V. und seinen zu diesem Zeitpunkt bereits zum Mitkaiser ge krönten Sohn Manuel 11. beziehen, doch ist es kaum wahrscheinlich, daß Manuel bei dieser seinen ehemaligen Lehrer offenbar kompromittierenden Aktion direkt beteiligt war. Eine anscheinend vorrangig auf Ioannes V. gemünzte Kritik wird abermals so formu liert, daß es in der Schwebe bleibt, ob Kydones damit nicht auf eine Unart der Mächtigen überhaupt abzielt; darüber hinaus w irft der in der Bezeichnung "die alleredelsten Kaiser" liegende böse Spott, noch dazu in einem Brief an die Kaiserin selbst, einen Schatten auf die Institution als solche, zeugt er doch von einer inneren Haltung, die mit deutlicher Verachtung oder doch zumindest Verurteilung auf das herrscherliche Handeln herabblickt. Bei einem anderen Briefpartner entschu ldigt Kydones sich dafür, daß er ihm nicht mehr Äpfel als Geschenk zuschicken könne, weil seine Ernte spärlich ausgefallen sei; darüber hinaus trage einen Anteil an der Schuld aber auch 6 XQTJu'[OC; ßauLAElJC;, "der vortreffliche Kaiser" - gemeint ist wiederum Ioannes V. -, "der dort erntet, wo er nicht gesät hat, und Früchte einfor dert, für die er nicht gearbeitet hat. Er beschränkt seine Wohltaten für uns allein auf Versprechungen, hält sich aber nicht an dieselbe ... ,,44 5. Wiederum ist der ironische Gegensatz zwischen dem als "vortrefflich" bezeichneten Kaiser und seiner Handlungsweise außeror dentlich, bleibt diesmal aber eindeutig auf die Person Ioannes' V. be schränkt. Ist man über die - gel inde gesagt - freizügigen Äußerungen in Bezug auf den heiligen Herrscher in den eben angeführten Fällen bereits erstaunt, so stellen sie doch noch keineswegs den Höhepunkt dar. Immerhin han delt es sich um Ausfälle dritten Personen gegenüber, die dem Kaiser selbst zwar zu Ohren kommen konnten, aber nicht mußten. Am Anfang der 1370er Jahre bahnt sich jedoch ein Konflikt an, der zu einem direkten Eklat führen sollte. In einem Brief an einen vermutlich i m Kaiserpalast selbst zu lokalisierenden, unbekannten Adressaten tadelt Kydones die ge genwärtige Politik Ioannes' V .446 und erklärt, sich aus dem politischen Le ben zurückgezogen zu haben, weil er mit der Handlungsweise des Kaisers nicht einverstanden sei . Außerdem bringt er zur Sprache, daß ihm vom Kaiser das ihm zustehende Gehalt nicht ausgezahlt werde. Genau dieser 445
446
T 1 59 = L 1 86, Z. 1 2- 1 4. Durch den Anklang an Lk 1 9,2 1 f (im Gleichnis von den anvertrauten Pfunden wird Gott als jemand bezeichnet, der nimmt, was er nicht hinge legt hat, und erntet, was er nicht gesät hat) könnte man vordergründig eine Sakralitäts aussage unterstellen, doch spricht der Fortgang der Stelle und der insgesamt scharfe Ton eindeutig dagegen. T 96 = L 1 1 5 (Winter 1 37 1/72); gemeint ist nach Tinnefeid, 1 982, 520, v.a. des Kai sers propalarnitische Gesinnung.
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letzte Punkt aber fUhrt nach kurzer Zeit, in der vielleicht weitere Bitten und Mahnungen von Kydones' Seiten erfolgt, jedoch vergeblich waren, zu einem regelrechten Ausbruch epistolographischen Zorns, indem Kydones direkt an Ioannes V. folgendes kurzes Schreiben richtet447: AiUXQov aQxovn bLKaLOuuvll<; Kai vOflwV Ka'tlX
Herrscher die Gerechtigkeit und die Gesetze mißachtet. Wenn du also An spruch erhebst, ein Herrscher zu sein, halte dich auch selbst an das Recht448 • Die Gerechtigkeit aber haben die Weisen als die Tugend definiert, die jedem das Geschuldete zukommen läßt. Wenn du also auch m ir jetzt das geschuldete Geld auszahlst, wirst du ein Herrscher und ein Ehrenmann sein. Wenn du es
mir aber vorenthältst, wirst du freilich mir nicht schaden . Denn du wirst mich nicht zu einem schlechten Menschen machen, wenn du mich ärmer sein läßt. Du selbst aber wirst einmal den gerechten Anspruch auf die Bezeichnung ' Herrscher' verlieren, wonach du doch zutiefst verlangst, sodann wirst du auch ein schlechter Mensch sein und als solcher erscheinen, weil du rur ein wenig Geld das Recht verkauft hast."
Daß Kydones dem Kaiser gegenüber einen solchen Ton anzuschlagen wagt, erscheint fast unglaubl ich449 • Man ist versucht zu vermuten, er habe diesen Brief vielleicht niemals abgeschickt, worauf jedoch keinerlei Indi zien h indeuten. Es ist n icht nur der heftige Angriff auf das Fehlverhalten des Kaisers, sondern auch die dem Brief zugrundeliegende Argumenta tionsstruktur äußerst bemerkenswert. Keine Spur von der Vorstellung, die
447 T 98 = L 70, Nach TinnefeId, 1 982, 522 f, kommt als Angeredeter nur der Kaiser in Frage, auch wenn nur vom äQXwv die Rede ist; das in Frage stehende Geld ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht eine entliehene Summe, sondern das geschuldete Ge halt. 448 Neu!lbersetzung des Halbsatzes 7tOlOU 1:lva Kai A6yov blKaLou von TinnefeId nach brieflicher Mitteilung vom 8.7.2004, abweichend von der im entsprechenden Band der Bibliothek der griechischen Literatur gedruckten Version ("mache dir auch etwas aus dem Recht"). 449 Dies läßt sich auch nicht mehr befriedigend mit einem Hinweis auf "die Schwäche die ser Kaiserpersönlichkeit" (Tinnefeid, 198 1 , 201 ) oder auf die zunehmende Emanzipa tion der Aristokratie im späten Byzanz erklären, wie sie von Dieten, 1 979, herausge arbeitet worden ist.
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1 08
Herrschaft sei dem Kaiser von Gott verliehen. Der Kaiser selbst ist es, der eifrig nach der Herrschaft strebt (6 t-taAlom OTIouMl;w;;) und auf sie Anspruch erhebt (Ei 'rOlVUV a�loü; cXQXElV). Kein Wort von einer durch das Herrschaftsamt auf den Kaiser und seine Handlungen ausstrahlenden Heiligkeit, n icht einmal mehr in der bereits des öfteren beobachteten Kon stellation, daß die Erinnerung an das hohe Stellvertreteramt m it einer Mahnung an den Kaiser verbunden wird, gemäß der ihm von Gott übertragenen Verantwortung zu handeln. Der Kaiser selbst hat es in der Hand, ob er seinen Herrschaftsanspruch zu Recht erhebt, ob er tatsächl ich Kaiser ist oder nicht. Kaiser ist man nicht durch göttliche Erwählung und dann auf Dauer, sondern, nach Kydones, nur dann, wenn man wie ein Kaiser handelt. Und selbst die Richtlinien ftir dieses Handeln werden durch den Hinweis auf die Gerechtigkeitsdefinition des suum cuique tribuere nicht der biblisch-christlichen, sondern der antiken philoso phisch-staatstheoretischen Tradition entnommen 450 : Richtig handelt ein Kaiser in erster Linie dann, wenn er jedem das zukommen läßt, was ihm gerechterweise zusteht. Wichtig ist, daß h ier religiöse Deutungsmuster und Bewertungsmaß stäbe unterschwellig durch innerweltIiche ersetzt werden. Der Herrscher erhält sein Amt nicht durch göttl iche Erwählung und muß sein Handeln nicht zuallererst an Gott und Gottes Geboten ausrichten, sondern er er langt und erhält sein Amt durch eigenes richtiges Handeln und muß damit in erster Linie seinen Untertanen gerecht werden. Natürlich ist im kultur historischen Horizont des Spätmittelalters die Ausrichtung an Gottes Geboten und gerechtes Handeln den Untertanen gegenüber letztendlich deckungsgleich - oder sollte es zumindest idealiter sein -, das Entschei dende aber ist, daß Kydones zur Abstiitzung seiner Forderungen an den Kaiser m it rein innerweltlichen Begründungszusammenhängen auskommt, ohne dabei in irgendeiner Hinsicht auf religiöse Konzeptionen zu rekurrie ren. Traditionell ist Gott der Garant und Grund herrscherlieher Macht, und der Herrscher mußte zusehen, daß er seinem Amt auch gerecht wird; hier ist der Kaiser selbst Grund und Garant seines Herrschaftsamtes, solange und indem er es gerecht verwaltet. Neben dem oben zitierten Brief existiert noch ein weiteres Schreiben an Ioannes V., in dem Kydones vom Kaiser abermals die Zahlung des noch ausstehenden Gehalts einfordert und ihm regelrecht androht, er wer-
4S0
Vgl. dazu Plat. dei 4 1 1d e und eie. leg. 1 ,6, 1 9; off. 1 ,5, 1 5 ; rep. 3, 1 1 , 1 8; Ulp. Dig. 1 , 1 , 1 0. -
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de ansonsten gegen ihn wie gegen einen Schuldner vorgehen45 1 ; und aus dem Jahr 1 390 ist ein Brief überliefert, in dem Kydones sich an Manuel 11. wendet und ihn dringlich bittet, ja sogar mit Drohungen untermischt mahnt, seinen Vater Ioannes V., den "alleredelsten Kaiser", doch zu be wegen, ihm das zustehende Gehalt zu zahlen, denn die jetzige Hand lungsweise des Kaisers sei weder gerecht noch entspreche sie seinen früheren Versprechungen. Kydones äußert Manuel gegenüber, er besäße genügend Macht, ihn zu betrüben, und droht ihm an, bei Nichterfullung seines berechtigten Wunsches unerträglich aufdringl ich zu werden oder aber sein Vaterland zu verlassen und Menschen zu suchen, die Bedürftige "anständig behandeln,,452 . In beiden Briefen sind keine religiösen Töne zu vernehmen; nirgends wird auf theologische Begründungen zurückgegrif fen .
Geißelung der bürgerkriegsähnlichen Zustände in Byzanz Ein weiteres Feld für Kritik am kaiserlichen Handeln boten die innen politischen Wirren, unter denen das ganze Reich zu leiden hatte. Ohne explizite Namensnennung tadelt Kydones 1 3 52 in einem Brief an Ioannes VI. Kantakuzenos die Undankbarkeit Ioannes' V. Palaiologos und weist diesem d ie Schuld am Ausbruch des wieder aufflammenden Bürgerkrie ges zu m . Einige Male kommt der Konflikt zwischen Ioannes V. und Andronikos IV. zur Sprache, so wenn Kydones beispielsweise einmal kurz von den "üblen Folgen des Aufstandes" spricht454, ein andermal das "alte und i mmer wieder neue Übel" des naturwidrigen Krieges zwischen Vater und Sohn als "Fieberanfall", Ka'[aßoATJ, bezeichnet455 , oder im Rückblick seiner Freude darüber Ausdruck verleiht, daß die Kaiser die "gegenseitige kleinliche Streitsucht" endlich aufgegeben und damit die Städte von der schli mmsten aller Krankheiten, der Zwietracht, befreit hät-
45 1
T 149 = L 1 39, v.a. Z. 1 3 - 1 5 . In diesem Zusammenhang sei auch auf den bösen Unter ton in Brief T 0 1 84 L 1 53 hingewiesen, mit dem Kydones sich bei Ioannes V. ziem lich kühl und distanziert rur ein Jagdgeschenk bedankt und dabei deutlich zu verstehen gibt, daß es eigentlich großzügiger hätte ausfallen müssen im Vergleich zu dem, was andere, die nicht in so privilegierter Stellung sind, bekommen hatten. T 400 L 237; wörtliches Zitat: Z. 30 f. Tinnefeid, 2003, 1 52, bemerkt zu diesem Brief, er falle durch seinen "ungewöhnlich heftigen Ton" auf; die Äußerungen Manuel gegenüber seien "kaum noch, wie sonst, eher scherzhaft zu verstehen". T 27 L 1 5, Z. 22-3 1 . T 306 L 306, Z. 62 f. T 307 = L 308, Z. 1 6 ff, griechisches Zitat Z. 17 (zur Übersetzung s. Tinnefeid, 1 999, 22 1 , Anm. 3). =
452
453 454 455
=
=
=
1 10
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ten4 56 . Während der Zeit, zu der Andronikos IV. in Konstantinopel mit Hilfe der Türken die Macht übernommen und seinen Vater Ioannes V. so wie seine Brüder Manuel 11. und Theodoros hatte einkerkern lassen, charakterisiert Kydones d ie ganze Situation und Lage des Staates kurz und treffend mit oubev LEQ6v - "nichts Heiliges" -, eine sprichwörtliche Wendung4 57, die man in diesem Zusammenhang bei der Behandlung des Themas "Sakralität von Herrschaft" mit besonderer Aufmerksamkeit regi striert. Und als Andronikos IV. sich mit der Frage an Kydones wendet, ob er nicht dem Gemeinwesen seine politische Erfahrung weiterhin zur Ver fügung stellen und in seine Dienste treten wolle, scheut der so Umwor bene sich nicht, dem Kaiser eine Abfuhr zu erteilen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt4 58 : 'Eyw 'rWV aoi. bouAEuov'rwv Ot)]( av non: YEVOlflTJv Ewe; av aW
Diese unglaublich provokante Weigerung ist ein beeindruckendes Zeugnis für Kydones' Mut und seine Loyal ität Ioannes V. gegenüber, gegen den er allerdings unter Umständen ebenfalls sehr selbstbewußt auftrat, wie der oben zitierte, die Gehaltauszahlung betreffende Mahnbrief zeigt4 59 . Auch andernorts bemerkt Kydones einmal dezidiert, als er von Ioannes V. mit einer Gesandtschaft beauftragt wurde, er habe stets nur Positionen vertre ten, die er persönl ich für richtig halte460 : oub' av noS ' l m EflElv a bTJfloal� auvnmiv 'rOie; lb� Ka'rEyvwaflE VOLe;, oub ' av fluQlaKle; Ö 'rE ßamAeue; EnE'ranE Kai. iJ na'rQle; nQoUT]v aYKa�Ev. - "Auch hätte ich es niemals ertragen, etwas öffentlich zu vertei digen, was ich privat ablehne, selbst wenn es der Kaiser tausendmal befohlen und das Vaterland mich seinerseits noch dazu genötigt hätte."
D iese offene Opposition gegen noch lebende Kaiser ist in Byzanz keines wegs gewöhnl ich46 1 . D ie Verweigerung der Gefolgschaft Andronikos IV. 456 T 208 = L 442, Z. 4-6. 457 T 1 72 = L 1 67, Z. 1 3 ; zu dieser Wendung vgl. Anm. 390, S. 93. 458 T 1 74 = L 1 54, Z. 39 f. 459 Siehe S. 1 07.
460
T 2 1 8 = L 242, Z. 1 7- 1 9.
46 1 Unter den Historiographen wagt sich nur noch Prokop so weit vor, doch zeigt der Ge
heimcharakter seiner Anekdota, "wie geilihrlich es rur politisch Andersdenkende war, in Byzanz ihre Meinung zu sagen" (Tinnefeid, 1 97 1 , 1 92). Barker, 1 969, 3 1 , Anm. 80,
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gegenüber ist aber nicht nur ein Zeugnis für Kydones' Selbstand, sondern auch für seine politische Weitsicht. In einem anderen Brief wird deutlich, daß der erfahrene Staatsmann sich über die verheerenden Folgen der innenpol itischen Kämpfe für die Stärke des Reiches völlig im klaren war, wenn er im Hinblick auf die Thronrivalitäten zwischen den Palaiologen Manuel 11. und Ioannes VII . den "Zank der Kaiser um das Phantom d ieser Herrschaft" als das "alte Übel" bezeichnet, "das alles zugrunde gerichtet hat,,462 . Neben dem persönlichen Fehlverhalten einzelner Kaiser im Ver hältnis zu den Untertanen und der zunehmenden Bedrängnis von außen hat mit S icherheit die Schwächung des Reiches durch innere Kämpfe nicht unwesentlich zu einer "Entzauberung" des sakralen Herrscherbildes in Byzanz beigetragen463. Insgesamt gesehen hält sich Kydones' Kritik am kaiserlichen Freund und ehemaligen Schüler Manuel 11. auf den ersten Blick in Grenzen. Man che gewagte und mit leicht kritischem Unterton versehene Passage läßt sich durch die beiderseitige Vertrautheit erklären und wird damit auch relativiert, wenn etwa Kydones Manuel H. einmal zwar nicht in spottend bösem, aber immerhin ironischem Unterton mit eil ao
-
kann als Erklärung rur Kydones' Unerschrockenheit auch nur eine Vermutung aufstel len: " . . . perhaps as too eminent a person to be subject to reprisals, Cydones seems to have been left unmolested." 462 T 430 = L 442, Z. 4 1 -4 3 : /lEVEL bi: 7tQCx;; 'rDtJ-tOlC; Kat 'r0 tXQXaiov KaKOV Kat Ö
7tlXv-ra tX7tWAWfV, � 'rwv ßaau\Ewv 7tfQt 'rOü 'rf]c; tXQXiiC; 'rau'ITJC; dbwAou bt xOvOLa. Die Stoßrichtung, in die eine solche Kritik geht, läßt sich des öfteren bereits in der Tradition byzantinischer H istoriographie ausmachen; vgl. dazu Tinnefeid, 1 97 1 , 1 88: "Eine weitere Kategorie der Kaiserkritik ist die Unzufriedenheit einiger Autoren mit den Herrschern, weil sie ihrer Ansicht nach zu wenig tun, um die Macht, den Ruhm und die innere Geschlossenheit des byzantinischen Reiches gegenüber auswärti gen Völkern zu erhalten und zu llirdern." 463 Vgl. dazu auch T 33 1 = L 346 (s.u. S. 1 1 5) und Kapitel VI, S. 1 45 ff. 464 T 209 = L 2 1 8, Z. 1 0- 1 5 (wörtliches Zitat: Z. 1 0).
