Meiner Frau Claudia
Rüger W. Gehring
Hausgemeinde und Mission Die Bedeutung antiker Häuser und Hausgemeinschaftenvon Jesus bis Pau]us
I~ BIRIUININIEIN VERLAG GIESSEN· BASEL
Die THEOLOGISCHE VERLAGS GEMEINSCHAFT (TVG) ist eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brunnen Gießen und R. Brockhaus WuppertaJ. Sie hat das Ziel, schriftgemäße theologische Arbeiten zu veröffentlichen. Bibelwissenschaftliche Monographien (BWM), Band 9
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publiakton ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich Brunnen Verlag Giei~en www.brunnen-verlag.de Umschlag: Ralf Simon Satz: Brunnen DTP Herstellung. Hubert & Co., Gättingen ISBN 3-7655-9438-5 ©
2000
Inhalt Danksagung ...................................................................................
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1. Einführung ............................................................................... I3 A) Thema und Motivation der Untersuchung ................................ I3 B) Der Stand der Forschung .......................................................... 13 I. Vor und nach F.V. Filson (I939) ......................................... I3 2. Das gesteigerte Interesse während der 80er Jahre ................ I8 C) Konsens, Dissens und weitere Forschungsaufgaben ................. 35 I. Konsens ............................................................................... 35 2. Dissens ................................................................................ 39 a) Analogien aus dem religiösen, intellektuellen und sonstigen gesellschaftlichen Bereich .......................... 39 b) Ein Nebeneinander von Hausgemeinden und Ortsgemeinde? ......................................................... 45 D) Ziel, Rahmen und Aufbau der Untersucbung ............................ 49 11. Die vorösterliche Verwendung von Häusern ............................. 5 I A) Jesu Verwendung von Häusern ................................................. 51 I. Allgemeine Überlegungen .................................................... 5 I 2. Ein Haus in Kapernaum? ..................................................... 57 3. Jesus und das Haus des Petms ............................................. 64 a) Kapernaum und das Haus des Petms als Wohnsitz Jesu ............................................................ 64 b) Das Haus des Petrus als Versammlungsraum und Ort von Jesu Heilungs- und Lehrtätigkeit ................ 67 c) Das Haus des Petrus als Stützpunkt von Jesu Mission ..... 69 4. Galiläische Dorfmission ....................................................... 80 5. Ergebnis .............................................................................. 89 B) Die vorösterliche Verwendung von Häusern durch die Jünger Jesu ................................................................ 93 I. Die Aussendungsrede .......................................................... 93 2. Haus- und Dorfmission der Jünger Jesu ............................. I03 3. Ergebnis ............................................................................ 1I3 4· Oikoi von der Jesuszeit bis hin zur Urgemeinde ................. II4
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Hausgemeinde und Mission
III. Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde .................................................................. 128 A) Jerusalemer Häuser in der Apostelgeschichte .......................... 128 I. Apg 1,12-14.15 ................................................................. 129 a) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion ..... 129 b) Inhaltliche Analyse ....................................... " ............... 131 Exkurs: U1tEP0ov .......................................................... 131 2. Apg 12,10b-I7 ................................................................. 138 a) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion ..... 139 b) Inhaltliche Analyse ........................................................ 140 3. Apg 2,4 2-47 und 5,42 ....................................................... 146 Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion: ......... 146 4. Idealisierende Summarien? ............................... :.............. :.14 8 a) Allgemeine Charakterisierung ....................................... 149 b) Gütergemeinschaft ........................................................ 149 Exkurs: Zwei Gemeinschaftsformen in Qumran? .......... IS0 5. Zusammenfassung der historischen Aussagekraft der Belege .......................................... ;............................... 156 B) Das Leben in den Jerusalemer Hausgemeinden ....................... 157 I. Der Gottesdienst ................................................................ 157 Exkurs: Ein Nebeneinander von HGn in Jerusalem? .......... 167 2. Die Hausmission ............................................................... 174 a) Mission im gegenseitigen Gespräch ............................... 178 b) Mission durch die Lebensweise ..................................... 179 3. Leitungsstrukturen der Jerusalemer Hausgemeinden ......... 182 a) Unter der Leitung des Petrus ......................................... 182 b) Unter der Leitung des Herrenbruders Jakobus .............. 188 C) Von J erusalem nach Antiochien .............................................. 196 1. Die Mission der Jerusalemer Hellenisten ........................... 197 2. Die Mission des Petrus ...................................................... 200 3. Die Mission der Gemeinde in Antiochien .......................... 202 D) Von Jesus über die Hellenisten bis zur Mission des Paulus ..... 2I2 E) Ergebnis .................................................................................. 218 lV.Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission ... 220 A) Die Angaben über paulinische Hausgemeinden ....................... 220 1. Literarkritische und historische Analyse der Belege ........... 220
Inhalt
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a) Die Belege bei Paulus .................................................... 220 b) Die Belege bei Lukas ..................................... :............... 224 Apg I6,I4f .................................................................... 224 r) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion. 224 2) Historische Brauchbarkeit ........................................ 225 Apg 16,29-34 ............................................................... 226 I) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion. 227 2) Historische Brauchbarkeit ........................................ 228 Apg 17,1-9 ................................................................... 229 I) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion. 230 2) Historische Brauchbarkeit ........................................ 2}2 Apg 18,1-4.7f ............................................................... 235 I) Vorlukanische Tradition und lukanisch-e Redaktio ... 236 2) Historische Brauchbarkeit ........................................ 236 2. Städte mit nachweisbaren Hausgemeinden ........................ 238 a) Philippi ......................................................................... 239 b) Thessalonich ................................................................. 24 I c) Korinth ......................................................................... 243 d) Kenchreä ....................................................................... 256 e) Ephesus ......................................................................... 257 f) Rorn .............................................................................. 259 g) Kolossä ......................................................................... 269 h) Laodizea ....................................................................... 274 3. Ein Nebeneinander von Ortsgemeinde und Hausgemeinden? ........................................................ 275 a) Sprachliche und textkritische Vorfragen ....................... 275 1) ~. Km'
otKOV
eKKA1]oia ............................................ 275
2) eKKA'Y]oia ÖA.11 ............... · .. •....................................... 279
b) Ekklesiologische Aussagen des Paulus ........................... 282 I) Überörtliche Aussagen .............................................. 283 Exkurs: Leib Christi und Familie Gottes bei Paulus .. 286 2) Aussagen über die Einzelgemeinde ........................... 289 B) Das Leben in einer paulinischen Hausgemeinde ...................... 291 1. Soziale Schichtung in den pauJinischen Hausgemeinden .... 29I a) Die römische Gesellschaft ............................................. 292 b) Die paulinischen Gemeinden ......................................... 294 2. Die pa ulinischen Ha usgemeinden und der Gottesdienst ..... 299
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Hausgemeinde und Mission
a) Nebeneinander von Wortgottesdienst und Mahlfeier? .. 299 b) Die Mahlfeier in den korinthischen Hausgemeinden ..... 302 c) Der \Vortgottesdienst in den paulinischen Hausgemeinden '" ......................................................... 309 3. Das Haus in der paulinischen Mission ............................... 311 a) Zentrums- und Mitarbeitermission ............................... 3 I I b) "Hausrnission" ............................................................. 315 I) Gastfreundschaft, Briefe und Reisen ......................... 3 T 6 2) Gewinnung von Hausvorständen .............................. 320 3) Die missionarische Ausstrahlung von Hausgemeinden ................................................. 324 4· Leitungsstrukturen und Organisationsformen ................... 329 a) Der sozio-historische Ansatz ......................................... 329 b) Belege für Leitungsstrukturen in den paulinischen Hausgemeinden ............................................................ 339 r) Thessalonich ............................................................. 340 2) Kolossä ..................................................................... 345 3) Korinth ............................................................ :........ 347 4) Philippi ..................................................................... 35 2 Exkurs: Die Leitungsaufgaben der Frau in den pauJinischen Hausgemeinden ............................. 359 C) Ergebnis .................................................................................. 38o V. Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen in den paulinischen Antilegomena ..................................................... 385 A) Die Haustafel des Kolosserbriefes ........................................... 385 I. Einleitungsfragen ............................................................... 385 2. Die "Haustafel" als oiKo~-Ordnung: Kol 3,18-4,1. ........... 386 a) Vorgeschichte ............................................................... 386 b) Die Haustafelethik als Rückschritt? .............................. 394 3. Auslegung: Kol 3,18-4,r ................................................... 4°0 a) Strukturanalyse ............................................................. 400 b) Einzelexegese ................................................................ 400 1) Eheleute (3,18-19) .................................................... 4°0 2) Kinder und Väter (3,20-21) ...................................... 407 3) Sklaven und Herren (3,22-4,1) ................................. 410 B) Die "Haustafel" des Epheserbriefes ........................................ 413
Inhalt
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Einleitungsfragen .............................................................. 4 I 3 Die Haustafe! als Gemeindeordnung? Eph 5,21-6,9 .... ·· .... 414 a) Strukturanalyse ............................................................. 414 b) Einzelexegese ................................................................ 415 I) Eheleute (5,21-33) .................................................... 416 2) Sklaven und Herren (6,5-9) .................................. · .. · 419 3. Die Entwicklung der Haustafe!ethik aus dem christlichen Oikos .............................................................. 421 4. Hausgemeinde, Ortsgemeinde und Gemeindeordnung in Kai und Eph .................................................................. 433 C) Christliche Oikos-, Gemeinde- und Leitungsstrukturen in den Pastoralbriefen ............................................................. 437 1. Oikosordnung als Gemeindeordnung ................................ 438 Exkurs: Christliche Bürgerlichkeit in den Pastoralbriefen? .447 2. Leitungsstrukturen ............................................................ 452 Exkurs: Hausgemeinden im 2. und 3. Johannesbrief ........ 468 I.
2.
VI.Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedeutung der Hausgemeinden ................................................................ 478 A) Rückblick: Funktion und Bedeutung im Neuen Testament (von ]esus bis Paulus) ................................. 478 1. Das Haus als Bau (architektonisch) ................................... 478 2. Das Haus als Gemeinschaft (sozio-ökonomisch) ................ 48 I 3. Das Haus als Gemeinde (ekklesiologisch) .......................... 486 B) Ausblick: Die ekklesiale und missionarische Bedeutung des Hausgemeinde-Modells für die Gegenwart ...................... 493 Anhang - Grundrisse und Zeichnungen ....................................... 508 Abkürzungen ............................................................................... 5 16 Literaturverzeichnis ..................................................................... 517 Quellen ........................................................................................ 517 r. Altes Testament und jüdisch-hellenistische Literatur ......... 517 2. Christliche Quellen ............................................................ 5 I 8 3. Griechisch-römische Profan-Schriftsteller und Sam'melausgaben ........................................................ 5 I 8 Hilfsmittel .............................................................................. 519 Kommentare ........................................................................... 521 Sekundärliteratur .................................................................... 527
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Danksagung
Die vorliegende Untersuchung wurde im Dezember 1998 von der evangelisch-theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen unter dem Titel "Hausgemeinde und Mission. Von Jesus bis Paulus" als Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde angenommen. Für die veröffentlichte, überarbeitete Fassung konnte ich begrenzt die seither erschienene Literatur berücksichtigen. Der Abschluß einer Dissertation ist immer Anlaß z'u vielfältigem Dank. Als erstes danke ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Peter Stuhlmacher; für seine sachlich fördernde und anregende Begleitung der Arbeit. Er stand wirklich wie ein Vater stets in selbstloser Weise nicht nur mit seinem Rat und seiner Ermutigung, sondern auch mit tatkräftiger Unterstützung zur Verfügung. Herrn Professor Rainer Riesner (Dortmund) danke ich für die vielen wichtigen Ratschläge sowie für die Übernahme der Aufgabe des Zweitgutachters. Eine besondere Freude und eine wichtige Anregung für meine Arbeit war es, im Wintersemester 1993/94 in Tübingen ein Hauptseminar zum Thema "Hausgemeinde in nt!. und altkirchlicher Zeit" gemeinsam mit Dr. Riesner leiten zu dürfen. Professor Hans-Josef Klauck (München), Dr. Werner Neuer (Gomaringen), Dr. Wiard Popkes (Harn burg) und Dr. Bruce W. Winter (Tyndale House, Cambridge) möchte ich ebenfalls für ihre sachkundigen, wertvollen Hinweise danken. Mein Dank gilt ferner den stud. theol. Uli Adt, Detlef Garbers, Kerstin Graap, Volker Krüger, Martin Spindler und Robert Wiens für ihre Hilfe bei der Beschaffung von Literatur und beim sprachlichen KorrekturIesen des Manuskriptes. Stud. theo!. Heinrich Ottinger war mir eine große und fachkundige Hilfe bei der Computer-Arbeit. Der Verein zur Förderung missionarischer Dienste e.V. Stuttgart, der Arbeitskreis für evangelikale Theologie, gute Bekannte aus der Freien ev. Gemeinde GieiSen (Hans-Joachim Dernbecher, Fritz Hain, Dr. Magdalene Häfner, Helmut Jablonski, Andrea Katz) und meine eigene Dienstgemeinschaft Campus für Christus gaben großzügige Druckkostenzuschüsse. Der größte Dank aber gebührt meiner Frau Claudia für ihre große Opferbereitschaft und ihr geduldiges Mittragen während der ganzen
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Hausgemeinde und Mission
Doktorandenzeit. Ohne sie wäre das Projekt in mehrfacher Hinsicht nicht möglich gewesen; aus tiefer Dankbarkeit widme ich ihr diese Arbeit.
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1. Einführung
A) Thema und Motivation der Untersuchung Nahezu alle Erforscher des Neuen Testamentes stimmen heute an einem Punkt überein: die frühen Christen haben sich überwiegend in den Häusern einzelner Mitglieder versammelt. Fast dreihundert Jahre lang - bis in das 4. Jh. hinein, als Konstantin anfing, die ersten christlichen Basiliken zu errichten - sind die Christen in Privathäusem zusammengekommen und nicht in irgendwelchen anderen Gebäuden, die ursprünglich und allein für den Gottesdienst gebaut wurden. So einfach uns diese Tatsache erscheinen mag, um so überraschender ist die Beobachtung, daß dem Thema der neutestamentlichen Hausgemeinde (= HG) lange Zeit kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten hat man in der neütestamentlichen Forschung angefangen, intensiv über die architektonischen Bedingungen der frühchristlichen Zusammenkünfte und über die damit verbundenen sozialen und theologischen Implikationen nachzudenken.
B) Der Stand der Forschung I. Vor und nach F. V. FilsOl1 (I939) Die Erkenntnis, daß die frühen Christen sich in Privathäusern getroffen haben, ist nicht neu. Schon 1694 postulierte C. Vitringa, daß der Urgemeinde die Haussynagoge als Vorbild gedient habe'. 1832 bezog sich N.C. Kist auf Vitringa, um seine Annahme zu stützen, die frühen Christen hätten sich in den Häusern ihrer wohlhabenden Mitglieder getroffen, die ebenfalls in der Gemeinde führend waren 2 • F.C. Baur (1835)3 und H. Weingarten (1881)4 argumentierten ähnlich. Um die
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De synagoga vetere libri tres, 'r72.6, Lib.I Pars I 145ff.257f, Lib.I Pars JII 42.9ff. Über den Ursprung der bischöflichen Gewalt, ZHTh 2. (I8~2.), 47-90, hier 54ff. Für ihn sind die HGn aber keine Gemeinden im Vollsinn (vgL ebd., 56). Für unsere Bestimmung einer Gemeinde im Val/sinn s. S. 47. Pastoralbriefe, 1835, 83 f. Baur redet von "kleinen christlichen Vereinen" bzw. "kleinen christlichen Gemeinden", aber nicht explizit von HGn. Umwandlung, r881, 444-448. Weingarten redet hier auch nicht von HGn, son·
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Hattsgemeinde und Mission
Jh.wende machten W. Sanday und A.C. Headlam auf HGn in Rom aufmerksam5 • J.P. Kirsch 6 stellte lediglich fest, daß die Christen ursprünglich in Häusern zusammengekommen sind, ohne irgendwelche Schlüsse hinsichtlich ihrer eigentlichen Bedeutung zu ziehen. Auch A. Hauck 7 beobachtete dies und folgerte, daß die Größe der Innenräume dieser antiken Häuser die Zahl der Gemeindeglieder auf "nur ein paar Dutzende" beschränkt hätte, wenn sie nicht auf den Vorhof bzw. das Atrium ausgewichen wären. 1906 besprach F. Wieland in seiner Untersuchung der Entwicklung des christlichen Altars kurz die möglichen Orte der apostolischen Liturgie und kam zu dem Schluß, daß sich die christliche Liturgie schon in den späten Wirkungsjahren der Apostel in die Privathäuser zurückgezogen hat. Interessant ist v.a. sein wegweisender Hinweis auf ein Nebeneinander von Hausgemeinden schon in Jerusalem und auch in Korinth und RomS. In seiner zwei bändigen Arbeit Das Christentum in den ersten drei Jahrhunderten behandelte H. Achelis 1912 das Thema in einem einzigen Absatz 9 • Aufgrund der Größe der bei Ausgrabungen ans Licht getretenen Triclinien berechnete er die Durchschnittszahl der Glieder einer HG auf etwa 40, ausnahmsweise 60 und mehr. Er konstatierte, daß frühchristliche Gottesdienste in Privathäusern wohlhabender Christen stattfanden, wobei er die Einheit der Kirche am Ort durch eine Mehrzahl von solchen Gruppen gefährdet sah, die die notwendige Folge des Wachstums der Gemeinde einerseits und der beschränkten GrölSe des Tricliniums antiker Häuser andererseits war. 1917 ging J. Weiß in seinem Werk Das Urchristentum ebenso kurz auf das Thema HG ein lO • Um diese Zeit schrieb Adolf von Harnack seinen monumentalen Versuch einer sozio-historischen Betrachtung der Geschichte des frühen Christentums ll . Harnack fragte tiefer als alle anderen vor ihm und erkannte, daß die HGn einen Faktor für das Wachstum, die
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dem von der Organisation der frühchristlichen Gemeinde nach einem ,.Familienband" bzw. einer "Familiengruppirung" [Schreibweise = H.W.]. The Episde to the Romans, 1895, 420f. Cultusgebäude, 1897, 6ff. Ihn inreressiert eher die Frage nach öffentlichen Kirchengebäuden in den ersten 3 Jh. Art. Kirchenbau, RE, Bd.10, 1901, 774ff. Mensa und Confessio, 1906, 29-33. '1925, Neudruck 1975, 96f. Vgl. Weig, Urchristentum, 19 1 7,4 86. Mission und Ausbreitung I.U, '1924.
Einführung
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Vielfalt und den Triumph der frühchristlichen Bewegung darstellten 12 , allerdings ohne zu konkretisieren, in welcher Weise die HG für die Verbreitung des christlichen Glaubens wirksam gewesen ist. Danach ist lange Zeit relativ wenig getan worden, um Harnacks Beobachtungen weiter voranzutreiben 13 • Erst nach der Entdeckung der Hauskirche in Dura Europos14 veröffentlichte F.V. Filson 1939 einen Aufsatz, in dem er nachzuweisen versuchte, daß man das Urchristentum besser verstehen könne, " ... if more attention were paid to the actual physical conditions under which the first Christians met and lived. In particular, the importance and function of the hause church should be carefully considered"15. Wenn man nach der Bedeutung der räumlichen Bedingungen der frühchristlichen Zusammenkünfte fragt, weisen eine ganze Anzahl der Forscher (teilweise unabhängig voneinander) auf den Aufsatz von F.V. Filson als richtungsweisend hin 16 • Deshalb scheint es angebracht, seine Fragestellung kurz zusammenzufassen, um festzustellen, wie sich die neutestamentliche Erforschung der HG seit I939 entwickelt hat. In seinem Aufsatz listet Filson fünf Bereiche auf, in denen eine Untersuchung der HG unser Verständnis der frühchristlichen Kirche vertiefen und erweitern würde!7: 1. Die HG ermöglichte den Anhängern Jesu schon VOll Beginn der apostolischen Zeit an das Feiern spezifisch christlicher Gottesdienste.
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Mission, 1, 457; II, Zusatz über den Kirchenbau, 611-6 I 8. Dort versucht er ebenfalls die Entwicklung der eher schlichten Zusammenkünfte der ersten HGn mir sozialen und theologischen Faktoren, die bei der Entstehung des christlichen Kirchenbaus wirksam waren, in Verbindung zu bringen. Vgl. auch H. Leclercq, Art.: Eglises, DACL IV, 191.I, 2279ff v.a. 2287 für die Erwähnung von HGn. S. Grundrisse zu Dura Europos - Anh. S. 508ff. Significance, JBL 58, (I939), 1°5-112.1°5. Vgl. z.B. L.M. White, Domus, 1982, 45; H.]. Klauck, Hausgemeinde (=HG), 198r, 12; W. Meeks, Urchristentum, I993, 113; H.O. Maier, Social Setting, 1991, 5; G. Theif~en, Studien, 1989, 228, Anm. I; J.H. Hainz, Ekklesia, 1972, 203; ].H. Elliotr, Horne, 1981, 169f; M. Crosby, House, 1988, 32; D.C. Verner, Household, 1983, g; B.B. Blue, Public, 1989, 2; W. Vogler, Bedeutung, 1982, 786, Anm. 2; indirekt: E. Dassmann, Bischofsamt, JbAC Erg Bd. II, 1984, 8297, passim; F. Laub, Sozialgeschichtlicher Hintergrund, MThZ 37, 1986, 26I; G. fürder, BHH 1I, 661, macht nur eine Lit.angabe, und zwar von Filson. Significance, I09-Il2 (folgende Hervorhebung " RG).
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Hausgemeinde und Mission
2. Die entscheidende Rolle der HGn bietet auch eine partielle Erklärung für die häufige Erwähnung des Familienlebens in den neutestamentlichen Schriften. 3. Die Existenz mehrerer HGn in einer Stadt kann ein Grund für die Tendenz zu Gruppenstreitigkeiten unter den frühen Christen gewesen sein. 4. Eine Untersuchung der Lebenssituation der HGn würde auch den sozialen Status der ersten Christen beleuchten. 5. Die Entfaltung kirchlicher Leitung kann ohne den Bezug zur HG nicht verstanden werden. Die Gastgeberfunktion des Hauseigentümers begünstigte dessen Hervortreten als das einflußreichste und prominenteste Glied der Gemeinde. Die HG war, so gesehen, der "Übungsplatz" für christliche Führungskräfte, die - nach dem Verlust der "apostolischen" Leitung - die Kirche leiten sollten. Trotz dieser Aufforderung Filsans an die Forschung, sich intensiver mit den frühchristlichen HGn auseinanderzusetzen, ist wieder lange Zeit wenig geschehen. Noch 1954 konnte O. Michel in seinem ThWNT-Artikel über OlKO<:; dies bemängeln und betonen, dag eine eingehende Untersuchung der Bedeutung des antiken Oikos für den Aufbau der christlichen Gemeinden eine vordringliche Aufgabe sei 18 . Das Thema HG ist erst von den 60er Jahren an intensiv aufgegriffen worden 19 • 1960 und 1961 veröffentlichte E.A. Judge eine kurze Monographie 20 und zwei Aufsätze 21 • Der Althistoriker wurde damit wie mit darauffolgenden Schriften - wegweisend bei der sozialen
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ThWNT V, 133, Anm. 42. In der Zwischenzeit ist wieder nur eine sporadische Behandlung der Thematik zu konstatieren. I945 notierte G. Dix, Shape of Liturgy, 1978, 16ff.63, daß die Eucharistiefeier in Privathäusern vollzogen wurde und daß sie deswegen bis zur konstantinischen Wende durch ein familiäres, korporatives, exklusives und speziell christliches Verständnis charakterisiert war. A.M. Farrer, Ministry, 1946, ('1947), I47f vertrat den Standpunkt, daß die gastfreundlichen Patrone der frühchristlichen Zeit auch Bischöfe der Gemeinde waren. I949 untersuchte]. \Vagner die Bedeutung des Hauses im Zusammenhang der Entwicklung der Eucharistie (seine Arbeit wurde leider erst 1993 veröffentlicht: Altchristliche Eucharistiefeiern im kleinen Kreis, 25-102.). Anscheinend kannten weder Dix, Farrer noch Wagner den Aufsatz von FUson. The Social Patterns of Christian Groups in the First Century, 1960; später auf deutsch erschienen: Christliche Gruppen, 1964 (wir zitieren meist die englische Fassung, da die Übersetzung nicht immer den Kern trifft). Earl)' Christians as a Scholastic Community, Parts LU: JRH 1, (1960), 4-15 und JRH 3, (19 61 ), I25-IJ7· Vgl. auch seinen späteren Übersichtsaufsatz: The social identity of the first Christians, JRH I I (1980),201-217.
Einführung
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Erforschung des Neuen Testamentes 22 • Anscheinend unabhängig von Filson23 weist auch er auf die Bedeutung des Hauses für die ersten Christen hin. Anstatt die räumliche Bedeutung des Hauses zu betonen, unterstreicht Judge dessen soziologische Wichtigkeit; v.a. zeigt er, wie die antike "Institution" der Familie die Verbreitung des Christentums begünstigte24 • Außerdem stellte Judge die durch Adolf Deißmann in seinem Werk "Licht vom Osten" verfochtene 25 und allgemein anerkannte Annahme in Frage, dafS die ersten Christen überwiegend aus den sozial niedrigsten Schichten stammten und von deren Interessen dominiert wurden. Judge hielt den Vertretern dieser Annahme entgegen: "Far from being a socially depressed group, then, if the Corinthians are at all typical, the Christi ans were dominated by a socially pretentious section of the population of big cities. Beyond that they seem to have drawn on a broad constituency, probably representing the household dependents of leading members. ,,26 Einige Jahre später schrieb Willy Rordorf einen Aufsatz über die christlichen Gottesdiensträume der vorkonstantinischen Zeit27 • Rordorf stellte fest: "Wohl kann man im allgemeinen sagen: die ersten drei Jahrhunderte sind die Zeit der Hauskirchen. ,,28 Die Christen hätten sich bis zum 4. Jh. für ihre Gottesdienste überwiegend nicht in eigens dazu errichteten Kirchengebäuden getroffen, sondern Räume in schon bestehenden Häusern dafür benutzt29 • Vgl. z.B. G. SchöIlgen, Probleme der frühchristlichen Sozialgeschichte, JbAC Erg Bd. 32 (1989), 23, Anm. 5. "E.A. Judge ... hat für die Beschäftigung mit der ntJ. Sozialgeschichte in der Nachkriegszeit Initiativ funktion gehabt." 23 Er erwähnt Filson in den Anmerkungen dieser drei Schriften an keiner Stelle. 24 Social Patterns, I960, 35-39. 25 Licht vom Osten, '1923, XI5. Deißmann führt v.a. die beiden Stellen Mt I1,25 und rKor 1,26-3 I als Belege für seine These an, die Urchristenheit sei eine von den unteren Schichten getragene Bewegung. 26 Social Patterns, 60. "Christianity was a movement sponsored by local patrons to their social dependents." Scholastic Community 11, JRH T (196o), 8. 27 Was wissen wir über die christlichen Gottesdiensträume der vorkonstantinischen Zeit?, ZNW 55, (1964), r 10-128. Auch Rordorf erwähnt Filson nicht. Für eine Behandlung der Hausgemeinden und Titularkirchen in Rom vgl. Joan M. Petersen, House-Churches in Rome, VigChr 23 (I969), 264-272. 13 AaO.,III. 29 Sicherlich ist es allgemein zutreffend, von den ersten Jh. als "Zeit der Hauskirche" zu reden; trotzdem wird man aber wohl vorn Ende des 2. Jh. an damit rechnen müssen, daß "auch eigentliche Kirchengebäude existierten, die von einzelnen Lokalgemeinden erbaut wurden" (Rordorf, Gottesdiensträume, Irr). 22
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Hausgemeinde und Mission
Die 70er Jahre brachten ein Aufleben der sozio-historischen Erforschung des Neuen Testamentes, das bis heute andauert 3o • G. Theißen, einer der wichtigsten neutestamentlichen Sozialforscher der 70er Jahre, versuchte (von Judge inspiriert und ihm folgend 3l ) in den paulinischen Gemeinden Christen mit höherem Status zu identifizieren. Eines seiner wichtigsten Kriterien dafür war der Besitz von Häusern, in denen sich die ersten Christen versammelten 32 • Einer der Hauptbeiträge Theißens im Bereich der sozio-historischen Erforschung des Neuen Testaments liegt darin, die Bedeutung von Status und sozialer Schichtung in den paulinischen Hausgemeinden aufgezeigt zu haben. 2.
Das gesteigerte Interesse während der 80er Jahre
Das Jahr I980 scheint in Bezug auf Veröffentlichungen zum Thema HG eine Wende darzustellen. I977 schrieb A.]. Malherbe in seinem Buch "Social Aspects of Early Christianity": bis zu diesem Zeitpunkt gelte "no major work has been devoted to the New Testament house church"33. Unabhängig voneinander erschienen dann Anfang der 80er Vg!. aus dieser Zeit zu unserem Thema die unveröffentlichte Arbeit von S.R. Williams, The Household in the Early Church, with Comparative Selective Reference to the Pagan Culture of the Roman World, Oxford 1978. 31 Studien, Zur forschungsgeschichtlichen Einordnung, 10, Anrn. 25 und Studien, Soziale Schichtung, 231. Eigendich gibt er ludge und Deißmann recht: die Oberschicht sei in den paulinischen Gemeinden tonangebend und steht einer großen Zahl von Christen aus den unteren Schichten gegenüber. 32 Theißen, Soziale Schichtung, in: Studien, 23 5. 33 Social Aspects, 1977,61. Er erwähnt aber, daß man in einigen kleineren Untersuchungen begann, der HG etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei listet er einige Arbeiten auf, die wir z.T. schon oben besprochen haben. Auf den S. 60-91 faßt er die Forschung bis zu dem Zeitpunkt zusammen und setzt sich dann v.a. mit Theißen kritisch auseinander. Auch Klauck, HG, 12 stellt noch I981 fest, daß fachexegetische Beiträge vor dem Erscheinen sf'ines Buches "relativ dünn gestreut" vorhanden waren und nennt die folgenden: F.V. Filsoll, Sigllificallce, 1939, r05-112; R. Banks, Community, 1980 (Klauck z.d.Z. aber noch nicht erhältlich); P. Sruhlmacher, Phlm, 198 I, "einen wertvollen Exkurs" 70-75; Einzelbeobachtungen bei F. Wieland, Mensa, 1906, 27-25.66-76; F.W. Maier, Paulus, 1961, 27-29; E.A. ludge, Gruppen (eng!.: Patterns), 29-38,]. Hainz, Ekklesia, 1972, 195.199-203.34 5-348; A. Malherbe, 50cial Aspecrs, 1977,60-91; A. Schreiber, Gemeinde, 1977, 130-134; G. TheiBen, Studien, 1979, 231- 2.71; B. Grimm, Untersuchungen, 1975, 194-2II; die Artikel Haus/oIKoC; in ThWNT V, TBLNT 2/r und BHH 2; N. Proveneher, Theologie de la famille, 1981, 9-34; J.K. Coyle, Empire and Eschaton, 1981, 35-94; und einige 30
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Jahre fünf exegetisch-sozial geschichtliche bzw. exegetisch-literarische Arbeiten zum Thema "Familie", "Haus" und "Hausgemeinde" im Urchristentum. Und bis zur zweiten Auflage von Malherbes Buch I983 war die wohl bis heute noch wichtigste Studie zum Thema HG im angelsächsischen Raum von seinem Schüler L.M. White abgeschlossen worden (s. u.). Seit Anfang der 80er Jahre scheint weltweit die Zeit reif für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Hausgemeinde, und seitdem ist relativ viel über die HG veröffentlicht worden34 . Den Ertrag dieser sechs Untersuchungen wollen wir im folgenden zusammenfassen. a) D.v. Allmen: La {amille de Dieu. La symbolique {amiliale dans le paulinisme (I98I)35 ist eine rein literarisch und theologisch ausgerichtete Untersuchung zur familiären Bildersprache des Paulus: Es geht dem Verfasser v.a. darum zu zeigen, daß Paulus die Familie nicht als Leitbild seiner Ekklesiologie ansieht, und daß man von einer "Familie Gottes" bei Paulus nur in einer sehr begrenzten lind abgeleiteten Weise sprechen kann. H.]. Klauck kritisiert ihn dafür, daß "eine Aufgabe nicht geleistet worden ist, nämlich zu zeigen, wie die familiäre Metaphorik des Paulus zusammenhängt mit dem realen Gemeindeleben, das wesentlich auf die Familie als Aufbauelement, als Rückhalt und als Lebensraum angewiesen war"36. Die in ihren Grenzen anerkennenswerte Studie hätte durch eine sozio-historische Betrachtungsweise verbessert werden können. Daher ist anzumerken, dafS ganz unabhängig von v. AHmen das Ergebnis seiner Arbeit in der
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pastoral ausgerichte Beiträge. Klaucks Liste ist wohl nicht vollständig gemeint: einige weitere Beiträge führt er noch in seinem Literaturverzeichnis auf (z.S. W. Rordorf,Gottesdiensre, 1964 und J. Petersen, House Churches, 1969). Nur ein Jahr danach erschien offenbar unabhängig von Klauck ein wichtiger Aufsatz mit zutreffenden Einzel beobachtungen von W. Vogler, Die Bedeutung der urchristlichen Hausgemeinden für die Ausbreitung des Evangeliums, ThLZ 107 (1982.), 785-794 (Vogler kennt wohl nur die Beiträge von Filson und Stuhlmacher). Wenn es ab den 70er Jahren in der theologischen Forschung dieses Wiederaufleben gab, lag das wohl auch in dem seit der Studentenrevolte der 60er Jahre gewachsenen Interesse an den Sozialwissenschaften begründet. Vgl. R. Riesner, Soziologie des Urchristentums, ThBeitr 17 (1986), 213-2.2.2., hier 2.14. Es ist allerdings bei manchen dieser Exegeten eine gewisse Aversion gegen "bloge Theologie" zu konstatieren, was leider zu einem Ersatz von Theologie durch Soziologie führen kann (vgl. Diskussion des Problems bei W.A. Meeks, Urchristentum, I2.ff). aBO 4 1 , Fribourg/Göttingen. BZ NF 2.6 (r982.), 292.
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Tat durch eine sozio-histOl'ische Untersuchung von LA. Lewis in Frage gestellt wurde, der zu dem Ergebnis kommt, daß "the language of famiJy determines the nature of several Pauline churches"37. b) R. Banks: Pau/'s Idea of Communit)'. The Earl)' Hause Churches in their Historical Setting (1980)38. Hier entwirft Banks ein Bild des gesamten Gemeindelebens im pauJinischen Bereich. Die im Untertitel angedeutete Behandlung des sozio-historischen Kontextes der paulinischen HGn bleibt weitgehend aus. Abgesehen von einigen verstreuten Aussagen wird die HG im strengen Sinn zusammenhängend nur in Kap. 3 (5. 26-36) sowie die Gemeinde als "Familie" in Kap. 5 (5. 4757) besprochen, dann aber mit überwiegend zutreffenden exegetischen Beobachtungen zur Thematik. Für unsere Studie sind v.a. seine Beobachtungen zum Haus des Gaius als Versammlungsort der korinthischen Ortsgemeinde neben der Zusammenkunft in kleineren Gruppen (5. 32) und zur gemeindlichen Situation in Rom mit einem Nebeneinander von mehreren HGn (5. 32f) wichtig. Die Analogien zur urchristlichen HG aus der jüdischen und der hellenistisch. römischen Umwelt werden von Banks nur knapp behandel2 9• c) ].H. Elliott: A Home for the Homeless. A Soci%gical Exegesis of I Peter, lts Situation and Strateg)', (1981). Elliott untersucht anhand des Gegensatzes von oiKOC; und rcUPOLK(U den gesamtsoziologischen Kontext der Gemeinde des IPetr 40 • Da der IPetr aus dem Rahmen unserer Studie fällt (s. u.), ist für uns in erster Linie nur das 4. Kapitel wichtig, in dem EIliott auf die Bedeutung und Funktion des Oikos in der römisch-hellenistischen und atl.lntl. Umwelt eingeht. V.a. wird die fundamentale Bedeutung bekehrter Hausgemeinschaften als Stützpunkt für die Missionare, als Versammlungsort, als Kristallisationspunkt für neue Amtsstrukturen und als Zentrum der sozialen Integration herausgearbeitet41 •
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'As a Beloved Brother'. The Funetion of Family Language in the Letters of Paul, Ph.D. Diss., Yale 198 5, Zitat: Seite ii. I. Auflage: Exeter. Wir zitieren aus der neu esten Auflage: Peabody I994. Ebd., 43-46. Für eine überzeugende Kritik des Gesamtansatzes von Elliott vgI. .M. Chin, A heavenly Home for the Homeless, TynB 42.1 (1991), 96-II2. Ebd., 188: "Households thus eonstitmed the foeus, loeus and nucleus of the ministry and mission oE the Christian movcment." Dies errinnert natürlich an
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d) D.C. Verner, The Household of God: The Social World of the Pastoral Epistles (I98 I )42 versucht, die soziale Situation und Strategie der Pastoralbriefe von einer sozialgeschichtlichen Perspektive zu beleuchten43 • In der Metapher vom OtKO<; Bwu liegt nach seiner These ein in sich zusammenhängender ekldesiologischer Entwurf des Verfassers der Past vor, wobei der Schlüssel für die Perspektive des Autors die Aussage in ITim 3,15 bildet (" ... du sollst wissen, wie man sich im Hause Gottes verhalten soll ... "). Diese Konzeption der Kirche als "household of God" enthält für Verner zwei Aspekte: r) das Haus bzw. die Familie gilt als die grundlegende Einheit der Gemeinde und 2) die Gemeinde wird als soziale Struktur nach dem Modell des Ha ushaltes vorgestell t44 • Auf der Basis einer nützlichen Skizze der charakteristischen Sozialstruktur und schichtspezifischen Werte des antiken Oikos (Kap. 2) fragt Verner, wie die Haustafeltradition (Kap. 3) und ein Modell der christlichen Gemeinschaft als "Haushalt Gottes" (Kap. 4) vom Verfasser der Pastoralbriefe ideologisch eingesetzt werden, um die Probleme hinsichtlich Struktur, Status und innerer Spannimg in den Gemeinden präziser zu bestimmen und zu benennen. V.a. die jüngeren Frauen wurden durch eine asketische Lehre (ITim 2,I5; 4,3; 5,I3f) dazu ermutigt, sich von den traditionellen Rollen der Ehe und der Mutterschaft zu emanzipieren 45 . Darin sei ein Konflikt der Werte im Bereich von Status und Freiheit innerhalb der christlichen Gemeinschaft zu erkennen. Um diesen inneren Streit schlichten zu können und den Ruf der Gemeinde nach außen zu schützen, werde diese Lehre vom Verfasser der Past denunziert. Er setze die Haustafeltradition und die "Haus Gottes"-Metaphorik ein, um patriarchalische Werte einzuprägen. Damit sollen die Interessen und die Autorität der wohlhabenden männlichen Gemeindeleiter befestigt und die herrschende Hierarchie gerechtfertigt werden. Für Verner sind also die
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Filson und auch Klauck (s. u.), der unabhängig von Elliort zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Ph.D·. Dissertation, Emory University. Als Buch ist seine Dissertation T.983 in SBL Diss. Series 71 erschienen. Die Arbeit ist auch durch eine formgeschichtliche Fragestellung im Rahmen der Haustafeltradition charakterisiert (s. S. 386 unseren Forschungsüberblick zu den Haustafeln). Vgl. D.C. Verner, Houshold, rf.I27. Zu einem ähnlichen Ergebnis komlUt H. v. Lips, Glaube - Gemeinde - Amt, 1979, 106-49. S. 43 8 für weitere Auseinandersetzung mit v. Lips und Verner. Vgl. Verner, Houshold, 177 ff.
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Probleme der Past primär im Bereich der Geschlechterdifferenz anzusiedeln. Zum Verdienst Verners gehört es, daß er den Oikonomik-Ansatz für die Auslegung der Past vorgeschlagen hat. Abgesehen davon, ob Verner mit seiner exegetisch-sozialgeschichtlichen Gesamtthese überzeugen kann, verdienen folgende .iV10mente Aufmerksamkeit: seine Beschreibung des Haushalts in der römisch-hellenistischen Umwelt46 sowie sein Versuch, die Ekklesiologie der Past vom "Haus Gottes" her zu verstehen. e) H.]. Klauck: Hausgemeinde und Hauskirche im frühen Christentum (r98r). Diese Arbeit gilt bis heute im deutschsprachigen Raum als das wichtigste wissenschaftliche Werk zum Thema HG47 • Das Buch untersucht die Geschichte urchristlicher HGn von den Anfängen bis in das 4- Jh. hinein und bietet einen Überblick über religionsgeschichtliche Analogien in der Umwelt des Urchristentums. Klauck faßt den Ertrag seiner Untersuchung wie folgt zusammen: "Die Hausgemeinde war Gründungszentrum und Baustein der Ortsgemeinde, Stützpunkt der Mission, Versammlungsstätte für das Herrenmahl, Raum des Gebets, Ort der katechetischen Unterweisung, Ernstfall der christlichen Brüderlichkeit. Die Kirche des Anfangs hat sich ,hausweise' konstituiert. ,,48 Im ersten Kapitel führt Klauck eine semantische Analyse des Begriffspaares otKoc;/oilda unter Heranziehung einer Reihe klassischer Texte, Inschriften und Papyri, sowie von LXX und NT durch und kommt zu folgendem Ergebnis: Die bei den griechischen Wörter für
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Dies gilt, auch wenn eine gewisse Nllancierllng hinsichtlich des Bildes der jüdischen Familie vonnöten wäre (Kritik bei J.D. Quinn, CBQ 47 [I985J,I78f). Die seit dem Erscheinen seiner Arbeit fortgesetzte Erforschung des Familienlebens in der römisch-hellenistischen Welt wird auch seine Darstellung ergänzen können. Für eine Kritik der Gesamtthese Verners vgl. R.J. Karris, JBL 104 (19 85), 553ff und U. Wagener, Ordnung, 1994,38-43. Die Bedeutung der Arbeit wird auch von der angelsächsischen Forschung hoch veranschlagt. Vgl. z.B. H.O. Maier, Social Setting 1991, 5: "Hans-Josef Klauck, in what is becoming the authoritative work on the house church in the New Testament,provides a fruitful account of the impact of the household on the earlier church ... " HG, 1981 , 102. Den feststehenden paulinischen Ausdruck ~ K01;' OiKOV CKKAYJO(U hatte er übersetzt: "die sich hausweise konstituierende Kirche" wohl in Anlehnung an P. Stllhlmacher, Philemon, 1981, 71. So auch schon W. Rordurf, Gottesdienste, 117,
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Haus, otleOe; und 01.K1.U, haben eine doppelte Bedeutung, die sich durch das ganze klassische Griechisch bis in die Umgangssprache hinein verfolgen läßt49 • Sie meinen r) Haus im Sinne von Wohnstätte, bewohntem Gebäude, und 2) Haus im Sinne von Familie, Großfamilie, Sippe, wobei otKoe; eher für Haus im architektonischen und OiK(U eher für Haus im soziologisch familiären Sinne verwendet wird. Der Begriff Oikos ist auf jeden Fall weiter zu fassen als unsere beiden Begriffe Haus und Familie für sich genommen. Von der soziologischen Bedeutung her schließt Oikos nicht nur Vater, Mutter und Kind ein, sondern auch Sklaven, Klientel und Eigentum. Das Haus ist damit zwar auch Ausgangspunkt der Familienbildung, aber nicht identisch mit der Familie nach modernem Verständnis. Vom architektonischen Ansatz her ist die räumliche Natur des Oikos im Blick. Hinsichtlich des christlichen Sprachgebrauchs wurde eine Angleichung der Bedeutung der bei den Wörter insbesondere durch die Septuaginta vorbereitet. Die Septuaginta verwendet für n)J. sowohl otKoe; (viel häufiger) als auch oilcCu, ohne zwischen ihnen deutlich zu unterscheiden50 ; Dieses Resultat ist für uns u.a. deswegen wichtig, weil im NT dieser Sprachgebrauch der Septuaginta fortgesetzt wird. Je nachdem, ob man bei der Übersetzung von otKoC;/oiKiu bei Wohnhaus oder bei Familie ansetzt, was sprachlich beides möglich ist, ergibt sich eine andere Bedeutungsnuance, ohne daß die bei den Aspekte sich unbedingt a usschlief~en müssen S!. Klauck kommt zum Ergebnis, daß im NT nur aus dem Zusammenhang ~u erschließen ist, was die beiden Begriffe jeweils bedeuten und wen oder was ein olKoc; bzw. eine OiKLU umfaßt.
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Zum folgenden H.]. Klauck, HG, 15-20. Ein klassisches Beispiel ist Jos 24,15 (zit. bei Klauck, a.a.O., 17): Kodex A olKo<;, Kodex B aber oiKta; vgl. Hatch-Redpath, A Concordance to the Septuagint, 1954, 969f·973-982; P. Weigandt, Zur sog. Oikosformel, Nov Test 6 (r963), 5063· Es fälit z.B. auf: 1. Obwohl olKo<; Ir 2. mal und oiKta 94 mal im NT vorkommen, begegnet nur otKo; 4 mal in Verbindung mir i:KK)"'la(a (Röm 16,5; 1Kor 16,19; Phlm 2; Kol 4,15), oiKta aber nie. 2. In rKor kommen die beiden Wörter an sechs Stellen vor: OiKta in lKor II,22; 16,15 und olKo<; in rKor 1,16; II,34; 14,35; 16, [9. Paulus wechselt z.B. von oiKta in rKor 1I,22 zu olKo<; in IT,34- In lKor 16,15 benutzt er OiKta, aber OlKO<; in 1,16 und 16,19 (Die meisten Exegeten sehen dies als einen Hinweis dafür, dag Pallills die beiden Begriffe synonym verwendet. So z.B. Theißen, Studien, 2.48). 3. In Phil 4,22 steht oiKta<; und nicht OlKOU (vgl. auch Joh 4,53).
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Obwohl die Analyse von Klauck eine solide Wiedergabe der gegenwärtigen lexikalischen Standpunkte darstellt52 , wird sein Ergebnis hinsichtlich des klassischen Griechisch von einigen Forschern in Frage gestellt, was eventuell auch Konsequenzen für die neutestamentliche Verwendung hätte. Erstens fällt auf, daß manche Forscher vom umgekehrten Sprachgebrauch ausgehen. Für J.H. Elliott z.B. ist oiKta buchstäblich "house" oder "building" und OiKOC; bedeutet sogar im NT auch noch "groups of persons". "The distinction was, however .. , not rigid"SJ. Aufgrund dieser Unklarheit ist L.M. White der Meinung, daß "on the terminology of ,hause' and ,household' new lexicographical work needs to be done"54. Eine Untersuchung dieser Frage würde den Rahmen unserer Studie sprengen. Wegen des gegenwärtigen Standes der Forschung muß diese Frage offen gelassen werden 5s • Für unsere Arbeit soll es also zunächst bei dem Ergeb-
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Vgl. z.B. 0. lYlichel, ThWNT V, Art. oIKo~, I22-I36; Bauer-Aland', Sp. I I30f. I 13 sff. J.H. EIliot, Horne, 188 und Anm. IIO-II2.252, Anm. 112. Vgl. auch l\i1.H. Crosby, House, 33 und die Auseinandersetzung zwischen Jeremias und Aland zur sogenannten "Oikosformel" im Neuen Testament. An dieser Auseinandersetzung haben sich auch P. Weigandt, G. Delling, A. Strobel und L. Schenke beteiligt. Hier wird auch ein Dissens bzgl. des Verständnisses des Wortpaares deutlich. Vgl. ]. Jeremias, Die Kindertaufe in den ersten vier Jahrhunderten, I958; ders., Nochmals: Die Anfänge der Kindertaufe, TEH NF TOT (1962), 9-27; K. Aland, Die Säuglingstaufe im Neuen Testament und in der Alten Kirche, TEH NF 86 (I96r), 60-67; P. Weigandt, Zur sogenannten "Oikosformel", NT 6 (1963), 49-74; G. Delling, Zur Taufe von "Häusern" im Urchristentum, NT 7 (I964), 285-3II; A. Strobel, Der Begriff des Hauses im griechischen und römischen Privatrecht, ZNW 56 (I965), 91-100; L. Schenke, Zur sogenannten "Oikosformel" im Neuen Testament, Kairos 13 (I97I), 226-243' Domus, 5 68, Anm. 195. Das vorläufige Ergebnis seiner Studie der dokumentarischen Evidenz ist: oiKla = "domestic edifice" und olKo~ "may be used for almost any kind of building, including a domestic house". In einer Rezension zum Buch von Klauck weist er in einer Bemerkung zu Klaucks Behandlung des semantischen Feldes von oiKoqoiK(a darauf hin: "The standard assumptions of MoultonMilligan, which Klauck tends to foJlow, need to be reexamined" (JBL 103 [1984], 2.88). Vgl. dazu E.A. Judge, Social Identity, JRH II,2 (I980), 2I6: "I-Iundreds of new inscriptions may be published in a year, while the volume of documentary papyri published has probably increasecl fivefold since the work of Deissmann and of Moulton and Milligan was done early this century, with the rate of new publications currenrly at a higher level than ever before." Vgl. auch die neueren Ergebnisse von E. Dassmann/G. $chöJJgen, RAC I3, Art. Haus 1I, 1986, 801-905 v.a. 802f.806. Hier wird z.B. darauf hingewiesen, daß die Mehrzahl der Einwohner des Römischen Reiches im Haushalt der eigenen
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nis von Klauck bleiben: Wir werden die Bedeutung des Begriffspa.ares vom jeweiligen Kontext her entscheiden müssen. Im zweiten und längsten Kapitel bespricht Klauck die Bedeutung der Hausgemeinde im NT. Seine Arbeit ist weitgehend sozialgeschichtlich deskriptiv. Zugleich zeichnet sie eine gesunde Zurückhaltung hinsichtlich soziologischer Erklärungsversuche aus (s. u.). Auch hier zeigt er sein exegetisch-historisches Können, wenn er die entscheidenden Fragen zu jedem Text bespricht und teilweise neue Lösungen bietet. Zu den wichtigsten Ergebnissen in diesem Teil gehören 1. der Nachweis eines Nebeneinanders von Vollversammlung (Röm r6,23; rKor r4,23) und mehreren HGn für Korinth und 2. der Aufweis der Wahrscheinlichkeit einer Vielfalt von HGn für Rom (Röm 16). Allerdings ist Klauck auf die Frage nach einer möglichen vorösterlichen Verwendung von Häusern durch Jesus und seine Jünger sowie die Frage nach einem eventuellen Nebeneinander von HGn in der Jerusalemer Urgemeinde nicht eingegangen. Einerseits scheint sich ein Konsens hinsichtlich der Frage eines Nebeneinanders von mehreren HGn v.a. für die paulinischen Missionsgemeinden anzubahnen56 • Auf der anderen Seite wurde ein solches Nebeneinander gerade in jüngster Zeit von einigen Forschern grundsätzlich bestritten57 • Klauck demonstriert auch, wie man den historischen Kontext von neutestamentlichen Texten besser verstehen kann, wenn man die hausgemeindliche Situation der Gemeinde bedenkt. Er stellt z.B. die Vermutung an, daß das Nebeneinander von Orts- und Hausgemeinde mit ihren dominierenden Einzelpersönlichkeiten sich leicht zu konkurrie-
Kleinfamilie gelebt hat. Für die möglichen Implikationen für unsere Studie und unsere Stellungnahme s. S. 334f. S6 Vgl. z.B. E. Käsemann, Röm, 395; J. Haiuz, Ekklesia, 1972, I95, Anm. 4-346; A. Schreiber, Gemeinde in Karinth, 1977, r32, Anm. 55; G. Theißen, Studien, 250f.; J. Gnilka, Phlm, T982, 17-33; P.T. O'Brien, Col 1982,257; ].D.G. Dunu, Rom lU, 1988, Bd. 11, 910f.; P. Stuhlmacher, Röm, 1989, 225; W. Meeks, Urchristentum, 159f; V. ßranick, Hause Church, 22-27; P. Lampe, Stadtröm. Christen, r61.301-310; A. Weiser, Evangelisierung des Hauses, 1990, 74f; R. Banks, Community, 1994,31-36. 57 M. Gielen, Zur Interpretation der paulinischen Formel r, KaT' olKOV CKKATjofa, ZNW 77 (1986),1°9-125, lIoH. Ihr folgend G. SchölIgen, Hausgemeinden, JAC JI (19 88),78; ihm folgend U. Wagener, Ordnung, 36ff.
Hausgemeinde lind Mission
renden Gruppierungen auswachsen konnte und damit die Parteibildung in Korinth verständlich machr5 8 • Die beiden letzten Kapitel über das vorkonstantinische Christentum und die religionsgeschichtlichen Analogien zur HG sind eher referierender Natur, bieten aber einen guten Überblick über den damaligen Stand der Forschung. Das 3. Kapitel soll zeigen, daß die ganze Entwicklung in späteren Jh. auf den Grundelementen der HG bzgl. Form und Theologie aufgebaut hat. Die Überschau der religionsgeschichtlichen Analogien (4. Kap.) bietet eine ganze Anzahl von archäologischen und dokumentarischen Beispielen und formuliert zum Schluß die These, die jüdische Haussynagoge sei wohl die einzige Analogie, die als direktes Vorbild der HG in Frage kommt. f) Bei der Frage nach den religionsgeschichtlichen Analogien der HGn setzt L.M. White den Forschungsprozeß fort 59 • Er hat sich I982 in seiner Dissertation 60 der gewaltigen Aufgabe des Sammelns und der Katalogisierung der gesamten archäologischen, literarischen und dokumentarischen Daten und Quellen für die christlichen Zusam~ 5~ Vgl. z.B. S.39. So auch schon AcheIis (s.o.). Hier und auch anderswo ist der Einfluß von Filson natürlich zu sehen, was Klauck auch mit einem Zitat von ihm dokumentiert. 59 Domus Ecclesiae - Domus Dei: Adaptation and Development in the Setting for the Early Christian Assembly, Unpublished Ph.D. Dissertation, Yale University, T982 (= Domus). Diese ausführliche Studie (fast 700 Seiten) schließt eine Sammlung, Katalogisierung und Auswertung der wichtigsten literarischen, archäologischen und dokumentarischen Quellen für die christlichen lind eine repräsentative Auswahl für die mithräischen und jüdischen Zusammenkünfte (die Sammlung allein beanspruchr mehr als 300 Seiten - vgl. Domus, 58-378) ein. Hier sind z.B. Grundrisse mit Beschreibung und Besprechung von Dura, Lullingsrone, dem Petrushaus usw., den 6 Diaspora Synagogen (s. S. 29, Anm. 73) und den Mithräea abgebilder. Die ganze Arbeit ist inzwischen überarbeiter, erweitert und unter dem Titel: The Social Origins of Christian Architecture (HThS 42) in zwei Bänden erschienen: Bd. I, Building God's House in the Roman World: Architectural Adaptation among Pagans, Jews, and Christians, 1996 (= God's House); Bd. II, Texts and Monuments for the Chrisrian Domus Ecclesiae and Its Environmenr, 1997 (= Texts). 60 Dennis E. Smith schreibt über God's House in seiner Rezension, Second Century 8 (1991), 255: "When used wirh rhe coilection of data in the companion volume [Texts =RG], it should emerge as the most important analysis of the development of early Christian architecture since Krautheimer. " Die Arbeit von White wird von P.c. Finney, Early Christian Architeeture, HThR 81 (I988), 3I9-339 kritisiert. Diese Kritik konnte White aber in der erweiterten und überarbeiteten Veröffentlichung I996/1997 aufnehmen.
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menkünfte in den ersten drei Jh. unterzogen. In seiner Studie untersucht White alle diese Daten und Quellen, wobei ihn primär die Frage nach der architektonischen Entwicklung der Rahmenbedingungen für die Schaffung von Versammlungsräumen interessiert, und zwar unter Berücksichtigung ihrer religiösen und sozialen Umgebung (d.h. im Oikos) von der paulinischen HG bis hin zur konstantinischen Basilika. Ausgangspunkt für Whites Studie ist die Feststellung, dafS wir zwei Meilensteine hinsichtlich der architektonischen Entwicklung der Umgebung für die christliche Zusammenkunft erkennen können: r) die Beobachtung, dafS Mitte des I. Jh. die ersten paulinischen Christen in kleinen Gruppen in Privathäusern einiger Mitglieder zusammenkamen; 2) im Gegensatz zu dieser "primitiven" Phase steht 250 Jahre später (ab dem 4. Jh. v.a. nach der konstantinischen Wende) eine normative basilikale Architektur 61 • In einem Forschungsbericht62 zeigt White zunächst, daß sich die alte Annahme einer genetischen Evolution von römischen Häusern bis zur christlichen Basilika als unhaltbar erwiesen hat63 • Neuere Studien haben erwiesen, daß das Baumodell der Basilika 64 von Konstantin in den Jahren nach der Religionsfreiheit relativ abrupt in die christliche Architektur eingeführt worden ist65 • Der Schlüssel zur Entwicklung der christlichen Architektur bis hin zur Basilika ist nicht irgendein normativer Haustypus der vorkonstantinischen Hauskirche, sondern der Prozeß der architektonischen Adaptation (Adaptierung, Umbau, Neugestaltung, Renovierung) und seiner begleitenden Sozialfaktoren, die z.B. mit dem Kauf und der Renovierung eines Hauses verbunden waren 66 • Mit anderen Worten, es ist
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Vgl. Texts, 9f; God's House, 3 ff. Hier (Domus, 45f; God's House, 141) macht White auch deutlich, daß seine Arbeit als Antwort auf die Aufforderung von F.V. Filson zu verstehen ist, daß man den "actual physical conditions under which the first Christians met and lived" mehr Aufmerksamkeit widmen soll. Domus, II- t 7; God's House, 1I-1 7. Dieses 'Modell" was based on the standard forms of monument:ll public architecture at Rome. Derived from civil halls, imperial palaces, or classical hypostyle ar· chitecrul'e, it was self-consciously adapted to the social position of the Christian Church under imperial patronage" (God's House, 18). Domus, 18-25; God's House, 17 ff. Die Hauptquellen für diesen Prozeß finden wir in literarischen, archäologischen und dokumentarischen Quellen der frühchristlichen Zeit. Im Teil I seiner Disserration (im Bd. II: Texts) hat White diese Quellen - Texte mit Übersetzung, Grundrissen usw. - von weit und breit zusammengetragen. Hierin liegt einer sei-
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nicht ein allgemeiner architektonischer Plan, der für die Veränderungen des Versammlungsrahmens in den ersten 3 ]h. als Leitlinie gedient hat, sondern es waren die sozialen und religiösen Bedürfnisse der Gruppe in Verbindung mit den baulichen Bedingungen der verschiedenen antiken Häuser. Whites These eines abrupten Übergangs zur Basilika ist nicht revolutionär, sondern reiht sich in die Tradition von KrautheimerlWard-Perkins ein67 • Ohne Krautheimer und Ward-Perkins ausdrücklich zu nennen, stellt allerdings P. Maser die These des abrupten architektonischen Übergangs von der Hauskirche zur Basilika mit der konstantinischen Wende in Frage 68 • f'ür Maser könnte die christliche Architektur von der basilikalen Raumgestaltung herstammen, wie sie schon aus frühester Zeit (vgl. z.B. Jak 2,2f) für den Bau der Synagoge erkennbar wird 69 • Anscheinend unabhängig von Ivlaser stellt auch P. Richardson die These eines abrupten Übergangs in Frage. Er glaubt, "that there was a transitional period in the third century during which the example of ]ewish synagogues was a critical factor. ,,70
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ner wissenschaftlichen Beiträge, Auch wenn dem Spezialist diese Texte nichr unbekannt waren, kann Whites Arbeit sowohl dem Spezialisten als auch dem Anfänger als Nachschlagewerk dienen, in dem die ganzen Quellen für jeden bequem zu finden sind. R. Krautheimer, The Beginning of Christian Architecture, RR 3 (1939), 144-I59; ders., Early Christian and Byzantine Architectllre, Baltimore/Harmondsworth 1965; J.B. Ward-Perkins, Constantine and the Origins of the Christian Basilica, PB SR 22 (I954), 69-90. Die meisten Forscher vertreten diese Sicht. Vgl. z.B. G.F. Snyder, Ante Pacem: Archaeological Evidence of Chllrch Life before Constantine, 19 8 5,67. Synagoge und Ekklesia, Erwägungen zur Frühgeschichte des Kirchenbaus, 1993, 27I-292 (vgl. auch Kairos 32/32 [r990191], 9-26), Anscheinend kennt White diese Arbeit nicht, denn der Aufsatz von Maser steht bei White, Texts, 1997 nicht im Literaturverzeichnis und wird auch nicht an den betreffenden Stellen besprochen. Architectural Transitions from Synagogues and House Churches to purpose-built Churches, in: FS G.F. Snyder, 1998,373-389. Die Entdeckung eines Gebäudes in Akaba (Südjordanien), das möglicherweise den ältesten bekannten christlichen Sakralbau darstellt (ca. 29°-3°5 n.Chr.), könnte als "rectangular transitional basilical ehurch" die Sicht von Maser und Richardson unterstützen. Vgl. S.T. Parker, Brief Notice on a Possible Early 4th C. Church at 'Aqaba, Jordan, JRA 12 (1999),372-376; D. Keys, Das Wunder von Akaba, Die Welt, 5.2.1999, 13; B. \Veintraub, Unearthing a Pioneer Chureh, National Geographie. Millennium Suppt 195,2, Feh. 1999, am Anfang der Zeirschrift (Seite ohne Zahl); Oldest
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Die ersten Christen waren nicht die einzige religiöse Gemeinschaft in der römisch-hellenistischen Welt, die private Häuser für gottesdienstliche Zwecke renoviert und umgebaut hat. White weist u.a. auf das bekannte Beispiel Dura Europos71 hin, wo man nicht nur die älteste Hauskirche, sondern auch eine Synagoge und ein Mithraeum gefunden hat n . Alle drei sind umgebaute Privathäuser gewesen. Im 2. Teil seiner Dissertation geht White ausführlich auf den römischen Mithraskult und das Judentum in der Diaspora 73 ein. Zum Schluß dieser Untersuchung stellt er fest: "A common thread for the diffusion of Jewish groups in the Diaspora, as with other foreign religious associations, was to move into private quarters which over time were gradually adapted more to the peculiar needs of religious use in accordance wirh social circumstances of the community. ,,74 White fügt auf diese Weise die architektonische Geschichte der frühen Kirche in den größeren sozialen Zusammenhang ein und konstatiert, daß die Christen der ersten drei Ih. ein ähnliches Muster der architektonischen Entwicklung aufwiesen wie andere religiöse Bewegungen der damaligen Zeit. Auch die Christen antworteten auf spezifische soziale und liturgische Bedürfnisse ihrer Gruppe niit einem auf diese Bedürfnisse zugeschnittenen Umbau von Häusern.
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Church Found. WeH, Maybe, BArR 24,6 (I998), 22, keine Angabe des Verfassers. Schöne Grundrisse und Besprechung bei L..M. White, Texts, 123-134. Texts, 10-22. Die 6 wichtigsten Synagogenausgrabungen (Dura, Sardis, Priene, Delos, Stobi, Ostia) werden in Domus, Kap. 4,248-326; Kap. 5,437-474 (God's House, 26ra1; Texts, Sectioll III, 272-397) mit Grundrissen detailliert beschrieben und unter dokumentarischen, literarischen, archäologischen und sozialen Gesichtspunkten besprochen. Interessant für unsere Studie ist, daß White nach einer eingehenden Untersuchung dieser Synagogen zum Schlug kommen kann: "It is significant, then, that all of the synagogues from the Diaspora were renovated from existing buildings, and five of the six were houses or private insulae of some sort" (Texts, 29). God's Hause, 101; vgl. auch Domus, 469-474. Interessant ist auch seine These zur Erklärung der Beobachtung, daß viele religiöse Gruppen, unter ihnen auch die Christen, Privathäuser zu gottesdienstlichen Zwecken verwendet haben. Das lag nicht daran, wie allgemein angenommen wird, dag bei diesen Gruppen ein Mangel an Reichtum, auch nicht eine Unfähigkeit der Gruppe, wohlhabende Leute ZLI rekrutieren, zu konstatieren ist. White betont, daß dies vielmehr mit dem Wachstum LInd der Verbreitung neuer oder fremder religiöser Gruppen sowie mit ihrem sozialen Status am Ort zusammenhing. Je akzeptierter die religiöse Gruppe war, um so leichter war es, Patrone zu finden: je sozial anerkannter der Patron, um so öffentlicher und größer die Synagoge, das Mithraeum, die Hauskirche.
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Wie schon erwähnt, baut White auf den Forschungsergebnissen von R. Krautheimer auf. Krautheimer hatte die Hypothese von Ward-Perkins 75 aufgegriffen und sah sie in seiner Untersuchung bestätigt: Die erste formelle christliche Architektur für die altchristlichen Versammlungen gab es seit Konstantin. Sie wurde ca. 314 n.Chr. relativ abrupt mit der Lateran Basilika eingeführt76 • Auf Grund seiner Untersuchungen schlägt Krautheimer eine grobe Periodisierung der architektonischen Entwicklung des Hauses in der neutestamentlichen Zeit bis hin zur Basilika am Anfang des 4. Jh. (50314 n.Chr.) in drei Phasen vor 77 • 1. In der ersten Phase (ca. 50-IS0 n.Chr.) trafen sich die Christen zum Gottesdienst in den privaten Häusern wohlhabender Mitglieder (nach lukanischem Muster der Apg) - in ,Hausgemeinden' also 78 • Solche Zusammenkünfte hätten ein gemeinsames Mahl eingeschlossen und wären von daher in den Wohnzimmern dieser Häuser zu lokalisieren. 11. Während der zweiten Phase (ca. IS0-250 n.Chr.) wurden Wohnhäuser umgebaut und teilweise oder ausschließlich von Christen (überwiegend als Eigentum der Gemeinde) für ihre gottesdienstlichen Zwecke verwender7 9 • Wegen der radikalen Veränderungen der sozialen Position und der personellen Zusammensetzung des Christentums hätten sich neue Bedürfnisse 80 entwickelt und auf die archi-
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Origins, 19 64, 80. R. Krautheimer, Early Architecture, 15-17; vgl. dcrs., et al., Corpus Basilicarum Christianarum Romae, z. St., für eine beeindruckende Sammlung (bis jetzt 5 Bde) der archäologischen Evidenz für christliche Architektur. In diesem opus magmim führt Krautheimer eine gründliche archäologische Analyse der römischen Kirchen durch, mit besonderem Interesse an den Befunden, von denen vorkonstantinische Substrata behauptet werden. Early Architecture, 1-15. Ebd., rH. Early Architecture, 3-12. Krautheimer, Early Architecture, 6, nennt drei allgemeine Bereiche der Veränderung und Vergrögerung: I. Die Entwicklung einer festen Liturgie; v.a. die Trennung des Sättigungsmahles, das um einen Tisch im Wohnzimmer begangen wurde, von der Herrenmahlfeier, die dann eher im Saal stattfand, wirkte sich auf die Raumgestaltung aus. 2. Eine Entwicklung der Organisation und Verwaltung der liturgischen Versammlung. Eine Formalisierung der Sitzordnung (Trennung des Klerus von den Laien) und die Einführung gewisser Möbelstücke (Kanzel, Katheder usw.) machen eine Vergrößerung des Versammlungsraumes notwendig. 3. Der Ausbau bestimmter Bereiche im Gebäude für andere Funktionen, z.B. für Taufe und Unterricht.
Einführung
tektonischen Rahmenbedingungen der Versammlungsräume ausgewirkt. Solche speziellen Bedürfnisse konnten nicht mehr durch ein unverändertes Privathaus erfüllt werden. Kraurheimer nennt diese Art von Gebäuden domus ecclesiae 81 (vgl. Dura Europos, tituli Byzantis und Clementis 82 ). Die domus ecclesiae sei also nicht die einzige, aber die dominierende architektonische Form dieser Phasc~3. III. In der dritten Phase 84 (ca. 250-313 n.Chr.) setzt sich zwar die domus-ecclesiae- Tradition fort, aber der Übergang zu immer größeren (privaten und öffentlichen) Bauten und Hallen zeichnet sich ab. Das Paradebeispiel für diese Phase ist der titulus S. Crisogono85 • L.M. White übernimmt für seine weitere Untersuchung die dreistufige Gliederung der Entwicklung von der Hausgemeinde bis zur Basilika von R. Krautheimer, allerdings nur als hemistisches Modell. Außerdem revidiert White einiges und interessiert sich besonders für die Übergangsstufen. Dabei macht er dreierlei Fortschritte: 1. Er differenziert die Phasen der Entwicklung präziser und bietet eine genauere Definition der Terminologie an. Die Hausgemeinde der ersten Phase wird definiert als ein privates Wohnhaus, welches architektonisch unverändert bleibt und von einer örtlichen christlichen Gemeinschaft zu gottesdienstlichen Zwecken verwendet WUIde s6 • "By definition, these hause churches would not have had any distinguishing features since there was no architectural adaptation. For the most part they were hauses which remained in domestic use while also serving as the place of Christian assembly. ,,87 Dagegen ist die domus ecclesiae der zweiten Phase ein Privathaus (überwiegend als Eigentum der Gemeinde), das von Christen teilweise oder ausschließlich für spezielle soziale und religiöse Zwecke umgebaut worden ist. White macht ebenfalls auf eine Zwischenphase der Ent81 82
Dies ist die Terminologie des 3. Jh. dafür gewesen ist. Grundrisse und Besprechung der tituli Byzantis und Clementis bei White, Texts, 2.09-218.2 I9-2.28.
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In einigen der ärmeren Gemeinden wurden Versammlungen immer noch im Rahmen eines privaten Wohnhauses abgehalten. A.a.O., 12.-15. Grundrisse und Besprechung des titulus S. Crisogono bei White, Texts, 233-24°. Solche größeren Gebäude werden von Krautheimer und Whiteallerdings von der Architektur der konstantinischen Basiliken unterschieden, da sie weder hinsichtlich der Form noch der monumentalen Größe "basilikal" waren (vgl. White, God's Hause, 20, Anm. 37). Domus, 27.479-4 86; GoJ's House, 21. Domus, 483; vgl. auch God's House, 21; Texts, 1.5.
Hausgemeinde und Mission
wicklung innerhalb der zweiten Phase aufmerksam, und zwar die partielle Adaptation eines Hauses, d.h. ein Haus, das nur teilweise für christliche Zwecke renoviert wurde, während der unveränderte Teil des Hauses weiterhin für private Zwecke verwendet wurde (vgl. Lullingstone, tituli Clementis und Byzantis)s8. Für die dritte Phase schlägt White sodann aula ecclesiae S9 als Bezeichnung für die größere, etwas formalere Halle vor, die den Übergang zwischen domus ecclesiae und Basilika kennzeichnet. "Though probably nothing Iike the scale of monumental basilicas, it [aula ecclesiae =RG] had progressed quite beyond the domestic triclinium as a setting for assembly. ,,90 Architektonisch bezeichnend ist für die aula ecclesiae die Tendenz, die rechteckige Form der Halle zu standardisieren91 • 2. White unterstreicht, daß die Entwicklung nicht in allen Gebieten und zu allen Zeiten gleichmäßig gewesen ist92 und begründet damit die Notwendigkeit einer lokalgeschichtlichen Vorgehensweise. Der Gesamtertrag der archäologischen, literarischen und dokumentarischen Untersuchungen zeigt ein differenziertes Bild 93 • Während z.B. in späteren Phasen bestimmte Gruppen sich in öffentlichen Hallen getroffen haben, kamen Christen anderswo immer noch in privaten Wohnhäusern oder im domus ecclesiae zusammen. Diese Koexistenz der Bauarten gilt auch für die Zeit der monumentalen Basiliken nach der konstantinischen Wende 94 • White revidiert die Dreiergliederung von Krautheimer nach den oben genannten Einsichten und bindet sich nicht so fest an die chronologische Einteilung (Phase I, 50-150 '" usw.). Er untermauert bzw. relativiert sie mit zusätzlichen archäologischen Beispielen und mit literarischer und dokumen tarischer Evidenz 95 • .
Domus, 35f.486ff; vgl. God's House, 20-25. White schlägt allerdings keine besondere Bezeichnung für diese Art von Hauskirche vor. R9 Domus, 29f. Fn.53.sro; vgJ. God's House, 22, Anm. 49. Diese Bezeichnung ist nach einem Vorschlag von A.v. Harnack, nämlich 'Saalkirche', gebildet worden (Mission lInd Ausbreitung, H, (15)' 90 Domus, 507; vgJ. auch God's House, 22f. 91 Domus, 518; vgl. God's House, 22. 92 Dies hat Krautheimer in der Sache auch schon gesehen (Early Architecture, 15), White betont es stärker und bietet eine zusätzliche Anzahl von überzeugenden Beispielen dafür an (DOlllUS, 32; God's House, 24f). 93 " ... the body of data is annoyingly diverse and does not readily admit architectural systematization." Domus, 36; vgJ. God's House, 24. 94 White, Domus, 28.3 rf; God's Hause, 23f. 95 Domus, 479-486; God's House, 20--2 5. 88
Einführung
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3. Wenn White die Sozialgeschichte hinter der Entwicklung der religiösen Architektur beleuchtet, achtet er speziell auf das Phänomen des Patronatssystems und unterstreicht damit eine Erkenntnis, zu der schon vor ihm E.A. Judge gekommen war (s. S. I6, Anm. 20). White betont: "Access to property through patronage and donation was perhaps the sine qua non for the architectural development from house church to domus ecclesiae. ,,96 "The ability to attract such individuals [patrons = RG] in greater numbers was probably a significant factar in the social 'triumph' of Christianity. These individuals provided the network of social relationships and economic capabilities that made possible growth, expansion, acquisition, and adaptation. ,,97 g) Die nächste größere Arbeit zum Thema HG ist B.B. Blues Dissertation aus dem Jahre I98998. Mit L.M. White will er die Aufforderung von Filson aufnehmen und die "physical conditions under which the early believers gathered" und die damit verbundenen sozialen Faktoren init ihren theologischen Implikationenuntersuchen. Anhand der Apg versucht Blue (Kap. 3, S. 72-93) den Nachweis seiner wichtigsten These zu liefern, daß Lukas zwischen public und prIvate in der folgenden Weise differenziert: In Apg 5,42 (vgl. auch Apg 3,IIf-48; 17,17.22; I9,9) unterscheidet Lukas zwischen öffentlicher Missionspredigt und häuslichem Gemeindeleben 99 . Die Missionspredigt findet in der Öffentlichkeit des Tempels, der Halle Salomons, des Marktplatzes, des Areopags oder der Lehrhalle des Tyrannos statt. Dagegen spielt sich das Gemeindeleben (Mahl, Lehre, Gebet) im Privaten der einzelnen Häuser ab. Blue faßt zusammen: "If we have rightly understood the Lukan presentation of early Christianity, both in Palestine and the Graeca-Roman world on the whole, the Gospel was first proclaimed in the publicly acceptable places. Subsequently, those who had responded were drawn into house gatherings. Luke never even suggests that du ring these private meetings of believers the Gospel message was preached for the purpose of c011verting the hem'ers. On the cantrary, for Luke, these private hause meetings were 96
Gad's Hause, 14 6.
97 Domus, 61 5; God's House, 57. 10 1.144-1 47. 98 In Public and Private: The Role of the House Church in Early Christianity, unpublished Ph.D., University of Aberdeen, 1989.
99 Vgl. H.]. Klauck, HG, 47f und vor ihm schon Rordorf, Gottesdiensträume,
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die es allerdings nicht zum schematischen Programm für die ganze Apg erheben.
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Hausgemeinde und Mission
for the benefit of the Christian community alone. "JOO Nach BIue gibt es zwei Ausnahmen zu diesem programmatischen Muster bei Lukas: Apg 10,lff und 28,16ff. Er versucht dafür eine Erklärung 10 I, die aber nicht überzeugen kann. Es ist außerdem insgesamt zu fragen, ob Blue der Nachweis für seine Gesamtthese gelungen ist. Sehr wichtig für unsere Studie ist sein später erschienener Aufsatz über die HGn in der Apgl02, v.a. wegen seiner Behandlung der wichtigsten Belege der Apg und seiner guten Darstellung antiker Häuser. Allerdings werden die Belege von ihm nicht einzeln auf ihren historischen Wert hin untersucht. Seit dem Erscheinen von Klauclcs Buch sind neben den bei den größeren Werken von White und Blue eine ganze Reihe von Beiträgen und Arbeiten erschienen, die das Thema HG direkt oder indirekt behandeln. Auf diese Monographien 103, Aufsätze l04 und KommentarelOS wird an jeweils geeigneter Stelle eingegangen. 100 Public, 84. Gegen Blue, S.K. Stowers, Social Stams, Public Speaking and Private 101
102 J03
Teaching, NT 26 (1984), 59-82, v.a. 30.60.82 und R.F Hock, Paul's Tenrmaking and his Problem of Social Class, JBL 97 (1978), 555-564. Vgl. Blue, Public, 87. Zu Apg 28,16ff betont Blue z.B. "the public charakter of Paul's open door policy". Dennoch wird von der Privarwohnung des Paulus aus evangelisiert (vgi. auch 1Kor 14,23ff). Zu Apg IO,Iff: " ... despite the house setting for the forum, the meeting is public." Aber auch hier bleibt es dabei: Das Privathaus wird missionarisch eingesetzt. Nichts in der Geschichte deutet an, dag nur ein öffentlicher Teil des Hauses für das Treffen verwendet wurde (daß Teile des Hauses tatsächlich eher öffentliche Verwendung fandf'll, werden wir noch sehen - s. u. Kap. 2, 3 u. 4). Blue, B.B., Acts and the House Church, 1994, 119-222. Interessant ist, daß "Blue hier seine These mit der schematischen Unterscheidung zwischen publie und privat nicht mehr vertritt. Vgl. W.A Meeks, Urban Christians, 1983, deutsch: Urchristentum, 1993; für eine Kritik an Meeks vgl. G. Schöllgen, Was wissen wir über die Sozialstruktur der paulinischen Gemeinden?, NTS 34 (1988), 71-82; P. Lampe, Die stadtrömischen Christen, 1987, bes. 124-153.156-r64.301-345; für eine Kritik an Lampe vgl. G. Schöllgen, Probleme der frühchrisrlichen Sozialgeschichte, ]bAC J2 (I989), 2340; M.B. Crosby, House of Disciples: Church, Economics, and Justice in Matthew, 1988, v.a. 21-36; V. Branick, The House Church in Writings of Paul, 1989, eine Synthese von Banks und Klauck; J. Murphy-O'Connor, St. Paul's Corinth, 1990; Marlis Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Hausrafelethik, 1990; R.M. Kidd, Wealrh and Beneficence in the Pastoral Epistles, 1990; H.O. Maier, The Social Setting of the Ministry in the Writings of Hermas, Clement and Ignatius, 1991; R. Reck, Kommunikation und Gemeindeaufbau, 1991. v.a. 235ff; H.]. Klauck, Gemeinde zwischen Haus und Stadt, 1992, II-36.95-II3; W. Pöhlmann, Der Verlorene Sohn, r993; R.A. Campbell, The Eiden. Seniority within Earliest Christianity, 1994; K.O. Sandnes, A Npw F~milv TOL1", Ir W~opn .. r nil' Y Hir«'hfpld Th .. P"lp
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C) Konsens, Dissens und weitere Forsch ungsa ufgaben I.
Konsens
Die Einsicht, daß der antike üikos grundlegende Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft hatte, setzt sich immer mehr durch. lOG
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Y. Hirschfeld, The Palestinian Dwelling in the Roman-ßyzantine Period, 1995; T. Schmeller, Hierarchie und Egalität, 1995; D.L. Matson, Houshold Conversion Naratives in Acts, 1996; C. Osiek/ D.L. Balch, Families in the New Testament World. Households and House Churches, 1997; Perdue, L.G., J. Bleukinsopp/J.J. Collins/C. Meyers, Families in Ancient Israel, 1997. Vgl. D. Lührmann, Wo man nicht mehr Sklave oder Freier ist, WuD 13 (1975), 53-83; P. Lampe, Zur gesellschaftlichen und kirchlichen Funktion der Familie in ntl. Zeit, Reformatio 3 I (1982), 533-542; ]. Gnilka, Die neutestamentliche Hausgemeinde, 1983, 229-42; G. Lohfink, Die christliche Familie - eine Hauskirche?, ThQ 163 (1983), 227-229; J.H. EJliot, Philemon and House Churches, BiTod 22 (1984), 145-50; M. Gielen, Zur Interpretation der paulinischen Formel Ti KC(1;' ohwv EK:KAl]a(a, ZN\V 77 (1986), l09-I2S; T. Lorenzen, Die christliche Hauskirche, ThZ 43 (1987), 333-352; L.M. White, Social Authority in the Hause Church Setting and Ephesian 4,1-16, RestQ 29 (1987), 109-II8; G. Schöllgen, Hausgemeinde, olKo<;-Ekklesiologie und monarchischer Episkopat, JbAC 3 I (1988), 74-90; H.]. Klauck, Die urchristliche Hausgemeinde in der Apg des Lukas, 1m Land des Herrn 42,4 (1988), 31-48; ders., Die Hausgemeinde als Lebensform im Urchristentum, 1989, II-28; E. dal Covolo, Una "domus Ecclesiae" a Roma sotto I'impero di Alessandro Severo?, EL 102 (1988), 64-71; A. Weiser, Evangelisierung im antiken "Haus", 1990, II9-q8; ders., Evangelisierung im "Haus"; BZ NF 34 (1990), 63-86; A. Noordegraaf, FamiJia Dei. De functie en de betekenis van de huisgemeente, ThRef 35 (1992), 183-2°4; R. Jewett, Tencment Churches and Communal Meals in the Early Church, BR 38 (1993),23-43; ders., Tenement Churches and Pauline Love Feasts, Quarterly Rev, Spring (I994) 4358; C. Osiek,The Family in Early Christianiry: "Family Values" Revisited, CBQ 58 (1996l, 1-24; Aufsätze von J. Reumann, E. Krenrz, C. Osiek und P. Richardson in: Common Life in the Early Church, FS G.F. Snyder, 1998. In Kommentaren wird in letzter Zeit das Thema der HG immer öfter aufgenommen. Vg!. z.B. R. BroWll, Epistles of John, 1982,676.728-739.743-748; J. Gnilka, Phlm, 1982, 17-33; P.T. O'Brien, Col, 1982, 257; J. Roloff, JTim, 1988, I69-i:78; P. Stuhlmacher, Phlm, Exkurs: Urchristliche Hausgemeinden, 1989, 70-75 (Lit!); H.]. Klauck, Der 2/3 Joh, 1992, 65ff. Filson, Significance, l09ff; E.A. Judge, Social Patterns, 49-61; M.l. Finley, Die antike Wirtschaft, 1977, 8ff; P. Stuhlmacher, Phlm, 74; F. Laub, Begegnung, 1982, 19-31 v.a. 20; ders., Haus- und Gemeinde-Tafelparänese, I986, 253-258; D. Lührmann, Nt!. H:lUstafeln, NTS 27 (198I), 84-90; D.c:. Verner, Household, 27-81; J.H. Elliott, Homeless, v.a. Kap. 4; K_H. BieritzlC. Kähler, Art. Haus, TRE 14, 1985, 474-492; E. Dassmann/G. Schöllgen, Arr. Haus TI (Hausgemeinschaft), RAC IJ 1986, 801-905; W. Meeks, Urchristentum, 159ff; M. Gielen,
Hausgemeinde und lvlissiol1
D. Lührmann faiSt zusammen: Der antike Oikos "ist nun nicht eine Sozial- und \Virtschaftsform unter anderen, sondern die elementare Sozial- und Wirtschaftsform schlechthin nicht nur der Antike oder gar nur des Neuen Testamentes, sondern vermutlich aller vorindustriellen seßhaften Kulturen ... ,,107 Kaum etwas bestimmte das tägliche Leben der lvlenschen stärker als der Oikos und das damit zusammenhängende Beziehungsnetz. Er war ein Sozialgebilde mit rechtlichen, wirtschaftlichen und biologischen Beziehungen 108. Durch den antiken Oikos gewinnen die Einzelnen gegenüber der Gesamtgesellschaft eine Identität; er verschaffte ihnen ,Innen' und ,Außen', ein Zuhause und nicht zuletzt eine Behausung l09 • Diese kleine Oikosgemeinschaft bildete auch umgekehrt einen Grundbaustein für die Gesamtgesellschaft. Von hier aus traten Einzelne zueinander in Beziehung und bauten die Jt6A.L~ und damit das Staatswesen auf (s. u. E.A. ]udge, S. 42f). Angesichts dessen kann die Bedeutung von Oikoi für die Entstehung und Organisation des urchristlichen Gemeindelebens kaum überschätzt werden. Obwohl man hier von einem Konsens der Forschung sprechen kann, gehen die Meinungen auseinander, wenn es darum geht, die Bedeutung der HGn näher zu bestimmen. Außerdem fehlt noch eine eingehende Untersuchung der Bedeutung des Oikos für Entstehung und Organisation der HGn. Wichtig für unsere Arbeit ist auch noch die Erkenntnis von L.M. White: "Housing patterns, of course, varied considerably across the Empire. The Italian villa, the Greek peristyle, the Hellenistic-oriental multistoried insula, apartments, and others had their own local stylistic traditions. We must expect ... considerable diversity from place to place depending on the local circumstances ... ;'110 Bislang ging man davon aus, es könnten von den räumlichen Bedingungen eines Hauses in Pompeji, HercuJaneum, Ostia oder Korinth aus Daten ermittelt werden, um diese verallgemeinernd auf die Häuser aller paulinischen HGn zu übertragen, da auch sie in römischhellenistischen Städten bestanden 111. Diese Schlußfolgerung basierte
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Hallstafelethik, 68-1°3, v.a. 84-99; L.M. White, God's House, passim; ders., Texts, passim. Haustafeln, 19 81 , 87. Vgl. auch M. Rostovtzeff, Die hellenistische \Velt, 1955, passim; O. Brunner, Das "ganze Haus" und die alteuropäische "Ökonomik", 1956. :\3-61, 1968, 105.
Vgl. ICH. Bieritz, Rückkehr, II5. 109 Vgl. K.H. Bieritz/C. Kähler, TRE 14, Art. Haus, 478. 110 L.M. White, God's House, 107. 111 Vgl. z.B.]. Murphy-O'Connor, St. Pau['s Corinth, 1983, 161-175. l08
Eint~ihrul1g
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auf der Annahme, daß ein Plan existierte, der für römische Häuser geographisch durch das ganze Römische Reich hindurch typisch gewesen ist. Archäologische Entdeckungen seit dem späten 19. Jh. haben aber diese Annahme als falsch erwiesen lJ2 • Die methodische Konsequenz, die wir für unsere Studie aus dieser Einsicht zu ziehen haben, ist folgende: Um die architektonischen Verhältnisse der Häuser der paulinischen HG zu ermitteln, müßten wir lokalgeschichtlich vorgehen 113, d.h. die archäologischen und sozio-historischen Daten aus der jeweiligen Stadt oder Gegend, in der sich die uns interessierende Gemeinde befand, heranziehen, um eine möglichst zutreffende Beschreibung zu formulieren. Dabei kommen für die Zeit der frühchristlichen Mission palästinische, griechische und römische Typen von Privathäusern in Frage, wobei zu bedenken ist, daß besonders dort, wo sich eine Synagogengemeinde ganz oder mehrheitlich dem neuen Messiasglauben anschloß, eventuell öffentliche Gebäude schon ganz dem gottesdienstlichen Zweck gewidmet worden sein können (P. Maser). Wenn sich diese synagogale Gemeinde aber in einem Privathaus versammelte, dann sind wir wieder bei den üblichen, eben erwähnten Haustypen. Daß es sehr gut möglich ist, daß dies häufig der Fall war, werden wir noch sehen 114 • Das Wissen um die architektonische Beschaffenheit solcher antiken Häuser werden wir während unserer Untersuchung nicht einfach voraussetzen, sondern immer an geeigneter Stelle einbringen. Außerdem halten wir es für sinnvoll, die architektonischen Definitionen von KrautheimerlWhite zu übernehmen, wobei wir nicht auf die lateinischen Hilfsbezeichnungen zurückgreifen müssen. Denn in der deutschen Sprache haben wir den Vorteil, über deutlich zu unterscheidende Bezeichnungen zu verfügen. Wie wir sahen, hat L.M. White drei Grundmöglichkeiten unterschieden. a) Eine Hausgemeinde wurde definiert als ein privates Wohnhaus, welches architektonisch unverändert bleibt, und sowohl (v.a. das Triclinium) von
112 L.N!. White, Domus, Isf. R. Krautheimer, Beginnings, RR 3, (1939), 144f, A.G. 113
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McKay, Hauses, Villas, and Palaces in the Roman World, London, 197.\, passim. Dies gilt nicht nur für die architektonische, sondern auch für die sozialgeschichtliche Untersuchung. Methodisch kann man sagen, daß diese Einsicht -sich immer mehr durchzusetzten scheint. Vgl. G. Schöllgen, Probleme, JbAC Erg Bd. 32 (1989),23 und P. Lampe, Stadtröm. Christen, XI; E.A. Jlldge, The Sodal Identity of the First Christians, JRH 11,2 (1980), 216. s. S. 57.
Hausgemeinde und Mission
einer örtlichen christlichen Gemeinschaft zu gottesdienstlichen und von dem Eigentümer (und seiner Familie) zu privaten Zwecken verwendet wurde 115 • b) Eine Hauskirche 116 ist ein privates Wohnhaus, das besonders umgebaut wurde und von Christen - teils als Eigentum der Gemeinde, teils als Privatbesitz - ausschließlich für religiössoziale und gottesdienstliche Zwecke verwendet wurde 117 • c) Saalkirche llB ist die Bezeichnung für eine größere, etwas formalere rechteckige (private oder öffentliche) Halle, die ausschließlich zu religiössozialen und gottesdienstlichen Zwecken verwendet wurde. Sie kennzeichnet den Übergang zwischen Hauskirche und Basilika. Die beiden Formen b) und c) galten meist als Kirchengebäude. Auch die Dreiteilung von KrautheimerlWhite können wir als heuristisches Modell für unsere Studie übernehmenJ19 , wobei wir uns nur innerhalb der ersten Phase (50-150 v.Chr.) im Bereich des Neuen Testamentes bewegen. Allerdings werden wir mit unserer exegetischen Untersuchung nicht erst mit dem Jahr 50 n.Chr. ansetzen, sondern schon vor Ostern bei der 1tlission Jesu und seinen Jüngern, um einen etwas größeren geographischen und geschichtlichen Überblick zu gewinnen. Gerade hier ist in der Forschung ein Defizit zu konstatieren. Die meisten Arbeiten über frühchristliche HGn setzten erst mit der paulinischen Mission an. Das ist sicherlich dadurch zu erklären, daß es bislang in der Forschung als selbstverständlich galt,
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Es bleibt im Deutschen die Schwierigkeit, zwischen der Hausgemeinde als soziologischer oder als architektonischer Größe zu unterscheiden. Wir werden die Unterscheidung mit der kursiven Funktion hervorheben: Hatlsgemeinde = Gebäude; Hausgemeinde = Gemeinschaft. Für Krautheimer/Whire eine domus ecclesiae. White machte auch auf die partidle Adaptation eines Privathauses aufmerksam, das nur teilweise für christliche Zwecke verwendet wurde und meist einern Privateigentümer gehörte. Da er keine Bezeichnung dafür vorgeschlagen hat, nennen wir diese Möglichkeit auch eine Hauskirche. Für White eine al/I
Einführung
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erst mit den Belegen in den unumstrittenen Paulusbriefen auf historisch sicherem Boden zu stehen l1O • 2.
Dissens
a) Analogien aus dem religiösen, intellektuellen und sonstigen gesellschaftlichen Bereich In seiner Zusammenfassung des damaligen Forschungsstands für die religionsgeschichtlichen Analogien zur HG nennt H.]. Klauck den Haus- und Privatkult, das Vereinswesen, die Sarapis- und Mysterienkulte, die Orphik und die Synagoge l21 . Für ihn kommt nur die Synagoge als direktes Vorbild in Frage 122 • Diese Sicht erscheint plausibel, wenn zutrifft, daß zur nt!. Zeit Haussynagogen weitverbreitet waren J23 und daß der größte Teil der Christen bis ca. 100 n.Chr. aus dem Judentum (und dem Umkreis der Synagoge) kam. Schon im 19. Jh. haben aber manche Forscher darauf hingewiesen, daß die ersten Christen Vereine oder collegia imitiert hätten 124 • Obwohl diese These damals wenig Annahme gefunden hat, setzten sich einige Forscher in der zweiten Hälfte des 20. Jh. erneut dafür ein, Vgl. beispielhaft für diese Vorgehensweise L.M. White, God's Hause, 103: "Like the early Pharisees, we may imagine the followers of Jesus and other teaehers of the time gathering occasionally for fellowship, prayer, and study. This practice is depicted both in the gospel narratives regarding Jesus and in the traditional picture of Acts. In Acts 2.-5 the earliest disciples at Jerusalem reportedly met 'from house to house' or just 'at horne', while also attending co traditional Jewish observance at the Temple. Beyond this httfe more can be said" (Hervorhebung = RG). Vgl. auch H.]. Klauck, HG, 49;]. Gnilka, Hausgemeinde, 1983, 2.Ff; G. Schöllgen, Hausgemeinde, 79; W. Vogler, Hausgemeinden, 785-794; W.A. Meeks, Urchristentum, 59f. 121 HG, 83-99 und nun auch ders., Die religiöse Umwelt des Urchristentums I, 1995, 1-12.8; für eine Besprechung der Analogien vgl. auch W.A. Meeks, Urcluistenturn, r 59-180 und D.C. Verner, Household, 6-9. 122 So auch P. Stuhlmacher, Phlm, 72.f; B.B. Blue, Publie, 12.7.I44ff; F. Laub, Sozialgesch. Hintergrund, 2.70. W. Vogler, Hausgemeinde, ThLZ 107 (1982.), 787. Diese Annahme wird durch die Berichte der Apg bestätigt. Vgl. Apg 2,46; 5,42; 12,12.; r6,13-15.30-34; 18,1-8. Zur Synagoge als Vorbild für den frühchristlichen Gottesdienst vgl. W. WiefeI, Der Synagogengottesdienst 1959; J. C. Salz-' mann, Lehren und Ermahnen, 1994,450-479. 123 Dies ist aber umstritten. s. S. 59 und Amn. 22f für unsere Besprechung. 124 G. Heinrici, Die Christengemeinde Korinths, ZWTh 19 (I!l76), 464-52.6; auf Heinrici aufbauend: E. Harch, The Organisation of Early Christian Churches, ' 1892.,26-55. 120
Hausge111einde und Mission
daß diese Analogie zur HG wieder in Betracht gezogen werden sollte 125 • Es wurde auch erwogen, die paulinischen HGn hätten sich wie philosophische Schulen 126 oder wie eine Kombination von collegium und philosophischer Schule 127 organisiert. Die Bedeutung des Haushalts für die soziale Struktur der HG wird von F.V. Filson und anderen hervorgehoben 128 • In diesem Sinne betont P. Lampe: "Das Gemeinschaftsleben der Christen formiert sich in vieler Hinsicht nach dem Oikos-Modell .. , In den Kategorien der Oil
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E.A. Judge, Social Pattern, 40-48; A. Malherbe, Aspects, 87-91; seit 1995 liegt eine wichtige und ausführliche Arbeit vor: T. Schmeller, Hierarchie und Egalität. Sie ist eine sozialgeschichtliche Untersuchung paulinischer Gemeinden und griechisch-römischer Vereine. E.A. Judge, Scholastic Community, JRH 1 (1960),4-.15.125-137. R.L. Wilken, Collegia, Philosophical Schools and Theology, 1972, 268-291. Er kombiniert Elemente von Judge und Hateh. Significance, I09-II2; vgl. auch O. Michels Art. O{KOC; ThWNT V, 122-161; auch Judge betont die Bedeutung des Haushalts v.a. die der PatronKlientenbeziehung für die soziale Struktur der paulinischen HGn, Social Pattern, 75· Stadtröm. Christen, 3 I4ff. So ähnlich auch D. Lührmann, Nt!. Haustafeln und antike Ökonomie, NTS 27 (1980), 93. Aspects, 90f. Vgl. W.A. Meeks, Urchristentum, 69, Anm. 142; 165, Anm. 17; L.N!. White, God's Hause, 45, Anm. 70.
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deli, die in fruchtbarer Weise mit denen der frühen Christen verglichen werden können 132 • Es könnte auch sein, daß eine Beeinflussung der frühen christlichen HGn durch die hellenistischen Vereine zumindest indirekt über die jüdische Synagoge stattfand J33 • Wenn die Synagoge der Diaspora als Verein organisiert war, könnte dies mit ein Grund sein, daß Elemente des Vereins in der Organisation der HG zu erkennen sind. Man wird zwischen dem theologischen Selbstverständnis der frühchristlichen HGn und deren soziologischer und juristischer Organisationsform bzw. Erscheinung nach außen unterscheiden müssen. Es kann sein, daß die HGn sich wie eine Haussynagoge (d.h. wie ein Verein bzw. ein Oikos) organisiert haben, sich theologisch aber nicht als ein Verein, sondern als ekklesia bzw. Haus Gottes verstanden haben. Hier ließe sich immer noch eine theologische Verbindungs~ linie zwischen HG und Haussynagoge herstellen. Deshalb kann man fragen, ob nicht alle o.g. Forscher partiell Recht haben. L.M. White beobachtet, daß jedes der 4 Modelle (phi!. Schule, Verein, Synagoge, Oikos) eine Ähnlichkeit zum einen oder anderen Aspekt des Christentums aufweist und fährt fort: "In one sense, however, each of these 'models' is a variation on a larger process of expansion; each 'group' is one configuration of social networks. The historical evidence shows that all of them have overlapping organizational schemes ... especially at two key points of social structure: 1. they use and adapt private, often domestic, settings; and 2. they depend on patronage for ongoing expansion .... lf
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lVleeks, Urchristentum, 17 6f. Für diesen Hinweis danke ich R. Hermann (vgl. seine Arbeit im Erscheinen, s. u., Anm. 135) V.a. M. Hengel hat auf den konkreten Einfluß der hellenistischen Vereine auf ihre jüdischen Gegenstücke hingewiesen (Judaism and Hellenism, Vol.I, 243ff). Man kann fragen, ob die Synthese zwischen Judentum und Hellenismus in der Synagoge hier konzentriert an einer Stelle zu konstatieren ist: Vereinsorganisation aus dem hellenistischen Bereich, aber im theologischen Selbstverständnis jüdisch. Vgl. auch P. Stuhlmacher, Evangelium - Apostolat - Gemeinde, K.u.D 17 (I97I), 28-45, v.a. 37: "Wer im I. Jahrhundert in den Städten der MitteImeerweIt Missionsgemeinden gründen wollte, konnte das '" nur im Rahmen der vorn römischen Recht abgesteckten und eingeräumten Möglichkeiten. D.h. die Gemeinde mußte sich entweder als Verein einheimischer Bürger ... oder ... auch als Korporation von Ausländern ... organisieren. "
Hausgemeinde und Mission
the house church is related to these models it is because it, too, was operating within similar social networks." 134 Zusammenfassend kann man konstatieren: Es gibt in der Frage hinsichtlich der religionsgeschichtlichen Analogie zu den frühchristlichen HGn noch keinen Forschungskonsens. Ein Teil des Problems liegt darin, daß wir zu wenig über die Haussynagogen und die HGn in ihrem Verhältnis zur Organisation der Vereine wissen, um diese Zusammenhänge befriedigend bestimmen zu können. Der gegenwärtige Stand der Forschung scheint darauf hinzudeuten, daß keines der o.g. Modelle einfach mit der Hausgemeinde gleichzusetzen ist, auch wenn sie alle brauchbare Analogien bieten. Es handelt sich um Beispiele von Gruppen, die ähnliche Probleme in Angriff nahmen und lösten, mit denen Christen zu jener Zeit auch konfrontiert wurden. Unsere Studie will nicht die religionsgeschichtlichen Hintergründe der frühchristlichen HGn eingehend untersuchen, da diese Aufgabe andere übernommen haben 135 • Doch wollen wir die Hinweise von Lampe und White aufgreifen. Wir wollen prüfen, inwiefern das Gemeinschaftsleben, die Organisations- und Leitungsstrukturen und eventuell auch das gemeindliche Selbstverständnis der ersten Christen sich tatsächlich nach dem OHms-Modell formiert haben (Lampe)136. Hier ist der Hinweis von White aufzunehmen, daß alle Analogien zur HG an zwei Punkten überlappende sozial-organisatorische Strukturen aufweisen, nämlich bei den beiden Dimensionen des antiken Oikos, dem Privathaus und dem Patronatssystem. Wir werden deshalb im Auge zu behalten haben, daß zum besseren Verständnis der frühchristlichen HGn und der von ihnen ausgehenden Mission beide sozialgeschichtlichen Momente von großer Bedeutung sind. E.A. Judge hat die Aufmerksamkeit der neutestamentlichen sozialgeschichtlichen Forschung auf die entscheidende Bedeutung der Patron-Klienten-Beziehung für die römische Welt gelenkt. Er hält es
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Adolf Harnack and the "Expansion" of Early Christianity, SecCen 5,2 (19 851I 9 86 ),120.
Vg!. dazu T. SchmeJIer, Hierarchie und Egalität, 1995 und die Arbeiten von C. Claußen, Gemeinde und Synagoge. Studien zum hellenistisch-jüdischen Umfeld der frühchristlichen Gemeinden, Diss. theo!. München (Masch.), 1999 und R. Hermann, Das antike Vereinswesen, Haussynagogen und die Hausgemeinden, Diss. Tübingen, beide noch im Erscheinen. 136 Es wird auch zu fragen sein, ob zwischen den ersten drei Phasen der frühchristlichen Mission in dieser FrJge zu unterscheiden ist. 135
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für irreführend, sich die antike Gesellschaft, in der das Christentum entstanden ist, als undifferenzierte Ganzheit vorzustellen, die dann durch horizontale Linien der Klasseninteressen geteilt werden kann. Nicht, daß es keine Schichtung gab, sondern die Dimensionen und die Dynamik der Schichtung können nur dann voll erkannt werden, wenn spezifische "Institutionen" in Betracht gezogen werden. Er schlägt vor, daß die Welt der hellenistischen Republiken als eine Reihe von überlappenden, aber nicht systematisch verwandten Kreisen verstanden werden soll: "the small republican state ... secondly the far-reaching household organization of life on a household basis ... and thirdly the unofficial associations ... "137. Der Schlüssel zum Verständnis der Struktur der röm. Gesellschaft sei aber die Patron-Klienten-Beziehung (eng!. = Patronage). "The republic recognized not only the sweeping powers the Roman pater (amilias enjoyed over his personal family, bond and free alike, but also the rights and duties imposed by the relationship of clientela. Freedmen, who had formerly been members of a household through slavery, retained their link with it, and in some respects their obligations, as its clients. Others also freely associated themselves with it for their mutual bendit. Loyalty to the household interest was expected, though the authority of the patron was grounded in his trustworthiness, which guaranteed that the material and social needs of the client's family were met. ,,138 Auch wenn die Sicht von Judge nicht unkritisiert geblieben ist, wird die Bedeutung des Patronats für die frühchristlichen Gemeinden von immer mehr Forschern erkannt 139 • Dieses Feld ist aber in seiner Bedeutung für die frühchristliche Mission noch nicht ausreichend erforscht worden l40 • Vor
The Soda! Identity of the First Christians, 1980, ;'-04. Patterns, 31. 139 Vgl. z.B. W.A. Meeks, Urchristentum, 158-180; T. Schmeller, Hierarchie und Egalität, 33-53.56-75; B.W. Winter, Seek the Welfare of the City. Christian Benefactors and Citizens, 1994, r 1-78; für unsere Stellungnahme s. S. 338ff. 140 R.M. Kidd, Wealth and Benificence, 74, " ... the texture of reJationships as conditioned by cultural notions of obligation, recprocity, and the like, appears to be a field of study as yet relatively unexcavated". Vgl. auch J. Paul Sampley, Pau!ine Partnership in Christ, 1980; F.W. Danker, Benefactor: Epigraphic Study, 1982.; ].K. Chow, Patronage and Power, 1992.; P. MarshalI, Enmity in Corinth, 1987; A.D. Clarke, Secular and Christian Leadership, 1993; vgl. eine Kritik der Arbeiten von Chow und Clark bei T. Schmeller, Hierarchie und Egalität, 9f.94f. Aus dem säkularen Bereich wäre das Buch von R.P. Salier, Personal Patronage under tbe early Empire, 1982. heranzuziehen. 137
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allem eine wichtige Frage, die kaum zureichend geklärt ist, wird für unsere Studie zentrale Bedeutung einnehmen müssen: Wie verhalten sich die hierarchisch verfaßte, auf den Hausvorstand zentrierte Sozialgestalt des antiken Oikos und die soziale Organisation der werdenden Gemeinde zueinander? Damit wird deutlich, daß unsere Arbeit neben einer exegetischtheologischen auch eine sozio-historische Ausrichtung erhalten muß. Einige wenige klärende Worte müssen an dieser Stelle zur Definition dieser Forschungsrichtung genügen. Im angelsächsischen Bereich unterscheidet man zwischen "social" and "sociological research" und meint damit etwas vereinfacht folgendes 141 : "social research" ist um eine einfache Beschreibung der sozialen Fakten bemüht; "sociological research" will die beschriebenen Fakten erklären, und zwar meist mit (häufig auf Weber oder Durkheim zurückgehenden) soziologischen Modellen. Einige Sozialforscher gehen davon aus, daß das eine das andere nicht ausschließt - soziologische Erklärung baut auf sozialer Beschreibung der Fakten auf. Es wird auch zu bedenken gegeben, daß das Belegmaterial derartig spärlich sei, daß man nur mit Hilfe einer Hypothese oder eines heuristischen Modells die Lükken ausfüllen könne. Andere warnen aber davor, irgendein vorgefaßtes Modell, das im I9. bzw. 20. Jh. auf der Basis der modernen Gesellschaft entwickelt worden ist, auf die antike Gesellschaft übertragen zu wollen. Es besteht die Gefahr, dadurch die eigentlichen Verhältnisse der Antike eher zu verdunkeln und, bedingt durch das Modell, nur zu vorhersagbaren Ergebnissen zu kommen. Unsere Studie wird deshalb stärker sozial-deskriptiv vorgehen, wobei wir mit dem Oikos-Modell arbeiten wollen, das nicht der heutigen, sondern der antiken Gesellschaft entnommen ist. Allerdings werden wir uns damit begnügen müssen, nur die klaren Beispiele aufzunehmen und bewußt Lücken zu lassen. 141
Vgl. z.B. ].Z. Smith, Social Description of Early Christianity, JSR 1,1 (I975), I925; R. Scroggs, The Sociological Interpretation of the New Testament: the Present State of Research, NTS 26 (1980), I64-179; E.A. ]udge, The Social Indentity of the first Christians, JRH II (I980), 210-217; B.]. Malina, The Social Sciences and Biblical Interpretation, Interp 36 (I982), 229-242; A. Malherbe, Aspects, Il3-122; W.A. Meeks, Urchristentum, 9-20; G. Schöllgen, Probleme, ]bAC Erg Bd. 32, 23-40; L.M. White, Adolf Harnack and the "Expansion of Early Christianity, SecCen 5,2 (r9851r986), 97-I28; für eine angelsächsische Diskussion der Arten, Probleme, Grenzen und Chancen einer sozialgeschichrlichen Betrachtung des frühen ChristentulJls. Vgl. für den deutsch-sprachigen Raum G. Theißen, Studien, 3-34.35-54.55-76.
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Hinsichtlich des antiken Oikos, wie er v.a. in den Oikonomikschriften beschrieben ist, wird zu Recht gewarnt, daß der soziologische Zugang zwar eine wichtige Ergänzung der geistes- und literargeschichtlichen Betrachtungsweise darstellt, aber nicht verabsolutiert werden darP42. l\IIan weist darauf hin, daß bei manchen Forschern die methodisch fragwürdige Tendenz festzustellen sei, "literarische Zeugnisse zum bloßen Reflex einer sehr widerspruchsfrei gedachten sozialen Realität" zu reduzieren J43 . Demgegenüber hat die sozialgeschichtlich orientierte Exegese gezeigt, daß soziale Wirklichkeit tendenziell widersprüchlicher und offener ist "als deren literarisch faßbare ,ideologische' Verarbeitung"l44. So gab es auch antike Vereine, die nicht einfach nach patriarchalischen Oi1
b) Ein Nebeneinander von Hausgemeinden und Ortsgemeinde? Ein weiterer Fragenkomplex, mit dem wir uns beschäftigen müssen, betrifft das mögliche Nebeneinander von HG und Ortsgemeinde in der frühchristlichen Mission. Unser Forschungsbericht hat angedeutet, daß sich eine Mehrheitsmeinung hinsichtlich dieser Frage anbahnt. Dieser relative Konsens wird aber zugleich von mehreren Forschern heftig bestritten. Die Diskussion dreht sich um folgende entscheidenden Fragen:
Vgl. U. Wagener, Ordnung, 35ff.64. Sie beruft sich auf K. Thraede, Arger, 3 Ir82; ders., RAC 8, Art. Frau, 197-2.67; deIs., Hintergrund, 359-368. 143 Ebd., 35; Wagener kritisiert v.a. die Sicht von F. Laub, Hintergrund, 2.49-271. 144 Ebd.,3 6 145 Es ist allerdings zu bedenken, daß man zwischen einer reinen und einer Oikosgesellschaft in Kombination mit einem Tempelstaat (vgl. z.B. Palästina mit dessen Tempel in Jerusalem) differenzieren muß. 146 Vgl. z.B. D. Lührmann, Haustafeln, 84.88-90; F. Laub, Hintergrund, 26r (5. o. auch E.A. Judge). 142
Hausgemeinde und Mission
Innerhalb des Corpus Paulinum findet sich an vier Stellen die festgeprägte, formelhafte Wendung Ti Km:' OiKOV eKKA'Il<Jla147. Einige Exegeten schlagen die Wiedergabe der paulinischen Formel mit "die sich hausweise konstituierende Kirche" vor (Klauck). In der neutestamentlichen Forschung gehen viele Exegeten davon aus, daß die urchristlichen Gemeinden ein Nebeneinander von bei den Gemeindeformen, Haus- und Gesamtgemeinde, kennzeichne (s. S. 275ft). Allerdings haben sich v.a. Frau Gielen und Schöllgen vor· einiger Zeit gegen diese Position stark gemacht148 • Gielen geht davon aus, daß Ti Ka'"C' otKOV eKKA'Il<Jta und Ti eKKA11<Jia ÖA'Il für Paulus nicht in Opposition stehen, sondern daß er ÖA'Il in beiden Fällen (Röm 16,23; 1Kor 14,23) nur aufgrund der Textpragmatik verwendet149 • Hinter der Formel Ti KaL' otKov eKKA'Il<Jta vermutet sie viel eher Orts- bzw. Gesamtgemeinden. Alle TextsteIlen, die herangezogen werden, um inhaltliche Aufgaben der sog. HGn zu ermitteln, sprechen nach Gielen nicht von HGn, sondern blog von Häusern 150. Für sie sind das keine Hausgemeinden, sondern nur Hausgemeinschaften. Damit biete der Textbefund keinen Anhaltspunkt für die Verselbständigung der Hausgemeinde gegenüber der Ortsgemeinde 151 . Eine wichtige Aufgabe unserer Arbeit wird darin liegen, die Frage nach einem Nebeneinander von HGn und Ortsgemeinde in der frühchristlichen Mission näher zu untersuchen, weil sie Implikationen für die sozialen Beziehungen der Gläubigen untereinander, für die Leitungsstrukturen sowie für die Ekklesiologie der frühchristlichen Gemeinde hat. Je kleiner die Gemeinden waren, um so weniger hätten sie sich von der familiären Hausgemeinschaft entfernt und um so größer wäre die Möglichkeit, daß der antike Oikos die soziale Realität der Gemeinde hätte prägen können. Man könnte die soziale Integrationsfähigkeit der frühchristlichen HGn dann auf die prägende Kraft des Oikos-Modells zurückführen. Trifft es zu, daß die soziale Wirklichkeit der Gemeinde so stark vom Oikos-Modell bestimmt wurde, dann wäre es ebenfalls möglich, die frühe Entwicklung von
147 Röm 16,3.5; IKor 16,19; Phlm If.; KoI4,15.
Zur Imerpreration der paulinischen Formel iJ Km:' olKov EKKA110ta, ZNW 77, 1986,109-12.5, I I off. Ihr folgend G. Schöllgen, Hausgemeinden,JAC 31 (1988), 78 und auch U. Wagen er, Ordung, 36f. 149 M. Gielen, a.a.O., IIO-II8. 150 Z.B. Apg 2.,46; 12, uff; 16,15; 18,2-4; 2o,8ff.20; 2.1,8; 1Kor II,I7ff. 151 Ebd. II8. Mit ihr in allen o.g. Punkten einig ist G. SchölIgen, Hausgerneinde, 749°.78[.89. 148
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gemeindlichen Leitungsstrukturen und Ämtern von daher zu erklären. Denn der antike Haushalt wird nach den Oikonomikschriften von dem oiKooEarc6tYJS; geleitet. Wenn die ersten HGn sich wesentlich als "Haus Gottes" verstanden, ist von daher konsequent, daß sie von dem Hausvorstand und d.h. von einem einzigen Aufseher geführt wurden und das frühchristliche Amt auf den monarchischen Bischof zugelaufen ist. Im gleichen Zusammenhang könnte der Nachweis eines Nebeneinanders von HGn eine plausible Erklärung für eine Mehrzahl von Bischöfen an einem Ort bieten (vgl. Phil I, I). Außerdem würde der Nachweis eines Nebeneinanders von HGn und Ortsgemeinde auch Licht auf die schon von alters her umstrittene neutestamentliche Bestimmung des Verhältnisses zwischen EinzeIgemeinde und Ortsgemeinde bzw. zwischen Ortsgemeinde und Gesamtgemeinde werfen l52 • Ein Problem bei der Diskussion dieser Frage stellt die Tatsache dar, daß bisher keine klare Bestimmung formuliert wurde, was mit der Bezeichnung Hausgemeinde im ekklesiologischen Sinne eigentlich gemeint ist 153 • Aber nur wenn eine präzise Vorstellung darüber herrscht, was eine HG als Gemeinde im Val/sinn ausmacht, kann man feststellen, ob sie existiert. H.J. Klauck unterscheidet zwischen HGn und Vollversammlung und weist darauf hin, daß die gleichen gottesdienstlichen Inhalte für die Zusammenkünfte der HGn wie für die Vollversammlung angenommen werden können 154 • Wie wir sahen, unterscheidet M. Gielen zwischen HGn und Hausgemeinschaften, ohne ausdrücklich zu bestimmen, was der eigentliche Unterschied zwischen den bei den ist15S• Auch Peter Lampe bietet eine Definition: Für ihn stellt die gottesdienstliche Gemeinschaft in einem
152 153 154
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S. u. Kap. rv, S. 2.83f für unsere Bestimmung dieser Begriffe. S. o. L.M. Whites architektonische Definition von Hausgemeinde, usw. HG, 36-39. Dort erwähnt er die Inhalte des Gottesdienstes: missionarische Predigt, katechetische Taufunterweisung, Lehre, Sättigungsmahl, Herrenmahl- und Tauffeier, wobei er betont, daß die Übergänge zwischen HG und Orrsgemeinde so fliegend wie möglich zu halten seien. VgL Interpretation, I18.12.1. 12 5. Mit "Hausgemeinschaft" hat Gielen wohl den antiken Oikos in seiner sozialen Dimension im Sinn und nicht einen "Hauskreis" . Allerdings bleibt auch diese Unterscheidung undeutlich. Vgl. auch III!, Anm. 37, wo sie eine Übersicht der inhaltlichen Aufgaben der sog. Hausgemeinden, wie sie sich bei J. Gnilka, Hausgemeinde, 1983, 234 findet, anführt.
Hatlsgemeinde und Mission
Haus eine HG dar. 156 G. Schöllgen dagegen bietet immerhin eine Teilbestimmung an: Ein Nebeneinander von HGn und Ortsgemeinde ist dann gegeben, wenn sich die Existenz von Hausgemeinden "mit fest ausgebildetem religiösen Eigenleben als Substruktur von Ortsgemeinden" überzeugend nachweisen ließe. Was gehörte aber alles zu diesem Eigenleben dazu? Es wäre an dieser Stelle nicht sinnvoll, sich auf eine allzu statische Definition der HG festzulegen. Es dürfte allerdings dienlich sein, mögliche Elemente zu nennen, die während unserer Untersuchung als für eine HG konstitutiv angesehen werden, weil hier die meisten Forscher zustimmen können. Aus unserer Sicht sind für eine HG konstitutiv: I. Die Existenz einer Gruppe mit einem fest ausgebildeten religiösen Eigenleben in regelmägjgen gottesdienstlichen Zusammenkünften. 2. Zu diesen Zusammenkünften können als gottesdienstliche Elemente missionarische und lehrmäßige Verkündigung, Tauf- und Abendmahlsfeier, Gebet und Gemeinschaft gehören. 3. Auch strukturelle Elemente wie eigene (wenn auch gegebenenfalls relativ lockere) Organisationsstrukturen können als weitere Indizien für eine HG im Vollsinn gesehen werden. Je mehr diese Elemente sich bei den Zusammenkünften einer Gruppe nachweisen lassen, um so sicherer ist eine HG zu konstatieren. Es ist ebenfalls ratsam, eine kurze Definition der allgemeinen Gemeindebegrifflichkeit einzufügen, die sprachlich notwendig zu sein scheint. Denn in der deutschen Sprache kann zwischen Gemeinde und Kirche unterschieden werden, wobei Gemeinde eher als örtliche Einzelgemeinde und Kirche als eine landes- bzw. weltweite Instanz verstanden werden können. Für unsere Untersuchung reicht es, wenn wir die Begriffe in folgender Weise bestimmen: Eine HG ist eine Gruppe von Christen, die sich zu gottesdienstlichen Zwecken in einem Privathaus trifft. Eine Ortsgemeinde besteht aus allen Christen, die sich an einem geographisch beschreibbaren Ort versammeln. Die Begriffe Ortsgemeinde und HG fallen dann zusammen, wenn nur eine einzige HG am Ort existiert. Den Begriff Gesamtgemeinde verwenden wir überwiegend für die gesamte Ortsgemeinde. Er impliziert schon eine Mehrzahl von Einzelgemeinden bzw. HGn am Ort. Den Begriff Gesamtkirche reservieren wir für die weltweite
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Vgl. P. Lampe, Stadtrömische Christen, S. 319f. Ferner weist er darauf hin: Eine Gruppe sich versammelnder Christen darf nicht erst dann als HG angesehen werden, wenn Amtsstrukturen vorhanden sind.
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Organisation der Christen, der dann als "universale" Kirche verstanden werden kann 157 •
D) Ziel, Rahmen und Aufbau der Untersuchung Durch unsere Bestandsaufnahme der modernen Forschung ist v.a. eines deutlich geworden: Die Zeit scheint reif zu sein für die kritische Sichtung und eine Synthese der Forschungsbemühungen der letzten zwanzig Jahre im Bereich der frühchristlichen HG. Wie wir sahen, gibt es eine Reihe von immer noch offenen Fragen. Wir konzentrieren uns im folgenden darauf, die missionarische Bedeutung des Hauses von Jesus bis Paulus herauszuarbeiten 158 • Zunächst wollen wir die einschlägigen Belege für HGn im NT von Jesus bis Paulus sowohl in theologisch-ekklesiologischer als auch sozio-historischer Hinsicht kommentieren. Dabei werden wir unseren Blick besonders auf die O.g. Aspekte zu richten haben: r) die Bedeutung des antiken Oikos für Gemeinschaftsbildung, Gemeindebau, Ausbildung von Leitungsstrukturen und Ekklesiologie der frühchristlichen· Mission, 2) das Verhältnis von HGn und Orts gemeinde und dessen Implikationen für Organisation und Ekklesiologie der frühchristlichen Mission. BewulSt beginnen wir mit der Verwendung von Häusern schon in der vor österlichen Mission Jesu und seiner Jünger und schließen eine Untersuchung der Jerusalemer Urgemeinde an. Beides stellt uns vor die schwierige Aufgabe, die historische Zuverlässigkeit der in diesen Zusammenhängen genannten Belege für Häuser und HGn kritisch untersuchen zu müssen. Hier hat unsere Bestandsaufnahme ein Defizit
157
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Vgl. allgemein zum Begriff Gemeinde C. Möller, TRE 12, Art.: Gemeinde I, 3 I 6335· Zur möglichen Bedeutung von "missionarisch" bzw. vom Begriff "Mission" vgl. 0.). Bosch, Transforming Mission, I993, 1ff. Für unsere Studie werden wir den Begriff im nd. theologischen Sinne verwenden, auch wenn wir es nicht für dienlich halten, hier gleich zu Beginn eine all zu eng gefaßte Definition zu formulieren. Mit dem Begriff Mission meinen wir die Verbreitung und Ausbreitung des frühchristlichen Glaubens, wobei Verbreitung als die bewußt nach außen gerichtete missionarische Bemühung und Ausbreitung als die natürliche Lebensausstrahlung des Einzelnen bzw. einer christlichen Gruppe verstanden wird (A.v. Harnack). Wie wir sehen werden, beinhaltet dies auch die Aussendung von Missionaren in ein bestimmtes Gebiet und die Aktivitäten solcher Missionare: z.B. die auf die Bekehrung von Juden und Heiden zum christlichen Glauben gerichteten Aktivitäten wie Verkündigung, persönliche Gespräche und die Lebensausstrahlung, was insgesamt auf das Ziel der Gründung neuer Gemeinden gerichtet ist.
Hausgemeinde und Mission
in der bisherigen Forschung aufgedeckt. Wir fahren dann mit einer Untersuchung der Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission und der Weiterwirkung von Oikosstrukturen in den paulinischen Antilegomena fort. Abschließend wollen wir die missionarische Leistungsfähigkeit und Schwäche der neutestamentlichen HGn von Jesus bis Paulus unter architektonischen, sozio-ökonomischen und ekklesiologischen Gesichtspunkten würdigen159 . Die historische und theologische Untersuchung der Ursprünge des HG-Modells kann uns zu einem differenzierten Urteil über seine Bedeutung für die Gegenwart anleiten.
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Wir richten uns hier einerseits nach der oben festgestellten doppelten Bedeutung vom Oikosbegriff: architektonisch als Bau bzw. bewohntes Gebäude und soziologisch als Familie bzw. Großfamilie, wobei unsere Begriffe Haushalt und Hauswesen irgendwo dazwischen anzusiedeln sind. Da es andererseits auch um eine Hausgemeinde geht, wird noch der ekldesiologische Gesichtspunkt zu bedenken sein.
II. Die vorösterliche Verwendung von Häusern A) Jesu Verwendung von Häusern I.
Allgemeine Überlegungen
Es ist schon oft darauf hingewiesen worden, daß eine gewisse Verbindung zwischen den häufigen Erwähnungen eines Hauses im Markusevangelium und den HGn im frühen Christentum anzunehmen ist!. In der Forschung geht man im allgemeinen da von aus, daß diese Verbindung zu der nachösterlichen Situation der markinisehen Gemeinde in Galiläa (oder Rom) besteht2 . Die meisten Ortsangaben in den Evangelien betreffen Galiläa. In diesen Ortsangaben seien nicht unbedingt Informationen über die vor österliche Geschichte Jesu enthalten, sondern lediglich über die nachösterlichen Gemeinden, die sich an diesen' Orten versammeln, missionieren, Überlieferung bilden und weitergeben. Eine solche redaktionsgeschichtliche Fragestellung gerade im Vergleich der verschiedenen Akzente, die die Synoptiker auch in Hinblick auf den missionarischen Gebrauch von Häusern setzen, ist natürlich legitim. Es dürfte aber auch methodisch legitim sein, in dieser Frage hinter den Ostertermin zurückzugehen3 • Denn man wird nicht bestreiten können, daß der irdische Jesus gepredigt und gelehrt hat4 • Dies muß er aber irgendwo getan haben.
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E. Troerne, Formation, 1975, 162f; E. Best, Following ]eslls, 1981, 226f; H.]. Klauck, Hausgemeinde = HG, 1981, 56-61; W. Vogler, Bedeutung, 1982, 785794Vgl. neben Troeme z.B. H.]. Klauck, HG, 1981, 56-61; E. Best, Following ]esus, 1981, 226f.; W. Vogler, Bedeutung, 1982,787. Vgl. H. Schürmann, Die vorösterlichen Anfänge der Logientradition, 1960, 342370.' Die Hauptargumente Schürmanns sind von mehreren Exegeten angenommen worden. Vgl. z.B. E. Trocme, Jesus and his Contemporaries, 1973; G.N. Stanton, Form Criticism Revisited, 1975, 13-27; R. Riesner, ]esus als Lehrer, 1988, 74 (s. dort eine Liste von weiteren Exegeten). Auch wenn Jesus keine "höhere" schriftgelehrte Ausbildung absolvierte, hätte sein Elternhaus, der Synagogen besuch in Nazareth und Umgebung sowie die regelmäßigen Wallfahrten nach Jerusalem ihm das Bibelwissen und die Bildung ver· schaffen können, die es ihm ermöglichten, als Lehrer aufzutreten und seine Jünger anzuleiten. Alle vier Evangelien halten die Erinnerung an das irdische Lehrwirken
Hausge111einde und Mission
Die synoptischen Evangelien vermitteln den deutlichen Eindruck, daß Jesus überwiegend als Wanderprediger gewirkt hats. So ist zu erklären, daß die meisten Exegeten Jesus auch als Wanderprediger beschreiben 6 • Obwohl die Forschung fast alle anderen Aspekte bzgl. Jesu und seines Lebens kritisch unter die Lupe genommen hat, erstaunt es, daß das \Vanderleben Jesu nur selten zur Debatte gestellt wurde? Die Synoptiker erzählen aber nicht nur, daß Jesus im Freien, sondern auch in Synagogen und in Häusern lehrte. Es wird allerdings von einer Reihe von Forschern angenommen, daß er seine Lehrtätigkeit nur in Synagogen8 oder auch im Freien ausübte 9 • Doch ist auch eine punktuelle und vielleicht sogar regelmäßige Lehrtätigkeit Jesu in Häusern aus mehreren Gründen wahrscheinlich. Aus der Gesamtsicht der syn. Evv. ist das Wirken Jesu in zwei Abschnitte unterteilt: 1. öffentliches Wirken: Hier hatte Jesus keine Angste um sein Leben und 2. Verfolgungssituation: in dieser Phase mußte Jesus um sein Leben fürchten und sich deswegen z.T. verstekken. In der zweiten Phase kann man eher davon ausgehen, dalS Jesus nach diesem Einschnitt wegen der zunehmenden Bedrohung seines Lebens immer mehr im Verborgenen und d.h. unter anderem in
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Jesu bewußt fest. Vgl. exemplarisch Mk 10,1; auch z.B. die Anrede Jesu als Lehrer: Mt 8,19; 9,II; 12,38; 17,24; 19,16; 22,16.2+36; 23,8; 26,25; Mk 4,38; 5>35; 9,5. 17.3 8; 10,20,35; II,2J; 12,14.19.32; J3,1; 14,45; Lk 7,40; 8,24·49; 9>33.38.49; 11,45; 12,13; 18,18.2I; 19,3.9; 20,21.28.39; 21,7; 22,47; Jh 1,38-49; 3,2; 4,3 I; 6,25; 9,2; II,8.28; 20,16. Vgl. auch Jesu Selbstbezeichnung Mt 26,18 par; Mt IO,24f par; 23,8ff. Nach den syn. Evv. hat Jesus als Wanderprediger gewirkt (vgl. die Summarien: Mt 4,23 par; Mt 9,35; Lk 4,14f; Mk 1,38 par; Lk 13,33 lind Logien, die Jerusalemreisen voraussetzen, sowie Traditionen über Aufenthalte in den Grenzgebieten Galiläas). Vgl. F. NOl'mann, Christos Didaskalos, MBTh 32,1967,1-32.45-54; J. Gnilka, Die Verstockung Israels, 1961, 30; R.P. Meye, Jesus and the Twelve, 1968, 30-60; C.H. Dodd, Der Mann, nach dem wir Cbristen hei{~en, 1975, 128; M. Hengel, Jesus als messianischer Lehrer der Weisheit, 1979, 148; R. Riesner, Jeslls, 246-264.298-344.353-357.4°8-44°.476487.,507; R.T. France, Mark and the Teachillgs of Jesus, 1980, 10r-136. Vgl. die in Anm. 4 genannten Summarien. Schon W. Bousset, Kyrios Christos, 1921, (eng!. Übs. 1970), LI7; für die heurige Forschung vg!. z.B: G. Bornkamm, Jesus von Nazaceth, 1988, passim; G. Theißen, Wandecradikalismus, Studien, I989, 79-1°5. Vgl. z.B. als Ausnahme (einseitig) F.H. Borsch, Jesus, The Wandering Preacher?, 1975,45-63. Z.B. R. Bultmann, Jesus, 1988, 43f. M. Hengel, Nachfolge, 1968, 59f; S. Loffreda, Die Heiligtümer von Tabgha, I978; G. Dalman, Orte und Wege Jesu, I967, 1671; R. Riesner, Jesus, 353f.
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
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Häusern wirken mußte lO • Außerdem muß man damit rechnen, dag Jesus auch in der Phase seines öffentlichen Wirkens, wenn es sehr kalt wurde oder geregnet hat, mit seinen Jüngern zur Unterweisung, aber auch zum Übernachten in ein Haus gegangen ist. Die Annahme, daß Jesus Häuser für seine Lehrtätigkeit und eventuell auch für andere Aktivitäten verwendet hat, wird durch drei weitere allgemeine Erkenntnisse unterstützt. Zum ersten ist die religions- und geistesgeschichtliche Beobachtung zu erwähnen, daß das Privathaus als Begegnungsstätte religiöser und philosophischer Ideen in der Antike im jüdischen, christlichen und hellenistischen Kulturbereich eine hervorragende Rolle gespielt hat ll . Besonders in der jüdischen und christlichen Kultur sind Privathäuser als "die Urzelle der Zusammenkünfte von Meister und Jüngern" 12 zu sehen. Auch wenn es übertrieben wäre, Jesus nach Art späterer Rabbinen zu verstehen, ist es nicht zu bestreiten, daß er als Lehrer gewirkt hat. Jüdische Lehrer seiner Zeit gingen zwar gelegentlich auf Reisen, aber sie wurden eher mit einer Lokalität und mit einem relativ ortsgebundenen Lebensstil identifiziertl3 • Ihre Anhänger sind zu ihnen gekommen. Auch die Evangelien bezeugen häufig, daß Einzelne und Menschenmengen zu Jesus kamen bzw. gebracht ~urden, und dag die Nachricht von ihm von dem Ort ausging, an dem er tätig war 14 • Auch wenn dies einem Wanderleben nicht unbedingt widerspricht 15 , impliziert es, daß die Menschen oftmals zum Aufenthaltsort Jesu kamen oder gebracht wurden und daß er also häufiger von emem festen Ort aus gewirkt hat, als allgemein angenommen wird l6 . Zugegeben bietet das Haus nur sehr begrenzten Schutz gegen öffentliche Nach· stellungen (vgl. Mk 2,6). Jesu Rückzugsgebiete sind v.a. geographisch entlegene Orte (vgl. z.B. Mk 8,27; 9,30). 11 H.M.!. Gevaryahu, Privathäuser, ASTI 12 (1983), 5-12; vgl. K.H. Rengstorf, Art. !!av13avOJ, ThWNT IV, 421ff; M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 1988, 148f. 12 Gevaryahu, ebd., 5. 13 Vgl. F.H. Barsch, jesus, the Wandering Preacher?, 55. 14 Vgl.Mk 1,28.32.4°.45; 3,8; 6,33; 8,1; 9,17; rO,_I3; Mt 8,34; 9,26.2.8.3 rf; Lk 10
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Die Mengen hätten dort zu ihm kommen können, wo er gerade auf seiner Wanderschaft einen Predigt- und Heilungsaufenthalt machte. Man hat in diesem Zusammenhang sogar von einem "Lehrhaus" jesu in Kapernaum gesprochen (Vgl. A. Schulz, jünger des Herrn, 1964, 14; W.D. Davies, Sermon on the Mount, I963, 421, Anm. 2; B. Gerhardsson, Anfänge der Ev.trad., 1977, 43. Dagegen ist J. Roloff, Kirche im NT, 1993, 39). Aber so weit wollen wir in unserer Studie nicht gehen, denn diese Sicht der Dinge ist problematisch, da
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Hausgemeinde und Mission
Wenn unsere Vermutung richtig ist, daß Jesus in einem Haus gelehrt und dort eventuell sogar Wohnsitz genommen hat, dann würde es auch naheliegen, daß er dort mit seinen Jüngern und der Familie dieses Hauses das häusliche Glaubensleben, wie es im Judentum z. d. Zt. üblich war, gepflegt hat. Es gab zu Hause z.B. Gebete am Morgen, am Mittag und am Abend, bei denen das "Sch'ma Israel" eine zentrale Rolle spielte. Das tägliche Mahl wurde von Segensgesten und -worten begleitet, wobei das jährliche Passahmahl den Höhepunkt bildete, das zur nt!. Zeit auch außerhalb Jerusalems in den Häusern (aber nicht mit Lamm) gehalten wurde!7. Vg!. unseren Forschungsbericht. Zum zweiten: Wenn man die zentrale wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Oikos in der Antike allgemein und in Palästina bzw. Galiläa im besonderem 18 bedenkt, dürfte die Feststellung, daß Häuser im Leben und Dienst Jesu eine zentrale Rolle gespielt hat, auch nicht mehr überraschen. Zum dritten: Für diese Gesamtsicht spricht zusätzlich die Erkenntnis, daß vor 70 n.ehr. die Synagoge nicht nur in der Diaspora, sondern auch in Palästina weit verbreitet gewesen ist 19, möglicher-
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der Begriff Lehrhaus ein besonderes Gebäude andeutet, in dem der Rabbi zwar seine Schüler sammelt, das aber kein Privathaus mehr ist. Ein solches Gebäude wurde normalerweise erst später errichtet, nachdem die. Anzahl der Jünger gewachsen ist (Vgl. Geraryahu, aaO. 5). Es würde für unsere Studie genügen, festzustellen, daß der irdische Jesus in bzw. vor einem Haus eine öffentliche oder esoterische Lehrtätigkeit ausgeübt hat. Zum häuslichen Brauchtum im Judentum vgl. R.R. Geis, Judentum, 1961, 61~64; E. Pax, Familienliturgie, 1972., 2.48-2.61; 1. Elbogen, Gottesdienst, 1967, 14-106; ders., Eingang, 19 I I, I73-r87; Bill. IV, 6II-639; L. Adler, Religion, 1967,9-64; S. Safrai, Religion in Everyday Life, CR1 1,2., 1976, 793-833 v.a.Soo-804. (Paschamahl augerhalb Jerusalems - 80Sff); H.]. Klauck, HG, 1981, 92f. Vgl. S. Safrai, Horne and Family, CRI 1,2 1976, 728-792; und zuletzt R.A. Horsley, Galilee, 1995, 195-201.2.03-207; Y. Hirschfeld, The Palestillian Dwelling in the roman-byzantine Period, 1995, 21-I07.289-2.95. Angaben bei Josephus, Bell II 2.29 (setzt Synagogen in Dörfern in der Umgebung von ]erusalem voraus); Philo, Spec Leg II 62; Vit Mos II 216; Leg Gaj 132; und in den rabbinischen Quellen (möglicherweise übertrieben), ]erusaJem 480, (j Jvleg 73 d), 460 (j Ketr 3 sc), 394 (Ket 10sa); Bethar: 400 Lehrhäuser (Git 58a); Tiberias 13 (Ber Ba; 30b) bestätigen Hinweise im NT (eine Auflistung im NT erwähnter Synagogen bei Bill. lVII 117) für eine weite Verbreitung der Synagoge. Allerdings ist diese Sicht heute nicht unumstritten. Vgl. H.C. Kee, The Transformation of the Synagogue After 70 C.E., NTS 36 (1990), 1-24.8; ders., Early Christianity in the Galilee, 1992.,3-22 v.a. 3-14. J. Neusner, Formative Judaism, 1982,75-83, folgend schließt Kee, daß für das ganze erste Jahrhundert folgendes
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weise überwiegend in der Form von Haussynagogen 20 , d.h. Privathäusern, die zeitweilig entweder durch Umbau oder ohne bauliche
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gilt: "From his (Neusners) analysis of the literary evidence, there emerge no hims of Iiturgical formulae, of institurional organisation, of formal programms or patterns of instrucrion, just as from the archaeological side there is no evidence of srylised architecrural settings for group worship" (13). Für eine Wiederlegung von Kees Argumenten unter Verwendung zahlreicher literarischer, inschriftlicher und archäologischer Belege vgl. R.E. Oster, Supposed Anachronism in Luke-Acts' Use of LYNAHJrH, NTS 39 (1993), 178-208. H. Kee hat auf Oster geantwortet: The Changing Meaning of Synagogue, NTS 40, (1994), 281-2.83. Zu dieser Antwort und für eine Kritik dieser Sicht Kees' vgl. R. Riesner, Synagogues in }erusalem, 1995, 179-2Il v.a.179-r87· L.l. Levine zeichnet in seinem grundlegenden Aufsatz, The Second Temple Synagogue, 1987, 7-31.7, ein sehr nuanciertes Bild, das auch die Vielfalt der Evidenz berücksichtigt. Dennoch kann er den Aufsatz mit einer Aussage beginnen, die nach wie vor die lvlehrheitsmeinung darstellt: "By the end of the Second Temple period the synagogue had become a central institution in Jewish Iife. Ir could be found everywhere, in Israel and in rhe Diaspora, east and· west, in cities as weil as in villages. The synagogue filled a wide variety of functions within the Jewish community and had become by the 1st century a recognised symbol of Jewish presence." M. Hengel, Die Synagogeninschrift von Stobi, ZNW 57 (1966), 175, Anm. 98; H.]. Klauck, HG, 1981, 95-97. J. Wilkinsan, Christian Pilgrims in Jerusalem during the Byzantine Period, PEQ r08 (1976), 75-101.77; L.M. White, God's Hause, 1990., 60-10I; G. Foerster, The Ancienr Synagogues of the Galilee, 1992., 300E. Zuletzr R. Riesner, Synagogues in Jerusalem, 1995, v.a. 186. Ähnlich J. Neusner, Formative Judaism, 1982, 75-83; ihm folgend H.C. Kee, The Transformation of the Synagogue After 70 C.E., NTS 36 (1990), 1-24, v.a. 13f. Sie gehen beide von der Rekonstruktion der pharisäischen Bewegung als einer Laienbewegung aus, die in erster Linie in Privarhäusern mir einer Konzentration auf persönliche Reinheit, Tischgemeinschaft und "a fresh appropriation of the Torah" (Kee, ebd., 14) zusammengekommen ist. Allerdings waren diese Hausgruppen, so Neusner und Kee, keine Synagogen, da sie nicht so genannt wurden und keine Zeichen von formellen institutionalisierten Organisationformen aufweisen (vgl. Zitat Anm. 19). Hier wird aber ein methodologisches Problem sowohl der literarischen als auch der archäologischen Synagogen forschung heute deutlich. Es ist nämlich noch kein Konsens in Hinblick auf die Kriterien für die Identifizierung einer Synagoge erreicht worden. Hier ist zu fragen, ob diese Hausversammlungen nicht schon der Sache nach als Synagogen gelten können, ob sie so genannt wurden oder nicht. Man könnte eins zum Kriterium machen, nämlich die Torah: Sobald eine Gruppe von 10 kultfähigen Männern zusammenkommt (Meg 4,3 = T.Meg 4,14) und die Torah ins Haus gebracht wird, wäre das schon eine Synagoge. Allerdings ist zu bedenken, dag die Torah zwar ein Haus eventuell zur Synagoge machen konnre, daß aber eine solche Rolle sehr teuer gewesen ist und daß es deswegen unwahrscheinlich ist, daß eine ärmere dörfliche Synagogengemeinde sich eine hätte leisten können, was ein Argument gegen eine allzu große Vielzahl von Haussynagogen darstellen würde.
Hausgemeinde und Mission
Veränderung als Synagogen dienten 21 • Man wird wohl für die ärmeren Gegenden Galiläas erst recht mit Haussynagogen rechnen können und nicht mit Prachtbauten, wie wir sie aus dem 3. bis 6. nachchristlichen Jh. kennen 22 • Selbst in relativ kleinen jüdischen Dörfern 21
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Auch die Sicht einer weiten Verbreitung von Haussynagogen vor 70 n.Chr. ist umstritten. Vgl. z.B. R.E. Oster, Supposed Anachronism in Luke-Acts' NTS 39 (1993), I78-208 v.a. 192f" Anm. 55, der betont: "Theories comparing primitive Christian house churches with ]ewish ,house churches' run aground on the dearth of supportive dara from the pre-70 period. It is no accident ... , that the use of the term OiKOC; to describe the setting for early Christian gatherings is relatively frequent in the New Testament, but fundamentally absent in the literary and archaeological records of synagogues of the pre-70 era." Vgl. OrK1l!lU in los Vita 277: Weder ]osephus' allgemeine Verwendung von OtKf]~lU noch der Kontext von Vita 277 verlangen die Auslegung ,Privathaus'. Auch die bekannte SynagogenInschrift von Akmonia (vgl. B. Lifshitz, Donateurs et fondateurs, I967, Nr.33) ist nicht eindeutig in dieser Hinsicht. Vgl. L.M. White, Domus Ecclesiae, 1982, 270ff.283f für weitere inschriftliche Beispiele (auch nach 70 n.Chr.) und eine Besprechung der wissenschaftlichen Debatte hinsichtlich der Bedeutung von otKOC;. Zum Einwand von Oster, daß vor 70 n.Chr. Haussynagogen nicht literarisch bezeugt sind, ist zu bedenken, daß das literarische Material im Ganzen überhaupt sehr schmal ist und daß damit eine zufällige Natur der Nicht-Erwähnung nicht ausgeschlossen werden kann. Auch das Fehlen archäologischer Evidenz ist kein zwingendes Argument gegen Haussynagogen (s. u. Anm. 22). Des weiteren mug konstatiert werden, daß wir noch zu wenig wissen über die Situation vor 70 n.Chr. Deshalb müssen wir die Frage für unsre Studie offenlassen. Vgl. zum Ganzen die Münchener Dissertation von C. Claußen, Gemeinde und Synagoge, 1999 und das Tübinger nt!. Forschungsprojekt von R. Herrmann, Das antike Vereinswesen und die frühen christlichen Gemeinden (beide noch im Erscheinen), die Klärendes zu dieser Problematik beitragen sollten. B. Schwank, Qualis erat forma synagogarum Novi Testamcllti?, VD 33 (1955), 267-279; Z. Ma'oz, The Synagogue oE Gamla ... , I981, 35. Es gibt nur wenige archäologische Hinweise auf eine Synagoge als Gebäude in Galiläa vor dem zweiten ]h. n.Chr. Sichere archäologische lind inschriftliche Spuren für Synagogengebäude vor 70 in Palästina überhaupt sind sehr gering (dazu Levine, Ancient Sunagogues Revealed, I981, 19-35.52-59 und zuletzt R. Riesner, Synagogues in ]erusalem, v.a.184-r87). Vgl. z.B. die Theodotus-Inschrift aus ]erusalem, Masada, Gamla, Herodillm, und Kapernaum? Es bestehen gute Gründe dafür, dal~ unter der Synagoge in Kapernaum (4. bis 5. Jh. oder Ende des 2. bis 3. ]h?) Hinweise für frühere Bauten aus dem 1. ]h. gefunden wurden. Einiges spricht dafür, dalS diese Gebäude Privathäuser waren. Eins dieser Häuser kann in eine Haussynagoge umgebaut worden sein. Vgl. ].F. Strange, Has the House where Jesus stayed .. , BArR 7 (1982), 26-37, v.a. 29f. Zu der Problematik mangelnder Hinweise auf Synagogengebäude vgl. E. Meyers und J. Strange, Archaeology, 1981, I40f: "it is nighly Iikely therefore, that in the period when the temple still stood, a synagogue cOllld weIl have been llothing more than a large meeting room in a private house or part of a larger structure set apart for worship." Die Mangel an archäologi-
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dürfte es solche Haussynagogen gegeben haben 23 . Demnach muß es nicht überraschen, wenn die Evangelien auch für Galiläa eine Vielzahl davon voraussetzen 24 . . All dies sind Hinweise darauf, daß die Juden des 1. Jh. gewohnt waren, sich zu Aktivitäten mit gottesdienstlichem Charakter in einem Privathaus zu versammeln, und das gilt natürlich auch für Jesus und seine jünger25 • Von daher wäre anzunehmen, dafS Jesus Häuser zumindest für seine Lehrtätigkeit, aber eventuell auch für andere Aktivitäten verwendet hat. Die Frage ist nun, ob man aber mit zuverlässigen Überlieferungen belegen kann, daß Jesus ein Haus in dieser Weise gebraucht hat. 2.
Ein Haus in Kapernaum?
Nach einer traditions- und redaktionsgeschichtIichen Untersuchung der r6 Stellen, an denen Kapernaum in den Evv. genannt wird, stellt W. Bösen fest: " ... die Kafarnaum-Tradition ruht auf festem Fundament ... Kafarnaum ist ... fest Imt Jesus verbunden"26. Ursprünglich in den Text "eingeschmolzen" gewesen sein dürfte Kapernaum an wenigstens 7 Stellen, die sich auf drei voneinander unabhängige Traditionssträme verteilen: 1. die Logienquelle Q (Mt 8, 5-r3/Lk 7,1IO; Mt II,20-24ILk ro,13-15), 2. Markus (Mk I,12; 2,r) und 3. die vorjohanneische Tradition (Joh 2,I2; 4,46; 6,I7). Nicht alIe der 29 Belege für Häuser im Markusevangelium sind für unsere FragesteI1ung von Bedeutung27, sondern nur die Stel1en in
23 24 25
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schen Hinweisen für Synagogen vor 70 muß also nicht gegen eine weite Verbreitung der Synagoge in Palästina sprechen, da eine Haussynagoge von einem ganz normalen Privathaus archäologisch nicht zu unterscheiden wäre, es sei denn bauliche Änderungen wären vorgenommen worden. Aber auch dann kann man nie archäologisch beweisen, daß der Bau schon als unverändertes Privathaus für gottesdienstliche Zwecke verwendet wurde (für weitere Erklärungen dieses Phänomens vgl. Levine, Ancient Synagogues Revealed, 35). Vgl. Schrage, ThWNT VII 812; D.E. Gowan, Testaments, 1980, 279f; S. Safrai, Synagogue, eRI 1-2,1976, 909f; M. Avi-Yonah, EAEe IV, 1978, 1129. Mt 4,23/1vlk 1,39; Mt 9,35; Lk 4,14f. Damit soll aber nicht gesagt werden, daß sie den eigentlichen Gottesdienst in einem nicht zum synagogalen Gebrauch deklarierten Privathaus gefeiert haben; dies taten sie wohl noch in einer (Haus)synagoge; vgl.z.B. Lk 4,16·43f; 5,17-26; 6,6-1 I; 7,1-IO; 13,10-I7. Galiläa als Lebensraum, 1985, 83-87; Zitat: 87. Wir gehen hier nicht auf alle 29 Belege für das Haus im MkEv ein. Für eine AufJistung und Besprechung aller Stellen im MkEv vgl. E. Best, Following, I981, 1.26ff
Hausgemeinde und Mission
Mk 1,29.33; 2,1; 3,20 und 9,33, die auf das Haus des Petms in Kapernaum hindeuten. Seit K.L. Schmidt ist es üblich, die Frage nach dem Geschichtswert des die einzelnen Evangelienerzählungen zusammenhaltenden topographischen und chronologischen Rahmens auf Grund formgeschichtlicher Überlegungen im ganzen negativ zu beurteilen 28 • Allerdings ist Schmidts negative Beurteilung des Rahmens der Evangelien inzwischen grundsätzlich in Frage gestellt worden 29 • G.N. Stanton hat gegen Schmidt die Ansicht vertreten, daß die Rahmenangaben meist nicht sekundär, sondern von der ursprünglichen Situation gedeckt sind und damit doch historischen Informationswert haben 30 • Wie dem auch sei, bei vier der fünf uns interessierenden Stellen (Mk 1,29.33; 2,1; 3,20}31 hat K.L. Schmidt selbst die Meinung vertreten, daß es sich um Hinweise auf das Haus des Petrus in Kapernaum handelt, die aus glaubwürdiger, vormarkinischer Tradition und auch H.]. Klauck, HG, 56-62. Vgl. auch E. Ravarotto, La "casa" de! vangelo di Marco e la casa di Simone-Pietro?, Anton. 42 (r967), 399-419, der in 6 der 29 Erwähnungen eines Hauses im MkEv das Haus des Petrus in Kapernaum sieht (Mk 2,1; 3,20; 7,17; 9,28f.33; 10,ro), wobei er sich etwas zurückhaltend zu IO,IO äuf~ert.
28 29 30
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VgJ. v.a. ders., Der Rahmen der Geschichte Jesu, I919 (1964), Seite V. P. Stuhlmacher, Das Evangelium und die Evangelien, 1983,7. Form Criticism Revisited, I975, 13-27, hier v.a. 15-18. \Venn man, so Stanton, die synoptischen Evangeliendarstellungen mit Traditionsüberlieferungen wie der Logienquelle, dem Thomasevangelium und den "Sprüchen der Väter" vergleicht, fällt die erstaunliche Menge von historisch berichtenden Perikopen und der auffällige historische Rahmen der Jesusgeschichte im Gegensatz zu jenen Spruchsammlungen stark auf. "Indeed, on the grounds of the criterion of dissimilarity which is so beloved of many form critics, the framework of Mark emerges with strang claims to historicit)'!", ebd. 15. Stanton macht auch plausibel, daß keine unabhängigen Einzelperikopen himer den Evangelien lagen, sondern eher Gruppen von Perikopen mit einem quasi schall eingebauten Rahmen, der von der ursprünglichen Situation gedeckt war, ebd. 16ff. Dies sieht Stanton dadurch unterstÜtzt, daß "Frequently details which appear either to be irrelevant 01' secondary when a pericope is considered in isolation link up with others to pravide a portrait of Jesus which is stiking and which is oEten unconventional judged by the standards of the day." ebd. 16. An anderen Stellen (Mk 7,14.:2.4; 10,10) hat allerdings der Hinweis auf "das Haus" eher die Funktion, Jesus von den Massen zur Einleitung der esoterischen Jüngerunterweisung abzusondern. Man müj~te in 7,24 in der heidnischen Gegend von Tyrus und in 10,10 irgendwo in Judäa oder Peräa (vgl. 10,1) ein Haus, über das Jesu verfügen konnte, annehmen. Deshalb wird hier eine redaktionelle Bemerkung des Markus zu vermuten sein. Diese Stellen hätten demnach für unsere Studie keinen nachweisbaren historischen Informationswert.
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stammen32 • In Mk 1,29-31 sieht er "in der vorliegenden Fassung das Ergebnis der Umsetzung eines Petrusberichtes in der ersten Person Pluralis in die dritte Person Pluralis". Mk hat nach Schmidt "den alten Bericht ... konservativ wenig geändert ....033 Bei Mk 1,29-31 und 1,32-34 handelt es sich aber "nicht um zwei, sondern um eine geschlossene Perikope"34. Andere Exegeten vertreten eine ähnliche Siches. Die Perikope vom Jünger-Rangstreit bei Markus macht einen sehr altertümlichen Eindruck, so daß man auch hier bei der Erwähnung eines Hauses in Kapernaum mit alter Tradition rechnen kann (Mk 9>33). In Verbindung mit Stellen wie Mk 1,29.33; 2,1 und 3,20 hat man konkret an das Haus des Petrus zu denken. Auch das Mt-Sondergut spricht einmal sicher und einmal wahrscheinlich von einem Haus in Kapernaum, das Jesus besonders zur Verfügung stand. Die Erwähnung eines Hauses, in dem zwei Blinde geheilt wurden (Mt 9,27) und das offenbar in Kapernaum gedacht ist (vgl. Mt 9,1), kann man kaum mit einer besonderen redaktionellen Absicht des Evangelisten erklären36 . In der Erzählung über die Zahlung der Tempelsteuer (Mt 17,24-27) findet in einem Haus in Kapernaum zwischen Jesus und seinen Jüngern ein Lehrgespräch statt. Bei diesem Haus muß es sich um das des Petrus gehandelt haben, weil die Steuereinnehmer hier Petrus nach der Kopfsteuer fragen (17,24). Auch wenn man den historischen Wert der beiden Wundererzählungen gering einschätzt 37, kann man fragen, ob sich in beiden Geschichten ein Wissen um die besondere (vor-/nachösterliche?) Bedeutung des Petrus-Hauses spiegelt. Jedenfalls ist auffällig, daß sich hier vormatthäisehe Tradition mit zuverlässigen markinischen Traditionen (1,29.33; 2,1; 3,20) berührt. Der exegetische Befund, daß mindestens einige Hinweise auf das Haus des Petrus in Kapernaum bei Markus historisch gut begründet Der Rahmen der Geschichte Jesu, 1919 (1964), 55-58.78f.r20.229f. Ebd., 56. l4 Ebd., 57. 3S SO auch schon Th. Zahn, Einleitung in das NT, Bd. II, 19°7, 2)1f. Vgl. z.B. noch Lohmeyer, Mk, 40; Ta)'lor, Mk, 178;]. Jeremias, Theologie, 1973,95" Anm. 31 mit zusätzlichen Argumenren; ihnen folgend W.L. Lane, Mk, 1974, 7M; R. Riesner, Jesus, 353; .M. Hengel, Probleme des Markusevangelil1lns, 1983, 252-257. Hengel argumentiert überzeugend, daß hinter dem MkEv petrinische Autorität stehe und daß eine Abhängigkeit des Autors von Petrus festzuhalten sei. 36 Vgl. J. RoloH, Kerygma, 1973, 132. 37 Anders zu Mt r7, 24-27 vgl. W. Horbury, The Temple Tax, I984, 265-286 und zu Mt 9,27-3 I vgl. C.L BIomberg, Mt, r62f. 31 33
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Hausgemeinde u11d j\1issiolt
sind, wird durch einen archäologischen Sachverhalt unterstützt. In tell-Hum (Kapernaum)38 weisen Untersuchungen auf die Existenz einer Lokaltradition über das Haus des Petrus schon in der zweiten Hälfte des I. Jh. Von einer Kirche in Kapernaum, die aus dem Haus des Petrus gebaut worden sei, erzählt Egeria (Atheria) in ihrem Pilger bericht aus dem späten 4. oder dem frühen 5. Jahrhundert39 • Diese Nachricht wird durch die seit 1968 von Virgilio C. Corbo und Stanislao Loffreda durchgeführten Ausgrabungen40 bestätigt: Unter einer oktogonalen byzantinisch en Basilika des 5. Jh. wurde ein Kirchengebäude aus dem 4. Jh. entdeckt. Beide Bauten waren zentriert auf einem Privathaus aus dem I. Jh. n.Chr., das sich von allen anderen Gebäuden aus frührömischer Zeit, die bisher in Kapernaum gefunden wurden, durch einige Eigenheiten abhebt (s. u. Grundrisse im Anhang, S. 508ft). Z.B. bezeugen Bruchstücke von Ornamenten und Inschriften, daß dieses Privathaus schon vor dem 3. Jh. von Judenchristen für gottesdienstliche Zwecke gebraucht wurde 41 • Zwei Inschriften mit dem Namen Petrus sind Hinweise auf eine besondere Verbindung zwischen diesem Gebäude und dem Apostel. Eine mehrfache Erneuerung des Kalkfußbodens im Wohnzimmer des Hauses schon in der zweiten Hälfte des I. Jh. läßt damals schon allf eine besondere Bedeutung dieses Hauses schließen. Auch wurden besonders zahlreiche Fragmente von Öllampen gefunden, und dies weist auf eine mögliche Verwendung als Versammlungsort einer Hausgemeinde hi0 42 • Für die Existenz einer judenchristliche Gruppe in Kapernaum seit Ostern sind Mk 14,28; r6,7f par und Joh 21,1-14 indirekte Hinwei-
38 Tell-Hum ist mit Kapernaum zu identifizieren. Vgl. 39 40
41
41
C. Kopp, Die Heiligen Stätten der Evangelien, 1964, 215-2.3°. "In Capharnaum autem ex domo apostolorum prillcipis ecclesia facta est, qui parietes usgue hodie ita stant, sicut fuerunt." CSEL XXXIV, 1898, luf. V. Corbo, The House of Saint Peter at Capharnaum, 1969; ders., Cafarnao I: Gli edifici della Citta (PdSBF 19), J975. S. Loffreda, Recol'ering Capharnaum, 1993, 50-68. Vgl. auch I. Mancini, L'archeologie judeo-chretienne, 1977, 78- 82; J. Murphy-O'Conner, The Holy Land, 1992, 225; vorsichtiger: L.M. White, Domus EccIesiae, 1982, 165-169; für eine Bestreitung unserer Sicht vgl. Joan E. Taylor, Christians and the Holy Places, 1993,268-295. Vgl. u.a. eine Inschrift, die sich auf einen vermutlich judenchristlichen Zusatz zu der apokalyptischen Schrift 3Bar 4,9-15 bezieht. Vgl. Apg 20,7f.
Die vorösterliche "erwendullg von Häusern
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se 43 • Diese Gruppe von Judenchristen kann sowohl eine Lokaltradition bewahrt und selbst die Gemeinschaft dargestellt haben, die diese Hausgemeinde bzw. Hauskirche bildete. Nach einer rabbinischen Nachricht44 müssen die Judenchristen dort im 4. Jh. sogar ziemlich zahlreich vorhanden gewesen sein 45 . Allerdings hat Joan E. Taylor grundsätzliche Kritik an dieser Sicht geübt46 • Sie bestreitet, daß man das Haus des Simon Petrus in Kapernaum tatsächlich entdeckt habe 47• Ihre Argumentation basiert v.a. auf der Behauptung, daß die von den Ausgräbern vorgeschlagene Chronologie zu korrigieren sei, nach der eine Hausgemeinde im Haus des Petrus am Ende des 1. Jh. und eine Hauskirche im 4. Jh. nachweisbar sind. Zentral in der Diskussion der Datierung der sog. Insula I der Schicht I (nach den Ausgräbern: die Hausgemeinde im Haus des Perrus) ist die Bedeutung des Kalkfußbodens im Saal N. 48 , der von den Ausgräbern in die zweite Hälfte des 1. Jh. datiert wird. Diese Datierung basiert auf 20 Fragmenten von herodianischen Öllampen49 , auf dem Befund zweier Topfränderso und eines Krugrandes AIs!, die alle zwischen den dünnen Kalkschichten in kleinen Betten von schwarzer Erde gesammelt wurden und auf den terminus post quem, den die Keramik der vor43 44
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46
47 48 49
50 51
Wann genau diese Hausgemeinde gegründet wurde, ist unbekannt (s. S. 91, Anrn. 182). KohR 7,27, 38a. Die Stelle KohR 1,8, die früher als Beleg für die Existenz einer judenchristlichen Gruppe in Kapernaum für die Wende vom r: zum 2. Jh. diente, ist aber umstritten. Vgl. Johann Maier, Jüdische Auseinandersetzung mit dein Christentum in der Antike, I982, II9f; J.E. Taylor, Holy Places, 1993, 26. Bill.I 159f ist für die Auslegung des Belegs nicht mehr maßgeblich. Vgl. zu KohR 1,8 allerdings auch S. Freyne, Galillee frorn Alexander ... 1980, 347f und J. Blenkinsopp, The Literary Evidence, 1989, 201-212, v.a. 203; "While the term min can denote more than Olle type of sectarian or apostate, these particular minim and sinners ... were almost certainly Christians of Jewish origin. " Capernaurn and its 'Jewish-Christians', Bull. of the Anglo-Israel Archaeological Soc. 9 (I989-90), 7-28; dies., Christians and the Holy Places, I993, v.a. 269294; dies., A Critical Investigation ... , PhD Edinburgh, 1989. Für eine Widerlegung der Argumente von Taylor vgl. S. Loffreda, La Tradizionale Casa di Simon Pietro a Cafarnao, 1993,37-67. Vgl. J.E. Taylor, Capernaum and its 'Jewish-Christians', 26. Das sogenannte "Wohnzimmer": vgl. Abbild I bei S. Loffreda, La trad. Casa oder Fig. 4, Bereich b bei V. Corbo, Cafarnao I, 78. Registrierungsnummer: 5477-549 6. Registrierungsnr.: 5497f . Registrierungsnr.: 5499.
Hausgemeinde tmd Mission
hergehenden Schicht B ergeben hatte sowie auf der Grundlage dessen, was in der darauffolgenden Schicht A gefunden worden isrs 2 • Gerade diese Datierung des Bodens und damit die ganze Chronologie der Ausgräber stellt Taylor radikal in Frage. "It is unclear when precisely the intermediate beaten lime floors were laid; they may have been put down as late as the middle of the 4th century, or as early as rhe beginning of the 3rd. There is unsufficient evidence to be conclusive. They did not, however, come from the Ist century"53. Aber wie läßt sich die Anwesenheit von Fragmenten herodianischer Lämpchen in jener dünnen schwarzen Erdschicht zwischen den verputzten Böden erklären? J.E. Taylor schlägt als Erklärung folgende Hypothese vor. Die Fragmente "could have been embedded in the mix if it was made in a refuse dumpoutside the city (a probable place for lamp burning)"54. Abgesehen davon, daß Taylor hier in einer unbegründeten Hypothese Zuflucht suchen muß 55 , ist ihr an dieser Stelle ein Irrtum unterlaufen: Jene Fragmente wurden nicht, wie sie behauptet, in der Kalkschicht gefunden, deren Durchmesser noch dünner als die der fraglichen Fragmente ist, sondern in der Zwischenschicht von schwarzer Erde56 . Außerdem gibt es noch ein weiteres Datierungsindiz, das Taylor völlig entgangen ist, nämlich das Vorhandensein eines ganzen Topfes (Nr. 4635) aus dem 1. Jh., mit seiner Unterseite unmittelbar auf den verputzten Böden stehend, von denen hier die Rede isrs 7 • Taylor behauptet auch, daß S. Loffredas Datierung der Keramik, die im Schotterboden B des Saales N. I gefunden wurde58 , korrigiert werden muß. "Bed B was laid in the middle of the Ist century 01' the beginning of the 2nd and continued to be used ... until at least the 3rd century. "59 Allerdings kann, nach Urteil Loffredas, dieser Fußboden nicht weit über die Mitte des I. Jh. in Gebrauch gewesen sein, Corbo, Cafamao I, 80. J.E. Taylor, Capernaum and its Jewish-Christians, r8. 54 Ebd., 18. 55 S. Loffreda, La trad. Casa, 54: "Glaubt die Wissenschafrlerin Taylor denn tatsächlich, eine von den Ausgräbern vorgeschlagene Chronologie um fast drei Jahrhunderte korrigieren zu können, indem sie sich einfach einer Hypothese bedient, die sich auf die Krücke eines "jf" stützt?" (Übersetzung von mir = RG). 56 S. Loffreda, La trad. Casa, 54. 57 V. Corbo, Cafamao I, Foto 41; S. Loffreda, Cafamao II, Fig. 2:2 und Foto 2:2. 58 La trad. Casa, 55, fig. r6: 1-7; ders., Cafamao II, rr6f, Fig. 39: r-7· 59 CapemaUIn :lnd itsJewish-Christians, 17. 52 53
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
weil darin die Keramiktypen gänzlich fehlen, die in Kapernaum im späten 1. Jh. vorkommen 6o . Taylor stellt die Datierung der domus ecclesiae der Schicht 2 ebenfalls in Frage. Zentral an ihrem Argument ist ihr Vorschlag, daß der polychrome Fußboden der domus ecclesiae, den die Ausgräber aufgrund von Münz- und Keramikfunden auf das 4. Jh. datieren, fertiggestellt worden sei "as late as the mid-fifth century"61, d.h. in der Zeit, in der der Aussage V. Corbo zufolge die nachfolgende oktogonale Kirche erbaut worden ist. Dies steht aber im Widerspruch zu einer vorhergehenden Behauptung Taylors. "A 5th-century dating of the octagonal structure (Corbo, I975, 56) seems reasonably sure on the basis of coins from the first two decades of the 5th century found beneath the mosaic pavements (1975, 54) and from pottery." Wenn das Datum für die Erbauung der oktogonalen Kirche (Schicht 3) in der Mitte des 5. Jh. "reasonably sure" ist, wie kann es dann auch für die Erstellung des Bodens der domus ecclesia (Schicht 2) gelten?62 Wir müssen feststellen, daß die Behauptung Taylors, die Chronologie der Ausgräber müsse korrigiert werden, nicht ausreichend begründet ist. 63 Wenn wir diese archäologischen Daten mit der Annahme verbinden, daß Markus Petrus-Tradition kannte, so daß die Rahmenangaben in Mk 1,29.33; 2,1; 3,20 und 9,33 nicht sekundär, sondern von der ursprünglichen Situation gedeckt sind und daß die KapernaumTradition auf festem Fundament steht, dann kann man annehmen, daß die Angaben für häufige Aufenthalte Jesu im Haus des Petrus in Kapernaum zuverlässig sind. Nun kann nach dem Kriterium der Kohärenz gefragt werden, ob es Traditionen gibt, die inhaltlich mit diesem kritischen Minimum übereinstimmen und dieses auch ergänzen.
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Loffreda, La trad. Casa, 56. Capernaum and its ]ewish-Christians, 18. Loffreda, La trad. Casa, 58. Nach Loffreda ist auch Taylors These, daß ]oseph von Tiberias der Erbauer der domus ecclesia war, aus chronologischen Gründen nahezu unmöglich (vgJ. La trad. Casa, 58f.60f.). "Die große Umwälzung der Chronologie, wie sie Taylor vorschlägt, gründet ... auf der Mißachtung der elementarsten Regeln der Keramologie ... und auf hypothesengestützten Phanrasiegebäuden, die in der Archäologie nichts bewirken" (S. Loffreda, La trad. Casa, 56, [meine Übersetzung = RG]).
Hausgemeinde und Mission
3. Jesus und das Haus des Petrus
a) Kapernaum und das Haus des Petrus als Wohnsitz Jesu DafS in den Evangelien eine besondere Konzentration auf Kapernaum zu konstatieren ist, wurde schon vielfach beobachtet64 • Kapernaum erscheint in allen Evv. als der Ort, wo sich Jesus nach Beginn seines öffentlichen Wirkens vorzugsweise aufhielt65 • Auch der Eindruck, den die synoptischen Evangelien vermitteln, geht dahin, daß mehrere Ereignisse im Leben Jesu in Kapernaum stattgefunden haben 66• Es entsteht der Eindruck, daß der rote Faden in der Geschichte immer wieder auf Kapernaum zurückführt67 • DafS sich mehreres im Leben Jesu in Kapernaum abgespielt haben kann, wird auch von Lk 10,I5IMt II,24 unterstützt. "Das Höchste" von allen galiläischen Städten erlebte Kapernaum: Mit der "Erhöhung" Kapernaums umschreibt die Logienquelle das Wirken des irdischen Jesus an diesem Ort68 . Diese Erhöhung wird um so verständlicher, wenn Jesus dort zeitweilig gewohnt und so in Kapernaum mehr als in anderen Städten gewirkt hätte69 • Wie bei den meisten Logien der Synoptiker, ist der Ursprungs ort von Lk 10,13-151 Mt II,21-24 umstritten 70 . Bultmann hielt den Weheruf über die galiläischen Städte für Gemeindebildung, "denn die Worte blicken auf die abgeschlossene Wirksamkeit Jesu zurück und setzen den Mißerfolg der christlichen Predigt in Kapernaum Vgl..1. Gllilka, Mk I, 78; J. Ernst, Mk, 63; E.F.F. Bishop, Capernaum, CBQ 15 (1953),431; E.M. Meyers und ].F. Strange, Archaeology, 1981, 126; W. Trilling, Das Wahre Israel. Studien zur Theologie des Mt-Ev, 1964, 132. Für TriJling ist die Konzentration auf Kapernaum allerdings auf mt Redaktion zurückzuführen. Vgl. auch W. Bösen, Galiläa als LebeIlsraum, 1985,9°. 65 Mk 1,2; 1.,1; 9,33; l'vIt 4,13; II,23 par Lk To,15;]oh 2,12; 6,17-59' 66 V.a. im MkEv ist dies teilweise zufällig, kann also nicht auf redaktionelle Absichten zurückgeführt werden. Anderes ist von Mt behauptet worden. Vgl. E.F.F. Bishop, Jesus and Capernaulll, CBQ 15, (1953), 427-437. 67 Vgl. z.B. das MkEv: Mk I,2r.29; 2,r.15; 3,20.31f; 9,28?33. 68 So zu recht J. Schniewind, Mt, I48; \V. Grundmann, Mt, 3 13f; ders. Lk, zr 1j E. Percy, Botschaft, I953, luf; E. Neuhäusler, Anspruch, 1962, 201; S. Schulz, Spruch quelle, 1972,366. Gegen J. Welhausen, Mt, 54f; R. Bultmann, Geschichte, 1979, II9f; E. Klostermann, !vit, 100. 69 R. Peseh, Mk I, 120; W. Bösen, Galiläa als Lebensraum, 1985, 94. S. Schulz, Spruchquelle, 1972., 365: "Das Höchste von allen galiläischen Städten erlebte Kapernaum." Vgl. Lk 4,23 als Bestätigung dieser Sicht. 70 Zusammenstellung in: S. Schulz, Spruch quelle, 1972,362, Anm. 257. 64
Die uorösterliche Verwendwtg von Häusern
voraus"71. Ihm folgt Käsemann, der zusätzlich auf die prophetischen Züge der Logien hinweist, die sie in eine prophetisch-enthusiastische Bewegung im frühen nachösterlichen, palästinischen Christentum einordnen lassen 72 • Es ist nicht zu bestreiten, daß der \Veheruf prophetische Züge enthält. Allerdings ist es schwierig, eindeutige formale Kriterien zu finden, um zwischen vor- und nachästerlicher Prophetie zu unterscheiden 73 • Auch -wenn man einräumt, daß ein gewisser prophetischer Stil nachzuweisen ist, beweist dies noch keinen nachösterlichen Ursprung der Logien. Es läßt sich nicht ausschließen, daß Jesus selbst in prophetischem Stil und bei Gebrauch von Bildern aus dem AT und Anspielungen auf dasselbe gepredigt hae4 • Es ist gut denkbar, daß er einen solchen Weheruf wie Lk IO,I3-I5 ausgesprochen hat, wenn er gegen Ende seiner Wirksamkeit in Galiläa den Eindruck bekommen hat, seine Botschaft würde in seinem Heimatgebiet abgelehne5 • Da es sich bei der Gerichtsankündigung gegen Chorazin, Bethsaida und v.a. Kapernaum um Prophetien handelt, die sich im Fall von Chorazin und Kapernaum nicht durch den Jüdischen Krieg erfüllt haben, müssen die Belege echt sein. Es wäre sinnlos, nach Ostern unerfüllte Vaticinia zu erfinden. Aus diesen und anderen Gründen befürworten viele Ausleger wenigstens im Kern die Ursprünglichkeit der Logien76 •
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Geschichte, II8. Zur Kritik dieser Sicht vgl. Schneider, Lk T, 239. NT Questions for Today, 1969, 100; Vgl. dazu auch M.E. Boring, Sayings of the Risen 1esus, 1982, 147, der u.a. auf "allusive use of the OId Testament" hinweist. Selbst die sehr bekannten Kriterien der "Sätze heiligen Rechtes", die Kiisemann aufstellt, sind zu recht kritisiert worden. Vgl. K. Berger, Zu den sog. Sätzen ... , NTS 17 (1970/71), 10-40; ebd., Die sog. "Sätze heiligen Rechts" im NT, TZ 28 (I972), 3°5-33°; D.E. Aune, Prophecy in early Christianity, 1983, I 66ff. Vgl. Mk 8,1.8; Lk 13,33. Vgl. P. Gaechrer, Mt, 1963, 37 2 . W.G. Kümmel, Verheißung und Erfüllung, 1953, 30; F. Hahn, Missionsverständnis, 1963, 27.34; C. Kopp, Die Heiligen Stätten, 1964, 214; 1. 1eremias, 1esus' Promise to the Nations, I967, 50, Anm. I; W. TrilIing, Fragen zur Geschichtlichkeit Jesu, 1967, T03; J. Schniewind, Mt, I47; W. Grundmann, Lk, 2.I I; J. Ernst, Lk, 336; G. Schneider, Lk, 239; F. Mußner, Gab es eine 'galiläische Krise'?, 1973, 244; R. Laufen, Doppelüberlieferung, I978, 276. P. Hoffmann, Studien, I982, 303, bes. Anm. 53; R. Pesch, Mk I, 120. Für eine KompromißIösung vgl. S. Schulz, Spruchqelle, I972, 362-366, bes. auch Anm. 282.
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Man könnte nach lvIk 2,1 77 ; Mt 4,13 78 und Mt 9,1 sogar vermuten 79 , daß Kapernaum nach Nazareth ein neuer Wohnsitz Jesu wurde 8o • Daß Kapernaum Wohnsitz Jesu gewesen ist, wird auch durch Mt 17,24-27 nahegelegt: Jesus wurde von den Steuereintreibern belangt, die die Steuern für den Tempel einkassierten, als er im Haus des Simon Petrus wohntesl. Den vielen antiken Belegen über die jüdische Tempelsteuer ist zu entnehmen, daß jemand, der die Steuer nicht im Tempel ablieferte, dies auch in seinem Wohnort tun durfre 82 • Nach Mt war es Petrus, der die Steuer für Jesus und für sich 77
Ö"tL ev OlKlP ecn;(v. Der Präpositionalausdruck ev OIKlP kann "in einem Haus" oder "zu Hause" übersetzt werden. Die zweite Übersetzung ist hier vorzuziehen (Bauer-Aland', II36), d.h. in dem ihm üblicherweise zur Verfügung stehenden
Haus. Hier wird berichtet, daß Jesus sein ursprüngliches Zuhause, !';azareth, verlieB und er "kam und wohnte (Ka"tct>KT)OEV) in Kapernaum". 79 ~),ecV Eie; "ti]v iöfav JtOALV. Mt 4,13 und 9,1 werden im allgemeinen von der Forschung aufgrund von Stilbeobachtungen und Mt 4,13 wegen des nachfolgenden Reflexionszitates aus Jes 8,23-9,1 als mt Redaktion eingestuft und sind demnach ohne historischen Informationswert (vgl. z.B. Schweizer, Mt, 37.145). Da wir-aber schon gezeigt haben, daß die mk Belege für häufige Aufenthalte Jesu im Haus des Petrus in Kapernaum als zuverlässig gelten können, ist die Annahme vom Kriterium der Kohärenz her berechtigt, daß Mt 4,13 und 9,1 in ihrem historischem Wert auch glaubwürdig sind. Allerdings gehören beide Stellen zu Rahmenstücken. Doch wenn die Forschung mit ihrer Vermutung einer mt Redaktion recht hätte, kann Mt hier wie dort, wenn nicht aus historischem Wissen, so doch im Gespür für die historische Wirklichkeit die Verse selbst gestaltet haben, vgl. W. Bösen, Galiläa als Lebensraum, 1985, 90. 80 E. Schweizer, Mt, 145; H.M.!. Gevaryahu, Pl'ivathäuser, ASTI I2. (1983), 5-I2, v.a. 9; S. Loffreda, La trad. Casa, 38; anders W. Bösen, Galiläa als Lebenraum, 90ft; vgl. auch J. Blinzler, Die Heimat Jesu, BiKi 25 (1970), 14-2.0, V.a. 18ff. Blinzler wendet sich in diesem Aufsatz gegen die These von H. Stegemann, (Antrittsvorlesung in Bonn, 1969), daß Jesus auch in Kapernaum geboren und aufgewachsen sei und sieht Kapernaum dagegen nur als Wohnsitz Jesu. Vgl. dazu auch ].S. Kennard, Was Capernaum tbe Horne of Jesus? JBL 65, (1946), 13114 1. Billerbeck (Bill. 1,493 f) sieht in Kapernaum sogar "die Stadt, deren Bürger er war", deren Voll bürgerschaft Jesus durch einen Aufenthalt von zwölf Monaten erworben hatte. 81 Zum historischen Wert von Mt 17,24-2.7 s. S. 59. 82 Belege zusammengestellt bei Bill.I, 760-773. Vgl. v.a. m. Seqal. 1,1.3; 2,1 aber auch Ex 30,13 und Neh 1O,32.f (LXX); Jos. Bell. 3,194-196; b. ßek. 50b; B. Qam. 36b. Dag der tatsächliche Wohnort maßgebend war, ist eigentlich selbstverständlich. Dafür spricht auch Jos. Bell. 7,6,6 § 1.18. Vgl. D.E. Garland, IVlatthew's Understanding of the Temple Tax (Mt 17,24-27), 1987, 190-209, v.a. 190-195; W.Horbury, The Temple Tax, 265-286; L. Kadman, Temple Dues and Currency in Ancient Palestine, Israel Numismatic Bulletin I (1962.),9-1178
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
bezahlt hat. Daraus kann man folgern, daß Jesus (jedenfalls aus der Perspektive des Evangelisten Matthäus) mindestens zeitweilig im Haus des Petrus zu Kapernaum seinen Wohnsitz hatte 83 •
b) Das Haus des Petms als Versammlungsraum und Ort von Jesu Heilungs- und Lehrtätigkeit Die fünf Stellen (Mk 1,29.33; 2,1; 3,20; 9,33), die vom hohen Geschichtswert sind (s. S. 57ff), belegen eindeutig eine Heilungs- und Lehrtätigkeit Jesu in und vor dem Haus des Petrus zu Kapernaum. Die beiden aus dem Sondergut des Mt stammenden Erzählungen (Mt 9,27-3I; I7,24-27) sind zwar historisch weniger sicher8\ aber auch sie bestätigen das durch die o.g. Stellen vermittelte Bild. Nach Mk I,29-3 I geht Jesus in das Haus des Petrus und heilt dort dessen fieberkranke Schwiegermutter. Am Abend werden Kranke und Besessene zu Jesus gebracht und dort vor dem gleichen Haus "mit der ganzen Stadt vor der Tür versammelt". Nach lvlk 1,33 werden diese Kranken und Besessenen von Jesus geheilt bzw. von bösen Geistern befreit. Im gkichen Haus in Kapernaum heilt er einen Gelähmten (Mk 2,1)85. Auch Mt berichtet davon, daß Jesus im Haus des Petms geheilt hat. Das "Haus" in der Geschichte von der
So auch W. Grundmann, Mt, 409; J. Blinzler, Die Heimat Jesu, 19; und S. Loffreda, La trad. Casa, 38. Vgl. auch C. Kopp, Die Heiligen Stätten, I964, 214, "Das Heim des Petrus war allem Anschein nach auch das Haus Jesu." 84 Vgl. Anm. 82. 86 und s. S. 57fI. 85 Hier ist die Anwesenheit Jesu in einem Haus für den Fortgang der Erzählung notwendig; das "im-Hause-Sein" Jesu stammt somit aus der Tradition; vgl. Bultmann, Geschichte, 1979, 12; D.A. Koch, Wundererzählungen, 1975, 46f; J. Gnilka, Mk I, 98. Die Erzählung hat ihren Ursprung nicht erst in der Gemeindeunterweisung, sondern im Leben Jesu, gegen z.B. I. Maiseh, Heilung, I 97 I, 75 E; P. Fiedler, Jesus und die Sünder, 1976, LOSf. Zur Historizität der ältesten Schicht der Erzählung vgJ. R. Peseh, Mk I, 157, der mit Recht bemerkt, daB die Züge der ältes!en Tradition "Schema und Topik der Wundergeschichren sprengen" und "auf historische Grundlagen, einen Haftpunkt im Leben Jesu verweisen". Vgl. auch M. Trautmann, Zeichenhandlungen, I980, 235-248, die erwas vorsichtiger als Pesch, aber (die Forschungsgeschichte lind die wichtigsten Pro-und-ContraArgumente abwiegend) doch überzeugend nachweist, daB die älteste Schicht der Erziihlung, Mk 2,I.2ab.3-5 .Irf - die Heilung des Gelähmten also, im Leben Jesu begründet war und die wesentlichen Elemente des historischen Ereignisses widerspiegelt. Auch sie kommt zu dem Schluß, daß das "Haus" ursprünglich sei, der Hinweis auf Kapernaum aber nicht (Zeichellhandlungen, 244, Anm. 37). Hier folgt sie allerdings K.L. Schmidts Urteil. Siehe S. 58I. 83
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Heilung zweier Blinder (Mt 9,27-31) ist nach Mt in Kapernaum zu lokalisieren (Mt 9,1) und mit dem Haus des Petrus identisch. Im Anschluß an die Berufung des Zwölferkreises wird berichtet, daß Jesus in ein Haus ging (vom Kontext her wohl das Haus des Petms). Daraufhin versammelte sich eine Menge, so daß sie kaum essen konnten (Mk 3,20). Es wird zwar weder von einer Heilungsnoch von einer Lehrtätigkeit Jesu gesprochen. Es läßt sich aber gut vorstellen, daß sich die Menge aus einer bestimmten Erwartung heraus versammelt hatte - eventuell in der Hoffnung, daß er wieder jemanden heilen würde oder auch um Jesus reden zu hören? Auf jeden Fall wird davon berichtet, daß die Menge innerhalb und auiSerhalb des Hauses versammelt ist. Das Haus des Petms mit seinem Hof dient als Sammelpunkt bzw. als Versammlungsraum für Anhänger Jesu und die an seiner Botschaft und Person Interessierten 86 • Eine Lehrtätigkeit in diesem Haus wird aber viel deutlicher in Mk 9,33 belegt. Wiederum in Kapernaum "daheim", führt Jesus im Haus des Petms ein Lehrgespräch mit den Jüngern nach ihrem Rangstreit. Jesu Lehrtätigkeit in diesem Haus wird auch von einem Seitenreferenten bestätigt. In der Erzählung von der Tempelsteuer (Mt 17,24-27) nämlich findet ein Meister-Jünger-Gespräch, also ein Lehrgespräch, in dem'Haus des Petms in Kapernaum statt. An dieser Stelle ist zu fragen, ob nicht im Lichte der o.g. Beobachtungen auch die mk Darstellung der esoterischen Jüngerbelehmng, die sehr oft "im Haus" stattgefunden haben soll, plausibel erscheint87 • Es kann sein, daß dieses Schema seinen Sitz im Leben in der frühchristlichen Katechese hat und daß sich darin die Situation der mk Gemeinde spiegelt88 • Es ist aber genauso gut möglich, daß auch schon die "Katechese" Jesu in Häusern stattfand. Daß Jesus nicht nur im Freien und in der Synagoge, sondern auch in Häusern 86
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Dies läßt sich um so besser vorstellen, wenn mall sich die Ergebnisse der Ausgrabungen in Kapernaum und deren Rekonstruktionen und isometrische Darstellungen der Insula vergegenwärtigt (so u. unsere Grundrisse und Bezeichnung im Anhang S. 508ff). Vgl. dazu S, Loffreda, Recovering Capharnaum, 1993, 50-67, Für die Bedeutung des Hofes im Privatleben einer palästinischen Familie (so S. 89). Natürlich dann nicht unbedingt immer im Haus des Petrus. Vgl. Mk 7,I4f. 17. [823; 9,I4-27.28f; 10,2-9.10-12. Vgl. auch die Stellen bei Mk ohne direkte Verbindung zum Haus, z.B. Mk 4,10, aber auch bei Mt 13,36. Vgl. z.B. H.]. Klauck, HG, 62, "Wie die Jünger, wußten sich die Christen in ]esu Lehrhaus aufgenommen, wo ihr anfänglicher Glaube seine wissensmäßige Vertiefung erfährt."
Die vorösterliche \ferwendung von Häusern
gelehrt hat, ist historisch sehr wahrscheinlich (s.o.), und es wurde eben gezeigt, daß er dies zumindest im Haus des Petms getan hat.
e) Das Haus des Petrus als Stützpunkt von Jesu Mission Die o.g. Erkenntnisse, die die These unterstützen, daß Jesus in Kaperna um seinen Wohnsitz hatte, schließen natürlich nicht aus, dafS Jesus als Wanderprediger gewirkt hat89 • Allerdings ist die Vorstellung von Jesus als Wanderprediger genauer dahin zu bestimmen, daß "es für ihn wenigstens eine zeitweilige stabilitas loci gab "90. Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß Jesus sich für eine bestimmte Phase seines Wirkens auf die Gegend von Kapernaum, Bethsaida und Chora·· zin konzentriert hat (vgl. Mt II,2Iff/Lk II,I3-IS). Im Mittelpunkt der bei den Drohworte stehen die Dörfer Chorazin, Bethsaida und Kapernaum 91 • Während dieser Zeit mit Wohnsitz in Kapernaum stand das Haus des Petms ihm als Stützpunkt (als Standquartier und "Zentrum")92 für sein missionarisches Wirken am See Genezareth zur Verfügung.
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Summarien: Mt 4,23/Mk 1,39/Lk 4,44; Mt 9,35; Lk 4,14f.lVlk r,21-39; Lk 4,43; I3,33· VgL]. Jeremias, TheoL, 1973, 95; ders., Die Drei-Tage-Worte, 1976, 83 bes. Anm. 10; ders., Die Sprache des Lk. Ev., 1980, 234; H. Schürmann, Lk J, 1969, 25 6. R. Riesner, Jesus, 439; anders G. Theißen, Soziologie der Jesllsbewegung, 1977, 16. Allerdings ist diese stabilitas loei von der der rabbinischen Schriftgelehrten zu unterscheiden. Denn der Rabbi "was tied to the hause where he taught" (M. Hengel, The Origins of the Christian Mission, r983, 6rf.). Die stabilitas loci Jesu in Kapernaum war eben zeitweilig. Spitzenfunktion in diesem Dreieck weist der Text eindeutig Kapernaum zu: Während Jesus Chorazin und Bethsaida unmittelbar nacheinander und mit gleichlautendem "Wehe" anredet, wendet er sich Kapemaum in einem eigenen, durch Endstellung betonten Zuspruch, an Leiden reich, aber ohne "Wehe", doch in noch schärferer Form, zu: "Und du, Kapernaum ... !U (A. Schlatter, Mt, 380; S. Schulz, Spruch quelle, I972., 365). Denkt man an die "Machttaten" im ersten Drohwort gegen Chorazin und Bethsaida (Mt 1l,2I/Lk ro,13), legt sich auf Grund der Parallelisierung eine Akzentuierung des \Virkaspektes nahe: Kapern~um fühlt sich "bis zum Himmel emporgehoben" durch Jesu Wirken, durch sein Reden und Tun in Kapernaum und von Kapernaum aus. In diesem Sinne sieht W. Bösen den Wehe ruf als starken Hinweis dafür, daß Jesus die Stadt Kapernaum "zum Mittelpunkt seines galiläischen Wirkens gemacht hat: Nirgends sonst hat er eindrucksvoller gepredigt, nirgends sonst hat er mehr \Vunder getan" . Für Bösen ist damit Kapernaum eine Art Zentrum für das messianische Wirken Jesu gewesen (Galiläa als Lebensraum, 94)' J. Gnilka, Mk I, 78, glaubt, dag Kapernaum "ein besonderer Stützpunkt der Wirksamkeit Jesu gewesen sein muß". Für.J- Ernst, Mk, 63, ist "die Vermutung,
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Daß diese drei benachbarten Dörfer den Kern der galiIäischen Wirksamkeit Jesu bilden, ist schon oft beobachtet worden 93 • Die Orte dieses "evangelischen Dreiecks" liegen nur zwischen ein und zwei Wegstunden auseinander. Die Lage von Kapernaum zur Zeit Jesu ist mit dem modernen tell-Hum am See Genezareth ca. 4 km westlich vom Einfluß des Jordan in den See zu identifizieren 94 • Chorazin wird außer im Weheruf zwar in den Evv. nicht mehr erwähnt, aber in anderer frühjüdischer Literatur finden wir einige Belege. Nachneutestamentliche jüdische Quellen beschreiben Chorazin als mittelgroße Kleinstadt (t. Mak. 3,8), die für ihre bemerkenswerte Weizenproduktion bekannt war (b. Menah. 85a). Vgl. auch Eusebius (Onomast. 174,23) und Hieronymus (De Situ et Nom. Loc. Hebr. 194). Ihre Identifikation Mitte des 19. Jh. von C.W.M. Van de Velde mit dem modernen Khirbeth Kerazeh ca. 2 km nördlich von tellHum wird im allgemeinen heute noch akzeptiert95 • Über Größe und Aussehen des neutestamentlichen Ortes läßt sich zur Zeit noch nichts Sicheres sagen96 • Ob Bethsaida 97 mit dem heutigen Khirbeth el-'Aradj (ca. 45 m vom Ufer des Sees entfernt wenig östlich vom Einfluß des Jordan in den See Genezareth) oder mit et-Tell (ca. 2,7 km nordöstlich von el-'Aradj und ca. 4 km von tell-Hum) zu identifizieren sein wird, ist bis heute umstritten 98 • Beide sind aber in
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daß Jesus dort (in Kapernaum, RG) während der Tätigkeit in Galiläa ein ,Standquartier' gehabt hat, nicht abwegig". So auch J. Blank, Joh 41ra, 196. E.F.F. Bishop, Capernaum, CBQ 15 (1953),431, "centre"; }.A. Overman, Who were the First Urban Christians?, 1988, r60-168, v.a. 168, "center" and ,;base". E.l\IL Meyers und j.F. Strange, Archaeology, 198I, 126; "headquarters". W. Bösen, Galiläa als Lebensraum, 1985,92, nennt Kapernaum "ein Zentrum messianischen Wirkens". Für W. Trilling, Das Wahre Israel, 1964, 131, ist Kapernaum der Schauplatz des Wirkens Jesu. Vgl. C. Kopp, Die Heiligen Stätten, 1964, 243-246; W. Grundmann, Lk, 2IO; R. Riesner, jesus, 353. V.c. Corbo, ABD I, 1992, 866-869; C. Kopp, Die Heiligen Stätten, 1964, 215230;}. Finegan, Archeolog)' of the NT, 1969, 50-56; V. Tzaferis, New Archaeological Evidence on Ancient Capernaum, BA 46 (I983), 198-204. Z. Yeivin, Ancient Chorazin, BArR q/5 (1987),22-36, hier 24. Vgl. Z. Yeivin, Art: Chorazin, NewNAEe, Vol. I, 301-304. Sehr oft bei Josephus, aber auch bei Plinius dem Älteren, Ptolemäus und später bei Eusebius und Hieronymus erwähnt: vgl. ].F. Strange, Beth-Saida, ABD I, 692. Für et-Tell sprechen allerdings die Ausgrabungen immer klarer. Vgl. H.W. Kuhn, et-Tell (Betsaida), 1994, 2.2-2.4; H.W. Kuhn - R. Amv, The Bethsaida Excavations, 1991, 77-106; B. Pixner erwägt die Möglichkeit, daß el-'Aradj ein Vorort von et-Tell gewesen ist in: Searching for the New Testament Site of Bethsaida, BA
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der Nähe von Kapernaum. So wären die beiden Orte für Jesus gut und relativ schnell von Kapernaum aus erreichbar gewesen99 . Es ist anzunehmen, daß die Wirksamkeit Jesu bis Chorazin reichte, auch wenn ein Bericht eines solchen Besuches in den Evv. nicht überliefert ist. Daß Jesus Bethsaida besucht hat, ist in Mk 8,22 und Lk 9,IO belegt loo . Aus missionsstrategischer Sicht bQt Kapernaum als Stützpunkt der galiläischen Mission Jesu wenigstens drei Vorteile: Erstens kann man aufgrund der neuesten Untersuchungen annehmen, daß Kapernaum z. Z. Jesu eine "Kleinstadt" mit einer relativ großen Einwohnerzahl und damit an sich eine beachtliche Zielgruppe Hir die Botschaft von der kommenden Herrschaft Gottes gewesen ist lOI • Kapernaum z. Z. Jesu wurde in der Forschung gewöhnlich aufgrund der Annahme einer relativ kleinen Einwohnerzahl als Dorf eingeordnet 102 • Allerdings haben sich die Einschätzungen seiner Ein-
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48 (1985), 207-216; ·ders., Wege des Messias und Stätten der Urkirche, 1994, 127-141, v.a. 391ff; ].F. Strange, Beth-Saida, ABD 1, 1992, 692f. Die Rekonstruktion des römischen Straßensystems von M. Avi-Yonah zeigt, wie sehr das Straßensystem in "Lower Galilee" für Handel und Reisen ausgebaut gewesen ist; ders., The Development of the Roman Road System in Palestine, IE] I (195O-sr), 54-60; ].A. Overman, Who were the First Urban Christians? 1988, 160f; D.R. Edwards, First Century Urban/Rural Relations in Lower Galilee, 1988, 169-182; ders., The Socio-Economic and Cultural Ethos of the Lower Galilee, 199 2, 53-73. Für eine Besprechung der drei Orte vgl. C. Kopp, Die Heiligen Stätten, 215-246; J. Finegan, The Archeology of the NT, 1969, 50-60; Z. Yeivin, Chorazin, BArR 13/5 (19 87), 22-66; Encyclopedia of Arch. Excavatiolls in the Holy Lands I, 299-303; D. Urman, The Golan. BAR International Se ries 269, 1985; S. Loffreda, Recovering Capharnaum, 1993, passim; ABD T, 1992, 692f.866ff.9IIf. Daß ]esus die ganze Stadt Kapernaum mit seiner Wort- und Tatverkündigung erreichen wollte und zumindest teilweise "Erfolg" hatte, wird von Mk angedeutet in 1,33: "Die ganze Stadt" wartet vor der Haustür; V. 37: "alle suchen ihn"; Mk 2,2 "so viele" versammeln sich, daß es "nicht einmal Platz vor der Tür" gibt; Mk I,16ff.I9f: Neben Simon und Andreas sind Jakobus und Johannes nicht nur Erstberufene, sondern stammen auch aus Kapernaum. Diese "Kapernaum-Gruppe" bildet innerhalb des Zwölferkreises bei Mk einen starken "Führungsblock", der sich bis zum Ende hin durchhält (Mk 1,16ff; 3,13-19; 5,37ff; 9,2ff; r3,3ff; I4,32f). Das heißt: Jesus erreichte nicht nur Kapernaum mit seiner Botschaft, er gewann dort auch Mitarbeiter für seine weitere missionarische Arbeit in Kapernaum und ganz Galiläa. Vgl. W. Bösen, Galiläa als Lebensraum, 9 rf. Auf ihrem Höhepunkt in byzantinischer Zeit soll die Einwohnerzahl Kapernaums auf 1500 gestiegen sein können; S. Loffreda, Recovering Caphernaurn, 1993, 18. Er und andere gehen davon aus, daß es z.Z. Jesu wahrscheinlich nicht mehr als
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wohnerzahl in den letzten 15 Jahren stark verändert, auch wenn eine relativ sichere Einschätzung für die Zeit Jesu noch nicht möglich ist. E. Meyers und ].F. Strange schätzen die Einwohnerzahl Kapernaums zwischen 12-15000 mit der Begründung, daß das Gesamtgebiet der Stadtruinen ihrer Meinung nach in den See hineinreicht und deswegen viel größer sei als ursprünglich angenommen (anstatt raa 000 qm etwa 300000 qm)103. Allerdings lag der Seespiegel zu neutestamentlicher Zeit nur ca. 3 m tiefer als heute und so ist zu fragen, ob Meyers und Strange mit ihrer Einschätzung der Bevölkerungszahl Kapernaums zu hoch liegen. Jedenfalls ist Kapernaum für sie weder ein Dorf wie Nazareth noch eine Stadt wie Jerusalem, sondern etwas dazwischen: eine Kleinstadt ("town")104. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis wichtig, daß die Begriffe Dorf, Kleinstadt und Stadt mit Zweideutigkeit belastet sind, sowohl in der heutigen Diskussion über diese Zeit als auch in der literatur des 1. Jh. 105 M. Goodman weist zu Recht darauf hin, daß eine
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1000 waren. Vgl. Loffreda, A Visit to Capernaum, 1972, 20; J. Laughlin, Capernaum, BArR 19, 57. Archaeology, 198I, 58. H.C. Kee kann sogar behaupten, daß wir mit ein~r Einwohnerzahl von 25000 für Kapernaum rechnen müssen. Vgl. ders., The Import of Archaeological Investigations in Galilee, 1.989, zitiert bei J.L. Reed, The Population of Capernaum, 1992, 1-19, v.a. 3.11.15 (ihm folgend R.A. Horsley, Galilee, 1995, 194), der allerdings nach seiner Untersuchung zum Ergebnis von noo Einwohnern und damit wieder auf die frühere konservative Einschätzung von S. Loffreda zurückkommt. Reed bestreitet v.a. die Einschätzung der Gesamtfläche Kapernaums im 1. Jh. von Strange und Meyer (750 x 375 m) und hält 350 x 500 m für das Maximum. Außerdem geht er von einer Einwohnerdichte von IS0 pro Hektar aus, die er durch den Vergleich mit Pompeii und Ostia erarbeitet und die für seine These grundlegend ist, was ebenfalls eine gewisse Schwäche in seiner Argumentation bildet. Denn es ist fraglich, ob der Vergleich zweier italienischer Städte mit dem galiläischen Kapernaum, zweier sehr unterschiedlicher Gebiete, wirklich weiterführt. Hier wird die Notwendigkeit einer lokalgeschichtlichen Vorgehensweise übersehen. Meyers und Strange, ebd., 48- 6I. Deswegen führt uns der Nachweis von J.L. Reed, Population of Capernaum, 1619, daß Kapernaum nach antiker Definition keine "Stadt" bzw. Polis darstellte, nicht weiter. Sowohl bei Josephus als auch bei den Evangelisten kann z.B. "Dorf" ein breites Bedeutungsfeld einschließen. In dieser Hinsicht waren sich die talmudischen Quellen der Vielfalt der verschiedenen Arten von Ortschaften terminologisch besser bewußt. Sie unterschieden sich in vierfacher Weise: kefar (kernförmige ländliche Siedlung); 'ir (Stadt); 'ayarah (Dorf) und giriah (Dorf in Relation zu einem größeren städtischen Zentrum). Vgl. M. Goodman, State and Society in Roman Galilee, 1983, 27-31. Eine ausführliche Besprechung dieser Fragen sprengt den Rahmen dieser Arbeit. Vgl. dafür P. Garnsey und R. Salier, The Ro-
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rigide Klassifikation eher zur Verdunkelung der Sachverhalte führt 106 • A. Alt zeigt auf, daß in der Klassifizierungsfrage die Bestimmung der Vorrichtungen und Institutionen einer Ortschaft wichtiger als die Einwohnerzahl ist. Antworten auf die Fragen wie: Gibt es eine Mauer, eine Burg, ein Gericht, eine Zollstation, einen Marktplatz usw. geben Auskunft über die Einordnung einer Ortschaft als Stadt oder Dorf. Die Einwohnerzahl ist nicht irrelevant, die Größe allein aber nicht das Entscheidende 107 • Kapernaum war schon zur Zeit Jesu aller Wahrscheinlichkeit nach ein wirtschaftlich bJühender 108 und auch politisch und militärisch wichtiger galiläischer Grenz- und Garnisonsort109 • Nach den Evangelien hatte es eine kleine Kaserne (vgl. den nichtjüdischen Zenturion Mt 8,S/Lk 7,If)l10, eine Synagoge (Lk 7,5) und auch eine Zollstation (Mk 2,I3-I5; Mt 9,9). Die Ruinen von tell-Hum umfassen ein größeres Gebiet, in dem eine beeindruckende Synagoge aus dem 2h. Jh. oder aus dem 4./5. Jh. und auf dem griechisch-orthodoxen Gelände östlich vom Petrushaus auch ein römisches Badehaus aus dem 2. oder 3. Jh. ausgegraben wurden. IvlögIicherweise liegen unter dieser Synagoge eine ältere (Haus?)Synagoge und unter dem römischen Badehaus ein älteres Badehaus, die in das I. Jh. zu datieren sind ll1 . Die Bausubstanzen, die für die Strukturen aus dem I. Jh.
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man Empire, 1987, 20-40; G.M. Harper, Village Administration in the Roman Province of Syria, YCS 1 (.1928), 1°5-168; E.M. Meyers und ].F. Strange, Archaeology, 198 I, 48-61; A. Byatt, Josephus and Population Numbers, PEQ (1973),51-60; A. Alt, Galiläische Probleme, 1953,363-343; M. Finley, The Ancient Economy, 1973, 123-149. State and Society, 1983, 28. Ebd., 384ff; vgl. auch ebd., 124. LaughJin, BArR 19, (1993), 55; S. Loffreda, Recoveripg Capernaum, 18f.68f; J.A. Overman, First Urban Christians, 162. Landwirtschaft, Fischen und Handel waren wohl die Haupteinnahmequellen. Vgl. W. Wuellner, The Meaning of "Fishers of Men", Philadelphia, I967, 61f. Nach WeuJlner war das Fischen um den See Genezal'eth herum "big business". Vgl. in diesem Zusammenhang den Hinweis, daß die Söhne des Zebedäus mit ihrem Fischgeschäft ausreichend verdienten, um sich Tagelöhner leisten zu können (Mk 1,20). Kapernaum wird im Jahr 4 v.Chr. zum Grenzort zwischen dem von Herodes Amipas regierten Galiläa und den von Philippus verwalteten Gebieten östlich des Jordan; W. Bösen, Galiläa als Lebensraum, 1985, 76. Vgl. auch C. Kopp, Die Heiligen Stätten, 1964, 215; M. Avi-Yonah, The Holy Land from the Persiall to the Arab Conquests, 1966, 138. H. Schürmann, Lk I, 390ff. S. Loffreda, Ceramica Ellenistico-Romana und V.c. Corbo, Resti della Sinagoga in: Studia Hierosolymitana III (1982),273-357. J. Strange und H. Shanks, Syn-
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unter der Synagoge und unter der gegenüberliegenden Basilika gebraucht wurden, zeigen, daß die Stadt über größere finanzielle Mittel verfügte als allgemein angenommen 112 . Kapernaum zeigt auch eine Stadtplanung, die Wohngebiete in Wohnblöcke 40 x 40m mit 3-4 Häusern pro Block aufteilte. Es gibt auch Hinweise für einen Marktplatz l13 • Archäologische Untersuchungen machen auch deutlich, daß Kapernaum über einen verhältnismäßig großen Hafen am See Genezareth verfügte l1 4, der die Bedeutung Kapernaums für den von den Römern u.a. mit hohen Zöllen belegten Fischfang unterstreicht 115 • All dies deutet darauf hin, daß Kapernaum z. Z. Jesu kein typisches kleines galiläisches Dörfchen, sondern eher eine relativ wichtige, zentral gelegene (s. u.) Kleinstadt gewesen ist. Zweitens lag Kapernaum an einer bedeutenden Handelsstraße zwischen Damaskus und Caesarea am Meer, mit Verbindungen nach Tiberias und Ptolemais 116 und damit verkehrsmäßig zentral und
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agogue, BArR 9,6 (I983), 24-31; dies., Has the House where Jesus Stayed in Capernaum Been Found?, BArR 7,6 (1982.), 26-37, v.a. 29f. J. Laughlin, Capernaum, BArR (1993), 61; "The archaeological evidence, while not conclusive, points to the existence of a '" synagogue and a Roman bathhouse, all in operation in the first century." ].F. Strange, The Capernaum and Herodium Publications, BASOR 226 (T977), 65-73· J.L. Reed, The Population of Capernaum, 17. V. Tzaferis, New Archaeological Evidence on Ancient Capernaum, BA 46 (1983), I98-204.201; Mendel Nun, Sea of Galilee, Ein Gev 1992,4°-42. Zu seiner Blütezeit dehnte sich Kapernaum 700 m an der Küstenlinie aus, und der Hafen ist mit 800 m noch länger. Lange Teile der 2,5 m breiten Promenade, die auf der Seeseite durch eine Mauer begrenzt wurde, sind noch erhalten. Der Hafen ist auch mit mehreren Wellenbrechern (Hafendämme, Piere?) mit 30 m Länge und 1,5 bis 4 m Breite ausgestattet; sie erstreckten sich bis zu einer Tiefe von 2II,25 m in den See. Mehr als I3 Wellenbrecher sind heute noch erkennbar. Die genaue zeitliche Einordnung bleibt noch im unklaren, aber man rechnet mit einem regen Hafenverkehr auch schon z. Z. Jesu. Zur Frage der Versteuerung des Fischfanges in Galiläa vgl. W.H. Wuellner, The Meaning of "Fishers of Men", 43f.62. Im Hafen von Kapernaum sind wohl alle Einfuhren in das Gebiet des Herodes Antipas, die per Schiff über den See kamen, verzollt worden. Levi könnte also auch ein "Hafenzöllner" und seine Zollstation nicht an der Handelsstraße, sondern im Hafen gewesen sein. B. Reicke, Nd. Zeitgeschichte, 1968, 87; B. Pixner, Wege Jesu, HIL II9h-3 (1987),3-9. Ein römischer Meilenstein von Hadrian (117-138 n.Ch!".) impliziert, daß im 2. .Ih. eine römische Straße an Kapernaum vorbeizog, die sehr wahrscheinlich einer schon existierenden Route folgte. S. Loffreda, A Visit to Capharnaum, 1978, 23f; ders., Recovering Capharnaum, r8ff.68. Vgl. auch V. Schwöbe!, Die Verkehrswege und Ansiedlungen Galiläas ... , ZDPV 27 (1904), I -
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wirtschaftsmäßig günstig l17 , was auch eine Ausbreitung der Botschaft Jesu begünstigen konnte. Neuere Untersuchungen weisen auf die Notwendigkeit hin, das übliche Bild von Galiläa als ländlich, eher rückständig und von der Stadtkultur und Stadtwirtschaft weitgehend isoliert1l8 zu revidieren 1l9 . Wenn überhaupt, dann paßt das alte Bild eher auf Obergaliläa, aber nicht auf Untergaliläa 120. Das ganze untergaliläische Gebiet 151; M. Avi-Yonah, Roman Road System in Palestine, IE] I (1950-51), 54-60. Mit Schwäbel geht W. Bösen, Galiläa als Lebensraum, 1985, 76.89, davon aus, daß Kapernaum an einer stark frequentierten Nebenstraße der Via Maris lag. Es bleibt aber die günstige Lage. 117 Schon E.F.F. Bishop, ]esus and Capernaum, 1953,431, bemerkte: "Capernaum becarne the first busy centre of the Christian evangeI, as it had been, and still was, the centre oE marketable produce." E. Meyer, F. Strange, Archaeology, 198.[, 59. JA. Overrnan, Who were the First Urban Christians?, 1988, r61. (Er beschreibt Kapernaum als "the Gateway to Gaulanitis"). 118 Vgl. z.B. M. Hengel, Zwischen ]esus und Paulus, ZTK 72 (1975), 1p-206, v.a. 200. 119
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"The isolation of the Lower Galilee in view of the Roman road system and trading patterns is simply a datum rhat cannot be sustained." E.M. Meyers, Galilean Regionalism: a Reapraisal, 1985, IIS-13 I; E.M. Meyers, j.F. Strange, D.E. Groh, The Meiron Excavation Project, 1976, BASOR 230 (1978), 1-24- E. Meyers und]. Strange, Archaeology, 1981, 31-47; E. Meyers, Galilean Regionalism, BASOR 221 (1976),93-102; ders., The Cultural Setting of Galilee, ANRW 1I 19.1, 689-702; ihnen folgen ].A. Overman, Who were the First Urban Christians?, 1988, 160-168 und D.R. Edwards, First Century Urban/Rural Relations in Lower Galilee, 1988, 169-182. Edwards sieht dieses Ergebnis nach weiterer Untersuchung bestätigt in: The Socio-Economic and Cultural Ethos of the Lower Galilee in the First Cenrnry, 1992, 53-73. Vorsichtiger und differenziert R.A. Horsley, Galilee, 1995, 158-185.193, Anm. 10. Für eine geographische Beschreibung der Grenzen Galiläas vgl. S. Freyne, Galilee: From Alexander ... , 1980, 9-15. Neueste Erkenntnisse lassen es ratsam erscheinen, das Gebiet Galiläa nicht nur geographisch, wie schon ]osephus (Antiq. 5,63.86.92; 8,142; Wars 2,589), sondern auch kulturell, sozial und wirtschaftlich in zwei Teile, Unter- und Obergaliläa zu unterteilen (vgl. v.a. E. Meyers, Galilean Regionalism, BASOR 221 (1976), 93-r02; ders., The Cultural Setting of Galilee, ANRW II 19.1, 689-702). Obergaliläa ist topographisch eingeschlossen mit kleinen Gruppen von Dörfern. Auch wenn noch keine sicheren Aussagen gemacht werden können, zeigen archäologische Untersuchungen in folgende Richtung: In Obergaliläa war Aramäisch die vorherrschende Sprache im Unterschied zu dem eindeutig zweisprachigen Untergaliläa. Das Handelsnetz in Obergaliläa hatte regional eine wirtschaftliche Ausrichtung nach Osten und Westen, nach Tyrus, Sidon und Galan, eventuell nach Damaskus und nach Ptolemais, war aber doch eingeschränkter als in Untergaliläa (vgl. numismatische und keramische Evidenz von E.M. Meyers, ].F. Strange, D.E. Groh, The Meiran Excavation Project, 1976, BASOR 230 (1978), 1-24; E. Meyers und c.L. Meyers, Finders oE the Lost Ark
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(ca. 24 x 40 km) war mit einer ungewöhnlich hohen Zahl von Städten wie Sepphoris, Tiberias und Magdala, mit seinen Kleinstädten wie Kapernaum und mit den vielen Dörfern wie Nazareth, alles auf engem Raum, relativ dicht besiedeltl21 • Untergaliläa war auch mit gut ausgebauten Handelsstraßen ausgestattet122 , mit einer zentralen Lage, die einen regen Handel mit dem Mittelmeerraum, der Umgebung des galiläischen Sees und der Dekapolis ermäglichte. 123 Aber
ßArR 7 (1981),24-40; gut zusammengefaßt in: E. Meyers, Galilean Regionalism, 1985, II5-1}1). Anders: S. Freyne, Galilee, Jesus, and ehe Gospels, 1988, 1}6175)' 111
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Vgl. Jos Life 45,123.235; War ur 3.2,41-44; 3.5,50: Hier erzählt uns Josephus, daB zu seiner Zeit Galiläa mit 204 Dörfern und Städten dicht besiedelt war, wobei Sepphoris, Tiberias und Gabaroth als die drei größten Städte bezeichnet werden. Es gibt aber Hinweise dafür, daß Josephus mit diesen Zahlen übertrieben hat. Für eine Diskussion der Stellen und ihrer Glaubwürdigkeit vgl. A. Byatt, .10sephus and Population Numbers, PEQ 1r973), sr-60; R.A. Horsley, Galilee, 1995, 190ff. Vgl. auch M. Broshi, The Role of the Temple, Journal oE Jewish Studies 38.1 (1987), 31-37; ders., The Population oE Western Palestine, BASOR 236 (1979),1-10; v.a. 3.7, der mit einem neuen MeßverEahren die Einwohnerzahl Palästinas untersucht und wahrscheinlich macht, daß Palästina eine der am dichtesten besiedelten Provinzen im ganzen Römischen Reich war und eine Einwohnerzahl (im L Jh.) von nicht weniger als eine Million hatte, was ihrer byzantinischen Blütezeit entsprach. Die spekulativen Einschätzungen .hinsichtlich der Einwollnerzahl Palästinas im 1. Jh. liegen allerdings zwischen 500000 und 5000000, und es besteht bis heute kein Konsens, auch wenn tendenziell eher eine höhere Zahl angenommen wird. Vgl. A. Byatt, aaO., 52. Vgl. auch E.M. Meyers, J.F. Strange, D.E. Groh, The Meiron Excavation Project, 1976, BASOR 230 (1978),1-24, v.a. 18, die archäologische Hinweise für eine beachtliche Steigerung der Einwohnerzahl während der frühen römischen Zeit in Unter- und Obergaliläa konstatieren. W. Bösen, Galiläa als Lebensraum, 58, schätzt, nach Abwägung der wichtigsten Untersuchungen, die Einwohnerzahl Galiläas z. Z. Jesu auf zwischen 200 000 und 300 000. Vgl. M. Avi-Yonah, The Development of the Roman Road System in Palestine, IEJ I (1950-sr), 54-60. Untergaliläa war also viel stärker "urbanisiert" und wirtschaftlich vernetzt als Obergaliläa. Dies soll das ländliche dörfliche Ethos und den ländlichen Charakter Galiläas in den Gebieten außerhaJb der Städte nicht in Abrede stellen (vgl. dazu R.A. Horsley, Galilee, I995, 7f.IS8-r85, der den Begriff "urbanisiert" zu Recht als unzulänglich bezeichnet; vgl. auch S. Freyne, Urban and Rural Relations, 1992, 75-9I, v.a. 76, für die Differenzierung einer primären und sekundären Urbanisierung). Es soll bloß gesagt werden, daß ein reger wirtschaftlicher und wohl auch kultureller Austausch zwischen Stadt und Land durch eine gut entwickelte Infrastuktur nicht nur möglich war, sondern auch tatsächlich stattgefunden hat. Inwiefern dies geschah und welche weiterreichende Folgen es im Prozeß der Urbanisierung und Hellenisierung mit sich brachte, ist in der Forschung umstritten.
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auch Obergaliläa ist nicht isoliert gewesen, sondern auch relativ gut versorgt mit Handelsstraßen und -verbindungen nach Osten und Westen und mit einem "network of villages"124. Man muß sich vorstellen, wie klein Galiläa einerseits und wie gut entwickelt die Verkehrs-Infrastruktur andererseits war 125 • Nlit den guten Straßen in einem Gebiet, in dem die größte Distanz ca. 40 km nicht übersteigt, ist man nie weiter als eine Tagesreise zu Fuß von irgend einem Ort in ganz Galiläa entfernt.
Vgl. z.B. die Auseinandersetzung zwischen S. Freyne und E. Meyers, Reappraisal, IIS-13I.
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Auch wenn Dörfer ein fester Bestandteil Galiläas gewesen sind, scheinen sie doch in Gebieten um eine Stadt oder zumindest in Verbindung mit einer Stadt verstärkt aufzutreten und nicht im parasitischen oder gar antagonistischen, sondern im reziproken Verhältnis zu dieser Stadt zu stehen. VgJ. die Erkenntnisse von R. MacMullen, Market-Days in the Roman Empire, Phoenix 24-4 (1970), 333-341, v.a. 333 und I.W.]. Hopkins, The City Region in Roman Palestine, PEQ Il2 (1980),19-32. So auch M. Finley, The Ancient Economy, I973,'127. Das kleine Dorf von Kefer Hannaniah liefert materielle Evidenz für di~se Art reziproker wirtschaftlicher Beziehung. Dieses Dorf, in den späteren jüdischen Quellen für seine Keramik bekannt, hat nach den neuesten archäologischen Untersuchungen seine Töpfe in ganz UntergaJiläa bis in den Golan verteilt. Vgl. die Beiträge des Ausgräbers: D. Adan-Bayewitz, Manufacture and Local Trade in the Galilee, 1985; ders., Kefer Hannanya, IEJ 37.2/3 (1987), 178f; vgl. ders. und I. Perlman, Local Pottery Provenience Studies, Archaeometry 27.2 (1985), 203-217. Vgl. D.R. Edwards, First Century Urban/Rural Relations, 173, Anm. 22 für eine Auflismng der Beiträge von E.M. Meyers, ].F. Strange und D.E. Groh, die diese archäologischen Funde belegen. Meyers und Strange, Archaeology, I981, 46. Vgl. auch E. Meyers, Galilean Regionalism, 123f für eine Beschreibung dieses wirtschaftlichen Zusammenhangs an Hand des Beispiels von Tyrus und der oberen gaJiläischen Dörfer/Städte. "The Upper Galilean villages and towns we have excavated, therefore, show both the dominance and importance of Tyre in the economy and trading patterns of northern Palestine but also reveal an Upper Galilee thar is involved with many more centers of trade, east and west". Für das dörfliche Leben Galiläas allgemein vgl. R.A. Horsley, Galilee, I995, r89-201. Für den aktuellen Stand der archäologischen Untersuchungen der Dörfer Galiläas vgl. M. Aviam, Survey of Sites in the Galilee, I995. W. Bösen, Galiläa als Lebensraum, 28Ef, kommt nach einer geographischen Abgrenzung auf 1600 qkrn für Galiläa. Damit wäre das kleine Saarland noch um I 000 qkm größer, und Hamburg müßte seine Fläche nur verdoppeln, um etwa gleich groß zu sein. Galiläa ist der Größe nach mit dem Städtedreieck Frankfurt/Offenbach - Wiesbaden - Darmstadt zu vergleichen. Auch wenn die Rechnungen Bösens nicht als unfehlbar gelten können, sind sie hilfreich, um sich ein besseres Bild von der Situation machen zu können.
Hausgemeinde und Mission
Drittens lag Kapernaum etwas abseits von den großen Zentren Sepphoris und Tiberias und weit genug von Jerusalem entfernt, so daß Jesus von dort aus zunächst ohne direkte Konfrontation mit den politischen und religiösen Führungskräften in diesen größeren Städten seine Botschaft von der Herrschaft Gottes verbreiten konnte 126 • Wie es aber dazu kam, daß Jesus in diesem Haus in Kapernaum seinen Wohnsitz genommen hatte, wird nicht berichtet. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, daß einige seiner engsten Anhänger, Petms und Andreas, aus Bethsaida stammten und in Kapernaum u.a. im "Petrushaus" wohnten 127 • Wir können auch annehmen, daß Petrus (oder sein Schwiegervater/seine Schwiegermutter?) Eigentümer dieses Hauses gewesen ist128 • Das würde hei-
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S. Freyne, Galilee, Jesus and the Gospels, 1988, 140: "Jesus' avoidance of the main Herodian centres of Galilee is best explained, therefore, in the light of a conscious decision not to become directly embroiled in a confrontation with Herodian power. The fate of the Baptist must have been a salutory warning (see Mt 14,13)." J.A. Overman, Who were the First Urban Christians?, 167f., nimmt auch an, daß die fehlenden Hinweise auf Sepphoris lind Tiberias in den Evv so zu erklären wären, daß" ... their absence appears as less of an oversight and more of astrategy". Demnach hätte Jesus absichtlich diese Städte gemieden, um der Konfrontation mit den dort lebenden und wirkenden Machthabern aus dem Weg zu gehen. Auch wenn Vertreter dieser Machthaber in Kapernaum vorhanden waren, hätten sie die Autorität de jure nicht innegehabt, die Aktivitäten Jesu gleich zu behindern und erst recht nicht, ihn und seine Anhänger sofort zu bestrafen. "Power and punishment could not have been exercised as quickly and as decisively in Cana or Capernaum as they could have been in Sepphocis or Tiberias" (r67f). Vgl. auch C. Kopp, Die Heiligen Stätten, 214. Anders W. Bösen, Galiläa als Lebensraum, 1985, 69-75; vgl. aber 89: "Als Grenzort erlaubt es (Kapernaum) einen raschen Ortswechsel aus dem Einfluß- und Machtbereich des Antipas. " Für eine allgemeine Besprechung der politischen und religiösen Verhältnisse in diesen beiden Städten im 1. Jh. vgl. S. Freyne, Galilee from Alexander ... , 1980, 122134·
Mk 1,29. Nach Joh 1,44 sollen Petrus und Andreas aus Bethsaida gestammt haben. Vgl. dazu F.H. Borseh, Jesus, the Wandering Preacher?, 1975, 58 für mögliche Erklärungen. Es wird des öfteren gefolgert, Petrus sei nach seiner Heirat von Bethsaida nach Kapernaum übergesiedelt. Uns geht es hier nicht um den Abstammungsort, sondern nur darum, daß Perrus und Andreas in Kapernaum zu dieser Zeit in diesem Haus gewohnt haben. 128 E. Ravarotro, La "Casa" del Vangelo di Marco ... , Anton. 42 (1967),419, weist darauf hin, daß Petrus als Hauseigentümer und Fischgeschäftsmann eine sichere und starke wirtschaftliche Position in Kapernaum genoß. "All dies zeigt uns einen Aspekt der Biographie des Petrus, der im Allgemeinen nicht bekannt ist oder untecbetont wird: seine sehr sichere feste wirtschaftliche Position. Diese erlaubte es 127
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ßen, indem Jesus Petms als Nachfolger gewann, gewann er einen Hausvater und damit auch einen ganzen Oikos, der ihn in seiner missionarischen Tätigkeit unterstützt hat, unter anderem dadurch, daß Jesus in diesem Oikos zu Kapernaum Wohnsitz nehmen und ihn zum Stützpunkt seiner Mission machen konnte. Jesus war also nicht nur als Wanderprediger tätig, sondern hat auch zeitweilig als Ortsansässiger (quasi als Freund und Gast der Familie des Petrus) gelebt129 • Daraus ist zu folgern: Eine Existenz mit einem Haus an einem Ort als Wohnsitz und ein Wirken als Wanderprediger müssen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern können sich ergänzen. Das Haus hätte dann die Funktion eines Stützpunktes für die Wandermission, von dem aus Jesus immer wieder missionarische Reisen gemacht hat und zu dem er dann wieder zurückgekehrt ist. Von daher kann man fragen, ob nicht schon vor Ostern zumindest zwischen den ortsgebundenen Familien des Petrus lInd des Andreas in dem Haus zu Kapernaum und dem Wanderprediger Jesus ein sich ergänzendes Verhältnis herrschte: Jesus wäre so gesehen der heilende, lehrende "Leiter" einer Anhängerschaft in diesem Haus J3 O, dieses eine soziale und materielle Basis für den missionarischen Dienst Jesu 131 • ihm, nicht nur seinem Meister, sondern anch einigen, wenn auch nicht allen Jüngern fortdauernde Gastfreundschaft zu gewähren" (meine Übersetzung). 129 Hier könnre man fragen, ob Jesus im soziologischen Sinne (nicht nur im theologischen Sinne) Mitglied dieser Familie gewesen ist, nicht als leiblicher Sohn, sondern als CPtAOC; oder amicus (oder als Hauslehrer), d.h. als Glied des erweiterten Oikos. 130 Vielleicht ist D.L. Dungall, The Sayings of Jesus, 1971,57, auf dem richtigen Weg mit seiner Frage, ob nicht schon vor Oster~ "some sort of already·formed com· munity with Jesus at its head" existierte. Ein Teil der Anhänger Jesu ist soziologisch und wohl zeitweise auch architektonisch gesehen in dem Hatls gewesen vgl. Mk 1,29: zwei seiner nächsten Anhänger: Petrus und Andreas. Es ist auch zu fragen, ob nicht die Schwiegermutter evenruell schon vor, aber erst recht nach ihrer Heilung eine Anhängerin Jesu wurde. Und wie ist es mit der Frau des Petrus gewesen, wenn sie ihn auf seinen Missionsreisen später begleitet hat (rKor 9,5)? Falls ·sie dieselbe Frau ist, die in 1Kor 9,5 erwähnt wird, deutet dies darauf hin, daß sie auch irgendwann Anhängerin geworden ist. Es wäre auch hier zu fragen, ob nicht nach antiker (jüdischer) Sitte das ganze Haus zusammen diesen Wechsel vollzogen hätte. 131 Soziale Basis insofern: als Quelle der Mitarbeiter (Petrus, Andreas); "Network" der Beziehungen für evangelistische Kontakte: Großfamilie (z.B. Schwiegermutter, Frau des Petrus) einschließlich Freunde der Familie. Materielle Basis insofern: Bereitstellung eines Hauses zum Treffen, zur Predigt und Heilung; ErmögJichung der missionarischen Reisen. Nach E. Haenchen, Der Weg Jesu, 1968, 109, war Jesus
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Hausgemeinde und Mission
4. Galiläische Dorfmission Wie WIr gesehen haben, hat Jesus zumindest im "evangelischen Dreieck" (Kapernaum, Chorazin, Bethsaida) eine missionarische Tätigkeit ausgeübt 132 • Was spricht aber dagegen, daß Jesus auch in anderen Dörfern außerhalb des Dreiecks während seiner galiläischen Wandermission gepredigt hat und in Häusern gastfreundlich aufgenommen wurde 133 ? Es wurde schon gezeigt: Die zentrale und wichtige Lage Kapernaums, die gut ausgebauten Straßen und Handelsbeziehungen, die zu einer ausgeprägten wirtschaftlichen Vernetzung Untergaliläas führten, erleichterten eine solche Tätigkeit. Ein Jesus-Wort spricht von seiner Wanderpredigt von Kapernaum aus in die umliegenden Dörfer und Städte 134 • Nach Mk 6,6 wanderte Jesus auch von Nazareth aus in die benachbarten Dörfer und lehrte. Es ist möglich, daß Jesus in einem oder mehreren Dörfern einige Zeit als Gast eines Hauses geblieben ist. Mk berichtet ebenfalls, daß Jesus und seine Jünger die Gegend der GerasenerlDekapolis 135, das Gebiet von
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"offensichtlich auf die GastfreundschaÜlichkeit von solchen angewiesen, die ein Haus, Einkommen und Arbeit hatten". Hier ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß Jesus nicht nur in die Dörfer gezogen ist (vgl. Mk 1,38), sondern daß auch die Menschen von dort zu ihm an den See geströmt sind (vgl. Amn. 14 für Belege). Damit soll nicht gesagt werden, daß Jesus nie im Freien übernachtet hat: vgl. V.a. Mt 8,20/Lk 9,57b-60. Diese Belege scheinen dagegen zu sprechen, daß Jesus überhaupt in einem Haus übernachtet hat. Sie müssen aber nicht als wörtliche Beschreibung der eigentlichen Situation Jesu, sondern können als allgemeiner Hin· weis auf seine relative Armut verstanden werden (vgl. F.H. Barsch, Jesus, the Wandering Preacher?, 51). Dies würde bedeuten, daß Jesus eben kein Hausbesitzer gewesen ist, muß "ber nicht heißen, daß er nicht gelegentlich in einem Haus übernachtet oder dessen Gastfreundschaft über mehrere Tage/Wochen/Monate hinweg genossen hat. Mk I,3 8 f. Wie schon gezeigt, findet sich dieses Jesus-Wort höchstwahrscheinlich innerhalb eines auf Petrus zurückgehenden markinischen Überlieferungszusammenhangs. Dazu K.L. Schmidt, Rahmen, 1919,49-59; J. Jeremias, Theol., 1973, 95. Vgl. auch das Jesus-Wort in einer nicht von Mk 1,38 abhängigen Form bei Lk 4,43 und dazu H. Schürmanll, Lk 1,256. Mk 5,1; Mk 7,31; vgl. Mt 8,28 par. Vgl. M. Hengel, Studies in Mk, 1985, 46'148, Anm. SI, der zu dem Schluß kommt, daß das primäre Anliegen des Mk ein theologisches gewesen ist, wobei Jesus als Urheber der Mission zu den Heiden dargestellt wird, dal~ aber die Reise im Prinzip auf keinen Fall unmöglich gewesen ist. Diese Sicht teilt er mit F. Lang, Über Sidon mitten ins Gebiet der Dekapolis, ZDPV (1978), 145-159.
Die vorösterliche Vel"wendung von Häusern
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Tyrus und Sidon 136 , Genezareth l37 oder die Dorfer bei Cäsarea Philippi 138 besucht haben. Hier haben wir zwar nicht immer einen Hinweis auf Häuser, die Jesus aufnahmen. Aber mit dieser geographischen Breite vermittelt Mk den Eindruck, daß die ganze Region Galiläas und darüber hinaus von der missionarischen Wirkung Jesu erreicht wird, und zwar von Dorf zu Dorf (d.h. wohl auch von Haus zu Haus)139. Wenn diese Sicht der Dinge zutreffend ist, könnte man hier sogar von einer galiläischen "Dorfmission" Jesu (bzw. Hausmission von Dorf zu Dorf) sprechen, in der Häuser und ortsgebundene Anhänger Jesu eine ähnliche Rolle wie in Kapernaum spielten 140. Alle drei Synoptiker berichten übereinstimmend, daß Jesus über die Jünger hinaus einen erweiterten Kreis von Anhängern besaB 141 • Unter ihnen
136 Mk 7,24; vgl. auch Mk 3,8. In Mk 7,24 heißt es sogar, daß er in ein Haus ging.
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Natürlich wird dies, und die Tyrus-Reise überhaupt, oft als mk Redaktion eingestuft (vgl. K. Kertelge, Die Wunder im Markusevangelium, 1970, .151; L. Schenke, Die Wundererzählungen des Markusevangelium, 1974, 254f und manche Kommentatoren: Vgl. z.B. Gnilka, Mk, 290, der v.a. die Tyrus-Reise als markinisch einordnet). Flir Peseh, Mk, 387, ist der Hinweis auf ein Haus "keine redaktionelle Bildung des Evangelisten, sondern notwendiger Bestandteil der ursprünglichen Erzählung: Jeslls kommt ja nicht gerade zur Verkündigung oder zum \Vllnderwirken in die heidnische Gegend (V. 27)' Daß er im Verborgenen aufgespürt, gebeten und durch das glaubende Wort überwunden wird, ist wesentliche Pointe der Erzählung. " Mk 6,53. Mk 8,27 par. Hier fällt wieder der Bericht auf, daß Jesus "Dörfer" besucht hat. Es heißt auch Dörfer um Caesarea Philippi herum. Dies beschreibt historisch zutreffend die Beziehung zwischen Dörfern eines bestimmten Gebietes und der Stadt, zu der sie gehörten. Vgl. S. Freyne, Galilee, ]esus and the Gospels, I988, 4°·
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Hier kann man wieder fragen, ob dies auf mk Redaktion zurückzuführen sei. Es ist aber denkbar, daß der irdische Jesus und seine Jünger wirklich eine so breite Wirkung hatten (ohne behaupten zu wollen, daß sie in jedes Dorf GaliJäas gekommen sind), v.a. wenn man davon ausgeht, daß mehr als nur die Zwölf mit ihm gewandert sind. Vgl. außerdem Lk 9,6, wo die Jünger analog zu Jesus auch von Dorf zu Dorf ausgesandt werden. Vgl. auch Lk lO,r (70 oder 72 Ausgesandte). Außerdem gehören die meisten dieser Angaben den Rahmenstücken an lind wären mit Stanton deswegen in ihrem historischen Informationswert positiv zu beurteilen. Vgl. z.B.: Mk 6,r.6'S6; 8,27; 9,30. P.S. Minear, Audience Critisism and Markan Ecclesiology, I972, 78-89; ders., Jesus' Audience according to Luke, NT r6 (I974), 8r-I09; ders., The Disciples and the Crowd in the Gospel of Matthew, AThR Suppl.Ser. 3 (r974), 28-44.
Hattsgemeinde und Mission
waren auch ortsgebundene Anhänger 142 • Es gab nicht nur in Galiläa l43 , sondern auch in Judäa 144 und in der Dekapolis 145 solche ortsfesten Anhänger und Sympathisanten Jesu 146 • Die Namen einiger solcher Anhänger, bei denen Jesus gastliche Aufnahme fand, sind überliefert: Nlaria und Martha, sowie Lazarus 147; auch Simon, der Aussätzige 148 , die alle in Bethanien am Ölberg ansässig waren l49 . Hier kann sogar gefragt werden, ob das Haus der Martha mit ihrer Schwester Nlaria und ihrem Bruder Lazarus in Bethanien das Pendant zu dem Haus des Petrus in Kapernaum bildet, auch wenn es den Belegen nach nicht die Prominenz wie das in Kapernaum genoß 150 • Wie Kapernaum hatte Bethanien eine für Jesus und seine
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wird durch folgende Beobachmng unterstüt"Lt: Angeregt von G. Theißen fragt R. Riesner, Jesus, 488f, oh die Echtheit einiger Logien neu überprüft werden müßte. Eine ganze Reihe von Jesusworten, die sonst z.T. kritisch verdächtigt werden, scheinen innerhalb dieses vorösterlichen ortsansässigen Anhängerkreises einen plausiblen 'Sitz im Leben' zu haben. Mt S,2 3 richtet sich an eine Zuhörerschaft, die regel mäßig Opfer darbringt, es handelt sich also wohl um ortsfeste Anhänger Jesu. Mt 6,r-4 ist an solche gerichtet, die im Gegensatz zum berufenen Jüngerkreis noch frei über ihr Eigentum zum Almosengeben verfügen können. Die ortsansässigen Anhänger konnten sich in ihre Häuser zurückziehen, um zu beten (Mt 6,Sf). Einige ortsfeste Anhänger waren auch so in ihrer sozialen Umgebung eingegliedert, daß sie zu Festessen eingeladen wurden oder selbst ein Gastmahl veranstalten konnten. Die Warnung vor falschen Propheten könnte v.a. auch für ortsgebundene Anhänger intendiert sein, die Jesus nicht in ihrer Nähe haben (Mt 24,4f par; Mt 24,23-25 par; Mt 24,26f par; Mt 7,15). Für den Jüngerkreis war Jesus ständig ansprechbar und die einzige Autorität; für die ortsfesten Sympathisanten hätten auch jüdische Lehrer noch eine Bedeutung gehabt (Mt 23,2f). Die Logien über die Anhänger Jesu als 'Licht' und 'Stadt auf dem Berg', die durch gute Werke zum Gotteslob motivieren sollen, passen eher auf eine Wohnsituation (Vgl. Riesner, Jesus, 488f und Theißen, Soziologie der Jesusbewegung, 1977, 222 S für eine weitere Auflistung solcher Stellen). Mk 1,29-31 par. Mt 24,r6/Mk 13,14/Lk 21,2I; 26,61 lvIk 14,3; Lk 19,1-ro. Mk P9f/Lk 8,37 ff. Vgl. J. Jeremias, Theol., 1973, I64f; G. Theissen, Soziologie der Jesusbewegung, 1977, 21-26. Lk I0,38f; vgl. Joh E,Lr8. Mt 26,6/Mk 14,3. Auch Josef von Arimathäa (Mk 1S,42-47) und die Frauen in Lk 8,2f (eventuell auch die in Mk I5,4of) gehörten zu denen, die Jesus materiell unterstützten. Lk rO,3 8-42 dürfte auch auf alte, vertrauenswürdige Überlieferung zurückgehen (so]. Ernst, Lk, 354; I.H. MarshalI, Luke, 451; gegen R. Buhmann, Geschichte, 1979, 33)· Daß die Erzählung eine "ideale Szene" genannt werden kann (Bultmann, ebd.), sagt zwar etwas über ihre Form, aber noch nichts über ihre Ge-
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
Zwecke günstige Lage. Bethanien war nahe genug an Jerusalem (vgl. Joh 11,18; Mk II,r)15I und von dort aus für Jesus leicht zu erreichen, aber auch weit genug von Jerusalem entfernt, um den nötigen Abstand zu gewähren, so daß er dort nicht sofort an seine Feinde ausgeliefert werden konnte. Mk berichtet, daß Jesus immer wieder von Jerusalem nach Bethanien zurückkam (Mk II,I.1I.12.r5.27; vgl. Mt 2r,17) und erweckt damit den Eindruck, daß Jesus dort (wohl unter einem Dach mit seinen ortsfesten Anhängern) eine Zeitlang wohnen blieb. Dort werden Jesus und seine Jünger bei seinem letzten Aufenthalt in Jerusalern von Martha gastfreundlich aufgenommen 152 , dort wird ihnen ebenfalls ein Quartier gewährt (Lk 10,} SPS3; vgl. Joh II,I. I 8). Damit wird deutlich, daß das Haus der Martha relativ groß gewesen sein muß, denn Jesus und einige seiner Jünger konnten darin untergebracht werden. Das Haus in Bethanien scheint auch als Treffpunkt, Versammlungsraum und als Ort der Lehrtätigkeit Jesu zu dienen (Joh II,19.31; 12,1-9; Lk 10,38-42)154. Nun ist zu fragen, wie diese Ortsansässigen zu Anhängern Jesu geworden sind. Es ist anzunehmen, daß viele, die zu Jesus nach Kapernaum oder sonst wohin strömten, als seine Anhänger wieder heimkehrten. Man kann auch vermuten, daß aufgrund der Wandermission bzw. "Dorfmission" Jesu schon vor Ostern neben dem enge-
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schichtlichkeit aus. Dag sie von der hellenistischen Gemeinde gebildet wurde (Bultmann, ebd., 64), ist wegen der hebraisierenden Konstruktion ev ,4> mit Infinitiv in 10,38 (K. Beyer, Semit. Syntax im NT I/r, r968, 38) eher unwahrschein-lieh. Für die Historizität der Erzählung sprechen ihre Berührungen mit johanneischer Tradition (W. Grundmann, Lk, 226) und die Tatsache, daß Paulus die Tradition vermutlich kannte (vgl. C.F.D. Moule, Thc Use of Parahles and Sayings ... , JTS 3 [r952J 75f), was nach dem ungewöhnlichen Sprachgebrauch in IKor 7>35 zu schlie1~en ist. Bethanien ist 2,8 km (etwa 20-30 Minuten Fußweg) von Jerusalem entfernt. Martha erscheint in Lk ro, 38-42 in der Rolle der Gastgeberin. Sie ist wohl Witwe (B.S. Easton, Luke, 173) und als solche Hauseigentiimerin bzw. Hausherrin (H. Schürmann, Lk Il, 154; LH. MarshalI, Luke, 45I). Viele Textzeugen fügen um Ende von IO,38 Eie; ,Tjv oiKtav (+ alnije;) bzw. Eie; ,0" OiKOV ainije; ein. Der kürzere Texr wird der ursprünglichere sein, da es keinen erkennbaren Beweggrund gibt, den Ausdruck "in ihrem Haus" zu streichen. "On ehe other hand, the bold and bare UltEöe!;u,o uinov seems to call for some a ppropriate addition, which the copyists supplied in various forms ... " B.M. lvIetzger, A Textual Commentary on the Greek NT, r994, I29. Wenn lvlaria nach Lk 10.39 ,,]esus zu Füßen saß und ihm zuhörre", so nahm sie ihm gegenüber dieselbe Stellung ein wie ein Schüler gegenüber dem Elementarlehrer oder dem Schriftgelehrten (Belege bei Bill. H, 763-765).
Hausge111eil1de und Mission
ren Jüngerkreis weitere Kreise von Menschen entstanden, die der Verkündigung Jesu Glauben geschenkt hatten, die aber innerhalb von Beruf und Oikos (d.h. Haus u. Familie) auf das endgültige Kommen der Gottesherrschaft warteten 155 • Das bedeutet: Wo Jesus missionarisch aufgetreten ist, hat er oftmals ortsfeste Anhänger und Sympathisanten zurückgelassen, die vorher während der DorfIWandermission Jesu die Basileia-Botschaft angenommen und ihn und seine Jünger auf ihren Wanderungen wohl auch gastfreundlich aufgenommen hatten. Diese Sicht wird von neueren Studien unterstützt156 • V.a. will R.A. Horsley das von G. Theißen geprägte Bild der ]esusbewegung als einer Bewegung - bestimmt von wenigen Wanderradikalen - revidieren 157 • Auch wenn ortsgebundene Sympathisanten in der Rekon-
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.J. Jeremias, Theol.,
1973, 164f; G. Kretschmar, Ursprung frühchristlicher Askese, ZTK 61 (1964), 27-67.48f; ihm folgend G. TheilSen, Soziologie der Jesusbewegung,21-26. R.A. Horsley, Sociology, 1994; H.C. Kee, Community of the New Age, 1977; W.H. Kelber, The Oral and the Written Gospel, 1983. Die Arbeit von Horsley stellt eine der gründlichsten und schärfsten Kri tiken der Rekonstruktion von G. Theißen dar und ist einer der besten Versuche, eine ergänzende, aber teilweise auch korrigierende Alternative zu bieten. Horsley, Sociology, 1994, 43-64.lu: "The only indication of itinerancy of any sort is in Luke 10,34, while in the same "mission" context 10,7 appears to counter any appearance of vagrancy." Alle anderen Belege, die Theißen für den wanderradikalen Lebenstil der Jesusbewegung bietet, weist Horsley als unzureichend begründet zurück. V.a. zeigt er auf, daß eine ganze Reihe von Stellen in der älteren Tradition bei Mk und Q auf dem Hintergrund von ortsfesten Gemeinschaften besser zu verstehen ist (ra8-II6). Vgl. aber M. Hengel, Nachfolge, 1968 und seine Ausführung zu Lk 9,59f, passim. Horsley ist nicht der erste, der TheilSen kritisiert, und es scheint sich ein Konsens zu bilden, daß er die prominente Rolle der Wandercharismatiker gegenüber den Ortsfesten in der ]esusbewegung überbetont hat. Vgl. z.B. W. Stegemann, Wanderradikalismus im Urchristentum, 1979, 94-120; D.E. Aune, Prophecy in early Christianity, 1983, 212ff; W.H. Kelber, The Oral and Written Gospel; 1983, 24f; R. Riesner, ]esus, 419ff: F. Neugebauer, Die dargebotene Wange und Jesu Gebot der Feindesliebe, ThLZ 12 (I985), 865-876 v.a. Anm. 3.39; R. Uro, Wolves, 1987. I27f.; T. Schmeller, Brechungen, v.a. II4f. Man kann nicht wie Theil~en behaupten, daß alle diejenigen, die Missionsreisen gemacht haben oder die als Propheten oder als Leiter in der ]esusbewegung fungiert haben, notwendigerweise die von Theil~en beschriebenen radikalen - für die Wandercharismatiker typischen - Anweisungen praktiziert haben; (ohne zu differenzieren, stellt Theißen die Zwölf, Petrus, Stephanus und seine Begleiter, Agabus und die Propheten der Didache als Vertreter eines Wanderradikalismus dar, Soziologie der ]esusbewegung, 14-21). Petrus aber ist oft auf Reisen gewesen (vgI. z.B. Apg 8,14; Gal 2,IIf;
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
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struktion Theißens mitberücksichtigt werden, spielen sie eine untergeordnete Rolle. Horsley argumentiert umgekehrt urid sieht die Jesusbewegung hinter Q als hauptsächlich aus "localcommunities" bestehend l58 , in denen durchaus Wanderprediger lebten, die dann Heimat, Besitz und Familie - auch nachästerlich - überwiegend nur zeitweilig verließen I59 • Allerdings hält es Theißen für irreführend, von "Gemeinden" bzw. von "communities"160 zu sprechen, denn.diese Gruppen blieben ganz im Rahmen des Judentums und dachten nicht daran, eine "Kirche zu gründen" 161. Dies soll für die ganze frühchristliche Bewegung in ihrer Anfangsphase gelten. Es ist hier aber zu fragen, ob nicht von Anfang an auch unter den palästinischen Christen ein "sectarian
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IKor 1,12) und hatte eindeutig eine Führungsrolle in der Jesusbewegllng. Wir haben aber keinen Grund zur Annahme, daß er nach den extremen asketischen Maßstäben eines Wanderradikalen, wie Theißen sie beschreibt, gelebt hat (vgI. rKor .9,5; Mk I,29ff). Der Prophet Agabus wird in der Apg als zwischenJerusalern, Antiochien (lI,27ft) und Caesarea (2I,10ff) wandernd dargestellt, aber wir haben keinen Hinweis dafür, daß er als Wanderradikaler gelebt hat. D~r Stephanuskreis missionierte zwar von Ort zu Ort (Apg 8,4), aber ihn mit Theißens Wanderradikalen zu identifizieren, wäre problematisch. Der Stephanuskreis als Vertreter der gesetzesfreien Heidenrnission ist kaum in einer Jesusbewegung unterzubringen, die nach Theißen eine Sekte innerhalb Palästinas geblieben ist. Außerdem weist P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 1992, :!.II, darauf hin, daß es schwer zu sagen ist, in welchem Maße es nachösterIich charismatische Wanderpropheten überhaupt gegeben hat. Nur in Texten aus dem späten 1. und dem 2. Jh. n.Chr. (2Joh 10; 310h 5-8 und Did 1I.3-12) ist eine Missionstätigkeit der ,Wanderradikalen' belegt. Ihre Existenz in der Anfangszeit der Urchristen läßt sich nur indirekt erschließen. Horsley, Sociology, 1994, 106-r I 1. In Q ragen Bilder aus dem Bereich der Landwirtschaft hervor. Die Logien setzen voraus, daß ihre Hörer sich in Familien und in Dörfern mit Nachbarn, Kindern, Ehen befinden (11,9-r3; I4,26; I6,I8). Ihnen sind auch größere Haushalte mit mehreren Dienern und einem Haushalter bekannt (Lk 12,35-38,42-46). Viele Anweisungen in Q sprechen lokale sozioökonomische Beziehungen von Einzelnen oder von gewöhnlichen Haushalten an (6,27-31.37f.4If; 17,rf.3f). Ähnliches gilt auch für die mk Gemeinden (Il2II5)·
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Horsley, Sociology, 1994, Ir7. Dieses Verlassen ist für Horsley im Gegensatz zu den Kl'uikern kein Lebensstil für die Wanderprediger, sondern eine zwar unvermeidliche, aber doch mehl' zufällige Nebenerscheinung, die wegen ihres Auftrages zu missionieren notwendig war. Einige Hauptbelege für seine Sicht: rKol' 9,5; Mk ro,28-30 vgl. "Äcker", ders., Sociology, 123. Vgl. ebd., ET, 1978, I7. Hier folgt Theißen G. Kretschmar, Ursprung frühchristlicher Askese, ZTK 61 (1964), 27-67-4 1f.
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Hausgemeinde und Mission
consciousness" herrschte, das sie von dem Rest des Volkes Israel absetzte und es ihnen ermöglichte, eine "distincdy Christian worship and fellowship" zu bilden 162. Wenn noch nicht völlig "Christian", war sie doch "distinct". Nach Filson waren es gerade die Häuser mit ihren räumlichen Dimensionen, die dies ermöglicht haben (s. S. I28ff). Überall dort, wo sich Menschen für das Reich Gottes entschieden haben, entstand eine neue Gruppe innerhalb des Volkes (s. o. Dungan, Anm. 130). Außerdem gibt es gute Gründe für die These, daß Jesus tatsächlich die "Kirche" in Gestalt des neuen Gottesvolkes gewollt hat l63 • Auch wenn man davon ausgeht, daß Jesus keine Gemeinde gründen, sondern Israel nur erneuern wollte, muß man annehmen, dafS schon vor Ostern eine neue Gemeinschaft innerhalb Israels durch die Predigt des Gottesreiches und die Entscheidung dafür entstanden ist (s. U.)164. Das "social setting" der Jesusbewegung scheint also aus örtlichen Gemeinschaften bestanden zu haben, die wohl überwiegend in den Häusern von Dörfern und Kleinstädten zu lokalisieren sind l65 • Diese "local communities" versteht Horsley als Zwischenglied zwischen dem irdischen Dienst Jesu und den nachösterlichen christlichen Gemeinden l66 • Allerdings können wir solche Gruppen nur vermuten, denn sie sind nicht sicher belegt. Die Apg belegt bloß die Stadtgemeinde von Jerusalem und deren Mission. Nur Gal 1,22 weist darüber hinaus. In Gal 1,22 redet Paulus von den Gemeinden Christi in Judäa, also eine Mehrzahl von Gemeinden außerhalb Jerusalems. Aufserdem hat die vorösterliche Verkündigung Jesu höchstens drei Jahre gedauert. Es ist zu fragen, ob sich fest strukturierte lokale Gruppen in solch kurzer Zeit bilde!1.
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Vgl. schon Filson, Significance, 1939, I09. Vgl. P. Stuhlmacher, Kirche nach dem Neuen Testament, ThBeitr 26 (199.5), 301325, v.a. 304. Vgl. G. Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, 1982, 56f; auch F.H. Borsch, Jeslls, the Wandering Preacher?, I975, 60; E.P. Sanders, Jesus and Judaism, 1985, 147·2.22. Horsley, Sociology, I994, II 1. Ebd., I06. Wenn die Wanderprediger der Jesusbewegung Heimat-, Besitz- und Familienlosigkeit nicht als Lebensstil, sondern nur zeitweilig praktiziert haben, kann man auch fragen, inwiefern dies auf die Erdenzeit Jesu und seiner Jünger zu übertragen ist. Was in dieser Hinsicht JO-70 n.Chr. möglich war, war auch in den fünf Jahren ,'orher möglich. Dies ist immerhin auch das Bild, das die synoptischen Evv vermitteln (mehr dazu im nächsten Abschnitt: Der vorösterliche Gebrauch von Häusern durch die Jünger ]esll).
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
Immerhin zeigt der Hinweis von Paulus in Gal (1,17; 2,21.22) auf seinen eigenen Dienst in Arabien, Syrien und Zilizien, aber auch auf Gemeinden Christi in J udäa, wie schnell "J esusbewegungen" oder lokale Gemeinschaften sogar außerhalb von Palästina entstanden sind, und das macht das Bild der Apg, wonach sich die Mission rasch über Judäa, Samaria, Galiläa, Dekapolis oder Tyrus LInd Sidon ausbreitete, um so glaubwürdiger 167 • Hier kann gefragt werden, ob nicht zumindest einige dieser örtlichen Gemeinschaften auf die Zeit des irdischen ]esus zurückgehen. Wenn wir von einem vorösterlichen Ursprung der Logienüberlieferung ausgehen (s. S. 94), ist auch anzunehmen, daß Hausgemeinschaften schon vor Ostern mit einigen dieser Anhängergruppen zu identifizieren sind. Wie wir sehen werden, waren die Jünger Jesu schon vor Ostern bemüht, durch ihre Verkündigung der Gottesherrschaft in Jesus die "Söhne des Friedens" zu sammeln (s. S. 108ft). Diese Friedenssöhne waren sehr wahrscheinlich Hausvorstände. Wenn in einer Oikosgesellschaft ein Hausvorstand sich für eine Glaubensrichtung entscheidet, schließen sich die meisten Glieder des Haushaltes ihm an, und dadurch ist schon eine "Hausgemeinschaft" entstanden. Aus diesen Hausgemeinschaften sind möglicherweise dann die Hausgemeinden der nachästerlichen ]esusbewegung und Urgemeinde hervorgegangen, wofür wir in. den Evangelien indirekte Hinweise finden und wie wir sie dann aus der Apg kennen l68 • Für die Sicht, daß vor Ostern ortsfeste Anhänger Jesu örtliche Gemeinschaften bildeten, spricht auch folgende Einsicht. Es gab v.a. in den ortsfesten Anhängerkreisen schon vor Ostern ein Bedürfnis nach Traditionsbildung, denn für sie war die Abwesenheit Jesu ein Problem, das nur durch eine solche Bildung hätte überwunden werden können. Es sprechen gute Gründe dafür, daß diese Traditionsbildung sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgte l69 • In unserem Zusammenhang ist dies bedeutend, denn es ist wohl davon auszugehen, daß die ortsfesten Anhänger diese mündlichen Texte, aber v.a. die schriftlichen Notizen, nicht nur irgendwo in der Wüste jeder für sich gelesen (oder rezitiert) und reflektiert haben 170 • Sie hätten sich 167 168 169
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Vgl. auch Mk 3,7; 7,24.3I. Vgl. schon G. Theißen, Soziologie der Jesusbewegung, 2.I. Riesner erwägt die mündlichen (ebd., 365-371: Auswendiglernen von mündlichen Besinnungstexten) und die schriftlichen Möglichkeiten (ebd., 489-498: schriftliche Jünger- und Sympathisantennotizen). Dies hätten sie erst recht nicht in der Synagoge getan.
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Hausgemeinde und Mission
dafür eher in kleinen Gruppen in ihren Häusern versammelt l7l • Dies wäre auch ein Grund für eine Gemeinschaftsbildung in den Häusern gewesen; d.h. für die ortsfesten Sympathisanten war die Abwesenheit Jesu ein vorästerlicbes Problem, das nicht nur auf Traditionsbildung, sondern auch auf Gemeinschaftsbildung bzw. -pflege drängte, und es gab kaum eine bessere Möglichkeit für diese ortsansässigen Jesusanhänger, Gemeinschaft miteinander zu pflegen, als in den Häusern. Man kann annehmen, daß Jesus nicht nur seinen mit ihm wandernden Jüngern festgeformte Predigtinhalte für ihre Verkündigungstätigkeit eingeprägt hat, sondern auch dem ortsfesten Anhängerkreis einprägsam geformte Lehrsummarien übergeben hat und daß sich einzelne von den ortsgebundenen Anhängern schon schriftliche Aufzeichnungen von Jesusüberlieferungen gemacht haben 172 • Dieser Sachverhalt weist wohl nicht auf fest strukturierte, sondern eher auf locker organisierte örtliche Hausgemeinschaften schon vor Ostern hin. Diese Gruppen dürfen wir uns auch nicht zu groß vorstellen, denn die Größe eines Wohnzimmers in einem typischen Haus einer ländlichen Gegend zu dieser Zeit in Palästina betrug nach Aussagen rabbinischer Texte (P.T. Berachot 8,I2C ibid 3,6d; Midrash Rabbah, Genesis 3I,rr) wenigstens 5X5 lTI. Nach Ergebnissen archäologischer Untersuchungen liegt die Durchschnittsgräße zwischen
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172
Demnach hätten sie die mündlichen Besinnungstexte und die schriftlichen Notizen buchstäblich 'mit nach Hause' genommen! Vgl. Riesner, Jesus, 364. Vgl. die Lehrsummarien der syn. Logientradition, die meist aus sehr kurzen und dadurch leicht behältlichen Stücken bestehen (z.B. Lk 14,7-11.12-!4.IS-24; vgl. R. Riesner, ]eslls, 3S9ff.487-498.367-37I). Diese Beispiele sind in unserem Zusammenhang besonders interessant, da sie von Einladungen zum Mittag- und Abendmahl bzw. zum Festmahl sprechen und damit ortsansässige Zuhörer vor·· aussetzen, die diese Oikosbilder verstehen, weil sie selber Mitglieder eines Hauses oder sogar Hauseigentümer sind. Vgl. auch die Gleichnisse mit rätselhaftem Charakter, die als mündliche Besinnungstexte verstanden werden können, weil sie die Menschen zum Nachdenken über das Gesagte drängten (z.B. Mk 9,10; Lk 13,I8f.20f). Weder von der Einstellung noch von der Bildung der vorösterlichen ortsansässigen Anhänger ]esu her bestehen grundsätzliche Bedenken gegen schriftliche Notizen von Jesusüberlieferungen. Zur Bildung der Jünger und zur Möglichkeit, d"ß ]esus auch Angehörige der eher gebildeten Schicht erreicht hat vgl. Riesner, ebd., 4II-414.497f und z.B. Lk 8,3.49; Mk S,22.3Sf.38; Mt 27,57 par. (vgl. dazu R. Pesch, Mk I, 1977, SI2f). Vgl. auch M. Hengel, Maria Magdalena und die Frauen als Zeugen, 1963, 246; G.W. Buchanan, Jesus and the Upper Classes, NT 7 (I964), 19S-2.09.2OSf.
Die vOl'österliche Verwendung von Häusern 4X4 und 5X5 m l73 • Es ist aber zu bedenken, daß der Hof ein wesent-
licher Teil eines palästinischen Hauses gewesen ist und Platz für etwas größere Versammlungen wenigstens während wärmerer Monate geboten hätte. 174 Y. Hirschfeld schreibt dazu: "The courtyard was an integral part of the house ... During the summer months, the family often ate in the court yard ... the courtyard had the important function of serving as a barrier between the pllblic and private domains ... It seems that no one in the cOllntry, members of the lower c1asses as weIl as the upper c1asses, renounced the virtues and pleasure of having a private courtyard inside or beside his house. ,,175 Allerdings können wir solche Gruppen nur vermuten, weil sie nicht sicher belegt sind. Immerhin können wir auf die Familien im Haus des Petrus in Kapernaum und die Geschwister Martha, Maria und Lazarus in Bethanien l76 hinweisen, von denen anzunehmen ist, daß sie solche lokalen Gruppen schon vor Ostern und eventuell auch danach darstellten 177.
5. Ergebnis Wenn wir unsere Beobachtungen zusammentragen, ergibt sich folgendes Bild: Jesus ist missionarisch so vorgegangen, daß er in
173
174 175 176 177
Vgl. Y. Hirschfeld, The Palestinian Dwelling, 1995, 21-1°7.260; vgl. v.a. seine Darstellung einiger palästinischer Häuser aus unserem Zeitraum: z.B. "Wall House" zu Gamala (2. ]h. v.Chr. - 1. Jh. n.Clu.: Triclinium ca. 5X5,5 m), 28; "Farmhollse" 3 km östlich von Umm Rihan (1. ]h. v.Chr. - 1. ]h. n.Chr.: Tridinium ca. 7X2,5 m), 4of; "Farmhouses" zu Qasr e-Leja, und Kalandiya (beide 2. ]h. v.Chr. - I. ]h. n.Chr.: Triclinium ca. 57.5 qm bzw. 5x9,5 m), 52ff; Tripie Court yard House" zu Capernaum (r-2. ]h. n.Chr.: Triclinium ca. 4X3 m). Vgl. auch S. Dar, Landscape and Pattern, r986, 80-85, für weitere Darstellung von Häusern aus unserem Gebiet und Zeitraum. S. dazu die Bezeichnungen vom Petrushaus mit seinem Hof - Anh. S. 508ff. Vgl. ebd., 290ff. Lk 10,38f; vgl. loh II,I.r8. S. o. unsere Ausführungen dazu. Vgl. zum Petrushaus Mk 3,2of.F-35 in Verbindung mit Mk ro,29f. und der Aussendungsrede Lk IO,I-12. Hier haben wir eine Gemeinschaftsbildung der Anhänger ]esu im Haus des Petrus einerseits, die sich andererseits von den ]üngern durch ihre Wandermission in den verschiedenen Häusern/Dörfern in Galiläa fortsetzt. Die Überlieferung der Verheißung ]esu an die Jünger, die alles verlassen haben und wieder gewinnen werden, daß zeJlenartig durchs Land Hausgemeinschaften von Anhängern ]esu entstehen, ist ein Hinweis dafür, daß dies tatsächlich so geschehen ist, denn diese Verheißung ist u.a. wohl deswegen tradiert worden, weil sie in Erfüllung gegangen ist.
Hausgemeinde und Mission
Kapernaum ein Haus bzw. eine Familie für seine Basileia-Botschaft gewann. Von diesem Haus aus versuchte er, zusammen mit den neugewonnenen Anhängern, die ganze Stadtl78 und danach von diesem Stützpunkt aus das umliegende Gebiet innerhalb und wohl auch außerhalb des "evangelischen Dreiecks" von Haus zu Haus bzw. von Dorf zu Dorf zu erreichen. Während der Zeit seiner galiläischen Wandermission erscheint das Haus des Petrus in Kapernaum als zeitweiliger Wohnort Jesu und als Stützpunkt seiner Missionstätigkeit. Es ist ebenfalls anzunehmen, daß es für Jesus und seine Jünger ein Ort der Pflege des häuslichen Glaubenslebens (z.B. Gebet, Gemeinschaft), aber auch ein Versammlungsraum und ein Ort des Heilungsdienstes und der Lehrtätigkeit .Iesu war. _ Es gibt guten Grund für die Annahme, daß das Haus des Petrus schon vorösterlich eine Art Prototyp einer HG war 179 , denn missionarische und lehrmäßige Verkündigung, Gebet und Gemeinschaft sind eigentlich schon Elemente einer Hausgemeinde. Hier kann man von der Existenz einer Gruppe mit einem ausgebildeten religiösen Eigenleben sprechen (vgl. den Forschungsbericht S. 35-45 und S. 4- 7f für unsere Definition von HG). Man muß allerdings bedenken, daß Jesus und seine Anhänger als Juden ihren eigentlichen Gottesdienst noch in der Synagoge gefeiert haben. Von dem Haus des Petrus vor Ostern als Hausgemeinde im Vollsinn zu reden, wäre übertrieben. Man kann höchstens von Eigenschaften einer HG und demzufolge eventuell von einer Hausgemeinschaft sprechen: Das Haus des Petrus ist als ein Ort zu beschreiben, an dem sich der erste kleine Kern 180 der Jünger um Jesus versammelt hat. . In der Sicht der nachösterlichen Urgemeinde (spätestens bis zur Niederschrift des MkEv - vgl. Mk 3 ,20f. 31-35) scheint dieses Haus In Nach Mk 2,15 gewinnen wir den Eindruck, dag Jesus dabei erfolgreich gewesen ist (s. S. 71, Anm. rol). 179 Wie wir schon gesehen haben, ist historisch wahrscheinlich, daß das Haus des Petrus schon ab der 2. Hälfte des I. Jh. als Versammlungsort einer nachösterliehen HG gedient hat. 180 Es ist zu berücksichtigen, dafs das Haus des Petrus zur Zeit Jesu nur mit einem relativ kleinem Wohnzimmer ausgestattet war, so dag nur wenige Personen darin Raum fanden. Selbst in einer späteren Phase, als man das Petrushaus schon als Hauskirche verwendet und möglicherweise deshalb eine Vergrögerung des Wohnzimmers wohl durch die Teilentfernung der Zwischenwand vollzogen hat, ist die GröfSe des Raums 7,00 x 6,50 m gewesen (V. Corbo, The House of St. Peter at Capharnaum, I969, 42).
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
schon vor Ostern nicht nur das Haus Petri und das Haus Jesu gewesen zu sein, sondern im gewissen Sinne das Haus der neuen Familie um Jesus und damit die "Wiege der entstehenden Ecclesia"181. Dies hieße: Wir sähen uns hier einem embryonalen Stadium der Ecclesia gegenübergestellt 182 • Wenn man bedenkt, daß der vorösterliche ]üngerkreis schon unübersehbar als Gemeinschaft in Erscheinung getreten ist und daß eines seiner Hauptmerkmale darin bestand, daß die Jünger untereinander zu einer neuen Familie zusammengewachsen sind 183 , dann kann angenommen werden, da"ß diese Sicht der Urgemeinde, wie sie Mk 3 ,20f. F-3 5 überliefert, vorösterliche Wurzeln hat l84 • Für die Echtheit dieser Überlieferung spricht v.a. Mk 3,33-35, denn die Urgemeinde hätte sicherlich kein Interesse daran, ein Wort Jesu zu bilden, in dem das 4- Gebot außer Kraft gesezt wird 185 • Wenn sie eine solche Überlieferung gebildet hätte, wäre die Urgemeinde der Kritik aus dem Judentqm ausgesetzt gewesen, daß sie die Familie sprenge. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, daß diese Überlieferung auf Jesu eigenes Verhalten und eigene Lehre zurückgeht. Es fügt sich hier vorzüglich ein, daß das Bild für das neue Gottesvolk, welches Jesus bevorzugte, das Bild der eschatologischen (amilia
18] 182
183 184 ]8.\
S.Loffreda, La Tradizionale Casa, 1993, 38. Hier stellt sich auch die Frage, von wann an das Halls des Perrus eine lokale judenchristliche Hausgemeillde bzw. Hauskirche in dem von uns definierten Sinne (vgI. unseren Forschungsbericht) darstellte, für die das Haus des Petrus nicht nur bzw. kein Familienhaus mehr war, sondern eher oder sogar ausschließlich als Versammlungshaus diente. Es ist zu vermuten, daß von Ostern an eine judenchristliche Gemeinschaft dort regelmäßig zusammengekommen ist. Was aber wirklich zwischen Ostern und dem Jüdischen Krieg geschehen ist, wissen wir nicht. Die archäologischen Spuren und sonstigen Hinweise (s. S. 59f) deuten dann an, dag eine Hausgemeinde im Haus des Petrus irgend wann nach Ostern (wohl spätestens während und nach dem Jiidischen Krieg, als es für die Judenchristen in Jerusalem schwierig wurde) entstand und danach (v.a. in der 2. Hälfee des 1. ]h.) aufgeblüht zu sein scheint (vgI. S. Loffreda, Recovering Capharnaum, 50ff; J.E. Strange - H. Shanks, BArR (1982), 26-37; vgI. auch P. Sruhlmacher, BibI. Theologie 1,181). Die Entwicklung in der Zeit von Oseern an bis etwa 70 n.Chr. bleibt aber archäologisch und sachlich eine ungeklärte Frage, die noch zu untersuchen wäre, hier aber offengelassen werden muß. ]. RoloH, Kirche im NT, 1993,40; Vgl. auch G. Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewolt, 1982, 53-57. Vgl. auch G. Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, 54ff. Vgl. R. Pesch, Mk 1,222-224; M. Hengel, Nachfolge, 1968 14f.
Hausge111einde und Mission
Dei war l86 • Sie ist Ersatz für die irdische Familie, die von Jesus und seinen Nachfolgern auf Grund ihres Wanderleben zurückgelassen wurde 187. In dieser Familie ist Gott der Vater J88 • Jesus ist der Hausherr (s. S. II6ff) und die Seinen sind die Hausgenossen 189 • Die älteren Frauen, die ihm nachfolgen, sind seine Mütter, die Männer seine Brüder l9O • Zugleich sind sie alle Kinder, auch wenn sie dem Lebensalter nach Erwachsene sind l91 • Dieses Bild der familia Dei wurde wohl deswegen von Jesus bevorzugt, weil es theologisch den Kern dessen, was Jesus vermitteln wollte, am besten traf. Denn es ging ihm darum, das neue endzeitliche Gottesvolk zusammenzurufen, in dem die göttliche Liebe regiert - wie in der familiären Beziehung Jesu zu seinem himmlischen Vater. Das Bild der Familie ist aber zugleich den Menschen einer Oikosgeseilschaft sehr vertraut. Was diese Familie Gottes ist bzw. worin sie sich von dem antiken Verständnis des Oikos unterscheidet (s. S. II5ff), wurde ihnen dadurch konkret veranschaulicht, daß Jesus wohl oftmals in oder vor dem Haus des Petrus gewesen ist, als er davon sprach 192 • Außerdem konnte auch jeder sehen, wie die Jünger als Gemeinschaft zusammen lebten, nicht zuletzt im Umfeld des Petrushauses. Denn Jesus sprach nicht nur von dieser Familie, er rief Menschen zu dieser Familie konkret zusammen und "wohnte unter ihnen", auch oder v.a. in dem Haus des Petrus zu Kapernaum. Für W. Trilling ist "Kapernaum" der Schauplatz des Wirkens JeSU 193 • Dieses Wirken hat sich am intensivsten im Haus des Petrus vollzogen. Hier konnten Außenstehende sehen, wie sich die Lebensweise des Anhängerkreises Jesu gestaltete. Unsere Gesamtsicht wird durch die Beobachtung unterstützt, daß Jesus in seinen Aussendungsreden seine Jünger zur Haus- und Dorfmission angeleitet hat. Die Art und Weise, wie er seine Jünger belehrt hat, entspricht weitgehend dem, was wir schon über seine eige186
187 188 189 190 191 192
193
J. Schlliewind, Mk, zu Mk
3,3Iff; ihm folgend]. Jeremias, Theol., '973, I66. ZU "Familie Gottes" bei Mk Evangelium vgl. W. Rebell, Zum neuen Leben berufen, I99 0 ,7 2 -7 8. Mk Io,29 f par. Mt 23,9. Mt rO,25. l"lk 3,34 par. Mt II,25; Mk IO,24; vgl. 2,5; 5.35. Vgl. dazu O. Michel, ThWNT IV 650-66r, v.a.653-658. Mk 3,3 1 -35. Das Wahre Israel, I964, 131.
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
93
ne Vorgehensweise erarbeitet haben. Wenn wahrscheinlich gemacht werden kann, daß Jesus seine Jünger zur Haus- und Dorfmission angeleitet hat, ließe sich durch Rückschluß bestätigen, daß er selbst so vorgegangen ist. Durch die Analyse der Aussendungsrede der Logienquelle (Lk 10,1-12) gewinnen wir also nicht nur Klarheit über die Vorgehensweise seiner Jünger, sondern auch ein schärferes Bild von der eigenen Vorgehensweise Jesu. Dies setzt natürlich voraus, daß die Aussendungsrede historisch aussagekräftig ist. In einem zweiten Schritt gehen wir nun auf diese Fragen zur Aussendungsrede el11.
B) Die vorösterliche Verwendung von Häusern durch die Jünger Jesu Nachdem wir Jesu vorösterlichen Gebrauch von Häusern untersucht haben, können wir nun fragen, ob es mit seinen Jüngern ähnlich stand. Dies scheint angesichts der zentralen Bedeutung &s Hauses in der Antike wahrscheinlich. Unsere Vermutung wird dadurch unterstützt, wenn man bedenkt, daß der Meister eine Vorbildfunktion für seine Jünger ausübte und diese auch für Jesus in seiner Beziehung zu seinen Jüngern nachzuweisen ist l94 . Wir fragen erneut: Kann man in zuverlässigen Überlieferungen belegen, daß die Jünger vor Ostern Häuser analog zu Jesus für irgendwelche Aktivitäten gebraucht haben und -wenn dies der Fall ist - welche? Hat Jesus sie sogar dazu angeleitet? I.
Die Ausse1'ldu1'lgsrede
Die Aussendungsrede der Logientradition ist in unserem Zusammenhang besonders wichtig (Lk 10,1-r6 (17-20); vgl. auch Lk 9,1-6; Mt 9>37f; 10,7-16; Mk 6,6b_rr)195. H. Schürmann hat entgegen der 194 K.H. Rengstorf, ThWNT IV, 1942,444,26-33; E. Larsson, Christus als Vorbild, 1962, 38-4°; A. Schulz, Nachfolgen, 1962, 252-270; D. Daube, NTS 19 (1972/3),1-15; B. Gerhardsson, Memory, r82.-188; Besonders 1'11< arbeitet stark
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heraus, daß die Jünger v.a. bei der Aussendung die Art des \'Virkens Jesu fortsetzten. Zum historischen Wert dieses Phänomens und zum Phänomen überhaupt bei Mk vgl. R.P. NIeye, Jesus and the Twelve, 1968, v.a. 99-1 13.198f. Daß die Aussendungsrede Jesu im Zusammenhang der urchristlichen Hausgemeinde von zentraler Bedeutung ist, sahen schon F.J. Schierse, Zelle und Gruppenbildung im Urchristentum, 1960, IIr-I28.I20; ihm folgend: W. Vogler, Die
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Hausgemeinde und Mission
Zurückhaltung der formgeschichtlichen Schule die Frage nach dem "Sitz im Leben" auf die Situation vor Ostern ausgeweitet und mit seiner These vom vorösterlichen Beginn der Logientradition l96 auch viel internationale Zustimmung gefunden I97 . Die überwiegende Mehrheit der Exegeten geht heute davon aus, daß die Aussendung der jünger zu eigenem Verkündigungsdienst als eine gesicherte Tatsache der Geschichte jesu gelten kann 198 • Es gibt dafür stichhaltige Gründeeinige seien hier angeführt: Alle drei synoptischen Evangelien erzählen von mindestens einer Aussendung199 • Außerdem ist im Zusammenhang von rKor 9 eine beachtliche Anzahl von Gemeinsamkeiten mit dem Aussendungsbericht in Lk 10,1-20 zu konstatieren20o • Die Berührung zwischen IKor 9,14 und Lk 10,7 läßt vermuten, daß Paulus sich hier auf ein mit dem Lk-Logion verwandtes jesuswort bezieht. Es muß also schon zur Abfassungszeit des IKor (etwa im Frühjahr 55) eine relati v ausführliche Aussendungstradition existiert haben201 • Dazu kommt die Beobachtung, dafS nachösterliche christologische Verkündigungsinhalte in der synoptischen Aussendungstradition völlig fehlen 202 • Einige der asketischen Bestimmungen für die vorösterlichen Gesandten waren für die urkirchliche Mission dagegen untypisch (Mt rO,9f/Lk 9,3; Mt 10,4; vgl. Mk 6,8f; Lk 10,4,7)203.
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Bedeutung der urchristlichen HGn, ThLZ I I (1982),785-794.787; vgl. auch J. Gnilka, Mk 1,240; H.]. Klauck, HG, 5M. Die vorösterlichen Anfänge der Logientradirion, 1960, 342-370. Vgl. schon vor Schürmann auch H.E.W. Turner, ]esus, 1970, 137; W.D. Davies, Sermon Oll the Mount, 1963, 421-434 und mit Schürmann die im Nachtrag, aaO., 64f und außerdem die von R. Riesner, Jesus, 74, Anm. 26 erwähnten Verfasser. F. Hahll, Mission, 1965, 40; M. Hengel, Nachfolge, 1968, 82.-89; Kasting, Anfänge, 125; G. Bornkamm, ]esus, 1980, 131; E. Testa, LA 29 (1979),7-41; E.E. Ellis, FS H. Conzelmanll, 1975, 303; E. Schweizer, Mk, 7rf; T.W. Mansan, Sayings of Jesus, 1948, 73; J. Gnilka, Mk 1,1978,2.41; M. Trautmann, Zeichenhafte Handlungen Jesu, 1980, 168-233; die Historizität der Aussendung wird von R. Buhmann, Geschichte, 1979, 155f; E. Haenchen, Der Weg Jesu, 1968, 223; P. Hoffmann, Studien, 1982, 262 abgelehnt. Vgl. J.J. Vincenr, Disciple and Lord, 1976,65, Anm. 39 für weitere Exegeten pro und contra. Mt 10,1-40; Mk 6,7-13.3°; Lk 9,1-6.10; ro,1-20. B. Fjärstedr, Synoptic Traditions in I Cor., 1974, 64-77. Ihm folgend und erweiternd D.C. Allison, The Pauline Epistles und the Synoptic Gospels, NTS 28 (1982),1-32. Anders C.M. Tuckert EThL 60 (1984),376-381. K. Beyschlag, Clemens Romanus, 1966,34M. Hengel, The Origins of the Christian Mission, 1983, 62. M. Hengel, ebd.
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
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Schließlich sei bemerkt, daß der Jüngerkreis Jesu ohne emen Sendungsauftrag letztlich einen erkennbaren Sinn verlierr2 04 • R. Pesch faßt zusammen: "Daß die Zwölf, die Jesu Anspruch auf die Sammlung ganz Israels repräsentieren, paarweise zur Mission mit Umkehr predigt, exorzistischem und therapeutischem Auftrag von Jesus ausgesandt wurden, seine Missionsbemühungen unterstützten, ist historisch glaubwürdig. ,,205 Es bleibt aber die Frage, ob die Einzelheiten über Häuser u. dgl., auf die es in dieser Untersuchung ankommt, auch einen historischen Wert haben. Im allgemeinen besteht ein Konsens darüber, daß Lk 10,2-12 die Aussendungsrede der ursprünglichen Logienquelle darstellt und damit als ältester Beleg für die Aussendung gilt 206 • Nur ein kurzer Blick auf den gegenwärtigen Forschungsstand reicht aber aus, um zu zeigen, wie schwierig eine Urteilsbildung im einzelnen ise o7 • Die literar-
M. Hengel, Nachfolge, 1968, 82f. Mk I, 33I. 206 Schon J. Wellhausen, Evang. Lucae, 48f; R. Bultmann, Geschichte, 3 SI; aber auch H. Schürmann, Traditionsgesch. Untersuchungen, I47ff haben in Lk 10,512 den ursprünglichen Q-Text gesehen. F. Hahn, Mission, 1963, 33f; H. Kasting, Anfänge, 1969, 125, Anm. 5; D. Lührmann, Redaktion, 1969, 59 nehmen an, daß Lukas den ursprünglichen Q-Text in 10,2-12 erhalten habe; auch P. Hoffmann, Studien, 1982., 267-2.87 und S. Schulz, Spruchquelle, 1972, 408-4 I9 ordnen in je unterschiedlicher Weise den Text Q zu. 207 H. Schürmann, Traditionsgesch. Untersuchungen, I47ff ordnet Lk 10,3.4.5-7 einer eigenen Tradition zu, die erst sekundär in Q mit dem Erzählstoff Lk 10,1; Mt 1O,5b-6; Lk 1O,8-I2 verbunden wurde; T.\V. Manson, Sayings, 1971, 73f, und ihm folgend, J. Roloff, Apostolat, 1965, 151" Anm. 53 weist nur Lk 10,2f.812 Q, Lk 10,I,4-7.17-2.0 aber einer Sonderüberlieferung zu. Dagegen will P. Hoffmann, Studien, 1982., 2.67-283, v.a. 2.80, 296f, wahrscheinlich gemacht haben, daß in Lk IO,5-7a.b.9 der ursprüngliche Q-Text erhalten ist. Ähnlich urteilt F. Katz, Beobachtungen, 33-36.40f-45-79, der den Kern in 1O,5-9.10f als ganzes konzipiert sieht, um den einzelne Logien bzw. Logiengruppen gefügt wurden. Für S. Schulz, Spruch quelle, I972, 409 (für Begründung, Anm. 38 und 404-408), ist Lk 10,2-!2 "traditionsgeschichtlich von Anfang an eine einheitliche Komposition" gewesen. Zu dieser Vielfalt der Möglichkeiten kommen drei neue literarkritische Arbeiten hinzu: J. Tashjian, Mission Charge in Q, I987; R. Uro, Sheep Among the Wolves, 1987; L. Vaage, Q: Ethos and the Ethics of an Itinerant Intelligence, 1987. Leider tragen sie eher zu einer grögeren Verunsicherung als zu einem Konsens bei, indem sie teilweise noch mehr Schichten als ihre Vorgänger in der Q-Version der Aussendungsrede unterscheiden. Abgesehen von Schürmann gehen die O.g. Exegeten von einem nachösterlichen Anfang von Q aus. Dagegen sind F. Hahn, Mission, 34-36 und ihm folgend M. Hengel, Nachfolge I968, 84f. sowie D. Lührmann, Redaktion, 59 der Meinung, 204
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Hausge111einde und Mission
kritischen Versuche, in Lk IO,2-I2 zwei oder mehrere Schichten zu unterscheiden, haben zu einer Vielfalt von komplizierten Hypothesen, aber zu keinem Konsens geführt. Dies zeigt die Grenzen der Literarkritik und mahnt zur Vorsicht bei dem Urteil, ob einzelne Verse oder Teilverse ursprünglich zu Q gehörten. So ist man gezwungen, andere Kriterien anzuwenden, um die Frage nach dem historischen Informationswert der einzelnen Aussagen beantworten zu können 208 • F. Hahn hat darauf hingewiesen, daß beide Überlieferungen Lk rO,2-I2 und Mt 9.37-ro,r6 nach demselben Schema aufgebaut sind: "Zur Grundform gehört als erstes die Aussendung, sodann die Regelung der Ausrüstung, weiter die Anweisung über das Verhalten in Häusern und endlich die Anweisung über das Verhalten in Ortschaften. ,,209 Die parallelen Einleitungswendungen in Vers sa (Haus) und Vers 8a.loa (Stadt) sprechen auch für eine einheitliche Komposition 21O • Damit soll nicht gesagt werden, daß keine Spuren von lk. Redaktion vorhanden wären; sie sind aber minimal 211 • Einzelne Missionsanweisungen sind zu unterscheiden212 , und es gibt nicht zu übersehende Spannungen, auf die in der Exegese mehrfach hingewiesen wurde 213 • Zum größten Teil können diese Spannungen mit der die Aussendungsrede (v.a. IO,8f.rof) gebe Einblick in sehr altes, höchstwahrscheinlich auf den historischen Jesus selbst zurückgehendes Traditionsgut. 208 Vgl. nun die "narrative-critical" Arbeit von D.L. Matson, Household Conversion Narratives in Acts, 1996, 2.6-52., der zwar eine andere Methode verwendet, aber trotzdem den Ik. Aussendungstraditionen keinen historischen Wert beimißt. Allerdings zeigt er keine Kenntnis der betr. Arbeiten von Henge! und Schilrmann und geht auf die Argumente von Hahn nicht ein (5. u.). 209 Mission, 34. 210 Ebd., 34; MarshalI, Lk, .414- Gegen Schürmann, Lk H, 72., der dies als lk. Harmonisierung versteht. 211 J. Jeremias, Sprache, 1980, r84-189, stellt zu Lk 10,1-2.0 fest: "Bis auf die Einleitungsverse 10,I-2.a ist die Perikope fast frei von redaktionellen Eingriffen" (189) und demnach der Tradition zuzuordnen. 212 Aber sie sind deswegen nicht voneinander völlig zu trennen. S. Schulz, Spruchquelle, I972, 409, hält die Annahme, dag diese Einzelanweisungen ursprünglich getrennt im Umlauf waren, für ganz unwahrscheinlich. Anders Schweizer, Mk, 68. 213 Schon \'{lellhal1sen, Evang. Lucae, 48f, hat auf das Hysteron-proteron der Reihenfolge hingewiesen: In der vorliegenden Abfolge werden das Eintreffen in einer Stadt und die Aufnahme in ihr erst erwähnt, nachdem die Gesandten schon die Häuser betreten haben. Aul~erdem erscheint die Essensrege! sowohl in der Haus(7b) als auch in der Stadtanweisung (8b) und wird als störende "Dublette" bezeichnet (z.B. Schürmann, Lk II, 71; vgl. auch P. Hoffrnann, Studien, 1982,
Die vorösterliche \'erwendung von Häusern
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Annahme gelöst werden, daß die Anweisungen ursprünglich ausführlicher gegeben wurden und in der gegenwärtigen Ik. Form abgekürzte Zusammenfassung vorlukanischer Tradition sinCl 214 • Die eigentliche Frage ist, ob Mt die beiden Anweisungen (Hausund Stadtregeln) zusammenfaßt oder ob Lk durch die Einfügung von 8a aus einer Anweisung zwei geschaffen hat. Trotz der Argumente von P. Hoffmann215 für das letztere (er gesteht selbst, daß seine Argumente nicht zwingend sind216 ), scheint für die erstere mehr zu sprechen. Die Nähe zwischen Lk Io,8a und Mt 10,I Ia weist auf eine gemeinsame Quelle hin. Die These, daß 9 (ohne 8) sehr früh der Hausanweisung 10,5f.7a.b. hinzugefügt wurde 217, basiert auf der zweifelhaften Annahme, daß in 8a.10 ursprünglich nicht von "Stadtmission " die Rede war. Sogar Hoffmann selbsr2 18 muß am Ende die "Stadt" auch in der zweiten Quelle voraussetzen. Es ist sinnvoller, den Wechsel vom Haus zur Stadt schon in 8a zu lokalisieren. Außerdem ist der Unterschied, den Hoffmann zwischen "Haus" und "Öffentlichkeit" sehen will, in palästinischen Dörfern und Kleinstädten sowieso problematisch. Vgl. v.a. Hoffmanns Behauptung2l9, in der lk. Darstellung liege sowohl formal als auch inhaltlich das Hauptgewicht der Aussage auf der Stadt, denn die missionarisch entscheidenden Akte, Heilswirken und Gerichtsaussage, geschehen nach Lk 10 in der Öffentlichkeit der Stadt und nicht im Haus. Vgl. auch seinen Exkurs "Die Stadt in der Ik. Darstel268f.282f; Manson, Sayings, 74). Man weist auch auf die unterschiedliche Reak· tion im Fall der Abweisung in V. 6 und V. 10 hin (Ernst, Lk, 333). Daß diese auch eine Aufteilung der Haus- und Stadtanweisungen in zwei verschiedene Schichten rechtfertigt, vertreten z.B. Manson, Sayings, 73f; ihm folgend Ro Ioff, Apostolat, 151, Anm. 53; Hoffmann, Studien, 268-283 und Schürrnann, TraditiolJsgesch. Untersuchungen, 137-149, v.a. 147ff; ders., Lk TI, 71 (allerdings mit völlig unterschiedlicher Berurteilung hinsichtlich der ältesten Schicht: Für Hoffmann ist Lk 10,5-7a.b.9 der älteste Kern und für Schlirmann genau umgekehrt Lk 10,1; Mt ro,5b-6; Lk JO,8-12 die älteste Schicht). Anders S. Schulz, Spruch· qelle, 409, der traditionsgeschichtlich von einer einheitlichen Komposition von Anfang an ausgeht. Hier sehen wir wieder, daß literarkritische Argumente nicht ausreichen, um die historische Situation zu rekonstruieren, geschweige denn, um zu einem Konsens in der Beurteilung der Quellenfrage zu führen. 214 I.H. MarshalI, Lk, 42I. 215 Studien, 27 6- 28 3. 216 Ebd., 2.82. 217 P. Hotfmann, Studien, 288.29 8. 218 Studien, 28of. 219 Stndien, 277 ff.
Hculsgemeinde und .Mission
lung ... "220, in dem er versucht nachzuweisen, daß Lk ein besonderes Interesse daran zeigt, das Wirken der Jünger und das Wirken Jesu mit der Stadt bzw. mit der "Öffentlichkeit" in Verbindung zu bringen, um den Öffentlichkeitscharakter der christlichen Mission zu verdeutlichen. Es kann nicht daran gezweifelt werden, daß der öffentliche Charakter des Wirkens Jesu und der apostolischen Verkündigung ein wichtiges Interesse des Lukas darstellt 221 , aber Hoffmann folgert daraus fälschlich die Annahme eines lukanischen Interesses an Städten. Außerdem geschahen abgesehen von wenigen Ausnahmen, die durch die Situation bedingt waren (Mk 1,29ff par), Heilungen nach den Synoptikern auf Straßen und in den Synagogen (vgl. Mk 1,32ff par; 3,9f mit Lk 10,9), also in der Öffentlichkeit. IO,8a ist also keine lk. Bildung, sondern schon ursprünglich Einleitung zu V.-9-gewesen. Mt hat wohl (vgl. IO,7-8a) seine Parallele zu Lk 10,9 nicht als ein Wirken "in den Häusern" begriffen, und wenn Mk 6,1 I L6JCo~ ursprüngliche Entsprechung zu Lk 10,10 = Q (JC6A.L~) ist, dürfte eine vormalige Erwähnung der Aufnahme in einer Stadt, wie sie in Lk Io,8a vorliegt, wahrscheinlich sein 222 • Vieles scheint für ein hohes Alter des Berichtes Lk 10,1-,-12 zu sprechen. Abgesehen von den schon oben erwähnten Gründen für die Historizität der Aussendung sind folgende Beobachtungen zu nennen: In Lk 10,1-12 sind altertümliche Züge bewahrt, so 10,1 die paarweise Aussendung der Jünger223 , IO,4 das Verbot des Grüßens unterwegs 224 und die rigorose Natur der Ausrüstungsregej225, Io,sf no
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-- Studien, 27 8ff. 221 Vgl. J. JervelI, Luke and the People of God, 1972, 75. 222 S. Schulz, Spruchqllelle, 406, Anm. 22: In Mt 10,15 ist es "noch sichtbar ... , daB auch in der Vorlage des Mt die Spruchgruppe auf die Stadt bezogen war". Für eine Kritik an Hoffmann vgl. auch Schürmann, Lk II, 55.73.75; MarshalI, Lk, 421; R. Ura, Sheep among the Wolves,I987, 67-70, Anm. 188. "lt is relatively certain, then, that Luke's source contained something like Lk Io,8, and the coming into a town and the disciples' behaviour there are not Lukan creations", 70. 223 ]. Jeremias, Sendung, I966, I34f. 224 B.S. Easton, Lk, I60; ihm folgend MarshalI, Lk, 418: "The command to dispense with them (the greetings = RG) is so unusual that it must be original." 225 Es dürfte nicht zu bestreiten sein, daB diese am Anfang der Aussendungsrede in Q und Mk belegte Regel ein ursprünglicher und wesentlicher Teil der frühesten Missionsanweisungen war. Nach einer Besprechung der Unterschiede in der Aussendllngsrede bzgl. der Botenregel zwischen den synopt. Evv. stellt Marshall fest, es sei am wahrscheinlichsten, daß Q "the original, rigorous instructions of Jesus for a brief mission ...., wiedergibt, wobei s.E. Lk und Mt unterschiedliche Fassungen von Q zur Verfügung standen O'darshall, Lk, Ff.3Ff). So wäre Lk IOA auch das
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
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der Ausdruck "Frieden", "Sohn des Friedens"z26 und die Vorstellung vom Ruhen und Zurückkehren des Friedens 227, IO,5-7a die Verbindung von Kommen und Bleiben 228 , IO,7a die Anweisung zu bleiben, zu essen und zu trinken 229 , IO,7b der Arbeiter und sein Lohn 230 , Verbot des Stabes mit 9,3 und Mt 10,JO zu ergänzen. Vgl. auch E. Percy, Die Botschaft Jesu, 1953, 29; R. Laufen, Die Doppelüberlieferung der Logienquelle und des MkEv, 1978, 265; Hahn, Mission, 36 und ihm folgend M. Henge!, Nachfolge, 1968, 84, die alle von der Authentizität der Anweisung ausgehen. Hengel weist darauf hin, daß eine solche Tradition als Gemeindebildung kaum denkbar wäre, "da sie den realen Missionserfordernissen der Ilachö~terlichen Zeit widerspricht". Gegen P. Hoffmann, Studien, 312-33I und S. Schulz, Spruchquelle, 409.4J4f. Hoffmann und Schulz schreiben dieses hohe Ideal einer nach österlichen Q-Gemeinde zu. Hoffmann findet die Bedeutung der Ausrüstungsregel in der besonderen inhaltlichen Aussage des Friedens und der Armut. Schulz sieht die radikale Ablehnung des Besitzes als Entsprechung zur "mörderisch-wölfischen" Natur der apokalyptischen Sendung zu Israel. Hier ist zu fragen, ob beide Sinn deutungen tatsächlich nur von einer Q-Gemeinde oder nicht ebenso gut von Jesus selbst und seinem Jüngerkreis behauptet werden könnten. Vgl. MarshalI, Lk, 4I8. 226 Vgl. Hoffmann, Studien, I982, 297. Mit dem Friedensgruß kündigen die Boten Jesu "den Anbruch des Reiches an; ihr Auftreten gehört dann bereits, wie auch das Auftreten Jesu (vgl. Lk ro,23flMtI3,16f), zum Endzeit-Geschehen". Die Verbindung der Seligpreisungen (Lk 6,2Of; Mt II,5 = Q) mit der Friedensbotschaft des Endzeitpropheten nach Jes 52,7 und Nah 2,I deutet auf einen Ursprung bei Jesus selbst. Vgl. Stuhlmacher, Das paulinische Evangelium, 1968, I47ff für eine ausführliche Behandlung der Tradition. 227 EiP1lv 1'] als Bezeichnung des Heils im eschatologischen Vollsinn und die semitisierende Wendung 'uio~ dp1lvl']~, die sich im NT nur an dieser Stelle belegen lassen, sind vorlukanisch. Auch das Fehlen der Kopula im Friedensgruß mug als unlukanischer semitisierender Sprachgebrauch eingeordnet werden. Vgl. dazu]. Jeremias, Sprache, r980, 2I.76.r85. 228 Die Anweisurigen über den Friedensgruß, die Söhne Gottes und über das Bleiben bei ihnen gehören schon im ältesten Überlieferungsstadium zusammen. Denn die Instruktionen über das Betreten der Häuser lind den Grug verlangen eine Fortsetzung des Bleibens, um eine inhaltlich ausreichende Aussage zu machen (gegen Hahn, Mission, 36, der den ganzen V. 7 als sekundäre Erweiterung ansieht). WeIchen Zweck hätte die einfache Anweisung über das Betreten eines Hauses und den Gruß gehabt? Auch formgeschichtliche Argumente sprechen dafür: Sowohl in Mk 6,10 als auch in der von der Q-Quelle nicht direkt abhängigen Überlieferung 2 Joh 10; Did II,I.4f; 12,I.2 (vgl. auch Ign Eph 6,r) ist der Zusammenhang von Kommen/Grüßen und Bleiben/Aufnahme stets gegeben; diese Elemente gehören offensichtlich von der Sache her eng zusammen. Vgl. Hoffmann, Studien, 296. 229 Lk IO,7a ist durch die Dublette in Mk 6,IOb als alte Überlieferung erwiesen (H.]. Klauck, HG, 57, Anm. 99). Außerdem findet sich nach J. Jeremias, Sprache, I980, r 8 5 die in Prosa ganz seltene poetische Form ea6w im NT nur dreimal: Mk 1,6; Lk 22,30 und in unserer Stelle. Dies spricht für die vorlk. Herkunft vom
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Hausgemeinde und iVIissio11
Io,8b die Anweisung, das zu essen, "was euch vorgesetzt wird"23\ der Hinweis auf das Heilen und das Reich Gottes 232 , IO,II
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Ausdruck ea8oyw; Kat JttVOYW;, der in den älteren Ausgaben von Nestle enthalten war. Der primäre Sinn dieser Formulierung dürfte die Aufnahme der Boten in die Hausgemeinschaft sein. Vgl. P. Hoffmann, Studien, 297: "Das Mahl dokumentiert die Gemeinschaft, die zwischen Gastgebern und Boten besteht." Diese Anweisung geht, so auch Hoffmann, höchstwahrscheinlich auf den irdischen Jesus zurück. 230 Nach Dalman, Jesus, 210, ist dieser Spruch in der jüdischen Literatur als Sprichwort nicht belegt, was gegen die Vermutung von R. Buhmann, Geschichte, 1979, I07 spricht, daß es "offenbar ein Sprichwort, das von der Gemeinde für die von ihr produzierte Instruktionsrede nutzbar gemacht" sei. Auch die schon oft beobachtete Verbindung von IO,7b zu rKor 9,4-18 und 2Kor II,7-13 kann nicht nur als ein Eintragen des Gedankens vom apostolischen Unterhaltsrecht in die Botenrede (vgl. Schürmann, Lk II, 70; H.]. Klauck, HG, 57), sondern auch in entgegengesetzter Richtung verstanden werden. Es könnte genauso gut möglich sein, daß Jesustradition, speziell die Aussendungstradition, die Grundlage bildet flir das apostolische Unterhaltsrecht, wie es in I und zKor usw. überliefert ist. So gesehen hätte Paulus auf alte Tradition zurückgegriffen. Es sprechen gute Argumente für diese Sicht. Paulus erkennt die Anweisung in Lk IO,7b als einen Befehl des Herrn an (rKor 9,14) und deutet damit an, daß schon zur Abfassungszeit des rKor (etwa im Frühjahr 55) die Regel weite Verbreitung und Anerkennung im frühen Christentum genossen hat. Wenn Paulus in rKor 9,14 auf Lk IO,7b Bezug nimmt, was oft angenommen wird (vgl. z.B. C.M. Tuckett, Paul and the Synoptic Mission Discourse, EThL 60, (1984), 376-381; A.E. Harvey, "The Workman is Worthy of his Hire", NT 24 (1982), 209-221, v.a.218f; B. Fjärstedt, Synoptic Traditions in I Cor, 1974, 64-77; K. Beyschlag, Clemens Romanus, 1966, 34.), dann ist diese Anweisung bzgl. des Arbeiters und seines Lohnes schon sehr früh als Missionsregel des Herrn bekannt, und wir kennen keinen besseren Traditionszusammenhang für Lk 10,7b als die Aussendungsrede der Logienquelle, v.a. in Lk 10,5-7. 231 Dies paßt nicht mehr zu der nachösterIichen palästinischen Gemeinde, aber sehr gut zu der Haltung Jesu hinsichtlich der Speisevorschriften (M. Henge!, Ursprünge der christlichen Mission, NTS 18 [1971121 36). VgI. Mk 7,15, der als ursprüngliches Wort Jesu gilt, da dieser Lehrspruch im antithetischen Parallelismus gehalten und wortspielartig formuliert ist. Bei der Rückübersetzung ins Aramäische erkennt man zudem einen ausgeprägten Rhythmus. VgI. W. Paschen, Rein und Unrein, 1970, 177; ihm folgend Pesch, Mk, 379. Nach Lk 10,8b befreit Jesus die Ausgesandten von der Sorge, ob das, was man ihnen reicht, auch den jüdischen (pharisäischen) Speisevorschriften genügt (ICH. Rengstorf, Lk, 137; Schlatter, Lk, 277). Damit ist 8b nicht einfach als Wiederholung von IO,7b zu verstehen; in 7b ist wohl noch nicht an die Speisevorschriften zu denken, wie 7C wahrscheinlich macht (Schürmann, Lk II, 69.73). Für die Zeit ]esu auf palästinischen Boden müßte man es so auslegen: 'Nehmt keine Rücksicht auf pharisäische Speisevorschriften', wobei man in der Zeit der Heidenmission und in der Zeit des Lk auch an jüdische Spiesevorschriften überhaupt denken konnte (vgl. lKor 10,I7). Anders Manson, Sayings, 75; Grundmann, Lk, 210; Ernst, Lk, 333f; H. Räisänen, Jesus and the Food Laws: Reflections on Mk 7,r 5, ]SNT r6 (1982), 59-100, ".3.
Die vorästerliche Verwendung von Häusern
ror
die eschatologische Spannung und der große Ernst233 und schließlich IO,I7 die nach dem Einsatz erfolgte Rückkehr der Jünger zu Jesus 234 . Das hohe Alter des Berichtes wird auch von folgender Beobachtung gestützt. In der Perikope Mk ro,28-30235 befindet sich ein ursprünglicher Amen-Spruch (ro,29f). Es spricht einiges dafür, daß er ein echtes Jesuswort darstellt236 • Der Konditionalsatz (ro,29f) ist notdürftig gräzisiert und ursprünglich in aramäisch formuliert 237 • Der in rO,29 angesprochene Verzicht auf Haus (oiKiav), Familie und Äcker (tXypou~) ist ganz im Horizont palästinisch-!ändlichen Milieus sowie der Ethik einer extreme Lebensbedingungen fordernden Wandermission, wie Jesus und seine engsten Nachfolger sie
83; P. Hoffmann, Studien, 276-283. Gegen die Annahme Hoffmanns, daß Lukas Io,8b komponiert hat, um die unlogische Reihenfolge von Haus und Stadt zu glätten, die in Folge seiner Komposition der Stadtanweisungen entstanden sein soll, spricht folgendes: Es ist unwahrscheinlich, daß Lk diese störende Verbindung gebildet hat, um diese Spannung zu glätten. Wir dürfen. annehmen, daß ein Theologe vom Format des Lukas erkannt hätte, das Problem damit auch nicht gelöst zu haben, denn dies wäre eine Wiederholung des Gedanken aus 7b und keineswegs eine Verminderung der Spannung. Vgl. R. Uro, \Volves, 68ff. 232 Vgl. F. Hahn, Mission, 35f. Nach Hahn ist "der Auftrag, ebenso wie Jesus selbst die Ilahegekommene Gottesherrschaft zu verkündigen und Machttaten zu vollbringen ... als echt anzusehen". Ihm folgen M. Henge!, Nachfolge, 1968,84f, und Lührmann, Redaktion, 59. Vgl. auch P. Hoffmann, Studien, 299, der auch das Wirken der Jünger in deutlicher Bezugnahme auf das \'V'irlcen Jesu sieht. Die Verbindung von Heilung und Gegenwart des Reiches ist in dem echten Jesuswort Lk II,zo/MtI2,z8 belegt und wird auch dort auf das Wirken der jünger übertragen (Lk II,Z3/Mt T2,30). 233 Zum ganzen vgl. E. Schweizer, Ivlk, 68. 234 Vgl. auch Lk'9,1o. Hier ist die Aussendung der jünger eine Aussendung auf Zeit. Nach Ostern war diese Rückkehr zu jesus nicht mehr möglich. Hier wird also eine vorösterliche Situation sichtbar. In diesem Zusammenhang ist auf die Doppelüberlieferung hinzuweisen. In der zweiten Fassung bei Mt 10,7-16 kehren die Jünger nicht mehr zu Jesus zurück, was eher eine nachösterliche Situarion reflektiert. 235 In de'r Forschung wird im allgemeinen angenommen, daß der Spruch bereits aus urchristlicher Sicht überarbeitet wurde. Der Begriff "Evangelium" und die Formulierung "wenngleich unter Verfolgungen" können hinzugefügt worden sein. Da diese Ausdrücke als ursprünglicher Teil des Spruches für unsere Studie unerheblich sind, rnug auf diese Fragen nicht eingegangen werden. Ohne sie hätte der Spruch eine noch radikalere Verheißung für die damalige Zeit beinhaltet. Vgl. G. Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, 53. 236 Dazu vorsichtig Peseh, Mk, 144f. 2r , K. Beyer, Syntax I, I 19f.
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Hausgemeinde und Mission
praktizierten238 und wie wir sie aus dem Aussendungsbericht in Lk 10,2-12 kennen 239 . Auch die Verheißung Jesu an seine Jünger in Mk Io,29f entspricht ganz der Situation der Wandermissionare: Sie empfangen auf ihrer Wandermission alles, was sie verlassen hatten, an vielen Orten "hundertfältig" bzw. vielfach zurücP40. Hier liegt also ein echtes Jesuswort vor, das die Aussendungsrede in ihrem historischen Informationswert bestätigt241 • Mit H. Schürmann gehen wir davon aus, daß vom Faktum der Aussendung her ein vorästerlicher Anfang für große Teile der Logienquelle und speziell für die Aussendungsrede in Lk 10,2-12 angenommen werden kann 242 • Lk 10,2-12 gibt nach F. Hahn, M. Hengel und D. Lührmann, Einblick in älteste, höchstwahrscheinlich auf Jesus zurückgehende Weisungen243 • Die radikale Forderung, ohne Ausrüstung in die Mission auszuziehen, auf eigene Habe zu verzichten und somit auf die Gastfreundschaft der Häuser angewiesen zu sein, ist sicherlich mit der Haltung und dem Vorgehen Jesu zu vereinbaren244 •
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M. I;engel, Nachfolge, I968; G. Theißen, Wanderradikalismus, passim; ders., "Wir haben alles verlassen" (Me. X 28), NT I9 (r977), r61-r96. Dies wird unterstützt durch die Beobachtung, daß palästinisches Kolorit auch in Lk rO,5f, sowie die Ausrüstungsregel, die keine sehr weite Reise ermöglicht, es erkennen lassen, daß es sich in Lk rO,4.5-6 ursprünglich um "eine Anweisung für Sendlinge im palästinischell Raum" (Schürmann, Lk II, 7X) handelte. Dies würde sehr gut in die Zeit der irdischen Wirksamkeit ]esu hineinpassen. "Hundertfältig" ist natürlich perspektivisch auf die weitere nachösterliche" Mission zu beziehen. Erst nach Ostern gab es hunderte von Gemeinden. Für die Jünger aber ist dies im übertragenen Sinne schon vor Ostern wirklich geworden. Dies läßt sich v.a. an Hand des Beispiels Petrus zeigen. Schon vor Ostern hat er seine Familie zurückgelassen (interessant ist die Beobachtung, daß seine Familie nicht verweigert, sondern mitgemacht hat). Er ist dann (vgl. die Aussendungsrede) auf seiner Wandermission von anderen Familien aufgenommen worden. Aber auch nach Ostern fand er Unterkunft in ]erusalem im Haus der Maria (Apg 12,12), in Korinth (rKor 1,1Off), in Antiochien (GaI2,rrf). Anders W. Stegemann, Wanderradikalismus im Urchristentum?, r979, r07-IIO, der dieses Wort analog zur Gemeindesituation eines seßhaften Religionswechslers versteht. Freilich will Schlirmann die Absonderung des Lk 10,3-7 von Lk 10,8-II wahrscheinlich gemacht haben, und ordnet Lk xO,3.4.5-7a einer vormarkinischen und doch vorösterlichen Schicht zu. Vgl. Anm. 207. Hahn, Mission, 36; Schürmann, Lk I, 71; vgl. auch G. Theißen, Wanderradikalismus, 257, und ihm folgend H.]. Klauck, HG, 56-60. Thcißen geht von der
Die vorösterliche Verwendung von Hättsem
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Demnach kann Lk 10,2-12 als zuverlässige vorösterliche, auf Jesus zurückgehende Tradition gesehen werden, auch wenn die Frage nach der Einheit der Perikope insgesamt offenbleibt und mit der Möglichkeit minimaler lk. Redaktion gerechnet werden muß. So kann angenommen werden, daß die Ausrüstungs-, Haus- und Stadtanweisungen in Lk 10,2-12 auf den irdischen Jesus zurückgehen und schon vor Ostern von Jesus an seine Jünger weitergegeben wurden. 2.
Haus- und Dorfmission der Jiinger Jesu
Es scheint naheliegend, daß Jesus seine Jünger bei der Aussendung zur Mission tatsächlich auch dazu angeleitet hat, Häuser so zu gebrauchen, wie er sie selber gebraucht hat, und zwar als Quartiere und Stützpunkte für die Mission245 • Aber war es wirklich so? Bei der folgenden Untersuchung wird also zu fragen sein: Was können wir von der Aussendungsrede Lk 10,1-12 über die Anweisung Jesu an seine Jünger bzgl. des Gebrauchs von Häusern und über die Jünger Jesu und deren Verwendung von Häusern im Rahmen ihrer Mission erfahren? Zunächst fällt auf, daß Jesus seine Jünger paarweise aussendet. Der Ursprung dieser Praxis liegt wahrscheinlich im alttestamentlichen Zeugenrecht. Nach diesem Recht galt eine Aussage als beglaubigt, die durch zwei oder drei Zeugen bestätigt wurde 246 • Damit ist zugleich etwas über das Selbstverständnis der Paare gesagt: Sie sahen sich als missionarische Zeugen des kommenden Gottesreiches. Des weiteren: Es wurde schon oft auf die zwei Stufen der Aussendungsrede - "Haus" (sa) und "Stadt" (Sa) - hingewiesen. Diese Stufen entsprechen zwei Phasen einer alten Missionsstrategie147 : Die
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"Echtheit" und damit von einem vorösterlichen Aniang der WanderradikalismusÜberlieferung aus. So schon E. Ravarotto, La "casa" de! vangelo di Marco e la casa di SimonePietro?, Anton. 42 (1967), 399-4I9; v.a. 405. J. ]eremias, Sendung, 1966, I34f. Dieser in Otn T7,6; I9,5; Num 35,.1° belegte Rechtssatz ist im NT oir aufgenommen worden. Vgl. Mt 18,16; 26,59f; loh 8,17; 2Kor 13,1; TTim 5,19; Hebr 10,28. Vgl. D.F. Hauck, Lk, 139f. Für ihn ist dies aber "mehr formal glatt als inhaltlich ursprünglich". W. Grundmann, Lk, 209; J. Ernst, Lk, 334; H.]. Klauck, HG, 57. Auf die Fragen bzgl. der Zahl (70 oder 72) der Ausgesandten, der Ausrüstungsregel mit ihren Anweisungen zur radikalen Armut und ihrem GrulSverbot usw. können und müssen wir hier nicht eingehen. Wie wir oben gezeigt haben, ist da-
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Hausge111einde und Mission
Verkündigung setzte in einem Haus bzw. in einer Familie wohl zunächst beim Hausvorstand 248 an (vgI. unten), dehnte sich von dort in weitere Kreise aus und erreichte dann ihren Höhepunkt in dem Erreichen einer ganzen Stadt mit der Basileia-Botschaft. Der Oikos ist so gesehen das vorläufige Nahziel der Mission; die Hausgemeinschaft Ausgangs- und Sammelpunkt für das Endziel, die Stadt- bzw. Dorfmission249 • Die Hausmission stellt die erste Stufe der Verkündigung von Person zu Person dar; die zweite Stufe beinhaltet die Stadtmission, wobei es nicht eindeutig ist, ob die Stadt dann von Person zu Person bzw. von Haus zu Haus oder durch die freie, öffentliche Predigt (z.B. auf den StrafSen, auf dem Marktplatz oder in der Synagoge) erreicht werden solF50 . Der vorherrschende Gedanke liegt aber auf jeden Fall in dem Fortschreiten der Mission vom Haus zur Stadt. Dies ist wohl das Verständnis des Lukas, der damit die missionarische Vorgehensweise seiner Gemeinde (oder der Q-Gemeinde?) widerspiegelt251 . Es ist aber gut denkbar, daß Lukas mit seiner Aussendungsrede zugleich einen historischen Sachverhalt nicht nur wiedergeben wollte252 , sondern tatsächlich wiedergegeben hat und daß Jesus seine Jünger wirklich so zur Mission angeleitet und ausgesandt hat. Schließlich ist Jesus selbst so vorgegangen, wie dies zumindest für Kapernaum und das "evangelische Dreieck" deutlich belegt ist. Wie schon erwähnt, wurde oft auf die Stufen von der Haus- zur Stadtmission hingewiesen. Allerdings sehen die meisten Exegeten diese als alte urchristliche Missionsstrategie, die eine fortgeschrittenere Entwicklung als vorösterlich möglich voraussetzen (z.B. setzen Anweisungen zur Regelung eines Problems eine Situation in der l\tIisvon auszugehen, daß ]esus seine Jünger ausgesandt hat (ob 12 oder 70/72 oder bei des ist für unseren Zusammenhang unerheblich). Vgl. dazu z.B. P. Hoffmann, Studien, 263-267.312-334; 1\11. Hengel, Nachfolge, passim; R. Uro, Wolves, 5974·II7-I34; Theißen, Soziologie, passim; R.A. Horsley, Sociology, 1994, 105129 und die gängigen Kommentare. 248 Wir gebrauchen hier Hausvorstand, um die Möglichkeit einer Hausherrin und eines Hausherrn offenzulassen. 249 In Wirklichkeit ging es wohl eher um Dörfer und deshalb um Dorfinission. Da aber Lukas hier das 'Vort nOAt<; verwendet, bleiben wir auch bei dem deutschen Wort "Stadt". 250 Für das letztere Verständnis vgl. F. Hauck, Lk, 140. Allerding muß das eine das andere nicht ausschließen. \Vie wir gesehen haben, hat ]esus beides getan - er predigte in Synagogen und im Freien, also öffentlich, aber auch in Häusern. 251 P. Hoffmann, Studien, 278; ihm folgend]. Ernst, Lk, 334. ~52 Schürmann, Lk II, 70f. 73f.
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sion, die geregelt werden muß, und damit eine spätere Entwicklung, voraus). Dahinter verbirgt sich die Annahme, daß es noch keine solchen Probleme zur Zeit Jesu gab. Es besteht eigentlich kein Grund, die Haus- und Stadtanweisung als spätere Entwicklung einzuordnen, außer einer apriori begründeten Hemmung, hinter den Ostertermin zurückzufragen. Nlan hat auch die Haus- und Stadtanweisungen voneinander zu scheiden versucht, um dadurch das Argument einer Entwicklung zu unterstützen; dies geschah jedoch weitgehend mit literarkritischen und nicht mit historischen Argumenten. Unser Interesse gilt vorwiegend der ersten Stufe dieser alten Missionsvorgehensweise, der sog. "Hausrnissionsregel"253 (ro,5-7), da wir hier die meisten Aussagen über das Haus finden, auf die es in dieser Studie ankommt. Diese Hausmissionsregel muß im Gesamtkontext der Aussendungsrede der Logienquelle (Lk 10,r-12) gesehen werden. Die Lebensweise eines Wandermissionars, wie er in Li< IO,4.5ff beschrieben wird, beinhaltet eine negative (radikale Askese und Armut - IO,4a) und eine positive Seite (die Verheißung der Gastfreundschaft - IO,7a.b), die parallel undeinander ergänzend zu verstehen sind. Diese Forderung radikaler Armut ist vor Ostern sowohl durch die Verheißung der Gastfreundschaft als auch durch die zeitlich begrenzte Aussendung, sowie durch die geographischen Verhältnisse Galiläas 254 abgemindert worden. Diese radikale Lebensweise der Boten Jesu ist im Gegensatz zu den Kynikern nicht Selbstzweck, sondern unvermeidliche, aber doch mehr zufällige Nebenerscheinung, die wegen ihres Auftrages zu missionieren notwendig war 255 • Es geht in der "Hausregel" zunächst256 darum, die Quartier- und Unterhaltsfrage für die angestrebte Stadtmission zu regeln. In einem Ort angekommen, sollen die Jünger, die von Jesus auf Zeit als Wandermissionare ausgesandt wurden257 , aufs Geratewohl irgend ein Haus aufsuchen. Dem Haus, in das die Boten Jesu eintreten werden,
H.]. Klauck, HG, 57. S. S. 69 f. 2~5 Vgl. Horsley, Sociology, 1994, I23. 206 Aber nicht nur. Wie wir sehen werden, geht es auch schon in der ersten Stufe um hausmissionarische Arbeit. 257 Lk IO,4; 9,2.3; Mk 6,7-9. 253
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soll zuerst der Friedensgrug zugesprochen werden 258 • Wenn ein Kind des friedens dort ist, wird der Friede auch auf ihm ruhen. In diesem Haus sollen dann die Jünger bleiben (7a), ohne das Haus zu wechseln (7d)259, und sie sollen essen und trinken, was ihnen gegeben wird. Sie sollen also die landesübliche Gastfreundschaft des Hauses in Anspruch nehmen. Damit wird erstens die Quartierfrage geklärt: Die Boten sollen bei dem Gastgeber ein festes Quartier beziehen und dort bleiben260, bis sie weiterziehen261 • Ein Quartierwechsel innerhalb des Ortes wird aber untersagt. Die Boten sollen also in jedem Ort ein festes Quartier suchen. Dieses eine Haus soll dann Ausgangsbasis und Stützpunkt ihrer Verkündigungstätigkeit für die in der "zweiten Stufe" folgende Stadtmission werden262 • Zweitens wird auch die Unterhaltsfrage geregelt: Die Gesandten sollen sich von dem Gastgeber bewirten lassen, weil sie am Tisch des Oikos nicht wie Bettler, sondern wie Gäste sitzen sollen. Was hier angedeutet wird, ist das Recht der Boten auf Verpflegung, da sie zum Nutzen derjenigen arbeiten, deren Gastfreundschaft sie beanspruchen263 • Sie haben· dem Hausvorstand etwas Kostbares zu bieten und dürfen deshalb mit Recht als Gäste auftreten. Als "Lohn" für ihre geistliche Hilfe empfangen sie materielle Hilfe. Die Anweisung schließt einerseits eine Beachtung besonderer Speisevorschriften aus. Sie sollen andererseits aber auch mit dem, was ihnen angeboten wird, zufrieden sein. Die Boten haben keinen Anspruch auf eine besondere Verpflegung. Dabei ist nicht nur an das äußere Unterkommen gedacht, sondern es wird die gläubige Aufnahme der Boten und ihrer Botschaft von seiten der Hausväter/ Hausbewohner vorausgesetzt. Die Boten "sind dadurch - das dürfte der primäre Sinn der einfachen Formulierung sein - in die Hausge258
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Im antiken Orient kann man nirgends einfach in ein Haus hineingehen; die Begegnungen spielen sich immer erst vor dem Haus ab. Anders ist es nur in großen Städten. Während 7 3 Parallelen in 1ü JO,! rund Mk 6,IO/Lk 9,4 aufweist, ist 7d ohne Parallelen und es ist deswegen nicht klar, ob es schon in Q stand (vgl. Schulz, Sruchqudle, 406) oder von Lk als Verdeutlichung eingefügt wurde. Im Unterschied zur Anweisung von Did 11,5 wird hier ein Bleiben von längerer Dauer in einern Haus vorgeschrieben. Dies bezeugen Lk 9,4 und Mk 6,10. Das geschieht in Analogie zu Jesu eigener Vorgehensweise. H. Schürmann, Lk H, 69; A. Polag, Christologie, I977, 68; P. Hoffmann, Studien, I982, 30T •
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meinschaft aufgenommen. Das Mahl dokumentiert die Gemeinschaft, die zwischen Gastgebern und Boten besteht"264. Essen und Trinken sind so als ein Akt der Tischgemeinschaft verstanden, der die Annahme des Friedensgrußes durch den Haushalt besiegelt265 . Hier bildet sich innerhalb der schon bestehenden soziologischen Hausgemeinschaft auch eine geistliche (ekklesiologischtheologische?) Hausgemeinschaft, die aus der Familie des Hauses und den Boten besteht. So entstehen in der Jesusbewegung ganz analog zu Kapernaum die ersten Mittelpunkte gemeinschaftlichen Lebens, in denen das Haus zugleich als Versammlungsraum der "Neubekehrten" dient. In diesem Kontext ist zu fragen, wem der Friedensgruß zugesprochen wird und worin er besteht. Leider wird in 5 b nicht viel davon mitgeteilt, was die Botschaft des Grußes beinhaltet (vgl. aber 10,9). Zunächst heißt der Gruß schlicht dptlV11 't4l olKCP 'tOlhcp. Ein Gruß beim Betreten eines Hauses war damals üblich 266 , ebenso diese Formulierung 267• Dennoch sind sich die meisten Exegeten darin einig, daß dieser Gruß keine einfache Höflichkeitsfloskel, sondern inhaltlich prägnant bestimmt isr 68 • Jesus scheint den Gruß mit neuem Inhalt gefüllt zu haben 269 , denn EiptlVll wird hier wohl nicht nur das
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P. Hoffmann, Studien, 297; ihm folgend H.]. Klauck, HG, 57. Immer wieder ist auf die Spannung zwischen der impliziten Anweisung, mehrere Häuser zu missionieren, und der expliziten Anordnung, nicht von Haus zu Haus zu gehen, hingewiesen worden (MarshalI, Lk, 421). Diese Spannung wird akzentuiert, wenn wir Hoffmanns Vorschlag der Tischgemeinschah annehmen, denn diese Tischgemeinschaft müßte eigentlich in jedem offenen aufnahmefähigen Haushalt stattfinden. Die Vorstellung eines ersten Hauses als missionarischer Stützpunkt, von dem aus die anderen Häuser erreicht werden, würde diese Spannung lösen. Auch die Möglichkeit mehrerer Hausgemeinschaften an einem Ort kann - auch vor Ostern - nicht ausgeschlossen werden. In einem kleinen Dorf, bestehend aus nur drei oder vier Häusern, wäre dies eher unwahrscheinlich, aber viele Ortschaften in Galiläa waren sehr viel größer (s. S. 72). Wir könnnen also annehmen, daß die Anweisungen ursprünglich länger waren und in Lk 10 in einer komprimierten Fassung wiedergegeben sind. Lk I,28f.40 f. Joh 20,19.21.26; Lk 24,36; Foerster, ThWNT 1I, 409f.412. Im semitischen Sprachgebrauch ist Gruß und Friede das gleiche Wort; vgl. z.B. Aboth lV,ISb; Richt 19,20; Bill. T, 380-385. Dies wird entweder für Lk, vgl. z.B. Schürmann Lk Ir, 69 oder für ]esus selbst so gesehen, vgl. z.B. Grundmann, Lk, 209; MarshalI, Lk, 419. Schlatter, Lk, 276 f.
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Hausgemeil1de und J'vlissio/1
äußere Wohlbefinden, sondern "das eschatologische Heilsein des ganzen lVlenschen" umschließen 27o • In diesem Zusammenhang ist der Ausdruck "Sohn des Friedens" von zentraler Bedeutung und damit entscheidend für das Verständnis der Hausanweisung überhaupt. Der, der für diesen Frieden bestimmt bzw. dafür offen/aufnahmefähig ist, wird als "Sohn des Friedens" bezeichnet271 • " Aufruhen " ist ein alttestamentlicher Ausdruck und hat mit dem Geist, der auf einem 1V1enschen ruht, zu tun 272 • Der Friedensgruß ist also als eine übertragene geistliche Kraft gedacht, die evtl. auch zum Grüßenden zurückkehren kann, wenn der Gegrüßte sich dagegen verschließt273 . Der Friedensgruß enthält also Heilskraft; der Friede ist die zu bringende göttliche Heilsgabe 274 • Diese Anweisung ist im Rahmen der Basileia-Verkündigung Jesu zu verstehen. Die Jünger sind Mitarbeiter Jesu und wirken mit, indem Jesus sie an der Verbreitung der Basileia-Botschaft beteiligt275 • Mit dem Friedensgruß kündigen die Boten Jesu den Anbruch der Basileia Gottes an 276 • Dadurch wird deutlich, daß der Friedensgruß eng mit der Verkündigung der Basileia verbunden ist. In Lk 10,9 wird der Inhalt des Friedensgrußes und damit der missionarische Auftrag der Boten analog zu Jesus mit Heilen und der Verkündigung
Vgl. Apg ro,3 6 . Bill. T, 476ff; TI, r 66. Der idiomatische Ausdruck ist sowohl im klassischen als auch im hellenistischen Griechisch, aber auch im Semitischen belegt ( vgl. F.W. Danker, The ui6c; Phrases in the New Testament, NTS 7 (I96o-6r), 94; E. Schweizer, ThWNT VIII, 364-367), und kann jemanden bezeichnen, der Frieden hat oder für den Frieden geeignet bzw. bestimmt ist. Letzteres dürfte im vorliegenden Zusammenhang gemeint sein. P. Hoffmann, Studien, 296. Vgl. auch Ernst, Lk, J 3 3· 272 NUIl1 II,25; 2 Kön 2,I5. 273 Schürmann, Lk H, 68. Auch schon Rabbinnen konnten den Gruß so real verstehen, daß sie in ihm eine (verbotene) Zinszahlung sahen (Belege bei Bill.l, }83i). 274 Lk I,79; 2,I4; 6,20f; Mt Il,5; Jes 52,7, Nah 2,1. Gegen Schürmann, Lk TI, 68, und mit Grundmann, Lk, 209; P. Hoffmann, Studien, 297; Ernst, Lk, 33 3; Marshall, Lk, 420. 275 Vgl. das von M. Hengel entfaltete Verständnis von Nachfolge, Nachfolge und Charisma, Soff. 276 Manson, Sayings, 257, "It [the greeting = RG] is a manifestation of the kingdom of God in word .. , an announcement that 'the kingdom of God has come nigh to you'''. Vgl. auch P. Hoffmann, Studien, 297. Allerdings ist die Basileia-Botschaft nicht auf eine diesseitige politische Verkündigung des Friedens zu reduzieren, wie Hoffmanll dies versteht (ebd., 307-3 I I), sondern es geht um den endzeitlichen Frieden mit Gott. 270
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Die vorösterliche Verwendung von Häusern
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der Gegenwart der Herrschaft Gottes näher bestimmt277 • Wer einen Boten und seinen Friedensgruß aufnimmt, der nimmt die Botschaft Jesu von der kommenden Herrschaft Gottes (ro,9.II) an 278. Das alles macht unmißverständlich deutlich, daß es hier um Mission, präziser formuliert, um Hausmission gehr2 79 • Unsere Annahme aber, es handele sich hier um Hausmission, wird auch durch folgende Beobachtung unterstützt: Mk und Mt denken höchstwahrscheinlich auch an Hausmission (vgl. Mk 6,ro; Mt 10,12,13 - Voranstellung der oiKta vor V. 14 und die Einfügung von OiKta V. 14 diff Mk/Lkj280. Heute sind sich viele Exegeten einig, daß die Hausgemeinde für die urchristliche Mission der Ansatz zur Gemeindebildung war. Hier haben wir wohl auch den Hinweis darauf, daß die vorösterliche Hausmission, wie Jesus und seine Jünger sie praktizierten, der Ansatz für die nachösterliche Hausrnission und Bildung von Hausgemeinden war. .
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Vgl. Mk T,r5; Mt 4,IJ und Lk II,20 (Q). Hoffmann, Studien,· 299, sieht nach dem Zeugnis von Q IO,5b eng verbunden mit 10,9, mit einer deutlichen Bezugnahme auf das Wirken Jesu (vgl. die Verbindung VOll Heilung und BasileiaVerkündigung in dem echten Jesuswart Lk 1I,20/Mt J.2,28, die auch dort auf die Jünger übertragen wird - Lk II,23/Mt 12,3°). Allerdings steht diese Annahme in Spannung mit Hoffmanns literarkritischen Ergebnis, Lk 10,9 sei ursprünglich ein separates Logion gewesen (vgl. Studien, 298). Wir halten es für wahrscheinlicher, 10,9 als ursprünglichen Teil der Aussendungsrede zu sehen (vgl. unsere Diskussion S. 95-10}). Vgl. auch F. Katz, Lk 9,52-1 1,}6, 1973, 51-57, der IO,5-9.IOf als eine Einheit sieht; S. Schulz, Spruchquelle, 409. Schürmann, Lk II, 69. Vgl. auch 10,r6. Vgl. P. Hoffmann, Studien, 297. Vgl. dazu ThWNT Il, 400-416, hes. 414f; Grundmann, Lk, 209; MarshalI, Lk, 420, Lk 10,5 f "does not refer to finding a hause in which there are already disciples, but to offering salvation to those who are willing to receive it". Gegen Schürmann, Lk II, 68; Traditionsgeschichtliche Untersuchungen, I968, 147f, und ihm folgend, R. Uro, Wolves, 13 8f, die heide in ähnlicher Weise in Lk 10,5f keine Hausmission sehen. Stattdessen gehe es, so Uro, darum, diejenigen zu finden, die schon "Söhne des Friedens", d.h. schall Anhänger oder Sympathisanten sind. Für Schürmann dient der FriedensgruJS als eine "Lösung", an der die Söhne des Friedens die Boten des lv[essias erkennen. Auch bei ihnen ist also die Auslegung der Wendung "Sohn des Friedens" entscheidend. Bei Uro und eventuell auch bei Schürmann ist zu fragen, ob eine falsche Alternative damit hergestellt wird. Die bei den Konzeptionen müssen sich nicht gegenseitig ausschließen, können ein und derselbe Vorgang der Sammlung des Gottes Volkes gewesen sein (vgl. Joh IO,r6; rr,52). So gesehen ist die Mission dazu da, die Auslese unter den Menschen zu schaffen, die für die Basileia bestimmt sind. Vgl. Gnilka, Mk I, 239f; Ders., Mt 1,368.
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Hausgemeinde
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Mission
Aber wie ist diese Hausmission gedacht? Wer ist derjenige, der gegrüßt wird und diesen Friedensgruß annimmt? Es heißt in 10,5, daß ein Oikos gegrüi5t werden soll. Offensichtlich ist dies nicht architektonisch, sondern soziologisch gemeint, d.h. der ülKO<; wird hier als Haushalt bzw. Familie angesprochen 281 • Damals bestand auch in Galiläa der jüdische Haushalt personell meistens aus Vater, Mutter, Kindern und Sklaven282 • Aber auch dies ist noch zu vage. Wen haben die Boten wohl gegrüßt? Sicherlich nicht die Sklaven, wohl auch weder die Kinder noch die Frau des Hauses. In der antiken (hier palästinisch-jüdischen) Situation ist es nur vorstellbar, daß der Hausvorstand gegrüßt wurde 283 • Nur er konnte einen solchen Gruß annehmen und eine solche Einladung aussprechen. Nur mit seinem Einverständnis konnten die Boten dort bleiben. Nur er hätte eine solche religiöse Entscheidung, und dann meistens für das ganze Haus, treffen können284 • Wenn ein Hausvorstand den Friedensgruß annimmt, der freilich der ganzen Hausgemeinschaft zugedacht ist, und damit den Boten Jesu Aufnahme gewährt, hat er sich als "Sohn des Friedens" erwiesen. In ihm wirkt schon der Friede Gottes, und er und sein Haus sind für weitere Gnadenmitteilungen bestimmt und vorbereitee85 • Heißt das, daß Hausmission schon z. Z. Jesu darin bestand, zunächst einmal den Hausvorstand für die Sache Jesu zu gewinnen? Werden die Jünger hier von Jesus angeleitet, zunächst einen Hauseigentümer und damit sein Haus für die Basileia-Botschaft und nicht zuletzt als Stützpunkt für die Stadtmission zu gewinnen? Über die
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I.H. MarshalI, Lk, 4 1 9. Vgl. J. Gaudemet, Familie I, RAC 7 (1967), 286-358; K.O. Sandnes, A New Family, Ch 6: A Family in Amiquity, 47-55; Dassmann/Schöllgen, Haus II, RAC 13, 801-905 und zuletzt R.A. Horsley, Galiläa, 1995, 195-20I.203ff; Perdue, L.G., J. Bleukinsopp/J.J. Collins/C.Meyers, Families in Allciellt Israel, Louisville, 1997 für eine Behandlung zur Bedeutung des Haushaltes zu dieser Zeit. Vgl. H. Schürmann, Lk II, 68ff. Natürlich gibt es z. Z. Jesu auch schon Häuser, in denen eine Frau den Hausvorstand darstellte, auch wenn dies die Ausnahme bildete (vgl. zuletzt R.A. Horsley, Galilee, 1995, 195-201). Das gilt vermutlich für das Haus in Bethanien, dessen Hauseigentümerin Manha war (vgl. Lk IO,38.42; Joh II,1; vgl. allerdings Joh 12,2, wonach man den Eindruck bekommen könnte, daß Lamrus die Funktion des Hausvaters übernommen hatte, denn er sitzt zu Tisch mit Jesus, während Martha den Bewirtungsdienst macht). Es ist deshalb möglich, daß auch eine Frau als "Hausvorstand" diesen Friedensgruß annimmt. Schürmann, Lk II, 68.
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
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Rolle des Hausvorstandes können wir mit letzter exegetischer Sicherheit keine Aussagen machen, denn die Aussendungsrede gibt uns zu wenig Information darüber. Aber die oben dargelegte Exegese liegt nahe, v.a. wenn man bedenkt, daß Jesus anscheinend auch so vorging, daß er in Kapernaum einen Hausherrn für seine Sache gewann, damit einen ganzen Oikos, und von da aus die ganze Stadt (s. S. 78f)286. Wie schon erwähnt, gab es auch Häuser von ortsfesten Anhängern Jesu in Bethanien. Dort kennen wir zwei Hausvorstände mit Namen: Martha (bzw. Lazarus) und Simon287 • In Jericho wissen wir von einem Hausvater Namens Zachäus, der ortsfester Anhänger Jesu geworden ist (Lk 19,1-10). Es kann ebenfalls angenommen werden, daß Jesus und seine Jünger diese Menschen für die BasileiaBotschaft per Hausvorstandsmission, so wie sie in Lk ro,sf angedeutet wird, gewonnen haben. Der Duktus der Aussendungsrede mit dem Fortschreiten in den zwei Stufen: Hausrnission und Stadtrnission, weist ebenfalls in die Richtung einer Hausvorstandsmission (s.o.). Diese Vorgehensweise ist auch die der frühen Christen, wie es v.a. in der paulinischenMission deutlich wird. Es paßt auch sehr gut zu dem, was wir sozio-' historisch über die antike Oikosgesellschaft wissen. Man mug sogar fragen, ob es in einer Oikosgesellschaft überhaupt ratsam gewesen wäre, eine andere als diese Vorgehensweise zu wählen. Wir kommen wieder zurück auf die Hausmissionsregel. Es fällt auf, dafS hinter diesen Anweisungen zwei verschiedene Lebensweisen zu erkennen sind. Einerseits sind es die Jünger Jesu, die vor Ostern auf Zeit als Wanderprediger ausgesandt werden. Analog zu Jesus praktizierten sie als seine Nachfolger ein Ethos der Heimat-, Familien- und Besitzlosigkeit auf Zeit288 . Andererseits implizierte diese 286 Ob Petms Hausvater war, ist ungewiß. Allerdings sprechen einige sprachliche (der
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Genitiv: Eie; 'tTJv oiKtav rt!-llOVOC; Kat . Avöpeou) und historische Überlegungen dafür. Vgl. die Markuskommentare zu Mk I,29f: Pesch, Mk, 130, Anm. 4, nenIlt Petrus deIl Hausherrn; für Lohmeyer, Mk, 40, hat Petrus in den Besitz hineingeheir::iret; vgl. auch die tvlk.Kommentare von C.E.B. Cranfield LI. W.L. Lane z. Sr. Allerdings ist zu bedenken, daß Perrus und Andreas das Haus verlassen haben, um mit Jesus umherzuziehen. In der Zeit mußte irgendjemand das Haus führen. Dafür kommt am ehesten die Schwiegermutter des Petrus in Frage, es sei denn, es lebte noch der Schwiegervater. S. S. 83 f, Anm. I pf für unsere Besprechung. Lk 9,5 8 par; Mk 6,4; 3,21; Mt 8,2If par; 10,37 par; Vgl. 1V1. Hengel, Nachfolge, 1968, r6f.96, der an Hand der Unableirharkeit von dem Logion Mt 1l,2If mit seinem Bruch mit der Familie den Ursprung dieses Nachfolge-Ethos auf Jesus
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Hausgemeillde und Mission
Lebensweise zugleich auch eine zweite, die von Anfang an genauso berechtigt, ja sogar die notwendige Voraussetzung für jene war. Die Mission der Wanderprediger mit ihrem Besitzverzicht wäre nicht möglich gewesen ohne die Existenz ortsfester Hausväter und Familien, die ihre Häuser, ihren Besitz und ihre Gastfreundschaft gezielt diesen Wandermissionaren und den ortsansässigen Gruppen, die durch ihren missionarischen Dienst entstanden waren, zur Verfügung stellten 289 • "Ganz im luftleeren Raum konnten die Missionare auch nicht existieren. Für Unterkunft, Kleidung und Verpflegung waren sie auf die ... Häuser angewiesen, die ihre feste Plattform in den Ortschaften bilden. "290 Diese doppelte Bewegung des Verzichts auf eigenes Haus und eigene Familie einerseits und der Rückgewinnung einer geistlichen Hausgemeinschaft (später einer Hausgemeinde) andererseits ist in dem echten Jesuswort Nlk 10,29f: "Es ist niemand, der Haus oder Bruder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verläßt ... , der nicht hundertfach empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Nlutter und Kinder und ....Äcker '" ,,291 gut zu erkennen und kann in Verbindung mit NIk 3 ,2of. JI-3 5 auch als Bestätigung der Aussendungsrede der Logienquelle (Lk 10,2-12) verstanden werden. In Mk 10,29f ist es implizit vorausgesetzt, daß eine die Lebensweise eines Wandermissionars ergänzende Möglichkeit existierte: Ortsansässige stellten ihr Haus
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selbst zurückführt. Vgl. aber unsere Einscluänkungen oben auf Seite 69ff, die zumindest vor Ostern in Kapernaum erkennbar sind. Vgl. G. Theißen, Soziologie der Jesusbewegung, r6-26 nnd Studien, 79-I05. Ihm folgend H.]. Klauck, HG, 57ff. Allerdings sind für H.]. Klauck die Anweisungen der Aussendungsrede der Logienquelle mit ihrer Hausmissionsregel aus der Praxis erwachsen und angereichert. "Die Jünger" sind für ihn nachästerliche urchrisrliche Missionare auf ihrer Wanderschaft. Theißen wird dies wohl ähnlich gesehen haben, obwohl er auch einen Ursprung bei Jesus für wahrscheinlich hält, Studien, 9I. Vgl. G. Theißen, Soziologie der Jesusbewegung, 2I-26; H.]. Klauck, HG, 58f. H.J. Klauck, HG, 58. Vgl. zur Echtheitsfrage von Mk ro,29f oben S. rar. Über Ehefrauen wird interessanterweise nichts berichtet. Sie haben anscheinend an der Wanderexistenz ihrer missionierendenlVlänner teilgenommen (vgl. rKor 9,5); H.]. Klauck, HG, 59. Auf den ersten Blick ist es in Mk ro,29f nicht ganz klar, ob Oikia soziologisch oder architektonisch verstanden werden soll. Für die Familie spricht die Aufteilung in einzelne Glieder, für das Wohnhaus die Inklusio mit den Äckern am Ende. Die Doppeldeurung von Oikia läßt sieb an dieser Stelle sehr gut demonstrieren (Klauck, ebd., 58).