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Person des Kaisers verantwortlich zu machen465. Ein anderer Brief mit ei ner etwas verwickelteren Vorgesch ichte bezichtigt den Kaiser der über triebenen Kleinlichkeit. Der sich in Lemnos aufhaltende Manuel n. hatte sich offenbar brieflich bei Kydones entschuldigt, weil er ihm nicht ge schrieben habe, was Kydones in einem Antwortschreiben mit dem Hin weis zurückgewiesen hatte, Kaiser seien zum Briefschreiben nicht ver pflichtet, und er sei sich der guten Gesinnung Manuels auch ohne Brief si cher. Diese Replik hatte der Kaiser aber wiederum anscheinend als An deutung mißverstanden, Kydones seien die kaiserlichen Briefe nicht wich tig. Kydones bemüht sich daraufhin, dies in einem weiteren Brief richtig zustellen466, doch beharrt Manuel auf seinem Vorwurf. Da reißt dem Äl teren doch der Geduldsfaden, und er schreibt einen allenthalben von Iro nie durchsetzten Brief, in dem er sich der kaiserlichen Macht und Rhetorik unterwirft, die Anklage als rechtmäßig anerkennt und androht, er werde also von nun an vom Kaiser unerbittlich und unersättlich Briefe wie Schneeschauer fordern und keinen Entschuldigungsgrund für unterlasse nes Briefeschreiben mehr anerkennen. In durchaus ernsterem Tonfall en det der Brief mit einer Mahnung an den Kaiser, er solle doch die wahre Philosophie n icht mit Sophisterei verwechseln und sich l ieber an Platon als an Prodikos halten, habe doch der letzte kaiserliche Brief viel von der "Haarspalterei" der Sophisten angenommen467 . Es gab allerdings durchaus auch gravierendere Differenzen. Eine brief lich geäußerte Verbitterung über die anfängliche Vernachlässigung und Zurücksetzung seiner Person im öffentlichen Dienst durch Manuel II. ist nicht so sehr als Kritik am Kaisertum an sich, sondern eher als Mittel zu werten, mit dem Kydones seiner persönl ichen Enttäuschung über den un treuen Freund Luft verschafft. A llerdings verleitet die erfahrene Zurück setzung den Absender in dem nicht an Manuel persönl ich gerichteten Brief zu einer außergewöhnlich harschen Ausdrucksweise, wenn dem Kaiser unterstellt wird, er erachte es wohl für eine Schande, "für neue Aufgaben einen alten Freund zu gebrauchen" und Kydones ihm vorhält, daß er sich anscheinend etwas darauf zugute halte, Freunde wie Mäntel oder Schuhe auswechseln zu können, denn ihn selbst habe er "wie einen abgenutzten Gegenstand weggeworfen,,468 . 46S 466 467 468
Vgl. T 253 L 253; der gleiche Tadel an Theodoros Kantakuzenos flillt deutlich schär fer aus (T 254 = L 254). T 37 1 L 39 1 . T 372 = L 392, Z. 59, "Haarspalterei": 1tEQlEQy1a; Tinnefeid Ubersetzt, vielleicht et was zu hart, mit "UberflUssiges Geschwätz". T 1 56 L 1 66, Z. 23-27 ( 1 374 oder 1 3 757). =
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E ine weitere, durchaus ernster zu nehmende Verstimmung bahnt sich dann erst wieder rund zehn Jahre später an. In der Hoffnung auf militäri sche Hilfe gegen die Türken schickt Manuel 11. aus dem belagerten Thes salonike 1 3 85 eine Gesandtschaft an den Papst469 , ohne Kydones in ir gendeiner Form in dieses Unternehmen mit einzubeziehen, obwohl dieser aufgrund seiner Lateinkenntnisse, seiner Verbindungen und durch seine Italienreise in den Jahren 1 369- 1 3 7 1 Kompetenzen und politische Erfah rungen vorzuweisen hatte, die ihn für eine solche Mission, zumindest aber für ihre Vorbereitung, geradezu als prädestiniert erscheinen ließen - ein Vorgehen, über das Kydones in einem an Manuel 11. gerichteten Brief nach eigenen Worten doch zumindest "verwundert" ist470 • Abweichend von vielen anderen Äußerungen über Manuels rhetorische Talente er scheint kurze Zeit später Kydones' Begeisterung über einen stil istisch gelungenen Brief des Kaisers deutlich gedämpft, wenn er im Anschluß an das Lob der d iesbezüglichen kaiserlichen Fähigkeiten schreibt, es gebe für die Ausübung rhetorischer Künste noch andere günstige Gelegenheiten, im Augenblick aber sol le sich Manuel besser auf den Krieg gegen die Tür ken konzentrieren47 1 • Als sich daraufhin die politische Lage zuspitzt, weil Andronikos IV. erneut einen Aufstand gegen seinen Vater Ioannes V. un ternimmt, der den Kaiservater zwingt, zur Abwehr des Usurpators die Hilfe des türkischen Sultans Murad 1. in Anspruch zu nehmen, Kydones aber durch seine konsequent antitürkische Haltung zunehmend Anfein dungen ausgesetzt ist und deshalb plant, eine schon seit langem projek tierte Reise nach Italien nun wirklich anzutreten, stößt er wiederum bei Manuel lI. mit diesem P lan auf wenig Gegen liebe, der ihn dringend darum bittet, während dieser schweren Zeiten in der Hauptstadt auszuharren. In seiner Erwiderung geht Kydones ausführlich auf die Meinung so "man cher Leute" ein472, in Konstantinopel sei das Leben viel angenehmer, si cherer und erträgl icher als im hart umkämpften Thessalonike. Er, Kydo nes, halte d ies für einen gewaltigen Trugschluß. Durch den Pakt mit den Türken habe man die S icherheit und Ruhe um den Preis der Freiheit er kauft und sei damit i n einer viel schl immeren, wei l ehrloseren Lage als die Verteidiger Thessalonikes. Wie könne man die Ruhe und Unabhängigkeit der bereits Verstorbenen über die Beschwerden derjenigen stellen, die im Zustand des F iebers wenigstens noch dazu in der Lage sind, gegen die Krankheit anzukämpfen? Und, ganz überraschend, wechselt Kydones an
469 Vgl. dazu Barker, 470 T 302 L 320. 47 1 T 304 L 304.
1 969, 55 f.
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412
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Vgl. den Anfang des Briefes T 306 = L 306, Z. 4 (dalv 01: ... ).
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dieser Stelle von der Darstellung einer allgemeinen Ansicht auf das per sönliche "Du": d:M ' cD !J.WQE "nein, du Tor,,4 73, die, denen du den Vor zug gibst, liegen bereits in der Totenstarre, während die anderen wenig stens noch auf Genesung hoffen können ! Hätte man den Gebrauch von VTPUOC; im Sinn von "du unerfahrener, ahnungsloser Tor" einem Kaiser gegenüber, zumal diesem Kaiser gegenüber, der zum einen j ünger, zum anderen einst Kydones' Schüler war, noch gelten lassen können, verstößt das gröbere !J.wQ6C; noch mehr gegen den guten Ton474 , zumindest gegen den üblicherweise einem "heiligen" Kaiser geschuldeten Respekt. Zur Entschuldigung kann man sich auch nur schlecht auf den Umstand beru fen, der ganze Brief sei entsprechend den einleitenden Worten "manche meinen . . . " eher an einen fingierten Gesprächspartner gerichtet4 75, da Ky dones unmittelbar im Anschluß an die oben zitierte Passage mit einer direkten Anrede an den Kaiser fortfährt4 76 : "Bei diesen also gebietest du m ir, 0 Kaiser, zu bleiben und zu wohnen ?", und den Brief mit der kla ren Aussage beschließt, für dieses Mal dem kaiserlichen Wunsch n icht nachkommen zu wol len. Daß sich der ganze Brief auf den Kaiser und des-
...
471 T 306 L 306, Z. 53. 474 MWQo<; oder IlwQ0<; =
beide Schreibweisen sind belegt. Während vrj71Lo<; in seiner Grundbedeutung die Unmündigkeit des Kindes beschreibt, vgl. Bertram, ThWNT 4, 1 942, 9 1 3 f, zielt IlwQo<; auf einen (altersunabhängigen) körperlichen, v.a. aber geisti gen Mangel, der nur in einem bestimmten Fall, aber auch grundsätzlich vorhanden sein kann; vgl. dazu Bertram, ebd., 837 f. 475 So begründet Tinnefeid, 1 999, 2 1 9, Anm. 3 , seine die Härte des Ausdrucks mildernde Ü bersetzung. Seiner Ansicht nach sei es "kaum anzunehmen, daß Kydones den Kaiser, dem er sonst soviel Respekt entgegenbringt, auch nur indirekt als 'Dummkopf be schimpft hätte". Doch ist hier eine sich bereits länger anbahnende Entfremdung in Rechnung zu stellen, die offensichtlich tiefere Spuren hinterlassen hat, als man zu nächst - gerade angesichts des sonst so guten Verhältnisses - geneigt ist zu vermutel1. Die Verstimmung erreicht hier einen gewissen Höhepunkt, setzt sich aber auch danach noch weiter fort. In T 307 = L 308 geht es darum, daß der neu ausgebrochene Konflikt zwischen Ioannes V. und seinem Sohn Andronikos IV. nach Ansicht des Kydones hätte vermieden werden können, wenn Manuel 11. nur in Konstantinopel geblieben wäre. In T 3 1 6 = L 327 bittet Kydones den Kaiser um Auskunft über den Verlauf der Gesandtschaft an den P apst. Offenbar hat Manuel 11. es bis dahin nicht einmal filr nötig gehalten, ihn darUber zu infonnieren - wiederum nicht unbedingt ein Zeichen besonde rer Freundschaft. Im Winter 1 3 86/87 schickt Kydones einen Brief an Manuel 11. (T 326 = L 329), aber nicht direkt an ihn, sondern an Demetrios Kabasilas, der den Brief nur bei passender Gelegenheit dem Kaiser vorlesen soll. Grund: Der Brief könnte ihn ja von dem viel wichtigeren Überlebenskampf gegen die TUrken zur Unzeit able{!ken. Der Grund scheint zwar plausibel, wUrde bei echter Verbundenheit aber kaum zählen. Erst in T 329 = L 342 (ca. Februar-April 1 387) findet Kydones wieder einigennaßen in den alten freundschaftlichen Tonfall zurück. 476 T 306 = L 306, Z. 57. -
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sen letztes Schreiben bezieht, mag durch die anfänglichen Bezüge auf eine "allgemeine Ansicht" allenfalls etwas verwischt sein; es bleibt aber keine andere Möglichkeit als die Anrede er, I-lWQE in ihrer Härte direkt an den Kaiser selbst gerichtet zu sehen. In vielen Briefen schildert Kydones Manuel 11. als den idealen Herr scher, der sich selbst für seine U ntertanen aufopfert und unter persönli chem Einsatz gegen die Türken kämpft. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen politische Entscheidungen und Haltungen des Kaisers von Kydones mißbil ligt und kritisiert werden. Wäre Manuel 11. nicht ohne Anordnung und letztlich gegen den Willen seines Vaters loannes' V. eigenmächtig nach Thessalonike gegangen, um dort das Heereskommando und die Ver teidigung gegen die Türken zu übernehmen477, dann hätte dieses Vorgehen auch nicht zu einem Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn geführt, und Ioannes V. hätte sich zur Behauptung seiner Herrschaft gegen den Usur pator Andronikos IV. nicht türkischer Hilfe bedienen müssen, sondern Manuel 11. als hinreichende Unterstützung besessen 478 • Für die Schwä chung und Gefährdung des Reiches durch innere Zwistigkeiten ist Manuel 11. in Kydones' Augen somit durchaus mitverantwortlich. Die Mißbil ligung dieser seiner Ansicht nach unnötigen Grabenkämpfe innerhalb der kaiserlichen Fam i l ie gerät in einem Brief an einen ungenannten ehe maligen Hofbeamten aus dem Frühjahr 1 3 87 abermals zu einer General abrechnung mit dem Kaisertum an sich, ähnlich wie bereits mehrfach in Bezug auf Ioannes V. allein beobachtet479 • Die gegenwärtigen Wirren im byzantinischen Staat seien schwer zu begreifen und nahezu wider alle Vernunft, so Kydones. S ie seien aber wohl auf die wechselvol le politische Großwetterlage zurückzuführen sowie darauf, daß jeder nur auf seinen eigenen Vorteil und Gewinn bedacht sei. Dieses egoistische Streben habe alle wie eine Pest befallen, ein wahres Fest aber feiere diese Pest in den Häusern der Kaiser480 • Die unbeschränkte Macht der Herrschenden erfül le des weiteren diese selbst mit Argwohn gegen die Beherrschten, die Be herrschten wiederum m it Neid und Machtgier, und diese unguten Begier477 1 382 entschloß sich Manuel 11. Uberraschend, die Verteidigung Thessalonikes selbst in
die Hand zu nehmen, und reiste gegen den Willen loannes' V. ab; vgl. dazu T 233 L 203 ; T 328 L 332; T 329 = L 342 mit der Anm. 1 5 bei TinnefeId, 1 999, 293: "Ma nueI bekleidete zwar seit 1 373 die Kaiserwürde, aber die Legitimation seiner Herr schaft in Thessalonike war wegen seiner eigenmächtigen Abreise ". umstritten." Vgl. dazu auch die Diskussion bei Barker, 1 969, 42-47 (v.a. mit den Anm. 1 1 9 und 123). 478 Vgl. T 307 = L 308. 479 T 33 1 L 346, Z. 20-38. 480 T 33 1 L 346, Z. 25 f: mü'[o yaQ wamQ '[u:; AOlf.10e;; KaI. nav'[wv f.1Ev ä1t'[€'[aL, =
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Eie;; OE '[ae;; '[wv f3aaLAEwv OLKiae;; KaI. nAEov KWf.1al:H.
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den seien die eigentliche Ursache fUr die ständig und überall stattfinden den Aufstände u nd kriegerischen Unruhen. Es b leibt völ l ig offen, ob die hier geäußerte Kritik sich auf loannes V., auf Manuel II., i m Rückblick auf Andronikos IV., auf alle zusammen oder auf das Kaisertum an sich bezieht. Wenn Kydones aber als konkrete Aus wirkungen dieser üblen Begierden Aufstände von Söhnen gegen ihre Vä ter, Grausamkeit von Vätern gegen ihre Söhne, Mordtaten innerhalb der Verwandtschaft und innerstädtische Revolten anfUhrt, sind die zeitge schichtlichen Bezüge auf die drei genannten Kaiser, auch auf das Verhal ten ManueIs 11., unüberhörbar. Daneben bleibt die ganze Passage aber auch eine Abrechnung mit dem Phänomen von Herrschaft an sich, wenn Kydones m it den Worten schließt48 1 : 71CU)Orrm bE OUb€71on: Ewe; av "(wv iJbovwv 1J "(() aQXHv "Das aber wird niemals aufhören, solange das Herrschen zu den Begierden gehört." Herrschen ist hier nicht mehr göttlicher Auftrag und Anteilhabe an göttlicher Macht, sondern nur noch eine jeglicher sakralen Aura entkleidete menschliche Begierde. -
Kritik an der kaiserlichen Türkenpolitik Ein zweiter Bereich der Politik, in dem es zwischen Kydones und Manuel II. zu ernsthaften Differenzen kam, war die Hinwendung des Kaisers zu den Türken, der sich zum einen von Arrangements und Bündnissen mit dem mächtigen Feind woh l eine Entspannung fUr die Lage des Reiches er hoffte, zum anderen aber auch in einer zu schwachen Position war, als daß er sich mit Aussicht auf Erfolg gegen den Sultan und dessen Politik hätte stellen können482• In Kydones' Sicht war jedoch diese Taktik religiös und moralisch inakzeptabel und politisch ein völliger Irrweg. Eine Einschät zung, die übrigens Machiavelli rückblickend mit Kydones teilt. Als Bei spiel dafUr, wie ein "Fürst" seiner Ansicht nach nicht handeln sol lte, fuhrt Machiavel l i ausgerechnet das Vorgehen Ioannes' VI. Kantakuzenos an, der im Krieg gegen die Griechen und die mit ihnen verbündeten Palaiolo gen türkische Verbündete eingesetzt hatte483, denn einmal herbeigerufen habe man sie n icht mehr loswerden können484 • Bei Kydones selbst ist al lerdings ein gewisser Wandel in seiner Einstellung zu beobachten. Hat er in früheren Jahren für eine türkenfreundliche Politik und fUr ein kluges Paktieren mit den Türken noch ein gewisses Maß an Verständnis aufge481
T 3 3 1 L 346, Z. 3 7 f. Vgl. dazu und zu Kydones' Haltung in dieser Frage Barker, 1 969, 6 1 -64. 4 83 Vgl. dazu Todt, 1 99 1 , 44-5 1 . 484 Machiavelli, 11 Principe, Kapitel 1 3. 482
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bracht485, so ändert er später bei Manuel 11. Palaiologos seine Meinung grundlegend und lehnt jede Zusammenarbeit mit den Türken ab - wohl aus derselben Erkenntnis heraus, die Machiavelli aus der Distanz von über hundert Jahren veranlaßt hat, bereits die Anfänge einer solchen Politik bei Ioannes VI. zu tadeln. Kydones' Kritik an ManueIs 11. Türkenpolitik kommt zunächst nur indirekt in B riefen an seinen ehemaligen Schüler und Freund Rhadenos zum Tragen, der sich zu dieser Zeit in der engeren Gefolgschaft ManueIs 11. befand486 . Mehrmals rät und ermahnt Kydones Rhadenos, nicht durch Hoffnung auf Gewinn oder Karriere innere Einstellungen und Überzeu gungen zu verraten; er solle deshalb dem Kaiser auf seinem Weg zu den Türken nicht folgen. Die freundschaftliche Haltung der Türken sei nur Verstellung, um mit Verhandlungen schließlich das zu erreichen, was sie mit Waffen noch nicht erreichen konnten. Der Weg zu den Türken be deute den sicheren Weg in die Sklaverei, und deshalb solle Rhadenos dem Kaiser die Gefolgschaft aufkündigen, wenn dieser "zu den Barbaren über läuft,,487 . B leibe Rhadenos beim Kaiser, so verrate er damit seine Freunde und seinen Glauben488 . Mögen Verhandlungen mit den Türken momentan auch politisch noch so geboten erscheinen, so dürfe Rhadenos doch nicht Gott dadurch beleidigen, daß er sich dem Kaiser mehr verpflichtet fühle und sich in die Gemeinschaft mit Menschen begebe, die Gott auf jede Weise lästem489 . Dem Kaiser habe Rhadenos schon das Seine zugestanden und ihm zur Genüge gedient; nun solle er zusehen, daß er auch Gott das Seine gebe490 ; Hoffnungen auf eine Verbesserung der Lage seien nichts anderes als oV€LQa't'a /-lalv0/-lEvWV - "Träumereien von Verrückten,,49 1 . Auch ein letzter, besonders eindringlicher Brief, in dem Kydones seinen Freund dazu auffordert, nicht die Ehre und die Freiheit zu verraten, nicht die Vernunft zu verlieren und n icht aus Gewinnstreben in d ie Sklaverei zu gehen, verhallt wahrscheinlich, ohne bei Rhadenos eine Änderung seines
48 5 Vgl. T 1 0 4 86 4 87 4 88 489
490 49 1
L 8, Z. I I f bei Ioannes VI. Kantakuzenos; T 43 L 3, Z. 28 f bei Ioannes V. Palaiologos. Vgl. dazu Matschkel TinnefeId, 200 1 , 295, wo die entsprechenden Briefe als "Ausdruck l iebevoller Sorge eines Lehrers um seinen Schüler" interpretiert werden. . T 345 = L 352; wörtliches Zitat Z. 39 f. T 346 = L 353. T 347 L 3 54, v.a. Z. 46-56. T 347 L 354, Z. 6 1 -63 (Briefschluß!): wQa '[OLVUV Kat aE. 'rf]c; E� aQXiiC; 7tQO =
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aLQEaEWC; mxALV aljlelflEVOV a7toboüvaL Kat 8EetJ '[LX al)'[oü. '[LX YLXQ 7tQOC; '[ov KaiaaQa LKaVWC; �fliv a<j>waLW'raL. Eine deutliche Anspielung auf Mk 1 2, 1 7. T 347
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L 354, Z. 59.
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Verhaltens bewirkt zu haben492 ; plötzlich und unerwartet verstirbt dieser im Spätsommer 1 3 87493• Fällt die indirekte Kritik am kaiserlichen Handeln in den Briefen an Rhadenos ziemlich unverblümt und hart aus, ergeben Kydones' Briefe aus dieser Zeit, d ie an Manuel 11. persönlich gerichtet sind, ein ambivalentes B ild. Ein erstes, nicht überl iefertes Schreiben enthielt offenbar eine Pas sage, i n der das kaiserliche Handeln derart getadelt wurde, daß Kydones sich gezwungen sah, in einem - nunmehr erhaltenen - Brief eine Art ab schwächenden Widerruf zu verfassen, in dem er versichert, die entspre chende Passage sei eher als Ansporn zum richtigen Handeln gemeint gewesen, er könne doch den Kaiser nicht belehren oder ihm gar vorschrei ben, was er zu tun habe, der Kaiser hätte trotz seiner Jugend hinreichend Erfahrung und hohe B ildung; mit Vertrauen auf die eigene Stärke und auf Gottes Hilfe solle er ruhig bei seinem Vorhaben bleiben, Gott werde ihn wie die drei Jüngl inge im Feuerofen schon aus allen Versuchungen wieder erretten, und alles menschliche Tun sei ohnehin nur Schatten 494 • Mag vordergründig der unterwürfige Ton des Briefes auffallen, gerade vor der Folie der Briefe an Rhadenos495, so ist die gesamte Palinodie doch sehr doppelbödig, denn indirekt kann man hinter den entsprechenden Sätzen auch eine Erinnerung daran entdecken, daß der Kaiser sich in einem schweren Kampf befindet, daß er noch jung und entsprechend weniger erfahren ist als sein Lehrer, daß schließlich sehr viel Gottvertrauen, ja fast schon ein Wunder wie i m B uch Daniel vonnöten ist, um alle diese "Ver suchungen" zu bestehen - und hier gebraucht Kydones sicher absichtlich nicht das eigentlich zu erwartende Wort "Gefahren", sondern 7'[ElQaa�ol "Versuchungen", eine Andeutung, daß nach seiner Ansicht der Kaiser gegenwärtig eher vom Satan in Versuchung geführt als von Gott auf die Probe gestellt wird496 • In einem weiteren Brief wird die Haltung Manuels 11. von Kydones dann erstmalig offen kritisiert, mit einem eher resi gnierend wirkenden Unterton. Rettung bringe nicht ein Paktieren mit den Türken, sondern nur eine Aussöhnung zwischen Manuel 11. und seinem Vater Ioannes V., damit man auf diese Weise geeint den Feinden die Stirn bieten könne. Es sei unglaublich, daß das christliche Byzanz nun im Be-
492 493
T 348 = L 355. Tinnefeid, 2003, 32, vermutet eine Krankheit und schätzt Rhadenos' Alter auf etwa 33 Jahre. 494 T 349 = L 363, Z. 1 0-28. 495 Vgl. TinnefeId, 2003, 32: "Der devote Ton ist bemerkenswert, wenn man die scharfe indirekte Kritik an Kaiser Manuel in den Briefen an Rhadenos vergleicht ... 496 Vgl. die gleiche Wortwahl in der Versuchungsperikope bei Lukas (Lk 4 , 1 3): Kui ouv "
'rEAEouC; 7tav'rU 7tElQuof.lov 6 bLci:ßoAoc; a7tEo'rT] im' UlJ'rOÜ äXQL KalQOü.