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
und Hof, ihr Hab und Gut den Missionaren, der Mission und der daraus entstandenen Gemeinschaft zu Verfügung. Es ist anzunehmen, daß diese neuen Häuser, die neuen Familien mit Verwandten und die neuen Äcker, von denen Jesus in NIk 10,29f spricht, vorästerliche Hausgemeinschaften darstellen, die durch die missionarische Arbeit der Jünger Jesu entstanden sind. Analog zu der Entstehung einer Gemeinschaft im Haus des Petms zu Kapernaum (vgJ. Mk 3 ,20f. 31-35)292 ist hier wieder eine Gemeinschaftsbildung derer, die sich über die Verkündigung der Basileia gefunden haben. Das, was Jesus in Kapernaum angefangen hat, setzt sich jetzt durch die Jünger fort, die sich in den verschiedenen Häusern mit ihren neugewonnenen Gesinnungsfreunden treffen. Es entstehen also zellenartig durchs Land ortsfeste Hausgemeinschaften, die gemeinsam mit Jesus und seinen wandernden Jüngern die Basileia erfahren und erwarten. Diese Häuser boten den Jüngern Jesu, die wegen der Wandermission zeitlich begrenzt ihr Zuhause verlassen hatten, nicht nur ein Quartier mit einem Dach über dem Kopf, nicht nur Verpflegung und Unterhalt, also nicht bloß eine materielle Existenzsicherung, sondern auch familiäre Gemeinschaft und ein Zuhause. Diese Häuser sind im übertragenen Sinne "a home for the homeless"293 geworden. So wird erneut bestätigt, daß Häuser schon für die vorösterliche Mission eine bedeutende Funktion hatten.
3. Ergebnis Das "Haus" bildet schon vor Ostern bei der Aussendung der Jünger für diese, wie für Jesus selbst, die Voraussetzung für die Mission, und zwar als Quartier der Missionare, als Quelle für Verpflegung und Unterhalt, als Ort, an dem (Tisch-)Gemeinschaft mit Neubekehrten gepflegt wurde, und damit als Sammelpunkt und Versammlungsraum der neuen Hausgemeinschaft. Schließlich war das Haus sowohl Nahziel (mit der Stadt als Endziel) als auch Ausgangspunkt der missionarischen Verkündigungstätigkeit in einer Stadt. Angesichts der Missionspraxis Jesu in Kapernaum und im "evangelischen Dreieck" ist anzunehmen, daß die Jünger bzw. die neubekehrten Hausgemein-
292 s. S. 9I unsere Ausführungen zu Mk 3,2.0f.3I-35. 293 Vgl. .J.H. Elliott, A Home for the Homeless, ;98I, der dies für die Hausgemein-
den hinter
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Petr konstatiert und freilich dort den Ausdruck etwas anders füllt.
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Hmlsgemeinde und lvIission
schaften von den von ihnen erreichten Dörfern und Städten aus ebenfalls das umliegende Land zu erreichen versucht haben. Diese Hausmission ist zugleich Partnermission gewesen: Jesus sandte seine Jünger gemäß dem alttestamentlichen Zeugenrecht zu zweit aus. Es gibt außerdem gute Gründe anzunehmen, daß Hausmission schon z. Z. Jesu darin bestand, zunächst einmal den Hausvorstand und damit sein Haus für die Basileia-Botschaft und nicht zuletzt als Stützpunkt für die Stadt- und Umlandmission zu gewinnen. Das Bild einer Praxis der Durchreisemission294 Jesu und seiner Jünger muß also dahingehend revidiert werden, daß schon vor Ostern eine Art Umlandmission von einem festen missionarischen Stützpunkt aus praktiziert wurde 295 • Charakteristisch für die vorösterliche Mission Jesu und seiner Jünger ist die doppelte Bewegung des Verzichts auf den eigenen Oikos einerseits und der Rückgewinnung einer geistlichen Hausgemeinschaft andererseits. Damit ist vorausgesetzt, daß komplementär zu der einen Lebensweise eines Wandermissionars eine zweite ebenso berechtigte und wichtige Möglichkeit der ortsansässigen Nachfolge Jesu existierte. Denn die ortsansässigen Anhänger mit ihren Häusern waren die materielle und finanzielle Voraussetzung für die Existenz der Wandermissionare. Beide Lebensweisen waren also eng miteinander verbunden und wesentliche Elemente der vorösterlichen Mission.
4. Oikoi von der Jesus,zeit bis hin zur Urgemeinde Eine Frage unserer Studie ist, ob diese Oikosstrukturen vo~ der Jesuszeit über die Urgemeinde bis hin zur paulinischen Mission ungebrochen weitergeführt wurden 296 . Wie wir im nächsten Kapitel 294
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Durchreisemission: Reisemissionare ziehen von Ort zu Ort als Wanderprediger, nicht lange verweilend, ihre Botschaft verkündigend, ohne auf die Bildung von Gemeinschaften bzw. auf die Gründung von Gemeinden zu achten. Durch die Verkündigung der Gottesherrschaft waren Jesus und seine Jünger bemüht, die "Söhne des Friedens" bzw. Hausväter und ihre Familien zu sammeln. Wenn der Hausvorstand mit seinem Haus Anhänger Jesu wurde, ist schon dadurch eine Gemeinschaft entstanden. So kann man nicht sagen, daß die "Durchreisemission" Jesu nicht darauf abzielte, Gemeinschaften zu bilden, denn die Verkündigung der Gottesherrschaft war schon in sich gemeinschaftsgründend. Vgi. anders z.B. W.H. Ollrog, Mitarbeitet, 1979, 150-I61. Auch hier ist die Frage, ob man von "dem antiken Oikos" sprechen und damit vergleichbare Verhältnisse sowohl in Palästina und in der römisch-hellenistischen
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
sehen werden, kann man auf jeden Fall eine Kontinuität zwischen Jesus, der Urgemeinde und Paulus konstatieren, und zwar hinsichtlich der Verwendung von Häusern an sich als gottesdienstliche Versammlungsorte und missionarische Stützpunkte. Doch die Frage nach einer Verbindungslinie in Bezug auf die leitende Rolle des Hausvaters bzw. Hausvorstandes läßt sich nicht so leicht beantworten, denn die einschlägigen lk. Texte hinterlassen in Hinsicht auf die Urgemeinde diesbzgl. eine gewisse Lücke (s. S. II rff). Auch die Belege für eine leitende Rolle der Hausvorstände in der vorösterlichen Zeit sind nicht ganz eindeutig, so dag man diese nur erschliegen kann. Immerhin kennen wir einige Hausvorstände ortsfester Anhänger Jesu mit Namen (s. S. IIof). Ebenso haben wir auch gesehen, daß die Lebensweise der ortsfesten Anhänger im komplementären Verhältnis zu der der wandernden Jünger stand (am deutlichsten historisch faßbar in Kapernaum) und damit wenigstens im ökonomischen Sinne eine tragende Funktion ausübte. Wir stellten auch fest, dag die Wanderprediger diese ortsfesten Hausgemeinschaften nicht so stark bestimmt haben, wie es von Theißen und anderen angenommen wurde. Wenn die Wanderprediger diese Gruppen nicht bestimmt haben, wer dann? Kann es sein, daß die Hausvorstände hier eine leitende Funktion übernommen haben? Die natürliche Autorität des Hausvaters, in dessen Oikos die Gemeinschaft zusammenkam, muß mindestens als Ausgleich zu der charismatischen Autorität des \X1andermissionars gesehen werden. Von daher wäre zu fragen, ob Hausvorstände schon vor Ostern wenigstens unter den sefshaften Anhängern in ihren Hausgemeinschaften nicht nur im ökonomischen, sondern auch im organisatorischen und religiös-geistlichen Sinne eine mehr oder weniger tragende Funktion ausübten. Sollte das der Fall gewesen sein, kann man weiterfragen, ob zusätzlich zu dem komplementären Aspekt im Verhältnis auch eine gewisse Spannung zwischen der Lebensweise der ortsfesten und wandernden Anhänger Jesu v.a. hinsichtlich der Frage nach der Leitung zu konstatieren ist. In diesem Zusammenhang müssen wir vor allem einen Hinweis von G. Lohfink beachten, der eine leitende Funktion der Hausvorstände in Frage stellen könnte. Er macht nämlich darauf aufmerkWelt ohne jede lokalgeschichtliche Unterscheidung voraussetzen kann. Sicherlich werden z.B. das galiläische Fischerhaus des Perms zu Kapernaum, das Haus der ehemaligen Diasporajüdin Maria, Mutter des Markus johannes in Jerusalem, das römische Haus des Cornelius in Cäsarea, das Haus der Lydia in Philippi in dieser Beziehung nicht alle identisch gewesen sein.
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Hausgemeinde und lvIissiol1
sam, daß in Mk r0,30 par gerade nicht von Vätern die Rede ist und daß in Mt 23,9 die Warnung vor dem Vatertitel ausdrücklich formuliert wird 297 . In Mk ro,29f werden die Väter im zweiten Glied dieses parallel aufgebauten Spruches nicht mehr erwähnt. Die Väter werden, so Lohfink, bewußt nicht mehr genannt, weil es in der neuen Familie Gottes keine "Väter" mehr geben soll. "Sie sind allzusehr Symbole patriarchalischer Herrschaft. Jesu Jüngergemeinde und mit ihr das wahre Israel soll nur einen einzigen Vater haben: nämlich den im Himmel." Nach Lohfink wird diese These von Mt 23,9 her bestätigt 298 • Nach Ansicht von Lohfink und vielen anderen Exegeten formuliert in Mt 23,8-r2 teilweise bereits Matthäus oder die vormatthäische Tradition. Mt wendet sich mit großer Schärfe gegen die Versuchung, kirchliche Würden in Gestalt von Ehrentiteln zu genießen. Er verbietet, so Lohfink, den kirchlichen Amtsträgern nicht nur Ehrentitel ""ie "Vater" oder "Rabbi", sondern sogar Funktionsbezeichnungen wie "Lehrer". Diese ,Gemeindeleiterkatechese' "ist zwar schon teilweise (bes. im 1. und 3. Spruch) redaktionell geformt; trotzdem aber spricht in ihr aus jeder Zeile der Geist Jesu "299. Vor allem Mt 23,9 ist in unserem Zusammenhang wichtig. "Hier zeigt sich nicht nur der Geist Jesu, hier spricht der historische Jesus selbst"300, und er setze tiefer als Mt an. Ursprünglich lautete der Spruch "Ihr sollt niemanden auf Erden mit abba, mit ,lieber Vater', anreden! ,,301 und war zunächst im Zusammenhang des radikalen Nachfolgeethos nur an den wandernden Jüngerkreis gerichtet .. In diesem Zusammenhang ordnet Jesus seinen Jüngern an, daß sie niemanden mehr auf Erden Abba nennen dürfen (auch ihre eigenen Väter nicht). Aber das ist auch nicht mehr nötig, denn die Jünger haben einen sorgenden, gütigen Abba im Himmel, dem sie bedingungslos vertrauen können (Mt 6,3 r-33 par). Durch die Nachfolge sind die Jünger Jesu also in eine neue Beziehung zu Gott getreten. Allein Gott dürfen sie mit Abba anreden.
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Wie hat Jesus Gemeinde.gewolIt?, 1982,42-63, Auch schon bei H.]. Klauck, HG, 59, der diese Stelle auch in Verbindung mit Mt 23,9 bringt. Ebd.,57. Ebd., 59. Ebd., 60. Auch R. Bultmann, Geschichte, 1979, 154f hält es für möglich, dar!: V. 8f ein authentisches Jesuswort darstellen. . Ebd.,60.
Die vorästerliche Verwendung von Hiiusern
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Das Wort hat aber, so Lohfink, auch eine :Kehrseite. Die Macht und die Herrschaft gehören allein dem Vater Jesu Christi. Deswegen soll es im Jüngerkreis ebenfalls keinen herrschenden Vater mehr geben. Genau aus diesem Grund nenne Jesl1s in Mk 10,30 die Väter nicht mehr. "Patriarchalische Herrschaft darf es in der neuen Familie nicht mehr geben, sondern nur noch Mütterlichkeit, Brüderlichkeit und Kindschaft vor Gott, dem Vater. ,,302 In der ]üngergemeinde darf es keine Herrschaftsverhältnisse mehr geben. Wer dort der Erste sein will, soll der Sklave aller sein (Mk 10,42-45)' Zunächst muß festgehalten werden, daß Lohfink ein echtes historisches Anfangsproblem signalisiert und zwar, daß tatsächlich in Frage gestellt werden kann, ob der Patriarchalismus von der Jesuszeit über die Urgemeinde bis hin zur paulinischen Mission so ungebrochen weitergeführt wurde, wie es als Auswirkung des soziohistorischen Oikosmodells teilweise vorausgesetzt wird 303 • Daß sich in dieser Frage zwischen der Anfangszeit ]esu und dem Spätpaulinismus tatsächlich eine nicht ganz geradlinige Entwicklung abgespielt hat, ist wahrscheinlich (s. S. 128ff und 22oH). Das darf nicht mit dem Oikosmodell zugedeckt werden. Außerdem macht Lohfink indirekt darauf aufmerksam, daß es vor und nach Ostern neben den Oikosstrukturen der ortsfesten Anhänger Jesu auch offensichtlich andere. gab, nämlich den vorösterlichen wandernden ]üngerkreis bzw. die nachästerliche Zwölferkonzeption, die damit ihnen gegenüber nicht nur ergänzend, sondern in einer gewissen Spannung standen. Vor Ostern war es nämlich der wandernde ]üngerkreis (s. S. II8, 121ff). Lohfink hat des weiteren völlig recht, wenn er betont, daß es nach ]esus in der ]üngergemeinde keine Herrschaftsverhältnisse wie in der Welt mehr geben darf, sondern wer eine leitende Funktion in dieser Gemeinschaft ausübt, soll dies als Diener der anderen tun 304 • Diese Betonung zieht sich durch viele Anweisungen ]esu hindurch, auch wenn sie teilweise anders als Mk 10,42"":45 formuliert sind305 . Durch solche Anweisungen, vorausgesetzt sie galten bis in die Häuser hinein, wurde auch hier eine gewisse Spannung in die Gemeinschaft der 302
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Ebd., 62. Vgl. auch E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 1988, 199f und dies., You are Not to be Called Father, 1993, Isr-179, die anscheinend llnabhängig von Lohfink zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. Vgl. zuletzt R.A. Camp bell, Elders, 1994, passim und s. u. Kap. 1II. Vgl. Lohfil1k, Wie hat Jesl1s Gemeinde gewollt?, 134ff. Vgl. z.B. Lk 22,25-27 und die FLlßwaschl1ngstradi·tioll.
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Hausgemeinde und Mission
ortsfesten Anhänger eingetragen, wenigstens immer, wenn sie sich in ihren Häusern versammelten. Denn auch und gerade hier stoßen Jesu Anweisungen für die neue Familie Gottes mit den Herrschaftsverhältnissen des antiken Oikos zusammen. Der Hausherr dürfte wohl weiterhin auch bei den Zusammenkünften der familia Dei in seinem Haus eine leitende Rolle ausgeübt haben (s. u.), dies soll er aber von nun an als der Diener aller tun, freilich eine für den antiken Hausvorstand ziemlich radikale Forderung306 • Dennoch ist zu fragen, erstens, ob Lohfink mit seiner Auslegung von Mk IO,29f und Mt 23,9 nicht übertreibt, in dem er das Fehlen des Patrons zum Grundproblem macht, zweitens, ob er mit seinem Verständnis des Vatertitels recht hat, und drittens, ob Mt 23,9 in Verbindung mit Mk IO,29f gebracht und als hermeneutischer Schlüssel zum Verständnis von Mk 10,29f verwendet werden soll. Nehmen wir zuerst Mk 10,29f. Lohfink unterscheidet zurecht in der familia Dei zwischen dem Kreis der wandernden Jünger Jesu und dem Kreis der ortsfesten Anhänger. Von diesen seßhaften Anhängern verlangte Jesus nicht, daß sie ihm auf die Wanderschaft nachfolgten. Folglich gab es ein Nachfolgeethos für die ihm nachfolgenden und mit ihm wandernden Jünger und ein Ethos für die ortsfesten Anhänger ]esu307 . Nicht nur die wandernden Jünger, sondern auch die ortsfesten Anhänger gehören zur familia Dei (Mk 10,35). Das Nachfolgeethos ist, so Lohfink, mit dem Ethos des übrigen Gottesvolkes in vielerlei Weise verknüpft. Es gibt ständige Ausstrahlungen, Rückwirkungen und Überschneidungen. Deswegen kann Lohfink davon ausgehen, daß Mk Io,29f und Mt 23,9, die ursprünglich für den Jüngerkreis bestimmt waren, doch auf die ganze familia Dei anzwenden sind. Aber darin liegt ein Problem. Es mag sein, daß es Überschneidungen zwischen dem Nachfolgeethos und dem ortsfesten Ethos gab, aber in unserem konkreten Fall kann es so nicht gewesen sein. Der ortsfeste Kreis der Anhänger Jesu kann vor Ostern und nach Ostern an diese radikale Perspektive gar nicht gebunden gewesen sein. Denn
306 307
Darauf werden wir auch im Rahmen der paulinischen HGn noch zu sprechen kommen. Vgl. z.B. Gal 3,28. Aber kein Zweistufenethos mit einem qualitativen Unterschied zwischen den wandernden Jüngern auf einer höheren Ebene der Hingabe (sie haben alles verlassen) und den ortsfesten Anhängern (die nicht dazu bereit waren). Das Nachfolgeethos ist funktional zu verstehen. Die Forderung, alles zu verlassen, war kein Selbstzweck, sondern nötig, um die Aufgabe bewältigen zu können.
Die vorösterliche Verwendlmg von Häusern
sie war für die ortsfesten Anhänger gar nicht praktizierbar. Die Vorstellung, daß Jesus den gläubig gewordenen Töchtern und Söhnen ortsfester Hausväter verboten hätte, ihre eigenen Väter mit Abba anreden zu dürfen, wäre wirklich absurd gewesen. Ob sie von den Jüngern Jesu, so wie Lohfink es versteht, verstanden und praktiziert wurde, ist ebenso fraglich. Damit ist nicht in Abrede zu stellen, daß die Jünger, indem sie in die Nachfolge berufen wurden, auch ein ganz neues Verhältnis zu Gott als ihrem Vater bekommen haben und daß sie ihn, wie Jesus, auch mit Abba anreden durften, was für ihre Zeitgenossen ebenfalls radikal gewesen ist. Die Auslegung Lohfinks ist aber nicht nur aus praktischen, sondern auch aus exegetischen Gründen in Frage zu stellen. Zu Mk IO,29f: Die Betonung Lohfinks, daß Jesus die Jünger zu einer neuen familiären Gemeinschaft zusammenrief, wird auch von anderen gesehen308 • Wie schon festgestellt, war Jesu Lieblingsbild für das neue Gottesvolk das der (amilia Dei. Der familiäre Charakter dieser neuen Gruppe gewann v.a. in der Tischgemeinschaft lebendigen Ausdruck 309 • Dabei handelte Jesus als Hausvater, wenn er für alle die b'rachah, das Segensgebet, sprach 310 • So gesehen nimmt Jesus als Repräsentant Gottes auf Erden für den Jüngerkreis die Stelle des Vaters ein. Wenn wir von einem vorösterlichen Sitz im Leben von Mk Io,29f wenigstens im Kern ausgehen, kann im zweiten Glied schlecht im Plural von Vätern die Rede gewesen sein. Man hätte Vater entweder im Singular erwähnen oder ganz weglassen müssen. So oder so wird implizit vorausgesetzt, daß Gott der Vater der neuen Familie und Jesus sein irdischer Repräsentant ist. Hier wird aber nicht gesagt, daß es in der neuen Familie keinen irdischen Vater mehr geben soll. Es ist auch fraglich, ob man an dieser Stelle von einem Beleg für eine antipatriarchalische Haltung Jesu reden kann. Die Jünger Jesu haben zwar ihre eigenen Familien verlassen, sind aber in die neue (ami/ia Dei hineingerufen worden, die ebenfalls wenigstens im übertragenen Sinne patriarchalische Strukturen hatte. Die Auslegung Lohfinks setzt des weiteren voraus, daß Mt 23,9 (so wie er die Stelle versteht) als Schlüssel zum Verständnis von Mk IO,29f zu sehen ist. Dabei kann Mt 23,9 aber auch anders verstan-
J. Schniewind, Mk, zu Mk 3,JIff; ihm folgend 166; J. RoloH, Kirche im NT, 40. 309 R. Riesner, Formen, I984, 16. 310 Mk 8,6f; Mt 14,I9; 15,36; L6,z6; und par.
308
Vgl.
J.
Jeremias, Theol., 1973,
I20
Hatlsgemeinde tuui iVlission
den werden. Wenn Jesus seinen Jüngern verbot, jemanden auf Erden Vater zu nennen, "so wandte er sich damit gegen den Anschluß an eine andere Lehrautorität. Die Jünger hatten nur ,einen einzigen Lehrer' (Mt 23,8), nämlich Jesus selbst (Mt 23,IO). Er beanspruchte Ausschließlichkeit"31! . Diese Auslegung halten wir aus folgenden Gründen für die bessere. Es dürfte von dem uns vorliegenden Kontext klar sein, daß wenigstens Mt es so verstanden hat, denn seine Dreigliederung312 läBt sich am besten vom Lehrzusammenhang her verstehen. Die drei Glieder 23,8.9.IO werden durch das Stichwort KaAEtV zusammengehalten 313 • In zwei von den drei Gliedern geht es eindeutig um den Lehrer (V. 8: "denn nur einer ist euer Lehrer [ölö&aKaA.O~]"; VIO: "denn nur einer ist euer Lehrer bzw. Erzieher [KaEll1yyp;tl~J"). Dies hißt annehmen, daB Mt auch V. 9 so verstanden haben wollte. Hinter dem Verbot in 23,9 wird wohl ein aramäisches N:IN stehen 314 • 'Abba' wurde zur Zeit Jesu nicht nur als Ehrenname für die biblischen Patriarchen, sondern auch in sehr verschiedenen Lebens-
311· 312
313
314
R. Riesner, Formen, lof. Vgl. auch ders., Jesus 2.59-2.64; K. Bornhäuser, Das Wirken des Christus durch Taten und Worte, 1924, 190f. Innerhalb der Wehe-Rede Mt 23 bildet 23,8-12 den zweiten von fünf Unterabschnitten. Bei solchen Abschnitten verwendet der Evangelist sehr gerne Dreigliederungen, und eine solche läßt sicb auch bier erkennen. Sie könnten von daher schon in der mündlichen Überlieferung verbunden worden sein. Dies spricht sehr stark für die Ursprünglichkeit des Verbots. Vgl. Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, 60; Grundmann, Mt, 1975, 486. Gute Gründe sprechen auch für die Ursprünglichkeit von 2.3,8.10 (vgl. Riesner, Jesus, 260ff), wenn auch die Argumente für V. 8 stärker sind. Sowohl das KOlllpositionsverfahren des Matthäus als auch die poetische Formung als synthetischer Parallelismus (C.F. Burney, The Poetry of Our Lord, 1925, 89) sind Hinweise gegen eine Bildung vein 23,8 durch den Evangelisten. Auch die Bewahrung des aramäischen Wortes paßßi spricht für das Alter des Logions. Der Spruch läßt sich auch aus der Situation Jesu heraus gut verstehen. Die wandernden Jünger dürfen sich von denen, die sie heilten oder lehrten, nicht mit ,Rabbi' anreden lassen. Sie wirken im Auftrag dessen, den sie selber lIlit ,Rabbi' anreden. Weil Gott in den Jesusworten sonst nirgendwo Lehrer genannt wird, ist eine Deutung anders als die des Matthäus in 23,8 b auf Gott nicht naheliegend. Viele Forscher gehen allerdings davon aus, dag V. TO eine griechiscbe Variante (W. Grundmann, Mt, 486) bzw. eine sekundäre Dublette (J. Jeremias, Theol., 1973, 247 im Anschluß an Dalman, Worte Jesu, 251-279) von V. 8 sei. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, wird schon wegen der Parrallelität zwischen 23,8 lind 23,9 deutlich, dag es hier um die Lehreraurede und nicht um die Anrede für den leiblichen Vater bzw. für die Väter in der (ami/ia Dei geht.
Die uorösterliche Verwendung von Häusern
12I
bereichen als ehrender Beiname und achtungsvolle Anrede für Lehrer verwendet3l5 • In der vorösterlichen Situation wäre das Logion dann so zu verstehen, daß Jesus seinen Jüngern verbot, andere Lehrer ehrend ,Abba' zu nennen und ihnen so einen gültigen Lehranspruch zu gestatten316 • Auf der vormatthäisehen (oder gar mt?) Ebene könnte es dann als eine Polemik gegen ein sich bildendes christliches Rabbinat verstanden worden sein. In jedem Fall hätte es so mit einem Ende der Väter in der neuen familia Dei nichts zu tun 31 ? Nun allerdings, wie wir schon angedeutet haben, bleibt einiges in unserer Fragestellung offen, denn Lohfink weist, wie schon erwähnt, auf ein echtes historisches Anfangsproblem hin. Wir konzentrieren uns auf zwei Fragen, die v.a. für unsere Studie von Bedeutung sind. Erstens: Welche Haltung hatte eigentlich Jesus zur Familie bzw. zum Patriarchalismus bzw. war er wirklich so "Vater"-kritisch, wie Lohfink ihn darstellt? Es läßt sich nicht bestreiten, daß der irdische Jesus, der Überlieferung nach, familienktitische, aber auch familienfärdernde Äußerungen gemacht hat. Hier wird der Exeget vor eine Entscheidung gestellt. Entweder sagt man, nur eine dieser beiden Überlieferungsstränge kann echt sein, entweder die familienkritische oder die familienfördernde. Wenn man sich aber zu dieser Alternative gezwungen sieht, dann würde man sich wohl eher für die famililienkritiscbe Tradition entscheiden müssen, denn sie ist eindeutig die schwiengere. Oder man verteilt die bei den Traditionen auf zwei verschiedene soziologische Situationen, und zwar einerseits das Familienkritische auf den Kreis der wandernden Jünger und das Familienfördende auf den Kreis der ortsfesten Anhänger Jesu 318 . Die vorösterliche Situation ist, wie schon festgestellt, tatsächlich durch eine Doppelung im Kreis der Anhänger Jesu gekennzeichnet. 315
316 31? 3\8
Im essen ischen Milieu: rQH 7,20; CD I3,9. Im rabbinischen: BilL I, 918f; Beispiele aus apostolischer Zeit sind dafür Abba Chilqijja (Ulit 50 n.Chr.), Abba Scha'ul b. Bathnith und Abba Ja se b. Jochanan (heide um 70 n.Chr.). Vgl. dazu R. Riesner, jesus, 109f. R. Riesner, Jesus, 263; so auch P. Gaechter, Mt, 729; F. V. Filson, St Mattbew, 241; P. Benoit, Mt, I42. Gegen Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewalt?, 57ff. Lohfink kann auch vom Nachfolgeethos und einem Ethos der Ortsfesten reden. Aber wenn ich ihn richtig gelesen habe, unterscheidet er nicht zwischen familiellkritisch und famiJienfördernd; außerdem geht er in dem einen Punkt "Ende der Väter" von einer Überschneidung aus.
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Hausgemeinde und Mission
Jesus hat also bei weitem nicht alle seine Anhänger in die "Nachfolge" im engeren Sinne berufen. In den Logien, die für den Kreis der wandernden Jünger Jesu bestimmt waren, ist eine deutliche Spannung zur irdischen familiären Struktur zu konstatieren 319 • Zum Beispiel: Jesus selbst blieb unverheiratet320 • Er hat außerdem seine irdische Familie verlassen. Am deutlichsten ist bei Markus belegt, daß die neue radikale Lebensweise Jesu zu einer Entfremdung von seiner eigenen Familie führte (Mk 3,31-35; vgl. auch Mt 13,57 par). In Mt II,I9 wird Jesus ein "Fresser und Weinsäufer" genannt. Hier wird die Debatte um den mißratenen Sohn angesprochen, den man eigentlich vor das Ortsgericht bringen müßte, weil er seine Hauspflichten zur Erhaltung der Familie unterlassen hat32 !. Auch für die Jünger hatte der Anschluß an Jesus gegenüber den Bindungen zur irdischen Familie Priorität (Lk 14,26; Mt 10,37). Die Berufung in die Nachfolge hatte einen so hohen Vorrang, daß Jesus einem Jünger verboten hat, seinen Vater zu beerdigen (Mt 8,22 par)322. Die Zebedaiden werden von Jesus in die Nachfolge gerufen und lassen "sogleich" ihren Vater mit dem ganzen Fischerbetrieb rücksichtslos alleine (Mt 4,21f). Manche Jünger haben anscheinend zumindest zeitweise sogar ihre Frauen verlassen, um Jesus nachzufolgen (angedeutet in Lk 18,29b; vgl. par)323. In all diesen Beobachtungen zeigt sich eine nicht nur uns modernen Menschen, sondern
319 320 321
322
323
Zum folgenden vgl. C. Osiek, The Family in Early Christianity, CBQ 58 (1996), 1-24; dies.lD.L. Balch, Families in the NT World, 1997, r23-143. Vgl. den sehr schwierig zu verstehenden Spruch in Mt 19,12. Vgl. Deut 21,18-21; Prov 23,20; A. Schlatter, Mt, 373f. Vgl. auch W. Pöhhnann, Der Verlorene Sohn und das Haus, 1993. Er argumentiert, daß Lk 15,11-32 am besten als Geschichte einer weitreichenden Herausforderung an die ordentlichen Strukturen des Haushalts zu verstehen ist, denn der Vater handelt in einer für die Antike völlig unangebrachten Weise und signalisiert damit eine Veränderung der sozialen Ordnung. Dieses Wort läßt in einer für die gesamte Antike unerhörten Weise die sittlichen und religösen Pflichten gegenüber den Eltern bewugt unbeachtet (vgl. M. Hengel, Nachfolge, 1968, 3-17). Auch die Ehelosigkeit Jesu und mancher seiner Jünger war für die Zeit - abgesehen VOn einem strengen essenischen Milieu - eher ungewöhnlich und muß für die Zeitgenossen sehr befremdend gewesen sein. Vgl. ]. Jeremias, Theol., 1973, 216; G. Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, SI.
Die vorösterliche Verwendung von Häusern
12 3
auch eme den Zeitgenossen Jesu kaum nachvollziehbare Radikalität324 • Jesus hat aber auch den ortsfesten Anhängern, die 'in Beruf und Familie geblieben sind, helfende Anweisungen für ihr Verhalten gegeben. Hier können wir auf Logien verweisen, die zu all diesen familienkritischen Aussagen ]esu in einer gewissen Spannung stehen. Zum Beispiel hat Jesus der Ehe eine sehr hohe Würde beigemessen und deshalb auf ihrer Unauflöslichkeit bestanden (Mk 10,2-12)325. Daß er nicht damit rechnet, daß die Familie völlig aufgelöst wird, zeigt Lk 12,53 326 . Außerdem hat er jede Aufweichung des Elterngebotes entschieden abgelehnt, auch dort, wo man versuchte, dies fromm zu verschleiern (Mk IO,9-13 par). Jesu Hochschätzung der Elternschaft wird v.a. daran deutlich, daß er die Zuwendung Gottes als väterliche Liebe geschildert hat327• Schließlich hat ]esus den Kindern das Recht gegeben, an der Basileia teilzunehmen und damit seine ausgesprochen kinderfreundliche Haltung unmißverständlich zum Ausdruck gebracht (Mk 10,14-16). Diese Doppelung finden wir nicht nur in Logien, die Familienangelegenheiten ansprechen, sondern auch in einer anderen Dimension. Beim Eintritt in die engste Nachfolge Jesu sollten z.B. die Jünger bereitsein, ihr ganzes Vermögen zugunsten der Armen zu verkaufen (Mt 19,21 par; Lk I2,3 3) und individuelle Besitzlosigkeit zu praktizieren (Lk 14,33). Dagegen gibt es Jesusworte, die davon sprechen, daß man zum Gastmahl nicht nur etwa Verwandte oder reiche Nachbarn, die in der Lage gewesen wären, sich zu revanchieren, sondern auch die Armen usw. einladen sollte (Lk 14,12ff). Voraussetzung aber dafür ist es, daß man sein Haus und sein ganzes Geld behalten hat. Wenn jemand das alles vorher den Armen verschenkt hätte, könnte er kein Festmahl mehr ausrichten. Dafür versprach ihnen ]esus ebenso endzeitliche Wiedervergeltung wie denen, die alles verlassen hatten (vgl. Lk 14,14 mit Mk IO,30).
Daß dies nach Ostern für manche Jünger, die alles verlassen haben, um mit Jesus in die Wanderpredigt zu ziehen, ein enormes Problem wurde, ist zu vermuten, denn wenigstens einige von ihnen mu15ren in ihre alten geordneten Verhältnisse zurückkehren. 325 Vgl. auch Mt 5,28, der zeigt, daß aus der Sicht Jesl1 die Ehe zu schützen war. 326 Es herrscht zwar Spannung in der Familie, aber sie ist immerhin noch eine Familie. 327 Vgl. J. Jeremias, Die Botschaft Jesu vom Vater, Calwer Heft 92, 1968; Mt 7,9II; Lk 15,Il-32. 324
Hausgemeinde und j\;lissiol1
Zusammengefaßt können wir mit Lohfink sagen, daß es vor Ostern zwei Arten von Ethos bzw. zwei Organisationsformen in der einen {amilia Dei gab: eine für den engsten Nachfolgerkreis und eine für den Kreis der ortsfesten Anhänger jesu. Das gilt allerdings ohne eine Abwertung des ortsfesten Ethos. Die Organisationsform der seßhaften Anhänger ist deutlicher auf Familienbasis in Privathäusern und damit wohl stärker von Oikosstrukturen gepräg~2B. Ein anderes Ethos und eine andere Organisationsform gab es für die wandernden jünger teilweise aus praktischen Gründen. Diese Form bestand nicht auf einer Familienbasis und fand schon gar nicht in Privathäusern statt, auch wenn sie in einem komplementären Verhältnis zum ortsfesten Ethos und Oikos stand. Es ist auch klar, daß in diesem Kreis, den jesus allein leitete, die Hausväter auf der Autoritätsbasis des Oikos keinen Einflug ausübten, denn sie wanderten teilweise mit. Diese bei den Lebensweisen standen also einander in einer gewissen Spannung gegenüber. Beide Linien sind in der Verkündigung jesu enthalten. Eine deutliche Distanzierung zum häuslichen Ethos wird von den wandernden jüngern erwartet. Außerdem hatte Jesus die Perspektive, daß er und die Basileia sowohl für den wandernden Jüngerkreis als auch für die ortsfesten Anhänger den Vorrang gegenüber den familiären Verhältnissen haben (Mt 6,3 3). Beide soUen ihm und seiner Verkündigung dienen. Deshalb kann man auch nicht im Kontext der Mission jesu nur einlinig und allein vom Oikosmodell reden. Betrachten wir ein Beispiel, wie die beiden Lebensweisen aufeinander treffen: Wie gesagt, die ortsfesten Anhänger Jesu waren vermutlich als Basileia-Gemeinschaft in einem Hausverband mit· dem Hausvorstand als leitende Figur (anfangs wohl eher unbewußt) organisiert. Jesus wird wohl auf der Durchreise diese Häuser besucht haben (vgl. z.B. Lk ro,l). In dem Augenblick, in dem Jesus vom Hausvorstand aufgenommen wird, ist er Ehrengast dieses Hauses. Dennoch ist es wahrscheinlich, daß es für jesus und den realen Hausvorstand selbstverständlich war, daß Jesus, jedenfalls so lange er da war, bei der Mahlfeier die Leitung hatte und als "Hausvater" fungierte. Wenn er aber wieder fortging, dürfte es in einem solchen jüdischen Oikoskontext ebenso selbstverständlich gewesen sein, daß
328
Diese Formulierung ist besser als partriarchalisch, da man auch VOll Hausherrinnen als Hausvorstand ausgehen mug, auch wenn sie eher in der Minderheit gewesen sein dürften (vgl. R.A. Horsley, Galilee, 1995, 195-2.0r).
Die VOl'östetliche Verwendung von Häusern
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dann der eigentliche Hausvorstand wieder die Leitung in der Gemeinschaft und bei den Mahlfeiern in seinem Haus übernommen hat. An dieser Stelle wird das Ineinander bzw. die Spannung zwischen den bei den Organisationsstrukturen deutlich. Nun kommen wir auf die zweite Frage: Welche Bedeutung hatte der Umbruch zwischen der vorösterJichen und nachösterlichen Zeit in unserem Zusammenhang? Was ist nach Ostern geschehen, als Jesus nicht mehr leiblich gegenwärtig war? Hat jemand an seiner Stelle im Jüngerkreis die Vaterrolle übernommen, oder blieb sie eine Zeit lang unbesetzt? Dies könnte man vermuten, da kein normaler l\tlensch den Repräsentanten Gottes auf Erden ersetzen kann. Oder gab es eine Zwischenstufe? Wie schon angedeutet ist von der Jesuszeit bis zum Spätpaulinismus eine gewisse Entwicklung hinsichtlich des Patriarchalismus anzunehmen (s. S. 220ft), welcher, was die Organisationsformen der Gemeinde anbelangt, im Laufe der Zeit immer stärker geworden ist (vgI. die Haustafel z.B. Kai 3 und die Past). Das kann daran liegen, daß sich lokale Oikosverhältnisse immer mehr durchgesetzt haben. Es wird aber auch damit zusammenhängen, daß mit Ostern eine Grundvoraussetzung wegfällt und eine Änderung in dieser Beziehung eintreten mußte. ]esus konnte nun nicht mehr in diesem direkten Sinne die Funktion des Hausvaters im Jüngerkreis übernehmen. Dem muß man Rechnung tragen. Die Frage ist eben, ob die Rolle Jesu als Hausvater des Jüngerkreises, die er als irdischer Repräsentant des himmlischen Vaters spielte, von einem anderen Menschen übernommen werden konnte. Es ist anzunehmen, daß jemand an die Stelle Jesu als "Hausvater", sicherlich aber nicht als Repräsentant Gottes, getreten ist, denn ansonsten wäre ein Vakuum in der Jüngergemeinde entstanden. Am ehesten kommt Petrus für die Funktion eines Hausvaters in Frage (s. S. I28ff), wobei wir dann annehmen mülSten, dalS selbst er diese Rolle keineswegs so hätte ausfüllen können, wie Jesus das mit seiner Person und Autorität tat. Wenn wir uns z.B. fragen, wie es nach Ostern konkret im Haus mit dem Obergemach weiterging, kann man sich folgende Situation vorstellen. Wenn die Gemeinde dort das Brot miteinander gebrochen hat, wer hat dann die Mahlfeier geleitet? War es der Hauseigentümer bzw. der Hausvorstand? Oder ist nicht eher anzunehmen, daß es Petrus als Leiter der Urgemeinde tat? In dem Fall hätte er in einem gewissen Sinne die Rolle des Hausvaters analog zu Jesus vor Ostern übernommen. Allerdings ist Petrus, gemessen an dem, was uns über
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Hausgemeinde und Mission
ihn überliefert ist, nach Ostern alles andere als ein Hausvater und Hauseigentümer. Er wird eher als Gemeindeleiter, Gemeindegründer und reisender Missionar geschildert (s. S. u8ff). Ähnliches können wir für die nachapostolische Generation annehmen. Der Übergang vom Zwölferkreis zu der nachfolgenden Zeit wird von einer vergleich baren Änderung gekennzeichnet sein, denn die apostolische Generation ist eine andere als jede nächste Generation. Von diesem Autoritätsgefälle her ist eine gewisse Änderung bzw. Entwicklung schon fast vorgezeichnet. Es wäre ebenfalls zu erwarten, daß in dieser Situation das schon Vorhandene bzw. die lokalen Verhältnisse sowie die Oikosstrukturen dann auch in diesem Entwicklungsprozeß immer mehr Einfluß gewönnen. Immerhin ist diese Entwicklung mit gewissen Ansätzen in der ]esuszeit unter seinen ortsfesten Anhängern v.a. während der Zeit seiner Abwesenheit (als er auf Wandermission war) zu erkennen. Zu der nachösterlichen Zeit nimmt Lohfink keine Stellung. Seine Rekonstruktion impliziert aber, daß das Ende der Väter auch in der Zeit nach Ostern andauert 329 • Allerdings ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, daß wir in der Jerusalemer Urgemeinde eine ortsansässige Situation vor uns haben (s. S. 128ff). Daraus könnte man folgern, daß dort eher das Ethos der ortsfesten Anhänger Jesu praktiziert wurde. Dann wäre zu fragen, ob nicht schon von Anfang an in der ]erusalemer Urgemeinde Oikosstrukturen bei der Bildung der Organisationsformen stärker zum Zuge gekommen sein könnten. Dabei dürfen wir aber trotzdem den Zwölferkreis nicht vergessen, der auch in ]erusalem wenigstens in der Anfangszeit einen entscheidenden Einfluß ausübte und nicht in das Oikosschema hineinpaßt.
329
Vgl. Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, 56: Nachfolgeethos hat seinen eigentlichen Ort "später [nach Ostern = RG] im Kreis der urchristlichen Propheten und Wandermissionare". Man kann auch vermuten, dal~ eine Voraussetzung der These Lohfinks folgende weitverbreitete formgeschichtliche Annahme ist. Wenn etwas weiterüberliefert wird, dann ist dies ein Hinweis dafür, daß es nach wie vor so gehandhabt wurde. Sonst hätte man es nicht überliefert. Wenn man etwas VOll einem Lehrer überliefert, dann die Worte, die man verstanden hat, die man braucht und praktiziert. Man kann dies natürlich als gewisse Faustregel anwenden. Aber wir können es nicht uneingeschränkt gelten lassen. Denn die Jesusüberlieferung knüpft nicht an eine x-beliebige Person an. Sie geht von Jesus von Nazareth aus. Wegen der Dignität seiner Person ist es ebenso vorstellbar, daß man Worte überliefert, die man nicht ganz verstanden hat oder die man teilweise bzw. im Augenblick selber nicht mehr praktiziert, weil eben JeslIs sie gesagt hat.
Die uorösterliche Verwendung von Häusern
Selbst wenn die ersten Christen in den Anfangsjahren von Jerusalern aus keine Wanderrnission praktizierten, muß man dennoch fragen, inwiefern das radikale Nachfolgeethos in dieser Situation für den Zwölferkreis gegolten hat. Viele Elemente des Nachfolgeethos waren ja funktional begründet - sie waren aus praktischen Gründen für die Wandermission nötig, aber nicht für die seßhafte Situation gedacht. Auf einige dieser Fragen zur Urgemeinde wollen wir im nächsten Kapitel eingehen. Wie wir sehen werden, muß einiges auch offengelassen werden, da die Texte uns auf manche Frage keine Antwort geben.
Hausgemeinde und Mission
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IH. Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde Wie wir gesehen haben, hat Jesus Häuser in verschiedenster Weise im Rahmen seiner Nlission verwendet und seine Jünger angeleitet, ebenso vorzugehen. Nun können wir in einem dritten Schritt untersuchen, inwiefern sich nachweisen läßt, dafS Häuser auch in der Mission der Jerusalemer Urgemeinde in Jerusalem eine wichtige Rolle gespielt haben. Dies sollte angesichts sowohl der Bedeutung des Oikos in der Antike! als auch dessen Bedeutung für die vorösterliche Mission erwartet werden. Um so mehr überrascht es, daß gerade die Frage nach dem "house setting" der Zusammenkünfte in der Urgemeinde bislang in der Acta-Forschung vernachlässigt wurde.
A) Jerusalemer Häuser in der Apostelgeschichte Abgesehen von einigen indirekten Anspielungen in den paulinischeu Briefen ist die Apostelgeschichte des Lukas unsere einzige Quelle für die Verwendung von Häusern in der Jerusalemer Urgemeinde. Damit werden wir aber vor ein Problem gestellt. Bis heute beurteilt die überwiegende Mehrheit der Exegeten den Geschichtswert der Apg eher negativ. Besonders verdächtig sei der Bericht über die Jerusalemer Urgemeinde, weil Lukas ein Wünsch bild idealisierend auf sie übertragen habe. Zweifellos ist es wichtig, daß Historiker und Exegeten die Apg mit geschärftem Blick für das literarische und theologische Konzept des ganzen lukanischen Doppelwerkes lesen. Doch darf darauf hingewiesen. werden, dafS sich in den vergangenen 20 Jahren auch wieder ein anderer Trend in der Beurteilung des historischen Wertes der Apg abzeichnet 2 • In der jetzt folgenden
2
Vgl. unseren ForschungsberichtP. Stuhlmacher kann sogar in Hinblick auf die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Apg von einer sich andeutenden Wende sprechen, Biblische Theologie des NTs I, 1992., 2.2.7. V.a. besteht die Wende darin, dalS man der altkirchlichell Ansicht, Lukas sei Mitarbeiter und Begleiter des Paulus gewesen, wieder historische Bedeutung beimilSt. Vgl. die Studie von C.]. Thornton, Der Zeuge des Zeugen, 199I. Zur Zuverlässigkeit der Apg allgemein vgl. M.. Hengel, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 1984, 11-61; B. Winter, The Book of Acts in its First CentUl')' Setting, I-VI, 1993-I995; c.]. Hemer, The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History, 1989; I.H. MarshalI, Luke: Historian and Theologian, I970, I992
Die nach österliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde
129
Einzelanalyse werden die wichtigsten Belege für Häuser in der Urgemeinde auf die Frage des historischen Wertes hin untersucht. I.
Apg
1,I2-14.15
,. Darauf kehrten sie nach Jerusalem zurück von dem sogenannten Ölberg, der nahe bei Jerusalem liegt, einen Sabbatweg entfernt. '3 Und als sie (in die Stadt) kamen, stiegen sie in das Obergemach hinauf, wo sie sich aufzuhalten pflegten: Petrus und Johanlles und Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus (der Sohn) des Alphäus und Simon, der Zelot, und Judas, (der Sohn) des Jakobus. '4 Diese alle verharrten mit einigen Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern einmütig im Gebet. '5 Und in diesen Tagen stand Petrus im Kreis der Brüder auf eine Schar von etwa hundertzwanzig Person war versammelt - und sprach ...
a) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion: Der Text in I,I2ff ist kein lk. "Summarium". Er enthält eine von Lukas auch in Lk 24,pf verwendete ältere Tradition3 • Die biblische Namensform 'h;pouaaA~~t, die zweimal verwendet wird, deutet auf Tradition hin 4; die Nennung des Ölbergs mit dem Namen 'EAaLulV
13-76; F.F. Bruce, Die Glaubwürdigkeit der Schriften des Neuen Testaments, 1976, 87-99. Vgl. auch schon A. Harnack, Beiträge zur Einleitung in das NT, Bd. 1-4; 1906-19II; A. Wikenhauser, Die Apg und ihr Geschichtswert, I921; E. Meyer, Ursprung und Anfänge des Christentums III, 1923. Zur Quellenlage für die Urgemeinde vgl. M. Hengel, Die Ursprünge der christlichen Mission, NTS 18 (1971/72), 15-38.24f; ders., Zwischen ]esus und Paulus, ZTK 72 (1975), 151-206. Zur Problematik der Urgemeinde allgemein vgl. ß. Reicke, Glaube und Leben der Urgemeinde, I957; S.E. Johnson, The Jerusalem Church in Acts, 1958, 131; J. Danielou, The Dead Sea Scralls and Primitive Christianity, 1958, 3.9; H.J. Klauck, Gütergemeinschaft, RdQ I I (T.9 82), 47-79; Stuhlmacher, ebd., 197-221, v.a. 206; J. RoloH, Apg, 1988, 89ff; R. Riesner, Das Jerusalemer Essenerviertel und die Urgemeinde. ANRW I1.26.2, (I995), I7751922; ders., Formen gemeinsamen Lebens im NT und heute, I984, 26-36; ders., Jesus als Lehrer, 1988, 66ff; B.j. Capper, The Community of Goods of the Early Jerusalem Church, ANRW II, 26.2 (1995), 1730-1774; ders., The Palestinian Cu 1tural Conrext of earliest Christian Community of Goods, 1995, 323-356. W. Reinhardt, Das Wachstum des Gottesvolkes, I995. R. Pesch, Apg VIr, 78. UltOO'tPEIjlW ist wohl lk, denn es gehört zu seinen Lieblingsworten. Vgl. M. Bachmann, Jerusalem und der Tempel, 1980, 46f.
Hausgemeinde
~md
Mission
ohne Artikel ist einmalig (vgl. Jas Ant 7,202; 20,169; Bell. 570); die Angabe über die Entfernung des Ölbergs von der Stadt ist als traditionell einzustufen, da sie jüdisch formuliert ist ("einen Sabbatweg weit") und exakte Entfernungsangaben im lk. Doppelwerk sonst kaum begegnen5 ; der Versammlungsort der Gruppe wird auffallend besonders bestimmt (vgl. den determinierten Ausdruck TO umP
ov)6, was ebenfalls auf eine Tradition hinweist, deren Tradenten und Empfänger diesen Ort wohl kannten? Die Verbindung repoOlmpTEpouVLEC; ... TTI rep0O"ElJXTI ist traditionell (vgl. Röm 12,12; Kai 4,2)8. Die Elferliste ist ebenfalls eine von Lukas bearbeitete Tradition, die weder markinisch ist noch aus Q stammt, sondern als lk. Sondergut einzuordnen ist9 • Die Erwähnung der Maria, der Mutter Jesu und von dessen Brüdern, kann nicht als lk.-redaktionell erklärt werden lO • Im Gegensatz zu den "Frauen" ließ Lukas Jesu Nlutter und seine Brüder nicht nach Jerusalem nachfolgen. Daß diese Personen von V. 14 ebenfalls aus dem Ev bekannt sind, ist kein ausreichendes Argument für lk. Redaktion.
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Vgl. nur noch Lk 22>4I; Lk 24,13 aus vorlk. Tradition - so J. Wanke, Die Emmauserzählung, 1973, I23. c.]. Hemer, The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History, 1989, 108, weist darauf hin, daß Apg I,12 die Kenntnis der Jerusalemer Topographie unterstreicht. Vgl. auch dazu M. Hengel, Der Historiker Lukas, ZDPV 99, (1983), I47-183. Vgl. BI.D. § 252: "Bei Neueinführung von bisher Unbekanntem ohne Zusammenfassung der Gattung steht ... kein Artikel". So schon Th. Zahn, Die Apg des Lucas, 1916, 44; auch H. Conzelmann, Apg, 1963, 23; F. Mngner, Apg, 1984, r8; mit Mußner R. Riesner, Jesus, the Primitive Community and the Essene Quarter of Jerusalem, r992, I.98-234, V.a.202; auch für G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 1987, 35, verbirgt sich hinter dem Ausdruck "Obergemach" eine traditionelle Ortsangabe über den Versammlungsraum der Jerusalemer Gemeinde. Der bestimmte Artikel und das Fehlen irgendeiner Erklärung des Obergemachs ist ein Hinweis darauf, daß der Verfasser einen sehr bekannten Ort im Sinne hatte. Für die historischen Implikationen eines derartigen Gebrauchs des Artikels vor "Obergemach" vgl. u. S. 156!. Mit Lüdemann, Das frühe Christentum, 1987,35. R. Pesch, Apg VII, 78f; vgl. auch J. Jervell, Apg, 120; G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 1987,35. R. Pesch, Apg VII, 80; clers., Simon Petrus, 1980, 71-74; J. Jervell, Apg, IIS. Geg. G. Schneider, Apg, 199, Anm. I3; Lüdemann, ebd., 33.
Die nachästerliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 13 I
Auch 1,15 ist überwiegend vorlukanische Tradition. Nur avuarac; ... ElJ'tEV und wod sind lk ll . Der Zeitanschluß (1,I5a ev 'tute; 1l!lepme; 'tuu'tme;) ist wohl vorlk., denn er wird von Lukas in dieser Form nur selten gebraucht12 • Auch 15b wird aus folgenden Gründen zur vorlk. Tradition zu rechnen sein: Der Ausdruck eJ'tt 1:0 mh6 ist ale 13 • Die Erzählteile I,I5.23-24a.26 sind durchgängig sechsmal mit KUt gereiht. Es fällt auf, daß sie "in dichter Folge konkrete Angaben machen und nur wenig von luk. Stilgebung geprägt sind,,14. Sie bilden miteinander eine Einheit, nämlich einen kurzen Bericht über die Wahl des Matthias. Deswegen kann man hier von einer vorlk. Tradition ausgehen, die schon mit 1,12-14 verbunden gewesen sein könnte 15 •
b) Inhaltliche Analyse Gleich zu Beginn seiner Darstellung (Apg I,uff) berichtet Lukas, daß nach der Himmelfahrt die Jünger vom Ölberg nach Jerusalem zurückkehrten, in ein Haus hineinkamen und in das Obergemach (Eie; 1:0 uJ'tEP0ov)16 hinaufstiegen. Exkurs: VrcEpt[;OV Die Verwendung dieses Begriffes ist in der hellenistischen Zeit weit verbreitetl? gewesen und weist auf das obere (erste oder zweite) Stockwerk eines Hauses hin l8 , d.h. auf einen mit Fenstern versehenen Die Redeeiniührung in I,1 5 hat Lukas wohl in Blick auf die Petrusrede (I, I 6-2.2) eingefügt. wad entspricht dem lk. Sprachgebrauch (vgl. Apg 2,3.41; 6,15; IO,3; 19,7)· 12 Vgl. 1,15; 6,I; II,27 mit Zeitanschluß jeweils immer zu Beginn von Bestallungserzählungen. 13 Für den Nachweis s. S. 147 u. 168. Ob Lukas die Wendung in diesem Zusammenhang vorgefunden hat und sie dann in 2>44.47 in selbständiger Weise gebraucht hat (so M. Dömer, Das Heil Gottes, 1978, 143) oder auch umgekehrt bzw. in beiden Zusammenhängen vorgefunden hat, wofür viel spricht (s. auch u.), ist heute nicht mehr auszumachen. 14 R. Pesch, Apg VII, 84. Zusätzlich zu der minimalen lk. Redaktion in 15 (s.o.) sind 'tov KaAO\)~IEVOV (23b) und anomoAOlv (26) wohl auch lk. Ein· bzw. Anfügungen. 15 VgJ. R. Pesch, Apg VII, 84. 16 Vgl. zum Ganzen: B.B. Thurston, 't0 \l1tEpQOV in Acts 1,13 ET 80 (1968), 2.1f. I? VgJ. Bauer-Aland, 1678. 18 Oxyrynchus Papyri, Part I, ed. B.P. Grenfell und A.S. Hunt, 1898, LXXVI. Ii. VgJ. auch G. Dalman, Orte und Wege Jesu, 1924, 29M. Das aramäische Nn)~"y wird ähnlich verwendet; (vgl. b.Baba Bathra 13 3 b). 11
Hausgemeinde und Mission
zusätzlichen Raum auf einem flachen Dach von größeren Häusern, den man durch "Hinaufsteigen" nur über eine Außentreppe erreichte. 1m Orient war das Obergemach der luftigste und am besten ausgestattete Raum des Hauses. Ein solcher Raum war keine Seltenheit in der antiken Architektur und wurde in verschiedener Weise gebraucht. Obergemächer wurden in der Regel, anders als der untere große Wohnraum, nicht für die allgemeinen, täglichen Lebensfunktionen (Schlafen, Kochen, Essen usw.) verwendet 19 • Sie waren eher Orte der Ruhe und konnten bereits im AT gelegentlich eine gewisse religiöse Bedeutung haben (IKön I7,19ff; 2Kön 4,rof; Dan 6,rr). Deshalb wurden sie später zur bevorzugten Versammlungsstätte für Schriftgelehrte (Bill. II, 594f). Den Gelehrten dienten sie nicht nur als VersammJungsräume (Schab 1,4; jSanh 2Ib), sondern auch als Studierzimmer (bSchab 13 b) und als Gebetsstätte 20 • Angesichts dieses antiken und jüdischen Gebrauchs scheint es durchaus plausibel, daß die Urgemeinde ein Obergemach als Versammlungsraum verwendet hat. Unser Text setzt, wie 1,14f verrät, einen größeren Versammlungsraum voraus. In diesem Zusammenhang wird nur selten die Frage gestellt, wo sich eine Gruppe dieser Größenordnung hätte treffen können 21 . Die These, daß ein privates Obergemach, in dem über hundert Menschen Platz finden konnten, unvorstellbar sej22, läßt sich archäologisch widerlegen 23 • Ausgrabungen in Jerusalem zeigen deutlich, daß solche Möglichkeiten der Unterbringung zahlreich vorhanden gewesen wären 24 , wenn auch die Zahl von etwa 120 als 19
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Sie sind anscheinend vom Hauseigentümer als Gästezimmer oder als separate Quartiere für eine verwitwete Tochter oder einen frisch verheirateten Sohn reserviert worden. Vgl. S. Safrai, Home and Family, CRI 1-2: 728-792, v.a.73 off. Vgl. E. Peterson, Die geschichtliche Bedeutung der jüdischen Gebetsrichtung, I959, I-I4Vgl. P. Stuhlmacher, Biblische Theologie I, 204 und R. Pesch, Apg VII, 77ff als Ausnahmen. B.B. Thllrston, 1:0 lJ1tEP4JOV in Acts I,I3, ET 80 (I968), 2If denkt an eine Halle im Tempel. Dagegen spricht, daß Lukas mit der "Halle 5alomos" (01:oeX 1:0Ü IaAO~IWV1:0~) ausdrücklich eine andere Orts bezeichnung verwendet (Apg 3,1 I; j,I2; vgl. Joh IO,23; Bell V. 185). Mit R. Riesner, Das Jerusalemer Essenerviertel ... , I840' Anm. 308. Mit R. Pesch, Apg VII, 81. Vgl. B.B. Blue, Acts and the Hause Church, I994, II9-222, v.a.I40-144.I98204, und Y. Hirschfeld, The Palestinian Dwelling in the Rom.-Byzantine Period, ! 99 5, 2I-I07 für Beispiele solcher palästinischen Häuser aus dieser Zeit inklusive Beschreibungen und Grundrissen; vgl. auch M. Broshi, Excavatiolls on Mt. Zion.
Die nachästerliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 1.3.3
äußerster Grenzwert aufzufassen ise5 (zum Symbolwert der Zahl 120 s. u. Anm. 3 I). Für Lukas und für seine Leser ist dieses Obergemath schon eine feste Gräße 26 • Lukas scheint dieses Haus "als Prototyp der urkirchlichen Gottesdiensträume darzustellen ,,27. Dort haben die Jünger Jesu Gemeinschaft miteinander gepflegt (Apg 1,14)28 und miteinander gebetet (Apg 1,14; 4,31). Dort, wo sie sich aufzuhalten pflegten 29 , haben sich nicht nur die ELf und die, die mit ihnen waren, sondern insgesamt etwa I20 Gläubige als Gemeinde an einem Ort (i::n:l La Ulno)JO getroffen3 !. Wahrscheinlich haben sie sich dort in diesem Haus auch an Pfingsten versammelr3 2 , wo die Gemeinde später wieT971-72, IEJ 26 (1976), 83-86; N. Avigad, How the wealthy lived in Herodian Jerusalem, BArR 2 (1976), 22-35; ders., Discovering Jerusalem, 1980, 83-137; ders., The Burnt House Captures a Moment in Time, BArR 9 (1983), 66-7 2 ; J. Murphy-O'Connor, The Cenacle - Setting for Acts 2:44-45, 1995, 3°3-321, v.a.3I8-32.1. Über palästinische Architektur im Bereich der Privathäuser allgemein vgl. S. Safrai, Horne and Family, CRI 1,21976,72.8-792., v.a.730-735. 25 Mit Stuhlmacher, BibI. Theologie I, 204. 26 Vgl. den bestimmten Artikel und dazu S. 130 und 157. 27 Vgl. R. Riesner, Essener und Urkirche in Jerusalem, 68, der darauf aufmerksam macht, daß das griechische Wort bloß viermal im NT und ausschließlich in der Apg begegnet. Es kommt immer in Zusammenhängen vor, die auf einen Raum mit primär gottesdienstlicher Nutzung weisen (I·gl. noch Apg 9,37,39; 20,7f). Lk berichtet, daß in diesem Obergemach entscheidende Ereignisse stattfanden: nicht nur das Warten auf den Heiligen Geist und die Wahl des Matthias (Apg 1,13f.15ff), sondern auch die Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten (Apg 2,1ff) und spätere gottesdienstliche Versammlungen der Gemeinde (Apg 4,23ff. )1). 28 29
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s. S. I59ff für die Bedeutung von "Gemeinschaft pflegen". E. Haenchen, Apg, 1977, 159, Anm. 3: ~aav KU1;a~U;VOV1:EC; bedeutet beständiger Aufenthalt. s. S. 168 zur Bedeutung von i:nt ,0 mho. Apg 1,15. Die Zahl der etwa 120 ist Lukas vorgegeben und hat wobl schon in der vorlk. Überlieferung wie bei Lukas einen Bezug zum Zwölferkreis (no = roxu), der nun neugebildet wird und damit auch eine Zuordnung der Gemeinde vor Pfingsten auf Israel ist (Pesch, Apg V/r, 87; Roloff, Apg, 3 I). Ob Lukas eine genauere Vorstellung (Rechtsfähigkeit der Versammlung o.ä.; vgl. LH. Marshall, Acts, 1980, 64) mit der Zahl verband ist ungewi/S. Zur angeblich übertreibenden Tendenz des Lukas bzgl. Zahlen vgl. Exkurs unten S. 170. Apg 2,rf. In 2,r-4 liegt sicherlich vorlk. Tradition vor, die vom Verfasser nur wenig bearbeitet wurde (so J. Kremer, Pfingstbericht und J?fingstgeschehen, 1973, 78f; R. Pesch, Apg V/r, 99; C.K. Barrett, Acts I, IrO; gegen Schneider, Apg V,1, 387f und Lüdemann, Das frühe Christentum, 1987, 44). Hier ist vorausgesetzt, daß "alle" (2,1.4a) "am sei ben Ort" (vgl. mit r,15) versammelt sind. D.b. wohl nicht nur die Zwölf (vgl. 1,26; 2,14f), sondern auch die in 1,15 erwähnten I20
134
Hausgemeinde und Mission
der zu gottesdienstlicher Versammlung zusammenkam 33 • Dort haben sie vermutlich das Mahl miteinander gefeiert, gelehrt und gepredigt (vgl. Apg 2,46; 5,42). Wir halten vorläufig fest: All diese Elemente sind Eigenschaften einer Hausgemeinde. Anscheinend haben wir es hier im Falle des Obergemachs mit einer HG in dem von uns definierten Sinne (s. o. unseren Forschungsbericht) zu tun 34 • Viel ist über den historischen Ort des Obergemachs nachgedacht und geschrieben worden. Die Tradition hat das Obergemach in Apg 1,13 mit dem Abendmahlssaal gleichgesetzt, der in Mk 14,15/Lk 22,12 aVIXYaLOV genannt 35 und auf dem heutigen Zion (Südwesthü-
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Personen sind in dem" Haus", dessen Obergemach in 1,13 als Versammlungsort genannt wurde, zusammengekommen. So Pesch, Apg VII, 102f; auch C.K. Barrett, Acts I, I I2, hält dies für möglich. Vgl. auch B. Prete, Il sommario di Atti r,13-14 ... , SacDoc r8 (1973), 66-12+ So schon Chrysostomus und auch Hieronymus, Epist. CIII, " ... derselbe Geist, der im Obergemach auf dem Zion auf die einhundertundzwanzig ausgegossen wurde"; vgl. ebenfalls Origenes, Contra Celsum 8,22. Anders Roloff, Apg, 38.41. Er hält den örtlichen Rahmen für unbestimmt, da die in V. 5 erwähnte :Menschenmenge auf den Tempelberg oder einen anderen öffentlichen Platz zu verweisen scheint. Dies ist aber keineswegs zwingend und schließt nicht aus, daß sie am Anfang in einem Haus waren. Es kann sein, daß die Menge aus dem Haus auf die Straße und von da aus zum Tempel ging (vgl. F.F. Bruce, Acts, 51). Außerdem hat Lukas, so Roloff, kein Interesse an der Frage, wo sich diese Geschichte abgespielt hat. Dagegen spricht aber sein eindeutiges Interesse an Häusern allgemein (vgl. H.]. Cadbury, Lcxical notes on Luke-Acts. III. Luke's Interest in Lodging, ]BL 45 (1926), 3°5-322) und sein konkretes Interesse an diesem Obergemach (s. S. 130). Manche übersetzen otKO<; in V. 2 mit Tempel, um die folgende Massenszene vorstellbar zu machen (z.B. Th. Zahn, Apg des Lucas, 77; Schneider, Apg, 247f). Dagegen spricht zunächst ou ~aav Ka81)!J.EvoL in V. 2 - dies scheint den Tempel auszuschließen und paßt besser zu einer Situation in einem Haus. Es muß auch bedacht werden, daß Lukas den Tempel stets.o iEPOV nennt. Wenn ]osephus (Ant. 8,6Sff) und das Alte Testament (Jes 6,4) den Tempel mit OtKO<; bezeichnen, zeigt der Kontext deutlich, was gemeint ist (vgl. Haenchen, Apg, 170, Anm. 8). Apg 4,23 ff.31. Auch wenn es sich nicht mit letzter Sicherheit nachweisen läßt, kann hier vermutet werden, daß "ihre eigenen" (vgl. V. 23: rliLOL mit V. 32: 1tAij8oc; "[wv TlLmEuacivtlllV - nAij60c; und iÖLOL meinen wohl die gleichen Personen) die Gemeinde meint und daß der "Ort" (V. 31), wo sie sich versammelten, das Obergemach gewesen ist. s. S. I 59ff für den ausführlichen Nachweis. Dies dürfte dem Verständnis des Lukas entsprechen, trotz der Tatsache, daß auch er mit Mk 14,15 das Synonym für Obergemach (Lk 22,12: avciymov) als Ortsbestimmung gebraucht. Vgl. Th. Zahn, Die Apg des Lucas I, 1919, 43ff. Auch nach H.]. Cadbury und K. Lake, ßeginnings IV, Acrs of the Apostels, 1920-19331r979 [= Cadbury, Acts IV], 10, ist hier das Obergemach nach Meinung des Lukas
Die nachästerliche VenlJendung von Häusern in der Urgemeinde 13 5
gel Jerusalems) lokalisiert wird 36 • Ernstzunehmende literarische und archäologische Indizien sprechen dafür, daß das erste Zentrum der Urgemeinde tatsächlich auf dem Südwesthügel Jerusalems gelegen ha~ . Eutychius, Patriarch von Alexandrien (1. Hälfte des 10. Jh.), berichtet auf Grund älterer Quellen, daß im 4. Jahr des Vespasian (72/73 n.Chr.) Reste der Jerusalemer Urgemeinde aus dem Ostjordanland in die Heilige Stadt zurückkamen und dort eine Kirche errichteten 37 • Diese Angaben werden durch eine Nachricht von Bischof Epiphanius von Salamis (3 I 5-4°3) unterstützt, der von der Erkundlmgsreise Hadrians und dessen Besuch in Jerusalem (um 130 n.Chr.) berichtet. " ... er fand die ganze Stadt zerstört und auch den Tempel des Herrn niedergetreten, ausgenommen einige kleine Behausungen sowie die kleine Kirche Gottes, die an dem Ort war, wo die Jünger, nach der Himmelfahrt ihres Erlösers vorn Ölberg zurückgekehrt, in das Obergemach hinaufstiegen. Dort auf dem Zion nämlich war sie erbaut ... ,,38 Diese literarischen Zeugnisse werden von einer ganzen Reihe von Forschern ernstgenommen39 • Nach einer Untersuchung des diese literarischen Zeugnisse unterstützenden archäologischen Befundes, schließt R. Riesner in Anschluß an P. Benoit40 , daß die Ortstradition vom ersten Zentrum der Jerusalemer Urgemeinde auf dem Südwesthügel Vertrauen verdient. Es gibt nach ihm gute Gründe für die
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wahrscheinlich mit dem avaymov in Lk 22,12 identisch. Vgl. auch F. Mussner, Apg, 18; R. Pesch, Wie Jesus Abendmahl hielt, 1979., 103f; F.F. Bruce, Ans, 1990, l0S; R. Riesner, Das Jerusalemer Essenerviertel ... , 1854-1859.1859: "Auch die Ortsüberlieferung für den Abendmahlssaal auf dem Südwesthügel hat also einige bedenkenswerte Argumente auf ihrer Seite, auch wenn sie nicht ganz so stark sind wie für das erste Zentrum der Urgemeinde auf dem Zion." Vgl. C. Kopp, Die Heiligen Stätten, 376-387. Abbildungen bei G. Kroll, Auf den Spuren Jesu, 1988, 3I2.-3 18. Annales: Migne, Patrologia Graeca (= PG), II I,98 5. De mensuris et ponderibus 14; PG 43,26of (Baldi, ELS 477f). Vgl. schon Th. Zahn, Einleitung in das NT II, 1907, :!.00.2.IIff.2.43ff; ihm folgend W. Rordorf, Gottesdiensträume, 1964, Ir3. Vgl. auch B. Bagatti, The Church of the Circumcision, 1984, II7f; R. Riesner, Essener und Urkirche in Jerusalcm, BiKi 40 (I98 5), 64-76; archäolog. und hist. detailiiert in: ders., Das Jerusalemer Essenerviertel und die Urgemeinde, ANRW 1I.2.6~2., 1995, 1777-1922.;]. MurphyO'Connor, The Cenacle - topographical Setting for Acts 2:44-45, 1995, 303)21; B.B. Blue, Acts and the House Church, 13 5f. Le pretoire de Pilate a I'epoque byzantine, RB 91 (1984), 16[-177, v.a.I77.
Hausge111einde und Mission
Annahme, daß "es in Jerusalem mit nur ganz kurzen Unterbrechungen bis ins 4. Jahrhundert hinein eine judenchristliche Präsenz gab"41, die für eine zuverlässige Ortsüberlieferung seit der apostolischen Zeit bürgen konnte 42 • Nach Riesner ist die judenchristliche Synagoge beim Davidsgrab nicht mit dem ntl. Gebäude (dem Haus mit dem Obergemach in Apg I,I3) identisch, sie hält aber die Erinnerung an seine Lokaltradition wach. Unabhängig von Riesner ist J. Murphy-O'Connor zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen: "Textual and archaeological data suggest the existence of a Christian building on Mount Zion in the 2nd century. The difficulty of access and the proximity of suspicious Roman sentries preclude invention of a Christian holy place at that period. The tradition of veneration must go back to the Ist centut·y ... ,d3 Murphy-O'Connor weist darauf hin, dafS das erste Zentrum der Urgemeinde auf dem Südwesthügel in einem sehr wohlhabenden Viertel Jerusalems zu lokalisierern ist. Nach dem Erdbeben von 3 I v.Chr. (Josephus Ant. IS.I2If) wurde das Viertel mit zwei bis dreistöckigen Häusern und Gebäuden mit Zisternen, auf denen ein Tonnengewölbe ruhte, neu aufgebaut 44 . Nach M. Broshi lassen die fresco secco Kunst, die Mosaikböden und die architektonischen Elemente der Bauten dieses Viertels "no doubt that this Quarter was occupied by the more affluent residents of Jerusalem"45. Folglich, so MurphyO'Connor: Der Hauseigentümer des ersten Zentrums der Urgemeinde "must have bad significant financial resources"46. Allerdings ist die Sicht von Murphy~O'Connor nicht ganz unproblematisch. V.a. angesichts der Tatsache, daß das heutige Coenaculum an der Grenze zwischen dem ·wohlhabenden Viertel und einem Gebiet (im sog. "Essenerviertel") liegt, in dem einfache Häuser aus-
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Riesner, Essener und Urkirche, BiKi 40, 69. Vgl. ders., Das ]erusalerner Essenerviertel und die Urgerneinde, ANRW II.26.2, 1995, 1777-1922, v.a.r83I-r859, für den aktuelleren und ausführlicheren historischen Nachweis. Für die Kontinuität der Lokaltradition könnte aucb die Präsenz einer beidenchristlichen Gemeinde in Aelia gebürgt baben. Vgl. Riesner, ]erusalerner Essenerviertel, 1844f; Murphy-O'Connor, The Cenacle - topographical Setting for Acts 2:44-45,3 0 3-3 2 J. The Cenacle - topographical Setting for Acts 2:44-45,303. Hier folgt Murphy-O'Connor u.a. den Untersuchungen von]. Wilkinson, ]erusalern, 1989,81-91; und Nt Broshi, Excavations on NIount Zion, 1971-72., IE] 2.6 {I976 ),83-86. Excavations on Mount Zion, 83 f. The Cenacle - topograpbical Setting for Acts 2:44-45, 3 13-320.
Die nach österliche Verwe11dung von Häusern in der Urgemei11de 137
gegraben wurden 47 , läISt es sich nicht mehr mit letzter Sicherheit sagen, zu welchem der beiden Gebiete es gehörte. Von diesen Ausgrabungen nimmt Murphy-O'Connor in seinem Aufsatz, The Cenacle - Topographical Setting for Acts 2:44-45, leider keine Notiz. Zusammenfassend können wir sagen: Auch wenn diese These noch immer umstritten ist48 , spricht vieles dafür, daIS sich das Zentrum der Urgemeinde auf dem Südwesthügel im wohlhabendsten Viertel Jerusalems befand. Dennoch können wir es mit letzter Sicherheit (noch) nicht wissen. Leider gibt es bis heute keine sicheren archäologischen Hinweise für solche christlichen Versammlungsräume in Jerusalem wie das Haus mit dem Obergemach oder auch wie das Haus der Maria, !v'1utter des Johannes !vlarkus. Ausgrabungen von Privathäusern in Jerusalem selbst können allerdings helfen, palästinische Wohnver-
Vgl. dazu R. Riesner, Das jerusalemer Essenerviertel, S. 1825: "Sowohl vor der Dormitio-Abtei ... wie beim ehemaligen Nigrizia-Haus ... wurden Spuren sehr einfacher Häuser aus der Zeit des Zweiten Tempels gefunden." 48 Auch an dieser Sicht hat z.B. j.E. Taylor'grundsätzliche Kritik geübt. Vgl. Christians and Holy Places, 1993, 207-220 und Murphy-O'Connor, ebd., für seine Widerlegung ihrer Argumente. Taylors Argumentation baut in erster Linie auf folgender zutreffender Beobachtung auf: Eusebius erwähnt nirgends einen christlichen Bau auf dem Südwesthügel. Aber ein argumentum e silentio besitzt bekanntlich wenig Überzeugungskraft. Auch ihr Argument, daß die ersten Christen keine "upper dass" Bewegung gewesen waren und folglich sich ein Zentrum in einem solchen Viertel der oberen Schichten auf dem Südwesthügel jerusalems (man vergleiche die dort gefundenen Prachtbauten, z.B. das "Herodian Mansion" usw.) nicht hätten leisten können, muß ebenso abgelehnt werden. Denn diese Prachtbauten kennzeichnen nicht den gesamten Zionsberg. Die Häuser z.B., die ßroshi, Excavations on Nlount Ziml, 83-86 ausgegraben hat, sind zwar vornehm, aber doch deutlich von diesen Prachtbauten zu unterscheiden. AulSerdem: Der Gebrauch des Begriffs "Upper Class" ist in diesem Zusammenhang anachronistisch. Mit solchen Kategorien kann man Aspekte der modemen Gesellschaft gut beschreiben. Sie sind aber für die antike Welt nicht angebracht, weil die Situation damals damit eher verdunkelt wird (s. unseren Forschungsbericht). Des weiteren: Es stellt ein unbewiesenes Postulat dar, daß die ersten Christen ausschlie(~lich aus den niedrigsten Schichten stammten und deswegen der Urgemeinde kein vornehmeres Haus als Versammlungsort zur Verfügung gestanden haben könnte. Diese These setzt u.a. voraus, dalS jesus wohlhabende Menschen während seiner \Virkungszeit in jerusalem nicht erreicht haben könnte. Das Beispiel joseph v. Arimathäas (vgl. Apg 23,50) spricht dagegen; auch Barnabas war nicht unvermögend (vgl. Apg 4,36f), und die Mutter des johannes Markus besaß ein vornehmes Haus (s. u.; vgl. zur Sache auch B. Grimm, Untersuchungen, 1975, 67-92, v.a.89-92). 47
Hausgemeinde und Mission
hältnisse zu rekonstruieren 49 und dienen als Illustration dafür, wie ein vornehmes Haus z. d. Z. ausgesehen hat. Die literarischen Hinweise in der Apg auf mindestens eine wohlhabende Hauseigentümerin (Maria, Mutter des Joh Mk) mit ihrem geräumigen Haus und die Annahme des Sitzes des ersten Zentrums der Urgemeinde mit dem Obergemach auf dem Südwesthügel im wohlhabenden Viertel Jerusalems lassen vermuten, daß wenigstens einige der frühen Christen in Jerusalem auch über relativ große Häuser mit einer zu der Zeit in Palästina üblichen Architektur verfügt haben können. Im Gegensatz zum Haus der Maria kennen wir den Namen des Eigentümers vom Obergemach nicht. Es ist aber möglich, daß reiche Menschen wie der Ratsherr Joseph von Arimathäa 50 oder Johanna, die Frau Chuzas, eines Verwalters des Herodes (Lk 8,3), bereit gewesen sind, den ersten Christen auch nach Ostern in Jerusalem Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. 2.
Apg
I2,IOb-I7
lob Und sie traten hinaus und gingen eine Straße weiter, und auf einmal verließ ihn der Engel. Da kam Petrus zu sich und sprach: "Jetzt weiß ich wahrhaftig, daß der Herr seinen Engel gesandt und mich herausgerissen hat aus der Hand des Herodes und aller Erwartung des Volkes der Juden". " Und als er das erkannte, ging er zum Haus der Maria, der Mutter des Johannes mit dem Beinamen Markus, wo viele versammelt waren und beteten. '3 Als er an die Tür des Torgebäudes klopfte, kam eine Magd namens Rhode, um aufzumachen. '4 Und als sie die Stimme des Petrus erkannte, öffnete sie vor Freude das Tor nicht, sondern lief hinein und berichtete, Perrus stehe vor dem Torgebäude. '5 Da sagten sie zu ihr: "Du bist von Sinnen". Doch sie bestand darauf, da/S es so sei. Da sagten sie: "Es ist sein Engel! ,,,6 H
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Vgl. nun Y. Hirschfeld, The Palestinian Dwelling, 1995, 21-107. Hier sei v.a. auf die Ausgrabungen im jüdischen Viertel; "Herodian House" 1. Jh. v.Chr., das "Palatial Mansion" I. Jh. n.Chr. und das "Burnt House" 1. Jh. n.Chr. hingewiesen (s. S. 132, Anm. 24). Sie geben archäologische Zeugnisse von Jerusalemer Wohn verhältnissen einer sehr reichen Schicht. Noch wichtiger für unsere Studie sind nicht diese Prachtbauten, sondern die etwas bescheideneren aber doch immer noch vornehmen Häuser, die auch bei den Ausgrabungen von M. Broshi, Excavations on Mt. Zion. 1971-72, IEJ 26 (1976), 83-86, entdeckt worden sind. Vgl. auch N. Avigad, Discovering Jerusalem, 83-137, v.a.95. Mt 27,S7.60; Mk IS.43.4Sf; Lk 23,50ff; Joh 19,38-4off.
Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde I39
Petrus aber klopfte noch immer [an das Tor]. Als sie öffneten und ihn sahen, gerieten sie in Staunen. '7 Er gab ihnen mit der Hand ein Zeichen zu schweigen und erzählte ihnen, wie der Herr" ihn aus dem Gefängnis herausgeführt hatte, und sprach: "Meldet dies dem Jakobus und den Brüdern!" Darauf ging er hinaus und zog an einen anderen Ort.
a) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion Die Wiederbegegnungs- und Abschiedsszene Petri mit bzw. von der Gemeinde im Haus der Maria basiert im Kern auf historischen Fakten und in der Urgemeinde in Jerusalem entstandener TraditionsI. Conzelmann stellt fest: "Lokaltradition scheint durch: Das Haus ist als bekannt vorausgesetzt. ,,52 Die Lokaltradition erkennt man weiter durch folgende konkrete Details. Die Erzählung enthält biblischpalästinisches Kolorit - so den Ausdruck "Engel des Herrn" und die Vorstellung vom Schutzengel als himmlischem Abbild eines Menschen (12,7.I1.I5; vgl. Bill. II 707f). Sie enthält außerdem einige anschauliche, die Erzählungen anreichernde, topographische (I2,10), personelle (12,I2.I 3), architektonische (12,13f) und gestik-beschreibende (12,17) Einzelheiten53 • Auch die hier im Doppelwerk des Lukas unvermittelte Nennung des (Herrenbruders) Jakobus spricht für die vor!. Herkunft der Meldung des Petrus54 •
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R. Pesch, Apg VIr, 360ff. Vgl. auch A.Weiser, Apg Sir, 286; W. Radi, Befreiung aus dem Gefängnis, BZ 27 (1983), 81-96.v.a 85 und]. Jervell, Apg, 338, der zwar V. I2-I7 für Tradition, V. 4-I7 aber für eine Personallegende hält. H. Conzelmann, Apg, 79; ihm folgend, wenn auch zum von Lukas geschilderten Werdegang des Johannes Markus zurückhaltend, W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 48. Auch Lüdemann, Das frühe Christentum, T987, I52, hält das Haus der Maria in Jerusalem für eine historische Tatsache. Vgl. schon H.J. Cadbury, Acts IV, 138. "However sceptical one may be about the details in the prison, it is impossible to deny the convincing nature of the behavior of Rhoda and the family." R. Pesch, Apg VII, 361; F.F. Bruce, Acts, 1988,239; c.]. flemer, The Book of Acts, 1989, 207f, vgl. auch 227.34.1, weist darauf hin, dal~ manche dieser Details in der Erzählung keine theologische Funktion haben und deswegen in ihrem historischen Wert ernst zu nehmen sind. Der Name Rhode ist inschriftlich gut bezeugt: IG 2' I2570 (Athen, römische Periode), 12571 (Athen, 4. Jh. v.Chr.), und einige Beispiele von Begräbnissen weit vom Heimatort entfernt: IG 2' 9864 (kein Datum) und 9865 (2. Jh. n.Chr.), beide Milesianinen in Athen; SB 1.392, eine lVlysiaerin in Alexandrien, Ägypten (3 Jh. v.Chr.), IG 2' 8274 (1. Jh. v.Chr.), eine Antiochenerin in Athen. R. Pesch, Apg VII, 366.
14°
Hausgemeinde und Mission
b) Inhaltliche Analyse Man hat versucht nachzuweisen, daß das Obergemach im Haus der Maria, der Nlutter des Johannes Markus (Apg 12,12), zu lokalisieren sei55 • Diese These läßt sich allerdings nicht halten. Der These fehlt jeder Hinweis in den Evangelien und einer sicheren Tradition. Erst 530 n.Chr. identifiziert eine vereinzelte Tradition das Obergemach mit dem Haus von Johannes Nlarkus56 • Eine Reihe von FQrschern halten es für wahrscheinlicher, daß das Haus mit dem Obergemach mit dem Aufenthaltsort des Jakobus zusammenzubringen ist (Apg 12,I7; 20,I8). Wir bringen im folgenden einige wichtige Argumente für diese These aus der Forschungsgeschichte. Schon F.V. Filson hat darauf aufmerksam gemacht, daß aus Apg 12,12-17 zu entnehmen ist, daß es neben der Gruppe, die im Haus der Maria zum Gebet versammelt war, auch eine zweite Gruppe von Christen in Jerusalem gab 57 • Nachdem Petrus ihnen von seiner Befreiung aus dem Gefängnis erzählte (Apg 12,17), sagt er: "Meldet das dem Jakobus und den Brüdern." Demnach sind Jakobus und die Brüder, die mit ihm in Verbindung standen, nicht im Haus der Maria anwesend gedacht, sondern sie trafen sich an einem anderen Ort. w. Rordorf folgert aus diesem Hinweis in Apg 12,17, "daß zumin-
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Vgl. z.ß. T. Zahn, Die Dormitio Sanctae Virginis und das I-faus des Johannes
Markus, NKZ 10 (1899), 377-429, v.a. 406-409; vgl. auch ders., Einleitung in das NT II, I900, 213.244; ihm folgend W. Rordorf, Gottesdiensträume, ZNW 55 (1964),110--128. Schon im 5. und 6. Jh. hat man über den Besitzer des Hauses spekuliert. Es gab mindestens drei Kandidaten: Johannes Markus, Maria und Jakobus. Vgl. J. Wilkinson, Jerusalem Pilgrims before the Crusades, 1977, 66.84. I7If. Theodosius, De situ terrae sanctae 7, Baldi, Enchiridion, 483. So schon Cadbury, Acts IV, 1920-1933, 136f. Vgl. auch C. Kopp, Die Heiligen Stätten, 382 (mit recht gegen Th. Zahn, Die Dormitio Sanctae Virginis ... , 406-409) und F.F. Bruce, Men and .Movements, 1979, 28.88; ihnen folgend R. Riesner, Essener und Urkirche in Jerusalem, 69; ders., Das Jerusalemer Essenerviertel und die Urgemeinde, ANRW II.26.2, 1995, 1840. F.C. Burkitt, The Last Supper and the Pascha I Meal, JTS 17 (1916), 291-297, v.a.296 hat unabhängig von Zahn den Abendmahlssaal mit dem ersten Zentrum der Urgemeinde und dem Haus der Maria, der Mutter des Johannes Markus, gleichgesetzt und dessen Onkel Barnabas für den eigentlichen Hausherrn gehalten. Allerdings hat M.D. Gibson, Thc House in which the Last Supper was held, JTS 17 (1916), 398 mit Recht darauf hingewiesen, daß Apg 12,12. eine Frau als Besitzerin des Hauses nennt. Dagegen setzt Mk 14,14 einen Hausherrn (OiKOÖEcr1t6"ty]~) für den Abendmahlssaal voraus. Significance, JBL 58 (1939), 106.
Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urge111einde
141
dest ein anderes Haus auch noch als Versammlungsort diente"58. Für H.]. Cadbury ist es klar, daß das Haus der Maria in 12,12 nicht mit dem Obergemach zu identifizieren ist, "for from the context it is plain that this house was not the headquarters of ,James and the brethren'''59. Damit deutet er an, daß Jakobus und die Brüder in dieser Nacht im Zentrum der Urgemeinde versammelt waren. Auf die Frage, ob dieses Zentrum im Haus mit dem Obergemach zu orten ist, äußert sich Cadbury nicht. K. Lake bringt dies jedoch deutlich zur Sprache. "Acts xii suggests that this hause [= das Haus der Maria; RG] was not the same as that in which James was living. If either of these hauses contained the upper room, it is perhaps more likely that it was the house of James."60 F.F. Bruce weist ebenfalls darauf hin, daß Apg 12,12.17 wenigstens zwei verschiedene Versammlungsorte voraussetzt. Die Meldung des Petrus an Jakobus und die Brüder "implies that James and the brethren associated with hirn met in a different place from Peter's company - that they belonged, to use Pauline language, to a different house-church "61. Bei H.]. Klauck kommen einige exegetische Beobachtungen hinzu, um diese These weiter zu begründen. Erstens: Im Haus der Maria versammelten sich "genügend" (tKUVO(), aber nicht alle Glaubenden zum Gebet, also wieder ein Hinweis auf mindestens zwei Gruppen. Zweitens: Unter Hinweis auf die zwei verschiedenen Organisationsformen in der Urgemeinde, nämlich die Aramäisch sprechenden aus dem palästinischen Judentum stammenden "Hebräer" und die in Jerusalem ansässigen, Griechisch sprechenden und zum Christentum bekehrten Diasporajuden, also die "Hellenisten" (Apg 6,1-7)62, vermutet Klauck, daß die bei den Gruppen in Analogie zur Synagoge
58 Gottesdiensträume, ZNW 55 59 Acts IV, I920-I933, r37. 60
(I964), II4.
The Begillllings, Acts V, 477.
61 lvIen and Movements, 62
I979, 88 (vgI. auch 28). VgJ. auch dazu NI. Hengel, Z\vischen Jesus und Paulus, ZThK 72 (1975), T5[206. Dag die Urgemeinde sich fast von Anfang an in zwei ideologische Gruppen,
Hebräer und Hellenisten, zerteilte, ist keine neue These. Diese Sicht geht auf F.e. Bau! zurück (vgI. Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde ... , TZT 4 (r83 x), 61-206, v.a. tI4; ders., Paulus, der Apostel Jesu Christi ... , 2 Bde, 186667, I,41.f; vgl. auch H.W. Neudorfer, Der Stephanuskreis, 1983). Diese Sicht ist allerdings nicht unumstritten. Vgl. die grundsätzliche Kritik von e.e. Hili in seiner Oxford Dissertation: Hellenists and Hebrews, 1992.
Hausgemeinde und Mission
unterschiedliche Versammlungsräume verwendet haben können 63 . "Möglich, daß sich aus diesem Grund der Palästinenser Jakobus nach Apg I2,I7 nicht im Haus der Hellenistin Maria aufhielt. ,,64 Ähnlich sieht R. Riesner die Lage, der die These auch noch ein wenig weiter entfaltet65 . Für ihn deutet Apg 12,12-17 an, daß es um 43/44 n.Chr. in Jerusalem neben dem ,Obergemach'66, in dem sich die Aramäisch sprechende Christen (' EßpaiOL; vgl. Apg 6, I) um Jakobus, den Herrenbruder, scharrten, auch noch einen anderen Versammlungsort gab, und zwar im Haus der Maria, Mutter des Johannes Markus. Wenn man die ganze Erzählung des Lukas bis zu diesem Punkt berücksichtigt, kann, so Riesner, mit dem Aufenthaltsort des Jakobus nur das "Haus des Obergemachs" gemeint sein, von dem in Apg 1,13f ausdrücklich betont wird, dafS die Verwandten Jesu anwesend waren. Unter den Letzterwähnten ist auch Jakobus zu denken, der später in diesem Zentrum eine führende Rolle übernehmen sollte. Diese Nachricht ist höchstwahrscheinlich um des Jakobus willen hinzugefügt worden. Dort im Haus der Maria kamen wohl Griechisch sprechende Judenchristen zusammen. Johannes Markus ist auf Grund seines Beinamens Markus als Griechisch spre~ chend ('EAAY]VLO"tTl<;) zu identifizieren67 • Seine Familie kann, wegen der engen Verbindung zu Petrus 68 , zu den für die Heidenmission offenen Hellenisten (vgl. Apg 13,5.13; 15,37) gezählt werden. Zu der These, dafS der Aufenthaltsort des Jakobus mit dem Haus mit dem Obergemach identifiziert werden kann, ist folgendes zu sagen: Sicher ist, dafS das Gebäude mit dem Obergemach ursprüngliches Zentrum der Urgemeinde unter der Leitung des Petrus gewesen ist. Möglicherweise hat die Urgemeinde das Haus nach dem Weg-
63 Als aus dem Judentum Stammende wären die ersten Christen es gewohnt gewesen, sich in landsmannschaftlich gegliederten Gruppen zu treffen, wie es in den Synagogen z.T. üblich war (vgl. M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, I78f). 64 H.]. Klauck, HG, 49. 65 Essener und Urkirche, BiKi 40, 69; ders., Das Jerusalemer Essenerviertel, ANRW II.26.2, 1840f. 66 Für Riesner, Das Jerusalemer Essenerviertel, r839ff, ist allerdings das Gebäude mit dem Obergemach möglicherweise eine Synagoge. 67 Vgl. auch M. Hengel, Studies in the Gospel of Mark, 45-53. 68 Für eine Verbindung zwischen Petrus und dem Haus der Maria spricht Petrus' besondere Beziehung zum Gräkopalästiner Johannes Markus. Für Johannes Markus Verbindung zu Petrus und seine Verfasserschaft des zweiten Evangeliums vgl. M. Hengel, Probleme des Markusevangeliums, 1983, 221-265, v.a. 242-257; ders., Entsrehungszeit und Situation des Markusevangeliums, 1984, r-45.
Die nach österliche
Verwend~mg
von Häusern in de1' Urgemeinde 143
gang des Petrus als Zentrum beibehalten. Sicher ist, daß das Haus mit dem Obergemach nicht mit dem Haus der Maria identisch gewesen ist69 und daß in beiden dieser Jerusalemer Häuser urchristliche Gruppen (zu gottesdienstlichen Aktivitäten) zusammengekommen sind. Es dürfte auch nicht zu bezweifeln sein, daß der Sitz des Jakobus nicht mit dem Haus der Maria zu identifizieren ist. Doch ist das Verständnis von Apg 12,17 als Hinweis auf eine Hausgemeinde unter der Leitung des Jakobus umstritten 70 • Allerdings ist deutlich bezeugt, daß Jakobus v.a. nach dem Weggang des Petrus zwischen ca. 41 und 44 n.Chr. Leiter der Jerusalemer Gemeinde geworden ist (s. u. Abschnitt: Leitungsstrukturen für ausführliche Besprechung dieser Umstände)71. Es kann deshalb sein, daß sich im Haus mit dem Obergemach mehrheitlich Aramäisch sprechende und im Haus der Maria überwiegend griechischsprachige Judenchristen versammelten. Aber sicher kann das vom Text her nicht bewiesen werden 72 • In beiden Häusern können sich auch gemischte Gruppen getroffen haben. Allerdings wird die Familie der Maria nicht zu den gesetzeskritisehen "Hellenisten" gehört haben, denn als solche wären sie aus Jerusalem vertrieben worden 73 • Dennoch kann gefragt werden, ob ihre Familie nicht zu denen gehörte, die für die Heidenrnission aufgeschlossen waren. Barnabas agiert später als Vermittler zwischen den beiden Flügeln. Johannes Markus geht mit Barnabas und Paulus auf die Missionsreise. Außerdem hatte er Verbindungen zu Petrus, der auch für die Heidenrnission offener war. Allerdings gehen Barnabas und Johannes Markus nur bis zu einem gewissen Zeit-
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Auch M. Hengel, Der Historiker Lukas, ZDPV 99 (1983), I47-183.16rf, unterscheidet zwischen der Wohnung der Maria und dem Obergemach. Vgl. R. Pesch, Apg VII, 366, der den Hinweis in Apg I2.,17 auf Jakobus und "die Brüder" nicht im Sinne einer von der der Maria zu unterscheidenden Hausgemeinde verstehen will. Für ihn sind "die Brüder" die der ganzen Gemeinde, die Jakobus nun an Petri Stelle leitet. Ähnlich auch R. Bauckham, Jamesand the Jerusalem Church, 1995, 440, Anm. 79. "The idea that ]ames was the leader of a specific group in the Jerusalem church, distinct from Peter's group, is quite dubious. Ir certainly cannot be supported from Acts 12:17." "l'eter's words in 12:17 reier to all the members of the Jerusalem church not present in Mary's house ... " Hengel, Jakobus der Herrenbruder - der erste "Papst"?, 1985, 7I-I04, v.a. 98104. Vgl. Gal I,r8; 2,I.9; Apg I2,I7; 15,13-1.I. Vgl. B.B. Blue, Acts and the House Church, 136, Anm. 62: "We should not conclude that the group meeting in Mary's house was a group of Hellenists and that James and the brethren represent another group (Hebrews). " Vgl. W. Schmithals, Paulus und ]akobus, 1963, 72, Anm. 6.
Hausgemeinde und Mission
punkt mit Paulus mit, bevor es dann doch zur Trennung kommt (weil ihnen manche heidenmissionarische Überzeugungen des Paulus zu radikal waren?). Auf jeden Fall muß hinsichtlich dieser Frage differenziert werden. Der griechische und hebräische Doppelname des Johannes Markus weist darauf hin, daß er zweisprachig gewesen ist. So wäre die sprachliche Voraussetzung gegeben, daß im Haus der Maria gottesdienstliche Versammlungen in griechischer Sprache abgehalten werden könnten. Es können aber auch aramäischsprechende Judenchristen an den Gottesdiensten teilgenommen haben. Auf der anderen Seite ist es extrem unwahrscheinlich, daß die, die Griechisch als Hauptsprache hatten, alle vertrieben worden sind. Es werden wenigstens einige zurückgeblieben sein, die nur Griechisch gesprochen haben, und damit bestand die Notwendigkeit, den Gottesdienst sowohl in Aramäisch als auch in Griechisch zu halten. Wir wissen, daß es wenigstens zwei Häuser gab, in denen sich die ersten Christen in Jerusalem versammelt haben, im Haus der lvlaria und im Haus mit dem Obergemach. Nach all dem, was wir über diese beiden Häuser wissen, ist zu vermuten, dalS der griechische Gottesdienst im Haus der .Maria gehalten wurde. Auch die These, daß Jakobus die aramäisch sprechende Gemeinde (oder später die gesamte Jerusalemer Gemeinde) von dem ursprünglichen Zentrum der Urgemeinde, d.h. vom Haus mit derp. Obergemach aus geleitet habe, hat eine gewisse historische Plausibilität. So ist es durchaus denkbar, dalS der Sitz des Jakobus mit dem Haus des Obergemachs identisch ist, aber Sicheres wissen wir darüber nicht. In Apg I2,I2ff also führt Lukas für seine Leser neben dem Haus mit dem Obergemach einen weiteren Versammlungsort der Jerusalemer Urgemeinde ein. Das wird nicht nur durch die verhältnismäßig genane Beschreibung der äußeren Architektur, sondern auch durch die ausdrückliche Erwähnung der Hauseigentümerin Maria, der Mutter des Johannes Markus, deutlich. Was können wir noch über das Haus der lvlaria und die in diesem Haus zusammenkommende Hausgemeinschaft sagen?74 Die Schilderung des Baus deutet auf ein recht großes, vornehmes, mit einem Torgebäude (nuAwv) versehenes Haus hin. Das Torge-
74 Dieses Haus läßt sich leider nicht mehr genau lokalisieren. Vgl. die Nähe zum Kerker in Apg I2,IIf. WO dieser Kerker lag, ist auch nicht bekannt. Manche Kommentatoren vermuten, daß die Festung der Antonia am ehesten dafür in Fr:)ge kommt. Vgl. z.B. Cadbury, Acts IV, I36.
Die nClchästerliche \fenuendung von Häusem in der Urgemeinde I45
bäude betrat man direkt von der Straße. So fungierte der rrUAWV als Puffer zwischen der Straße, dem Hof und den Räumen des Hauses. Das absolute iKUVO{ in I2,I2 bezeichnet eine beträchtliche Anzahl von Personen (vgJ. 14,2I; r9,19; rKor II,30) und setzt ein größeres Haus voraus. Die namentliche Erwähnung der Magd ist ebenfalls ein Hinweis dafür, daß dieser Haushalt mit "Bediensteten" eher zu den wohlhabenderen ]erusalems gehört hat. Die Herkunft der Maria scheint auch in diese Richtung zu zeigen, denn sie stammte offenbar aus einer Levitenfamilie (Johannes Markus ist nach Kol 4,ro Vetter des aus Zypern kommenden Leviten Barnabas - Apg 4,36f - gewesen) und gehörte damit zu einem Kreis von Diasporajuden aus Zypern, die sich komfortable Häuser leisten konnten. Diese Diasporajuden waren nach einiger Zeit im Ausland zu Wohlstand gekommen, um sich dann wieder in ]erusalem anzukaufen 75 • Es gab also in Jerusalem schon frühzeitig (43/44 n.Chr.) begüterte Christen, die ihr Haus einer größeren Gruppe von Gemeindegliedern für Versammlungen zur Verfügung stellten (vgL auch Apg r,13; 2I,r5-r8). Marias Haus und die relativ große Gruppe, die wegen der Inhaftierung des Petrus in der Nacht zum Gebet dort versammelt war, hatten in der Urgemeinde offensichtlich eine gewisse Bedeutung. "Die Selbstverständlichkeit, mit der beide Personen [= Maria und ]ohannes; R.G.] in die Erzählung eingeführt werden, setzt ihre Bekanntheit bei denen voraus, für die die Geschichte erstmals erzählt wurde. ,,76 Ganz offensichtlich war dieses Haus auch Petrus bekannt. Nach seiner Befreiung aus dem Gefängnis sucht er ein Haus auf, von dem er sich sicher war, daß er dort Christen antreffen wird, da es Passahnacht war (Apg 12,3f)77. Daraus kann man schließen, daß dieser Teil der Urgemeinde sich nicht nur in dieser Nacht wegen der Gefangenschaft des Petrus zum Gebet versammelt hatte, sondern auch sonst zu gottesdienstlichen Zusammenkünften im Haus der Maria zusammenkam 78 •
Stuhlmacher, Phlm, 7I. A. Weiser, Apg I, 290. 77 So schon Th. Zahn, Einleitung in das NT II, 1900, 244. Anzunehmen ist auch, daß Petrus mir dieser Gruppe im Haus der Maria sympathisiert hat (s. S. 142f). 78 Daß sich eine Hausgemeinde bei Maria versammelte, ist von vielen Exegeten schon gesehen worden. Vgl. z.B. Rordorf, Gottesdiensträume, ZNW 55 (1964), IIo-n8; R. Pesch, Apg VIr, 366; Klauck, HG, 49; Stuhlrnacher, Philemon, 70; B.B. Blue, Acts and the House Church, 136. 75
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Hausgemeinde und Mission
In 12,12 heißt es, daß viele in diesem Haus beieinander waren und inständig beteten (vgl. 5b). Gemeinschaft und Gebet sind die zwei gottesdienstlichen Elemente, die zu den Eigenschaften einer HG gehören. Dort hat die Gemeinde vermutlich auch das Mahl miteinander gefeiert - sie hat sich in dieser Passahnacht wohl gerade zu dem Anlaß getroffen. Es wurde dort wohl auch gelehrt und gepredigt (vgl. Apg 2,46; 5,42). Wir haben es also auch im Haus der Maria mit einer Hausgemeinde in dem von uns definierten Sinne zu tun (s. S. 159ff für den ausführlichen Nachweis) .
•",. Sie versammelten sich beständig zur Lehre der Apostel und zur (brüderlichen) Gemeinschaft, zum Brechen des Brotes und zu den (gemeinsamen) Gebeten. 43 Es kam über jedermann Furcht, (denn) viele Wunder und Zeichen geschahen durch die Apostel. 44 Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. 4S Sie verkauften Hab und Gut und verteilten es an alle, je nachdem ob einer bedürftig war. ,6 Täglich verharrten sie einmütig im Tempel, in den (einzelnen) Häusern aber brachen sie das Brot; sie nahmen Speise zu sich mit Frohlocken und Schlichtheit des Herzens; 47 sie lobten Gott und hatten Gunst beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich die, die gerettet wurden, zur Gemeinschaft hinzu. 5.4' und sie hörten nicht auf, jeden Tag im Tempel Christus Jesus zu verkündigen und in den (einzelnen) Häusern zu lehren79 •
Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion: Den ersten Sammelbericht in 2,42-47 hat Lukas wahrscheinlich in seiner Quelle vorgefunden und eventuell auch minimal überarbeitetBo • 79
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Hier wird in der Übersetzung der Beobachtung von H.]. Klauck, HG, 50, daß man im Griechischen die Zentral begriffe chiastisch verbinden kann, Rechnung getragen. Zum Tempel gehört die öffentliche Verkündigung und zu den einzelnen Privathäusern das Lehren. Vgl. die gleiche inhaltliche Aussage unter Verwendung eines Parallelismus in Apg 2.0,2.0. Vgl. R. Pesch, Apg VII, I29f. J. ]erveJl, Apg, ISS sieht Tradition in 42; J. Roloff, Apg 1981, 6Sf in 42f und A. Weiser, Apg, 1981, I02.f, in 46f. Wahrscheinlich ist, mit Pesch, Tradition sowohl in 42.f als auch in 46f. Vgl. Stuhl macher, BibI. Theol. 1,203-2°7, v.a. 2.04. Gegen G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 1987, 53. Eine Reihe von Exegeren sieht gute Gründe für die Annahme, daß eine sehr alte, zuverlässige, semitische, wohl aus ]erusalem kommende Tradition hinter dem er-
Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 147
Für den traditionellen Charakter des Berichtes spricht folgendes: Er fällt durch seinen knappen Aufzählungsstil (bes. 42f) und einige nichtlukanische Wendungen auf. v.a. ist KOLvWVta (2,42)' sonst im lk. Doppelwerk nicht belegt, es begegnet allerdings bei Paulus (rKor 1,9; 2Kor 8,4; 9,13) und in vorpaulinischer Tradition als geprägter Ausdruck (1Kor 10,16). So kann angenommen werden, daß das Stichwort KOLVWvta alt und Lukas überliefert worden ist 81 • Die Bezeichnungen KAaOL<; -eou äp-eou und ~oav bd La au-ea sind ebenfalls ah S2 . "Brotbrechen" (Apg 2,46) begegnet in 20,7. II (in einer paulinischen Gemeinde in Troas) und auch bei Paulus rKor 10,16; "Zusammensein" (Apg 2,44) begegnet dagegen bei Paulus in I Kor II,20; 14,23 83 • Auch die festgeprägte Wendung Ka-e' olKov scheint alt zu sein, denn sie wird ebenfalls schon von Paulus verwendet (vgl. 1Kor 16,19; Phim 2; Röm 16,5). üb 5,42 vorlk. Tradition oder lk. Redaktion darstellt, müssen wir hier offen lassen 84 . Auch wenn man davon ausgeht, daß die Zusam-
81
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sten lk. Sammelbericht in Apg 2,42-47 stehe. Ähnlich schon e.e. Torrey, The Composition and Date of Acts, I9I6; A.A. Vazakas, Is Acts I-XV. 35 a Literal Translation from an Aramaie Original?, JBL 37 (19I8), lOS-rIO. M. Wilcox hat zwei Semitismen in 2,44.47 nachzuweisen versucht, die Qumranterminologie widerspiegeln (Semitisms in Acts, 1965, 93-IOO, V.a. 96.99f. Vgl. auch M. Black, An Aramaie Approach to the Gospels and Acts, 1967, 10 und zuletzt B..J. Capper, The Community of Goods, ANRW 11,26.2, I995, 1737ff. Auf Grund dieser Beobachtung und wegen der Doppelungen zu 42 in V. 44-47 haben Exegeten diesen Sammelbericht literarkritisch aufteilen und damit eine schriftliche Quelle des Lukas wiederherstellen wollen. Diese soll der V. 42 dargestellt haben. Für H. Zimmermann, Sammelberichte der Apg, BZ NF 5 (I96r), 71-82, hier 75, ist die Entwicklung umgekehrt verlaufen: V. 42 stamme von Lukas und fasse das Übrige zusammen. Vgl. dagegen Haenchen, Apg 192ff. Er stellt aber die Zuverlässigkeit aufgrund der Verfasserschaft des Lukas in Frage. Hier hat man unter Anwendung literakritischer Methoden noch keinen Konsens erreichen können. Mit J. RoloH, Kirche im NT, I993, 73. Für weitere Begründung der Annahme i::n:\ TC> alm) sei ein alter Ausdruck vgl. S. 168. Vgl. e'inerseits e.K. Barrett, Acts I, 298. "There can be litde doubt that Luke composed this short summary, which is in his style, is based on the stories he has already told, and serves a literary purpose"; G. Liidemann, Das frühe Christentum, 77: "Die Verse sind sprachlich und inhaltlich in toto lukanisch." J. Roloff, Apg, 99ff. Anders aber R. Pesch, Apg VIr, 2rO-2I), v.a. 2T 3, der (geg. Schneider, Apg I, 387f) die Erzählung 5,27-42 in einem Kernbestand zur vorlk. Tradition gehärend einstuft und die Möglichkeit, daß sie "eine von Lukas frei oder auch nur aufgrund von Traditionssplittern erstellte Parallel,Komposition zu 4, [-22 sei" für unwahrscheinlich hält (leider ohne Argumente dafür zu nennen). Das gilt,
Hausgemeinde und Mission
menfassung in 5,4 I f aus der Hand des Lukas stammt, kann angenommen werden, daß er damit historisch zutreffend resümiert hat, denn ähnlich berichtete er schon in dem Traditionsstück 2,42-47, wo es auch heißt, daß die ersten Christen sich im Tempel und in den Häusern getroffen haben.
4. Idealisierende Summarien? Bei dem Versuch, die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den drei Summarien (2,42-47; 4,32-35; 5,II-I6) zu erklären (z.B. Dibelius, Cadbury, Jeremias, Benoit), sind mehr oder weniger komplizierte Quellenscheidungshypothesen vorgeschlagen worden. Doch ist dabei keine die Mehrheit überzeugende Lösung gefunden worden. Auch der Gegenversuch, nachweisen zu wollen, daß die Summarien ohne direkte Traditionsgrundlage seien und direkt aus der Feder des Lukas stammten (z.B. Haenchen), läßt Fragen offen. Er kann die Spannungen, Wiederholungen und sprachlichen Härten z.B. in 2,42-47 nicht erklären85 • Haenchens Ansicht ist auch aus einem all.deren Grund fraglich. Daß Lukas Summarien aus seinen Quellen übernehmen kann, zeigt seine Wiederverwendung von derartigem .ivlaterial aus Markus für sein eigenes Evangelium 86 • Mehrere Exegeten gehen deswegen davon aus, daß hinter den Summarien, in die auch Belege für die HGn der Urgemeinde eingebettet sind, durchaus glaubhafte Einzelheiten über die Urgemeinde stehen 87 •
85
so resch, auch für die Annahme älterer Kommentatoren, "die Erzählung sei eine von Lukas bearbeitete ,Dublette', die vom sei ben Ereignis wie 4,1-22 gehandelt habe". Vgl. RoloH, ebd., 65. Für eine Zusammenfassung der älteren Forschungslage und die eigene Position: E. Haenchen, Apg, 194-197; H. Zimmermann, Die Sammelberichte, 1961, 71H. VgI. auch A. Lindemann, The Beginnings oE Christian Life in Jerusalem according to the Summaries in the Acts of the ApostIes, J998, 202218.
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Vgl. Mk 1,28 = Lk 4,14b.37; 7,17; Mk 9,32 = Lk 9,45; 18,34. VgI. H.]. Cadbury, Style and literary Method of Luke, I966, ro8-1 I 1. R. Pesch, Apg VII, 77-80.99.129f.173ff.2II-213; ]. Raloff, Apg, 1988, 89ff; ihm folgend P. Stuhlmacher, BibI. Theologie I, 204; B.]. Capper, The Palestinian Cultural Context of earliest Christian Community of Goods, 1995, 323-356; vgI. auch J. Jervell, Apg, I57f, der die Summarien des Lk für ältere Tradition der Urgemeinde in Jerusalem hält.
Die l1achästediche Verwendung von Häusem in der Urgemeil1de 149
a) Allgemeine Charakterisie1'Ung Ein Vorwurf, den man oft gegen die Darstellung des Luk.as in der Apg anbringt, besteht darin, daß er sein eigenes Wunschbild idealisierend auf die Urgemeinde zurückprojiziere. Das soll besonders für die Summarien gelten. Daß Lukas die Urgemeinde als Vorbild für seine eigene Gemeinde versteht und sie v.a. in den Summarien so darstellt, ist nicht zu bestreiten. In diesem Sinne kann man sagen, daß er ein idealisierendes Bild der Urgemeinde zeichnet. Allerdings darf nicht gleich daraus geschlossen werden, daß seine Darstellung deshalb historisch irreführend sein muß. Zu Apg 2,42 schreibt C.K. Barrett: "In this verse Luke gives an idealized picture of the earliest church idealized but not for that reason misleading. That it is not misleading appears at once if negatives are inserted: they ignored the teaching of the apostIes, neglected the fellowship, never met to take a meal together, and did not say their prayers. This would be nonsense. The idealizing is in the participle npo01wp-tEPOUVtEt;, and that Lukedid not intend it to be understood as unmarked by exceptions is shown by his story of Ananias and Sapphira (5,1-II). There is no ground for doubting the outline of Luke's account; if he had not given it we should doubtless have conjectured something of the kind. ,,88
b) Gütergemeinschaft Man hat ebenfalls vermutet89 , daß Lukas mit Begriffen wie KOlvwVtu (Apg 2,42) und KOWOt; (Apg 2,44; 4,32) bei seiner Schilderung des Jerusalemer Gemeinschaftslebens utopische hellenistische Vorstellungen (topoi) in die Urgemeinde zurückprojiziert habe 90 • Die häufige Verwendung des Begriffes 1,P in der "Gemeinderegel" aus Qumran weist aber darauf hin 91 , daß spätestens92 seit deren Entdeckung die 88
89 90
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Acts I, r66; vgl. auch 160 und J. Roloff, Apg, 89-91 und seine Behandlung der Frage nach dem Zusammenhang von Ideal und geschichtlicher Wirklichkeit. Vgl. E. Plümacher, Lukas als hellenistischer Schriftsteller, 1972, r6-18; W. Stegemann, Nachfolge Jesu, 1982, 89-I53. Für eine Besprechung der hellenistischen Lit. vgl. H.]. Klauck, Gütergemeinschaft, 47-52; D.L. Mealand, Community of Goods and Utopian Allusions in Aas lI-IV, JTS 28 (1977),96-97. Für eine Auflistung der Stellen der hell. Lit. vgl. B.l Capper, The Palestinian Cultural Context of Earliest Christian Community ot Goods, 324f, Anm. 3-6. B.W. Dombrowski, ln'i1 in rQS and ,0 KOWOV, HThR 59 (1966), 293-307, konnte schon 1966 nachweisen, daß der Begriff ln' ein Aquivalent des griechischen 1:0 KOI.VOV bildet und wahrscheinlich schon in der Qumrallliteratur den Versuch darstellt, ,0 KOWOV ins Hebräische zu übersetzen. Inzwischen wird dies von
Hausgemeinde und Mission
bloße Feststellung hellenistischer Vorstellungen hinsichtlich eines Ideals einer Gütergemeinschaft in der Beschreibung einer jüdischen Gruppe keineswegs als Beweis dafür dienen kann, daß diese Gruppe, sei sie essenisch oder christlich, in Wirklichkeit keine Gütergemeinschaft praktiziert habe93 •
Exkurs: Zwei Gemeinschaftsformen in Qumran? In jüngster Zeit hat sich B.J. Capper94 für die These stark gemacht, daß unter den Essenern zwei verschiedene Gemeinschaftsformen verwirklicht wurden 95 • Bei Philo und Josephus lesen wir von einer strengen Richtung, die ein eheloses Kommunitätsleben geführt, auf privates Eigentum verzichtet und damit eine strenge Gütergemeinschaft praktiziert hat96 • Ihre Organisation wird von der "Gemeinderegel" näher beschrieben (vgl. v.a. rQS 6,13-23). Eine andere Richtung war im Lande verstreut und etwas lockerer organisiert. Sie hielt ihr Eigentum nicht gemeinsam, praktizierte also keine Gütergemeinvielen Forschern betont - vgl. Literatur bei D.R. Schwartz, Non-Joining Sympathizers (Acts 5,13-I4), Bibi 64 (1983), 550-555, v.a. 554, Anm. 2.2; und M. Weinfeld, The Organisational Pattern and the Penal Code of the Qumran Sect, 1986, 13f. 92 "Spätestens" bezieht sich hier auf die These von W_ Bauer, dag keine essenische Gemeinschaft in Wirklichkeit eine Gütergemeinschaft praktiziert habe, da bei den Beschreibungen der Essener von Philo und Josephus im starken Maß hellenistische utopische Vorstellungen festzustellen seien (für die Stellen bei Philo und Josephns vgl., Anm. 96). Seid der Entdeckung der Gemeinderegd ans Qnmran, die nns Einblicke aus der internen Perspektive der Essener über die rechtlichen Organisationsformen ihrer Gütergemeinschaft vermittelt, ist seine These aufgegeben worden (vgl. S. Segert, Die Gütergemeinschaft der Essener, A. Salach oblata, T955,66-73)· 93 P. Stnhlmacher, Biblische Theologie I, 204f; B.]. Capper, Community oi Goods, 1737· 94 PANTA KOINA: Earliest Christian Community of Goods in its Hellenistic and Jewish Contexts, Diss. Cambridge University, 1986. Vgl. auch die Zusammenfassung seiner Dissertation: The Community of Goods of the Early Jerusalem Church, ANRW II, 26.2 (1995), I730-1774 und seinen Aufsatz The Palestinian Cnltural Context of Earliest Christian Community of Goods, 1995, 323-356. Vgl. auch D.R. Schwartz, Non-Joining Sympathizers (Acts 5,I3-14), BibI 64 (1983),550-555, der unabhängig von Capper Teile seiner Forschungsergebnisse bestätigt. 95 Dies ist eine weitverbreitete These. Sie ist allerdings nicht unumstritten. Vgl. Besprechung z.B. bei H.]. Klauck, Gütergemeinschaft in Qumran, 57-68 und D.L. Mealand, Community of Goods at Qumran, TZ 31 (1975), 129-139. 96 Philo, Omn Prob Lib 76-77.85-87; Hypothetica I1,14-13; Josephus, Ant 18,2022; Be1l2,!22-127.
Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde
151
schaft im strengen Sinne, auch wenn sie den eigenen Besitz der Ortsgemeinschaft nach Kräften zur Verfügung stellte. Diese lockere Organisation wird in erster Linie in der Damaskusschrift näher beschrieben, aber auch von Philo und ]osephus bestätigt"7. Das Gemeinschaftsleben dieser locker organisierten Gruppe bestand darin, daß sie mit Priestern und Aufsehern (Mebaqqer = IVJ.)':») geordnet in Lagern wohnten (bes. CD XII,22-XIII,I3). Aus CD VII,6-9 (Dublette in XIX,3) wissen wir, daß sie verheiratet waren und Kinder zeugen sollten98 • Außerdem besaßen sie Wohnhäuser (XI,7-rrf9 und beschäftigten Sklaven und Tagelöhner (XI,I2; XII,IO; vgl. XVI,r6f). Die Gesetzessammlung setzt ebenfalls Privatbesitz voraus. In IX,I4-r6 z.B. ist von Eigentümern verlorener Gegenstände die Rede. Vermägensstreitigkeiten werden geregelt (IX,22). Nur am Sabbat soll man nicht über Vermögens- und Gewinnangelegenheiten urteilen (X,I8; XI,I5)100. H.]. Klauck äußert nach seiner eingehenden Untersuchung u.a. auf Grund der o.g. Beobachtungen die Vermutung, daß diese "im Lande verstreute Gruppe einem normalen Familienleben in Privathäusern nachging, den eigenen Besitz aber nach Kräften in den Dienst der Ortsgemeinschaft stellte"tOt. Für Klauck ist es wahrscheinlich, daß sie sich in den Orten, wo es Essenergemeinden gab, um ein bestimmtes Haus versammelt haben102 .
97 Man gewinnt allerdings den Eindruck, daß Philo und ]osephus die Besonderheiten 98
99
11)0
tOt (02
beider Gruppen etwas durcheinander bringen und so entstehen bei ihrer Beschreibung Unklarheiten. Vgl. auch XII,1; XIV,I3.r6; XVI,10 und ebenfalls 1QSa 1,4.10. Vgl. ]osephus Bell 2,160f. Vgl. auch Philo, Omn Prob Lib 8 Sf: "Niemand hatte ein Haus so zu eigen, daß es nicht zugleich auch allen anderen gemeinsam gehörte." Hier bekommt man den Eindruck, daß einer der Gemeinschaft jeweils ein geeignetes Haus zur Verfügung stellen mußte. Vgl. dazu H.]. Klauck, Gütergemeinschaft, 54, der zusammenfassend zu Philo folgendes schreibt: "Doch hat man, besonders wenn man die vorausgehenden Ausführungen [zu Omn Prob Lib 85f; RGJ mit berücksichtigt, den Eindruck einer Unausgeglichenheit, eines Schillerns zwischen dem Ideal völliger Besitz- und Bedürfnislosigkeit, das sich bis auf die Kleidung erstreckt und der konkreten Praxis gemeinsamen Eigentums, die weiterhin mit Hatlsbesitzern [kursiv von RGJ rechnet". Vgl. auch CD XIl,6b-1o für Vorschriften hinsichtlich des Handels mit Heiden. Gütergemeinschaft, 56. HG, 94. Josephus berichtet, daB sie für Mahlfeier und Beratung in einem besonderem Gebäude zusammenkamen (Bell- 2,129) und nennt wenige Zeilen später ein Haus (2,132).
Hausgemeinde und Mission
Diese Erkenntnisse versucht Capper für die Urgemeinde fruchtbar zu machen. Nach ihm ist auch die Urgemeinde ähnlich wie die essenische in zwei verschiedene Gemeinschaftsformen untergliedert: Apg 6,r-6 gibt uns zu erkennen, daß sich zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte der Urgemeinde neben der strengen sozio-ökonomischen Form einer durchorganisierten Gütergemeinschaft der Hebräer eine zweite lockere Gemeinschaftsform der Hellenisten mit Hausgemeinschaften auf Familienbasis mit organisierter gastfreundschaftlicher Caritas durchzusetzen begann. "Strict common ownership of property was left behind, and voluntary cllarity became the rule, as in !ate gentile Christianity. ,,103 Ein zusätzliches Argument für seine Sicht sieht Capper in der Nähe von Urgemeinde und EssenervierteP04. Capper ist nicht der erste, der die These vertritt, daß einige der ersten Christen aus der Reihe der Essener rekrutiert wurden 105 und daß 103 104
105
Capper, Community of Goods, ANRW II,26.2 1760. Capper stützt sich auf R. Riesner, der zu zeigen versuchte, daß genügend archäologische Indizien in Verbindung mit literarischen Zeugnissen dafür sprechen, daß die Annahme einer Präsenz, von Essenern in Jerusalem in einern Viertel auf dem südwestlichen Altstadthügel schon zur Zeit Jesu begründet ist (Das Jerusalemer Essenerviertel und die Urgemeinde, ANRW II 26.2, 1995, 1777-1831). Bereits eine größere Anzahl von Forschern hat diese Sicht übernommen. Vgl. die Auflistung bei Riesner 1829f, Anm. 269. AHcrdings ist die These nach wie vor sehr umstritten (vgl. v.a. B. Schwank, Gab es z.Z. der öffentlichen Tätigkeit Jesu Qumran-Essener in Jerusalem?, 1992, IrS-I3o). Wenn das Essenerviertel existierte und die traditioneHe Ortung des Obergemachs und Abendmahlssaals Vertrauen verdient, ist das Obergemach der Urgemeinde in der Umgebung bzw. im angrenzenden Gebiet dieses Viertels zu lokalisieren, denn das sog. Davidsgrab, der älteste Teil des Coenaculum und nach der Tr;tdition Ort des Obergemachs, liegt nur 175 m nördlich des Essenertors (vgl. S, 134f). In dem Fall könnte man eine große räumliche Nähe von Essenern und Urgemeinde annehmen und nach Verbindungslinien und Berührungspunkten zwischen den beiden Gruppen schon in Jerusalem fragen. Wenigstens kann angenommen werden, daß die Urgemeinde die essenisch-qumranischen Formen der Gütergemeinschaft kannte (vg1. H.]. Klauck, Gütergemeinschaft, 78.). Wenn auch kein Essenerviertel auf dem Südwesthügel Jersalems z.Z. Jesu existiert haben sollte, ist die Nähe der Qumrangemeinde schon durch die Siedlung am Toten Meer gegeben, die weniger als eine Tagesreise von Jerusalem entfernt lag. Es ist möglich, daß eine beträchtliche Anzahl von Essenern sich der Urgemeinde angeschlossen hat. Der Hinweis in Apg 6,7 auf zahlreiche Priester, die dem Glauben gehorsam wurden, bestärkt diese Sicht, vorausgesetzt, einige oder sogar alle waren Essener. Wenn das tatsächlich der Fall war, würden sie ein Bindeglied zwischen den beiden Gruppen darstellen. Diese Ansicht vertreten mehrere Forscher: vgl. v,a. C. Spiq, L'epitre aux Hebreux: Apollos, Jean-Baptiste, les Hellenistes et
Die nach österliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 153
wenigstens ein Teil der Urgemeinde eine durchorganisierte Gütergemeinschaft nach essenischem Vorbild praktizierte 106 • Außerdem ist seine These, wie wir sie mit den Einsichten von Klauck ergänzt haben, auch für unsere Studie interessant, denn die Gemeinsamkeiten dieser Schilderung mit der Organisationsform der ersten Christen in Hausgemeinden sind evident lO7 • Darüber hinaus ist nach Capper die Entscheidung der Hellenisten für die lockere Gemeinschaftsform einer organisierten Gastfreundschaft auf Familienbasis anstatt einer strengen Gütergemeinschaft für die Zukunft der christlichen Gemeinde sehr foJgenreich gewesen. Durch die Vertreibung der Hellenisten aus ]erusaJem kommt es, so Capper, zu einer Verbreitung der hellenistischen, sozio-ökonomischen Gemeinschaftsform über Antiochien bis in die paulinische Mission. In den paulinischen Gemeinden finden wir nämlich keine Spur von einer durchorganisierten Gütergemeinschaft, aber doch von einer lockeren Gemeinschaftsform der organisierten Gastfreundschaft auf Oikosbasis (s. S. 220ff). Auf alle Fälle ist mit Capper daran festzuhalten, daß die Vergleichsmöglichkeit wenigstens im Sinne einer Analogie zwischen der Urgemeinde der allerersten Anfangszeit und den Essenern hinsichtlich der zweifachen Struktur der beiden Gruppen gegeben ist. Die
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Qumaran, RQ 1(1958/59),365-39°; weitere Lit. bei H. Braun, Qumran und das NT I, 1966, I53f. V.a. ].A. Fitzmyer, Essays on tbe Semitic Background of tbe NT, 1971, 279.296, spricht sich dafür aus, daß "Possibly so me Essenes were included among tbe priests of 6:], but one could never restriet tbis notice to tb em alone." Vgl. aber C.K. Barrerr, Acts r, 3I7. Hier ist jedoch zu bedenken, daß die Essener im Gegensatz zu den Pbarisäern eine von Priestern geleitete und geprägte Bewegung waren. Allerdings zählte auch zu den Sadduzäern eine größere Anzahl von Priestern. Dazu bemerkte K. Schubert, in: J. Nlaier-K.Schubert, Die QumranEssener, 1973, ~30, zur Acta-Notiz: "Hier liegt es wohl näher, an die saddoqidischen Priester der Qllmran-Essener zu denken ... als an sadduzäische Priester, die infolge der sadduzäischen Leugnung der Auferstehung (Apg 23,8; Mt 22,23-32; ]osephus Bell 2,8,14) auch nicht an die Auferstehung ]esu glauben konnten." Vgl. z.B. einen der seiner Zeit führenden Qumranforscber K.G. Kllhn, RGG', Art. Essener, 1958, Sp. 7°1-7°3; Qumran, 1961, Sp. 745-754. D.h. schon seit Bekanntwerden der Qumrantexte ist diese These vertreten worden. Auch B. Reicke, Die Verfassung der Urgemeinde im Lichte jüdischer Dokumente, ThZ 10 (1954), 95-II2, weist auf diese Spannung hin. Für ihn liegt eine Gemeinsamkeit zwischen den Gruppen darin, daß für beide eine im Orient typische" ungleichmäßige, abgestufte lind docb organisch einheitliche Versammlung patriachalischen Charakters" (102) zu konstatieren ist. "Wenn man in diesem Zusammenhang vielleicht nicht gerade von einer patriarchalischen Ordnung sprechen darf, weil die Priester und nicht die Familienväter die erste Rolle spielen, so hat man es doch mit etwas dergleichen zu tun" (lO9).
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Hausgemeinde und Mission
beiden bleiben bis zu einem gewissen Grade vergleichbar, auch wenn man die These einer lockeren Gütergemeinschaft der Urgemeinde übernimmt (s. u.), denn auch diese eschatologische Gütergemeinschaft wurde auf die Dauer nicht durchgehalten. Nur die zweite Gemeinschaftsform auf Oikosbasis scheint auch in der Urgemeinde überlebt zu haben. Wenn aber die Grundannahme quellenmäßig klar bezeugt ist, daß es solche Gruppen von verheirateten Essenern gegeben hat, können wir wenigstens auf Familienstrukturen schließen. Vom atl. Hintergrund her wäre es dann extrem unwahrscheinlich, daß die Familienväter in ihren eigenen Häusern, in denen die Gemeinschaft sich versammelte, keinerlei Autorität ausgeübt hätten. Es ist deshalb durchaus denkbar, daß einzelne Männer, die Oberhaupt einer Familie gewesen sind und ihre Häuser der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt haben, auch die Aufseher dieser Gruppe waren und als solche bezeichnet wurden. Damit hätten wir hinsichtlich der Organisationsform eine der christlichen Hausgemeinde analoge Oikossituation, v.a. wie sie für die paulinische Mission klar, aber auch für die Urgemeinde belegt ist. Aber darüber geben uns die Qumrantexte leider keine ausreichend präzise Auskunft. Es bleibt ebenfalls das Problem, wie das Verhältnis der zwei Autoritätsstrukturen zwischen den Hausvätern einerseits und den Priestern und Leviten anderseits in einer so eng zusammenlebenden Gemeinschaft geregelt wurde 108 . Ob die in Lagern lebenden Essener sich in erster Linie auf Familienbasis in Privathäusern organisiert haben oder ob die Priester und Aufseher das bestimmende Element der Organisationsform waren, sagen uns die Texte nicht. So muß zusammenfassend gesagt werden, daß Cappers These in doppelter Weise umstritten ist, einmal hinsichtlich der Annahme einer Beziehung zwischen Urgemeinde und Essenerviertel, aber v.a. schon von der Qumranseite her. Die Qumranforschung befindet sich z.Z. nämlich noch in einer großen Umbruchs phase. Wir wissen zu wenig Sicheres über die Lager der verstreuten Essener und ihre eigentliche Organisation.
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Interessanterweise ist es möglich, daß wir eine ähnliche Situation in der Urgemeinde der Anfangszeit hatten. Dort werden wohl auch zwei Autoritätsstrukruren einander gegenüber gestanden haben, nämlich die Zwölf und die Hausvorstände (s. u.).
Die nach österliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 155
Gegen die Rekonstruktion von Capper kann man auch einwenden, daß der lukanische Bericht über die Gütergemeinschaft der Urgemeinde sich von Philos Schilderung der Essener 109 dadurch unterscheidet, daß Lukas auch sehr genau die Schwächen der anfänglichen Gütergemeinschaft in Jerusalem aufzeigt (vgl. Apg 5,lH; 6,lff). Die J erusalemer Christen haben anscheinend keine wirtschaftliche Vorsorge getroffen und zunächst bewußt "von der Hand in den Mund" gelebt, wie Jesus selbst geboten hatte llO • Die Folgen sind nicht ausgeblieben. Das Modell der Gütergemeinschaft, wie sie in der Jerusalemer Urgemeinde praktiziert wurde, ist aus ökonomischen Gründen anscheinend nicht überlebensfähig gewesen. Die Versorgungslage der Urgemeinde wurde kritisch, so daß sie auf Spenden anderer Gemeinden angewiesen war. Dies zeigt Apg II,27ff, in dem über die Notwendigkeit einer Sammlung für die Heiligen in Jerusalem berichtet wird. Des weiteren wurde auf dem sog. Apostelkonzil eine große Kollekte der heidenchristlichen Gemeinden "für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem" (Röm 15,26) beschlossen. Außerdem bestand die Gütergemeinschaft der Urgemeinde im Gegensatz zu der der Qumranleute auf freiwilliger Basis (vgl. Apg 5,4; I2,12). Durch diese Stellen wird die Aussage öom yap KL*OPEC:; xwp{wv ~ Oi.KLWV un'ijpxov, :n:WAOUVLEC:; in Apg 4,34 relativiert. Einige haben ihre Häuser behalten müssen, sonst hätte die Gemeinde keine Versammlungsräume gehabt. Daß nur einige Hauseigentümer ihre Häuser behalten und der Gemeinde für gottesdienstliche Zwekke zur Verfügung gestellt haben, macht aber deutlich, daß in der Anfangszeit eine zweifache Struktur hinsichtlich der Gemeinschaftsform in der Urgemeinde herrschte.
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Vgl. v.a. Omn Prob 84-87. Philos Schilderung wird durch die Originaltexte von Qumran (vgl. v.a. IQS 1,11f; 5,1-6,24; CD I3,II-16) bestätigt. Vgl. ausführlichere Besprechung dieser Problematik bei P. Stuhlmacher, Biblische Theologie r, w4ff, der auch diese Sicht der Dinge vertritt. Vgl. Mk 1,r6ff par; 10,17ff.28ff par; Lk 9,3; 10,4; 11,3 par; Mt 6,25-34 und M. Henge!, Zwischen Jesus und Paulus, r8rf; ders., Eigentum und Reichtum in der frühen Kirche, 1973, 31-36.39-42.
Hausgemeinde und Mission
5. Zusammenfassung der historischen Aussagekraft
der Belege Lukas dürfte also nicht übertrieben haben, daß zu den Gemeinschaftsformen der ersten Christen die gegenseitige materielle Unterstützung wenigstens in Form einer lockeren Gütergemeinschaft und in Form einer Oikosstruktur wie im Haus der NIaria gehörte. Daß sie "alles" gemeinsam hatten, war für die erste Zeit der Urgemeinde auch aufgrund der Naherwartung plausibel, zumal später berichtet wird, daß die Jerusalemer Gemeinde finanziell unterstützt werden mußte. Im Zusammenhang der Gütergemeinschaft der Urgemeinde, wie Lukas sie beschreibt, ist mit P. Stuhlmacher festzuhalten: "Es gibt unter diesen Umständen keinen Grund, der Darstellung des Lukas zu mißtrauen .. .'<111 Angesichts der praktischen Seite der Situation, wie auch im Blick auf spätere Zeugnisse von den Mahlfeiern der Christen, ist die Zusammenkunft zum Brotbrechen in Privathäusern wohlhabender Mitglieder der Urgemeinde nicht zu bezweifeln. Es ist ebenfalls davon auszugehen, daß sie sich zu anderen Aktivitäten wie zur Lehre, zur Gemeinschaft und zum Gebet in Häusern versammelten 112. Die Angaben des Lukas über die Urgemeinde sind außerdem deshalb ernst zu nehmen, weil er offensichtlich Jerusalem persönlich kannte 1 !3. Nach dem "Wir-Bericht"114 in Apg 2.I,I5-18 hat er mindestens einmal (um 57/58 n.Chr.), wenn auch verhältnismäßig kurz, die Stadt besucht und ist mit den Ältesten und Jakobus, dem Herrenbruder , an dessen Wohnsitz zusammengetroffen 115. Das ist für den historischen Wert der Ik. Darstellung der Urgemeinde in zweifacher \"X!eise von Bedeutung. Erstens wäre es Lukas dadurch möglich gewesen, zuverlässige mündliche und schriftliche Tradition für seine Berichterstattung zu sammeln. So könnte er z.B. die Tradition über das Leben in der Jerusalemer Urgemeinde, u.a. die Gütergemeinschaft, die Missionspraxis und die durch sie erziel111 112
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114 115
Biblische Theologie I, 206; vgl. auch M Hengel, Zwischen ]esus und Paulus, 131, Anm. I I 1. P. Stuhlrnacher, Biblische Theologie I, 203-2IO; C.K. Barrett, Acts I, 162. Näheres zu Brotbrechen, Lehre, Gemeinschaft und Gebet S. I 57ff. Vgl. M. Hengel, Der Historiker Lukas und die Geographie Palästinas in der Apg, ZDPV 99 (1983), 147-183, v.a. 161f.I82f; schon vor Hengel: B. Pixner, Lukas und Jerusalem, 1994 (1982), 372-381. Zum Wir-Bericht allgemein s. u. Kap IV. Hengel, ebd., I6rf.
Die nachästerliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 157
ten Erfolge, das Brotbrechen in den Häusern und den Tempelbesuch der ersten Christen kennengelernt haben. Zweitens hätte er ebenso mindestens um 57/58 die Stadt und die Verhältnisse d'er urchristlichen Gemeinde dort aus eigener Anschauung kennenlernen und damit umso zuverlässiger berichten können. Dadurch werden z.B. die Angaben über das Obergemach (I,I2-r5) verständlicher. Der an dieser Stelle ungewöhnliche Gebrauch eines bestimmten Artikels vor "Obergemach" (s. S. 130) impliziert, dafS Lukas selbst den Raum und seinen Standort kannte. Auch der Hinweis auf Jakobus und die Brüder (12,17) als eine zweite zu dem Zeitpunkt im Haus der Maria nicht anwesende Gruppe der Jerusalemer Urgemeinde wird dadurch in seinem historischen Informationswert verstärkt. Den Sitz des Jakobus hat er selbst kennengelernt. So können wir davon ausgehen, dafS die Urgemeinde sich tatsächlich zunächst im Haus mit dem Obergemach, später dann auch in anderen Häusern versammelt hat. Eines der bekanntesten dieser anderen Häuser war das der Maria, Mutter des Johannes Marklls. AufSerdem werden die Christen sich auch im Tempel zu gottesdienstlichen Anlässen getroffen haben116 (s. gleich u. und S. I 62f).
B) Das Leben in den Jerusalemer Hausgemeinden r. Der Gottesdienst Was geschah aber in einer solchen Hausgemeinschaft? Wie sah das gottesdienstliche Leben in diesen Jerusalemer Hausgruppen aus? Ist es wirklich theologisch berechtigt, sie Hallsgemeinden zu nennen? Dem wollen wir in diesem Abschnitt nachgehen. Auch wenn Lukas sich nicht direkt dazu äußert, ist aus dem auf alter Tradition beruhenden Sammelbericht Apg 2,42-47 einiges über die soziologischen und gottesdienstlichen Verhältnisse der ]erusaJemer Urgemeinde zu entnehmen (vgl. auch 4032-35; 5,12-r6). 116 Vgl. Lk :1.4,)2; Apg 2">46; 3,1ff; 5,42 (Tempel allgemein); Apg 3,II; 5,12 (Halle Salomos). Mit ;.c. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 32f. Vgl. M. Hengel, Der Historiker Lukas ... , ZDPV 99 (1983), 147-183, v.a. 1)2-r60, ZU 3,II schreibt Haenchen, Apg, 203: "Die Ortsangabe 'bei der Halle Salomons' .. , soll das Lo-
kalkolorit verstärken. Aber diese Halle lag außerhalb des Nikanortores. Lukas besaß offensichtlich keine eigene Kenntnis des Tempels; darum Jassen sich seine Angaben nicht mit denen des ]osephus und der Mischna vereinen." c.]. Hemer, The Book of Acts, 224, Anm. 10, hat diese irrigen Angaben Haenchens mit Recht scharfer Kritik umerzogen.
15 8
Hausgemeinde und Mission
Die Frage, ob es sich in der Aufzählung der Apostellehre, Gemeinschaft, Brotbrechen und Gebet in 2,42 um den Verlauf bzw. die Reihenfolge im Ablauf eines urchristlichen Gottesdienstes oder um das Leben der Urgemeinde generell handelt, ist bis heute umstritten. Hier ist auf die Auseinandersetzung zwischen J. Jeremias ll7 auf der einen und E. Haenchen l18 auf der anderen Seite hinzuweisen. Diese Frage ist aus folgendem Grund für unsere Studie wichtig: Wenn nachgewiesen werden kann, dafS die vier Elemente gottesdienstlich sind 119 und daiS sie eine Reihenfolge im Ablauf des urchristlichen Gottesdienstes darstellen, so bedeutet das zugleich den Nachweis, daiS dieser Gottesdienst in den Häusern geschah. Denn es ist ausgeschlossen, daß die ersten Christen einen solchen alle vier Elemente einschliefSlich des Brotbrechens enthaltenden Gottesdienst im Tempel hätten feiern können. Damit wäre es theologisch berechtigt, diese häuslichen Gruppen HGn zu nennen. In diesem Zusammenhang ist die Beobachtung wichtig, daiS der Bericht in 2,42-47 mit besonderer Betonung auf das gottesdienstliche Leben der Urgemeinde eingeht. Sowohl am Anfang als auch am Ende (42 und 46) werden die beiden Aussagereihen mit dem gottesdienstlichen Stichwort npoOKapLEpoi}vn:c; miteinander verbunden. Auch ~aav enl LO alno ist gottesdienstliche Terminologie (s. S. I67f). Der gottesdienstliche Charakter des Berichts paiSt ebenso gut zum Gesamtkontext 12o .
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Die Abendmahlsworte ]esu, 1967, IIl-II4.II2, Anm. 3. Vgl. ähnlich H. Schürmann, Gemeinde als Bruderschaft, 1970, 61-73, v.a. 65, allerdings mit der Einschränkung, dag über den genauen Verlauf der Feiern nichts Sicheres auszumachen sei. Apg, 192, ihm folgend z.B. R. Peseh, Apg VII, !Jof und zuletzt ].c. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 1994, 52-37. Vgl. allerdings auch c.K. Barrett, Acts I, 162, der darauf hinweist, dag der Gegensatz zwischen dem Gottesdienst der Jerusalemer Urgemeinde und dem Leben der Gemeinde eine irreale Alternative zu sein scheint. "In an ideal community ... the church meeting constitutes a particular focus of the whole of the community's life, so that each consists of the same elements ... " Ähnlich auch L. Goppelt, Die apostolische und nachapost. Zeit, 1966, 28. Dies wird übrigens auch nicht von Haenchen bestritten, auch wenn er sich gegen die Deutung von Apg 2,12 auf den urchristlichen Gottesdienst ausspricht (vgl. Apg, 192). J. Jeremias, Abendmahlsworte Jesu, I967, 1I2f: "Nachdem 2,11 berichtet war, daß am Pfingsttage 3000 getauft wurden, wird 2,42 hinzugefügt, daß die Neugetauften fortan regelmägig an den Zusammenkünften der Gemeinde teilnahmen."
Die nachästerliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 159
Mit J. Jeremias ist festzustellen, dafS die Auslegung dieses Verses von dem Partizip npOGKap-CEpOÜvtEs auszugehen hatnI. npOGKap-cEpEiv hat v.a. in der Apg überwiegend die Bedeutung "sich regelmäßig am Gottesdienst beteiligen" (vgl. 2,46; 1,14; 6,4). Wenn diese Bedeutung auf 2,42 angewendet wird, kann geschlossen werden, daß die vier paarweise miteinander durch Kat verbundenen auf npOGKap';EpOUVtEs folgenden Elemente "den Verlauf eines urchristlichen Gottesdienstes" bilden 122 • Auch die Analogie zu den urchristlichen Versammlungen insgesamt scheint dafür zu sprechen. Einiges weist darauf hin, daß der Gottesdienst mit Unterweisung begann (vgl. direkte Bezeugung: Apg 20,7ff; Justin, Apo!. r 67,4; Act. Joh. lo6-IIO; indirekt: Röm 16,16; lKor 16,20; 2Kor 13,12; IThess 5,26; IPetr 5,14 123 ) und daß der Gottesdienst mit Gebeten endete. Das kann aus Apg 2,46f erschlossen werden (vgl. indirekte Bezeugung Apg 12,12) und wird liturgiegeschichtlich für die gesamte Alte Kirche bestä tigt l24 . Die Einwände Haenchens 125 , daß die ersten Christen auf dem Tempelplatz gelehrt und am öffentlichen Gebet im Tempel teilgenommen haben, schließt nicht aus, daß die Apostellehre einen festen Ort am Anfang der gottesdienstlichen Zusammenkünfte hatte und daß die Mahlfeiern der ersten Christen mit Dankgebeten schlossen. So kann mit Jeremias daran festgehalten werden, daß in Apg 2,42 die Reihenfolge im Ablauf des urchristlichen Gottesdienstes beschrieben wird. Dort wird also mitgeteilt, daß die Christen der Urgemeinde sich zur Lehre der Apostel, zur Gemeinschaft, zum Brotbrechen und zum Gebet versammelten. Daß man in den Häusern zum Brotbrechen zusammenkam, ist, wie schon gezeigt, eindeutig belegt 126 • Die ersten Christen werden ebenfalls Gemeinschaft untereinander in den Häusern gepflegt haben. Mit KOLvwvta ist hier die enge Ver-
121 Jerernias, ebd., II 2. 122 123
124 125 126
Ebd. Die durch den heiligen Kuß eingeleitete Mahlfeier folgte direkt auf die Verlesung der gerade eingetroffenen apostolischen Briefe, die an Stelle der Unterweisung trat. Mit J. Jerernias, Abendmahlsworte, II2. Apg, 19 2 • Vgl. v.a. 2,42.46: KAC:n"i<; 'tE KU't' OLKOV &P'tOV (vgl. 5,42). Sehr wohl ist die Bedeutllng des Begriffes "Brotbrechen" umstritten. s. S. r62 zum gottesdienstlichen Charakter vorn Brotbrechen.
160
Hausge11leillde und M.ission
bindung oder die Beziehungen unter Gemeindegliedern, ihr gegenseitiges Zusammenhalten, das Anteilhaben, die Teilnahme am Leben des anderen gemeint127 • Das schließt sowohl den geistlichen als auch den materiellen Aspekt mit ein 128 • KOtvwv(a impliziert also die von Gott gesetzte Einheit des Herzens und des Geistes unter den ersten Christen, ein oft wiederkehrendes Thema in den ersten Kapiteln der Apg (.r,14i 2,46; 4,32). Diese Einheit manifestiert sich konkret in der Bereitschaft, auch materielles Gut mit anderen zu teilen (vgl. 2,44fi 4.3 2-37)· Die Darbietung von Gaben geschah sicherlich beim Gottesdienst in den Häusern!29, v.a. beim SättigungsmahP30 und Brot-
Bauer-Aland', 89 zE, in Apg 2,42 ist mit KOLvwvla. (nur hier in Apg; vgl. aber in 2,44; 4,32) v.a. das brüderliche Zusammenhalten gemeint. VgJ. auch ThWNT IlI, 809f. So auch schon J. Calvin, The Acts oE the Apostles I, 1965/r966, 85: "Mutual association, alms, and orher duties of brotherly fellow·· ship"; diese Bedeutung von KOLvwvla wird durch die Verwendung von lrp in den Qumranschriften unterstützt. VgJ. dazu c.K. Barrett, Acts r, r64 und 163-166 für eine ausführliche Diskussion der verschiedenen Auslegungsmäglichkeiten und Ansichten der wichtigsten Exegeten. Für L. Goppelt, Die apostolische ... Zeit, 33, dagegen ist der Begriff hier weit umfassender gemeint. Er bedeutet "die von Gott gesetzte Verbundenheit der Gemeindeglieder untereinander, die die Gemeinde zu einer Lebensgemeinschaft macht (Ga!. 2,9f.; 1..1oh I,3.6f.)". Diese umfassende Bedeutung schließt aber das brüderliche Zusammenhalten mit ein bzw. dieses ZusanlTIlenhalten wächst aus der gesetzten Verbundenheit heraus. 128 Zwei Hauptlinien der Auslegung von KOLVlOvla in 2,41. sind vorgeschhlgen worden, einmal als eine finanzielle Sammlung im Rahmen des Gottesdienstes, deren wesentliche Elemente in V. 42 aufgelistet werden (B. Reicke, Diakonie, Festfreude und Zelos, 19 sr, 25-28; J. ]eremias, Die Abendmahlsworte .1esu, allerdings nur noch in der 2. Auflage (vg!.nun 1967, 1II-II5 und unsere Anm. 130); E. Lohse, Grundriss der ntl. Theologie, 1974, 64), und zweitens als die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander (H. Seesemann, Der Begriff KOINQNIA im Neuen Testament, 1933, 87-90; Haenchen, Apg, 192; H. Zimmermann, Die Samme/berichte der Apg, BZ NF 5 (I969), 75). Vgl. gegen die erste Ansicht im ausschließlichen Sinne Haenchcn, ebd: Die Gemeinschaft der ersten Christen wird sich nicht auf die Darbietung von Gaben im Gottesdienst beschränkt haben, sondern umfaßte "mindestens auch das Ganze der Einsammlung und Verteilung von Naturalgaben und Geld". 129 E. Haenchen, Apg, 192; Vgl. auch B. Reicke, Diakonie, Festfreude und Ze!os, 19 SI, 25: "Da also die KOLvwvLa in einem gottesdienstlichen Rahmen erscheint und mit dem rituellen Akte des Brotbrechens besonders nahe verbunden ist, muss man annehmen, dass auch diesem \'(7orte hier eine gottesdienstliche Bedeutung zukommt." 130 Vgl. ]. ]ercOlias, Abendmahlsworte Jesu, II3f. Für ihn dürfte es sogar näherliegen, das Wort KOLvwvla mit (Tisch-)Gemeinschaft wiederzugeben, wobei es sich auf das Agape- bzw. Sättigungsmahl bezieht. 127
KOLV6c:;
Die l1achösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde r6r
brechen, aber auch schon bei der Bereitstellung des Hauses als Versammlungsort ist daran zu denken. Auch wenn die einzelnen Glieder der Gemeinde ihren Teil zur Gabendarbietung beigetragen haben werden, wird die Hauptlast wohl von den wohlhabenderen Hauseigentümern bzw. Hauseigentümerinnen getragen worden sein. In Apg 2,42 ist von ai. :rcpom,uxa{ im Plural die Rede. Aus diesem Grund nehmen nicht wenige Exegeten an, daß damit die Gebetszeiten im Tempel oder die Gebete in der Synagoge gemeint seien l3l • Das schließt aber, wie schon festgestellt, nicht aus, dafS die Mahlfeiern der Gemeinde mit Dankesgebeten schlossen. So ist doch auch an Gebete in den Versammlungen in den Häusern zu denken 132 , was gut belegt ist 133 • Das Beten war außerdem fester Bestandteil des häuslichen Lebens einer jüdischen Familie (s. Exkurs S. 5 rft). Auch die judenchristlichen Familien werden diese Praxis während ihrer häuslichen Zusammenkünfte fortgesetzt haben. Bei der Lehre der Apostel (2,42) handelt es sich um eine komplexe Frage. Ohne auf die Problematik ausführlich eingehen zu können, wird man sagen können, daß sie wenigstens Ansätze zu einer Bekenntnistradition, die Weitergabe der Lehre Jesu und die Auslegung der Heiligen Schrift auf Jesus und die endzeidiche Erfüllung in ihm umfaßte 134 • Für die Sicht, dafS Lehre und Gebet ihren Ort in den HGn hatten, spricht auch die äufSere Analogie zur (Haus)Synagoge. In den Synagogen fanden schon vor 70 n.Chr. gottesdienstliche Versammlungen statt, in denen die Toraunterweisung J35 und doch wohl auch das Gebet 136 feste Bestandteile waren. In den HGn war allerdings nicht mehr allein die Tora, sondern eben die Lehre der Apostel Gegenstand der Unterweisung.
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Jeremias, Abendmahlsworte Jest!, 4. Aufl., II I; R. Pesch, Apg Vh, T30; Haenehen, Apg, 149; F.F. Bruce, Acts, 73; Vgl. Apg 3,1; 6,4; aueh Lk 24,53. Vgl. auch O. Cullmann, Das Gebet im NT, 1994, 24ff.143ff. Apg 1,14. 24f; 4,24-3 0 ; 10,9; I2,I2; R. Peseh, Apg VII, 130. Auch Haenchen, Apg, 192, räumt ein, daß es nicht auszuschließen ist, daß die Urgemeinde ihre eigenen von der jüdischen Gemeinde verschiedenen Gehete und Gebetszeiten hatte. P. Stuhlmacher, Biblische Theologie I, 203; Vgl. ebenfalls L. Goppelt, Die apostolische und nachapost. Zeit, 29f. L.I. Levine, The Second Temple Synagogue: The Formative Years, 1987, 7-.31. Vgl. Schürer, History of the Jewish people in the Age of Jeslls Christ Ir, 19731987, S.448ff. Anders D.K. Falk, Jewish Prayer Literature and the Jerusalem Church in Acts, 1995,267-3°1. Vgl. auch die ausgewogene Diskussion bei L.I. Levine, The Second Temple Synagogue, v.a. 17-22.
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Hausgemeinde und Mission
Es ist des weiteren anzunehmen, daß das Lehren sich in der Urgemeinde von Anfang an auch beim Brotbrechen vollzog, denn damit folgte die Urgemeinde in ihrem Vollzug des Lehrens der jüdischen Sitte, beim sakralen Mahl zu lehren 137 • Der judenchristliche Hausvater wird das Lehren beim "Brotbrechen" genauso praktiziert haben, wie das der jüdische beim Passahmahl bzw. essenischen Gemeindemahl tat. Daß die Lehre mit dem Brotbrechen in den Häusern schon früh verbunden sein konnte, zeigt die Beschreibung des Paulus vom Abschiedsgottesdienst in Troas (Apg 20,7-12). Außerdem wird man wohl die Zentralbegriffe in Apg 5,42 chiastisch verbinden müssen 138 ; Im Tempel wurde schwerpunktmäßig missionarisch gepredigt 139 und in den einzelnen Häusern katechetisch gelehrt, auch wenn dies nicht zum Schema für die ganze frühchristliche Zeit erhoben werden kann 140 • All diese Argumente sprechen gegen die vor kurzem vertretene Nleinung, die Lehre der Apostel sei nur in der Halle Salomos und nicht in den Häusern weitergegeben worden, weil nur im Tempel j edel' die Apostel hören konnte 141 • Es ist also aus den Texten zu entnehmen, daß die Urgemeinde sich zu zwei verschiedenen Typen von Gottesdiensten versammelte 14I, die sich nicht nur durch ihre Lokalität, sondern auch in ihrer Gestaltung unterschieden 143 • In den Häusern lag der Schwerpunkt beim Brotbrechen. In den Vorhöfen des Tempels werden die Christen am Tempelgebet teilgenommen 144 haben und von dort aus in die Halle SaloApg 20,7. So beim Passahmahl, Bill. IV, 67ff, und vielleicht bei den Gemeindemahlen in Qumran. Vgl. L. Goppelt, Die apost ... Zeit, 30. 138 Mit H.]. Klauck, HG, 47f; ihm folgend J. RoloH, Kirche im NT, 71, Anm. 33; vgl. auch schon W. Rordorf, Gottesdiensträume, 1964, IIlf. 139 Die ersten Christen trafen sich auch ZU evangelistischen Gesamtversammlungen im Tempel, und zwar in der Halle 5alomos. Vgl. Lk 24,52; Apg 2,46; 3,lff; 5,42 (Tempel); Apg 3,l.I; 5,12 (Halle Salomos). 140 Die frühen Christen werden im Tempel gelehrt (Apg 4,2; 5,12.21.25) und in den Häusern missionarisch gewirkt haben (Apg 10,If.22; 24,24.26; 28,3°). Gegen B.B. Blue, In Public and in Private, 1989,72-.93, 141 ].c. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 1.993,32-37, v.a. 34. 142 Vgl. zuletzt J.c. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 33ff. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, daß sie an dem Sühnopferkult teilnahmen (anders RoJoff, Kirche im NT, 71f), werden sie im Tempel regelmägig gebetet und sich an den Gottesdiensten beteiligt haben (mit Stuhlmacher, Biblische Theologie I, 203; vgl. Apg 2,46; 137
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Vgl. Roloff, Apg, 71. Teilnahme am Gebet in den inneren Vorhöfen war möglich, vorausgesetzt, es gab keine Heidenchristen. Vgl. zum ganzen: RoloH, Apg, 69; Haenchen, Apg, 1.99;
Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 163
mos gegangen sein. Dort werden die Gesamtversammlungen mit einem Schwerpunkt auf der missionarischen Verkündigung und Lehre stattgefunden haben. Für diese Sicht spricht die Beobachtung, daß 6~L08WlaöOv ev "ti\J iEpi\J in Apg 2,46 nicht die Einheit der Gefühle, sondern die der Individuen als einer korporativen Totalität beschreibt!45. "Die Bedeutung ist somit etwa ,in corpore', und der Ausdruck steht im Gegensatz zu der folgenden Wendung ,in den (einzelnen) Häusern'. ,,!46 Als eine solche sichtbare Einheit versammelte sich die Urgemeinde im Tempel. Aufgeteilt in Häusern, feierten sie das heilige (s. u.) Brotbrechen. Das heißt: Die Urgemeinde der Anfangszeit ist als Orts- bzw. als Gesamtgemeinde im Tempel und als Teilgemeinden in den Privathä usern zusammengekommen147. Die Lebensgemeinschaft der Jerusalemer Gemeinde wurde bei den gemeinsamen Mahlfeiern in den Häusern besonders intensiv erlebt und immer neu bestätigt. In der Forschung wurde sehr viel über den eigentlichen Charakter dieser Mahlfeiern reflektiert und geschrieben. Im allgemeinen wird angenommen, daß die Mahlfeiern auf jeden Fall auch Sättigungs mahlzeiten waren 148 . Zu der von Lukas beschriebenen Gütergemeinschaft gehörten mit Sicherheit gemeinsame Mahlzeiten 149. Der Ausdruck "Brotbrechen" deutet ebenso auf eine Mahlzeit hin: Er ist die Bezeichnung für die Handlung des Zerreißens der Brotfladen, welches zusammen mit dem Segensspruch den Eröffnungsritus einer jüdischen Mahlzeit bildet (Apg 27,35)150. Außerdem ist zu konstatieren, daß das "Brotbrechen" von Lukas in der Apostelgeschichte auch sonst in einen gottesdienstlichen Zusammenhang gestellt wird 151 •
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Hengel, Der Historiker Lukas, 154-157 und zuletzt SalzmaIln, Lehren und Ermahnen, 37. B. Reicke, Glaube und Leben, 6of; ihm folgend C.K. Barrett, Acts I, 1994, 89. B. Reicke, ebd., 6of. Das bedeutet nicht, daß jedes Mitglied der Gesamtgemeinde in ganz Jerusalem im Tempel versammelt war. Vgl. Apg 2,42.46. Dafür spricht v.a. ~lE1:aAa~LI3ci.vELv -epoljlijs; in 46. Bei einem solchen Sättigungsmahl nahm man Nahrung zu sich und lobte Gott unter Jubel und in Schlichtheit des Herzens. Dies zeigt deutlich Apg 6,rff. J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, II3f, Anm. 2.4. Apg 20, 7.II; 2,42.46. V.a. in unserem Zusammenhang wird deutlich, daß das Brotbrechen gottesdienstlichen Charakter hat, denn nach Apg 2,46 wird es parallel zum Tempelbesuch erwähnt (Goppelt, Die apostolische ... Zeir, 30).
Hausgemeinde und iI;Iissiolt
Die Frage ist, ob schon hier mit dem Sättigungsmahl und dem Brotbrechen auch das Herrenmahl gemeint sein kann. Folgendes spricht dafür: Wenn wir uns zuerst an den lk. Sprachgebrauch halten, führt er zum Vergleich von Apg 2,42.46 mit 20,7.1I. Damit kann man eine Verbindungslinie von der Jerusalemer Urgemeinde über die paulinische Gemeinde in Troas bis hin zur Gemeinde in Korinth (1Kor 10,16; II,23-25) und so zum Herrenmahl (KUpLUKOV öEinvov - 1Kor II,20) ziehen, das auch noch in Karinth als Sättigungsmahl gefeiert wurde J52 • Verbunden mit der Beobachtung, daß Jesus schon in Jerusalem im f!upuvu8& als erhöhter KUPLO~ angerufen 'vvurde 153 , zeigt es, daß kein Anachronismus vorliegt, von einem Feiern des Herrenmahls schon in der Jerusalemer Urgemeinde zu sprechen l54 • Als zentraler Bestandteil der Herrenmahlsfeier ist der aramäische Gebetsruf NTIN )1)'): "unser Herr, komm!" bezeugt. 'Brotbrechen' in Apg 2,42.46 ist also sehr wahrscheinlich Bezeichnung für das mit einer Sättigungsmahlzeit eng verbundene Herrenmahp55. Von der Urgemeinde führt umgekehrt eine Verbindungslinie auf den irdischen Jesus zurück (Lk 24,13-35; Mk 14,22-25). "Das
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P. Stuhlmacher, Biblische Theologie J, 206f. Für Korinth und die dortige Situation vgl. O. Hofius, Herrenmahl und Herrenmahlparadosis, 1989, 2°3-2.4° in Auseinandersetzung mit ll.a. H.J. Klauck, HerrenmahJ und hellenistischer Kult, 1982., 291-297, R. Pesch, Das Abendmahl und Jesu Todesverständnis, 1978, 44f.6zff und P. Stuhlmacher, Das neutestamentliche Zeugnis vom HerrenrnahJ ZThK 84 (1987),1-35. Für R. Pesch, ebd., 34ff, ist die VOll Paulus überlieferte "Kultätiologie" rKor II,23b-25 "soweit wir sehen können, schon in der Aramäisch sprechenden Jerusalemer Urgemeinde aufgrund des erzählenden Berichts vom letzten Mahl Jesu mit den Zwölfen (Mk 14,22-1.5) zur Regelung der Herrenmahlfeier abgefaßt und wohl schon für den Griechisch sprechenden Gemeindeteil der "Hellenisten" ins Griechische übertragen worden". Vgl. P. Stuhlmacher, Herrenmahl, 13f für eine etwas andere Sicht: IKor II,23b-25 geht - ebenso wie Lk 22, I 4-20 - "auf die wohl in Antiochien heimische protolukanische Passiol1stradition zurück". Der Überlieferungsweg der Einsetzungsberichte "führt ... von Jesus zur Jerusalemer PassiOllstradition, wie sie vor allem bei Markus bewahrt ist, und VOll dieser zur protolukanischen Passionsgeschichte, der der Paulustext in rKor II,23ff entnommen ist" (19, Anm. 17). Vgl. allerdings auch O. Hofius, Herrenmahl lind Herrenmahlparodosis, v.a. 203f, der zwar in rKor II,23 b-25 vorpaulinisches Überlieferungsgut sieht, der aber davon ausgeht, daß der vorpaulinische Überlieferungsweg dieser Tradition trotz der Versuche von Pesch und Stuhlrnaeher, ihn aufzuhellen, für uns im Dunkeln liegt. P. Stuhlmacher, Biblische Theologie, 183 ff. Vgl. 1Kor t 6,22 mit II,26; Offb 1.2,20. Vgl. H.P. RUger, TRE rrr, 607. Auch für Roloff, Kirche im NT, 73, meint Brotbrechen in Apg 2,46 das Herrenmahl.
Die nachösterliche VerweIldung VOtl Häusern in der Urgemeinde 165
'Brotbrechen' und das (paulinische) 'Herrenmahl' entstammen einer gemeinsamen Wurzel und meinen dasselbe Mahl, das auf Jesu Abschieds(passah)mahl in Jerusalem zurückgeht." 156 So ist festzuhalten, daß die Feier des Herrenmahles im Mittelpunkt der Versammlungen der Jerusalemer Hausgemeinden gestanden hat 157 • Auf diese zentrale Bedeutung des Brotbrechens für die Urgemeinde deutet ebenso hin, daß das Herrenmahl in den Hausgemeinden offenbar aIlwöchentlich 158 am Tag der Auferstehung des Herrn, wenn nicht gar täglich 159 gefeiert wurde. Zusammenfassend ist zu sagen: Es konnte nachgewiesen werden, daß alle vier Elemente (Apostellehre, Brotbrechen, Gemeinschaft und Gebete) gottesdienstlichen Charakter besitzen. Sie standen im Mittelpunkt der Zusammenkünfte der Jerusalemer Hausgemeinschaften 160. Folglich ist es berechtigt, diese häuslichen Gruppen als HausP. Stuhlmacher, Biblische Theologie I, 207. Für eine Besprechung der Überlieferungszusammenhänge und Texte, die in diese Richtung weisen; vgl. Stuhlmacher, ebd., 207ff. Vgl. auch J. Jeremias, Abendmahlsworte, r Il-I!4; LH. MarshalI, Last Supper and Lord's Supper, 1980, 76-140. Gegen H. Lietzmann, An die KorintherIlII, 1949, 55-60. 157 So auch Pesch, Apg VII, I30; Roloff, Kirche im NT, 72f; Stllhlmacher, Biblische Theologie r, 204; J. Wagner, Altchristliche Eucharistiefeiern im kleinen Kreis, 1993,38 und schon G. Dix, The Shape oE Liturgy, 1949, 16f.63. Dix hält zwei Dinge für gewiß: ,,(1) that so me sort of eucharist was held corpol'ately in the Jerusalem church from the earliest days; (2) that it was held in private houses". 158 Apg 20,7. Hier ist zwar die Rede von einer palllinischen Gemeinde in Troas, man kann aber vermuten, da(~ sie diese Praxis nich t frei erfunden, sondern von der Urgemeinde übernommen haben könnte. 159 Apg 2,4 6: Ku8' ~~epuv. Daß das Brotbrechen täglich stattfand, ist die geläufige Auslegung. Für Haenchen, Apg, I93, gehört in 2,46 KUß' 7\~lepav auch zu Kf,,(:.ivnc;. Dafür spricht ÖWKOVtU KußYJp.epwr] in 6,1. Vgl. auch G. Kretschmar, Abendmahlsfeier I, TRE T, 238; ihnen folgend J.e. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 37, der es aber offenläßt, ob die gemeinsamen Ivlahlzeitell auch täglich als Herrenmahlfeier begangen wurden. Vom Satzbau her ist ein tägliches Brotbrechen nicht zwingend. Die Frage ist, ob " täglich " sich hier nur auf die Versammlungen im Tempel bezieht; so z.B. Roloff, Kirche im NT, 74; auch vorsichtig Pesch, Apg VIr, J}2. Denlloch ist es gut möglich, daß Lukas sagen will, es habe tägliches Brotbrechen gegeben (vgl. wie schon erwähnt 6,1 und auch Apg 5,42 ulld das "tägliche" Zusammenkommen im Tempel und den Häusern, auch wenn nicht mehr vom Brotbrechen die Rede ist). Ein tägliches Brotbrechen ist auch schlicht deswegen anzunehmen, weil mall täglich Nahrung braucht. Da wir gezeigt haben, daß das Brotbrechen und das Herrenmahl dasselbe Mahl meinen, ist eine tägliche Feier des Herrenrnahis sehr gut denkbar. 160 So gesehen liegen in Jerusalem die Anfänge für den über die paulinische Mission bis hin in den Pliniusbrief nachweisbaren, zweifachen urchristlichen Gottesdienst. 156
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Hausgemeinde und Mission
gemeinden in dem von uns definierten Sinne (vgl. unseren Forschungsbericht) zu nennen. Damit ist eine wichtige Bedeutung der Hausgemeinde für die urchristliche Mission deutlich geworden. Die HGn ermöglichten den Anhängern ]esu schon von Anfang an das Feiern spezifisch christlicher Gottesdienste und die Pflege der Gemeinschaft l61 . Verkündigung und Lehre sowie einen Teil von Gemeinschaft konnte man im Tempel mehr oder weniger vollziehen und erleben. Aber die Feier des Herrenmahls war in der jüdischen Gemeinschaft überhaupt nicht möglich, sondern nur in eigenen Häusern von Gläubigen. Es ist schon oft und zurecht darauf hingewiesen worden, daß die ersten Christen auch nach ihrer Hinwendung zum Nlessias ]esus mit ihren jüdischen Landsleuten im Tempel weiterhin Gottesdienste gefeiert haben. Das hat auch unsere Untersuchung bestätigt. Es wäre jedoch falsch, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, die ersten Christen hätten sich nicht vom Rest des Judentums unterschieden. Es ist nicht zu bestreiten, daß sie zunächst innerhalb der jüdischen Gemeinschaft blieben und ihre jüdischen Mitbürger für die Botschaft des in Jesus angebrochenen Gottesreiches gewinnen wollten. Aber die kreativen und bestimmenden Aspekte ihrer Glaubens- und Lebensgemeinschaft waren gerade das, was sie von ihren jüdischen Landsleuten unterschied 162 • Sie feierten z.B. ein Mahl nach den Einsetzungsworten, das "in ihrer Umwelt einzigartig war, so einzigartig wie alles Zentrale in der Urgemeinde, das durch die Ostertatsache gegeben war"163. Es war die Gastfreundschaft einiger Hausherren und Hausherrinnen, die diese Feier des Herrenmahls, einen christ-
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Er wurde in einen für alle offenen Wortgottesdienst und eine nur für die Getauften offene gemeinsame Mahlfeier geteilt. Vgl. den Bericht Plinius d.]. X,96f und ].C. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 132-X48 und insgesamt. So schon F. V. Filson, Significance, r09; vgl. auch G. Dix, The Shape of Liturgy, X949, x6ff. Filson, ebd., X09.112. Lk verwendet das Wort utPEULS; (jüdische Sondergruppe) in Apg 24,5; 28,22, und zwar für Christen. Eine UtpeULC; zeichnet sich immer dadurch aus, daß sie alte und neue Glaubenselemente miteinander verbindet. L. Goppelt, Die apost. Zeit, 3xf., Anm. 24: "Die Vorstellung einer sakramentalen Kommunio ist dem Judentum, auch den Essenern, fremd. Wer daher das religionsgeschichtliehe Prinzip der Analogie zum letzten Maßstab macht, muß die Einsetzungsberichte entweder entgegen ihrem Wortlaut symbolisch deuten oder sie zur Kultgemeinde des sakramentalen Mahles der hellenistischen Gemeinde machen."
Die nachästerliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde r67
lichen Wortgottesdienst 164, die christliche Gebetspraxis l65 und die kraftgebende und missionarisch wirksame KOLVwvtu-Gemeinschaft166 im Rahmen ihres Hauses ermöglichte. In diesem Sinne bot die Hausgemeinde einen Rahmen an, in dem die ersten Christen schon eine gewisse innere (zunächst teils unbewußte?) Absonderung von der sonstigen jüdischen Gemeinschaft vollziehen konnten, bevor die spätere äußere Trennung stattfand 167 • Exkurs: Ein Nebeneinander von HGn in Jerusalem? Nachdem wir nachgewiesen haben, daß es sich in unseren Belegen um Hausgemeinden in dem von uns definierten Sinne handelt, können wir nun die Frage nach dem Nebeneinander von Hausgemeinden in der Urgemeinde stellen. Bis jetzt haben wir eindeutig zwei HGn ausfindig machen können, wenn auch mit unterschiedlichen Strukturen (s. u.), die beide als Treffpunkte zur Versammlung von Urchristen dienten: die im Haus der Maria und die im Haus mit dem Obergemach. Damit ist die Antwort auf die Frage, ob die ersten Christen in Jerusalem nur an einem Ort zum Gottesdienst zusammenkamen, schon gegeben168 • Der Ausdruck e:n:\ -co ulna scheint allerdings die Versammlung der Gemeindeglieder an einem Ort vorauszusetzen. Er muß aber nicht unbedingt im lokalen Sinne verstanden werden, sondern kann auch
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Wenn für die ersten Christen "der Apostel [bzw. die Apostellehre == RG] - nicht wie für alle jüdischen Sonderrichtungen der Schriftgelehrte - maßgeblich ist, bekunden sie, daß für sie die Tora im Sinne der Erfüllung durch Jesus abgelöst ist; denn der Schriftgelehrte aller Richtungen vertritt die Tora, der Apostel aber eine Person, nämlich Jesus" (L. Goppelt, Die apostolische Zeit, 29). Zur spezifisch christlichen Gebetspraxis mit ihren in der einzigartigen Gebetsanrede Jesu (Abba, Vater! J\!lk 14,36 par) begründeten und in der abendmahlsliturgisch sehr alten Formel (Maran-atha) zum Ausdruck kommenden neuen Ansätzen vgl. L. Goppelt, Die apostolische ... Zeit, 32. So haben die Christen in der jüdischen Gemeinde wohl nicht beten können. Die endzeitliche Lebensweise der Jerusalemer Christen ist "in sich neuartig". In deren Umwelt gab es "nur entfernte Vorbilder", man vergleiche ·die Synagoge oder·die Essener (vgl. P. Stuhl macher, Weg, Stil und Konsequenz, 1981, II4). Nach Lukas setzen die Apostel das von Jesus begonnene Werk der Sammlung des endzeitlichen Israel fort. Deshalb bezieht die Urgemeinde den Gottesvolkgedanken auf sich lind nimmt es in Kauf, sich von den nicht zur Gemeinde gehörenden Juden zu unterscheiden. In Apg r 5,16ff wird die Israelverheigung dann sogar ganz auf die Christengemeinde bezogen. Es wäre höchstens in der Anfangszeit im Tempel möglich gewesen, sich an einem Ort zu treffen und, wie wir sahen, scheint die Gemeinde das praktiziert zu haben (s. S. 157).
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Hausgemeinde und Mission
im Anschluß an das hebräische ln) etwa mit "Versammlungsgemeinschaft" übersetzt werden. E:rtl --co cdrc6 ist sehr schwierig zu deuten - deshalb gehen wir kurz auf seine Auslegungsgeschichte ein. Der Ausdruck wird von Bauer grob mit "an derselben Stelle, beisammen, zusammen" definiert l69 . Er begegnet im klassischen und populären Griechisch, ist aber häufiger in der jüdischen und christlichen Literatur belegt. V.a. in der Septuaginta wird der Ausdruck oft gebraucht 170 , was einen jüdischen Hintergrund für den christlichen Gebrauch nahelegt (s. Anm. 80)171. Der Ausdruck ist ein semitechnischer Begriff geworden 172• Ähnlich wie das Qumran-Idiom 1n)) nW1J (sich einer Gemeinschaft anschließen oder der Gemeinde gehören) nahm der Ausdruck in der christlichen Literatur die Bedeutung "in Eintracht/Einheit", "in der Gemeinde" oder "in Gemeinschaft" an. C. Schedl kommt auch mit Verweis auf die Redeweise der LXX (v.a. Ps 134,1) und der Qumrangemeinde (v.a. in der "Gemeinderegel ") zum gleichen Ergebnis: erd --co au--c6 (Sein auf-dasselbe-hin) sei die Übersetzung für das hebr. Substantiv ln) (Gemeinschaft, Einheit) und das Verbum 1nm (sich vereinigen, als Gemeinschaft zu einem bestimmten Akt zusammentreten) 173. Auch für M. Dömer ist der Ausdruck eine semi-technische Bezeichnung für got169 170
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Bauer-Aland", 1.48.5 84. Bauer macht aber auch darauf aufmerksam, daß der Ausdruck von Kontext zu Kontext unterschiedlich akzentuiert werden muß. Vgl. z.B. Ps 2,2; 33,4; 3 Macc 3,1. Eine Liste weiterer Stellen in den Psalmen bei Haenchen, Apg, 193, Anm. 4. M. Wilcox, The Semitisms of Acts, 94-98. Hier folgt Wilcox z.T. W.F. Howard, Semitisms in the NT, 192.9, Vol. II Accidence and Word Formation, 473, der 'Vorschlägt, daß der Ausdruck mit "in churcb" übersetzt werden könnte und weist auf die Parallelität zwischen ev I:KKATjOf!~ und 1:11:11:0 aU1:o in rKor H,18.2.0 hin mit der Folgerung, die beiden Ausdrücke seien synonym. J.T. Forestell, Targumic Traditions and the New Testament, 1979, 103, verweist auf e11:1 1:0 aU1:o als Kennzeichen der eKKATjo(a auf Tg Ex 19,I. Die Annahme von Howard und Wilcox wird durch die Beobachtung unterstützt, daß für Apg 2.,47 Handschrift D die Erweiterung ev 1:TI eKKATjoiq: bezeugt. Howard vermutet hier ursprünglich eine auslegende Glosse durch einen Schreiber, der erkannte, e11:l 1:0 alno bedeutet "in der Gemeinde". Vgl. auch H.J. Cadbury, Luke-Translator or Author?, Am. Journal of Theol. 2.4, (r920), 454; W. Rordorf, Gottesdiensträume, ZNW 55 (1964), 114, der auch auf den semitischen Hintergrund des Ausdrucks hinweist und ihn mit "Versammlungsgemeinschaft" wiedergibt. WiJcox, ebd., 94-9 8. Die Einsichten von WiJcox werden von M. Black, An Aramaie Approach to the Gospels and Acts, I967, 10 bestätigt. Ihm folgend Haenehen, Apg, 193, Anm. 4; I94, Anm. 3. Als sich der Pfingsttag erfüllte. Erklärung der Pfingstperikope Apg 2.,1-47, 1982., )2.-57·
Die nach österliche Verwendung von Hät/sem in de/' Urgemeinde 169
tesdienstliche Versammlungen und s.E. denkt Lukas mit bü La Ulm) an die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde 174 • Der Ausdruck wurde bis zum 3. ]h. n.Chr. weiterverwendet, und diese Verwendung kann zur Klärung der Bedeutung bei Lukas beitragen 175 • Durch Untersuchungen des Gebrauchs des Ausdrucks bei den apostolischen Vätern 176 konnte E. Ferguson das Gespräch einen Schritt weiterführen 177• Aufgrund der Beobachtung, daß der Ausdruck bei ihnen die öffentliche oder gemeinsame Versammlung Jer Gemeinde im gottesdienstlichen Zusammenhang meint, schlägt er die Übersetzung "in der Versammlung" vor und weist auf die technische Natur des Ausdrucks hin. Auch B. Metzger betont: Der Ausdruck "acguired a quasi-technical meaning in the early church ,,178 und schlägt die Übersetzung "in church fellowship", zu deutsch: "in gottesdienstlicher Gemeinschaft", vor. Wir fassen zusammen: btl La ulno muß von Kontext zu Kontext unterschiedlich übersetzt und braucht nicht unbedingt im lokalen Sinn gefaßt werden. Der Ausdruck meint aber generell "die (an einem Ort) zum Gottesdienst versammelte Gemeinde"179. Es wird vom jeweiligen Kontext deutlich, daß Lukas den Ausdruck in der Apg bewußt für die Versammlung der christlichen Gemeinde verwendet, entweder als eine versammelte Gemeinschaft (an einem Ort) 180 oder als die christliche Gemeinde insgesamt (vgl. Apg 2,47). Es ist des weiteren nicht anzunehmen, daß die ]erusalemer Christen sich nur in diesen ebengenannten zwei Häusern trafen, denn Lukas berichtet von einer sehr schnell wachsenden Gemeinde (vgI.
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Das Heil Gottes, I43. Dies ist \'.a. für Apg 2,1 zutreffend, am Festtag, einem Sabbat. Vgl. zu den Stellen bei den apost. Vätern, Justin, I Apol 67; Origenes, de orat. 3 1 ,5 . I CI em 34,7; Ign Eph 5,3; 13, I; Mag 7,1; Phil 6,2; Barnabasbr 4,10. Vgl. schon A.A. Vazakas, Is Acts I-XV. 35 a Literal Translation from an Aramaic Original?, JBL 37 (I918), lOS-lIO. "When You ComeTogether": Epi Ta Auto in Early Christian Literature, RestQ r6 (1973), 202-208. A Textual Commentary on the Greek New Testament, 265. Diese Deutung des Ausdrucks gilt für Apg 1,15; 2,1.47; IKor II,20; 14,23. Vgl. aber R. Pesch, Apg VII, I02, Anm. 13, der den Ausdruck nicht als terminus technicus versteht. Vgl. R. Pesch, Apg VII, 87: "am gleichen Ort; zur Gemeinde versammelt" mit Verweis auf rQS 5,12; 8,12. Vgl. Apg 1,15; 2,1 (IKor 11,20; 14,23). In Apg 2,44 muß der Ausdruck als die versammelte Gemeinschaft an verschiedenen Orten gedacht werden.
Hausgemeinde und Mission
Apg 2,4J.47; 4,4; 5,14; 6,7). Selbst wenn er mit der Angabe von (Apg 2,41) bzw. 5000 (Apg 4,4) übertrieben haben sollte, hätten auch für nur ro% dieser Anzahl zwei Häuser allein nicht gereicht181 • 3000
Hier ist allerdings zu fragen, ob Lukas mit seinen Zahlenangaben tatsächlich so stark übertrieben hat, wie es im allgemeinen angenommen wird. Das Hauptargument gegen die historische Zuverlässigkeit der lk. Angaben zur Größe der Urgemeinde besteht in ihrer angeblichen Unvereinbarkeit mit der angenommenen Einwohnerzahl der Stadt Jerusalems Z.Z. Jesu. Die meisten Kommentatoren gehen heute immer noch von den Ergebnissen der älteren Arbeit von J. Jeremias aus, der die Bevölkerung Jerusalems auf 25000-30000 geschätzt hat 182 • Neuere Untersuchungen kommen auf Grund von demographischen Studien antiker Städte und Überprüfung vieler Faktoren, die die Dichte der Einwohner beeinflußten, zu einem viel höheren Ergebnis in Hinblick auf die Einwohnerzahl Jerusalems im 1. Jh. 183 Der wirtschafliehe Aufschwung, der sich damals auch in Jerusalem bemerkbar machte, ist in diesem Zusammenhang u.a. von Bedeutung. W. Reinhardt stellt nach Überprüfung dieser neuesten Untersuchungen fest, daß eine Einwohnerzahl von 60000-120000 (eher in Richtung 120000j eine viel realistischere Einschätzung der Lage darstellt 1H4 • Er betont: " ... the dominant argument against the historical plansibility of Luke's figures - the alleged small population of Jerusalem at the time - can no longer be considered valid"18S. Außerdem sind diese Zahlen von Lukas ohnehin nicht als genaue Angaben gemeint (vgl. oftmals waEi)186. Sie sind aber
181 182 183
184 185 186
Vgl. auch]. Ysebaert, Die Amtstermino]ogie im NT und in der Alten Kirche, 1994, 87· Jerusalem zur Zeit Jesu, !962, 96ff; ders., Die Einwohnerzahl Jerusalems zur Zeit Jesu, ZDPV 66 (1943),24-3 I. Vgl. die Zusammenfassung bei ·W. Reinhardt, The Population Size of Jerusalem, 1995,237-2.65. Dieser Aufsatz ist die Übersetzung des 4- Kapitels seiner Dissertation: Das Wachstum des Gottesvolkes, ~992.. Vgl. auch ders., Das Wachstum des Gottesvolkes, Göttingen I995. Reinhardt, The Population Size of Jerusalem, 263ff. Ebd., 238. Vgl. z.B. Apg 1,15; 2.,41; 4,4 [WS]; 19,7). Dazu c.K. Barrett, Acts I, I994, 96: " ... we are not dealing with aperiod in which precise numerical records were made and kept".
Die nach österliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde
171
ebensowenig als reine Fiktion abzutun, denn sie bewahren wenigstens die Erinnerung, daß die Gemeinde ziemlich bald über die Kapazität eines einzelnen Treffpunkts hinausgewachsen ist 187 • Man muß auch nicht annehmen, daß es 3000 Fälle einer persönlichen Entscheidung waren, die in jedem Fall eine radikale Bekehrung zu einer neuen Religion voraussetzen l88 • Es ist zu bedenken, daß Palästina zu der Zeit eine "Oikosgesellschaft" darstellte und daß es sich hier um "Haus bekehrungen " gehandelt haben kann. So gerechnet wäre man in der Urgemeinde sehr viel schneller bei einer größeren Anzahl von Mitgliedern gewesen l89 • Vor allem die ausdrückliche Betonung der KOLvwviu der Gemeindeglieder und deren Mahlfeiern Km' otKov in Apg 2,42.46 legen die Verwirklichung des hier Erzählten in- mehreren Hausgemeinden nahe l90 • Erstens: Die Formulierung KU-t' olKov(Apg 2,46; 5,42) kann als zusätzliches Indiz für eine Mehrzahl von Treffpunkten angeführt werden. Dieser Ausdruck wird hier distributiv zu verstehen sein l91 und meint, daß die Christen sich in verschiedenen Häusern trafen!92. Zweitens: Schon der äußere Verlauf und der familiäre Charakter der 187
188 189
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192
Vgl. C.K. Barrett, Acts I, 159.162 "The number may be traditional; there is no reason why a considerable number should not have accepted - in addition to a foundation in Jewish religion which may be assumed - the Messaiahship of Jesus, and done so to the accompaniment of a good deal of religiolls exitement." Mit C.K. Barrett, Acts I, 159. Apg 2,4 1 sagt von diesem Verständnis nichts, schließt es aber auch nicht aus. Wenn man hier VOll einer Hausvorstand-Evangelisation ausgeht, wäre folgendes Szenario unter der Voraussetzung, daß in einem Oikos ein Durchschnitt von IO20 Mitgliedern (ihren Frauen, Kindern, Sklaven, Freunden, Klientel usw.) gelebt hätten, denkbar: wenn ISO Hausyorstände sich entschieden hätten, wären wir schon bei 1500-3000. Daß sich IS0 Hausvorstände in einer Stadt wie Jerusalem mit einer Einwohnerzahl eher in Richtung Yon 120000 bekehren würden, ist keine phantastische Vorstellung. Vgl. schon]. Wieland, Mensa und Confessio, 1909, 30. Bauer-Aland", 825, "in den einzelnen Häusern". L.M. White, God's House, 1°3, Anrn: 7, schlägt "at horne" vor, was eher ein lokales Verständnis des Ausdrucks wäre. Diese Überserzung "would be more consistent with the inferred customary action in Acts 12,J2 as weil as with the pauline usage ... This seerns co be more in keeping with the distinction being made in Acts between the private gathering 'at horne' versus the public worship 'in the Temple"'. Dennoch bleibt die Norwendigkeit eines Nebeneinanders der HGn in der Jerusabner Urgemeinde. Das betont White ebenfalls (God's House, 104). Vgl. auch unseren Abschnitt in Kap. IV über das Nebeneinander von Ortsgerneinde und HG. Der Codex D setzt in 2,46 sogar den Plural Km;' OiKOUC;.
17 2
Hausge111einde und i\1ission
Mahlfeier war auf die privaten Innenräume eines Hauses angewiesen 19J • Eine Mahlfeier verbunden mit 5ättigungsmahlzeit setzt voraus, dag eine Küche, ein Eg- bzw. Wohnzimmer und gegebenenfalls ein Tisch usw. zur Verfügung stehen. Nach allgemeiner Auffassung bedeutet KOLVü)vlU hier u.a. das familiäre Zusammensein der einzelnen Gemeindeglieder. Die Voraussetzung für diese Art von Gemeinschaft ist die Überschaubarkeit der zu der Gruppe gehörenden Glieder, lind sie wäre in einer Hausgemeinde gegeben. Diese Annahme einer Mehrzahl von HGn wird ebenfalls durch die folgenden Beobachtungen unterstützt: a) In Apg 8,3 dringt 5aulus in die Häuser Jerusalemer (8,Ib) Christen ein, um sie zu verhaften 194. Hier ist anzunehmen, daß 5auIus nicht aufs Geratewohl irgendwelche Häuser aufsuchte, sondern gerade die Privathäuser, in denen er christliche Gottesdiensträume vermutete, um die Christen bei ihren Versammlungen in flagranti delicto zu ertappen 195 • 50 wird erkennbar, daß schon vor der Bekehrung des Paulus (32/34) eine Mehrzahl von HGn in Jerusalem existierten. b) Ein weiterer möglicher Hinweis für eine Mehrzahl von HGn in der Jerusalemer Urgemeinde findet sich auch noch später in einem Wir-Bericht des Lukas (Apg 21,16). Im Frühjahr 57 n.Chr. reisten Paulus und seine Begleiter mit der Kollekte von Caesarea nach Jerusalem. Bei ihrer Ankunft in ]erusalem werden sie von dem Zyprer
So schon F. Wieland, Mensa und Confessio, 19°6, 29: "Gleichwie das 'Passahmahl von jeher ein Familienmahl war, so auch die christliche Agape" (s. auch u. ). 194 LUUAOe; oE: i:1,u~lu(ve"to "tT)V EKKAl']ofuv KU"tCt "toue; OrKOUe; Eio:r
Die nach österliche Verwendung von Häusern in der Urge111einde I73
Mnason in dessen Haus gastfreundlich aufgenommen l96 • WenlJ PauJus und seine Begleiter im Haus des Mnason untergebracht und von den "Brüdern" dort empfangen werden konnten, setzt das einen etwas größeren Versammlungsraum voraus. Es ist daher gut möglich, daß das Haus als Treffpunkt für eine der Gruppen in der Jerusalemer Gemeinde diente. Der Hinweis auf "die Brüder" (also Mnason und seine Glaubensgenossen) könnte andeuten, daß eine Gruppe in Verbindung mit Mnason stand l97 , die sich bei ihm regelmäßig versammelte. Wenn man bedenkt, dag Mnason "ein Jünger der Anfangszeit" gewesen ist, könnte es sogar sein, daß er sein Haus auch schon von Anfang an der Gemeinde zur Verfügung gestellt hatte. cl Auch die Tatsache, daß es damals gelang, schon nach einem oder zwei Jahren in Jerusalem so viele griechischsprechende Juden für das Evangelium zu gewinnen, daß eine eigene Gottesdienstgemeinde gegründet werden mußte (Apg 6,Iff)198, wird als Hinweis auf mindestens zwei HGn zu deuten sein, nämlich eine mit Gottesdienst in griechischer und eine in aramäischer Sprache. . Auch auf Grund des religionsgeschichtlichen Analogieschlusses von der Organisation der jüdischen Gemeinschaft in Jerusalem, sollte man mit der Existenz von verschiedenen christlichen HGn inJerusalem rechnen, selbst wenn kein direkter literarischer Anhaltspunkt vorhanden wäre. Solche Hausversammlungen waren im damaligen Jerusalemer Judentum vermutlich nicht ungewöhnlich, denn es war die Zeit des sprunghaften \Vachstums von Synagogengemeinden. So gab es eine Mehrzahl von Synagogen in Jerusalem vor 70 n.Chr. J99 ,
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Das Passiv v.on sEvf1;w bedeutet "beherbergt werden, als Gast wohnen"; vgl. Apg ro,6.r8.p.. Wahrscheinlich waren sie "hellenistische" Judenchristen, bei denen die Heidenchristen sich eher als sonst irgendwo in ]erusalem wohlfühlen würden. Vgl. M. Henge1, Jakobus der Herrenbruder, 1985,95; F.F. Bruce, Men and Movements, 1979, 105; R. Pesch, Apg Vh, 219; Etwas anders W. Schmithals, Paulus und Jakobus, I963, 72: "Es kann nur die Jerusalemer Gemeinde als solche gemeint sein, die Paulus durch ihre bei Mnason anwesenden Glieder freundlich empfing." Vgl. M. Hengel, Ursprünge der christlichen Mission, 30f. In den rabbinischen Quellen wird behauptet, Jerusalem habe 480 Synagogen (jMeg 73d), 460 (jKetr 35c), 394 (bKet rosa) und Bethar 400 Lehrhäuser (bGit 58a) gehabt. Auch wenn diese Zahlen übertrieben sein dürften, wird aus ihnen "die Bedeutung der neuen, hauptsächlich VOIll Pharisäisllllls geförderten Bewegung zur Sammlung kleiner Gruppen ersichtlich": Roloff, Kirche im NT, 72. Es ist auch die Sicht der Mehrheit der Forscher heute, daß die Synagoge bis zum 1.
174
Hausgemeinde und lviission
möglicherweise überwiegend in der Form von Haussynagogen 200 • Da die Gläubigen in Jerusalem aus dem Judentum stammten, ist es naheliegend zu vermuten, daß sie ihre Gemeinden ähnlich organisiert hätten, nämlich als Hausgemeinden. Es ist auch durchaus möglich, daß die Judenchristen, die früher ihre Häuser ganz oder teilweise synagogalen Gemeinden zur Verfügung gestellt hatten, nun als Nachfolger Christi Patrone einer Hausgemeinde wurden und ihr Haus in gleicher Weise von der christlichen Gemeinde als Versammlungsra um verwenden ließen 20I . Vielleicht ist Maria, die Mutter des Johannes Markus, ein Beispiel einer solchen Patronin. Es ist also deutlich geworden, daß schon in der Urgemeinde ein Nebeneinander von Ortsgemeinde und Hausgemeinden zu konstatieren ist. Als Ortsgemeinde sind wenigstens einige der ersten Christen im Tempel zusammengekommen. Es existierte ebenfalls die Haus-gemeinde im Obergemach. Sehr bald aber (wohl gleich nach Pfingsten) ist dieses eine Haus mit seinem Obergemach zu klein geworden, und die Christen mußten in andere Häuser ausweichen. Neben dieser Hausgemeinde ist mindestens noch eine zweite Hausgemeinde im Haus der "hellenistischen" Maria entstanden. Zusätzlich zu diesen bei den HGn ist mit der Entstehung einer ganzen Reihe von anderen HGn zu rechnen, deren Anzahl nicht mehr ausfindig zu machen ist 202 • 2.
Die Hausmission
Nun wollen wir uns mit der missionarischen Situation der Jerusalemer Gemeinde und der Bedeutung der HGn in diesem Zusammenhang befassen. Jh. n.Chr. sowohl in der Diaspora als auch in Palästina ein weitverbreitetes Phänomen gewesen ist. Für den gegenwärtigen Stand der Forschung vgl. W. Schrage, avvaywyij, ThWNT VII, 798-839; J. Gutmann, Ancient Synagogues. The State of Research, 1981; S. Safrai, The Synagogllc, CRI Ih, I976, 908-944; L.I. Levine, Ancient Synagogues Revealed, 1981; ders., The Synagogue in Late Antiquity, 1987; R. Riesner, Synagogues in Jerusalem, in: The Book of Acts IV, I995, I792II (weitere Lit!). Diese Sicht ist allerdings nicht unumstritten. Vgl. die Auseinandersetzung zwischen Kee und Oster und dazu S. 56, Anm. 21. 2UO Vgl. auch hier S. 54ff, Anm. 19,20 und 2r. 201 B.B. Blue, Acts and the House Church, 1994, 136. 202 Selbst bei einer extrem konservativen Schätzung der Größe der Jerusalemer Urgemeinde auf ca. 500 und einer Dllrchschnittsgröße der einzelnen HGn auf 20-30 wären es insgesamt zwischen 15 und 25 HGn.
Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 175
Im folgenden wird noch die Sicht der urchristlichen Mission von ]. Jeremias vertreten, wie er sie in etwa schon 1956 in "Jesu Verheißung für die Völker" darstellte. Allerdings wird diese Sicht inzwischen v.a. von P. Stuhlmacher stark in Frage gestellt203 • Auf Grund einer diachronischen und zugleich synchronischen Analyse zeigt sich, so Stuhlmacher, daß Matthäus in 28,16-20 eine alte judenchristliche Überlieferung aufgenommen und zum programmatischen Schluß seines Evangeliums ausgearbeitet hat. Sie geht von der Erhöhung Jesu zum Menschensohn aus und nimmt die Erwartung der endzeitlichen Wiederherstellung Israels (vgl. Ps 80) und Zuwendung der Völker zum Zion (vgl. Ps 87) auf, wie sie beim Laubhüttenfest gepflegt wurde. Die Jünger des erhöhten Christus sollen der Erfüllung dieser Erwartung den Weg bereiten, indem sie das Evangelium unter allen Völkern (inklusive Israels) verkündigen. Wie wir sahen, hat Jesus seine Jünger vor Ostern v.a. zu den verlorenen Schafen Israels (Mt IO,5f.23) ausgesandr2° 4 • Nach Ostern wird der alte Sendungsauftrag erneuerr2°s, und so setzen Petrus und die Zwölf Jesu Werk der Sammlung Israels fort (vgl. Mt 15,24 mit Lk 15,3-7 )206, und zwar in der Heiligen Stadt, dem Ort der nahe bevorstehenden end zeitlichen Parusie des Menschensohnes. Dabei war es für sie selbstverständlich, daß sich ihre Mission in dem Brennpunkt Jerusalem 207 , wo das Volk Israel bei den großen Wallfahrtsfesten 203 204 205
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207
Zur missionsgeschichtlichen Bedeutung von Mt Z8,16-:1.O, EvTh 59 (1999), 10813°· Vgl. Lk ro,l-lZ und Mk 6,6-13 par; (s. auch 0. Kap.II). Vgl. dazu lVI. Hengel, Ursprünge der urchristlichen Mission, 34-37. Vgl. lKor 15,5-7; R. Pesch, Voraussetzungen und Anfänge urchrisrlicher Mission, 17-45, v.a. 30f; P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 2Xlf; M. Hengel, Ursprünge der urchristlichen Mission, 3 zff, der zu Recht auf die Geschichtlichkeit der Sendung der Jünger durch den Auferstandenen und damit des Amts des Apostels hinweist. Paulus bestätigt, daß sich die maßgeblichen Galiläer noch zwischen den Jahren 35-40 gewöhnlich in ]erusalem befanden (Gal. 1,r8; IKor 15,5; vgl. Apg 1-6; 1of; 12). So auch L. Goppelt, Die apost. Zeit, 19.23. Für die Bedeutung Jerusalems für die Mission der ersten galiläischen Jünger und die Urgemeinde vgl. M. Hengel, Zwischen .Jesus und Paulus, 174; ders., Ursprünge der christlichen Mission, 3 rf. Hengel weist zu Recht darauf hin, daß die Rückkehr der Jünger von Galiläa nach ]erusalem kurze Zeit nach den ersten Erscheinungen für die Historizität einer aktiven Mission in Israel spricht (vgl. u. Exkurs: Auseinandersetzung Hengel/Haenchen).
Hausge11leinde und Mission
zusammenströmte, bis zur (in Bälde erhofften) Ankunft des Messias auf die Judenschaft konzentrieren sollte208 • Die Heiden 'würden bei der endzeitlichen Völkerwallfahrt zum Zion am Heil teilnehmen können 209 • Aus diesen Gründen stellte sich zu diesem Zeitpunkt in Jerusalem das Problem der Mission unter den anderen Völkern noch nicht. Uns geht es hier deswegen noch nicht um die Frage nach dem Übergang zur Heidenmission 21O • In diesem Abschnitt wird lediglich nach der Funktion der Häuser im Rahmen der (Juden-)Mission der Anfangszeit gefragf ll . Der Begriff Mission hat ein breites Bedeutungsfeld. Ohne uns auf eine ausführliche missionswissenschaftliche Diskussion einzulassen 212 , reicht es für unsere Studie, Mission so zu definieren: als die aktive Bemühung, Nichtgläubige zur nian; Ei<; . hlooiiv XpLOLOV, "zum Glauben an Jesus Christus", zu führen 213 • Wir wollen an dieser Stelle lediglich auf drei Dimensionen der Mission aufmerksam machen: die missionarische Predigt; Mission durch das gegenseitige Gespräch; die missionarische Wirkung durch das christliche Leben. In diesem Zusammenhang wird deutlich, daß strukturelle Unterschiede bestehen zwischen einer MiSSIon einerseits, in der Menschen ausgesandt werden, die dann hingehen und durch Predigen missionarisch aktiv werden, und der missionarischen Ausstrahlungskraft einer Lebensgemeinschaft anderseits, die eher darauf wartet, daß andere Menschen auf sie zukommen, um nach dem Grund ihres Soseins zu fragen 214 • Interessant für uns ist die Frage, inwiefern und auf welche Weise Häuser in diesen drei verschiedenen Dimensionen der Mission eine Rolle gespielt haben.
208 209
210 211 212 213
214
Vgl. Jes 56,1-8; M. Hengel, Ursprünge der christlichen Mission, 37; P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz urchristlicher Mission, v.a. II2-Il5. Schon Jesus hat diese Vorstellung eigenständig aufgenommen. Vgl. Mt 8,uf mit Mi 4,1-4; Jes 2,2-4; äthHen 57; 90.33; PsSal 17,3 2-3 5; 4Esra 13,13. Vgl. auch J. Jeremias, Jesu Verheigung für die Völker, 1956, 47ff. S. dazu u. Abschnitt: 2.6 Von Jerusalem bis nach IIlyrien. s. S. 84, Anm. I57, auch unsere Überlegung im Forschungsbericht zur Bedeutung des Begriffs "Mission". Für eine Besprechung der Problematik vgl. O.J. Boseh, Transforming Mission, 1993,1-11. In der vorösterlichen Mission ging es darum, ganz Israel für die Botschaft der nahe herbeigekommenen Gottesherrschaft zu gewinnen. Vgl. A. v. Harnack, Mission und Ausbreitung I, 5-IIO.
Die nach österliche Verwendung von Häusem in der Urgemeinde 177
Im Grunde genommen wissen wir kaum Genaues von einer nachösterlichen Missionstätigkeit der Zwölf insgesamt. Nur von Petrus und dem Zebedäiden ]ohannes erfahren wir konkret, daß sie zunächst in ]erusalem öffentlich gepredigt haben 215 • Bei diesen öffentlichen Predigten spielen aber Privathäuser in den uns erhaltenen Überlieferungen der Jerusalemer Urgemeinde keine Rolle. Daß die Apostel in Häusern missionarisch gepredigt haben, ist zwar in Apg 5,42 belegt. Da die Predigt dann aber im Rahmen eines Privathauses gehalten wurde, kann sie nicht mehr als eine rein " öffentliche " Predigt bezeichnet werden. Auch wenn es für die ]erusalemer Urgemeinde nicht klar belegt ist, kann angenommen werden, daß die ersten Christen auch im Rahmen ihrer Häuser missionarisch tätig gewesen sind. Die Versammlungen der Urgemeinde, wie sie von Lukas geschildert werden (vgl. Apg 2,46; 3,1-10; 5,42), zeugen von einer sehr starken missionarischen Initiative der AposteF16. Der stärkste Antrieb für die Verbreitung des Glaubens liegt schon in der Botschaft selbst begründet. Es ging zunächst um ganz Israel (Apg 4,10), das allein durch diese Botschaft gerettet werden konnte (Apg 4,IIf)217.Die schnelle Ausbreitung, die von Lukas vorausgesetzt wird, war wohl dadurch möglich, daß sowohl öffentlich gepredigt wurde, als auch dadurch, daß jeder Glaubende in seiner unmittelbaren Umgebung missionarisch durch Gesprächs- und Lebensweise positiv gewirkt hat2J8 • Hier ist auf die Auseinandersetzung M. Hengels2J9 mit M. Dibelius und E. Haenchen hinzuweisen. Haenchen hat im Anschlug an Dibelius die Sicht vertreten, daß die ersten ]erusalemer Christen nicht öffentlich missionierten, sondern vielmehr "ein stilles, auch in jüdischem Sinne ,frommes' Leben" geführt haben 220 • Die Ausbrei-
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Apg 2,1-4 1; 3,I-IO.IIff. In Apg 5,42 ist allerdings die Rede davon, datS "die Apostel" nicht aufgehört haben, alle Tage im Tempel das Evangelium von jeslls Christus zu predigen. Vgl. .lvI. Hengel, Die Ursprünge der christlichen Mission, v.a. ;0: "Der missionarische Eifer dieser noch jungen Gemeinde ist unllbersehbar." Vgl. hierzu L. Goppelt, Die apostolische Zeit, 24ff.40.59f. So kann man auch Apg 4,29b.3 1C verstehen. Hier zielt die Bitte auf Verleihung der Fähigkeit an die "Diener des Herrn" (= alle Männer und Frauen in der Gemeinde; vgl. 2, [8), daß sie mit "Freimut" Gottes Wort missionarisch reden können. Zum historischen Wert der Stelle vgl. R. Pesch, Apg V/I, 173 ff. Die Ursprünge der christlichen Mission, v.u. 3of. E. Haenchen, Apg I9of.252; vgl. 22[; hier zitiert Haenchen M. Dibelius, Aufsätze zur Apg, 1953, 109.
Hausgemeinde und Mission
tung des Evangeliums sei nur "in der Stille persönlicher Begegnung von Nlensch zu Mensch" vor sich gegangen. Erst die Auseinandersetzung mit den Hellenisten habe diesen Zustand verändert. Dagegen Hengel: "Diese Meinung wird durch die einfache Tatsache widerlegt, daß es damals gelang, in der relativ kurzen Zeit von vielleicht ein oder zwei Jahren in Jerusalem so viele griechischsprechende Juden zu gewinnen, daß diese eine eigene Gottesdienstgemeinde gründen mußten. Das war kaum durch vereinzelte, stille Gespräche, sondern nur durch echte missionarische Aktivität möglich ... ,,221 Aus unserer Sicht schließt das eine das andere nicht aus 222 • Beides zusammen, die öffentliche Predigt und das Gespräch mit einzelnen Nlenschen, verbunden mit einer attraktiven Lebensweise, trugen zu einer schnellen Verbreitung der Botschaft bei.
a) Mission im gegenseitigen Gespräch Diese missionarische Haltung, zu der sich jeder gerufen wußte, wurde vermutlich durch das "sodal setting" bzw. durch die unmittelbare Oikos-Umgebung der ersten Christen besonders wirksam223 • Der antike Oikos mit seinem "Netz der Beziehungen" bot eine günstige Gelegenheit für missionarische Kontakte. Es ist gut denkbar, daß die christliche Botschaft in diesem Kontext von Person zu Person (bzw. von Hausvater zu Hausvater; von Sklave zu Sklave) weitergegeben wurde 224 . Hier hätten z.B. Einladungen zu Mahlzeiten in den Häusern eine Situation geschaffen, um Kontakte zu knüpfen. Die ersten Christen werden ebenfalls Lehr- und Glaubensgespräche in kleinen Gruppen bei sich zu Hause geführt und so von Haus zu Haus evangelisiert haben225 • Einige der an Pfingsten durch die Predigt des Petrus zum Glauben Gekommenen können Hausherr(inn)en gewesen sein. Es ist denkbar, dafS sie einen der Apostel oder der Evangelisten Ursprünge der christlichen Mission, 30t Mit "echte missionarische Aktivität" meint Hengel hier wohl die öffentliche Predigt durch "offiziell" ausgesandte MisSIOnare. 222 Gegen Dibelius und Haenchen spricht die Tatsache, daß die öffentliche Predigt der ersten Christen in zuverlässigen Texten belegt ist (s. S. 177, Anm. 215). Das Argument von Hengel, daß die Voraussetzung einer schnellen Verbreitung des Evangeliums die öffentliche Predigt sei, ist missionsgeschichtlich nicht haltbar (vgl. nur das schnelle Wachstum der Christengemeinde trotz der Unmöglichkeit der öffentlichen Predigt in China nach der kommunistischen Machtergreifung. 223 Ahnlich L. Goppelt, ebd., 60. 224 So auch Haenchen, Apg, 252.. 225 L. Goppelt, ebd., 2+ 221
Die nach österliche Verwendung von Häusern in deI' Urgemeinde 179
zu sich eingeladen haben226 , damit ihr ganzes Haus die frohe Botschaft hören konnte, was eine Art Hausmission gewesen wäre. Allerdings sind wir bei dieser Rekonstruktion überwiegend auf unser soziohistorisches Oikos-Modell angewiesen. Es fehlen Texte, um ein solches Vorgehen in der Jerusalemer Urgemeinde zu belegen, aber eine gute Analogie bietet Apg 10,23-48.
b) Mission durch die Lebensweise Daß die ersten Christen in den und durch die HGn von ihrer Lebensgemeinschaft aus auch missionarisch gewirkt haben, wird im folgenden erkennbar. Wir setzen bei der Feststellung an, daß die Urgemeinde in Gemeinschaft (ev KOlV(j)V(~) aller miteinander blieb 227 . In der ständig wachsenden und relativ großen Gemeinde boten die Häuser einen familiären Rahmen228 • Die praktische Voraussetzung für die Verwirklichung dieser familiären Gemeinschaft nach innen war die Möglichkeit, sie in kleinen Gruppen zn erleben (s. S. 171). In einer HG, die etwa 20-"30 Personen umfaßte, war es möglich, sich gegenseitig zu kennen, und man fühlte sich dementsprechend verbunden. Nur in einer solchen Hausgemeinde konnte man im praktischen Sinne wirklich "ein Herz und eine Seele" sein (Apg 4>32). Dort allein konnte einer den anderen kennen, jeder mit jedem persönliche Beziehungen pflegen und füreinander auch in materieller Hinsicht einstehen. Diese Gemeinschaft, wie sie in den Hausgemeinden Jerusalems erfahren wurde, hatte umgekehrt auch ihre Wirkung nach augen. Eine Voraussetzung dafür war wiederum der Oikos, in dem dies alles sichtbar werden konnte. Dazu gehört architektonisch der Ruum, aber auch soziologisch die Familie(n) des Oikos. Beide sind notwendig für dieses "Sichtbar-Werden". "Wie die Christen da - trotz sozialer Unterschiede - miteinander lebten, wie sie die Belange einzelner zu denen aller machten ... bewirkte, daß von ihnen eine Ausstrahlungskraft ausging, die nicht ohne Antwort blieb ... Ivlehr noch: Von diesen Gruppen ging eine Anziehungskraft aus, die andere in
226 227
228
Ähnlich wie der Gottesfürchtige Kornelius Petrus einlud (Apg Io-rr).Näheres s. S. 20r. Apg 2,4 2 ; s. auch S. 160, Anm. 127 und gleich unten für eine weitere Bestimmung dieser Gemeinschaft. Zum familiären Charakter der nr!. HGn vgl. W. Rordorf, Die Hausgemeinde der vorkollstantinischen Zeit, 1993, 76-85.
180
Hausgemeinde und Mission
ihre Nlitte führte. "229 Den engen Zusammenhang zwischen intensivem Gemeinschaftsleben und Wachstum der Gemeinde beleuchtet Apg 2,47, in dem es nach einer Beschreibung dieser KoinoniaGemeinschaft heißt: "Sie hatten Gnade beim ganzen Volle Und der Herr tat täglich solche hinzu, die gerettet wurden." Das attraktive Zusammensein der ersten Christen zog also andere in ihre Mitte. Diese Mitte bestand nicht nur in der menschlichen (von Gott gewirkten) Attraktivität der ersten Christen, sondern auch und vor allem im Wahrheitsgehalt der Apostellehre: Der Gekreuzigte Jesus ist der erhöhte Christus und der wiederkommende Herr der Welt (Apg 2,36)230. Zur Apostellehre gehörten sicherlich der Dekalog und die Weisungen Jesu. Für die Weisung Jesu ist das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe (vgl. Mk 12,28-34 par) sowie das Gebot der Feindesliebe (vgl. Lk 6,27-3 6/Mt 5,38-48) besonders typisch gewesen. Diese Gebote in Verbindung mit der Spruchreihe über das Einander-Dienen (Mk I0,42ff par) lassen die Umrisse der Lebensgemeinschaft deutlich werden, die hier in der Urgemeinde praktiziert wurden (S. S. I59f). Sie stand in starkem Kontrast zu dem sonst üblichen religiösen Leben und wirkte nicht zuletzt deswegen so anziehend auf ihre Umgebung Z3l • Zusammenfassend läßt sich ein Zwischenergebnis formulieren. Eine missionarische Bedeutung der Jerusalemer HGn liegt in dieser doppelten Bewegung: Sie waren Übungsplätze der christlichen Brüderlichkeit nach innen und Schauplätze der christlichen Brüderlichkeit nach außen. Hier muß man eher von einer missionarischen Ausbreitung des Evangeliums sprechen, die weniger von der missionsstrategischen Initiative einzelner, als vielmehr von einer Ausstrahlung der brüderlichen Liebe untereinander gekennzeichnet war. Allerdings sei hier noch einmal gesagt: Wir haben keine direkten Belege (weder hinsichtlich der Gesprächs- noch der Lebensweise) für
219 230 23]
Vogler, Bedeutung, 1982, 7 88f; Vgl. v.a. Apg 2,4z-47; 5,14; T. Lorenzen, Die christliche Hauskirche, ThZ 41 (1987),333-352, 336f. v.a. Amn q. . • . Vgl. P. Stuhlmacher, BibI. rheol. I, 2Ozf. Vgl. G. Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, 142-154.I81-188. Nur die Essener hätten den frühen Christen in Jerllsalem in diesem Bereich eine Konkurrenz sein können, und dies um~o mehr im Falle einer essenischen Präsenz in Jerusalern zur Zeit Jesll (s. S. 152, Anm. 104). Dies kann aber zugleich als Ansporn für die lfrgemeinde gewirkt haben. "Schon allein aus missionarischen Gründen konnte sich die Urgemeinde kein weniger verbindliches Leben leisten als ihre Nachbarn." So R. Riesner, Esseller und Urkirche, 76.
Die nachöstetliche Verwendung von Häusern in der Urge111einde I8 I
ein solches hausmissionarisches Vorgehen in der Jerusalemer Urgemeinde. Einen indirekten Hinweis für die missionarische Bedeutung von Häusern mag man im folgenden sehen. \'V'ie wir wissen, voJ[zog sich die Mission der Jerusalemer Urgemeinde nicht nur in der Stadt, sondern breitete sich auch auf deren nähere Umgebung aus (vgl. Apg 5,I6)232. Das läßt sich leicht erklären, zumal Mitglieder der Urgemeinde dort (z.B. in Betanien, Emmaus, Jericho) zu Hause gewesen sein dürften 233 • Denkbar ist, daß ihre Häuser Stützpunkte der Jerusalemer Mission bildeten. Außerdem ist zu bedenken, dag Lukas eher das Wirken der Apostel in aller Öffentlichkeit und das sprunghafte Wachstum der Urgemeinde durch Massenbekehrungen betont. Als Verfasser ist er dafür bekannt, daß er manches unerzählt läßt. Immerhin vermutete schon C. Weizsäcker, dag die Urgemeinde auch in Jerusalem die oben beschriebene Art von Hausmission praktiziert habe, denn die Hindernisse werden dort, etwa durch die Sorge vor den Behörden, am größten gewesen sein 234 • Nicht jeder Christ ist wohl so mutig wie Petrus und Johannes gewesen und hat lieber anstelle der öffentlichen Verkündigung die private Sphäre des Hauses und das persönliche Missionsgespräch vorgezogen 235 • Dies galt wohl' auch schon vor 32/34 durch die Verfolgungstätigkeit des Paulus in Jerusalem (Apg 8,I:-3 ). Die Tatsache, dag schon vor, aber auch nach Ostern (sowohl bei der jesuanischen als auch bei der paulinischen Mission) Häuser eine zentrale missionarische Bedeutung hatten, ist auch Grund zur Vermutung, dalS sie in der Jerusalemer Urgemeinde eine solche Rolle
Das geht aus Mt IO,23 und Apg 9>3 I-43 hervor (vgl. R. Pesch, Voraussetzungen und Anfänge, 48). Über die Existenz judäischer Gemeinden sind wir auch durch Apg 0,I.29; Gal I,22; 2Thess 2.,14 unterrichtet. Auch Mk 13,14 setzt judäische Gemeinden im Umkreis Jerusalems voraus. 233 Dafür sprechen die ausdrückliche Erwähnung der Namen in Mk I4,3-9; rO,4652 lind Lk 24,I3-35. Mit R. Pesch, ebd., 48. Vgl. auch Lk IO,38-42; Joh II,Iff; I2,2. 234 Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche, 19°2, 2~f. 235 Außerdem ist zu fragen, ob nicht die einen eher die Berufung zur öffentlichen Predigt, die anderen zur missionarischen Wirkung durch Gespräch und Leben hatten. Den Eindruck kann man von unseren Texten bekommen. Vgl. P. Stuh[macher, Weg, Stil und Konsequenz urchristlicher Mission, ! I 5: "Die Situation ... zeigt ... , daß schon in Jerusalem die Gemeinde der glaubenden Christen insgesamt von den speziell mit der Mission beauftragten Aposteln zu unterscheiden 232
ist. "
Hausgemeinde ttl1d Mission
spielten. Es spricht also vieles dafür, daß das missionarische Wirken der Urgemeinde sich auch im Privatbereich der Häuser vollzogen hat.
3. Leitungsstrukturen der] erusalemer Hausgemeinden Weder über die Entfaltung der Leitungsstrukturen in der Urgemeinde noch über die dahinterstehenden theologischen und praktischen Überlegungen wissen wir sehr viel. Auch hier ist der nd. Exeget auf die wenigen fast beiläufigen Angaben der Apg und der paulinischen Briefe angewiesen. Von diesen Angaben müssen Rückschlüsse gezogen werden, um die Ausbildung eigener Organisationsformen in der Urgemeinde zu rekonstruieren. In diesem Abschnitt beabsichtigen wir keine umfassende Rekonstruktion der Situation236 • Unsere Absicht ist es, lediglich der viel bescheideneren Frage nach der möglichen Bedeutung Jerusalemer Häuser hinsichtlich der Entwicklung dieser Strukturen nachzugehen. Als erstes ist in unserem Zusammenhang übergreifend die Feststellung zu treffen, daß in der Jerusalemer Urgemeinde zwei Perioden, die Zeit des Petrus und die des Herrenbruders Jakobus, deutlich zu unterscheiden sind.
a) Unter der Leitung des Petrus In der anfänglichen, nachösterlichen Zeit hatte Petrus zusammen mit dem Zwölferkreis eine Vorrangstellung in der Urgemeinde. Etwas von dem Wenigen, was wir über diesen Kreis aus den Evv lernen können, ist, daß er vor Ostern durch eine Setzung Jesu entstand. Die Zwölf sind von Jesus erwählt und zu den zwölf Regenten des endzeitlichen Israels, das es nach Ostern vollends zu sammeln galt, bestimmt worden und haben deshalb leitende Bedeutung in der Jerusalemer Urgemeinde gehabt. Am Anfang waren die Zwölf, mit Petrus an der Spitze, für die Leitung der Urgemeinde (Apg 1-I2 passim; vgl. Gal r,18)237 mit ihrem Zentrum im Haus mit dem Obergemach verantwortlich. So gesehen war Petrus in der Anfangszeit Leiter einer Hausgemeinde in diesem Haus und zugleich Leiter der ganzen 236 237
Vgl. dazu z.B. J. Roloff, Kirche im NT, 1993, 75-82. Perrus hatte als engster Vertrauter Jesu und als erster Zeuge der Auferstehung (IKor 15,5) im Zwölferkreis und in der Urgemeillde die vorrangige Position (vgl. für sein selbständiges Auftreten nach innen und nach augen Apg 3,1-10. 11-26; 4,8-22; 5,I-ll.I5). Mit J. Roloff, Kirche im NT, 76; vgl. auch R. Pesch, SimonPetrus, 1980, 59-65.
Die nach österliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 183
Urgemeinde. Er wird allerdings nirgends als Hausvater bzw. als Hauseigentümer des Hauses mit dem Obergemach geschildert. Dennoch läßt es sich gut vorstellen, daß Petms im Haus mit dem Obergemach beim Brotbrechen (Herrenmahl) die Rolle des Hausvaters und die Aufsicht über die Mahlfeier übernommen hat. Allerdings wäre es genauso gut denkbar, daß der Eigentümer des Hauses mit dem Obergemach diese Funktion beibehielt. Die Texte geben uns leider keine Auskunft darüber. In dieser Beziehung ist die Position des Petms etwas ambivalent - einmal ist er in Jemsalem als Leiter der Urgemeinde, ein anderes 1Ilal ist er unterwegs (s.o.). Er verhält sich eher wie ein Gemeindegründer. Jedenfalls ist Petms ganz bestimmt keine typische Hausvaterfigur gewesen, wie unser Oikosmodeli dies erfordern würde. Damit wird deutlich, daß wir es hier mit einer Hausgemeinde zu tun haben, die nicht ganz in das Oikosschema paßt, wonach der Hauseigentümer zugleich Hausgemeindeleiter bzw. der Hausgemeindeleiter zugleich Patron der Gemeinde gewesen ist. Hier stoßen wieder Zwölferkonzeption und Oikosstrukturen a ufeinander 238 • Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, daß der Hausvorstand des Hauses, zu dem das Obergemach gehörte, gar nicht namentlich erwähnt wird 239 • Wir können davon ausgehen, daß irgendjemand (Joseph von Arimathäa? s.o.) Eigentümer des Hauses war und es der Gemeinde zur Verfügung gestellt hat. Aber wir wissen nicht, ob diese Person eine leitende Rolle bzw. welche Rolle sie überhaupt in dieser Gemeinde gespielt hat. Wir können vom Oikosmodell her nur vermuten, dag diese Person irgendeine wichtige Funktion hatte, auch wenn es nur die auffällige oder unaufällige Ausübung der Aufgabe eines Mäzens bzw. Patrons der Gemeinde gegenüber gewesen ist. Ob diese Person irgendeine Aufsichtsfunktion beim Gottesdienst hatte, sagt uns der Text nicht. Nachdem die Zwölf in Galiläa alles verlassen hatten, werden sie in Jerusalem vermutlich keine Hauseigentümer geworden sein, so daß sie weder als Hausväter noch (mit Ausnahme des Perrus) als Hausgemeindeleirer in Frage kommen. Welche Funktion (wenn überhaupt eine) sie bei der Organisation der Jerusalemer Hausge238 239
Vgl. Kap. II für das gleiche Phänomen schOll vor Ostern. Vgl. allerdings Mk 14,14. Hier wird nämlich ein Hausherr für den Abendmahlssaal vorausgesetzt, was im Falle einer Identifizierung des Hauses mit dem Obergemach (Apg 1,13) mit dem Abendmahlssaal (Mk 14,15) von Bedeutung wäre. VgJ. S. 140, Anm. 55.
Hausgemeinde und lVIission
meinden hatten, wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß während dieser Anfangszeit der Zebedaide Johannes (Apg r 2,2)240, aber vermutlich auch dessen Bruder Jakobus (vgl. Apg 12,r6), eine mit der des Petrus vergleichbare, wenn auch ihm gegenüber deutlich niedrigere VorangstelJung in der Urgemeinde hatten. In die Zeit des Petrus gehörten auch noch die hellenistischen Sieben um Stephanus (Apg 6,5). In Apg 6,1 spricht Lukas von einem Konflikt über die Versorgung der hellenistischen Witwen. Da die Hellenisten nicht hinreichend in das soziale Versorgungsnetz, das von der Gemeinde der "Hebräer" organisiert wurde, eingebunden waren, standen sie vor der Notwendigkeit, ihr eigenes Versorgungssystem einzurichten. Nach J. Roloff hieß das weiter: "Die von ihnen gewählte organisatorische Konstruktion blieb im herkömmlichen jüdischen Rahmen. Das Siebenergremium entsprach nämlich der Leitungsstruktur örtlicher Synagogel1gemeinden, denen ein Gremium von sieben Ältesten vorstand14 1, und seine Aufgabe war dazu analog: Es hatte die Gemeinde nach außen hin zu vertreten und für den geregelten Ablauf ihres inneren Lebens zu sorgen. ,,242 Daß die Hellenisten ein Leitungsgremium in der Jerusalemer Urgemeinde eventuell in Analogie zur Synagoge bildeten, wird mit J. Roloff von einer ganzen Reihe von ntl. Forschern angenommen 243 . Die Frage aber, wie es dazu gekommen ist, daß sie in dieses Leitungsamt gewählt wurden, wird seltener bzw. gar nicht gestellt. Wo haben sie sich für dieses Amt bewähren können? Auch wenn es sich nicht genauer nachweisen läßt, ist durchaus möglich, wie schon L. Goppelt in Erwägung zog244 , daß einige der Sieben zunächst einmal Hauseigentümer und/oder Aufseher von bzw. Lehrer in Hausgemeinden gewesen waren. Wenn sie Hauseigentümer waren, paßt es gut zu der Beobachtung, daiS damals ein jüdischer Hausvater mit seiner Bildung und Erfahrung als Lehrer über solche Verkündigungs240 241 242
243
244
Apg I,13; 3,1.3.4.Il; 4,1.3.7.13.19.23; 8,14.17.25. Vgl. Bill. Ir, 641. Kirche im NT, 77. Vgl. z.B. M. Hengel, Zwischen Jesus und Puulus, I875, I75.180: "das Führungskollegium"; H. Schürmann, , ... und Lehrer', 1977, I37. Auch nach L. Goppelt, Die apostolische Zeit, 1966,37, bildeten die Hellenisten mit ihrem Siebenerkolleg in der Jerusalemer Urgemeinde eine Art Synagogengemeinde wie die Diusporajuden in der jüdischen Gesamtgemeinde. Dies setzt aber voraus, daß E. Schürer, S. Krauß und ihnen folgend W. Schrage mit ihrer Darstellung der jüdischen Synagoge und deren Leitullgsstrnkturen recht haben (vgl. 5.192., Anm. 2.83). Die apostolische Zeit, 35.37, allerdings ohne dies weiter zu reflektieren.
Die nachöstediche Verwendung von Häusem in der Urge111einde r 8 S
fähigkeiten, die bei einigen der Sieben belegt sind (s. u.), sehr wohl hätte verfügen können 245 • Man könnte sich folgende Entwicklung vorstellen: In den HGn haben die Sieben bzw. einige von ihnen sich als gute Aufseher bewährt und sind dort zu einer gewissen Reife bzgl. ihrer Leitungsfähigkeiten herangewachsen. So wurde die Aufmerksamkeit der Hellenisten auf deren Leitungsqualitäten gelenkt, und deshalb sind sie in Apg 6,r-6 als ihre Leiter gewählt worden. Damit hätten wir schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein Beispiel, wie die Hausgemeinden als Übungsplatz für zukünftige Führungskräfte der Gemeinde dienten 246 • Hier muJS jedoch ein Zweifaches bedacht werden: Erstens, daß die Siebenerzahl wohl auch hier für die Urgemeinde eine symbolische Bedeutung hatte. D.h. es kann nicht behauptet werden, dag es unbedingt sieben hellenistische HGn bzw. Hausgemeindeleiter gegeben haben muß, die dann auf wundersame Weise zu Leitern der Gesamtgruppe gewählt werden konnten. Wieviele HGn genau z.Z. des Ereignisses in Apg 6,r-6 existierten, wissen wir nicht. Zweitens kann auch nicht behauptet werden, daß die Sieben sich nur in HGn als Leiter hätten bewähren können. Einige waren bestimmt charismatische Prediger/Lehrer/Evangelisten (vg1. Stephanus und PhilippUS)247, die eventuell auch ganz oder teilweise unabhängig von den HGn (z.B. in den Synagogen, im Tempel, auf den Marktplätzen oder aber als Gast und Hauslehrer im Haus eines anderen 248 ) ihre Fähigkeiten entwickeln und unter Beweis hätten stellen können. Sie hätten allein wegen ihrer schon entwickelten Leitungsfähigkeiten keine Hauseigentümer bzw. Leiter einer HG sein müssen 249 • In den Zusammenhang der Petruszeit gehört auch folgende Überlegung hinein: In der Erzählung von Ananias und Saphira (Apg 5,rrr, v.a. 6.ro) ist eine Aufteilung der Gemeinde in jüngere und Altere 24S
246 247
248
249
Vgl. dazu im nächsten Kap. IV. FUson, Significance, Iuf. . Apg 6,1-3.IO.1}; 7,2-53; 8,5.26-40; 21,8. Es war in der Antike allgemein üblich, dag ein Hausherr einen Hauslehrer anstel, len oder einen Rhetoriker ins Haus für längere Zeit einladen konnte. Vgl. J. Lynch, Aristotle's School, 1972, 174f; R.F. Hock, Social Cuntext, 53ff; ihnen folgend B.B. Blue, Private and Public, 1989, 225f; Osiek und Balch, Families in the NT, 1997, 68ff.220. Wenn Bill. rr, 64I recht hat, dag die Sieben eine Art von "Ortsvorstund" waren, braucht nicht jeder von ihnen eine HG geleitet zu haben, sondern es ist auch hier mit einem "Ehrenamt" zu rechnen (s. u.).
186
Hausgemeinde und Mission
angedeutet, die anscheinend verschiedene Aufgaben wahrnahmen, auch wenn die Älteren nicht ausdrücklich erwähnt werden. Für das Beerdigen sind die VEWTEPOL zuständig. Das Meinungsspektrum unter den Exegeten hinsichtlich des Verständnisses des Begriffes bewegt sich zwischen der ekklesiologischen als "Amts-"250, der soziologischen als "Standes-"251 und der chronologischen Bedeutung als "Alters bezei chn ung" 252 . In seinem Aufsatz über das Lösegeldwort geht]. Jeremias auf das Verhältnis von Mk 10,45 zu Lk 2.2,25-27 ein 253 . Nach Jeremias ist die lk. Fassung des Logions vom Dienen Jesu (Lk 22,2.7) gegenüber Mk 10,45 gräzisiert 254 • Lk 2.2,26f stellt eine heiden- (frei von Semitismen und alles hellenistischem Empfinden Fremde vermeidende), Mk 10,45 eine judenchristliche Fassung der Spruchreihe dar. Im Kontext von Lk 2.2,26f melde sich ebenfalls Gemeindesprache· zu Wort. Ein Beispiel für diese Gemeindesprache sei VEWTEPOL in V. 26. So heißen "die jungen Männer als Stand der Gemeinde (dem der Stand der "Alten" gegenübersteht) "255. In Lk 22,26 steht der VEWLEPOC; dem !lEt(;;wv gegenüber. Wenn Jeremias mit seiner Verhältnisbestimmung von Mk 10,42-45 zu Lk 22,25-2.7 recht hat, dann liegt neben Mk 10,42ff in der Ik. Fassung eine hellenistische Überlieferungs form vor, die sprachlich z.T. auf Lukas selbst zurück-
250 251 252
253 254
255
o. Bauernfeind, Apg, 1939, 86f; Cadbury, Acts IV, SI. Jeremias, ebd. E. Haenchen, Apg, 233. So auch RoloH, Apg, 94. F.F. Bruce, Acts, r06; R. Peseh, Apg VII, 200; H. ConzeJmann, Apg, 45: VEW"tEPO~ nicht " amtlich " gemeint; ihm folgend G. Schneider, Apg, 37S; so auch C.K. Barrett, Acts I, 268. Die Aufteilung der Gemeinde in Jüngere und Ältere, die unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen hatten, erinnert ebenfalls an Vorschriften der essen ischen Gemeinderegel (rQS 1,28ff; S,23ff) sowie an die Beschreibung einer Gemeindeversammlung (4QS02). V.a. ist in 4Q502 eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zwischen der essenischen und christlichen sozialen Nomenklatur. Die zwei Alrerskategorien VEul"tEPOL und 1tPEOßU"tEPOL korrespondieren mit den 'asisim und zeqenim von 4Q502. Vgl. dazu JM. Baumgarten, 4QS02, Marriage or Golden Age Ritual?, JJS 34 (1983), 125135, v.a. 133. Abba, r9 66, 226. Für Jeremias liegt kein unmittelbarer literarischer Zusammenhang zwischen Mk lO,45 und Lk 22,27 vor; "vielmehr stehen zwei Überlieferungsformen der dreigliedrigen Spruchreihe nebeneinander, die am Anfang stärker konform gehen, dann aber darin voneinander abweichen, daß sie das Dienen Jesll verschieden illustrieren ... " (Abba, 225). Lukas folgt, so Jeremias, seiner Sonderquelle. Vgl. neben Apg S,6 auch Tit 2,6: oi VEW"tEPOL = junge Männer als Stand in der Gemeinde; rTim 5,1; rPetr 5,S: im Gegensatz zu 1tPSOßU"tEPOL.
Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 187
zugehen schein256 • Unter den w:(Sn:poL hat er wahrscheinlich eine Gruppe (von jungen Männern, vgl. Apg 5,10) in der Gemeinde verstanden, die (niedere oder höhere) Dienstleistung zll vollbringen hatte. Apg 5,6 ist genauso zu deuten. Auffällig ist aber, dag an keiner der beiden Stellen npEaßu-cEpm erscheinen, sondern die vEw-cEpm nur den wyaA.OL oder Petrus selbst gegenüberstehen. Wenn die Presbyter anfänglich keine Amtsträger, sondern nur "Honoratioren" waren 257, ist es durchaus möglich zu sagen, den VEWLEPOl entsprächen in Lk 22,26f und Apg 5,6 npwßu-cEpOL. Apg 5,6 wäre dann ein Beleg dafür, daß wenigstens Lukas in der Urgemeinde von Anfang an auch mit Presbytern gerechnet hat. Der tatsächliche Gebrauch von VEW-CEPOL in Apg 5,6 läßt die Schlußfolgerung zu, daß den VEW-CEPOL schon zu diesem relativ frühen Zeitpunkt (also schon während der Petruszeit) in der Urgemeinde andere als ~lEfsoVEC; oder vielleicht npwßu-cEpm gegenübergestanden haben könnten. ~LEyaA.OL muß eigentlich als Hinweis auf den Status verstanden werden. npEaßu-cEpOL könnten deswegen ~tEYaA.OI, genannt worden sein, weil sie einflußreich gewesen sind. So könnt.en diese ~U:;a:;OVEC; bzw. npEaßu-cEpOl, dann zwar nicht nachweislich als Leiter von verschiedenen Hausgemeinden, doch angesichts von Apg 1,21-26258 als angesehene, führende Gemeindeglieder mit verschiedenen Qualifikationen gegolten haben. Der Hinweis auf das Haus der Maria, Mutter des Johannes Markus (Apg 12,uff), liegt zwischen unseren beiden Zeitabschnitten. Diese Hausgemeinde wird noch zur Petruszeit einzuordnen sein, auch wenn sie bis in die Jakobuszeit hinein weiterhin in der Urgemeinde eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte (vgJ. Apg 12,17). Hier war es interessanterweise eine Frau, die ihr Haus der Gemeinde zur Verfügung stellte und damit in der in ihrem Haus zusammenkommenden Gemeinde wohl auch eine bestimmende Funktion bzw. eine gewisse Autorität ausübte. In unserem Zusammenhang ist zwischen Oikosstrukturen generell und patriarchalischen Strukturen im besonderen zu unterscheiden. Wenn Maria in der Gemeinde in ihrem Haus Einfluß ausübte, dann wohl u.a. auf der
256 lS7
158
Vgl.]. Jeremias, Die Sprache des Lukasevangeliums, I980, 290. Zu n:PwßuLCpm als "Ehrenbezeichnung" s. S. 191ff. Von dieser Stelle bekommt man den Eindruck, daß es eine ganze Reihe von angesehenen, führenden Männern gab, aus der man die beiden Kandidaten für den Zwölferkreis ausgewählt hat.
188
Hausgemeinde und iViissioll
Basis des antiken Oikos259 • Hier wäre dann zwar nicht der Patriarchalismus, aber doch der antike Oikos im Rahmen der Leitungsstrukturen dieser HG wirksam gewesen. Aber Autorität ausüben in einer solchen Oikossituation kann ganz verschieden sein. Die Frage, ob der Hausvorstand den ganzen oder auch nur einen Teil des Gottesdienstes bestimmt hat, ist von SituatiOll zu Situation sicherlich unterschiedlich zu beantworten. In diesem Fall wissen wir zu wenig über die eigentlichen Leitungsstrukturen der Hausgemeinde, die sich bei Maria versammelte. Vermutlich wird IvIaria wenigstens irgendeine Art Mäzenatentums bzw. Patronatsaufgabe der Gemeinde gegenüber ausgeübt haben. Ob sie eine Aufsichtsfunktion beim Gottesdienst hatte, wird uns nicht berichter260 • Sicher ist, daß Maria einen der ersten Hinweise auf die tätige Mitarbeit einer Frau in den urchristlichen HGn darstellt. DafS Johannes Markus an Stelle der Maria die Rolle des Hausvorstandes im Haus seiner Mutter übernommen hat, wäre ebenfalls in der Antike allgemein und in Palästina im besonderen möglich gewesen. Hier ist jedoch zu bedenken, daß er mit Petms und Paulus bzw. Barnabas missionarisch unterwegs war, allerdings wohl nur für eine relativ kurze Zeit.
b) Unter der Leitung des Herrenbruders Jakobus 261 Man vermutet, daß Petrus 41/42 n.Chr. im Zusammenhang der Verfolgung der Urgemeinde durch Agrippa I. (Apg 12,1ff) nach der Hinrichtung Jakobus', des Zebedaiden, selbst vom Tode bedroht war und sich gezwungen sah 262, die Leitung der Urgemeinde abzugeben und wenigstens zeitweise Jerusalem zu verlassen263 • Es kommt zu einer durchgreifenden Veränderung in der Jerusalemer Urgemeinde. Der Zwälferkreis wird nicht mehr durch Nachwahl ergänzt. Waren zu Beginn die Zwölf mit Petrus die maßgeblichen Gestalten der 259 VgJ. Philostr., Gymn 23 (272,30f BiTeu Kayser) für einen Beleg für eine Frau als
Hausherrin (nach dem Tod ihres Mannes). 260 In den paulinischen HGn wird jedoch die Art der Mitarbeit einer Reihe von
Frauen deutlicher. Darauf werden wir noch zu sprechen kommen (s. u. IV.ß+b. Exkurs: Die Leitungsaufgaben der Frau in den pln. HGn). 261 Zum folgenden vgJ. J. RoloH, Kirche im NT, 8off. 162 Zur Chronologie vgI. R. Riesner, Die Frühzeit des Apostels Paulus, 1994, r04r08. 263 Für mögliche Gründe des Verlassens und der dauerhaften Zurückdrängung des Petrus aus der Stadt vgI. .M. Hengel, Jakobus der Herrenbruder - der erste "Papst"?, 1985, rorE.
Die nachösterliche 'lerwcndu11.g von Häusern in der Urgemcinde I89
Urgemeinde (Apg I,12-I4; 6,2), so sind es nun die Apostel als leitende Traditionsträger (Apg I5,3.22; ) und die Ältesten mit Jakobus an der Spitze als Gemeindeleitung (Apg I2,l7; IT,30; 2I,I8ff)26~. LVIit dieser Transformation vollzog sich eine bedeutende Akzentverschiebung: Nach Roloff tritt sogar der "Gedanke der Neukonstituierung des Zwölfstämmevolkes Israel in seiner endzeitlichen Fülle ... zurück hinter den der Schaffung einer durch den Auftrag Jesu ins Leben gerufenen, durch die von ihm ausgehende Heilsbotschaft geprägten Gemeinde. Damit ist der Grund gelegt für das Verständnis dieser Gemeinde als einer eigenständigen Gemeinschaft mit !
Vgl. zum ganzen Hengel, ]akobus, 7I-I04, hier 91; Roloff, Kirche im NT, 80ff. Rolaff, Kirche im NT, 79. 266 Vgl. Lk 17>3; 2.Thess 3,6.14f; Rö 16,17; IKor 5,9-13; 6,1-11; 2Kor IJ,Il; Gal 6,1; rTim 5,19f; 2Tim 4,2; Tit 3,10; l]oh 5,I9f. 267 VgL Besprechung bei]. RoloH, Kirche im NT, 167; I.H. lviarshall, Luke, 642. 268 K.L. Schmidt (i:KKA1']ufa, ThWNT III, 530) hält das Wort von der Ermahnung des Bruders in Mt 18,15-17 als vorösterlich für möglich. Der Rahmen wäre dann die örtliche synagogale Gemeinde. Zum jüdischen Hintergrund vgl. Bill. I, 78979 2 • 269 Vgl. z.B. c.H. Dodd, N.T. Studies, t953, 57f. 264
265 ].
Hausgemeinde und Mission
Die Leitung der Urgerneinde ist also an Jakobus übergegangen, der ab diesem Zeitpunkt der Gemeinde mit einem Rat von Ältesten vorgestanden hat270 • Erst diese presbyterial verfaßte Gemeinde hat sich als stabil erwiesen und sich mindestens bis zum Martyrium des Jakobus (62 n.Chr.)271 in Jerusalem halten können. In der allerersten Anfangszeit der Urgemeinde hören wir also nichts Konkretes von Ältesten 272 • Erst in der späteren Entwicklung während der Jakobuszeit gibt es dafür deutliche Anzeichen. Hier ist zu fragen, wie es eigentlich zu dieser Entwicklung in der Urgemeinde kam, und ob die HGn dabei eine Rolle gespielt haben. Allgemein wird die Herkunft der Ältesten in der Jerusalemer Urgemeinde, wie sie in den Dokumenten der apostolischen und nachapostolischen Zeit überliefert ist, wie folgt abgeleitet273 ; Irgendwann im Laufe der ersten 10-15 Jahren wurde das Amt eines Ältesten nach dem Vorbild der Synagoge geschaffen. Diese Ältesten haben entweder die Zwölf bzw. die Apostel nach ihrem Abgang aus Jerusalem abgelöst, oder aber sie fungierten von Beginn an in der Gemeinde als Verwaltungsassistenten der Apostel274 . Allerdings hat A.E. Harvey in seinem Aufsatz über Älteste im frühesten Christentum darauf hingewiesen, daß diese Sicht einige Schwächen aufweist und revidiert werden muß 275 . Erstens ist diese Sicht in Hinblick auf den allgemeinen Gebrauch des Begriffs "die Ältesten" in der antiken Welt in Frage zu stellen. Sowohl in der römisch-hellenistischen als auch in der jüdischen Welt war der Begriff "Älteste" mit Achtung bzw. Ansehen (eng!. = respect/honour/ presti-
270 Apg 15,2.4. 6.2.2f; 2.1,18. Auch II,30 weist auf diese Zeit hin. Vgl. R. Riesner, Frühzeit, 1994, UO. 27! Vgl. josephus, Ant 20,200. 272
Vgl. allerdings unseren Exkurs. S. IBM zu VeW1:EpOl.. to the PhiJippians, 1902., 179ff; in jeweils variierter Form "gI. z.B. R. Pesch, Apg, 357; G. Schneider, Apg, z. St.; J. Roloff, Kirche im NT, 8 I. F.F. ßruce, Acts, 2.31, Anm. 44; A.M. Farrer, The Ministry in the NT, 1946, II5182.133-142.. VgI. R. ßauckham, James and the jerusalem Church, 1995,416480, für die Diskussion der zwei verschiedenen Modelle, die bis jetzt vorgeschlagen wurden, und die DarsteUung seiner und damit der dritten Position, daß Petrus an der Spitze des Zwölferkreis mit ihnen zusammen bis 44 n.Chr. und danach jakobus mit den Ältesten die Urgemeinde geleitet haben. Elders, JTS NS 25, (1974), 318-332. Diese Kritik nimmt R.A. Campbell auf und führt die These von Harvey weiter (The Elders, 1994, 159ft). Vgl. ebenfalls M. Karrer, Das urchristliche Älresrenamt, NT 32,2 (1990), 152-188.
273 Schon J.B. Lightfoot, The Epistle of Sr. Paul
274
275
Die nachöstediche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde
191
gel und nicht mit Amt oder Rang verknüpft 276 • Der Begriff war also keine Amts-, sondern eine Ehrenbezeichnung. Die Bezeichnung war unbestimmt, kollektiv, repräsentativ und im antiken Oikos verwurzelt277 • Zweitens ist die These, das Ältestenamt sei analog zur Synagoge in die Urgemeinde eingeführt worden, auch problematisch. Es wird schon von vielen gesehen, daß die Synagoge an sich kein Ältestenamt hatte. Es gab durchaus Menschen in der Synagoge mit diesem Titel, die auch Autorität in der Gesamtgemeinschaft ausübten278 , aber sie hatten kein Amt inne 279 • Älteste wurden auch nicht als solche eingesetzt; sie existierten unabhängig von einer Einsetzung kraft ihrer Seniorität und sozialen Position in der Gesamtgemeinschafr2 80 • Die Ältesten waren nicht diejenigen, die in der Synagoge, als einer sich versammelnden Gemeinde, Tag für Tag oder wöchentlich-den Gottesdienst geleitet haben 281 • Wer solche Leitungsaufgaben in der Synagoge übernommen hat, ist umstritten. Lange Zeit galt die These,
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Camp bell, Elders, 160; vgl. auch seine ausführliche Untersuchung zum Begriff Altesre in der Antike, ebd., 20-96. Vgl. auch 5. Krauß, 5ynagogale Altertümer, 1922,143; H.J. Leon, The Jews of Ancient Rome, 1960, r8I. Die "Ältesten" der ganzen Antike, so Campbell, waren meist Hausvorstände " [and chey] owed their position in society to the power of their family, and their position in the farnily to their relative seniority". Elders, 95. Hier ist es wichtig zu sehen, daß bisher zu wenig zwischen der Synagoge als Gesamtgemeinschaft in einern Dorf bzw. einer Stadt und der Synagoge als die sich zum Gebet und Studium des \X!ortes versammelnde Gemeinde unterschieden wurde. In manchen jüdischen Gesamtgemeinschaften gab es durchaus ein leitendes Gremium dessen Mitglieder zum Teil "Älteste" genannt werden konnten. Aber "Älteste" als Amtsbezeichnung in der sich versammelnden Gemeinde sind nicht belegt. Vgl. Camp bell, Elders, 112. Dies hängt wesentlich von der Definition des Begriffs Amt ab. Vgl. dazu unsere Ausführungen 5. 353 ff. A.E. Harvey, Elders, 33 1. "There can be no question of appointing people to be elders: elders exist all'eady." Campbell, ebd., Iuf. vgl. auch 44-54. Hier kann sich Campbell auf eine Reihe von Forschern berufen: A.E. Harvey, Elders, 318-332.;].G. Sobosan, The Role of the Presbyter, 5JTh 1.7, (1974), 129-146; D. Po weil, Ordo Presb)'terii, JTS 26 (1975), 290-328; M. Karrer, Ältestenamt, 159; M.Y. MacDonald, The Pauline Churches, 1988, 215; R. Banks, Pauls Idea of ComIllunity, 1994, 1979, 149. Gegen Bornkamm, ThWNT VI, 660f, der die Ordnung der jüdischen Gemeinschaft in der synagogalen Verfassung fortgesetzt sieht. Dort weist der Titel ;rpwl3unpOl auf die Leiter der Gemeinschaft und das Disziplinargremium der Synagoge hin. Dennoch sieht Bornkamm die relative Seltenheit des Begriffs und dessen ehrenamtliche Natur.
Hausge111einde und Mission
dies hätten die Amtsträger bzvv. "Kleriker" getan, d.h. der aPXlO1Jvaymyoc; bzw. der U:rnlpt'tl1C;282. Auf Grund neuester Erkenntnisse ist eher der Eindruck entstanden, daß selbst der apXLOuvaywyoc; kein Amtsträger und auch kein Leiter der Synagogengemeinde gewesen ist 283 • Auch wenn schon von einem Teil der Forschung gesehen wurde, daß Älteste keine Amtsträger waren und nicht für den geregelten Ablauf des inneren Lebens der Synagoge gesorgt haben, wird diese Einsicht nur selten auf die Situation der Ältesten in der Jerusalemer Urgemeinde übertragen 284 • Hier ist es wichtig zu beachten, daß diese Erkenntnis, wenn sie richtig ist, zu dem Schluß führt, daß die frühen Christen ihre Ordnungsformen bzgl. des Ältestenamtes von der Synagoge nicht haben übernehmen können, weil es dort kein solches Amt gab 285 . Wenn Campbell mit seinem Verständnis des Begriffs "die Ältesten", wie er in der Antike allgemein und in der Synagoge speziell verwendet wurde, recht hat 286 , dann deutet dies darauf hin, daß wir
"The e1ders ... did not themselves hold office, but their corporate judgment probably decided who did, namely the iipxovw; ... " In diesem Sinne kann man doch sagen: "The elders ran the synagogues, but it was not as the elders of the SYllagogue that they did so. They ran the synagogues because they ran the community, and they did so not in virtue of an office they held l.JUt because of the honour they enjoyed as senior men from traditionally powerful families" (Campbell, ebd., 54). 283 VgJ. die Ergebnisse der Untersuchungen von T. Rajak und D. Noy in ihrem Aufsatz: ARCHISYNAGOGOI: Office, Tide and Social Status in the greco-jewish Synagoge, Journal of Roman Studies 83 (1993),75-93. Nach einem Vergleich des Archisynagogostitels mit "a sound understanding of Greek civic honourific tides'", stellen sie fest, daß die Organisationsform der Synagoge v.a. in bezug auf den Titel Archisynagogos das Statussystem der römisch-hellenistischen Stadt mit seinem "honour-dril'en pattern of office-distribution" widerspiegelt (84). Beim "Archisynagogos" geht es nicht um einen Funktionstitel, sondern um einen Ehrentitel. Der Titel ist eher gekennzeichnet von "honour and privilege than descriptions of precisely dcfined jobs held at precise times" (86). 284 Vgl. als Ausnahme, M. Karrer, Altestenamt, 159, der im wesentlichen eine christliche Eigenentwicklung auf den Hintergrund von Jes 24,23 und Lev I I postuliert. Nach Karrer ist alles, was wir über die Ältesten der Synagoge sagen können, folgendes: Sie seien "nur eine Sitzordnung nach Alter". Vgl. allerdings die Kritik an Karrers Gesamtsicht bei Campbell, Elders, r6rf. 185 Dies heißt allerdings noch nicht, da{~ die Synagoge als Vorbild für die Bi Idung von christlichen Ältesten gar nicht wirksam gewesen ist. 286 Es muß nämlich gefragt werden, ob wir genügend über die Diasporasynagoge wissen, um eine definitil'e Aussage über ihre amtlichen Strukturen machen zu 282
Die nachöste1'liche Verwendung von Häusem in der Urge111einde I93
in der Jerusalemer Urgemeinde keine Gruppe von Amtsträgern mit diesem Titel suchen sollten, sondern wir müssen fragen, welcher Gruppe ein solcher Ehrentitel hat übertragen werden können. In diesem Zusammenhang hat Campbell folgenden interessanten Lösungsvorschlag gemacht287: Er stellt fest, daß inzwischen von der Forschung weitgehend angenommen wird, daß der antike Haushalt bzw. Hausvorstand den frühen Christen von der Urgemeinde bis hin zu den paulinischen Gemeinden und darüber hinaus einen Versammlungsort und patronalen Schutz geboten hat288 •· Camp bell fragt deshalb, ob es nicht unausweichlich gewesen wäre, daß die patriarchalische Struktur des antiken Oikos die Leitungsstrukturen der Gemeinden teilweise und in mancher Hinsicht weitgehend bestimmte. Da viele Indizien darauf hinweisen, daß auch die ersten Christen in Jerusalem überwiegend in Privathäusern zusammengekommen sind, nimmt Camp bell an, daß die Urgemeinde auch Leiter auf der Ebene der Hausgemeinden hatte. Am natürlichsten wäre es, schon für die früheste Zeit an den Gastgeber des Oikos, den judenchristlichen Hausvater zu denken, der sein Haus der Gemeinde zur Verfügung stellte 289 . Campbell schlägt weiterhin vor, daß die Aufseher der Aramäisch sprechenden Hausgemeinden in Jerusalem als einzelne Mebaqqer (ljJJ.Y.:l) später in den Griechisch sprechenden HGn mit dessen Übersetzung t:n:ioKonoc; genannt wurden. Kollektiv aber wäre es ganz natürlich gewesen, sie D))P~ bzw. npEoßlh:Epm zu nennen. Immerhin waren sie "the senior men in a community, heads of the leading families within it, representative and collective"290, was zu dem allgemein üblichen Verständnis eines Ältesten im Judentum aber auch in der ganzen Antike gut paßt. Der Titel war günstigerweise vage291 , er war im antiken Oikos verankert und deshalb nicht nur vom Alten
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können. Vgl. dazu C. Cl außen, Gemeinde und Synagoge, 1999 (noch im Erscheinen), da diese Frage den Rahmen unserer Studie sprengt. Elders, I51- r63. Vgl. 11. Kap IV für ausfühlichen Nachweis für die pln. HGn. Für zusätzliche Lit. vgl. oben unseren Forschungsbericht. Campbell ist nicht der erste, der diese These vorschlägt. Vgl. allch E. Dassmanll, Hausgemeinde und Bischofsamt, 1984, 82-97.89f. So schon Filson, Significance, rIlf; ihm folgend W. Vogler, 1982, Bedeutung, 792; H.J. Klauck, HG, 32. Camp bell, Elders, 65. Vgl. auch T. Rajak/D. Noy, Archisynagogoi: Office, Title and Social Status ... , JRS 83, 75-93, die auch auf die Flexibilität der Titel der jüdischen Synagoge hinweisen.
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Hausgemeinde und Mission
Testament her, sondern ebenso aus der zeitgenössischen sozialen Umwelt leicht verfügbar. Die Thesen von R.A. Campbell sind wichtig und teilweise weiterführend. Sie münden aber in die alte Aporie ein, daß in den einschlägigen Lukastexten weder von "Hausvätern" (s.o.) noch von "Aufsehern" bzw. von einem ertlOKonoc; in der Urgemeinde die Rede ist. Wie schon gesagt, wird der Hausvorstand des Hauses mit dem Obergemach gar nicht namentlich erwähnt. Auch im Haus der Maria ist anzunehmen, daß sie selbst den Hausvorstand darstellte. In Apg 1-14 werden bis auf Cornelius (Apg IO,1ff: allerdings in Cäsarea und nicht Jerusalem) Hausväter nirgends erwähnt. Erst bei Paulus ist es anders belegt (vgl. z.B. Phlm 1ff). Christliche enlGKOnOl werden auch erst später in Apg 20, Phil 1,1 und in 1Tim 3,2 erwähnt (s. u. IV.B+b'4 und V.C.2). Camp bell ist sich dessen sehr wohl bewußt. Er versucht von den paulinischen HGn auf die Jerusalemer Urgemeinde unter Anwendung des Analogieprinzips zusammen mit dem sozio-historischen Modell des antiken Oikos rückschließend die Lücken, die die lk. Schilderung hinterläßt, zu füllen. Gerade deshalb aber bleibt CampbeIls These, daß den Urchristen, weil sie sich in Privathäusern versammelten, Leiter für ihre HGn von der Struktur des antiken Oikos selbst bereitgestellt worden seien, zwar erwägenswert, aber für Jerusalem und die dortigen Gemeinden trotz der plausiblen Analogie der urgemeindlichen Oikossituation nur eine Vermutung. V.a. war der Patriarchalismus hinsichtlich Organisationsstrukturen der Urgemeinde nicht so vorherrschend, wie das soziohistorische Oikosmodell es verlangt. Erstens: Er wird zwischen der Urgemeinde und der paulinischen Mission nicht so ungebrochen weitergeführt, wie Campbell dies darstellt. Es ist auch zu fragen, ob man sO kontinuierlich von "dem antiken Oikos" reden kann, wie Campbell es annimmt, denn es gab durchaus Unterschiede zwischen dem traditionellen jüdisch-palästinischen und dem römisch-hellenistischen Haushalt und dem beide bestimmenden Ethos (z.B. in der Frage der Kindesaussetzung). Es gab auch lokale und chronologische Unterschiede, die eine lokalgeschichtliche Vorgehensweise erforderlich machen. Allerdings kann man schon sagen, daß v.a. hinsichtlich der Stellung ~tnd A.utorität des Hausvorstandes die jüdischen und römisch-hellenistischen Haushalte durchaus vergleichbar sind 291 • 292 Vgl. ]. Gaudemet, RAC 7 (1969), 286-358,
1'.<1.
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Die nach österliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 195
Zweitens ist in der Urgemeinde mindestens am Anfang, bis man nach dem Tod des Zebedaiden Jakobus die Zwölferkonzeption aufgibt, eine Spannung hinsichtlich Leitungsstrukturen zwischen Oikosstrukturen und dem Zwölferkreis zu konstatieren. Nach dieser Wende kann man sich fragen, ob Jakobus, der Herrenbruder, der auch der "Gerechte" genannt wurde, als Leiter der Urgemeinde von seinem Wohnsitz aus eine Art Hausvaterfunktion ausgeübt hat (Apg 21,18). Man kann sich ihn viel eher im Familienclan vorstellen, denn von einer Wandermission des Jakobus wissen wir nichts. Daß er z.B. beim Brotbrechen die Rolle des Hausvaters beim Gottesdienst in einer Jerusalemer HG (in seinem Wohnsitz?) übernommen hat, ist durchaus denkbar. Aber die Texte geben uns weder auf solche noch auf andere Patriarchatsaufgaben des Jakobus einen Hinweis. Ebenfalls ist die These, daß in Jerusalem die Aramäisch sprechenden HGn ihre Gemeindeleiter Mebaqqer genannt haben, zwar durchaus ansprechend, aber textlich nicht belegt293 • Allerdings werden Harvey und Camp bell mit ihrer Feststellung recht haben, daß die Ältesten der Synagoge kein fest umrissenes Amt innehatten. IIpwßu-tEPOL war wohl wenigstens zu Beginn auch in der Urgemeinde eine Ehrenbezeichnung, unter der man Verschiedenes verstehen konnte. Es ist des weiteren denkbar, daß einige der christlichen Ältesten analog zur Synagoge294 aus der Reihe der Hausvorstände bzw. Hausgemeindeleiter hervorgewachsen sind. Es besteht z.B. durchaus die Möglichkeit, daß einige der Ältesten, die in Apg 15 in Erscheinung treten, sich aus Leitern der HGn zusammensetzten. Sicher können wir aber auch das nicht von den Texten her beweisen. Mit der Zeit aber vermittelt die Apg den Eindruck, daß der Titel "Älteste" tatsächlich Amtsbezeichnung wird (vgl. v.a. Apg 1504.6.22.41; 16,4; 2I,18). In dem Fall hätten wir eine christliche Verwendung einer Amtsbezeichnung, die nicht auf das synagogale Vorbild zurückgeht. Demnach müßte eine stärkere christliche Eigenleistung bei
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wish Private Law, CRl I-I, 504-534, v.a. 5I3-sr8; S. Safrai, Horne and Family, CRl 1-2, 728-792, v.a. 748-773; H.]. Klauck, HG, 15-18; R.A. Camp bell, Elders, 20-96; D.C. Verner, The Houshold of God, 1983,44-47. Zu G. Schöllgen und seinem Hinweis auf neuere Stimmen in der Forschung dafür, daß die Großfamilie mit dem mächtigen Oberhaupt an der Spitze, wie wir es aus früheren Zeiten kennen, zur Zeit Jesu eine Ausnahme darstellte, s. S. 337; Anm. 484Das gibt CampbeJl auch offen zu (Elders, 155.158). Analog in dem Sinne, daß die Ältesten der Synagoge gerade dadurch, daß sie "senior men from traditionally powerful families" und d.h. Hauseigentümer lind Hallsvorstände waren, diese Ehrenbezeichnung aufgetragen bekamen.
Hausgemeinde und Mission
der Bildung des Ältestenamtes zu konstatieren sein, als allgemein angenommen wird, etwas, das Campbell noch nicht so gesehen hat295 • Auf einige dieser Fragen werden wir nochmals im Zusammenhang der paulinischen HGn bzw. der Pastoralbriefe zu sprechen kommen, da sie von den Texten dort eher eine Beantwortung finden. 296
C) Von Jerusalem nach Antiochien297 Von der Geschichte Israels aus gesehen waren die Bemühungen, in Jerusalem das Gottesvolk zu sammeln, immer noch missio interna und von daher unproblematisch 298 • Die aus jüdischer Sicht viel problematischere Frage einer zentrifugalen missio externa, einer Heidenmission also, stellte sich für die ersten Christen in Jerusalem zunächst zwar noch nicht, aber nach und nach immer mehr. Im folgenden wollen wir v.a. unter Berücksichtigung der Bedeutung von Häusern den Weg von der Urgemeinde bis hin zur paulinischen Mission und damit auch den Übergang zur Heidenmission stichpunktartig schildern, wobei wir uns diesen Übergang nicht als einmaliges Ereignis, sondern eher als einen Prozeß an verschiedenen Orten und in mehreren Etappen vorstellen müssen199 •
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Er geht davon aus, daß der Titel "Älteste" in der Jerusalemer Urgemeinde analog zur Synagoge nur als Ehrentitel, aber noch nicht als Amtsbezeichnung verwendet wird (s. S. 190). V.a. im Spätpaulinismus (vgl. die Haustafeln und die Pastoralbriefe) werden die Oikosstrukturen stärker. Zur urchristlichen Mission allgemein vgl. F. Hahn, Mission, 1963, 37-48; M. Henge!, Die Ursprünge der urchristlichen Mission, NTS 18 (1971), 15-38; P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenzen urchristlicher Mission, ThBeitr I2 (1981), 107-135; K. Kertelge, Mission im NT, 1982, v.a. R. Pesch, Voraussetzungen und Anfänge der urchristlichen Mission, 1982, rr-70; W.H. Ollrag, Mitarbeiter, 1979, passim. Vgl. auch R. Riesner, Frühzeit, 1994, 95-[10. Vgl. R. Pesch, Anfänge der urchristlichen Mission, 1982, T7. Vgl. M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, ZTK 72 (1975), 151-206, v.a. 197; ders., Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 1984, 63-70; B.F. Meyer, The Early Christians, 1986, 67-83; K. Löning, Stephanuskreis, .1987, 80-101; R. Pesch, ebd., 11-70; R. Riesner, Frühzeit, 96f.
Die nachöstel'liche Verwendung von Häusern in der Ul'gemeil1de I97 I.
Die Mission der Jerusalemer Hellenisten
Wir finden Hinweise, daß die Hellenisten schon früh 300 mutige Schritte in diese Richtung unternommen zu haben· scheinen. In die Anfangszeit gehört der sog. Stephanuskreis der Hellenisten, der missionsgeschichtlich von größter Bedeutung ist. "Er hat die Ablösung der christlichen Mission vom jüdischen Volks- und Glaubensverband vorbereitet und seine Anhänger zu einem kühnen missionarischen Vorgehen inspiriert. "301 Der Kreis war zunächst in Jerusalem ortsansässig. Er bestand aus den Sieben (Apg 6,1-6), von denen Stephanus als Prediger besonders hervortrat. Stephanus und die anderen der Sieben haben zunächst in den hellenistischen Synagogen Jerusalems, also unter ihren Griechisch sprechenden Mitjuden302 , eine Art planmäßige Mission betrieben (Apg 6,8_IO)303. Die in der Missionspredigt enthaltene Kritik des Stephanus an der Offenbarungsautorität der Tora und dem Tempelkult (Apg 6,14) ist für seine hellenistischen Landsleute zum fatalen Anstoß geworden. Diese Kritik folgt aus der Erkenntnis, dafS Jesus den Sühne tod für "die Vielen" gestorben ist (Mk 10,45) und Gott mit der Auferweckung und Erhöhung Jesu die Rechtsgültigkeit dieses Sühnetods anerkannt hat304 . Damit wird
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In Apg II,19ff greift Lukas in seiner Schilderung auf die Zerstreuung der Heilenisten (Apg 8,4) zurück (s. u.) und trägt durch das in der Antike weit verbreitete literarische Mittel der Prolepse wichtige Informationen nach (vgl. K. Bringmann, Sallust Umgang mit der historischen Wahrheit ... , RMP Il4 [19711 98-113). So wird deutlich, daß Lukas trotz seiner theologischen Tendenz, elie durch die Hervorhebung der Kornelius-Geschichte (Apg ro) besonders unterstrichene Einmütigkeit des Petrus und Paulus in der Frage der Heidenmission zu betonen, den historischen Sachverhalt nicht überdeckt, daß der erste Durchbruch dazu nicht VOll Petrus, sondern von den Hellenisten kam. P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenzen, 116. Vgl auch ders., BibI. Theo!., 2I3ff.
Zu den Griechisch sprechenden Diasporasynagogen in Jerusalem vgl. Bill. Il, 66Ift und die Theodotosinschrift CIJ II, I404. 303 Dafür, daß man von einer planmäßigen Mission schon in Jerusalem reden darf, sprechen folgende Argumente: I. Es bildete sich eine Gemeinde der "Hellenisten" . 2. Sie disputierten mit der Libertinersynagoge (Apg 6,9). 3. Daraus entstand eine Verfolgung der Hellenisten - das deutet auf eine expansive Haltung der ganzen Gruppe hin. 4. Dies wird unterstützt durch die Beobachtung, daß sie gleich nach ihrer Vertreibung das Evangelium mit Erfolg verkündigten (Apg 8,4; II,I9-21). Vgl. W.H. Ollrog, Mitarbeiter, ISS, Anm. 195; F. Hahn, Mission, 1963, 49f. 304 Einiges spricht dafür, daß die in Röm 3,25f zitierte Versöhnungs tradition auf diesen Stephanuskreis (vgl. Apg 6,13) zurückzuführen ist. Hier wird Christus das vor Gott und von Gott her wirksame ,,5ühnema[" (iAacrttlPWv bzw. n1!):J: vgl. 302
Hausgemeinde und lvIission
deutlich, daß die neue Sicht des Stephanuskreises sich von der Christologie und der Heiligen Schrift her gut erklären läßt. Wegen dieser "Lästerung" wurde Stephanus von seinen empörten Zuhörern gesteinigt und seine Anhänger aus Jerusalem vertrieben (Apg 7,598,3), die sich anscheinend auch an diese Missionsperspektive hielten. Durch diese Vertreibung der Hellenisten kam es ironischerweise zu einer Beschleunigung der Verbreitung des christlichen Glaubens 305 . Einer dieser Vertriebenen war Philippus, Mitglied des Sieben erkreises. Er trägt das Evangelium über die bisherige Grenze des Judentums hinaus zu den Samaritanern306 und den "Gottesfürchtigen" (vgl. Apg 8,4-I3.26-40)307. Eine besondere Rolle spielte in seiner Mission dann die palästinische Küstenebene mit überwiegend heidnischen Städten wie Gaza (8,26), Asdod und Cäsarea (8,40). Es ist sehr wahrscheinlich, daß Philippus und andere Hellenisten in diesem Gebiet schrittweise zur gesetzesfreien Heidenrnission übergingen308 • Es läßt sich ebenfalls gut vorstellen, auch wenn dies textlich nicht klar belegt ist, daß Philippus analog zu Jesus als Wandermissionar in diesen Städten hausmissionarisch vorgegangen ise 09 • Immerhin heißt es später, daß Philippus Hausbesitzer und in Cäsarea ortsansässig war (Apg 2I,8f). Er wurde wohl wegen seiner missionarischen Arbeit dort und in Samaria als "Evangelist" bezeichnet (Apg 21,8). Wir können jedenfalls mit M. Henge! festhalten, daß Philippus, indem er in Cäsarea seinen Wohnsitz nahm und seine missionarische Wirksamkeit in den Bereich der O.g. Städte verlegte, sich auf ein bestimm-
Lev 16,2.15 und Hebr 9,5) genannt. Damit wird die kapporeth und die Sühne im Allerheiligsten als von Gott bei der Kreuzigung Jesu öffentlich überboten und für ersetzt erklärt. Vgl. ausführlich P. Stuhlmacher, BibI. Theol., 192ff. 305 Vgl. M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 151-206. 306 Für einen nationalbewußten Juden waren die Samaritaner schlimmer als Heiden. Vgl. Bill. I, 538ff; JI, 525; III, 313.II83; J. Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu, 387ff; M. Hengel, War Jesus Revolutionär?, 1970, 19.38f. 307 Zur Problematik der klar fixierten Terminologie für Gottesfürchtige und der Frage von deren Nichtexistenz bzw. völligen Marginalität s. Kap. IV. 308 M. Hengel, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 70; vgl. auch ders., Der Historiker Lukas ... , ZDPV 99 (1983), r64-169. 309 Apg 8,4 0 : "er zog umher und predigte das Wort in allen Städten" (vgl. auch 8,5ff.26ff). Hier ist zwar keine Rede von Häusern, aber das Umherziehen in verschiedene Städte erinnert an die Dorfmission Jesu, eine Vorgehensweise, die Philippus in Jerusalem von den ursprünglichen Jüngern Jesu hätte kennenlernen können.
Die nachästerliche Verwendung von Häusem in der Urgemei11de 199
tes Umland konzentrierte 31O • Hier sind Ansätze einer planmäßigeren Umlandmission von Cäsarea aus in das umliegende Gebiet hinein deutlich zu erkennen. In Cäsarea spielt anscheinend das Haus des Philippus eine zentrale Rolle in der Mission. Eventuell war sein Haus sogar Versammlungsort einer HG. Philippus ist, wie schon festgestellt, einer der Sieben gewesen und damit Hellenist. Es ist bekannt, daß die aus der griechisch-römischen Welt kommenden Judenchristen im allgemeinen begüterter als die judäischen waren311 • Die Nachricht, daß er Paulus und seine Begleiter in sein Haus gastfreundlich aufnehmen konnte, ist ein Hinweis dafür, daß sein Haus groß genug gewesen sein muß, um als Versammlungsort einer Hausgemeinde zu dienen. Dies wäre neben dem Haus von Kornelius eine zweite HG in Cäsarea und somit ein Beleg für ein Nebeneinander von HGn auch dort. Neben Cäsarea scheint Damaskus ein weiteres hellenistisches "Zentrum" zu bilden (vgl. Apg 9,I-I9)312. Die Gemeinde dort wird wohl eine Tochtergründung der Hellenisten gewesen bzw. wenigstens von den theologischen Gedanken des Stephanuskreises beeinflußt worden sein, denn sonst hätte Paulus sie nicht verfolgen wollen (Apg 9,2). Nach seiner Bekehrung hält Paulus sich in Damaskus im Haus des Judas auf (Apg 9,I1.17). Lukas berichtet, daß Paulus dort (in diesem Haus?) getauft wird (9,I8) und "einige Tage bei den Jüngern in Damaskus" bleibt. In dieser Zeit hat er vermutlich Glaubensunterricht auch im Haus des Judas von "den Jüngern in Damaskus" bekommen, die wohl mit einer Einübung in christliche Lebensformen verknüpft war 313 • Konkrete Erinnerungen an die Bekehrung
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Zur urchristl. Geschichtsschreibung, 69. In unserem Zusammenhang ist auch die Überlegung Hengels, ebd., 70, bedeutsam, daß das Vorbild Jesu auch hier noch wirksam sein konnee, "der zu einem bestimmten Zeitpunkt das jüdische Galiläa verließ lind sich in den hellenistisch-phönizischen Stadtgebieten von Tyrus, Sidoll und Caesarea Philippi aufhielt (Mk 7,24-3 I; 8,27)." Denken wir aber auch an Galil~a und die Umlandmission Jesu im Gebiet des "evangelischen" Dreiecks (s. S. 80). Vgl. Art. Diaspora Ul., TRE, 7 1 4. F. Hahn, Mission, 1963, 49. Zu den hellenistischen Zentren gehören noch Alexandria und eventuell auch Rom. Vgl. auch F.F. Bruce, Men and Movements, 60. Vgl. W. Vogler, 1982, Die Bedeutung der christlichen HGn, ThLZ II (1982), 789. Er führt als Belege dafür Röm 1,3f; 1Kor II,23b-2S; 1S,3b-S an, woraus zu erkennen sei, daß Paulus solchen Unterricht erhalten hat. Für Vogler ist diese Art Katechumenenunterricht für Neubekehrte bzw. die Einübung in die Lebensformen der ersten Christen im Rahmen des Oikos ein weiterer BedeutllIlgsaspekt der
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Hausgemeinde und Mission
des Paulus vor Damaskus, die Gestalt des Jüngers namens Hananias (9,10-19a), die ausdrückliche Erwähnung des Hauses des Judas in der Geraden Straße (9,II) und der Mehrzahl von Jüngern in Damaskus (9,2.19) lassen vermuten, daß es dort eine (relativ) große Gemeinde gab. Möglich ist, daß sich im Haus des Judas eine Hausgemeinde versammelte, sicher wissen wir es aber nicht. 2.
Die Mission des Petl'US
Ein Hinweis für eine grenzüberschreitende Missionstätigkeit des Petrus in der jüdischen Stadt Joppe ist uns überliefert. Nachdem dort durch seinen Heilungsdienst viele zum Glauben kamen, ist er im Haus des Gerbers Simon längere Zeit geblieben (Apg 9,36-43). Es ist leider vom Text her nicht mehr auszumachen, wie Simon zum Glauben gekommen ist. Feststeht, daß wir hier einen Beleg für einen Hausvater haben, der Petms gastfreundlich aufnimmt und so seine Mission unterstü tzr3 14 • Interessanterweise ist in einer anderen grenzüberschreitenden Situation eine haus missionarische Vorgehensweise bei Petrus belegt. Er scheint wohl unter Berufung auf Jesus 315 den lebensgefährlichen Übertritt über die Grenze der Judenmission hinaus gewagt zu haben. Seine Vorgehensweise ist zwar gegenüber der vorösterlichen Aussendungstradition (vgl. v.a. Lk IO,1-12 par) stark abgeändert. Hier geht Petrus im Gegensatz zur wandermissionarischen Situation der Aussendungstradition nicht aufs Geratewohl von Haus zu Haus, sondern wird vom Geist Gottes angewiesen, mit einigen von Kornelius gesandten Männern in dessen Haus zu gehen. Auch eine andere österliche Modifikation läßt sich erkennen: Im Haus des Kornelius predigt Petms das Evangelium bzw. den Frieden durch den ans Holz
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HGn in der urchristlichen lvIission, denn diese Einübung war nur in einer Hausgemeinde möglich, weil in jener Zeit als Christ zu leben gar nicht anders möglich war als in einer solchen häuslichen Lebensgemeinschaft. Bei Simon kann sich ebenfalls eine Hausgemeinde versammelt haben (wo hätten sich z.B. die vielen durch den Heilungsdienst des Petrus zum Glauben Gekommenen versammelt?). Vgl. Apg 9,43 (Einquartierung im Haus des Gerbers Simon zeigt eine an Jesus erinnernde Freiheit von pharisäischen Normen); 1o,Iff (des Petrus Vollzug der Taufe des gottesfürchtigen Kornelius ohne die Forderung der Beschneidung) mit Mt 8,5-I3 par; 15,2I-28 par; Joh 4,1-42 (Jesu unorthodoxe Zuwendung zu einzelnen Heiden); P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenzen urchristlicher Mission, !I5.
Die nachösterliche Verwendung VOlt Häusem in der Urgemeinde
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gehängten und von Gott auferweckten Messias Jesus, welcher Herr über alle ist (Apg 10,} 6'39ff); vor Ostern sollten die Ausgesandten die nahe herbeigekommene Gottesherrschaft bzw. den Frieden als göttliche Heilsgabe schon anfangend mit dem Friedensgruß verkündigen (vgl. z.B. Lk 10,5ff). Doch ist in Cäsarea im Haus des Kornelius wohl schon im Jahr 40/41 (Apg 10,1-48) ein hausmissionarisches Vorgehen erkennbar316 • Hier wird Petrus von einem gottesfürchtigen Hausvater ins Haus eingeladen3 !? und von ihm beherbergt (Apg IO,22f). Dort warten die eigene Familie, die Verwandten und nächsten Freunde des Kornelius auf Petrus, daß er ihnen das Evangelium predige. Alle, die versammelt waren, nehmen das Wort Gottes an (Apg 10,44; II,I). Hier wird der Unterschied, aber auch die Parallelität zur vorösterlichen Aussendungssituation deutlich. Durch die petrinische Predigt des Wortes Gottes wird Kornelius und sein ganzes Haus für den Glauben gewonnen; durch den Friedensgruß und die Verkündigung der Gottesherrschaft ruht der Friede auf dem Sohn des Friedens und seinem Haus (vgI. Lk 10,5ff; Mt 10,I2f). Die Verbindung zu Mt 10,I2f/Lk 10,5f wird in der Petruspredigt dadurch sichtbar, daß sie mit der Aussage beginnt, Gott habe durch Jesus Christus den Kindern Israel Friede verkündigt, und Jesus sei der Herr von Juden und Heiden (Apg 10,36, vgl. mit Jes 52,7). Danach wird Petrus gebeten, noch einige Tage zu bleiben (vgl. Apg 10,48 mit Lk 10,7). Viele Exegeten verstehen Apg 10,1-48 u.a. als Erzählung von der Gründung einer Hausgemeinde, und damit als Gründungsgeschichte der Gemeinde in Cäsarea3!8. Das ist durchaus schlüssig. Denkbar ist
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Chronologische Einordnung der Kornelius-Episode bei R. Riesner, Frühzeit,
.H?
Vgl. IvIt IO,IIf par und unsere Ausführungen zur vorösterlichen Hausvorstandsmission in Kap. H. Dort haben wir nämlich beobachtet, daß Lk IO,5ff ebenfalls eine Einladung der Missionare ins Haus durch den Hausvorstand impliziert. Vgl. z.B. H.J. Klauck, HG, 51l. Zum historischen \Vert: Der Bericht weist einige archa"ische Merkmale auf und wird durchaus Erinnerungen an die folgenreiche Missionierung eines aus sozial höheren Verhältnissen kommenden Heiden durch Perrus bewahren. Vgl. M. Hengel, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 1984, 79-84; auch G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 1987, 130-r39, sieht in der Erzählung eine Tradition mit historischem Kern (Petrus war an der Bekehrung eines Heiden namens Kornelius in Cäsarea beteiligt), auch wenn Zeichen einer starken lk. Bearbeitung zu erkennen seien. Seine Einwände gegen die Stationierung einer Auxiliarkohorte in Caesaria um 40 n.Chr. (vgl. auch E. Schürer, The History of the Jewish people ... I, 36r-365) sind nicht unüberwindlich. Vgl. V.:l.
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Hi:/Usgemeinde und Mission
auch, daß dieses Haus ein Stützpunkt für eine Stadt- bzw. Umlandmission in und von Cäsarea aus geworden ist. Allerdings vermittelt der Text uns keine genauere Auskunft darüber, wie es mit dem Haus des Kornelius weiterging. Wie wir sahen, setzen die Zwölf Jesu Werk der Sammlung Israels fort, und zwar zunächst in Jerusalem. V.a. von dem öffentlichen Predigtdienst des Petrus und Johannes wird berichtet (vgl. Apg 2,141; 3,I-10.IIff). Erst später tritt ihre Wandermission hinzu: Sie predigten das Evangelium "in vielen Dörfern der Samariter"319. Petrus und Johannes werden hier vermutlich unter Aufnahme vorösterlicher Aussendungstradition Mission betrieben haben 320 • Nach Apg 3 treten Johannes und Petrus gemeinsam als Zeugen Jesu auf. Sie sind besitzlos und verbinden Zeugnis und Heilung miteinander (vgl. Lk 10,4.9). Inhalt ihrer Verkündigung ist allerdings nicht mehr nur die in Jesus nahegekommene Gottesherrschaft, sondern die Verkündigung Jesu als Messias und wiederkommenden Herrn321 . Als Wandermissionare ziehen sie von Dorf zu Dorf bzw. von Haus zu Haus 322 • Sie betrieben also Partnermission, wie wir sie aus Lk 10,1ff kennen. Auch hier haben wir anscheinend Ansätze einer planmäßigeren Mission außerhalb des Judentums (Apg 8,4-25)323.
3. Die Mission der Gemeinde in Antiochien Noch sichtbarer wird aber die erweiterte Missionsperspektive der Hellenisten in der Stadt Antiochien am Orontes. Hier setzt eine planmäßige zentrifugale Mission ein, und zwar als missio externa, als
319 320
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die häufige Truppenverschiebung (Jos, Ant XIX 364-366). Außerdem: Ob Cornelius z.d.Z. noch aktiv war oder als Veteran in Caesarea lebte, wissen wir nicht (vgI. T.R.S. Broughton, The Roman Army, BC V, 1933,427-445.443). So oder so ist es sehr plausibel, daß ein Mann mit einem solchen Status auch Hauseigentümer gewesen wäre. Apg 8,2S; vgl. auch 9,32: "Petrus zog überall im Land umher." S. o. Kap ll. Wohl schon bei der Judenmission von Jerusalem aus haben die Apostel die vorösrerliche Aussendungstradition aufgenommen und in die Praxis umgesetzt (vgl. Apg 9,32-43). Vgl. R. Pesch, Voraussetzungen und Anfänge der urchristlichen Mission, 26ff.48. Vgl. P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz, IlS. Dies schliel~t nicht aus, daß sie auch in die Synagogen, auf die Straßen und die Märkte usw. gegangen sind, um zu missionieren. M. Hengel, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 68f.
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ausdrücklich den Heiden zugewandte Mission 324 • Einige aus Jerusalem entflohene Glieder des Stephanuskreises gründeten diese Gemeinde, die bald zum Mittelpunkt einer weltweiten Missionsarbeit geworden ist325 • Von dieser "Muttergemeinde" aus unternahmen sie missionarische Einsätze ins Umland Antiochiens (Apg II,20-30; 13,1-3; 15). Diese Umland- bzw. Reisemission wird besonders durch die Aktivitäten der Hauptträger der antiochenischen Mission deutlich. Dazu gehören erstens Barnabas (Apg 4,J 6f), der von Jerusalem nach Antiochien "umzieht", und zweitens Paulus, der von Barnabas aus Tarsus an den Orontes geholt und für die antiochenische Missionsarbeit gewonnen wird (Apg II,19-26). Nach einem einjährigen Missionsdienst in dieser Stadt brechen Barnabas und Paulus miteinander zur ersten großen Missionsreise auf, die über Zypern in den Süden Kleinasiens und wieder nach Antiochien führt (Apg 13,414,28). Die Apg berichtet von konkreten Einzelheiten der Aussendungspraxis der. antiochenischen Gemeinde326 • Einige ihrer Glieder werden von der Versammlung unter Fasten, Gebet und Handauflegung in die Mission ausgesandt (Apg 13,2f). Die Missionare kehrten nach der Vollendung ihres Auftrages in die Gemeinde zurück und gaben Rechenschaft (Apg 14,26f - vgl. Lk 10,17-20). Man kann diesen Notizen mindestens entnehmen, daß die Gemeinde in eigener Verantwortung einzelne ihrer Mitglieder zu bestimmten Missionseinsätzen ausgewählt, ausgesandt und nach Vollzug des Auftrages und Rückkehr der Missionare diese Einsätze ausgewertet hat 327 • 324
315 326
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R. Pesch, Voraussetzungen und Anfänge der urchristlichen Mission, 45. Auch wenn die weltweite Perspektive, wie die des Paulus, in dieser Frühzeit der antiochenischen Mission mit ihren geographischen Implikationen noch nicht festzustellen ist, ist theologisch mit der Zuwendung zu den Heiden diese Perspektive in Ansätzen schon vorhanden. Hahn, Verständnis, 19 63,49. Der Bericht des Lk über Missionsunternehmen von Antiochien aus wird durch zwei Bemerkungen des Paulus bestätigt: eine über seine mehrjährige Mission in Syrien und Kililcien (Gal 1,2I) und eine zweite, daß er mit Barnabas in Antiochien bzw. von Antinchien aus Missionsreisen unternommen hat (Gal 2,lff; lKor 9,6). Die Notizen des Lukas (v.a. Apg 13,2f; 14,26f) mit dem von ihnen umschlossenen Reisebericht gelten nicht zulet2t deswegen als zuverlässige Nachricht über die übliche antiochenische Missionsmethode (vgl. R. Liechtenhan, 1946, Mission, 54ff; E. Schweizer, Gemeinde, 1962, 189; D. Georgi, Gegner, T964, 47; R. Schnackenburg, Lukas, 1971, 240f; H. Kasting, Anfänge, 1969,105; F.V. Filson, Geschichte, 1967, 22M; gegen H. Merklein, Amt, 1973, 253). W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 157.
Hausgemeinde und Mission
Besonders in den Reisen des Barnabas und des Paulus wird die Praxis der Wander- bzw. Partnermission und ihre Verbindung mit manchen Elementen der radikalen Wanderethik deutlich, wie wir sie aus der jesuanischen Aussendungstradition kennen (Lk 10,1-12 par) und wie sie in der antiochenischen Gemeinde offensichtlich praktiziert wurde 328 • Bei Paulus, und wohl auch bei Barnabas, haben wir analog zu Jesus einen Verzicht auf Ehe, Besitz und festen Wohnsitz (vgl. 1Kor 7,J; Phil 4,11-13; 2Kor 6,10; II,27; Apg 5,36f). Auf der ersten Missionreise (Apg 13 und 14) treten Barnabas und Paulus als Exorzisten und Heiler in Erscheinung329 • Allerdings wurden diese Anweisungen sowohl bei Paulus und Barnabas als auch unter anderen Wandermissionaren nicht absolut, sondern wieder in nachösterlicher Abänderung angewandt 330 • Beide sind z.B. bemüht, soweit wie möglich sich selbst zu versorgen, um damit den Gemeinden, die sie selbst gründeten, finanziell nicht zur Last zu fallen (vgl. rKor 9,6.12-18 mit Mt 10,9f). Auf der ersten Missionsreise kommen durch die Missionstätigkeit von Barnabas und Paulus Heiden zum Christusglauben, die getauft, aber nicht beschnitten werden. Einige Jerusalemer Judenchristen sind damit nicht einverstanden. Der Konflikt mit ihnen führt dann zum "Apostelkonzil", über das Paulus und Lukas (im einzelnen offenbar divergierend) berichten (vgl. Gal2,1-24 mit Apg 15,1-35). Die weitaus überwiegende Mehrheit der Forschung identifiziert Gal 2,1-10 mit Apg 15,1-35, wobei betont wird, daß der Zeitpunkt des Abkommens, die ihm vorausgehenden Verhandlungen einschließlich deren Ergebnisse und die Anzahl der Jerusalembesuche von Lukas und Paulus unterschiedlich und teilweise sogar
328 Man darf wohl mit W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 156, Anm. 197, annehmen, daß
329 330
Paulus und Barnabas nicht die einzigen waren, die solche Missionsreisen unternommen haben (vgl. Apg 15,38-4°; 13,1). Vgl. auch zKor 12,12; Rom 15,19 mit Lk 10,9 par. Die nur auf Zeit und für die palästinische Situation gedachten Ausstattungsregeln VOll Lk 10,4 par werden also in evangelischer Freiheit modifiziert. Vgl. ebenfalls hinsichtlich Ehelosigkeit rKor 9,5. Auch der Inhalt der Verkündigung hat sich konkretisiert. Nicht mehr die in Jesus nahe herbeigekommene Gottesherrschaft, sondern das Evangelium vom gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus ist Gegenstand ihrer Missionspredigt. Vgl. dazu P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz, 1 r 8.
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widersprüchlich dargestellt werden 33 ]. In der' angelsächsischen Welt wird in unterschiedlicher Weise die These einer Nicht-Identifizierung der bei den Berichte vertreten, was heute durchaus eine Minderheitsmeinung darstellt332 • Auf diesem Konzil bekommen Barnabas und Paulus von den drei "Säulen" (Gal 2,9) die Bestätigung ihrer Missionspraxis, was missionsgeschichtlich als entscheidender Durchbruch bezeichnet werden kann. Auf Grund dieses Durchbruchs konnte es zur Heidenmission ohne Beschneidung und im Laufe der Zeit zur Bildung einer selbständigen Heidenkirche kommen. Ausgangsbasis dieses Unternehmens ist die von den Hellenisten gegründete Missionsgemeinde in Antiochien. In Apg I I,20 wird der Übergang zur Heidenmission geschildert. "Nimmt inan den weiteren Missionsweg des Philippus ... und den der bis Phönizien, Zypern und Antiochien vorstogenden anderen Hellenisten hinzu ... , steht man vor revolutionären geographischen und ethnischen Gr.enzüberschreitungen. "333 Auch diese Neuerung lägt sich vorzüglich von der Christologie und der Heiligen Schrift her erklären. Jesus, den erhöhten Christus, hat Gott zum messianischen Herrn Israels und aller Völker (Ps IIo,d.sf; vgl. auch Ps 2,8-I2; 89,28) eingesetzt (vgl. Apg 2d4ff; Hebr I,I3). Nach der Schrift334 ist dieser messianische König zugleich die Hoffnung der Heiden (vgl. Apg I s,I6f; Röm I S,9-I2). In Antiochien gibt es augerdem Hinweise dafür, daß im Unterschied zu der unter Jakobus eingeführten presbyterialen Leitungsstruktur der JerusaJemer Urgemeinde eine von charismatischen Leitern bestimmte Gemeindeordnung praktiziert wurde (Apg 13,If)·B5. Die antiochenische Gemeinde hatte anscheinend schon in den vierziger Jahren des I. Jh. eine verhältnismäfSig feste Organisationsform gefunden. Hier werden nämlich Propheten und Lehrer von der Ge-
33] Vgl. i.B. R. Peseh, Simon-Petrus, 1980, 77f für Besprechung und weitere Litera332
333 3.14
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turhin weise. Vgl. z.B. schon W.M. Ramsay, Ga!atians, 1900, z. St.; J.]. Gunther, Pau!: Messenger and Exile, 1972., ISf; c.]. Hemer, The Book of Acts, 1989, 251-270; zuletzt R. Bauckham, ]ames and the ]erusalem Church, I99 5, 415-480. Stuhlmacher, Bibl. Theol., 2. 1 4. Dt 32,43; Am 9,llf;jes n,10; Ps 18,50; II7,I. Zum hohen historischen Wert der alten Liste in Apg 13,I vgl. A.F. Zimmermann, Die urchristlichen Lehrer, I988, II8-I35.
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meinde insgesamt unterschieden 336 (vgl. auch Apg I4,27). Die Namensliste in I3,Ib spricht gegen eine bloße "l\IIomentaufnahme". Diese Männer scheinen auf Dauer zum Leitungskreis der antiochenisehen Gemeinde gehört zu haben, sonst hätte man sie nicht erwähnt. Des weiteren weist Apg I I,29f auf eine organisierte Spendentätigkeit hin. Auch die Tatsache, daß die Angehörigen der antiochenischen Gemeinde erstmalig Xpl.CYtLUVO( genannt werden (Apg II,26), ist ein Hinweis auf besondere Gemeinschaftsformen, die sich von denen der Synagoge unterscheiden ließen. Die antiochenische Gemeinde hat sich also nicht mehr an der synagogalen Organisationsform orientiert. Im nächsten Kapitel werden wir deutlicher sehen, daß diese antiochenische Organisationsform ebenso wie das Jerusalemer Vorbild nachhaltig auf Paulus eingewirkt haben (vgl. z.B. IKor I2,28). Es gibt auch gute Gründe für die Annahme, daß sich Spuren einer antiochenischen Tauf- und Abendmahlstradition herausstellen lassen, in der sich ein bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht belegtes Sakramentsverständnis erkennen läßt. Dieses antiochenische T auf- und Abendmahlsverständnis scheint dann ebenfalls für Paulus wichtig geworden zu sein. Mit seiner Anschauung, daß in seinen Gemeinden nicht mehr zwischen Juden und Griechen, Sklaven und Freien, männlich und weiblich soteriologisch zu unterscheiden ist, sondern, daß alle im Namen Jesu Christi Getauften "einer in Christus Jesus" sind (Gal 3,28)337, lehnt Paulus sich wohl an eine von ihm fast wörtlich zitierte (Tauf-)tradition an, die vermutlich aus der Gemeinde in Antiochien stammt338 • Dort haben sich "Christen" mit dieser Tradition gegen die Synagoge abgrenzen wollen, in der diesbzgl. eine ganz
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Vgl. z.B. J. Roloff, Apg, 193; B.H. Steeeter, The Primitive Church, London 1929, 75. Allerdings spricht Apg 13, I weder für noch gegen die gleichzeitige Existenz von Presbytern in der antiochenischen Gemeinde. Es kann sein, daß es neben den Propheten und Lehrern auch Älteste gab. Apg 14,22 und 20,17,28 können Hinweise dafür sein, daß Paulus lind Barnabas die Praxis der Einsetzung von Ältesten aus Antiochien übernommen haben. Allerdings ist hier ebenfalls zu fragen, ob es Zufall ist, daß in Apg 13,1 von einem Presbyterium keine Rede ist. Auf diese den Rahmen unserer Studie sprengende Frage gehen wir nicht weiter ein. Vgl. mit IKor 12,13; Ko! 3,11. Es fällt auf, daß Paulus dies in seinen Briefen dreimal betont, was andeutet, dag es ihm für sein Taufverständnis von großer Bedeutung war. Vgl. J. Becker, Ga!, I990, 44ff; U. Mell, Neue Schöpfung, 1989, 303-31 5; ihnen folgend P. Stuhlmacher, BibI. Theol., 220.
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andere Haltung herrschte 339 • Von dieser Tauf- und der ebenfalls antiochenischen Abendmahlstradition (rKor II,23ff)340 leitet Paulus sein ekklesiologisches Verständnis her, daß der Täufling in den real existierenden Christusleib hineingetauft wird J41 • Zusammen bilden die Getauften den Leib Christi, den einen neuen Menschen (rKor 6,r6f; I2,12f; Gal 3,28; Kol 3,r5). "Mit ihrer Taufe sahen sich die an Jesus Christus Glaubenden in ein neues Sein und eine neue Lebensgemeinschaft versetzt (vgl. 2Kor 5,17; Kol 3,9-II}.,,342 Diese Tauftradition steht in einer gewissen Spannung zu den antiken Oikosstrukturen. Was das für die neue Lebensgemeinschaft bedeutet hat, die sich überwiegend in einem solchen Oikos versammelte, ist im nächsten Kapitel im Zusammenhang der paulinischen Hausgemeinden zu untersuchen. In Antiochien ging man also dazu über, Gottes Volk aus Juden und Heiden zu sammeln, und das allem Anschein nach in kleinen Hauszellen. Zumindest in dieser Beziehung kann man von einem organischen Übergang von der Jerusalemer Urgemeinde hin zur antiochenischen Missionsgemeinde sprechen. Daß auch die Gemeinde in Antiochien sich in Privathäusern wohlhabender Mitglieder und damit wie in Jerusalem Km;' otKov getroffen hat, ist schon deshalb wahrscheinlich, weil dies für die überwiegende Mehrheit der ganzen Christenheit in den ersten drei Jahrhunderten zutraf (vgl. unseren Forschungsbericht). Wenn wir weiter bedenken, daß zu jener Zeit eine relativ große Anzahl von Juden mit einem Anteil an Gottesfürchtigen 343 und Proselyten in Antiochien wohnte 344, viele aus dieser
339 VgI. z.B. tBer 7,18: "Drei Lobsprüche sind nötig, daß ein Mensch sie jeden Tag
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lobe: 'Gepriesen, daß er mich nicht als Heide gemacht hat. Gepriesen, dag er mich nicht als Ungebildeten gemacht hat. Gepriesen, daß er mich nicht als Frau gemacht hat'." Ähnlich hatte der hellenistische Mann drei Gründe zur Dallkbarkeit (vgI. S. Heine, Frauen der frühen Christenheit, 1986,94). Oder schon aus Damaskus? VgI. z.B. F. Lang, Korinther, 1986, 151; vorsichtig G.D. Fee, Corinthians, 1987, 548, Anm. 18; P. Stuhlmacher, Das Zeugnis vom Herrenmahl, ZThK 84 (1987), 1-35, v.a. 13f.19 (s. S. 164, Anm. 152). VgI. auch]. Roloff, Kirche im NT, 100-110. P. Stuhlmacher, BibI. TheoI., 2:2.0. Gottesfürchtige gehörten oft zu den sozial Höhergestellren (vgl. H. Gülzow, Christentum und Sklaverei, 1969, 13f). Vgl. C.H. Kraeling, Thc ]ewish Community at Antioch, JEL sr (1932), 130-160, v.a. 136.147, der den jüdischen Anteil der Bevölkerung Antiochiens zur Zeit des Augustus um 45 000 schätzt und auf "the attraction ro thc Jewish synagogue of a 'mulritude of Greeks'" bzw. Gottesfürchtige oder Proselyten (vgI. Josephus, Bel-
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Gruppe einen gewissen Wohlstand erreicht hatten 345 und die christlichen Missionare überwiegend Gottesfürchtige bekehrten346 , so darf vermutet werden, daß wenigstens einige begüterte Hauseigentümer unter ihnen ihre Häuser der Gemeinde zur Verfügung gestellt haben. Daß die antiochenische Gemeinde sich so stark an der finanziellen Spende für die Jerusalemer Gemeinde beteiligen konnte, unterstützt diese These ebenfalls (Apg II,27-30). Einige Personen in der antiochenischen Gemeinde, die in unseren Texten namentlich erwähnt werden (Apg I3,I), kommen als Wohlhabende und damit als potentielle Hauseigentümer in Frage. Die Tatsache, daß sie Lehrer und Propheten genannt werden und damit "charismatische" Leitungsaufgaben in der Gemeinde wahrnehmen, muß dies nicht ausschließen. Als Jugendgefährte oder vertrauter Freund des Tetrarchen Herodes Antipas wird Menahem als Sohn einer vornehmen Familie (wohl des griechisch gebildeten Laienadels in Jerusalem oder Galiläa) im Kreis der Prinzen erzogen worden sein 347 • Über den Status von Simeon und Lucius erfahren wir nichts Näheres, aber die bloße Erwähnung ihrer Namen könnte als Hinweis auf eine gehobene soziale Stellung verstanden werden348 • Auch Nikolaus, der Proselyt aus Antiochien, kann zu der Gruppe von potentiellen Hauseigentümer gezählt werden (Apg 6,5). Die Erwähnung dieser Männer deutet zumindest an, daß die Gemeinde über die erste Entwicklungsphase einer einzigen Hausgemeinde bzw. nur weniger HGn ohne eine übergemeindliche Organisation hinausgewachsen ist. Es wäre möglich, daß wie in Jerusalem einige dieser Männer Leiter von HGn waren und als solche einen
34.5 316 347
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lurn, VII, 45) hinweist. Vgl. mit ihm Meeks und Wilken, Jews and Christians, 8; F.W. Norris, TRE III, Art. Antiochien I, ror. Vgl. C.H. Kraeling, ebd., 147 und Apg II,27-30. J.D.G. Dunn, The Incident at Antioch (Gal 2,11-18), JSNT 18 (198;),3-75.3°. R. Pesch, Apg, 17; E. Haenchen, Apg, 379; W. Meeks und R.L. Wilken, Jews and Christians in Antioch, I978, 15; M. Hengel, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 63f. Obwohl wir keine Belege für eine Verbindung zwischen dem Tetrarchen und Antiochien kennen, war sein Vater einer der großen Wohltäter der Stadt (vgl. Josephus Bell I.425). Vgl. G. Theißen, Soziologische Auswertung, Studien, 38f. R. Pesch, Apg, 17, der die Möglichkeit erwägt, daß Si me on mit Beinamen Niger als Afrikaner ausgewiesen wird, der seinen jüdischen Namen in einer Proselytenfamilie erhalten hatte. Aus einer Proselytenfamilie kommend wäre er eher wohlhabend und gebildet. Nicht von ungefähr dürfte die Beobachtung sein, daß bei drei von fünf der "Leitungsgruppe" (Menahem, Barnabas und Paulus) in der antiochenischen Gemeinde ein gehobener Sozialstatus wahrscheinlich ist.
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Leitungsvorstand bildeten, und dies immer dann, wenn die Christen als Gesamtgemeinde zusammenkamen oder um alle Christen am Ort bei einem Leitungstreffen zu vertreten. Sicheres wisse~ wir darüber aber nicht. Wenn "Propheten und Lehrer" den Leitungskreis gebildet haben, dann ähnelt er dem Jerusalemer Siebenerkreis unter Stephanus. Es ist des weiteren anzunehmen, daß es in der antiochenischen Gemeinde eine Mehrzahl von HGn gab. Folgendes spricht dafür: Apg II,26 ist nicht nur ein Hinweis darauf, daß die Christen in Antiochien als Sondergruppe, die ein neuartiges Bekenntnis pflegte, aufgefallen sind und daher der Name "Christen" auf sie angewandt wurde. Die Tatsache, daß sie aufgefallen sind, zeigt, daß sie eine beträchtliche Zahl von Mitgliedern hatten, denn von einer einzigen kleinen HG hätten die Einwohner der Großstadt Antiochiens keine Notiz genommen 349 • Außerdem: Antiochien, als drittgrößte (bzw. viertgrößte) Stadt350 im Reich und Hauptstadt der römischen Provinz Syrien mit ihrer relativ hohen Anzahl von jüdischen Einwohnern mit starkem proselytischen Anteil (s.o.), ist ein fruchtbarer Boden für die juden- und heidenchristliche Mission 351 gewesen. Der kosmopolitische Charakter der Stadt mit ihrer stabilen römischen Regierung
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Vgl. H. Conzelmann, Geschichte des Urchristentums, 1983, F. Ahnlieh auch W.A. Meeks - R.L. Wilken, Jews and Christians in Antioeh, 1978, 1 5f; mit ihnen R. Riesner, Frühzeit, 1994, 99. Diese Notiz des Lukas wird heute allgemein für zutreffend gehalten. Vgl. 7...B. J. Roloff, Apg, 177; G. Schneider, Apg, 274; G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 1987, 143. B.P. Zingg, Das \'{fachsen der Kirche, 1974, 226f, geht von einer vorliegenden schriftlichen Tradition für Apg I I ,26b aus. Auf die antiochenische Herkunft des Christen-Namens weist auch hin, daß er außerntl. und christlich zuerst bei Ignatius von Antiochien belegt ist (Ign, 10,1.3; Röm 3,3; Philad 6,1). Vgl. V. Corwin, St. Ignatius and Christianity in Antioch, 1960, 189. Die Einwohnerzahl Antiochiens betrug nach stark divergierenden Schätzungen im I. Jh. n.Chr. zwischen 150000 und 600000 Einwohner. Für weitere Lit. und eine kurze Besprechung vgl. R. Riesner, Frühzeit, 1994,98. F.W. Norris, TRE III, Art. Antiochien I, ral; V. Corwin, St. Ignatius and Christianity in Antioch, 49; G. Downey, A History oE Antiach in Syria, 196I, 278. Vgl. Apg ll, 19-2I (A.v. Harnack, Die Apg, I908, z. St.; J. Jeremias, Abba, 1966,238-255 und R. Bultmann, Exegetica, I967, 412-423 sprechen sich für die Historizität der Stelle aus): Dort heißt es, daß die Hellenisten Juden und Heiden das Evangelium gepredigt haben und daß viele gläubig wurden. Vgl. allch M. Hengel, Zur urchristl. Geschichtsschreibung, 84f.
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spricht für ein quantitativ rasches Wachstum der Christengemeinde in Antiochien 352 • Vor allem ist aber auch Gal 2,II-14 unter dem Aspekt mehrerer HGn zu lesen. Petrus nimmt zunächst mit den Heidenchristen gemeinsame Mahlzeiten ein. Als Abgesandte des Jakobus kommen, sondert er sich dann aber mit den Judenchristen ab. Diese heidenund judenchristlichen Sondermähler spielen sich mit Sicherheit nirgendwo anders als in getrennten Hausgemeinden Antiochiens ab. Spätestens mit dem antiochenischen Konflikt353 ist also ein Nebeneinander von Gesamtgemeinde (s. S. 48 unsere Definition von Gesamtgemeinde) und mehreren HGn in Antiochien zu konstatieren 3H • Dafür, daß es die Möglichkeit zur Gesamtversammlung gab, könnte Gal 2,14 sprechen 355 • Die Auseinandersetzung, die Paulus hier schildert, spielt sich" vor allen" ab, d.h. anscheinend vor der versammelten Gesamtgemeinde 356 • Aus Apg 13,1-3 könnte man schließen, daß 352
Trotz dieses schnellen Wachstums dürfen wir uns die Gemeinde in Anitiochien nicht allzu groß vorstellen. Nach R.L. Wilken, Die frühen Christen, I986, 45, betrug am Anfang des 2.. Jh. n.Chr. "die Gesamtzahl der Christen innerhalb des Irömischen = RG] Reiches wahrscheinlich weniger als 5°000 - eine winzig kleine Zahl in einer Gesellschaft von 60 Millionen". Hier ist allerdings zu bedenken, dalS solche Einschätzungen etwas spekulativ bleiben müssen. Auch wenn wir annehmen, daß Wilken völlig recht hat, ist zu fragen, was die Gesamtzahl der Christen im Reich in den 40er Jahren betrug. Sicher ist, dag es sehr viel weniger waren, aber selbst bei einer sehr konservativen Einschätzung ist es möglich, daß die Gesamtzahl der Glieder der antiochenischen Gemeinde 100 bis hin zu 500 gewesen sein kann. Sicheres wissen wir aber darüber nicht. 353 U.a. M. Hengel, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 8, datiert den antiochenischen Konflikt ca. 48 n.Chr. nach dem Apostelkonzil. Andere datieren ihn noch viel früher (vgl. G. Stählin, Apg, 1978, 2.06.209f und schon T. Zahn, Apg II, 1921, 539f). Für eine Diskussion vgl. R. Peseh, Simon-Petrus, I980, 88-109; A. Wechsler, Geschichtsbild und Apostelstreit, 1991, passim; F.F. ßruce, Acts, 282.2.85, Anm. 9. Zum antiochenischen Konflikt und Paulus in Antiochien allgemein vgl. A. Dauer, Paulus und die christliche Gemeinde im syrischen Antiochia, 1996 . .lH Vgl. H.J. Klauck, HG, 35.4°, Anm. 64. Auch G. Downey, AHistory of Antioch in Syria, 196I, 278; V. Corwin, St. Ignatius and Christianity in Antioch, 1960, 49.76f.8sf; Meeks lind Wilken, Jews and Christians, 2.4 und C. Andresen, Geschichte I, 1975,3 gehen von einem Nebeneinander von HGn in Antiochien aus. 355 "aM' öu döov ö-n OUIC opllonoöouOLV npo~ 'titv a)"llllnav 'tou EuaYYE),,(OU, dnov n\l K1'CPq. E!t1tpoallEv mXV'tffiv ... " 356 Hier ist darauf hinzuweisen, daß demnach die Mitgliederzahl der Gesamtgemeinde in Antiochien nicht sehr viel über roo hätte sein können, sonst wäre ein solches Treffen der Gesamrgemeinde räumlich schwer vorstellbar. Wenn man aber annimmt, daß die Gemeinde in der Weltstadt rasch gewachsen ist, kommt man hier in Schwierigkeiten (s.o.). Sicherlich liegt der Akzent in Gal 2,14 darauf, daß
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schon unmittelbar vor der ersten 1vlissionsreise des Barnabas und Paulus ein Gottesdienst der ganzen Gemeinde stattgefunden hat357 • Angesichts des schnellen Wachstums der antiochenischen Gemeinde ist anzunehmen, daß sich eine Mehrzahl von HGn nicht erst z.Z. des Konfliktes gebildet hatten. Ob diese HGn aber schon vor dem Konflikt, wie die Synagogen, landsmannschaftlieh geteilt waren, läßt sich heute nicht mehr mit Sicherheit ausmachen. Die Annahme, daß sie vorher nicht so gegliedert waren, wird von zwei Beobachtungen unterstützt. Erstens scheint sich der Konflikt selbst vor der Gesamtgemeinde abgespielt zu haben, die offensichtlich aus Juden- und Heidenchristen bestand (hier wird nämlich auch - wie in rKor II,I7-26 - ein gemeinschaftliches Mahl aller vorausgesetzt). Zweitens: Auch wenn wir nicht mehr genau wissen, wie es in den einzelnen Hausgemeinden aussah, spricht die antiochenische Taufund Abendmahlstradition in Gal 3,26ff1rKor II,23ff (s.o.) gegen landsmannchaftlich gegliederte Versammlungen in den einzelnen HGn. Denn gerade eine solche Trennung würde den Leib Christi zerreißen. Dieser Tradition nach sind in der Gemeinde der christlich Getauften nicht nur die soziologischen, sondern auch die ethnischreligiösen Barrieren zu überwinden. Das gilt v.a., wenn die Antioehen er diese Tradition nicht nur theoretisch festgehalten, sondern wirklich in die Praxis umgesetzt haben. Vor dem Konflikt in Antiochien scheint man tatsächlich ein Gemeindeleben praktiziert zu haben, bei dem die Unterschiede zwischen Juden und Heiden als überwunden galten (vgl. Gal 2,I2f)358. Ob es nach dem Konflikt landsmannschaftlich getrennte HGn in Antiochien gab, können wir nicht mehr sagen.
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Paulus Petrus nicht privat, sondern öffentlich korrigierte. So könnte man fragen, ob mit "vor allen" einfach alle, die da waren, gemeint sein kann. Aber auch dann ist anzunehmen, daß die wichtigsten Leute der antiochenischen Gemeinde bei dieser Zusammenkunft anwesend waren und damit die Gesamtgemeinde vertraten. In diesem Sinne könnte man auch von einer "repräsentativen" GesamtversammJung reden. R. Pesch, Apg I7. Er begründet dies mir der feierlichen liturgischen Sprache in V. 2.. Vgl. auch in VI den Ausdruck K01;& 'trjv oÖaav !:KKAT]aiav, R.A. Campbell, Elders, I 65. Zur Frage, ob Paulus sich trotzdem gegenüber Perms mit seinem Plädoyer für die Wahrheit des gesetzesfreien Evangeliums nicht hat durchsetzen können vgl. z.ß. Apg I 5,2.0.2.9.39ff und P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz, UI.
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D) Von Jesus über die Hellenisten bis zur Mission des Paulus Wie wir ebenfalls gesehen haben, müssen wir den Hellenisten missionsgeschichtlich eine große Bedeutung beimessen. Mit M. Hengel können wir sagen, daß die Hellenisten das Bindeglied zwischen der Urgemeinde und den paulinischen Gemeinden darstellen359 • Wir verdanken "jenen fast unbekannten judenchristlichen 'Hellenisten' des Stephanuskreises und der von ihnen begründeten ersten griechischsprechenden Gemeinde in Jerusalem" den Brückenschlag von Jesus zu Paulus 360 • Sie übertrugen die Jesustradition in die griechische Sprache, bereiteten durch ihre Kritik an Ritualgesetz und Kult die paulinische Freiheitspredigt vor und trugen das Christusevangelium u.a. nach Damaskus, Cäsarea und Antiochien. Hier ist aber zu fragen, ob die Hellenisten nicht noch etwas weiteres übertragen haben. Wenn man bedenkt, daß wenigstens in Ansätzen eine Organisationsform auf Familienbasis in Privathäusern der ortsfesten Anhänger und eine relativ weit entwickelte hausmissionarische Vorgehensweise schon von Jesus und seinen Jüngern praktiziert wurde, könnte man fragen, ob die HellenistE;n ebenfalls das Verbindungsglied waren, durch das mehrere Elemente der hausmissionarischen Vorgehensweise weitergeleitet wurden, wie wir sie von der Aussendungstradition (Lk IO,I-I2 par) her kennen (s. S. 5Iff), so daß wenigstens Teile der damit verbundenen Gemeinschafts- und Organisationsform von Jesus bis in die paulinische Mission und von da aus in die Gemeinden der griechisch-römischen Welt fanden. Kann man in unserem Zusammenhang nicht nur eine Verbindungslinie zwischen den Hellenisten und Paulus, sondern auch eine zwischen ihnen und Jesus konstatieren? Es sind zunächst folgende allgemeine Beobachtungen zu be denken J61 : Die Gemeinsamkeiten der paulinischen Mission mit der
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M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, ZThK 72 (1975), I p-206.20I; vg\. auch ders., Die Ursprünge der christlichen Mission, NTS 18 (1971/72), 15-38. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, ZThK 72 (1975), 1P-206, v.a. 201.204; "Obwohl dieser Gemeinde zeitlich nur eine kurze Wirksamkeit beschieden war, ist ihre Wirkung unübersehbar. Sie war das "Nadelöhr", durch das das urchristliche Kerygma und die damit noch untrennbar verbundene Botschaft Jesu den Weg in die griechisch-römische Welt fand" (201). Zum folgenden vgl. M. Hengel, Zwischen Jesus und.Paulus, ISI-206, v.a. 203f; ders., Ursprünge der christlichen Mission, 28ft.
Die nach österliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde
213
Haus-, Wander- und Umlandmission Jesu lassen sich dadurch bestens erklären, daß es zwischen Jesus und Paulus ein Bindeglied gab, durch das die Aussendungstradition vermittelt wurde. Als ein solches Bindeglied kommen am ehesten die Hellenisten in Frage, denn von ihnen wurde eine hausmissionarische Vorgehensweise praktiziert362 • Außerdem spielen bei den Hellenisten vermutlich mehrere Momente in Hinblick darauf zusammen, daß sie eher als der hebräische Teil der Urgemeinde bereit waren, die jesuanische Tradition mit deren Kritik am Kult- und Ritualgesetz, aber auch die Aussendungstradition und die damit verbundene Gemeinschaftsform und hausmissionarische Vorgehensweise aufzunehmen. Erstens waren einige der Hellenisten, aus der Diaspora nach Jerusalem kommend, von ihrer sonstigen Prägung und Einstellung her, d.h. mit ihrem mobilen Denken, eher in der Lage, Neues aufzunehmen. Zweitens scheinen sie sich überhaupt sehr stark an Jesus und seiner Verkündigung orientiert zu haben363 • Sie fühlten sich wohl von dem Besonderem in seiner Verkündigung angezogen. Vermutlich existierte schon vor Ostern in Jerusalem eine hellenistische Anhängergruppe Jesu 364 • Dort hätten sie die Aussendungstradition aus erster, Hand von Jesus und seinen Jüngern kennenlernen können. Es bestanden nach Ostern in Jerusalem auf jeden Fall Kontaktmäglichkeiten mit den Jüngern Jesu. Es ist also möglich gewesen, daß die Hellenisten schon in Jerusalem Impulse nicht nur für ihre gesetzeskritische und damit für die Heidenrnission aufgeschlossene Haltung, sondern auch für ihre Gemeinschafts- und Missionsform bekommen haben. Wie wir gesehen haben, gibt es Hinweise dafür, daß nach Ostern Petrus und Johannes in ihrer Missionstätigkeit die Aussendungstradition wieder aufgegriffen haben(s. S. 200). Drittens ist die frühe Verfolgung zu envähnen, die die Hellenisten zwang, unterwegs zu sein J65 . Spätestens in dieser Situation wäre es zu erwarten, daß sie die Anweisungen der Aussendungstradition in die Praxis umsetzten. Allem Anschein nach haben sie dies auch getan.
Paulus hatte aber auch Verbindung zu Petms und (dem Herrenbruder) Jakobus in . Jemsalem, war also in Hinsicht auf die Traditionsvermittlung nicht allein auf die Hellenisten angewiesen. 363 Vgl. Anm. 3 60. 364 M. Hengel, The Hellenization of Judaea in the First CenttIry after Christ, T989, 362
18. 365
Für Belege dieser Verfolgung s. S.
197f.
21 4
Hausgemeinde und Mission
Es fiel schon bei unserer oben beschriebenen Rekonstruktion der Mission der Hellenisten auf, dalS sie eigentlich in vielen Punkten an die Vorgehensweise Jesu und seine Jünger erinnerrl 66 • Kapernaum war für Jesus ein zeitweiliger Wohnsitz, das Haus des Petrus ein Stützpunkt seiner Mission sowohl am Ort selber als auch in der Umgebung. So gesehen hat Jesus in Kapernaum und im "evangelischen Dreieck" eine Art Umlandsmission praktiziert367 • Bei Jesus und seinen Jüngern sehen wir Elemente der (zeitweiligen) Ortsgebundenheit, der Wandermission mit ihrer radikalen Ethik, der Partnermission und der Haus-, Stadt- bzw. Durchreise- und Umlandmission miteinander verbunden 368 • Unsere Quellen vermitteln uns tatsächlich das Bild, dalS es sowohl Petrus, der für die Heidenmission aufgeschlossen war und Verbindungen zu den Hellenisten pflegte, als auch Philippus, die anderen Hellenisten und schließlich Barnabas (und mit ihm auch Paulus) waren, die diese Tradition wieder aufgegriffen und, wenn auch eingeschränkt und modifiziert, nach ihr gehandelt haben 369 • Die Missionsform des Philippus kommt der vorösterlichen Vorgehensweise Jesu wenigstens strukturanalogisch durchaus nahe. Philippus reiste in Samaria von Stadt zu Stadt, wie schon Jesus und seine Jünger. Seine 1vlission wird sich wahrscheinlich von seinem Haus aus in Cäsarea und dessen Umland mit den Elementen der Wandermission, der (zeitweiligen) Ortsgebundenheit und der Planmäßigkeit vollzogen haben. Die Gemeinsamkeiten der Missionsstruktur in Antiochien mit der jesuanischen sind noch deutlicher belegt. Gemeinsame Elemente der Wandermission, der Partnermission, der Ortsgebundenheit und
366
367
368 369
Dies sieht übrigens W.H. Ollrog nur teilweise - er räumt z.B. zwar ein, daß nur wanderradikale Elemente und die Partner- bzw. Reisemission die Hellenisten und Pauhls mit den Wandermissionaren der ]esusbewegung verbinden (Mitarbeiter, 158). Er übersieht allerdings v.a. die Bedeutung des Hauses für die hellenistische und paulinische Mission, und damit die Verbindung Jiesbzgl. zu der Jesusbewcgung (s. u.). Freilich war es noch nicht so weit entwickelt und mit allen Elementen organisiert, wie in Antiochien und erst recht nicht wie die Zentrumsmission des Paulus (Zentrumsmission ist hier so gedacht, wie Ollrog, Mitarbeiter, 126, diese beschreibt), dennoch sind die gemeinsamen Elemente nicht zu übersehen. Daß die Mission ]esu plallmämg gewesen war, beweist die Aussendungsrede, in der er den Jüngern Anweisung erteilt, wie sie vorgehen sollen (s. Kap. Il). Für genaue Belege und Besprechung s. S. 197ff und Anm. 3I2. Vgl. auch M. Henge!, Zwischen Jesus und Paulus, 197.
Die nachösterliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde 215
Plan mäßigkeit sowie die Aussendung und das Rechenschaftablegen bei der Rückkehr sind zu erkennen J70 , auch wenn wir dort mit einer österlichen Modifikation bzw. nachösterlichen Entwicklung konfrontiert werden, die erheblich weiter als die Mission Jesu in Kapernaum und Umgebung vorangeschritten ist. Vor Ostern verstanden sich die Jünger als Zeugen des in Jesus angebrochenen Reiches Gottes. Folglich war die Mission eher auf die Verkündigung der Gottesherrschaft und die Sammlung der verlorenen Schafe Israels, nicht aber in erster Linie wie in Antiochien auf die Gründung von örtlichen Gemeinden durch die Predigt des Christusevangeliums ausgerichtet 371 • Aul~erdem ist hier zu betonen, daß die Vorgehensweise Jesu und seiner Jünger eher aus der Situation herausgewachsen ist. Auch wenn sie das Ziel hatten, ganz Israel zu erreichen und sich deswegen wohl Gedanken gemacht haben, wie sie am besten alle verlorenen Schafe Israels mit der Basileia-Botschaft ansprechen könnten, ist dies nicht das globale Konzept, das wir in Ansätzen schon bei den Hellenisten und erst recht bei Paulus sehen (vgl. z.B. Mk 10,5f mit Röm 15,r8f)372. Die Mission der Hellenisten war nicht
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372
Zu diesen ganzen Merkmalen der antiochenischen Missionsform s. S. 202ff. Allerdings ist nicht mit W.H. Ollrog, Mitarbeiter, r 53f, zu sagen, daß die Predigt der Gottesherrschaft und v.a. die radikale Wanderethik Gemeinde- bzw. Gemeinschaftsgründungen geradezu ausschließt. Eigentlich gilt das Umgekehrte, denn wir haben gesehen, daß sowohl bei Jesus (am deutlichsten historisch faßbar in Kapernaum) als auch bei den Jüngern ein komplementäres Verhältnis zwischen den bei den Lebensweisen der Wandermissionare und der ortsansässigen Anhängern Jesu herrschte, auch wenn die Ortsansässigen nicht zum Predigen ausgesandt wurden. Außerdem: Die Verkündigung der Gottesherrschaft ist in sich schon im gewissen Sinne gemeinschaftsgründend. Auch eine Sammlung der verlorenen Schafe Israels impliziert Gemeinschaftsbildung. Überall dorr, wo sich Menschen für das Reich Gottes entschieden haben, entstanden neue Gruppen innerhalb des Volkes. Man muß annehmen, daß schon vor Ostern eine neue Gemeinschaft innerhalb Israels durch die Predigt des Gottesreiches und die Entscheidung dafür entstanden ist (vgl. z.B. G. Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, 5M; vgl. auch F.H. Barsch, Jesus, the Wandering Preacher?, 1975, 60). Die Hausgemeinschaft" im Haus des Petrus in Kapernaum und das Haus der Maria in Bethanien sind die prominentesten Beispiele von solchen vorösterlichen Hausgemeinschaften (s. Kap. II). Was R. Riesner, Frühzeit, T994, 216-225 und noch ausfühlicher J. Scott, Paul and the Nations, 1996, 135-180 für Paulus herausgearbeitet haben, hclt bei den Hellenisten und den Antiochenern seinen Anfang genommen. Riesner fragt, ob Paulus für die geographische Weite seiner Mission einen Anhaltspunkt in Jesaja 66,18-21 finden konnte und kommt zu einem positiven Ergebnis. Anscheinend stehen Spuren paulinischer Exegese von Jes 66,18ff hinter Röm 15,16-24, da
2r6
Hausgemeinde und Mission
einfach Umlandmission wie in Galiäa, sondern sie folgte theologischgeographischen Gesichtspunkten (vgI. z.B. Apg 8,27 mit ]es 56,r-8). Die Leitidee ihrer Strategie war die Überzeugung, daß ]esus Christus Herr aller sei. Von diesem christologischen Verständnis bewegt, fragten sie dann, nicht nur wo alle Juden, sondern auch wo die Heiden zu finden sind, und fühlten sich berufen, mit dem Evangelium dorthin zu gehen. In Antiochien sehen wir außerdem eine Gemeinde, die in eigener Verantwortung ausgewählte Gemeindeglieder als Missionare ins Umland ausgesandt hat. In Kapernaum gab es vor Ostern noch keine Gemeinde, sondern nur eine Hausgemeinschaft. Nicht diese Hausgemeinschaft selbst, sondern Jesus war für die Aussendung einiger Glieder dieser Gemeinschaft verantwortlich. Dennoch sind schon in Kapernaum deutliche Ansätze einer Umlandmission vorhanden. Sicherlich sind v.a. Ant10chien als Großstadt, aber auch Cäsarea anders als die eher ländlich geprägte "Kleinstadt" Kapernaum einzustufen. Auch das Umland von Antiochien wird erheblich stärker "urbanisiert" gewesen sein. Wie wir allerdings oben schon sahen, war Kapernaum auch kein Dörfchen, sondern als kleine, aber doch vitale Stadt mit guten Verkehrs- und regen Handelsverbindungen zu den umliegenden Regionen viel stärker vernetzt, als allgemein angenommen wird (s. S. 69). Dennoch ist zu betonen, daß die großstädtische Situation in Antiochien und in den anderen Provinzhauptstädten der pau/inischen Mission eine modifizierte und teilweise ganz andere Strategie erforderte. In diesen Großstädten beginnt Paulus seine Zentrenmission, die wiederum ein anderes Konzept darstellt als das, was ]esus in Kapernaum verwirklicht hat. Die sozio-ökonomische Gemeinschaftsform auf Familienbasis in Privathällsern in Jerusalem, eventuell auch im Haus des PhilipPlls in Cäsarea und sicherlich in den HGn Antiochiens, bildet eine zusätzliche Gemeinsamkeit zu der vorösterlichen Mission ]esu. Es lids sich wahrscheinlich machen, daß in ]erusalem Häuser für die gesamte Urgemeinde einschließlich der Hellenisten eine wichtige missionarische Bedeutung hatten. Wie wir oben gesehen haben, dienten Häuser in der Urgemeinde als Stützpunkte der Mission und Zentren des Gemeindelebens. Damit ging von ihnen eine starke missionarische Anziehungskraft aus. Es dürfte angesichts des missionarischen Eifers Paulus den Jesajatext als sich in seinem missionarischen \Virken erfüllend las. Vieles spricht dafür, daß Paulus an entscheidenden Stationen seiner Reiseroute auch VOll der Missionsweissagung in Jes 66 beeinflußt wurde.
Die nachösterliche Verwendung VOll Häusem in der Urgemeinde 217
der gesamten christlich-hellenistischen Bewegung zu erwarten sein 373 , daß diese Art der Verwendung von Häusern auch in den anderen Zentren der Hellenisten wie Cäsarea und Antiochien fortgesetzt wurde. Diese Annahme wird durch die Beobachtung unterstützt, daß die Jerusalemer Hausgemeinden einen gewissen Vorbildcharakter für die Gemeinde in diesen "hellenistischen" Zentren, v .a. in Antiochien, gehabt haben374 . So halten wir fest, daß die Missionspraxis der Hellenisten der vorrösterlichen hausmissionarischen Vorgehensweise Jesu und seiner Jünger wenigstens strukturanalogisch in mehrfacher Weise durchaus nahekommt, wenn auch Modifikationen und Weiterentwicklungen zu konstatieren sind. Hier ist v.a. das enorme Wagnis vor Augen zu halten, das in dem Überschritt von der Juden- zur Heidenmission steckt, den Petrus und die Christen in Antiochien vollzogen haben. Diese Freiheit der hellenistischen Antiochener, zu den Heiden hinzugehen, und es damit missionarisch anders als die Jesusjünger in vorösterlicher Zeit zu machen, hat mit dem Wissen des Geistes und dem Bekenntnis, daß der erhöhte Christus KUPLOC; navLlov ist, zu tun (vgl. Mt II,27; 28,18 und Röm ro,L3). Außerdem ist zu unterstreichen, daß die Heidenmissionare aus dem vorwiegend ländlich geprägten jüdischen Mutterland buchstäbbch in die große weite Welt ziehen und dabei Mittel und Wege finden müssen, Juden und Heiden, die in hellenistischen (Groß-)5tädten wohnen, für das Evangelium zu gewinnen. Für dieses Unternehmen boten die synoptischen Aussendungsreden keine zureichende Instruktion mehr, und auch das Verhalten Jesu konnte nur noch beschränkt als Vorbild dienen 375 • Für die Begründung von Hausgemeinden bedeutete dieser Überschritt nicht nur die Konfrontation mit jeweils neuen kulturellen Verhältnissen, sondern auch die Nötigung, die unterschiedlichen sozialen Tatbestände in einem OtKoC; neu zu prüfen, zu übernehmen oder (partiell) zu verwerfen. Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, war Maßstab dafür die Übereinstimmung mit der in Gal 3,2628 fixierten (antiochenischen) Taufordnung und dem überlieferten Taufbekenntnis. Die Paulusbriefe spiegeln ein ständiges Ringen mit diesem Problem376 . Im nächsten Kapitel wird zu untersuchen sein, 373 374
375 376
Zum Thema "Missionarischer Eifer der Hellenisrcn" vgJ. M. Hengel, Ursprünge der christlichen Mission, 3of. V.a. in Antiochien gibt es dafür konkrete textliche Belege - s. S. 202ft. In loh 14,I2 wird dieser Sachverhalt angedeutet. Vgl. GaI3,26-28 mit z.B. rKor II,r-r6 oder Kol 3,r8-25'
218
Hausgemeinde und Mission
wie Paulus und seine Gemeinden versucht haben, mit diesen Herausforderungen fertig zu werden.
E) Ergebnis Das Haus bildete, ebenso wie für Jesus selbst und die von ihm ausgesandten Jünger, auch nach Ostern in der Urgemeinde zu Jerusalem eine Voraussetzung für Mission und Gemeinschaftsbildung. Durch das schnelle Wachstum der Urgemeinde ist schon in den ersten· Jahren ein Nebeneinander von Hausgemeinden und Gesamtgemeinde entstanden. Das Obergemach, das Haus der Maria und dann auch andere Privathäuser wohlhabender Mitglieder dienten den ersten Christen als Sammelpunkte, als Versammlungsräume für die Pflege der Gemeinschaft, für Gebet, Lehre und die Feier des Herrenmahls. Damit wird deutlich, daß diese Häuser schon in der Urgemeinde den Anhängern Jesu das Feiern spezifisch christlicher Gottesdienste ermöglichten. Häuser stellten auch Übungsplätze der Brüderlichkeit nach innen und Schauplätze der Brüderlichkeit nach außen dar, woraus die missionarische Bedeutsamkeit der HGn deutlich wird. Der antike Oikos mit seinem "eingebauten" Beziehungsnetz diente vermutlich schon in der Jerusalemer Urgemeinde als Quelle missionarischer Kontakte. Daß der Haushalt bereits in der Urgemeinde zugleich Quelle und Übungsplatz für Mitarbeiter und für zukünftige Führungskräfte der Gemeinde darstellte, ist für Jerusalem nur andeutungsweise belegt. Einiges spricht dafür, dag wohlhabende Hauseigentümerlinnen als Hausvorstände und Gastgeber der Hausgemeinden wegen ihrer sozialen Position eine besondere Autorität in diesen Gruppen ausübten, denn die Gemeinschaft traf sich im festgeprägten sozialen Rahmen ihrer Häuser. Daß einige Gastgeber Leiter dieser HGn wurden, dürfte anzunehmen sein. Aus diesen Hausgemeindeleitern können dann mit der Zeit einige in den Siebenerkreis bzw. zu Ältesten gewählt worden sein und hätten somit eine Art von Hausgemeindevorständen gebildet. Sichere Indizien haben wir diesbzgl. für die Urgemeinde allerdings nicht. Mit der Zeit aber vermittelt die Apg den Eindruck, daß der Titel "Älteste" tatsächlich Amtsbezeichnung wird (vgl. v.a. Apg 15>4.6.22.41; 16,4; 21,18). In dem Fall hätten wir unter der Voraussetzung, daß Harvey und Campbell mit ihrem Verständnis der antiken und v.a. jüdischen Verwendung des Titels "Älteste" als Ehrenbezeichnung recht behalten, die christliche Prägung
Die nach österliche Verwendung von Häusern in der Urgemeinde
219
einer Amtsbezeichnung, die nicht auf das synagogale Vorbild zurückgeht. Denn dort existierte kein Ältestenamt. Demnach müßte eine stärkere christliche Eigenleistung bei der Bildung des Ältestenamtes zu konstatieren sein, als allgemein angenommen wird. Diese Frage wollen wir im weiteren Lauf unserer Untersuchung im Auge behalten. Des weiteren konnte festgestellt werden, daß es wenigstens hinsichtlich der HGn einen organischen Übergang von der Jerusalemer Urgemeinde bis hin zur antiochenischen Missionsgemeinde gab. Hier wie dort trafen sich die ersten Christen in kleinen Hauszellen. Ebenso wie für Jerusalem gibt es auch für Antiochien Indizien für ein Nebeneinander von Ortsgemeinde und einer Mehrzahl von HGn.
220
IV. Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission Daß Häuser auch in der paulinischen Mission eine entscheidende Bedeutung hatten, ist zu erwarten, nicht nur wegen des zentralen Stellenwertes des Oikos in der Antike, sondern auch wegen der Rolle von Häusern in der vorästerlichen Mission, der Jerusalemer Urgemeinde und der von Antiochien ausgreifenden (Heiden-)Mission. Wir wollen nun untersuchen, inwiefern sich dies historisch im einzelnen nachweisen läßt.
A) Die Angaben über paulinische Hausgemeinden I.