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griff sei, sich in die Sklaverei bei verfluchten Menschen zu begeben, und ein Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn sei wider jede natürliche und göttliche Ordnung. "Daß ihr aber endlich einmal zusammenkommt und in Übereinkunft für das, was noch verblieben ist, Verantwortung übernehmt, ist fortan nur von Gott allein zu erhoffen.,,497 Manuel 11. solle sich an Gott wenden und das von i hm Auferlegte für gerecht halten; andere gerechte und fromme Männer hätten "zu ihrer vollkommenen Reinigung auch der äußeren Versuchungen" bedurft498 . Im Zusammenhang mit dem Phänomen Heiligkeit von Herrschaft ist bemerkenswert, wie offen Kydones Manuel II. für sein pol itisches Vorge hen kritisiert, und der Umstand, daß er dabei kein einziges Mal Sakrali tätsaussagen mit ins Spiel bringt. Die Kaiser sollen endlich "für das, was noch verblieben ist", Verantwortung übernehmen, m it anderen Worten, als Staatsmänner ihre Pflicht den Untertanen gegenüber erfü llen - der Ge danke, daß sie gerade als Stellvertreter Gottes oder in seinem Auftrag und so mit einer gewissen Unantastbarkeit dafür in die Pflicht genommen seien, fehlt völl ig. Es zeichnet sich im Gegenteil im Verlauf der Briefe d ieser Periode immer deutl icher ab, daß sich die Kaiser, speziel l auch Manuel 11., sogar in einer gewissen Opposition zum göttlichen Willen befinden. Es ist nicht nur die Schmach der Sklaverei und d ie Befürchtung, Byzanz könnte durch eine falsche Anbiederungspolitik schließlich von den Türken geschluckt werden, die Kydones dem Kaiser mahnend vor Augen hält, sondern es bahnt sich eine noch viel grundlegendere Kritik an, die das kaiserliche Handeln steigernd zunächst als Irr- und Abweg vom Willen Gottes, dann als Ergebnis teuflischer Versuchung, schließlich sogar als Abfall vom und Verrat am eigenen Glauben an den Pranger stellt. Die Nachricht, daß Manuel nun dem Sultan der Türken diene, sei ein so unerträglicher Schlag, daß Kydones bereits der Tod willkommen erscheine, denn der Kaiser müsse nun Nichtswürdigen dienen "und auch noch zulassen, daß die Seele durch den Umgang mit ihnen beschmutzt wird und Tag für Tag mit dem Gewissen im Streit liegt", schreibt Kydo nes im Herbst 1 3 87 an Manuel499, und ihm ist dabei durchaus bewußt, daß er sich mit dieser Offenheit an der Grenze des Erlaubten und ihm als
497 498 499
T 35 I T 35 1
L 365, wörtliches Zitat Z. 1 7- 1 9. L 365, Z. 27-29; zur Verdeutlichung, daß Kydones hier wieder den Begriff m:lQauf.loc;; verwendet übersetze ich hier abweichend von Tinnefeid ("Anfechtun gen") mit "Versuchungen". T 3 52 L 367, Z. 2 1 f. =
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Freund Zugestandenen bewegt50o . Es ist nicht abzusehen, wohin dieser Dissens zwischen Kydones und Manuel 11. noch geführt hätte, wenn Ma nuel nicht relativ kurze Zeit nach diesem Brief aus den Diensten Murads I. entlassen worden und nach Konstantinopel zurückgekehrt wäre.
Kritik au/theologischem Gebiet Es gibt drei Bereiche der Kaiserkritik im Briefcorpus des KYdones, die das herrscherliehe Handeln nicht nur jeder sakralen Aura entkleiden, son dern es schließlich sogar als widergöttl ich brandmarken. Das sind zum ei nen die inneren Machtkämpfe, zum anderen eine Politik, die sich in die Abhängigkeit von den Türken manövriert, und schließlich, auf theologi schem Gebiet, eine Begünstigung des Palamismus 50 I . Der durch seine Übersetzungsarbeit am Denken des Thomas von Aquin geschulte Staats mann konnte schon aufgrund seiner Begeisterung für die westliche Scho lastik mit m ystischen Spekulationen um die Möglichkeit der Schau des göttlichen Lichtes, das Christus bei der Verklärung auf dem Berg Tabor umgab, nicht viel anfangen, noch mehr aber mußte sich sein Sinn für ari stotelisch-thomistische Dialektik an einer Realdistinktion zwischen Gottes unerreichbarem Wesen und verschiedener von ihm ausgehender "Ener gien" stoßen, zu denen von den Palamisten beispielsweise das göttliche Taborlicht gezählt wurde. Trotzdem hätte sich Kydones in seinen Briefen wahrscheinl ich nicht bemüßigt gefühlt, zu diesem Thema jemals aus führlicher Stellung zu nehmen, wenn der Palamismusstreit nicht unmittel bare Auswirkungen auf einen seiner engsten Angehörigen, auf seinen Bruder Prochoros Kydones, gehabt hätte, der mit ihm in theologischer Hinsicht die gleichen Überzeugungen vertrat und sich als Athos-Mönch aktiv an den innerkirchl ichen Streitigkeiten beteiligte. Als jedoch Ioannes VI. Kantakuzenos, auch aus machtpol itischen Gründen, die Palamiten zunehmend unterstützte, und auf einer Patriarchalsynode unter seiner Lei tung schl ießlich die Orthodoxie der palamitischen Lehren anerkannt wur-
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Am Ende des Briefes entschuldigt Kydones sich bei Manuel rur seine "unpassend of fene Sprache", T 352 L 367, Z. 52: UUyyvcu8l 'rf]c; WC; av äAAoC; dmlv 7taQ =
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de so2 , war gerade Prochoros Kydones immer größerem Druck und ver mehrten Anfeindungen ausgesetzt - an seinen mächtigen Bruder Deme trios selbst wagte man sich kaum, und darüber hinaus boten Prochoros' Schriften mehr Angriffsfläche503. In einem Brief aus dem Jahr 1 3 7 1 /72 kritisiert Kydones nun Ioannes VI. scharf, weil dieser ein Werk zur Pro pagierung palamitischer Theologie, gegen den inzwischen von der Synode verurteilten, kurz darauf aber verstorbenen Prochoros Kydones gerichtet, vielfach abschreiben und verbreiten ließ. Aus Ehrfurcht und Rücksicht nahme habe er länger geschwiegen, doch da Ioannes VI. dies offenbar als Zeichen von Schwäche m ißinterpretiere, droht Kydones mit einer öffent lichen Konfrontation, die vernichtend ausfallen werde, weil das Geschrei be des Kaisers "sogar schon ein Kind als falsch erweisen könnte"so4. Sach lich fällt die Kritik ziemlich hart aus, auch wenn eine gewisse Ehrfurcht und sogar ein Hang, sich entschuldigen zu müssen, ebenfalls deutlich aus dem Brief hervorgehen. Die Ehrfurcht wird aber n irgends mit der Sakra lität des Herrschers in Zusammenhang gebracht - im Gegenteil: Ioannes VI. wird von Kydones auf die Seite der Gotteslästerer gestellt, was im Hinblick auf die traditionell vom Kaiser erwartete und geforderte oQ8o bO�la505 natürlich von einer besonderen Brisanz ist. Der Brief endet mit den WortenS06 : "Wenn du selbst aber mein Schweigen nicht als ein Entgegenkommen, son dern als eine Verpflichtung verstehst und dir daher die Erlaubnis gibst, uns zu schmähen, werden wir zwar den Kaiser (sc. in dir) ehren, uns aber gegen deine Schrift als Verteidiger Gottes und unserer selbst verteidigen."
Es mag an Kydones' Lebenssituation als junger, aufstrebender Politiker liegen, an der länger bestehenden Verbundenheit mit Ioannes VI. Kanta kuzenos und an dem Umstand, daß dieser überhaupt den Grundstein zu seiner politischen Karriere gelegt hatte, wenn die einzige ernsthafte Kritik an diesem Kaiser sich auf dessen propalamitische Gesinnung bezieht und in den an den Kaiser selbst gerichteten Briefen auch nur ein einziges Mal ausführlicher zur Sprache kommt, und dies erst zu einem Zeitpunkt, zu 502 SOl 504 505 506
Die Synode fand 1 3 5 1 statt; vgl. dazu Beck, 1 968, 605 f. Zu Ioannes VI. Kantakuzenos und seinem theologischen E insatz rur d ie Hesychasten vgl. Hunger, 1 989, 47 f. Vgl. dazu Matschkel Tinnefeid, 200 1 , 228 f und 274 f. T 93 L 400, Z. 40 f. Vgl. dazu Schreiner, 2 1 994, 62; Koder, 2004, 87. Es stand fest, "daß nur der fromme und orthodoxe Herrscher Anspruch auf göttl ichen Schutz habe" (Hunger, 1 989, 29). T 93 L 400, Z. 44-47; wichtig v.a. der Schluß (Z. 45-47): .. , Kai TJIlEiC; TOV Ili:v =
=
ßumMu 1:LIlTJaollev, TO bi: mJYYQullllu 8e4> Te Kai TJIlLV uin:oü; alluvovTEC; alluvoulle8u.
1 22
IV. Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
dem Ioannes VI. bereits von seinem kaiserlichen Amt zurückgetreten war und als Mönch und Schriftsteller lebte507• In diesem einen Fall aber fällt der Tadel außergewöhnlich scharf aus. Neben der Mißbilligung spezieller Übel bei jeweils einem bestimmten Kaiser finden sich bei Kydones kritische Aussagen über das Kaisertum an sich, und wenn auch in den meisten Fällen hinter solch allgemeinen Aussagen Bezüge auf konkrete Mißstände erkennbar bleiben, kann man diesen Passagen eine die Institution als solche betreffende Kritik nicht völ l ig absprechen. Zu solchen Äußerungen verleiten Kydones vor allem die Zustände am Hof Ioannes' V. Palaiologos, der auch insgesamt gesehen von seinem U ntergebenen den häufigsten und schärfsten Tadel erfährt. Überraschenderweise ist aber auch Manuel 11. Palaiologos zum Teil sehr massiver Kritik von seiten seines Freundes und ehemaligen Lehrers aus gesetzt, deutlich mehr noch als Ioannes VI. Kantakuzenos. Die Substanz des Sakralitätskonzeptes ist besonders da betroffen, wo nach Kydones' Ansicht das Handeln eines Kaisers dem Willen Gottes zu widerläuft, und das geschieht in erster Linie in den drei Bereichen Innen politik, Türkenpolitik und Palamismusstreit. Innere Machtkämpfe lassen die Herrschaft des Kaisers n icht als von oben verliehene Anteilhabe an göttlicher Macht erscheinen, sondern als eine durch menschl iche Begierde erstrebte und errungene Position, die Versuchungen und Irrmeinungen bis hin zum Glaubensabfall ausgesetzt ist, der sich in politischen Sackgassen wie der türken freundlichen Haltung ManueIs 11. ebenso äußern kann wie in der propalamitischen Gesinnung Ioannes' VI.
507 Es gibt noch einen
an Raoul Metochites gerichteten Brief, wohl aus dem Zeitraum 1 362- 1 365, in dem Kydones den Palamismus des Exkaisers loannes VI. kritisiert (T 56 = L 30). Tadel an einer propalamitischen Gesinnung loannes' V. Palaiologos kommt nur einmal und sehr zurückhaltend zur Sprache, vgl. T 96 L 1 1 5, mit TinnefeId, 1 982, 520. =
V. Herrschaft als Ehrenstellung
1 . Aufscheinen eines neuen Deutungshorizontes
Was bleibt einem Kaiser, der seine Herrschaft allein in Gott gegründet sieht und sich selbst als Repräsentant Gottes auf Erden versteht, wenn er sich in Opposition zum Willen Gottes befindet? Wenn Kydones in solchen Fällen auf so etwas wie eine den Herrscher und sein Handeln legitimie rende und schützende, ihn über jede Kritik erhebende Heiligkeit aus nachvol lziehbaren Gründen in keiner Weise mehr zu sprechen kommt, ist es dann nur noch der nackte Machtbesitz, durch den der Kaiser sich über seine Untertanen erhebt? Freilich findet sich zu dieser Problematik, die hinter den fundamental kritischen Äußerungen steckt - wenn man sie nur folgerichtig zu Ende denkt -, bei Kydones keine explizite, rational-ph i lo sophische Aufarbeitung. Aber es deutet sich in den Briefen ein gedankli ches Modell vom Phänomen "Herrschaft" an, das ziemlich genau zwi schen modemen, politologisch und soziologisch begründeten Auffassun gen und traditionell hergebrachten, religiös begründeten Anschauungs formen verortet ist. Und das ist die Vorstellung von einer gewissen Würde oder Ehrenstellung des Herrschers. Der seiner Hei l igkeitsaura beraubte Kaiser fäl lt nicht ins Nichts, es bleibt ihm immer noch eine mit seinem Amt fest verbundene Würde, eine "Besonderheit", die ihn nach wie vor von der Masse seiner Untertanen abhebt. Beispielhaft findet man dies in dem bereits zitierten Briefschluß, wenn Kydones zwar unmißverständlich klarlegt, daß Ioannes VI. Kantakuzenos sich von Gott entfernt hat, ihm aber dennoch die i hm als Kaiser zustehende "Ehre" auf keinen Fal l ab sprechen will508 • Etwas vereinfachend und verkürzt könnte man sagen: Neben das althergebrachte Konzept von Herrschaft als "heiliges Stell vertreteramt" tritt, vorbereitend und als Zwischenglied zur modemen Auf fassung von Herrschaft als "Machtbesitz", die Vorstellung von Herrschaft als "Ehrenstellung". Der h ier in Anschlag zu bringende Ehrbegriff meint 508 Lanczkowski, 1 990, 323, schreibt, daß das Königtum "auch dann den Nimbus einer
maiestas im numinosen Sinn nicht völlig verliert, wenn es in rein weltlicher Sicht als eine auf den politischen Bereich begrenzte Institution verstanden werden solL" Es ist allerdings die Frage, ob man die Eigenheit der selbst dem "profanen" Monarchen verbleibenden Aura noch als "numinos" bezeichnen sollte; sie ist jedenfalls nicht mehr numinos im religiösen Sinn, sondern nur noch auf einer enttheologisierten, weitgehend unreflektierten und psychologischen Ebene.
V. Herrschaft als Ehrenstellung
1 24
also nicht das eigene, persönlichkeitsbezogene Ehrempfinden, entspre chend dem aristotelischen Begriff der IlcyaAmpuXla oder dem lateini schen Begriff der dignitas beziehungsweise honestas, sondern die von au ßen dem Menschen zugesprochene Ehre (Hili) bzw. honos)509 . Das Wort feld, das in diesem Zusammenhang in den Kydonesbriefen relevant ist und ins Zentrum des Interesses rückt, kreist um die Begriffe Hili) - "Eh re", a�la beziehungsweise a�lwlla "Würde, Ansehen", und vor allem axiilla - "Ehrenstellung, Pracht,,5 1 O . Von entscheidender Bedeutung ist der Umstand, daß die verwendeten Begriffe gewissermaßen "neutral" sind. Denn während einerseits nach modern-soziologischer Auffassung das Vorhandensein von Macht als ge sellschaftliches Faktum konstatiert und in seinen Eigenarten, Funktionen und Aspekten untersucht wird und dabei meist vorausgesetzt bleibt, daß der Vorgang von Machtergreifung und Machtbesitz auf gesellschaftsim manente Begründungen und Erklärungen zurückgeführt werden kann kurz gesagt: daß herrschaftliche Macht vom Menschen kommt und der Mensch s ie sich selber n immt 5 1 1 , andererseits die seit langem bestehende Konzeption von herrschaftlicher Sakralität die Macht des Herrschers auf göttl iche Provenienz zurückführt5 l 2 , bleibt die Vorstellung von Herrschaft als Ehrenstellung für beide Möglichkeiten offen. Herrschaftl iche Macht als moderner soziologisch-gesel lschaftstheoretischer Begriff kann nur von Menschen kommen, Heiligkeit des Herrschers kann nach der traditionell religiösen Auffassung nur in Gott ihren Ursprung haben. Die Vorstellung vom herrschaftlichen Amt als Ehrenamt aber läßt beide Alternativen zu, -
_
509 Vgl. dazu die Untersuchung von Korff, 1 966, v.a. 1 4- 1 8. 5 1 0 Vergleichbar mit dem Vorgehen der "Inhaltsanalyse" (vgl. Burke, 2005, 35 f) wird hier also die Häufigkeit des Themas "Ehre" in den Kydonesbriefen in Relation gesetzt zur Häufigkeit des Themas "Heiligkeit", freilich nicht nur nach rein statistischen Krite rien, sondern unter Zuhilfenahme traditioneller literaturwissenschaftlicher Methoden (wie Analyse der Semantik, der Einbettung in den Kontext etc.). 5 1 1 Vgl. dazu Plessner, 1 962, und Weber, 5 1 980, 28: "Macht bedeutet jede Chance, inner halb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzu setzen, gleichviel worauf diese Chance beruht." Zu den verschiedenen Macht-Theorien vom deutschen Idealismus bis zur Gegenwart vgl. den gedrängten und informativen Überblick von Lichtblau, HWP 5, 1 980, 604-6 1 7. Nach dem Brockhaus multimedial 2005 ist Herrschaft definiert als "universell verbreitete, institutionalisierte Form der Machtausübung, der sozialen Über- und Unterordnung". 5 1 2 Weber, 6 1 985, unterscheidet die "traditionelle Herrschaft" ("kraft Glaubens an die Hei ligkeit der von jeher vorhandenen Ordnungen und Herrengewalten", 478) vom Typus der "legalen Herrschaft" ("kraft Satzung", 475). Damit sind Eckpunkte umrissen, aber noch keine Entwicklungen erklärt. Zur kritischen Würdigung Webers vgl. Erkens, 2002, 22.