Literarkritische und historische Analyse der Belege
a) Die Belege bei Paulus Zu den wichtigsten Belegen für das "household setting" der paulinischel1 Gemeinden gehören vier Grußworte, in denen Paulus explizit von HGn spricht, d.h. von christlichen Gemeinschaften, die sich in einem bzw. um einen Oikos gebildet haben. r) Paulus schreibt den Korinthern aus Ephesus, daß Aquila und Priska mit der Gemeinde in ihrem Haus sie grüßen: . AonatovLm U~l(X~ ai EKKAllOtm Lij~ . Aota~. aonatELm Uf.tCt~ EV KlJptcp nOAAa . AKUAa~ Kat IIpioKa OUV Ln KaL' OlKOV aULwv EKKAllOt<;t (rKor r6,r9). 2) Etwa drei Jahre später schreibt Paulus nach Rom. Diesmal grüßt er Priska, Aquila und die Gemeinde in ihrem Haus: 3. . Aonaoao8E IIp1.01mV Kat . AKUAav LOU~ OlJVEPYOU~ flolJ EV XPLOL~ . I'Yjoou 5. Kat L~V KaL' OtKOV (.(1),;Wv EKKJ..'Y]Otav (Röm r6,3.5; vgl. auch r6,I4f.23·)· 3) Aus dem Gefängnis schreibt Paulus eine Notiz an seinen Freund Philemon wohl in oder bei Kolossä. Paulus beginnt den Brief in seinem gewöhnlichen Stil mit dem folgenden Grußwort an Philemon und die Gemeinde in seinem (deinem) Haus: r. IIauAo~ ötOf.tLO~ XPLO'tOU . I'Yjoou Kat TL~108EO~ 6 &:oEAlj>o~ LAll~lOVI, 't~ ayamlL0 Kat OlJVEPY~ rl~lWV 2. Kat . An<j>t<;t 'tn aoEAlj>n Kat . ApXtnncp L~ OlJmpaLLWLll rl~lWV Kat Ln KaL' OtKOV OOlJ EKKA'YjOtw (Phlm lf; vgl. auch 2If).
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
221
4) Im Brief an die Kolosser finden wir den Gruß an Nympha und die Gemeinde in ihrem Haus in dem Kolossä benachbarten Laodizea: 'AoJtaouo8E LOu<; ev t\UOOLKElc~ aOEAcj>ou<; KUt NU~lcj>r.LV KUt LTjv KUL' OLKOV UULTl<; eKKAY]OtUV (Kol 4,15). Mit diesen und einigen anderen indirekten Belegen (v.a. in Korinth s. u.) für die HG stehen wir im Vergleich zur vorösterlichen und urgemeindlichen Situation in der glücklichen Lage, daß diese Belege in den unumstrittenen Paulusbriefen selbst zu finden sind, und deshalb von der Forschung als historisch gesichert eingestuft werden 1 • So ist es ohne weiteres möglich, von der Existenz dieser HGn auszugehen. Es sind allerdings zwei textkritische Fragen schon eingangs zu klären: Erstens: War Röm 16 ein ursprünglicher Bestandteil des Römerbriefes oder eine sekundäre Anfügung?2 Diese Frage ist deswegen für unsere Studie wichtig, weil nur durch deren Klärung die in Röm 16 erwähnte HG von Priska und Aquila zu lokalisieren ist. Diese Problematik hat die Forschung seit langem beschäftige, ohne bisher zu einem Konsens geführt zu haben. Neuere Arbeiten plädieren wieder für Röm 16 als ursprünglichen Bestandteil des Röm4 • Um unsere Untersuchung der paulinischen HGn in diesem Kapitel nicht mit einer Besprechung der Echtheitsfrage zu belasten, scheint es ratsam, uns bzgI. der pauIinischen Literatur im wesentlichen auf die unumstrittenen Paulusbriefe zu beschränken (Römj I u. 2Kor; Gal; Phil; 1Thess; Phlm). Aus praktischen Gründen wird auch Kol 4,r 5 schon in diesem Kap. hinzugezogen. Dies halten wir für berechtigt, weil diese Angabe des Kol wenigstens die historischen Umstände der Lebenszeit des Paulus widerspiegelt und damit unter seine Mission einzuordnen ist. Auf die Fragen zur Verfasserschaft des Kolosserbriefes wird im nächsten Kapitel eingegangen (s. S. 385 f). Entweder ursprünglich als selbständiges oder aus Fragmenten zusammengesetztes Schreiben. Man vermutet v.a., Kap. I6 sei zunächst ein nach Ephesus adressiertes Empfehlungsschreiben für Phoebe (16,rf.), das erst von späteren Abschreibern zum Bestandteil des Röm gemacht worden sei. Zur Problematik ein Überblick bei W.H. Ollrog, Die Abfassungsverhältnisse von Röm 16, 1980, 221-226. P. Lampe, Stadtröm. Christen, T24-I34; ders., Roman Christians, 1991, 2I6230; H.]. Klauck, HG, 25-26; H. Schlier, Röm, 440; U. Wilckens, Röm I, 24-27, Röm IJI, I}2; P. Stuhlmacher, Röm, 215f; A. Malherbe, Sodal Aspects, I983, 65· Vgl. auch schon K.P. Donfried, A Short Note on Romans r6, JBL 89 (r979), 44I-449; ders. (Hrg.), The Romans Debare, I99T, lxx: "Romans 16 ... is now viewed by the majority as being an integral part of Paul's original letter." VgL v.a. die grundlegende Arbeit von H. Gamble Jr., The Textual History of the Letter to the Romans, I977.
222
Hausgemeinde und Mission
Folgende Probleme werden u.a. genannt: Röm 16 setzt Kenntnisse über eine häretische Bedrohung der Gemeinde voraus, von denen der Römerbrief sonst nichts verrät (I6,I7-20, eng verwandt mit Phil 3). Röm I 5,3 3 scheint der eigentliche Briefschluß zu sein. Paulus grüßt (zu) viele Bekannte in einer ihm weitgehend fremden Gemeinde. Das Hin und Her von Priska und Aquila zwischen drei Orten wirkt unwahrscheinlich hektisch. In der Textgeschichte des Römerbriefes sind unterschiedlich lange Fassungen bezeugt. Allerdings ist kein einziges dieser Probleme unüberwindlich. Nehmen wir z.B. das wichtigste und schwierigste Problem der Textgeschichte. Aus der komplizierten Textüberlieferung des griechischen Textes 5 lassen sich drei Fassungen des Römerbdefes erkennen. Die Langfassung (Röm 1-16) wird uns von den besten Textzeugen (dem Sinaiticus, dem Vaticanus, des Kodex Ephraemi Syri rescriptus, dem Kodex Claramontanus etc.) geboten. Eine Kurzfassung des Briefes (nur Kap. I-14) wird von Origenes auf Markion und seine Sonderkirche zurückgeführt 6; sie war aber nicht nur unter den Markionanhängern verbreitet. Die dritte Fassung (Röm 1-15; 16,25-27; 16,1-23 als offensichtlicher Nachtrag) bietet Papyrus 46. Höchstens Papyrus 46 weist auf eine Naht zwischen Röm 16 und 1-15 hin? Unter den 14 verschiedenen Textformen ist eine mit Kap. 15 endende Römerbrief-Handschrift bis auf zwei Ausnahmen nirgends belegt. Die eine ist Minuskel 1506 und ist deutlich von Markions Kurzfassung abhängig. Die andere ist der Papyrus 46; er kann aber nicht den Platz der Urform einnehmen, aus der sich alle anderen belegten Textformen ableiten ließen 8 • Mit ihren Vorgeschichten bestätigen die bei den Ausnahmen die Regel der textgeschichtlichen Einheit von r 5 und r6,I-23. Es gilt generell: Wenn I6,I-23 in einer Handschrift fehlen, fehlt auch Kap. 15. D.h. Kap. 15 und I6,r-23 sind in der Textü berlieferung miteinander verwachsen 9 • Die folgende textkritische Lösung scheint am sinnvollsten: Am Anfang stand die Langfassung des Briefes. Sie ist von Markion auf 5 6 7
8 9
Mit I4 verschiedenen Textformen. Übersichtlich zusammengestellt bei K. Aland, Der Schluss ... des Römerbriefes, 1979, 284ff. In: Origenes' Röm Kommentar, VII 453 Lommatzsch (bei Stuhlmacher, Römer, 2I6). Aber für die Begründung dagegen I'gl. P. Lampe, a.a.O., 125. Vgl. P. Lampe, a.a.O., 125f. Damit ist der Ephesushypothese die Grundlage entzogen. Vgl. P. Lampe, a.3.0., 12Sf.
Die Verwendung von Häusern in der paulil1ischen Mission
223
Kapitel 1-14 reduziert worden. Diese Kllrzfassllng ist nach lind nach wieder ergänzt worden, zunächst um Kap. 15. Diesen S.tand spiegelt der Papyrus 46 wieder. Schließlich ist die ganze Länge des Briefes mit wenigen Veränderungen wiederhergestellt worden. P. Stllhlmaeher weist darauf hin, daß allein dieses Ergebnis der textkritischen Untersuchung zeigt, daß "die älteste und historisch authentische Fassung des Römerbriefes in dem 1,1-16,27 umfassenden Langtext vorliegt. Gehen wir davon aus, erübrigen sich alle komplizierten Hypothesen über eine nachträgliche Ergänzung des Römerbriefes, die ohnehin nur schwer zu begründen sind"!o. Deshalb gibt es keinen durchschlagenden Grund, Röm 16 nicht als ursprünglichen Bestandteil des Briefes anzusehen. Zweitens: In Kol 4,15 steckt unser zweites textkritisches Problem. NYM
JO
11 11
Römer, 2I6; vgl. auch P. Lampe a.a.O., 124-131. hier 125f. Die o.g. neueren Arbeiten (vgl. v.a. P. Lampe) zeigen m.E. überzeugend, daß auch die literarkritischen Einwände nicht stichhaltig sind. Zum Textproblt:m vgl. H.]. Klauck, HG, 44f. Vgl. P.P. Bruce, Colossians, 1972., 309; P. Pokorn)", Kolosser, 1987, 164; E. Lohse, Philemon, 1968, 2.44f.; ]. Gnilka, Kolosserbrief, 1990, 2.44; Gielen, Zur Interpreration der paulinischen Formell\ KU'!;' OiKOV i:KKA1]oia, ZNW 77, I986, I09-125, 109; Stuhlmacher, Phlm, 71; P.T. O'Brien, Phlm, 2.56; Klauck, HG, 44 f.
224
Hausgemeinde und Mission
b) Die Belege bei Lukas Zusätzlich zu den Briefen des Paulus kann die Apostelgeschichte als Quelle für Belege zum Gebrauch von Häusern in der paulinischen Mission herangezogen werden 13 • Im folgenden werden vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion in den Hauptbelegen der Apg unterschieden, wonach deren historische Brauchbarkeit untersucht wird. Apg I6,I4f '4 Und eine Frau namens Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, eine Gottesfürchtige, hörte zu. Ihr öffnete der Herr das Herz, so daß sie auf die Worte des Paulus achtgab. '5 Als sie und ihr Haus getauft wurden, bat sie und sagte: "Wenn ihr überzeugt seid, daß ich (fest) an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt." Und sie nötigte uns (dazu).
I) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion
Die Verse qf sind eingebettet in den Auftakt (I6,II-I5) eines größeren Erzählkomplexes (I6,II-40) vom missionarischen Unternehmen in Philippi, einer römischen Kolonie in Mazedonien, also nach Ik. Darstellung von dem ersten Schritt des Evangeliums auf europäischen Boden. Der im Wir-Stil erzählende Abschnitt (II - 15) ist nahezu wörtlich alten Reiseaufzeichnungen entnommen14 • "Er ist gekennzeichnet durch einen nüchternen chronik artigen Erzählstil, der sich unter Verzicht auf alles novellistische Beiwerk auf die Nennung von Orten, Personen und Fakten beschränkt"IS und stammt wohl aus den Itinerarnotizen des Erzählers l6 • 1Kor 1,16 17 beweist, daß die sog. 13
14
15
16
17
Zum "Problem" des Geschichts\verts der Apg haben \vir uns oben schon geäußert (vgl. S. 128, Anm. 2). J. Roloff, Apg 243; ihm folgend R. Pesch, Apg Vh, 103f. Noch stärker c.]. Thornton, Der Zeuge des Zeugen, 1991, 275-280: "Die Lydia-Episode (16,13-15) gehört zweifelsfrei zur Quelle", 278; ihm folgendJ. .Jervell, Apg, 428, Anm. 130. J. Roloff, ebd., 243. Auch A. Weiser, Apg, 421, geht von einer zuverlässigen Überlieferung aus. J. Roloff, ebd., 243; Pesch, ebd., 104. Vgl. auch P. Pilhofer, Philippi, 204f, der betont, daß im Philippiabschnitt Lukas "die lokalen Gegebenheiten in Philippi ... mit besonderer Anschaulichkeit und erstaunlicher Präzision geschildert" hat. Allerdings ist er der Meinung, daß Lukas ursprünglich nicht aus Antiochien, sondern aus Phi/ippi selbst stammt und deswegen über die genauen Ortskenntnisse verfügre. eß6.!t'tl.aa öe Kat 'tov 1:'tEq,av& OiKOV' Vgl. 1Kor 16,15 und die vorluk. bzw.
Die Verwendung V01t Häusern in der paulinischen Mission
225
Oikosforme1 in 16,15 nicht erst von Lukas geschaffen wurde, und spricht dafür, daß Paulus schon zur frühen Zeit so vorgegangen ist, d.h. einzelne Menschen und ihr ganzes Haus getauft hat, wie Lukas in Apg 16,14f berichtet. Auch eine Erzählung von einer nicht jüdischen Frau namens Lydia 18 (die Lydische == aus der Landschaft Lydien kommend)19, einer Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, die jetzt in Philippi wohnt und sich als Hörerin der jüdischen Gemeinde dort angeschlossen hat, wirkt historisch durchaus plausibeFo. 2) Historische Brauchbarkeit
Man hat aber neuerdings die Historizität der Lydia-Erzählung wieder angezweifelt21 • Wenn wir aber mit C.l. Thornton damit rechnen können, daß Lukas als Verfasser der Apg zugleich Mitarbeiter und Reisebegleiter des Paulus war, kann davon ausgegangen werden, daß nicht irgendein literarisch erdichteter Paulusbegleiter in diesem und den anderen 'Wir-Berichten' zu Wort kommt, sondern Lukas selbsr2 . außerluk. Überlieferung in Joh 4,53, Mit H.]. Klauck, HG, 53; 'ihm folgend M. Gielen, Neutestamentliche Haustafelethik, 83f; R.A. Campbell, Elders, 1994, 153· 18
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Auch G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 189, sieht den Namen der Lydia, die Spezifizierung ihrer Herkunft und ihre Taufe als Hinweise auf den traditionellen Charakter des Stückes. Lydia ist wohl in Thyatira, in Kleinasien südöstlich von Pergamon, einem .Mittelpunkt der Purpurfärberei, als Heidin aufgewachsen. Vgl. C.]. Hemer, Lydia and the PurpIe Trade, New Docs. 3 (1978), 53-55; ders., The Book of Acts, 1989, IL4. Excursus 2.31: "The name ,Lydia' is attested both as a regular and as an alternative name." (vgl. auch 114, Anm. 32.: " ... the name is also now attested of women of apparently high sodal prestige". ]ulia Lydia von Sardis, L. Roben, BCH 102. [1978J 405; vgl. SEG 92.8; Julia Lydia Laterane von Ephesos, Hohepriesterin und Tochter der Asia, SEG 869; vgl. 857). Zur Historizität der Lydia vgl. nun auch P. Philhofer, Philippi, 2.34-240. Vgl. nun P. Pilhofer, Philippi, 174-182. Die Menschen aus Lydien waren für ihre Purpurfabrikation berühmt. Speziell Thyatira, die Heimatstadt der Lydia, besaß neben acht anderen Handwerker-Genossenschaften eine der Wollwerker und der Färber. Von ihnen war die der Färber die bedeutendste - dafür liegen wenigstens 7 inschriftliche Zeugnisse vor. Bei A. Wikenhauser, Die Apg und ihr Geschichtswert, Münster 192.1, 410. Vgl. auch C.]. Hemer, Lydia and the PurpIe Trade-, New Docs. 3 (1978), 53-55; ders., The Book of Acts, Il4. Zu Lydia "gI. auch G. Horsley, New Docs. 2., 27ho. Vgl. V.A. Abrahamsen, The Rock Reliefs and the Cult of Diana at Philippi, 1986, 18. Zeuge des Zeugen, 341-367, v.a. 363-367 und passim. Vgl. ihm (vorsichtig) folgend P. Stuhmacher, BibI. Theologie I, 22.7f und J. Jervell, Apg, 428, Anm 132:
Hausgemeinde und Mission
Lukas ist zugleich Augenzeuge der Ereignisse in Apg 16,II-I5 gewesen, und damit der Verfasser der O.g. ,Itinerarnotizen', was für die Zuverlässigkeit seiner Darstellung sprichf3 • Das Muster der Gründung christlicher Gemeinden in einem Privathaus wird auch von Paulus selbst in mehreren seiner unumstrittenen Briefe für seine Mission bestätigt (s. u.). Es besteht kein Grund, die Zuverlässigkeit der Aussagen über den Oikos (= Haus und Familie der Lydia) und über das, was in ihrem Haus geschehen ist, in Frage zu stellen. Hier haben wir schon zu einem frühen Zeitpunkt in der paulinischen Mission einen Beleg für die Entstehung einer Gemeinde im Haus einer gottesfürchtigen Frau. So verstanden ist unsere Erzählung ein Gründungsbericht, der schildert, wie ein familiärer Oikos Kern einer Hausgemeinde in der Stadt Philippi geworden ist24 • Apg 16,29-34
Er (der Gefängnisaufseher) verlangte nach Leuchten, stürzte hinein und fiel zitternd vor Paulus und Silas nieder. JO Und er führte sie hinaus und sagte: "Ihr Herren, was muß ich tun, damit ich gerettet werde?" 3' Sie aber sprachen: "Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst gerettet werden, du und dein Haus". 3' Und sie redeten zu ihm samt allen in seinem Haus das Wort des Herrn. 33 Und er nahm sie in jener Stunde der Nacht mit sich und wusch ihnen die Wunden von den Schlägen aus. Sofort ließ er sich mit allen seinen Angehörigen taufen. 34 Dann führte er sie in das Haus hinauf und ließ ihnen den '9
"Lukas wusste von der Bekehrung der Lydia sowohl durch seine eigenen Aufzeichnungen als auch durch die Onsüberlieferung aus Philippi." Vgl. schon vor Thornton M. Hengel, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 60. 2J Vgl.]. ]ervell, Apg, 431. Nach Thornton ist es sicherlich nicht die Absicht des Lukas gewesen, die Zuverlässigkeit seiner Darstellung unter Beweis zu stellen, indem er Autopsie für sich beansprucht. Wenn er das gewollt hätte, hätte er "nach guter Historikermanier explizit auf sich hingewiesen" (Thornron, ebd., 364.) Aber dennoch hat für uns seine Autopsie de facto diese Wirkung. Des weiteren geht Thornton (275-277) mit guten Gründen davon aus, daß den Wir-Stücken "Aufzeichnungen zugrundeliegen, die in geringem zeitlichen Abstand zum Geschehen stehen." 24 Vgl. ähnlich H.]. Klauck, HG, 56; ders., Lebensform, 1981, 7f und P. Pilhofer, Philippi, 249. Denkbar ist, daß Gemeindegründungstraditionen, die von der Bekehrung eines ganzen Hauses als Beginn einer Gemeinde zu erzählen wußten, von Lukas zu den Oikoserzählungen stilisiert wurden, um damit das Typische einer Gemeindeentstehung hervorzuheben. Vgl. in diesem Sinne M. Hengel, Zur urchristl. Geschichtsschreibung, 40.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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Tisch decken. Und er jubelte mit seinem ganzen Haus, weil er zum Glauben an Gott gekommen war. I) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion
Die vielen konkreten Details vermitteln den Eindruck, daß die Erzählung auf verläßlicher historischer Erinnerung basierr2 5 • Zu diesen Details gehören z.B., daß der Aufseher des Gefängnisses nach Fackeln ruft, denn es ist ja Mitternacht, aber auch sein Zittern (16,29), die Wundenreinigung (16,33) und die Aussagen über das Haus und den Tisch. Die Erzählfolge (30-34): "Herausführung, Glaubensunterweisung 26 , Mitnahme und Wundenreinigung, Taufe, Hinaufführen ins Haus und Freudenmahl daselbsr2 7 ist in sich sinnvoll. «28 Ebenfalls ist die Erwähnung der ganzen Hausgemeinschaft des Aufsehers und des Mahls zur ursprünglichen Tradition zu rechnen 29 • Wie für I 6,I4f gilt auch hier das gleiche Argument für ein hohes Alter der Oikosformepo. Die Verse 29-34 sind ein Teil der Missionserzählung (lI-40), die von den Taten und Erfahrungen des Paulus in Philippi berichtete; sie sind allerdings nicht mehr Teil des Wir-Berichtes 3!. Es wurde gegen die
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J. Roloff, Apg, 243; vgl. auch P. Pilhofer, Philippi, 250f.
Paulus und Silas verkünden hier "das Wort des Herrn". 1:0V AO,/OV AUAElv ist altkirchliche Missionsterminologie (vgl. Apg 4,29.31; 8,25; II,19; 13,46; 14,25; r6,32; Phil r,14; Hebr 13,6). 27 Nach R. Kratz, Rettungswunder, 487, gehört das Freudenrnahl in den Kontext der Bekehrung. 28 R. Kratz, Rettungswunder, 1979,487; ihm folgend R. Pesch, Apg Vh, rI2. 29 Mit Pesch, ebd., 1I 2. Gegen Kratz, ebd., 487, der überlegt, ob die zusätzliche Erwähnung der Familie des Kerkermeisters vielleicht einen Hinweis auf eine Schichtung gibt (vgl. 16,31.32,33,34, die wie eingefügt oder angehängt wirken sollen), ohne dies zu begründen. Daß das Begriffspaar otKoc;/oiKia unterschiedliche Bedeutung hat (31.32.33. oIKOC; und oiKia = Familie; 34 = Haus) ist kein Argument (vgl. z.B. 1Kor 1,16 mit 16,(5). Nach Kratz gibt der Text ansonsten "keinen Anlaß zur weiteren Iiterarkritischen Dekomposition". 30 16,3 I: TIiO'tEUCfOV bIt 1:0'11 KUPLOV 'ITlCfoUV, Ka'i CfUlS"an OU Ka'i 6 OtKOC; oou. 16,32: Ka'i CAIXATlOU'V all1:i\> 1:0\' Myov 1:0U KUp(OU oUv mxmv 1:01e; i:v oiK(~ m:nou. 16,33: ... Ka'i i:ßam:(oSll aU1:0e; KU'i oi aU1:11U n:cXV'tE<; n:uPUXpTlf.la, 16,34: &.vayayw'V 1:E aU1:0UC; Eie; 1:0V olKov n:ap€6TlKEV 1:pcXn:El;;av, Kat TJ'IaAAIIXOmo n:C1VOlKEt Jt:EJ'tLO'tE'UKWC; 1:i\> SEi\>. 3! Vgl. 16,18ff - danach verschwindet das 'Wir'. Vgl. dazu Thornton, Zeuge, 27Sf; F.F. Bruce, Acts, 3 I 6, hält 16,25-34 für ein "independent narrative, inserted by Luke into the record of events at Philippi .... But we may be glad that Luke did add it at this point: it enriches his account of Paul's Philippian ministry". Der 26
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Zuverlässigkeit unseres Berichtes angeführt, daß Lk seine Traditionen formt und konventionalisiert, um einen thematischen Punkt zu betonen 32 • Daß Lk diese und andere Erzählungen stilisiert hat, ist wohl nicht zu bestreiten. Aber das ist kein Argument gegen den historischen Wert seiner Darstellung. Man muß zwischen Stilisierung und Erfindung unterscheiden. Der Nachweis des ersteren ist nicht gleich der Nachweis des letzteren33 . 2) Historische Brauchbarkeit
In dieser Erzählung kommt es nach Lk zur ersten Konfrontation der paulinischen Missionsmannschaft mit den Vertretern der römischen Macht, die auffallend negativ gezeichnet wird. Das ist an sich schon ein Hinweis auf die Authentizität des Berichts, da Lukas sonst darauf achtet, die römische Staatsrnacht inklusive ihres Verhaltens der christlichen Mission gegenüber eher positiv darzustelIen 34 • Die römischen Einzelheiten der Schilderung passen aber auch sehr gut zu dem Charakter der Stadt Philippi 35 . Sie war eine römische Kolonie, die von Nichtgriechen bewohnt und von römischen Beamten nach römischem Recht regiert wurde. "Neben der Athenschilderung ist kein anderer Bericht der Apostelgeschichte derartig stark vom genus loci geprägt wie der Bericht von den Ereignissen in Philippi. Mehr noch: Striche man die römische Komponente, fiele der Bericht in sich zusammen. "36 Die Nachricht in rThess 2.,2, daß Paulus und seine Mitarbeiter gelitten haben und mißhandelt wurden, kann man als Unterstützung des lk. Berichtes in I6,25-29 sehen 3? Hinzu kommt wieder das Argument: Auch das Muster der Gründung christlicher
ganze Komplex r6,16-40 kann Lukas auch aus mündlicher Mitteilung zugekommen sein. 32 Vgl. zuletzt L.M. White, Visualising the "Real" World of Acts 16, I995, 23426I, v.a. 252-2.6r. 33 Zur Zuverlässigkeit des Berichtes vgl. ebenfalls F. Giesekke, Zur Glaubwürdigkeit von Apg 16,25-34, TSK 7l (1989),348-351. Anders E. Haenchen, Apg, 482ft, der auf die Ungereimtheiten zwischen dem Philipperbrief und Apg hinweist und eine Kette von Unwahrscheinlichkeiten und Widersprüchen in der Ik. Erzählung sieht. Ähnlich L.M. White, ebd., 245-251. 34 Roloff, Apg, 243. 35 Vgl. nun P. Pilhofer, Philippi, 1995, I59-165. 36 W. Elliger, Paulus in Griechenland, 32, vgl. auch 54f. 37 Vgl. R.F. O'Toole, ABD V, I992, 3I8.
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HGn wird von Paulus selbst als integraler Teil seiner Missionspraxis in mehreren seiner unumstrittenen Briefe bestätigt (s. U.)38. An dieser Stelle besteht also kein Grund, die Zuverlässigkeit der Aussagen über das Haus und über das, was in diesem Haus geschehen ist, in Frage zu stellen. Damit haben wir neben der LydiaErzählung einen zweiten Gründungsbericht einer Hausgemeinde in Philippi, deren Kern ein üikos gewesen is~9. Apg I7,I-9
Nachdem sie aber durch Amphipolis und Apollonia gereist waren, kamen sie nach Thessalonich, wo eine Synagoge der Juden war. Nach seiner Gewohnheit aber ging Paulus zu ihnen hinein, und an drei Sabbaten redete er zu ihnen von den Schriften aus, 3 indem er sie ihnen auslegte und erklärte, daß der Christus leiden und von den Toten auferstehen mußte, und daß dieser der Christus ist: der Jesus, den ich euch verkündige. 4 Und einige von ihnen ließen sich überzeugen und schlossen sich Paulus. und Silas an, auch von den gottesfürchtigen Griechen eine große Menge und von den vornehmen Frauen nicht wenige. ; Die Juden aber wurden eifersüchtig und holten sich einige üble Männer vom Gassenpöbel, machten einen Volksauflauf und brachten die Stadt in Unruhe. Und sie traten vor das Haus Jasons und suchten sie vor das Volk zu führen. 6 Da sie sie aber nicht fanden, schleppten sie Jason und einige Brüder vor die Politarchen und schrien: "Diese, die den Erdkreis in Aufruhr versetzt haben, diese sind auch hierher gekommen. 7 Diese hat lason aufgenommen! Und diese alle handeln gegen die Verordnungen des Kaisers, indem sie sagen, ein anderer -sei König: (nämlich) Jesus." 8 Sie regten aber die Volksmenge und die Politarchen auf, die dies hörten. 9 Und erst nachdem sie von .fason und den übrigen eine Bürgschaft genommen hatten, ließen sie sie frei. I
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L.M. White, Visualising the "Real" Wor/d oE Acrs 16, 1995, 234-261, v.a. 2452. 51. Er hält den Aspekt der Gründung einiger Hausgemeinden für historisch, weil das "a pattern reflected in Pauline epistolary address and central to the situation of several oE the letters" ist. Auf die Historizität oder Nicht-Historizität des Befreiullgswunders in dem Erzählkomplex r6,II-40 brauchen wir nicht einzugehen. Auch die Möglichkeit einer lk. Redaktion dieses oder anderer Teile der Geschichte interessiert nicht (vgl. dafür z.B. R. Pesch, Apg Vh, r03-1I9), denn es geht uns hier lediglich um die Aussagen über das Haus und dessen Verwendung (r6,j0--34).
Hausgemeinde und Mission
r) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion
Dieser Bericht schildert die zweite Gemeindegründung auf europatsehern Boden, nämlich in Thessalonich, der Hauptstadt Mazedoniens. Oft wurde dieser Bericht für eine Ik. Konstruktion gehalten 40 - Lukas sollen nur Itinerarnotizen und eine in der Gemeinde der Thessalonicher umlaufende anekdotische Erzählung zur Verfügung gestanden haben 41 • Es ist keine Frage, daß dieser lk. Bericht über den Gründungsaufenthalt des Paulus in Thessalonich stilisiert ist, aber man sollte, wie gesagt, Stilisierung und Erfindung nicht gleichsetzen (s. S. 228)42. Es ist auch möglich, daß Lukas über eine Quelle verfügte, die von der zweiten Missionsreise berichtete und auf Timotheus zurückging43 . R. Pesch geht davon aus, daß "Lukas in I7,I-I5 einen zusammenhängenden Quellenbericht bearbeitet hat"44. Einige Indizien sprechen in der Tat für die traditionelle Herkunft der Erzählung, z.B. ist das Verb 6XA03toufül singulär. Der Name ]ason wird unvermittelt eingeführt4s . Auch die Wendung Aaf-lßavül LO iKUVOV ist so spezifisch, daß sie eher als traditionell angesehen
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Am radikalsten in dieser Richtung ist wohl W. Stege mann, Zwischen Synagoge und Obrigkeit, 1991, 226-237, der die Erzählung aufgrund von sprachlichen In· dizien als eine vollständige Kreation des Lukas einstuft, die geschichtlich die Erfahrungen der Christen z.Z. Domitians widerspiegelt. Vgl. Schneider, Apg H, 223f; RoloH, Apg, 249. Vgl. die Dreiteilung: Apg 17,r-4.5-7.8f. Vieles in der Erzählung wirkt stereotypisch: Paulus predigt das Evangelium in der Synagoge, indem er die Schrift auslegte; einige Juden, mehrere Gottesfürchtige und eine relativ große Anzahl von angesehenen Frauen bekehren sich; es kommt zur Auseinandersetzung mit den Juden l1SW. - dieses sind zweifellos lk. Motive. Aber das sagt noch nicht, daß sie an sich historisch oder nicht historisch sind. Darüber muß die AnalY·5e des Textes selbst entscheiden. Wenn Paulus tatsächlich unter Juden missionierte (vgl. bes. H. Botermann, ThBeitr 24 (I993), 62-84), dann hat er das mit Sicherheit in den Synagogen getan. Dat~ Paulus in der Synagoge dann die Schrift ausgelegt und christozentrisch mit soteriologischer Betonung (so wie Lukas dessen Kerygma in Apg 17,3 zusammenfaßt) gepredigt hat, ist keine phantastische Vorstellung. Zu den angesehenen Fra uen s. U. R. Pesch, Apg Vh, 120f. Ebd., 121. Auch G. Schille, Apg, I983 (r984), 352f; ihm folgend G. Lüdemalln, Das frühe Christentum, I94, der in 5-9 ein Traditionsstück sieht. Vgl. auch J. Jerl'ell, Apg 435: Lk konnte "auf solide Missions- und Gemeindetraditionen bauente. Hier nimmt sogar W. Stegemann, Zwischen Synagoge und Obrigkeit, I99I, 228, Anm. I4I, vorlk. Tradition an.
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werden muß 46 • Die Notiz über den Erfolg der p21ulinischen Verkündigung unter Heiden ist ebenfalls traditionell einzustufen47 • Das zeigt unsere historische Überlegung in Verbindung mit 1Thess (s. u.). Die Wendung n::poayay€tv d~ 'tov öf]/lov ist juristischer Terminus 48 und spricht für die konkreten politischen Kenntnisse des Autors. Der Massenauflauf ist ein typisches Element im Leben einer hellenistischen Großstadt 49 • Auch wenn die O.g. Indizien allein noch nicht überzeugen können, sind die nächsten bei den Argumente sehr gewichtig. Erstens: Das in der Apg 17,1-9 geschilderte Bild der politischen Verhältnisse in Thessalonich, Hauptstadt Makedoniens (v.a. die Erwähnung der n::OAL'tUPXaL - inschriftlich v.a. im makedonisehen Raum bezeugt)50, zeigt eindeutig lokales Kolorit. Zweitens: Die bewußt politisch formulierte Anklage (17,6f)51 kommt hier sehr
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Lüdemann, ebd., 195. G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 194f. So H. Conzelmann, Apg 1972, 103; vgl. E.A. Judge, The Decrees of Caesar at Thessalonica, RThR 30 (1971), 2. Vgl. E.A. Judge, Christliche Gruppen, 1964, 26: "Um ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen, besaß die Bürgerschaft das Mittel inoffizieller, jedoch organisierter Demonstrationen, die für das hellenistische Stadtleben geradezu charakteristisch sind. Auch wenn sie verfassungswidrig waren, erreichten sie oft ihren Zweck ohne viel Umstände." Nach W. Eiliger, Paulus und Griechenland, 91-94, palSt das Bild, das wir von den politischen Verhältnissen dort durch Inschriften und sonstige Quellen vermittelt bekommen, vorzüglich zum Bericht der Apg 17,1-9; ihm folgend G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 194. Vgl. den Überblick über die städtischen Ämter und ein Verzeichnis der Politarcheninschriften nach fast nur makedonischen Fundorten bei D. Kanatsoulis, Die Politarchen der makedonischen Städte, 1957, 155179, v.a. I20-129.1SI-161.17rf; C. Schuler, Thc Macedonian Politarehs, CP 55, (1960), 90-100 und G.H.R. Horsley Hrg., New Docs 2, 1982, 34-35 ; ders., ABD V, 1992; 384-389 (mit Liste!). Von 64 Politarchendokumenten stammen 30 aus Thessalonich sowie 22 weitere aus Mazedonien. Vgl. auch L. Robert, RPh 98 (1974),2°7-212; B. Helly, AncMac II, 1977, 531-544; F. Papazoglou, Hist 35 (1986),438-448; c.}. Hemer, The Book of Acts, II5; F.F. Bruce, Acts, 324f und schon Jackson/Lake, Acts IV, 205f und ihnen folgend Haenchen, Apg, 488, Anm. 9; und G. Schneider, Apg I, 1982, 225. Sowohl Jackson/Lake. als auch Haenchen, als auch Schneider führen nur sehr alte Evidenz an. W. Eiliger, Paulus und Griechenland, 95f. "Natürlich ist der von den Juden gegen Paulus erhobene Vorwurf absurd, denn die Tätigkeit des Apostels war nicht gegen den Kaiser in Rom gerichtet. Jedoch gewinnt er an Aktualität, wenn man bedenkt, dalS zu den etöruAa, von denen Paulus die Thessalonicher abwenden wollte (1Thess 1,9), auch der römische Kaiser zählte, soweit er kultische Ehren genolS." Vgl. auch E.A. Judge, RThR 30 (1971), 1-7. Er versucht den Hintergrund der "Gesetze des Kaisers" näher zu beschreiben. Sie seien einerseits Edikte gegen Pro-
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unverhüllt zur Sprache. Dies fällt auf, da Lukas ansonsten so etwas seiner Darstellung eigentlich eher fernzuhalten versucht. Hier hat er es offenbar in seinen Quellen gefunden und wollte bzw. konnte es nicht unterdrücken. 2) Historische Brauchbarkeit
Beim Acta-Bericht von der Gründung der christlichen Gemeinde in Thessalonich stehen wir in der glücklichen Lage, einen Vergleich .mit den Aussagen des Paulus über die Thessalonicher v.a. mit rThess durchführen zu können 51 • Die neuesten Abhandlungen zu Apg 17,r-9 rechnen in der Tat fast alle mit partieUS3 oder weitgehend54 zutreffenden Angaben seitens des Lukas55 • Lukas und Paulus stimmen darin überein, daß der Weg der Missionare56 von Philippi nach Thessalonich ging. Dort war Paulus wegen einer Verfolgung gezwungen, aufzubrechen (Apg r6,r6-40 vgl. rThess 2,2). Daß Paulus in seiner Missionsarbeit unter Gottesfürchtigen lmd Heiden57 in Thessalonich
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phetie und Propheten, v.a. gegen die Vorhersage des Todes bzw. der Auswechslung eines Herrschers, andererseits Eide, die den Kaisern in den Provinzen geleistet wurden. Wenn Judge recht hat, wird unsere Szene auf einem Hintergrund zu verstehen sein, der zu der julio-c1audianischen Periode paßt und die Gesetzgebung könnte sogar konkrete jüdisch-messianische Agitation im Blick gehabt haben (ähnlich auch K.P. Donfried, The Cults of Thessalonica, NTS 31 (1985),342344). Eiliger und Judge folgend Peseh, ebd., I23f; Judge folgend F.F. Bruce, Ans, 325, Anrn. 13.15; R. Riesner, Die Frühzeit des Paulus, I994, 3I6. Gegen Schneider, Apg H, 225. Für eine ausführliche Liste der wichtigsten Forscher, die sich seit J.B. Lightfoot mit dem Verhältnis zwischen dem Acta-Bericht und 1Thess beschäftigten, vgl. nun R. Riesner, Die Frühzeit des Apostels, 1994, .301f, Anm. 27. Zusätzlich ZlI den o. schon erwähnten Arbeiten vgl. J. Molthagen, Hist 40 (1991), 53-57; H. Botermann, ThBeitr 24 (1993), 79-81. Zusätzlich zu den 0. schon erwähnten Arbeiten vgl. H.W. Tajra, The Trail of St. Paul, I989, 30-44; F.F. Bruce, Acts, 369-375; F.M. Gillman, Paul's Etaooo~, I990, 39-49; H. Binder, Paulus und die Thess.br., 1990, 87. Vgl. R. Riesner, Die Frühzeit des Apostels, 3°1-328 für den aktuellsten, ausführlichsten und stringentesten Nachweis. Die Ausnahme bildet W. Stegemann, Zwischen Synagoge und Obrigkeit, 1991, 226-237 (s. S. 230, Anm. 40). Zur Kritik seiner Sicht vgl. aber R. Riesner, Die Frühzeit des Apostels, 303. In Begleitung des Paulus waren Silvanlls lind Timotheus (rThess r,I - vgl. T. Holtz, Thess, 19!17, I3f). Lukas nennt Silas explizit und impliziert die Anwesenheit des Timotheus (vgl. Apg r6,I-3; 17,14f; 18,5). Dag Paulus in Thessalonich auch unter Heiden erfolgreich missioniert hat, erfahren wir aus IThess 1,9f; 2,14. Die Tatsache, daß Paulus im IThess keine juden-
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durch die Juden behindert wurde und er sie auch deswegen beenden mußte, wird durch I Thess 2,1 sf bestätigt58 • Daß die Heidenchristen von ihren thessalonischen Mitbürgern nach der Abreise des Paulus noch verfolgt wurden, hat Paulus wohl von Timotheus (rThess 2,14; 3,1-6)59 erfahren oder durch Boten, die nach Beröa gereist sind, um Paulus zu besuchen60 • Die scheinbare Spannung zwischen der Zeitangabe in 17,261 und Phil4,16 kann dadurch erklärt werden, dag der Bericht in 17,1-9 nur den Beginn und das Ende der Mission im Blick hat. Über das, was zwischen Gemeindegründung und Verfolgung liegt, schweigt Lukas 62 • Hier ermöglicht es uns Phil 4,16, die lukanische Schilderung zu ergänzen63 • Außerdem kann die Stereotypie der christliche Minderheit in Thessalonich erwähnt, muß nicht heißen, daß er keine kannte und es deshalb gegen Lk in Wirklichkeit keine gab. Die Schwäche eines solchen argumentum a silentio ist hinreichend bekannt. Der rThess ist ein Gelegenheitsschreiben und kann nicht als eine alle Details erschöpfende Geschichtsquelle herangezogen werden. Außerdem ist anzunehmen, daß in Thessalonich eine kleine Gruppe von Juden schon seit der Gründung der Stadt 'existierte. Die bisher fehlende außertestamentliehe Evidenz für die Existenz einer Synagoge z.Z. des Paulus in Thessalonich ist kein Grund, eine jüdische Präsenz dort zu bezweifeln (vgl. R. Riesner, Die Frühzeit des Apostels, 304-308). "Unter Augustus dürften sie im Zeichen des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs erheblichen Zuwachs bekommen haben" und hier" wie in anderen Provinzen des römischen Imperiums auch das Recht auf Selbstverwaltung lind in gewissem Umfang auf eigene Gerichtsbarkeit" gehabt haben (Eiliger, Paulus und Griechenland, 9If). All das macht die Schilderung des Lk in Apg 17,1-9 historisch um so plausibler. Warum sollen, wie Lk es berichtet, einige dieser Juden mit Jason durch die Missionsarbeit des Paulus nicht zum Glauben gekommen sein? 58 Vgl. auch rThess 1,6 und 3,1-6 v.a. 4. So R. Peseh, Apg Vh, 126, G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 194f. Gegen Haenchen, Apg, 494f. Das Argument gegen Apg I7,5-9 auf Grund von IThess 2,24-17; 3,2.f: "Wer rThess liest, ohne von der Apg etwas zu wissen, kommt nicht auf den Gedanken, dag Juden die Christenverfolgung in Thessalonich ausgelöst haben", überzeugt nicht, weil wir eben den Bericht von Lk haben und ihn in diesem Fall verwenden können und sollen, um diese schwierige Stelle des IThess besser verstehen zu können. 59 Vielleicht ist er, so wie in Philippi, bei der Vertreibung von Paulus und Silas in Thessalonich geblieben. 60 So z.B. Peseh, Apg Vh, 126. 61 Kat bü oaßßa-m Tpta ÖLEMsaTO airtoie; cbto TWV ypwj>Wv. 62 Haenchen, Apg, 491. Vgl. A. Malherbe, Paul and the Thessalonians, I987, 13ff, der ebenfalls aus ähnlichen Argumenten von dem historischen Wert der Erzählung ausgeht. Er weist darauf hin, daß grammatikalisch nichts darauf hindeutet, geschweige denn dazu zwingt, daß Paulus nur drei Wochen in Thessalonich blieb. 63 ön KaI ev 8€OoaAOVlKTI Kat &nas Kat Öte; Eie; TT]V xpEiav !AOL e:rtl:~l'IjJaTE. Demnach hat Paulus zweimal oder sogar mehrfach (Bauer-Aland', Sp. 160f.40I; vgl.
Hausgemeil1de und J\!Iissiol1
Erzählung (vgl. auch Apg I3,46-50; I8,5-I7; I6,I2-40; I9,8-41) andeuten, daß wir das Haus des Jason als Stützpunkt der paulinischen Mission unter den Heiden nach Paulus' Verfolgung durch die Synagogengemeinde analog z.B. zum Haus des Titius Justus in Korinth (Apg 18,6f) verstehen sollten, wobei der Titius-Bericht dann auch als Ergänzung des Jason-Berichtes herangezogen werden kann 64 • Ob der in Apg 17,6'9 erwähnte Jason, Quartiergeber des Paulus in Thessalonich, mit dem in Röm 16,21 identisch ist, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit nachweisen. Doch darf man es annehmen, da neben ihm Sopater aus dem Thessalonich benachbarten Beröa genannt wird 65 • So verstanden, wären beide Judenchristen zur Zeit der Abfassung des Römerbriefes bei Paulus in Korinth gewesen, und zwar als Kollekten-Delegaten ihrer Gemeinde66 • Es spricht nichts dagegen, daß in Thessalonich ein Jude namens Jason 67 durch die paulinische Mission zum Glauben kam und als Gastgeber und Patron der Gemeinde dort in Erscheinung getreten ist68 • "Ebenso dürfte der Aufruhr um Jason zutreffen. Der 1Thess setzt nämlich voraus, daß die heidenchristlichen Thessalonicher von ihren Landsleuten in Schwierigkeiten gebracht wurden (1Thess 2,14). Gerade die Einzelnachricht der Kaution spricht für die Zuverlässigkeit der Traditi-
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aber F.F. Bruce, Acts, 349, Anm. 23) finanzielle Unterstützung aus der Gemeinde in Philippi bekommen. Das setzt einen längeren Aufenthalt voraus. Vgl. auch Haenchen, Apg, 491f. Für andere Verständnismöglichkeiten des Satzes vgJ. R. Riesner, Die Frühzeit des Apostels, 321ff; L. Morris, land 2. Thess, 1956, 16f; I.H. MarshalI, land 2 Thess, 19 83, 5. Mir A. Malherbe, Paul and the Thessalonians, 13f. Für eine Identifizierung spricht sich auch G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 194 aus. So auch schon die altkirchliche Tradition (vgl. F.X. Pölzl, Die Mitarbeiter eies Weltapostcls Paulus, 19II, 230). VgJ. auch U. Wilckens, Röm III, 1982, 146; F.M. Gillman, Paul's Etaoöo<;, 1990, 40; R. Riesner, Die Frühzeit des Apostels, 307. So R. Pesch, Apg Vh, 126; G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 195f; A. Wikenhauser, Apg, 194. Jason war ein üblicher Name (in Thessalien und auch sonst), den Juden als griechischen Namen neben Josua (= Jesus) verwendet haben. Cadbury/Lake, Acts IV, 205 und ihnen folgend Haenchen, Apg, 488. Vgl. ebenfalls BI.D. § 53,3d; W. Foerster, ThWNT rn, 285f; M. Hengel, ZThK 72 (1975), 175. Gegen Cadbury/Lake, Acts IV, 205, die in Frage stellen, daß Jason Christ geworden ist. Daß der Gastgeber christlicher Missionare, bei dem sich offensichtlich einige Christen treffen, als Christ dargestellt wird, sollte man nicht bezweifeln. Mit Haenchen, Apg, 488.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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on. ,,69 Auch der angeführte Grund für die Eifersucht der Juden - die christlichen Missionare warben ihnen Gottesfürchtige und prominente Frauen ab - ist verständlich und historisch plausibeFo. Demnach können wir auch für Thessalonich auf Grund der Zuverlässigkeit des Berichtes in Apg 17,I-9 annehmen, daß ein Oikos und dessen Hausherr Jason eine bedeutende Rolle in der pauJinisehen Mission dort gespielt haben 71 • Mit einer christlichen Versammlung im Haus des Jason darf gerechnet werden. Apg r8,r-4'7f
Danach verließ Paulus Athen und kam nach Karinth • und fand einen Juden namens Aquila, aus Pontus gebürtig, der kürzlich aus Italien gekommen war, und Priszilla, seine Frau; denn Kaiser Klaudius hatte angeordnet, daß alle Juden sich aus Rom entfernen sollten. Er ging zu ihnen, 3 und weil er das gleiche Handwerk hatte, blieb er bei ihnen und arbeitete. Sie waren nämlich Zeltmacher von Beruf. 4 An jedem Sabbat lehrte er in der Synagoge und bemühte sich, Juden und Griechen zu überzeugen. . 7 Und er ging von dort fort und kam in das Haus ei'nes Gottesfürchtigen namens Titius Justus, dessen Haus an die Synagoge grenzte. 8 Krispus aber, der Synagogen vorsteher, kam mit seinem ganzen Haus zum Glauben an den Herrn, und viele Korinther, die hörten, wurden gläubig und ließen sich taufen. I
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G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 19S. Vgl. auch A.N. Sherwin-White, Roman Law and Roman Society, 19631r978, 96. J. RoloH, Apg, 250, "Denn der Verlust der ihnen freundlich gesonnenen Frauen malsgeblicherPersönlichkeiten mußte für die Synagoge eine Einbuße an Sicherheit wie auch an Einflußmöglichkeiten bedeuten", ebenfalls an finanzieller Unterstützung, "die sie nicht hinzunehmen bereit waren". Ihm folgend R. Pesch, Apg Vh, I22f. Die Hervorhebung vornehmer weiblicher Gemeindeglieder ist zweifellos ein Ik. Motiv (Lk 8,2.f; Apg 13,7-I2; I7,34; vgl. W.A. Meeks, Urchristentum, 133), kann aber auch genauso in der Stellung von Frauen in der mazedonischen Gesellschaft' begründet sein (vgl. F.F. Bruce, land 2. Thess, 1982., XXV). Auch der Inschriftbefund bestätigt die Darstellung des Lukas (auch in Apg 17,4-6), Nach den Grabinschriften stellten Frauen 50% der Proselyten und 80% der Gottesfürchtigen bei nur 40% der Inschriften, die sich auf Frauen beziehen (vgl. P. W. van der Horst, Ancient Jewish Epitaphs, 1991, 102.-1I3; ders., Das NT und die jüdischen Grabinschriften aus hell.-röm. Zeit, BZ 36 (1992.),161-178, v.a. I7I). Das wird von kaum einem Ausleger angezweifelt. Auch R.K. Jewett, The Thessalonian Correspondence, 1986, 1I6f findet dazu keinen Grund. Auch W.H. 011rag, Mitarbeiter, 30, kann dies als historischen Kern der Erzählung sehen.
Hausgemeinde und Mission
r) Vorlukanische Tradition und lukanische Redaktio
Die Erzählung ist in vier Szenen und steigernd aufgebaut 72 • Alle vier Szenen dürften Lukas im Quellenbericht vorgegeben gewesen sein73 • DaB die Darstellung des Wirkens des Paulus in Korinth im wesentlichen auf Information eines Quellenberichtes beruht, zeigt sich in der Häufung von Angaben über Personen (Aquila, Priszilla, Titius Justus, Krispus, Gallio, Sosthenes), konkrete Orte (Synagoge, das Haus des Titius Justus, das Gericht des Gallio) und zeitgeschichtliche Ereignisse (Vertreibung der Juden aus Rom durch Kaiser Klaudius; Prokonsulat des Gallio in der Provinz Achaiaf4. Außerdem: Die Angabe, daB Paulus wegen des gleichen Handwerks und nicht aufgrund des gemeinsamen Glaubens bei Aquila und Priskilla aufgenommen wird, ist ohne Tendenz und eine singuläre Information75 . Auch die Nachricht über die Herkunft Aquilas aus Pontus (vgl. Apg 2,9), über das Lehren des Paulus im Haus des Titius Justus und die Bekehrung des Synagogenvorstehers Krispus sind untendenziöse Angaben. Die Bekehrung des ganzen Hauses des Krispus wird ebenfalls aus historischen Gründen (s. gleich u.) zur Tradition gehören. 2) Historische Brauchbarkeit
Die Notiz in I8,If wird historisch durch eine Angabe bei Sueton 76 sowie durch die Aussagen des Paulus über seine eigene Arbeit
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r8,1-4.5-8.9-11.12-I7. So schon Haenchen, Apg, SI6[; J. Roloff, Apg, 269; Pesch, Apg Vh, 146. R. Pesch, Apg Vh, 1<1-6. r8,sb.6 und 9f. sind nicht eindeutig luk.-redaktionell. Anders Roloff, Apg, 269. Vgl. auch Schmithals, Apg, 166-r69. Vgl. auch J. Jervell, Apg, 463, der davon ausgeht, dag Lk in 18,r-17 ein reichliches Material aus einem Missionsbericht über Korinth ZlJr Verfügung stand. Vgl. zu der Zuverlässigkeit der Angaben zu Claudius, Gallio und zur Synagoge C.]. Hemer, The Book of Acts, II9. lVIit G. Lüdemann, Das frühe Christentllm, 206. Hier kann nicht behauptet werden, daß ein Ik. Anknüpfungsschema zu konstatieren sei (gegen Roloff, Apg, 27 0 ). Vita Claudii 25,4: Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit. Vgl. mit Paulus Orosius, Historia contra paganos VII 6,Isf (eSEL 5 4F,7-13; um 417 n.Chr.), der die Vertreibung der römischen Juden durch Claudius auf das Jahr 49 Il.Chr. datiert. Eine Unsicherheit entsteht dadurch, daß er sich auf Sueton und Flavius Josephus beruft, eine solche Notiz sich jedoch in den Schriften des Josephus nirgends findet. Sie wird wohl dennoch historisch zuverlässig sein, da sie von der Paulus-Chronologie, die auf der Gallio-Notiz in Apg r8,12ff basiert, be·
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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untermauere 7 • Vielfach werden die Angaben des ganzen Berichts in 18,1-17 durch die Paulusbriefe bestätiges. Wie sowohl für 16,qf als auch 16,31-34 gilt das Argument, daß lKor 1,16 ein hohes Alter der Oikosformel in 18,8 beweise9 . Außerdem bestätigt Paulus mit lKor 1,14 den Bericht der Apg, indem er erzählt, er habe selbst Krispus getauft. Allerdings spricht Paulus nicht von der Bekehrung des ganzen Hauses des Krispus. Dennoch wird die Nachricht als historisch glaubwürdig gelten können, denn in der antiken Oikosgesellschaft war die Hausbekehrung als Folge der Bekehrung des Hausherrn keine Seltenheit, sondern eine soziologische und religiöse Normalität. Es fällt auch auf, daß Pauills Krispus nirgends als Synagogenvorsteher bezeichnet. Doch ist die Nachricht in 18,8 wohl zuverlässig, denn das hohe Ansehen eines Synagogenvorstehers ist eine plausible Erklärung dafür, daß Paulus gegen seine übliche Praxis, Neubekehrte nicht zu taufen, es in diesem Fall trotzdem tatBO • Die Angabe in I8,8b, daß viele Korinther davon hörten, glaubten und sich taufen ließen, stellt ebenfalls eine glaubwürdige Nachricht dar, denn die Bekehrung eines Synagogenvorstehers dürfte Signalwirkung in Korinth gehabt habensl . Die traditionelle Angabe über die Aufnahme des Paulus im Haus des Titius Justus (18,7) wird von den Paulusbriefen weder bestätigt noch in Frage gestellt. Sie darf aber als historisch zuverlässig gelten, denn Paulus brauchte einen geeigneten Ort für seine Predigttätigkeit, und die Nähe zur Synagoge wird missionsstrategisch vorteilhaft gewesen sein. Außerdem kann kein überzeugender Grund angegeben
stätigt wird (vgl. dazu Ollrog, Mitarbeiter, 24-27; RoloH, Apg 272f; Peseh, Apg Vh, 152f). Vgl. allerdings den Neuansatz von G. Lüdemann (41 n.Chr.), Paulus, 183-195. Vgl. aber auch R. Riesner, Die Frühzeit des Apostel Paulus, 139-180, der 49 n. Chr. für wahrscheinlich hält. 77 Vgl. u.a. rThess 2,5.9; rKor 9,16ff; 2Kor II,7-10. 78 Vgl. 18,2 mit rKor r6,19; 18,5 mit 1Thess 3,6; 18,5 mit 2Kor 1,r9; 18,r8 mit Röm 16,1; 18,19 mit rKor 16,19; 18,27 mit rKor 1,12; 3,6; 4,6 und die Bemerkungen dazu von c.]. Hemer, The Book oE Acts, 187. 79 Anders Klauck, HG, 53. Er vermutet, daB die Tradition von der Taufe des Krispus vorlk. oder redaktionell an das Schema der übrigen Oikosformeln angeglichen wurde, da Paulus das Haus des Krispus nicht erwähnt (s. aber u.). so Vgl. G. Theißen, Studien zur Soziologie, 1983, 235f. Die Bekehrung des Krispus muß nicht in die allererste Phase der korinthischen Mission gehören, wie RoloH dies gegen den Ablauf in Apg r8,1-8 rekonstruiert (vgl. Pesch, Apg Vh, 153), denn die Taufe dieses bedeutenden Mannes kann später erfolgt sein, da Paulus sie sich selbst vorbehalten hat (s. S. 34off). 81 Lüdemann, Das frühe Christentum, 2r 1.
Hausgemeillde und Mission
werden, warum der Name Titius Justus erfunden worden sein so1l82. Auch die Angabe über das Haus des Titius Justus "neben der Synagoge" (cruvOl-wpouoa) unter der Leitung eines apxtcruvaywyoc; paßt gut zu dem, was wir über die historische und soziale Umwelt der damaligen Zeit wissen s3 • Unsere Stelle steht in einem Bericht (18,1-17) über die Anfänge der korinthischen Gemeinde, der in der Forschung weitgehend als eine zuverlässige Einzeltradition gilt84 • G. Bornkamm hält 18,1-17 für unbestritten zuverlässig85 • J. RoloH schreibt, daß die Erzählung uns über die korinthische Gemeinde "ungewöhnlich genau" informiert und ist "aufs ganze gesehen ... historisch zuverlässig. Sie gibt damit eine wichtige Ergänzung zu den Briefen, da sich ihr Bericht auf die Anfangszeit der Gemeinde vor den späteren großen Erschütterungen und Konflikten bezieht"86. Also können wir auch an dieser Stelle mit der Zuverlässigkeit der Aussagen über Häuser und deren Verwendung im Nlissionsunternehmen des Paulus und seiner Mitarbeiter rechnen. Für Korinth werden mindestens drei Häuser bezeugt (Häuser von Aquila, Titius Justus, Krispus), die alle eine bedeutende Funktion für Mission und Gemeindegründung in der Stadt wahrnahmen. 2.
Städte mit nachweisbaren Hausgemeinden
Wie wir oben sahen, berichtet die Apg von häuslichen Versammlungen der Christen im paulinischen Missionsgebiet, und zwar zunächst in Philippi, Thessalonich, Korinth und zuletzt in Troas (Apg 20,7-12). Von solchen Gruppen ist ebenfalls in den Paulusschriften die Rede, und zwar explizit in Ephesus (1Kor 16,19), in Rom (Röm 16,3.5), wohl in KoJossä (PhJm I.2.2If), in Laodizea (Kol 4,15) und implizit in Karinth (IKor) und Kenchreä (Röm r6,rf). In diesem 82 83
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Mit G. Lüdemann, ebd., 2 Ir. L.M. White, Visualising the "Real" World of Acts r6, 256; ders., The Delos Synogogue Revisited, (33-138; A.T. Kraabel, The Social Systems of Six Diaspora Synagogues, 1981,79-91. Das hängt mit "der anhand der Paulusbriefe und zeitgeschichtlicher Quellen iiberpl'iitbal'e1t Zuverlässigkeit vieler Daten" des Berichtes zusammen (R. Pesch, Apg Vh, (53). Paulus, 1987, 85. Vgl. auch W.H. Ollrog, lVlitarbeiter, 24f, Anm. 88f; H.]. Klauck, HG, 21. Nach Haenchen, Apg, 515-520 v.a. 520 können wir "den Bericht als Ganzes ... mit Vertrauen betrachten". Apg, 269. Vgl. ebenfalls c.]. Hemer, The Book of Acts, 119f.
Die Verwendung von Häusern in der l)aulinischen Mission
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Kapitel wollen wir den textlichen Befund von HGn in diesen verschiedenen Städten untersuchen, wobei der Schwerpunkt auf Karinth und Rom gelegt werden muß, da wir über die dortigen Situationen am meisten wissen. a)
Philippi87
Sehr viel können wir über die hausgemeindliche Situation in Philippi nicht sagen, da das Quellenmaterial etwas spärlich ist. Aus unserer historischen Analyse ging hervor, dag die zwei Erzählungen (Apg 16,II-I5.25-34) von einer HG bei Lydia und von einer bei dem Kerkermeister geschichtlichen Wert besitzen. Interessant ist das, was wir den Berichten in der Apg an Information über die HGn doch abgewinnen können. Das paulinische Missionsteam ist in Philippi angekommen und geht am Sabbattag an den Flug, wo sie eine Gruppe von Frauen ansprechen, die zum Gebet versammelt waren. Unter denen, die die Predigt des Paulus hörten, war eine gottesfürchtige Frau namens Lydia, eine Purpurhändlerin aus Thyatira. Durch die Predigt kommt Lydia zum Glauben. Sie und ihr Haus werden getauft, daraufhin lädt sie die Nlissionare zu sich ein und gewährt ihnen für eine unbestimmte Zeit Gastfreundschaft. So wird ihr Haus Ort der Tischgemeinschaft88 , der gottesdienstlichen Versammlung und somit zum Stützpunkt der paulinischen Mission. Später wird nämlich berichtet, daß dort die neue Gemeinde zusammengekommen ist, um die tröstenden Worte der l1lissionare zu hören (Apg 16,40). IIUPUKUAEW erscheint anderswo in Apg als Ver-
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Zur Stadt PhiJippi z.Z. PauJus vgl. J. Schmidt, PRE XIXh, 1938, 2206-2.2.44; A.N. Sherwin-White, Roman Society and Roman Law in the NT, 1963, 7883.92.-95.I75ff; A.H.M. Jones, The Cities of the Eastern Roman Provinces, 1971; W. Eiliger, Paulus in Griechenland, 1978, 2.3-77; G.F. Hawthorne, PhiJ, 1983, XXXII-XXXVI; G.L. Borchert, ISBE 1II, 1986, 834ff; S.E. Johnson, Paul the Apostle and his Cities, 1987, 74ff; J. Gnilka, PhiJ, 1987, 1-5; R. Riesner, GBL III, 1990, II96-II99; H.L. Hendrix, ABD V, 1992., 313-317. Vgl. V.3. nun P. Pilhofer, Philippi. Bd. I. Die erste christliche Gemeinde Europas, 1995 und L. Bormann, PhiJippi. Stadt und Christengemeinde zur Zeit des Paulus, 1995. Das Wort ~u:vOJ impliziert Tischgemeinschaft bei Lukas (vgl. Lk 1,56; 9,4; 10,7; I9,5; 2.4,2.9). Die Missionare werden angesichts dieser Bedeutung in der urchristlichen Mission wohl auch Abendmahl mit Lydia in ihrem Haus gefeiert haben. Jedenfalls wollte Lukas dies andeuten (vgl. Apg 16,15 - 1tUPEßLa.crU·W, ElOEA8ovtEC;, ~t€VE';E - mit Lk 24,2.9f). Vgl. dazu D.L. Matson, Houshold Conversion Narratives in Acts, 1996, 148f; er folgt A.A . .Tust, The Ongoing Feast, 1993, 222..2.3 6-2.53.
Hausgemeinde und Mission
kündigung v.a. im christlichen Rahmen (vgl. II,23; 14,22; 15,32; 20,1-2.12)89. Hier haben wir ein Beispiel einer geschäftlich tätigen Frau, die von Lukas besonders ausgezeichnet wird, denn sie war die erste Patronin in der paulinischen Mission in Europa, die Paulus und eine seiner Missionsgemeinden mit Haus und Hof gastfreundlich gedient hat 90 • Anscheinend ist diese Frau relativ wohlhabend und begütert gewesen. Denn in der Antike gehörte Purpur zu den Luxusgütern. Es ging ihr jedenfalls finanziell so gut, daß sie sich ein Haus entweder als Eigentümerin oder als Mieterin leisten konnte, das groß genug war, daß sie zusätzlich zu ihrem eigenen Haushalt einigen Gästen Gastfreundschaft anbieten konnte 91 • In dem Haus fanden die "Brüder" ebenfalls ausreichend Platz zur Versammlung. Auch die Tatsache, daß Lukas sie mit GEßO[.lEV'Il 'tov 8cov beschreibt, könnte auf einen höheren Status 92 hindeuten (s. 5.250, Anm. 135)93. Neben der Lydia-Erzählung steht der zweite Gründungsbericht einer HG in Philippi (Apg r6,25-34)' Ursprünglicher Kern dieser Gemeinde ist der Oikos des Kerkermeisters gewesen. Über ihn wissen wir nur wenig, selbst sein Name wird nicht überliefert. Als Aufseher eines Gefängnisses in einer römischen Kolonie ist er aller Wahrscheinlichkeit nach in die Reihen des römischen Militärs und damit
F.F. Bruce, Acts, 2.)2 beobachtet, daß A.oyo<; 1tUpUKA.1jaEw<; terminus techniclls für die synagogale Predigt darstellt (vgl. Apg I3,15; Heb I3,2.2). 90 E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 228 sieht in Lydia die Leiterin der HG in ihrem Haus. S. dazu u. unseren Exkurs zu Leitungsaufgaben in den pln. HGn. Zur Bedeutung der Lydia für die paulinische Mission vgl. P. Pilhofer, Philippi, 234-24°. 91 Die Missionsmannschaft schloß zu diesem Zeitpunkt mindestens Paulus, Silas, Timotheus und wohl auch Lukas ein (Verfasser der Apg - vgl. "Wir-Bericht") ein. Vgl. J.B. PolhilI, Acts, I992, 349: "Lydia's invitation to the four missionaries to stay in her horne in itsdf indicates that she had considerable substance, such as guest rooms and servants to accommodate them adequately." 92 Zum Statusbegriff allgemein vgl. S. 248, Anm. I)1 und unseren Abschnitt zur sozialen Schichtung der pln. HGn. 93 Vgl. E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 228, die Lydia eher als Freigelassene denn als wohlhabende Frau aus vornehmer Familie einstuft. 89
Die Verwendung von Häusem in der paulinischen Mission
24I
als Soldat bzw. Veteran einzustufen94 • Anscheinend wohnte er 10 einem zweistäckigen relativ großen Halls95 • Leider erfahren wir in den Paulusbriefen von diese~ bei den HGn nichts Zusätzliches. Da Phil 1,1 mit der Erwähnung von mehreren Episkopoi als ein Hinweis auf mehrere HGn in Philippi verstanden werden kann (s. u. zu Leitungsstrukturen) und Apg 16 von zwei HGn berichtet, ist anzunehmen, daß es dort ein Nebeneinander von HGn gab.
b) Thessalonich 96 Auch über die HGn in Thessalonich wissen wir nicht viel97 • Wie WIr oben gesehen haben, berichtet Apg 17,1-9 zuverlässig davon, dafS ein Oikos und dessen Hausherr Jason eine bedeutende Rolle in der dortigen paulinischen Mission gespielt haben. Bis Jason in der Erzählung erscheint, existiert schon eine mit seinem Haus in Verbindung stehende christliche Gruppe (Apg I7,6.10), was die vorausgehende missionarische Arbeit von Paulus und seinen Mitarbeitern voraussetzt, denn Paulus ist es, der von der Volksmenge gesucht wird. Es gab dort nach den Angaben des Paulus selbst z.Z. des Schreibens des 1Thess, wenige Monate nach deren Gründung, eine wohl überwiegend aus Heiden bestehende Gemeinde (1Thess 1,9; 2,14; 4,15)98. Aus indirekten Angaben ist einiges über deren soziale Zu-
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F.F. Bruce, Acts, 315. Von der Zeit Julius Caesars an ließen sich Soldaten in römischen Kolonien nieder. Dies galt als gewisse Belohnung für den treuen Dienst Rom gegenüber. Vgl. I6,34: avayaywv. Wie wir uns dieses Haus genau vorstellen sollen, bleibt im Dunkeln. War das Gefängnis im Keller des Hauses oder ganz vom Haus getrennt? Wo predigte Paulus dem Kerkermeister das Evangelium, wo wurden er und seine Familie getauft? In seinem Haus oder im Hof des Gefängnis? Leider ist das alles nicht mehr auszumachen. Zur Stadt Thessalonich z.Z. Paulus vgl. E. Oberhummer, PRE Ir 6, 1937, 143I48; B. Reicke - A. Suhl, ßHH III, 1966, 1968f; W. Eiliger, Paulus in Griechenland, I978, 78-lI 3; W.A. Meeks, Urchristentum, Torff; T. Holtz, rThess, 1986, 9-23; R.K. Jewett, The Thessalonian Correspondence, 1986, II8132; R. Riesner, GBL III, 1990, 1545-1548; ders., Die Frühzeit des Apostels Paulus, 1995,297-3°1; H.L. Hendrix, ABD VI, 199 2, 523-527. Zur neuen These von R.K. Jewett, Tenement Chruches and Communal Meals, Bibi Res 38 (1993), 23-43 s. S. 263ff. Man könnte aus diesen Stellen entnehmen, daß Paulus ausschließlich an Heidenchristen schreibt. Aber Ähnliches müßte man demnach auch für die KorintherBriefe und den Galater-Brief (vgl. IKor 12,2; rKor 6,J.I; Gal 4,8) annehmen, obwohl in diesen Gemeinden die Präsenz einer judenchristlichen Minderheit noch si-
Hausgemeinde und Mission
sammensetzung zu entnehmen. Es gehört zur Tendenz des Lukas, die Bekehrung von angesehenen Personen hervorzuheben, in diesem Fall sind es "die nicht wenigen Frauen aus vornehmen Kreisen" (Apg 17,4). Auf den ersten Blick vermittelt das eher ein einseitiges Bild von der sozialen Schichtung der thessalonischen Gemeinde. Nach genauerem Hinsehen fällt aber auf, daß Lukas nirgends behauptet, daß Standespersonen die Mehrheit bildeten99 • Die Behandlung der Thematik der Handarbeit im rThess deutet an lOO , daß Paulus an Gemeindeglieder schreibt, die überwiegend zur arbeitenden Mitteloder Unterschicht gehörten. Aber auch sein Brief schließt nicht aus, daß es einige wohlhabende angesehene Personen in der Gemeinde gab. Gut möglich ist es, daß die in rThess 5,r2 erwähnten KOJUW\f1;ßS; ev Ul-ltV Kat :T[poi:cn:a~tEVOL U~tWV in eine höhere soziale Schicht einzustufen sind. Dies gilt v.a., wenn die soziale Schichtung der thessalonischen Gemeinde analog zu den anderen paulinischen Gemeinden v.a. zu Korinth gesehen werden kann 101 • Wie wir noch sehen werden, waren die in rThess 5,12 Genannten aller Wahrscheinlichkeit nach die Schutzherren (und Leiter?) der Hausgemeinden in Thessalonich (s. Leitungsstrukturen, S. 34 off) 102. Nach rThess 5,27 ist weiter anzunehmen lo3, daß in Thessalonich mehr als eine Gruppe cherer ist. Aber auch der rThess gibt Grund zur Annahme, daß er nicht ausschließlich an Heiden gerichtet war, die keinen engeren Kontakt zum Judentum hatten. Die Sprachform des IThess bietet ein Indiz für den ehemaligen Kontakt vieler seiner Leser zur Synagoge (T. Holtz, 1Thess, I987, 10). Die "Gottesfürchtigen" hatten normalerweise eine heidnische Vergangenheit. Ihren Status bekamen sie dadurch, daß sie noch keine volle Bekehrung zum Judentum vollzogen hatten (A.]. Hultgren, Paul's Gospel and Mission, 1985, 14off). Augerdem kennen wir die Namen einiger Judenchristen aus Thessalonich: Jason (s.o.) und Aristarchus (KoI4,Iof; Phlm 24; Apg LO,4) sind klare Hinweise auf wenigstens eine kleine jüdische Minderheit in der Gemeinde zu Thessalonich (so schon E.v. Dobschütz, Thess, I1; ihm folgend R.K. Jewett, The Thessalonian Correspondence, II8f). 99 Zu der historischen Plausibilität, daß solche vornehmen Frauen tatsächlich zur Gemeinde in Thessalonich hä tten gehören können s. S. 235. 100 Vgl. z.B. rThess 4,II; vgI. auch 2,9-12; 2Thess 3,6-I2. 101 S. u. unseren Abschnitt zu der sozialen Schichtung der pln. Gemeinden insgesamt. 102 Vgl. R.K. Jewert, The Thessalonian Correspondence, 1986, 103. 103 • EVOpKi!;c.ll Uf-liiC; TOV KUPWV cXvayvwo8ijvm TT)V emo-roÄiiv niioLv wie; cXÖsÄ«j>oie;. Aus der Betonung, die mit niiOLV impliziert ist, kann man entnehmen, daß Paulus nicht von einer Vollversammlung ausgeht, sondern mit Teilzusammenkünften in verschiedenen HGn rechnet. Mit J. Gnilka, Phil, I982, 27; A. Malherbe, Social Aspects, 70; ihm folgend H.]. Klauck, HG, 35. Anders A.L. Chapple, Local Leadership, I984, 2°5.273, Anm. rr6, der auch eine Besprechung der verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten des Verses bietet.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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existierte, was auch hier für ein Nebeneinander von HGn sprechen würde. Das wird durch die Mehrzahl von npotOLallE'VoL in rThess 5, r 2 bestätigt. Sowohl diese soziale Schichtung als auch die Existenz von solchen Himsgemeindeleitern werden durch den Bericht des Lukas bestätigt. Erstens hat Jason Paulus und seinen Mitarbeitern Gastfreundschaft geleistet (Apg 17,7 unoöeÖEKTm). Zweitens stellt er den christlichen Brüdern sein Haus als Versammlungsraum zur Verfügung (Apg 17,6.9). Zusammen übernehmen sie und Jason die rechtliche Verantwortung für die Aktivitäten des paulinischen Missionsteam, indem sie eine Kaution stellen. All dies setzt voraus, daß Jason "a man of means" gewesen sein mußte l04 • Seine Rolle als Schutzherr der Gemeinde erinnert an andere Patrone, die wir noch kennenJernen werden, z.B. Phoebe aus Kenchräa (Röm 16,2) oder Gaius aus Korinth (Röm r6,23)105.
c) Korinth 106 Die Stadt Korinth, wie Paulus sie kannte, war eine römische KolonieStadt, gegründet 44 v.Chr. von Julius Caesar und gebaut auf den Ruinen des alten griechischen Karinth, das im römischen Expansionskrieg zerstört wurde. Auf Grund ihrer günstigen Lage blühte die Stadt durch Handel, Bankwesen und Branzehandwerk. Allerdings war sie durch ein steiles soziales Gefälle charakterisiert - eine sehr reiche Minderheit und eine sehr arme Mehrheit. Eine ähnliche soziale Schichtung weist die korinthische Gemeinde auf: einige Wohlhabende, einige aus der "Mittelschicht" und die Mehrheit aus den unteren Schichten (rKor r,26ff) 107. Aus den Texten des rKar ist einiges an
104 A. Malherbe, Paul and the Thessalonians, rs; W.A. Meeks, Urchristentum, I36. Zum sozialen Status von Secundus aus Thessalonich (Apg 20,4) vgl. R. Riesner, Die Frühzeit des Apostels, 310, der nach einer Prüfung der inschriftlichen Evidenz
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erwägt, ob Secundus civis Romanus war. Vgl. auch E.A. Judge, Rank and Status in the World of Caesars and St. Paul, 1982, 36, Anm. zoo Zur Stadt Karinth vgl. W. Eiliger, Paulus in Griechenland, 200--25°; ABD I,]. Murphy-O'Connor, Art. Corinth, II34-Il40; ders., St. Paul's Corinth, 1990; GBL 1I, R. Riesner, Art. Korinth, 816. W. Meeks, Urchristennun, 199~, 103-108. E.A. ]udge, Christliche Gruppen, I964, 59; ihm folge~d aber differenzierter und mit ausführlichem Nachweis G. Thei!~en, Studien, 25M. Vgl. auch 2.Kor 8,14; rKor 16,1-4; 6,I-II als Hinweise auf den Sozialstatus der korinthischen Gemeinde. Zu den Begriffen wie Ober-, Mittel- und Unterschicht, ihrer Bedeutung und (problematischen) Anwendbarkeit auf die antike Gesellschaft vgl. unseren Abschnitt zur sozialen Schichtung u. S. 29Iff.
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Hausgemeinde und Mission
Informationen über die wohlhabenden Einzelpersonen und ihr Verhältnis zu der Gemeinde in Korinth zu ziehen. Aus zuverlässiger Tradition der Apostelgeschichte 1 0 8 wissen wir, daß die Judenchristen Priszilla 109 und Aquila durch das Judenedikt des Kaisers Claudius (49 n.Chr.) aus Rom vertrieben wurden und schon vor der Ankunft des Apostels in Korinth waren l1O • Das Edikt betraf nicht nur Juden, sondern auch Judenchristen. Höchstwahrscheinlich waren Priska und Aquila schon Christen, als sie Rom gezwungenermalSen verließen. Dafür spricht, daß Paulus nicht sie, sondern Stephanas und sein Haus "Erstlingsgabe Achaias" (IKor 16,15) nennt w . Ursprünglich aus der römischen Provinz Pontus am Schwarzen Meer, erscheint Aquila in Korinth als Zeltmacher oder Lederarbeiter und eröffnet dort einen Gewerbebetrieb 112 • Paulus konnte also nicht nur bei ihnen wohnen, sondern auch einen Arbeitsplatz finden. Dies bot Paulus nicht nur Lebensunterhalt, sondern auch die Möglichkeit missionarischen Wirkens. Es ist anzunehmen, daß Aquila einem Zeltmachercollegium angehörte 1l3 . Paulus hat dieses natürliche Umfeld der Collegia und der Kunden vermutlich für evangelistische Kontakte nutzen können 114 • So sieht es auch H.J. Klauck: "Von hier 108 109 110 111
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Apg 18,1-9. Für den Nachweis s. S. 236ff. Paulus nennt sie Priska. Die gen aue Datierung dieses Vorgangs ist strittig (s. S. 236f, Anm. 76). Weitere Gründe trägt E. Haenchen, Apg )Il, Anm. 4 zusammen; mit ihm H.]. Klauck, HG, 22; W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 25. Vgl. auch F.F. Bruce, Acts, 1990, 347. Das Schweigen des Lukas bzgl. dieses Sachverhalts hängt wohl mit seiner Absicht zusammen, Paulus als Gründer der Gemeinde in Korinth darstellen zu wollen. Er hat insofern Recht, als die beiden eventuell zunächst nicht selbständig missionierten oder noch niemand zum Glauben führen konnten. Nicht sie, sondern Paulus hat als erster in Korinth getauft (vgl. lKor l,r6 mit 16,15). Hir eine Besprechung des Berufes des Aquila vgl. P. Lampe, Die stadtröm. Christen, 156ff. Vgl. P. Lampe, Die stadtrömischen Christen, 156; V. Branick, House Church, 61; W.A. Meeks, Urchristentum, 65-71. In Rom sind Zelrmacher (tabernacularii) dreimal inschriftlich zu fassen: CIL VI 5183 b (C.Iulius Chrysantus - Mitglied eines Collegiums der Zeltmacher und Zeitgenosse des Aquilas); CIL VI 9053 und 9053a (stadtrömisches "collegium tabernaculariorum, dem freigelassene und unfreie Handwerkskräfte 'ex domo Caesarum' angehörten"). R.F. Hock, The Social Context of Paul's Ministry, I980, 37-42. Hock verweist auf die Parallelität :lU den kynischen Philosophen, räumt aber zugleich ein, dag stichhaltige Belege für die missionarische Verwendung der Werkstatt seitens des Paulus fehlen. Er führt als indirekte Belege u.a. IThess 2,1-12 und Apg 17,17 an. Mit ihm W. Meeks, Urchristentum, 64ff; H.]. Klauck, HG, 23. Es lägt sich eben-
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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aus entfaltete sich die korinthische Stadtrnission, die zunächst sicher zur Bildung einer Hausgemeinde um Paulus und das Ehepaar führte. ,,115 Es ist in letzter Zeit oft gefragt worden, in was für einem Haus das Ehepaar gewohnt hat. Leider geben uns die Texte darüber keine klare Auskunft. Nach Analogie der Umwelt steht nur eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten zur Verfügung. Sprachlich kann mit dem Begriff O{KOC; ein Atriumhaus, eine Villa, ein Peristyl haus, eine insula oder ein Haus mit Werkstatt-Laden gemeint sein. Jedes dieser Modelle ist archäologisch belegt und kommt in allen drei betreffenden Städten in Frage, in denen ein "Haus" des Ehepaars genannt ist (Korinth, Ephesus, Rom). Von Aquilas Beruf her gesehen sind die nächstliegende Analogie für seine Unterkünfte aber die vielen kleinen Werkstatt-Läden, die ein Handwerker anmieten konnte. Dafür haben sich in jüngster Zeit besonders P. Lampe und ]. MurphyO'Connor eingesetzt!!6. Lampe weist darauf hin, daß Aquila sein Haus, einen Werkstatt-Laden, gemietet haben kann. Der OikosBesitz wird von Aquila nirgends explizit ausgesagt, denn Km:' otKov uin:wv eKKA.11OtU impliziert keinen Hausbesitz (auch keinen Sklavenbesitz). Für Murphy-O'Connor bedeutet die geprägte Wendung "that Prisca and Aquila controlled access to their dwelling. They were not workers residing on their employer's property, but were owners or, more probably, tenants of a workshop"!!?
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falls gut vorstellen, daß die missionarische Aktivität in der Werkstatt im Rahmen des Hauses von Aquila geschah, denn in der Antike - auch in Karinth z.d.Z. waren Werkstätten (shops) öfter Teil des Hauses (vgl. Exkurs u.). Deswegen muß kein Gegensatz zwischen der evangelistischen Verwendung eines Oikos und einer Werkstatt konstatiert werden (geg. R.F. Hock, Social Context, 37), auch wenn die Form der missionarischen Aktivität in einem Tricliniurn anders als in einer Werkstatt zu bestimmen sein wird. Vorstellbar ist auch eine geographische Trennung zwischen Haus und Werkstatt, z.B. daß Aquila eine Werkstatt auf dem Markplatz (Agora) und ein Haus außerhalb der Stadtrnitte hatte. Hausgemeinde, 23. Eigentlich ist im Text (Apg 18,1-9) nicht explizit von einer HG des Ehepaars in Karinth die Rede, trotzdem ist anzunehmen, daß sie das, was sie anschliel~end in Ephesus und Rom taten (vgl. rKor 16,19; Röm 16,5 - s. lI.), auch hier in die Praxis umsetzten. So auch J. Murphy-O'Connor, Prisca and Aquila,49· P. Lampe, Die stadtröm. Christen, 1989, r61; Murphy-O'Connor, Prisca and Aquila, Bible Review, (r992), 40-51.62. Vgl. Prisca and Aquila, 49.
Hausgemeinde und Mission
In Korinth sind solche "tabernae" ausgegraben worden 118 • In einer kleinen Ladenreihe nördlich der südlichen Stoa stehen 14 tabernae auf einer Front von ca. 44 m. Das ergibt für den einzelnen Laden eine Breite von etwas über 3 m. Ihre Länge liegt etwas unter 4 m. An der westlich vom Forum gelegenen Ladenfront reihen sich größere Läden aneinander, die etwa 4,5 m x 6 m groß sind. Das ergibt eine Ladenfläche von 27 m'. Unten in diesem Laden wurde handwerklich gearbeitet. Das Wohn-, Schlaf- und Eßzimmer war entweder hinter oder über dem Laden, meistens in der gleichen Größenordnung. Das über dem Laden eingezogene Mezzanin (eine Art Zwischengeschoß) war über eine Steintreppe, die sich dann in einer Holzleiter fortsetzte, zu erreichen und wurde durch ein nicht verglastes Fenster zentriert oberhalb des Ladeneingangs beleuchtet1l9 • In einem solchen Raum oder im Laden selbst hätten sich ca. 20 Gläubige in einer HG versammeln können 120 • Es ist ebenfalls oft darüber nachgedacht worden, wie der soziale Status dieses Ehepaars zu bestimmen ist. In dieser Frage ist die Forschung immer noch geteilter Meinung. V.a. in der jüngeren exegetischen Literatur ist ihnen immer wieder ein höherer gesellschaftlicher Status zugeschrieben worden J21 •
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Vgl. F.]. de Waele, The Roman Market North of the Temple at Corinth, AJA 34 (1930),432-454; M.I. Finley, Atlas der klassischen Archäologie, 1979, I 54ff. Anscheinend bestand wenig Unterschied zwischen solchen Läden im Osten und im Westen (vgl. ]. Murphy-O'Connor, Prisca and Aquila, 49: "a generic description is valid for all major towns throughout the empire"). Vgl. auch K. Schneider, Art. Taberna, RECA IV, I932, 1863-1872. Es gab kein fließendes Wasser und keine Toiletten. Für eine Beschreibung des "Wohnzimmers" vgl. Juvenal, Satura III, 2°3-2°7 und Martial, Epigrammaton Liber XII,32-; Apuleius, met. IX,24f. P. Lampe, Die stadtröm. Christen, 161, stellt sich dies so vor: "Einige von Aquilas christlichen Gästen werden entsprechend auf Stapeln von Zeltplanen gesessen haben, wenn die Gruppe sich zum Gottesdienst versammelte." Für eine weitere Beschreibung mit schönen Zeichnungen "gI. ]. Murphy-O'Connors, Prisca and Aquila, 49. W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 26f., Anm. 105; U. Wilckens, Röm III, 134; M. Henge!, Eigentum und Reichtum in der frühen Kirche, 1973, 46; W.A. Meeks, Urchristentum, 12.8, differenziert (er weist z.B. darauf hin, daß der Berufsstand von Aquila eher niedrig, aber nicht sehr gering war, so daß sie hinsichtlich ihrer finanziellen Mittel offensichtlich hoch einzustufen sind). Auch differenziert E.W. und W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, 1995, 252ff; Klauck, HG, 23, lügt die Frage offen.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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\Vir wissen nur wenig über Priska, aber interessant ist die Tendenz des Neuen Testaments, sie vor ihrem Mann zu nennen 122 • Hier wird eine antike Konvention durchbrochen. Deswegen muß man eine Absicht dahinter vermuten. Damit soll ausgedrückt werden, daß sie in irgendeiner Weise bedeutender als ihr Mann gewesen ist, aber nach welchen Kriterien? War es nach einem christlichen Kriterium, etwa weil sie vor ihrem Mann zum Glauben gekommen war oder um die besondere Bedeutung dieser Frau für die urchristliche Mission zu unterstreichen?123 Oder weist dies eher auf ein säkulares Anliegen hin, nämlich um den höheren Status Priskas gegenüber ihrem Mann zu betonen?124 Von Apg r8,26 her ist zu vermuten, daß Priska gebildet war, und dies würde ebenfalls auf einen höheren Status hinweisen. Die Tatsache, daß sie im gleichen Handwerk mit ihrem Mann manuelle Arbeit getan hat (Apg 18,3), deutet allerdings an, daß sie weder sozial höher als er stand noch, daß sie "independently wealthy" gewesen ist 125 • Man geht davon aus, daß Aquila ein besser gestellter, gewerbetreibender Handwerker 126 und Hauseigentümer l27 gewesen sei, der
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VgL Apg 18,18.19.26; Röm 16,3; 2 Tim 4,19; umgekehrte Reihenfolge in Apg 18,2; rKor 16,19. Schon A.v. Harnack, Mission und Ausbreitung, 1924, Bd. I, 85. Er spricht von der "Missionarin Prisca und ihr(em) Gatte(n) Aquila". Mit ihm W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 25; H.J. Klauck, HG, 26; J. Murphy-O'Connor, Prisca and Aquila, Bible Rev (1992), 42; in Röm 16,3 wird Priska von Paulus "Mitarbeiterin" genannt. Vgl. Röm 16,7 für ein weiteres missionarisches Ehepaar (AnJronikus und Junia) von der Art von Priska und Aquila, was den Stellenwert einer gläubigen Familie für den Gemeindebau unterstreicht (s. u. Exkurs: LeitungsauEgaben der Frau). E.A. Judge, The Early Christians as a Scholastic Society, 1960, 129; V. Branick, House Church, 61; F.F. Bruce, Acts, 348. Vgl. J. Murphy-O'Connor, Prisca and Aquila, 42: "A woman oE noble birth would not know how to do the heavy needle-and-palm work of tentmakers, nor would her hands be adapted to it, and a woman of independent means would not need to work." Zu Priska vgl. noch A. von Harnack, Probabilia über die Adresse und den Verfasser des Hebr, ZNW I (1900), r6-4I.bes.33ft. Nach Ollrog, Mitarbeiter, 26f, Anm. 105, habe Aquila in Rom ein Geschäft besessen, das während seiner Abwesenheit nach dem Claudiusedikt von einem seiner Sklaven weiterbetrieben worden sei. Nicht nur in Rom, auch in Ephesus habe er ein Haus besessen. So U. \X'ilckens, Röm IlI, 134. Aquila sei Leiter eines Gewerbegeschäftes mit Filialen gewesen, in denen nicht nur Paulus beschäftigt worden sei (so M. Hengel, Eigentum und Reichtum in der frühen Kirche, 1973,46).
Hausge111einde und Mission
als Schutzherr Dienstleistungen und Reisen l28 für die paulinische Mission geleistet hat. Theißen stellt hierfür Kriterien auf, die es methodisch ermöglichen sollen, einen gehobenen Sozialstatus zu konstatieren: Ämter, Häuser, Dienstleistungen für die Gemeinde und Reisen. Er geht davon aus, daß gemessen an diesen Kriterien "der größte Teil der namentlich genannten Korinther (auch Priska und Aquila = RG) wahrscheinlich einen gehobenen Sozialstatus hat", weil sie sogar mehrere dieser Kriterien erfüllen. Sie haben allerdings als Handwerker und aus den östlichen Provinzen stammende Juden nicht zur lokalen Oberschicht gehört129 • P. Lampe geht auf all diese Fragen ein und kommt zum entgegengesetzten Schluß, daß Aquila eher zur unteren Schicht seines Berufes gehörte, weder ein Haus besessen noch Sklaven, noch andere Arbeitskräfte beschäftigt hat13O • Auch die belegbaren Reisen Aquilas seien kein sicheres Indiz für einen gehobenen Status 13l . Diese Frage können wir hier offen lassen. Entscheidend für uns ist nicht der Status des Ehepaars, auch nicht der Hausbesitz, sondern die Tatsache, daß sie ihr Haus, sei es ein von ihnen gemietetes oder käuflich erworbenes Haus, sei es z.B. ein römisches Atriumhaus oder eines mit Werkstatt-Laden, geführt und der paulinischen Mission in unterschiedlicher Weise zur Verfügung gestellt haben. Es ist keine Übertreibung, wenn wir sagen, daß dieses Ehepaar als Mitarbeiter in der paulinischen Mission aufgrund des selbstlosen Einsatzes auf der Grundlage ihres Oikos einen so wirk12H Zunächst sind sie von Rom nach Korinth gereist. Aus IKor 16,19 wissen wir, dag
sie ebenfalls in Ephesus eine Gemeinde in ihrem Haus beherbergten. Später; wie wir sehen werden, sind sie wieder in Rom und leiten dort ebenfalls eine Hausgemeinde. 129 Studien, 235.256. 130 Die stadtröm. Christen, 15 6- 16 4. 131 Wie Theigen schon einräumte, sind belegbare Reisen allein nicht ausreichend, um einen höheren Status nachzuweisen. Lampe bringt einige bedenkenswerte Argumente dafür, daß Reisen überhaupt keinen Anhalt geben, eine Person sozialgeschichtlich höher anzusiedeln. Vgl. Die stadtröm. Christen, 162-164. Allerdings mug hier gefragt werden, ob Lampe im Fall Aquilas allgemein die Evidenz zu Gunsten seiner These, daß die ersten Christen überwiegend aus niedrigeren Schichten stammten, einseitig ausgewertet hat. Vgl. ebenfalls die Kritik SchölIgens sowohl an Lmlpe als auch Meeks: Probleme der frühchristlichen Sozialgeschichte, JAC E 32 (1989); Was wissen wir über die Sozialstruktur der paulinischen Gemeinden?, NTS 34 (1988), 71-82. Ein Teil des Problems liegt sicherlich darin begründet, daß man unterschiedliche Status begriffe verwendet. Auf diese und andere Fragen der sozialen Schichtung der ersten Christen allgemein kommen wir noch zu sprechen (s. S. 291).
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samen Beitrag leisten konnte. Das gilt sowohl für ihre Reisen und andere Hilfeleistungen als auch für die Bereitstellung einer Arbeitstelle für Paulus und eines gottesdienstlichen Versammlungsraumes für die Gemeinde, eventuell auch für den ganz besonderen Einsatz, den Paulus in Röm r6,4 erwähnt: "Sie haben für mein Leben ihren eigenen Hals hingehalten ... " Irgendwann und irgendwo (Korinth oder Ephesus?) retteten sie Paulus das Leben. Vielleicht war es im Zusammenhang mit der Gefangenschaft des Paulus in Ephesus 132 , daß sie ihm ähnlich wie Jason in Thessalonich Hilfe gerade als Schutzpatrone geleistet haben (s. S. 234f). Sicher können wir das nicht wissen, aber es steht fest, daß ihre Unterstützung des paulinisehen Missionsunternehmens soweit ging, daß Paulus zum folgenden Lob bewegt wird (Röm r6,4): "nicht allein ich, sondern alle Gemeinden unter den Heiden sind ihnen dankbar". Paulus siedelt nach einiger Zeit "in das Haus eines Gottesfürchtigen namens Titius Justus über, das unmittelbar an die Synagoge grenzte" (Apg 18,7). Man vermutet, daß Aquila und Priska für ihr Geschäft nicht die beste Lage hinsichtlich eines missionarischen Dienstes aussuchen konnten und Paulus im Haus des Titius Justus nahe an der Synagoge besser unter Juden missionieren konnte, wo die Wahrscheinlichkeit von Bekehrungen, v.a. unter Gottesfürchtigen, höher war. Außerdem ist es möglich, daß die Unterkunft des Ehepaars so vielen Zuhörer nicht genügend Platz bot, das Triclinium im Haus des Titius dagegen sehr viel größer und deshalb für die missionarische Predigt des Paulus besser geeignet war (s. 0.)133. Titius J ustus heißt deswegen " gottesfürchtig" , weil er bereits mit dem Judentum sympathisierte, sich aber zur Beschneidung und zum vollen Übertritt noch nicht entschieden hatte. Die Konversion der Gottesfürchtigen zum Christentum war m.a.W. schon dadurch vorbereitet und erleichtert. Titius scheint dadurch auch ein guter Kandidat für eine Führungsposition in der Gemeinde zu sein, weil er den Mut besaß, dem Heidentum abzusagen 13\ weil er vermutlich gebildet
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Zum Nachweis der ephesinischen Gefangenschaft des Paulus vgl. W.H. Ollrag, Mitarbeiter, 27, Anm. II4. Vgl. z.B. P. Lampe, Die stadtröm. Christen, 160; ]. Murphy-O'Connor, Prisca and Aquila, Bible Review (1992), 49. Auch in Ephesus (s. u.) kommt anscheinend die Wohnung Aquilas nicht in Frage für den Predigtdienst des Paulus (vgl. Apg 19,9), weil sie dort ebenfalls zu klein gewesen ist? Schon F.V. Filson, The Significance of the early Hause Churches, JBL 58, 1939, I H. Die Apg macht zwar keine eindeutige Aussage darüber, ob Titius Justus
Hausgemeinde und Mission
war 135 und auch, weil er ein Haus besaß, das groß genug war, um Paulus einen Ort zum Predigen zu bieten. Diese Vermutung wird unterstützt durch die Beobachtung, daß Titius noch fest in den Erinnerungen der Kirche blieb - auch viele Jahre später, als Lukas Traditionen sammelte, um die Apg zu schreiben. In Apg 18,8 wird ein weiterer potentieller Hausbesitzer erwähnt. Wie wir sahen, trat der jüdische Synagogenvorsteher Krispus mit seinem ganzen Haus zum Christentum über. Privater Hausbesitz und gehobener Status sind hier ziemlich sicher136 , da Synagogenvorsteher oft recht wohlhabende Leute waren. Ihr Titel bezeichnet gewöhnlich die Person, die den Bau der Synagoge oder aber ihre Instandhaltung mitfinanzierte I37 • Auch Stephanas, der Erstbekehrte von Korinth, wurde "mit seinem Haus" von Paulus getauft (rKor r,16). Als Erstbekehrter hat er wohl eine Sonderstellung in der korinthischen Gemeinde gehabt (rKor 16,15). Die Gruppe soll sich ihm, seiner Familie und allen, die mitarbeiten, unterordnen (rKor r6,r6). In Vers 17 erfahren wir, daß Stephanas mit Fortunatus und Achaikus (Glieder seines Hauses? Sklaven?) Paulus nach Ephesus nachgereist ist (s. S. 3I9f). Sein Eigentum und seine Reisen deuten an, daß Stephanas ein wohlhabender Mann war 138 • Solcher Status, gekoppelt mit seinem besonderen Einsatz in der Gruppe, weisen auf eine Hausgemeinde unter seiner
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Christ wurde, aber aus dem Kontext ist dies stark anzunehmen (vgl. die allgemeine Offenheit der Gottesfürchtigen für die christliche Botschaft und die Aufnahme des Paulus in sein Haus). Das gilt v.a., wenn er mit dem Gaius in Röm 16,23 und IKor 1,14 zu identifizieren ist. So schon W.M. Ramsay, Pictures of the Apostolic Church, 1910, 205; E.]. Goodspeed, "Gaius Titius ]ustus", ]BL 69 (I950), 382f. W.A. Meeks, Urchristentum, 136, Anm. 75 läßt es offen. K.G. Kuhn und H. Stegemann, PRE Suppt. 9, 1248-1283, weisen darauf hin, daß die Gottesfürchtigen in der Diaspora in der Regel einen höheren Status als die Proselyten und von daher eine gewisse Bildung hatten (vgl. auch H. Giilzow, Christentum und Sklaverei, 1969, 13f; F. Siegert, Gottesfürchtige und Sympathisanten, ]S] 4 (1973), 1°9-164; vgl. auch schon M. Radin, The lews among the Greeks and Romans, 1915, I49-162). Dem Namen nach könnte Titius Justus römischer Bürger gewesen sein - er gehörte sicherlich zu der starken lateinischen Bevölkerungsgruppe der Kolonie. G. Theißen, Studien, 249.256; mit ihm W.A. Meeks, Urchristentum, 125; Klauck, HG, 33; B. Blue, Acts and the House Church, 176f. Für eine Liste der Inschriften, die dies bestätigen, vgl. B. Brooten, Warnen Leaders in the Ancient Synagogue, 1982, 23, Anm. 93; vgl. auch Theißen, Studien, 235f. G. Theißen, a.a.O., 256; Stephanas erfüllt drei Kriterien.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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Leitung hin, auch wenn seine genaue Funktion schwierig zu bestimmen ist (s. u. zu seiner Leitungsfunktion). In seinem Brief an die Römer (Röm 16,23) läßt Paulus von Personen aus der korinthischen Gemeinde grüßen: Gaius und Erastos (s. u.). Paulus beschreibt Gaius als "meinen Gastgeber und (Gastgeber) der ganzen Gemeinde" (0 s€vo~ !-L0U Kat ÖÄ11~ Lfj~ EKKÄyta(a~)139. Einige Kommentatoren sehen Gaius' Rolle allein darin, daß er in seinem Haus Paulus und andere (v.a. durchreisende) Christen beherbergte, aber es nicht als Versammlungsraum für die Gemeinde zur Verfügung stellte 140. Die patristische Exegese ging aber davon aus, daß Gaius Besitzer eines Hauses war, in dem die ganze Gemeinde sich versammelte!41. Mit H.]. Klauck ist diese Auslegung zu favorisieren 142 • Folgende Argumente sprechen dafür: 1. Es wird nirgends sprachlich realisiert, daß Gaius im Auftrag der Gemeinde handelt. 2. Nach 1Kar 14,23 ist mit Versammlungen der Gesamtgemeinde am Ort zu rechnen. Nach dieser Auffassung war das Haus des Gaius von einem bestimmten Zeitpunkt an der regelmäßige Treffpunkt der gesamten Ortsgemeinde von Korinth, eventuell deswegen, weil es von der Größe her als einziges in Frage kam. Dies erhält eine starke Stütze von 1Kor 14,23 und II,20 her. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Paulus Gaius deswegen lobt, weil er sein Triclinium und Atrium der korinthischen Gesamtgemeinde zur Verfügung gestellt hat. Sein Wohnzimmer war anscheinend ziemlich groß!43. Apg 18,IO bewahrt eine Erinnerung an "viele" Christen in Karinth. Wir haben wohl davon auszugehen, daß die ganze Gemeinde in Karinth für die da-
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Er ist vermutlich mit dem in rKor 1,14 genannten Gaius identisch. E. Käsemann, Röm, 401; H. Schlier, Röm, 451; H. Lietzmann, Röm, 128; U. Wilckens; Röm III, I46. Origenes, Röm Kommentar in der freien lateinischen Übertragung des Rufin, PG I4, 1289C; vgl. auch G. Theißen, Studien, 228.25of. . Hausgemeinde, 34. All diese Informationen sind Hinweis dafür, daß Gaius ebenfalls in der korinthischen Gesellschaft einen hohen Status genoß. Stegemanl1 und Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, 254, überlegen folgendermaßen: ,,\Venn er Bürger der römischen Kolonie Korinth war, der Name Gaius (ein,weitverbreiteter römischer Name) hier also das praenomen eines dreigliedrigen römischen Namens repräsentiert, wäre eine Zugehörigkeit zur lokalen korinthischen Oberschicht (ohne Amtsfunktion) durchaus möglich."
Hausgemeinde und Mission
malige Zeit relativ groß war 144 und aus nicht weniger als 30, eher sogar 50-90 Personen bestand 145 • Hier ist es wichtig, sich ein Bild von der Architektur der antiken Häuser zu machen, die für die paulinischen Hausgemeinden in Frage kommen 146 • Dazu gehören v.a. ein römisches Atriumhaus oder eine römische Villa; eine stadtrömische Insula, d.h. ein mehrstöckiges Mietshaus mit Geschäftsräumen im Erdgeschoß; ein griechisches Peristylhaus, ein hellenistischer Mischtyp mit Hof und angrenzenden Räumen oder ein Haus mit Werkstatt-Laden. Die Baupläne von solchen Häusern vermitteln hilfreiche Einzelheiten, um die Größe der Hausgemeinden einschätzen zu können. Hier kann die Archäologie uns Auskunft über Räumlichkeiten geben, auch wenn das Belegmaterial in seinem Umfang sehr begrenzt ist. Leider existieren keine archäologisch gesicherten Indizien für christliche HGn in Korinth selber 147 • Bislang ging man da von aus, es könnte von den
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G. Theißen, a.a.O., 25I. V. Branick, House Church, 64, "the whole church of Corinth" hatte "no less than thirty people". Schon siebzehn werden im NT genannt. Vgl. eine Auflistung bei Thejj~en, Studien, 253f.256. Auf Grund von archäologischen Überlegungen schätzt Murphy-O'Connor, St. Paul's Corinth, 164ff, daß die Gesamtzahl der korinthischen Gemeinde zwischen 30 und 50 lag (eher in Richtung 50). Vgl. R. Banks, Paul's Idea oE Community, 1994, 35: "A meeting oE the 'whoIe church' may have reached forty to forty-five people - if the meeting spilled over into the atrium then the number could have been greater, though no more than double that size ... " Nach den prosopographischen Rechnungen von B. Blue, Acts and [he House Church, 175, Anm. 219, wäre eine Versammlung (zusammen mir Mitgliedern der HGn aus anderen Orten wie Kenchreä) von 100 Personen möglich. Für antike Häuser allgemein vgl. D.S. Robertson, A Handbook of Greek and Roman Architecture, 1943, bes. Kap. 17: Greek und Roman Houses and Palaces; J. Carcopino, Daily Life in Ancient Rome, 1959, bes. Kap. 2: Houses and Streets; C. Kraus, Art. Haus, Lexikon d. Alten Welt, 1965, 1196-1208; A.G. McKay, Römische Häuser, Villen und Paläste, 1980; A. Boethius, Etruscan and Early Architecture, 1978; ders., Notes on the Developement of Domestic Architecture in Rome, A]A 24 (1934), 158-17°; G. Hermansen, Ostia: Aspects of Roman City Life, 1982; A. Wallace-Hadrill, Houses and Households: Sampling Pompeii and Herculaneum, 1992, 191-2.2.7; ders., Houses and Society in Pompeii and Herculaneum, 1994; ].R. Clarke, The Houses of Roman Italy, 1993; C. Osiek/D.L. Balch, Families in the New Testament World, 1997, 5-35 .20rff. Dies gilt auch für all die anderen Städte (Ephesus, Philippi, Thessaloniki etc.), in denen Paulus Gemeinden gegründet hat. Für Hinweise zu HGn anderswo und zu anderen Zeiten vgl. LM. White, God's House, 12-25.62-75.I03-110; ders., Domus Ecclesia, 1982, 545-553; ].M. Petersen, House-Churches in Rom, VigChr 23 (1969), 2.67-272; C.H. Kraeling, The Excavarions at Dura-Europos, VIII,2:
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen iVfission
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räumlichen Bedingungen eines Hauses in Pompeji, Herculaneum, Ostia oder Karinth aus Daten erhoben werden, um diese verallgemeinernd auf die Häuser aller paulinischen Hausgemeinden zu übertragen, da diese auch in römisch-hellenistischen Städten gewesen sind. Diese Schlußfolgerung basierte auf der Annahme, daß ein Plan existierte, der für römische Häuser geographisch durch das ganze Römische Reich hindurch typisch gewesen ist l48 • Untersuchungen der archäologischen Entdeckungen seit dem späten 19. Jh. haben aber diese Annahme als falsch erwiesen und die Notwendigkeit einer lokalgeschichtlichen Vergehensweise hinsichtlich der Erforschung dieses Gebietes unterstrichen 149 • "Housing patterns, of course, varied considerably across the Empire. The Italian villa, the Greek peristyle, the Hellenistic-oriental multistoried insula, apartments, and others had their own local stylistic traditions. We must expect ... considerable diversity from place to place depending on the local circumstances '" ,,150 Die Konsequenz, die wir für unsere Studie aus dieser Einsicht zu ziehen haben, ist folgende: um die architektonischen Verhältnisse der Häuser der paulinischen Hausgemeinde zu ermitteln, müssen wir die archäologischen Daten aus der jeweiligen Stadt oder Gegend, in der die uns interessierende Gemeinde(n) sich befand(en), heranziehen, um eine möglichst zutreffende Beschreibung zu formulieren. Glücklicherweise gibt es ausreichende Beispiele von korinthischen Privathäusern aus unserer Zeit, die Analogien zu Häusern von christlichen HGn bieten l5l • In Anaploga bei Korinth z.B. hatte ein Atriumhaus, eine Serie von Zimmern um einen Hof (Atrium) mit einem kleinen Teich (Impluvium) herum, ein Wohnzimmer (Triclinium), das 41,25 qm groß war und ein Atrium mit Impluvium mit
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The Christian Building, 129-134; W. Rordorf, Gottesdiensträume, ZNW 55, 1964, 110-128; H.]. Klauck, HG, 77-81. V. Branick, House Church, 38-42. Vgl. z.B. Murphy-O'Connor, Sr. Paul's Corinrh, 161-178; ihm folgend Branick, House" Church, 39. Vgl. L.M. White, God's House, 190, Anm. 29: "ßy contrast note rhe assumptions of homegeneity in housing" bei Murphy-O'Connor, ebd. L.M. White, Domus Ecclesia, 18f; R. Krautheimer, Beginnings, RR 3, (1939), 144f, A.G. McKay, Römische Häuser, 1980, passim. L.M. Whitc, God's House, 107. Für antike Häuser in Korinth "gI. T.L. Shear, Corinth, Bd. V: The Roman Villa, 1930; J. Wiseman, Corinth and Rome, ANRW TI 7.1 (1979), 438-548; 5.5. Weinberg, Corinth, Bd. I,v: The Southeast Building, The Twin Basilicas, the Mosaic House, I960.
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3 sqm. 152 Solch ein Wohnzimmer bietet Platz für neun Menschen auf Liegen um die Wand herum und im Atrium ist notfalls Platz für einige mehr l53 • Wenn alle Liegen entfernt würden, hätte man Platz für etwa 20 Personen. Wenn das Atrium noch als Ausweichmöglichkeit dazu genommen würde, könnte die Gruppe eventuell auf maximal 40-50 erweitert werden. Dies dürfte als Richtschnur dienen, um die hypothetische Größe der paulinischen Hausgemeinden wenigstens in Korinth zu ermitteIn l54 . Als potentieller Hausbesitzer muß auch Erastos in Erwägung gezogen werden. Er war städtischer Beamter (OiKOVO~tOS 'ttlS nOA.EüJS) in Korinth (Röm 16,23). Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Berufsbezeichnung auszulegen. Entweder war er nur ein unbedeutender Sklave im Dienst der Finanzverwaltung oder aber in der Stadtverwaltung in einer führenden Stellung als Quästor und später als Aedil tätig. Nur im zweiten Fall käme er als Hauseigentümer in Frage. Interessanterweise ist eine korinthische Inschrift gefunden worden, die einen Aedil namens Erastos bezeugt 155 • Obwohl die Koinzidenz, die bei einer Identifizierung dieses Erastos mit dem in Röm 16 erwähnten, ziemlich ungewöhnlich wäre, muß diese Möglichkeit offengehalten werden. Nicht wenige Forscher gehen von einer Gleichsetzung aus 156 • Aber unabhängig von einer Identifizierung der bei den
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s. Grundriß und Bezeichnung im Anh., S. 508f. Vgl. ]. Murphy-O'Connor, St. Paul's Corinth, 16I-I/8 mit archäologischen Daten für eine Anzahl von Häusern aus dem I. Jh. in und um Korinth. Die Größen der Villa zu Anaploga scheinen repräsentativ zu sein. Ein Haus dieses Typs vorn 2. Jh. in der Nähe des sicyonischen Tores zu Karinth hatte ein nur etwas größeres Triclinimll (Murphy-O'Connor, St Paul's Corinth, 161-178; ihm folgend Branick, House Church, 39). Vgl. allerdings C. OsieklD.L. ßalch, Families in the New Testament, 2OIff, die eine gewisse Ausnahme in der Forschung darstellen. Sie weisen darauf hin, daß diese Schätzungen eventuell zu niedrig sind. Sie machen auf römische Häuser (v.a. aus Pompeji und Herculaneum) aufmerksam, in denen Hallen und Gärten zur Verfügung standen und nach ihren Rechnungen Platz für 300 bis auf lOOO Gäste boten. Text bei ].H. Kent, The Inscriptions (Corinth, Results of Excavations ... VIII/3), 1966, NI. 232. Eine genaue Datierung ist noch nicht möglich, aber die Herkunft aus dem r. Jh. n.Chr. ist denkbar. Positiv sind G. Theit~en, Studien, 245; B.W. Winter, Seek the Welfare of the City, 1994, 195; J.H. Kent, ebd., IOD. Für Kent war Erastos ein korinthischer Freigelassener, der es durch geschäftliche Unternehmungen zu beträchtlichem Wohlstand gebracht hat. Für die Identifizierung spricht, daß Erastos kein sehr häufiger Name ist und wir auch keinen weiteren korinthischen Beamten kennen, der so
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
255
Erasti, gibt es weitere Indizien, die für einen hohen Status des christlichen Erastos sprechen. Es sind z.B. Reisen des Erastos belegt (Apg I9,22; 2 Tim 4,20)157. Des weiteren: Paulus nenntd~n weltlichen Status eines Gemeindegliedes nur hier in Röm r 6,23. Es ist ebenfalls anzunehmen, daß Paulus seinen besonderen Status absichtlich betont, weil "es sich um einen erwähnenswerten, relativ hohen Rang handelt"158. Es läßt sich in der Tat sprachlich nachweisen, daß OiKOVO/-l.O<; T11C:; rcOAEWC:; in sich schon Ausdruck einer hohen ehrenvollen Position gewesen ist. Daß Erastos ein hohes Amt inne hatte, gilt unabhängig davon, ob er mit dem Erastos der Inschrift zu identifizieren ist. Dies hat A.D. Clarke in seiner gründlichen und sehr ausgewogenen Untersuchung überzeugend nachgewiesen. "Regardless of any direct connection between these Erasti, there is the firm probability that in the Erastus of Romans r6.23, there is a figure who was one of the established people of Corinth, and was in a position to offer hospitality to the whole church of Corinth ... It is reasonable to argue back from the circumstances suggested in Romans r6.23 that this particular OiKOVO~tOc:; T11<; rcOAEWC:; was a position not of a public slave, but one of considerable honour. Here iS,one figure who certainly belonged to the ou rcOAA01. OUVUTO( of r Corinthians 1.26. ,,159 Alles scheint dafür zu sprechen, daß Erastos eine weitere wohlhabende Person mit einem hohen Amt darstellte und in Korinth als Hauseigentümer sowie als Gastgeber einer Hausgemeinde fungierte. Wenn unsere oben angeführten Überlegungen stimmen, dann bedeutet dies, daß es zumindest in Korinth ein Nebeneinander (s. u.) gab zwischen Ortsgemeinde, die sich seltener (aber wohl regelmäßig)
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hieß. So V.P. Furnish, Corinth in Paul's time, BArR 15/3, (1988), 1.0. Für H.]. Klauck, HG, 33; W. Eiliger, Paulus, 1.30 und .W.A. Meeks, Urchristentum, r:z.6f ist die Identifizierung eine plausible Möglichkeit, die aber historisch nicht gesichert ist. Ablehnend H.]. Cadbury, Erastos of Corinth, ]BL 50 (193 1),41.-58. Für Stegemann/Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, 1.53, gehörte der in Röm 16 enyähnte Erastos mindestens zum (niederen) Beamtenapparat von Karinth. Er sei damit (eventuell als Sklave?) in die Gruppe der Gefolgsleute der Oberschicht einzustufen. Allerdings ist es strittig, ob der Erastos in Apg 19,1.1.hTim 4,1.0 mit dem in Röm 16,1.3 zu identifizieren ist. Für eine Identifizierung sind G. Theißen, Studien, 1.52; E.B. Redlich, S. Paul and his Companions, 1913,23 If; dagegen sind H.]. Cadbury, Erastus of Corinth, 45; C.]. Hemer, The Book of Acts, 235; U. Wilkens, Röm III, 146. Theißen, Studien, 1.37. Secular & Christian Leadership in Corinth, 1993,46-5 6.
Hausgemeinde und Mission
traf1 60 , und Hausgemeinden, die in den Häusern häufiger zusammenkamen. Wieviele HGn es in Korinth gab, wissen wir nicht genau. Auf jeden Fall können die Gemeinden im Haus des Gaius 161 und die im Haus des Aquila und der Priska als solche gelten. Wenn Titius Justus nicht mit Gaius zu identifizieren ist, gab es auch noch eine HG bei ihm. Hinzu kämen eventuell Hausgemeinden bei Stephanas, bei Erastos und bei Krispus. Auch die Gemeinde in der Hafenstadt Kenchreä, die sich bei Phoebe versammelte, kann als zusätzliche HG in bzw. um Korinth gesehen werden.
d) Kenchreä 162 In Röm 16,If. wird noch Phoebe genannt, eine Person, die für unseren Zusammenhang wichtig ist. Paulus beschreibt sie folgendermaßen: "unsere Schwester ... gegenwärtig Dienerin (ÖUXKOVOV) der Gemeinde in Kenchreä". Phoebe hat wohl der Gemeinde Kenchreä 163 als Gastgeberin gedient, indem sie ihr Haus als Versammlungsraum zur Verfügung gestellt hat164 • Vom Haus ist zwar nicht die Rede, man kann dies aber von V. 2 her annehmen. Dort nennt Paulus sie npom:cX-w;, was u.a. Patronin bzw. Schutzherrin heißen kann 165 . Demnach wäre Phoebe eine wohlhabende Schutzherrin, die ihr Eigentum zum Dienst für Paulus und für viele Christen bereitgestellt
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161 162 163 16-1 165
A. Jülicher, Römer, 1917,331. Die Verhältnisse der Großstadt ließen, so Jülicher, Versammlungen der Gesamtgemeinde höchstens einmal in der Woche, am Sonntag (IKor 16,2), zu. Auch wenn die Gesamtgemeinde am Ort bei Gaius zusammengekommen ist, stellt das immer noch eine HG dar. Zu der Stadt Kenchräa vgl. R. Riesner, GBL 11,775. Diese war eine Filialgemeinde in einer der Hafenstädte Karinths, die wohl von dort aus gegründet wurde (vgl. H.]. Klauck, HG, 30). Vgl. H.J. Klauck, HG, 30f. E.A. Judge, The Early Christians as Scholastic Community, JRH 1 (1960), 128f, schlug vor, npom:anc; hier als Synonym von dem lateinischen patrona (im Sinne von Beschützerin oder Schutzherrin) zu begreifen, was im Sprachgebrauch von Gebieten mit starker römischen Beeinflussung üblich gewesen ist. Ihm folgend W.A. Meeks, Urchristentum, r30f; ähnlich auch H.]. Klauck, HG, 31. Josephus bezeichnet Herodes als oo)'ti)p Kat npom:a1:'l1<; (Ant. 14>444). Zur Verwendung des lateinischen patrontts im ähnlichem Zusammenhang bei griechischen Inschriften vgl. G.W. Bowersock, Augustus and the Greek World, 1965, 12f. Schon Stigel und Bengel sahen, so C.F. Heinrici, II Kor, r890, 414, Phoebe als Schutzherrin der Christen in Kenchreä.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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hat J66 • So wäre es möglich, sie auch als Gastgeberin 167 der dortigen Gemeinde zu sehen. Auch das Verb OLUKOVE'iV erscheint häufig im Kontext des Tischdienstes 168 • Der Name Phoebe stammt aus der Mythologie, und damals wurden solche Namen an Sklaven vergeben l69 . Es gibt aber Zeichen dafür, daß Phoebe doch zu Freiheit und einem gewissen Wohlstand gelangt ist, nämlich ihre Dienstleistungen und Reisemöglichkeiten 170. Ihr Sklavenname würde also der Annahme, daß sie die wohlhabende Schutzherrin der Hausgemeinde in der Hafenstadt Kenchreä war, nicht im Wege stehen. Neuerdings haben E. W. und W. Stegemann vom Begriff JtPOOT.&LL~ ausgehend in Erwägung gezogen, ob Phoebe nicht zu der lokalen Oberschicht von Kenchreä gehört hae 71 •
e) Ephesus I72 Etwa ein Jahr nach der Beendigung seiner Mission in Karinth beginnt für Paulus und seine Mitarbeiter die Mission in Ephesus. So weit wir wissen, wird dies für ihn und seinen Mitarbeiterkreis der längste missionarische Aufenthalt in einer Stadt. Die Apg bewahrt die Tradition, daß Priska und Aquila mit Paulus von Karinth nach Ephesus 166 167 168 169 170 171 172
Die Tasache, daß eine Frau als Witwe die materna potestas innehat, ist nicht ungewöhnlich. Vgl. K. Thraede, An "Frau", RAC 8,198. Mit Leitungsaufgaben? Siehe S. 359ff. Mk 1,13.31; Lk 10,40; Joh 12.,2.; Apg 6,2. Vgl. H. Lietzmann, An die Römer, I971, 126, für einen materialreichen Exkurs zur Thematik. G. Theißen, Studien, 249f.2.52.f; ihm folgend H.]. Klauck, HG, 3I. Urchristliche Sozialgeschichte, 2.54. Für Stegemann und Stegemann ist dies aufgrund von Phoebes Bezeichnung als Patronin theoretisch möglich. Zur Stadt Ephesus vgl. W. Eiliger, Ephesos, 1985; R.E. Oster, ABD II, 1992., 542-549; E.M.B. Green und C.]. Hemer, GBL I, 3 19-321.)n Epheslls sind domestische Wohnhäuser entdeckt worden: 2. insttlae mit Privathäusern auf dem Hang des Bülbüldag (Berg Koressos) sind fast ganz ausgegraben. Allerdings sind sie zum gröBten Teil Peristylhäuser der städtischen Oberschicht, und es wäre zu fragen, ob solche Häuser für die paulinische Gemeinde in Frage kommen. Doch sind auf der zweiten und dritten Etagen-Ebene im Rest der einen Insula an deren östlicher Seite kleinere Wohneinheiten ausgegraben worden. Eigentümer oder Mieter dieser Wohnungen stammten eher aus der "Mittelschicht" (vgl. A.G. McKay, Römische Häuser, Villen und Paläste, 1980, 151-157, v.a. 156). Für die gründlichste Besprechung vgl. E. Akurgal, Ancient Civilizations and Ruins of Turkey, 1973, f42ff und 378ff. Die Ausgrabungen im Wohngebiet von Ephesus wurden (ca. 1988) wiederaufgenommen. Eventuell ergeben sich dadurch neue Perspektiven. Vgl. dazu H. Thür, Ephesos. Wohnen in einer antiken Großstadt, BiKi 53 (1998), 195f.
Hausgemeil1de und Aiission
reisen 173, wo sie in ihrem Haus dem Alexandriner Apollos christliche Katechese erteilen (Apg 18,I8-19b.26}174, was ein weiterer Hinweis für den OtKO~ als Ort der christlichen Belehrung ist. Aus Ephesus sendet Paulus den Korinthern Grüße von Priska und Aquila wieder mit der geprägten Wendung "samt der Gemeinde in ihrem Haus" (auv Km' OLKOV atJ'twv EKKA1']a(~ - IKor 16,I9). Dort hat sich offensichtlich ebenfalls eine Hausgemeinde von Aquila und Priska konstituiert. Viel über die Hausgemeinden in Ephesus können wir nicht sagen. Der Grufs von "all den Brüdern" (1Kor 16,20) weist wohl auf andere Christen in Ephesus hin, die sich nicht bei Priska und Aquila versammeln. Zusammen mit der Größe der eph. Gemeinde (s. Anm. 173) sind dies Indizien für ein Nebeneinander von HGn in Ephesus, sicher wissen wir es aber nicht. Man vermutet, daß ein Teil der Mitglieder dieser Gemeinde mit Priska und Aquila nach der Aufhebung des Judenedikts (55 n. Chr.) gemeinsam nach Rom gereist ist. Wenn Priska und Aquila in der Tat
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1Kor 16,19 bestätigt den Ortswechsel von Priska und Aquila nach Ephesus. Auch die fortdauernde Existenz einer Gemeinde in Ephesus ist historisch nicht zu bestreiten. Gegen die These von G. Schille, Kollegialmission, 1967, SI, daß die dortige Mission des Paulus ein Fehlschlag gewesen sei, spricht die Größe der eph. Gemeinde (vgJ. W.H. Olll'Og, Mitarbeiter, Fff.58-61: v.a. die Größe des Mitarbeiterstabes, die vielen Reisen sowohl des Paulus als auch seiner Mitarbeiter in diesem Gebiet und die Länge des Aufenthaltes in Ephesus sprechen für eine relativ große Gemeinde), die Beteiligung der eph. Gemeinde an der Kollekte (Apg 20,4; rKor 16,r-4) und die weitere Überlieferung über die Gemeinde (Offb 2,1-7; Apg 19,Iff; ZO,I7 ff; lTim 1,3; 2Tim 1,18; 4,12). Im Vergleich zu Apg 18,1-17 ist hier die Beurteilung der Exegeten nicht so einheitlich. Vgl. W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 33, Anm. 142.143; 37ff v.a. Anm. r64.167, für eine Besprechung der Spannungen zwischen lk. und paulinischen Angaben. Für R. Pesch, Apg, 154, sind I8-19b keine lk. Erweiterung. Als Grundlage zur Perikope 18,24-28 verwendet Lukas eine Tradition von einem bedeutenden Missionar namens Apollos (so Pesch, ebd., 159). Wie sich aus den Nachrichten des lKor über Apollos erkennen läßt, ist die Apollos-Überlieferung von Lukas historisch zutreffend vor der eigentlichen Wirksamkeit des Paulus in Ephesus plaziert. üb sich gegen die lk. Auffassung die Rekonstruktion eines ursprünglich anderen Apollos-Bildes empfiehlt (u.a. J. Roloff, Apg, 1.79; vgl. R. Pesch, Apg, 159f., Anrn. I für weitere Möglichkeiten), ist umstritten, aber eher unwahrscheinlich (Pesch, ebd., 159). Die Tradition wußte vermutlich nichts von einer Bekehrung des Apollos durchPriszilla und Aquila - von der auch Paulus in lKor nichts zu wissen scheint und die Lukas doch zur Herabstufung des Apollos unter Paulus bestens gepaßt haben müßte -, sondern nur von seiner Belehrung durch die Mitarbeiter des Pauills (2Gb) zu berichten.
Die Venvendul1g von Häusern in der paulinischen Mission
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bessergestellte, freie Gewerbetreibende waren, kann es sein, daß sie abhängige Arbeitskräfte und/oder Slaven in ihrem Betrieb beschäftigten, die wiederum mit ihnen zogen und ein Teil des inneren Kreises der christlichen Hausgemeinden darstellten 175 • Es ist z.B. möglich, daß Epainetos und Maria (Röm 16,5f) zum Gesinde und so schon zur ephesenischen Hausgemeinde 176 von Priska und Aquila gehörten l77 •
f} Rom178 In der langen Grußliste in Röm I6 begegnen uns wieder Priska und Aquila, diesmal in einem Grußauftrag mit der geprägten Formel: "Grüßt Priska und Aquila '" und grüßt auch die sich in ihrem Haus versammelnde Gemeinde" (Kat "tTjv Ka't' OiKOV atrtwv eKKA.lju{av Röm 16,3.5). Man muß demnach annehmen, daß Priska und Aquila nach den Stationen Korinth und Ephesus an ihren alten Wohnort Rom zurückgekehrt sind, dort wieder eine Hausgemeinde gegründet haben und sich möglicherweise darauf vorbereiten, den Apostel bei seinem geplanten Rombesuch aufzunehmen l79 • Damit besitzen wir Belege für Hausgemeinden des Ehepaars an drei Orten der paulinischen Mission: Korinth, Ephesus und Rom. Für Korinth findet sich zwar die geprägte Wendung Ka't' OtKoV alJ'twv EKKA.'Y]oia nicht, aber die Indizien sprechen trotzdem dafür, daß sich zunächst eine HG um
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H.]. Klauck, HG, 23; mit \V.H. Ollrog, Mitarbeiter, 38, Anm. 164- Ihnen folgend V. Branick, House Church, 73. An gleicher Stelle wird Epainetos "Erstlingsgabe Kleinasiens" genannt, und damit wäre er als der erste Neugetaufte in der Gegend von Ephesus zu bezeichnen. H.]. Klauck, HG, 2.3, fragt, ob er schon länger zum Oikos von Priska lind Aquila gehörte und sich erst in Ephesus bekehrte oder ob er erst dort zum Haushalt hinzugestoßen und als abhängige Arbeitskraft mit nach Rom gereist ist. Die Struktur der Grußliste in r 6,3-1 6 deutet dies an. Zunächst werden die engsten ivlitarbeiter gegrüßt, dann diejenigen, die Paulus persönlich kannte, danach hervorragende Gemeindeglieder, und zuletzt kommen die summarischen Grüße. So gesehen werden Epainetos lind Maria an hervorgehobener Stelle gegrülk Das würde auch gut erklären, weshalb sich weitere Ephesiner in Rom befinden. Zur Stadt Rom vgJ. P. Lampe, Stadtröm. Christen, passim; G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte, 1984; P. Garnsey, R. Salier, Das römische Kaiserreich, 1989; M. Rostovtzeff, The Social and Economic History of the Roman Empire, 192.6, v.a. 12.5-179; J.F. Hall, ABD V, 1992,830-834. So \V.H. Ollrog, Mitarbeiter, 26f.
260
Hausgemeinde und Mission
das Ehepaar mit Paulus zusammen gebildet hat, auch wenn Paulus später in das Haus von Titius Justus überwechselte (s. 0.)180. Spuren von zwei weiteren Hausgemeinden sind eventuell in Röm 16 zu entdecken l8 \ und zwar in V. 14.I5. Dort heißt es jeweils "Grüßt Asynkritus, Phlegon, Hermes, Patrobas, Hermas und die Brüder, die bei ihnen sind", und "Grüßt Philologus und .J ulia, N ereus und seine Schwester, Olympas und alle Heiligen, die bei ihnen sind". Die Namensträger sind wohl "die repräsentativen Glieder zweier Hausgemeinden, zu denen eine ungenannte Zahl weiterer Christen gehörte"l82, teils als Verwandte, teils als Sklaven oder Freigelassene 183. Außerdem ist in Röm 16,IO die Rede von denen "aus dem (Haus) des Aristobul" und in 16,rr von denen "aus dem (Haus) des Narzissus, die im Herrn sind". Am ehesten handelt es sich jeweils um eine Gruppe von christlichen Sklaven innerhalb einer Großfamilie, dessen Haupt selbst nicht christlich zu sein scheint 1g4 • Diese Gruppen stellen offenbar keine HGn dar, sondern höchstens Hausgemeinschaften, die sich eventuell einer anderen Hausgemeinde angeschlossen haben. Zu dieser Zeit finden wir also in Rom ein Nebeneinander von mehreren Hausgemeinden bzw. Hausgemeinschaften. In unserer Untersuchung zählen wir in der Großstadt Rom fünf verschiedene christliche Kristallisationspunkte. Einer davon (nämlich bei Priska und Aquila - Röm I6,5) ist mit Sicherheit eine Hausgemeinde 185 , die Es ist möglich, daß Aquila wegen einer besonderen Verbundenheit mit Paulus und seiner Mission aus strategischen Gründen so oft umgezogen ist (vgl. Ollrag, Mitarbeiter, 2.7: "Seiner eigenen Geschäftsentwicklung können die raschen Wohnortwechsel jedenfalls nicht sehr förderlich gewesen sein. "). Ähnlich auch J. Murphy-O'Connor, Prisca und Aqllila, Bible Review (1992), 40-5I.61. 181 M. Gielen, Interpretation, 19 86, 121, weist aber darauf hin, daß an keinen der bei den Stellen von einern Gemeindestatus die Rede ist. Es ist auch zu fragen, warum Paullis hier die geprägte Wendung nicht verwendet: deswegen, weil es eigentlich keine HGn, sondern nul' Hausgemeinschaften sind (s. u.)? 182 E. Käsemann, Röm, 395; auch V. Branick, House Church, 69f.; H.]. Klauck, HG, 27f.; P. Stuhlmacher, Phlm, 71. Vgl. aber R. Banks, Community, 39f. für die Gegenthese, dag die Gruppen keine Hausgemeinden, sondern Beispiele für christliche "domestic or work groups" seien. 183 Vgl. H. LietzmallIl, Röm, 126f, der in einem Exkurs zeigt, daß einige Namen in diese Richtung deuten. Vgl. dazu nUll auch P. Lampe, Die stadtröm. Christen, 180
184 135- 1 51. 185
H.]. Klauck, HG, 28. Offensichtlich kommt dieser Hausgemeinde eine relative Selbständigkeit zu, denn Paulus nennt sonst eine Ortsgemeinde E:KKA110ia (vgl. Röm 16,1.23; rKor I,2;
Die Vertuendung von Häusern in der paulil1ischen Mission
26I
beiden Gruppen in Röm 16,14.I5 mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch. In Röm 16,IO.II fanden wir zwei weitere christliche Gruppen. Wenn wir damit rechnen, daß die anderen 14 in Kap. I6 erwähnten Einzelpersonen zu keiner dieser 5 Gruppen gehört haben, und sie kaum nur einem einzigen weiteren Kreis angehören, ergeben sich insgesamt mindestens sieben gesonderte Gruppen l86 . Interessant ist erstens, daß dieses Phänomen der Fraktionierung eier staeltrömischen Christen des I. Jh. in Korrespondenz zum Befund steht, daß die Christenheit z.d.Z. in Rom auf verschiedene Stadtteile verstreut war 187 • Zweitens: Dasselbe Phänomen räumlicher Fraktionierung begegnet uns, wenn wir chronologisch von der entgegengesetzten Richtung herkommend die Ursprünge eier römischen Tituli untersuchen 1B8 • Nach ihrer gründlichen Untersuchung kommt P. Lampe zum folgenden Ergebnis: "Die stadtrömischen Christen trafen sich in vorkonstantinischer Zeit - fraktioniert - in über die Weltstadt verstreuten, von Privatleuten bereitgestellten Räumlichkeiten. Prinzipiell gilt so eine Kontinuität zwischen der in Röm 16 vorausgesetzten
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rr,18; 14,23; 2Kor [,r; 1Thess 1,1). Nur noch in Ephesus und im Lykostal wird ebenfalls eine HG als eKKA.11o{U bezeichnet: 1Kor 16,19; Phlm 2.; Kol 4,15 (vgl. unsere Ausführungen dazu o. und u.). P. Lampe, Die stadtröm. Christen, 64f, überlegt, ob eine achte festzustellen ist, als Paulus in Rom ist und ebenfalls in seiner Mietwohnung Christen versammelt. In Apg 28,30f wird überliefert, dag Paulus in Rom zwei Jahre lang ev iöC
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Hausgemeinde und Mission
Struktur und dem späteren Tituli-Netz in Rom (auch wenn kaum die Kontinuität zwischen einer einzelnen Hausgemeinde des 1. Jh. und einem einzelnen Titulus des 3. ]h. zu belegen sein dürfte). "189 Drittens: Auf Grund des Analogieschlusses von der Organisation der jüdischen Gemeinschaft in Rom her, die sich nach inschriftlichen Zeugnissen um eine Reihe von einzelnen (Haus)synagogen sammelte (ebenfalls ohne erkennbare städtische Suprastruktur)190, müßte man mit der Existenz von verschiedenen Hausgemeinden in Rom rechnen, auch wenn keine textliche Evidenz vorhanden wäre. Der Analogieschluß, sowohl von der Organisation der Urgemeinde in Jerusalem als auch von der Organisation der Gemeinde in Antiochien her, unterstüzt ebenfalls die Annahme einer Existenz von verschiedenen Hausgemeinden in Rom (für den Nachweis s. Exkurs S. I67)191. Allerdings bieten sich an keiner Stelle Anzeichen für ein räumliches Zentrum für diese über die Stadt verteilten christlichen Gruppen. Die Gesamtheit der Christen in Rom wird nirgends im Römerbrief als eKKAllOta bezeichnet, auch nicht in I,7, wo es für einen Paulusbrief normalerweise zu erwarten wäre. Von einer Ortsgemeinde also, die sich als Gesamtgemeinde versammelt, ist nirgends die Rede 192 • Dies kann mit der Größe Roms in Zusammenhang ste-
189 Die stadtröm. Christen, 30 5. 190 U. Wilckens, Röm I, 35-39; Klauck, HG, 26; P. Lampe, Die stadtröm. Christen,
191 192
306: "Diese Parallelität verblüfft - ob man die jüdische Struktur nun als unmittelbares Vorbild gelten lassen will oder nicht" (vgl. seine ausführliche Beilage IV im Anhang, 367f). Vgl. auch H.]. Leon, Jews of ancient Rome, 1960, 135-194, ebd. 193: "no good evidence for a body exercising supervision over Roman Jewry as a whole"; W. Wiefel, Die jüdische Gemeinschaft im antiken Rom, Judaica 26, (1970),65-88 . H.]. Klauck, HG, 26ff.35, 40, Anm. 64; C. Andresen, Geschichte des Christentums, 1975, in: I, 3; V. Branick, Hause Church, 25. Diese Beobachtung wird auch bestätigt von Justin ca. ein ]h. später (vgl. Mart Just 3,1.3). Er schreibt, daß die Christen in Rom nicht an einem Ort zusammenkommen. Daraus ist zu schließen, dag sie sich auch nach einem ]h. immer noch nur in kleineren Hausgemeinden versammeln. Vgl. H.]. Klauck, HG, 69f. für eine ausführliche Besprechung. Unabhängig von Klauck kommt P. Lampe, Die stadtröm. Christen, 306, zum gleichen Ergebnis. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Feststellung, daß für die ganze Kaiserzeit hindurch keine einheitliche Zusammenfassung der stadtrömischen Judengemeinden unter einem einzigen Leitungskreis belegt ist (für weitere Lit. vgl. P. Lampe, ebd., 368).
Die Verwendung von Häusem in der l}a~tlinischen Mission
263
hen - sie war die weitaus größte Stadt im Reich (vermutlich um I MiIl.)193. In neuester Zeit ist unsere Sicht bzgl. HGn allgemein, v.a. über Rom, aber auch über die anderen paulinischen Städte, von R. Jewett in Frage gestellt worden l94 • Neben den "traditionellen" HGn gibt es, so Jewett, Hinweise in den paulinischen Briefen auf "tenement churches" 195, die sich ohne die Unterstützung von Hausvorständen bzw. Patrone in den Arbeits- bzw. Wohnräumen der insulae versammelten. Er will weiter nachweisen, daß eine andere Leitungsstruktur und ein anderes Gemeinschaftsleben die Folgen gewesen sind, wenn man sich in Räumlichkeiten versammelte, die nicht von einem Hausvorstand zur Verfügung gestellt wurden. Als Begründung für seine These weist er darauf hin, daß nur wenige Christen in eigenen Häusern lebten. Die überwiegende Mehrheit fand in Strukturkongruenz zur römischen Großgesellschaft ihre Unterkunft auf kleinstem Raum in großstädtischen insulae bzw. in "Mietskasernen"I96. All das läßt fragen, ob die paulinischen Christen "conducted their services within the insulae itself, either using one of the workshop areas on the ground floor or usingspace rented by Christian neighbours in upper floors, clearing away the temporary partitions between cubicles to create room for the meeting. In either case the church would not be meeting in space provided by a patron but rather in rented or shäred space provided by the members themselves" 197. Für seine Sicht sollen archäologische Untersuchungen in Rom sprechen, die zum Ergebnis kamen, daß in späteren Zeiten Christen sich anscheinend in solchen Räumen versammelten 198 • Es gibt aber auch, so Jewett, schon Hinweise in den paulinischen Brie-
193
VgJ. z.B. J.E. Packer, Housing and Population in Imperial Ostia and Rome, JRS
194
Tenement Churches and Communal Meals in the Early Church, BR 38 (1993), 23-43; Tenement Churches and Pauline Love Feasts, Qllartely Rev (1994), 43-
57 (19 67), 80-95·
58.
195 "Ten'ement churches" = Inslllae- bzw. Mietskasernengemeinden. 196 197
198
Tenement Churches and Communal Meals, 25f. Tenement Churches and Pauline Love Feasts, 49 f. VgJ. einige der Tituli, v.a. Titulus Byzantis und dazu R. Krautheimer, Early Christian and Byzantine Architecture, RR 3 (1939), 144-159; W. Rordorf, Gottesdienste, ZNW 55 (1964), II9f; J.M. Peterson, House Churches in Rome, VC 23 (1969), 266.270; ].P. Kirsch, Titelkirchen, 19r8, 21.26-29.39f.42-44; L.M. White, Domus Ecclesiae, I982, r88-2Io.232-238; P.c. Finney, Early Christian Architecture, HThR 81 (1988),319-339.
t-lausgemeinde und Mission
fen für" tenement churches", v.a. in Rom. Jewett weist auf die Arbeit von P. Lampe hin, der auf Grund seiner Untersuchungen die überwiegende Mehrheit der ersten römischen Christen in die ärmsten Gegenden von Trastevere und Via AppiafPorta Capena lokalisiert und sie von daher zu den niedrigeren gesellschaftlichen Schichten zählt199 • In Korrespondenz dazu steht das Ergebnis seiner Analyse des sozialen Hintergrundes der in Röm 16 erwähnten Namen: "von den 1 3 Personen, bei denen eine Aussage möglich ist, weisen über zwei Drittel mit großer Wahrscheinlichkeit eine unfreie Herkunft auf"20o. Da auch für die Namen, die in den heiden Gruppen von Röm 16,14 und 16,15 (s.o.) genannt werden, nachgewiesen werden kann, daß sie aus einer unfreien Herkunft (entweder Sklaven oder Freigelassene) stammen, vermutet Jewett, dals sie "tenement churches" aus den Gebieten von Trastevere oder Via AppiafPorta Capena darstellen20I . Diese Annahme wird durch die weitere Beobachtung unterstützt, daß jeweils in bei den Gruppen anscheinend keiner von ihnen eine hervorragende Leitungsrolle gehabt habe: "none of the five names appears to be playing the role of patron for the group, the social structure probably differed ft'om what we have assumed was anormal house church"zoz. Einen weiteren Hinweis für "tenement churches" - diesmal in Thessaloniki - findet Jewett in 2Thess 3,10203 • Im Gegensatz zu den HGn mit ihrem Liebespatriarchalismus, scheint in solchen Insulaegemeinden ein System des Liebeskommunalismus die materielle und finanzielle Unterstützung für sakramentale Mahlzeiten zu bieten. Der urspüngliche Sitz im Leben für 2Thess 3,10 ist wahrscheinlich dieses "tenernent church"-System, das auf die Unterstützung durch die christliche Gruppe für Agapemahlzeiten angewiesen war. Denn diese Nlahlzeiten wären in "tenement churches", die keinen Patron hatten, ohne den materiellen und finanziellen Beitrag der einzelnen Mi tglieder gefährdet worden204 •
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Die stadtröm. Christen, IQ-52. Jewett weist ebenfalls darauf hin, daß in Trastevere sich der höchste Prozentsatz von "high rise slum dwellings" (= inst/{ae) befanden. Vgl. dazu P. Lampe, Die stadtröm. Christen, 38-43. Wiederum von P. Lampe, Die stadtröm. Christen, 1)3, der H. Solin, Die Griechischen Personen namen in Rom, 1982, stark folgt. Tenement Churches and Communal Meals, 28-3 r. Ebd., 30.. Ebd., 33-42. Vgl. auch 1Thess 2,9 und 4,9-12. Vgl. die Analyse der Abendmahlsprobleme in Korinth von O.Hofius (s. s. 304f).
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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Es müssen jedoch an die These von Jewett einige kritische Fragen gerichtet werden. Aus den Untersuchungen, wie wir sie z.B. aus Ostia Antiqua kennen, ergibt sich zwar, daß er mit seinem Hinweis in einem recht hat: Keineswegs alle, sondern nur wenige Christen lebten in eigenen Häusern. Alle anderen wohnten entweder mit in diesen Häusern oder wohl in irgendwelchen ,,Mietshäusern''205. Aber gerade dieses Leben auf kleinstem Raum206 erfordert geradezu, daß sie sich im größeren Kreis nur dort haben treffen können, wo Raum genug vorhanden war. Die Erwähnung der Patronin Phoebe und des Gaius in Röm r6,I.23 unterstreicht, wie wichtig die Christen waren, die unter den beengten städtischen Wohnverhältnissen andere unterstützen und beherbergen konnten. Die These von Jewett steht und fällt mit seiner Behauptung, daß genügend Raum geschaffen werden konnte, "using space rented by Christian neighbours in upper floars, clearing away the temporary partitions between cubicles to create room for the meeting". Leider bietet er keinen archäologischen Nachweis für diese Behauptung. Wie die provisorischen Wände in dem Raum weggeräumt werden sollen, wird durch Jewetts Darstellung nicht deutlich. Ob es tatsächlich möglich war, ist archäologisch fraglich. Die Räume der oberen 205
206
Vgl. z.B. W.A. Meeks, Urchristentum, 88-no; A.j. Malherbe, Social Aspects of Early Christianiry, 1977, 63; zu den allgem. Verhältnissen im Röm. Reich vgl. B.W. Fl'ier, Landlords and Tenants in Imperial Rome, 1980, 3-47; ].E. Packer, Housing and Population in Imperial Ostia and Rome, JRS 57 (1967), 80-95; ders., The Insulae oE Imperial Ostia, MAAR 31, 197I; A.G. Mcka)', Römische Häuser, Villen und Paläste, 1980, 26-176. Allerdings weisen D.L. Balch und C. Osiek darauf hin, daß es keine archäologischen Hinweise für "four- CO five-srory, low rent apartment housing (insulae) in pl'e-Neronian Rome, irs port of Ostia, 01' seemingly elsewhere" gibt (Families in the New Testament World, 1997, 21ff). Obwohl Jewett (und andere ntl. Forscher) oft auf die archäologische Evidenz für "illsulae" in Ostia verweisen, sind sie alle trajanisch bzw. noch später und d.h. ein halbes Jahrhundert nach Paulus. Damit ist ihre Relevanz hinsichtlich des Verständnisses der paulinischen HGn fraglich. Literarische Hinweise tür insulae in der vorneronischen Zeit gibt es aber schon (vgl. z.B. Strabo, Geogr., 5,3,7 C235; Seneca, De ira, 3,35,5; Martial, Epigr., 1,117; 7,20; ]uvenal, Satir., 3,198-202; 3,6f; 3,2I5-220). Dennoch, so Balch und Osiek, "these apanment houses were just beginning to be built in Roman cities in Paul's decades, and it is likely that most Of at least many Pauline ekklesiai occured in atrium hauses" (ebd., 24). Wenn Balch und Osiek recht behalten, erübrigt sich die These von ]ewett. Jewett, Tenement Churches and Communal Meals, 26, weist zu recht darauf hin, daß diese winzig kleinen Räume im Schnitt jeweils aus höchstens 10 m' bestanden.
Hausgemeinde und Mission
Stockwerke der insulae sind schon durch provisorische Wände in kleine cubicula unterteilt worden. Ob diese "temporary" Wände zugleich "portable" gewesen sind, ist damit nicht gesagt. Diese "provisorischen" Wände waren nämlich entweder mit Blöcken aus Tuffstein 207 oder mit Holz 20S gemacht worden. Weil sie provisorischer Natur waren, sind sie heute nur noch selten vorhanden. Dort, wo die Tuffsteinwände bei den archäologischen Ausgrabungen noch zu sehen sind, erwecken sie nicht den Eindruck, daß man sie jeden Abend bzw. einmal pro Woche hätte weggeräumen wollen, um Platz für die gottesdienstliche Versammlung zu schaffen. Daß die Holzwände beweglich waren, ist auch fraglich, weil kleine Familien in diesen cubicula gewohnt haben209 . Unsere Zurückhaltung der These ]ewetts gegenüber wird auch von den archäologischen Untersuchungen der Mietshäuser in Ostia bestätigt. Nach einer eingehenden Studie dieser Häuser kann ].E. Packer zusammenfassend sagen, daß die Indizien dafür sprechen "that the majority of Ostian flats were not hornes in the modern sense of the ward. They were not equiped to take care of all the physical needs of their inhabitants, and, save for the larger apartments '" , they were probably not used to entertain friends"210. Das eigentliche städtische Leben wurde außerhalb der einzelnen Wohnungen gelebt. Das Fehlen von Küchen in den meisten dieser Mietshäuser und die Vielzahl und weite Verbreitung der Läden in der Stadt lassen schließen, daß diese Läden "supplied the inhabitants of the surrounding buildings with partially or completely prepared
207 Vgl. Caseggiato degli Aurighi (III, x,
208 209 2\0
I), ca. 140-150 n.Chr. erbaut, ].E. Packer, Insulae of Imperial Ostia, 177-182, Grundriß (plan): S. 106. Die Beschreibung Packer's des 2. Stockes (Second Floor) erwähnt "Iater tufa block walls", womit die Räume aufgeteilt wurden (5. ISI). Vgl. sein "plate" LXVI, fig. 188 - auf dem Bild sind die Tuffsteinwände deutlich zu sehen. "The use of temporary partitions is very characteristic of lower-class housing at Ostia" (B.W. Frier, Landlords, 4f). Sie treten auch im "ground floor" von Caseggiato de! Temistocle (V, xi, 2) auf, ca. II7-134 n.Chr. erbaut, Packer, Insulae of Imperial Ostia, 193-195, Grundriß: 110; im 1. Stock (first floor) von Casa di Diana (I, iii, 3-4), ca. 150 erbaut, Packer, Insulae, 127-134, Grundriß: 94; typisch soll die "Trajanic construction" (III, i, 12-13) sein, "consisting of two rectangular 'rooms' ... , each subdivided by flimsy partitions into two or three tiny apartments" (Frier, Landlords, 4). Vgl. B.W. Frier, Landlords, 18. Vgl. j.E. Packer, Bull. Comm. 81, (I968-1969), 127-148.146 (zitiert bei Frier, Landlords, 14, Anm. 29); ihm folgend B.W. Frier, Landlords, 15. Packer, The Insulae of Imperial Ostia, 1971,73.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
267
food and drink ... In ancient Ostia almost all the requirements of the vast majority of citizens were taken care of outside the home"lll. Wenn diese Menschen sich versammeln wollten, dann taten sie es im Forum oder bei schlechtem Wetter in den Cotonnaden, aber nicht in ihren Häusern212 • Daß es möglich gewesen wäre, sich als Gemeinde in einem Werkstatt-Laden zu versammeln, haben wir schon gesehen. P. Lampe und neuerdings J. Murphy-O'Connor haben erwogen, ob sich nicht die HG des Aquila und der Priska in deren Zeltmacher-Laden getroffen haben könnte (s. 0.)213. Aber deswegen kann man noch nicht auf einen "Liebeskommunalismus" in dieser Hausgemeinde schließen, der ohne die Unterstützung eines Hausvorstandes ausgekommen wäre. Hier war es doch der Hausvorstand, Aquila, der den Versammlungsraum zur Verfügung gestellt hatte. Mit ihm als Hausvater herrschten wohl weitgehend auch in seiner "Zeltmacher-LadenHausgemeinde" immer noch Oikosstrukturen, wie sie in jüdischen Haushalten der Diaspora üblich waren (s. S. 334). Die schon oft zitierte Studie von P. Lampe214 zeigt sehr deutlich, daß auch für unseren Zeitraum die stadtrömischen Christen nicht durchweg "arme Leute" waren, sondern es gab auch dort wenigstens einige, die wohlhabend genug waren, um Häuser zu besitzen bzw. zu mieten. Lampe weist nach, daß schon am Anfang der Gemeinde in Rom viele OEß6!J.EVOL zu den stadtrömischen Christen gehörten, und dies ist bereits ein sozialgeschichtliches Indiz. Es ist nämlich bekannt und ausreichend untersucht, daß mit den Juden sympathisierende Gottesfürchtige im Vergleich zu den Proselyten weniger Sklaven, dagegen aber sozial Bessergestellte bis hinauf in Ritterränge ein-
2\1 212
213 214
Packer, ebd., 73f; so auch A.G. McKay, Römische Häuser, 83. Es ist auch zu fragen, wie angenehm es gewesen wäre, Abendmahl in solchen Räumen zu "feiern", wovon Jewett ebenfalls ausgeht. Denn die Räume waren schlecht oder gar nicht beleuchtet (B.W. Frier, Landlords, 15.18) und ebenso schle~ht belüftet (A.G. McKay, Römische Häuser, 77-94): Es läßt auf eine "freudlose E.."'{istenz für die meisten" schlielSen, die in solchen Unterkünften wohnen mußten, "wo sie kein direktes Sonnenlicht und nur ein Mindestmaß an Wohnraum und frischer Luft hatten. Wohl werden die öffentlichen Plätze Gelegenheit und Raum für Ausgelassenheit geboten haben; aber das Eingeschlossensein muß des Nachts für die große Mehrzahl der Bürgerschaft ein Alptraum gewesen sein" (85). Dies setzt natürlich einen etwas größeren Laden voraus. Die stadtröm. Christen, 52..53-6 5.
268
Hausgemeinde und Mission
schließen215 • Außerdem setzt schon Paulus eine soziale Schichtung der römischen Gemeinde voraus. In Röm r2,8.r3 ruft er die Wohlhabenderen zum Almosengeben für die Ärmeren auf. Er unterscheidet weiter in den Reihen der Gemeinde "Weise und Nichtweise" (r,r4), deren unterschiedliche Bildung auf verschiedenen Sozialstatus hinweist. Er wollte die Gemeinde in Rom als Ausgangsbasis seiner Spanienmission gewinnen, was voraussetzt, daß er auf wohlhabende Brüder hofft, die es sich leisten können, ihn für diese Mission mit Lebensmitteln, Geld und Begleitern (z.B. einem des Lateins kundigen Reisebegleiter) auszustatten (s. S. 319). An einem Beispiel wie Phoebe wird auch deutlich, daß selbst Freigelassene zu Selbständigkeit und Wohlstand sogar mit Hausbesitz gelangen konnte. 216 Allein der Hinweis Jewetts, daß die Personen in den beiden Gruppen in Röm r6,14.r5 aus unfreier Herkunft stammen, reicht nicht aus, um ihre Gemeinschaften als "tenement churches" zu bestimmen. Einer oder mehrere von ihnen hätten dennoch Hauseigentümer bzw. ein npoioLa.flEVOC; (vgl. rThess 5,I2, Röm 12,8; s. S. 339; 1. Leitungsstrukturen) bzw. entmOnoe; (Phil r,r) sein können. Es kann aber auch sein, daß sie einer ganz anderen Hausgemeinde angehört hahen 217 ; vielleicht wird deswegen keiner von ihnen in irgendeiner Weise hervorgehoben 218 • Das würde dann gegen das vermeintliche "egalitäre Ethos" dieser "tenement churches" sprechen 219 • Das Problem ist, daß der Text uns einfach zu wenig Informationen über diese heiden Gruppen vermittelt, um die Schlüsse von Jewett zu rechtfertigen220 • Gegen seine These spricht
CI] 256.462.; CI] 5; Jos.Ant I8,82; 2O,I95. Vgl. K.G. Kuhn - H. Stegemann, Art. Proselyten, RE Paul)' SllPPl. IX (1962), 1265ff; H. Gülzow, Christentum und Sklaverei in den ersten drei ]h, 1969, 22f. 216 Vgl. H.]. Klauck, HG, 30f. 217 Oben haben wir schon mit P. Lampe festgestellt, daß die Wohngebiete der ersten stadtrömischen Christen einen zusammenhängenden Halbkreis bildeten. Jedes Gebiet wäre von einem der anderen zu Fuß zu erreichen gewesen. Von Trastevere aus war z.B. des Marsfeld leicht über drei Brücken zu erreichen (vgl. P. Lampe, Die stadtrömischen Christen, 3 r). ns Das kann daran gelegen haben, daß Paulus die römische Gemeinde nicht gur bekannt ist lmd den/die Namen des/der Leiterls der HG(n) nicht kannte. 219 So Jewett, Tellement Churches and the Communal Meal, 29-31. 220 Im Gegensatz zu den jüdischen Gottesdiensten, wo 10 kultfähige Männer genügten (Meg 4,3 = T.Meg 4,r4: Bringen diese ihre Frauen mit, sind es 20.), setzt Mt 18,20 noch kleinere HGn voraus. Aber ]ewett geht davon aus, daß die 5 namentlich erwähnten Personen in Röm 16,14.15 nur die leitenden Personen sind. Fünf 215
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
269
auch die Beobachtung, daß wir in den Paulusbriefen keinerlei Hinweise auf ein rein egalitäres Christentum finden. Die egalitäre Tauftradition von Gal 3,26-28; 1Kor 12,13 und Kol 3,II hat weder die Oikosstruktur noch Leitungsämter in den Haus- und Ortsgemeinden ausgeschlossen (s. S. 315ff, Leitungsstrukturen). Ähnliches gilt auch für Thessalonich. Hier fehlen wiederum überzeugende Belege für Jewetts These. Im Gegenteil: Die Indizien scheinen in Richtung auf HGn zu deuten, nicht aber auf "tenement churches". In Thessalonich ist, wie wir sahen, eine gewisse soziale Schichtung in der Gemeinde zu erkennen, wobei die Mehrheit aus der arbeitenden Mittel- bzw. Unterschicht stammte. Aber wenigstens eine kleine Minderheit von begüterten und sozial angesehen Personen war vorhanden; wir kennen sogar den Namen eines Schutzherrn (s. o. zu Apg 17,1-9), der sein Haus der Gemeinde zur Verfügung stellte 221 • Die ersten Christen haben sich in häuslichen Gemeinschaften getroffen, wo es ging, und es ist sicher kein Zufall, daß wir in den Quellen nur von Hausgemeinden hören und nicht etwa von christlichen Gemeindeversammlungen KU'!;' oU'VOLKtac; oder gar KU'!;' 'Vr)oac; (= insula). Wie Jewett betont, muß bedacht werden, daß der Begriff oIKOC; eine insula (an apartment in a tenement building) einschließen kann. Aber auch dann bleibt für Jewetts These die Aporie, daß in keinem der Fälle, die er als "tenement churches" deutet, der Begriff üIKOC; verwendet wird.
g) Kolossä 222 Eine weitere Hausgemeinde in einem unumstrittenen Paulusbrief ist die des Philemon. Wo sie geographisch anzusiedeln ist, können wir nicht mit völliger Sicherheit sagen. Zusätzlich zu deren Nennung im Phlm werden Onesimus in Kol 4,9 und Archippus in Kol 4,17 noch
221
212
Leiter setzen eine etwas grögere Gruppe voraus, 15 bis 20 Personen mindestens. Dafür ist aber eine kleine Fläche von ro m" einfach zu wenig. Interessant ist hier die Feststellung, daß ]ewett selbst 1986 noch diese Position vertrat (The Thessalonian Correspondence, 103. Zu rThess 5,I2f schreibt er: "In all likelihood the leaders in question were patrons and patronesses of the house chun:hes in Thessalonica as weil as the socially prominent members of the C011gregatio11 ... "). Zu Kolossä vgl. C.E. Arnold, ABD I, 1992, I089f; E.M.B. Green, GBL H, 1990, 803ff; C.]. Herner, The Letters ro the Seven Churches of Asia, 1986, 178-182.
Hausgemeinde und Mission
einmal erwähnt. Deswegen vermutet man, Philemons Hausgemeinde sei in oder bei Kolossä 223 . Dem kleinen Brief an Philemon, v.a. seinem Präskript, ist einiges an aufschlußreicher Information zu entnehmen. Ganz am Anfang des Briefes finden wir die dritte Stelle mit unserer festgeprägten Wendung (Phlm rf). Paulusschreibt "dem Philemon ... , der Schwester Apphia, Archippus ... und der Gemeinde in deinem Haus" (LTI KUL' OiKOV GOU EKKf..:YjG(q;). Auch wenn dieser Brief einer der persönlichsten des Paulus überhaupt ist, stellt er nicht einfach ein Privatschreiben von einem Freund an einen anderen dar, sondern er ist an eine Gemeinde gerichtet, und zwar an eine kleine Hausgemeinde, die sich im Haus des Philemon versammelt224 • Der Problemfall, den Paulus in Phlm behandelt, ist offensichtlich nicht bloß eine Privatangelegenheit zwischen Paulus and Philemon allein, sondern betrifft die Hausgemeinde insgesamt225 , denn die Wiederaufnahme des entweder flüchtigen oder - wahrscheinlicher - zu einem Freund des Hausvorstandes gelaufenen Sklavens226 setzte die annehmende Bereitschaft aller Hausgenossen voraus. "Paults Letter to Philemon is a pithy sam pIe of practical, evangelical counsel concerning an urgent household problem. «227 Dieser Brief veranschaulicht die wichtige Rolle, die ein Oikos im sozialen Leben, in Gottesdienst und theologischem Verständnis in der paulinischen Mission gespielt hat. Es ist viel über die Identität von Apphia und Archippus nachgedacht worden 228 • Am wahrscheinlichsten ist die Vermutung, daß
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226
Philemon und Apphia werden im Kulosserbrief aber nicht erwähnt, und nach Kol 2,1 war Paulus selbst nie in der Stadt. Außerdem ist in Kol nur die Rede von der Hausgemeinde der Nympha, nicht aber von der des Philemon. Vgl. v.a. die Segenswünsche (V. 3. 25) im Plural, womit die ganze Hausgemeinde eingeschlossen wird. Daraus ist ebenfalls indirekt zu erschließen, daß der Brief in deren Versammlung vorgelesen werden sollte (vgl. H.]. Klauck, HG, 42). Vgl. J. Hainz, Ekldesia, 200; so auch P. Stuhlmacher, Phlm, 31. Nach römischem Recht war es einem Sklaven möglich, wenn er in einen Konflikt mit seinem Hausvorstand geraten und davon überzeugt war, daß sein Herr ihn ungerecht beschuldigt, sich in den Schutz eines Freundes des Hausvorstandes zu begeben, um ihn um Fürsprache zu bitten. Vgl. P. Lampe, Keine ,Sklavenflucht' des Onesimus, ZN\'V' 76 (1985), 135-137; ihm folgend J.D.G. Dunn, Phlrn, 1996,
3 0 4f. 227 J.H. Elliott, Philemon and HOllse Churches, Bible Today 22,3 (1984), 145228
15°·145·
Vgl. Lit. bei W.H. Ollrog, IVlitarbeiter, 43, Anrn. 198, der jegliche Verwandtschafts- bzw. Ehebeziehungen zwischen Apphia und Philemon oder Archippos
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
27 r
Apphia die Frau229 und Archippus ein Freund des Phllemon gewesen sind130 . Mehr ist nicht auszumachen. Das eigentliche Thema des Briefes ist Onesimus, Philemons entlaufener Sklave, der erst nach seiner "Flucht" bei Paulus zum christlichen Glauben gekommen ist (V. ro). Daraus kann geschlossen werden, daß die Großfamilie des Philemon nicht allein aus Christen bestand, denn Onesimus gehörte schon als nichtglaubender Sklave dazu (ein Hinweis dafür, daß die Konversion von Sklaven nicht erzwungen wurde)2.31. Auch Archippus war kein Mitglied der engeren Familie, sondern lediglich Freund des Hausherrn mit besonderem Verhältnis zur Hausgemeinde. Diese Feststellungen sind auch deshalb wichtig, weil sie zeigen, daß Hausgemeinde und Familie nicht immer identisch gewesen sind. Ein zusätzlicher Aspekt der häuslichen Dimension des Briefes ist eben diese Verwendung von familiärer Terminologie, "to express the intimate bonds which unite fellow believers in Christ"2.3l. Timotheus ist als "unser Bruder" vorgestellt worden (r). Paulus und Philemon sind "Brüder" (4.20). Auf der Grundlage dieser Beziehung kann Paulus seinen Bruder Philemon darum bitten, seinen Sklaven "nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder", mit dem sie beide in Glauben und Liebe verbunden sind, anzusehen lind zurückzunehmen. Durch seine Bekehrung zu Christus ist der Heide Onesimus ein "Kind" des Paulus, sein" Vater", geworden, der ihn nun als "mein eigenes Herz" bezeichnen kann. "In this community of faith, all members - male and female, free and unfree - are chil-
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ablehnt. Schon J.B. Lightfoot, Phlm, 306 hat in Archippus den erwachsenen Sohn des Philemon gesehen. So schon J. B. Lightfoot, Phlm, 304; E. Lohmeyer, Phlm, I7I; G. Friedrich, Phlm, I9I; E. Lohse, Phlm, 267f: Sie müsse deswegen erwähnt werden, weil gerade sie als Hausherrin von der Flucht des Onesimus, ihres I-Iaussklavens, betroffen gewesen wäre (ähnlich auch G. Friedrich, Phlrn, I9I). Ihnen folgend P. Stuhlmacher, Phlm, 30, Anm. 4I. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Bezeugung des Namen Apphia auf einer kolossischen Grabinschrift, die allerdings nicht direkt mit unserer Apphia in Verbindung gebracht werden kann. So schon Chrysostomus, PG 62,7°4: "irgendein anderer Freund"; vgl. auch P. Stuhlmacher, Plmn p, Anm. 44: Seine namentliche Erwähnung deutet an, daß Archippus "in einern besonderem Verhältnis zur Hausgemeinde des Philemon steht" . Das wird von dem Apologeten Aristeides (um r25 n.Chr.), Apol 15,6 bestätigt. VgI. auch dazu 1'. Lampe, Familie, Ref 3I (I982), 533-542, v.a. 539. J.H. Elliott, Philemon and the Hause Churches, I984, 148.
27 2
Hausgemeinde und Mission
dren of one divine Father, just as all are owned and possessed by one Lord and Master (3,25)." 233 Die Metapher der Familie scheint Paulus sehr wichtig zu sein (s. Exkurs S. 286). Interessant ist die Beobachtung, daß wir parallel zu dem häuslichen Kontext der christlichen Versammlungen die Verwendung der Sprache des Haushaltes als Beschreibung der Beziehungen der Christen untereinander finden. Die Korrelation der beiden könnte zufällig gewesen sein. "Christians may not have had anywhere else to meet ... But just possibly the practical necessity for their use blended with a further, theologically based consideration. For, given the family character of the Christian community, the homes of its members provided the most conducive atmosphere in which they could give expression to the bond they had in common. ,,234 Paul~s schlägt eine Lösung zu einem alten Problem des antiken Oikos auf dieser Grundlage der "Beuen" Familie vor. Ein neuer MafSstab im Bereich der Beziehungen und Verantwortung wird hier in der Gemeinde, die als Gemeinschaft der Schwestern und Brüder in Christus verstanden wird, vorausgesetzt. Hier ist nicht mehr das Vorrecht des pater (amilias, sondern geschwisterliche Liebe, nicht mehr das Prinzips des Vergehens und der dafür rechtmäfSigen Strafe, sondern christliche Liebe und Vergebung die wirksame KraftZ35 • Das alles deutet aber auch ein Spannungsfeld an. Denn das Verständnis der Gemeinde als eine neue Familie Gottes (s. Exkurs S. 286), in der die Glieder alle Kinder Gottes und im Verhältnis zu einander cXöEA<jlO( sind, die ebenfalls sich in Liebe (IKor I3) gegenseitig annehmen sollen, impliziert einen Umgang miteinander, der in Spannung zum konventionellen Ethos des antiken Oikos stand. Wenn z.B. Onesimus auf einmal nicht nur Sklave, sondern auch des Philemon Bruder in Christus wird, ist Philemon nicht mehr nur sein irdischer Herr, sondern ihm auch ein Gleichwertiger, der eventuell auch als Bruder zu ermahnen wäre. Hier ist ein gewisses MafS an
233 234 235
Elliott, Philemon, 14 8. Vgl. R. Banks, Community, 56. Nach P. Lampe, Keine "Sklavenflucht", ZNW 76, I37, zeigt der Philemonbrief schön, "wie der Apostel sich den in I Kor 6 vorgeschlagenen Rechtsverzicht eines Christens denkt: Philemon möge lieben, anstatt - rechtlich zulässig - zu strafen; er möge lieben, anstatt auf - rechtlich einwandfreie - materielle Ansprüche zu pochen". Vgl. auch F. Laub, Die Begegnung des frühen Christentums mit der antiken Sklaverei, T982, 63-83, v.a. 71-74.