V. Herrst.:haft als Ehrenstellung
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denn Ehre kann sowohl von Gott als auch von Menschen verliehen wer den5l3. Gerade durch die Ambivalenz seiner Bezugsmögl ichkeiten eröffnet das sich in den Vordergrund schiebende Begriffsfeld "Ehre" der sich neu anbahnenden Herrschaftskonzeption die Chance, als wirkmächtiges - weil weitgehend unmerklich sich vollziehendes - Schwellenmodell zwischen der traditionellen und der späteren modemen Vorstellung vom Wesen des Herrscheramtes zu fungieren. Der Übergang bleibt unbemerkt, wei l nicht etwas Altes durch etwas Neues ersetzt wird, sondern sich zunächst im Al ten schwerpunktmäßige Verlagerungen ereignen, die das Neue aber be reits vorbereiten5 1 4•
2 . Ehre verdrängt Heiligkeit
Anhand einzelner, ausgewählter Beispiele soll aufgezeigt werden, wie die Vorstellung einer Ehrenstellung des Herrschers in den Kydonesbriefen dem Hei ligkeitsbegriff gegenüber immer mehr an Dominanz gewinnt. In dem bereits besprochenen Brief, mit dem Kydones bei Ioannes V. Pa laiologos erneut um die Erlaubnis nachsucht, nach Lesbos reisen zu dür fen, wird der Herrscher an seine Ehrenstellung (axfi�.l(x) erinnert, die ihn dazu verpflichte, fur al le zu bestimmen, "was recht ist". Diese EhrensteI lung ist der Thron der Herrschaft, auf den der Kaiser von Gott gesetzt wurde5 l 5 . Hier wird die traditionelle Auffassung von der göttlichen Her kunft des Herrscheramtes deutlich sichtbar, wie in einigen anderen Fällen, wenn etwa dem sich bei den Türken aufhaltenden Manuel 11. von Kydones verheißen wird, er werde aus den "Versuchungen" sicherlich von Gott wieder errettet und in seine frühere "Ehrenstellung" (axfil-la) wieder ein gesetzt werden5 16, oder wenn Kydones angesichts der Differenz zwischen der ehrlosen und demütigenden Dienste ManueIs bei den Türken und
5 1 3 Auch sprachgeschichtlich stellt sich im Deutschen der profane Ehrbegriff als Weiter
filhrung einer ursprUngIich sakral verorteten Terminologie dar, vgl. Kluge! Mitzka, 1 957, 1 5 3 : "Aus Ehrfurcht vor den Göttern hat sich der weltliche Ehrbegriff spät ent wickelt." Zum ursprUnglich numinosen Kern des Ehrbegriffs vgl. auch Korff, 1 966, 35. 514 Vgl. Dinzelbacher, 1 993, XXXI: "Es sollte keiner Betonung bedUrfen, daß jUngere Mentalitätsentwicklungen die gegebenen nur sukzessiv und kaum ganz vollständig verdrängen . . . S I S T 1 09 = L 1 1 7, Z. 45-47. 5 16 T 349 = L 363, Z. 27 f. "
V. Herrschaft als Ehrenstellung
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seiner ihm von Gott gegebenen "Würde" (cU),a) nur noch bedauernd seuf zen kann51 7 . Andere Passagen wiederum lassen einen Bezug auf den göttlichen Ur sprung oder auf die Heiligkeit der kaiserlichen Würde zum Teil völ lig bei seite, zum Tei l w ird d iese Würde unterschwellig als menschliches Werk öder als Resultat menschlicher Bemühungen dargestel lt. So setzt nicht Gott Ioannes VI. Kantakuzenos auf den kaiserlichen Thron, sondern die "Ehrenstellung", die der Kaiser erlangt hat, erhebt ihn "auf den Gipfel des Zeus,,5 1 8 . Die Kaiserin Helene Palaiologina habe dem Gemeinwesen "in äußerst angemessener und höchst nützlicher Weise gedient" und sich in jeder Hinsicht ihrer "kaiserlichen Würde" (ßcwu\da) entsprechend ver halten, so daß es - nach Kydones' bereits eingangs zitierten Worten - fast den Anschein habe, als habe sie das kaiserliche Amt mehr geadelt als dieses sie5 l9• Allein schon die Höhe seiner "Ehren stellung" (aXTJfla) ver pflichtet den Kaiser dazu, "allen Genüge zu tun und für alles aufgeschlos sen zu sein,,520 sowie dazu, "sich zuerst anderen freundlich zuzuwen den,,521 und sich bei Wohltaten gegenüber seinen Untertanen entsprechend generös zu zeigen 522 . Dank seiner eigenen "Ehrenstellung" bringt der Herrscher wiederum "den Menschen in seiner Umgebung viel Ehre und Nutzen"m. Aufgrund seiner "Würde" (a�lwfla) übertrifft Manuel lI. alle anderen Menschen524 ; er ziert die allen Kaisern gemeinsame "EhrensteI lung" (aXTJfla) mit der Tugend der Weisheit525• Nicht die Heiligkeit oder
SI 7 T 435 L 43 1 , Z. 3 1 f. 51B T 3 = L 1 1 , Z. 6 f: af. yaQ, ßaatAEü, n) flf.V aX�fla En' auTi]v Ka8[�n Ti]v 'Wü fuoe:; KOQUCP�V, 5 1 9 T 442 L 222, Z. 1 60- 1 62 : .. . 't4> bE KOlV4> nQoe:; 'ta nAEia'tou ät;La Kai nAEimov auVEVEYKOV'ta Aum'tEA�aaaav, Kai nav'taxo8Ev ßaatAdq Mt;aaav nQE nnv, Kai fläAAov auTi]v KoaflrJaaaav, OUX un ' auTIje:; Mt;aaav KoaflT]8�vaL. 520 T 1 05 L 1 47, Z. 20 f: aMa YE af. näaLv aQKEiv Kai 'tT]v bLCtvOLav EXnv Ecp ' änav'ta 'tE'taflEvT]v Kai 'to flEYE8oe:; 'tOÜ aXrJfla"COe:; anaL'tEi. 52 1 T 385 L 401 , Z. 1 6 f: Kai ßaatAEi bf. ou KaAov bOKEiv anoa'tEQT]�V, öv YE Kai XaQL't:Oe:; äQXnv avaYKcX�n 'to axfJfla. 522 T 0406 = L 349, Z. 27 f: öaov yaQ 'to axfJfla 'tOÜ aXrJfla't:Oe:;, 'toaoü'tov bEi Kai 'twv ibLW1:LKWV Eimj>oQwv 'tae:; ßaatAu flf.V at;i.Wfla't:L nav'tae:; vLKWv'ta. 525 T 3 8 1 L 397, Z. 2 1 : 'tov 'to KOlVOV axfJfla 't1j aocpiq Koafloüv'ta. =
=
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=
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göttliche Herkunft des Amtes, sondern eben diese "Ehrenstellung" an sich ist es, die den Kaisern "wichtiger ist als ihr Leben", wie Kydones einmal leicht spöttisch bemerkt526• Von hier aus betrachtet fäl lt noch einmal ein anderes Licht auf die zahlreichen Passagen in den Kydonesbriefen, die dem Herrscher eine be sonders herausgehobene Stellung zuweisen, sowohl an und für sich ge nommen, als auch in Abhebung zu den "gewöhnlichen" Sterblichen. Es wurde darauf hingewiesen, daß die entsprechenden Aussagen kein einzi ges Mal mit religiösen Argumenten oder Motiven untermauert werden. Das fügt sich nun nahtlos in den eben vorgelegten Befund und das dahin ter vermutete Aufkeimen einer neuen gedanklichen Konzeption vom Phänomen "Herrschaft". Wie "Ehre" - anders als "Heiligkeit" - keine be griffsimmanent notwendigen Implikationen hinsichtlich ihrer Herkunft enthält, ist unter diesem Aspekt auch der Topos einer herausragenden Position des Herrschers gewissermaßen neutral und anpassungsfähig. Die hohe Stellung kann von Gott verliehen, vom Volk übertragen oder vom Herrscher selbst errungen sein - all dies ist denkbar, ohne daß man von der Ausdrucksweise her auf eine Möglichkeit festgelegt würde. Exemplarisch verdichtet zeigt sich der unterschwel lige Paradigmen wechsel an dem auffälligen Schwinden der Hei ligkeitsanrede. Das tradi tionelle und eindeutig religiös determinierte äYlO� wird so gut wie voll ständig gemieden und durch blassere, allgemeinere und "weltliche" Anre deformein wie etwa navnx aQla'ro� ersetzt527 .
3 . Gerechtigkeit und Vernunft verdrängen Frömmigkeit
Vom Standpunkt dieser Überlegungen aus erscheint es weiterhin nur fol gerichtig, daß sich auch in der Gewichtung der Pflichten und Tugenden, die von einem Kaiser gefordert werden, gewisse Verschiebungen ergeben. Es wäre zu erwarten, daß mit dem Schwinden des Heiligkeitsbegriffs auch spezifisch religiöse Auszeichnungen und Aufgaben an Bedeutung ver lieren. Wie beobachtet, ist in den Kydonesbriefen die Zahl christlich-bibli scher Bezüge tatsächlich verschwindend gering, und Hinweise auf eine kultische Sonderfunktion des Kaisers fehlen völlig. Auch spielen Fröm526 T S27
54
=
oXfJ fla.
L 73, Z. 42 f: oroSa yaQ we;; Kai 7tQo TIje;; ljJux�e;; 't:Ol<; ßamAEÜOt '\:0
Vgl. im Gegensatz dazu die in Kapitel V.7 (S. 1 40 ff) angefilhrten Beispiele.
1 28
V. Herrschaft als Ehrenstellung
migkeit, Gottesfurcht und Rechtgläubigkeit des Herrschers, seine ElJUE ßHa, seine nLurw; und oQ8obo�la, oder seine Verpflichtung zur Aus breitung des christlichen Glaubens kaum eine größere beziehungsweise überhaupt keine Rol le. Dieser Befund erhält seine besondere Brisanz wie derum erst dann, wenn man ihn vom traditionell Üblichen abhebt, das beispielsweise Hunger mit folgenden Worten auf den Punkt bringt 528 : "Eintreten für die Orthodoxie in allen Situationen, Sorge für die Kirche und Kampf für die Verbreitung der Rechtgläubigkeit gehörte zu den vornehmsten Pflichten des byzantinischen Kaisers." Gerade die Verbindung zwischen kaiserlicher Politik und Mission ist in Byzanz sonst von entscheidender Wichtigkeit. "Träger und Verbreiter des Christentums zu sein, ist ... die große Aufgabe des Reiches. Das Kai sertum wird zum Apostolat, man sieht im Kaiser 'den weisesten Herold des Glaubens', einen 'Apostelgleichen ' ... ,,529 In den Fürstenspiegeln des hohen und späten M ittelalters insgesamt ist die Zweckgerichtetheit des Königtums, seine Ausrichtung auf die Durchsetzung des Heiles ein n icht wegzudenkender, unerschütterlicher Grundgedanke530 • Das Fehlen jegli cher Bezugnahme auf die Wichtigkeit des herrscherlichen Missionsauftra ges bei Kydones nimmt Entwicklungen vorweg, die sich in westlichen, frühneuzeitli chen Fürstenspiegeln gut weiter verfolgen lassen, nicht zu letzt mitverursacht und beschleunigt durch die konfessionellen Aufspal tungen. Ist zunächst noch von der Ausbreitung des Christentums die Rede, geht es bald nur noch um die Verteidigung des Glaubens und die Ab schaffung von Ketzerei und Sektiererei, und schließlich bleibt als Aufgabe allein die Aufrechterhaltung des Gottesdienstes stehen53 1 • 528 Hunger, 1 989, 42. 529 Treitinger, 1 956, 262; vgl. auch ebd. 1 30 f und 1 60; s. auch Koder, 2004, 83. Auch
5]0 5]1
nach Hungers Darstellung ( 1 989, 32) spielte die Stellung des Kaisers als Apostelglei cher (iuanou'WAoc;) oder als 1 3. Apostel eine besondere Rolle. Zur Wichtigkeit die ses Gedankenkomplexes auch für die westliche Königsideologie s. Staubach, 1 990, 337. So Berges, 1 938, 35; vgl. ebd.: " . . . das regnum soll das 'ius divinum' durchsetzen." Vgl. De ofJicio el poleslaIe Principis des Jacob Omphalius, Buch I, Anfang Kapitel 1 1 , Basel 1 550: "Die innige Besorgnis des Fürsten muß sich darauf erstrecken, daß er die wahre Religion, die mit dem Band der Natur verknüpft ist, ausbreitet und verteidigt "; Cyripaedia Nova el Chrisliana des Hans Beat Graß, Ü berschrift von Kapitel 7, Freiburg 1 597: "Das die Koenige vnd Fuersten I die Catholische I wahre I Christliche I vralte Religion haben I dieselbige in jhren Koenigreichen I vnd Fuerstentumben I pflantzen I erhalten I Defendieren I vnd hingegen alle Ketzereyen vnd Secten I ab schaffen I vnd außreuthen sollen." Thesaurus Politicus des Jean Chokier de Surlet in der Übersetzung von Andreas Heidemann, Überschrift von Kapitel 5, Nümberg 1 624: "Vor allen dingen aber sollen ihnen die Fuersten das Religionswesen vnd die Gott' "
V. Herrschaft als Ehrenstellung
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Die in Byzanz traditionell eminente Bedeutung der kaiserlichen EUUE ßHa und 0S8oboE,La liegt offen zutage und wird in der Forschung durch weg betone 2 . Agapetos nennt im 15. Kapitel seines Fürstenspiegels die Gottesfurcht ein "Diadem", das den Herrscher mehr als alle anderen her vorragenden Attribute des Kaisertums zieren sollte. In der höfischen Pan egyrik erscheint als ein typischer und charakteristischer Topos allenthal ben die Darstellung des Kaisers als eines idealen, christlichen Herr schers53J• Nach der Analyse von Wessei ist gerade in der byzantinischen Spätzeit das Kaiserzeremoniell um neue, christliche Deutungen und Hand lungen bereichert, erweitert und die christliche Tugend der Demut ver mehrt betont worden534• Dies könnte unter anderem auch die erst in spät byzantinische Zeit gehörende Zeremonie der Fußwaschung nahe legen, bei der am Gründonnerstag zwölf armen Männern vom Kaiser die Füße gewa schen wurdenm. In den Fürstenspiegeln ist im Verlauf der byzantinischen Geschichte ebenfalls eher ein Anstieg als ein Schwinden christlicher Ele mente zu verzeichnen53 6 • Bei Kydones findet sich kein Hinweis auf solche oder ähn liche Vorgänge und Gedanken; es ist eher eine gegenteilige Ten denz zu verzeichnen 537 . Zur Aufrechterhaltung der kaiserlichen Ehren stellung ist nicht so sehr Frömmigkeit und entschiedenes Vorantreiben der Heidenrnission als vielmehr Vernunft, Tapferkeit und Gerechtigkeit von nöten538 • Einen ähnlichen Befund liefert ein Enkomion auf Kaiser Mat thaios Kantakuzenos, ebenfalls aus der Palaiologenzeit. Die Eigenschaf ten, die am Kaiser gerühmt werden, haben mit Glaube, Mission und Kir che keine Berührungspunkte. Gerühmt wird, sogar als erstes, sein "Wohl wollen gegen die Untertanen" und daß der Kaiser alles tut, damit "die Un tertanen ein glückliches Leben ruhren können", des weiteren Kampfkraft
S32
5J3 SJ4 m
SJ6 m
SJ8
seligkeit angelegen seyn lassen. Sintemal in verwaltung eines Regiments am foerder sten dahin zu sehen / daß der Gottesdienst recht versorget vnd bestellet werde." Übersetzung bzw. Zitate aus Mühleisen u.a., 1 997, 1 36, 326 und 440. Zur flJUißnLX des Kaisers vgl. bspw. Treitinger, 1 956, 228 f ("Mit den Waffen der Eusebeia beherrscht der Kaiser die Welt"), zur oQ8obo�la Treitinger, 1 956, 47, und Koder, 2004, 87 (zu beiden Punkten nochmals ebd. 95-97). Vgl. Dennis, 1 997, 1 35 : "The emperor is commended für his zeal for orthodoxy, his philanthropy, his reverence for the patriarch, and his love of monks." Wessei, 1 970, 46 1 -463. Vgl. dazu Treitinger, 1 956, 1 26 f; andere Beispiele für das Element der Demut in der Kaiserideologie ebd. 1 47- 1 49. Vgl. Hunger, 1 978, Bd. I, 1 59. Vgl. dazu auch S. 64 mit Anm. 246. Vgl. dazu im einzelnen die AusfUhrungen über das auf "weltliche" Tugenden bezogene Kaiserlob in Kapitel IV.2.a), S. 57 ff.
130
V. Herrschaft als Ehrenstellung
und Verstand. Verstand wird überhaupt als das Beste am Menschen ge rühmt539• Die Herrschertugend der Gerechtigkeit, in dem aufschlußreichen Mahnbrief an Ioannes V. Palaiologos als ein Handeln definiert, das jedem das Seine zuteilt540 , wird von Kydones immer wieder beschworen. Die Gerechtigkeit gehörte frei lich immer schon zu den Verpflichtungen der Herrscher54 1 , wird gegen Ende des Mittelalters allerdings insgesamt stär ker betont, was sich in der Kunst des Westens unter anderem darin äußert, daß in Kaiserdarstellungen vermehrt die Gestalt der Iustitia zu finden ise42 . Aber es geht um die Gerechtigkeit als Grundlage einer christlichen Regierung, während dieser Bezug auf die Religion bei Kydones fehlt. Bei Machiavel l i spielen religiöse Tugenden fur den Herrscher dann so gut wie überhaupt keine Rol le mehr, die Vernunft dagegen eine alles beherr schende. Aus religionswissenschaftlicher Sicht beleuchtet d iesen Vorgang Lanczkowski 543 : "Die Funktionen des Königs entsprechen insofern den Abstufungen seiner Sakralität, als bei zunehmender Säku larisierung des Amtes d ie menschlichen Qualitäten an Gewicht gewinnen." Man kann in den Kydonesbriefen in gewisser Weise eine Bestätigung fur den Satz finden, der nach dem Chronicon maius Manuel 11. in den Mund gelegt wird, daß nämlich das byzantinische Reich keinen Kaiser mehr brauche, sondern eher einen OLKOV0 f10C; - einen "Verwalter,,544. Ein solcher Verwalter muß seine Machtausübung vor allem mit Rationalität verbinden. Freilich spielt die Vernunft als kaiserliche Tugend immer schon eine Rolle. Aber es ist vielleicht kein Zufall, daß die Betonung ihrer Wichtigkeit gerade in dem Fürstenspiegel des 1 325 verstorbenen Thomas Magister, der Kydones zeitlich so nahe steht, mehr Raum einnimmt als in all den Vorläufern d ieser l iterarischen Textgattung545. Später bei Machia vell i wird vernünftiges Handeln zur obersten Maxime für den Herr scher546 . Macht ohne Vernunft ist blind, schreibt Kydones einmal an Ma539 Vgl. im Enkomion Z. 26 f; 28 f; 39-4 1 ; 49 f; Zeilenzählung, Text und Ü bersetzung 540 54 1 54 2 543 544 545 54 6
nach KarIsson, 1 98 1 , 84-92. Die Handschrift, welche uns das Enkomion i1berliefert, datiert aus dem 5.-7. Jahrzehnt des 1 4. Jahrhunderts, vgl. Karlsson, 1 98 1 , 25. Vgl. die obigen Ausruhrungen zu T 98 = L 70 (S. 1 07) und die gesammelten Belege rur die kaiserliche Tugend der Gerechtigkeit in den Anmerkungen 2 1 9 und 226. Vgl. rur den heidnisch-griechischen und den christlichen Bereich Hunger, 1 989, 79. Vgl. Traeger, 1 970, LeI 2, 477, und Schramm! Mütherich, 1 962. Lanczkowski, 1 990, 326. S. Grecu, 1 966, 320. Es handelt sich um die Kapitel 25-26 im Fürstenspiegel des Thomas Magister. V gl. etwa Machiavelli, l/ Principe, Kapitel 1 2, 14 und passim. Es ist auch ein rein weltlicher SUndenbegriff, der in Machiavellis "Fürst" zum Tragen kommt: Sünde ist nicht ein Verstoß gegen göttliche Gebote, sondern eine Verfehlung gegen Regeln, wel-
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nuel 11. 547 - es heißt nicht: Macht ohne Gott, oder: Macht ohne Ausrich tung an den göttlichen Geboten. An anderer Stelle wünscht er Manuel 11 . von Gott d ie Gabe, die Belange seiner Untertanen "vernunftgemäß" ge stalten zu können 54 8 . Im eingangs zu dieser Arbeit zitierten Briefausschnitt führt Kydones in der Hoffnung auf Erlösung von den gegenwärtigen Übeln als erstes Merkmal seiner "Kaiserdefinition" den Umstand an, daß Manue1 11. doch ein "vernunftbegabter Mann" sei 549 . Wie für den Chor der Chorführer unentbehrlich sei und für die Seeleute der Kapitän und für das Heer der General, so sei für alle anderen, "die glücklich leben wollen" n icht etwa ein "heiliger" oder "gottesfürchtiger Kaiser" unentbehrlich, sondern - e in "vernünftiges Oberhaupt,,55o . Die Beispiele für eine starke Hervorhebung solcher Tugenden wie Vernunft, Verstand, Klugheit, Scharfsinn, Weisheit ließen sich deutlich vermehren; ein Rückverweis auf die Besprechung der "weltlichen" Kaisertugenden in den Kydonesbriefen mag hier genügen.
4. Nützlichkeitstopik
Zum "vernunftgemäßen" Regieren gehört neben der Ausübung von Ge rechtigkeit auch der eng damit verwandte Gedanke, daß die Ehrenstellung des Herrschaftsamtes den Kaiser in besonderer Weise dazu verpflichtet, für sein Volk da zu sein. Der Aspekt, daß der Herrscher gerade durch seine hohe Stellung die Aufgabe hat, nicht so sehr für sein eigenes Wohl, sondern vor allem für das seiner Untertanen auf jede Weise zu sorgen, spielt in der antiken und christlichen Tradition seit jeher eine wichtige Rollem . Es ist somit nicht erstaun lich, daß auch Kydones darauf zu spreche die Vernunft gebietet (vgl. ebd. Kapitel 1 2). Vgl. auch Berges, 1 938, 50: "Der Au tonornisierung der Vernunft entspricht auch das mählich emporgekommene Ideal des Vernunftkönigtums." 547 T 242 = L 259, Z. 30. 548 T 307 = L 308, Z. 1 3 f: . . . uOl n : '[a '[WV (mT]Kowv Ka'[a voüv 8tu8at boüvcu ... Unzutreffend übersetzt TinnefeId, 1 999, 220: " ... die deiner Untertanen in deinem Sinne zu gestalten". 549 T 435 = L 43 1 , Z. 1 2 . 55 0 T 434 = L 429, v.a. Z . 2 6 f: KLXL näm bij '[oIe; ciAAOle; 'role; Y E flEAAouUIV flJ
55 1
batflOVWC; ßLwuw8at VOÜV EXWV �YEflwV nEQLunoubau'[ov. Vgl. bereits Isokrates' Rede an Nikokles (Kapitel 9); Fürstenspiegel des Agapetos, Kapitel l ; Fürstenspiegel des Thomas Magister, Kapitel 1 5 : "Du mußt als einziger von allen, über die du herrschst, rur alle Menschen und alle ihre Belange mit Notwendig keit Sorge tragen; diese deine Untertanen und ihre Anliegen mußt du höher schätzen
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chen kommt, und er tut dies sehr oft. Diese "Nützlichkeitstopik" ist ein gutes Beispiel, um den angesprochenen Übergangscharakter der neuen Herrschaftskonzeption noch einmal zu verdeutlichen. Denn die Forderung an den Herrscher, den Untertanen zu nützen, wird traditionellerweise und ganz selbstverständlich religiös begründet. Der Herrscher ist verpflichtet, so zu handeln, weil er Stellvertreter Gottes ist und sich vor Gott zu verantworten hat552 • Bei Kydones fällt diese geläufige Begründungsstruk tur in der Mehrzahl der Fälle entweder völlig weg, oder aber es tritt eine zweite an ihre Stelle, die - auch wenn man sie sicher noch nicht als rein "profan" bezeichnen kann - doch eine nicht unbedeutende Akzentver schiebung darstellt: Allein schon die Ehre und Würde, die der Herrscher kraft seines Amtes innehat, nimmt ihn in die Sorgepflicht für sein Volk. So läßt sich im Detail die Analyse von Staubach verifizieren und näher spezifizieren, der mit B lick auf die historische Entwicklung des König tums insgesamt feststellt, "daß die Genese der neuzeitlichen Monarchie bereits im ' Mittelalter' stattfand", und der als einen maßgeblichen Faktor für diese Entwicklung den tiefgreifenden Wandel im "Wesen der religiös sakralen Herrscherlegitimation" anführt, einen Wandel, der sich, und das ist eben entscheidend, zunächst "bei scheinbar unverändertem Fortbe stand der Ausdrucksformen des 'Gottesgnadentums'" vollzogen hatm . Es ist nun möglich, d iese Genese und ein fur diese Entwicklung entschei dendes Zwischenstadium genauer zu beschreiben: Auf der Brücke seiner Ehrenstel lung überschreitet der Herrscher das durch das Schwinden der ihm zugeschriebenen Heiligkeit entstehende Legitimationsvakuum bis zum nächsten sicheren Legitimationspfei ler seiner herausgehobenen Stel lung, der Macht. Die enge Verknüpfung der Ehrenstellung des Kaisers m it der sich dar aus ergebenden Verpflichtung, dem regierten Volk von Nutzen zu sein,
552
als alles andere" (zitiert nach der Ü bersetzung von Blum, 1 98 1 , 1 1 8). Für den Westen vgl. die AusfUhrungen von Staubach, 1 990, 337. Beispiele dafUr wurden bereits genannt. Stellvertretend sei hier noch ein weiteres ange fUhrt aus einer Epoche, die dem hier untersuchten Zeitraum sehr nahe kommt, der Für stenspiegel des Thomas Magister. Der Gottesbezug des Kaisers ist dort ein so zentraler Gedanke, daß ohne diesen das gesamte Gerüst der Schrift fehlte. Blum, 1 98 1 , 50, verdeutlicht dies in seiner Zusammenfassung (unter Angabe der einzelnen Belegstel len): "So sagt er [sc. Thomas Magister] schon im ersten Kapitel seiner Schrift über das Kaisertum, es sei einzig und allein Gott, der die Herrscher zu ihrer Ehrenstellung berufe. Der Herrscher hat nach Thomas 'Gemeinsamkeiten mit Gott, dem Lenker des Alls'; er soll . . 'Nachahmer Gottes' sein. Da das Auge Gottes alles sieht, hat der Herr scher sich nach Gottes Geboten auszurichten, denn er wird dereinst Rechenschaft able gen und sich vor Gott verantworten müssen." Vgl. Staubach, 1 990, 340 (Kursivierung durch Verfasser). .
55]
V. Herrschaft als Ehrenstellung
1 33
war bereits aus einigen oben zitierten Passagen zu ersehen, wenn etwa als besonderes Verdienst der Kaiserin Helene Palaiologina von Kydones her vorgehoben wird, daß sie dem Staat "in äußerst angemessener und höchst nützlicher Weise gedient" habe 554 , oder wenn er darauf hinweist, daß Ioannes V. aufgrund der Höhe seiner Ehrenstellung jedem auch noch so gering erscheinenden Anliegen eines Untergebenen Genüge tun müsse555 , oder wenn er betont, Manuel Ir. sei vor allem dazu verpflichtet, "sich zuerst anderen freundl ich zuzuwenden,, 556 . Im 'Rückbl ick lobt Kydones die Regierung Ioannes' VI. Kantakuzenos, weil dieser in schweren Zeiten aufgrund seiner tadellosen Haltung im öffentlichen wie im privaten Be reich Byzanz vor dem Untergang bewahrt habe. Dabei wird besonders he rausgestrichen, daß Ioannes VI. der Gerechtigkeit und den Gesetzen stets ergeben gewesen sei und daß er den Städten zu "nützen" verstanden habe, und dies n icht nur im öffentlichen Sektor557 • In der bereits mehrfach an gesprochenen "Kaiserdefinition" mag es nicht ganz eindeutig sein, ob sich die vorgenommene Begriffsbestimmung auf alle vorher aufgezählten Punkte oder nur auf den letztgenannten erstreckt, aber eben dieser letzte Punkt gehört doch auf j eden Fall und zentral zu d ieser Definition, wenn Kydones mit B l ick auf Manuel 11. behauptet, er gebe "stets dem, was dem Gemeinwesen nützt, vor dem Eigeninteresse den Vorzug - was alle, W ie se wie Ungebi l dete gleichermaßen als Definition eines Kaisers anftih ren,,55 8 . Das, was dem Staat nützt, kann im einzelnen sehr verschieden sein. In einem Brief an den Großdomestikos Demetrios Palaiologos in Thessaloni ke listet Kydones zu Beginn anhand von mehreren Punkten beispielhaft auf, was man seiner Ansicht nach von einem (guten) Kaiser erwarten kann559 :
554 T 442 = L 222, Z. 1 60 f. 555 T 1 05 = L 1 47, Z. 20 f. 556 T 385 = L 40 1 , Z. 1 6 f. Die wörtlichen Originalzitate dieser Stellen s. oben, Anmer
kung 52 1 . T 232 L 200, v.a. Z. 1 3 ; 1 7 f. Vgl. dazu auch die Aussage gegenüber Manuel II., das Amt des Kaisers sei es, "die Städte zu schützen" (aw(ELv '[U<; noAEL<;), T 308 = L 309, Z. 2 1 f. Die Verantwortung der Kaiser ftlr ihr Volk betont auch die bereits zitierte, resignierend wirkende Passage aus T 3 5 1 L 365, Z. 1 7- 1 9, wo Kydönes schreibt, eine Versöhnung zwischen Ioannes V. und Manuel 11., damit sie gemeinsam ftlr den bedrängten Staat "sorgen" könnten (Tinnefeid, 2003, 35, Ubersetzt
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V. Herrschaft als Ehrenstellung
1 34
'H �f:V cpt'j�Tj Kai. �EXQLe; uflwv bQaflEiu8C
�f:V ,[�v naALV Kai. ,[�V flE'Ta 'T�V nQwTT]v nQW'TTjv 'T� naQouu(q. KOU �t'jUOV'Ta, nOLt'jUOV'Ta bf: Kai. naQ' tl�LV & Kai. fvmüSa. 'Ta bE fU'tLV va�oue; iUXUQO'TEQOUe; naGTJe; XELQOe; imocpiivC
um die Stadt zu besuchen und die Erste nach der Ersten mit seiner An wesenheit zu ehren, aber auch, um bei euch dasselbe zu tun wie auch hier, also die Gesetze gegen jeden Übergriff zu stärken, Unrecht zu vertreiben, den nur noch im Verborgenen existierenden wissenschaftlichen Studien ihre zen trale Stellung und ihr altes Ansehen wiederzugeben, die Arme der Soldaten durch Geschenke zu stärken, Armut zu lindern, Steuern zu erlassen und allen in jeder Hinsicht Wohltaten, privat und öffentlich, zu erweisen."
Es sind näherhin drei Felder, in denen sich der Kaiser für seine Untertanen als förderlich erweisen soll: Rechtsprechung, B ildung und materieller Wohlstand. Dem ersten entspricht die von Kydones immer wieder gefor derte Tugend der Gerechtigkeit, dem zweiten die von ihm gerade an Ma nuel lI., teilweise aber auch an Ioannes VI. so gelobten Tugenden der rhe torischen Begabung, der allgemeinen B ildung, der Vernunft und Weis heitsliebe, dem dritten die in den besseren Zeiten des Reiches wurzelnde Erwartungshaltung, ein Kaiser müsse reich und begütert sein und von d ie sem seinem Reichtum reichlich an die Untertanen weiterreichen, sei es in Form von Spenden, Geschenken, Abgabeerlassen oder sonstigen Wohlta ten. Dabei behält die bereits angestellte Beobachtung weiterhin ihre Gültigkeit560, daß d ieser letzte Bereich in den Briefen meist als Aufforde rung, Ansporn oder Mahnung auftaucht, kaum in Gestalt einer Danksa gung für tatsächlich erwiesene Gaben. "Feinde müßt ihr mit Waffen be zwingen, Freunde aber mit Wohltaten, und ihnen das Vielfache von dem geben, was sie euch einbringen", schreibt Kydones einmal an Manuel lI., und formuliert damit ein ungeschriebenes Gesetz, das zum kaiserlichen Sollen gehört wie die Luft zum Atmen 56 1 . Ähnl ich formuliert er an Ioan-
560
Vgl. Kapitel IV. l .g (S. 52 ff) und IV.2.a (S. 57 ff).
561
T 249 = L 250, Z. 28-30: bEi yaQ uf.läe; 1:WV f.lEV 7l0AEf.lLWV Ö71AOLe; KQa1:Eiv, 1:OUe; bE
V. Herrschaft als Ehrenstellung
135
nes V . gerichtee62 : oaov yaQ '[0 axf]�a '[ou oxi]�a'Wc;, '[oaou'[ov bei Kai.
'[wv lbu:,YrLKWV dacpoQwv '[ac; (3aaLALKac; bWQEac; U7IEQEXE LV
-
"So wie die Stellung <des Kaisers> die der anderen überragt, so sollten ja auch die kaiserlichen Geschenke die Gefäll igkeiten der einfachen Bürger übertreffen! ", und er tadelt den Kaiser scharf, wenn er sich bei seinen Wohltaten allein auf Versprechungen beschränkt, ohne sie einzu lösen 563 . Und n icht nur das Erweisen von Wohltaten, sondern auch d ie Erhaltung der vermittelten Güter gehört zu den Pflichten des Kaisers. Wenn der Herrscher die den Untertanen gewährten Güter bewahre, so Kydones an Manuel 11., dann sei das nicht nur ein Zeichen von Liebe, "sondern auch das untrügliche Merkmal eines Kaisers, der kraft seiner Ehrenstel lung die Aufgabe hat, für die Untertanen alles Gute zu gewinnen und das Ge wonnene zu bewahren, indem er das, was diese Wohltaten beeinträchtigt, mit Entschlossenheit abwehrt,,564 . Das, was Kydones von den Kaisern fordert, bezieht sich aber keines wegs nur auf materielle Gegenstände, sondern auch auf Geistiges. Es gebe kaum etwas "Nützlicheres" als einen philosophierenden Kaiser, bemerkt Kydones einmal mit Bezug auf Manuel 11. 565 , und an anderer Stelle wird aus dem Kontext deutlich, daß mit dem Hinweis auf die "Ehre" und den "Nutzen", die Manuel II. dank seiner Ehrenstellung den Menschen in sei ner Umgebung zutei l werden läßtS66, vor allem die Ausbildung und Förde rung des geistigen Menschen, der moralischen und l iterarischen Fähig keiten der U ntertanen gemeint ist. Das Resultat all dieser vom Kaiser geforderten Bemühungen um das Wohl seiner Untertanen ist umfassend und schlicht deren "Glück", wobei darunter vor allen Dingen materielle Wohlfahrt verstanden wird - wie derum eine recht "weltl iche" Kategorie, anders jedenfalls als beispiels weise "Seelenheil". Die Vorstellung vom Kaiser als mögliche Quel le für
562 T 0406
L 349, Z. 27 f; wiederum die Verwendung von axf]fla zur Bezeichnung des kaiserlichen Amtes als "Ehrenstellung". 56) T 1 59 L 1 86, Z. 1 2- 1 4. 564 T 387 L 82, Z. 59-6 1 : aMu Kat ßaatAEWe; iiV'Hl
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aXtlfla'toe; K'täa8al 'tE '[Oie; aQxoflEVOle; näv aya8ov, Kat K'ITJ8EV auv'ITJQEiv, 'tu 'toie; bo8Eim AUflaLvof1Eva flE't' avbQEiae; avE iQyov'H. Wieder der zentrale Begriff axf]fla; TinnefeId, 2003, 1 24, Ubersetzt mit "Stellung", was hier um der ein heitlichen Wiedergabe willen durch "Ehrenstellung" ersetzt wurde. 565 T 248 = L 279, Z. 34 f: 'tl bE wepEALflW1:EQOV ßaatAEwe; eptAoaoepoüv'toe;; 566 T 373 L 394, Z. 2 1 f (griechisches Zitat s. oben, Anmerkung 523). =
136
V. Herrschaft als Ehrenstellung
körperliches Heil ist ohnehin längst am Bröckeln567 • Für alle, "die glück l ich leben wollen", ist ein "vernünftiges Oberhaupt" unentbehrlich, heißt es in dem bereits zitierten Brief an Manuel II. aus dem September 1 39 1 568 • Und wörtlich l iefert Kydones an anderer Stelle die Begründung: '[a yaQ
'[ou aQxov'[oe; aya8a KOlV� YlvE'(al Kai '[oLe; un' au'[()v EU'[UXla
-
"Denn die guten Eigenschaften des Herrschers werden seinen Untertanen . zum gememsamen GI"uc k,,5 69 .
5.
Funktionalitätsdenken
In den Passagen, die vom Kaiser fordern, sich für seine Untertanen als nützlich zu erweisen, steht somit eine Sichtweise im Vordergrund, die man als "Funktional itätsdenken" bezeichnen könnte, das in der Regel nicht mehr an religiöse Argumentationsstrukturen rückgebunden, sondern - wenn überhaupt - mit einem Verweis auf die kaiserliche Ehrenstellung begründet wird. Streckenweise ist diese Darstellungsweise so dominie rend, daß man fast überrascht ist, wenn man bisweilen doch noch auf Überreste des traditionellen Sakralitätsmodells stößt. Doch können beide Konzeptionen "friedlich" nebeneinander bestehen, da sie sich gegenseitig nicht ausschließen. Gott habe in Ioannes VI. Kantakuzenos einen Mann, der sich selbst nützlich sei, dazu veranlaßt, es auch flir die anderen zu werden, schreibt Kydones an den sich in Thrakien aufhaltenden Kaiser5 7o • Wie Gott sich um das Wohlergehen auch der Geringsten kümmere, so
567 Zum Schwinden des Brauches, die Berührung des Herrschers zu suchen in der Hoff
568 569 570
nung, dadurch von einem körperlichen Gebrechen geheilt zu werden, vgl. Bloch, 1 995, 405: "Daß das Berührungsritual zunächst in England, dann in Frankreich endgültig unterging, war eine unmittelbare Folge politischer Revolutionen; doch diese kontin genten Umstände konnten nur deshalb durchschlagend wirken, weil der Glaube an das übernatürliche Wesen des Königtums fast unvermerkt in der Seele zumindest eines Teils der beiden Völker zutiefst erschüttert worden war. Wir können hier dieses ver borgene Arbeiten des Denkens nicht wirklich beschreiben, sondern fUhren nur einige der GrUnde an, die dazu beitrugen, den alten Glauben zu Fall zu bringen." Vorliegende Arbeit versucht, diesen verborgenen Wandel im Denken der Menschen aufzudecken und zu beschreiben. T 434 L 429, Z. 26 f (griechisches Zitat s. oben Anmerkung 550). T 77 L 22, Z. 21 f; vgl. dazu auch die Bezeichnung von Ioannes VI. Kantakuzenos in T 18 L 87, Z. 8 f, als "das allgemeine Glück" (KOLVT] El.I1:uxla). T 8 L 7, Z. 23 : Kai 1:0V aunt' XQ�ULlloV T]VaYKlwE Kai 1:Ol<; aAAOLC; YEVEU8aL. =
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V. HerrsGhaft als Ehrenstellung
137
solle auch Ioannes V . handeln5 7 1 • Und i n einem Brief an Manuel 11. bringt Kydones die hauptsächl ichen Pflichten des Kaisers summarisch auf die kurze Formel : ßauu\El bE 7l:QE7WV '[wv '[cf> BEcf> bOlWUV'[WV Kat KOL vfj UUVOLUOV'[WV u'[oxal:Eu8aL "ein Kaiser aber hat danach zu su chen, was Gottes Wille und was dem Gemeinwohl zuträglich ist". Wie be reits ausgefiihrt, werden solche traditionellen Elemente in der Regel nicht dazu eingesetzt, um zu verdeutlichen, daß der Kaiser fur seine Untertanen sorgt, um damit Gott zu gefallen, sondern um dem Kaiser zu zeigen, daß er von Gott erwählt wurde, um den Untertanen zu nützen. Diese Forde rung kann aber auch mit einem bloßen Hinweis auf die Ehrenstellung des Herrschers begründet werden, ohne daß dabei die göttl iche Erwählung in den Blick kommen müßte, und d iese Stellen überwiegen bei Kydones deutlich die herkömmliche Argumentation. Es handelt sich gewisserma ßen um ein Weiterleben "mittelalterlicher Herrschaftsnormen in säkula risierter Form"m. Nach den bisherigen Untersuchungen ist es nicht erstaunlich, daß in den Kydonesbriefen die sozialen Regeln und Gesetze des gesellschaftli chen Zusammenlebens gerade im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten eine größere Rolle spielen als ihre theore tisch-theologischen Fundamente. Dies entspricht einer Tendenz, die sich auch in theologischen Traktaten des Westens beobachten läßt. Schon bei Bonaventura zeichnet s ich ein Vorgehen ab, das bei späteren Theologen zu Beginn der Neuzeit noch stärker hervortritt, nämlich lediglich empi risch das, was eine Gesellschaft faktisch der Ehre fur wert hält, summa risch aufzuzählen, ohne dabei auf ethische und religiöse Prinzipien zu rekurrieren573 • Der bereits besprochene Brief, in dem Kydones sich mit der Bitte an Ioannes V. wendet, er möge doch eine Gruppe von Domini kanermönchen aufnehmen und unterstützen, mag d ies beispielhaft veran schaulichen. Es ist bezeichnend, daß Kydones es offenbar nicht fiir ausreichend hält, Ioannes V. mit der Verheißung auf himmlischen Lohn und mit der Mahnung an sein von Gott übertragenes Stellvertreteramt zu motivieren, sondern anschließend lange und ausfiihrlich darauf eingeht, was der Kaiser von den Mönchen als Gegenleistung fiir seine Wohltätig keit erwarten darf74 • Das Prinzip des do ut des als Motivationsgrundlage -
S7 I sn
S7J S 74
T 1 05 L 1 47, Z. 24-26; vgl. dazu auch die inhaltlich parallele Aussage in T 04 1 1 L 399, Z. 20-25. Wie es Staubach, 1 990, 34 1 , etwa auch fii r den "aufgeklärten Absolutismus frideri zianischer Prägung" diagnostiziert. V gl. dazu Korff, 1 966, 2 1 f. Der betreffende Absatz ist immerhin 20 Zeilen lang; T 04 1 1 = L 399, Z. 29-49. =
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V . Herrschaft als Ehrenstellung
138
und Triebfeder altruistischer Interaktionen zwischen verschiedenen gesel l schaftlichen Gruppen und ihren Vertretern kommt auch noch andernorts zum Tragen. Die Untertanen d ienen dem Herrscher, damit er sie entlohnt und ihren Wohlstand sichert5 7 5 ; gelingt es dem Herrscher, diesen Aufga ben zur Zufriedenheit der Beherrschten nachzukommen, gereicht es wie derum d iesem selbst zur Festigung seiner Position und zum Ruhm 5 76 • Was aber, wenn der Kaiser den in ihn gesetzten Erwartungen nicht ent spricht? Fälle, in denen der Kaiser nach Kydones' Ansicht nicht so han delt, wie er sollte, verleiten ihn zu Aussagen, welche punktuell die Konse quenzen der beobachteten Akzentverschiebungen ans Tageslicht treten lassen und damit unverkennbar Züge einer Entsakralisierung des Herr scherbildes aufweisen. Wenn der Kaiser (Manuel II.?) sich den herrscher l ichen Pflichten durch sein Fernbleiben von Konstantinopel weiterhin entziehe, so laufe er Gefahr, "nichts zu haben, was dazu berechtigt, ihn so zu nennen, wie man in nennt", schreibt Kydones an einen gewissen Alusianos, den er bittet, den Herrscher doch zur Rückkehr zu bewegen 5 77 • Auf die Spitze getrieben erscheint dieser Gedanke freilich in dem bereits ausführlicher besprochenen Mahnbrief an Ioannes V., in dem Kydones vom Kaiser verlangt, ihm endlich das schon seit längerem ausstehende Gehalt zu zahlen57 8 • Wer Anspruch auf die Herrschaft erhebe, müsse auch seine Untertanen gerecht behandeln. Wenn Ioannes V. das Geld zahle, dann werde er ein Herrscher sein, wenn nicht, dann werde er n icht nur ein schlechter Mensch sein, sondern auch den gerechten Anspruch auf die Be zeichnung "Herrscher" verlieren. Der B lickwinkel des Verfassers der Briefe richtet sich in all den ge nannten Punkten gleichsam mehr auf die Horizontale als auf die Vertikale. Nicht, daß damit die theologischen und sakralen Aspekte des kaiserlichen Amtes negiert oder auch nur bewußt zurückgedrängt würden. Es bahnt sich eine andere Sicht der D inge an, die durchaus neben der alten bestehen kann, ohne daß es sogleich zu Störungen oder gar offenen Widersprüch Iichkeiten kommen müßte. D iese neue Sichtweise ist maßgeblich durch den Zug charakterisiert, der m it dem Stichwort "Funktionalitätsdenken" m
576 S77
m
Vgl. etwa T 258 L 264, besonders Z. 1 1 2 f. Deutlich ausgesprochen bspw. in T 2 1 4 L 22 1 , Z. 36-39, wiederum in einem Emp fehlungsschreiben filr einen Mönch namens Garcia an Ioannes V. Palaiologos. T 204 L 208, Z. 1 1 f; wichtig dazu TinnefeId, 1 99 1 , 1 57: "Sc. ' Kaiser'; tatsächlich hatte Kydones an dieser Stelle ursprUnglieh 'ßaau\nJC;' geschrieben. Ein bemerkens werter Hinweis d arauf, daß der Herrscher filr seine Untertanen da ist." Es ist nicht ganz gesichert, ob sich der Brief auf Manuel 11. bezieht; auch der Zeitraum (ca. 1 3 8 1 ?) ist unsicher; vgl. dazu die Diskussion von Tinnefeid a.O. T 98 L 70; vgl. dazu S. 1 06. =
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V . Herrschaft als Ehrenstellung
1 39
umschrieben wurde. Für Kydones ist nicht so sehr entscheidend, wie d ie Stellung, die der Kaiser innerhalb der Gesellschaft einn immt, zu cha rakterisieren und worauf sie letztlich zurückzuführen ist, sondern eher, ob der Kaiser seine mit dem Amt übernommenen Pflichten und Funktionen zur Zufriedenheit der Untertanen erfüllt579 • Erfullt er sie gut und nach ver nünftigen Maßstäben, entspricht dies seiner herrschaftlichen Ehrenstel lung und trägt auch zum Erhalt d ieser Position bei. Kommt er seinen Pflichten nicht nach, verdient er auch die Bezeichnung "Kaiser" nicht.