Die Verwendung von Häusern in der pau/inischen Mission
273
Unsicherheit und Konfliktpotential von Anfang in der Hausgemeinde gegeben (zu Konflikten s. S. 306ff). Philemon wird auch als " Mitarbeiter " (V. T), Archippus als "Mitstreiter" anerkannt. 1vEt diesem Titel beschreibt Paulus ll.a. auch Aquila und Priska (Röm 16,3). Auf die Frage, ob man aus diesem Befund gewisse innere Leitungsstrukturen dieser Hausgemeinde ablesen kann, kommen wir noch zu sprechen (s. u. Abschnitt zu Leitungsstrukturen) . Im übrigen wird angedeutet, daß Philemon über Mittel verfügt, um sich gegenüber den Glaubensgenossen wohltätig zeigen zu können (4.7)236. In Bezug auf seinen sozialen Status haben wir also einige Indizien dafür, daß Philemon ein wohlhabender Mann gewesen ist 237 • Er führt und besitzt ein größeres Haus (vgl. Gästezimmer und Aufnahme der ganzen Gemeinde bei sich) mit mindestens einem Sklaven, wahrscheinlich aber mit mehreren. Die stark angedeutete Bitte des Paulus, daß ihm Philemon Onesimus zurückschicken sollte (8-14), impliziert, daß dies keine unerträgliche Last für Philemon oder seinen Haushalt darstellen würde. Philemon hat der Gemeinde und der paulinischen Mission Dienste geleister38 , nicht zuletzt dadurch, daß er ihr sein Haus als Versammlungsraum, d.h. wohl auch die Speise für das Herrenmahl bzw. Agapemahl, und Paulus einen Mitarbeiter für sein Missionsunternehmen zur Verfügung gestellt hat. Vor allem ist aus V. 22 hinsichtlich der Bedeutung von Häusern für die paulinische Mission ein weiterer Aspekt zu erkennen 239 • Dort bittet Paulus Philemon darum, ihm ein Quartier - sicherlich in seinem eigenen Haus - vorzubereiten. Offensichtlich hofft Paulus, in absehbarer Zeit ins Lykostal zu reisen 240 und bei der Gelegenheit als Gast bei Philemon zu wohnen und sein Haus als Stützpunkt seiner Missionstätigkeit verwenden zu können. Dies scheint sogar zur
P. Sruhlmacher, Phlm, 71. Für W. und E.W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, 254, kann Philemon zur lokalen Oberschicht seiner Stadt gehört haben. 238 Damit erfüllt er drei der Kriterien für einen gehobenen Sozialstatus, die von G. Theißen aufgestellt wurden. Vgl. Studien, 235. . 239 Phlm 22: ä~la öi: Kat t,oi~a1;e flOl ~Eviav, EMi1;w yap ön Öla ,wv :nPOCJEUX,WV 236
237
u~wv xapL(Je~CJOf1aL u~iv. 240
V. :nb deutet an, was Paulus trotz seiner Gefangenschaft zu einer solchen Reise anspornt.
274
Hausgemeillde und Mission
üblichen Missionspraxis des Apostels gehärt zu haben (vgl. z.B. Apg I8,I-7; Röm I6,23 - s. u. Hausmission)241.
h) Laodizea 242 Den vierten Beleg für unsere geprägte Formel finden w]r meinem umstrittenen Paulusbrief, nämlich in KaI 4,IS: "Grüßt die Brüder in Laodizea, auch Nympha und die Gemeinde in ihrem Haus" {-ti]v KU-C' otKov uu-cfj~ eKKA,11Otuv)243. Hier haben wir eine Frau als Hausbesitzerin24 \ die ihr Haus der Gemeinde zur Verfügung stellte, vielleicht sogar als Vorsteherin bzw. Leiterin der Gemeinde in ihrem Haus?245 Mit Nympha (neben Priska, Phoebe, Junia und Lydia) haben wir auf jeden Fall einen weiteren Hinweis auf die tätige Mitarbeit einer Frau in den paulinischen Hausgemeinden festgestellt. Die Hausgemeinde der Nympha ist wahrscheinlich in Laodizea246, etwa I5 km von Kolossä entfernt, gewesen. Der Grußauftrag nach Laodizea in 4,Isa steht in enger Verbindung mit der Anweisung zum Briefaustausch und zum Verlesen der jeweiligen Briefe in 4,I6. Nympha und ihre Gemeinde sind damit im Zusammenhang mit Laodizea quasi eingeklammert. Wenn wir Nymphas Hausgemeinde in Laodizea lokalisieren, hätten wir eine Hausgemeinde innerhalb einer Ortsgemeinde. In Kol 4,I6 ist die Rede von den Christen in Laodizea als einer eKKA,11OtU. Diese "Gemeinde" ist wohl nicht identisch mit der Hausgemeinde bei Nympha, denn 4,I5 unterscheidet zwischen den Brüdern in Laodizea und der HG der Nympha. Diese "Gemeinde" ist deshalb am besten im Sinne einer Ortsgemeinde zu verstehen247 •
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244 245 246 247
Mit H.]. Klauck, HG, 44. Zur Stadt Laodizea vgl. M.].S. Rudwik, GBL II, 1990, 867f; F.F. Bruce, ABD IV, I992, 229-231; C.]. Hemer, The Letters to the 5even Churches of Asia, 1986, 178- r82. Zum textkritischen Problem des Namen Nymphan s. 5. 223. Eine Frau als Hausherrin (nach dem Tod des Mannes ist belegt; vgl. Philostr., Gym 23 (272,}of BiTeu Kayser). So H.]. Klauck, HG, 45; s. S. 359 Exkurs zur Leitungsaufgabe der Frau. Allerdings hat man auch Hierapolis vorgeschlagen. Diese Stadt ist in der Nähe, und es ist dort ebenfalls die Rede VOll Christen (4,13). So auch H.J. Klauck, HG, 46.
Die Ferwendung von Häusern in der paulinischen Mission
275
3. Ein Nebeneinander von Ortsgemeinde und Hausgemeinden? a) Sprachliche und textkritische Vorfragen 1) rj Kar' o [KOV 8KKAYJai'a Wie ist die in unserem Zusammenhang wichtige präpositionale Wendung Km:' OtKOV zu verstehen? Wie wir sahen, findet sich an vier Stellen des corpus paulinum die festgeprägte, formelhafte Wendung ~ Km:' OtKOV eKKA.110ta248. Einige Exegeten schlagen die Wiedergabe der paulinischen Formel mit "die sich hausweise konstituierende Kirche" vor249 • H.J. Klauck begründet diese distributive Auslegungsweise mit lexikalischer Argumentation250 . Er führt ]osephus251 und einige Papyrj252 an und beruft sich für seine Position auf die Verfasser Moulton-Milligan 253 , W. Bauer254 und G. Delling255 • M. Gielen will mit philologischen Argumenten nachweisen, daß KaL' OiKOV nicht distributiv, sondern lokal gelesen werden muß 256 • Sie lehnt die distributive Verwendung von Km:a ab, weil diese im Kontext der Grußlisten keinen Sinn ergibt. An keiner der "ier Stellen wird eine Aussage über die Art des Zusammenkommens der Gemeinde (hausweise oder in einer Reihe von einzelnen Häusern) an sich gemacht, sondern es werden jeweils konkrete Personen zusam-
248 Röm 16,3.5; 1Kor 16,19; Phlm rf.; KoI4,r5. 249 Klauck, a.a.O., 19; P. Stuhlmacher, Phlm, 71. 250 Zur distributiven Verwendung von Km;cX vgl. R. Kühner, B. Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, 1955, in: I, 480.
251 Ant 4,74; hier ist die Rede von denen, "die im eigenen Haus (Km;' OlKOV) ein 252
253
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256
Opfer schlachten, um eines Gastmahls, nicht um der Gottesverehrung willen"; vgl. auch Ant 4,163. Klauck, a.a.O., 20, Anm. 23. Die Wendung Km;' oiKtaV altoypa1jltl bedeutet eine Steuerveranlagung, die sich "nach Häusern"/ "hausweise" vollzieht. Klauck, a.a.O., 19. Moulton-Milligan, The Vocabulary of the Greek Testament, 1949, zitieren PRyl II 76,10,12, wo im Rahmen einer Erbschaftssache Km;' alKOV "according to housholds" meint. Bauer-Aland', II3 0, Verweis auf Didor 17,28,4: KU,' OiKtaV a:n:oA,Uucruv,EC; 1:<;)V ßpUJ1:WV (= in den eigenen Häusern die Speise genossen habend, vgl. Apg 2,46). Pap. Greci e Latini (PSI) IV 299, 14f.20f. Vgl. G. Delling, Zur Taufe von "Häusem" im Urchristentum, in: ders., Gesammelte Aufsätze 1950-I968, 1970, 30I, Anm. 72; 306, Anm. 84. Zur Interpretation der paulinischen Formel Ti KU,' OlKOV EKKA,1l0tU, ZNW 77, I986, I09-I25, I I off. Mit ihr auch G. Schöllgen, Hausgemeinden, OIKOSEkklesiologie und monarchischer Episkopat, JAC 3I (r988), 74-90.
Hausgemeinde und Mission
men mit einer Gemeinde genannt. Die Erweiterung des Präpositionalausdrucks Km:' OtKoV durch ein Possessivpronomen lokalisiert die Gemeinde im Haus zuvor erwähnter Personen. Durch die damit gegebene Einschränkung auf ein ganz bestimmtes einzelnes Haus muß, so Gielen, die distributive Interpretation ausscheiden. Diese Annahme wird unterstützt durch die Beobachtung, daß Km:' OtKov in der Koine als stehender Ausdruck für ev OtKCf belegt ist 2S7 . Außerdem gibt es bereits im klassischen Griechisch Belege für die Verwendung von KaLeX mit Akk. im lokalen Sinn. Sie wird im Verlauf der Entwicklung schließlich austauschbar mit ev 258 • Bezeichnenderweise entscheiden sich auch selbst die Vertreter der distributiven Deutung am Text für eine lokale Übersetzung der Wendung 259 • Diese lokale Übersetzung kann man auch als die übliche in den meisten neueren Kommentare bezeichnen260 . Es ist aber zu fragen, wie ein distributives Verständis anders als lokal in einer Übersetzung zum Ausdruck gebracht werden könnte und ob die lokale Übersetzung eine distributive Nuance ausschließen muß (s. u.).
Die lokale Übersetzung der Wendung KUL' otKov, wie sie viermal in den Grußlisten im corpus paulinum vorkommt, kann rein grammatikalisch nicht distributiv, sondern muß lokal gelesen werden. Zu den Gründen, die Gielen anführt, ist hinzuzufügen: KaLeX mit Akk. an diesen vier Stellen dient der Vereinzelung und ist so ebenfalls nicht distributiv, sondern lokal zu übersetzen26I . Wenn allerdings
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258 259
Gielen, ebd., Il2. Vgl. E. Schwyzer, Griechische Grammatik, 1950, in: II, 476-477. Klauck, HG, 21.24.41.44; P. Stuhl macher, Phlm., 29; R. Banks, Paul's Idea of Community, 1980,33, übersetzt die Wendung in lKor 16,19 mit "together with the church in their house". Vgl. auch P. Lampe, Die stadtrömischen Christen, 1987, r6r. Er versteht Km;' olKOv als eine "im Hyperbaton attributiv gestellte präpositionale Wendung" und übersetzt "die Gemeinde bei ihnen daheim" und bietet einige Belege (Anm. r3sa); auch L.M. White, God's House, 103, Anm. 7, "at hon1e".
260 Vgl. Gielen, Interpretation, Ul, Anm.
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10 für eine Aufstellung der Kommentare. Dagegen übersetzen mit Bauer-Aland', (Sp. 82.4) jeweils mit "Hausgemeinde": E. Käsemann, An die Römer, 1973, 392; H. Schlier, Der Römerbrief, 1977,442; U. Wilckens, Der Brief an die Römer, EKK 6, I-III, 1982, 1II, J2-16.132. WB Bauer' (Sp. 803,C.d.); Bauer-Aland' (Sp. 8z.4,c.d.): dort werden Röm 16,5 und rKor 16,19 als Beispiele dieser Möglichkeit angeführt. " KU.' oIKO\' eKKAllOia wird mit "Hausgemeinde" übersetzt, was eigentlich eher die lokale Bedeutung der Wendung zum Ausdruck bringt. Vgl. auch Hoffmannlv. Siehenthai
Die Verwendung von Häusern in der pmtlinischen Mission
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mit Akk. der Vereinzelung dienen kann, dann muß man fragen: Vereinzelung wovon? Wenn man bedenkt, daß Paulus einerseits zwischen einer Ekklesia insgesamt (eKKA1l0ta. ,;ou BEaU ev XpwL0) und den konkreten örtlichen Gemeinden andererseits unterscheidet 162 , die sich in einzelnen Städten (Karinth, Rom, usw.) aufteilten, dann ist das nichts anderes als eine Vereinzelung der Gesamtkirche in Teilgemeinden. Ähnlich unterscheidet Paulus auch im Römerbrief auf einer anderen Ebene, wenn er einerseits wenigstens sachlich, wenn auch nicht begrifflich, die gesamte Orts gemeinde in Rom in 1,7, andererseits eine Vereinzelung dieser Gesamtgemeinde in 16,5 anspriche 63 • Hier stellt er die Ortsgemeinde in Rom insgesamt und die konkrete HG bei Priska und Aquila einander gegenüber. Sobald man aber von Teilgemeinden redet, kann man dies distributiv auffassen: jede Ortsgemeinde gegenüber der Gesamtkirche, jede HG gegenüber der Ortsgemeinde ist eine Teilgemeinde und so eine Teilung der gesamten Gemeinde am Ort, also eine" Distribution". Die Ortsgemeinde ist in Relation zu der Gesamtkirche die Vereinzelung der Gesamtkirche pro Ort; die HG ist wiederum die Vereinzelung der Ortsgemeinde pro Haus. 50 gesehen wäre unsere Wendung, auch wenn sie der grammatikalischen Form nach nur lokal zu fassen ist, in der Sache aber nicht nur lokal, sondern auch distributiv zu verstehen. Wenn dies richtig gesehen wird, folgt daraus, daß unsere festgeprägte Wendung, wie sie an den vier Stellen gebraucht wird, doch ein von Paulus implizierter Hinweis für ein Nebeneinander von Gesamtgemeinde und HGn ist. In der Forschung ist man sich einig, daß wir es hier mit einer festgeprägten Formel zu tun haben. Aber woher kommt diese Wendung; ist sie Allgemeingebrallch oder hat Pauills sie irgendwoher übernommen? Wenn ja, wo hat Paulus sie her? Warum schreibt er nicht einfach ev otKY? So hätte er auch die Vereinzelung der Gemeinde insgesamt in einer Teilgemeinde im Haus des Betreffenden zum Ausdruck bringen können. Hat Paulus die Wendung von der gleichen Ka.,;a
(§ rIl4,k): KU'!;a mir Akk. ist nicht nur distributiv zu verstehen, dorr werden auch . andere Möglichkeiten angeführt, inklusive einer örtlichen Bedeutung. 262 Zum Verhältnis der Gesamtgemeinde zur Orrs- bzw. Hausgemeinde bei Paulus s. u. 263
Zum Verhältnis von Röm 16 zum Römerbrief insgesamt s. S. 221ff. Zur Bestim· mung der Begrifflichkeit Ortsgemeinde, Gesamtgemeinde, Gesamtkirche s. unse· ren Forschungsbericht S. 282.
Hausgemeinde und Mission
Tradition her, die Lukas beim Schreiben seines Werkes zur Verfügung stand? Schon in Apg 2,46 u. 5,42 finden wir diese Wendung. Hier kann nachgewiesen werden, daß die Wendung sowohl von der Sache her als auch grammatikalisch eindeutig distributiv aufzufassen is~64. Von der Sache her heißt es in Apg 2,46 und 5,42, daß die Urgemeinde in Jerusalem sich "in ihren Häusern" als HGn getroffen hat. Hier ist es besonders gut zu sehen, daß die Ekklesia insgesamt sich zum Herrenmahl in einzelnen Gruppen getroffen hat. Dies haben sie wohl aus sprachlichen (vgI. Apg 12,12.17), besonders aber aus räumlichen Gründen getan. Denn eine solch große AnzahJ26S von Br,üdern und Schwestern konnte man nicht in einem Haus unterbringen. Hier wird deutlich, worum es geht: die Ekklesia insgesamt kann sich nicht zusammen, sondern muß sich in einzelnen Gruppen treffen. Also schon im Ursprung der Kirche ist die Perspektive da, die wir später auch bei Paulus haben: Das Verständnis der Gemeinde insgesamt einerseits und andererseits die einzelnen Gemeinden, die sich in konkrete Häuser aufteilten. Die Gesamtgemeinde am Ort war auch in der Jerusalemer Urgemeinde nur KU't' otKOUC:; konkret nachweisbar266 . In den Acta ist es ebenfalls eindeutig, daß die Wendung formelhaft gebraucht wird, denn die Rede von KU't' O{KOV ist Singular, obwohl die verschiedenen Häuser der Urgemeinde (also Plural) gemeint sind. Möglicherweise hat Paulus sie von dieser Tradition übernommen und sie in gleicher Weise verwendet. Oben haben wir schon den Nachweis gebracht, daß der Ausdruck Ka't' oiKOV in alte
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Für den grammatikalischen Nachweis vgl. Bauer-Aland', 824,d - Die zwei ActaStellen (2,46; 5>42) werden dort als Beispiele der distributiven Deutung der Wendung KUTIX mit Akk. angegeben. Aber auch hier kann IIlan die Formel sowohl distributiv mit "hausweise" oder "in den Häusern" (Klauck, 50) als auch lokal mit "im Haus" oder "zuhause" (Haenchen, Apg, I977, 191.242; vgl. auch Gielen, ebd., IIoff zur Übersetzung von KU1:&) wiedergeben. Hier kann wieder geiragt werden, ob beide Bedeutungen, die distributive und die lokale, mitschwingen. Zu den Zahlen s S. 170. Die Jerusalemer Christen haben sich zwar zum Gottesdienst im Tempel getroffen (s. o. Kap III), aber dort hatten sie keinen eigenen Versammlungsort, und im Großen Tempelhof konnten sie sich nur so versammeln, daß auch andere Tempelbesllcher Zutritt hatten.
Die Velwendung von Häusern in der paulinischen Mission
279
Jerusalemer Tradition (Apg 2,46) eingebettet ist267, die Lukas für seine Summarien übernommen hat. Für eine Verbindung zwischen der paulinischen Formulierung iJ Km;' OiKOV EKKA'Y}uiu und der Ik. Tradition spricht zusätzlich die Feststellung, daß sie ein Echo in der lk. Oikosformel findet, die nachweislich auch sehr alt sein muß (s. S. 224)'
2) iKKA1Ja{a OA17
Wie ist der Ausdruck eKKA'Y}uiu oA'Y} (Röm r6,23 und rKor r4,23) zu verstehen? Eine der entscheidenden Fragen in unserem Zusammenhang ist, ob dieser Ausdruck in Opposition zu der oben diskutierten Wendung EKKA'Y}uiu Km;' otxov steht. Es herrscht ein gewisser Konsens in der neueren Forschung, daß die urchristlichen Gemeinden ein Nebeneinander von beiden Gemeindeformen, HG und Gesamtgemeinde, kennzeichnet 268 • D.h. es gab in den Städten neben der Ortsgemeinde mehrere HGn, in denen sich der überwiegende oder doch zumindest ein großer Teil des Gemeindelebens abgespielt hat. Zentral für diese These ist die Beobachtung, daß Paulus sprachlich zwischen den Zusammenkünften der EKKA!1uiu Km;' otKov und den Zusammenkünften der eXKA'Y}uiu OA'YJ zu unterscheiden scheinr2 69 • " ... the qualification 'whoie' ... would be unnecessary if the Christians at Corinth only ever met as a single group and implies that sm aller groups also existed in the city"270. Auch die distributive Auslegung der Wendung Km;' olKov wird als Indiz dafür angeführt, daiS die
S. 146f. Dort haben wir sogar die Überlegung angestellt, daß es eine alte semitische Quelle sein könnte, allerdings ist dies schwer nachweisbar. Außerdem kennen wir kein semistisches Äquivalent zu Km;' otKOV. U.a. P. Stuhlmacher, Römer, I989, 225; G. Theißen, Studien, 1989, 250f., J.D.G. Dunn, Romans I988, VoI.II, 910f.; P.T. O'Brien, Colossians-Philemon, 1982, 257; \V. Meeks, Urchristentum, I59f; R. Banks, Community, 37-42; V. Branick, House Church, 22-27; P. Lampe, Stadtröm. Christen, 161.301-3IO; ]. Gnilka, Phlm, 1982, I7-33; J. Hainz, Ekklesia, I972, 195, Anm. 4.23°.346; H.]. Klauck, HG,33-4I. Vgl. IKor 14,23 und Röm I6,23. W. Meeks, Urchristentum, I59f; P. O'Brien, Col-Phlm, 257; R. Banks, Community, 38; J. Hainz, Ekklesia 195, 346 mit Anm; H.]. Klauck, a.a.O., 34-35. Vgl. P. O'Brien, Co!., 257; so auch Banks, ebd., 38; J. Hainz, Ekklesia T95, 346 mit Anm; Klauck, ebd., 34-35.
167 S.
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Gemeinden sich "hausweise" konstituiert haben, was schon eIn Nebeneinander von Hausgemeinden andeuter 71 • Vor einiger Zeit hat Frau Gielen sich auch gegen diese Position gewender2 72 • Sie weist zum einen darauf hin, daß die Formel nur in Grußlisten vorkommt, die nichts über die Aktivitäten dieser HGn verraten. Alles, was andere Verfasser zur Organisation und zu den Aufgaben anführen, bezieht sich nicht auf diese cKKAT]oia Km' Ol.KOV, sondern auf gewöhnliche olKoL bzw. oiKtm, von denen sich nicht nachweisen läßt, daß sie über die eigentlichen Bewohner hinaus festen Gemeinden als Treffpunkt mehr oder weniger regelmäßiger Veranstaltungen dienten. Zum anderen behauptet Frau Gielen, daß für jede Ortsgemeinde nur eine CKKA'Y10ta Km' OtKOV' belegt ist. Dazu paßt, daß Paulus als Adressaten seiner Briefe nie eine Teilgemeinde, sondern immer die gesamte Gemeinde der Stadt anspricht und-auch sonst keinerlei explizite- Kenntnis von regelmäßigen festen Teilversammlungen der Ortsgemeinde verrät. Sie geht auch davon aus, daß ~ Km' otKov CKKAll0ta und ~ CKKATlota ÖAY] für Paulus nicht in Opposition stehen, sondern daß er ÖAT] in beiden Fällen (Röm 16,23; 1Kor 14,23) nur auf Grund der Textpragmatik, d.h. aus semantischen und rhetorischen Gründen verwendet 27J • Hinter der Formel ~ Km;' OtKOV CKKAllOta vermutet sie viel eher Orts- bzw. Gesamtgemeinden, und das bedeutet für sie: es gab keine Verselbständigung der Hausgemeinde gegenüber der Ortsgemeinde274 • Daß einzelne Familien bzw. Hausgemeinschaften eine wichtige Bedeutung in Mission und Gemeindeleben einnahmen, wird dadurch nicht in Abrede gestellt. Daß sie Kristallisationspunkte eigener, den Rahmen der Hausgemeinschaft deutlich überschreitender fester Teilgemeinschaft mit regelmäßigen Versammlungen wurden, läßt sich, so Gielen, nicht nachweisen. Gegen Gielens, These spricht folgendes: 1. Eine Zusammenkunft der Gesamtgemeinde auf Ortsebene ist lediglich für Korinth belegbar (Röm 16,23; 1Kor 11,20; 14,23). Für Karinth wird aber die Formel ~ KaL' otKov cKKAY)ofa nie bezeugt 275 • D.h. wir haben eindeutig zumindest dort eine "Ortsgemeinde", die aber nicht mit dieser Formel gekennzeichnet wird. 2. Außerdem steht und fällt ihre These, 271 H.]. Klauck, ebd., 12.2.1; P. Stuhlmacher, Phlm., 71 (5. 0.). 272
Vgl. mit ihr auch G. Schöllgen, Hausgemeinde, 78ff.
273 Interpretation, IIo-uB. 274 275
Ebd., II 8. Mit P. Lampe, Sradrröm. Christen, r61.
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28r
wie sie selbst einräumt, mit der sehr umstrittenen Annahme, Röm r6 sei ein ursprünglich selbständiges Schreiben. "Die Interpretation von ij Km;' otKov eKKAYJu(CL als Ortsgemeinde läßt sich mit der Deutung von Röm r6 als ursprünglicher Bestandteil des Röm nicht in Einklang bringen, da die GrufSbeauftragten schwerlich zugleich die Grußadressaten sein können. ,,276 Als Subjekt von r6,3 cW1tauCLu8E ist dann ja die Ortsgemeinde von Rom zu denken. Hier hätten wir die Wendung mindestens in Opposition zu dem Ausdruck "Geliebten Gottes und berufenen Heiligen in Rom" (Röm r,7) und das heißt, in Opposition zu der Ortsgemeinde. Als Ergebnis der Klärung der sprachlichen und textkritischen Vorfragen kann also festgehalten werden: Die lokale und die distributive Auslegung der paulinischen Wendung KCL.-' OtKOv schließt sich nicht gegenseitig aus, auch wenn diese rein grammatikalisch lokal zu bestimmen ist. Auch die These, die Wendung ij KCL'-' otKov eKKAllu(CL stehe lediglich für Ortsgemeinden, hat sich als nicht stichhaltig erwiesen, denn sie gründet letztlich auf der m.E. unhaltbaren Annahme, Röm r6 stelle ein ursprünglich selbständiges Schreiben dar (s. o. Nachweis). Damit ist es auch berechtigt, die bei den Wendungen ij Km' O{KOV eKKAYJulCL und f:KKA1WiCL OAYJ in Opposition zueinander zu verstehen, und zumindest auf Grund unserer exegetischen Untersuchung davon auszugehen, daß ein Nebeneinander von Hausgemeinde und Ortsgemeinde als Möglichkeit nicht von vornherein ausscheiden muß. So wird unser früheres Ergebnis (s. S. 238ff, Städte mit nachweisbaren HGn) nicht durch die Kritik von Gieien in Frage gestellt. Dort hatten wir nämlich schon nachzuweisen versucht, daB es mit Sicherheit in Rom, wahrscheinlich in Thessalonich, eventuell auch in Ephesus, Philippi und Laodizea, ein Nebeneinander von HGn und in Korinth sogar ein Nebeneinander von Ortsgemeinde und HGn gab277 • 276 277
Gielen, a.a.O., Anm. 70, 12.3. So schon J. Wieland, Mensa und Confessio, 1909,27-33. Gegen N. Afanassieff, L'assemblee eucharistique unique dans l'eglise ancienne, Kleronomia 6 (1974), 134, v.a. 4.7-14.16-19.22.25, der ein Nebeneinander von Hausgemeinden und Orrsgemeinde für die gesamte frühchristliche Gemeinde, sowohl in der Jerusalemel' Urgemeinde (mit Sicherheit wenigstens bis zu den 60'er Jahren- "gI. 5.2.5) als auch in der paulinischen Mission bestreitet (ihm folgend N. Provencher, l'Eglise domesrique, EeT(O) 12 [1981J 9-34 v.a. uff). Er läßt sich aber zu stark Von seinem von der russisch-orthodoxen Ekklesiologie geprägren Vorverständnis leiten und versucht, dieses Verständnis dem Text aufzuzwingen. Für ihn kann es kein Nebeneinander von HGn am Ort geben, ohne die Einheit der Kirche in Frage zu
Hausgemeinde und Mission
So ist deutlich geworden: Das Verhältnis Gesamtgemeinde und Einzelgemeinde wird damit zu einer zentralen Frage unserer Untersuchung werden müssen, teils bedingt durch die exegetische Auseinandersetzung in der Frage nach einem Nebeneinder von Ortsgemeinde und HGn, teils aber auch bedingt durch die kirchengeschichtliche Auseinandersetzung zur Problematik. Das Verhältnis der Einzelgemeinde zur Ortsgemeinde bzw. der Ortsgemeinde zur Gesamtkirche ist nämlich bis heute nicht restlos geklärt (zur Begriffsbestimmung s. Forschungsbericht S. 48). Unsere Frage ist deshalb folgende: Wie wird das Verhältnis zwischen Einzelgemeinde und Ortsgemeinde bzw. zwischen der gesamten Gemeinde am Ort und der Gesamtkirche bei Paulus bestimmt?
b) Ekl
bei Paulus (und sonst im NT) gemacht werden, die in Spannung zueinander stehen. Wie diese bei den zusammenzudenken sind, ist schon von alters her ein großes ekklesiologisches Problem278 • Der Lösungsversuch der römisch-katholischen bzw. orthodoxen Kirche hat immer eher die Einheit der Gesamtgemeinde bzw. Gesamtkirche betont 279 • Diese gesamtkirchliche Einheit hat für sie eine höhere
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stellen. Obwohl, so Afanassieff, im 2. Jh. ein durch Wachstum bedingtes Nebeneinander herrschte, habe der monarchische Bischof die Einheit dennoch bewahren können. Da aber im 1. Jh. keine solchen Bischöfe existierten, bildete während der apostolischen Zeit das wahre interne Prinzip der Einheit der Ortsgemeinde die eucharistische Versammlung. Er versucht deshalb nachzuweisen, daß örtlich jeweils nur die Mahlfeier der gesamten Christen an einem Ort, aber gar keine getrennten Mahlfeiern in den einzelnen HGn gefeiert wurden. Seine Sicht wird aber schon bei der Beobachtung, daß keine Versammlung der Gesamtgemeinde in Rom belegt ist, fraglich. Außerdem belegt Röm r6,3.5 (5. 0.), daß ebenfalls schon in Rom ein Nebeneinander von HGn existierte. Das Argument von Afanassieff, daß Priska und Aquila nicht in der Stadt Rom gelebt haben müssen (5. 12ff), überzeugt nicht. Aber schon in der. Jerusalerner Urgemeinde war es aus räumlichen Gründen notwendig - sein Einwand, dag viele der 3 bis 5000 von Lk erwähnten Neubekehrten sich nur wegen des Passahfests in Jerusalem aufhaltenden Männer sicherlich in ihr eigenes Land zurückgekehrt seien (5. 24f), ändert nichts an dieser Notwendigkeit, denn selbst für 200-500 Männer mit ihren Frauen, Kindern und Sklaven zusammen kann ein einziges Haus nicht mehr als Versammlungsort gedient haben. Für einen guten Überblick vgl. U. Valeske, Votum Ecclesiae, 1961., v.a. seine ausführliche interkonfessionelle ekklesiologische Bibliographie in Teil II, bes. 67r06, zu unserem Thema. Vgl. z.B. für die orthodoxe Ekklesiologie N. Afanassieff, L'assemblee eucharistique unique dans l'eglise ancienne, Kleronomia 6 (r974), 1-34, für die katholi-
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
283
Priorität als die Einzelgemeinde. Die meisten Protestanten sehen es eher umgekehrt: Die Würde der Einzelgemeinde geht vor der der Gesamtkirche280 • Diese zwei unterschiedlichen Perspektiven sind auf Grund der Spannung zwischen den beiden Schwerpunkten 1m paulinischen Kirchenverständnis selbst durchaus verständlich. r) Überörtliche Aussagen
Ekklesiologische Aussagen, die über die Ebene der lokalen Versammlung hinausgehen, sind bei Paulus zwar selten, fehlen aber nicht völlig (zu Kai 1,18 und Eph 4 s. S. 288 und 291). Vor allem finden wir die Betonung der Einheit der Kirche mit dem Ausdruck f:KKA.l1CJta LOU Bwu (ev XPlCJL4> 'Il1CJOl)) als generellen Begriff für die Gesamtkirche281 • Diese Formulierung geht möglicherweise auf eine Über-
sche Ekklesiologie vgl. Afanassieff folgend N. Provencher, l'Eglise domestique, EeT(O), 12 (198I), 9-34. Vgl. auch A. Wikenhauser, Die Kirche als der mystische Leib Christi nach dem Apostel Paulus, I937; H. Schlier, Die Einheit der Kirche im Denken des Apostel Paulus, 1961., 1.87-1.99; Katechismus der katholischen Kirche, 1993, 1.43ff; ökumenisch vermittelnd H. Döring, Grundriß ,der Ekklesiologie, 1986, 17of.178-189. Als katholische Ausnahme vgl. z.B. J. Hainz, Ekklesia, 1973,1.1.9-1.55. Vgl. auch ausgewogen H. Merklein, Die Ekklesia Gottes. Der Kirchenbegriff bei Paulus und in Jerusalem, BZ N.F. 1.3 (1979), 48-70, der mit dem exegetischen Ergebnis von Hainz hinsichtlich des paulinischen Kirchenverständnisses übereinstimmt, aber hinsichtlich des Jerusalemer Kirchenverständnisses nicht. Für Merklein ist jedoch das Jerusalemer Verständnis von der einen Ekklesia Gottes, "das die Gesamtheit der an Christus Glaubenden als das eine Volk Gottes, als die eine eschatologische Heilsgemeinde, begreift ... ein unverzichtbares Postulat christlichen Selbstverständnisses ... Dieses Moment ist das tiefste theologische Anliegen des katholischen, universal ausgerichteten Kirchenverständnisses" (69)· 280 Vgl. z.B. J. Roloff, Kirche im NT, 1993, 96ff: Die Kirche/Gemeinde Gottes bei Paulus stellt "sich in den jeweiligen örtlichen Versammlungen" dar. "Die Ortsgemeinden repräsentieren die ekklesia Gottes, freilich nicht in der Weise, daß sie nur Ausschnitte aus einer übergreifenden empirisch gedachten Größe, einer 'Gesamtkirche', wären, sondern so, daß in ihnen das Wesen der pneumatiscbchristologiscben Größe "ekklesia Gottes" gültig zum Ausdruck kommt. Jede einzelne Gemeinde ist in einem vollen Sinn ekklesia Gottes. Was sie als solche ausweist, ist nicht ihre Anteilhabe an einer "Gesamtkirche" , sondern ihr SichVersammeln "in Christus", d.h. als Bereicb des durch den Geist gegenwärtig wirksamen Christus." Als Ausnahme vgl. K.L. Schmidt, Th \'VNT I1I, 508f, der die Auffassung vertritt, dag Paulus einen doppelten Kirchenbegriff hat ("Gemeinde Gottes" = Einzelgemeinde und Gesamtgemeinde) und daß die Einzelgemeinde Darstellung der Gesamtkirche sei. 2S1 Anders J. Hainz, Ekklesia, 1.1.9-1. 55.
Hausgemeinde und Mission
setzung von ~N ~iljJ282 (vgl. rQM 4,10; rQS' 1,2sem) zurück und kann als erste Selbstbezeichnung der Urgemeinde gelten. In der Jerusalemer Urgemeinde wurde der Begriff gebraucht, weil er inhaltlich mit ihrem eschatologischen Selbstverständnis übereinstimmte. Die Urgemeinde begriff sich als die von Gott auserwählte, durch das Christusereignis ins Leben gerufene Vorhut der endzeitlichen Heilsgemeinde und verstand sich als Kristallisationspunkt des neuen eschatologischen IsraeF83. Der Begriff wurde anscheinend von den Hellenisten und von Paulus übernommen, von ihnen in Kontinuität mit der Urgemeinde verwendef 84 und auf örtliche Gruppen auch außerhalb Jerusalems übertragen. Einige Stellen sprechen davon, daß Pallius die eKKAYJOtCn;ou 8EOU verfolgt habe (Gal 1,13; rKor rS,9; Phil 3,6 - ohne 'tOU 8wu). Hier scheint Paulus einen Begriff für die weltweite Ganzheit der Christen zu verwenden, da er über ein Ortsverständnis hinausgehr2 8s • Darunter hat man deshalb die "Gesamtkirche" verstanden, allerdings legt Gal I,22f nahe, konkret an die Gemeinden in Judäa (= Palästina) zu denken 286 . In IKor rO,32 befiehlt Paulus, daß kein Anstoß erregt werden sollte, weder bei den Juden noch bei den Griechen, noch bei der "Gemeinde Gottes"187. Hier spricht er nicht von einer lokalen Gemeinde, sondern anscheinend· von der Gesamtkirche, die neben
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Vgl. P. Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes bei Paulus, 1965, 21of, Anm. 2.; teilweise geg. W. Schrage, Ekldesia und Synagoge, ZThK 60, 1963, 178-2.02.. Vgl. auch J. Roloff, EWNT r, Sp. Iooof. Vgl. P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 357. Die verschiedenen Begriffe (Gemeinde Gottes [für Belege s. u.], Volk Gottes: 2.Kor 6,16; Röm 9,2.5f; Tempel Gottes: IKor 3,16f; 2.Kor 6,16; Israel Gottes: Gal 6,I6), die Paulus für Orts- und Gesamtgemeinde gebraucht, zeigen, daß er in Kontinuität zum ekklesiologischen Verständnis der Urgemeillde bleibt, auch wenn er seine eigenen christologischen und organisatorischen Akzente gesetzt hat (vgl. z.B. Röm II,I3-32.). Vor allem die Begriffe Volk und Israel Gottes implizieren auch ein gesamtkirchliches Verständnis der eKK)'l]o{U WÜ 8wü. Hier kann Paulus auf einen aus Jerusalem stammenden traditionellen Terminus zurückgegriffen haben - so H. !vferklein, Die Ekklesia Gottes, 54. Da aber dorr der Begriff "Gemeinde Gottes" für einen umfassenderen Horizont geöffnet war, zur Bezeichnung der Gesarntgemeinde aller Christen diente und dieses Verständnis Paulus mit Sicherheit bekannt war, ist anzunehmen, daß er ebenfalls den Begriff in diesem Zusammenhang für einen Sinn, der über die konkrete Einzelgemeinde hinausgeht, offen läßt. An dieser Stelle scheint Paulus die Worte der Chrisren fast wortwörtlich wiederzugeben. E. Bammel, Gall,2.3, ZNW 59 (1968), ·(08-112.. Vgl. auch rKor 6,4; II,2.2., die diesbzgl. in eine Gruppe mit 10,32. gehören.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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den zwei eigenständigen Gruppierungen Juden und Griechen als dritte, nämlich als das eschatologische Volk Gottes bzw. als die Kirche, steht288 • Mit "Gemeinde Gottes" kann nicht nur die Ortsgemeinde in Korinth gemeint sein, denn es geht um eine Regel für christliches Verhalten überhaupt. In 1Kor 4,17 lehrt Paulus, dag es Weisungen Christi gibt, die von ihm überall in allen Gemeinden gelehrt werden. D.h. es gibt ethische Normen und Verhaltensweisen, die für jede der einzelnen Gemeinden als größere Einheit gültig sind (vgl. auch 1Kor II,16; 14,33f). Aber hier muß darauf hingewiesen werden, daß Paulus den Plural verwendet, so daß diese Stelle nicht als einwandfreier Beleg für den Begriff "Gesamtkirche" gesehen werden kann. Besonders wichtig scheint 1Kor 12,28 in unserem Zusammenhang. Hier ist mit EV LTI CKKA'YjOt~ mehr als nur die lokale Gemeinde in Karinth gemeint. Paulus spricht von einer prinzipiellen Gemeindestruktur, die Gott in allen Gemeinden an allen Orten, d.h. in der Gesamtkirche eingesetzt hat 289 • Aber auch der Plural "Apostel" paßt nur schwer zu einer Einzelgemeinde190 • Allerdings ist darauf aufmerksam gemacht worden, daß Paulus hier eventuell (antiochenische) Tradition übernommen hat. Fraglich ist aber der Umfang der Tradition bzgl. Ev LTI CKKA'YjOtq.291. Dennoch ist auch unter der Annahme, EV LTI EKKAllOtq. sei traditionell, zu konstatieren, daß Paulus die Wendung nur deswegen aufgenommen hat, weil er in seinem Kirchenverständnis mit dieser Tradition im Einklang stand. Auch die christliche Gemeinde in Jerusalem, "die Gemeinde Gottes" par excellence, fungiert für Paulus als Erinnerung an eine gröfSere Bewegung. Seine Nlissionsperspektive geht von Jerusalem aus (Röm 15,19) und ist auf den Zion als Ort der Sammlung der Heilsgemeinde ausgerichtet (Röm II,26f). Zeit seiner apostolischen Wirksamkeit war Paulus bemüht, die Kirche aus Juden und Heiden zusammenzuhalten (vgl. das Apostelkonzil; Röm 3,30; 15,7-12). Die Kollekte, die Paulus für die Armen in Jerusalem (Röm 15,22-28;
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Vgl. K.L. Schmidt, An eKKAllo(a in: ThWNT III 502.-539.508. Vgl. A. v. Harnack, Entstehung und Entwicklung, 18f.155-173; O. Linton, Das Problem der Urkirche, 141; K.L. Schmidt, ThWNT III 508; V. Branick, House Church, 2.9. Gegen J. Haillz, Ekklesia, 2. pf. Sogar J. HaillZ, Ekklesia, 2.54 muß gestehen, daß hier "eine gesamtkirchliche Implikation liegt". Vgl. H. Merklein, Das kirchliche Amt, 1973, 245; ihm folgend A.F. Zimmermann, Die urchristlichen Lehrer, 1988, ro8ff; s. auch S. 350f, Anm. 535.
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Hausgemeil1de und Mission
1Kor 16,1-4; 2Kor 8,1-4; 9,2.12) einsammelt, ist für ihn u.a. eine dramatische Geste, die die Verbundenheit der Heidengemeinden mit der Jerusalemer NIutterkirche und deren zentrale Bedeutung unterstreichen soJlte292 • Exkurs: Leib Christi und Familie Gottes bei Paulus
Ein wichtiger Ausdruck der Einheit und der weltweiten Dimension der Kirche ist die Rede des Paulus vom Leib Christi (vgl. 1Kor I2,I2-31; Röm I2,4-8). Mit diesem Bild wird ein neuer ekklesiologischer Akzent in der Geschichte des Urchristentums gesetzt, und es kann als Leitbild der paulinischen Ekklesiologie angesehen werden293 • Auch wenn die Frage nach der Herkunft dieser Vorstellung immer noch nicht restlos geklärt ist294 , läßt sich doch eine dreifache Wurzel erkennen: die Abendmahlstradition, die sog. Adam-Christus-Typologie und die Vorstellung von Jesus als Menschensohn-Messias295 • V.a. die von der Adam-Christus-Typologie herrührende Vorstellung eines weltumspannenden Christusleibes als einer pneumatischen Wirklichkeit, in die man hineingetauft wird (1Kor I2,13) und elie mit der Kirche gleichgesetzt wird (1Kor 12,12-3 I; Röm 12,4-8), deutet eine einheitliche weltweite Dimension der eKKA'Y]ota LOU Bwu an. Für Paulus ist die eKKATjOta wirklich Christusleib 296 • In rKor I2,I2-3 r werden die Täuflinge in den Leib Christi hineingetauft, der schon vor und unabhängig von ihnen bestand 297 • Die Leib-Christi-Vorstellung ist eine weiterführende Konsequenz aus der Identitätsaussage "in Christus" und scheint für Paulus eine Funktion des christologisch durchdachten Gottesvolkgedankens zu sein (s.o.). Aus den beiden wichtigsten Texten (rKor 1o,r6f; 12,12-26) ist zu entnehmen, daß zwei Komponenten im Verständnis des Christusleibes zusammenwirken: die Vorstellung der sakramentalen Teilhabe am eucharistischen Leib Christi und die Vorstellung des Organismus, in dem die
Vgl. P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 357. Der Ausdruck erscheint nur an drei Stellen in den unumstrittenen Paulusbriefen: xKor 1o,x6f; 12,12-26; Röm x2,5. 294 Vgl. dazu den Exkurs von F. Lang, Die Korintherbriefe, X986, 175-18r. 295 Vgl. P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 358. 296 Vgl. J. Roloff, Kirche im NT, roO-I31; P. Stuhlmacher, Kirche nach dem NT, 1995,3 XO • 297 Vgl. auch die paulinische Rede von dem einen neuen Menschen, den die Christen bilden (vgl. rKor 6,16f; 12,12f; Gal 3,28; Kol 3,15 mit Gen 2,22ff). 292
293
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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Glieder zusammenwirken298 • "Die örtliche Gemeinde 'ist deshalb Leib Christi, weil sie im eucharistischen Mahl Anteil am Leib des Herrn erhält" (IKor 10,17)299. Durch das Teilhaben am Brotentsteht Leib Christi. In diesem einen Brot teilt Christus sich selbst und den Ertrag seines Wirkens am Kreuz den Glaubenden mit. Dadurch hat das Brot eine Einheit wirkende Funktion. "Der Empfang dieses Brotes durch die Glaubenden bewirkt ... , daß diese ... mit Christus als dem einzigen Heilbringer verbunden und dadurch zugleich zu einer ... Einheit untereinander zusammengeführt werden. "300 Diese Einheit hat auch eine soziale Kom ponente. Die Gemeinde, die örtliche Versammlung der Christen, ist für Paulus als Gemeinschaft des Leibes Christi zu verstehen. Diese Gemeinschaft entsteht durch die eucharistische Mahlfeier, und in dieser Gemeinschaft sollte es nicht an einem diesem Mahl gemäßen geschwisterlichen Verhalten fehlen (rKor II,17-34; s. u.). Paulus kann auch deswegen die Gemeinde als neue Familie Gottes beschreiben. Eine ganze Reihe von Begriffen aus der familiären Sprache werden von Paulus auf die christliche Gemeinde übertragen 301 • Oben haben wir schon auf die Verwendung von familiärer Terminologie im Phlm hingewiesen, um die liebevolle Beziehung zu beschreiben, die Geschwister in Christus verbindet (s. S. 18If). Diese Terminologie hat für Paulus ihre Basis gerade in dieser Beziehung zwischen den Glaubenden, Christus und Gott. Gott ist nicht nur Vater Jesu Christi, sondern auch der Gemeinde (rThess, 1,1.3; 3,11.13; 2Thess I,1f; 2,16; Gal 4,6). Glaubende sind für Paulus Kinder Gottes (Röm 8,I6f; vgl. auch Gal 4,4f; IThess 1,10) und untereinander Geschwister (vgl. z.B. IKor 8,IIff; I5,58; Röm 15,14; Phil 3,1; 4,1). In Gal 6,10 heißt es: " ... laßt uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an denen in der Familie des Glaubens" (:rtpo<; Laue; oiK:ElO1J<; Li]<; :rttOLE w<;) 302. Auch der zentrale Platz, den das Wort "Liebe" im Kirchenverständnis des Paulus ein298 299
300
J. RoloH, Kirche im NT, 100. J. Roloff, ebd., 102. J. Roloff, ebd., T04.
Vgl. R. Banks, Paul's Idea oE Community, 49-54 für eine Auflistung und eine gute Besprechung. Dies stellt die Tatsache, daß für Paulus der Leib Christi das ekklesiologische Leitbild darste[Jt, nicht in Abrede. Im Gegenteil; Die zwei bildhaften Redeweisen gehören im kirchlichen Verständnis des Paulus zusammen. Dies sieht auch Roloff. Allerdings verwendet er dafür den Regriff "koinol1ia als Sozialgestalt" . 302 Später heiJSt es in Eph 2,I8f; Glaubende sind Glieder der Familie Gottes (oiKEtm 301
1:OU eEOU).
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Hausgemeinde und Mission
nimmt, bestätigt diese Sicht (vgl. z.B. Phil 1,8; 2,12; 1Kor 12,25f; 13,4-8; T6,24; 1Thess 3,12; Röm 12,9f; Gal 5,22; 6,2; Kol 3,12ff). Die ganze f:KKAYjOta. soll inmitten der alten Welt vor den Augen von Menschen und Engeln (TKor 4,9) darstellen, "wie die aus dem Ereignis der Versöhnung hervorgehende neue Schöpfung aussieht".303 (2Kor 5,T7; Kol 1,18; vgl. später auch Eph 3,10). Obwohl Paulus nie explizit von einer "neuen Familie Gottes" spricht, ist die Familie des Glaubens (Gal 6,10) diese aus der Versöhnung hervorgehende neue Schöpfung und von daher die neue Familie Gottes 304 • Aus dem 1Kor wird also deutlich, welchen hohen Stellenwert für die paulinische Ekklesiologie die Einheit als Leib Christi unter den Christen in der örtlichen Gemeinde von Korinth besitzt. Anscheinend reicht diese Einheit aber über die örtliche Situation in Korinth hinaus, denn in Röm 12,5 (vgl. 1. Person Pl.) schließt Paulus sich selbst und alle seine Gemeinden in diese Einheit mit Christus ein. Daß diese Einheit überörtlich gedacht ist, wird vom Kai bestätigt. Aus Kai 1,18 ist nämlich zu entnehmen, daß es nicht viele ChristusLeiber gibt, sondern nur den einen Leib, dessen Haupt Christus ist.
303 304
P. Stuhlmacher, Kirche nach dem NT, 311. Paulus ist nicht der erste, der dies betont. Seine Sprache erinnert sehr stark an Jesus: vgl. Mk 3,34f; I2,3of. Es ist möglich, daß Paulus diese Tradition kannte und sich ihr theologisch verpflichtet fühlte. Unsere Sicht, daß Paulus die Gemeinde als Familie Gottes beschrieben hat, ist neuerdings durch G. SchölJgen, Hausgemeinde, BIff in Frage gestellt worden. Einerseits teilt er unsere Sicht, dag der breite Gebrauch von familiärer Terminologie bereits in den frühesten Quellen, bes. bei Paulus, das stärkste Argument für unsere These ist. Da es sich aber, so Schöllgen, nicht nachweisen läßt, daß Paulus die Einzelgemeinde wesentlich als Hausgemeinschaft Gottes begriffen hat, muß die These scheitern. Die Oikosterminologie ist bei Paulus keine Leitmetapher, sondern dient lediglich zur Verdeutlichung von Einzelaspekten theologischer wie ekklesiologischer Art. Dies habe die bislang wenig beachtete Studie von D.v. Allmen, La familie de Dieu, 1981, v.a. 61f.278-286 aufgezeigt. Erstens ist zu fragen, ob die Arbeit von Allmen wirklich überzeugen kann (vgl. Kritik bei H.]. Klauck, BZ NF 26 (1982), 288-2.94), denn die These Allmens ist umstritten. Unabhängig von ihm ist L.A. Lewis zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen (vgl. The Function of Family Language in the Letters of Paul). Außerdem ist es nicht unsere These, daß die familäre Sprache ein Leitbild der paulinischen EkkJesiologie darstellt. Aber die breite Verwendung führt zu der Verdeutlichung einer Menge Einzelaspekte und übt damit einen nicht unerheblichen Einfluß auf das Kirchenverständis des l'auJus und damit auf das der Mitglieder seiner Gemeinden aus. Damit ist der Weg auch frei für die weitere Entwicklung, wie wir sie in der nachpaulillischen Zeit sehen (s. Kap. V).
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
289
Zusammenfassend ist zu sagen: Sachlich gesehen sieht Paulus schon die Einheit aller Gemeinden in einem Gesamtzusammenhang, aber terminologisch läßt sich dieses Verständnis bei Pau!us schwieriger nachweisen. Wenn er den Begriff f:KKA'Y]oia, wenn auch selten, im großen Kontext über die Ortsgemeinde hinaus verwendet, schließt er sich bewußt an Traditionen an, die ihm vorgegeben waren (vgl. wie erwähnt Ga! 1,22 und 1Kor I2,28). Daß er den Begriff für die Gesamtkirche nicht häufiger verwendet, kann daran liegen, daß es ihm in seinen Gelegenheitsbriefen darauf ankam, die volle Würde der Einzelgemeinde als Ekklesia Gottes zu betonen, was aber nicht ausschließt, da!S in seinem Kirchenverständnis alle Christen eine Einheit bildeten. Dies geht sicher aus dem Sprachgebrauch "Gemeinde Gottes in ... " hervor (vgl. xKor 1,2; 2Kor 1,1): Die eine EKKA'Y]oia existiert in Christusgrüppen von Ort zu Ort. Auf das paulinische Verständnis der Ekklesia als Einzelgemeinde wollen wir nun näher eingehen. 2) Aussagen über die Einzelgemeinde Die zweite ekklesiologische Aussagereihe bei Paulus ist die Betonung jeder Einzelgemeinde mit ihrer Würde und Berechtigung, selbständige Gemeinde zu sein. Es ist unbestritten, daß Paulus EKKA'Y]oia vorwiegend für die Einzelgemeinde verwendet (s. U.)305. In einer Reihe von Stellen, die die früheste christliche Verwendung widerspiegeln (s.o.), finden wir v.a. in den Präskripten der Paulusbriefe den Ausdruck f:KKA'Y]oia TOU Bwu (f:V Xplmc{l . hWOU)306. Wenn Paulus diesen Ausdruck verwendet, denkt er meistens und in erster Linie an eine konkrete Versammlung der Christen, die an einem bestimmten Ort lebten307 • Vergleichen wir z.B. xKor I,If. Hier spricht Paulus die korinthische Gemeinde an, als die "Gemeinde
Mit J. Hainz, Ekklesia, 230; W. Koester, Die Idee der Kirche beim Apostel Paulus, 1928, 240ff; K.L. Schmidt, Die Kirche des Urchristentums, 1927. 258-319; vgl. auch R. ßanb, Paul's Idea of Community, 1994, 27-3 I, der allerdings betont, daß der Begriff von Paulus für die Versammlung der Einzelgemeinde verwendet wird. 306 Vgl. TKor 1,2; 2Kor X,I; vgl. auch rKor 10,32; !l,H; 15,9; Gal.I,T3; Plural: rKor rr,r6022; xThess 2,14; 2Thess x,4. 307 .EKKA11ota., dort wo es alleine als ekklesiologischer Begriff erscheint, soll als Abkürzung des urspünglichen Ausdrucks eKK),llOta. 'ral> BEaU verstanden werden, wobei der genitivus auctoris immer mi [gedacht ist. Vgl. zoB. rThess 1,1; 2Thess 1,1; Röm 16,1; KoI4,I6; Phi14,I5 und KoL. Schmidt, ThWNT III, 5°90 305
Hausgemei1'lde und Mission
Gottes in Karinth", in deren örtlicher Existenz die Eigenschaften der kommenden weltweiten Gemeinde Gottes konkret erscheinen; eine örtliche Gemeinde, die diese Gemeinde Gottes in ihrer Totalität vertritt 308 • Das paulinische Verständnis mißt der lokalen gottesdienstlichen Versammlung einen hohen Stellenwert bei. Sie ist" Gemeinde", immer dann, wenn einzelne sich ev eKKAY]oiq: versammeln (1Kor II,18)309. Grundlegend für die eKKAY]oia ist das O'Uvepxw8m EV EKKAY]oiq:. 'Ev eKKA11Oiq: deutet auf die lokal zu begreifende Gemeindeversammlung hin, die durch das "Sich-Versammeln" entsteht. Jede lokale christliche Zusammenkunft, in der Gott angebetet und Jesus Christus verkündigt wird, ist für Paulus eine Gemeinde, ist eKKAY]oia ,;ou 8eau 310 . Das gilt für die ganze Gemeinde am Ort (vgl. 1Kor II,20; 14,23; Röm 16,23). Das gilt ebenfalls für die Hausgemeinden, wie die von Priska und Aquila usw. Denn durch die Hinzufügung von ri EKKAY]oia ÖAY] in 1Kor 14,23 wird eine wichtige Unterscheidung getroffen zwischen den Versammlungen EV EKKAY]O{q:, in denen die Gemeinde insgesamt an einem Ort zusammenkommt, und denen, in denen nur Teile der Ortsgemeinde zusammenfinden. Ein prinzipieller Unterschied zwischen diesen beiden Fällen wird von Paulus nicht angedeutet3ll • Beides sind Versammlungen EV eKKAY]oiq:. Beicies sind aber auch Versammlungen ev OiK~. Wo ist für Paulus die Gesamtkirche konkret nachweisbar? Sie ist Ka,;' OiKO'U<;, d.h. in' den Versammlungen der einzelnen lokalen Gemeinden nachweisbar. Zum spezifisch paulinischen Gemeindebegriff gehört es, zu betonen, daß das Ganze in den Teilen vorhanden ist. Auch in den kleinsten HGn ist ri eKKAY]oia 'tau 8eau im vollen Sinne präsent. Wenn unsere Exegese stimmt, scheint sie auf Grund des Nebeneinanders von Ortsgemeinde und HGn, wie es sich in den paulinisehen Missionsgemeinden, aber schon zuvor in der Urgemeinde, belegen lälSt, und in Anbetracht des Schwerpunktes, den Paulus auf die Würde der Einzelgemeinde legt, für das größere Recht der Ein-
~~: Vgl..J. Roloff, EWNT I, Sp. I003f. 310
311
Vgl. J. Hainz, Ekklesia, 230f. Sie bleibt natürlich auch Gemeinde außerhalb der konkreten Versammlung (vgl. 1Kor 14,23 - "wenn die ganze Gemeinde sich versammelt"). Vgl. J. Hainz, Ekklesia, 231. Vgl. J. Hainz, Ekklesia, 230f.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
2.9 I
zelgemeinde gegenüber der Gesamtkirche zu sprechen312 • Eph 4 und Joh I7 stellen dazu ein neutestamentliches Gegengewicht dar.
B) Das Leben in einer paulinischen Hausgemeinde I.
Soziale Schichtung in den paulinischen Hausgemeinden
Die sozio-historische Methode zur Untersuchung des Neuen Testaments hat man erst vor 70 Jahren im Kontext der Formkritik eingeführt. Dort ist sie aber nur ansatzweise zur Entfaltung gekommen 313 • Erst in den 70er Jahren hat man wieder angefangen, sich für die sozio-historischen Fragen zu interessieren. Seitdem gibt es eine Vielzahl von Studien, die sich mit den sozialgeschichtlichen Verhältnissen der frühchristlichen Bewegung beschäftigen. Dennoch bleibt die Sozialgeschichte eine relativ junge Forschungsrichtung, die immer noch keine voll ausgereiften methodologischen Vorgehensweisen und einheitlichen Forschungskategorien aufweisen kann. Das gilt nicht zuletzt für unseren Fragenkomplex der sozialen Schichtung der paulinischen Gemeinden. Dennoch ist ein erheblicher wissenschaftlicher Fortschritt auch in diesem Bereich der sozio-historischen Forschung zu konstatieren 314 • Man hat v.a. die !vlethoden der prosopographischen Untersuchung verfeinert und versucht, die Begriffe klarer zu definieren. Um die soziale Schichtung der frühchristlichen Gemeinden zu untersuchen, mußte man die Kriterien definieren, mit denen man diese soziale Schichtung bestimmen kann. 312
313 314
So auch J. Hainz, Ekklesia, 229-255, v.a. 251, der einerseits zurecht die Würde der Einzelgemeinde in der paulinischen Mission unterstreicht, aber dann allerdings zuweit .geht, wenn er behauptet, Paulus kenne überhaupt keine Gesamtkirehe (vgl. kritisch zu Hainz R. Schnackenburg, Die Kirche im NT, I963). Für eine andere Sicht als unsere vgJ. auch V. Branick, House Church, I989, I I7-I22, der darauf hinweist, daß Paulus den Schwerpunkt auf die \Vürde der Ortsgemeinde gegenüber den HGn legt. Sein Hauptargument dafür ist die Beobachtung, dag Paulus sowohl in Antiochien als auch in Korinth das Problem der Spannungen, die für Branick auch ihren Ursprung in den HGn hatten, immer auf der Ortsebene zu lösen versucht hat (vgl. Gal 2,II-I4; IKor I,Ir-I3; Il,I7-34). Nur weil Paulus Streitigkeiten auf der Ortsebene zu schlichten versucht, besteht noch kein Grund zur Annahme, dag er einen theologischen Schwerpunkt auf die Ortsgemeinde legt. Die Schlichtung hat er eher aus praktischen Gründen auf Ortsebene vollzogen - er wollte alle Christen am Ort auf einmal ansprechen. Vgl. B. Holmberg, Sociology and the NT, If.2Iff für weitere Diskussion. Vgl. z.B. Holmberg, ebd.; T. Schmeller, Brechungen, r6-49.Il4, der sich für eine "soziologisch orientierte Exegese" einsetzt.
Hausgemeinde und Mission
Von der älteren und allgemeinen soziologischen Forschung hat man die Standardkriterien für die Bestimmung der sozialen Schichtung einer Gesellschaft übernommen: wirtschaftliche Schicht, Status und Macht, wobei erkannt wurde, daß Status als ein mehrdimensionales Phänomen zu begreifen ist3!5. Verschiedene Zeiten und Kulturen können diese drei Kriterien allerdings unterschiedlich bestimmen316 • Deswegen muß eine Besprechung der sozialen Schichtung einer Gruppe immer im Verhältnis zu ihrer Gesamtgesellschaft und ihrem sozialen Schichtungssystem gesehen werden.
a) Die römische Gesellschaft In unserem Fall ist die Gesamtgesellschaft die des Römischen Reiches im ersten .rahrhundert. Ihre soziale Schichtung weist einen steilen Aufstieg nach oben auf317 • Nach G. Alföldy und anderen Historikern gab es keine "Mittelschicht" im modernen Sinne. Der Begriff wurde von der heutigen Gesellschaftsanalyse geprägt und drückt die Einkommenshöhe aus. Er sei aber auf die antike Gesellschaft schlecht anwendbar 318 • Nach dieser Sicht befinden sich an der gesellschaftlichen Spitze der imperator selbst mit seiner Familie und die sog. ordines: die Senatoren und Ritter usw. Sie allein bilden die Oberschicht und machen etwa 0.5 Prozent der Gesamtgesellschaft (also 100000 Personen aus 50 und 80 Millionen) aus. Alle anderen gehören zur sog. unteren Schicht: Freie, Freigelassene, Sklaven in den Städten (plebs urbana) und auf dem Land (plebs rustica). Adlige Geburt war das entscheidende Kriterium, das eine Zugehörigkeit zur Oberschicht im Römischen Reich des 1. Jh. gewährleistete. Auch wenn Alföldys Beschreibung der römischen gesellschaftlichen Situation ihre Richtigkeit haben sollte, ist sie wenig hilfreich bei 315 V.a. W.A. Meeks, Urchristentum,
316
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1I 5-120.149-15 5, der den Begriff "Statusinkonsistenz" in die ntl. Diskussion eingeführt hat. Vgl. auch W. und E.W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, 62-68. Z.B. hält unsere westliche Kultur die Höhe des Einkommens als Kriterium für die Bestimmung der sozialen Schicht für wichtiger als manche andere, seien sie moderne oder antike Kulturen. Vgl. v.a. G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte, 1984; ders., Die römische Gesellschaft. Ausgewählte Beiträge, 1986; R. MacMullen, Roman Social Relations, 1974- Für kurze wertvolle Darstellungen vgl. D. Verner, The Household of God, 1983,47-54; W.A. Meeks, The Moral World of the First Chirstians, 19 8 7, 3239; P. Esler, Community and Gospel, 1987, 171-175. G. Alföldy, Die röm. Gesellschaft, Struktur und Eigenart, Bi; vgl. ders., Römische Sozialgeschichte, 1984, 85-1)2..
Die Verwendung VOll Häusern in der paulinischen Mission
293
der Bestimmung der sozialen Schichtung etwa der frühchristlichen Bewegung. Denn in diesem Kontext ist die Behauptung, die Mehrheit der Christen in den paulinischen Gemeinden stammte aus der Unterschicht, beinahe nichtssagend - 99,5 Prozent der Gesamtgesellschaft stammte aus dieser Schicht! Aus diesem Grund (und auch anderen Gründen) wurde der Versuch, die römische Gesellschaft in nur zwei Strata zu unterteilen, v.a. von K. Christ und F. Vittinghoff in Frage gestellt319 • So ist mit B. Holmberg zu sagen: "Alföldy's position may be correct as far as the formulated awareness of the ancient participants themselves goes, but leaves us modems without much of an instrument to see and understand the social differences within the vast majority of this society. lt seems that Alföldy's ... distinction needs to be supplemented by a stratificatory classification that allows for a fuller representation of social differences. ,,320 Andere Forscher weisen überhaupt auf die Schwierigkeit hin, die römische Gesellschaft nur in die Kategorien "Reich" und "Arm" zu unterteilen 321 • Hier ist zunächst der Hinweis von W.A. Meeks hilfreich, dag große Unterschiede hinsichtlich Reichtum, Macht und Status auch unter der sog. plebs herrschten, wobei diese abgestuft und nicht immer deutlich definiert waren. Kriterien für einen höheren Status auch in diesem Bereich waren römische und städtische Bürgerrechte, Ämter in den kleineren Städten, v.a. geerbter Reichtum in Landbesitz anstatt in Handel investiert; Familie und Herkunft: Je älter und je näher an Rom umso besser, die griechische Erziehung lieber als eine "barbarische", militärisches Amt oder Status als Veteran in einer Kolonie, Freiheit von Geburt an 322 • Es ist
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'12 0_
K. Christ, Grundfragen der römischen Sozialstruktur, 1983, 152-I76, v.a. 169176; ders., Geschichte der römischen Kaiserzeit, 1988. Christ weist v.a. darauf hin, daiS Alföldy zu wenig lokalgeschichtlich vorgegangen ist und deshalb von einer eindimensionalen Strukturierung der Gesellschaft des ganzen Römischen Reiches spricht. Außerdem findet sich in der Darstellung Alföldys eine Überbetonung einer einheitlichen "Oberschicht". Vgl. auch F. Vittinghoff, Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1990, I63-277. Vgl. auch Alföldys Verteidigung seiner eigenen Postion gegen diese Kritik, Die römische Gesellschaft: Eine Nachbetrachtung, in: Die römische Gesellschaft, 69-81. Sociology and the NT, 24Einiges spricht dafür, nach dem Kriterium "im Oikos" und "außerhalb des Oikos" zu unterscheiden. Vgl. v.a. E.A. Judge, Christliche Gruppen, 30-39, der darauf hinweist, daß die allerärmsten Menschen diejenigen gewesen sind, die nicht unter dem Schutz des Patronarssystems untergebracht waren (s. S. 306f). Vgl. Meeks, Moral World, 34-
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Hausgemeinde und Mission
ebenfalls darauf hinzuweisen, daß nicht wenige aus dieser Gruppe, v.a. die freien Bauern, Händler und Handwerker mit Bürgerrechten und Eigentum, sich selbst nicht unbedingt als "lm,ver dass people" bezeichnet hätten 323 • Deshalb scheint es nicht unangebracht, sie in eine Art Mittelschicht einzustufen324 • Einige Forscher ordnen Personen nach den Kriterien Reichtum, soziales Ansehen und höhere Bildung sogar in die untere Oberschicht ein325 • Auf Grund dieser und anderer Einsichten legt K. Christ ein Alternativmodell vor326 • An der Spitze der Gesellschaft des Römischen Reiches ist während der Kaiserzeit die imperiale Führungsschicht anzusetzen. Davon zu unterscheiden ist die imperiale Oberschicht. Eine regionale und lokale Oberschicht ist darunter einzuordnen. Für Christ existierte ebenfalls eine, wenn auch inhomogene, Mittelschicht, u.a. aus reicheren Freigelassenen, selbst einzelnen Sklaven der (ami/ia Caesaris, freien Bauern, Händlern, Handwerkern und Soldaten mit Eigentum und teils mit Bürgerrechten. Ahnlich heterogen waren dann die Unterschichten.
b) Die paulinischen Gemeinden Die soziale Zusammensetzung der paulinischen bzw. überhaupt der christlichen Gemeinden in ud. Zeit ist schon zur Jahrhundertwende von der wissenschaftlichen Forschung untersucht worden. In dieser älteren Forschung ist man bald diesbzgl. zu dem Konsens gekommen, daß die Mehrheit der Christen aus der sozialen Unterschicht stammt. A. Deissmann war der Hauptvertreter dieser Sicht327 • In der neueren Forschung scheint sich eine gegensätzliche Position durchzusetzen. Einige Forscher meinen sogar, einen gewissen Konsens v.a. in der Frage der sozialen Schichtung der paulinischen Gemeinden erzielt zu
323 324 325
326 327
ß. Holmherg, Sociology and the NT, 24. Vgl. z.B. K. Christ und F. Vittinghoff, s. Anm. 3 I9. Vgl. z.B. G. Schäl/gen, Ecclesia sordida?, 1984, 12-15, der K. Christ und Vittinghoff folgt (5. Anm. 319). Vgl. nun auch die Besprechung dieser ganzen Problematik bei W. und E.W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, 58-94Grundfragen, 1983, 174-176. A. Deissmann, Das Christentum und die unteren Schichten, 1908, 19.23.4°. Auf die Forschungslage allgemein gehen wir hier nicht ausführlich ein. Vgl. dazu die guten Überblicke: Für die Positionen bis Anfang der 70er Jahre bei B. Grimm, Untersuchungen, 1975, 19-37 und für spätere Beiträge B. Holmberg, Sociology and the NT, 1990, 28-76; E.W. und W. Stege mann, Urchristliche Sozialgeschichte, 1995,249f f.
Die Verwendung von Häusem in der paulinis~hen Mission
295
haben. Meeks und Malherbe nennen es "the oew coosensus"328, daß die Sozialstruktur der paulinischen Gemeinde im wesentlichen diejenige der sie umgebenden städtischen Gesamtgesellschaft widerspiegelt. Von geringfügigen Ausnahmen - bes. an der Spitze der Gesellschaft - abgesehen, seien alle Schichten analog zu ihrer städtischen Umwelt vertreten: "eine paulinische Gemeinde stellte im allgemeinen einen repräsentativen Querschnitt durch die urbane Gesellschaft der damaligen Zeit dar"329. Der typische Christ sei hier wie dort der freie Handwerker und kleine Händler gewesen330 • Ein entscheidender Beitrag zum "New Consensus" wurde von G. Theißen schon in den Jahren 1974 und 1975 geleistet, und zwar in mehreren Artikeln, in denen er die soziale Schichtung der korinthischen Gemeinde untersuchte 3J1 • Ausgehend von der Einsicht aus 1Kor [,26ft, daß wenigstens einige Mitglieder der Gemeinde in Karinth gebildet und mächtig waren und aus höheren Schichten stammten, hat Theißen den Versuch unternommen, diese Menschen näher zu identifizieren. Dabei verwendete er die schon O.g. vier Kriterien (s. S. 248f). Theißen kommt zu dem Schluß, daß Angehörige aus der städtischen Elite die tonangebende Rolle in der korinthischen Gemeinde gespielt haben 332 • Für ihn gilt dies auch für alle anderen paulinischen Gemeinden. Allerdings hat u.a. G. SchölIgen diesen neuen Konsensus grundlegend in Frage gestellt3J3 • I) Wegen des Mangels an ausreichendem
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W. Meeks, Urchristentum, 1 s6f; A. Malherbe, Aspects, 3 I; E.A. Judge, Patterns, 49-61; judge aufgreifend aber mit gewissen Revisionen und beide Positionen einbeziehend: G.Theißen, Studien, 232; H. Kreissig, Zur sozialen Zusammensetzung, Eirene 6 (1967), 91-100; H. Gülzow, Christentum und Sklaverei, I969, 28; lvI. Hengel, Eigentum und Reichtum, 1973, 44; B. Grimm, Untersuchungen, 1975, vgl. einerseits den Abschnitt über "Personen von Rang und Stand im Frühchristentum" (126-148), anderseits "die Massen der typischen Gläubigen gehörten wohl sicher den unteren Schichten an" (313). Mit ihm auch Klauck, HG, 47. Meeks, Urchristentum, 157. Ebd.,73. Legitimation und Lebensunterhalt, NTS H, (I974/75), 192-221, nun in: Studien, I983, 2OI-230; Soziale Schichtung in der korinthischen Gemeinde, ZNW 65 (1974), 232-273, nun in: Studien, 23 1-27I; Soziale Integration und sakramentales Handeln, NT 16 (I974), 179-206, nun in: Studien, 290-3 T7; Die Starken und Schwachen in Korinth, EvTheol 35 (1975), 155-172, nun in: Studien, 272-289. Studien, 231. Was wissen wir über die Sozialstruktur der paulinischen Gemeinden?, NTS 34 (I988), 71-82. Dieser Aufsatz beinhaltet einige kritische Anmerkungen zu dem Buch "Urban Christians" (deutsch: Urchristentum und Stadtkultur) von
Hausgemeinde und Mission
Quellenmaterial seien brauchbare Ergebnisse für die Bestimmung der Sozialstruktur der Gesamtgesellschaft auch in Zukunft nicht zu erzielen. 2) Diese Schwierigkeit werde noch akuter bei der Untersuchung der christlichen Quellen. Die Frage nach der Sozialstruktur der frühchristlichen Gemeinden kann angesichts der noch stärkeren Unergiebigkeit des Materials nach dem gegenwärtigen Forschungsstand nicht ausreichend beantwortet werden. Dies soll im übrigen für die gesamte vorkonstantinische Zeit gelten 334 • Schöllgen führt gegen "the new consensus" eine Reihe von Bedenken an. Wir fassen die wichtigsten zusammen: I. Die These von der Strukturkongruenz mit der Gesamtgesellschaft setzt zunächst einmal ein klares Bild von der sozialgeschichtlichen Bezugsgröße der frühchristlichen Gemeinden voraus. Das Problem ist aber, daß wir zu wenig über die sozialen Gegebenheiten dieser Gemeinden wissen. "Für keine dieser Städte335 gibt es m.W. bisher detaillierte Untersuchungen ihrer Sozialstruktur, geschweige denn, daß solche Untersuchungen bereits befriedigende Ergebnisse erbracht hätten. Angesichts der Schwierigkeiten, mit denen ähnliche Vorhaben bei Städten, für die wir über erheblich mehr Material verfügen als für die z.T. recht unbedeutenden Heimatorte der paulinischen Gemeinden, zu kämpfen haben, erscheinen brauchbare Ergebnisse für alle oder auch nur für die Mehrheit der Städte eher unwahrscheinlich. '<336 Auch das Konstrukt einer weitgehend homogenen ,antiken städtischen Gesellschaft' muß in Frage gestellt werden.
W. Meeks, v.a. zu den ersten beiden Kapiteln. In Wirklichkeit ist es aber auch eine Kritik der ganzen angelsächsischen sozio-historischen Forschung, wie sie von lvleeks, Malherbe, Filson usw. vertreten wird. Schöllgen ist nicht der einzige, der diesen "New Consensus" in Frage stellt. Vgl. dazu den Forschungsbericht von E.A. judge, The Social ldentity of the First Christians, jRH II,2 (I980), 20I217, v.a. 208 " ... we are still far from being in a position to attempt final conclusions"; W. und E.W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, 1995, 2.49-2.7I; P. Lampe, Stadtröm. Christen, 1989, 38.52.93.II2f (hier ist zwar die soziale Schichtung der Christen des I. Jh. eine Widerspiegelung der Gesamtgesellschaft; die Christen seien doch überwiegend aus den niedrigsten Schichten); ähnlich j.c. Gager, Kingdom and Community, 1975, 96ff.ro6ff (vgl. allerdings die überzeugende Kritik an Gager bei B. Holmberg, Sociology and (he NT, 60-64)' 334 Schöllgen, ebd., 78. 335 Übersicht bei Meeks, ebd., 88-110. 336 Sozialstruktur, 7 2 f. Für seine Zusammenfassung seiner Untersuchung zu Karrhago: Ecclesia sordida?, jAC.E 12 (1984),98-154.
Die Verwendung von Häusern in der pauJinischen Mission
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Die kleinen Städte Galatiens 337 mit ihren alteingesessenen Bevölkerungen einerseits und das relativ neugegründete Korinth mit der Rechtsform einer römischen Kolonie anderseits, stellen in rechtlicher, kultureller und sozialer Hinsicht ganz unterschiedliche städtische Sozialstrukturen dar. Sie kann man nicht ohne weiteres in das Schema 'antike Stadt' pressen. 2. Ein weiterer methodischer Fehler von Meeks liege in der implizierten Annahme, daß alle paulinischen Gemeinden eine identische soziale Schichtung aufweisen. Die wenigen Hinweise, die wir haben, deuten an, daß die einzelnen Gemeinden eine recht unterschiedliche Sozialstruktur hatten "wie es angesichts der Verschiedenheit der wirtschaftlichen Lage ihrer Heimatstädte wohl auch nicht anders zu erwarten ist"338 (vgl. z.B. 2 Kor 8,2 und die Armut der makedonisehen Gemeinden mit dem Überfluß der korinthischen Gemeinde). D.h. jede Gemeinde muß nach ihrer sozialen Schichtung für sich untersucht werden. Wenn Schöllgen damit recht hat, ist die These, alle paulinischen Gemeinden wiesen die gleiche soziale Schichtung auf, nicht belegbar. Denn die korinthische Gemeinde (und die römische?) ist wohl die einzige, für die die Hoffnung besteht, zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen. 3. Einige der wichtigsten direkten und indirekten Belege, die Meeks im ersten prosopographischen Teil des 2. Kapitels zur Bestimmung des sozialen Status einzelner Personen anführt, seien soziologisch weit weniger beweiskräftig als er annimmt. a} Der Begriff olKoc; ist kein Hinweis auf die Größe des Hauses und stellt deswegen kein Kriterium für einen gehobenen Sozialstatus dar. Eine Familie, die in einem Oikos wohnt, kann auch in einem kleineren Haus bzw. einer Mietwohnung Unterkunft gefunden haben. b} Reisen seien kein sicheres Indiz für Reichtum. Es waren nicht immer die eigenen Mittel, mit denen die Kosten bezahlt wurden. Außerdem gab es die Möglichkeit, zu Fuß unter Beanspruchung der antiken Gastfreundschaft zu reisen 339 • cl Handarbeit ist nicht allein für Handwerker
337 Hier geht SchöJlgen von der nordgalarischen These aus, die allerdings umstritten ist. Vgl. nun z.B. ].M. Seott, Paul alld the Nations, 1995, I81-2I5. 338
SchöJlgen, ebd., 73.
339 Didache II, 1.I3; vgl. dazu A. v. Harnack, Die Lehre der zwölf Apostel, TU 2,I f., (1884), 37-53. Was SchölIgen hier übersieht, ist die Tatsache, daß irgend
jemand die Reise bezahlen mußte, gerade wenn es nicht die eigenen Mittel waren. Zu Fuß auf Beanspruchung der antiken Gastfreundschaft zu reisen bedeutete eben, dafS irgendein Hausvorstand die Reise finanzierte, denn die wirtschaftliche
Hausgemeinde und Mission
charakteristisch, sondern auch für fast alle städtischen Berufe. d) Auch wenn man die prosopographischen Ergebnisse von Meeks hinsichtlich eines höheren Status der ca. 30 untersuchten Personen für zutreffend hält, können wir nicht sicher sein, daß sie für die paulinischen Gemeinden generell gelten. Um Rückschlüsse auf die Sozialstruktur der Gesamtgemeinde(n) ziehen zu können, müßte man beweisen, daß die prosopographisch zu untersuchenden Personen in irgendeiner Weise repräsentiv sind. Es werden jedoch in den Paulusbriefen und in der Apg überwiegend Christen besonderer Qualifikation namentlich aufgeführt, während das Durchschnittsglied unerwähnt bleibt. So kann man höchstens etwas über den sozialen Status der Führungskräfte der Gemeinden aussagen, doch bleibt "die Masse der paulinischen Christen sozialgeschichtlieh im Dunkeln"J40. Das Hauptargument von schöllgen lautet also zusammengefaßt: Wir wissen zu wenig über die sozialen Gegebenheiten der antiken Städte und über die paulinischen Gemeinden in ihnen, um zu tragfähigen Ergebnissen hinsichtlich der sozialen Schichtung dieser Gemeinden zu kommen. Seine Kritik ist so grundlegend, daß sie der sozio-historischen Untersuchung des Neuen Testaments überaus enge Grenzen setzt. B. Holmberg hat aber darauf hingewiesen, daß dieses negative Urteil der sozio-historischen Forschung mit den überaus hohen Forderungen zusammenhängt, die schöllgen an sie ste1l2 41 • Es ist zweifellos richtig, daß das christliche Belegmaterial so dürftig ist, daß wir nach diesen Maßstäben nie eine vollständige Analyse der sozialen Struktur der christlichen Gemeinden werden durchführen können. Es ist im Moment auch noch nicht möglich, von der sozialen Schichtung der paulinischen Gemeinden allgemein zu spechen. Aber immerhin ist es erlaubt, und das gibt auch schöllgen zu, für die soziale Schichtung der Gemeinde in der Stadt Korinth zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen. Es ist weiter möglich, etwas über den sozialen Status der Führungskräfte dieser und anderer Gemeinden auszusa-
340 341
Voraussetzung der antiken Gastfreundschaft war der antike Oikos. Die wandernden Brüder aus dem 2/3 loh und die Wanderpropheten, von denen die Didache spricht, und auch ein Teil der von Jesus ausgesandten Jünger (Mt IO,9ff; s. o. Kap. II) reisten tatsächlich so (s. u. unseren Nachweis dessen auch für die pln. Missionspraxis S. 31M). Schöllgen, ebd., 76. Holmberg, Sociology and the NT, 68f.; ähnlich auch T. Schmeller, Hierarchie und Egalität, 55.
Die Verwendung von Häusern il1 deI- paulil1ischen Mission
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gen. Schon diese beiden Punkte sind mehr als gar nichts. Durch die sorgfältigen prosoprographischen Untersuchungen von Judge, Theißen und Meeks scheinen zumindest folgende Erkenntnisse be denkenswert: "Their results confirm that the early Christian movement in Asia Minor, Greece, and Italy in the middle of the first century was not exclusively a movement among the poorest strata of society. This is important information that has repercussions on our whole understanding of first-century Christianity ... ,,342 Für unsere Studie ist nicht entscheidend, ob u.a. Meeks und Malherbe mit ihrem "new consensus" recht haben. Für uns ist vor allem die Existenz der Führungskräfte der Gemeinden und ihr oft nachweisbarer hoher Status sehr interessant343 • Unter ihnen sind wohl die Patrone, die Hauseigentümer bzw. -mieter; es ist die GröfSe ihrer Häuser, die für unsere Studie wichtig ist. Daß man darüber etwas aussagen kann, wird von niemandem in den bei den Forschungsrichtungen bestritten, auch nicht von SchölIgen. Daß es solche Hausvorstände gab und daß sie ihre Häuser der Gemeinde zur Verfügung gestellt haben, wissen wir aus zuverlässigen Texten. Auch hier müssen wir nicht nachweisen, daß diese Hausvorständezu der höchsten Oberschicht gehörten. Selbst die Frage, ob sie Eigentümer oder Mieter waren, ist zwar interessant, aber für uns nicht ausschlaggebend. Ob sie Hauseigentümer, wie Gaius bzw. Phoebe wohl mit seinemlihrem relativ großen Haus oder wie Priska und Aquila mit ihrem wohl etwas kleinerem (gemieteten?) Haus mit Werkstatt-Laden, waren oder nicht, so versammelten sich unabhängig davon je nach Größe des Hauses zahlenmäßig mehr oder auch weniger Christen in ihrem Oikos. 2.
Die paulinischen Hausgemeinden und der Gottesdienst
a) Nebeneinander von Wortgottesdienst und Mahlfeier? Wie wir oben sahen, existierten in Karinth neben der Ortsgemeinde HGn. ~n Kor I4,23 wird nämlich eine Vollversammlung der Orts-
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B. Holmberg, Sociology in the NT, 69. Natürlich wäre es für unsere Studie ebenfalls von Interesse, nicht nur die soziale Schichtung Korinths, sondern auch die der anderen Gemeinden näher zu bestimmen, um mehr über das Leben und die Menschen in den HGn der paulinischen Mission sagen zu können. Aber dies ist nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung nicht möglich.
Hausgemeinde und Mission
gemeinde vorausgesetzt: . Eav ouv O'Uve",8n Tj EKK"''I10ta Ö"''I1 eltt ca auco. In Röm I6,23 wird teilweise die gleiche Begrifflichkeit verwendet: aoJt&~Ecm u!-ux<; rai:oc; 6 ~evo<; !-lOU Kat Ö"'11<; cTl<; EKK"'Y]Ota<;. Was war der Inhalt dieser Vollversammlung? War er ein anderer als in den hausgemeindlichen Versammlungen? Kam man, wie in der Urgemeinde zu Jerusalem, in den Häusern v.a. zum Mahl und als Ortsgemeinde in der Vollversammlung überwiegend zum Wortbzw. Predigtgottesdienst zusammen? Gab es überhaupt in Korinth einen gesonderten Wortgottesdienst neben den Mahlfeiern?J44 Wie sah es in den anderen paulinischen Städten diesbzgl. aus? Auf diese Fragen wollen wir nun eingehen. Eine Schlüsselrolle in diesem Kontext spielt die Frage, ob Paulus in IKor I I und 14 an ein und dieselbe Art von Gottesdienst denkt oder ob er verschiedene Versammlungen mit unterschiedlichen Inhalten vor Augen hat. Im Kap. I I finden sich Erörterungen einer Versammlung mit Herrenmahl. Inhalt der Zusammenkunft von Kap. I4 ist zunächst der Wort- und Predigtgottesdienst. Da für Paulus der Gottesdienstverlauf nicht das eigentliche Thema in rKor r r-14 darstellt, müssen wir aus den EinzeJangaben ein Bild vom korinthischen Gottesdienst zusammensetzen, um unsere Frage zu beantworten. Für eine einheitliche Gottesdienstart gibt es sprachliche Argumente. Es fällt auf, daß Paulus in rKor I I und in IKor I4 parallel formuliert: auvePXEo8aL sowohl in rKor II,I7f.20.33f und in rKor 14,23.26, zweimal mit EJtt ca auco zusammen (1I,20 und I4,23)345. Allerdings ist die Rede in II,33 von einem Zusammenkommen zum Essen und in Kap. 14 von einem Zusammenkommen zum Gebet. Eine weitere sprachliche Parallelität bildet das Wortfeld von OiKOÖOf-lEiV, OlKOÖ0f-Ltl (vgl. die Mahlthematik in IKor 8,I.IO; IKor 10,23 mit IKor I4,4.5.r2.!7.26). Eine weitere Verbindungslinie hat man darin gesehen, daß in rKor 14,I6-r8 wiederholt Euxapunta
344 In der Forschung ist diese Frage schon seit längerer Zeit Grund fiir Auseinandersetzung. Bis heute scheint hier noch keine Einheit gefunden worden zu sein. Vgl. W. Schenk, Die Einheit von Wortverkündigung und Herrenrnahl, 65-92, für einen Forschungsbericht bis 1970, der mit A. Schweitzer und O. Cullmann gegen C. Weizsäcker für die Einheit plädiert; ].c. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 1994, 50-81, der sich wieder für ein Nebeneinander von Herrenmahl und Wortgottesdienst in Korinth ausspricht. 345 s. S. 167f für den Nachweis, daß O1JVEPXE06m und e:rd 'to wJ"to term. tech. für die gottesdienstliche Versammlung der Gemeinde darstellen.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
30r
bzw. eine mit diesem Wort verwandte Form steht, was an eine Einbettung des Herrenmahls "in das Geschehen eines charismatischen Gottesdienstes" denken läßt346 • Dagegen läßt sich aber einwenden, daß Paulus diese Vokabel nicht auf das Herrenmahl oder den Gottesdienst einschränkt (vgl. z.B. rKor 1,J4). Gegen ein Miteinander von Herrenmahl und Wortgottesdienst spricht die Anwesenheit VOll Nichtchristen bei den Zusammenkünften (1Kor 14,24 - ämO'w<; Tl iOlw-r11<;; vgl. auch 1Kor 16,22f, denn nach den Ausführungen von rKor ro ist nicht damit zu rechnen, daß solchen Zugang zur Mahlfeier gewährt worden wäre. Den Ungetauften Gemeinschaft an Blut und Leib Christi zu geben (rKor ro,r6), würde das vorwegnehmen, was in der Taufe geschieht (vgl. rKor I2,r3). Umgekehrt aber läßt es sich sehr gut denken, dag Ungläubige bei einem Wortgottesdienst mit missionarischer Ausrichtung anwesend gewesen wären. Außerdem: Nach einer Auslegungsvariante (s. u.) kommen die Habenichtse für das Sättigungsmahl zu spät (rKor II,21), und die "Wohlhabenden" werden von Paulus ermahnt, mit dem Essen auf diese später kommenden, "ärmeren" Gemeindeglieder zu warten (rKor Ir,33). Damit entsteht eine weitere Scbwierigkeit, wenn man die Mahlfeier auf den Wortgottesdienst folgen läßt, was in der Regel von den meisten Vertretern einer einheitlichen Versammlung angenommen wird. Diese Schwierigkeit bleibt, auch wenn man mit dem Brotwort vor dem Wortgottesdienst rechnet. Denn es ist unwahrscheinlich, daß man mit dem Brotwort nicht auf die Ärmeren gewartet hätte; der Praxis, eine solche liturgische Handlung zu vollziehen, bevor alle sich versammeln konnten, hätte Paulus sicherlich schärfstens widersprochen. Von einem solchen Widerspruch finden wir aber keine Spur in seinem Brief an die Korinther. Diese ganze Frage wird allerdings gleich entschärft, wenn man mit H.]. Klauck "mit einer größeren Vielfalt und mit Überschneidungen" rechnet 347 • Vor allem, wenn unser Ansatz von einer Nlehrzahl von HGn zutrifft, werden in den kleineren Gruppen sowohl reine Mahlfeiern als auch reine Wortgottesdienste abgehalten worden sein. "An verschiedenen Abenden in der Woche kann Verschiedenes getan worden sein. Neben Mahl- und Wortgottesdienst stehen Tauf-
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H. Schlier, Das Herrenmahl bei Paulus, Hausgemeinden, 37.
1971, 211.
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Hausgemeinde und Mission
feier 348 , Missionspredigt und katechetische Unterweisung, die je ihren eigenen Ort brauchen. Man wird also für das Zusammenkommen der Hausgemeinden die gleichen Inhalte annehmen wie für die Vollversammlung ... Denn die Gesamtversammlung, die selbst nirgends anders Platz findet als in einem Haus, setzt nur fort, was in den kleinen Hausgemeinden begann. Überhaupt sind ... die Übergänge zwischen Hausgemeinde und Ortsgemeinde so fließend wie nur möglich zu halten. Nur die Eckwerte stehen fest: die Einze!familie hier, die voll ausgebildete Ortsgemeinde dort. Die Realität der ersten Gemeinden hat sich häufig in dem schwer zu definierenden Zwischenfeld abgespielt. ,,349
b) Die Mahlfeier in den korinthischen Hausgemeinden Als Paulus die Gemeinde in Korinth gründete, lehrte er die Christen in Korinth (1Kor II,2), das KUptaKOv ÖEtnvOV (1Kor II,20) in einer bestimmten Weise zu feiern. Er hat ihnen einen konkreten Text eingeprägt, der für die Mahlfeier bestimmend sein sollte (Il(or II,2335)350. V.a. hat Paulus großen Wert auf die Kongruenz von Herrenmahl und Herrenmahlsfeier gelegt (vgl. 1Kor 10,17; I2,uf). Eine Mahlfeier, die der Gemeinschaft der Christen widerspricht, ist für Paulus keine echte Herrenmahlfeier. Die Mahlfeier, wie Paulus sie (nach Jerusalemer bzw. antiochenischem Vorbild) eingeführt hat, wurde wohl als ein von der Herrenmahlsfeier gerahmtes gemeinsames
Klauek, ebd., weist ebenfalls und zu Recht darauf hin, daß die Taufe von Häusern nahelegt, daß die Tauffeier in irgendeiner Weise an den Oikos gebunden war. 349 H.]. Klauek, HG, 38f. Anders N. Afanassieff, L'assemblee eueharistique unique dans l'eglisc aneienlle, Kleronomia 6 (1974), 1-34, der überwiegend auf Grund von Röm 16,23 für die Herrenmahlfeier nur auf der Gesamtversammlung der betreffenden Stadt argumentiert. Dagegen spricht gerade das Argument von Klauck (cf. Klaucks Zitat), daß die Mahlfeier noch Teil des Sättigungsmahls und ursprünglich im Rahmen einer Hausgemeinde gewesen ist. Wo es ein Nebeneinander von HGn und Ortsgemeinde gab, wird es wohl auch in all diesen HGn gemeinsame Sättigungsmähler und damit auch Mahlfeiern nach der Einführung eines Gesamttreffens wieterhin gegeben haben (vgl. v.a. Korinth gleich u.). 350 Für den jesuanischen und antiochenischen Hintergrund und eine ausführliche Beschreibung des paulinisehen Verständnisses vgl. P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 206ff.363-371. Wahrscheinlich ist, daß Paulus bei der Gründung der korinthischen Gemeinde dem Vorbild von Antiochien und Jerusalem folgte und die Christen in Korinth lehrte, das Herrenmahl so zu feiern, wie die Glaubenden vor und neben ihnen (s. S. 157ff). 348
Die Verwendung von Räusem in der paulinischenlvIissiol1
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Sättigungsmahl gehalten351 • Der Mahlfeier konnte eine Wortverkündigung vorangehen. Wahrscheinlich rechnete Paulus damit, daß sein rKor-Brief am Anfang der Mahlfeier vorgelesen werden sollte, denn der Schluß seines Briefes (rKor r6,20-24; vgl. mit Did ro,6) läßt einen Übergang zum Herrenmahl deutlich erkennen352 • Für die Mahlzeit brachte jeder das mit, was ihm an Speisen und Getränken möglich war. Es war für Paulus selbstverständlich, daß die ärmeren Christen, die weniger oder auch gar nichts mitbringen konnten, sich genauso an den von anderen mitgebrachten Speisen sattessen durften wie die "wohlhabenden" Gemeindeglieder . Aus rKor rO,r4-22 und II,r7-34 ist aber zu entnehmen, daß nach dem Weggang des Apostels in Korinth Mißstände bei der Herrenmahlsfeier eingetreten sind, die dem, was er diesbzgl. bei seinem Besuch in Korinth eingeführt hatte, widersprachen. Die KOLVWV{U der Tischgäste des Herrn wurde durch eine doppelte Spaltung gestört. Es sind nämlich Spaltungen theologischer und soziologischer Art zwischen verschiedenen Gruppen entstanden (xKor x,ro-x7; rKor r,26-29). Vor allem und ausgerechnet bei der Herrenmahlfeier zerfiel die Gemeinde in zwei Gruppen, die Reichen und die Armen. Während die einen es sich schmecken ließen, hatten die anderen kaum zu essen und wurden durch die Wohlhabenden beschämt. Paultls widerspricht diesem Verhalten mit aller Schärfe (rKor II,X9). Für eine Rekonstruktion der korinthischen Situation nach dem Weggang des Apostels ist die Auslegung der beiden Verben repoAU~tß&VELV und f:Kötxw8m in rKor II,23.33 von großer Bedeutung. Meist versteht man repoA.U~tß&VELV im Sinne von "etwas vorwegnehmen" und EKötxE08ut als "auf etwas/jemanden warten ".153.
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P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 366. Vgl. aber auch andere Vorschläge, wie die von !'vI. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft. Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern, TANZ 13, Tübingen 1996, mit seinem Ansatz eines hellenistischen Hintergrundes zur korinthischen Mahlfeier oder von H.]. Klauck, Herrenmahl, 318f, der mit einer herallsgehobenen Versammlung der Gesamtgemeinde mit den Bestandteilen Sättigungsmahl - eucharistische Doppelhandlung - Wortgottesdienst in dieser Reihenfolge analog zu dem antiken Symposium rechnet. Diese Reihenfolge ist angesichts der Hinweise von G. Bornkamm nicht gut möglich (s. ll. nächste Anm.). G. Bornkamm, Das Anathema in der urchristlichen Abendmahlsliturgie, 1966, 123-133; C. Wolff, IKor, 1996, 437f; J.c. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 5 8f. So wird das Wort von Paulus, im NT und bei den Apostolischen Vätern meist verwendet (vgl. z.B. rKor r6,u).
Hausgemeinde und Mission
So kommen viele Forscher zu folgendem Verständnis 354 : Obwohl Paulus ursprünglich ein von der Herrenmahlfeier umklammertes Sättigungsmahl in Korinth einführte, haben die dortigen Christen Brot- und Weinwort an das Ende des Mahles versetzt und diese liturgische Handlung sakramentalistisch überbewertet. Außerdem haben die Reichen und Freien, die früher zum Mahl erscheinen konnten, ihre eigenen Mahlzeiten vorweggenommen. Für die Unfreien und ärmeren Lohnarbeiter, die den Haushalt ihres Herrn oder die sonstigen Arbeitsplätze nicht eher verlassen und wenig oder gar kein eigenes Essen mitbringen konnten, blieb so gut wie nichts an Speise und Trank übrig. Die reichen Gemeindeglieder gingen anscheinend davon aus, daß es letztendlich darauf ankam, daß alle Brot und Wein als geistliche Speise zu sich nahmen und so an der Kraft des Geistes, die in den Elementen enthalten ist, Anteil haben. SchliefSlieh konnten die später kommenden Habenichtse das Herrenmahl ganz mitfeiern. Allerdings übersahen die Reichen vollends, daß ihre ärmeren Mitchristen dabei noch hungrig waren und obendrein mitansehen mußten, wie ihre reicheren Glaubensgenossen nicht nur satt, sondern dann und wann auch schon angetrunken waren. Diese Rekonstruktion ist nicht ohne Probleme. Welcher Sinn kann darin bestehen, mit dem· Essen aufeinander zu warten, wenn jeder sein eigenes Essen einnimmt (rr,2I). Wenn die Habenichtse kein eigenes Essen mitbringen können, weil sie eben nichts haben, ist ihnen nicht damit geholfen, dafS die "Wohlhabenden" mit ihrem Essen bloß auf sie warten. Das Warten impliziert m.a.W. schon ein Teilen. O. Hofius hat deswegen eine pointiert andere Sicht vorgetragen 355 • Für ihn bedeutet eKötXEa8m "gastlich aufnehmen" und nicht "warten". Er schlägt aufSerdem vor, :n:poAuf-l.!3avELv im Sinne von "sich sein eigenes IVlahl vornehmen" bzw. es "zu sich nehmen" aufzufassenJ56 • Nach dieser Auffassung hat man in Korinth Brot- und Becherwort nicht erst nach der Mahlzeit gesprochen, und damit das Herrenmahl sakramentalistisch überschätzt, sondern doch die ursprüngliche Anordnung des Paulus beibehalten. Der Mißstand und zugleich der Gegenstand der Kritik des Apostels hat demnach darin 354
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Vgl. z.B. G. Bornkamm, Herrenmahl und Kirche, 1970, 138-176.14If; weitere Auflistung der Vertreter dieser Sicht bei O. Hofius, Herrenmahl und Herrenmahlsparadosis, 1989, 2.07, Anm. 2.6; zuletzt J.c. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 55-67. Herrenmahl und Herrenmahlsparadosis, 1989, 2°3-243. Hofius, ehd., 2.18f.22.of.
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bestanden, daß jeder sein eigenes mitgebrachtes Essen in einem Raum verzehrte und so die einen hungerten und die anderen vor den Augen dieser " schwelgten ". So werden die ~tTj exoyw; von den Wohlhabenden beschämt357 • Diese Deutung ist sprachlich und sachlich möglich, auch wenn der vorgeschlagene Sinn für EKoexw8m im Neuen Testament und bei den Apostolischen Vätern recht ungebräuchlich bleibt. Sie ist jedenfalls die historisch einfachere Rekonstruktion 358 • Eine gewisse Unterstützung der Rekonstruktion von O. Hofius bietet B. Winter, der auf dem sozio-historischen Hintergrund des antiken Oikos mit besonderer Berücksichtigung des Patronatssystems 359 unabhängig von Hofius zu ähnlichen exegetischen Ergebnissen kommt 36o • Er übersetzt ltPOAcq..tßavro mit (devour) hinunter357 358
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Hofius, ebd., 219f. Mit P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 369. Anders allerdings C. Wolf, 1Kor, 1996, 256-28I. Für ].c. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 55, Anm. 72, macht diese Rekonstruktion die Hinweise des PUlllus, man könne doch zu Hause essen, fast unverständlich (1Kor II,22.34). Das Problem sei nicht ganz gelöst, da es immer noch ärmere Habenichtse in der Gemeinde gibt, die auch außerhalb der Herrenmahlfeier Not leiden. Die Frage, was die Armen außerhalb des Gottesdienstes während der Woche gemacht haben, ist allerdings nicht Gegenstand der Diskussion in 1Kor II,I7-34. Dort hören wir nur, daß bei der Mahlfeier die Reichen üppig und die anderen ganz kärglich essen mußten und dies hält Paulus für unmöglich. Für die gemeinsame Mahlzeit der Gemeinde müßten andere Sitten gelten. Er schlägt die einfache Regel vor, wer üppig essen will, der soll das zu Hause machen. Man sollte deswegen aber nicht annehmen, Paulus wäre es egal, daß die Brüder, die zu Hause essen sollten, aber nichts zu essen haben, deshalb noch hungrig in den Gottesdienst kommen, während die "Reichen" satt und zu frieden daran teilnehmen konnten. Paulus kann in rKor I I unmöglich mit dem Prinzip "out of sight, out of mind" gemeint haben, daß das Problem der Habenichtse damit geregelt wäre. Was er gellau darüber dachte, sagt er in rKor 1 I nicht. Es heißt aber, daß er kommen will, um das andere zu ordnen (vgl. V. 34b). Eventuell ist diese Regelung nur eine provisorische "Interimsethik" gewesen, wobei Paulus daran denkt, später eine befriedigerel1de Lösung einzuführen. VgJ. B. Winter, The Lord's Supper, 82. Für deli eindeutigen Nachweis eines Patronatensystems zu dieser Zeit in Korinth s. S.338fv.a. die Lit. in Anm. 483. The Lord's Supper at Corinth: An Alternative Reconstruction, RTR 37 (1978), 73-82; ders., Secular and Christian Response to Christian Famines, TynB 40 (1989), 86-r06. Ihm folgend B.B. Blue, The House Church at Corinth
Hausge111einde und Mission
schlingen (von der Grundbedeutung: empfangen) ohne zeitliche Konnotation für np0361 (vorwegessen z.B.) und führt inschriftliche Evidenz für diese Möglichkeit an 362 . Er übersetzt konsequenterweise aAA~AouC; eKMxwEIE mit "mit den anderen teilen" ('ta receive one another' in the sense of sharing) und nicht mit "auf sie warten"363. Unser Problem in IKor II,I7-34 ist, so Winter, anscheinend wegen sozio-ökonomischer Unterschiede unter den korinthischen Christen entstanden, die dann beim KUPLUKOV DEtnvOV hervorgetreten sind. Für ihn liegt ein Teil des Problems darin, daß es beim Mahl eine klare Trennung nicht einfach zwischen den Reichen und den Armen 36 \ sondern zwischen "Sicheren" (Versorgten) und den "Unsicheren" (Unversorgten) gab. Die Versorgten (the secure) sind diejenigen, die sich selber versorgen konnten (z.B. Hauseigentiimer, selbständige Geschäftsleute) bzw. diejenigen, die in einem Oikos untergebracht waren und von einem anderen, z.B. dem Patron ihres Hauses, versorgt wurden, z.B. Mitglieder der Familie, Sklaven, Klientela, Freunde. Die Unversorgten dagegen (the insecure) sind diejenigen, die sich selbst nicht versorgen konnten, bzw. die nicht im Schutznetz eines Patrons untergebracht waren. Sie sind " ... those who had no houses, in the sense that they were not connected to the essential social unit of the first century, the hausehold, and thereby lacked that social security that provided a guarentee whether a man was a household slave or a f.reedman, of food, clothing and other benefits"365. Solche Leute, selbst als Freie, waren in der Antike noch schlimmer dran als manche Sklaven, die wenigsten mit der Fürsorge des Hausvorstandes rechnen konnten. Im Falle einer Hungersnot z.B. waren sie wie ausgeliefert. In IKor II haben wir folgende Situation: Während die Versorgten ihre Mahlzeit verschlungen hatten,
361 Vgl. ähnlich auch Moulton/Milligan, The Vocabulary of the Greek Testament, 1972,542; Bauer-Aland', Sp. 1405f. 1404. 1170 1,5.7.9f; und ders., Lord's Supper, 75ff für weitere Beispiele. Seine
362 Vgl. SIG' 363 364
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Übersetzung kann man im Sinne der Auslegung von Hofius verstehen, allerdings dann als Steigerung von "zu sich nehmen". Vgl. Lord's Supper, 79f. Hier liegt wieder die Übersetzung von Winter der von Hofius "sich jemandes annehmen" sehr nahe. V.a. G. Theißen, Soziale Integration, in: Studien, 290-3I7, aber auch viele mit ihm gehen von der Grundannahme aus, daß es sich in unserem Kontext um die Reichen und die Armen handelt, was im Grunde zutrifft, nur sind diese Bezeichnungen nicht präzise genug. Winter, The Lord's Supper, BI. Vgl. auch E.A. ]udge, Social Pattern, 1960,60.
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hatten die Unversorgten gar nichts und mußten obendrein zusehen, wie die anderen sich sattessen konnten. Winter stellt die Frage, wie es überhaupt einen solch klaren Verstoß gegen die Anordnungen gegeben haben kann, die Paulus während seines langen Aufenthaltes in Korinth (Apg I8,II; IKor II,2) über das ihm so wichtige Herrenmahl sicherlich eingeführt hatte. Warum haben nach so kurzer Zeit, zwischen dem Besuch des Paulus in Korinth und dem Schreiben des IKor, solche Zustände beim Mahl geherrscht? Ist in der Zwischenzeit etwas geschehen? Nach epigraphischen Quellen hielt Tiberius Clalldius Dinippus, ein wohlhabender Patron in Korinth, das Amt eines curator annonae drei NlaP66. Zum curator annonae (annona: jährliche Getreideversorgung) wird man nur zur Zeit einer eingetretenen oder drohenden Hungersnot bestimmt. Dieses Amt hat die Aufgabe, die Hungersnot zu bekämpfen. Winter weist darauf hin, daß die Kuratorschaft von Dinippus am wahrscheinlichsten in die Zeit einer schweren Hungersnot fällt, während Gallio Gouverneur von Achaja war (sr-52). Wenn dies stimmt, hätte die Hungersnot kurz nach der Abreise von Paulus in Korinth geherrscht367 . Solch eine Hungersnot hätte notwendigerweise die Wirtschaft in Korinth schwer getroffen, mit der Folge, daß diejenigen, die normalerweise genügend Nahrung hatten, nun auf die Almosen, die vom curator annonae verteilt wurden, angewiesen waren. Die Unterscheidung zwischen denen, die genügend hatten, und denen, die auf Almosen angewiesen waren, muß sich in der HG beim Mahl bemerkbar gemacht haben. Anscheindend haben die "Sicheren" (Habenden) kein Mitleid mit den "Unsicheren" (Habenichtsen) gehabt. Paulus reagiert mit Ablehnung darauf: Die "Sicheren" sollen dem Evangelium entsprechend 368 mit den" Unsicheren" teilen. 366 Vgl. A.B. West, Corninth, Latin Incriptions, nr. 86-90; J.H. Kent, Corinth, The Inscriptions, 1926-1950, I966, nr. I58-I63; B. \'{finter, Corinthian Famines, 86106. 367 Die Zeit des Aufenthaltes des Pautus in Karinth ist allerdings, wie schon erwähnt, umstritten. Vgl. mit Winter J. .Murphy O'Connor, St. Paut's Corinth, 1990, 137160; M. Henget, Zwischen ]esus und Pautus, 1971/72, I5-38, v.a. 16ff; für aus. führliche Besprechung vgl. R. Riesner, Frühzeit, r994, 139-r89. 368 "Ta refuse to receive (EKöExw6m = RG) at the Lord's Dinner ... in the fullest sense of the word, those whom Christ has unreservedty recieved, both denies the reality of the Gospel to break down alt barriers, and brings to light in the banquet of the newage those socio·economic divisions that belong to the age that is passing away." (Winter, The Lord's Supper, 82).
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Wenn Winter mit seiner These einer Hungersnot recht hat, ist sein Beitrag interessant und weiterführend. Es bleibt aber die Schwierigkeit der Datierung des Aufenthaltes Paulus in Korinth (s.o.). Auch das Problem, dag sich eine solche Situation nirgends in den Korintherbriefen eindeutig spiegelt369 , mug hier zur Vorsicht mahnen. Insofern ist das unmittelbare Verständnis von rKor I r nicht davon abhängig zu machen. Es ist gut möglich, dag es so gewesen ist sicher wissen wir es aber nicht. Die bei der Mahlfeier aufgetretenen Spannungen: In rKor I,IO12 beschwert sich Paulus über die Existenz von Parteiungen. Es liegt nahe, daß die Häuser, die Paulus und Apollos beim Aufbau der Mission in Korinth bei sich gastfreundlich aufgenommen haben, nun Hausgemeinden geworden sind, die diesen weiterhin die Treue hielten. So gesehen ist ihr Haus zum Versammlungsraum der Paulusbzw. der Apollospartei geworden, d.h. auch zur Hausgemeinde, in der wohl gerade so einem Hausvorstand bzw. Lehrer als Paulusbzw. Apollosvertreter die Loyalität geschenkt wird. Es wird in Korinth also sichtbar, daß der Zustand eines Nebeneinanders von mehreren HGn und der Gesamtgemeinde am Ort erste Schwierigkeiten mit sich gebracht hat. In den HGn hat man deswegen zu recht eine Ursache und den Nährboden für diese potentielle Spaltung gesehen. "The existence of several house churches in one city goes far to explain the tendency of party strife in the apostolic age. ,,370 Die Gebundenheit an bestimmte Häuser konnte in sich ein unterschwelliges Potential für solche Spaltungen innerhalb der Gemeinde einer Stadt bergen. Ob diese Spaltungen sich auf die Feier des Herrenmahls auswirkten, ist unsicher. Denn in IKor I r spricht Paulus von a.ip€aw; und
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Winter, Corinthian Famines, 94, weist auf indirekte Evidenz einer Hungersnot im lKor. Die Themen, die Pauills aufgrund der Fragen der Korinther in rKor 7 (z.B. Ehestatus und Prokreation) behandelt, könnten symptomatisch für eschatologische Ereignisse sein (vgl. Mk 13,3-37 als Indiz, daß man eine Hungersnot so hätte verstehen können). Auch rKor 7,'1.6 (a.vaYKTll kann man als gegenwärtige Realität auslegen (Winter, ebd., 93; vgl. auch G. Fee, rCor, 328f). Ohne Frage war für die Menschen in Korinth (vgl. lClem 56,9) und sonst in der Antike eine Hungersnot eine immerwährende Drohung (vgl. P. Garnsey, Famine and Food Supply in the Graeco-Roman World, 1988). F.V. Filson, Significance, IIO. Ihm folgen die meisten, die sich mit dem Thema HGn beschäftigt haben. Vgl. z.B. A.]. Malherbe, Soeial Aspects, 9'1.-II'1.; H.]. Klauek, HG, 39; W.A. Meeks, Urchristenmffi, 162; L.M. White, God's HOllse, I03-11O.Anm. 31; B.B. Blue, In Public and in Private, 176-I89.
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nicht von ax(a~La1;a. Wie man diese bei den Begriffe auffassen sollte, ist umstritten. Obwohl alpwLS; oft Wechselbegriff zu ax(a~La ist, kann derjenige, der rKor rr,I9a mit der Formulierung "es tnuß Spaltungen unter euch geben" übersetzt, weil sie ein unbekanntes, auf das Jüngste Gericht verweisendes Jesuswort aufgreift (vgl. Justin Dial 35,3 )371, die bei den Begriffe nicht mehr synonym verstehen. So gesehen wäre die Situation in rKor r r nicht mehr sozio-historisch zu erfassen, da die Trennungen dann weit über bloße Streitigkeiten auf dem Hintergrund der HGn hinausgingen. Angesichts dieser doppelten Deutungsmöglichkeit ist es ratsamer, auf die sozio-historische Dimension von Spannungen nicht an dieser Stelle, sondern erst Im nächsten Kapitel einzugehen - dort, wo wir Tit r,11 auslegen.
c) Der Wortgottesdienst in den paulinischen Hausgemeinden Im rKor r4 hat Paulus anscheinend eine andere Art von Gottesdienst als die Mahlfeier vor Augen, denn es ist ausgeschlossen (rKor JO), daß Ungläubige (IKor 14,22f) Zugang zur Herrenmahlsfeier hatten (s. S. 300f). Außerdem wird die Herrenmahlfeier in Kap. 14 nicht erwähnt371 • Daß Nichtchristen in den Gottesdienst kommen könnten, ist von Paulus in diesem Kontext als hypothetische Möglichkeit in Erwägung gezogen (vgl. Konjunktiv), aber damit ist nicht gesagt, daß er meint, sie würden nur dann und wann eher zufällig "hereinplatzen". Es wird durchaus real damit gerechnet, daJS Ungläubige mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den Gottesdienst kommen; sonst verliert das Beispiel seine Überzeugllngskraft. Folgende Elemente werden für den Gottesdienst in 1Kor genannt: das Lied, das Gebet in Zungen, die prophetische Rede und das Lehren (1Kor 14,26-33)373. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, daß das Gebet in. verständlicher Sprache ebenfalls ein Teil des Gottesdienstes gewesen ist (vgl. 1Kor II,4f). Zur OLOaXtl kann auch das Vorlesen von Schriften gehört haben, auch 'Nenn dies nicht ausdrücklich in rKor 14 von Paulus erwähnt wird 374 • Wenn Nichtchri-
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Vgl. J. Jeremias, Unbekannte Jesusworte, 1965, 74f; ihm folgend P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 368. Anders eh. Wolff, 1Kor, T996, 260f. Für zusätzliche Argumente vgl. Je. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 60f. Für den ausführlichen Nachweis vgl. Je. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 6772 •
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So auch F. Hahn, Der urchristliche Gottesdienst, 61. Der Streit, ob in einer heidnischen Gemeinde wie Korillth aus den Schrifren vorgelesen wurde, ist an Hand von IKor 14 nicht zu schlichten. Vgl. Je. Salzrnalln, Lehren und Ermahnen, n
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sten Zugang zum Wortgottesdienst hatten, ist auch anzunehmen, daß die Predigt in dem Fall wenigsten z.T. missionarisch ausgerichtet war. Auf die Leitungsstrukturen gehen wir in einern späteren Abschnitt ein. Der Wortgottesdienst der Korinther hat wenigstens das Gebet und die Vorlesung der Schrift mit dem Synagogengottesdienst gemeinsam, was dafür spricht, daß er eventuell als Vorbild auf den christlichen Gottesdienst eingewirkt hat 375 • Zur Ergänzung des Bildes vorn Gottesdienst in den paulinischen HGn wollen wir noch einen kurzen Blick auf die anderen Stellen aus den Paulusbriefen werfen. Die abschließenden Mahnungen in 1Thess 5, I 6-22 können in einern gottesdienstlichen Zusammenhang stehen (vgl. die Ermahnung, den Geist nicht zu dämpfen und prophetische Rede nicht zu verachten), auch wenn der Horizont über den einzelnen Gottesdienst hinaus in den Alltag geht. In Röm I2,3-8 stellt Paulus das Dienen, Lehren und Ermahnen neben die Prophetie. Hier denkt er auch an den Gottesdienst, obwohl das Dienen wieder über den gottesdienstlichen Zusammenhang hinausweist. Im rThess 5,27 fordert Paulus die Briefempfänger auf, den Brief wohl in den einzelnen HGn (s. 0.) "vor allen Brüdern verlesen zu lassen". Hier wird deutlich, daß der Brief in den einzelnen HGn verlesen werden sollte 376 • Das kann man zugleich als Hinweis dafür sehen, daß erstens schon zu diesem Zeitpunkt das Verständnis, daß der paulinische Brief als "Schriftwort" zu gelten hat, sich anbahnt und zweitens, daß es in den HGn Wortgottesdienste gab (s. allerdings Anm. 374)377. In Laodizea (Kol 4,16) hat man auch das Lesen der Paulusbriefe während der gottesdienstlichen Versammlungen in den Häusern vorgenommen. In Kol 3,16 wird außerdem die gottesdienstliche Zusammenkunft der Gemeinde angesprochen (vgl. Eph 5,19), die offen-
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für die anderen Argumente dafür, wie die Anwesenheit von ehemaligen Juden und Gottesfürchtigen in der kor. Gemeinde, der Bezug zur Schrift und jüdischen Tradition in der Argumentation des Paulus im 1Kor. Eine Gemeinde mit wohlhabenden Mitgliedern wie Korinth hätte sich sicherlich mindestens eine komplette Schriftrolle finanziell leisten können. Wie es in den einzelnen HGn aussah, ist eine andere schwierig zu beantwortende Frage. Diese Frage entschärft sich etwas, wenn man berücksichtigt, daß die christlichen Gemeinden wahrscheinlich keine Rollen mehr benutzten, sondern Codices. AusführlichJ.C. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 75ff. Anders T. Holz, 1Thess, 274. G. Bornkamm, Anathema, 1966, 123-133, hat vorgeschlagen, daß die Verlesung des IKor im Wortgottesdienst von Korinth die Stelle der Predigt eingenommen haben könnte (natürlich nicht ständig, sondern nur beim Empfang).
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sichtlich in den verschiedenen HGn stattfand378 • Hier werden die Lehre und das Singen von Psalmen, Hymnen und Liedern erwähnt 379 . Für unsere Studie relevant ist auch die Nachricht, daß mindestens ein am Abend gehaltener Gottesdienst, d.h. eine (sonntägliche?)380 Mahlfeier381 mit Predigt bzw. Lehrvortrag, bei einer christlichen Versammlung im Obergemach eines größeren dreistökkigen Hauses zu Troas von der Apg bezeugt ist382 •
3. Das Haus in der paulinischen Mission a) Zentrums- und Mitarbeitermission Wir fassen zunächst ganz allgemein die wesentlichen Merkmale der paulinischen Missionsform zusammenJ83 • Geprägt von seinen selbständigen Missionserfahrungen in Syrien und Kilikien (Gal 1,21), aber auch von den an der Seite des Barnabas im Missionswerk der antiochenischen Gemeinde gesammelten Erfahrungen, baute Paulus in der Zeit, als er von Antiochien unabhängig wurde, eine eigenständige und in einigen Punkten neuartige lVIissionsarbeit auf 84 . Von seiner Berufung bestimmt, das Evangelium unter allen Heiden zu verkündigen 385, faßte er den Gedanken der Notwendigkeit einer Durch-
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Vgl. H.J. Klauck, ebd., 46. Vgl. dazu differenziert um) ausführlich ].e. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 82-89. Zur Diskussion über den genauen Tag (am Abend des Sabbats oder des ersten Tages der Woche) vgl. R. Pesch, Apg Vh, 190f; J. Roloff, Apg, 297f. Für unseren Nachweis, daß mit "Brotbrechen" hier die christliche M<1hlfeier gemeint sein muß, s. S. I 57ff. Zur Historizität dieses" Wir-Berichts" vgl. nun ].c. Salzmann, Lehren und Ermahnen, 38-4°; R. Peseh, Apg Vh, I 88-I9I;]. Roloff, Apg 297. Im folgenden fassen wir kurz, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, zusammen, wie die pln. Mission im allgemeinen von der Forschung gesehen wird. Vgl. z.B. G. Bornkamm, Paulus, 27-120; F. Hahn, Mission, 80-94; M. Hengel, Zwischen ]esus'und Paulus, NTS 18, I51-2.06; ders., Ursprünge, I5-38; P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz, I21-126; H. Kasting, Anfänge, 53-I23; J. Becker, Paulus,102-159· Dies geschah wahrscheinlich nach dem antiochenischen Zwischenfall und galt V.:J.. dann für die sog. 2. Missionsreise des Paulus. Röm 1,5. 13; II,25; 16,26; Gal 3,8. Das paulinische Missionskonzept (vgl. auch noch Röm 1,1-7.14-17; 9,1-5; IO,14-21; II,I-32; 15,14-29) erlaubt es aber nicht, der Heidenmission einen Selbstzweck beizumessen. Das Evangelium gilt nach Paulus vielmehr "jedem Glaubenden, dem Juden zuerst und dann auch dem
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querung der ganzen Welt386 , Gestützt auf die ursprünglichen Vereinbarungen des Apostelkonzils zog er vom antiochenischen Missionsgebiet im südlichen Kleinasien aus weiter. In einigen bedeutenden Städten Galatiens, Mazedoniens und Griechenlands, in einer Stadt in jeder Provinz, gewöhnlich in deren Hauptstadt: Thessalonich, Korinth, Ephesus, verkündigte er das Evangelium und gründete Gemeinden387 , Er folgte dabei den Wegen des Weltverkehrs, Daher erfaßte seine Mission zuerst die städtischen Zentren, Es läßt sich sowohl der Apg als auch den paulinischen Briefen selbst entnehmen, daß Paulus Schwerpunktmission in diesen Zentren praktizierte 388 • Die Angaben über längere Aufenthalte des Paulus 111 den Städten Korinth und Ephesus bestätigen dieses Bild389 ,
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Griechen" (Riim 1,16). Sein Konzept zielte zwar auf die priesterliche Darbringung der end~eitlichen Vollzahl der Heiden (Röm Il,25). Doch soll nach Abschlug der Heidenrnission die z.Z. des Paulus noch andauernde Verstockung Israels dem Evangelium gegenüber dem Volk Gottes genommen werden und die Verheißung Gottes an sein Volk in Erfüllung gehen können. Am Ende der Geschichte soll Israel seinen Retter in ]esus Christus, dem Erlöser-Messias, erkennen. Vgl. auch P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz, 122. A.v. Harnack, Mission und Ausbreitung I, 79ff. Vieles spricht dafür, daß Paulus an entscheidenden Stationen seiner Reiseroute auch von der Missionsweissagung in Jes 66,18-21 beeinflugt wurde (vgl. R. Riesner und]. Scon - s. S. 215, Anm. 37 2 ). \1(7enn die Provinz und nicht die Landschaft Galatien gemeint ist, liegen die Städte der 1. Missionsreise des Paulus (Apg r3.14) im Gebiet Galatiens. So würde sich auch der Gal in unser Gesamtbild vorziiglich einfügen. Wenn aber die nordgalatische bzw. Landschaftsthese zutreffend ist, wäre davon auszugehen, da!s die paulinischen Missionsbemühungen in Galatien eine Ausnahme bilden, denn unter dieser Voraussetzung wären die Gemeinden Galatiens uicht in gro!sen Städten, sondern in kleinen, relativ nahe beieinander liegenden Orten zu lokalisieren. In der Forschung ist dies umstritten und kann im Rahmen unserer Untersuchung nicbt besprochen werden. Die besser eu Argumente sprechen m.E. für die südgalatiscbe These. Vgl. dazu P. Stuhlmacher, Bibl.Theol. 1, 226 und .J.M. Scott, Paul and the Nations, 1995; 181-215; anders P. Vielhauer, Geschichte Jer urchristlichen Literatur, 1978, 106-108. Lukas zählt insgesamt 18 Städte als Reiseziele und -stationen des Paulus auf (vgl. 13,5-21,8; v.a. r6,4f), Aufenthalte, hei denen es sich meistens um Gründungsoder Stärkungs- bzw. Ermutigungsbesuche der verschiedenen Gemeinden bandelte. Paulus bestätigt die Angaben der Apg. Seine Briefe sind fast alle an Gemeinden in wichtigen Städten geschrieben worden. Die Aussage in Röm 15,19b ist nur unter der Voraussetzung einer Schwerpunktmission in Städten zu verstehen (vgl. G. Bornkamm, Paulus, 73; W.A. Meeks, Urchristentum, 25). rKor 16,r8; Apg r8,18; vgl. für Athen ebenfalls rTbess 3,rf.6.
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Paulus sah seine Hauptaufgabe darin, in diesen Städten Stützpunkte für die sich daraus entwickelnde Mission zu schaffen. Von diesen Missionszentren aus sollten die Städte selbst und dann von diesen Ausgangspunkten aus gleichzeitig deren Hinterland mit dem Evangelium erreicht werden390 • Deshalb blieb Paulus zumeist nicht in diesen Städten, bis der Aufbau der Gemeinden vollendet wurde, sondern nur so lange, bis die Gemeinde auf eigenen Beinen stehen konnte 391 • Diese Gemeinden werden zur Selbständigkeit in der Ausgestaltung ihres Gemeindelebens und in der Verantwortung für die Mission ihrer Stadt und deren Umland von Paulus erzogen. Seine Mittel dazu sind seine Briefe, gelegentlich ein zweiter Besuch und die Einsetzung von Mitarbeitern zur Betreuung dieser Gemeinden. Aufbauend auf dieser Sicht der Dinge und v.a. aus den Erkenntnissen seiner Untersuchung eines der Spezifika der paulinischen Missionsform, nämlich des Phänomens der Mitarbeiter, versucht W.H. Ollrog die paulinische Missionspraxis weiter zu beleuchten392 . Paulus kann dieses riesige Missionsunternehmen nur dadurch bewältigen, dag er das ihm von Antiochien her vertraute Nlitarbeiterwesen weiterentwickelt. Er wählt einige wenige in den Kreis seiner ständigen Mitarbeiter (z.B. Timotheus, Titus, Silvanus), die für Gemeindebetreuung, Organisation der Kollekte usw. eingesetzt werden. Zu diesen langfristigen Mitarbeitern kommen eine ganze Reihe von Mitarbeitern auf Zeit hinzu. Sie werden von den paulinischen Gemeinden ausgesandt und stehen v.a. für die Umlandmission der O.g. Stadtzentren dem Paulus zur Verfügung393 • In diesen "Sendboten der Gemeinde" bzw. Gemeindegesandten (vgl. 2Kor 2,25-30; Phi) 2,25) äugert sich die missionarische Verantwortung der von Paulus gegründeten Gemeinden, gerade weil sie von diesen Gemeinden freigestellt und ausgesandt werden. Durch ihre Gemeindegesandten nehW.H. Ollrog, Mitarbeiter, 157-160. Vgl. schon M. Dibelius, Paulus, I970, 63-77 Lmd auch L. Goppelr, Die apostolische ... Zeit, 61.63; H. Conzelmann, Geschichte des Urchristentums, 198::;.76f; G. Eichholz, Theologie des Paulus, 1991, 25; H. Kasting, Anfänge, 107. 391 Manchmal haben ihn die Umstände gezwungen, vorzeitig und überstürzt abzureisen (vgl. Philippi - IThess 2,1; Thessalonich 1,6; 2,13-2°; 3,1-13). 392 Mitarbeiter, I I I-I 61. 393 Vgl. z.B. IKor 16,15-r8; Phil 2.,25-30; 2Kor 8,18f. Es handelt sich u.a. um Srephanas, Fortunatus, Achaikus und Epaphroditus. Sie sind nicht nur von dem O.g. engsten Kreis der ständigen Mitarbeiter des Paulus, sondern auch von den unabhängigen Mitarbeitern (z.B. Priska und Aquila) zu unterscheiden und stellen außerdem zahlenmäßig die Mehrheit der paulinischen Mitarbeiter dar. 390
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men die paulinischen Gemeinden am Missionsunternehmen des Apostels teil. Hier wird zum ersten Mal im engen Sinne die missionarische Praxis der "Zentrumsmission " historisch faßbar. "Zentrumsmission" wird hier anders als herkämmlich 394 bestimmt395 : Der Begriff meint eine Reihe von gleichwertig nebeneinander stehenden, jungen Gemeinden in (Haupt-) Städten, d.h. Zentren, die dann die Ausgangsbasis der paulinischen Mission wurden. Sie bildeten diese Ausgangsbasis, indem sie Mitarbeiter in die .wIission des Paulus für eine begrenzte Zeit entsandten. "Zentrumsmission " ist der Gegensatz zu der zentral organisierten Mission der antiochenischen Gemeinde. Dort war Ausgangsbasis der Mission eine einzelne Gemeinde, die als "Muttergemeinde" Reisemissionare entsandte, die von Ort zu Ort als Wanderprediger auftraten, nicht lange verweilend, um am Ende zu der Muttergemeinde zurückzukehren. Das Neue am paulinischen Modell, so Ollrog, lag u.a. 1. in der Abkehr von Reisemission und in der Hinwendung zum Aufbau einer Zentrumsmission; 2. im Ausbau des Mitarbeiterwesens; 3. im Selbstverständnis der paulinischen Gemeinden als missionierende eigenständige Gemeinden. Während Paulus seiner Mission am Ort auf diese Weise ein ganz neues Gesicht gab, hat er andererseits in seinem eigenen missionarischen Verhalten auf der überregionalen und weltweiten Ebene wichtige Elemente der radikalen Wandermission beibehalten396 . Dies zeigt sich am Verzicht des Paulus selbst auf Ehe, Besitz und Wohnsitz 397 • Des weiteren hat Paulus auch die Form der Partnermission, die er wohl schon in Antiochien praktizierte, für seine eigene Missionstä-
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Bei Dibelius, Paulus, 61-77 v.a. 62f, ist das Anliegen, das Bild der traditionellen Sicht der Missionsreisen des Paulus zu korrigieren. Paulus hat an Orten Gemeinden gegründet, die meistens an Verkehrsverbindungen lagen, wie z.B. in GrolSstädten wie Korinth und Ephesus, die dann zu Missionszentren (bei Dibelius "Reisezentren") wurden, die die Aufgabe hatten, das umliegende Land bzw. die Provinz zu erreichen. Für Dibelius sind zusätzlich zu Korinth und Ephesus auch Antiochien, Tarsus und Damaskus schon ,~Reisezentren" des Paulus gewesen. Im wesentlichen verstehen die paulinische Zentrumsmission so wie Dibelius auch L. Goppelt, Die apostolische ... Zeit, 61.63; G. Eichholz, Theologie des Paulus, 25f; H. Kasting, Anfänge, 107; H. Conzelmann, Geschichte, 76f. \V.H. Ollrog, Mitarbeiter, 126. Röm 15,I9-2 I. 2 3. Vgl. IKor 7,7; 13>3; Apg 20,33.35.
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tigkeit auf der überregionalen Ebene beibehalten. Als Reisemissionar ist er fast immer mit Begleitung umhergezogen398 • Diese Sicht ist im einzelnen sehr einleuchtend und weitgehend zutreffend. Sicherlich ist das Konzept der Mitarbeitermission mit ihren Gemeindegesandten, und damit die Ergänzung der Zentrumsmission gegenüber Antiochien, etwas Neues. Es gehört ebenfalls zu einem der Verdienste W.H. Ollrogs, die Verbindung von Mitarbeiter- und Zentrumsmission sowie die Bedeutung der Einzelgemeinden in der Bereitstellung der Mitarbeiter für die paulinischen Mission erarbeitet zu haben. Es kann allerdings gefragt werden, ob zu dieser Bestimmung nicht etwas ergänzt werden müßte. Vor allem wird die Bedeutung von Häusern in der paulinischen Mission nicht hinreichend gewürdigt.
b) "Hausmission « Ollrog redet zu Recht von der örtlichen Gemeinde als der Basis der paulinischen Mission. Sie hat die Mitarbeiter bzw. Gemeindegesandten der Mission zur Verfügung gestellt. Diese örtlichen Gemeinden bestanden aber aus einer oder mehreren Hausgemeinde(n) und die Häuser, in denen sie zusammenkamen, waren der Herkunftsort und die Basis der Gemeindegesandten für diese Stadtund Umlandmission. Sie waren noch viel mehr als das - sie waren Ausgangspunkt der gesamten örtlichen und überörtlichen Mission. Paulus selbst beschreibt seine Arbeit als die eines Gärtners, der nur gepflanzt hat, während andere nach ihm begossen haben (IKor 3,6). Auch wenn diese metaphorischen Aussagen nicht bedeuten, daß Pallius lediglich Bekehrungsarbeit geleistet hat, besagen sie doch, daß er "seine Aufgabe in erster Linie darin gesehen hat, Keimzellen für daraus sich entwickelnde Gemeinden zu schaffen "399. Diese Keimzellen aber waren die Hausgemeinden. Denn Häuser dienten in der paulinischen Mission als Missionsstützpunkte, nicht nur als gottesdienstliche Versammlungsräume, sondern auch dazu, daß sie Mitarbeiter für die Mission in der Stadt und deren Umland bereitstellten 40o . Teils waren diese Mitarbeiter die Hauseigentümer selbst 398
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Vgl. mit Barnabas von Antiochien aus (Apg II ,30; 13,2f; 15 ,rf; Gal 2,1); mit Silas auf der ersten (Apg 15,40; IThess 1,1; 2 Thess 1,1; 2Kor 1,1) mit Timotheus auf der zweiten Missionreise (Phil 1,1; Kol 1,1; Phlrn I). Offensichtlich waren alle diese Mitarbeiter ebenfalls unverheiratet (vgl. IKor 9,5f). W. Vogler, Hausgemeinden, 790. So auch E.A. Judge, Scholastic Comrnunity, l27.
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(vgI. z.B. Stephanas aus Korinth oder Priska und Aquila), teils waren sie Glieder der Häuser wie Sklaven oder Klienten (vgl. z.B. die Leute des Stephanas in Korinth), die von Hauseigentümern freigestellt wurden. Ein Paradebeispiel dafür bildet das Haus des Philemon in Kolossä - durch Onesimus hat seine Hausgemeinde an der Mission des Paulus im Raum von Ephesus konkret teilnehmen können401 • Diese Bereitstellung von Mitarbeitern ist auf der wirtschaftlichen und sozialen Grundlage des antiken Oikos ermöglicht worden. I) Gastfreundschaft, Briefe und Reisen
Wie in der jesuanischen und Jerusalemer so auch in der paulinischen Mission stehen ortsansässige Hauseigentümer bzw. städtische Hausgemeinden in einem komplementären Verhältnis zu den reisenden Missionaren (Paulus und seinen ständigen Mitarbeitern) und ihrem Missionsunternehmen401 . Einige spezifische Merkmale der antiken Gastfreundschaft, die auch nur im Rahmen des antiken Oikos zu denken sind, waren im Zusammenhang der pln. Mission von großer Bedeutung403 . Nicht nur für die christlichen Missionare, sondern auch für Juden und Christen, die geschäftlich unterwegs waren, ist die Gastfreundschaft wichtig gewesen. Denn die öffentlichen und auch relativ zahlreichen Herbergen wurden v.a. von Juden und wohlhabenderen Menschen weitgehend gemieden, da sie meist in einem schlechten Ruf standen404 • Reisende griffen deshalb auf private Gast401
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Vgl. v.a. Phlm I}; Kol 4,7f. Mit P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz, 12.3. Ollrog, Mitarbeiter, 101-106, sieht zwar, daß Philemon Hausherr und Leiter über seine Hallsgemeinde war, dag er als Hausherr Verfügungsrecht über Oncsimus besaß und daß Onesimlls, in dem Philemon und seine Gemeinde ihn als Ge-" meindegesillldten an Paulus entsendeten, als Mitglied dieser Hausgemeinde die Missionsarbeit des Paulus unterstützte. Aber die Bedeutung des alKO<; in diesem ganzen Prozel~ bleibt unbetont. Die uns erhaltenen Paulusbriefe geben uns ein beredtes Zeugnis von einer Vielzahl von Reisen und Gesandtschaften. Vgl. PhiI4,r5; 2.Kor 11,9; rThess r,7f; 3,lff; Gal 4,13; 1Kor l,lI; 4,17; 5,9; 7,1; r6,rr; 16,12.; 2.Kor 2.,12.; 7,5ff; 8,6.IO.16f.r8ff.2.2.ff; 9,2..3-5; 12,17f; 13,1; Röm 16,lf. Vgl. A.v. Harnack, Mission I, 192.4, 2.00-2.04; D.W. Riddle, Early Christian Hospitality, JBL 57 (1938),141-154; H. Rusche, Gastfreundschaft, NTs, r958, 1-47; G. Stählin, ThWNT V, ~EVO<;, r-36; J.B. Mathews, Hospitality, 1964, passim; Reck, Kommunikation, 1991, 88f.; M. Leutzsch, Die Bewährung der Wahrheit, 1994, 59-71 (5. bei Leutzsch v.a. 159, Anm. 52. für weitere Lit. zu Gastfreundschaft). Vgl. z.B. Valentin bei Clem.Strom. 11 II4,3-6: "Ein Gasthaus ... bekommt Löcher und Risse, wird oft gar voll Schmutz, weil die Leute liederlich darin hausen!";
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freundschaft zurück, wobei Juden und Christen normalerweise Unterkunft in den Privathäusern ihrer Glaubensgenossen suchten 405 • Wie selbstverständlich Gastfreundschaft erwartet und geleistet wurde, zeigen Stellen wie Apg 21,4-6'7f406. Auf diesem Hintergrund werden auch die Mahnungen des Paulus, Gastfreundschaft zu üben, gut verständlich 407. Zu den sozialen Gepflogenheiten der Gastfreundschaft gehörte auch das Schreiben von Briefen. Diese Praxis war weit verbreitet, und es entstanden mit der Zeit feste Konventionen. Hier ist der Empfehlungsbrief zu erwähnen, mit einer standardisierten Form und einer technischen Sprache, was implizit die gastfreundschaftlichen Verpflichtungen des OtKOC:; ansprach 408 . Typisch sind z.B. die Ausdrücke ltPOOMXO~Lm und ltpom:~Lltw, die in ihrer Funktion als literarische Signale Elemente der christlichen Gastfreundschaft im Kontext der Hausgemeinden erkennbar werden lassen. Im Röm 16,2 findet sich ein solcher Hinweis: die Bitte an die Heiligen in Rom, daß sie Phoebe "gastfreundlich aufnehmen" (vgl. auch Phil 2,29). Sie überbrachte in Rom vermutlich die Urschrift des Römerbriefes 409 , den Paulus während seines letzten Aufenthaltes in Griechenland, in Korinth als Gast im Hause des Gaius, diktierte (vgl. Röm 16,22f) und von dort aus nach Rom (Apg 20,3) schickte. Möglich ist auch, daß Phoebe diesen Brief in den verschiedenen Hausgemeinden erläu-
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und auch L. Friedländer, Darstellungen I, 351; G. Stählin, ~evo<;, 18, Anm. 135; J.B. Mathews, Hospitality, 27f.200; P. Lampe, Zur gesellschaftlichen und kirchlichen Funktion der Familie, Ref 3I (1982),533-542.538. A.J. Malherbe, Social Aspects, 66. Die Mehrzahl der ntl. Hinweise auf Gastfreundschaft finden sich in der Apg (vgl. z.B. 9,43; 10,48; 16,15; r8,3.20; 28,14 - ~lEVELV kann man als term.tech. im Rahmen der Gastfreundschaft verstehen. So J.B. Mathews, Hospitality, 172). Vgl. aber auch 3Joh 5-IO (s. u. unseren Exkurs: Hausgemeinden im 2. und 3. Johan· nesbrief), die pln. Briefe Cal 1,18; lKor 16,M und die Stellen, die wir unten noch erwähnen. Vgl. z.B. Röm I2,13; 16,2; auch sonst im NT Hebr 13,2; 3Joh 8. Chan-Hie Kim, Familiar Creek Letter of Recomendation, 1972, 9-97.II9-Q2; S.K. Stowers, Letter Writing in Creco-Roman Antiquity, 1986, sr-70; A.]. Malherhe, Social Aspects, 94-1°3; P. Marshall, Enmity in Corinth, 1987, 9-I 17. V.a. lKor 16,15f.17f; Phil 2,29f; 4,2f; .IThess 5,I2f und Röm r6,If (s. B.) sind Beispiele solcher Empfehlungsformeln. Mit P. Stuhlmacher, Röm, 1989,217; C.E.B. Cranfield, Romans, 1989,780; "gI. H. Schlier, Röm, 1977, z. St. fiir weitere Auflistung der Exegeten dieser Meinung.
Hausgemeinde und Mission
tert hat41O • Deswegen ist es Paulus besonders wichtig, ihr in Rom Respekt und Hilfsbereitschaft zu sichern. Wie sie als Patronin einer Hausgemeinde in Kenchreä Paulus und den Christen dort Gastfreundschaft geleistet hat, so sollen die stadtrömischen Hausgemeinden sie hier nun auch gastlich aufnehmen. "Paults old house church network from the Aegean was now providing entry into the new house church networks in Rome, through the exercise of letterwriting and hospitality"4I1. Des weiteren ist auch gut möglich, daß u.a. diese otKOL und die Gastfreundschaft ihrer Eigentümer auch die Reisen des Paulus, seiner Mitarbeiter und der o.g. Gemeindegesandten ermöglichten, indem sie ihnen die dafür notwendigen materiellen und finanziellen Mittel mit auf den Weg gaben. Diese Ausstattungsmittel wurden wohl wie in Philippi - von der Gesamtgemeinde (durch Sammlungen) aufgebracht. Viele Mitglieder werden ihr Geld irgendwie im Zusammenhang mit dem antiken Oikos verdient haben. Allerdings ist hier von einer allzu schematischen Vorstellung abzuraten. Wir können nicht sagen, daß jeder Hauseigentümer auch Patron der Gemeinde und der Mission geworden ist. Es könnte sein, daß einige Hauseigentümer ihren Beitrag leisteten, indern sie ihr Haus zur Verfügung stellten und andere wohlhabende Mitglieder viel für die Reise usw. spendeten bzw. die ganze Gemeinde sich daran beteiligte. Nicht jeder, der wohlhabend war, ist gleich eo ipso Hauseigentümer gewesen. Dennoch werden die Wohlhabenden den Großteil davon gespendet haben und zu diesen gehörten auch die Hausvorstände. Das alles wurde ebenfalls durch Korrespondenz organisiert. Indem PauIus Phoebe mit seinem Brief schickte, wollte er seine eigene Reise nach Rom, und von dort aus nach Spanien, vorbereiten. Er hoffte nicht nur darauf, daß er dort gastfreundlich aufgenommen werden würde, sondern auch, daß die römischen Hausgemeinden ihn nach Spanien materiell und finanziell "weiterleiten" wiirden412 (Röm r5,24, vgJ. auch Apg r5,3; rKor r6,6.II; 2Kor r,r6). OiKOL boten PauIus, seinen Mitarbeitern und sonstigen umherreisenden Glaubensgenossen und Missionaren auch Übernachtungsquartiere und eine feste Bleibe für längere Aufenthalte. Wie wir schon sahen,
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R. Jewett, Paul, Phoebe and the Spanish Mission, I988; ihm folgend R. Halteman Finger, Paul and the Roman House Churches, 1993,2.6.75. L.M. White, God's House, roG. Mit CH. Dodd, Romans, 2.28f; gegen J.B. Mathews, Hospitality, I964, 234.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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schrieb Paulus an Philemon, u.a. um ihn zu bitten, ein Gästezimmer vorzubereiten. Ein solches Gästezimmer muß er offen~ichtlich auch bei Gaius bezogen haben (s.o.). Das Netz von Häusern, verteilt im ganzen Missionsgebiet, ermöglichte die für die Mission und den Gemeindeaufbau wichtige, briefliche Korrespondenz des Paulus mit seinen Gemeinden. Jeder seiner Briefe setzt einen oder mehrere Mitarbeiter als Briefträger voraus 4lJ , der/die zu Beginn der Reise auf die Mittel eines sendenden Hauses, aber auch unterwegs auf die Gastfreundschaft mehrerer Häuser, . angewIesen war ( en }414 . Sowohl Stephanas als auch Epaphroditus (Phil 2,25) unternahmen Reisen im Auftrag ihrer Gemeinden zu Paulus 415 • Stephanas überbrachte Paulus einen Fragebrief der korinthischen Gemeinde (rKor 7,r; 8,1; I2,r). In 1Kor 16,17 heißt es, daß er Paulus in Ephesus mit Fortunatus und Achaikus noch besuchen wird. Epaphroditus überbrachte Paulus eine materielle Unterstützung der Gemeinde in Philippi (Phil 4,10-18). Wie wir sahen, ist Stephanas eindeutig Hauseigentümer in Korinth (rKor 1,16; 16,15)416. Es ist anzunehmen, daß seine Unabhängigkeit als Hausbesitzer ihm die. Reise zu Paulus und den Aufenthalt bei ihm ermöglichte 417 • Bei Epaphroditus fehlt allerdings ein Anhaltspunkt, durch den er als begütert bzw. wohlhabend
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Vgl. z.B. IKor r6,3; Röm 16,rf; KoI4,II; Apg r9,27. So auch L.M. White, God's House, roSf. Es ist mit \V.H. Ollrog damit zu rechnen, daß sowohl Stephanas als auch Epaphroditus im Dienst der zeitweiligen Mitarbeit in der Mission im Auftrag ihrer Gemeinden standen (vgl. Mitarbeiter, 63-72.73-79.98f). Vgl. v.a. die Bezeichnung des Epaphroditus mit auvepyoc; KaT. au
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Hausgemeinde und Mission
gekennzeichnet werden könnte 4J8 • Es ist auf Grund seines Namens nicht zu entscheiden, ob er Freigeborener, Sklave oder Freigelassener gewesen ist. Aber auch diese Unsicherheit ist für unsere These unbedeutend. "Sofern Epaphroditus ein Freigelassener ist, müßte davon ausgegangen werden, daß er es zu einem gewissen Wohlstand gebracht hat, der seine Abwesenheit von zu Hause sowie die Reise zu Paulus und den Aufenthalt bei ihm ermöglicht. Da jedoch jeder Hinweis darauf fehlt, ist nicht auszuschließen, daß er vielleicht mit Erlaubnis oder im Auftrag seines Herrn diese Reise unternahm. ,,419 Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Reisen von Gemeindegliedern und ihre Mitarbeit in der paulinischen Mission ohne christliche Häuser unmöglich gewesen wären 420 . Auch in dieser Weise hatten also Häuser eine fundamentale Bedeutung, konkret für die Zentrumsmission, wie Paulus sie für sein Missionsunternehmen weiterentwickelt hat. 2) Gewinnung von Hausvorständen
In der Apg berichtet Lukas besonders vom Erfolg der Mission in der Synagoge unter Gottesfürchtigen und Heiden (s. 0.)421. Gerade dieser Kreis war für die Ausbreitung des Christentums bedeutsam. Gottesfürchtige entstammten nämlich zum größten Teil sozial gehobenen Schichten (s. S. 267f). Deshalb waren sie für das Diasporajudentum von großer Bedeutung. Sie konnten z.ß. auf Grund ihres Wohlstands mit ihren Spenden die jüdischen Gemeinden finanziell absichern 422 • 418 419 420
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Vgl. M. Lambertz, Die griechischen Sklavennamen, 19°7,49,73-87.88 'und die Diskussion bei M. Gielen, Tradition und Theologie, 97. M. Gielen, Tradition und Theologie, 97. So auch M. Gielen, Tradition und Theologie, 98. VgJ. Apg 13,14-51; I{,1-6; 17,1-9.10-15.17; 18,1-12.19. Es gilt bei vielen Forschern als "lukanisches Schema", das Lukas Paulus aus theologischen Gründen aufzwingt, v.a. um ein bestimmtes Bild hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Synagoge und Gemeinde Christi prägen zu können (vgl. z.B. W. Schmithals, Paulus und Jakobus, 1963,44-49; G. Bornkamm, The Missionary Stance of Palll in I Corinthians 9 and Acts, 1966, 194-207; K. Lönning, Die Saulustradition in der Apg, 1973; W.A. Meeks, Urchristentum, 58f). Vgl. aber Röm 1,16; 10,14-21; IKor 9,20f; 2Kor Il,24f und P. Stuhlmacher, Das paulinische Evangelium, 1968, 99, Anm. 5; S.G. Wilson, Gentiles, 1973, 250; B. Holmberg, Paul and Power, 1978, rrff; A. Weiser, Apg Ir, 315; J. Jervell, Paul in the Acts of the Apostles: Tradition, History, Theology, [984, 68-76. Gerade der missionarische Erfolg unter Gottesfürchtigen kann ebenfalls als historisch gelten (vgl. K. Thraede, RAC 8, 229; H. Gülzow, Christentum und Sklaverei, 24). G. Theißen, Studien, 265; H. Gülzow, Christentum und Sklaverei, 13.1.4-
Die Verwendung von Häusern in der pmtlinischen NIission
32.1
Als die Gottesfürchtigen in großen Zahlen zum Christentum übertraten, kam den christlichen Gemeinden eben dieser Vorteil zugute. So gewann das Urchristentum mit den Gottesfürchtigen einen bedeutsamen Personenkreis, was sich sehr positiv auf Mission und Gemeindebildung ausgewirkt hat. Gerade diese Tatsache wird in der Apg besonders betont (Apg IJ,4b.r2.34). Daß es von Anfang an in den paulinischen Gemeinden Mitglieder dieser wohlhabenden Kreise gab, bestätigt auch Paulus in rKor r,26. Diese Stelle kann man nicht nur theologisch, sondern auch soziologisch lesen. Soziologisch gelesen impliziert die Aussage, daß wenigstens einige ooq)O(, öuva:w(, EUYEVEi:~ zur Gemeinde gehörten (s. o. sozial-hist. Abschnitt B. I). Diese wohlhabende Minderheit erscheint als der aktive Träger des Gemeindelebens. Eine zentrale Aussage stellt rKor 1,14.r6 dar. Im Zusammenhang der Parteistreitigkeiten weist Paulus die Partei, die sich auf ihn berief, ausdrücklich darauf hin, daß er nur wenige Korinther selbst getauft habe. Doch jeder der von Paulus Getauften stellte eine wichtige Persönlichkeit dar: Krispus als Archisynagogos und wohl auch Hauseigentümer; Gaius als Hauseigentümer und Gastgeber der ganzen Gemeinde; Stephanas als Erstlingsgabe und sein ganzes Haus. Nun ist auf folgende Zusammenhänge aufmerksam zu machen 423 ; Diese Angaben des Paulus erscheinen im Lichte von rKor I,26 als durchaus beachtlich, denn obwohl das soziologische Bild der Gemeinde deutlich zeigt, daß die niedrigeren Schichten die Mehrheit darstellen, stammen gerade jene, die von Paulus getauft werden, aus einer gehobeneren Sozialschicht. Die Angaben in 1Kor 1,I6 zeigen also, daß Paulus in Korinth zunächst unter höheren Sozialschichten missionarischen Erfolg hatte und sich am Anfang seiner Missionstätigkeit in Korinth wahrscheinlich auch mit Absicht zuerst an sie wendete 424 • Eine solche Vorgehensweise und deren Erfolg durften begünstigt sein durch die soziale Herkunft und den Status des Paulus selbst, der sowohl das Bürgerrecht der Stadt Tarsos als auch das römische Bürgerrecht besessen haben kann425 • Dazu kommt auch,
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Vgl. dazu M. Gielen, Tradition und Theologie, 1990, Soff. So auch W. Popkes, Adressaten, Situation und Form des Jak, 1986, 73-76. Das bedeutet aber nicht, daß der Apostel eine rein schichtbezogene Mission bewußt getrieben hat. Zum tarsischen lind römischen· Bürgerrecht vgl. Apg 9,11.3°; r 6,3 7f; zl,39; 22,3.25ffj 23,27.39. Vgl. zum Bürgerrecht G. Lüdemann, Das frühe Christentum, 249f; M. Henge!, Der vorchristliche Paulus, ThBeitr 21 (I990), 174-195; ND in:
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Hausgemeinde und Mission
daß er (in Jerusalem) eine höhere Bildung genossen hat426 • Das hat es Paulus erleichtert, im Blick auf seine Missionstätigkeit unter der jüdischen und gottesfürchtigen Bevölkerung eine offene Tür zu finden. E.A. Judge kann sogar (leicht übertreibend?) schreiben: "Er besaß eine Reihe sozialer Qualifikationen, über die in dieser Kombination nur eine sehr kleine lVlinderheit von Personen im östlichen Mittelmeerraum verfügte. Und er unterstrich das ... , indem er sich in den besten Kreisen der Gesellschaft frei bewegte. ,,427 Es ist auch bedenkenswert, daß es sich in allen drei Fällen der korinthischen Täuflinge des Paulus um Hausvorstände handelt. Dabei unterstreicht Paulus selbst zumindest bei Stephanas und Gaius die Bedeutung ihrer Häuser für die korinthische Mission (s.o.). Obwohl Paulus nur in Korinth seine "hausmissionarische" Vorgehensweise zu erkennen gibt, besteht kein Grund zu bezweifeln, daß er dies bei anderen Gemeindegründungen ebenfalls praktiziert hat. Die Angaben des Apostels im Zusammenhang mit der Gemeinde zu Korinth werden in Apg r8,I-8 weitgehend bestätigt (s. S. 235ff). Wie wir sahen, muß Paulus ähnlich in Thessalonich vorgegangen sein, indem er den Hauseigentümer Jason für den Glauben an Christus gewonnen hat (s. S. 229ff zu Apg I7,r-9). Von Philippi hörten wir, wie es von Lukas in Apg I6 berichtet wird, daß er gleich zu Beginn der Mission dort zwei Hausvorstände für Christus gewinnen konnte (s. S. 226ff.). Wie 'und von wem Philemon für den Glau-
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ders. und U. HeckeI, PauJus und das antike Judentum, 1991, 177-2.91, v.a. 188193.193-208; R. Riesner, Frühzeit, 129-139. Paulus und Lukas bezeugen einmütig den pharisäischen Hintergrund des Apostels bzw. seine Ausbildung als pharisäischer Schriftgelehrter wahrscheinlich in Jerusalem und seinen Eifer nach dem Gesetz. Vgl. z.B. Phil 3,4-rr; Röm II,1; Apg 22,J-S; 23,6. Auch die Auslegung des Alten Testaments durch Paulus weist auf ein sehr hohes Maß an schriftgelehrter Bildung hin. Vgl. A. Oepke, Probleme, ThStKr r05 (1933),443. Christliche Gruppen, 57; zum Bürgerrecht und Status vgl. auch B. Grimm, Untersuchungen, 1uf; G. Theißen, Studien, 266; R. Banks, Pau!'s Idea of Community, L994, 150. Diese Sicht zum Status, Bürgerrecht und zur Bildung des Paulus ist in der Forschung allerdings nicht unumstritten: vgl. z.B. S.K. Stowers, Socia! Starus, PubJic Speaking and Private Teaching, NT 26 (1984), 59-82, v.a. 74 und v.a. W. Stegemann, War der Apostel Paulus ein römischer Bürger?, ZNW 78 (1987), 200-229; W. und E.W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, 256-261. Für Gegenargumente vgl. aber dazu die gerade erwähnte Lit. in dieser und in Anm. 4 2 5.4 26 .
Die Verwendung von Häusern in der paulinischenlvIissiol1
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ben gewonnen wurde, wissen wir nicht genau 42R - es ist aber nicht auszuschließen, daß Philemon ebenfalls auf diese Weise zum Glauben an Christus kam. Unsere These wird durch die sog. Oikosformeln in der Apg gestützt (ro,rf.22/rr,I2b-14; r6,14-16; 16,3°-34; r8,8)429. Diese Oikosformeln entsprechen nämlich in der Sache genau der paulinischen Aussage in rKor 1,16 über die Taufe des Stephanas mit seinem ganzen Haus. "In allen vier Oikosformeln sind die Hausherren, [bzw. Hausvorstände = RG] neben dem Besitz des Hauses an sich, auch aufgrund ihres Berufs als begütert und durchaus nicht den untersten Sozialschichten zugehörig zu bezeichnen. Abgesehen vom Kerkermeister in Philippi entstammen sie alle dem Umkreis der Synagoge, wobei Kornelius und Lydia ausdrücklich als Gottesfürchtige bezeichnet werden. ,,430 Die Oikosformeln bestätigen also auch, daß es für die paulinische Mission typisch war, sich am Anfang der Missionstätigkeit in einer Stadt an Menschen aus sozial höheren Schichten zu wenden. So konnte Paulus den Eigentümer bzw. die Eigentümerin eines OiKOC:; samt den Hausgenossen für das Evangelium Jesu Christi gewinnen und ihr Haus zum Stützpunkt seiner örtlichen und überregionalen Mission machen 431 • Die Taufe nicht nur von Einzelnen, sondern
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Nach Kol 2.,1 war Paulus selbst nicht in Kolossä. Möglich ist, daß Philemon von Paulus während dessen langen Aufenthalt in Ephesus zum Glauben an Christus geführt wurde (vgJ. Phlm 19). Vgl. P. Stuhlmacher, Phlm, 30, Anm. 39; G. Schneider, EWNT III, Sp. 1019, der davon ausgeht, daß PhiJemon durch Paulus Christ wurde. s. S. 224ff für das hohe Alter der Formel: hier das Schema: Er/sie ließ sich taufen/kam zum Glauben mit seinem/ihrem (ganzen) Haus. M. Gielen, Tradition und Theologie, 83f. VgI. nun auch D.L. Matson, Household Conversion Narratives in Acts, I996, der auch auf andere Verbindungen zwischen den Oikosformel-Erzählungen hinweist. Vgl. zum "sociaJ setting" der paulinischen Predigt, A.J. Malherbe, Paul and the Thessalonians, 7-I2, der die verschiedenen anderen Möglichkeiten, z.B. die Synagoge (s.o.), Marktplatz oder Straße (Apg 17,I6-34), die Halle (Apg 19,9f) anspricht, die Paulus ebenfalls durchaus auch für seine missionarische Predigt in Anspruch nahm (für die Werkstatt s. S. 244, Anm. II4). Die Versammlungen in öffentlichen Gebäuden bildeten aber offensichtlich eine Ausnahme. Malherbe geht auch auf ihre historische Plausibilität und ihren möglichen religionsgeschichtlichen Hintergrund ein, faßt die Literatur gut zusammen und führt ein kritisches Gespräch mit ihr. Vgl. v.a. S.K. Stowers, Social Status, Public Speaking and Private Teaching, NT 26 (1984), 59-82, der darauf hinweist, daß Privathäuser allgemein als Zentrum intellektueller Tätigkeit dienten (65-70). Allerdings sieht er
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Hausgemeinde und Mission
auch von ganzen Häusern auf einmal führte sicherlich zur schnelleren Verbreitung des Evangeliums. Ein weiterer positiver Aspekt dieses Phänomens ist die damit ermöglichte korporative Solidarität, die wohl bei und nach der Bekehrung wirksam wurde 432 • lvlan konnte schon von Beginn an in seiner Entscheidung für den christlichen Glauben von der ganzen Familie unterstützt und getragen werden. Allerdings konnte die Taufe von Abhängigen im Oikos auch bedeuten, daß ihnen der persönliche Glaube noch fehlte 433 .
3) Die missionarische Ausstrahlung von Hausgemeinden Zur örtlichen Bedeutung des Hauses in der paulinischen Mission ist auf einen weiteren Aspekt aufmerksam zu machen. Paulus ist nämlich nicht nur unterwegs gewesen. Zu seiner Praxis der Zentrumsmission gehörte wie erwähnt eben auch, dag er eine Zeitlang am Ort blieb (vgl. Karinth und Ephesus)434. Bei seinen Missionsversammlungen konnten diese Hausvorstände durch Einladungen an Freunde und Verwandte für eine Zuhörerschaft sorgen. Als Gast des Hausvorstandes war Paulus zugleich "Insider" und durfte nicht nur das Vertrauen des Patrons, sondern auch das des ganzen Hauses samt der Klientel geniegen. Damit entstanden für ihn eine Vielzahl von evangelistischen Gelegenheiren 43s • In diesem Zusammenhang ist auch die Bekehrung von ganzen Häusern zu sehen (vgl. oben die Oikosformel). Dort werden nicht nur einzelne, sondern auch ganze Häuser auf einmal getauft, was sich auch für die schnelle Verbreitung des Evangeliums positiv auswirkte. Ein zusätzlicher Vorteil in Verbindung mit diesem Phänomen ist die dadurch ermöglichte korporative Solidarität bei und nach der Bekehrung. Dadurch waren die Neubekehrten gleich zu Beginn in eine Gemeinschaft integriert, die eine
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keinen Zusammenhang zwischen der Predigttätigkeit des Paulus in der Synagoge und in den Häusern. Vgl. die Kritik M. Gielens, Tradition und Theologie, 84, Anm. 95, an dieser Sicht. Es bleibt nämlich dann die Frage, "wie Paulus den Kontakt zu wohlhabenden Hausherren hergestellt haben sollte. Diese Frage stellt sich um so dringender, als Stowers ebd. 74 darüber hinaus den sozialen Status von Paulus selbst als Jude und Lederhandwerker relativ niedrig ansetzt" (Gielen, ebd., 84)· Vgl. K.O. Sandnes, A New Family, 1994, passim. VgJ. W.A. Meeks, Urdtristentum, 163. Hier wird deutlich, daß der Unterschied zwischen Wanderprediger und Ortsansässiger ein relativer ist. Vgl. auch P. MarshalI, Enmiry in Corinth, 1987, 143.
Die Verwendung von Häusem in der paulinischen Mission
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bedeutende Stütze für ihr weiteres Wachstum im christlichen Glauben sein konnte. An dieser Stelle ist ebenfalls auf den Umstand hinzuweisen, daß Paulus (und Timotheus) Häuser benutzt haben, um als Lehrer des Evangeliums und der rechten christlichen Verhaltensweise zu wirken, und zwar jahrelang (vgl. Apg 1S,l.II; 19,9 mit 1Thess 4,1f; 1Kor 15,1ff und 4,ry). Mit der Rolle von Hausvorständen als Lehrer(innen) stimmt das erstaunlich gut überein (s. u. BA- Leitungsstrukturen )436. Das Haus wird allerdings Paulus nicht nur als Versammlungsraum, Ort der Unterweisung und Quelle der evangelistischen Kontakte gedient haben. In diesem Zusammenhang ist folgende Beobachtung von L. Goppelt bedenkenswert: "Weil die Mission in den Diasporasynagogen einsetzte, trat in den meisten größeren Städten die Botschaft von Anfang an nicht nur als einsame Rede vor die Heiden, sondern im Rahmen einer praktizierenden Gemeinde. An den Missionsversammlungen, die Paulus ... abhielt, war höchstwahrscheinlich auch die Gemeinde beteiligt, und umgekehrt wurde der Gottesdienst zugleich missionarisch wirksam (rKor 14,24f). Die christliche Mission ... warb ... von Mensch zu Mensch und von Haus zu Haus."437 Nach rThess 1,9f und Röm II,25f hat auch das paulinische Evangelium einen universalen Anspruch. Nun geht es nicht nur um "ganz" Israel, sondern auch um "die Fülle der Heiden". Im Inhalt der Botschaft selbst liegt schon der Antrieb, sie allen zu verkündigen. Nicht nur Paulus, sondern jeder Christ wußte sich dazu gerufen, "Licht der Welt" und "Salz der Erde" zu sein und das Evangelium weiterzusagen (vgl. IThess 1,6-8; Röm IO,I4-I8; Phi] I,I4-1S438; Kol 4,2-6). Das heißt, daß nicht nur Paulus das Haus als Stützpunkt für seine Mission einsetzte, sondern daß das christliche Haus selbst als soziologische Einheit missionarisch tätig wurde, und zwar in zweifacher Weise. Während Paulus und seine engen Mitarbeiter ihren Schwerpunkt wohl im missionarischen Predigtdienst
Vgl. B.B. Blue, Private and Public, 210-234. Die apostolische ... Zeit, 60. 438 Zu Phi! I,14 vgl. J. Ernst, Phi!, 1974,46: "Es ist fraglich, ob man aus der Wendung ,das Wort Gottes reden' folgern kann, dag der Apostel nur von den amtlich bestellten ,Männern des Wortes' spricht. Wahrscheinlich hätte er in diesem Fall den präziseren Ausdruck ,das Evangelium Gottes' (rThess 2.,2) bevorzugt. Die Frage ist aber angesichts der Tatsache, daß sich die ganze Gemeinde zum Zeugnis aufgerufen weilS, nur von untergeordneter Bedeutung." 436 437
Hausge111einde und lvlission
hatten 419 , werden die Haushalte durch ihr Bekenntnis und die Ausstrahlungskraft ihres christlichen Lebens (vgl. Röm I2,If; rThess 4,rof; rKor 6,1-II; 2Kor 6,14-7,r; Phil 2,I2-r6; Kol 4,2-6) missionarisch gewirkt haben 440 • Dies läßt sich besonders gut an Röm 12,If erkennen 441 • Da die Christen seit der Taufe ganz Christus gehören, fordert Paulus hier programmatisch die Hingabe der Leiber als Kennzeichen des neuen Gottesdienstes der Christen. Dieser Gottesdienst soll prüfen, was der Wille Gottes im Alltag der Welt verlangt. Dieser WiJ1e Gottes wird für Paulus im Liebesgebot aus Lev r9,18 zusammengefaßt, wobei er im Unterschied zur zeitgenössischen jüdischen und atl. Auffassung die Liebe ausschließlich von der Rettungstat Jesu Christi her definiert. Die Liebe Christi eröffnet den Glaubenden die Möglichkeit, ihren Nächsten wahrhaft zu lieben. Diese Praxis der sich verschenkenden Liebe des Christus und der Christen, wie das in den HGn erlebt und vorgelebt wurde, trägt dazu bei, daß sie anziehend auf die Umwelt wirken. Ein ähnliches Muster wurde auch in der Jerusalemer Urgemeinde sichtbar. Nur so ist die schnelle Ausbreitung der christlichen Botschaft im 1. Jh. zu erklären. Denn: Durch das Faktum ihrer Existenz waren Hausgemeinden für die Ausbreitung des Evangeliums von großer Wichtigkeit (vgl. z.B. rThess 1,8; 4,I2; Röm 1,8; 12,17; 2Kor 4,2; 8,21). Mit ihnen trat eine Größe in die hellenistisch-römische Welt ein, die die Neugier der Umwelt hat wecken können 442 • Ihr ungezwungenes Miteinander, ihre liebevolle Geschwisterlichkeit, ihr Zusammengehörigkeitsgefühl als Glieder des Leibes Christi, aus der ein gegenseitiges Füreinander in der Agape wuchs bzw. wachsen sollte443 (IKor I I 14), konnte das Interesse ihrer NIitmenschen auf sie lenken und dazu
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Vgl. W.H. OJlrog, Mitarbeiter, 1979, passim; ihm folgend W. Vogler, Hausgemeinden, 791. Vgl. P. Stuhlmacher, Kirche nach dem NT, ThBeitr 26 (1995), 3 I 1. Vgl. E. Käsemann, Gottesdienst im Alltag der Welt, 1964, 198-204; ihm folgend P. Stuhlmacher, Christliche Verantwortung bei Paulus und seinen Schülern, EvTheol2.8 (1968),165-186. v.a. 168ff. \Yl. Vogler, Hausgemeinden, 790. Er spricht die missionarische Bedeutung der paulinischen HGn an und nennt sie "eine Größe in der hellenistischen Welt, die es so bisher nicht gegeben hatte" (vgl. auch F. Bömer, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom, Bd. 1-4, 1957-19h3, I,I.72.178f). Daß es dies so bisher nicht gegeben hat, wird nicht ganz zutreffen (5. Anm. 446). Unsere Texte zeigen, daß dieses Miteinander nicht immer reibungslos war (vgl. z.B. Karinth und s. S. 304ft).