6. Entsakralisierung
Die Entmystifizierung des Kaiserbildes geht soweit, daß d ie auf Sakral ität beruhende, exemte Stellung des Herrschers, die ihn weit über die Unterta nen, ja selbst über die Gesetze erhebt und damit aus der Gesel lschaft, die ihn trägt, herausnimmt, zumindest de facto aufgegeben wird. Der Kaiser steht nicht mehr über der Gesellschaft, sondern in ihr5 80 . Er ist nicht mehr 8lOOe; Eniynoe; "Gott auf Erden"581 , sondern Mensch unter Menschen. In den staatstheoretischen Traktaten der Neuzeit wird diese Entwicklung konsequent zu Ende geführt. So sind beispielsweise fur Machiavelli im er sten Kapitel seiner Abhandlung Il Principe Macht und Herrschaft gege bene Realitäten. Die Frage nach ihrer Begründung und Herkunft wird überhaupt n icht mehr gestellt. Der Fürst wird nicht von Gott eingesetzt, sondern er erwirbt sich seine Machtposition selbst, durch seine "Tüchtig keit" oder auch durch "Glück" (virtu 0 fortuna)582 . Welch weitreichende Implikationen diese neue Sichtweise nach sich zieht, wird dem Betrachter -
5 79
Dieses Ergebnis wird ergänzt durch die Beobachtungen von Matschkel Tinnefeid, 200 I , 93, wonach in der Mitte des 1 4. Jahrhunderts "der Gedanke einer funktionalen Gliederung in der Gesellschaft Fuß gefaßt hatte, daß er auch von der Macht- und Besitzelite aufgegriffen wurde . . ." und "daß diese Diskussionen und Kontroversen in gewissem Sinne die Gesellschaftsentwicklung der frühen Palaiologenzeit bilanzieren". 5 80 Dieses neue Verhältnis spiegelt sich auch in modemen historischen Untersuchungen wider. So liegt bspw. in ' der Arbeit über die Gesellschaft im späten Byzanz von Matschke und Tinnefeid (200 I ) das Interesse hauptSächlich auf "Gruppen, Strukturen und Lebensfonnen" (so der Untertitel). Es findet sich dort neben den Hauptabschnitten über "die gesellschaftliche Mitte", das "aristokratische Unternehmertum", "die Gruppe der literarisch Gebildeten", und neben Ausftlhrungen über das "Volk" und die "Büro kratie" kein eigener Abschnitt mehr zur gesellschaftlichen Institution des Kaisertums. 5 8 1 So die Bezeichnung des Kaisers durch Kekaumenos im ersten Kapitel seines A6yoC;
582
voU8 f'rr]"nKOc; TlQOC; ßauu\Ea.
Vgl. Machiavelli, l/ Principe, die Kapitel 6 und 1 4.
1 40
V. Herrschaft als Ehrenstellung
erst bewußt, wenn er in Rechnung stellt, was al les von der traditionellen Herrschaftskonzeption in den Kydonesbriefen nicht oder kaum mehr er wähnt wird; wenn er etwa vor Augen hat, was die Forschung resümierend über den Kaiser in Byzanz schreibt: "ln keiner Institution kommt die enge B indung des byzantinischen Staates in allen seinen offiziellen Lebensfor men an das Christentum deutlicher zum Ausdruck als i m Kaisertum. Hun dertfältig sind die Beziehungen zwischen der Person des Kaisers und Gott,,583 . Oder: "Das Bild von Herrscher und Reich, das hier gesehen und geglaubt wird, in einem monarchischen Schaubild, vielleicht dem 'weihe vollsten Europas gefaßt ist', kann nach menschlichen Begriffen nicht mehr weiter erhöht werden. Im Mittelpunkt steht die alles beherrschende Gestalt des Kaisers, der als Mensch in göttliche Sphäre gehoben erscheint, transzend iert ist,,5 84 . Theoretisch ist er das rur Kydones auch. Aber nicht mehr praktisch.
7. Ehrenstellung des Herrschers als "Schwellenmodell"
Dies mag etwas salopp dahingesagt erscheinen, fuhrt aber direkt auf einen letzten, wichtigen Punkt in Bezug auf das erarbeitete Modell von Herr schaft als Ehrenstellung. Mag d ies aus dem Vorangegangenen auch schon deutlich geworden sein, so soll hier doch noch einmal explizit darauf hingewiesen werden, daß dieses Schwellenmodell n icht dieselbe histori sche Valenz besitzt wie sein Vorläufer und sein Nachfolger. Bei der tradi tionellen Auffassung vom sakralen Herrschaftsamt sowie bei späteren Staats- und Gesellschaftstheorien über das Wesen von Herrschaft als insti tutionalisierte Machtausübung handelt es sich um gedankl iche Konzepte, die auf theoretischer Reflexion und bewußter Pflege beruhen, während d ie Auffassung von Herrschaft als Ehrenstellung ledigl ich transitorischen Charakter besitzt und dieser Übergang sich weitgehend unbemerkt und unreflektiert vollzieht. Der Erkenntnisgewinn dieses Modells liegt n icht so sehr in der Möglichkeit der Beschreibung eines Ist-Zustandes, eines "Was", als vielmehr in der Beschreibung eines "Wie", indem es vom ana lysierenden H istoriker als Instrument eingesetzt werden kann, m it dessen Hilfe sich die Fragen nach Art und Weise und nach den Gründen des komplexen und tiefgreifenden Wandels im Herrscherbild erhel len und verständlich machen lassen. 58 ) Hunger, 1 989, 26. 584 Treitinger, 1 956, 233, vom Zeremonienbuch Konstantins VII. ausgehend.
141
V. Herrschaft als Ehrenstellung
Inwieweit und mit welchen Modifikationen sich dieses Übergangsmo dell auch anderweitig greifen läßt - diese Fragen führen auf ein weites Feld und eröffuen neue Ansatzpunkte für die Forschung. Zeiten des ge sellschaftlichen Umbruchs liefern dem Historiker immer ein uneinheitli eh es B i ld, weswegen die Beobachtung verschiedenster Strömungen zu er warten ist. Weitere srsätbyzantinische Briefcorpora bieten hier lohnende Untersuchungsfelder5 5 • Vorausgreifend sei angedeutet, daß mit einer ähn l ichen Detailanalyse und Aufarbeitung der Belege die am Kydones' schen Corpus erzielten Ergebnisse in entsprechend modifizierter Form auch an den Briefen von Kydones' Schüler Manuel Kalekas aufgezeigt werden könnten. In ihnen findet sich kaum mehr eine Sakralisierung des Herr schers, ein genereller Rückgang rel igiösen Vokabulars ist zu verzeichnen, dafür wird ersatzweise die herrscherliehe Würde und Ehrenstellung ver mehrt betont. Diesen etwa bei Kydones und Kalekas zu beobachtenden Tendenzen stehen andere Quellen entgegen, wie beispielsweise d ie Aus drucksweise in einem Brief an Kaiser Ioannes V. Palaiologos aus den frühen 1 3 70er Jahren zeigt, wo der unbekannte Verfasser bereits in der Anrede das gesamte Arsenal traditioneller Sakralitätsaussagen auffährt5 86 : KQanu-rE, 8 Eou-rEn'rE, 8wnQo[3ATJ'rE, 8wb6�au-rE bEuno-ra f.10U [3aUL AEü äYlE "Du Mächtigster, von Gott gekrönt, Ausstrahlung Gottes, von -
Gott geehrt, mein heiliger Herr und Kaiser!"
Weitere Beispiele gehen in d ieselbe Richtung, wie etwa die folgende An rede in einem Höflichkeitsbrief an Kaiser Ioannes VI. Kantakuzenos: ewb6�au-rE, 8EOf.1EyaAuv'CE bEuno'Ca f.10U äYlE [3cwtAEü "Du, der du von Gott deinen Ruhm hast, von Gott deine Größe, du mein heiliger Herr und Kaiser!" -
In d iesem wie im vorigen Brief sind es aIlerdings nicht nur die einleiten den Floskeln, welche deutliche Aussagen zur Sakralität des Herrschers treffen und die uns bei den Kydonesbriefen möglicherweise nur n icht überliefert sind, sondern auch im laufenden Text ist wiederholt von der "hei l igen Majestät" (aYla ßaaLAEla) des Kaisers die Rede, wird der Kai ser explizit und betont immer wieder mit der göttlichen Sphäre in Verbin dung gebracht58 7 ; und obwohl der zweite Brief in moderner Edition insge samt nicht mehr als eine halbe Seite umfaßt, findet sich auf diesem engen
58 5 586 5 87
Eine Übersicht Uber diese Corpora, ihren Umfang und die jeweils maßgebenden Edi tionen bei Matschkel Tinnefeid, 200 1 , 255 mit Anm. 2 1 2. Text und Ü bersetzung nach Karisson, 1 98 1 , 52 f. Vgl. Karlsson, 1 98 1 , 52 f; 57-59.
1 42
V. Herrschaft als Ehrenstellung
Raum sogar ein Beleg für die Heiligkeit zum Herrscher gehörender Ge genstände, wenn von der "göttlichsten und ruhigen kaiserlichen Kammer" die Rede ist, in welcher der Kaiser zu Gott betee88 • Vergleichbares ist im gesamten Briefcorpus von Kydones nirgends zu entdecken oder auch nur angedeutet. Typisch rur eine historische Übergangssituation: das Neben einander sich zwar nicht notwend ig gegenseitig ausschließender, sich aber doch deutlich voneinander unterscheidender denkerischer Konzeptionen und sprachlicher Ausdrucksformen. Charakter und Spezifika des Schwellenmodells "Herrschaft als Ehren amt" sol len zusammenfassend in einem tabellarischen Überblick darge stellt werden. Dem angestrebten Zugewinn an Luzidität steht der Nachteil entgegen, dabei m it etwas groberen Pinselstrichen malen zu müssen. Ent gegen der suggestiven Wirkung starrer Tabellenspalten gilt es, sich dessen bewußt zu b leiben, daß die Übergänge zwischen den einzelnen "Model len" fließend sind und nicht unbedingt kontinuierlich verlaufen5 89 •
S8 8 Zeile I 1 f in der Edition von KarIsson, 1 98 1 , 57 f; die Ü bersetzung weicht von Karls
son ab, der EV '1:4J 8Elmcncp Kai ßaulAL1<4J KEAAlcp Kai iJUuXCP mit "in deiner al lerhei ligsten und ruhigen kaiserlichen Kammer" übersetzt; in der Brieferöffnung fehlt im griechischen Text bei Karlsson bei biunma /lou der Akzent vor dem Enklitikon. 589 S. dazu die in der Einleitung angestellten Ü berlegungen. DarUber hinaus werden in ei ner solchen tabellarischen Übersicht natürlich nicht alle denkbaren und nachweisbaren Formen von Herrschaft Berücksichtigung finden können.
V. Herrschaft als Ehrenstellung
He rrscherbild
Herrschera n rede
Herrschaft als
Herrschaft
Herrschaft
heiliges Amt
als Ehrenamt
als Machtamt
"Stellvertreter Gottes", "Priester"
"Herausragender Mensch"
"Vertreter des Volkes" bzw. "Machthaber"
V.a. mit religiösen Termini (z.B . äYlOC; oder
V.a. mit profanüberhöhenden Ausdrücken (z.B. 71av'(IX aQlu'(oc; oder KQanu'(oc;), daneben auch noch mit religiösen
Profanes Vokabular
Heiligkeit
Ehrenstellung, Ansehen und Würde (daneben auch noch Hei ligkeit)
Macht, Amtsgewalt und Souverän ität
V.a. durch göttliche Erwählung
V.a. durch die mit dem Amt gegebene Ehrenstellung, daneben auch durch Gottes Erwählung
Durch eine gesetzliche Verfassung oder durch Machtbesitz
Durch göttliche Fürsorge und Leitung (daneben auch durch eigenes "richtiges" Handeln)
V.a. durch eigenes gerechtes und vernünftiges Handeln (daneben auch durch Gottes Leitung)
Durch eigenes effektives, rechtmäßiges und/ oder machtorientiertes Handeln
71lu'(OC;)
Kernbegriffe
Legitimation der Herrschaft
E rhalt der Herrschaft
1 43
V. Herrschaft als Ehrenstellung
1 44
Fundamente
Herrschaft als
Herrschaft
Herrschaft
heiliges Amt
als Ehrenamt
als Machtamt
HI. Schrift und Vätertradition
Religiöse und profane Traditionen
Gesetzliche Verfassung und/ oder (mil itärisehe) Macht (und profane Traditionen)
Frömmigkeit und Rechtgläubigkeit, daneben auch allgemeine Tugenden
Allgemeine Tugenden wie Gerechtigkeit und Vernunft, daneben auch noch Frömmigkeit
Durchsetzungsvermögen, Leitungskompetenz, Vernunft und weitere "profane" Qualifikationen
V.a. Missionsauftrag und Förderung des Seelenheils der Untertanen, daneben auch Sorge für ihre Wohlfahrt
V.a. Sorge für die Wohlfahrt der Untertanen, daneben auch noch Förderung ihres Seelenheils
Sorge fur die Wohlfahrt des regierten Landes
Herrscher ist vor allem Gott verpflichtet, daneben auch noch seinem Volk
Herrscher ist vor allem seinem Volk verpflichtet, daneben auch noch Gott
Herrscher ist vor allem dem Volk verpflichtet
herrscherlichen Handeins
Hauptsächliche Herrschertugenden
Wesentliehe Herrscherpflichten
Rechenschaftspflicht des Herrschers
VI . Gründe für den skizzierten Wandel
Kurz vor der Eroberung Thessalonikes entwirft Kydones in einem Brief an den befreundeten Tarchaneiotes, der sich zu dieser Zeit in der schwer bedrängten Stadt aufhält, folgendes Bild von der Lage des byzantinischen Staates590 : ... VÜV YE 71cXvm OLXE'fC
wärtig ist alles dahin, die Gesamtheit 9 1 des Reiches, oder vielmehr dessen müdes Schattenbild; auch jenes ist gestorben und verbreitet schon seit vielen Jahren den Geruch der Fäulnis . . . "
Wenn man nach Gründen für den oben skizzierten Paradigmenwechsel in der Kaiserideologie sucht, dann dürfte ein nicht eben unbedeutender in der fatalen Lage des Reiches liegen. Von der einstigen Größe des byzantini schen Reiches ist nur noch ein unbedeutender Rest übriggeblieben. Das Vordringen der Türken auf militärischem und die zunehmende Beherr schung der Handelsmärkte durch d ie italienischen Stadtstaaten auf wirt schaftlichem Gebiee92 führten zu einer Reduzierung des einstigen Groß reiches fast allein auf die Hauptstadt und zu finanziellen Nöten wie der bereits angeführten Situation, daß Ioannes V. Palaiologos zwar in Venedig von der Bevölkerung mit Jubel empfangen wird, es für den verschuldeten Kaiser wegen mangelnder Kreditwürdigkeit außer floskelhaften Ehrungen als dem "Allerhöchstwohlgeborenen" (mxV't:wv EUyEvEu't:a't:oc;) anson sten aber "nichts als Kohlen" gibt, wie Kydones bitter-sarkastisch be merkt593 • Die Glorie des Kaisers kann sich weder in ruhmreichen Erobe-
590 59 1 592
59)
T 325 = L 362, Z. 1 2 f; Begründung für die Datierung (ca. Winter 1 3 86/87 - April 1 387) bei TinnefeId, 1 999, 275. Bei dem griechischen Wort aWfla schwingt an d ieser Stelle auch die Bedeutung "Leichnam" mit. Der Handelskrieg mit Genua etwa endete 1 352 mit einer byzantinischen Niederlage, vgl. Schreiner, 2 1 994, 3 1 . Der Kaiser hatte einfach nicht mehr die wirtschaftliche und militärische Macht, um wie früher seine Rolle als Euergetes oder als Friedensstifter ausüben zu können. T 73 = L 7 1 , Z. 1 4 f. Vgl. auch Koder, 2004, 93 : "Die Staatsfinanzen waren so zerrüt tet, dass 1 343 für einen venezianischen Kredit über 30 000 Golddukaten die Krö nungsjuwelen . . . verpfändet werden mussten, die dann vom Dogen im Domschatz von San Marco in Venedig hinterlegt wurden." Vgl. dazu auch Barker, 1 969, 443-445; WesseI, 1 970, 434.
VI. GrUnde rur den skizzierten Wandel
1 46
rungen noch in großzügigen Geschenken mehr zeigen, und so kann man die oben von Kydones auf den ganzen Staat bezogene Zustandsbeschrei bung leicht auch auf den obersten Repräsentanten dieses Staates auswei ten. Wie an der "Gesamtheit des Reiches" nicht mehr viel von der einsti gen Größe zu entdecken ist, so erscheint ebenfalls die Gestalt des Kaisertums nur noch als ein "Leichnam der Herrschaft", wie man 'riic; lXQXiiC; aW�llx auch übersetzen könnte. Mit dem Glanz des Reiches verblasst auch die religiöse Überhöhung des Kaisers. Ein zweiter Ursachen komplex ist im Bereich der Innenpolitik zu su chen. Immer wieder zeigt sich, daß Kydones, der sich als Staatsmann der außenpolitischen Nöte und Bedrängnisse sehr wohl bewußt war, es als nur zu schmerzlich empfand, wenn er mit ansehen mußte, wie sich byzantini sche Herrscher und Herrschaftsanwärter aus Begierde nach der Macht gegenseitig zerfleischten und damit die ohnehin schlimme Lage noch schlimmer machten. Wenn Kydones im Jahr 1 3 9 1 angesichts der rivalisie renden Thronanwärter Manuel 11. und Ioannes VII. und ihrer um die Gunst Bayezids I. buhlenden Haltung den Niedergang des Reiches der Rhomäer nachzeichnet "bis ihm - wie ein Kopf, der vom Rumpf getrennt ist - nur <noch> die Hauptstadt verblieb, die nun mitsamt ihren Herr schern prächtige Sklavendienste leistet,,59\ dann ist es kaum verwunder lich, daß in einer solchen Situation kaum mehr von der "Heiligkeit" des Herrschers die Rede ist - welche Heiligkeit sollte welcher von den beiden Herrschaftsanwärtern auch, wenn überhaupt, noch besitzen? "Nichts Hei liges" - OUbEV LEQ6v - gebe es mehr in Konstantinopel, heißt es mehr mals im Briefcorpus, und gerade d ie innenpolitischen Wirren dürften ent scheidend zum Abbröckeln des sakralen Herrscherbi ldes in Byzanz mit beigetragen haben. Daneben lassen sich Ursachen benennen, die aus der weiteren Untersu chung des Themenkomplexes "Kaiserkritik" hervorgingen, und die gege� benenfalls d ie bereits genannten vertiefen und verstärken können. Neben den inneren Machtkämpfen gibt es vor allem noch zwei Bereiche, in denen von Kydones das kaiserliche Handeln nicht nur jeder sakralen Aura entkleidet, sondern schließlich sogar als im Widerspruch zum göttlichen Willen stehend gebrandmarkt wird. Das ist zum einen eine Politik der Anbiederung an die Türken, ein Punkt, in dem vor allem Manuel II. sich massiver Kritik ausgesetzt sah, zum anderen eine Begünstigung des Pala mismus, eine Haltung, die Kydones vor allem Ioannes VI. Kantakuzenos zum Vorwurf machte. Neben der Mißbilligung dieser rur Kydones beson594 T 43 1
=
L 436, Z. 22-24.