Die Verwendung von Häusern in de1' paulillischen Mission
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führen, daß die ersten Christen nach dem Grund ihres Soseins gefragt wurden. In den Hausgemeinden waren außerdem "die in der Antike besonders gravierenden soziologischen und ethnisch-religiösen Barrieren zwischen Juden und Heiden, Freien und Unfreien, Männern und Frauen, Hoch und Niedrig, Gebildet und Ungebildet ... zerbrochen und vergleichgültigt" zugunsten "der einen neuen Bindung aller an Christus als den Herrn (Gal 3,27; IKor I,26ff; I2,I2) "444. Durch dieses in der Taufe begründete soteriologische Gleichwertigkeitsprinzip waren die christlichen HGn mit den religiösen Gemeinschaften missionarisch konkurrenzfähig445, die demselben Personenkreis Zugang gewährten 446 • Gegenüber denen, die dies nicht taten (z.B. die Synagoge), hatten sie allerdings einen großen missionarischen Vorteil. Viele weisen auf die "erstaunliche Integrationsfähigkeit" der paulinischen Hausgemeinden hin447 • Manche nennen die Bruderliebe sogar revolutionär448 • Fragt man historisch-soziologisch nach den Ursachen des geradezu phänomenalen Erfolges der frühchristlichen Mission, dann ist dieser Erfolg nicht zuletzt von der anziehenden Kraft der Bruderliebe her zu erklären. Diese Botschaft der Bruderliebe, die aus der paulinischen Verkündigung der Rechtfertigung aller aus Glauben allein gespeist wird, blieb keine blasse Theorie, sondern wurde in den Hausgemeinden praktisch und modellhaft vorgelebt und konkret erfahrbar. Denn Gal 3,28 ist nicht bloß ein idealer Grundsatz geblieben. Er spiegelt, wie G. Theißen wenigstens für Karinth nachgewiesen hat449 , durchaus die Wirklichkeit wider. Juden und Griechen, Männer und Frauen, Sklaven und Freien fanden sich in diesen Hausgemeinden zusammen und setzten sich an einen Tisch. Soziale Spannungen, die sich zeigten (vgl. z.B. IKor II), sind erst in 444
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P. Stuhlmacher, Phlm, 74. Mit P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 35 5f. Im r. Jh. v.elu. kOfTllnen nach dem Tempelgesetz von Philadelphia in Kleinasien "lvIänner und Frauen, Freie und Sklaven" im Haus des Zeus zusammen (Ditt Syll/, 985). Zu den kleinasiatischen Mysterienkulten hatte ebenfalls derselbe Personenkreis Zugang (vgl. K. Berger u. C. Colpe, Religionsgeschichtliches Textbuch zum NT, 1987, 274ff). Vgl. auch die ausführliche Arbeit von T. SchmeIler, Hierarchie und Egalität, 1995,19-95. A. Weiser, Evangelisierung, 75f; F. Laub, Hintergrund, 268f; D. Lührmann, Haustafeln, 93; Klauck, HG, 41; Theißen, Studien, 268f. Vgl. z.B. ].G. Gager, RStR 5 (1979),179. Soziale Schichtung in der kor. Gemeinde, in: Studien, 231-271. v.a. 268f.
Hausgemeinde und Mission
der Folge des Grundsatzes entstanden. Sie stellen ihn aber nicht in Abrede. Das Übungsfeld der Bruderliebe für die Christen, aber auch der Schauplatz der Bruderliebe für die Nichtchristen waren eben die Hausgemeinden 450. In ihrer Funktion als Missionsstützpunkte für eine Stadt und das umliegende Gebiet stellten die Häuser die Basis sowohl der paulinisehen Zentrumsmission als auch seiner überregionalen Arbeit dar. Privathäuser boten die Voraussetzung der Versammlung zur Abendmahlsgemeinschaft und zum Wortgottesdienst. Sie sind Orte des Gebets, der missionarischen Predigt und der Lehre, und damit bilden sie "das Grundgerüst jeglichen Gemeindelebens "451. Nicht zuletzt deswegen gehörte es zur Missionspraxis des Paulus, zunächst einen oder mehrere Hausvorstände und deren Häuser für den Glauben zu gewinnen. Dieses Bild wird sowohl von den unumstrittenen Paulusbriefen als auch von der Apg bestätigt. E.A. Judge identifiziert in der Apg und den pln. Briefen sogar vierzig wohlhabende Personen der oberen Schichten, die die Aktivitäten des Paulus mit ihrem Oikos in verschiedenster Weise unterstützt haben. Auch wenn man nicht bereit ist, den historischen Wert der Apg so optimistisch wie Judge zu beurteilen, bleiben aus nachweislich zuverlässigen Stellen der Apg und der unumstrittenen Paulusbriefe eine beeindruckende Anzahl von Namen übrig. Judge betont ebenfalls, daß es zur missionarischen Vorgehensweise des Pa ulus gehörte, Hausvorstände für das Evangelium zu gewinnen. Interessant ist der von ihm vorgeschlagene Grund dafür: "He found that the most effective way of countering the opposition of the synagogues was to create an alternative platform on the strength of this connection. His mission now has the patronage of emminent persons; he preaches under their auspices; they provide hirn with a retinue of assistants and with an audience, including their social dependents. ,,452
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Vgl. E.A. Judge, Social Identity, 2lsff. M. Gielen, Tradition und Theologie, 94; vgl. auch J.H. Elliot, Horne for the Horneless, I88f: "Households ... constituted the foeus, loeus and lIucleus of the rninistry and mission of the Christian movement ... The eonversion of such dornestic units ... meant that hOllseholds of Christians beeame the basie social and cultic centers, eeonornic support systems and praetical means foe the furrher extension of the Chriscian movemem." E.A . .Judge, Early Christians as SdlOlasric Community, 127-131, hier 127.
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4. Leitungsstrukturen und Organisationsformen
a) Der sozio-historische Ansatz Wir setzen bei der Frage ein, warum sich in den unumstrittenen Paulusbriefen nur selten Erwähnungen von Funktionsträgern der Gemeinde finden und deutliche Aussagen über ihre Tätigkeit, Stellung und Zahl fast völlig fehlen. Es fällt z.B. auf, daß Paulus kein einziges Mal von Ältesten spricht. Dies gilt als Hauptargument dafür, daß Paulus so gut wie keine rechtlichen Leitungsstrukturen in seinen Gemeinden eingeführt und überhaupt wenig Wert auf solche Organisationsformen gelegt habe. In den paulinischen Gemeinden herrschte vielmehr eine charismatische Ordnung. In ihnen habe es freiwillige Mitarbeiter, aber keine Amtsträger gegeben 453 • Diese Sicht ist nicht ohne ihre Kritiker geblieben, die sie aus exegetischen, soziologischen und historischen Gründen in Frage gestellt . haben. Es ist gefragt worden, ob eine zu exklusive und enge Konzentration auf Theologie bzw. Ideologie zusammen mit einer Vernachlässigung der soziologischen Faktoren zu diesem Urteil geführt har454 • Die Probleme dieser Sicht sind wiederholt aufgearbeitet worden, so daß darüber eine ausführliche Literatur vorliegt (s. Anm. 453. 454)· Unsere Aufgabe liegt zunächst darin, die wichtigsten Belege für Leitungsstrukturen in den paulinischen Hausgemeinden zu untersuchen, wobei eine unserer Hauptfragen lauten wird: Ist der antike Oikos ein Erklärungsmuster, das auch für die Entstehung von Ordnungsformen und Leitungsstrukturen in den paulinischen Gemeinden angebracht ist? Vieles spricht dafür. Uns scheint ganz allgemein der sozio-historische Ansatz, gerade zur Beantwortung der Frage nach der Organisation der frühchristlichen Gemeinden, eine willkommene und notwendige Ergänzung zu
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Diese Sicht ist ein schon seit fast einem Jahrhundert herrschender Konsens der protestantischen Forschung. Während der letzten eineinhalb Jahrhunderte sind die Leitungsstrukturen der frühchristlichen Gemeinde, so wie sie im NT dargestellt werden, oft und gründlich untersucht worden. Für eine ausführliche Diskussion der Forschungslage bis zum Jahr 1932. vgl. O. Linton, Das Problem der Urkirche, 1932; bis 1972 vgl. U. Brockhaus, Charisma und Amt, 1972, 7-94; bis 1992 .J.T. Burtchaell, From Synagogue to Church, 1992, 1-179. Vgl. v.a. U. Brockhaus, Charisma und Amt, 1972; B. Holmberg, Paul ancl Power, 1978; A.L. Chapple, Local Leadership, 1984; J.T. Burtchaell, From Synagogue to Church, 1992; A.D. Clarke, Secular and Christian Leadership in Corinth, 1993; R.A. Campbell, Elders, 1994; T. Schmeller, Hierarchie und Egalität, 1995.
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der bisher eher einseitig theologischen Betrachtungsweise455 • Dieser Ansatz, die frühen Gemeinden mit Hilfe antiker sozio-historischer Modelle zu beschreiben, ist nicht völlig neu 456 , er wird aber erst seit den 60er Jahren vereinzelt, dann aber in den 80er Jahren von mehreren Forschern wieder aufgenommen457 • Jedes der sozio-historischen Modelle, das mit dem frühen Christentum verglichen werden kann,
Ygl. B. Holmberg, Sociological versus Theological Analysis, 1980, 187-200; ausführlicher in ders., Paul and Power, 1978. Hier wird der Yorteil einer soziologische/I Betrachtungsweise betont. \Vir unterscheiden eine sozio-historische von einer soziologischen Yorgehensweise dadurch, daß die soziologischen Modelle aus der modernen Zeit auf eine damalige Epoche zu übertragen versucht werden. Der soziologische Beitrag in unserem Zusammenhang liegt in dem Versuch, die Entwicklung frühchristlicher Gemeinden mit Hilfe soziologischer Methodologie (v.a. von M. Weber ausgehend) zu beschreiben (vgl. Holmberg als Paradebeispiel). Die sozio-historische Methode dagegen bemüht sich darum, Modelle aus der betreffenden damaligen Epoche selbst zu rekonstruieren, um sie dann auf diese besagte Zeit zu übertragen. Der sozio-historische Beitrag liegt in dem Versuch, die frühchristlichen Gemeinden durch einen Vergleich mit Organisationsformen der Umwelt besser zu verstehen. Mit Modellen muß man wohl arbeiten, um die Lücken zu füllen, die das meist spärliche Belegmaterial hinterläßt. Auch wenn wir uns auf die sozio-historische Yorgehensweise beschränken wollen (vgl. oben unseren Forschungsbericht), sind Überlappungen zwischen heiden Methoden zu konstatieren, und deshalb ist die Arbeit von Holmberg für uns ebenfalls wichtig. Vgl. noch unseren Abschnitt "Soziale Schichtung" S. 29Iff. 456 Schon vor A. von Harnack hat E. Hatch nachzuweisen versucht, daß einige Elemente der Organisation der frühchristlichen Gemeinden bereits in der hellenistischen Umwelt vorhanden waren. V.a. das antike Yereinswesen galt für ihn als deren Vorbild (The Organization of the Early Churches, Bampton Lectures for 1880, T90I, 213). Von Harnack selbst sah die Synagoge analog zu den judenchristlichen Gemeinden und Vereins-, Schul-, Familien- und staatliche Organisationsformen analog zu den heidenchristlichen Gemeinden (Entstehung und Entwicklung der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts in den zwei ersten jahrhunderten, 1910, 17.3rf). Seitdem haben verschiedene Forscher wie Lietzmann, Lohmeyer, Dibelius und Bultmann einige dieser Elemente aufgegriffen, um den Ursprung der Orgallisationsformen der ersten Gemeinden zu ergründen. Hier ist nicht der Ort, die Argumente im einzelnen zu diskutieren. Vgl. die Übersichten über Literatur bei H.W. Beyer, ThWNT II, 614f; A. Adam, Entstehung des Bischofsamts, WuD 5 (1957), 104-II3.I04ff; O. Linton, Problem der Urkirche, 193 2 , I04 ff. 457 Ygl. E.A. judge, Christliche Gruppen, 1964, 17-47; später H.]. Klauck, HG, 1981; W.A. Meeks, Urchristentum, 159-180; ].T. Burtchaell, From Synagogue to Church, 1992, passim. 455
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z.B. die Synagoge458 , Collegia459 oder die essenische Gemeinschaft (vgl. Apg 4,8.23; 6,I2; 22,5; 23,14; 25,I5.)460, verfügte über rechtliche und organisatorische Strukturen. Es wäre deswegen zu erwarten, daß dies auch für die ersten Christengemeinden zutrifft. Es ist oft argumentiert worden, daß die jüdische Synagoge das eigentliche Vorbild für die paulinischen Gemeinden auch in puncto Organisationsform darstelle. Einer der neuesten Versuche, dies nachzuweisen, stammt von J.T. Burtchaell 461 • Seine These ist, daß die ersten Christen zusammen mit vielem anderen von der jüdischen Synagoge auch deren Organisationsstrukturen übernommen haben. Aus den drei Ämtern: Synagogenvorsteher, Ältestenrat und Synagogendiener entstand die christliche Trias von Episkop, Presbyter und Diakon. Man hat z.T. andere Namen verwendet, um sich dennoch zu unterscheiden. So sind auch die Vorsteher und Leiter der paulinischen Gemeinden mit den Synagogen ämtern der Sache nach analog zu verstehen. Wie ist dann aber zu erklären, daß Paulus in seinen Briefen Alteste gar nicht, andere leitende Funktionen kaum erwähnt, während gleich in der nächsten Generation anscheinend ohne erwähnenswerte Kontroverse Amtsträger in den paulinischen Gemeinden erscheinen? Burtchaell setzt dem alten Konsens eine neue These entgegen: Das liegt nicht daran, daiS sie gar nicht existierten. Es muiS von Anfang an solche "Amtsträger" in den paulinischen Gemeinden gegeben haben; wir hören nur deshalb nichts über sie, weil sie nicht wichtig gewesen sind462 • Das erklärt sich dadurch, daß anfangs die eigentliche Vollmacht nicht bei
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Es ist schon oft beobachtet worden, daß die Jerusalemer Gemeinde mit ihrer presbyterialell Organisations form eine Analogie, eventuell sogar ihr Vorbild in der Synagoge hatte. Anscheinend existierten in allen Städten des Römischen Reiches inklusive Palästina collegia. J.S. Kloppenborg, Edwin Hatch, Churches und Collegia, 1983, 212.238, ·v.a. 21.3. Studien von Bardtke, Schneider, Dombrowski (Lit.angaben bei Kloppenborg, 227, Anm. 55) und v.a. M. Weinfeld, The Organizational Pattern and the Penal Code of the Qumran Sect, I986, wollen zeigen, daß sogar die Organisationsform der Qumrangemeinde von der der hellenistisch-römischen Vereine bedeutend beeinflußt wurde. Somit wäre bei einer Beeinflussung der christlichen Gemeinde durch Qumran zugleich indirekt eine hellenistische Beeinflussung zu konstatieren. From Synagogue to Church, 1992, passim. From Synagogue to Church, I88.349.
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Hezusgemeinde und Mission
diesen Amtsträgern, sondern bei den freien Charismatikern wie Aposteln, Propheten, Lehrern und Evangelisten lag463 • Die Charismatiker leiteten (led) die Gemeinden, die Episkopen, Ältesten und Diakone hatten nur den Vorsitz (they only presided = präsidierten)464. Erst im 2. Jh. n.Chr., mit der Zurückdrängung der Charismatiker, gewannen die institutionellen Kräfte endgültig die Oberhand. Auch wenn man bereit ist, die Bedeutsamkeit des jüdischen Erbes hoch zu veranschlagen, stimmt bei genauerem Hinsehen einiges an dieser These bedenklich. Erstens wird das argumentum e silentio mehrfach zur Methode erhoben. Überhaupt malt BurtchaeH mit breiten Strichen, ohne genügend zu differenzieren, v.a. wenn es darum geht, die jüdische Synagoge darzustellen, die er viel zu einheitlich zeichnet465 • Es könnte auch sein, daß man sich zwar in der Jerusalemer Urgemeinde an der Synagoge orientiert hat, in Antiochien und in der paulinischen Mission aber nicht mehr. Wie wir sahen, ist es möglich, daß sich selbst die Jerusalemer Urgemeinde hinsichtlich des Amts des Ältesten nicht an der Synagoge orientiert haben kann, weil es dieses "Amt" in der Synagoge nicht gab. Drittens ist zu fragen, ob eine solche
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Burtchaell rechnet die Apostel anscheinend zu den Charismatikern. Ebd., 35 0 t. Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten, denn das Belegmaterial ist äugerst fragmentarisch, und vieles ist bedeutend j Linger als die Zeit, die für unsere Studie in Frage kommt. Auch die Notwendigkeit einer lokalgeschichtlichen Vorgehensweise erschwert die Aufgabe. Denn es geht nicht mehr an, Evidenz, z.B. aus der Diaspora auf Palästina oder umgekehrt, unkritisch zu Libertragen. T. Rajak und D. Noy stellen z.B. die Arbeit von E. Schürer, G. Vermes, S. Krauß und W. Schrage stark in Frage, auf der viele Forscher, inklusive Burtchaell, ihr Verständnis der Organisationsformen der Synagoge aufbauen (RajaklNoy, ARCHISYNAGOGOI: Office, Tide and Social Status in the Greco-Jewish Synagogue, JRS 83 (I993), 7593; Schürer, History of the Jewish people, I973-I987, 415-454; S. Kraus, Synagogale Altertümer, 1922, passim und ihm folgend W. Schrage, Art. O'UvaymYll. Th WNr VII, 798-839. Rajak und Noy werfen diesen Forschern vor, sie bauten auf der unbegründeten Annahme auf, die in Inschriften erwähnten Titel "represent consistently defined, specialized roles within a developed administrative system" (ebd., 82). Hier mug eindeutig noch mehr geforscht werden, was den Rahmen unserer Untersuchung sprengen würde. Es ist zu erwarten, dag die Untersuchung von C. Claußen, Gemeinde und Synagoge, Diss. theol. München (Masch.) I999 (noch im Erscheinen) und die noch in Arbeit befindlichen Studie von R. Hernnann, Das antike Vereinswesen und die frühen chrisrlichen Gemeinden, einiges in diesem FragenkoIllplex erhellen.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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Unterscheidung zwischen "leiten" und "präsidieren" zulässig ist. "Aufseher" ist z.B. ein Titel, der das Tragen von :Verantwortung impliziert. Welcher Sinn kann darin bestehen, jemanden Aufseher zu nennen, wenn er in Wirklichkeit diese Verantwortung gar nicht ausübt?466 Außerdem wird die These einer scharfen Trennung zwischen Charismatikern, die in der christlichen Gemeinde den Ton angaben, und den Episkopen, Ältesten und Diakonen von den nd. Texten nicht getragen (s. u.). Die Möglichkeit eines Herauswachsens der christlichen Leitungsstrukturen aus hausgemeindlieher Vorgabe wird von Burtchaell ebenfalls zu wemg berücksichtigt467. Es scheint jedoch v.a. der von der Forschung bisher vernachlässigte Vergleich mit dem antiken Oikos lohnend zu sein, um frühchristliche Organisationsformen zu erhellen 468 . Unsere bisherigen Studien haben gezeigt, daiS der antike Haushalt bzw. der Hausvorstand den frühen Christen, von der Urgemeinde bis hin zu den paulinischen Gemeinden und darüber hinaus, einen -Versammlungsort und patronalen Schutz geboten har4 69 . Eine erweiterte Familie stellte oft den Kern der Gemeinde dar und ist eine Erklärung für die rasche Ausbreitung des Christentums (s.o.). Es ist deshalb zu fragen, ob nicht die Struk-
Vgl. weitere Kritik bei H.J. Klauck, WiWei 56, (1993), 95f.; R.A. Camp beIl, The Elders, 1994, II4-II8.203f. 467 Obwohl Burtchaell gelegentlich von der HG spricht, scheint er eher das Gebäude im Blick zu haben, in dem man sich versammelt hat, nicht aber die sozialen Strukturen des antiken Haushaltes. 468 Seltener wird der antike Oikos als Analogie bzw. Modell für die Organisation der frühen Gemeinde gesehen. Als Ausnahmen vgl. z.B. neben der schon oben erwähnten Arbeit von Campbell auch die bis jetzt wenig beachtete Arbeit von A.L. Chapple, Local Leadership, 1984, und H.O. Maier, Social Setting, 1991, die beide ein eigenständiges Hervorgehen der christlichen Leitungsstrukturen aus einer hausgemeindlichen Vorgabe annehmen. 469 Das wird auch von immer mehr Forschern angenommen. Vgl. z.B. O. Michel, Art. OIKO<:;, ThWNT V, 122-133.132: Das Urchristentum baute seine Gemeinden in Familien, Sippen und 'Häusern' auf; das 'Haus' war Gemeinschaft und Versammlungsort zugleich. E.A. Judge, Christliche Gruppen, 1-79, v.a. 29-38; W. Rordorf, Gottesdiensträume, in: Lex orandi, 1993, 57-75.58. P. Stuhlmacher, Exkurs: Urchristliche HGn, Phlm, 70-75; W. Vogler, HGn, 786E. H.]. Klauck, HG, 99-I02; W.A. Meeks, Urchristentum, 159-164; L.M. White, Domus Ecclesia, passim; J. Roloff, Kirche im NT, 71..142.293. Ähnlich schon A. Schlatter, Paulus der Bote Jesu, 1934, 76. Für zusätzliche Lit. vgl. oben unseren Forschungsbericht. 466
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tur des Oikos die Leitungsstrukturen der Gemeinden, wie sie sich in diesen Häusern konstituiert hatten, teilweise, und in mancher Hinsicht auch weitgehend, bestimmte47o • War der antike Haushalt vielleicht die Gießform (die Matrix) der neuen Gemeinde?471 Diese neue Gemeinde traf sich überwiegend in einem Oikos. In der Antike war der Oikos nicht nur eine räumliche, sondern auch eine sozial festgeprägte Umgebung. Als Gemeinde in diesem Rahmen zusammenzukommen hieß, sich von dieser Umgebung mehr oder weniger beeinflussen zu lassen. Das gilt auch und v.a. in Bezug auf deren Organisationsformen und Leitungsstrukturen 472 • W. Rordorf stellt fest: "Es ist klar, daß diese aus der äußeren Lage notwendig hervorgegangene Struktur der christlichen Ortsgemeinden auch ihr inneres Leben und ihre Organisation ganz entscheidend geprägt hat. ,,473 Wie wir gesehen haben, weisen alle Indizien darauf hin, daß die ersten Christen von Jerusalem bis nach Illyrien überwiegend in Privathäusern zusammengekommen sind. Wenn sie sich in Häusern trafen, ist anzunehmen, daß sie auch Leiter auf der Ebene der Hausgemeinden hatten. Am natürlichsten wäre es, schon für die früheste Zeit an den Gastgeber des Hauses, d.h. an den jüdischen Hausvater und im römisch-hellenistischen Bereich den OiKOÖWJto-tT\S bzw. den pater familias zu denken, der sein Haus für die Bedürfnisse der Gemeinde zur Verfügung stellte. Das heißt: Die Leitungsstrukturen der HGn mußten nicht aus dem Nichts geschaffen werden. "The church in the house came with its leadership so to speak 'built in'. 11474 Nur die relativ Wohlhabenden verfügten über Häuser, die groß genug waren, um als Versammlungsort für die Hausgemeinde dienen zu können. Solche begüterten Personen waren entsprechend gebildet. Auch die Stellung des Hausvorstandes, seine große Verantwortung und Schutzpflicht, aber auch seine Macht über die von ihm abhängi-
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Dies schließt die Möglichkeit nicht aus, daß theologische Überlegungen ebenfalls einflußreich waren. Eventuell herrschte in der Beziehung ein "mysteriöses Ineinander". Vgl. P. Lampe, Stadtröm. Christen, 346ff. R.A. Campbell, Elders, IIS: " ... the household was more than a modell; it was the matrix of the new congregation." Wie wir oben schon oft festgestellt haben, waren Haus und Gemeinde v.a. im ethischen und theologischen Bereich nicht immer deckungsgleich (vgl. Gal 3,28f). Die Hausgemeinde det vorkonstantinischen Zeit, 1993, 77. So auch H.}. Klauck, HG, 10I;}. Gnilka, Phil, 17; W/.A. Meeks, Urchristentum, 162..179. Camp bell, Elders, 12.6.
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gen Familienglieder und Sklaven sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Diese weitgehende rechtliche, wirtschaftliche und religiöse Unabhängigkeit und Macht des antiken Oikos, die aus der Stellung des Hausvorstandes folgte 475 , führt E. Dassmann zu der Schlußfolgerung, daß dem Hausvorstand "innerhalb der Hausgemeinde eine besondere Autorität zukam, ... sich zwanglos ergeben haben" dürfte 476 • D.h., da die ersten Christen sich in Privathäusern versammelten, standen ihnen schon Leiter auf der Oikosebene zur Verfügung. Die Leiter der HGn wurden von der Struktur des antiken Oikos selbst bereitgestellt477 ; Es waren solche Menschen, die denen, die in ihren Häusern zusammenkamen, als Führungskräfte im pastoralen und patronalen Sinne dienten. Für die pastoralen Aufgaben waren die Hausherren geradezu vorherbestimmt, da gerade die jüdischen 478 und rämisch-hellenistischen 479 Hausväter mit ihrer Bildung 475
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Vgl. E. Badian, Foreign Clientelue, 1958, 1-14; E.A. Judge, Christliche Gruppen, Kap. 3; A. Strobel, Der Begriff des Hauses im griech. und röm. Privatrecht, ZNW 56 (1965), 91-100; G. Theißen, Studien, 301f; H. Gülzow, Soziale Gegebenheiten der ultkirchlichen Mission, 1974, 192f.I98f; J. Guudemet, Familie I, RAC VII, 1969, 33 1ff; A. Malherbe, Social Aspects, 69; R.P. Salier, J'ersonal patronage under the early Empire, 1982, passim; F. Vittinghoff, Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1990, 163-277, v.a. 169.17Sff; W.A. Meeks, Urchristentum, I62f; B.W. Winter, Seek the Welfare of the City, I994, II-78. E. Dassmann, Hausgemeinde und Bischofsamt, 1984, 82-97.89f. So schon F.V. Filson, Significance, Irrf; ihm folgend W. Vogler, HGn, 792; Klauck, HG, 32; B. Holm berg, Paul and Power, 106; A. Malherbe, 50cial Aspects, 64.67. Für eine Kritik dieser Sicht vgl. G. SchölIgen, Hausgemeinden, JAC 31 (1988),74-90. Allerdings basiert seine Kritik im Rahmen der Urgemeinde lediglich auf der Behauptung, die Apg sei als historische Quelle von zweifelhaftem Wert. Damit macht er es sich viel zu leicht. Auch der Hinweis, daß Ken' O{KOV nicht nur distributiv, sondern auch lokal wiedergegeben werden könne, beweist noch nicht, daß es kein Nebeneinander von HGn in der Urgemeinde gab (s. 5. 275ff). VgJ. Vogler, HGn, 792, der darauf hinweist: Das Hervorgehen einer Leitungsfunktion aus denen der Gastgeber größerer HGn läßt sich im einzelnen nicht nachweisen. Dennoch leuchtet ein, so Vogler, daß "den Gastgebern ... auf Grund der von ihnen - da auch weiterhin - wahrgenommenen (natürlichen) Funktionen entsprechende Aufgaben in den Ortsgemeinden zugefallen sind". Wir stimmen mit Vogler überein, wollen im folgenden dies aber doch im einzelnen nachzuweisen versuchen. Vgl. A. Klostermann, Schulwesen im alten Israel, 1908, 4-10; E. Ebener, Elementary Education in Israel, 1956, 17ff; S. Safrai, CRI Ih, 1976, 728-792.; L. Goppelt, Die apostolische ... Zeit, 133: An dem "Lehren waren von den Hausvätern bis zu den Aposteln viele in der Gemeinde beteiligt". In einer Hausgemeinde war naturgemäß die Grenze zwischen dem Lehren während des Gottesdienstes und der katechetischen Unterweisung der eigenen Familie fliegend, da beides im Haus
Hausgemeinde und Mission
und ihrer Erfahrung als Lehrer der eigenen Familie für eine lehrende, führende Tätigkeit und, durch ihre Erfahrung in der wirtschaftlichen Verwaltung des Hauses, auch für eine administrative Aufgabe in der Gemeinde bestens vorbereitet waren 480 • Auch die religiöse Vollmacht und die soziale Stellung des Hausvorstandes geben Grund zur Vermutung, daß er ebenfalls einen Anteil an der Gestaltung des Herrenmahls hatte. Nichts spricht dagegen, "daß analog zu jüdischem und teilweise auch heidnischem Mahlbrauch der Hausvater den Vorsitz beibehielt, d.h. konkret der Gastgeber, in dessen Haus man sich traf"481 (s. Exkurs S. 356). Eine Leitungsrolle des Hausvorstandes war ebenfalls schon im Patronatssystem fest etabliert und als landesübliche Sitte sanktioniert 482 • Dieses System wurde sowohl von denen, die diese Autorität ausübten, als auch von denen, die von ihr begünstigt wurden, verstanden und akzeptiert. Durch ihre Positon als Patron bzw. Hausvorstand haben sie auch gesellschaftlich eine gewisse Anerkennung genossen und waren damit für Leitungsaufgaben im Bereich der politischen Gemeindeangelegenheiten gut geeignet483 •
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des Hausherrn EV OtKCP stattgefunden hat, das erstere in der Hausgemeinde, das zweite in der Familie. Diese Sitte scheint in der Antike allgemein verbreitet zu sein. Vgl. L. Dürr, Heilige Vaterschaft im Alten Orient, 1938, 1-20; H.]. Hermisson, Studien zur altisraelit. Spruchweisheit, 1968, 103-108; H.l. Marrou, Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, I957, 31-46.341-343; W. Barclay, Educational Ideals in [he AncientWorld, 1959, 49-77; P. Blomenkamp, Erziehung, RAC 6,5°3-559.51°. VgI. schon F.V. Filson, Sigllificance, 1939, !I1. Er beobachtet, daß der Gastgeber einer Hausgemeinde "was ... almost inevitably a man of some education, with a fairly broad background and at least some administrative ability ... they were' likely candidates for leadership" . H.]. Klauck, Herrenmahl und hellenistischer Kult, 1982, 349f; vgI. auch ders., Hausgemeinde, 43; F.W. Maier, Paulus als Kirchengriinder, 1961, 28; D.E. Smith, Social Obligations in the Context of Communal Meals, 1980, passim; J. Ysebaert, Die Amtsterminologie im NT und in der Alten Kirche, 87. VgI. z.B. R.P. Salier, Personal Patronage, 1982, passim; R. MacMullen, Roman Social Relations, 1974, 61.12.5; vgl. F.W. Danker, Benefactor, 1982 für die Bedeutung des Patronatssystems im Neuen Testament. Gemeindeangelegenheiten = "community affairs". VgI. J.H. Elliot, Horne for the Homeless, 1981, 189f. Zum Patronatssystem allgemein und konkret zu seiner Bedeutung für die korinthische Gemeinde z.Z. des Paulus vgI. J.K. Chow, Patronage and Power. A Study of Social Networks in Corinth, 1992, V.3. Kap. 2 und 3. Der Hinweis auf die Bedeutung des Patronatssystem für die christliche Mission ist nicht neu. Er wurde schon 1960 von E.A. Judge, Christliche Gruppen, Kap. 3; ders., The Eady Christians as Scholastic Community, JRH I (1961),4-15, JRH 2
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G. Schöllgen weist allerdings auf neuere Stimmen in der Forschung hin, die die Großfamilie mit dem mächtigen Oberhaupt an der Spitze, wie wir sie aus früheren Zeiten kennen, im I. Jh. zur Zeit der ersten Christen für eine Ausnahme halten484 • Dazu ist erstens zu sagen, daß es in der Forschung umstritten ist, in welchen Gebieten und in welchem Ausmaß diese Entwicklung tatsächlich zu konstatieren ist. Die Forscher scheinen lediglich in Hinblick darauf, da{] es eine generelle Entwicklung in Richtung einer Auflösung der Grogfamilie z.d.Z. gegeben hat, im Einklang zu stehen. Diese Entwicklung fing anscheinend schon in der vorneutestamentlichen Zeit an und dauerte bis in die mischnische Zeit hinein noch an. Zweitens: Für unsere These genügt es festzustellen, daB die Großfamilie mit dem mächtigen Oberhaupt zur Zeit der ersten Christen, und sei es auch nur als Ausnahme, noch existierte. Es reicht, wenn eine .Minderheit in der Lage war, ihr Haus als Versammlungsort der Gemeinde zur Verfügung zu stellten. Es gibt außerdem reiigionsgeschichtIiche Analogien, die unsere Sicht unterstützen. Wir nennen nur zwei Bespiele. Das erste ist aus einem jüdischen Kontext. Wie die Haussynagogen e.ine mögliche Parallele zu den christlichen HGn darstellten, so könneh die Patrone dieser Synagoge eine Analogie zu den Hausvorständen der HGn bieten, auch wenn eine Gleichsetzung nicht konstatierbar ist. Evidenz dafür findet sich in Verbindung mit der Synagoge zu Stobi, allerdings wohl erst aus dem 3. Jh. n.Chr. 485 • Ein gewisser Claudius Tiberius Polycharmus bezahlte für die Renovierung seines eigenen Hauses, damit die jüdische Gemeinde am Ort das untere Stockwerk
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(I961), I25-f37 gegeben. Obwohl beides, seine Methode und SchlufSfolgerungen, an manchen Punkten kritisiert worden sind, wird seine Sicht zur Bedeutung von Patronen in der frühchristlichen Gemeinde von immer mehr Forschern bestätigt. Vgl. z.B. B. Holmberg, Paul and Power, 1978, I04-I07; 1.H. Elliott, Home for the Homeless, I98I, r88-I99; C.S. Hill, Sociology of the NT, 198z, 260f; A.L. Chapple, Local Leadership, 2.17-255; L.M. White, God's House, 1990, 7785.14°-148; W.A. Meeks, Urchristentum, 1993, 13I.155f.I66.248f.278f; A.D. Clarke, Secular & Christian Leadership in Corinth, I993, 9-39. Art. Haus TI RAC I3 (1986), 80Sf.8IIf.815-82.9.843-853. Siehe Exkurs zu Leitungsaufgaben der Frauen in den pln. HGn S. 359ff und V.
Hausgemeinde und Mission
zur Versammlung verwenden konnte, während er und seine Familie weiterhin im oberen Stock wohnten. Zur Anerkennung seiner Gabe wurde ihm der Titel Cl Jta-rTjp 'tii~ L't6f:h~ (J1Jvaywyij~ gegeben 486 • Noch stärker fallen die Gemeinsamkeiten unseres zweiten Beispieles zu den christlichen Patronen auf, und zwar im Zusammenhang der Kultvereine. Aus dem frühen 2. bzw. späten 1. Jh. v.ehr. existiert eine Inschrift, in der von einem gewissen Dionysius die Rede ist. Die detaillierte Studie dieser Inschrift von S.c. Barton und G.H.R. Horsley zeigt, daß er sein Haus dem Kultverein als Versammlungsraum zur Verfügung gestellt hat487 • Außerdem bilden die Glieder seines Hauses den Kern der Gemeinschaft (ebd., 22). Dionysius selbst hatte keinen offiziellen Leitungsstatus in der Gruppe, doch auf natürlicher Basis hatte er als "host-benefactor" eine hervorragende Rolle (ebd., 22). Barton und Horsley weisen auf eine Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen dem Kultverein und den frühen christlichen HGn hin, nicht zuletzt auf die Bedeutung des Patrons: "Hence, the initiative taken by Dionysius ... to widen access to the cult located in his OtKOC:; is analogous to the initiative of those men and women of rrteans amongst the early Christians who ... opened their houses to the gatherings of believers" (ebd., 28). Wie wir sehen werden, bieten beide dieser Beispiele bedeutende Analogien zur Rolle des Hausvorstandes in den paulinischen HGn488 •
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488
Dieser Titel wurde auch in Synagogen zu Rom verwendet. Hier wie dort wurde er "an reiche Glieder der jeweiligen Gemeinde verliehen, die sich durch ihr Geld und ihren Einfluß tatkräftig für deren Belange eingesetzt hatten" (Hengel, ebd., 176). A Hellenistic Cult Group and the NT Churches, JAC 24 (I98 T), 7-4 I. 8 ff. Für eine andere Sicht vgl. S.K. Stowers, A Cult from Philadelphia: Oikos Religion or Cultic Association?, I998, 286-301. So bilden aus unserer Sicht Vereine als Modell keine Alternative zur Bedeutung der Privathäuser für die frühchristliche Mission. Wir haben noch mehr Belege dafür, daß Vereine "in vielen Fällen in enger Verbindung mit bestimmten Häusern entstanden" (W.A. Meeks, Urchristentum, 165). Vgl. z.B. CIL 6'9I48 "Collegium quod est in domu Sergiae Pallllinae"j den kultischen Verein von Agdistis in Philadelphia und weitere Beispiele bei L.M. White, God's Hause, 26-59j H.]. Klauek, HG, 83-92.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
339
b) Belege für Leitungsstrukturen in den paulinischen Hausgemeinden 489 Von der verbreiteten Auffassung, nach der Paulus seine Gemeinden ohne institutionelle Ordnung gelassen und alles dem freien Wirken des Geistes überlassen habe, wird die starke Bedeutung verkannt, die Paulus dem Apostelamt beimißt. "Die Institutionalisierung von Leitungsfunktionen innerhalb der einzelnen Gemeinden war nämlich keine vordringliche Notwendigkeit, solange Paulus selbst als ,berufener Apostel Jesu Christi' (1Kor 1,1; vgl. Röm 1,1; Gal T ,I und öfter) die Gemeinden leitete. Seine Briefe sind letztlich nichts anderes als Medien zur Ausübung dieser Leitungsfunktion aus räumlicher Distanz.,,490 In rKor 4,I5 bezeichnet sich Paulus als einzigen wirklichen "Vater" der Gemeinde von Korinth. Auch seine Autorität, den Gemeinden gegenüber mit dem Bild der Vaterschaft darzustellen, hat nach antikem Verständnis eine rechtliche Komponente. Paulus übt seine Autorität aus, indem er erzieht, lehrt und zurechtweist491 • Deswegen ist die Aussage, weil keine Institutionalisierung in Korinth festzustellen sei, habe Paulus alles dem freien Wirken des Geistes überlassen, eine unzulässige, vom Text nicht getrageneSchlußfolgerung 492 . Ebenso ist der Mangel an Institutionalisierungserscheinungen noch kein Beweis dafür, daß überhaupt keine L~itungsfunktionen in den paulinischen Gemeinden existierten. Es läßt sich eine ganze Anzahl von Stellen konstatieren, die deutlich machen, daß es von Anfang an neben Paulus bestimmte Veranwortungsträger, teilweise mit festen Titeln und dauerhaften Funktionen, in seinen Gemeinden gegeben hat. Nahezu alle Elemente sind schall vorhanden, die zum
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Zum ganzen vgJ. U. Brockhaus, Charisma und Amt, 95-I27; B. Holmberg, Paul and Power, 96-123; J. Roloff, Kirche im NT, I32-I43. Eine etwas andere Sicht vertritt R. Banks, Paul's Idea of Community, 1994, V.a. I39-148. Nach Banks sind die paulinischen Gemeinden weder hierarchisch noch egalitär, sondern theokratisch mit demokratischen Tendenzen nach charismatischen und "diakonischen " Prinzipien organisiert. "We have here a participatoT)' societ)' in which aurhority is dispersed throughout the whole membership" (I48). 490 J. RoloH, Ansätze kirchlicher Rechtsbildung, I987, 124; ders., rTim, 172, Anm. 3 1 5. 491 Vgl. B. Holmberg, Paul and Power, 78; ihm folgend J. RoloH, Ansätze kirchlicher Rechtsbildung, I2 5. 492 Vgl. auch F.W. Maier, Paulus als Kirchengründer, 1961, 68'73.7 8.
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Hausgemeinde tmd Mission
späteren christlichen Amt gehören: Dauer, Autorität, Titel, Legitimierung durch Empfehlungsbriefe, Sonderstellung, Bezahlung493 • I) Thessalonich
In seinem ersten Brief an die Thessalonicher, nur wenige Monate nach der Gründung der Gemeinde ca. 50 n.Chr. 494 , erwähnt Paulus eine bestimmte Gruppe von }.t[enschen mit dauernden, führenden Funktionen und einer deutlich erkennbaren Sonderstellung in der Gruppe 495 • Eigentlich alle Exegeten sind sich über die Bedeutung von Komaw: sich abmühen, angestrengt arbeiten496 und vou8ELew: ermahnen, warnen497 einig. Paulus gebraucht den Begriff Komaw auch anderswo, um seine eigene Verkündigungs- und Lehrtätigkeit (z.B. IThess 3,5; GaI 4,II; IKor 3,8; Phil 2,16) zu beschreiben. Nur selten verwendet er den Begriff für den Dienst anderer, dann aber meist im Sinne der Gemeindearbeit (z.B. IKor T 6,1 5f; Röm I 6,6. 12 und so auch hier 1Thess 5,12 - vgI. ev U[!lv)498. Auch wenn Paulus die 493
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u.
Brockhaus, Charisma und Amt, 123; vgl. auch 24f, Anm. lO6, für seine Klärung dessen, was unter Amt zu verstehen ist, und eine Auflistung der Kriterien für das ch~istliche Amt. Vgl. auch die Definition vom Amt bei J. Roloff, "Kirche im NT, 139: "Ein Amt liegt nämlich dann vor, wenn eine für Bestand und Aufbau der Kirche erforderliche Funktion durch einen festen Personenkreis mit einer gewissen Konstanz ausgeübt wird." Die Gemeinde dort ist noch sehr jung, und die Nachrichten, die Timotheus von Thessalonich nach Korinth mitbringt, sind noch jünger: vgl. Apg I? und IThess 3,r-6; W.G. Kümmel, Einleitung, 183. IThess 5,12; vgl. ITim 5,!7 mit ähnlicher Terminologie für den Presbyter. Vertreter des "protestantischen Konsens" (z.B. Dibelius, Thess II, 26; von Dobschütz, Thess, 215-259; F. Laub, Eschatologische Verkündigung, 1973, 85; betonen zu dieser Stelle, daß weder Titel noch Einsetzung erwähnt werden. Dies, verbunden mit der Beobachtung, daß Paulus die Gemeinde ermahnt, diese Personen nicht wegen ihrer Position, sondern wegen ihres Einsatzes anzuerkennen, führt zu der Schlußfolgerung, dag nur ein freiwilliger Dienst gemeint sei (s. u.). Hier wird aber zu sehr darauf geachtet, was Paulus nicht sagt und angenommen, dag das, was nicht gesagt wird, aus Prinzip nicht gesagt werden kann. Diese Vorgehensweise lenkt aber von dem ab, was die Stelle eigentlich aussagt (vgl. A.L. Chapple, Local Leadership, 209). Vgl. ebenfalls die Auseinandersetzung von Harnack mit Dibelius und von Dobschütz, der sich zu IThess 5,12 gegen sie für die Auslegung "Amtsperson" entscheidet (Kano<;, ZNW 27 (r928), I-ro.7-ro). Bauer-Aland', Sp. 901. Bauer-Aland" Sp. IIOI. Vgl. A.L. Chapple, Local Leadership, 216, für den Nachweis, dag K01tLCtv von Paulus als serni-technischer Begriff für diese Art Tätigkeit verwendet wird: Er kann davon ausgehen, dag die Thessalonicher das Wort ohne weiteres verstehen.
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34I
Aufgabe des Ermahnens (vou8n€w) als eine Verantwortung aller Christen versteht (vgl. z.B. IThess 5,I4.), spricht er hier von denen, die euch ermahnen", und damit meint er einen bestimmten Personenkreis, der diese Aufgabe mit einer gewissen Regelmäßigkeit wahrnimmt. So unterscheidet sich ihre Tätigkeit von der allgemeinen Aufgabe des Ermahnens quantitativ und nicht unbedingt qualitativ. Auch die Beobachtungen, daß die drei Partizipien zusammen nur einen Artikel haben und daß .0 epyov ulnwv in V. I3 im Singular steht, zeigen eindeutig, daß es sich nicht nur um Funktionen, sondern auch und v.a. um einen bestimmten Personenkreis handelt499 , für den Paulus Anerkennung und Hochachtung von der Gemeinde verlangt. Das heißt: Er erkennt ihre Sonderstellung in der Gruppe an und stärkt ihre Position durch eine deutliche Empfehlung. Hier wird auch deutlich, daß die Aufforderung des Paulus, jene Personen anzuerkennen, ohne sie mit einem Amt zu benennen, unsere These unterstützt, daß die "Amtsträger" anfänglich gar nicht erwähnenswert erschienen und aus einer hausgemeindlichen Vorgabe herausgewachsen sind (zum sozio-historischen Ansatz s. S. 329). Im Gegensatz zu Komaw und VOU8H€W ist die Bedeutung von 1tPOtcrr(,l~laL sowohl hier als auch in Röm 12,8 umstritten. Einige Exegeten bevorzugen die eine mögliche Bedeutung" vorstehen, leiten, verwalten", andere aber eine zweite Möglichkeit "sorgen für, sich annehmen, sich kümmern um"soo. Allerdings ist die Alternative, entweder "Fürsorger" oder "Vorsteher" eine falsche, denn sowohl im Profangriechischen als auch im NT schwingen beide Bedeutungselemente in dem Wort mitSol. Man muß sich nicht entscheiden zwischen Leiten und Helfen, denn die Hilfe, die hier gegeben wird, ist der Schutz und die materielle Unterstützung eines Patrons S02 • Folgende Übersetzung von npotcrru!-taL vereinigt alle diese Elemente in 499
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SOl
H. Greeven, Propheten, Lehrer, Vorsteher, 348; H. Schürmann, Die geistlichen Gnadengaben, 1977, 362-4I2.399, Anm. 132; U. Brockhaus, Charisma und Amt, I07f: Der Text spricht" von tätigen Personen, nicht von Tätigkeiten. "; A.L. Chapple, Local Leadership, 2II-215. Bauer-Aland', Sp. 1416, erwähnt beide Bedeurungsmöglichkeiten, ohne sich zu entscheiden. Vgl. V.;l. P.Tebt. II 326 (ca. 266 n.Chr.); SIG 700 (ca. II8-II7 v.Chr.); H. Gree· ven, Propheten, Lehrer und Vorsteher bei Paulus, 346, Anm. 74; B. Reike, Art. :n:potmrnLL ThWNT VI, 70of; ihm folgend U. Brockhaus, Charisma und Amt, 106; A.L. Chapple, Local Leadership, 21 8f. O. Michel, Röm 379; U. Wilckens, Röm III, 15; ].D.G. Dunn, Romans 9-16, 731.
Hausgemeinde und lvlissiolZ
sich: "als Schutzherr auftreten" 503. Dies wird durch folgende Beobachtung unterstützt: Die drei in rThess 5,12 parallel gebrauchten Partizipien - abgeleitet von 1(o:rcuxw, V01J8ELEW und :rcpotmu/-taL bezeichnen Funktionen einer einzigen Rolle, und zwar der Rolle des Schutzherrn. In Röm 12,8 machen die beiden Parallelbegriffe zu :rcpOtma/-tEvos, nämlich ~lELUÖLÖOUS und f:'AEWV, die Entscheidung für eine Übersetzung im Sinne von "Schutzherr, Patron" noch einsichtiger504 • Das Adverb o:rc01JÖn paßt ebenso gut zur Rolle des Schutzherrn (vgl. Gal 2,10: dort beschreibt eo:rcouöewu Paulus' Bemühungen für die Armen). Die Partizipientrias in rThess 5,12 findet ein Echo in dem Paar aVLLATl/-ttj!ElS - 1(1JßEPVTl0El.S in 1Kor 12,28, wo "Hilfe" wahrscheinlich auch materiell zu verstehen ist505 • Solche Menschen leisteten Paulus im Rahmen seiner Mission immer wieder solche Hilfe durch Bereitstellung ihres Hauses als Versammlungsraum, durch das Gewähren von Gastfreundschaft, Ansehen und Schutz (s.o.). Hilfreich für die Auslegung des vielschichtigen Begriffs :rcpoimu/-taL ist gerade in unserem Zusammenhang auch das davon abgeleitete Verbalsubstantiv :rcpooLaLLS: Beschützerin (Röm 16,2). Hier begründet Paulus seine Bitte, der Phoebe beizustehen, damit, daß auch sie vielen als Beschützerin gedient hat (s. S. 256 v.a. Anm. r65). Wie wir sahen, ist die Hilfe, die Phoebe Paulus und anderen geleistet hat, im Rahmen der Gastfreundschaft einer Patronatsbeziehung geschehen (s. S. 3 r6f). Es ist anzunehmen, daß sie leitende Aufgaben in ihrer Hausgemeinde übernommen hat (s. u. Exkurs zu Leitungsaufgaben der Frau). Es wäre ebenso zu erwarten, daß diejenigen, die als Patrone in den anderen paulinischen Gemeinden, auch in Thessalonich, gedient haben, als Leiter in der Gemeinde angesehen wurden 506 •
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504 505 506
Wichtige Kommentare unterstützen die Bedeutung "Schutzherr"; E. von Dobschütz, Thess, 1909, 216; M. Dibelius, Thess, 1937; E. Best, Thess, 1972. VgJ. auch Greeven, Propheten, Lehrer, und Vorsteher, 346, Anm. 74; A.L. Chapple, Local Leadership, 217-232.221f, der auf eine Parallele bei Dionysius von Halikarnassus (lehrte 30-8 v.Chr. in Rom), Rom Antiq II, ix-xi, v.a. iX,23; X,I-3; Xi,I hinweist; W.A. Meeks, Urchristentum, 278; ihm folgend V. Branick, Hause Church,85-88 .91. So schall ].A. Bengel, Gnomon Novi Testamenti, 1742, 554 "qui alias curat et in cl ienrela habet". U. Brockhaus, Charisma und Amt, 109, Anrn. 76.78; ihm folgend B. Holmberg, Paul and Power, 100f. Zur Frage nach der Leitungsaufgabe der Phoebe s. u. Exkurs S. 359f.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
343
Allerdings ist ihre Leitungsaufgabe mit der Aufgabe eines Patrons nicht einfach identisch. Schon c.P.G. Heinrici wies zurecht darauf hin, daß die bei den Partizipien Komwy-n:~ und V01Jenoiivt:E~ eine andere Aufgabe als die eines antiken Patrons implizieren507 • In einem Patron-Clientela Verhältnis herrschte ein anderes Ethos als das, was Paulus für die Thessalonicher im Sinn hat. Die Klientel empfängt beneficia verschiedener Art vom Patron, während ihm gratia in Form der Ehre und der persönlichen Loyalität von seinem Klientel als Gegenleistung verliehen wird. 1m Gegensatz dazu ist das Verhältnis der christlichen JtPOi:m:cXflEVOL zu der Gemeinde in Thessalonich von der Beziehung beider zu Christus geprägt. Deswegen sind die Vorsteher ev Kupiep, was zur Folge hat, daß sie nicht mehr ihre eigene Ehre, sondern die des Herrn suchen sollen, indem sie der Gemeinde dienen. Umgekehrt sind die Glieder der Gemeinde keine Klientel der JtPOi:m:cXflEVOt, sondern ihre eXOEAcj>oi im Herrn. Aus dem Grund ist unsere Übersetzung "Schutzherr" nicht im Sinne eines formalen bzw. legalen patronalen Status zu verstehen. Es wird dadurch noch einmal deutlich, daß Oikos und Ekldesia nichtgleichzusetzen sind. "Die fürsorgende Autorität, die diese Leute als Jtpot01:cX~lEVOt innegehabt und ausgeübt haben, enthält das Element der Führung in sich und ist nicht denkbar ohne das Element der Dauer. Es handelt sich also um dauernde, führende Funktionen. "508 In IThess 5,I zf weist Paulus auf eine Gruppe von Menschen hin, die für die Gemeinde angestrengt arbeitete, für sie sorgte, sie lehrte, ermahnte und leitete. Dieser Einsatz hätte ihnen mit der Zeit eine besondere Stellung in der Gemeinde gegeben. W.A. Meeks formuliert es so: "Aus den Diensten, die wohlhabendere Leute oder Personen mit einem bestimmten Status der Gemeinde erweisen konnten, erwuchs ihnen eine gewisse Autorität. ,,509 Aus dem ganzen wird deutlich, daß Autorität und dienstliche Aktivität in einer engen Wechselbeziehung standen51O •
507 508 509 510
Die Christengemeinde Karinths, ZWTh J9 (r 876),465-)26, v.a. sr6-)20. U. Brockhaus, ebd., !OB. VgJ. auch J. Ysebaert, Die Amtsterminologie im NT, 74. Urchristentum und Stadtkuhur, 278f. U. Brockhaus, Charisma und Amt, 124. Dienen ist charakteristisch für die Funktion, die hier genannt wird, was allerdings nicht ausschließt, daß die dienende Person zugleich und damit eine leitende Funktion in der Gemeinde ausgeübt hat. Vgl. auch B. Holmberg, Paul and Power, 102.
344
Hausgemeinde und Mission
Interessanterweise hat Ernst von Dobschütz schon 1909 in seinem Kommentar zu den Thessalonicherbriefen zu unserer Stelle (1Thess 5,12) zehn verschiedene Funktionen der rr:poim&~lwOL aufgelistet: "Hergeben des Lokals für die Gemeindeversammlung, vielleicht auch Herstellung der nötigen Ordnung dabei, Vorbeten, Vorlesen, Vorsingen, Gewährung von Unterkunft und Unterhalt für zureisende Brüder, von Unterstützung für Arme, Stellung von Kaution (vgl. Jason Apg 17,9), Vertretung vor Gericht (Patronisieren!), gelegentlich vielleicht eine Reise im Interesse der Gemeinde, kurz alle Pflichten, die später dem Vorsteher ... zufielen. ,,511 Ohne es ausdrücklich zu erwähnen, hat von Dobschütz die Aufgabe des Patrons einer örtlichen Hausgemeinde beschrieben. B. Holmberg weist darauf hin, daß die meisten dieser Funktionen auch ein gewisses Maß an Wohlstand und Status voraussetzen: ein Haus, das groß genug ist, um als Versammlungsort der Gemeinde zu dienen; Zeit und .wluße, um sich um die Nöte der anderen zu kümmern, und die finanziellen Mittel, die dafür nötig waren 512 • Diese Beschreibung paßt vorzüglich auf einen Hausvorstand. Es legt sich demnach nahe, daß die rr:poim&~Evol in Thessalonich teilweise als Leiter von Hausgemeinden zu denken sind 513 • Wir können also annehmen, daß es schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Leben der Gemeinde in Thessalonich, wohl nach wenigen Monaten, Menschen gab, die auf Grund ihres Dienstes und Status als Leiter in der Gemeinde angesehen wurden. Da der 1Thess an eine solch junge Gemeinde geschrieben wurde, die nicht durch innergemeindliche Konflikte gekennzeichnet ist, hat man angenommen, daß die Verhältnisse v.a. angehender Ordnungsformen einer jungen Gemeinde zu verallgemeinern sind und auf die anderen paulinischen Gemeinden übertragen werden können 514 • Eine Anfrage an diese Rekonstruktion wäre allerdings: Wie kam es nach so kurzer Zeit zu dieser Entwicklung? Wenn davon ausgegangen wird, daß Paulus Leiter nicht eingesetzt hat ... , wenn diese Autorität durch einen dauerhaften Dienst erst entsteht ... , wenn eine etwas längere Zeitspanne vorausgesetzt werden muß, bevor die Ge-
Sll 512 513
514
E. v. Dobschütz, Die Thessalonicher-Briefe, Berlin 1909, 216. Paul and Power, 102f. So H. Schürmann, , ... und Lehrer'. Die geistliche Eigenart des Lehrdienstes ... , 135· F. Laub, Paulus als Gemeindegründer (1Thess), 1976, I7-38, v.n. 17.32.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
345
meinde solche Leute anerkennen kann, wie konnte es nach nur wenigen Monaten schon so weit sein? Das Modell des antiken Oikos und die Annahme einer Existenz von Hausgemeinden in Thessalonich sind eine Hilfe, diese Fragen zu beantworten. Für die Gemeinde, die sich in einem Haus versammelt, war eine gewisse Leitungsstruktur schon von Anfang an, in der sozialen Infrastruktur des antiken Oikos ,eingebaut', vorhanden. Wie wir schon sahen: Die weitgehende rechtliche, wirtschaftliche und religiöse Macht des antiken Oikos, die aus der Stellung des Hausvorstandes folgte, spricht dafür, daß dem Hausvorstand Leitungsaufgaben in den HGn zukamen 515 • Das ist auch eine mögliche Erklärung dafür, daß es Leitungsstrukturen in Thessalonich bereits nach so kurzer Zeit geben konnte. Diese These wird durch die Beobachtung unterstützt, daß Apg 17,19 eben von so einem Mann in Thessalonich namentlich berichtet. Nach Lukas leistete Jason Paulus die Gastfreundschaft und den Schutz eines Patrons in den ersten Tagen der Thessalonichergemeindeo Es ist gut möglich, daß er und andere auch weiterhin der Gemeinde Gastfreundschaft leisteten und ihr als rrpo'icrt&~lEVOI, eTl"; eKKA'Y]oia,,; das eigene Haus als Versammlungsort zur Verfügung stellten. 2) Kolossä
Die These der Entstehung der Leitungsstrukturen "von unten" findet auch in der Hausgemeinde des Philemon in oder bei Kolossä eine Bestätigung. Dort wird der Hauseigentümer und Gastgeber Philemon "NIitarbeiter" und Archippus, ein Freund des Hauses, "Nlitstreiter" genannt. Beide Begriffe sind Titel, die von Paulus verwendet werden 516 , um an eine besondere !vlühe in der Mission oder beim Gemeindebau zu erinnern517 • "Eine innere Strukturierung der Hausgemeinde darf man aus dem ... Befund jedenfalls ablesen. Es sind Prozesse im Gang, die auf den natürlichen Vorgaben [im antiken
S. 333ff, Anm. 475 und zusätzlich J. Hainz, Ekklesia, 346: " ... denn man darf annehmen, daß den Hausbesitzern auf Grund ihrer natürlichen Stellung in der EKKA'Y]o(a, die sich in ihrem Hause zusammenfand, eine gewisse leitende Funktion zukam". ~16 VgL 1Thess 3,2; Röm 16,3.9.21; rKor 3,9; Phi I 2,25; 4,); 2.Kor 1,24; 8,23. )17 ]. Hainz, Ekklesia, 2.03 und v.a. W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 63-72.74f.90-92. 515. VgL
Hausgemeinde und Mission
Oikos = RG] aufbauen. Figuren und Funktionen kristallisieren sich heraus. ,,518 Damit drängt sich die Frage auf, ob Paulus Leiter eingesetzt hat oder ob sie einfach aus dem Haushalt heraus entstanden sind. Hatten sie ein Amt inne oder waren es nur freiwillige Tätigkeiten? Hier ist wiederum die Gegenüberstellung, entweder eingesetzte Amtsträger oder freiwillige Mitarbeiter, eine falsche Alternative519 • Sie waren weder im vollen Sinne Amtsträger (dies wäre nach so kurzer Zeit nicht zu erwarten), noch nur freiwillige Mitarbeiter. Ihre Position "is neither official nor incompatible with office, but informal and tending towa1'ds of(ice"520. Diese Sicht, daß man keine falsche Alternative aufrichten darf, wird durch folgende Beobachtung eines zweifachen Sprachgebrauchs der Apg bestätigt. Lukas rechnet in Apg 14,23 damit, daß Barnabas und Paulus in jeder Gemeinde Presbyter durch Handauflegung eingesetzt haben, während er in 20,28 von der Bestellung durch den Heiligen Geist spricht521 • Außerdem ist es wichtig zu erkennen, daß es in dieser Frage sehr wahrscheinlich ein Zusammenwirken zwischen drei Instanzen gab: zwischen Paulus, dem Gemeindegründer und "Vater", der örtlichen Gemeinde und dem· betreffenden Leiter. Die Hauptinitiative kam von einer der Parteien, aber sie mußten alle drei irgend wann miteinander übereinkommen, daß die betreffende Funktion authentisch und nützLich oder in den Worten des Paulus ein x&pLO~La von Gott an seine Gemeinde sei522 • Auch wenn Paulus keine Leiter in seinen Gemeinden eingesetzt haben sollte, haben diejenigen, die als Leiter tätig waren, ihre Legitimation von der Anerkennung durch Paulus und durch die Gemeinde bekommen. In einer Hausgemeinde wäre es natürlich, ja selbstverständlich, daß der Hausherr eine leitende Auf-
518 519 520
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H.]. Klauck, HG, 43. So auch]. Hainz, Ekklesia, 346ff. Brockhaus, Charisma und Amt, I07. A.L. Chapple, Local Leadership, 254 (kursiv = RG); vgl. H.W. Beyer, ThWNT Ir, 6I2.; M.Y. l\rlacDonald, The Pauline Churches, 53; B. Holmherg, Paul and Power, I I2f. Einige, aber nicht alle der Kriterien, die Brockhaus als konstitutiv für das Amt aufstellt, sind in rThess 5, r 2 vorhanden, und zwar die ersten drei: Kontinuität, Anerkennung durch die Gemeinde und Sonderstellung. Ihre Position kann deshalb aber noch kein "Amt" genannt werden. Auch wenn man nicht von der Hiswrizität dieser Belege ausgeht, sind sie ein Nachweis dafür, daß wenigstens Lukas keine Notwendigkeit zur Aufrichtung dieser Alternative gesehen hat. B. Holmberg, Paul and Power, I09.
Die Verwendung V011 Häusern in der paulinischen Mission
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gabe übertragen bekommtS23 • "It is fair to argue that in Paul's presence, as in his absence, househoJd leadership emerged ,from below' in the community and was legitimated ,from above' by the apos,,524 t Ie. 3) Karinth Ähnliche Schlußfolgerungen, wie die für Thessalonich, können in Korinth für das Haus des Stephanas aus der kurzen Notiz in IKor 16,15f gezogen werden. Hier fordert Paulus die Korinther auf, sich dem Haus des Stephanas und allen solchen Menschen, die in gleicher Weise für die Gemeinde arbeiten und sich abmühen, unterzuordnen (1JJ1:otaoow8m). Es ist aus dem Kontext klar zu erkennen, daß Stephanas und einige andere in der korinthischen Gemeinde eine Sonderstellung haben und eine leitende Funktion ausüben. Dies gilt zunächt einmal, weil sie zu der Gründergeneration der Gemeinde gehören, was zweifach unterstrichen wird: I. Stephanas und seine Hausgenossen werden von Paulus mit dem Ehrentitel anapXTJ Lij<; , Axatac; bezeichnet. Daß diese Bezeichnung in den frühen Gemeinden ein gebräuchlicher Ehrentitel war, geht aus Röm 16,5 hervor, denn vor und nach dem Namen wird immer ein ehrendes Attribut hinzugefügt. Als "Erstlinge von Achaja" sind sie Christen der missionarischen Anfangszeit, die sich von Anfang an für das Evangelium und den Bau der Gemeinde eingesetzt haben. 2. Sie wurden von Paulus selbst getauft (1Kor 1,r6), was andeutet, daß sie durch Paulus zum Glauben geführt wurden. Aus diesen Gründen genießen sie eine Sonderstelltmg für das betreffende Missionsgebiers 25 • Außerdem erkennt Paulus nicht nur die Sonderstellung der Stephanasleute an, sondern er unterstreicht sie durch den Zusatz: "und haben sich selbst bereitgestellt zum Dienst für die Heiligen". Damit
V. Branick, The House Church in rhe Wrirings oE Paul, 91E: "The fact that Paul never explicitly rnentions any such speciulleaders ut Christian assembly is significant. Nowhere even remorely do we find any concern for a , validly ordained' ... minister ... It is precisly in the absence of such a concern on the part oE Paul, that we should presume a presiding role for the host, man or warnen, the head of the hausehold who becomes the patron of the assembly." 524 H.O. Maier, SociaJ Setting, I991, 39. An dieser Stelle folgt er wie Holmberg, Paul und Power, II9, F. Laub, Palllus als Gemeindegründer, 34f, der dies "eine originäre Über- lind Unterordnung" nennt. 525 Vgl. auch Röm r6,5. H. Lietzmann, Korinther, 89; C.H. Dodd, Romans, 237; H. Conzelmann, Korinther, 357; ähnlich R. Banks, Paul's [dea of Community, 142. 523
Hausgemeinde und Mission
wirbt Paulus um Anerkennung für sie und fordert die Heiligen zum Gehorsam diesen Menschen gegenüber auf (vgl rKor r6,r6: 'tOt!:; 'tOtOlJ-rOt!:;). Diesen Gehorsam und diese Anerkennung hat dieser bestimmte Personenkreis dadurch verdient, - und dies steht in einem zweiten Zusatz: " und jedem der mitarbeitet und sich abmüht"526 daß sie, wie die Führungskräfte der thessalonischen Christen, der Gemeinde gedient und sich für sie abgemüht haben. Sicherlich gehörte u.a. zu diesem Dienst des Stephanas, daß er sein Haus der Gemeinde als Versammlungsort zur Verfügung gestellt und als Patron einer Hausgemeinde Fürsorge für die Gruppe geleistet hat527 • Also: Es ist deutlich zu sehen, daß Stephanas und seine Leute528 eine führende Rolle in der korinthischen Gemeinde ausgeübt haben. Auch hier wäre es aber verfrüht, auf Grund dieser einen Stelle von Amtsträgern in der korinthischen Gemeinde zur Zeit des Schreibens des IKor zu sprechen. Daß aber daraus ein Amt hervorgehen wird, ist bereits in dieser Phase klar zu erkennen529 • Auch wenn die Ordnungsformen noch im Fluß gewesen sind, hat Paulus schon von der Gemeinde in Korinth erwartet, daß einige Mitglieder innergemeindliche Konflikte zu lösen versuchen (rKor 6,r-5). Wir können annehmen, daß es Einzelne gab, die in der Lage waren, Mitglieder, die sich unmoralisch verhielten, aus der Gemeinde auszuschließen (rKor 5,r-5). Er gibt keine klaren Anweisungen, wie dies zu bewerkstelligen ist; er geht vermutlich davon aus, und er traut es der Gemeinde zu, daß sie die richtigen Schritte unternimmt, um es zu tun. Paulus ist wie ein Vater zu ihnen (rKor 4,r4; vgl. auch rThess 2,5-12.v.a.7; GaI4,L9) und will sie zur Selbstverantwortung erziehen. Diesem Bild entsprechend, erwartet er von seinen Kindern, daß sie erwachsen werden und ihre eigenen Angelegenheiten regeln (rKor 3,1-4). In einer solchen Situation ist es anzunehmen, daß Leitungsstrukturen ziemlich rasch entstehen, um solche Probleme, Konflikte und andere Fragen zu klären. Jedenfalls wird damit deut-
526 Diese beiden Begriffe gehören zur spezifischen Missionsterminologie des Paulus. 527
528 529
H.v. Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, I977, 72. Neben Stephanas scheinen auch Fortunarus und Achaikus der Gemeindeleirung von Korinth angehört zu haben; vgl. IKor 16,17f. Vgl. J. Roloff, Kirche im NT, I39, Anm. 130: ,,50 baut Paulus darauf, daß man in Korinth das 'Haus des Stephanas' kennt (IKor 16,15): hier ist der Ansatz einer verbindlichen Ordnung. "; U. ßrockhaus, Charisma und Amt, naH; J.Hainz, Ekklesia, 98-101; A.L. Chapple, Local Leadership, 44+
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lieh demonstriert, dag die Frage der Leitung Paulus alles andere als gleichgültig war, sondern er ist "deeply concerned with the nature of the leadership which did exist in the community"530. Die Frage ist schon oft gestellt worden: Wenn Paulus Wert auf Leitungsstrukturen gelegt hat, warum hat er gerade die Leiter in Korinth nicht direkt angesprochen, mit ihrer Autorität die Konflikte zu lösen. Dies wird als Indiz dafür gesehen, daß es nicht nur in Korinth, sondern auch in keiner der anderen paulinischen Gemeinden solche Leitungsstrukturen gab. Zunächst ist es fraglich, ob man in unserem Zusammenhang die Verhältnisse der korinthischen Gemeinde, die eindeutig gegenüber den anderen paulinischen Gemeinden eine Ausnahme darstellte, so verallgemeinern kann 531 • Es kann sogar sein, daß Paulus das korinthische "Experiment", eine Gemeinde ohne Leitungsstrukturen zu lassen, als einen Fehlschlag bewerten mußte 532 • Da dieser Fehler nicht wiederholt werden sollte, ist es gut möglich, daß die korinthi-
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A.D. Clarke, Secular and Christian Leadership in Corinth, r32. Clark bringt mit seiner Studie den überzeugenden Erweis dafür, daß es in Korinth Leitungsstrukturen gab und daß Paulus an solchen Strukturen sehr wohl interessiert war. "Having established that there were in the Pauline community those from the social elite of Corinthian society, it was [hen demonsrrated ... from the text of I Corinthians r-6, that certain secnlar practices of leadership were also being adopted in the church (vgl. v.a. rKor 6,I-8 und 5,r-r2). In the light of this intrusion of secular perceptions of leadership imo the Corinthian church, Paul redifined for the Corinthians the nature of Christian leadership ... (by giving a) decisive critique of secular leadership and his commendation oE paradigm leaders whom they should imitate"· (ebd., 130f). Es muß außerdem bedacht werden, daß das uns in I. und 2.Kor überlieferte korinthische Bild bloß eine Momentaufnahme aus einem längeren Entwicklungsprozeß aller paulinischen Gemeinden darstellt. Es ist deswegen methodisch fragwürdig, die korinthische Situation hinsichtlich Leitungsstrukturen undifferenziert auf die anderen paulinischen Gemeinden zu übertragen. Es bietet sich zwar an, diese Gemeinde gründlicher zu studieren, da Paulus mehr über sie als irgendeine andere geschrieben hat. Das tat er aber gerade deswegen, weil ihr Verhalten nicht modellhaft gewesen ist. F.W. Maier, Paulus als Kirchengründer, 73. "Das Bedürfnis nach Ordnung, nach festen klaren Grundsätzen und Normen, war in Korinth da, aber die vielgepriesene pneumatische Selbstverwaltung der Gemeinde versagte vollkommen. Man wendet sich deshalb mit einem großen Fragebrief, dessen Beantwortung neun Kapitel des ersten Korinther füllen, an den Apostel selbst lind dokumentiert damit, dag die Gemeinde selber Ordnung und Frieden zu schaffen, nicht imstande ist."
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sche Erfahrung die Bildung von Leitungsstrukturen in den anderen paulinischen Gemeinden beschleunigt hat533 . Neben den "sich abmühenden" Autoritäten der Anfangszeit stehen aber auch schon Aufgaben mit festen Titeln 534 • In rKor 12,28 erwähnt Paulus eine "Ämtertrias" von Aposteln, Propheten und Lehrern. Noch etwas älter als die titellosen Leitungsfunktionen in Thessalonich sind die Bezeichnungen Propheten und Lehrer. Sie stammen wohl aus der palästinischen Urgemeinde535 und gelangten von dort aus in die antiochenische Gemeinde, wie es schon aus den Titeln und dazu aus zuverlässigen Nachrichten der Apg hervorgehr 36 • Hier hat Paulus anscheinend die antiochenische Gemeindeordnung als Vorbild vor Augen. Dort bestimmten nämlich vom Geist erfüllte Propheten und Lehrer das Gemeindeleben. Diesem Vorbild folgend kann Paulus von der Gemeinde als Leib Christi bzw. als einer charismatischen Korporation sprechen, in der vom Geist begabte Apostel, Propheten und Lehrer die leitenden Aufgaben wahrnehmen (s. S. r82)537. Diese Titel wurden offenbar sehr früh in den paulinischen Gemeinden verwendet. Schon zur Abfassungszeit des rKor um 55 gehörten in Korinth Propheten neben einem allgemeinen Prophetentum 533
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VgJ. R.E. Brown, Priest and Bishop, 1970, 71f. Wir wissen, daß PresbyterBischöfe später eingeführt wurden, denn solche gab es, als Clemens von Rom am Ende des 1. Jh. den Korinthern schrieb. Viel ist zu 1Kor 12-14 und über die sog. charismatische Gemeindeordnung reflektiert und geschrieben worden. Wir gehen hier nicht auf die Diskussion ein. VgJ. dazu U. Brockhaus, Charisma und Amt, Teil III, der mit Bultmann,' Schweizer, Roloff, Käsemann und Ridderbos keinen Gegensatz zwischen Charisma und Amt sieht. Brockhaus hat nachzuweisen versucht, daß die Charismenlehre des Paulus in Wirklichkeit weder eine Kritik gegen noch eine Befürwortung für Ämter in seinen Gemeinden darstellt und daß sie als eine mögliche oder ideele Gemeindeordnung weder intendiert wurde noch als solche verwendet werden kann (Brockhaus, ebd., ZI8ff; vgJ. auch mit ihm J. RoloH, Kirche im NT, 138f; ders., Apostolat - Verkündigung - Kirche, 1965, 126). G. Dautzenberg, Urchristliche Prophetie, 1975; D. Aune, Prophec)' in Early Christianity, 1983. Diese Ämtertrias ist inklusive Zählung wohl traditionell (vgl. H.v. Campenhausen, Kirchliches Amt, 65; O. Michel, Gnadengabe und Amt, 136; A.v. Harnack, Mission und Ausbreitung 1,348). Vgl. Apg II,28; 13,1; 21,10 und auch Mt 10,41; Offb 11.18; 16,6; 18,20. Die Prophetie ist also eine der verbreitetsten frühchristlichen Gemeindefunktionen; vgl. z.B. H. Schürmann, Die geistlichen Gnadengaben in den paulinischen Gemeinden, 1977,389; U. Brockhaus, Charisma und Amt, 97, Anrn. 11. Vgl. 1Kor 12,12-31 und Röm 12,4-8 mit Apg 13,If. Mit P. Stuhlmacher, Kirche nach dem NT, ThBeitr 28 (1995),309.
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aller Gläubigen als klar umrissener Personen kreis zu einem festen Bestandteil des Gottesdienstes 538 • Einen konkreten Beleg für ein solches Auftreten von Lehrern gibt es nicht. Allerdings. ist die Erwähnung von Lehrern in IKor 12,28 ein Hinweis darauf, daß sie in Korinth bekannt waren. AufSerdem ist die Funktion des Unterrichtenden (Ka1;lJXWV) für die Gemeinden in Galatien belegt539 • Dort unterstreicht Paulus, daß der Unterrichtende Anspruch auf materielle und finanzielle Unterstützung durch die Gemeinde hat'40. Es können Mitglieder der lokalen Gemeinden sein, die sich mehr oder weniger dem vollzeitlichen Lehrdienst gewidmet und deswegen die Unterstützung der Gemeinde benötigt haben. Es können aber auch Lehrer sein, die wie Paulus und andere von Stadt zu Stadt gereist sind und eben deswegen auf Unterstützung angewiesen waren. Daraus ist so oder so zu schließen, daß es sich um eine feste, dauernde und mehr oder weniger vollzeitliche Gemeindefunktion gehandelt haben muß541 • Komplizierter liegt es mit dem Apostolat. Im NT findet sich kein einheitlicher Wortgebrauch. Es existierten schon zur Zeit des Paulus zwei verschiedene Apostelbegriffe nebeneinander 512 : der Erscheinungsapostolat und der Gemeindeapostolat543 • Beide sind sehr alt und stellen Führungsfunktionen mit hoher Autorität dar. In IKor 12,28 ist mit dem Begriff Apostel in erster Linie wohl der Erschei-
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H. Greeven, Propheten, Lehrer, Vorsteher bei Paulus, ZNW 44 (1952lr953), T43; auch in: K. Kertelge, Das kirchliche Amt im NT, 305-36I.309-3I5. Vgl. lKor 12,8ff; 14,37 mit rKor 11,5. Gal 6,6; vgl. auch 1,12; Röm 6,17; I2,7; r6,17; 1Kor 4,17; I4,26; Kol 2,7. Dies weist U. Brockhaus, Charisma und Amt, lorff überzeugend nach. Vgl. auch W. Beyer, Art. KULl]Xew, ThWNT 1II, 639. Für eine Übersicht der verschiedenen Ausleger dieser Stelle vgl. H. Schlier, Galater, 275, Anm. 2 und 3; A. Oepke, Galater, IS0. H. Greeven, Propheten, Lehrer, Vorsteher bei Paulus, 325f; U. Brockhaus, Charisma und Amt, Iorff; J. Roloff, Kirche im NT, 139. Vgl. dazu U. Brockhaus, Charisma und Amt, Exkurs zum doppelten Apostelbegriff, II2-123. Beispiele für solche Gemeindeapostel sind Silvanus und Timotheus (rThess 2,7); Andronicus und Junia (Röm 16,7); vgl. 2Kor 8,11 und II,5. VgJ. ebenfalls Stephanas als zeitweiliger Gemeindeapostel in rKor r6,15-r8; Phi! 2,25-30; 2Kor 8,18f: Hier handelt es sich um "Gemeilldegesandte" (für weitere Diskussion s. S. 3I Iff).
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Hausgemeinde und Mission
nungsapostolat gemeint 544 • Demnach ist dann Paulus der emzlge Apostel der korinthischen Gemeinde. Aus demselben Text ergibt sich, daß auch andere weniger außerordentliche Charismen bestanden: v.a. ayttA.*tmjJEL~ und KUßEPvllGW;. Damit sind Hilfeleistungen, Leitung und Verwaltungen gemeint, also Fähigkeiten, die man zur Gemeindeleitung benötigte. Ihre Autorität gründete sich nicht zuletzt auf eigenen Verdienst und eigenes Mühen um die Gemeinde (vgl. 1Kor 16,15f). Es wäre am naheliegendsten anzunehmen, daß diese Funktion ebenso mit den npoi:G1;a~tEVOL in 1Thess 5,12 und Röm 12,8 in Verbindung zu bringen ist 545 • Das spricht dafür, daß die Funktion der Hausbesitzer und Gastgeber der HGn mit jener der Jtpoi:maf.l.EVOL identisch war und unter die KUßEPV"GEL~ zu rechnen ist546 . Dies bestärkt die These, daß die Jtpo'iG1;a~lEVoL teilweise als "Vorsteher" von Hausgemeinden zu denken 547 und als "Prästrukturen" des Vorsteheramtes, das wir in Philippi ausgebildet vorfinden, zu verstehen sind 548 • 4) Philippi
In der Adresse des Philipperbriefes (Phi! 1,1) werden En-LaKOnOL und tneXKovOL erwähnt. Leider steht nicht mehr da als die schlichte Nennung dieser Funktionen549 • Dennoch ist die Stelle von großer Bedeutung für unsere Frage nach Leitungsstrukturen in den paulinisehen Gemeinden. Wenn man bedenkt, daß die einzige Erwähnung von EJt(aKOJtOL in den unumstrittenen paulinischen Briefen gerade in dem Brief vorkommt, der an die Gemeinde gerichtet wurde, die aus
Vgl. Chr. Wolft, rKor JI, 1996, 305f; c.K. Barrett, 1Kor, 1968, 293; G.D. Fee, 1Kor, 1987,620. Anders F. W. Maier, Paulus als Kirchengründer, 69. 545 M.M. Bourke, Reflections on Church Order in the NT, CBQ 30 (1968), 493511.5°1; B. Holmberg, Paul and Power, 100-103. 546 So auch .I. Hainz, Ekklesia, 346. 547 So auch H. Schürmann, ,... und Lehrer'. Die geistliche Eigenart des Lehrdienstes ... ,1977,135· 54~ Ebd.,135. 549 Aus diesem Grund haben diejenigen, die ohnehin wenig Offenheit für eine episkopale Verfassung der paulinischen Gemeinde zeigen, versucht, die Bedeutung dieser Erwähnung von En:tOKOltOL zu minimalisieren. Den Beleg kann man aber nicht wegdenkeIl; er steht da, und das ohne eine ernsrzunehmende Variante in der textgeschichtlichen Überlieferung. Für eine Besprechung der verschiedenen Erklärungsversuche vgJ. E. Best, Bishops and deacons: PhiJippians 1,1, 1968, 371-376, Y.a. 372, Anm. I; W. Schenk, Die Philipperbrief in der neueren Forschung, ANRW 2.25, I987, 3280-3313.3286. 544
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der Sicht des Paulus in vielerlei Weise eine vorbildliche Gemeinde gewesen ist, gewinnt sie umso mehr Bedeutung. Außerdem ist der Stelle einiges abzugewinnen. Zunächst ist es eindeutig, daß eine Mehrzahl von Personen eine Leitungsfunktion in der Gemeinde von Philippi ausüben. Des weiteren wird auch diese Funktion deutlich als Amt bezeichnef so • Die Vokabeln e:n:(OKOJWL und ÖUXKOVOL werden von Paulus als technische Termini verwendet. Er setzt sie als bekannt voraus; d.h. er geht davon aus, daß deren Bedeutung der Gemeinde bekannt ist und daß er sie deshalb nicht weiter erklären muß 55!. Er erwähnt, zusätzlich zu den Heiligen, die Episkopen und Diakone deshalb besonders, weil sie innerhalb der Gemeinde eine besondere Funktion und Position innehatten552 • Wir haben es also in Philippi noch deutlicher als in Thessalonich und Korinth mit einer festen, dauernden Leitungsfunktion und einer klaren Sonderstellung ihrer Träger zu tun 553 • In unserem Zusammenhang fällt es auf, dafS die meisten Kommentatoren, die diese Stelle besprechen, eine bemerkenswerte Zurückhaltung üben, wenn es darum geht, über den sozialen Rahmen der Aufseherfunktionen der e:n:loKoJtOL nachzudenken 554 • Wenn wir aber fragen, was bzw. wen die Episkopen in Philippi geleitet haben sollten, spricht am meisten dafür, daß sie, ähnlich wie Stephanas in Korinth, Aufseher der Gemeinden waren, die in ihren Häusern zusammenkamen. Es läßt sich demzufolge ebenfalls vermuten, daß die
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Vgl. z.B. E. Lohmeyer, I974, Phil, I2.; P.T. O'Brien, Phil, 1991, 48f.
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J. Ysebaerr, Die Amtsterminologie im NT ... , 63. J. Gnilka, Phil, 40. Hier kann man nicht argumentieren,
daß Paulus sich nUf auf eine freiwillige Tätigkeit (z.B. die Sendung von Gaben an Paulus: Phil 4, roff), aber nicht auf ein Amt bezieht. Vgl. H.W. Beyer, ThWNT II, 6I2f: "Wenn Paulus nur hätte sagen wollen, er griilSe diejenigen, welche die Liebesgaben an ihn eingesammelt und abgeschickt hatten, so härte er das wohl auch so ausgedrückt und nicht zwei dem Griechen als Titel geläufige Begriffe gewählt. So wie die Worre dastehen, gehen sie auf diejenigen, deren Obliegenheit das emoKomiv und öWKovElv ist ... " 553 U. Brockhaus, Charisma und Amt, 124; A.L. Chapple, Leadership, 578-587. 554 Dabei ist die Hypothese, Episkopen allgemein seien Vorsteher der HGn, die zusammen die Ortsgemeinde leiten, sehr alt und geht bereits auf F. Chr. Baur zu. rück (vgl. Die sog. Past, r835, 83f). Vgl. als Ausnahme zur eben genannten Zurückhaltung]. Roloff, rTim, 1988, 171-177; P. Pilhofer, Philippi, 140-147, der von einer lokalgeschichtlichen Ausbildung des Titels gerade in Philippi ausgeht, wobei das römische Klima der Kolonie der entscheidende Faktor zu sein scheine. Die nur in Philippi bezeugten proClt1'atores eines philippinischen Kultes sind für Pilhofer wahrscheinlich das entscheidende Vorbild gewesen. 551
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Episkopen in Philippi Leiter einzelner Hausgemeinden darstellten555 • Zusammen als Gruppe können solche Vorsteher ein Leitungsgremium der gesamten Ortsgemeinde gebildet haben 556 • Alles, was wir über die Hausgemeinden in Jerusalem, Antiochien und in den paulinischen Städten wissen, unterstützt diese Vermutung, denn sie scheinen überall die Ausgangspunkte der Ortsgemeindebildung gewesen zu sein. Wir haben schon demonstriert (s. S. 320H), daß die Mission unter Hausvorständen zu der planmäßigen Vorgehensweise des Paulus gehörte. Die Gemeinde in Korinth bietet das deutlichste Beispiel dafür. Wie wir sahen, lag die Leitung der HGn von Beginn an in den Händen von begüterten Hauseigentümern (vgl. z.B. Stephanas, Gaius, Krispus), an die sich Paulus ganz bewußt zu Beginn seiner IvIission dort gewendet und sie zum Glauben geführt hat, in der Hoffnung, daß sie ihre Häuser zu Stützpunkten seiner Mission einsetzen ließen. Ähnlich wird er in Thessalonich vorgegangen sein (s. o. zu Apg 17 und Jason). Es ist anzunehmen, daß er ebenfalls in Philippi die Bedeutung energischer einflußreicher Personen fiir seine Mission und den Aufbau der örtlichen Gemeinde dort erkannt hat557 • Lukas berichtet, daß es ihm' gleich zu Beginn seiner Mission auch in Philippi (s. o. Apg 16: Lydia und der Kerkermeister) gelungen ist, zwei begüterte Hausvorstände für den Glauben zu gewinnen, um ihre Häuser zur Basis der weiteren Ivlissionsarbeit zu machen. Er hat vermutlich dann in seiner Abwesenheit diese HGn u.a. von diesen Hauseigentümern leiten lassen. Unser Text (Phil 1,r) gibt uns zwar keine genaue Auskunft über die eigentliche Natur der Aufgaben der OUXKOVOL und e:rdOKOJWl. Geht man aber von der zentralen Stellung des Herrenmahls und der Situation der Hausgemeinden in der paulinischen Mission - spezi-
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Vgl. J. I-hinz, Anfänge des Bischofs und Diakonenamts, 1976, 105; ihm folgend E. Dassmann, Hausgerneinde, 89. So auch ]. Roloff, ITim, 171ff; A.L. Chapple, Leadership, 558-573. Vgl. H. Schürmann, ,... und Lehrer'. Die geistliche Eigenart des Lehrdienstes ... , 135, Anm. 122; J. Roloff, Kirche im NT, 142; und]. Rohde, Urchristliche und früh katholische Ämter, 1976,45, die dies für die urchristlichen bzw. paulinischen Gemeinden generell vermuten. Vgl. auch E. Dassmann, Hausgemeinde, 89f; so auch Gllilka, Phil, 32.34; F.F. Bruce, St. Paul in Macedonia: 3, 282f und neuerdings A.L. Chapple, Local Leadership, 558; ihm folgend R.A. Camp bell, Elders, E5. Anders Hainz, Ekklesia, 346f. Vgl. v.a. F.V. Filson, Significance, rrrf; vgl. zusätzlich zu den schon o.g. Forschern: R.]. Augsten, Natural Motivation in the Pauline Epistles, 1966, 53; H. Schürmann, , ... und Lehrer', 1977, 107-147.135, Anm. 121.
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fisch in Philippi - aus, so drängt sich folgende Vermutung auf. Bis zur Abfassung des Philipperbriefes ist die Anzahl der Christen in Philippi anscheinend gewachsen, so daß mehrere Häuser als dauerhafte Versammlungsorte nötig wurden. So kann auch die Mehrzahl von Aufsehern dieser HGn in PhiI I,I plausibel erklärt werden558 . Diese HGn bedurften einer Regelung des Vorsitzes bei der Feier des Herrenmahls und der Unterstützung und Leitung des Gottesdienstes 559 • Die Hausvorstände, die ihre Häuser zur Verfügung stellten, kämen am ehesten für solche Aufgaben in Frage. Vieles spricht also dafür, daß die Episkopen in PhiI I,I die Gastgeber und Leiter der HGn waren 560 • Die öuxKovm können dagegen die Assistenten der ert:l<JKOnOl gewesen sein561 • Allerdings ist nicht sicher, daß hier zwei verschiedene Ämter gemeint sind, denn folgende Auslegungen sind auch möglich: "diejenigen, die leiten und dienen" oder "diejenigen, die durch ihre Leitung dienen". Immerhin ist Paulus bereit, den Begriff ÖUiKOVO<; sowohl für seinen eigenen als auch für den Dienst von anderen zu verwenden. Während die Hausvorstände (enioKonm) und Gastgeber der HGn wohl die Aufsicht über das Herrenmahl führten 562 , versahen die ÖUXKovm vermutlich den Tischdienst bei den Gottesdiensten und waren v.a. für die Vorbereitung des Herrenmahls, sowie für die Einsammlung und Verwaltung der Gaben verantwortlich563 • Diese Vermutung wird durch die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes unterstützt. Das Wort setzt die feste Vorstellung des Aufwartungsdienstes bei Tisch voraus. Eventuell waren die Diakone ursprünglich sogar auch Mitglieder des Haushaltes, z.B. Diener bzw. Sklaven des die HG leitenden Hausvorstandes. Das Bild des Gemeindemahles in rKor I I läßt zwar solche Dienste noch nicht erkennen, "aber es ruft
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J. Hainz, Ekklesia, 346f; J. Roloff, ITim, 172f. Vgl. J. Roloff, Kirche im NT, 142, der in den Aufsehern
die personelle Instit\ltionalisierung der in IKor 12,28 genannten Charismen der Unterstützung und Leitung sieht. Mit E. Dassmann, Hausgemeinde und Bischofsamt, 1984, 82-97.89f; ihm folgend J. Roloff, Ansätze kirchlicher Rechtsbildung, 123; ders., Kirche im NT, T.42; A.L. Chapple, Local Leadership, 1984, 558-590. Vgl. so schon Chrysostomus; ihm folgend, G.F. Hawthorne, Phil, 1983, 7fE; ].F. Collange, Philippians, 1977, 38f. A. Schreiber, Die Gemeinde in Karinth, 1977, 135; H.J. Klallck, HG, 43. J. RoloH, Kirche im NT, I4 3.
Hausgemeinde und Mission
nach ihnen"564. Doch scheinen in Philippi diese Dienste tatsächlich schon so weit entwickelt gewesen zu sein. Oft wird die Frage diskutiert, wer beim christlichen Herrenmahl den Vorsitz führte 565 . Das können wir nicht mit letzter Sicherheit sagen. Vom antiken olKo<; her gedacht, liegt jedoch die Vermutung nahe, daß in den korinthischen HGn der jeweils gastgebende Hausvorstand diese Aufgabe wahrnahm. Dieser Mahlbrauch hat eine jüdische und teilweise auch eine heidnische Analogie (s. S. 335). Der Hausvorstand stellte sowohl den Versammlungsort als auch gegebenenfalls vielleicht die Verpflegung für das Sättigungs- und Herrenmahl zur Verfügung 566 . Er hätte den Vorsitz über die Sättigungsmahlzeit innegehabt und auch entschieden, wann damit begonnen werden soll. Wenn Paulus den Korinthern wegen Mißständen in Bezug auf das Herrenmahl schreibt, scheint er diejenigen, die für das Mahl verantwortlich waren, anzusprechen, denn sie sind die einzigen, die für die Ordnung im Gottesdienst hätten sorgen können, für die Paulus plädiert (vgl. rKor II,33f). Zu diesen Verantwortlichen werden allerdings nicht nur die Gastgeber gehört haben. Es können auch Paulus oder Petms, die Gemeindeapostel, Propheten oder Lehrer gewesen sein, die dann auch als Ehrengäste die Aufgabe des Vorsitzes beim Herrenmahl geführt haben, so daß die Leitung der Mahlfeier durch den Gastgeber keineswegs als allgemein bindende Norm vorausgesetzt werden kann 567 . Ohne weiteres kann dennoch mit A. 564 L. Goppelt, Die apostolische ... Zeit, I28. 565 Daß christliche Episkopen allgemein dies taten, ist schon von R. Sohm, Kirchen-
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recht I, 5 5ff vermutet worden. K. Müller, RGG' III, Art. Kirchenverfassung, I. Im christlichen Altertum, Sp. 970, verwies darauf, dag Bischöfe der nachapostolischen Zeit sich entweder in der Eucharistie abwechselten oder daß sie "da, wo die Gemeinde keinen einheitlichen Versammlungsort hat, für die Gottesdienste in den verschiedenen Häusern bestimmt" sind. Daß ein antiker Gastgeber für ein Gastmahl das Essen zur Verfügung stellen sollte, war die damalige Sitte. Allerdings tatlen der Hausvorstand bzw. die Hausvorstände in Korinth dies anscheinend nicht. Das ist aber auch nicht Anlaß der Kritik des Paulus. Dort wird die ganze Gemeinde, d.h. nicht nur die Reichen allgemein bzw. spezifisch die Hausvorstände, von Paulus dazu ermahnt, die Verpflegung - sprich das, was jeder mitbringen konnte - mit den anderen zu teilen. Es ist anzunehmen, daß die Reichen, und dazu werden die Hauseigentümer gehört haben, mehr beizusteuern hatten, dennoch werden die Armen das, was sie hatten, auch mitgebracht haben (vgl. dazu P. Lampe, The Eucharist, Int 48,1 (1994), 3649, der auf die "Patluck"-Natur der paulillischen Abendmahlsfeier hinweist). Vgl. Apg 20,II: dort ließ man den in der Gemeinde gerade anwesenden Paulus das Herrenmahlleiten. Vgl. J. RaloH, ITim, 173.
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Schreiber gesagt werden: "Die Gastgeber üben mindestens in formaler Hinsicht eine Leitungsfunktion aus, indem sie den Raum zur Verfügung stellen, einladen, begrüßen und sicher auch einen besonderen Sitz bei den Eucharistiefeiern einnehmen. ,,568 Wie wir gesehen haben, kann man das auch für die Gemeinde in Philippi, wohl aber ebenso für die anderen paulinischen Gemeinden annehmen 569 • Viel ist über die Herkunft der Bezeichnung bdCJKonoc; reflektiert worden. Der Begriff ist sehr häufig sowohl im profanen Griechisch als auch in der LXX und entstammt dem Bereich der Verwaltung und der Dienstleistungen57o • Daraus hat man geschlossen, daß der so bezeichnete Leiter in erster Linie mit Verwaltung und Dienstleistungen beschäftigt gewesen sein muß und daß er keine geistlichen und pastoralen Aufgaben wahrgenommen haben kann. Diese Unterscheidung scheint allerdings zu modern zu sein, denn der Mebaqqer der Essener war anscheinend mit Aufgaben in bei den Bereichen beschäftigt. Er hatte nicht nur Verwaltungsaufgaben zu erledigen, sondern übte auch eine Lehrtätigkeit aus 571 Demnach muß nicht davon ausgegangen werden, daß die Aufseher in Philippi nur gemeindliche Verwaltungsfunktionäre mit Verantwortung für die Kassenführung gewesen sind572 • Es kann sein, daß sie auch pastorale Aufgaben mit geistlicher Qualität ausübten. Manche versuchen, das Phänomen der episkopalen Leitungsstrukturen in der Gemeinde zu Philippi mit einer späten Datierung des Philipperbriefes zu begründen. So gesehen wäre Phil 1,1 ein Beleg für eine fortgeschrittene Entwicklung von Ämtern in der paulinischen Mission. Die These einer Entwicklung ist attraktiv und hat durchaus einiges für sich. Sie würde z.B. erklären, warum Paulus sonst in seinen unumstrittenen Briefen selten Funktionsträger und bis zum Philipperbrief nie Episkopen erwähnt. Der Entwicklungsgedanke paßt auch gut zu der These einer Entstehung der Leitllngsstrukturen A. Schreiber, Die Gemeinde in Korinth, 135. So auch J. RoloH, ITim, 173; V. Branick, House Churches, 9If. J. Ysebaert, Die Amtsterminologie im NT, 87. 570 J. Roloff, Kirche im NT, 142, spricht sich für eine profane Herkunft der Bezeichnung aus. Vgl. aber L. Goppelt, Die apostolische ... Zeit, 128f, der mit guten Argumenten die profane Herkunft ablehnt. Für eine Besprechung der Forschungslage mit eigener Stellungnahme vgl. A.L. Chapple, Lokal Leadership, 546-557. 571 CD 13. 1 4. Dies würde die These einer Verbindung zwischen ljJ:JY.) und cJtIOK01tO<; unterstützen. Vgl. H. Schürmann, Die geistlichen Gnadengaben in den paulinischen Gemeinden, 1977, 397, Anm. 124. 572 MitJ. Roloff, Kirche im NT, 142. 56M
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"von unten" aus dem antiken Oikos heraus. Außerdem sehen wir auch in der Jerusalemer Urgemeinde eine Entwicklung hin zur stärkeren organisatorischen Strukturierung, auch wenn sie dort eindeutig in Richtung einer presbyterialen Gemeindeordnung verläuft. Diese These muß aber hypothetisch bleiben, denn der Verfassungsort und damit die Datierung des Philipperbriefes ist nach wie vor umstritten. Wenn Paulus ihn z.B. in Ephesus und nicht in Rom geschrieben hat, könnte er schon vor dem IKor verfaßt worden sein, was der Annahme einer Entwicklung die Grundlage nehmen würdem. Nach einer Besprechung der ganzen Belege für Leitungsstrukturen in den paulinischen Gemeinden, schlägt B. Holmberg folgende Zusammenfassung vor: "In most of Paul's churches we have a group of persons who teach, guide, transmit divine revelations, expound the scriptures and formulate God's will in concrete, everyday life, and here we find the prophets and teachers ... Beside this group we find another, not so c1early defined, consisting of people with sufficient initiative, wealth, and compassion to care for the sick and poor, to receive travelling missionaries and other Christians, . to be able to accommodate the worshippers and the communal meals of the church in their own houses, sometimes travelling on behalf of the church and generally taking administrative responsibility. "574 Mit dieser Zusammenfassung hat Holmberg die Situation weitgehend zutreffend beschrieben. Allerdings entsteht der Eindruck, daß so gut wie keiner in der zweiten Gruppe je mit einer Lehrtätigkeit beschäftigt war. Hier ist aber zu fragen, ob er mit dieser Unterscheidung zweier Gruppen auch mit allzu modernen Kategorien arbeitet. Warum soll der Hausvorstand als Leiter einer Hausgemeinde nicht ebenfalls gelehrt und prophetisch gesprochen haben? Aquila und Priska exemplifizieren solche Hausbesitzer und Leiter einer Hausgemeinde, die ebenfalls eine Lehrtätigkeit ausgeübt haben 575 • Wie wir sahen, waren auch die 1tpo'iaL&~lEvm in Thessalonich beides zugleich; sie hatten als Schutzherren nicht nur patronale, sondern auch
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Vgl. W.G. Kümmel, Einleitung, 1983, :1.42.291; U. Brockhaus, Charisma, 125f. Vgl. dazu jetzt LH. MarshalI, The Theology of the Shorter PauJine Letters, 1993, I2If, der sich mit guten Argumenten für Rom einsetzt. Paul and Power, u8. Vgl. Apg 18,1-3. 2 4- 26•
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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pastorale Aufgaben 576 • Denken wir auch an Stephanas, der zugleich Hauseigentümer und Gemeindeapostel war (vgl. 1Kor 16,15-18), was deutlich zeigt, daß eine Identität als Hausvorstand und eine charismatische Befähigung sich nicht gegenseitig ausschließen 577 . philippus war in Cäsarea Hauseigentümer und Evangelist (Apg 21,8 ). Hinzu kommt, daß es zu den üblichen Pflichten nicht nur eines jüdischen Hausvaters gehörte, für den Unterricht seiner Kinder zu sorgen, sondern diese Sitte scheint in der Antike allgemein verbreitet zu sein (s. S. 335f, v.a. Anm. 478). Demnach wäre zu erwarten, daß ein begüterter Hausvorstand, der in der Regel ohnehin eine höhere Bildung als die anderen Mitglieder seines Hauses besaiS, Lehraufgaben in einer Gruppe übernimmt, die sich in seinem Haus versammelt. Exkurs: Die Leitungsaufgaben der Frau in den paulinischen Hausgemeinden Die relativ hohe Beteiligung von Frauen v.a. andet paulinischen Mission 578 , die teilweise wohlhabend und von hohem sozialen Status waren, wird in der Forschung zunehmend anerkannt 579 • Ein sozio-
Vgl. 1Thess 5,12. "Since Paul's statement refers co one graup whose activity has three important dimensions, and not to three groups, the leaders are those in whom patrona! (JtpotmumaL) and pastoral (VOUBELElV) ministries are combined, and who display an evident commitment (KOJtLiiv) to both" (A.L. Chapple, Local Leadership, 235). 577 Allerdings fällt auf, daß ein Dienst des Wortes für Stephanas nicht belegt ist. Das kann aber einfach darin hegründet sein, daß die Briefe des Paulus Gelegenheitsschreiben darstellen, muß aber nicht notwendig zu dem Schluß führen, daß Stephanas nie in seiner Hausgemeinde die Aufgabe des Lehrens übernommen hat. 578 Dies gilt auch für die gesamte christliche Missionsbewegung, die durch die Ausbreitung des Judentums unter vornehmen Frauen vorbereitet wurde. Vgl. z.B. B..T. Braoten, Women Leaders in the Allcient Synagogue, 1982 und Lit. in Anm. 479. 579 Vgl. bes. H. Gülzow, Soziale Gegebenheiten der altkirchlichen Mission, 1974, BdJ 189-226, bes.2.00-2.06 und schon A. von Harnack, Mission und Ausbreitung, Bd. II, 1924, 589-611. Vgl. z.B. auch K. Thraede, RAC VIII, Art. Frau, Sp. 230; \V.H. Ollrog, Mitarbeiter, 9-62; G. Lohfink, Weibliche Diakone im NT, ·Diakonia I I (1980), 383-400; G. Dautzenberg, Zur Stellung der Frauen in den pln. Gemeinden, I983, I82-224 - für weitere Lit: I82.; A. Weiser, Die Rolle der Frau in der urchristlichen Mission, J983, T58-181; E. SchUssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 1983, 2.05-254; L. Schottroff, Wie berechtigt ist die feministische Kritik an Paulus?, I984, 94-IJI; S. Heine, Frauen der frühen Christenheit, I990, 91-II6; E.W. und W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, 332-346; 576
Hausgemeinde und Mission
historischer Grund für diese hohe Beteiligung liegt sicherlich im Stellenwert, den die HGn für die Ausbreitung des frühchristlichen Glaubens hatten 580 • Auf die Bedeutung der HGn zur Beantwortung der Frage nach den eigentlichen Leitungsaufgaben der Frauen in diesem Zusammenhang ist ebenfalls mehrfach hingewiesen worden 581 • Doch es bleibt ein sehr schwieriger Fragenkomplex wegen der Spärlichkeit des Belegmaterials und der dazukommenden komplizierten Textlage. Dennoch wollen wir es wagen, die Belege bei Lukas und Paulus v.a. unter Berücksichtigung der hausgemeindlichen Situation der paulinischen Mission kurz zu untersuchen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit. Etwa ein Viertel der in den unumstritten paulinischen Briefen namentlich erwähnten aktiven Mitarbeiter sind Frauen582 • Wenn wir die im Kol genannte Nympha und die in der Apg genannte Lydia hinzunehmen, kommen wir auf zwölf Personen: Euodia, Julia, Junia, Lydia, Nlaria, Nympha, Persis, Phoebe, Prisca, Syntyche, Tryphaena und Tryphosa. Euodia und Syntyche lernen wir in Phil 4,2f kennen, zwei Frauen, die, so Paulus, "für das Evangelium gekämpft" haben 583 • Für A. v. Harnack sind die beiden Frauen mit Lydia zusammen "Mitbegründerinnen der Gemeinde zu Philippi", und sie "standen daher noch eben in hohem Ansehen (vielleicht als Vorsteherinnen zweier Haus-
580 581
ß. Witherington, Warnen in the Earliest Churches, 1988, 76-127; N. ßaumert, Frau und Mann bei Paulus, 1991, 159-1.92; U. Eisen, Amtsträgerinnen im frühen Christentum, 1996, passim; C. Osiek, The Family in Early Christianity, CBQ 58 (1996), 1-24; dies., Warnen in House Churches, in: FS G.F. Snyder, 1998, 300315· P. Stuhlmacher, Phlm, 70-74; H.]. Klauck, HG, 1981. H.]. Klauck, HG; L. Swidlcr, Biblical Affirmantions of Waman, 1979, 296; A. Weiser, Die Rolle der Frau, 1983, 166f.172-175; G. Daurzenberg, Zur Stellung der Frauen, 182-224, v.a. 193-221; R. ßanks, Paul's Idea of Community, II8127; D.C. \'\lerner, Household of God, 1983, 127-180; E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 225-236; R. Beck, The Women of Acts, 1990, 294ff; V. Branick, House Church, 1989, 58-97; B.B. Blue, Acts alld the House Church, 178- 186.
582
583
Rein zahlenmägig ist die Beteiligung der Frau in der paulinischen Mission insgesamt eine viel niedrigere als die der Männel'. Aus moderner Sicht empfindet man es gegebenenfalls als viel zu wenig. Aus antiker Sicht wird das in der Regel als eine ungewöhnlich hohe Beteiligung aufgefallen sein (s. u.). Für die unterschiedlichsten Positionen zu der Identität und Bedeutung der beiden Frauen vgl. S. Heine, Frauen, 97, N. Baumert, frau und l'vlann bei Pall11l5, 185; B. Witherington, Women, 11 rf und die Kommentare zur Stelle.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
361
gemeinden, wie Nympha in Colossä)"584. Daß sie Mitbegründerinnen der philippischen Gemeinde waren, ist vom Text her nicht zu beweisen. V. 3 schließt es geradezu aus. Der Text gibt auch keinen Anlaß, sie zu Leiterinnen von HGn zu erklären. Über Nympha haben wir schon einiges erfahren. Wie wir sahen, erscheint sie in Kol 4,15. Entweder war sie Witwe oder eine ledige Frau, die in den Besitz eines Hauses gekommen ist (oder ist ihr Ehemann nicht Christ geworden?585). Daß Nympha, der eine gewisse Autorität auf Grund ihrer Stellung als Hauseigentümerin und Hausvorstand zugekommen wäre, Einfluß auf das GemeindelebeIl in ihrem Haus in Laodizea ausgeübt hat, ist nach alledem, was wir über den antiken Oikos wissen, anzunehmen 586 . Denn das Hauswesen war in der Antike v.a. im religiösen Bereich die klassische Einflußsphäre der Frau. "On occasion women of course taok their part in a11 manner of public rites, but it is in the household that they are the conspicuous worshippers ... 587 Dies heißt aber noch nicht, daß Nympha die geistliche Leitung der Gemeinde übernommen hat. Grundsätzlich wäre dies aber möglich gewesen 588 . Der religionsgeschichtliche Vergleich bietet auf jeden Fall einen Anknüpfungspunkt (vgl. die Aufgabe der Frau im antiken Oikos). In den paulinischen Hausgemeinden werden wir aber differenzieren müssen, was gleich noch deutlicher zu merken sein wird. Leider gibt uns der Text in Kol 4,15 keine weitere Information, um jene Frage im Falle Nympha eindeutig beantworten zu können. Auf die Purpurhändlerin Lydia sind wir ebenfalls schon zu sprechen gekommen. Es findet sich in Apg 16 die Gründungsgeschichte einer HG bei dieser Frau. Lydia wird außerdem von Lukas als die erste Christin in Makedonien dargestellt. Kann man sie deswegen zur Leiterin der Gesamtgemeinde in Philippi erheben?589 Möglich ist es durchaus (vgl. 16,40). Sie scheint die Hausgemeinde v.a. in der Mission lind Ausbreitung rr, 592f, Anm. 2. In dem Fall würde es wohl mit dem Hausbesitz von Nympha schwierig. 586 Für inschriftliche und dokumentarische Belege für Frauen als Hausvorstände vgl. G.H.R. Horsley, New Doc TI, 25-32. 587 H.]. Rose, Religion, 1957, 95-II6.98; ihm folgend K. Thraede, RAC VIII, Art Frau, 1970, Sp. 206; H.]. Klauck, HG, 46. So auch E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 225ff. Vgl. auch Lit. Anm. 614. 588 Vgl. z.B. H.]. Klauck, HG, 45f und R. Banks, Community, 124, die heide eine Leitungsaufgabe der Nympha in ihrer Hausgemeinde für möglich halten. 589 So E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 1.28 und]. Jervell, Apg, 422.428, Anm l32. 584 585
Hausgemeinde und Mission
Anfangszeit geleitet zu haben, wird aber im Philipperbrief nicht erwähnt. Dennoch ist zu betonen, daß Lukas mit seinem Bericht auch sagen will: Paulus ist trotz seiner jüdischen Prägung bereit, eine örtliebe Gemeinde mit einer Gruppe von Frauen zu gründen 590 • Mit der Andeutung, daß Frauen im Gegensatz zur Synagoge (m.Meg. 4,3) allein eine christliche Gemeinde gründen konnten, macht Lukas indirekt auf einen Unterschied hinsichtlich des Status von Frauen jener Zeit in den beiden Glaubensrichtungen aUfmerksam 591 • Auch die Christin gewordene Lydia scheint soziale Barrieren zu überschreiten, indem sie die männlichen und dazu jüdischen Missionare nötigt, ihre Gastfreundschaft anzunehmen. "Perhaps Luke means us to see here a portrait of a woman who grasped from the first that whatever barriers being a Gentile and a single woman might erect in regard to housing non-Christians (particularly Jews) in her horne, these barriers were no longer obstacles to Christians, even Christian males whom she had just met. ,,592 Die Mehrheit der o.g. Frauennamen findet sich in der Grußliste in Röm 16,1-16. Ohne Namensnennung werden von Paulus noch die Mutter des Rufus, "die auch mir eine Mutter geworden ist", und die Schwester des Nereus (Röm 16,13-16) erwähnt. Auch ein (missionarisches?) Ehepaar, Julia und ihr Mann Philologus, werden genannt. Maria, die "geliebte" Persis, Tryphaena und Tryphosa haben viel "im (Dienst des) Herrn" gearbeitet bzw. sich gemüht (KO:1WXV! s. S. 34of). Schon allein aus diesen Angaben wird deutlich, daß Paulus viele persönliche Kontakte zu Frauen hatte und ihnen gegenüber Wertschätzung zeigte593 •
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So lange Paulus noch da war, hatte er sicherlich die Leitung. Nach seiner Abreise kann Lydia die Leitung übernommen haben. Wenn Lydia ältere Söhne und noch Gesinde hatte, gehörten auch noch Männer zu der Gemeinde in ihrem Haus. Es ist auch zu fragen, welche Aufgabe ein älterer Sohn oder auch der Gefängniswärter in der Leitung der Gemeinde in Philippi wahrgenommen hätte. Vgl. W.D. Thomas, The PI ace of Women in the Church at Philippi, ET 83 (197172), 117-120.II7· B. Witherington, Women, 149; vgl. auch W.A. Ramsay, The denials of Peter sectian III: the house in the New Testament, ET 27 (1915-16), 47If, der vorschlägt, dag Lydia Männer in ihr Haus gastfreundlich aufnehmen konnte, ohne lokale Sitten zu verletzen, weil ihr Haus groß genug war, um den Männern einen eigenen für sich getrennten Raum zu bieten. Diese und andere Beobachtungen zeigen, so C.E.B. Cranfield, Rom H, 789, "the falsity oE the widespread and stubbornly persistent nation that Paul had a low view oE women ... "
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
363
Interessanter für uns sind allerdings die Angaben dieser Grußliste über einige andere Frauen. Junia und ihr Mann Andronikus haben viele Qualitäten mit Paulus gemeinsam594 . Sie sind ebenfalls Juden und waren schon vor ihm zum Glauben an Christus gekommen. Wie Paulus haben auch sie für Christus gelitten, sogar in einer gemeinsamen Gefangenschaft mit Paulus. Sie beide gelten außerdem noch als "angesehene" Apostel 595 • Ein "Apostelamt" im Sinne der Zwölf oder auch wie Paulus es selbst empfangen hat (IKor I,I; 15,5.8f), ist mit dem Titel in unserem Kontext nicht notwendig gemeinf96 • Denn es gab, wie wir sahen, Erscheinungsapostel (Gal I,I7; 1Kor I5,7), aber auch Gemeindeapostel (2Kor 8,23) im Urchristentum (s. S. 3 sr). Ob Andronikus und Junia zu den Erscheinungsaposteln gehörten, ist nicht mehr mit Sicherheit auszumachen 597. Daß sie schon vor Paulus Christen wurden 598 und "im Kreis der Apostel angesehen,,599 waren, kann dafür sprechen (vgl. auch Gal 1,17 mit Röm I6,7). Ziemlich sicher ist, daß sie mit Paulus in der Heidenmission tätig waren, denn sonst wären sie wohl nicht (mit ihm?). ins
594 Es sollte wohl kein Zweifel mehr sein, daß in Röm 16,7 die weibliche Form von
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Junia zu lesen ist. Den männlichen Namen "Junias" gibt es in der gesamten literatur nicht. Die älteren unter den akzentuierten Handschriften lesen . I01Jvlav, eindeutig den Frauennamen. Für weitere Argumente vgl. C.E.B. Cranfield, Rom II, 788; U. Wilckens, Röm, 135; P. Stuhlmacher, Röm 2I9; G. Lohfink, Weibliche Diakone im NT, 1983, 327ff; B. Brooten, Junia ... Hervorragend unter den Aposteln (Röm r6,7), 1978, 148-1 SI; P. Lampe, Junia/Junias: SklavcnherkunEt im Kreise der vorpaulinischen Apostel (Röm 16,7), ZNW 76 (1985), IpEE. Nicht "rühmlichst bekannt bei den Aposteln" (Meyer), sondern :.hervorragend unter den Aposteln"; vgl. RengstorE, ThWNT VII, 267E; W. Sandayl A.C. Headlam, Rom (ICq, 1902, 423: "The Passage was apparently so taken by all patristic commentators." Anders S. Heine, Frauen, 96: Junia und Andronikus "stehen dem Apostel Paulus in nichts nach ... "; vgl. ähnlich B. Brooten, Junia ." hervorragend unter den Aposteln (Röm 16,7), 1978, 148-15I. Ausgewogener C.E.B. Cranfield, Rom II, 789, der das Ehepaar zu den Aposteln in einem weiterem Sinne zählt. Sie sind: "itinerant missionaries who were recognized by the churches as constituting a distinct group among the participants in the work oE spreading the gospel". So z.B. U.E. Eisen, Amtsträgerinnen, 50-55. Hier gilt wohl das Argument, daß sie schon vor Paulus eine Erscheinung des Auferstandenen hatten, die sie zu Zeugen Jesu Christi machte. \Venn sie nur temporäre Gesandte einer Gemeinde gewesen wären, würde diese Wendung kaum passen. Sie könnten zu der Gruppe der a:n:6m:OA.OL 1t&vrE~ gehört haben, die Paulus in 1Kor 15,7 erwähnt. Das würde mit dem npo i:~toÜ yeyovav ... gut übereinstimmen.
Hausgemeinde und Mission
Gefängnis gekommen 600 • Demnach wäre Junia wenigstens eine Gemeindeapostolin60r, die ein missionarisches Amt innehatte 602 • Nirgends ist die Rede davon, daß Junia missionarisch gepredigt hätte. Daß sie diese Aufgabe wahrnahm, läßt sich aber nicht ausschließen. Denn die Zugehörigkeit von Junia zum Kreis der Apostel kann aus missionsstrategischen Gründen sehr gut erklärt werden: Ohne die aktive Beteiligung von Frauen wären bei den Verhältnissen der antiken Gesellschaft Frauen teilweise nur schwierig für Christus zu gewinnen gewesen 603 . Über das andere Ehepaar, Priska und Aquila, haben wir bereits einiges erfahren (s. S. 244ff). Hier geht es uns um die Frage nach Leitungsaufgaben der Priska 604 • Wie schon festgestellt, kann die Erwähnung der Priska vor ihrem Mann als Indiz für ihre Vorrangstellung ihm gegenüber angesehen werden. Entweder hat sie sich christlich besonders hervorgehoben oder sie nahm eine besondere soziale Stellung ein. Für sich allein ist das aber noch kein Hinweis auf eine konkrete Leitungsaufgabe in der Gemeinde. Daß sie aber missionarisch tätig war, mit ihrem Mann zusammen auf Missionsreisen ging, Paulus in seiner Mission Hilfe leistete, u.a. indem sie ihr Haus verschiedenen Gemeinden an mehreren Orten als Versammlungsraum zur Verfügung stellte, ist unbestritten. Dies tat Priska zusammen mit Aquila ebenfalls in einer eigenständigen von Paulus unabhängigen Weise - das ergibt sich schon aus dem Zeitpunkt ihrer Bekehrung. Daraus, daß die beiden später dann mit Paulus zusammenarbeiten, sollte man freilich keine Gleichstellung mit dem "Heidenapostel" ableiten 605 • Was Paulus in Ga! 2,7 als seinen persönlichen Auftrag bezeichnet, kann nicht einfach auf seine Mitarbeiter übertragen werden 606 • Seine Sendung ist einmalig und apostolisch unverwechselbar (rKor 3,10; 9,r).
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604 605 6~
U. Wilckens, Röm, r 35; C.E.B. Cranfield, Rom II, 789. C.E.B. Cranfield, Rom 1I, 789. P. Stuhlmacher, Röm, 21 9. P. Stuhlmacher, Röm, 219. Vgl. Clemens Alexandrinus, Stromateis III 53,3' Durch die Frauen der Apostel "konnte die Lehre des Herrn auch in das Frauengemach kommen, ohne daß Verleumdungen entstanden". Vgl. dazu noch immer A.v. Harnack, Über die beiden Rezensionen der Geschichte der Prisca und des Aquila in act.Apost. 18,1-27, 1900, 48-6r. Diese Tendenz ist sowohl bei S. Heine, Frauen, 5lf.96f als auch bei E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 220f.235 zu spüren. . Mit N. Baumert, Frau und Mann, [85.
Die"enuendung von Häusern in der pmtlinischen Mission
365
In Röm I6,} wird Priska von Paulus O'UVEPYOS; flO'U genannt. Diese Bezeichnung besitzt titularen Charakter607 . Nach W.H. Ollrogs Analyse ist das, was Paulus unter einem cruvEpy6S; verstand, allerdings nur aus dem jeweiligen Kontext zu entnehmen. Paulus verstehe den Begriff inhaltlich von der Beauftragung zur gemeinsamen Arbeit her, vom "Werk" aus. Die richtige Übersetzung sei "Mitarbeiter": "der von Gott zum Missionsdienst beauftragte Missionspartner, der darin der Arbeitsgenosse des Paulus wird"608. Die Frage, ob die Bezeichnung sich zu Lebzeiten des Paulus zu einem "Amt" verfestigt hat, läßt er offen. Ob man auf Grund dieser Beobachtungen sagen kann, daß Priska "in der Missionsarbeit durchaus nicht lediglich untergeordnete Rollen gespielt"609 hat, ist schwierig zu beurteilen. Eine Deutungsnuance von O'UVEPYOS; als "Gefährte" und "Gehilfe" im Sinne eines Paulus untergeordneten :Mitarbeiters ist, je nach Kontext, nicht auszuschließen 61o • 111an muß auch den Unterschied zwischen auVEPY0S; 8EOU und auvEpy0S; ~lOU bedenken, denn von Paulus auvEpyoS; ~LOU genannt zu werden, ist schon Ausdruck einer gewissen Unterordnung ihm gegenüber. Es fällt außerdem auf, daß Priska immer im Zusammenhang mit ihrem Marm genannt wird. Es ist des weiteren anzunehmen, daß Priska und Aquila die Einstellung des Paulus, wie sie in IKor 11, 2-16 zum Ausdruck kommt, kannten 611 • Ebenfalls ist hier die Tatsache, daß sie Juden waren, von Bedeutung. All das läßt vermuten, obwohl es in ihrem Fall nirgends explizit gesagt wird 612 , daß "die Art ihrer Betätigung den sonst vorgebenen gesellschaftlichen und ekklesiologischen Rahmen nicht grundsätzlich sprengte"613. Allein
607 Vgl. W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 608 Ollrog, ebd., 9 1 . 609 W.H. Ollrog, lVlitarbeiter, 26. 610 611 612
613
63-79.9If.
W.H. Ollrog, EWNT 1II, Sp. 726-729, ebnet zu stark ein. Vgl. G. Bertram, ThWNT VII, 872. Allerdings ist die Auslegung dieser Stelle auch nicht ganz einfach (s. S. 37 5ff). Vgl. E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 222: "Es ist zu beachten, daß weder Priska noch .Junia als 'Ehefrauen' bezeichnet werden. Nicht ihr traditioneller Status und ihre Rolle als Ehefrauen kommt in den Blick, sondern vielmehr ihre missionarische Arbeit für das Evangelium." Es ist zu fragen, ob ihr traditioneller Status deswegen nicht in den Blick gerät, weil er schlicht angenommen wird. N. Baumert, Frau und Mann, r85. Vgl. auch G. Theißen, Psychologische Aspekte, 1983, r63, der betont, daß die frühchristliche Missionsbewegung außerhalb Palästinas "nicht in Konflikt mit der Gesellschaft srand, sondern in sie gut imegrien war".
Hausgemeinde u11d Mission
die Beobachtung, dai~ Priska zuerst genannt wird und daß das Ehepaar ihr Haus der Gemeinde als Versammlungsraum zur Verfügung stellte, sagt noch nicht, daß Priska die leitende Aufgabe im ekklesiologisch-geistlichen Sinne in dieser HG wahrgenommen hat. Alles, was wir über ihren gesellschaftlichen und ekklesiologischen Hintergrund wissen 614 , deutet in die Richtung, daß Aquila als Hausvater in jener Hausgemeinde tätig war. Daß der Hausvater die Gemeinde leiten soll, wird auch durch Gal 3,26ff nicht in Abrede gestellt. Die Stelle hat aber sehr wohl Implikationen für die Frage, wie er das tun soll (s. U.)615. Umgekehrt wäre es völlig falsch davon auszugehen, daß Priska nur wegen ihres Frauseins in ihrem eigenen Haus überhaupt nichts zu sagen hatte 616 • Dies zeigt u.a. deutlich die Erzählung in Apg 18,1-3.24-26. Der Judenchrist Apollos aus Alexandrien wird von dem Ehepaar zu sich ins Haus genommen617 und noch gründlicher in die christliche Lehre eingeführt. Das heißt, daß er auch von Priska unterwiesen wird (Apg
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Das gilt v.a. für die Frau in der jüdischen Umwelt. Zur Stellung der Frau in der Antike vgl. A. Oepke, Th WNT I, 776-784; J. Leipoldt, Die Frau in der antiken Welt und im Urchristentum, 1955; K. Thraede, Art. Frau, RAC 8, 1972, 197267; im AT und im Judentum vgl. BiII.III, 468f.558-562.610.614; J.Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu, 1963, 395-413. Vgl. P. Marshall, Enmity in Corinth, 1987, 135f für "the softening process" des paulinischen Evangeliums auf den antiken Oikos. Vgl. auch ebd., 142-146, Anrn. 62.77: Paulus verwendet die Sprache "of servitude or subordination" und nicht "of patronage or leadership ... " Hier folgt er E.A. Judge, Paul as a Radical Critic of Society, Interchange 16 (1974), 191-203, v.a. 19M. Diese Sicht kommt einem Liebespatriarchalismus nahe (vgl. G. Theißen, Studien, 268-271; mit Bezug auf E. Troeltsch, 268, Anm. 87). Vgl. auch R. Banks, Community, 1994, 67-76.I27138. Vgl. S. 421 für weitere Diskussion. Auch dies scheint sich vom religionsgeschichtlichen Hintergrund zu bestätigen, denn in der jüdischen Diaspora bekommen Frauen u.a. Titel wie "Synagogenvorsteher", "Älteste" und die noch höhere Würdigung "Mutter der Synagoge". In ähnlicher Weise kann Priska bzw. auch Lydia sich für ihre christliche HG verantwortlich gefühlt haben. Wir wissen allerdings nicht mehr genau, welchen Einfluß und welche Macht diese Frauen im Leben und Gottesdienst der synagogalen Gemeinde ausübten. Vgl. B. Brooten, Wornen Leaders in the Ancient Synagoge, 1982, 149ff, die nachzuweisen versucht hat, daCs diese Titel funktional gewesen seien. Hier bedeutet :n:pooAa~lßa.v(j) "beiseite nehmen" bzw. "in seine (häusliche) Gemeinschaft aufnehmen". Bauer-Alant, Sp. 1436; G. Delling, Th\VNT IV, 16.
Die Verwendung von Häusern in der pauli71ische71lvIissio11
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r8,26)618. Priska wird auch hier als erste genannt, was bedeuten könnte, daß sie sogar die primäre Lehraufgabe hatte. Andererseits wird von einigen Exegeten betont619 , daß Priska und Aquila im Team gearbeitet haben und Priska damit im Rahmen der Autorität ihres Mannes diese Lehrtätigkeit ausübte. Außerdem sei dies nicht in der Öffentlichkeit der Gemeinde, sondern im privaten Rahmen des Hauses geschehen 620 • Wenn man aber bedenkt, daß die Gemeinde in diesem privaten Rahmen zusammenkam, wird deutlich, dag damals die Grenze zwischen privat und öffentlich eine fliegende gewesen sein dürfte 621 • Es bleibt also dabei, daß Priska eine Lehraufgabe wahrgenommen hat 622 und das nicht nur unter Frauen, sondern auch einem Mann gegenüber62J • Ob sie während des Gottesdienstes bzw. bei einem Gemeindetreffen gelehrt hat, sagen uns die Belege nicht. Zu den Leitungs- und Lehraufgaben der bisher erwähnten Frauen kann man noch einwenden, daß sie im missionarischen präekklesialen, noch nicht aber im voll ausgebildeten ekklesialen Raum solche Aufgaben wahrgenommen haben. Auf Grund dieser Unterscheidung wird dann gefragt, ob der oben erarbeitete exegetische Befund zur Klärung der Frage nach Leitungs- und Lehraufgaben der Frauen in der Gemeinde überhaupt etwas beitragen kann. Bei der nächsten Frau, die uns beschäftigen wird, nämlich Phoebe, ist allerdings von einem Dienst, der lediglich im prä-ekklesialen Raum ausgeübt wurde, nicht mehr auszugehen, denn die Gemeinde in Karinth kann nach dem achtzehnmonatigen Besuch des Paulus in dieser Stadt nicht mehr zum bloßen missionarischen prä-ekklesialen Gebiet erklärt werden. Kenchreä war der Osthafen von Korinth und lag etwa
618 Daß dies tatsächlich so zu verstehen ist, zeigt die Textgeschichte der Erzählung
619 610 621 622
623
(vgl. die Veränderungen des westlichen Textes, die die Erzählung diesbzgl. weniger anstößig gestalten sollte). Ausführlich bei S. Heine, Frauen, 53f. Vgl. z.B. B. Witherington, Women, 154Außerdem ist zu fragen, wie das im Zusammenhang mit 1Kor I4,3 3 b-j 6 zu verstehen ist (s. S. 173ff). Vgl. S.c. Barton, Paul's Sense oiPlace, NTS 32 (1986), 225-246. Auch derjenige, der Apg 18,24ff keinen historischen Wert beimißt, wird wenigstens sagen müssen, daß Lukas immerhin keine Schwierigkeiten damit hatte, auch eine Frau ganz selbstverständlich in der Ausübung christlicher Lehrtätigkeit zu beschreiben. Daß Priska Apollos Lehre erteilt hat, ist ebenfalls ein Hinweis auf ihre Bildung. »Appolo war ein gebildeter Grieche: vermochte die Frau ihn zu unterrichten ... , so muß sie selbst gebildet gewesen sein" (A.v. Harnack, Mission und Ausbreitung Il, 594)·
Hausgemeinde und Mission
7 km südöstlich der StadtG24 • Zur röm. Zeit wurden die beiden Städte durch eine Pflasterstraße verbunden 625 • So war Karinth von Kenchreä aus und umgekehrt sehr leicht und relativ schnell erreichbar. H.]. Klauck kann sogar von der Gemeinde in Kenchreä als von einer "Filialgemeinde" sprechen, "die von Karinth aus gegründet worden war ... "G26 Alles, was wir über Phoebe wissen, steht in Röm 16,rf. Wie wir sahen, ist sie Schutzherrin G27 der Gemeinde in Kenchreä. Es ist anzunehmen, daß sie ihr Haus der Gemeinde zur Verfügung gestellt und damit als deren Gastgeberin gedient hat. Für W.A. Meeks gehört sie u.a. deshalb zum Leitungskreis der christlichen Gemeinde in Kenchreä 628 • Wie schon gezeigt, legen zwei TextsteIlen nahe, indem sie dasselbe griechische Verbum aufweisen (npotO'tY]~lt: Röm 12,8 und rThess 5,r2), auch im Fall der Phoebe eine leitende Aufgabe wenigstens in der Gemeinde in Kenchreä anzunehmen. Auch ihre Nennung als OtaKovo<; ell<; eKKil.'Yjota.C; in Kenchreä klingt offiziell und erinnert an Phil r,r und damit an ein Amt629 . Da die Adressaten offensichtlich wußten, was damit gemeint war (der Begriff wird nicht näher erklärt), meint ÖtaKovo<; keinen Einzelfall, sondern eine feste Funktion (anders z.B. rKor 11,23; Kol 1,7; rThess 3,2; 2Kor 6,4)630. Die Formulierung ÖtaKovo<; mit einem eine Gemeinde bezeichnenden Genitiv ist bei Paulus einmalig und deutet auf einen anerkannten und dauerhaften Dienst in der Gemeinde hin 631 . Aller-
624 625 626 627 628
629
630 631
Vgl. R. Scranton, Kenchreai. Eastern Port oE Karinth, 1978. R. Riesner, GBL II, 775. Hausgemeinde, 31. Zum Begriff npom:a-n<; s. S. 256, Anm. r65 und S. 342. Urchristentum, 13 1. Vgl. (einseitig) E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, u8ff, die in Phoebe die Leiterin der ganzen Gemeinde in Kenchreii sicht. Gegen H.l Klauck, HG, 31, behauptet sie ohne Begründung, daß Röm r6,Iff sich nicht auf eine HG beziehe. Von mehreren HGn in Kenchräa ist allerdings nirgends die Rede. Vgl. J. Ysebacrt, Die Amtsterminologie im NT, 1994, 127f; R. Banks, Paul's Idea of Community, 123.143. C.H. Dodd, Romans, 1932, 234f, stellt fest: "We mal' assume that, whatever the 'deacons' were at Philippi, that Phoebe was at Cenchreae." So auch G. Lohfink, Weibliche Diakone im NT, I983, 320-338.324ff. Paulus gehraucht noch nicht das Femininum ÖluKovwau (erst im 2. Jh. belegt). Aus diesem Grund können wir nicht ausschließen, daß bereits unter den ÖUiKOVOL von Philippi Frauen gewesen sein könnten. Daß Frauen wenig später in der frühchristlichen Mission ein Amt innehaben konnten, beweist rTim 3,II und 5,9-r6. Vgl. Beyer, ThWNT II, 93; O. Michel, Römer, 377; U. Brockhaus, Charisma, IOO; ihnen folgend W.H. Ollrog, Mitarbeiter, JI, Anm. IJ6. G. Lohfillk, Weibliche Diakone, 326.
Die Verwendung von Häusem in der paulillischen Mission
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dings ist der Inhalt der mit ÖlaKovos beschriebenen Aufgabe schwierig zu bestimmen (s. unseren Versuch o. S. 355f)632. Die Aufgabe der Phoebe wird leichter verständlich in Verbindllngmit ihrem Titel npo01:aTlS und sollte von diesem Titel her verstanden werden. Der Stellenwert und die Dauer des Dienstes, den sie der Gemeinde durch ihre npomuatu (s. S. 256, 342) leistete, scheint dazu geführt zu haben, daß sie ölaKovos genannt wurde. A. Lemaire weist darauf hin, daß hier der ÖlaKovos wie der auw:py6S ein/e mit Predigt und Gemeindeführung betraute/r MissionarIn meint 633 • Da dieser Begriff auch in außerbiblischen Quellen für Predigen und Lehren gebraucht wird, scheine es eindeutig, "daß die diakonoi der paulinischen Mission anerkannte und offizielle Funktionen als missionarische PredigerInnen und LehrerInnen hatten"634. Allerdings bleibt für diese Sicht die Aporie bestehen, daß in unseren nt!. Texten nie von einem "Predigen" oder einem "Lehren" im Zusammenhang mit einer weiblichen Diakonin die Rede ist. Es gibt außerdem keinen klaren nt!. Beleg dafür, daß eine Frau "predigte"635, d.h. öffentlich die Schrift auslegte oder evangelistisch redete. DalS Frauen im Gottesdienst prophetisch reden (vgl. z.B. 1Kor II,5) bzw. im privaten Kontext lehren (Apg 18,26; s. u.), ist allerdings belegt. Das npoql1TtEl.JELV war sicherlich öffentlich und galt ebenfalls als Lehre. Auch das Beten vollzog man in der Antike laut, und die ganze Gemeinde sprach das Amen dazu (vgl. 1Kor II,5; 14,16). Können wir Näheres darüber sagen, welche (leitenden) Aufgaben Phoebe wahrgenommen hat? Da sie eine Frau ist, fragen viele Kommentatoren, ob hier in Anbetracht des gesellschaftlichen und ekklesiologischen Rahmens nicht von Aufgaben der Fürsorge im persönlichen bzw. tischdienstlichen Bereich, nicht aber von öffentlichen Funktionen gesprochen wird 636 . Es wird weiter darauf hingewiesen, daß es auch im römisch-hellenistischen Bereich nicht üblich war, daß
Vgl. auch den Exkurs bei.J. Gnilka, Phil, 32-4o.v.a. 39, der von einer möglichen Verkündigungstätigkeit bei einem Diakon ausgeht. 633 Von den Diensten zu den Ämtern, Concilium 8 (1972), 721-728; ders., The Ministries in the NT, BibThBull 3 (1973),133-166. 634 E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 2I9. 635 Mit N. Baumert, Frau und Mann, 187; "gI. dagegen Apg 14,3.9.2.1.25 IlSW. 636 Vgl. z.B. E. KäsernanIl, Röm, I973, 395f; O. Michel, Römer, 473. Michel, ebd., hält allerdings eine Tauftätigkeit der Phoebe für denkbar. lvlöglich ist es, aber im Text gibt es keinen direkten Hinweis dafür. 632
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eine Frau leitende Funktionen in der Öffentlichkeit übernahm 637 • Nach den neuesten Forschungsergebnissen kann dies aber so nicht mehr behauptet werden, denn die öffentliche Betätigung der Frau im sozialen und v.a. im religiösen Leben nahm in der hellenistischen Welt einen viel größeren Raum ein als z.B. im jüdischen Palästina 638 • Die im alten Griechenland verbreitete Beschränkung der Frau auf den häuslichen Bereich ist von einer gewissen "Emanzipation" verändert worden, die mehr oder weniger das gesamte Römische Reich erfaßt hatte 639 • Außerdem ist nach dem heutigen Stand der Forschung nicht mehr mit einer einheitlichen Situation für das ganze Römische Reich zu rechnen 640 • Wir werden in dieser Frage zwischen Städten wie z.B. dem römischen Korinth und dem makedonischen Philippi lokalgeschichtlich unterscheiden müssen 641 • Des weiteren wird es in einer HG, die sich im eigenen Haus der Phoebe versammelte, schwierig gewesen sein, zwischen dem, was für sie als öffentlich bzw. noch als privat galt, zu unterscheiden 642 •
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Vgl. z.B. N. Baumert, Frau und Mann, I59-192, v.a. 186f. Geg. Baumert, ebd., der zu· sehr von dem Rahmen einer einheitlichen Makrokultur ausgeht. Es ist wenigstens in einigen römischen Städten anzunehmen, daß Frauen, die es durch Erwerbstätigkeit zu einem gewissen Wohlstand bringen konnten, durch eine Patronats funktion gerade im religiös-öffentlichen Leben Einfluß ausübten und leitende Aufgaben wahrnehmen konnten. Vgl. ].E. Stambaugh, Social Relations in the City, J980, 75-99; R. MacMullen, Wornen in Public in the Roman Empire, Historia 29, (I980), 208-21 8; ihnen folgend E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 233ff; R. Banks, community, 125; vgl. auch Lit in unseren Anm. 614. Vgl. z.B. die kurze Zusammenfassung dieser Emanzipation und weitere Lit. bei G. Dalltzenberg, Zur Stellung der Frau, 1983, 193-214. Vgl. grundsätzlich Thraede, Frau, 201.215f; deTs., Bedeutung, 35-40.86f: "Von Sophistik bis w Plutarch gibt es Ansätze, die sich wie in der Philosophie zwischen den Extremen 'Gleichheit' und 'Minderwertigkeit' so in anderer Literatur zwischen 'Achtung' und 'Polemik', Begeisterung und .Misogynie bewegen. Es genüge" vollauf, einen Teil der Belege für soziale 'Freiheit' der antiken Frau' kennenwlernen, und zu wissen, daß hellenistisches Denken der Praxis an Uneinheitlichkeit nicht nachstand. Die Umwelt des Neuen Testaments stellte auf beiden Ebenen verschiedene Möglichkeiten zur Wahl". Auch wenn die Frau in hellenistischer Zeit eine größere Bewegungsfreiheit in zivilrechtlichen Belangen erhielt, so standen ihr trotzdem noch keine politischen Rechte zu. Deswegen kann man nicht von einer wirklichen gesellschaftlichen Gleichberechtigung sprechen. Vgl. z.B. G.H.R. Horsley, New Doc II, 32, der darauf hinweist, daß das römische Recht in den verschiedenen Provinzen nicht überall gleich angewandt wurde. Vgl. z.B. B. Witherington, Warnen, 5-23. Vgl. z.B. C. Osiek, Family, 1996, I-24.12ff.
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Anscheinend war Phoebe entweder eine Witwe oder eine ledige Frau, die in den Besitz eines Hauses gekommen ist. Nach all dem, was wir über die Stellung einer solchen Frau in der stadtischen Kultur Korinths wissen, wird sie die Aufgabe des fehlenden Hausvaters übernommen hahen 643 • Demnach hatte sie in der Gemeinde in ihrem Haus sicherlich viele organisatorische (Leitungs)aufgaben zu erfüllen (s.o.). Wird sie aber damit eo ipso Leiterin der Hausgemeinde im geistlichen-ekklesiologischen Sinne? Heißt das z.B., daß Phoebe den Vorsitz nicht nur bei den Mahlzeiten in ihrem Haus, sondern auch bei der Agapemahl- bzw. Herrenmahlfeier in der Hausgemeinde geführt hat oder wurde einer der anwesenden Männer darum gebeten? Bei "Ehrengästen" war das bei Juden und Griechen keine unübliche Praxis 644 • Die Frage nach dem Vorsitz der Abendmahlfeier wird für uns erst relativ spät historisch greifbar, aber dann ist es immer klar, daß ein Mann die Leitung hatte. Es kann sein, daß im Einzelfall Frauen wie Phoebe diese Aufgabe wahrgenommen haben. üb Phoebe diese Aufgabe tatsächlich übernommen hat, sagt uns der Text nicht. Normalerweise galt: Sobald ein Hausvater anwesend ist, übernimmt er diese Aufgabe 645 • Diese Sicht wird durch die Beobachtung unterstützt, daß in den ntl. und nachntl. Texten keine Hinweise für eine Auseinandersetzung hinsichtlich dieser Frage zu finden sind
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Vgl. auch dazu B. Withel'ington, \Vomen, 5-23; N. Johansson, Women and the Church's Ministry, 1972, 19; E.R. Hardy, The Priestess in the Greco-Roman World, in: Bruce-Duffield, I972, 60; ].E. Stambaugh, Social Relations in the City (I980), 75-99.76; C. Osiek, Wornen in Hause Churches, in: FS G. F. Snyder, 1998, Fr. Vgl. auch Lit in unserer Anm. 614. Vgl. auch R. Banks, Cornrnunity, 124 zu Nyrnpha: "It seerns unlikely that she, presumably a widow who conducted her family, managed her slaves, and welcomed her friends all week, would take an insignificant part in the proceedings in favor of socially inferior male rnernbers. To do that would be culturally unacceptable whereas, in the absence of a husband, it would be perfectly legitirnate in the eyes of others for her to behave in horne and church as hel' husballd wOI.lid have done if present. Most probably male heads of other households also be10nged to this church and had an influential role in its activities but, given her position, Nyrnpha would have functioned alongside thern in an equal capacity. " Das gleiche läßt sich zu Pheobe sagen. Bei Philostr., Gymn 23 ist eine Frau als Hausherrin nach dem Tod ihres Mannes bezeugt. Vgl. N. Baumert, Frau und Nlann, 18 9. Im jüdischen Bereich waren die Aufgaben von Vater und Mutter beim Passahmahl, das zu diesem Zeitpunkt (s. S. 157) schon längst einen Sinn für häusliche Formen entfaltet hatte, nicht einfach austauschbar. Zum jüdischen Hintergrund der christlichen Abendmahlsfeier s. S. I) 8.
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(vg1. z.B. rKor rr,I4). Das spricht auch, zumindest in der Frage des Vorsitzes der Herrenmahlfeier, gegen die Meinung, daß zunächst in der paulinischen Mission eine pneumatische Zeit der Freiheit für die Frauen herrschte und erst später eine von Männern und ihren eigenen Interessen geprägte Theologie die Überhand gewann und das Gemeindeleben dominierte 646 • Es kann auch sein, daß Phoebe als Hausvorstand und Diakon eine "Lehrtätigkeit" in der HG in Kenchreä übernommen hatte 647 • Wie wir schon sahen, ist es z.B. möglich, daß sie den Römerbrief nicht nur überbracht, sondern ihn in den stadtrömischen HGn vorgelesen und auch erläutert bzw. bei Rückfragen erklärt hat. Es dürfte nicht überraschen, wenn Phoebe, die Paulus (und sein theologisches Denken) aus Kenchreä gut gekannt haben dürfte, in Rom bei der Übergabe des Römerbriefes eine solche Aufgabe dann auch während des Gottesdienstes wahrgenommen hat. Möglich ist es, daß sie in der Gemeinde zu Kenchreä auch, wie Priska in EphesLls, neue Christen, und nicht nur Frauen, in den Glauben eingeführt hat. Allerdings wird dies nicht explizit von den Texten bestätigt. Es ist ebenso gut möglich, daß Phoebe den Römerbrief dem jeweiligen Hausvorstand übergab und jener von ihm vorgelesen wurde. Aber auch dann hätte man Phoebe bei möglichen Verständigungsschwierigkeiten wohl gefragt, wie es Paulus denn meine. Ihre Ant\vort kann dann als "Lehre" verstanden werden. Die Antwort auf die Frage nach den Leitungsaufgaben der Frauen in der paulinischen Mission ist nicht nur von solchen historischexegetischen Beobachtungen, sondern auch von der Theologie des Paulus abzuleiten. Zentral in seinem theologischen Denken in di~sem Zusammenhang ist die vermutlich aus Antiochien stammende Tauf-
646 Vgl. z.B. E.Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gediichtnis, 225-254.255-295. Sie argumentiert u.a. von Gal 3,28 her, dal~ die frühchristliche Missionsbewegung ein
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radikales Egalitärenethos praktiziert habe (s. S. 394ff) lind deswegen "die gewohnten sozialen Verhalrensregeln nicht mehr zutrafen" (5. 225)' Sie argumentiert von der Bedeutung der HG für die frühchristliche Mission her. Die Hausgemeinde "bot Frauen gleiche Möglichkeiten, weil traditionell das Haus als Bereich der Frau angesehen wurde und Frauen von der Leitung des Hauses nicht ausgeschlossen waren" (ebd.) 225). So ist der Weg frei, daß Frauen sogar die Leitung von HGn wahrnehmen konnten (s. u. unsere Sicht). Vgl. R. Banks, Comrnunity, 123, der es für möglich hält, daß Phoebe "was engaged in teaching and leading in her loeal church in Cenchreae".
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formel Gal 3,27f648; "Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, habt Christus angezogen. Da gibt es nun weder Juden noch Griechen, weder Knecht noch Freien, auch nicht 'Mann und Frau'. Denn ihr seid alle einer in Christus Jesus." Für viele sind diese Verse [oeus classicus der Lehre des Paulus über Frauen; der Brennpunkt und Ansatz, von dem her er seine Theologie entfaltet. Andere dagegen bestreiten dies 649 • Da die Frage schon oft gestellt worden ist, wie unsere Stelle und die sog. Haustafe1tradition des Neuen Testament,s aufeinander bezogen sind6so , wird sie in diesem Zusammenhang (s. S. 38 5ff) noch einmal zu behandeln sein. Hier gehen wir lediglich auf ihre Bedeutung für Leitungsaufgaben von Frauen in der paulinischen Mission ein. Während die ältere Exegese darauf bestand, die Unterordnung, Unterscheidung und teilweise Abwertung von Frauen gegenüber Männern in der Kirche als gültig anzusehen6'1, geht ein Teil der neueren Exegese eher davon aus, daß der Sachverhalt, Männer und Frauen sind "gleichwertig, aber andersar6g", in Gal 3,2 7f vom A poste! betont wird 652 • Aber auch diese Exegeten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen auf Grund ihrer Auswertung von Gal 3,27f. Einheit scheint aber darüber zu herrschen, daß diese Formel im starken Kontrast zu der damaligen Umwelt stand, in der im Allgemeinen Frauen weder soziologische noch soteriologisch-re1igiöse Egalität mit Männern genossen. In der Synagoge z.B. dankten die freien jüdischen Männer Gott täglich dafür, daß sie nicht als Heiden, nicht als Sklaven und nicht als Frauen geschaffen wurden (vgl. tBer 7,18). Nicht wesentlich anders war es bei den hellenistischen Männern, die ebenfalls drei Gründe zur Dankbarkeit hatten; daß sie nicht
648 Vgl. auch rKor 12,13; KoI3,9-II. Mit P. Stuhlmacher, BibI. Theol. I, 220.353f. 649
Vgl. S. 206 für den Nachweis. Vgl. Besprechung der Positionen bei M. Hauke, Die Problematik um das Frauenpriestertum, r991, 339-345 lind E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 255-2 58.
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Vgl. z·.B. JE. Crouch, The Origin and Inrention of the Colossian Haustafel, 1972, 144· Für Lit. vgl. J. Rohde, Ga!, 1989, 164ff. Vgl. wenn auch unterschiedlich akzentuiert z.B. R. J<::wett, The Sexual Liberation oE the Apostel Paul, 1979, 5S-87.75f; K. Stendahl, The Bible and the Role of Women, 1966,33; S.B. Clark, Man and Woman in Christ, 1980, 137-163; M. Hauke, Die Problematik um das Fl'auenpriestertum, 1991, 339-392; R. Banks, Community, 126; \V Neuer, Mann und Frau in christlicher Sicht, I993, 93-119; E.E. EIEs, Pauline Theology, 1989, )3-86, v.a. 78-84.
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als Tier, nicht als Frau und nicht als Barbar geboren worden waren 653 • Im Gegensatz zu dieser Grundhaltung der Griechen und Juden wurde den neu zum christlichen Glauben gekommenen Frauen und Männern bei ihrer Taufe zugerufen, daß "für sie die bisher von Schöpfung, Geburt und sozialer Stellung her ... festliegenden religiösen Vor- und Minderrechte ... aufgehoben und ihnen allen in der Gemeinde durch Christus ein und dieselbe Gotteskindschaft eröffnet worden sei"654. An die Stelle der bisherigen religiösen und sozialen Rechte ist die durch Jesus Christus bewirkte soteriologische Gleichberechtigung aller Glaubenden vor Gott getreten. Mit ihrer Taufe wurden die neuen Christen in ein neues Sein und die neue Gemeinschaft der Gemeinde Christi versetzt (2Kor 5,I7; Kol 3,9-II). Für viele Exegeten spricht diese Stelle aber noch nicht gegen unterschiedliche Funktionen von Frauen und J\tlännern in der Gemeinde, denn sie betont unbestritten zwar die soteriologische Gleichheit bzw. Gleichwertigkeit aller 655 , läßt aber die Möglichkeit anderweitiger Verschiedenheit offen 656 . Von einer schon in der arl. Schöpfungs653 Vgl. P. Stuhlmacher, Bibi Theol I, 220; S. Heine, Frauen, 1990, 94. Diese übliche
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Einstellung ist u.a. bei Thales (Diog. Laert., Vit. Phi I. 1,33), Sokrates (Diog. Laert., ebd.) und Plato (Plut., C. Marius XLVI,I) belegt (ygl. F.F. Bruce, Galations, 187). P. Stuhlmacher, Bibi Theol I, 220. Vgl. allerdings R. Banks, Community, I II-II4, der zurecht betont, daß Paulus in Gal 3,26ff zwar unterstreicht, daß die Gemeinschaft mit Gott nicht mehr von nationalen, sozialen und geschlechtlichen Unterscheidungen abhängig gemacht werden darf. "But this should not lead us into a false impression of what he is asserting. Paul's stress is not so much on the equality of Jews and Greeks, free and slave, men and women as upon their unity in Christ ... Paul is no adyocate of a uniyersal, classles, and unisex society - he merely affirms that these differences da not effect ones's relationship with Christ and members in the community. There is an egalitarian strain in Paul's pronouncement, but it is secondary" (S. II4). Vgl. auch Kol 3, u. Vgl. auch E.E. Ellis, Pauline Theol., 84. Vgl. z.B. S.B. Clark, Man and Woman, 137-163; M. Hauke, Die Problematik um das Frauenpriestertum, 339f. Vgl. ausgewogen E.E. ElIis, Pauline Theol., 53-86. Anders S. Heine, Frauen, 91-II6; ähnlich auch E. Schlüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 255-295, die beide allerdings Gal 3,27f in Widerspruch zu anderen Aussagen des Paulus wie z.B. in 1Kor 7,17-24 und II,2-I6 sehen. S. Heine lägt den Widerspruch stehen und entscheidet sich für den Paulus, wie er sich in Gal 3 äugert. E. Schüssler Fiorenza kommt zum inhaltlich gleichen Ergebnis nur auf ganz anderem Wege. Sie unterscheidet zwischen der alten Taufformel, die die (richtige) Haltung der Christen in der yorpalliinischen Mission darstellt und der (falschen) Modifikationen dieser Formel durch Paulus, wie sie in den o.g. Versen zum Ausdruck kommt. Damit sei "Tür und Tor" geöffnet für eine schrittweise
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ordnung begründeten Verschiedenartigkeit her und einer daraus entstehenden Unterordnung der Frau dem Mann gegenüber (Gen r und 2) wird die Notwendigkeit der unterschiedlichen (Leitungs-) Aufgaben der Frauen und Männer in der Gemeinde begründet. Die schäpfungstheologische Argumentation des Paulus in rKor II,2-r6 V.a. II,3.7. und die Aussagen in rKor r4.33b-36657 werden als Hauptbelege angegeben658 , um diese Sicht beim Apostel festzumachen. Allerdings ist diese Sicht nicht unproblematisch. rKor r 4,3 3 b-3 5 wird von vielen Exegeten aus textkritischen und aus exegetischtheologischen Gründen nicht für genuin paulinisch, sondern für einen späteren Zusatz gehalten659 • Außerdem ist zu fragen, wie "Patriarchalisierung der gesamten' Kirche" (ebd., 291.294). Sowohl die Position von Heine wie auch die von Schüssler Fiorenza ist aus mehreren Gründen unbefriedigend, wie wir gleich sehen werden. Für eine ähnliche "Bruchtheorie" vgl. A. Funk, Mann und Frau in den Briefen des Heiligen Paulus, US 32 (r977), 283. Einer Bruchtheorie ablehnend gegenüber steht G. Delling, Paulus' Stellung zu Frau und Ehe, r93 r, 97.108. Er wirft dem Apostel einfach Frauenfeindschaft vor, wpbei die Frau bei Paulus "Mensch zweiter Klasse" sei. 657 Vgl. auch rTim 2,l2ff. 658 Vgl. aber auch lKor I2,I3f.17f; Röm r2,4-8, die auch auf unterschiedliche Geistesgaben und damit auf unterschiedliche Aufgaben im Leib Christi weisen. Allerdings sind sie nicht geschlechtsspezifisch zu verstehen. Dennoch kann z.B. M. Hauke, Problematik um das Frauenpriestertum, 340f, sie als Teilbegrünuung für unterschiedliche Aufgaben unter Mänllern und Frauen in der christlichen Gemeinde anführen. 659 Vgl. Besprechung und Lit. bei G. Fee, IKor, 1987, 699-708, der sich auch gegen die "Echtheit" der Verse entscheidet und sie demnach als Glosse einstuft. Vgl. ebenfalls Besprechung und Lit. bei M. Hauke, Die Problematik um das Frauenpriestertum, 358-363, der die Stelle für genuin paulinisch hält. Er beruft sich v.a. auf die Arbeiten schwedischer Neutestamentler, die bislang im deutschen und englischen Sprachraum wenig beachtet wurden (vgl. 359, Anrn. 2; vgl. auch 359f für einen kurzen Fot'schungsbericht zur Stelle). Vgl. auch H. Conzelmann, rKor, 290, Anm. 55.58, der nicht aus textkritischen, sondern aus literarkritischen Gründen rKor J4,33 b-3 6 (33 b-3 6 stellen in sich eine geschlossene Einheit dar; also nicht nur Hf) für eine spätere Interpolation eines Redaktors hält. Vg!. Ch. Wolff, rKor, 341ff, der mit Conzelmann darauf hinweist, daß V. 34f als in sich geschlossene Einheit nicht mehr aus textgeschichtlichen Gründen ausscheiden kann, da sie nur die unsichere Stellung von V. 34f bezeugt und damit die Spannung des jetzigen Textes zum Kontext beheben wollte. Außerdem ist in keinem der nt!. Handschriften ein Fehlen des Textes (34f) zu konstatieren. Schon Mardon kannte ihn. Nur wenige, unbedeutende Manuskripte (D F Gab vgm,) schließen sie an 14>40 an. Eine Beeinflussung durch rTim 2,IIf ist wegen sprachlicher Unterschiede ebenfalls nicht sicher nachzuweisen (vg!. G. Dautzenberg, Urchristliche Prophetie, 1975, 257ff).
Hausgemeinde und Mission
K€UAij in rKor Ir,3 auszulegen ist - als "Haupt" oder als "Ursprung"660. Nur wenn rKor r4,33 b-3 5 keinen späteren Zusatz darstellt und das dort zum Ausdruck kommende "Schweigegebot" als "Lehrverbot" oder gar als totales Redeverbot und KEaA~ in rKor Ir,3 eindeutig als "Haupt" bzw. als" Ursprung" mit subordinierender Bedeutung661 ausgelegt werden, ist die aus der schöpfungstheologischen Unterordnung der Frau gegenüber dem Mann abgeleitete Unmöglichkeit einer Leitungs- bzw. Lehrtätigkeit der Frau im Gottesdienst exegetisch-theologisch für Paulus mit einiger Sicherheit zu vertreten. Wenn man rKor r4,33b-35 für paulinisch hält, entsteht dadurch folgendes Problem. Paulus tritt in rKor II,3-r6 leidenschaftlich dafür ein, daß Frauen während des Gottesdienstes beim Beten und prophetischen Reden eine Kopfbedeckung tragen sollen, nach rKor 14.3 3-3 6 aber sollen sie plötzlich in der Gemeinde schweigen. Eine Lösungsmöglichkeit bietet Dautzenberg662 : "Paulus wolle an dieser Stelle [rKor II,2-26 = RG] den Mißstand, daß Frauen mitunbedecktem Haupt auftreten, rügen. Das Prophezeien der Frauen erwähne er nur, ohne es zu billigen. Mit diesem Problem befasse er sich erst in 14,33 b-3 6, und dort verbiete er das Reden der Frauen." Aber diese Lösung ist unbefriedigend. Wenn die Frauen nicht prophetisch auftreten dürfen, warum dann der ganze Umstand mit dem Verbot des unbedeckten Hauptes, damit sie regelgerecht prophetisch auftreten? Andere schlagen vor, daß die scheinbare Spannung zwischen den beiden Stellen dadurch aufzulösen sei, daß rKor 14,33-35 kein absolutes Redeverbot darstelle. Demnach würde Paulus nur ein "Dazwischen-Fragen" der Frauen oder eventuell bloß das in einem Lehrgespräch vollzogene (vgl. r4,35: "lernen" und "fragen" als 660 Für die Sicht "Ursprung" vgl. S. Bedale, The meaning of Iwl)((A~ in the Pauline
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Epistles, JThS 5 (r954), 2II-215; ihm folgend F.F. Bruce, r.2 Cor, 1971, 103; für die Auslegung "Haupt" "gI. W. Grudem, The meaning of Kephale ("Hcad"), 1991,425-468. Vgl. auch H. Schlier, ThWNT rrr Art. K€lPuAT], 672-681. So z.B. C.K. Barrett, rCor, 248f: "Paul does not say that man is the lord ... of the woman; he says that he is the origin of her being. In this he is directly dependent on Gen ii.18-23 ... That God is helld of Christ is understood in a similar way." Da aber Paulus eine Form von Subordination des Sohnes dem himmlischen Vater gegenüber eindeutig lehrte (vgl. rKor 3,23; 15,28; PhiI2,6), kann man annehmen, dag, wenn einer den Ursprung in einem anderen hat, dies auch eine Unterordnung impliziert und demnach über lKor Ir,3 sagen: "Thus a chain of originating and subordinating relationships is set up: God, Christ, man, woman." Urchristliche Prophetie, 266.
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Hinweise auf ein Lehrgespräch), für die Gemeinde gültige Lehren durch eine Frau unterbinden. Auch die Parallelstelle in 1Tim 2,12 spricht betont vom "Lehren" (clLöaoKEI,v) und nicht vom Reden überhaupt. Allerdings ist diese Deutung schwierig, da der griechische Begriff für "Schweigen" (myaw) in 1Kor 14,34 als Verzicht auf jede mündliche Äußerung663 verstanden werden kann. Auch der griechische Begriff AaAEw in V. 34 bedeutet "reden, sprechen, sagen" im ganz allgemeinen Sinne und ist möglicherweise deswegen nicht auf das "Lehren" allein beschränkt. Er würde so gesehen sowohl das Gebet als auch das prophetische Reden umfassen664 • Wenn in 1Kor J4 aber ein totales Redeverbot für Frauen im Gottesdienst von Paulus ausgesprochen wird, steht das in großer Spannung zu 1Kor J 1,3J6. Der u.a. schon von A. Schlatter vorgeschlagene Versuch 665 , diese Spannung durch die Annahme zu lösen, daß das Beten und Weissagen der Frauen in JKor I I auf häusliche Gebetsversammlungen oder Teilversammlungen der Gemeinde bezogen ist, während in 1Kor 14 die gottesdienstliche Vollversammlung gemeint sei, ist aus folgendem Grund unhaltbar: Wie wir schon gesehen haben (s. o. A.3. Nebeneinander von Ortsgemeinde und HGn), werden wir auch die häuslichen Teilversammlungen als HGn im vollen Sinne verstehen müssen, in denen sowohl Wort-Gottesdienst666 als auch Herrenmahl gefeiert wurden. In Rom ist eine Vollversammlung aller Christen gar nicht belegt. Aber auch in Karinth, wo eine Vollversammlung eindeutig bezeugt ist, werden die Christen nicht nur btl TO aUTO Gottesdienste gefeiert haben, sondern auch in den verschiedenen HGn. Außerdem 663 664
665 666
Vgl. Bauer-Aland', Sp. 1498f und rKor r4,28.30. Vgl. aber C. Wolff, rKor 343ff, der sich für die "Echtheit" unserer Stelle entscheidet und mit vielen anderen Exegeten (vgl. Wolff, ebd., 344, Anm. 554) "Schweigen" nicht ahsohlt versteht und das "Reden" in IKor 14,33b-36 als ein "Dazwischenfragen" oder "Drauflosreden" bezeichnet, obwohl der gleiche Begriff im vorherigen Zusammenhang als ein glossolales oder propherisches Reden verwend er wird. Dort wird aber jeweils der pneumarische Charakter dieses Sprechens deutlich betont (vgl. V. 27f.29; auch V. 39), in V, 33b-,6 jedoch nicht. Alillerdem beendet 3 Ja den Abschnitt V. 26ff, in dem die Ordnung des geisrgewirkten Sprechens behandelt wird, so dag von 33 b an ein anderes Problem der Ordnung angesprochen wird. rKor: Erläuterungen zum NT VI, 1928, 180. Augerdem ist hier zu betonen, dag der damalige Gottesdienst sicherlich nicht so wie unsere heutigen Gottesdienste mit festen Formen V.
Hausgemei11de u11d Missio11
ist IKor II,5.IO.13 von der Gesamtargumentation des Paulus gesehen sowieso in den Kontext des Gottesdienstes eingebettet (vgI. II,IO.I6.18.20). Die "Schleiervorschrift" weist deutlich auf den Gottesdienst als Rahmen. Ab IKor II,I7 ist der Gottesdienst in den Ausführungen über das Herrenmahl vorausgesetzt, der schon direkt vor Kap. II vorbereitet wird. Die Erwähnung von Engeln in 11,10 deutet ebenfalls eine gottesdienstliche Situation an. "Schon das Judentum, bes. in den Qumranschriften, kennt die Anwesenheit der ,Boten Gottes' im Kult ... ,,667 Wenn man von der "Echtheit" von IKor 14,34f ausgehen kann, ist mit eh. Wolff und G. Fee zu betonen668 , daß folgende Lösung zwar keineswegs problemlos ist, aber immerhin weniger Schwierigkeiten als alle anderen bisher vorgeschlagenen Versuche mit sich bringt: In I Kor 1403 3 b-3 6 geht es lediglich um ein Verbot für das nicht geistgewirkte Sprechen der Frauen, d.h. wohl um die Unterbindung eines Dazwischenfragens (vgI. 14,34b.35}669. Damit sind prophetisches Reden und das Beten der Frauen nicht betroffen. Eine gewisse Ergänzung und zugleich Einschänkung dieser Sicht bietet der Lösungsvorschlag von E.E. Ellis 670 . Er hält 1Kor 14,34f für ein kulturell bedingtes Schweigegebot; das von Paulus schöpfungstheologisch begründet wird und ausschließlich an die charismatisch begabten Ehefrauen der Propheten aus Respekt ihren Männern gegenüber im Kontext des Gottesdienstes gerichtet ist 671 • Er bietet folgende übertragene Übersetzung an: "Prophets, let your wives be silent in the assemblies. For it is not permitted for them to speak in the interchange between the prophets. ,,672 Allerdings bleibt bei dieser Sicht das folgende schon O.g. Problem: rKor 14,30 redet nur davon, daß Propheten nicht gleichzeitig, sondern nacheinander reden sollen, und
667 M. Hauke, Problematik um das Frauenpriestertum, 367. Er folgt G. Dautzenberg, Urchristliche Prophetie, r975, 267, Anm. 47.
668 Wolff, rKor, 341-354; Fee, rCor, 708. 669
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672
So auch R. Banks, Community, 123. The Silenced Wives of Corinth (I Cor q:34-5), N.T. Textual Criticism, 1981, 2.l3220; ders., Pauline Theology, 67-71. rUVll kann sowohl Ehefrau als auch nur Frau heigen (vgl. Röm 7,2: ünuvöpoc; yuvll). Dies wird durch den Hinweis auf "das Gesetz" unterstützt, der wohl auf den Status der Ehefrau, wie Gen 3,16 ihn festlegt, zurückverweist. Vgl. den west· lichen Text zu 14>34, den Ellis für eine wahrscheinlich richtige Auslegung hält (ebd., 69); vgl. auch Röm 7,2.; KoI3,18-4,I; (Eph 5,2.1-6,9). Pauline Theol., 71. Vgl. auch seine Lösung zu 1Tim 2.,9-15, ebd., 71-78.
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das oLyaw von V. 34 wird wohl nicht anders als das von V. 30 verstanden werden können. H. Ridderbos weist, unter der Annahme, daß rKor i4,33-36 von Paulus stammt, darauf hin, dafS hier in der Argumentation zwei verschiedene Beweggründe sehr eng miteinander verkoppelt werden: ,,(a) what 'the law' says or is inferred from the history of the beginning, and (b) what according to standards current in Paul's day was considered unbecoming for a woman. The latter he denotes with the words 'it is shameful' [vgl. auch rKor II,5-r3] ... "673 "On the other hand it is dear, that there is also a relativizing element in this appeal to custom ... as the (sub-ordinated) position of wo man with respect to man is to be given expression in a manner that must be considered appropriate for a certain time and culture. ,,674 In der korinthischen Situation ist Paulus anscheinend bemüht, die Korinther wie auch seine anderen Gemeinden dahin zu bewegen, daß sie innerhalb des allgemeinen kulturellen Rahmen beim Verhalten der Frau in der damaligen Zeit bleiben. Eventuell haben einige der korinthischen (Ehe-)Frauen sich zu sehr von der aktuellen "Emanzipationsbewe c gung" leiten lassen (s.o.) und sich deshalb mehr "Freiheit" erlaubt, als das in den anderen Gemeinden der Fall war. Der exegetische Befund spricht dafür, dafS Frauen, wenn auch als Ausnahme, Leitungs- und Lehraufgaben in den paulinischen HGn (eventuell auch im Gottesdienst) übernommen haben (s.o.; vgl. auch noch Kol 3,r6). Die textgeschichtliche Unsicherheit und die sehr umstrittene Auslegung 675 von rKor r4,3 3 b-3 5 sollte davor warnen, diesen Text als ein ewiges Verbot zu verstehen, auch in einer Kultur, in der das Reden der Frauen in der Versammlung nicht als schändliches Verhalten angesehen wird 676 • Wenn Paulus Frauen und Männer in Christus als soteriologisch gleichberechigt ansieht677 und den Frauen von Korinth das öffentliche Beten und Prophezeien erlaubt
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. Paul, 1990, 462. Ridderhos, ebd., 463. 675 W. Schrage, Die konkreten Einzelgebote der paulinischen Paränese, 1961, 126 ist der Meinung, daß eine befriedigende Lösung immer noch nicht gefunden ist. 676 G.D. Fee, ebd., 708; vgl. auch die dortige Darstellung der komplizierten Ausle· gungsgeschichte von 1Kor 14,33 b-3 5 und die verschiedenen Lösungsvorschläge. Vgl. ebenso eh. Wo 1ft, lKor 341-348 für eine Besprechung dieser Sache. 677 Vgl. F.F. Bruce, Gal, 188ff, der darauf aufmerksam macht, daß Gal 3,28 nicht nur als Unterbindung jeglicher Diskriminierung auf rassischer und sozialer Basis, sondern auch auf geschlechtlicher Basis verstanden werden muß. 674
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Hausgemeinde und Mission
(rKor 11,2-6), obwohl er im selben Abschnitt von der schöpfungstheologischen Unterordnung der Frau unter den Mann spricht, dann hat er diese Erlaubnis in rKor 14,33b-36 entweder (bei Ehefrauen?) eingeschränkt678 oder die Stelle bringt als späterer Zusatz die differenzierte Meinung des Paulus nur einseitig zum Ausdruck. 1Kor 14,34 allein kann kein Grund sein, Frauen Lehraufgaben und Leitungsämter in kirchlichen Diensten vorzuenthalten.