VI. GrUnde filr den skizzierten Wandel
1 47
ders neuralgischen Punkte finden sich im Epistolar an einigen Stellen auch kritische Aussagen über das Kaisertum an sich. Mag hinter den meisten d ieser Passagen auch eine spezielle Unzufriedenheit mit der Regierung oder zumindest mit bestimmten einzelnen Handlungen Ioannes' V. Palaio logos stecken, der im Vergleich mit den anderen Kaisern den häufigsten und schärfsten Tadel erfährt, so kann es doch nicht ausbleiben, daß durch die allgemein gehaltenen Formulierungen schließlich auch das B ild des heiligen kaiserlichen Amtes als solches zumindest in Mitleidenschaft ge zogen wird . Natürlich sind d ie Gründe ftl r das Zurücktreten der Sakralitätsvorstel lung n icht nur in den politisch-historischen Gegebenheiten und im Verhal ten der Herrscher zu suchen. Für das Fehlen des einen oder anderen Ele ments der Kaiserideologie sind mit Sicherheit die gattungstypologischen Eigenarten der untersuchten Quellen verantwortlich. In Briefen ist eine sa krale Überhöhung des Kaisers naturgemäß weniger zu erwarten als bei spielsweise in Legenden oder gar Enkomien. Allerdings hat sich gezeigt, daß enkomiastische Passagen wiederum nicht zwangsläufig Orte ftlr eine Divinisierung des Herrschers sein müssen. Schl ießlich lassen sich auch einige biographische Besonderheiten nam haft machen, die zu dem bereits skizzierten komplexen Ursachengeftige hinzutreten. Wie beobachtet, sind es vor allem die frühen Briefe an loan nes VI. Kantakuzenos, in denen Topoi der traditionellen Kaiserideologie noch am häufigsten zu beobachten waren, und man wird kaum fehlgehen, wenn man hierftir die Jugendl ichkeit des Kydones verantwortlich macht, der zu diesem Zeitpunkt zu einem von überkommenen Konventionen weitgehend losgelösten, ausgeprägt eigenen und sich auch im literarischen Stil äußernden Standpunkt schon aufgrund seiner die Politik und das Le ben überhaupt betreffenden Unerfahrenheit noch kaum gelangt sein konnte; die das Kaisertum entehrenden oder erniedrigenden Erlebnisse wie etwa d ie Schuldhaft des Kaisers in Venedig oder die "Sklavendienste" der byzantinischen Herrscher bei den Türken und die damit notwendig verbundenen Ernüchterungen lagen erst vor ihm. Des weiteren mögen so manche überhöhende Sakralitätsaussagen in den frühen Briefen auch im Dienst der ehrgeizigen Pläne eines politisch ambitionierten jungen Man nes gestanden haben, der sich von einem geschmeichelten Kaiser bei Hof e ine Stellung erhoffte und auch erhielt5 9S • Zusätzlich gilt es zu berück595 Tinnefeid, 1 98 1 , 59, dazu: "Ein wenig unwohl ist uns manchmal bei der Lekture seiner
enkomiastischen Briefe an hochgestellte Persönlichkeiten, die . . . vor allem in frUhen Jahren zu seinem Erfolg beitrugen; doch sollte man hier dem byzantinischen Hofstil manches zugute halten,"
1 48
VI. Gründe ftlr den skizzierten Wandel
sichtigen, daß Kydones mit dem Haus der Kantakuzenen von Jugend auf in einem freundschaftlichen Verhältnis stand, was erklären könnte, daß er als geprüfter und erfahrener Staatsmann in späteren Briefen an Ioannes VI. teilweise einen eher direkten und kritischeren als devoten Ton an schlagen konnte. Wurzeln fiir die relative Zurückhaltung bei der Verwen dung überkommener Redekonventionen in späterer Zeit l iegen wohl auch in der geistigen Entwicklung, die Kydones nimmt, die von Anfang an in stärkerem Maß von einer Ausrichtung an der griechisch-antiken als an der jüdisch-christlichen Begriffs- und Gedankenwelt bestimmt wird und auch im weiteren bewirkt, daß religiöse und sakrale Termini überhaupt in den H intergrund treten und sich so bereits mit der diesbezüglichen Zurück haltung humanistischer Geister verwandt zeigt. Hinzu tritt seine Hinwen dung zur Kirche der "Lateiner", seine zumindest anfänglich große Vereh rung fiir den Papst und seine Begeisterung für die Welt thomistischer Ge lehrsamkeit, alles Faktoren, die ihn einem byzantinischen "Binnenraum" und den dort gehegten Werten und Redeweisen entfremdet erscheinen lassen. Die Freimütigkeit Ioannes V. gegenüber ist sicher nicht nur auf persönliche Antipathie und besonderen Mut zurückzuführen, sondern be ruht auch zu einem großen Tei l auf dem Umstand, daß Kydones seit sei ner Ernennung zum I-lI:: aal,;wv politisch eine bedeutende Rol le spielte und gewissermaßen zum i nnersten Kreis der Macht gehörte. Insofern war er kein "normaler" Untertan, dem es nur selten und aus der Feme vergönnt war, den Herrscher zu schauen; er konnte es sich aufgrund seiner hohen Stellung hin und wieder leisten, mit dem Kaiser fast wie mit seinesglei chen zu reden, da er mit ihm annähernd auf einer Stufe stand. Gerade die an Manuel 11. geübte Kritik mag schließlich darauf zurückzuführen sein, daß zwischen Kydones und d iesem seinem Schüler eine so enge Bezie hung bestand, daß er sich speziell diesem Kaiser gegenüber Töne heraus nehmen durfte, die so kein anderer hätte anschlagen dürfen596 • Mögen manche der h ier angeführten Ursachen auch eine gewisse Aus nahmesteI lung des Demetrios Kydones nahe legen, so beanspruchen an dere wiederum doch allgemeinere Gültigkeit. In mancher Hinsicht war er eine Ausnahme, in einigen Punkten war er aber auch ein Vorreiter, Expo nent einer sich anbahnenden Entwicklung, die nicht mehr aufzuhalten war und Zug um Zug zu einer Entsakralisierung des Herrscherbildes fiih rte, Mitverursacher des Ablöseprozesses von einer sakralen Herrschaftskon-
596 Manuel H. legte auch noch in reiferen Jahren Kydones eine selbst ausgearbeitete Rede
an die Bürger von Thessalonike zur Begutachtung vor (vgl. Dennis, 1 977, Brief Nr. 1 1 ), was ein Schlaglicht auf die nach wie vor enge Lehrer-Schüler-Beziehung wirft.
VI. GrUnde filr den skizzierten Wandel
1 49
zeption, d ie ihre Ausformun �en allerdings mit zähester Ausdauer bis in die Modeme hinein erstrecktS 7 .
597 Vgl. dazu Erkens, 2002, 3 f und 1 4-20, sowie die Aufsätze von Leonhard, 2002, und
von Hehl, 2002.
VII . Resümee
Manchmal ist ein kurzes Resümee nichts anderes als der Verrat an vorher durchgeftihrten Differenzierungen. Die Vorstellung von herrschaftlicher Sakralität in den Kydonesbriefen ist ein Komplex, der h insichtlich Beur teilung und Auswertung einige Behutsamkeit erfordert, gerade weil sich in der Uneinheitlichkeit des Befundes ein Wandel andeutet, dessen Eigenar ten und bestimmende Faktoren auch neuer und sorgfältig abgewogener Erklärungen bedürfen.
1 . Sakralität von Herrschaft bei Demetrios Kydones
Ausgangspunkt für die vorgenommenen Untersuchungen bildete ein der jüdisch-christl ichen sowie der griechisch-römischen Geisteswelt ver pflichteter Begriff von herrschaftlicher Sakralität, präziser bestimmt als gedankl iche Konzeption, nach der einem Menschen aufgrund der Aus übung eines Herrschaftsamtes in den Augen seines kulturell-gesellschaft l ichen Umfeldes eine besondere, positiv konnotierte Qualität zugeschrie ben wird, die ihn in den Bereich der göttl ichen Sphäre rückt. Die Erhe bung des Amtsträgers in diese himmlische Sphäre, sein Eintauchen in eine sakrale Aura, gründet letztlich in der Überzeugung, daß der Herrscher d ie Macht des Amtes n icht eigenmächtig ergreifen kann, sondern sie von Gott übertragen bekommt, genauer gesagt, Anteil an einer Machtfülle erhält, die ursprünglich und wesentlich nur Gott zusteht. Dabei ist zu beachten, daß es i n d iesem gedanklichen Modell prinzipiell nicht um die Heiligk�it einer Person, sondern um die Heiligkeit einer Funktion bzw. eines Amtes geht; d ie Heiligkeit der Person leitet sich von der Hei ligkeit des Amtes her. Der Zustand der Heiligkeit kann kulturspezifisch sehr unterschiedli che Auswirkungen auf den Amtsträger selbst und verschiedene Folgen für die Art und Weise seiner Amtsführung haben. Dieses "traditionelle" Kon zept herrschaftlicher Sakralität galt es, im Briefcorpus des Demetrios Ky dones aufzuspüren und ihm in seinen Modifikationen und Verästelungen nachzugehen. Die Herleitung der herrscherlichen Machtftille von Gott und, eng damit zusammenhängend, die Vorstellung vom Herrscher als Stellvertreter Got-
VII. Resümee
151
tes auf Erden sind nicht nur wesentliche, sondern konstitutive Elemente des traditionellen Sakral itätsmodelles. Die diesbezüglichen Stellen in den Briefen sind durchaus zahlreich und lassen keinen Zweifel aufkommen, daß fur Kydones die Verleihung der kaiserlichen Herrschaft durch Gott außer Frage steht. Dabei läßt sich beobachten, daß d ieser Gedanke in den Briefen an Kaiser Ioannes VI. Kantakuzenos überwiegend im Dienst einer den Usurpator legitimierenden Aussageabsicht steht, während Vergleich bares in Bezug auf Ioannes V. Palaiologos eher dann zu finden ist, wenn es darum geht, den Kaiser durch die Erinnerung an d ie göttliche Pro venienz seiner Stellung zu ermahnen, der darin liegenden Verantwortung auch gerecht zu werden. Im Gegensatz dazu wiederum wird das Motiv von Gott als dem Verleiher kaiserlicher Herrschaft in Briefen an Manuel 11. Palaiologos durchweg mit einer positiven Bewertung verbunden. Floskelhafte Ausdrücke, die Gott und den Kaiser in einem Atemzug nen nen und beide gleichsam zu einer (hierarchisch abgestuften) Zweiheit ver schmelzen (z.B . in der auf den Herrscher bezogenen Fügung "nächst Gott"), zeigen aufgrund ihrer selbstverständlichen Verwendung ebenfalls, wie tief die Vorstellung vom Kaiser als Stellvertreter Gottes auf Erden im Denken des Verfassers eingewurzelt ist. Die Erhebung des Kaisers in die göttliche Sphäre tritt auch in den gelegentlich eingestreuten Zeusverglei chen zutage, die in ihrer Bedeutung al lerdings durch unterschwellige Iro nie beziehungsweise durch eine Anwendung des Vergleiches auf andere Personen wieder etwas unterlaufen werden. Es sind vor allem d ie frühen Briefe an Ioannes VI. Kantakuzenos, die unter Zuhilfenahme paganer Vorstel lungen das traditionelle Sakralitätsmodell noch am stärksten un terstreichen, wenn etwa der Kaiser indirekt kultischer Ehren flir würdig erklärt oder zum Gegenstand mystischer Sehnsucht wird oder wie Askle pios Hei lungswunder vollbringen soll. Bei näherem Zusehen stellt sich heraus, daß in all diesen Passagen kaum j emals eindeutige Bezüge auf spezifisch christliches Gedankengut anzutreffen sind. Der Gott der Kydonesbrfefe ist nicht JHWH, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, nicht der Vater im Himmel, nicht der "Abba" Jesu Christi. Es ist in der Regel eher nüchtern und mit einer gewissen philosophischen Distanziertheit schlicht von "Gott" die Rede, was nicht zuletzt auf d ie Schulung des Verfassers an der antiken, vor al lem sokratisch-platonischen, aber auch an der neuplatonischen und an der aristotel isch geprägten scholastischen Philosophie zurückzuflihren sein dürfte. Neutestamentliche Anklänge sind äußerst seIten, und entgegen der traditionellen Konvention spielen alttestamentliche Bezüge in der Kaiser ideologie nur eine außerordentlich geringe Rolle; die wenigen Stellen konzentrieren sich fast ausschließlich auf die späten Briefe an Manuel 11.
VII. Resümee
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Palaiologos. Viel häufiger trifft man in Passagen, die den Kaiser zum Ge genstand haben, auf rhetorische Topoi und Vergleiche aus dem Kultur raum der griechisch-paganen · Antike. Angesichts der dominierenden Wichtigkeit antiken Gedankenguts kann man Kydones eine gewisse Vor reiterrolle für die Bereitung humanistischen Geistes kaum absprechen5 98 • Fehlen auch ausdrücklich christliche Wendungen, und findet sich auch nirgends ein direkter kausaler Zusammenhang der Art, daß aufgrund der Verleihung herrschaftl icher Macht durch Gott der Kaiser als heilig an zusehen sei, so sind es doch solche Stellen, die dem "traditionellen" Sa kralitätsmodell noch am stärksten verpflichtet sind und gleichsam als letz te Bastion dieses Konzepts den sich anbahnenden Neuerungen noch Wi derstand leisten. Diachron betrachtet verteilen sich d ie pointiertesten Belege für das tra ditionelle Model l vor allem auf die frühen, an Kaiser Ioannes VI. Kannta kuzenos gerichteten Briefe. Dieser hatte eine damit einhergehende Legi timation seiner Herrschaft durchaus nötig und sah eine solche sicherlich kaum ungern; hier finden sich Sakral itätsaussagen, die in dieser Nach drücklichkeit und Reichweite später nicht mehr anzutreffen sind . Ein klei nes Detail, vielleicht nicht ganz so belanglos und zufällig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag: Trotz aller Schmeichelei und Überhöhung des Kaisers lobt Kydones an dem Usurpator Ioannes VI. kein e inziges Mal dessen awcpQoauvll ("Besonnenheit"); aus dem nur zu bekannten Kanon der v ier Kardinaltugenden ist sie die einzige, die unerwähnt bleibt.
2. Heiligkeit - Ehre
-
Macht
D ie erarbeitete Konzeption von Herrschaft als Ehrenstel lung steht zwi schen der herkömml ichen Auffassung von Herrschaft als heiligem Amt und der sich anbahnenden Vorstellung von Herrschaft als Machtbesitz. Sie eignet sich zur adäquaten Beschreibung einer solchen historischen Schwellensituation gerade deshalb besonders gut, wei l sie aufgrund der Tatsache, daß sie sowohl mit der traditionellen als auch mit der neuzeitliS98
Vgl. Matschke, 1 984, 277, der Kydones als bedeutenden "Vertreter des byzantinischen Humanismus und zugleich als Anhänger des byzantinischen Traditionalismus" be zeichnet. Zur Problematik des Begriffs "Humanismus" und zur Frage seiner Anwend barkeit auf Byzanz s. Beyer, 1 989. Zum "christlichen Humanismus" in Byzanz s. Matschkel Tinnefeid, 200 1 , 245. Bei aller gebotenen Vorsicht einem so allgemeinen und damit notwendig unscharfen Begriff gegenüber . werden durch ihn doch auch wesentliche Elemente eingefangen.
VII. Resümee
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chen Herrschaftskonzeption "kompatibel" ist, den schwebenden Charakter eines solchen Übergangsstadiums in seiner Komplexität und Feinheit zu beschreiben und zu erklären vermag. Die einzelnen Bereiche und Beob achtungen, anhand derer sich dieser Wandel in besonderer Weise festma chen l ieß, sollen noch einmal im Überblick genannt sein. Es wurde deutlich, daß das Kaiserlob bei Kydones in erster Linie auf die Persönlichkeit der Herrscher zugeschnitten ist, mit denen er sich zu mindest zu bestimmten Zeiten freundschaftlich verbunden fühlte. Wenn Gott als Urheber und Bewahrer kaiserlicher Tugenden beschrieben wird, dann vor allem in Bezug auf die herausragenden Fähigkeiten ManueIs 11. Palaiologos, und damit ist diese Vorstellung für die Heiligkeit des Amtes nicht konstitutiv. Den Kaiser überhöhende Aussagen zielen damit auf d ie individuelle Person des jeweiligen Amtsträgers, der die gelobten positiven Eigenschaften nicht aufgrund der göttlichen Erwählung gewissermaßen mit dem Amt zusammen erst verliehen bekommt, sondern sie bereits vorgängig besitzt und mit ihnen dem Amt Ehre macht - oder Unehre, wenn sie ihm fehlen. Die Sakralität des Amtes ist als Vorstellung durchaus noch präsent, aber sie kommt zunehmend nur noch dann zum Tragen, wenn sie ein Äquivalent in der Heiligkeit der Person besitzt, so daß d ie strukturelle Grenze zwischen den zwei verschiedenen Arten der Sakralität zu verschwimmen beginnt. Die Sakralität des Kaisers ist dann nicht mehr eine absolute, von Gott gesetzte, sondern eine relative, auf den jeweiligen Amtsträger sich beziehende. Der Rückgang mit der Sakralitätsvorstellung verknüpfter Gedanken er hellt in besonderem Maße aus den Belegen ex negativo, d ie h ier nur in al ler Kürze in Erinnerung gerufen werden sollen. Keine Passage spricht von spezifischen Aufgaben und Handlungen des Herrschers im religiösen Kult; n irgends wird der Kaiser LEQ6C;, LEQEUC; oder aQXLEQEUC; genannt. Im gesamten Epistolar findet sich keine einzige Aussage über das Verhält nis von Kaiser und K irche. Bis auf das bereits angesprochene, von Kydo nes durch das Kommen von Ioannes VI. Kantakuzenos herbeigesehnte Heilungswunder gibt es in den Briefen keinen Beleg dafür, daß der Herr scher nach Ansicht seines Umfeldes über wunderbare Heilkräfte verfuge, und auch d iese eine Stelle zeugt nicht unbedingt von einer solchen Mei nung, sondern könnte genauso gut auf das Konto enkomiastischer Über treibung gehen. Ebensowenig gibt es in Kydones' Augen einen Automa tismus, der garantiert, daß der von Gott einmal erwählte Herrscher von nun an in all seinem Tun von göttlicher Inspiration geleitet wird; wie jeder andere Mensch kann auch der Kaiser der göttl ichen Führung verlustig gehen. So ist militärische Überlegenheit im Kampf gegen die Feinde kein
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VII. Resllmee
notwendiges Charakteristikum herrschaftlicher Sakralität, sondern in je dem Fal l ein ungeschuldetes und freies Geschenk Gottes. Nirgends kommt Kydones des weiteren auf eine sakrale Aura zu sprechen, die den Herrscher umgibt und von ihm ausgeht; in keinem Passus werden der Kai ser selbst oder das Herrscheramt oder die kaiserlichen Insignien als "hei lig" bezeichnet; Hinweise auf eine hei ligende oder hei lende Ausstrahlung weiterer mit dem Kaiser in Berührung gekommener oder in enger Bezie hung stehender Gegenstände fehlen gänzlich. Die über die anderen Menschen herausgehobene Stellung des Kaisers wird zwar hin und wieder mit der Erwählung durch Gott und der Übertra gung herrschaftlicher Macht von Gott auf den Kaiser in Zusammenhang gebracht; noch öfter aber wird sie als Tatsache konstatiert, ohne daß Ky dones dabei in irgendeiner Weise auf religiöse Begründungen rekurriert. Der Topos von der außerordentlichen Stel lung des Herrschers wird nicht mehr so sehr mit seiner Eigenschaft als Erwählter und Gesalbter Gottes konnotiert als vielmehr mit dem niedrigeren Rang der Untertanen kon trastiert. Statt die Heiligkeit des Herrschers zu betonen, wird seine Ehren stellung hervorgehoben und der weniger ehrenvollen Stel lung der ge wöhnlichen Menschen gegenübergestel lt. Etwas überspitzt könnte man formulieren: In solchen Passagen besteht zwischen dem Kaiser und seinen Untergebenen kein substantieller Unterschied mehr, sondern nur noch ein gradueller. Exemplarisch zeigt s ich der unterschwellige Paradigmenwechsel an dem Schwinden der Heiligkeitsanrede in den Kydonesbriefen. "Heilig", äYLO<;, ist der Kaiser bei Kydones bis auf eine ungesicherte Ausnahme kein einziges Mal - im Gegensatz beispielsweise zum Papst, der von Kydones zumindest indirekt einmal mit "Heiligkeit" tituliert wird. Das von Kydones dafür ersatzweise bevorzugte 8EIO<; mag die Gewichtigkeit dieses Befundes zunächst etwas abmildern, doch ist auch die Bezeichnung des Kaisers als "göttlich" verhältnismäßig selten und wird in ihrer Ex klusivität noch zusätzlich dadurch relativiert, daß sie auch auf andere Menschen übertragen angewendet wird. Dagegen ist es aufflillig, daß bei der weitaus größeren Anzahl von Passagen, in denen der Kaiser m it be stimmten Anreden versehen wird, ein eher "profanes" Vokabular eindeu tig den Vorzug erhält, wie etwa in der am häufigsten belegten Wendung 6 71av'[a aQlu'[o<; ßaatAEv<; - "der alleredelste Kaiser". Und es ist nicht nur das religiöse Vokabular, das im Rückzug begriffen ist; auch religiöse Argumentationsstrukturen machen anderen, im Ansatz "profanen" Be gründungen Platz. So tritt neben d ie Forderung an den Herrscher, sich am
VII. Resümee
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Willen Gottes auszurichten, der Appell, der Herrscher solle sich in seinem Handeln der eigenen Ehrenstel lung verpflichtet fühlen. Auch in dem Katalog der vom Herrscher hauptsächlich geforderten Ei genschaften, Tugenden und Pflichten ergeben sich gewisse Schwerpunkt verlagerungen, die sich an einer veränderten Gewichtung semantischer Wortfelder festmachen lassen. So werden etwa Begriffe wie Heiligkeit, Frömmigkeit, Rechtgläubigkeit, Sorge für das Seelenheil der Untertanen oder Heidenm ission entweder völ l ig ausgeblendet oder zumindest deutlich weniger wichtig im Vergleich zu Ehre, Vernunft, Gerechtigkeit, Aus richtung auf die Wohlfahrt der Untertanen und Machterhalt. Es macht sich ein Funktionalitätsdenken bemerkbar, das den Kaiser mehr nach dem be wertet, was er tut, als nach dem, was er ist. Ob heilig oder nicht heilig, zu Recht trägt der Kaiser seinen Titel dann, wenn er die mit dem Amt über nommenen Pflichten "richtig" - und das heißt in erster Linie zum Wohl und zur Zufriedenheit seiner Untertanen - erfüllt. An entscheidender Stei le, das heißt dann, wenn Kydones etwas besonders am Herzen liegt und er selbst davon stark betroffen ist, werden religiöse Bewertungsmaßstäbe und Argumentationsmuster durch rein innerweltliche ersetzt. Hätte die Sa kralitätsvorstellung noch ihre alte Kraft und Wucht gehabt, dann hätte Ky don es sich ihrer beispielsweise in den Passagen, in denen er vom Kaiser ' die Auszahlung seines Gehaltes fordert, mit Sicherheit bedient, doch ge rade dort spielt sie überhaupt keine Rolle mehr. Soweit sie überhaupt noch zum Einsatz kommen, werden die Elemente der traditionellen, sakral überhöhten Kaiserideologie von Kydones sicher n icht wie Versatzstücke eines seiner Ansicht nach längst überholten Ge dankenkomplexes benutzt. Die Fundamente der alten herrschaftlichen Sa kralitätsvorstellung besitzen i n Kydones' Werte- und Gedankenwelt nach wie vor ihre Gültigkeit; ihre offene Infragestellung oder gar absichtliche Destruktion ist nirgends angedacht oder angedeutet. Aber das traditionelle Modell beginnt zu verblassen, und es bahnt sich eine neue Denkweise an, die neben der alten existiert und sich an einigen Punkten mit ihr über schneidet. Die Koexistenz beider kann deshalb eine friedliche sein und lange Zeit fortbestehen, ohne daß es zu einem offenen Konflikt kommen müßte, wei l d ie Begriffe, die sich nunmehr in den Vordergrund schieben und andere verdrängen, durch die Ambivalenz und Offenheit ihrer Be zugsmöglichkeiten hervorragend dazu geeignet sind, den Vorgang des Wandels unmerklich zu machen; sie setzen neue Akzente, sind aber auch für das traditionelle Modell durchaus anwendbar5 99 • Dabei treten speziell
599
Erst bei Überschreitung einer gewissen Schwelle kommt es zu Konflikten, Vgl. Burke, 1 998, 238: "Ein sogenanntes ' Meinungssystem ' kann man sich als ein Bündel von
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VII. Resümee
mit religiösen Vorstellungen assoziierte Begriffe wie etwa "Heiligkeit" zunehmend in den H intergrund, während dafUr anderes, "neutraleres" Ge dankengut, wie beispielsweise die Beschreibung des kaiserlichen Amtes als hohe Ehrenstellung, mehr in den M ittelpunkt rückt. Nicht die Tugend haftigkeit oder Heiligkeit, sondern d ie Ehre und das Ansehen des "Für sten" sind dann auch d ie zentralen Werte bei Mach iavell i, d ie es unter allen Umständen zu wahren und zu verteidigen gilt, selbst wenn der Herr scher dabei Mitbürger ermordet, Freunde verrät und gegen die Religion verstößt600 • Gerade durch das Nebeneinander und Ineinander der bei den Herr schaftskonzeptionen repräsentiert Kydones beispielhaft die Entwicklung insgesamt, die alles andere als eindimensional verläuft. Wie in der schrift lichen H interlassenschaft des Kydones die Relativierung der alten Kaiser ideologie selbst relativ bleibt, so lassen sich auch gesamtgesellschaftlich die unterschiedlichsten Strömungen ausmachen, von einer strikten Beibe haltung herkömmlicher Redekonventionen bis zur auffälligen Vermeidung alter Titulaturen. Daher l iefert die historische Analyse im Ergebnis auch ein sehr differenziertes B ild vom Zustand des byzantinischen Reiches kurz vor dem Zusammenbruch: Byzanz geht nicht unter als "Fossil", als ein sich ewig gleichbleibender Hort der Tradition, sondern mitten in einer Phase tiefgreifender innergesellschaftlicher Umbrüche, d ie durch das ab rupte Ende nur nicht mehr zu ihrer vollen Ausfaltung gelangen konnten, wie d ies im lateinischen Westen der Fall war.
600
Schemata vorstellen, die einander im großen und ganzen wechselseitig stUtzen, in ein zelnen Fällen aber durchaus im Widerspruch zueinander stehen können. Mit einem ge wissen Maß an Widerspruch läßt sich ohne weiteres leben, doch ist erst einmal eine kritische Schwelle überschritten, dann ergeben sich Probleme." Vgl. II Principe, Kapitel 8 und 1 8. So weit würde Kydones freilich nie gehen, und doch sind die Entsakralisierungstendenzen erste Ansätze in dieser Richtung. Ein gan zes Kapitel ( 1 9) verwendet Machiavelli darauf, daß der Fürst es vermeiden mUsse, ver achtet und gehaßt zu werden; ein weiteres ( 2 1 ) befaßt sich mit der Frage, wie ein Fürst sich verhalten sollte, um Ansehen zu erwerben. Was den Fürsten geachtet sein lasse, sei seine hohe Stellung, die Gesetze, die Verteidigungsmittel des Staates und der Freunde, eventuell noch das Wohlwollen des Volkes - kein Wort mehr von einer mit dem Amt verbundenen Sakralität. Statt göttlicher Erwählung ist das Fundament rur die Ehre des Herrschers nun seine adlige Abstammung und sein richtiges Handeln (Kapitel 1 9).
VII. ResUmee
1 57
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heiligen Öl habe ich ihn gesalbt. ... So will auch ich ihn zum Erstgeborenen machen, zum Höchsten unter den Königen der Erde." Psalm 89,2 1 .28
L.E yaQ, ß autAEü, '[0 flEV uXtl fla fn' aU'[f)v Ka8 (l:El '[f)v '[OÜ LlLOC;; KOQuq>T1V, '[f)v bE
=
L 1 1 , Z. 6-8
Tutti gli slali, lutti e ' dominii ehe hanno avulo e hanno imperio sopra gli uomini, sono stati e sono 0 republiehe 0 principati. E ' principati sono, 0 ereditarii, de ' quali el sangue dei loro signore ne sia suto lungo tempo prineipe, 0 e ' sono nuovi. ' " e aequistonsi 0 eon le armi d'altrio 0 eon le proprie, 0 perfortuna 0 per virtu. "Al l e Staaten, all e Reiche, die über die Menschen Macht harten und ha ben, waren und sind Republiken oder Fürstenherrschaften . Die Fürsten herrschaften sind entweder ererbt, sofern das Geschlecht ihres Herrschers seit langer Zeit regiert, oder sie sind neu erworben . . . . und ihr Erwerb ge schieht entweder mit fremden oder mit eigenen Waffen, durch Glück oder Tüchtigkeit." Niccolo Machiavel li, II Principe, Kapitel l
VIII. Index
l . Namen und Sachen
Aaron 65 Abihu 65 Abwahl des Herrschers 2 7 Achi l leus 69 Agapetos 22, 42, 64, 78, 129, 131
Alexander d. Gr. 68, 69 Alter Orient 1 9, 21, 23, 24, 49, 74, 9 7, 1 02
Altes Testament 18, 1 9, 26, 42, 63, 65, 67, 64-68, 71, 87, 9 7, 151 Alusianos 71, 138 Amtsgewalt 12, 42, 143 Andronikos II. Palaiologos 31 Andronikos III. Palaiologos 30, 31, 1 02 Andronikos IV. Palaiologos 31, 32, 92, 99, 1 09, 1 10, 1 13, 114, 1 15, 116 Antike, griechische 68-74, 152 Asanes 71, 77 Asklepios 72, 74, 1 00, 151 Assur 19 Athanasios, Patriarch 8 7, 101 Audienz 4 7, 62, 81 Augustinus 26 Aura des Herrschers 1 6, 21, 26, 2 7, 1 00, 101, 102, 108, 116, 120, 123, 146, 150, 1 54 Basileios I. 42, 64, 68 Bayezid I. 14, 32, 33, 46, 146
Bildung 59, 62, 78, 89, 1 18, 134, 135
Bonaventura 1 3 7 Bonifatius IX., Papst 95 Centurione Asan Zaccaria 89 Chloros 49, 105 Clemens VII., Papst 94, 95 Daniel 65, 66, 67, 118 David 26, 65, 66, 6 7, 68 Dekalog 77 Demetrios Kabasilas 1 1 4 Demetrios Palaiologos 133 Demosthenes 68, 69 Dienst an den Armen 53, 55, 65 Dike 49 Divinisierung 22, 68, 72, 74, 99, 147
Drei Jünglinge im Feuerofen 118
Ehrbegriff 12, 123, 125 Ehrenstel lung, Herrschaft als 11, 12, 13, 62, 124, 125, 126, 132, 133, 135, 140, 141, 143, 156 Enkomiastik 36, 103, 147, 153
70, 71, 123, 1 2 7, 129, 131, 136, 1 3 7, 139, 152, 154, 155, 69, 73, 100,
Entsakralisierung 98, 1 1 1 , 138, 139, 148
Erasmus von Rotterdam 69 Erwählungsgedanke 24, 26, 3 7, 45, 108, 137, 143, 154
VIII. Index
Euhemeros von Messene 23 Euthymios 94 Feindesliebe 56, 63 Francesco Gattilusio 44 Freigebigkeit 61 Friedensstifter 61 Frömmigkeit 25, 28, 3 7, 57, 63, 64, 128, 1 44, 155
Funktionalitätsdenken 1 36, 138, 155
Garcia, Mönch 138 Georgios Synadenos Astras 70, 81, 1 02
Georgios, Philosoph 1 04 Gerechtigkeit 43, 58, 78, 129, 1 30, 134, 1 44, 155 Gesalbter 26, 2 7 Giganten 71 Gottesnähe 28, 47, 5 7 Göttlichkeit 69, 87 Gregor XL, Papst 95 Gregorios Palamas 120 Großmut 59 Gui llaume Bude 69 Heiligkeitsbegriff 12, 1 7, 18, 20, 24, 87, 88, 125 Heilkraft 2 7, 72, 99 Hektor 70 Helene Palaiologina 25, 60, 62, 72, 81, 82, 91, 1 05, 126, 133 Herakles 68, 69, 93
Herrschaft, von Gott verliehen
1 7, 42-4 7, 74, 1 08, 1 24, 150
Herrschaftslegitimation 23, 39, 43, 67, 123, 132, 151, 152
Herrscher als Löwe 83 Herrscher als Priester 24, 97 Herrscher als Seele des Staates 82
Herrscher als Sonne 82 Herrscher als Vorbild 1 7, 25, 75
1 59
Herrscher als Wohltäter 60-61, 134, 137
Herrscher und Gesetz 77 Herrscher, von Gott geleitet 3637
Herrscherikonographie 74, 130 Herrscherinsignien 28, 47, 81, 101, 1 02, 154
Herrschertitulatur 89, 90, 96, 127, 154
Herrschertugenden 28, 3 7-38, 5 7-62, 127, 155
Himmelsstaat 49 Hippokrates 70, 1 00 Hiskija 65, 67 Homer 40, 69 Humanismus 1 48, 1 52 Ijob 65, 66, 67 Ioannes Chrysostomos 94 Ioannes III. Vatatzes 25 Ioannes IV . Laskaris 25 Ioannes V. Palaiologos 1 4, 25, 29, 30, 31, 32, 44, 46, 47, 48, 60, 61, 69, 70, 89, 92, 93, 98, 1 03, 1 04, 1 05, 1 09, 1 1 0, 113, 1 1 7, 1 1 8, 122, 135, 1 3 7, 138, 151
33, 40, 42, 43, 49, 50, 51, 53, 71 , 75, 80, 81, 99, 1 00, 1 01, 1 06, 1 0 7, 1 08, 1 1 4, 1 15, 1 1 6, 125, 130, 133, 145, 147, 148,
26, 29, 31, 35, 51, 52, 55, 5 � 65, 68, 69, 70, 76, 77, 82, 89, 1 03, 1 09, 1 1 7, 123, 126, 133, 151, 152, 153
36, 39, 41, 42, 58, 60, 62, 64, 71, 72, 73, 75, 1 00, 1 01, 1 02, 120, 121, 122, 1 36, 146, 147,
Ioannes VI. Kantakuzenos 1 4,
Ioannes VI. Palaiologos 31
V l J I . Index
1 60
loannes VII. Palaiologos 14, 32, 1 1 1 , 146
loasaph, Mönch 85 lsokrates 82, 131 Jesus 20, 24, 26, 45, 48, 52, 53, 54, 56, 5 7, 63, 69, 90, 120, 151 Joseph (Sohn Jakobs) 65 Joseph, Patriarch 87 Justinian 22 Kaiser und Kirche 9 7 Kaiserideologie 1 6, 26, 28, 34, 36, 48, 52, 55, 56, 59, 61, 64, 65, 67, 68, 78, 84, 91, 9 7, 129, 145, 147, 151, 155, 156 Kaiserkritik 49, 62, 78, 1 03, 1 04, 1 05, 1 1 1 , 120, 146 Kardinaltugenden 59, 60, 152 Kekaumenos 139 Klugheit 58, 131 Konstantin d . Gr. 23, 25, 39, 74, 98
KOIlstantin Porphyrogennetos 97
Konstantin VII. 140 Libanios 35 Machiavelli 1 1 , 130, 134, 139, 156
Macht, Herrschaft und I 1, 12, 22, 23, 24, 26, 2 7, 38, 43, 46, 66, 84, 1 08, 1 15, 123, 124, 130, 140, 143, 152 Machtbegriff 22, 124 Manuel 11. Palaiologos 14, 15, 26, 29, 30, 32, 33, 35, 36, 3 7, 38, 41, 45, 46, 47, 48, 51, 52, 59, 60, 61 , 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 75, 76, 7� 78, 79, 80, 82, 83, 85, 86, 89, 92, 93, 94, 101, 1 03, 104, 106, 109, 1 1 0, 1 1 1 , 1 12, 1 13,
1 14, 120, 133, 146,
115, 122, 134, 148,
116, 125, 135, 151,
1 1 7, 1 1 8, 119, 12� 130, 131, 136, 1 3 7, 138, 152 Manuel Kalekas 85, 141 Manuel Kantakuzenos 69, 73 Maria 40 Matthaios Kantakuzenos 51, 91, 129 Melchisedek 67 Menschenfreundlichkeit 58, 62, 63 Michael VIII. Palaiologos 87 Milde 58, 76 Mimesis-Gedanke 24, 45, 5152, 53, 64 Missionsauftrag 56, 128, 144, 155
Mittlerposition des Herrschers 21, 65
Moses 64, 65, 66, 67 Murad I. 32, 44, 46, 113, 120 Mysterienkult 73, 101 Nadab 65 Naramsin von Akkade 74 Nestor 69 Neues Testament 20, 24, 58, 63, 64, 69, 151
Nikephoros B lemmydes 82 N ikephoros Gregoras 40 Nikolaos Kabasilas Chamaetos 50
Nützlichkeitstopik 132, 133, 135, 1 3 7
Odysseus 68, 69 Palamedes 68, 69 Palamismus 29, 98, 120, 121, 122, 146
Papst 94, 1 13, 1 14, 148, 154 Parusie 73 Paulus 24, 56, 85
VIII. Index
Philosophenkönig 69, 70 Photios 64 Pilatus 24 P laton 56, 58, 59, 63, 68, 69, 70, 72, 88, 1 1 2
Plotin 5 6 Prochoros Kydones 98, 120 Prodikos 1 12 Prokop 1 1 0 Prokypsis 73 Proskynese 81 Raoul Metochites 122 Reinheit 20 Rhadenos 1 1 7, 1 18 Romulus 99 Sakralität des Herrschers 11, 12, 1 6, 1 7, 21, 22, 23, 27, 34, 35, 38, 39, 49, 5 7, 62, 65, 73, 80, 95, 96, 1 02, 1 1 0, 121, 124, 150, 154
Sakralkönigtum, pagane Wurzeln 1 7, 21, 74 Säkularisierung 12, 13, 130 Salbung 26, 6 7, 84, 98 Salomon 65, 67 Sanherib 67 Saudschi Tschelebi 32 Saul 26, 2 7, 67 Schwellenmodell 1 1 , 12, 13, 125, 140, 142, 152
Sieghelfer, göttlicher 38-42 Soter 41, 52, 72 Souveränität 12, 143 Stellvertretergedanke 9, 1 7, 23,
161 24, 46, 4 7, 48, 47-50, 51, 52, 53, 64, 94, 119, 123, 132, 137, 143, 150, 151 Symeon der Neue Theologe 56 Tapferkeit 58, 129 Tarchaneiotes 145 Telchinen 42 Terpandros aus Lesbos 58, 68, 69 Theodoritos, Mönch 85 Theodoros I . Palaiologos 46, 47, 80, 83, 89, 1 1 0 Theodoros Kantakuzenos 1 12 Theoktistos, Mönch 101 Theophylaktos von Ochrid 64, 70 Thomas Magister 5 7, 61, 130, 131, 132 Thomas von Aquin 29, 120 Transformationsforschung 9 Unantastbarkeit 26, 119 Unfehlbarkeit 21 Unsterblichkeit 21, 98, 99 Unverletzlichkeit 21, 2 7 Urban V . , Papst 95, 96 Urban VI., Papst 94, 95 Vernunft 58, 129, 130, 131, 134, 144, 155 Weisheit 58, 62, 70, 88, 126, 131 Zeremoniell 39, 73, 81, 1 02, 129 Zeus 43, 71, 73, 126, 151
VIII. Index
1 62 2. Hebräische, griechische
und lateinische Wörter P':t� 18 rdi,p' 18, 19
äyLO<; 18, 84, 87, 88, 89, 90, 92, 94, 101, 127, 143, 154
aYlcYrfl<; 94 ayvo<; 21 avbQEla 58 avbQla 60 a�la 46, 124, 126 a�Lwf.lcx 79, 80, 124, 126 aQE'tT] 36, 43, 58, 60, 73, 101, 107
aQXlEQEU<; 93, 95, 153 ßlKaQlo<; 94 blKctLoauvfI 59, 60 E71LaKo71o<; KOlVO<; 98 EUEQye'tfl<; 55, 60 EuaeßELct 63, 64, 128, 129 EuaEßT]<; 64, 90 8EIo<; 18, 77, 87, 88, 89, 91, 154
8Eio<; aVT]Q 88, 89 8EO<; 88 8EO<; E71lYE lO<; 139 lEQEU<; 93, 153 lEQO<; 18, 21, 92, 93, 95, 1 1 0, 146, 153
iaCX710a'toAoc; 128 KCXQ'tEQla 59 f.lCXKCXQlO'tTJ<; 94 f.lEyaAmpuxla 59, 60, 61, 62, 124
f.lwQOC; 1 1 4 OiKOVOf.lO<; 130 oQ8obo�la 121, 128, 129 ÖaLOC; 18, 92 71cxQabElYf.lcx 75 71La'tlC; 3 7, 63, 93, 128 mu'to<; 91, 143 71Qcxo'tfl<; 58 U71EQßoAT] 58 aocpla 58 auvEal<; 58 axfif.lcx 62, 71, 124, 125, 126, 127, 135
awcpQoauvfI 59, 60, 1 52 'tlf.lT] 124 cpLACXV8QW71la 58, 60 cpLAoXQla'toc; 91 CPQoVflaL<; 58, 60, 82 dignitas 124 divus 88 honestas 124 honos 124 sacer 20 sanctus 20
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Zählung der Kydonesbriefe nach der zweibändigen Ausgabe
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S.
Seite(n) bzw. siehe.
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T
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