C) Ergebnis Ein wichtiges Thema dieses Kapitels bildete das Verhältnis von Hausund Ortsgemeinde. Damit verbunden war die Frage nach den ekklesiologischen Implikationen dieses Verhältnisses. Das Nebeneinander von HGn führte sodann zum Problem der Leitungs- und Organisationsstrukturen der HGn, wobei die Frage, ob und wie sich die Struktur des antiken Oikos auf die Organisation der HGn ausgewirkt hat, im Mittelpunkt stand. Wie in der Jerusalemer Urgemeinde, so stellten wir auch in Korinth ein Nebeneinander von Orts gemeinde und HGn fest. Auch in Rom gab mit großer Wahrscheinlichkeit verschiedene HGn. Angesichts der Größe der Stadt und der Vielzahl der Gruppen ist ein gemeinsames regelmäßiges Treffen an einern Ort sehr unwahrscheinlich. Für ein Nebeneinander von HGn in Thessalonich, Ephesus, Philippi und Laodizea gibt es ebenfalls Hinweise. Die Frage nach dem Nebeneinander von Orts- und Hausgemeinde führte uns sodann zur Frage, wie das Verhältnis zwischen E~nzelge meinde und Ortsgemeinde bzw. zwischen der gesamten Gemeinde am Ort und der Gesamtkirche bei Paulus bestimmt wird. Auf Grund des Nebeneinanders von Ortsgemeinde und HGn, wie es sich in den paulinischen Missionsgemeinden, aber schon zuvor in der Urgemeinde belegen läßt, und in Anbetracht des Schwerpunktes, den Paulus auf die Würde der Einzelgemeinde legt, scheint er das gröfSere Recht der Einzelgemeinde gegenüber der Gesamtkirche zu betonen 679 •
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In dem Fall kann die textgeschichdiche Unsicherheit (s.o.) mit einer von Paulus selbst am Rand geschriebenen Glosse erklärt werden. Vgl. E.E. Ellis, The Silenced Wives oE Corinth (I Cor. 14,34-5),213-220; ihm folgend Barron, Paul's Sense of Place, NTS 32 (1986), 229f. Vgl. aber wie gesagt Eph 4 und Joh 17 für das Gegengewicht.
Die Verwendung von Häusern in der paulinischen Mission
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In unserer Studie ist zum ersten .Mal, wenn auch nur andeutungsweise, eine Schattenseite der HGn für die Mission deutlich geworden. Die Existenz mehrerer Hausgemeinden in einer Stadt scheint ein Grund für die Tendenz zu Parteibildungen und damit zn inner- und zwischengemeindlichen sozialen Spannungen unter den paulinischen Christen (in Korinth) gewesen zu sein. Es ist zu fragen, ob darin eine grundsätzliche Schwäche des Hausgemeindemodells liegt. Auf diese Frage werden wir im nächsten Kapitel zu sprechen kommen. Die Bilanz hinsichtlich der Bedeutung der HGn für die paulinische Mission ist aber im Ganzen positiv zu beurteilen. In ihrer Funktion als Stützpunkte für das örtliche Gemeindeleben und für die städtische und überregionale Mission stellten "Häuser", ähnlich wie in Antiochien, Jerusalem und im Ansatz schon vor Ostern in der jesllanischen Umlandmission vom Haus des Petrus aus, die bauliche, soziale, personelle und wirtschaftliche Basis sowohl der paulinischen Zentrumsmission als auch seiner überregionalen Arbeit dar. Privathäuser wohlhabender Mitglieder dienten Paulus, seinen Mitarbeitern und den paulinischen Christen als Sammelpunkte, als Versammlungsräume für die Pflege der Gemeinschaft, für Gebet, Lehre und die Feier des Herrenmahls. Die Hauseigel1tümer ermöglichten die Durchführung von solchen Gottesdiensten durch ihre patronale Gastfreundschaft: d.h. konkret durch die Bereitstellung der Versammlungsräume und gegebenenfalls materieller .N1itte!, z.B. für das Agape- und Herrenmahl. Diese Patrone und Patroninnen boten der Gemeinde und den Missionaren Schutz den städtischen Behörden gegenüber und übernahmen in politischen Angelegenheiten der Gemeinde eine leitende Funktion. Oft wuchsen die Gastgeber der HGn durch ihre natürliche Stellung, Bildung und Begabung in die Aufgabe der Gemeindeleiter hinein. So bildeten HGn Übungsplätze für zukünftige Führungskräfte der Gemeinde und Mission. Diese Sicht wurde durch unsere Untersuchung der Leitungsstrukturen in den paulinischen HGn bestätigt. Paulus verwendet in seinen unumstrittenen Briefen eine ganze Reihe von Begriffen, die auf leitende Funktionen hinweisen. Die unterschiedlichsten Namen und Beschreibungen deuten lehrende, führende, verwaltende und materielle Unterstützung an. Irgendjemand oder irgendeine Gruppe von Menschen mußte einen Versammlungsort zur Verfügung stellen, die Versammlung und die Mahlzeiten leiten und das Essen für die Armen bereitstellen. Irgendeiner mußte für die Organisation der Gemeinde verantwortlich sein und sie nach außen den Behörden, aber
Hausgemeinde und Mission
auch gegebenenfalls den anderen Gemeinden gegenüber, in einer Stadt vertreten. Irgendeiner mußte v.a. in der Abwesenheit des Apostels die Aufgabe des Lehrens und des Leitens übernehmen. Die Gruppe, die in der Anfangszeit für solche Aufgaben am ehesten in Frage kommt, ist die der Hauseigentümer. Von ihrer Stellung in einer Oikosgesellschaft her wäre es ganz natürlich gewesen, daß ihnen eine leitende, eventuell auch lehrende Rolle zugewachsen ist, denn die Gemeinde versammelte sich fortan in ihrem Haus. Es wird hier allerdings nicht behauptet, daß die Hauseigentümer die einzigen gewesen sind, die für eine leitende, lehrende Funktion in den HGn in Frage kamen. Wie in der Urgemeinde werden auch andere begabte Mitglieder der Gemeinde, darunter auch Sklaven, zeitweise auch Wanderpropheten und -prediger usw., die keine Hauseigentümer waren, leitende Aufgaben übernommen haben. Die Tatsache, daß in den unumstrittenen paulinischen Briefen nichts darüber berichtet wird, daß Leiter von Paulus oder sonst jemand eingesetzt wurden, ist in diesem Zusammenhang bedeutsam. Obwohl ihm Leitungsfragen allgemein nicht gleichgültig sind, scheint Pa111us sich wenig um die Frage einer "offiziellen" Einsetzung zu kümmern. Das kann daran liegen, daß es nicht nötig war, weil Leitungsstrukturen schon im antiken OiKO~ "eingebaut" waren und die Leiter "von unten" aus dem Haushalt herausgewachsen sind. "We are, therefore, led to suspect that the social forces of the time and culture did in fact provide for their [the house church leaders =RG] emergence. The group that comes to mind as the one that could easily emerge in this mann er with these responsibilities are the heads of households, men and warnen of means with the ability to manage the affairs of the church. ,,680 An dieser Stelle sei noch einmal betont, daß es in diesem Zusammenhang wohl ein Zusammenwirken zwischen Paulus, dem Gemeindegründer, der örtlichen Gemeinde und dem betreffenden Leiter gab. Alle drei mußten sich irgendwann darüber einig werden, daß die betreffende Leitungsfunktion authentisch, nützlich und eine Gabe Gottes an seine Gemeinde sei. Diejenigen, die als HausgemeindeLeiter tätig waren, haben ihre Legitimation von der Anerkennung durch Paulus und durch die Gemeinde bekommen. Alles scheint also darauf hinzuweisen, daß während der Anwesenheit des Paulus, aber auch in seiner Abwesenheit die gemeindlichen Leiter aus den Oikos-
680
V. Branick, The Hause Churcb,
91.
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strukturen der HGn "von unten" herausgewachsen und so dann durch den Apostel" von oben" legitimiert worden sind .. Häuser dienten als Missionstützpunkte. Sie stellten Mitarbeiter für die Mission im Umland ihrer Stadt bereit. Häuser boten Paulus, seinen Mitarbeitern und sonstigen umherreisenden Glaubensgenossen und Missionaren Quartiere und Zufluchtsstätte während ihres Aufenthaltes am Ort. Zugleich waren Häuser für die Mission des PaulllS und seiner Mitarbeiter in ihrer Funktion als Ort der missionarischen Predigt, des katechetischen Taufunterrichts und der christlichen Belehrung von großer Bedeutung. Das Netz der Oikoi mit ihrer Gastfreundschaft war die Basis, auf der Paulus seine für seinen Missionsdienst und Gemeindeaufbau so wichtige briefliche Korrespondenz durchführen konnte. Außerdem ermöglichten Häuser die Reisen der Missionare, indem sie ihnen die dafür notwendigen materiellen und finanziellen Mittel mit auf den Weg gaben. Das Haus mit seinem "Workshop" und seinem "Network" der Beziehung (Großfamilie, Klientelwesen, Zunft, Verein und geschäftliche Kontakte) bot natürliche missionarische Kontakte und Gesprächsmöglichkeiten. Des weiteren fiel auf,· daß nicht nur einzelne, sondern ganze Häuser auf einmal getauft werden konnten, was fur· die schnelle Verbreitung des Evangeliums eine bedeutende Rolle gespielt hat (vgl. Oikosformel). Ein zusätzlicher Vorteil dieses Phänomens ist die so ermöglichte korporative Solidarität bei und nach der Bekehrung, was eine nicht unwichtige Stütze für die jungen Christen bedeutete. Schließlich waren die HGn auch Übungsfeld und Schauplatz der Bruderliebe mit integrierender und missionarischer Wirkung. Die Leistungsfähigkeit der HG ist u.a. dadurch zu erklären, daß schon durch die Größe eines Tricliniums bedingt die sich dort versammelnde Gruppe klein gehalten werden mußte und damit notgedrungen überschaubar, familiär und verbindlich geblieben ist. In ihrer Funktion als Missionsstützpunkt für eine Stadt und das umliegende Gebiet stellten HGn das Fundament der paulinischen Zentrumsmission dar. Wohl deshalb gehörte es zur Missionsmethode des Paulus, dort, wo er zum ersten Mal das Evangelium verkündigte, zunächst ein oder mehrere Häuser für den Glauben zu gewinnen, wobei die Bekehrung des Hausvorstandes von entscheidender Bedeutung war. Die paulinische Mission hat sich den sozialen Gegebenheiten des antiken otKO<; angeschlossen. "An dieser Einbeziehung des ,Hauses' in die Gemeinde wird ein für die Mission sehr wichtiger Grundsatz wirksam. Die Gläubigen bleiben ... in der Welt und wissen sich den
Hausgemeinde und Mission
geschichtlichen und schöpfungsmäßigen Ständen, durch die das Leben in dieser Welt erhalten wird, verpflichtet ... (IKor 7,20-24). Weil sie innerhalb der sozialen Ordnungen und nach deren Regel mit den anderen Menschen zusammenleben und doch anders als sie, werden sie zum Zeugen - durch ihr Reden, durch ihr Leben und durch ihr Leiden. ,,681 Die paulinische, ja die urchristliche Gemeinde überhaupt konnte sich noch nicht als eigene selbständige Größe "neben den privaten Haushaltungen der Christen, sondern ausschliefSlich in ihnen"682 organisieren. Indem die ersten christlichen Gemeinden in ihren Häusern blieben, wurde vielleicht deutlicher als irgendwo anders, daß sie "in der Welt, aber nicht von der Welt" waren. Nicht zuletzt deswegen waren christliche HGn von großer Bedeutung für die urchristliche Mission.
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Goppeit, Die apostolische ... Zeit, 6of. Hier bahnt sich aber auch ein Konflikt zwischen Kirche und Welt an, auf den wir im nächsten Kapitel noch eingehen. P. Lampe, Zur gesellschaftlichen und kirchlichen Funktion der "Familie", Ref 3 I (1982), 537; vgl. auch F. Laub, Die Begegnung des frühen Christentums mit der Sklaverei, 1982., 52.
V. Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen in den paulinischen Antilegomena Gegenwärtig ist es üblich, drei Stufen in der Entwicklung der paulinischen Gemeinden zu unterscheiden. Die erste Phase wird durch die unumstrittenen Paulusbriefe und die Apg beleuchtet (ca. 35-60 n.Chr.). In dieser Zeit wurden durch eine" weltweite" missionarische Anstrengung neue hausgemeindliche Gemeinschaften im Rahmen der paulinischen Zentrumsmission gegründet. Die zweite Phase (ca. 60-80 n.Chr.) stellt eine Zwischenstufe dar, in der sich solche neu entstandenen Gemeinschaften konsolidieren. Für diese Phase werden Kol, Eph (und normalerweise auch rPetr) herangezogen. Eine dritte Phase, die teilweise mit der vorangehenden parallel ist, sieht man durch die Pastoralbriefe repräsentiert 1. Sie reden von Gemeinden, die den bewußten Anschluß an die Autorität des Paulus suchen, die funktional aufgegliedert sind und nun auch in das Blickfeld der römischhellenistischen Umwelt geraten. KaI und Eph sowie die Past sollen ausschließlich auf ihre Relevanz für die Frage der HGn untersucht werden. Besondere Bedeutung kommt dabei den beiden sog. "Haustafeln" [= HTn] des Kol und Eph zu.
A) Die Haustafel des Kolosserbriefes I.
Einleitungsfragen
Die erste ernst zu nehmende Bestreitung der paulinischen Herkunft des Kol stellt die r838 entstandene Arbeit von E.T. Mayerhoff dar 2 • Eine ähnliche Sicht wurde sodann auch von F.C. Baur und seinen Schülern vertreten 3 • Allerdings haben sich Forscher wie M. Dibelius, E. Lohmeyer, E. Percy 4 bis hin zu W.G. Kümmel' für die Annahme paulinischer Verfasserschaft ausgesprochen. Während diese These in
2
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Hier ist die Forschung hinsichtlich des Beginns dieser Zeit unsicher - meist wird ca. 80-120 n.Chr. vorgeschlagen. Vgl. die reichlich vorhandene Literatur zur Thematik z.B. bei W.G. Kümmel, Einleitung in das NT, 1983,298-305; für die jüngere Diskussion vgl. z.B. ].D.G. Dunn, Colossians, 199 6, 35-39. Vgl. dazu W.G. Kümmel, Einleitung, 298f. Vgl. die Liste bei Kümmel, Einleitung, 299, Anm. 12. Einleitung in das NT, 298-305.
Hausgemeil1de und Mission
der deutschsprachigen Forschung gegenwärtig eine Minderheitsposition darstellt6 , halten sich Bestreiter und Befürworter der Echtheit in der englischsprachigen Exegese die Waage 7• Besondere Aufmerksamkeit verdient eine in jüngerer Zeit von W.H. Ollrog, E. Schweizer und J.D.G. Dunn vorgeschlagene Hypothese8 . Sie erklären die Unterschiede zwischen Kol und den unumstrittenen Paulusbriefen mit einer Verfasserschaft des Timotheus bzw. seiner aktiven Komposition des Briefes unter der Autorität, mindestens aber in Fühlungnahme mit Paulus. Für unsere Studie .rechnen wir damit, daß der Kol noch die historischen Umstände der Lebenszeit des Paulus widerspiegelt. Wenn man die Stellung des Kol wie Ollrog, Schweizer und Dunn bestimmt, dann kann der Brief historisch und theologisch eine Brücke zwischen paulinischer und nachpaulinischer Zeit bilden.
2.
Die "Haustafel,r9 als ob(O~-Ordnung: [(013,r8-4,r
a) Vötges'chichte Die Forschungsgeschichte von Kol 3,r8-4,r ist sehr komplex und vielfältig. Unsere Stelle ist von fast allen möglichen Perspektiven her erforscht worden, ohne daß ein wirklicher Forschungskonsens erreicht
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VgJ. pro genuin pln.:]. Lähnemann, Kol, 1971, rr-28.153-182. Für eine nachpaulinische Verfasserschaft vgl. z.ß. ]. Ernst, Kol, 1974; E. Lohse, Kol, 1977; P. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur, 1978; \VI. Marxsen, Einleitung, 1978; J. Gnilka, Kol, 1980; P. Pokorny, Kol, 1987; M. Wolter, Kol, 1993; vgl. weitere Auflisrung bei Kümmel, Einleitung, 299, Anm. 13. Die Hauptargumente sind stilistische, sprachliche und theologische Unterschiede zu den unumstrittenen Paulusbriefen. Vgl. pro genuin pln.: R.P. Martin, Colossians and Philemon, 1973, 32-38; P.T. O'Brien, Colossians, Philemon, 1982, xli-xlix., G.E. Cannoll, Colossians, r983, 175ff und F.F. Bruce, Colossians, Philemon, Ephesians, r984, 28-33; N.T. Wright, Co!, I986, 3 rff; contra M. Kiley, Co[ossians, 1986, 38-73; R. Yates, Colossians, 1993, xi-xii; W.A. Meeks, Urchristentum, I993, 260f. W.H. Ollrog, Mitarbeiter, 2I9-3 I.23 6-42; E. Schweizer, Kol, 23-27; mit Schweizer, ].D.G. Dunn, Colossians, 35-39. Diese Form von Paränese nannte schon M. Luther "Haustafel" (vgl. Kleiner Katechismus, in: BSLK I959, 523-527). Zu dieser Kategorie werden je nach Forscher mehr oder weniger fest gerechnet (s. u. unsere Position): unsere KoI. Stelle, die als älteste und geschlossenste ntl. Haustatel gilt; Eph 5,2I-6,9; rPetr 2,II3,7; 1Tirn 2,8-6,2.a; Tit 2,I-10; außerntl.: IgnPol 4,r-6,2; rKlem 1,3; 21,4-9; PoIPhil4,2-6,r; Did 4,9-II; vgl. auch Barn 19,5-7 ..
Das Weitel'wil'ken von Oikos-Strukturell
wurde lO • Die Auslegung der nt!. Haustafeltradition ist z.T. bis heute noch durch die von M. Dibelius begründete!l und von seinem Schüler K. Weidinger ausgearbeitete These 12 geprägt, daß es "Haustafeln" als Gattung im Neuen Testament überhaupt gibt und daß sie traditionsund reJigionsgeschichtlich von der durch das hellenistische Judentum vermittelten stoischen Pflichtenlehre abgeleitet (vgl. avfiKEv und EuapEO'tov in Kol 3,18.20) und dann vom frühen Christentum v.a. durch den Zusatz ev K'upi
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Die Forschllngslage der "Hallstafeln" ist auch in letzter Zeit mehrfach aufgearbeitet worden und muß hier nicht in jedem Detail wiederholt werden. Vgl. z.B. D. Lührmann, Nt!. Haustafeln, NTS 27 (1981), 83-97; F. LaLlb, Hintergrund, MThZ 37 (1986), 249-271; P. Fiedler, Art. "Haustafel", RAC 13, 1986, 1063f; G. Strecker, Haustafeln, 1989, 349-375; M. Gielen, Haustafelethik, 1990; U. Wagener, Die Ordnung des "Hauses Gottes", 1994, 15-61; H. V. Lips, Die Haustafeln als 'Topos', NTS 40 (1994), 261-280. Vgl. auch zu den Haustafeln die zahlreichen Exkurse in den gängigen Kommentaren zu Kol, Eph, Il'etr und Past. An die Kolosser ... ,1912, 91f; ders. und H. Greeven, An die Kol ... , 1953, 48ff. Die Haustafeln, 1928, Sf.18f. Kol, 1912, 9If. E. Lohmeyer, Kolosser, l'hlm, 1964, z. St .. Allerdings ist hier zu betonen, daß nicht wenige Forscher die alttestamentlich-jüdischen Anteile der Haustafeltradition gewürdigt haben. Vgl. z.B. H. Gese, Der Dekalog als Ganzheit betrachtet, ZThK 64 (1967), UI-138 v.a. uzf.u6ff.135ff; P. Stuhlmacher, Christliche Verantwortung bei Paulus und seinen Schülern, EvTheol 28 (1968), 165-186 v.a. 178, Anm. 21; K. Müller, Haustafe!, 1983, 273-75; A. Weiser, Evangelisierung im Haus, BZ NF 34 (1990), 63-86 v.a. 78ff und zuletzt ].D.G. Dunn, Colossians, 1996,244.254.257.258. So K.H. Rengstorf, Die ntl. Mahnungen an die Frau, 1953, 131-145; ders., Mann und Frau im Christentum, 1954; L. Goppelt, Jesus und die "Haustafel"Tradition, 1973,93-[06; zuletzt F. Laub, Hintergrund, MThZ 37 (1986), 249271. Mit D.C. Verner, Household, I983, 84 hat M. Gielen, Haustafelethik, 1990, 6rf.IZsff.2.0I versucht nachzuweisen, daß wenigstens die äußere Gestalt der nd. HT-Tradition im urchristlichen Bereich durch Verbindung der Oikonomik und
Hausgemeinde und Mission
exegetische Kritik der Thesen von Dibelius und Weidinger durch Rengstorf, Schroeder und auch J.E. Crouch 16 macht immerhin zu Recht auf v.a. zwei Probleme aufmerksam. Erstens: Die Listen der Bezugspersonen, die in den HTn paarweise genannt werden, stimmen nicht mit denen der stoischen Pflichtenreihen überein 17 • Zweitens: Die HTn sind Aufforderungen zum gegenseitigen Verhalten, während die Pflichtenreihen bloß einseitig zu verstehen sind 18 • Außerdem läßt sich sagen, daß es Schroeder gelungen ist, die keinen Widerspruch duldende Form der einzelnen Haustafelweisungen von den apodiktischen Rechtssätzen des ATs her zu erklären 19. Man wird weder hellenistische noch alttestamentlich-jüdische Einzelmotive in den Haustafeln, vermittelt durch das hellenistische Judentum, bestreiten wollen 20 • Doch auch die Durchdringung der HTn seitens des frühen Christentums darf nicht übersehen werden21 . Es ist sogar zu vermuten, daß viel mehr christliche Eigenleistung in den HTn enthalten ist, als allgemein angenommen wird. So ist es das Verdienst Rengstorfs, darauf hingewiesen zu haben, daß weder der nt!. Kontext noch die Oikos-Situation der HT-Überlieferung vernachlässigt werden darf (s. Anm. 15). Weiterführend war es sodann, als die antike Oikonomik22 als möglicher Hintergrund der HT zunächst von D. Lührmann und
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die in der atl. Tradition wurzelnde Form der apodiktischen Mahnung (5. u.) ausgebildet wurde. Gegen K. Müller, Haustafeln, 2.6.'-319 v.a. 2.71. Origin and Intention of the Collosians Haustafe!, passim. Die Arbeit von Crouch stellt eine deutliche Modifikation der These Weidingers dar, denn Weidinger unterstrich viel stärker die jüdisch-hellenistische Ausprägung und meinte in der ältesten christlichen Haustafel (Kol) eine speziell anti-enthusiastische Ausrichtung zu. sehen. K.H. Rengstorf, Mahnungen, 134; ders., Mann, 2.5f. D. Schroeder, Haustafeln, 38. Hauptadressat stoischer Pflichtenreihen war der freie 1\'lann bzw. in den Ökonomik-Traktaten der Hausherr. In der Haustafel ist jedes Glied des Hauses unmittelbarer Adressat. Haustafeln, 93. Vgl. G. Strecker, Haustafeln, 353f; 1\1. Gielen, Haustafelethik, 37, Anm. 92. I 29. Die formale Gestaltung der paarweisen Mahnungen mit der strukturellen Ähnlichkeit zur atl. Apodiktik lind der direkten Anrede ist in der Antike einzigartig. Vgl. Anm. 14 für Lit. hinsichtlich jüdischer Anteile. Vgl. Kai 3,20f mit Mk 7,10; 10,1-9.19. L. Goppelt, Jesus und die "Haustafel"Tradition, 1973,93-106; ihm folgend F. Mußner, Eph, 154; E. Schweizer, Traditional Ethical Patterns, I975, 2.02; ders., Kai, 215; ihnen folgend ].D.G. Dunn, Col, 244-~50f. Vgl. dazu sogar Dibelius-Greeven, Kai, 1953,47. 1vlit Oikonomik ist gelneint: Literatur aus der heHenistischen Zeit) die die Rege-
lung der Haushaltsführung und das Zusammenleben der verschiedenen Personen
Das Weiterwirken von Oikos-Strttkturen
dann auch von anderen Exegeten herangezogen wurde 23 • Der Oikonomikansatz bietet den Vorteil, die HT sozialgeschichtlich zutreffender einzuordnen, v.a. wenn man bedenkt, dalS der antike Oikos die "elementare Sozial- und Wirtschaftsform schlechthin" für die Antike und damit auch für das Neue Testament gewesen ist (s. o. Forschungsbericht). Lührmann und Laub können sogar von einer "Oikosgesellschaft" reden 24 • Diese Sicht wird durch das Ergebnis unserer bisherigen Untersuchung bestätigt: Wie in der Gesellschaft generell, so stellte der Oikos sowohl vor Ostern bei Jesus als auch in der frühchristlichen Gemeinde Jerusalems und erst recht in den Städten der paulinischen Mission eine grundlegende Einheit für Gemeinschaftsbildung dar. Gleich in der ersten Generation ist der Anschluß an die soziale und wirtschaftliche Grundstruktur des olKoc; erfolgt. Die HT-Tradition ist die sozial-ethische Entsprechung dazu. Darauf hat schon F.V. Filson hingewiesen 25 , dessen These durch die Arbeiten von mehreren Forschern in letzter Zeit bestätigt worden isr6 • Trotz herrschender Naherwartung entstanden mit dem Anschluß an Oikos-Strukturen potentiell dauerhafte soziale Gebilde. Auch die schon oft gemachte Beobachtung, daß in Kol 3,18-4,1 offensichtlich urchristlich paränetische Tradition verwendet worden sein kann 27 , in der Hausgemeinschaft zum Thema hat. Für eine Auflistung der relevanten Texte wie aus Xenophons Oikonomikus, Aristoteles' Buch I der Politik, PsAristoteles' Oeconomica I, Fragmenten vorn Werk des Philodemos von Gadara, Teilen des Werkes von Hierokles, wie sie von Stobaios festgehalten wurden, vgl. D. Lührmann, Wo man nicht mehr Sklave ... , 1975, 76ff; ders., Nt!. Haustafeln, 851. 23 D. Lührmann, Wo nicht mehr Sklave oder Freier ist, WuD NF I3 (1975), 53-83 v.a. 76ft; ders., Nt!. Haustafeln und die antike Ökonomie, 83-97; K. Thraede, Zum hist. Hintergrund der "Haustafel" des NT, 1980,359-368; D.L. Bakh, Let Wives be Submissi\'e, 198I; vgl. auch K. Müller, Die Haustafel des Kol, 1983, 263-319 v.a. 284ft; D.C. Verner, Household of God, 1983, 83-I25; F. Laub, Hintergrund, MThZ 37 (1986): 249-27 r. Eine ähnliche Sicht vertritt ].H. Elliott, Horne for the Homeless, \'.a. I70-200. 24 D. Lührmann, Hallstafeln, 84; F. Laub, Hintergrund, 26I; vgI. aber die Kritik \'.a. an der Sicht von Laub bei U. Wagener, Ordnung, 35ff.64. S. o. unseren Forschurigbericht S. 45, Anm. 146. 25 Vgl. Significance, 1939, 109f, wo Filson eine enge Beziehung zwischen Haustafel lind Hausgemeinde herstellt. Anders H.J. Klallck, HG, 46f. 26 Vgl. z.B. F. Laub, Begegnung, I982, 89; ders. HallS- und GemeindeTafelparänese, 261. D. Lührmann, Nt!. Haustafeln, 86, spricht in diesem Kontext von einem "Iatent politischen Anspruch" des frühen Christemums. 27 Vgl. z.B. auch E. Lohse, Kol, 220; so schon K. Weidinger. DalS die Kul-HT ein geprägtes Traditionsstück darstellt, ist communis opinio in der Forschung (vgl. M. Gielen, Haustafelethik, 3f.ro)f).
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Hausgemeinde und Mission
läBt vermuten, daB bereits in der ersten Generation die Frage laut wurde, wie man sich im Alltag einrichten sollte. Da Familien schon von Anfang an eine Hausgemeinde um sich gebildet haben, bedurften sie der besonderen Mahnung und Weisung. Demzufolge ist es nicht notwendig, die HT nur als Antwort auf eine durch die Parusieverzögerung entstandene Krise der zweiten Generation (Dibelius) oder als Protestreaktion gegen eschatologische Enthusiasten (Crouch) zu verstehen 28 • M. GieIen hat sogar versucht nachzuweisen, daB die HTTradition in den HGn des paulinischen Missionsgebietes beheimatet gewesen sein dürfte 29 • Über diesen indirekten Weg kommt Gielen zu der "begründeten Vermutung, daß sich in der Schicht der christlichen Hausvorstände der Trägerkreis der Oikonomik findet und ihre Rezeption für den christlichen Bereich, wie er in den HT-Tradition seinen Niederschlag gefunden hat, im Umfeld christlicher Häuser stattfand"30. Da die pagane Oikonomiktradition Empfehlungen an die Hausherren gibt, aber diese in den neutestamentlichen HTn Adressat von apodiktischen Weisungen sind, folgert Gielen, daß die Gesamtgemeindeam Rezeptionsprozeß in Form einer innergemeindlichen Diskussion teilgenommen hat 31 . Es ist gut möglich, daß Giekn mit ihrer These eines Ursprungs der HT aus dem paulinisichen Missionsgebiet recht hat. Gielells Annahme eines innerkirchlichen Diskussionsprozesses im paulinischen Missionsbereich kann dagegen nicht überzeugen. Das Hauptargument gegen Gielens These lautet, daß die Form der apodiktischen Mahnungen sehr wahrscheinlich nicht das Ergebnis einer demokratischen Gemeindediskussion sem kann. Hier ist eher eine Angleichung an den Dekalog zu sehcn.:32
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Vg!. D. Lührmann, Nt!. Haustafeln, 96f; W. Schrage, Zur Ethik der nt!. Hausrafein, NTS 2.1 (1974/75), 1-2.1 V.a. 9fj Scllrage folgend P.T. O'Brien, Col, 2.18. M.Gielen, Hausrafe/ethik, IOO- I0 3. Gielen, ebd., 100. Ebd., 100-102.. D. Schroeder ist der Meinung, daß diese Sprachform eher zu einer Persönlichkeit paj~t, die wegen ihrer besonderen Autorität hoch verbindliche Anweisungen geben kann, und denkt hier an Paulus. Vg!. Haustafeln, 26.94. Demnach wäre Paulus der Verfasser des "Traditionsstückes" . Er könnte es im Zusammenhang seiner Lehrtätigkeit als paränetische Anweisung (unter Angleichung an den Dekalog?) an die Hausvorstände und ihre Familien verwendet haben. Damit wären die Hausvorstände nicht Trägerkreis, sondern Adressatenkreis der HT und entweder Paulus oder einer seiner Schüler hätte es in den Kol eingebaut. Für weitere Kritik an dem Gesamtentwurf Gielens vg!. U. Wagen er, Ordnung, 49-54.
Das Weitel'wil'ken von Oikos-Stl'uktul'en
39 1
In den Oikonomik-Schriften sind v.a. die Paar-Bildung inklusive der Gegenseitigkeit des Verhaltens und z.T. auch das Dreierscherna, sowie gewisse inhaltliche Motive (Unterordnung, Liebe, Furcht) belegt. Die Konsequenz dieser Feststellung ist, daß dann nur noch die Kol-HT und die Eph-HT als "Haustafeln" im engeren Sinne bezeichnet werden können, da IPetr und die Past erhebliche Unterschiede hinsichtlich des paarweisen Ansprechens der drei betreffenden Gruppen zeigen J3 • Die Geschichte der Erforschung der HTTradition zeigt überhaupt an dieser Stelle eine gewisse Unsicherheit. Das gilt nicht nur schon für die Bezeichnung (z.B. Haus-, Ständeoder auch Gemeindetafel), sondern auch für die Fragen nach dem Vorliegen des Materials im Neuen Testament34 • Des weiteren ist zu konstatieren, daß die Parallele in der Oikonomik den paränetischen Charakter bzw. die paränetische Gestalt der Einzelmahnungen in den HTn nicht erklären kann 3s • Aus diesen Gründen erweitert H. von Lips den Kreis wieder36 • Er setzt zunächst bei 1Petr 2,18-3,7 und Tit 2,1-10 aus heuristischen Gründen an. Auf diesem Weg kann er zu einem "paränetischen Schema" mit den Lebensbereichen Gemeinde, Haus und Öffentlichkeit gelangen, das interessanterweise auch in Kol 3,1-4,6 begegnet. Ebenfalls weiterführend bei v. Lips ist die Feststellung, die "Haustafel" sei innerhalb des "Schemas" bloß ein "TOpOS"37, aber keine
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G. Strecker, Haustafeln, 358f und M. Gielen, Haustafelethik, 4-6'375 - wie auch viele Exegeten vorher - klammern deswegen die Texte der Past aus der Haustafeltradition aus. Für die anderen früheren Forscher vgl. H. v.Lips, Topos, 263, Anm.
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Vgl. u.a. Dibeliusl\Veidinger: KaI 3-4, Eph 5-6 und IPetr 2-3 unter Hinzufügung von Past (Tit 2,1-0; xTim 2.,8-x 5; 6,If u.a.) und Röm 13,1-7' Später beschränkte sich der Skopus auf Kol-Eph (weitgehend mit Einschließung von IPetr - s. o. StreckeriGielen) . Vgl. D. Verner, Household, 2.2.84ff; D.L. Balch, Hausehold Codes, 37; ihnen folgend M. Gielen, 55-66. Topo·s,2.6x-2.80. Hier im Sinne von D.G. Bradley, The TOPOS as a Form in Pauline Paraenesis, 1953, 238-246; ,,'Gattung' wird als übliche Bezeichnung für die gemeinsame Form einer Mehrzahl von Texten verwendet, die zugleich einen gemeinsamen 'Sitz im Leben' haben. Der Begriff 'Topos' wird ... verwendeJ, der damit thematisch bestimmte Einzelteile einer Paränese bezeichnet, ohne daß dabei eine feste, gleichbleibende Form im Sinne einer Gattung vorliegt ... Mit 'Schema' soll ausgedrückt sein, daß ein Text durch bestimmte formale oder inhaltljche Elemente strukturiert ist ... Im vorliegenden Fall ist an paränetische Texteinheiten gedacht, die durch
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Hausgemeinde und Mission
weil sie das ursprünglich egalitäre Ethos der frühchristlichen Missionsbewegung modifizieren, ja mit der Zeit fast bis zur Unkenntlichkeit umgestalten. Der Liebespatriarchalismus der deuteropaulinisehen Haustafe1n gehört zu späteren" Weiterentwicklungen der Argumentation des Paulus - Entwicklungen, die in der Zukunft zum schrittweisen Ausschluß aller Frauen vom kirchlichen Amt und zur schrittweisen Patriarchalisierung der gesamten Kirche führen werden "57. Der Kolosserbrief hebt nämlich das egalitäre Ethos von Gal 3,28 "durch eine Haustafel der patriarchalen Unterwerfung wieder auf"58 und akzeptiert damit den etablierten status quo "von Ungleichheit und Ausbeutung"59. E. Schüssler Fiorenza kann es noch schärfer formulieren: "die patriarchalische Haustafel-Tradition" ist "unchristlich und destruktiv für eine Gemeinde von gleichberechtigten Jüngern "60. Dabei wäre ihre Ausbildung gar nicht nötig gewesen. Denn es gab nicht nur in der frühchristlichen Missionsbewegung, sondern auch in der Umwelt andere Modelle (s. S. 42If), die viel egalitärer und humaner waren 61 • Die frühen Christen hätten nicht auf dieses Unheil bringende und strukturell sündige patriarchale Muster zurückgreifen müssen 62 • Beispielhaft für die zweite Gruppe stellen wir die Position von S. Schulz (s. o. Anm. 48) kurz dar. Für ihn werden die Haustafeln im Vergleich mit dem ekstatischen Kampfruf in Gal 3,28, hinter dem explosiver Sprengstoff einer sozialethischen Revolution stand, geradezu zum verräterischen Sinnbild eines ungezügelten Anpassungswillen bzw. einer schwachen Widerstandslosigkeit des "frühkatholisehen" Ethos. Ähnlich wie bei Schüssler Fiorenza stammt der Ruf in Gal 3 ursprünglich nicht aus der Feder des Paulus selbst, sondern ist von ihm aus der Tauftradition enthusiastisch-gnostisierender Ge57 58
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Ebd., 2.9 I. Ebd·,3 0 5·
Ebd., 308 . Dies., Ehe und Jüngerschaft, I986, 220-227, hier 227. Die feministischtheologische Hermeneutik der Schüssler Fiorenza verbietet es, patriarch ale Unterordnung stabilisierenden bzw. "unterdriickerischen und zerstörerischen biblischen Texten LInd Traditionen auch nur die geringste Offenbarungsautorität zuzugestehen" (Gedächtnis, 66). Gedächtnis, 30 9 ft. Hier folgt sie weitgehend K. Thraede, Ärger mit der Freiheit, 1977, 59-62; ders., Zum historischen Hintergrund der "Haustafeln" des NT, 198I, 359-368.365; vgl. aber die Kritik an Thraede bei D.L. Balch, Let Wives be Submissive, 198 1,143-149; ders., Household Codes, 1988, 25-50; s. S. 421. Gedächrnis, 4 I2 .
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
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meindechristen aufgenommen worden, deren revolutionäre Parole lautete: "Hier ist weder Jude noch Grieche, weder Sklave noch Freier, weder Mann noch Frau"63. Aus diesem Dreierschema zieht Schulz folgende Konsequenzen. Erstens: "In dieser Gemeinde ist der Unterschied zwischen Juden und Heiden belanglos geworden "64. Zweitens: Dort gab es auch keinen sozialen Unterschied zwischen Sklavenhalter und Sklaven mehr. In dieser Gemeinde wurde die Sklaverei ebenfalls abgeschafft. Von Gal 3,28 wurde das Recht auf Befreiung aus der Sklaverei abgeleitet, die höchstwahrscheinlich nicht nur im Gottesdienst, sondern auch im Alltag, allerdings nur zwischen christlichen Herren und christlichen Sklaven galt65 . Drittens: Dort wurden auch von Gal 3,28 her die schöpfungsmäßigen Unterschiede zwischen Mann und Frau radikal nivelliert. "Die Praktizierung dieser Parole hätte früher oder später zur sozialökonomischen Revolution führen müssen. Das aber unterblieb"66, und zwar u.a. deswegen, weil sich "Paulus seltsamerweise mit Leidenschaft gegen sie gewandt hat"67. V.a. IKor 7,20-2468 "beweist unmißverständlich", daß Paulus aus seiner Rechfertigungslehre auf gar keinen Fall "emanzipatorische Konsequenzen für die RechtssteUung des Sklaven im Alltag der Welt" gezogen hat. "Das ist für Paulus ein fundamentales Mißverständnis seines Evangeliums. ,,69 "Auch die Nachfahren des Paulus ... haben an der Lösung ... festgehalten, ja sie sogar metaphysisch im Sinne einer statischen Schöpfungs- und Ordnungstheologie sanktioniert'<7O. Das taten sie, indem sie die Haustafeln einführten. Mit der konservativen Haustafel ethik haben diese "frühkatholischen" Christen von sich und v.a. von den christlichen Sklaven eine "widerspruchslose Einfügung in die bestehende Welt der sozialen Instanzen verlangt. ,,7l "Die bestehende gesellschaftliche wie soziale Ordnung wird anerkannt und die 63 S. Schulz, Gott ist kein Sklavenhalter, r60. 64 Ebd., 16465
Ebd., 165.
66 Ebd., I67. 67 Ebd., 165. 68 Vgl. ebd., 173ff für seine Exegese zu 1Kor 7. Der Schlüssel zum Verständnis ist
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das Stichwort "bleiben" und V. 21, in dem für ~&AAOV xpijam die nähere Bestimmung dessen fehlt, wovon der Sklave Gebrauch machen sollte: von der Sklaverei oder der Freiheit? VgI .. Anm. 224. Ebd., I7 0 . Ebd., 193. Ebd., 199.
Hausgemeinde und Mission
eschatologische Heilsordnung nicht revolutionär oder reformerisch in die Weltordnung eingetragen. Man hat deshalb in der Auslegung zu recht von einem bürgerlichen Charakter der Haustafelethik gesprochen. ,,72 Die beiden Positionen stellen zwei profilierte Beispiele für eine Auslegungsweise dar, mit der wir uns exegetisch auseinanderzusetzen haben. Ist die Kritik an den HTn berechtigt? Wird sie von unseren Texten bestätigt oder tragen Schüssler Fiorenza und Schulz moderne und dementsprechend sachfremde Denkweisen an sie heran? Gab es in der Antike wirklich andere praktische Modelle, die den Christen zur Auswahl standen? In welchem Verhältnis steht die KolHaustafel zu der paulinischen Aussage in Gal 3,27f bzw. Kol 3,IOf? War es tatsächlich der Hauptfehler der paulinischen Schule, daß sie überhaupt auf eine Lebensordnung zurückgegriffen hat? Die Haustafeltexte wollen wir in einem nächsten Schritt daraufhin untersuchen. Genauso wichtig für unsere Untersuchung ist aber die Frage, was man von der Kol-HT über die HGn z.Z. des Kolosserbriefes lernen kann. Setzen wir mit derSchlüsselsteIle Gal 3,27f ein. Wie wir sahen, wollen Schüssler Florenza und Schulz beide einen Widerspruch zwischen dieser älteren Tradition und Paulus sehen, der angeblich aus der in dieser Stelle ausgesagten Erkenntnis noch nicht alle nötigen Konsequenzen gezogen hat. Ein Widerspruch besteht aber nur dann, wenn Gal 3,2 7f so ausgelegt wird, wie die beiden ebengenannten ForscherInnen es tun (s.o.). Bei den Entwürfen von Schulz und Schüssler Fiorenza ist kritisch zu fragen, ob es sich von den nt!. Texten her historisch nachweisen läßt, daß christliche Gruppen mit einem solchen egalitären bzw. enthusiastischen Ethos, wie die bei den Exegeten es sich vorstellen, in Wirklichkeit existiert haben. Gal 3,27f kann aber auch anders verstanden werden, denn mittlerweile ist klargestellt worden, daß in Gal 3,28 kein Schlachtruf einer enthusiastischen Geist-Christusgemeinde vorliegt, sondern ein Tauftext, der vor und bei Paulus das neue Sein der Gemeinde bekennt73 • Zunächst ist es unbestritten, daß Paulus hier die Einheit aller in Christus betont. Diese Einheit transzendiert zwar die religiösen, soziologischen und sexuellen Unterschiede, die konstitutiv für diese
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S. Schulz, Ntl. Ethik, 570. Vgl.]. Becker, Ga!, I976, 45. Für unsere Sicht zum Ursprung des Ga! 3,28 s. S. 206f. Für die Widerlegung von Schulz vgl. P. Stuhlmacher, Ph!m, 47f.
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
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gegenwärtige Welt sind; sie hebt sie aber nicht auf4 • Folgende Beobachtungen unterstützen diese Sicht. Erstens: Nachdem PauJus in Röm 9-ro gerade die vergangenen und zukünftigen Vorrechte aufgelistet hat, die allein die Juden genießen, kann er jedoch sagen, daß hinsichtlich der Rettung durch den Glauben an Jesus Christus "hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen" besteht (Röm 10,12). Damit sagt Paulus: Soteriologisch besteht kein Unterschied zwischen Juden und Heiden, auch wenn die beiden Gruppen immer noch zu differenzieren sind und die genannten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bestehen bleiben. Zweitens verwendet Paulus das Verbum evöUELV auch anderswo im Zusammenhang einer korporativen Sphäre der Existenz, d.h. dort, wo er von der Inkorporation des Einzelnen in Christus hinein bzw. vom Status des Einzelnen in Christus spricht (2Kor 5,3; vgl. auch irrt unmittelbaren Kontext Kol 3,IOf). Drittens und damit zusammenhängend: In unserem Kontext ist die Bedeutung des Ausdrucks in Christus entscheidend. Er findet sich bekanntlich sehr häufig in den pln. Briefen und bezeichnet das neue Sein des Einzelnen und der gesamten Gemeinde Jesu (rThess 4,r6; IKor 4,I5; I5,22; 2Kor 5,I7; Röm 6,23; I2,5). Die Formel "in Christus" umschreibt den "objektiven Heilsstand der Gemeinde" 75. Gal 3,28 bedeutet demnach, daß hinsichtlich des ewigen Heils alle Menschen, ob Männer oder Frauen, Herren oder Sklaven, vor Gott ohne Unterschied sind und jedem die Gotteskindschaft durch den Glauben allein an Jesus Christus geschenkt wird (vgl. Gal 3,20f6. Für den Verfasser des Kol besteht, wie wir gleich sehen werden, offensichtlich kein Widerspruch, wenn er in Kol 3,1 I einerseits die Aufhebung der religiösen und sozialen Unterschiede unter den Menschen vor Gott (soteriologisch) bezeugt und andererseits die weiterbestehende Bedeutung der geschöpflichen Unterschiede für das Zusammenleben der Christen in der Familie und in den HGn unterstreicht77 • Offensichtlich sah Paulus auch keinen Widerspruch zwischen diesen beiden Aussagen, selbst wenn ein Spannungsverhältnis bleibt - vgl. z.B. IKor 7,I7-24; 11,2-16 mit Gal
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Vgl. J. Rohde, Gal, 165; H.W. Beyer/P. Althaus, Gal, 1970, 31; ihm folgend E.E. Ellis, Pauline Theology, 80; vgl. auch J.D.G. Dunn, Gal, 2.07; etwas anders H. Schlier, Gal, 174f. H. Ridderbos, Paul, 46. Vgl.]. Rohde, Gal, r64f; H.W. Beyer/P.Althaus, Gal, 31; J. Rohde, Gal, 165; E.E. Ellis, Pauline Theology, 84f; vgl. aber auch F.F. ßruce, Gal, 189f.
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Hausgemeinde und Mission
"Gattung", wie denn die Pflichtenlehre den weiteren Rahmen für die Ökonomik darstellt. Dieser Neuansatz hat folgende Vorteile: eine Auflockerung der Formfrage; eine Erweiterung des Rahmens (einschließlich 1Thess 3 und 5, Röm I2f)38; die Einordnung der HT in den post-konversionalen bzw. postbaptismalen Kontext (d.h. in den Zusammenhang des Taufunterrichts bzw. der Neophyten-Einweisung)39; die Verbindung familiärer und kirchlicher Gemeinschaft im Oikos 40 • So ist es möglich, die Haustafel "als ein weniger festgeschriebenes, aber auch weniger isoliertes Phänomen" zu behandeln41 • So kann als vorläufiges Ergebnis der Forschung gelten, daß die konstitutiven Bestandteile der HT im Neuen Testament die verschiedensten Hintergründe haben. Die konstitutiven Elemente der Haustatel im engeren Sinne (Kol 3,18-4,1) sind die Dreiteilung und paarweise Beziehung (Eheleute; Kinder/Eltern; Sklaven/Herren); die Wechselseitigkeit; die keinen Widerspruch duldende Form und die Oikos-Situation. Aber" ... die charakteristische Kurzform der neutestamentlichen Haustafeln [ist] so nicht bezeugt" (Kai 3,18-4,1)41. Das kann ein Zufall sein. Doch "rät das Faktum zur Vorsicht gegenüber der Annahme einer festgelegten und im Frühchristentum verbreitet voraussetzbaren Form "43. Frühere Darstellungen, daß die Paränese im allgemeinen und die Haustafel im konkreten ein Sekundärprodukt der Parusieverzögerung sei, das seinen Stoff überwiegend durch Anleihen im religionsgeschichtlichen Umfeld bezogen habe, werden als überholt gelten müssen. Am Beispiel der HT ist zwar klar zu sehen, daß sich das Leben in bestimmten Umständen der hellenistisch-römischen Welt
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einzelne Elemente einen bewußten Aufbau erkenn eil lassen" (v. Lips, a.a.O., 265, Anm.20). Vgl. auch R. Yates, The Christian Way of Life, EvQ 63 (1991),241-251. Vgl. auch dazu W. Popkes, Paränese, 123ff.165f und W. Schrage, Haustafeln, 3. Vgl. v. Lips, a.a.O., 264: Kol 3,18-4,1 par richtet sich "primär an Glieder der Gemeinde", nicht an "die Hausgemeinschaft als solche"; immerhin würden "Mann und Frau generell in der Mehrzahl angesprochen, wie dies der Zusammensetzung der Gemeinde entspricht." Ihm folgend W. Popkes, ebd., 160. W. Popkes, Paränese und NT, 1996, 160f, H. v. Lips folgend. G. Strecker, Haustafeln, 357; vgl. ähnlich Thraede, Hintergrund, 360. In der gesamten antiken Literatur begegnet nur im Kol eine Haustafe! in dieser Form (vgl. nur noch die mit Kol eng verwandte Haustafel in Eph 5,22-6,9 als christologische und ekklesiologische Erweiterung). Vgl. dazu W. Schrage, Haustafe!, NTS 21 (1974-75),2, Anm. 5, der eher an eine gemeinsame Tradition als an literarische Abhängigkeit denkt; ].E. Crouch, Origin, 32-36; P.T. O'Brien, Col, 215. W. Popkes, Paränese, r6r.
Das Weiterwirken von Oikos-Struktttren
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auf die Ausprägung der frühchristlichen Parakiese auswirkte. Das geschah u.a. dadurch, daß die wichtigsten Beziehungen zu Menschen und Institutionen geregelt werden mußten. Eine das· Leben in der Antike sehr prägende Realität war der Oikos. Vermeintliche Elemente einer durchgehenden literarischen Form auch zwischen der Oikonomik und den Haustafeln haben ihren Ursprung eher darin, daß der antike Oikos mit seinem sozialen Ordnungs- und Wertgefüge bei beiden Traditionen im Hintergrund stand. Gemeinsamkeiten "sind also nicht literarisch-traditionsgeschichtlicher Natur, sondern spiegeln je auf ihrer Reflexionsebene die soziale Realität des antiken ,Hauses' wider"44. Die Aufnahme solcher Gedanken, Themen, Stoffe und Formen, wie sie uns in der HT begegnen, konnte vielmehr erst dadurch erfolgen, "daß eine deutliche Vorstellung von der Eigenart christlicher Existenz vorhanden war ... die Haustafel Kol 3,18-4,1 wird erst auf dem Hintergrund der Tauf-Paränese Kol 3,1-17 möglich und verständlich. Gewig geschah nicht alles naht- und bruchlos; entscheidend jedoch ist der Gesamtrahmen, in den bestimmte Themen und Stoffe gestellt wurden. Die Beziehung zum ,Herrn Jesus Christus', die Existenz ,im heiligen Geist', die post-konversionale Situation usw. verliehen Richtung und Rahmen, die dann paränetisch weiter ausgestaltet wurden. Mit dem Schlagwort einer ,sekundären Verchristlichung' sollte man deshalb sehr behutsam llmgehen"45. Die Einordnung der HT in diesen paränetischen Zusammenhang spricht für eine stärkere christliche Eigenleistung bei ihrer Formulierung als allgemein angenommen wird, v.a. wenn man bedenkt, dag die KolHT als Traditionsstück bereits im Rahmen der HGn der paulinischen Mission entstanden sein dürfte (s.o.). Die Annahme einer stärkeren christlichen Eigenleistung wird auch für die Formulierung der sog. HT-Tradition in den Past gelten können, da v. Lips auch sie in den gleichen paränetischen Zusammenhang einordnet46 •
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F. Laub, Haus- und Gemeinde-Tafelparänese, 254f, vgl. auch 251.253. Vgl. auch ].D.G. Dunn, Kol, 243f, der in diesem Kontext von einer zu schematischen Vorgehensweise abrät: "Rather, we should speak of comrnon preoccupations arnong ethical und political thinkers wh ich naturally inc1ude a focus on the therne of the good ordering of the hOllsehold and its constituent parts." W. Popkes, Paränese, 16 5. Vgl. z.B. Tit 2,1-10; s. S. 447f unseren Exkurs zu Dibelius: Das Ideal christlicher Bürgerlichkeit.
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Hausgemeinde und Mission
b) Die Haustafelethik als Rückschritt? Eine Reihe von Forschern pflegt die Haustafel des Kolosserbriefes als Paradebeispiel ins Gespräch zu bringen, wenn sie harsch oder auch resigniert mit den christlichen Überlieferungen und Institutionen abrechnen, die ihrer Meinung nach die ursprünglich im Urchristentum angelegte christliche Freiheit nicht zur vollen Entfaltung kommen ließen. Die einen, nicht selten von der feministischen Theologie herkommend, behaupten, daß die Haustafeln mit ihrer Wiedereinführung eines Patriarchalismus nicht unerheblich die Unterdrückung der Frauen legitimiert, gefördert und sogar zementiert haben47 . Die anderen, die ihre revolutionär-enthusiastischen Sympathien nicht verbergen, betonen, daß die Haustafeln mit der Aufnahme einer konservativen Ethik aus philosophischer Tradition die Chance einer christlieh-sozial ethischen Revolution verspielt haben48 • Exemplarisch für die erste Gruppe skizzieren wir die Position von E. Schüssler Fiorenza (vgl. Anm. 47). Für sie stellt Gal 3,28 in unserem Zusammenhang ein Schlüsseltext dar. Wie die meisten Forscher geht sie davon aus, daß dieser Text urspJ;ünglich nicht von Paulus stammt. Der Text ist allerdings nicht als antiochenische Tauftradition zu bestimmen, sondern stellte eine alternative Vision der vorpaulinischen frühchristlichen Missionsbewegung dar, die "deren Selbstverständnis ausdrückt und weitreichende historische Wirkung hatte"49. Jede Kultur, so Schüssler Fiorenza, gibt der biologischen menschlichen Fähigkeit zum Geschlechtsverkehr, zum Gebären und Stillen der Kinder eine andere Bedeutung und leitet aus dieser Fähigkeit unterschiedliche soziale Aufgaben ab. "Geschlechterpolarisierung und starr definierte Geschlechterrollen sind Produkt patriarchaler Kultur, die Herrschaftsstrukturen aufrechterhalten und die Ausbeutung von Frauen durch Ivlänner legitimieren"5o. Anders ist es mit Gal 3,28. Der Ausdruck "nicht männlich und weiblich" (Gal 3,28c) wird von Schüssler Fiorenza so verstanden, daß "für die neue
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Ph. Trible, Gegen das patriarchalische Prinzip in der Bibelinterpretation, 1986, 93-r 17 v.a. 94. E. Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 255-295.3°5-4°7; dies., Ehe und Jüngerschaft, 1986, 220-227. Vgl. noch radikaler W.A. Meeks, The Image of the Androgyne, HR 13 (I974), 165-208. Vgl. z.B. S. Schulz, Gott ist kein Sklavenhalter, 1972, 154-2°3 v.a. 193-2°°; ders., Die Mitte der Schrift, 1976, 9of. 98.105f.279.290.304.33o.j4I.349.379; ders., Nt!. Ethik, 1987,416-421. Zu ihrem Gedächtnis, 254f. Ebd., 26 5.
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Gemeinde in Christus die patriarchale Ehe - und patriarchale Beziehungen von Ehemännern und Ehefrauen - nicht mehr konstitutiv sind «51. Frauen und Männer sind in der Gemeinde "nicht auf ihre geschlechtlichen Fortpflanzungsfähigkeiten oder auf ihre religiösen, kulturellen und sozialen Geschlechtsrollen festgelegt, sondern durch ihre Nachfolge und Geistbevollmächtigung gekennzeichnet"52. In der christlichen Gemeinde müssen "die Geschlechterpolarität und die darauf basierenden Geschlechtsrollen aufgegeben werden"53. Vor allem wiederholt Gal 3,28 "mit verschiedenen Kategorien und Worten, daß in der christlichen Gemeinde keine Herrschaftsstrukturen geduldet werden können "54. Gal 3,28 preist "nicht die Männlichkeit, sondern das Einssein des Leibes Christi, der Kirche, wo alle sozialen, kulturellen, religiösen, nationalen und biologischen Trennungen und Unterschiede der Geschlechter überwunden und alle Herrschaftsstrukturen zurückgewiesen sind "55. Da die Glieder dieser frühchristlichen Missionsbewegung nicht asketisch-monastisch an einern isolierten Ort, sondern in. den städtischen Zentren der hellenistisch-römischen Welt lebten, standen sie mit ihrem neuen egalitären Ethos des "Einsseins in Christus" zu den Institutionen "Sklaverei" und "patriarchale Familie" der Gesamtgesellschaft in Spannung. Es entstanden sowohl innerhalb, aber mehr noch außerhalb der Gemeinde gegenüber der Gesellschaft Konflikte, "da die christliche Gemeinde Frauen und SklavInnen als Mitglieder aufnahm, die weiterhin in heidnischen Ehen und Haushalten lebten «56. Für diese Konflikte hat die Gemeinde eine Lösung suchen müssen - die paulinischen Ermahnungen (z.B. IKor 7,17-24; I1,216) und die HT-Tradition sind Zeugnisse solcher Spannungen und Beispiele solcher Lösungsversuche. Aber sie sind falsche Lösungen, Ebd., 263. Ebd., 265. 53 Ebd., 264. 54 Ebd., 26 5. Anscheinend rechnet Schüssler Fiorenza mit einem ähnlichen Ethos für die Jesusbewegung, die eine Befreiung aus patriarchalen Strukturen anstrebte und eine Nachfolgegemeinschaft gleichgesinnter Frauen und Männer ohne jegliche Herrschaftsstrukturen darstellte. Schlüsselstellen für sie sind Mk 10,29f.42-45; Mt 23,8-11. Vgl. unsere Kritik dieser Sicht S. I17ff. 55 Ebd., 27 2. Es ist allerdings nicht die Absicht Schüssler Fiorenzas zu behaupten, daß es keine biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Nur sollen diese Unterschiede keine Begründung unterschiedlicher Leitungsaufgaben in der Gemeinde darstellen. 56 Ebd., 269. 51
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Hausgemeinde und Mission
3,27f. Daß Paulus hier auch keine "Einerleiheit" im Sinne einer Einebnung der geschöpflichen Verschiedenheit der Menschen einschließlich ihrer Sexualität gemeint hat, wird durch seine Verwendung des Bildes des Leibes Christi in 1Kor 12 deutlich. Die Einheit des Leibes schließt verschiedene Glieder mit verschiedenartigen Aufgaben nicht aus. AulSerdem unterscheidet Paulus zwischen den geschöpflichen Unterschieden (z.B. zwischen Mann und Frau) und den sozialen Unterschieden (z.B. zwischen Herren und Sklaven), wie unsere Exegese zu der Kol-HT zeigen wird.
3. Auslegung: KoI3,I8-4,I a) Strukturanalyse78 Die Ermahnungen, die der Reihe nach an Frauen/Männer, Kinder/ Väter, SklavenlHerren gerichtet werden, "setzen ohne verbindende Überleitung ein und stellen innerhalb des Briefes einen in sich geschlossenen und abgerundeten Abschnitt dar"79. Nach vorne und nach hinten fehlt eine syntaktische Verbindung. Kol 4,2 schließt nahtlos an 3,I6f mit der Thematik Gebet und Gottesdienst an, während in der Haustafe! das Verhalten der Gemeindeglieder in ihren Häusern thematisiert wird. Zur Gesamtstruktur der Haustafe! lassen sich folgende Beobachtungen machen: Alle Adressaten haben eines gemeinsam: die Oikoszugehörigkeit, daher die Bezeichnung: Haustafel. Es fällt auf, daß die Sklavenanweisung vie! umfangreicher gestaltet ist als die anderen bei den Anweisungen. Sie scheint damit einen Schwerpunkt in der HT zu bilden.
b) Einzelexegese I) Eheleute (3,18-19)
Die Haustafe! im Kol setzt ein mit den Anweisungen an Frauen und Männer als Ehepaare. "Ihr Frauen, ordnet euch den Männern unter, wie es sich gehört (für die, die) im Herrn (sind). Ihr Männer, liebt eure Frauen und werdet nicht bitter gegen sie" (Kol 3,I8a.I9). Dem
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Zur Analyse vgl. die gängigen Kommentare; D. Schroeder, Haustafeln, 79-171; K.H. Rengstorf, Mahnungen, 131-145; ders., Mann und Frau, 7-52.; K. Müller, FralIenthema, 267-316; M. Gielen, Haustafelethik, 1°4-2°3. E. Lohse, Kol, 1968, 220.
Das Weiterwirken von Oikos-St/'tlkturen
4°1
entspricht, daß das Verhältnis dieser Eheleute das Fundament des Oikos und der darin bestehenden zwischenmenschlichen Beziehungen bildet80 . Es fällt auf, daß die Mahnung auch in den anderen bei den Fällen an die untergeordneten Angehörigen, hier an die Ehefrauen, vorangestellt wird. Allerdings richtet sich die Mahnung nicht nur an die Ehefrauen mit der Aufforderung, sich ihren Männern unterzuorden (uno'taom,08E 'tOte; avöpamv), sondern auch in knapper, sehr deutlicher, apodiktischer Form an die Ehemänner, ihre Frauen zu lieben (aya:n:&LE 'tae; yuva'LKae;)81. Diese Aufforderung an die Ehemänner zur Liebe bildet das unverzichtbare Gegengewicht zur Verpflichtung der Ehefrauen hinsichtlich der Unterordnung 82 • Gleichwohl gilt, daß die an die Männer gerichtete Mahnung zur Liebe dasselbe für die Frauen impliziert, während in dem "sich unterordnen", zu dem die Frauen ermahnt werden, das &pXEo8m der Männer enthalten ist. Die positive Mahnung an die Männer wird konkretisiert durch eine negative Erweiterung, die eine entgegengesetzte Haltung und Verhaltensweise eben unterbindet: Kat 1-lT) :n:LKpa(vw8E npoe; whae;83. Wie die bei den Ausdrücke uno'taoow8E 'toie; avöpamv und ayancX'tE 'tae; yuvaiKae; zu verstehen sind, ist in der Forschung umstritten. Die Auslegung hängt u.a. davon ab, wie hoch man die antike Oikonomik als Hintergrund der HT im Kol bewertet. Außerdem darf nicht vergessen werden, daß die Haustafe! des KoI im Milieu des hellenistischen Judentums beheimatet ist84 • Da wir mit v. Lips davon ausgehen, daß die HT keine Gattung, sondern bloß einen Topos der frühchristlichen Paränese darstellt, darf die Oikonomik nicht als hermeneutischer Schlüssel85, sondern nur als Analogie zum
Vgl. K. Thraede, Ärger, 63; ihm folgend M. Gielen, Haustafelethik, 129. Diese Forderung an die Männer, ihre Frauen zu lieben, steht nicht allein in der Umwelt da. Vgl. z.B. Kallikratides, Plutarch, Ps.Aristoteles Oec.IlI; Belege bei Gielen, Haustafelethik, 129-135. 82 Vgl. E. Schweizer, Kol, r64; ihm folgend M. Gielen, Haustafelethik, 137; vgl. auch W. Schrage, Haustafeln, NTS 21 (I974-75), 12. 83 Vgl. z.B. J. Gnilka, Kol, 218; E. Lohse, Kol, 226; E. Schweizer, Kol, 165. 84 Vgl. J. Gnilka, Kol, 217. Er weist ebenfalls darauf hin, daß es möglicherweise im hellenistischen Judenrum trotz oder vielleicht gerade wegen gewisser emanzipatorischer Bestrebungen der Frau, v.a. durch die Stoa (wahrscheinlich auch eher auf höhere Gesellschaftsschichten beschränkt), zur Einschärfung der alten Lebensweise karn (vgl. Josephus Ap 2,201; Philo spec leg 2,124). 85 Vgl. z.ß. M. Gielen, Haustafelethik, I29.137, mit K. Müller, Frauenthema, 292304; K. Thraede, Hintergrund, 365, die die Oikonomik zu einern solchen Schlüssel erheben. 80 81
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Verständnis der HT betrachtet werden. Wir ziehen daraus die Konsequenz, daß die HT nicht einfach als in sich geschlossene Traditionseinheit auszulegen ist. Vielmehr ist der Zusammenhang im Kolosserbrief selbst86 , speziell der Kontext der Paranese im Kol als Verständnisrahmen zu sehen87• Die HT sollte nicht losgelöst von diesem Kontext ausgelegt werden. Es stellt sich die Frage, was der erste Ausdruck "sich unterordnen" meint bzw. unter welche Ordnung man sich stellen soll. K.H. Rengstorf88 spricht sich für das Verständnis "sich unter die Ordnung schlechthin stellen" aus. Diese ist für ihn eine ontologischschöpfungsmäßig begründete Ordnung. E. Schweizer89 hält es für ein "freiwilliges Sicheinordnen, wie es Christus selbst gegenüber dem Vater übt (rKor 15,28)". J. Gnilka90 versteht es eher als eine allgemeingültige Ordnung der antiken Gesellschaft. M. Gielen91 weist (in Anlehnung an Thraede) unter Verweis auf eine antike Debatte um die rechte Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen darauf hin, daß es diese einheitlich vorgegebene Ordnung in der Antike gar nicht gab 92 . Sie spricht sich mit K. Müller für ein "sich unter eine Ordnung steHen~' (d.h. z"vat für die Anerkennung der Führungsrolle des Mannes, abe~ so; wie sie in der gemäßigten Oikonomik verstanden wird) aus. Im Kontext der HT des Kol stellt das eine Entscheidung für eine gemäßigte Form des Patriarchalismus gegenüber anderen, emanzipierteren oder strengeren Versionen dar. Andere Exegeten treffen eine anthropologisch begründete Unterscheidung zwischen der Beziehung Mann/Frau und ElternIKinder einerseits und dem Verhältnis Herren/Sklaven andererseits. Das Verhältnis Eltern/Kinder habe anthropologisch einen tieferen Stellenwert als die durch äußere gesellschaftliche Entwicklungen entstandene und teils wieder verschwundene Beziehung Sklave/Herr. "Noch zentraler als das Verhältnis Eltern - Kinder aber ist die Beziehung Mann-Frau,
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Vgl. jeweils z. St. E. Lohse, Kol; E. Schweizer, Kol; J. Gnilka, Kol; A. Lindemann, Kol; W. Schrage, Haustafeln, 12ff, die nicht nur die hellenistischen Vorbilder, sondern auch den brieflichen Kontext zum Verständis mit einbeziehen. Da der Kol in der paulinischen Tradition steht, wird auch die paulinische Theologie als Verständnishintergrund von Bedeutung sein müssen. Mann und Frau, 29. Kol, 16 4. Kol, 2I7. Haustafelethik, 58-60. I 3 7. Vgl. allerdings Gen I und 2.
Das
Weiterwir1~en
von Oikos-Stmkturen
die im Gegensatz zur Sklaverei ausdrücklich in der Schöpfung verankert wird, ebenso wie die damit verbundene Über- und Unterordnung. ,,93 Die meisten Exegeten gehen heute davon aus, daß die Sklaverei auch nach den HTn nicht zur Schöpfungsordnung gehört 94 . In unserer Untersuchung ist aber die Frage, wie Ehe und Familie diesbezüglich einzuordnen sind, erst zusammen mit der Auslegung des unmittelbar folgenden Ausdrucks w~ avfjxEv ev K'Upi
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M. Hauke, Frauenpriestertum, 349. Er weist auf J. Gnilka, Eph, 2.89 hin, der in Kol und Eph eine terminologische Abhebung der Unterordnung der Frau VOll dem sklavischen Gehorsam konstatiert. Diese Unterscheidung soll auch schon in der heidnischen Antike geläufig gewesen sein (Gnilka, Kol, 2.f7; K. Thracde, Ärger, 52.)· . Vgl. als Ausnahme z.B. S. Schulz (s. S. 396ff). Den christlichen Akzent betonen W. Schrage, Haustafeln, 13, Anm. 2.; D. Schroeder, Haustafeln, I2.3-I2.7; z. St. E. Lohse; Kol; E. Schweizer, Kol; J. Gnilka, Kol; A. Lindemann, Kol; F. Mußner, Eph. Vgl. K. Thraede, Hintergrund, 365, Anm. 34; ihm folgend M. Gielen, Haustafelethik, I36. Vgl. Thraede, ebd. F.F. Bruce, Col, 16 4.
Hausgemeinde und Mission
menschen, erst recht seine Frau, zu mißhandeln. Dies soll aber nicht in Abrede stellen, daß auch in der Umwelt wenigstens theoretisch und praktisch ein hoher Maßstab hinsichtlich der Liebe zwischen Ehepartnern erreicht wurde 99 • Schon im Profangriechischen ist die Agape nicht auf die Erfüllung der eigenen Lust bedacht, "sondern darauf, dem Partner Liebe zu erweisen, ihn zu beschenken und glücklich zu machen"lOo. In KaI 3,I8b schließt sich die begründende Motivation der Mahnung für die Frauen an: Wt; avfjKEv ev K1Jpty. Mit !XVf]KEV ist zunächst auf das "Geziemende"lOl verwiesenlO2 • Aber es ist das, was "im Herrn geziemend ist. Diese zwei Worte verändern sehr viel. Sie besagen, dag die Glieder eines christlichen Hauses und damit der christlichen Gemeinde "nach dem Willen Christi" so leben sollen. Vor allem dadurch kommt eine neue Dimension hinein. Diese Dimension fehlt bei der entsprechenden stoischen Empfehlung, so zu leben, weil es sich von der Natur her so gehört (Ka8fjKov)103. Allerdings ist hier .ebenfalls zu betonen: Wenn Christus nach Kol I, I 5-20 Mittler von Schöpfung und Erlösung ist, hat ev K1Jp{y einen selbstverständlichen Bezug zur Ordnung der Natur (als Schöpfung). Wie wir sahen, können zu vielen der ethischen Aussagen der christlichen HT Parallelen in den stoischen, hellenistisch-jüdischen und ökonomischen Quellen gefunden werden (s. S. 386t). Man kann aber deswegen nicht sagen, dag die mögliche Übernahme von Anweisungen und die darauf folgende Umgestaltung durch den Ausdruck "im Herrn" eine oberflächliche Christianisierung darstellt 104 • (C
Dies hat K. Thraede, Hintergrund, 1980, 359-3tl8 und ders., Art. Frau in: RAC 6, 1970, 197-2.97 überzeugend nachgewiesen. Vgl. die Oikonomik-Texte von Kallikratides, Plutarch, Ps. Aristoteles (auch bei M. Gielen angeführt, Haustafelethik, 129-136). Weitere Texte aus der Umwelt in den gängigen Kommentaren, vgl. z.B. J. Gnilka, Kol, 218. 100 J. Gnilka, Kol, 219. 101 Vgl. Bauer-Aland', Sp. 13I; H. Schlier, ThWNT 1,361; BI.D., § 358,2; mit vielen Forschern J. Gnilka, Kol, 217: "Die Floskel 'wie es sich geziemt' (av~KEv) erinnert an das stoische KuBijKOV". 102 Vgl. K. Müller, Franenthema, 292-297.299-3°3; mit ihm K. Thraede, Ärger, 86; Hintergrund, 364f; ihnen folgend Gielen, Haustafelethik, 139f. 103 Vgl. F.F. Bruce, Col, 162, Anm. 172: "The Stoic way of life could be summed up as 6~LO/,oyou~u;vwc:; l;ijv, 'to live in harmony (with nature)'. Conduct in accordance with nature was Ku6ijKov, 'fitting' (cf. Eph 5,4)". 104 Vgl. z.B. W. Schrage, Haustafel, 1974-75, I2; K.H. Rengstorf, Mann und Frau, 46. 99
Das Weitertvirken von Oikos-Strukturen
Denn es gilt: "The added words, simple as they are, transform the whole approach to ethics"los (s. S. 403). Von den vierzehn KyriosBelegen im Kolosserbrief insgesamt finden sich allein in der Kol-HT sieben. Der Ausdruck EV K1Jp(~ begegnet vier rvlal in Kai (3,r8.2.0; 4,7.17). Er erscheint etwa 40 Mal im corpus pau/inum, oft im Zusammenhang mit familiären Verhältnissen (vgl. z.B. rKor 7,22.39; Eph 6,r; Phlm r6) und subsumiert die Beziehungen, die in der Gemeinde zwischen den Gliedern Christi bestehen. Diese Beziehung "does not supersede earthly relationships but subsumes them and lifts them on a higher plane"106. Der Ausdruck "im Herrn" bietet die Motivation für das christliche Verhalten, und die anderen Hinweise auf den Herrn zeigen, daß das ganze Denken und Verhalten der Gläubigen dem Herrn Jesus Christus untergeordnet wird (vgl. KaI 3,17)107. In der Kol-HT wird deutlich, wie dieser Gehorsam Christus gegenüber konkret in der Familie zum Ausdruck kommen soll. Als der Kai geschrieben wurde, war der antike Oikos schon lange eine etablierte soziale Einheit, die christliche Gemeinde war es nicht. Sie war Gottes neue Schöpfung (KaI 3,9-II). In ihr war der Rahmen gegeben, in dem das Neue der neuen Schöpfung in die Praxis umgesetzt werden konnte. Dort hatten Frauen den gleichen Wert wie Männer, so auch Sklaven wie Herren, Heiden wie Juden (KaI 3,II; vgl. auch Gal 3,27f). Die Struktur der Familie in der Oikosgesellschaft der Antike stand aber schon fest, und es lag nicht im Sinne der Gemeinde, diese Gesellschaft zu destabilisieren 108. Das wäre aber geschehen, wenn man die Oikos-Strukturen radikal verändert hätte l09 . Die AufSerkraftsetzung von Ehe und Familie lag deswegen nicht im Sinne der Gemeinde, weil sie in Christus den Mittler der geschöpflichen Ordnungen und damit auch der Strukturen der Familie sah (vgl. Kol I,15-20)110. 105 F.F. ßruce, Col, 162. E. Lohse, Kol, 321 spricht in diesem Zusammenhang von
einer grundlegenden Wandlung der HTn auf Grund dieses Kyrios-Motivs. 16 4. Er folgt hier C.F.D. Moule, The Origin of Christology, 1977, 54-63; vgl. auch W. Schrage, Haustafeln, 15. Vgl. E. Lohse, Kai, 218f; W. Schrage, Haustafel, NTS 21, 19-22; E. Schweizer, Tradirional Ethical Patterns, 1975, 203f; ihnen folgend P.T. O'Brien, Col, 2[9. Vgl. auch W.A. Meeks, Urchristentum, 223. Vgl. F.F. Bruce, Col, 163: "The structure, hierarchical as it was, was leEr unaltered, apart from the introduction of the new principle, 'as is fitting in the Lord' which was to be more revolutionary in its effect than was generally forseen in the first Christian century." Das ist uns am leichtesten vorstellbar, wenn an Judenchristen gedacht wird, die schon vor ihrer Bekehrung zum christlichen Glauben Gott als Schöpfer bekannt
106 F.F. Bruce, Co I, 107 108 109
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Hausgenzeinde und Mission
Die Autorität des Ehemannes, des Vaters und des Hausherrn wurde weit~rhin ausgeübt, nun aber nur so, "wie es sich im Herrn gehörte". Diese Autorität wurde von den Frauen, Kindern und Sklaven des Haushaltes weiterhin geachtet, ebenfalls "wie es sich im Herrn gehörte". Dabei wird nicht gesagt, daß Frauen vor Gott Männern gegenüber minderwertig seien 1l1 • Die Würde der Frau im allgemeinen und der Ehefrau im speziellen wird durch den Ausdruck "im Herrn" bewahrt. E. Kähler hat außerdem mit dem Hinweis auf rKor I5,28 112 deutlich gemacht, daß auch tm:o-caouEo8m in sich keine entwürdigende Unterwürfigkeit impliziert113 • Auch Paulus kann von einer hierarchischen Schöpfungsordnung reden (rKor II,3.7-9), in der der Mann das "Haupt" der Frau ist 1l4 . Deshalb wird in der Kol-HT durchaus "paulinisch" argumentierrt 15 • Nach KaI r, r 5-20 ist Christus Mittler nicht nur der Erlösung, sondern auch der Schöpfung116 • Das rechte Verständnis der HT setzt auch diesen Schöpfungshymnus voraus. Es wird in den HT-Texten also deutlich, daß Ehe und Familie, die Grundstruktur des Oikos, als geschöpfliche Stiftung Gottes und seines Christus empfunden werden. ' Unmittelbar vor der Kol-HT heißt es: "Alles, was ihr tut in Wort oder Werk, das tut alles im Namen des Herrn Jesus" (Kol 3,17). Damit wird der Auslegungsrahmen der Kol-HT vorgegeben. Wenn
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hatten und entdecken, daß sie nun Christus selber als den Schöpfer bekennen konnten. Vgl. die gängigen Kommentare und J Foster, St, Paul and Women, ET 62 (1950SI), 376ff; G,B, Caird, Paul and Women's Liberty, BJRL 54 (1971-72), 268-8r. "Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat ... " Zur "Unterordnung" der Frau im NT, Z.E.E. (1959), 1-13; Kähler folgend W. Schrage, Haustafeln, 12.15. Vgl. auch E. Lohse, Kol, 224, Anm. 7 und allgemein zu uno'tliaaE06m Bauer-Aland', Sp. I689f; G. Delling, ThWNT VIII, v.a, 44, Vgl. aber Eph 5,H, in dem die gegenseitige Unterordnung der Eheleute gefordert wird. Wenn Kol nicht genuin paulinisch ist, kann wenigstens gesagt werden, dafS der Verfasser sich dem theologischen Erbe des Apostels verpflichtet weiß und dieses Erbe in einer neuen Situation zu aktualisieren versucht (vgl. W. Schrage, Ethik, 231). Vgl.die Weisheitstradition (v.a. Sirach 1,4; 24,3ff.9fj 43,26) und die weisheitlich verstandene Schöpfungslehre von Gen I und 2. Vgl. die Besprechung dieses Hintergrundes zum Kol-Hymnus bei E. Schweizer, The Church as the Missionary Body of Christ, NTS 8 (1961), I-II; ders., Die Kirche als Leib Christi in den paulinischen Antilegomena, ThLZ 86 (1961), 241-256; B. Witherington, Jesus the Sage, 1994, 266-272.
Das \Veiterwirkel1 von Oikos-Strukturen
alles im Namen des Herrn Jesus getan wird, so gehöft dazu auch das Bemühen um rechte Familienverhältnisse. "Die Haustafeln wollen also das Leben der Christen gerade und auch in den Ordnungen und Bezügen der Welt der Herrschaft Jesu unterstellen. "117 An dieser Stelle kann A. Weiser von einer "Evangelisierung des antiken Hauses" sprechen und meint damit keine Verchristlichung eines literarischen Traditionsstückes, sondern eine vom Evangelium bewirkte Durchdringung der antiken familiären Verhältnisse 118 • Mit der Wendung "im Herrn" werden die 1tfahnungen, und zwar auch die, die mit antiker Begrifflichkeit und außerchristlichen Inhalten übereinstimmen, in den Bereich der Herrschaft Jesu Christi gerückt1l9 • 2) Kinder und Väter (3,20-U)
Die Anweisung an die Kinder geht jener an die Väter voran. Sie sollen ihren Eltern in allem gehorchen 120; denn dies ist im Herrn richtig S0121. Diese Mahnung impliziert wohl (vgl. den Ausdruck "im Herrn"), daß die Kinder, bei denen "sicherlich an Kinder im heranwachsenden Alter gedacht [ist], die noch von den Eltern erzogen werden (vgl. Eph 6,4),,122, solche sind, die getauft waren und damit zu Christus
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W. Schrage, Ethik, 2.58. Schrage versteht die Kol-HT allerdings nicht als Schöpfungsordnung Gottes. Vgl. A. Weiser, Evangelisierung im Haus, 1990, 79f: "Die Haustafe! ist ein lehrreiches Beispiel für die Begegnung des Evangeliums mit der Kultur und für den Prozeß der Evangelisierung im antiken 'Haus'. Es zeigt, wie außerchristliche Vorgegebenheiten durch die christliche Botschaft von innen her durchdrungen, beseelt und zum Teil verändert wurden." Vgl. auch in diesem Sinne W. Schrage, Hallstafeln, 19; F. Laub, Begegnung, 1982,91; F. Mußner, Eph, 153;]. Ernst, Kol, 382; F.F. Bruce, Col, I7I. Vgl. W. Schrage, Ethik, 25 8. Vgl. G. Kittel, Th \VNT I, 224f: imUKOUELV entspricht un01:aaaE8m und meint die Forderung unbedingter Unterordnung. In Eph 6,2f wird zur Motivation für den Gehorsam über Kai 3,2.0 hinaus noch das 4.Gebot Gottes nach Ex 2.0,12 LXX mit der Verheißung "damit es dir gut geht und du lange lebst auf Erden" (vgl. Dtn 5,15) fast wörtlich zitiert. Vgl. E. Lohse, Kol, 2.26; ihm folgend F. Mußner, Eph, 162. Altere erwachsene Kinder könnten theoretisch auch darunter sein (vgl. A. Oepke, ThWNT V, 637: 1:EKVOV bezeichnet "das Kind unter dem Gesichtspunkt der Abkunft"). Allerdings ist zu erwarten, daß viele erwachsene Kinder nun verheiratet waren und in anderen, nämlich ihren eigenen Häusern wohnten, wobei sie auch als Erwachsene nach römischem Gesetz immer noch unter der pat1"ia potestas waren und ihrem Vater demnach Gehorsam schuldeten ("gI. E. Sachers, RE XXII, I,I046-1I75; M. Gielen, Haustafelethik, Exkurs 2, 146ff; J. DlInn, Col, 1.49f).
Hausgemeil1de und Mission
gehörten. Aus Stellen wie z.B. Apg 16,33 (s. S. 224) wissen wir, daß ganze Häuser als eine Einheit getauft worden sind. Diese Kol-Stelle ist ein indirekter Hinweis dafür, daß auch gläubige Kinder in den HGn dabei waren, in denen dieser Brief vorgelesen wurde 12J . Im Blick auf seine zentrale Position im Oikos wird nun der Hausvorstand ein zweites Mal angesprochen, dieses Mal in seiner Aufgabe als Vater. Entsprechend seiner Verantwortung, seine Frau zu lieben, soll der Vater darauf verzichten, seine Kinder aufzureizen. Der Grund, der dafür angegeben wird, lautet: "damit die Kinder den (Lebens-)Mut nicht verlieren". Die psychologische Feinfühligkeit, die sich hier zu Wort meldet, ist erstaunlich modern124 • Es fällt auf, daß die Betonung nicht auf die Autorität bzw. die Rechte und Vorrechte des Hausvaters, sondern auf seine Aufgaben und Pflichten gelegt wird 125. Das setzt voraus, daß die Väter wie die Frauen und Kinder eine bestimmte Funktion im Oikos zu erfüllen haben. Wenn diese Funktion vernachlässigt bzw. mißbraucht wird, muß es zum Schaden des Hauses und seiner Mitglieder führen. Es wird in der Exegese nur selten betont, "daß die 'Haustafeln' [auch =RG] die besondere Würde des Ehemannes im oikos darin finden, daß er Vater oder daß er doch zur Vaterschaft berufen ist"126. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch der Vergleich mit der Eph-HT. Denn Eph 6,4b bringt die Erweiterung "sondern zieht sie auf in der Erziehung und Weisung des Herrn". Hier wird die Aufgabe des Vaters angesprochen, den Kindern christliche Katechese zu vermitteln 127. Damit wird eine Bedeutung des Hauses als Ort der christlichen Erziehung und katechetischen Unterweisung der Kinder
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Vgl. E. Schweizer, KaI, 165f; J. Gnilka, KaI, 220; ihnen folgend J. Dunn, Col, 25 0 . Vgl. E. Schweizer, Kai, 166; J. Dunn, Col, 252. Vgl. aber schon Plutarch, Lib Educ 7.10.12.16.2010 (Il,4C.7E.8F.9A.uC.14A). Vgl. K.H. Rengstorf, Mann, 35; ihm folgend W. Schrage, Ethik, 260; J. Dunn, Col, 251. G. Schrenk, ThWNf V, 1005 vermutet, daß KaI 3,21 sich gegen die in Willkür und Brutalität ausartende patria potestas wendet. Daß dies wenigstens impliziert wird, ist möglich. Vgl. Phila, Spec.Leg.H 232.243ff; Jas, Ant. IV 26off, auch wenn in der Antike sowohl im Hellenismus (z •.B. Menander und Plurarch) als auch innerhalb des hellenistischen Judentums (Pseudo-Phokylides 207ff) Gegenstimmen gegen die Härte der Praxis der patria potestas laut werden. Vgl. aber auch KH. Rengstorf, ebd., 35, Anm. 69· K.H. Rengstorf, Mann, 35. Vgl. C.j.H. Wright, ABD II, 769.
Das Weiterwirken von Oikos-Strttkturen
sichtbar 128 • Schließlich bedeutet es auch im gewissen Sinne Gemeindeaufbau, wenn die Familie ihre Kinder im christlichen Glauben erzieht (vgl. auch Eph 6,4)129. Ob dieser beim Gottesdienst oder eher "zu Hause" als Privatunterricht erteilt wurde, wird hier nicht explizit gesagt. Da aber die HT als Anweisung an die Familien gedacht ist, kann angenommen werden, daß die Katechese den Kindern auch im privaten Rahmen der Familie vermittelt wurde 130 . An dieser Stelle ist es wichtig, folgendes kurz zu betonen. In der Kol-HT ist es gerade deutlich geworden J31 , daß das frühe Christentum sich in eminenter Weise der Familie als von Gott gewollte Lebensgemeinschaft angenommen hat132 • Wir haben in der Kol-HT gesehen, daß Väter, Mütter und Kinder alle ermahnt werden, für einander zu sorgen, und zwar jeder an seinem geschöpflichen Platz. Das bedeutet, daß Ehe und Familie für diese urchristlichen Gemeinden außerordentlich wichtig waren. Damit hat das frühe Chritentum eben auch das "Haus" gestärkt, das für die urchristliche Mission bedeutsam gewesen ist. Die Stärkung der Familie ist zugleich eine Stärkung des Hausgemeinde-Modells zum missionarischen Aufbau der Gesamtgemeinde. Denn ein funktionsfähiges Haus kann nur um eine gut funktionierende intakte Familie herum existieren 133 • Das hat zur Folge, daß eine Hausgemeinde nur um eine intakte Familie aufgebaut werden konnte. Hier wird deutlich, daß ein enger Zusammenhang zwischen der schöpfungsordentlichen Familie und der Hausgemeinde besteht l34 . Diese Einsicht hat natürlich auch Konsequenzen für den Gemeindeaufbau heute (s. S. 493). Vgl. auch rKor 14,35. Auch wenn der Vers einen nachträglichen Zusatz darstellt, ist er immerhin ein Hinweis dafür, daß in der zweiten (oder dritten) Phase der (nach}paulinischen Mission der Ort der christlichen Belehrung der Frauen auch das Haus gewesen ist. 129 Mit P. Lampe, Familie, Ref 31 (I98z), 539. 130 Das entspricht dem, was wir über die jüdischen und römisch-hellenistischen Familien wissen (s. S. 33 3 f). 131 Dies gilt ebenso für die HT im Eph (s. u.). 132 Vgl. v.a. Kol 3,18.19.z0.21: "Ihr Männer, liebt eure Frauen ... ; Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem ... ; Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein ... ". Vgl. auch rTim 5,3+8. 133 Hier muß betont werden, daß dies auch für die Antike insgesamt galt und damit nicht allein "christlich" gewesen ist. 134 Dieses Thema: Familie und Hausgemeinde, das wir während unserer Untersuchung immer wieder berührt haben, wäre eigentlich einer eigenen Behandlung würdig. Vgl. dazu S.c. Barton, Livillg as Families in the Lighr of the New Testament, Interp. 52.2 (1998), 1I6-U4; in Blick auf diese Frage eher entäuschend: C. 128
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Hausgemeinde und Mission
3) Sklaven und Herren (3,22-4,I)
Die HT schließt mit einer umfassenden Mahnung an die Sklaven und Herren. Diese Anweistmg fällt schon deswegen auf, da sie gegenüber den anderen Mahnungen viel ausführlicher gestaltet ist 135 , was auch für die oben beschriebene Topos-Auffassung spricht. "Ihr Sklaven, gehorcht in allem den irdischen Herren, nicht im äu{seren Schein, um Menschen zu gefallen, sondern mit aufrichtigem Herzen, den Herrn fürchtend. Was auch immer ihr tut, das tut von Herzen für den Herrn und nicht für die Menschen. Ihr wißt ja, daß ihr vom Herrn das Entgelt des Erbes empfangen werdet. Dem Herrn Christus dienet! Denn wer unrecht tut, wird erhalten, was er an Unrecht getan hat, und (da) gibt es kein Ansehen der Person" (KaI 3,22-25). Die Sklavenmahnung besteht aus zwei einander parallel zugeordneten Weisungen (22.24a; 24b.25). Zwischen der Mahnung im eigentlichen Sinne in 3,22a und dem dazugehörigen Beweggrund steht eine ausführliche, gut strukturierte Erläuterung. Die Sklavenmahnung bildet nicht nur umfangmäßig, sondern wohl auch inhaltlich das Zentrum der HT. . M. Gieien geht ~~n syntaktischen und semantischen Beobachtungen aus und weist exegetisch nach, "daß die Kol-HT mit der Gestaltung der Sklaven- und Herrenparänese pragmatisch darauf abzielt, die Stellung aller Christen vor Christus paradigmatisch anhand des Verhältnisses von Sklave und Herrn vor Augen zu stellen und die sich daraus für den Bereich des Oikos ergebenden Konsequenzen in den einzelnen Mahnungen auszuführen" 136. Der Schwerpunkt der HT in Kol wird auf die Sklavenparänese gelegt, wohl deswegen, weilgerade die Gruppe der Sklaven am besten die Stellung aller Christen vor Christus aufzeigen kann (vgl. auch IPetr)137. D.h. die Beziehung von Christus zu den Glaubenden allgemein wird mit Hilfe eines aus
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OsieklD.L. Balch, Families in the New Testament World. Households and House Churches, 1997. Für G.ß. Caird, The Apostolic Age, 1955, lO3 (mit A. Deissmann) spiegelt dies "the social structure of these churches" wider, was impliziert, da/S sich in den Reihen dieser Gemeinden mehr Sklaven als Herren befanden. Dies ist gut möglich. Auf der anderen Seite wurde von W.A. Meeks darauf hingewiesen, daß dieses Argument nicht zwingend ist: "the contents of the admonitions would certainly be more readily approved by owners than by slaves" (First Urban Christians, 1983,64 -deutsch: Urchristentum, 1993, 139. Haustafelethik, 1°7-121.160-19 8 v.a. 160. Ähnlich, wenn auch noch nicht so ausgefeilt, E. Schweizer, Kol, I64.
Das Weiterwirken
VOlt
Oikos-Strukturell
dem Oikos stammenden, zwischenmenschlichen Verhältnisses verdeutlicht. Die Anweisung an die Sklaven in 3,22a ist wie die vorangehenden in knapper, apodiktischer Gestalt formuliert sowie mit der für die Kol-HT typischen Gruppenanrede versehen. Sie fordert von den christlichen Sklaven einen umfassenden Gehorsam (Ku"ta n:av"tu) und impliziert ein vollständiges Abhängigkeitsverhältnis ihren Herrn gegenüber 138 • Die rechtliche Stellung der Sklaven im Haushalt tastet die Kol-HT nicht an. Dem Ausdruck KU"ta oapKu haftet keine negative Konnotation an 139 , sondern grenzt den Machtbereich der Herren auf die zwischenmenschlichen Beziehungen in ihrem eigenen Oikos ein und weist auf den Kontrast zum 1Vlachtbereich des Herrn im Himmel hin (KoI4,r)14o. Solche Formulierungen und Sätze finden sich nicht erst in der KolHT, sondern schon im Philemonbrief. Deshalb weisen die meisten Kommentatoren in diesem Zusammenhang auf den Fall des Sklaven Onesimus (vgl. Kol 4,9) hin l41 . Möglich ist es, daß ähnliche hagen wie im Phlm in den Kolosser-HGn laut, ja sogar brennend würden. Was bedeutet es, daß der Haussklave nun "Bruder" ist, und zwar "im Fleisch" wie "im Herrn" (Phlm 16)?142 Unsere Stelle gibt dem Sklaven die Anweisung, in seinem Dienst für seinen irdischen Herrn nicht nur das 1Vlinimum zu tun, um eine Strafe zu vermeiden bzw. um gerade eben seinen Lohn zu verdienen, d.h. nicht einfach nach dem äußeren Schein gemessen (fA.~ ev 6cj>eUA./-lOÖ01JA.{~)143 zu handeln, um bloß Menschen zu gefallen (w~ avElpconapEoKO\,)144, sondern der christliche Sklave soll seine Arbeit mit aufrichtigem Herzen (ev anA.Ou]"tL KUPö(U~)145, den Herrn (Christus) fürchtend, vollziehen (q,OßOU/-lEVOL "tov KUpLOV)146. "Christian slaves are above all else
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P.T. O'Brien, Col, 226. VgI. J. Gnilka, Kai, 221; ihm folgend M. Gielen, Haustafelethik, 161. VgI. P.T. O'Brien, Col, 22M; F.F. Bruce, Eph, 293. Vgl. Phlm; E. Schweizer, KaI, 167; F.F. Bruce, Col, 167f; P.T. O'Brien, Col, 226 und misere Ausführungen S. 271ff. VgI. E. Schweizer, Kai, 167. Vgl. Bauer-Aland', Sp.I2I2; K.H. Rengstorf, ThWNT II, 283; zur Wortbildung vgl. BI.D § I I 5,2, Anm. 1. VgI. Bauer-Aland', Sp.I33f; W. Foerster, ThWNT I, 456. Vgl. Bauer-Aland', Sp. 171: "mit redlichem Herzen gehorchen"; O. Bauernfeind, ThWNTI,3 85f. VgI. E. Lohse, Kai, 227f. Diese atI. Wendung (LXX Ex 1,17.21; Lev I9,I4.32; 2.5,17; 54,20) wird im NT auch oft verwendet (Lk 18,2.4; Apg 10,2.22.35;
Hausgemeinde und Mission
servants of Christ and they are to work first and foremost so as to please hirn. Not fear of an earthly master, but reverance for the Lord Christ should be their primary motive " 147. In V. 23 wird dies [lOch einmal in Anklang an 3,17 unterstrichen. V. 24 erinnert die Sklaven daran, daß sie von dem Herrn, der jedes Werk beurteilt (Kol 3,1), auch Urteil und Vergeltung empfangen werden. Im Himmel liegt das ewige Erbe schon bereit (vgl. 1,5.27; 3,1-4)148. "Niemand wird sich dieses kostbare Gut durch Ungehorsam verscherzen wollen; wer aber im Gehorsam sein Werk verrichtet, der wird die KA'Y]povo~li"a. empfangen. ,,149 Darum: 't~ KUptep XPL(J'"C~ ÖouAEulm,. Dieser Satz ist nicht indikativisch, sondern als Imperativ aufzufassen (unter Aufnahme von i:pya~weE - V. 23). Hier ist zu fragen, ob diese Aufforderung (3,24b) auch implizit an die Herren, ja sogar an den ganzen Haushalt gerichtet sein wilpso. Das gleiche gilt für V. 25 - er wird wohl wenigstens auch auf die Herren zu beziehen sein 151. Die Anweisung an die Sklaven findet ihr unverzichtbares Gegengewicht in der ebenso apodiktisch formulierten Anweisung an die Herren l52 • Dies gilt, auch wenn es nur ein kurzes Wort ist: "Ihr Herren, gewährt den Sklaven, ~as recht und billig ist. Ihr wißt ja, daß auch ihr einen Herrn im Himmel habt" (4,r). Wie auch im Fall der vorausgehenden Anweisungspaare ist die Herrenmahnung untrennbar mit der Sklavenmahnung gekoppelt (3,22a). Die beiden können nur in Verbindung miteinander sachgerecht ausgelegt werden. Von den Herren wird nicht verlangt, daß sie ihre Sklaven entlassen. Doch werden sie dazu angewiesen, ihren Pflichten ihnen gegenüber gewissenhaft nachzukommen. In der HT wird im Gegensatz zum römischen Gesetz der patria potestas nicht die unumschränkte Verfügungsgewalt des Hausvorstandes betont, sondern seine Pflicht. Diese Pflichten sind durch die Liebe bestimmt. Aller Mißbrauch ihrer Rechte den Sklaven gegenüber wird den Herren untersagt. Da die christlichen Herren ihr Verhalten nun dem Herrn gegenüber
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I3, 16.26; rPetr 2,I7) und kann auch mit Ehrfurcht bzw. Vertrauen zu tun haben (vgl. Ps 33,18 und E. Schweizer, Kai, 167). P.T. O'Brien, Col, 227. Vgl. P.T. O'Brien, Col, 228f; F.F. Bruce, Col, r67ff. E. Lohse, KaI, 229. Vgl. E. Schweizer, Kai, 168; M. Gielen, Haustafelethik, 191ff. E. Schweizer, KaI, 168; E. Lohse, KaI, 230 läßt es offen; vgl. P.T. O'Brien, Col, 23of für eine Besprechung der Meinungen der verschieden Exegeten. E. Schweizer, Kai, I68.
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
verantworten müssen, nimmt der Grundsatz "was recht und billig ist" neue Bedeutung an 153 • Fortan müssen die Herren nämlich dem Herrn aller Herren darüber Rechenschaft ablegen, wie sie ihre Sklaven behandeln (4,rb). Damit ist in die Beziehung zwischen Herren und Sklaven eine ganz neue Dynamik hineingekommen 154 . "Wer in seinem Sklaven den Bruder in Christus' sieht (vgl. Phlm 16), kann in ihm über die Dauer nicht mehr einen Sklaven im alten Sinn sehen. "155 Da sie beide dem KUPW<; Gehorsam schuldig sind, haben sie nun den rechten Maßstab für den Umgang miteinander, und zwar die Bruderliebe. Selbst die Mahnung an die Herren, in der die Liebe nicht erwähnt wird, bedeutet nicht, daß die KUPlOL nicht zur Liebe angehalten werden, "sondern ist Erinnerung daran, daß das Recht nicht von der Liebe zu trennen ist, daß die Liebe auf ihr Recht, nicht auf das Recht verzichtet, daß die Liebe nicht von Gerechtigkeit lind Billigkeit dispensiert und daß die Herren auch in den Fragen der Behandlung ihrer Sklaven vor dem Forum des himmlischen Richters stehen und als Herren einen Herrn haben"156. Indem sie auf diese Weise ihre Pflichten als Hausherren erfüllen, dienen sie ihrem Herrn im Himmel. So gesehen sind sie selbst Knechte Christi (vgl. V. 24 b)157.
B) Die "Haustafel " des Epheserbriefes I.
Einleitungsfragen
Die erste Bestreitung der genuin paulinischen Herkunft des Eph findet sich 1792 bei E. Evanson 158 • Auch de Wette vertrat r826 wegen der Adresse, des Stils, des Verhältnisses zum Kol und einzelner theologischer Aussagen des Eph die Sicht, der Eph sei keineswegs paulinisch, während F.C. Baur und seine Schüler den Brief als "früh153
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Für die Bedeutung des Grundsatzes in der Antike vgl. G. Schrenk, Th \XTNT II, 189-I93; G. Stälill, ThWNT III, 346,21-348,32; .J.E. erouch, Origin, 1I7-119; E. Sch\~eizer, Kol, 168f; E. Lohse, Kol, 229f. Vgl. E. Lohse, Kol, 23I. F. Mugner, Eph, I65. W. Schrage, Haustafeln, I5; vgl. auch ders., Die konkreten Einzelgebote, I96I, 266. s. S. 4 I9 unsere Exegese zu Eph 6,6b. Vgl. die reichlich vorhandene Lit. zur Thematik bei W.G. Kümmel, Einleitung in das NT, I983, 3 I 4ft; für die jüngere Diskussion vgl. z.B. A.T. Lincoln, Eph, I990, lix ff.
Hausgemeinde und Mission
katholisch" bezeichneten und ins 2. Jh. datierten 159 • Im Gegensatz zum KaI vertritt heute beim Eph nicht nur in Deutschland l60 , sondern auch in der angelsächsischen Exegese 161 nur eine Minderheit eine direkte oder indirekte paulinische Verfasserschaft162 • Dem massivsten Versuch, die Abfassung des Briefes durch Paulus in neuerer Zeit zu begründen, legte M. Barth vor. Er bemerkte allerdings zur kleinen Gruppe jener Forscher, welche die Frage für unentscheidbar halten 163: " ... ir may weH be rhe most prudent. The wise reticence shown by its members cannot be equated with an attempt to ignore or dodge the issue .... they hold that Ephesians can be properly exegeted without a pronounced opinion regarding its author"164. Wieweit die Aussagen der HT des Eph in paulinischer Tradition stehen, muß die Einzelexegese zeigen.
2. Die Haustafel als Gemeindeordnung? Eph J,2I-6,9
a) Strukturanalyse Zur Abgre'nzung der HT im Eph: Sie umfaßt die Verse 5,21-6,9. Im Unterschied zur K01-HT setzt die .Eph-HT nicht so abrupt ein. Stattdessen wird mit der Fortführung einer Reihe von Partizipien von Eph 5,19 an für einen weicheren Übergang gesorgt. Außerdem wird zwischen das Vorhergehende und die erste oikasbezogene Anweisung der HT eine nicht gruppenspezifische, sondern alle Adressaten ansprechende Anweisung (5,21) eingefügt, die allerdings schon zur HT als solcher gehört. Indem sie an alle Gemeindeglieder gerichtet
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Evanson, De \Vette und Baur werden bei Kümmel, Einleitung, 314 erwähnt. Für pln. Abfassung des Eph spricht sich z.B. N. Baumert, Frau und Mann, 1991, 193 aus. Guthrie, E.F. Harrison, Percy, Robinson und Bruce. Für eine ausführliche Auflistung der internationalen und nationalen Befürworter bis 1983 vgl. Kümmel, Einleitung, 314, Anm. 25; vgl. auch M. Barth, Eph, 1976, 38. Contra genuin pln. Abfassung des Eph sind Bultmann, Conzelmann, DibeliusGreeven, G. Dautzenberg, Lake, Goodspeed, Käsemann, Pokorny, P.N. Harrison, E. Schweizer, J. Gnilka, C.K. Barrett, F. Lang, G. Bornkamm, W. Marxsen. R. Schnackenburg, H. MerkJein, P. Vielhauer und A.T. Lincoln; für eine ausführliche Auflistung vgl. Kümmel, Einleitung, 314, Anm. 26; M. Barth, Eph, 38; für die jüngere Forschung M. Gielen, Haustafelethik, 1990, 14f, Anm. 84.93. Vgl. z.B. Cadbnry, Chadwick, Jülicher, McNeile und Williams (mit Literaturnachweis bei M. Barth, Eph, 38). M. Barth, Eph, 3 8 .
Das Weiterwirkelt VOlt Oikos-Strukturen
ist l65 , und durch ihre formale Stellung in der Parakiese bildet sie eine gewisse Überschrift zur HT und hat damit die Funktion eines Leitsatzes für die ganze HT (5. u.). Die Abgrenzung nach hinten ist eindeutig durch das Gliederungsmerkmal ,;wu ,,"omou" (Eph 6,IO) bezeichnet, womit der neue Abschnitt eingeleitet wird. Zur Gesamtstruktur der Haustafel lassen sich folgende Beobachtungen machen: Alle Adressaten haben eins gemeinsam: die Oikoszugehörigkeit; daher verdient die Eph-HT ebenso wie die Kol-HT die Bezeichnung: Haustafe!. Die Eph-HT wendet sich ebenso wie die Kol-HT mit reziproken apodiktischen Anweisungen an die sechs oikoskonstitutiven Gruppen (Frauen/Männer; KinderNäter; Sklaven/Herren), wobei die Abfolge der Anweisungen ebenfalls der der Kol-HT entspricht. Deutlich stechen diese sechs Adressatengruppen durch die auch in der Eph-HT wiederholte, typische Anrede mit bestimmtem Artikel und Nominativ Plural hervor. Wie bei der KolHT werden in den drei Mahnungspaaren die Anweisungen an die untergeordneten Gruppen der Frauen, Kinder und Sklaven vorangestellt. Im Vergleich zu der Kol-HT (9 Verse) hat die Eph-HT mit insgesamt 22 Versen einen mehr als zweifachen Umfang. Es fällt insbesondere die Ausweitung des ersten Anweisungspaares . an die Eheleute von 2 Versen in der Kol-HT (3,18f) auf 12 in der Eph-HT (Eph 5,22-33) auf, wobei dieses Mahnungspaar mehr als die Hälfte der ganzen Eph-HT umfaßt. Damit läßt sich bereits vor der Einzelexegese konstatieren, daß im Unterschied zu der Kol-HT mit ihrem Schwerpunkt in der Sklaven- und Herrenunterweisung das Hauptgewicht in der Eph-HT nun auf der Eheunterweisung zu liegen scheint.
b) Einzelexegese Bei der Exegese in diesem Abschnitt geht es nicht um eine vollständige Auslegung der Eph-HT, sondern vielmehr um eine Besprechung dessen, was für unsere Studie der Hausgemeinde relevant ist unter besonderer Berücksichtigung der Inhalte, die in der Kol-HT noch nicht angesprochen wurden.
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Das zeigt die maskulinische Partizip-Form (mit R. Schnacken burg, Eph,
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Hausgemeinde und Mission
Eheleute (5,21-33/ 66 Einen Unterschied zur Kol-HT bildet V. 21 als sog. Leitsatz zur EphHT. Die Gemeindeglieder sollen sich gegenseitig in der Furcht Christi unterordnen. Im griechischen Text ist V. 2r aber auch mit dem Vorausgehenden verbunden, und zwar durch eine Partizipialkonstruktion: Grammatikalisch ist uJt01;aaaO/lEVOL ein viertes, drei vorhergehenden Partizipien koordiniertes Partizip, alle abhängig von JCA,l1poua8f in V. 18b. In einem weiten Sinn wird damit angedeutet, daß eine Voraussetzung dafür, die ganzen Mahnungen über das Haus des Christen bis 6,9 in die Praxis umsetzen zu können, darin besteht, dalS man sich vom Pneuma erfüllen läßt167• Allerdings bezieht sich 1l1wtaaaO~tEVOt auch nach vorne, denn für V. 22 ist aus diesem Partizip das Verb zu ergänzen. So gesehen könnte man V. 21 als Überschrift verstehen: "Die in der Furcht des Herrn gehorsame christliche Existenz"168. Schon zu Beginn der Eph-HT prägt das Prinzip der gegenseitigen Hochschätzung aller (Gal 5,13; Phil 2,3b; IPetr 5,5 b; vgl. auch die einleitende Grundmahnung von Eph 4,rff) die alten sozialen Oikosstrukturen um 169 • ,Unterordnung' in diesem Sinne ist dann als umfassender Ausdruck für christliches Gemeinschaftsverhalten zu begreifen 170 - die ganze Eph-HT sollte auf diesem Hintergrund betrachtet werden. Dieses Prinzip wird von der alle verpflichtenden Furcht Christi her begründetl71 • Die gegenseitige Unterordnung ist hier nicht nur als eine in der Ehrfurcht vor Christus 172 , dem Herrn der Gemeinde, sondern auch als eine Furcht vor dem Parusiechristus zu verstehen (vgl. 6,8f). Es ist eine Unterordnung, "die von dem Christus als Richter fürchtenden Gewissen diktiert ist" 173. I)
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Für die Vorgeschichte der HT-Tradition s. S. 386ff. Für eine informierende Besprechung der möglicherweise hinter der Eph-HT stehenden Traditionen vgl. J.P. Sampley, "And the Two shall become One Flesh", 197I. Das sehen viele Exegeten. Vgl. zuletzt N. Baumert, Frau und Mann, 193. Vgl. H. Schlier, Eph, 250. Vgl. J. Ernst, Eph, 382; ihm folgend F. Mußner, Eph, 156. Vgl. E. Kamlah, "Haustafeln", 2.38: Unterordnung so verstanden als "Spezifikum der urchristlichen Haustafel" überhaupt; ihm folgend R. Schnackenburg, Eph, 25 0 . Zu "Furcht" als paränetischem Motiv unter Einfluß jüdischer Paränese vgl. H. Balz, ThWNT IX, 2II-2.14So z.B. R. Schnacken burg, Eph, 250. H. Schlier, Eph, 252. Vgl. z.Kor 5,IOf; Rörn 13,5; auch KaI 3,22/Eph 6,5; ferner das atl. ev cj>6ß~ 8Eau, Röm 3,18; 2Kor 7,1; rPetr 1,17.
Das Weitenvil'ken uon Oikos-Strukturen
Es fällt in der Eph-HT gegenüber der Kol-HT noch auf: r) Hier finden wir eine formal aber auch inhaltlich etwas stärkere Hervorhebung der Liebe (vgL bes. Eph 5,25.28). Wie in der Kol-HT wird die Unterordnung der Frau ihrem Mann gegenüber "ganz und gar eingebettet in die Liebe des lVIannes zu seiner Frau "174. Die Aufforderung an die Ehemänner zur Liebe bildet auch hier das unverzichtbare Gegengewicht zur Verpflichtung der Ehefrauen hinsichtlich der Unterordnung. Zwar wird der Mann "das Haupt der Frau" (V. 23a; vgi. auch rKor IId; s.o.) genannt. Das Prädikat "Haupt" steht aber im engen Zusammenhang mit der Formulierung "wie auch Christus das Haupt der Kirche ist" (V. 23b). Damit bekommt der Begriff "Haupt" eine besondere semantische Nuancierung (s. gleich u.)!75. 2) Auch die Eph-HT verankert ihre ethischen Anweisungen ev K'Upicp. Allerdings ist hier die eheliche Liebe noch ausdrücklicher "im Herrn Christus" gegründet, v.a. deswegen, weil die Ehemahnung der Eph-HT als lVIimesisethik zu verstehen ist176, denn die eheliche Unterordnung und Liebe wird als ein Nachahmen des Verhaltens Jesu Christi begriffen. Die Beziehung zwischen Mann und Frau wird in Analogie zum Verhältnis zwischen Christus als dem "Haupt" und der Kirche, seinem "Leib", gesetzt 177 • Wie Christus sich in seinem Opfertod am Kreuz für die Kirche hingegeben hat, so ist die Liebe des Mannes zu seiner Frau ebenfalls als ein radikales
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F. Mußner, Eph, 152; vgl. auch N. Baumert, Frau und Mann, 205. Vgl. M. Barth, Eph, 620, der von einer "subordination to love" seitens der Ehefrau spricht. "Only this and nothing else is preached in Eph 5:21-33. Where there is no love Paul does not expect submission ... ". Vgl. W. Schrage, Haustafeln, 15ff; ihm folgend F. Mußner, Eph, 153. "Zweifellos sind die ekklesiologischen Ausführungen nicht bloße Beispiele für die Eheparänese, sondern das eigentliche Ziel des Abschnitts" (J. Roloff, EWNT I, Sp. loosf). Auf die Haupt-Leib- bzw. Braut-Bräutigam-Ekklesiologie gehen wir in unserer Untersuchung nicht ausführlich ein (vgl. dazu die gängigen Kommentare). Theologisch gesehen ist es dem Verfasser des Eph gelungen, diese beiden organisch zu verbinden und diesen Zusammenhang für die Eheunterweisung fruchtbar zu machen. Das Zweite zeigt seine hohe Auffassung von der Ehe. Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund: Diese Elemente waren dem Vf. des Eph wohl in der christlichen Tradition schon vorgegeben (vgl. 1Kor 12; Kol 1,lS; 2Kor II ,2.), können aber auch auf die Vorstellung von der Ehe Jahwes mit seinem Volk Israel zurückgehen (vgl. Ez r6,6-I4 und F.F. Bruce, Eph, 389ff). Anders H. Schlier, Eph, 264-2.76, der die gnostische Vorstellung von der himmlischen Syzygie im Hintergrund sieht.
Hausgemeinde und Mission
Sich-Hingeben für die Frau aufzufassen (vgl. Mk 10,42-45)178. M. Barth betont: Wenn der Ehemann seine Aufgabe unter dieser christologischen Voraussetzung versteht, "he will consider it both a privilege and a grave responsibility. Even more than an enlightened monarch in his relation to his subjects, he is then 'the first servant' of his wife. In short, a headship qualified, interpreted, and limited by Christ alone is proclaimed, not an unlimited headship that can be abitrarily defined and has to be endured " 179. Auch hier wird man nicht von einer ,Verbürgerlichung' der christlichen Gemeinde, sondern umgekehrt und noch sehr viel stärker als in der Kol-HT von einer "Evangelisierung" des antiken Oikos reden können (s. S. 40of). Diese Sicht wird v.a. durch die sotcriologischen und christologisch-schöpfungstheologischen Aussagen der Eph-HT bestätigt. Entscheidend für die Zuordnung von Christus und Schöpfung bei Paulus ist das "in Christus sein" (vgl. z.B. 1Kor 7,39c; 8,6). Sobald die Schöpfung in Christus ist, ist sie durch Christus geheiligt, d.h. in die Erlösungsordnung hineingenommen. Hier scheint der Eph in paulinischer Tradition zu stehen. Nach Eph 1,2Iff wird Christus aufgrund sejri~sErlöslingswerkes als Haupt über alles beschrieben (vgl. auch Kai 1,15-'-20). Ei ist nicht nur Haupt der neuen, sondern auch der alten Schöpfung180 • Das ganze geschöpfliche Leben wird unter seine Herrschaft gestellt, und das heißt konkret auch die Ehe. Das gilt erst recht für die christliche Ehe, die zusätzlich in den Bereich der Kirche hineingenommen wird, der Christus zum Haupt gesetzt wurde. Weil die Schöpfungsordnung in Christus erneuert wird, ist in diesem Sinne Christus deren Stifter und Garant. Wie schon gesagt, findet nach Eph 5,25-33 die Ehe in dem innigen Verhältnis zwischen Christus und der Kirche ihre Entsprechung, die selber das in Gen 2,24 angesprochene Geheimnis vollkommener Einigung darstellt. Wenn das Verhältnis zwischen Christus und Gemeinde Leitbild und Urbild der Ehe darstellt, dann ist die konsequente Folge, daß Christus als Repräsentant dieses Bildes auch das Abbild garantiert, insofern diese Entsprechung vorhanden sein muß. Wer für das eigentliche Bild einsteht, steht auch für die Entspre-
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Vgl. M. Barth, Eph, 618; auch K.H. Rengstorf, Mann, 1953, I31-I45; ihm folgend F. MufSner, Eph, 153. Eph, 6I8f. Vgl. H. Schlier, Eph, 89.
Das Weiterwirken von Oilws-Sttuhturen
chung ein 181 . Nach Eph S,2Iff.2Sff.29ff; 6,Iff.sff ist Christus also nicht nur der Erlöser, sondern auch der Stifter und Garant der (guten) Schöpfungsordnung, die in der Kirche exemplarisch beachtet wird: In und durch Christus wird geschöpfliches Leben geheiligt - in der Ehe, in der Familie, im Haus und in der Kirche. Damit ist zu erkennen, daß der Eph dem Oikos eine besondere Würde zuschreibt: Die Grundstruktur des Oikos ist eine Stiftung Gottes. Diese Sicht läßt sich bis in die Jesustradition zurückverfolgen (vgl. rKor 6,r6 mit Mk rO,7f/Mt r9,4)· 2) Sklaven und Herren (6,5-9/ 82
Die Anweisung an die Sklaven stimmt größtenteils mit KaI 3,22-4,r überein. Hier wie dort ist nach F. !vlußner: "Das Neue und Unerhörte ... dann dies, daß der Gehorsam der Sklaven ihren irdischen Herren gegenüber ganz lmd gar als Einübung in den Gehorsam Christus gegenüber verstanden wird. "183 Gegenüber dem KaI fällt der Ausdruck "Sklaven Christi" (V. 6b) ins Auge. Den Gegensatz zwischen einem, der Knecht Christi sein möchte, und einem, der nur Menschen gefallen will, spricht Paulus in Gal 1,10 an. Eventuell betont der Verfasser des Eph mit dem Ausdruck "Sklave Christi" die paulinische Vorstellung, daß alle Christen, au<;:h die Herren (s. u.), Knechte Christi sein sollen (s. o. Anm. r32). Hierwie dort wird durch den den Gehorsam den Herren gegenüber erleichternden Beweggrund angeführt, daß Gott das Tun des Guten belohnt, ob es nun von einem Sklaven oder von einem Freien getan wird. In der Exegese ist auf einen Unterschied zur Kol-HT aufmerksam gemacht worden. \Vährend Kol 3,22f die irdischen Herren von dem Herrn Christus deutlich unterscheidet, scheint Eph 6,Sb sie direkter miteinander zu verbinden: "den irdischen Herren ... wie ihr Christus gehorcht"184. Die Sklaven werden nicht mehr angewiesen, Gott allein zu fürchten (KaI 3,22), sondern "mit Furcht und Zittern den irdischen Herren" zu gehorchen 185 • Nach einigen Forschern liegt hier das Mißverständnis nahe, daß Gott zu dienen mit dem Dienst gegenüber den höheren gesellschaftlichen Schichten zu identifizieren sei 181 Vgl. E. Käsemann, ]esu letzter Wille nach loh
17, 1971, I42f. Vgl. auch P. Brunner, Theologie der Ehe, 1977, 226-22.9. 182 Zur Anweisung an die Kinder und Väter vgl. Exegese zu Kol-HT (s. S. 407f). 183 Eph, 164. 184 Vgl. E. Schweizer, Weltlichkeit, I977, 409f. 185 Vgl. noch ungeschützter Tit 2,9.
Hausgemeinde und Mission
(vgl. auch rPetr 2,18-25)186. Die Gefahr eines solchen Mißverständnisses wird aber durch die Betonung auf "irdische" Herren in V. sa und die Bemerkung in V. 9b "denn ihr wißt, daß ihr und euer Herr im Himmel ist" klar abgewehrt J87 . In der kurzen Anweisung an die Herren werden diese gemahnt, den Sklaven gegenüber das gleiche zu tun, ohne daß "das gleiche" genauer definiert wird. Bezieht es sich auf das Tun des Guten in V. 8 oder vielleicht auf V. 6b.7a, daß sie wie Sklaven als Diener Christi den Willen Gottes von Herzen tun, indem sie mit gutem Willen dienen? Im Blick auf die Gleichstellung der Sklaven und Herren vor Christus (V. 9b) ist eher davon auszugehen, daß der Verfasser ein entsprechendes Verhalten der Herren verlangt. "Was den Sklaven anempfohlen wurde, gilt mutatis mutandis auch für die Herren. Sie haben die Befehlsgewalt, sollen sie aber nicht durch Härte und Drohungen mißbrauchen, sondern nach dem Willen des gemeinsamen Herrn ausüben, das heißt in Milde und Güte. "188 In der Erwartung, daß sie den Willen des Herrn tun, ist wohl impliziert, daß auch die christlichen Herren zugleich Knechte Christi sein sollen. Damit wird mit der Oikossprache eine wichtige paulinische, theologische Einsicht unterstrichen. Eventuell ist nicht zuletzt deswegen das Motiv, 186
Vgl. v.a. E. Schweizer, ebd. 409f. Für ihn wird diese Gefahr besonders deutlich, wenn man sich die Weiterwirkung und Entwicklung vor Augen führt. Did 4,II besage, dalS Herren eine Art Gott für die Sklaven darstellten und impliziert damit eine Identifizierung der gesellschaftlichen und der göttlichen Ordnung. Schweizer sieht dies dann explizit ausgesagt in lClem 21,6-8 (vgl. auch 1,3). Dort sei es dann die göttliche kosmische Ordnung des Stoikers. Damit ist, so Schweizer, die Paganisierung der HT-Tradition unter dem Gewand der Christianisierung völlig durchgeführt. Hier ist zu betonen, daß die besondere Würde des Oikos als Stif-· tung Gottes erst und nur dann verspielt wird, wenn mit Einzelsätzen aus den HTn bestehende Lebensverhältnisse einfach sanktioniert werden. Allerdings läßt sich Schweizers Behauptung einer Paganisierung der HT-Trad. wenigstens nicht mit rClem 1,3; 21,6-8 belegen, denn der IClem insgesamt (und 1,3 und 2r,6-8 konkret) ist nicht von der Aufnahme heidnischer, sondern von der Rezeption hellenistisch-jüdischer atl. Tradition gekennzeichnet. AnlSerdem ist die Haltung gegenüber dem Herrn (ICIem 21,6) zwar maßgebend für die Haltung auch gegenüber den Vorgesetzten und Ältesten, aber das beinhaltet keine Gleichsetzung. Die Hingabe des Blutes Jesu am Kreuz weist allf "das Unüberholbare in der Gestalt des Erlösers" hin. Vgl. H.E. Lona, Der erste Clemensbrief, 1998, 6r.2.79-285; Zitat:
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Dies sieht auch Schweizer, Weltlichkeit, 409. Deshalb ist es nicht angebracht, aufgrund dessen schon von einer Paganisierung der Eph-HT zu sprechen (geg. Schweizer, ebd., 407-4 TO). R. Schna<.:kenburg, Eph, 271; F.F. Brllce, Eph, 401f.
~80.
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Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
4 21
daß es vor dem Herrn kein Ansehen der Person gibt, anders als im Kol (vgl. 3,25), nun in der Eph-HT auf beide Personengruppen bezogen 189 .
3. Die Entwicklung der Haustatelethik aus dem christlichen Oikos Nun können wir auf dem Hintergrund unserer Exegese auf die O.g. Vorwürfe von E. Schüssler Fiorenza und S. Schulz eingehen. Für Frau Schüssler Fiorenza stellt die Hf ein Beispiel der Wiederaufnahme patriarchaler Unterwerfung dar l90 . Dabei hätten diese Christen eine andere Wahl gehabt, denn es habe nicht nur in der frühchristlichen Missionsbewegung (vgl. Gal 3,28), sondern auch in der Umwelt andere Modelle gegeben, die viel egalitärer und humaner gewesen seien (s. S·394ff)· Erstens ist zu fragen, ob die HT-Tradition pauschal als Wiederaufnahme patriarchaler Unterwerfung gesehen werden kann. Die Kol-HT enthält einige. der antiken patriarchalischen Strukturen gegenüber kritische Elemente. Während Aristoteles l91 argumentiert, daß das angemessene Verhältnis zwischen Herren und Sklaven ein Verhältnis der "Tyrannei" und nicht der "Gerechtigkeit" sei, ermahnt Kol 4,1 die Herren dazu, ihre Sklaven '"recht und billig" zu behandeln (5. o. unsere Auslegung)l92. Die Betonung der Kol-HT liegt nicht auf der Autorität des Hausvorstandes, sondern auf seinen Pflichten (s. S. 408, Anm. 125). In der Eph-HT werden alle Gemeindeglieder zur gegenseitigen Unterordnung ermahnt (Eph 5,21). Zweitens folgt Frau Schüßler Fiorenza weitgehend K. Thraede 193 , der unter Berufung auf antike Schriftsteller wie v.a. Columella l9 4,
Vgl. c.L. Mirton, Eph, 70f. Zur Kritik an Schüssler Fiorenza vgl. femer D.L. Balch, Early Christian Criticism of Patriarchal Authority, 1984, r6r-J74; R.A. Camp bel, Elders, I54f. 191 VgJ. Eth Nie 5. II34b.9-18; 8. 1060a.23-1661a.10. 192 Vgl. auch IPetr 2,19-23; 3,1; 1,18; 4,3 und dazu D.L. Balch, ABD III, 319. 193 Ärger mit der Freiheit, 1977, 51-63.68f.85f; ders., Zum hist. Hintergrund der "Haustafeln" des NT, I98r, 359-368.365; ders., Art. "Frau", RAC 8, 1972, 197-269. Vgl. auch K. Müller, Frauenthema, 277-319; M. Gielen, Haustafe/ethik, 129-135· 194 On Agriculture XII Preface 5 u. 7-IO; XI1.2.6. Vgl. dazu K. Thraede, Art. "Frau", RAC 8, 1972, 197-269, zu Columella vgl. v.a. 203.206.2.10.217.239. 189 190
Hausgemeinde und Mission
Antipater 195 und Plutarch 196 darauf hinweist, daß damals eine gesellschaftliche Debatte in diesem Bereich herrschte. Sie zeigte, daß diese Dinge überhaupt nicht festgelegt, sondern gewissermaßen im Fluß waren. Auch habe es in der Zeit des Kai liberalere, humanere Formen für Ehe und Familie mit einer weitverbreiteten genulllen Gleichheit der Geschlechter gegeben 197• Diese Sicht ist aber von D.L. Balch kritisiert worden 198. Ohne die Existenz dieses Richtungsstreites in Frage zu stellen, weist Balch v.a. darauf hin, daß zwischen den theoretischen Erörterungen und den praktischen Vorschlägen dieser Schriftsteller unterschieden werden muß1 99 • Balch betont: " ... the Roman Stoics Antipater, JVlusonius, and Hierocles as weil as the Middle Platonist Plutarch demonstrate that the subordination of wives was general, contemporary Hellenistic practice. Some writers held the Stoic theory of the natural equality of the sexes while encouraging the Aristotelian practice of the subordination of wives to husbands"zoo. Auch den isolierten Text von Columella darf man nicht als Indiz für die Sicht verwenden, daß die alten sozialen Rollen nicht mehr in Kraft waren oder daß die Ehefrau sozial und politisch ihrem Mann gleichgeordnet war Z01 • Er ist lediglich ein Hinweis'dafür, dalS die Frauen wohlhabender Ehemänner ihren Pflichten nicht nachgekommen sind zoz . "Those Hellenistic philosophers discussed above, whom modern authors have interpreted as egalitarians, in practice urged the subordination of
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Vgl. den Text bei Arnim, Stoicorum Veterum Fragmenta III.254,23-257,IO. Vgl. dazu K. Thraede, Ärger, 58f. Vgl. Bravery of Women; Advice to a Sride and Groom; Dialog of Love. Vgl. dazu K.Thraede, Ärger, 60.85; vgl. ders., "Frau", 215. K. Thraede, Ärger, 44.81; Art. Frau, RAC 6, 197-267. Für ihn schließt sich die HT-Trad. an eine konservative griechische Sozialethik an, die hinter seinerzeit faktisch Erreichtem und Möglichem zurückbleibt (ebd., 239f). Let Wives be Submissive, 1981, 143-149. Vgl. auch die Kritik an Thraede bei F. Laub, Begegnung, 95. Vg!. auch schon Musonius, That Wornen too Should Study Philosophy, Oe. III 38,26-4°,2.10-15.17; Should Daughters Receive the Same Education as Sons, Or. IV 46,13-32; Sexual Illdulgence, Or. XII 86,38-88,4. Vgl. auch Hierocles, der Schüler des Musonius, Stob. IV 22f; IV 5°3,12-16. D.L. Balch, Wives, 147 [kursiv= RG]. Vgl. Plutarch, Advice to Bride and Groom, 142DE und auch dazu W. Schrage, Ethik der nt!. Haustafeln, 13. Die o.g. Stelle ist keine isolierte Aussage - vgl. Plut., Lycurgus 14,1; Antony 10; Advice to Bride and Groom I40Ej 142D. D.L. Balch, Wives, I44. Balch, ebd., 144 [kursiv = RG].
Das Weitetwitken von Oikos-Struktuten
wives, and their practical philosophical views are properly compated, not contmsted, with the practical, paraenetic domestic codes in the New Testament. ,,203 . Die HT in Kol will die "Praxis" regeln und keine theoretische Abhandlung sein. Es geht um konkrete Fragen, wie die Beziehung zwischen Mann und Frau gelebt werden soll. Man kann die Identität der Christen nicht jenseits ihrer Sexualität suchen, jenseits der geschöpflichen Polarität in Mann und Frau. Wenn es der HT im Kol auf eine praktische Lösung der Situation ankam, mug man betonen, daß in der Antike nur rein theoretisch die Wahl zwischen asketischen, matriarchalischen oder patriarchalischen Sozialstrukturen bestand. Als eine Gemeinschaft in der paulinischen Tradition sollten es die in Eph angesprochenen Christen nicht als ihre Berufung ansehen, sich von der Welt zurückzuziehen. Damit konnten sie sich nicht mehr für die asketische Gemeinschaftsform entscheiden204 • Auch der Matriarchalismus war für sie keine Lösung, denn er würde die Unterordnung nur umkehren. Immer noch wären dann Herrschaftsstrukturen in Kraft, die potentiell ebenso unterdrückend sein könnten. Es blieb den frühen Christen eigentlich· nur eine Lebensform innerhalb der Oikos-Struktur übrig, was ~egen ihres hausgemeindlichen "social setting" nahelag 205 • Aber der Oikos ohne eine Unterordnung der Frau dem Mann gegenüber gab es z. d. Z. nur theoretisch, in der Praxis aber nicht. Auch J. D'Arms kommt nach seiner Untersuchung zu dem Schlug, daß trotz der Rhetorik von Egalität und sozialer Einebnung die gesellschaftliche Hierarchie vorherrschend geblieben sef06 •
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D.L. Balch, Wives, 147 [kursiv= RG]. Wenn man die HT mit den patriarchalen Formen der Umwelt vergleicht, ist die Forschung darin einig, daß sie eher zu den gemäßigten gehört (Vgl. z.B. M. Gielen, Haustafelethik, 129-144). Ein Beispiel, das SchüssJer Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis, 267ff.3 09-3 I 6 erwälult, nämlich die Therapeuten bei Phi1o, stellt eine solche asketische Form dar. Anscheinend herrschten dort andere Regeln hinsichtlich der Frauen. Diese Gruppe kann aber nicht als Beweis dafür angeführt werden, dag es andere strukturelle Möglichkeiten für die pauJinischen und nachpaulinischen Christen gab, denn die pln. HGn waren keine asketischen Gruppen und wollten es auch nicht sein (vgl. W. Schrage, HaustafeJn, 1974-75, 6). Höchstens könnte man fragen, ob HGn, in denen es keinen Hausvater gab, matriarchaI geordnet waren (s. Leitungsaufgaben der Frau in den pln. HGn.). The Roman Convivium and the Idea of Equality, 199°,3°8-32°.
Hausgemeinde und NIissioll
Dies schließt nicht aus, daß die HT-Tradition mit den damals vorgeschlagenen gemäßigten Formen des Patriarchalismus verglichen werden kann. Daß die HT eine bewußte Entscheidung der Christen für eine vorhandene Form darstellt, ist aber aus unserer Sicht zu verneinen207 • Erstens: Es gibt keine Hinweise in unseren Texten, daß die Verfasser vom Kol und Eph diesen Richtungstreit gekannt, geschweige denn sich an einer solchen Debatte beteiligt bzw. für irgendeine Richtung entschieden haben. Es ist genauso gut möglich, daß die HTn deshalb "human" formuliert sind, weil sie theologisch abgeleitet bzw. christologisch durchdrungen sind (s. S. 404ff)208. Uns scheint es wahrscheinlicher, daß die am Haushalt orientierte Paränese der HT n zunächst einfach Ausdruck der Bedeutung des Oikos als der grundlegenden Sozialstruktur für die Anfänge des Christentums darstellt 209 • Die Haustafeln sind am besten als "Mahnungen in die einstmals einzig denkbaren Strukturen hinein ,,210 zu charakterisieren. Aufgrund unserer Exegese können wir sogar einen Schritt weitergehen: In Christus, dem Schöpfungsmittler, konnten weder Paulus noch die Gemeinden von Kolossä, Ephesus gesellschaftliche Ordnungen anstelle von Ehe und Familie wählen. Sie waren ihnen in der biblisch-weisheitlichen Schöpfungs tradition vorgegeben und konnten nur in Liebe neu ausgestaltet werden 2l1 • Von hier aus ist eine weitere Antwort auf die Frage möglich, weshalb die paulinischen Gemeinden dem OtKO<; als einer Kernzelle der Kirche so große Bedeutung zugemessen und sich nicht gescheut haben, die patriarchalische Ständeordnung ihrer Zeit in christlich ausgestalteten Form zu übernehmen. Wenden wir uns nun dem Vorwurf von S. Schulz zu: Von einem revolutionären Ansatz ausgehend hat für ihn das frühe Christentum nach Gal 3,28 eine völlige Befreiung geboten. Dagegen stellen Pauhls
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M. Giden, Hallstafelethik, 12.9- 1 44. Anders K. Thraede, Hintergrund, 3.19-361.367, Anm. 1-10; ders., Ärger, I 2.2.. Eigentlich ist es gerade diese Sicht, wogegen Tbraede polemisiert, v.a. wie sie u.a. VOll Goppelr, Lohse und Schrage verrreten wird (s. S. 42.6ff). Seiner Meinung nach ist nicht nur die in den HTn zum Ausdruck kommende zeitbedingt-konservative ,damalige Sitte', sondern gerade auch diese Art von Christologie, die in dieser antiken Denkweise Niederschlag gefunden hat, kritisch abzulehnen. F. Laub, Hintergrund, 2.54. D. Lührrnann, Wo man nicht mehr Sklave oder Freier ist, WuD 13, (1975), BI, vgl. auch 63, Anm. 3l. K. Thraede hat dieses christologisches Problem im Ansatz gesehen (s. Anrn. 2.08).
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
(rKor 7) und die HTn einen Rückschritt dar 2l2 . Wie wir aber schon festgestellt haben, konnten die frühen Christen in der Antike nicht beliebig zwischen sozialen Modellen wählen und sie hatten auch kein Interesse daran, völlig neue soziale Modelle zu entwickeln 2l3 • Eine gesellschaftliche Revolution lag überhaupt nicht im Horizont des Urchristentums2H . Hinsichtlich der Sklavenfrage ging es den Christen nicht um die Annahme oder Ablehnung einer durch das römische Gesetz sanktionierten Institution, die schon immer ein wesentlicher Teil der römisch-hellenistischen, aber auch der jüdischen Gesellschaft gewesen war. Ebensowenig ging es ihnen um die Frage, wie sie auf die Forderung nach der Abschaffung dieser Institution reagieren sollten215 • Des weiteren ist es historisch unangemessen, den paulinischen Gemeinden eine zu tolerante Haltung gegenüber der Sklaverei als grausamster und brutalster Institution vorzuwerfen, weil das von einem heute allgemeinen anthropologischen Bewußtsein ausgeht, das in der Antike fast nicht existierte2l6 • Ebenso historisch unangemessen ist die Behauptung, Sklaven seien in der Antike generell unmenschlich behandelt worden 217 • Primäres Anliegen der Oikonomikschriften waren nicht nur die Herrschaft der Hausherren, sondern auch ihre hohe Verantwortung zur umsichtigen Sorge, mit der sie ihre vielfältigen Aufgaben zum Wohl des ganzen Oikos wahrnehmen sollten. "Daher bedeutet hausherrliche Gewalt für den jeweils Betroffenen nicht nur Herrschaftsverhältnisse, sondern zugleich und immer auch Schutz, Fürsorge und Zugehörigkeit zu einem integrierenden Lebensraum. ,,218 Bei S. Schulz ist völlig unberücksichtigt, daß Freiheit so lange abstrakt bleibt, "wie sie nicht zugleich die
212 Vgl. zur Kritik an Schulz ferner: G. Eichholz, Theologie des Paulus, 278ff; E. Schweizer, Zum Sklavenproblem im NT, EvTh 32 (I972), 502-506; P. Stlihlmaeher, Historisch unangemessen, Ev Komm 5 (I972), 297-299. 213 Vgl. E. Lohse, Kol, 23 1 f.
Dazu D. Lührmann, Ntl. Hausrafeln, 91: "Es war keine Bewegung, die bewußt und primär soziale und wirtschaftliche Veränderungen anstrebte; wohl aber hatte seine Verkündigung durchaus soziale und wirtschaftliche Folgen." 115 Vgl. J. Dunn, Col, 246: "Christianity certainly did not adopt more radical critiques of society ... , or pursue utopian dreams by encollraging slave rebellions, all oE which could have resulted in the demise oE Christianity within a few generations". Vgl. auch P. Stllhlmacher, EI<. 5,298. 216 Mit P. Stllhlrnacher, ebd., 298. 217 Vgl. E.A. JlIdge, Social Patterns, 38.60; s. S. 306. 218 F. Laub, Hintergrund, 258; F. Wagner, Das Bild der frühen Ökonomik, 1969, passim. 214
Hausgemeinde und Mission
ökonomische Basis der Freiheit sicherstellt, und das bedeutet unter den Bedingungen der antiken Welt: die Führung eines eigenen OiKO<;"219. Der Fall Trimalchio ist ein Beispiel des in diesem Zusammenhang Möglichen, der den Freigelassenen und Emporkömmling darstellen sollte. In dessen Figur hat Petronius den Typus des Neureichen niedriger Herkunft in seinem Roman literarisch verewigt. Die ersten Christen hatten viel eher die Frage, - vollends als klar wurde, daß die Parusie nicht mehr unmittelbar bevorsteht - wie die ökonomischen Mittel erarbeitet werden könnten, um weiterzuleben, und zwar als Familie oder als Hausgemeinde bzw. Gesamtgemeinde. Es geht in der Kol-HT konkret um die ethische Frage, was Gläubige als Männer und Frauen, als Ehemänner und Ehefrauen, als Eltern und Kinder und als Herren und, Sklaven in einer kleinen Wirtschaftsgemeinschaft, die zur Gemeinde Christi gehört und unter dem Gehorsam gegenüber dem Herrn leben will, zunächst zu tun und nicht zu tun haben. Wie geht man in der Ehe mit seinem Partner um? Wer soll die Kinder erziehen? Wie sollen sie erzogen werden? Was bedeutet eS f4r einen Betrieb, der aufrechterhalten werden soll und dafür Lohnarbeiter und Sklaven braucht? Was bedeutet es für solch eine familiäre Wirtschaftsgemeinschaft, daß der Sklave nun "Bruder" im irdischen wie im geistlichen Sinne war?220 Alldem stellen sich die HTn. Es geht um die Möglichkeiten des Weiterlebens der HGn in dieser Welt. Es kann sein, daß die Kol-HT gegen das Mißverständnis einer weltverneinenden Lehre gerichtet ist und die Gläubigen zu den schlichten Pflichten des alltäglichen Lebens in der Familie aufrufen will (vgl. 1Thess 5,14; 2Thess 3,Ilff). Wenn auch der Verfasser des Kol in 3,2 die Gemeinde ermutigt, sich "auf das Himmlische und nicht auf das Irdische" zu richten, ist seine Vorstellung eines Lebens, das von oben her durch Christus regiert wird, gerade ein Leben, das ganz konkret in der Ehe, der Familie und in der alltäglichen Arbeit
D. Lührmann, Haustafeln, 90, Anm, 40. Die Bauernbefreiung in Westeuropa und die, wenn auch notwendige und zu befürwortende Abschaffung der Sklaverei in den USA, waren in sich alleine nicht ausreichend, denn sie haben die sozialen und wirtschat1lchen Probleme dieser Menschen noch nicht gelöst. 220 Gerade zu dieser Frage bot die Umwelt wenig Hilfe (vgl. E. Schweizer, Kol, 167, Anm. 619: es gab in der Antike für Mahnungen an Sklaven kaum Parallelen; auch die Mahnung an die Herren zur richtigen Haltung ihren Sklaven gegenüber ist seiten gewesen). 219
Das Weiterwirken von Oikos-Strufduren
hier unten gelebt werden sol1221 • W. Schrage betont· Zu Recht: "Es wird kaum ein Zufall sein, daß die erste Haustafel im KoI. auftaucht, in einem Brief, der ... gegenüber der antiken Weltangst sowie den asketischen Forderungen der kolossischen Irrlehre ... den Sieg des Kyrios Jesus Christus über die elementaren Kräfte und Mächte bezeugt und die Herrschaft Jesu Christi eben auch im OtKO~ Wirklichkeit werden lassen will. ,,222 Die Herrschaft Christi in der Welt (vgl. Kol 1,15-20), und zwar in allen Bereichen des menschlichen Lebens, ist das Augenmerk der Kol-HT 223 • Im gleichen Zusammenhang unserer HT heißt es in Kol 3,II: "Da ist nicht mehr Grieche oder Jude, Beschnittener oder Unbeschnittener, Nichtgrieche, Skythe, Sklave, Freier, sondern alles und in allen Christus." Es ging um die Spannung zwischen der Freiheit, die in Christus geschenkt wird, und der "Sklaverei", in der die christlichen Sklaven weiterhin ihren Herren dienen sollten (vgl. 1Kor 7,2124)224. Es geht darum, die Neuschöpfung im Rah~en der noch bestehenden Altschöpfung zu verwirklichen. Die theologische Grundfrage lautet deshalb, wie man als HG und als Neuschöpfung (vgl. G~I 3,28 mit Kol 3,II) im Rahmen der fortbestehenden alten Welt überzeugend nach innen und nach außen als Glied der Gemeinde Christi leben kann22s • Gegen eine äußere Revolution haben sich die Verfasser des Kol und Eph für eine Transformation von innen heraus entschieden. Im Kol wird zum ersten Mal für uns erkennbar die Frage systematisch behandelt, was das Getauftsein und Zusammenleben unter dem Vorzeichen "es gibt nicht mehr Juden und Griechen" etc. nun de facta für die christlichen Familien bedeutet. Der Verfasser des Kol
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E. Schweizer;Traditional Ethical Patterns, 204; ihm folgend P.T. O'Brien, Col, 21 9. Haustafeln, 1974-75,6. Vgl. E. Lohse, Christologie und Ethik im Kai, 1973, 249-252. Vgl. P.T. O'Brien, Col, 226. Zu IKor 7,2Iff vgl. die Besprechung der Möglichkeiten mit Stellungnahme wie auch die Kritik an S. Schulz bei P. Stuhlmacher, Phlm, 45-48. Daß IKor 7,2I Aufforderung zur Annahme einer eventuellen Freilassung ist, zeigt zusätzlich ].B. Bauer, ThLZ 71 (1975), 462f in der Besprechung von S.S. Bartchy, MAAAON XPHIAI, 1973. Zum ganzen Problemkreis vgl. H.D. Wendland, Art. Sklaverei und Christentum, RGG; VI, Sp. 101-104; H. Gülzow, Kirche und Sklaverei, 1966; ders., Christentum und Sklaverei, 1969; F. Laub, Begegnung, 1982; J. Gnilka, Phlm, Exkurs: Sklaven, 54ff. W. Schrage, Haustafeln, 1974-75, 5; so auch P. Stuhlmacher, Historisch unangemessen, I972, 298.
Hausgemeinde und Mission
versuchte, Kol 3,II mit der Haustafel in 3,18-4,1 zusammenzudenken. Es war ihm sehr wohl bewußt, daß die bei den in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Neusein und dem noch Altseinmüssen zueinander stehen 216 • Hier wird zugestanden, daß man zwar nicht mehr von der Welt ist, aber doch noch in der Welt leben muß und darf. Die Christen sollen nicht weltverneinend leben, sondern sich in der Welt bewähren. Hinter dem Modell der HT steht eine ungewöhnliche, geistige und missionarische Leistung, die einen Weg zwischen der Verweigerung des gesellschaftlichen Kontaktes und dem konturenlosen Einlassen auf die Gesellschaft sucht. Gegen einen Enthusiasmus, der die Strukturen dieser Welt ignoriert und die Lebensformen der Vergangenheit wegen des nahen Anbruchs der neuen \'.{felt für überholt hält, hat Paulus implizit und explizit protestiert (vgl. Röm 13,lff; 1Kor II,2ff; 14,40 U.Ö.)227. Auch der in Gal 3,28 formulierte Grundsatz der paulinischen Gemeinden läßt erkennen, daß von Anfang an der 01.KOC; mit ins Auge gefaßt war, wie die Paare Sklave/Freier, Mann/Frau zeigen2.28. "Die negative Formulierung von Ga! 3,28 läßt verschiedene Möglichkeiten offen. Die paulinische Füllung von Gal 3,28 in 1Kor 7 wirkt für uns erstaunlich konservativ mit ihrem Tenor, es solle in sozialer Hinsicht alles so bleiben, wie es ist. ,,229 Einerseits wird in 1Kor 7 deutlich, daß die Grundlage des Oikos durch die Bekehrung eines Ehepartners in Frage gestellt werden kann (V. I2f), anderseits zieht Paulus gerade nicht diese Konsequenz. Er geht im Gegenteil sehr vorsichtig vor und legt Wert auf die Aufrechterhaltung der Ehe in Christus und damit des Oikos 230 •
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Vgl. K.H. Bieritz, Rückkehr ins Haus?, BerlinerThZ 3 (1986), 120, der hier eine "bleibende Spannung" sieht, die "in die werdende christliche Kirche und ihr Selbstverständnis eingetragen" wird. Mit W. Schrage, Haustafeln, 5. Die Formulierung "männlich/weiblich" entspricht noch nicht ganz der Terminologie der HTn, ist aber bewußt in Anlehnung an Gen 1,27 ausgedrückt. Auch bei dem Paar Sklave/Freier ist hier nicht die soziale Beziehung Herren/Sklaven wie bei den HTn, sondern die Beschreibung des Status im Blick. D. Lührmann, Ntl. Haustafe/n, 92. Auf den Zusammenhang zwischen Gal 3,28 und rKor 7 hat 5.5. Bartchy, M&AAOV XpijCfaL. First-Century Slavery, 1973, 162r65, hingewiesen. Jude/Grieche: rKor 7,r8.20; Sklave/Freier: rKor 7,21-23 und das Verhältnis MannIFrau ist das eigentliche Thema des Abschnitts. Vgl. allerdings 1Kor 7,15. In diesem Zusammenhang wird deutlich, daß für Paulus die Ehe von hoher Bedeutung ist, daß die Gemeindezugehörigkeit ihm aber wichtiger ist. Die neue Existenz der Gemeinde in Christus iST Grundmaßstab und
Das Weiterwirken von Oikos-Stntkturen
D. Lührmann macht weiter darauf aufmerksam, daß die moderne Konzentration auf die Frage nach der antiken Sklaverei und der scheinbaren Passivität der HT-Tradition angesichts dieser ungerechten sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse von einem wichtigen Sachverhalt ablenki 31 . Die Integration, auch die der Sklaven, die in Gal 3,28 (vgl. auch 1Kor 12,13) angesprochen wird, wurde in den christlichen HGn mehr oder weniger verwirklicht (s. S. 324)232. Das wird in der Kol- und der Eph-HT in etwas anderer Akzentsetzung dokumentiert. Auf dem Hintergrund der antiken Sozialgeschichte muß man sagen: "Die Haus- und Gemeindetafeltradition ist mit ihrer Sklavenparänese ein Indiz für eine ganz außergewöhnliche gemeinschafts bildende Dynamik und soziale Integrationskraft der frühen christlichen Gemeinden "233, denn in den HT n erscheint der Sklave im Gegensatz zur Oikonomik als vollwertiges Mitglied der Gemeinde dadurch, daß er als verantwortliche Persönlichkeit angesprochen wird 234 . Wenn auch in der HT-Tradition das Motiv der Unter- und Überordnung unbestreitbar durchscheint, sind es nicht in erster Linie die Ordnungsstrukturen, welche die dahinter stehenden Hausgemeinden zusammengeführt und zusammengehalten haben235 • Es ist vielmehr die alle Schranken übergreifende Brüderlichkeit, die in einem vom Kreuzesopfer Jesu Christi herkommenden Heilsverständnis verankert ist, das allen Menschen offen steht und von daher auch vor dem Sklaven nicht haltmacht. Wenn die christlichen HGn in der Regel eine große Vielfalt von Menschen einschlossen, so hängt
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darf auch nicht wegen der Aufrechterhaltllng der (Misch)Ehe aufs Spiel gesetzt werden. Wo nicht mehr Freier oder Sklave ist, 67. Lührmann ist wohl der erste, der die HTn unter diesem Aspekt sieht. Ihm folgend F. Laub, Begegmmg, 92; Allerdings übertreibt Laub, wenn er dies als etwas völlig Nelles und spezifisch Christliches darstellt (Hintergrund, 268f.271 - "gI. den differenzierten Befund z.B. bei F. Bömer, Untersuchungen, bes. 229-234So auch P. Stuhlmacher, Phlm, 74; ders., Historisch unangemessen, I972, 298. F. Laub, Begegnung, 92. In der Oikonomik wird der Sklave nur sehr begrenzt der Tugend für fähig gehalten. Vgl. z.B. Arist, pol. I I259b 2I-12.6ob 24- Sie spricht den Skaven auch nicht auf seine ethisch-religiöse Verantwortung an, sondern versucht, ihn durch geschickte Behandlung zu motivieren. Vgl. Xenophon, Oik. XIII 9-12; XIV 9. V.a. die spätere HT-Tradition macht aber sichtbar, daß bei der Gemeinschaftsbildung ein zunehmendes Interesse an Ordnung und Autorität bzw. an hierarchisch geordneten Strukturen im sozialethischen Bereich festzustellen ist (vgl. {Tim 6,I.2; Tit 2,9; 1Perr 2,r8; rKlem 21,6-9; I,J; IgnPol 6,1; Did 4,II; Barn 19,7; s. u. zu den Past).
Hausgemeinde und lvIission
das primär mit der inneren Struktur des neuen Glaubens zusammen (Kol 3,II; Gal 3,27t). Denn allein die Versammlung in den Oikosstrukturen eines Privathauses bedeutete nicht automatisch die versöhnte Vielfalt einer HG236 • Die paulinische Verkündigung des Gekreuzigten, und damit zugleich seine Rechtfertigungspredigt, war von Anfang an auf soziale Gestaltwerdung und nicht bloß auf die religöse Selbstverwirklichung des einzelnen angelegr2 37 • Nlan kann sogar fragen, ob die paulinische Auffassung von Kirche für die soziale Verwirklichung der Gemeinde nach dem Oikos-Modell nicht nur offen m , sondern ob eine solche Gemeindestruktur nicht schon von vornherein eine Konsequenz seiner Verkündigung war 239 • Auf jeden Fall ist zu sagen, daß die Verfasser des Kol und Eph die O.g. Konsequenz gezogen haben (s. S. 433ft). Man kann wenigstens von einer relativen Kontinuität zwischen der Kol-HT und den paulinischen HGn reden, relativ, weil die HT eine Möglichkeit der geschichtlichen Realisierung des ursprünglich Angelegten darstellt, nicht aber die notwendige und allein mÖgliche gewesen ist'(s. ll.). In der zweiten Phase der christlichen Mission flickt "ein wenn auch wichtiger Nebenzug der ersten Phase, die . Frage der Sozialstruktur OlKO"; nach vorne"240. Die Entscheidung für die Oikosstruktur hatte auch einige positive Konsequenzen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Gemeinde und Gesellschaft. Der antike Oikos spiegelte die damalige ständische Ordnung wider, die verschiedene soziale Schichten umfaßte. Mit der Entscheidung für die otKo,,;-Ordnung entsprach die HG strukturell der antiken Gesellschaft. Die Christenheit hat sich damit nicht. ein-
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In den Hausmitden trafen sich ausschließlich Männer, die collegia schlossen meist Angehörige derselben sozialen Schicht zusammen. Bei Haussynagogen war die Zusammensetzung etwas mehr variiert, aber auch dort gab es die Tendenz zu landsmannschaftlichen und berufsgebundenen Vereinigungen, was immer auch ein ausschließendes Moment beinhaltete. Vgl. D. Lührmann, Nt!. Haustafeln, 93. Vgl. die schon bei Paulus hervortretende Oikos-Begrifflichkeit und unseren Exkurs zum Zusammenhang Leib Christi und Familie Gottes bei Paulus (s. S. 286. Dort haben wir gezeigt, Jaß für Paulus OWf.tU XPL0'1:0Ü und familia Dei zusammengehören). Vgl. auch die Arbeit von P. Vielhauer, 'Oikodome', 1979; 1. Kitzberger, Bau der Gemeinde, 1986. So z.ß. D. Lührmaun, Nd. Haustafeln, 93. D. Lührmann, Nt!. Haustafeln, 96.
Das Weiterwirken von Oikos-Struktu1'en
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seltlg oder gar isoliert in bestimmten Schichten angesiedelr2 41 , In diesem Zusammenhang betont J. Dunn: " ... it also had the bonus of demonstrating the good citizenship of the young churches, fascilitating communication with the rest of society, and making possible an apologetic and evangelistic impact which should not be discounted"242. Dies wirkte sich nicht nur für die Ausbreitung der christlichen Botschaft positiv aus. Die HG ermöglichte mit dieser Entscheidung Kontinuität, Dauer und Tradition. Durch ihren Anschluß an die oIKo~-Struktur wurde die Gemeinde überlebensfähig, indem sie die Möglichkeit des Generationsübergangs bekam243 • Im nachhinein wissen wir, daß die hier verfolgte Entwicklung diejenige war, der die Zukunft gehörte 244 • Diese Sicht ist allerdings von einigen Forschern in Frage gestellt worden. V.a. G. Schöllgen hat an dem Ansatz von F. Laub Kritik geübt, daß das Oikos-Modell "zu einem grimdlegenden Interpretament der gesamten frühen Kirchengeschichte avanciert" sei 245 • Auch wenn Schöllgen eingestehen muß, daß der Ansatz von Laub und anderen 246 eine fast zwingende innere Logik hinsi~htlich der frühchristlichen Gemeindeentwicklung besitzt, indem hier mit der Orientierung am· Oikos eine Gesamtschau gefunden wurde, die theologische und sozio-historische Erklärungsmuster verbindet, findet er die
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Vg!. W. Popkes, "Die HGil im Urchristentum", ThG 5-6 (1982), IIf.12j P. Pokorny, Kol, 1987, In-80. Co I, 245. Vgl. D. Liihrmann, Nt!. Haustafeln, NTS 27 (1980/81), 93f, ihm folgend W. Popkes, Forschungshinweis, ThG 5-6 (1982), 12. Dies ist bes. deutlich im Eph-HT und dann erst recht in den Pasroralbriefen (5. u.). Formgeschichtlich ist zu sagen, daß das Haustafelschema ziemlich rasch (im 2. ]h. n.Chr.) wieder verschwunden ist (vgl. H.]. Klauck, HG, 47). Das heißt aber nicht, daß sozialethische Skrupel die HT-Tradition schließlich als unerträglich empfunden hätten. "Inhaltlich und intentional wirkt diese Ethik aber sicher weiter" (F. Laub, Begegnung, 89), und das in Gesellschaft und Kirche bis in die Neuzeit hinein (vgl. 0. Brunner, Das "ganze Haus" und die alteuropäische "Oikonomik", 1956, 38j ihm folgend F. Laub, Haus- und Gemeinde-Tafelparänese, 257). Auch die Oikos-Strukturen blieben in den ersten 3 .Ih. für die Organisation der HGn von Bedeutung, erst mit der konstantinischen Wende änderte sich dies (5. O. unseren Forschungsbericht). Durch die Ekklesiolgie Augustins hat der Gedanke vom Hause Gottes eine noch weitere Wirkungsgeschichte. Vgl. J. Ratzinger, Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche, 1954,159-187. Hausgemeinden, 74-90 v.a. 76j ihm folgend U. Wagener, Ordnung, 36ff. S. o. Kap. IV unsere Ausführungen zu Klauck, HG, 21-81; Dassmann, Entstehung, 74ffj Dassmann, HG, 82ff, Vogler, HG, 78 5Ef diesbzgl.
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Hausgemeinde und Mission
These Laubs von der Oikos-Kirche nicht überzeugend. Nach Schöllgen habe die frühe Kirche keineswegs die antike Hausgemeinschaft "als prägendes Modell ihrer Ekklesiologie, ihres Gemeindeaufbaus und der sozialen Beziehungen der Gläubigen untereinander übernommen "247. Für ihn gibt es nur die Alternative: Einerseits haben wir die unbestreitbare Tatsache der Gemeindetreffen in Privathäusern, die aber lediglich eine Feststellung rein technischer Art darstellt oder andererseits die Folgerung daraus, daß "die Wahl des Versammlungslokals das Selbstverständnis und die Organisationsform der Gemeinden in der Weise geprägt" hat, daß der antike Oikos als Leitbild der Ekklesiologie gesehen werden kann248 • Allerdings stützt sich SchölIgen in seiner Position teilweise auf Annahmen von M. Gielen, die nicht überzeugen können (s. S.275). Das Hauptgewicht der Beweisführung Schöllgens liegt jedoch in der Überprüfung der Oikos-Metaphorik im Kontext ekklesiologischer Aussagen im Neuen Testament. Er kommt zu dem Schluß, daß für die ersten bei den christlichen Generationen Quellenbelege für die gedankliche Ausrichtung der Gemeindeorganisation am Oikos-Modell fehlen 249 • Bei· Paulus seien Haus- und Familienmetaphern zwar sehr häufig, aber. sie hätten keine Funktion als ekklesiologische Leitbilder. Sie dienten lediglich dazu, Einzelaspekte des Gottesverhältnises oder Verhältnisse der Gemeindeglieder untereinander zu bestimmen. Auch die HTn seien kein Beleg für ein Selbstverständnis der Gemeinden als "OikosKirchen", denn sie wollten Familienstrukturen regeln, hätten aber die Ordnung der Gemeinde nicht in Blick. Außerdem verwendeten sie das üikos-Vokabular nicht bildhaft. Eine Oikos-Ekklesiologie sei erst in der dritten Generation in den Pastoral briefen mit ihrem Leitbild OlKOS; emu belegt. Dazu läJSt sich folgendes sagen: SchölIgen hat sicherlich recht mit der Feststellung, daß eine Oikos-Ekklesiologie erst mit den Past eindeutig belegt ist. Daß für Paulus der Leib Christi und nicht der antike üikos das entscheidende Leitbild seiner Ekklesiologie darstellt,
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Hausgemeinde, 76. Hausgemeinde, 80. Schöllgen will die faktische Bedeutung bekehrter Familien für die frühchristliche Mission nicht bestreiten; es sei nur nicht zu belegen, daß "sich die wachsende GemeinJe dann als stete Erweiterung dieser Familie begriffen (Hervorbebung= RG) hat" (ebd, HGn, 80).
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
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wollen wir nicht bestreiten250 . Aber zwischen einer Schlüsselrolle und einer Feststellung rein technischer Art gibt es eine breite Palette von Zwischenmöglichkeiten. Es ist keineswegs ausgemacht, daß Familienmetaphorik im pauJinischen Kirchenverständnis eine völlig untergeordnete Rolle spielte. Wir haben gezeigt, daß für PauJus der LeibChristi-Gedanke und das Bild der Familie Gottes zusammengehören (s. Exkurs S. 286). Die in der Antike weitverbreitete hellenistische Auffassung, daß otKoc;-Strukturen als Modell für das öffentliche Leben in der n6Al~ dienen, kann in der frühchristlichen Mission schon sehr früh den Denkschritt vorbereitet haben, die familäre Oikosethik, wie sie uns zuerst in der Kol-HT begegnet, auch auf das Gemeindeleben und die Gemeindestrukturen auszuweiten. Es ist eine communis opinio in der Forschung, daß die Kol-HT ein Traditionsstück darstellt, d.h., daß sie schon sehr viel früher im Umlauf war und als Grundlage für eine solche EntwicHu·ng hätte dienen können. Die HTn haben zwar Familienstrukturen im Blick, sie regeln aber auch Familienstrukturen für die Gesamtgemeinde. Dies gilt spätestens für die Eph-HT, die ebenfalls ein Beleg dafür ist, daß Oikosordnungen sich zur Gemeindeordnung entwickelten. Es stimmt auch nicht, daß Oikos-Vokabular nicht metaphorisch im ekklesiologisehen Zusammenhang verwendet wird (vgl. Eph 2,r9-24; 4,r2.16 - s. Anm. 233). Vor allem aber kann Schöllgen kein alternatives Modell anbieten251 .
4. Hausgemeinde> Ortsgemeinde und Gemeindeordnung in Kai und Eph An dieser Stelle bietet es sich an, wieder einen Blick auf den Bezug zwischen Gesarri.tgemeinde und EinzeJgemeinde zu werfen. Auch im KaI findet sich f:KKA1w(a als Bezeichnung der Einzelgemeinde (vgl. KoI4,r5) sowie der Gesamtgemeinde (vgl. Kol r,r8; 4,r6 - s. S. 282). Daraus läßt sich schließen, daß der Kol "mit der Existenz unterschiedlicher Versammlungsformen rechnet und diese gleichermaßen als Kirche Gottes anerkennt"252. Wie bei den unumstrittenen Paulusbriefen ist ein gesamtkircbliches Verständnis im Werden (vgl. 150 Hausgemeinde, 251 252
77. Das tut auch D. Lührmann, Haustafeln, 93 nicht. Er will lediglich sagen, daß die pln. Ekklesiologie für diese Entwicklung offen war. Er lehnt die These, antike Vereine dienten als Modelle christlicher Gemeindeorganisution, ab (ebd., HGn, 74f). 1- Raloff, Kirche im NT, 23 L
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Hausgemeinde und Mission
Kai 4, r 6: Apostelbriefe werden ausgetauscht; 4,10-14: Bitte um Übermittlung von Grüßen und Informationen durch interne Vorgänge), wenn auch keine institutionellen Ordnungsstrukturen bzw. gesamtkirchlichen Ämter genannt werden253 • Beim Eph sieht es etwas anders aus. Dort wird der Begriff eKKA110tu ausschließlich für die ortsübergreifende, universale Kirche reserviert - niemals aber für die örtliche Zusammenkunft der Christen verwendet. Im Eph werden gesamtkirchliche Ordnungsstrukturen deutlich (vgl. Eph 4,7-r6), wenn der Brief auch an der konkreten Gestaltung von verfassungsmäßigen Ordnungen relativ uninteressiert zu sein scheinr254 • Charakteristisch für diese bei den Schriften sind einige grundsätzliche Aussagen über das Wesen der Kirche. Die bei den Briefe stellen ein enges Verhältnis zwischen Christus und der Kirche her; damit wird Christologie aufs engste mit Ekklesiologie verbunden 255 • Die traditionsgeschichtliche Ausgangsbasis dafür bildet die paulinische Vorstellung von der Kirche als Leib Christi (rKor 12,27; Röm 12,5). Die Beziehung zwischen Christus und der Kirche wird einerseits so bestimmt, daß Ch:ristusun~ittelbar mit dem Leib, d.h. mit der Kirche, identifiziert wird (vgl. Kai 1,24), andererseits so, daß Christus als Haupt der Kirche dargestellt wird (Kai 1,17f; 2,19; Eph 1,22; 4,15; 5,23)256. In all diesen Fällen ist mit dem Begriff "Kirche" nicht mehr die Einzelgemeinde, sondern die Gesamtkirche, teils im universalen Sinne als ganzheitliche, weltweite Größe gemeint (vgl. auch Eph 3,ro.21; 4,4ff; 5,22.25.27.32). Dennoch ist zu sagen, daß auch z.Z. des Kai und des Eph überall dort, wo diese eine Kirche war, ihre Glieder sich in Häusern getroffen haben, also in einzelnen HGn, seien sie Einzel- oder Ortsgemeinden. Gerade dort, in diesen kleinen Gruppen, sollen Juden und Heiden, Herren und Sklaven als eine Einheit in Christus leben (vgl. KoI3,II; Eph 2,II-20; 4,1-3). Mit der Kol-HT begegnet zum ersten Mal ein Modell, daß als Ordnung innerhalb einer christlichen Hausgemeinschaft verstanden
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Aus der Nichterwähnung der kirchlichen Amter wird man kaum auf deren völliges Fehlen schließen dürfen (mit Roloff, ebd.; gegen E. Lohse, Christusherrschaft, 1973, 274). Vgl. immerhin Kol 4,I7: Archippos als Träger einer ÖLUI(Ov(a, der wohl in mehreren Gemeinden als Lehrer tätig war. Vgl. J. RoloH, Kirche im NT, 246. Vgl. J. Roloff, EWNT I, Art. eKKA1l0ta, Sp. I007ff. Vgl. J. Roloff, Kirche, 227-231 für eine Besprechung des kosmischen Be2ugs der Ekklesiologie im Kol.
Das Weitertuirken von Oikos-Strukturen
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werden will 257 • Als Oikosordnung ist die HT aber nicht nur für eine, sondern vielmehr für alle christlichen Familien gedacht. Eigentlich gilt es schon bei der Kol-HT nicht mehr, daß man in verschiedenen HGn andere Ordnungen hätte gelten lassen können, denn dort wird immer wieder die "Ihr"-Anrede verwendet. Die Adressaten werden immer in der !vlehrzahl angeredet, wie das der Zusammensetzung der Gesamtgemeinde entspricht258 • Damit ist nicht nur eine einzelne Hausgemeinschaft, sondern es sind alle Gemeindeglieder, alle Hausgemeinschaften gemeint. Es wird offensichtlich erwartet, daß alle christlichen Oikoi in diesem Rahmen bleiben. Spätestens nachdem die Anzahl der Christen an einern Ort gewachsen ist und die Gesamtgemeinde En1. "Co Cl.lh6 zusammenkommt, wird es nötig gewesen sein, daß man eine gemeinsame Regelung in solchen Fragen findet. Denn ab diesem Zeitpunkt geht es nicht mehr, daß eine HG es so macht und eine andere HG ganz anders. Bei der Eph-HT gilt dies erst recht. Erstens: Die "Ihr"-Anrede deutet ebenso wie die Überschrift der Eph-HT in Eph 5,21 in die gleiche Rtchtung. Ep,h 5,21 ist an alle Gemeindeglieder gerichtet, wie die maskulinische Partizip-Form unO'tCl.aaO/lEVQL zeigt. Zweitens ist die Ausweitung der HT in Eph gegenüber der Kol-HT ein Hinweis dafür, daß die Frage nach der Oikosordnung ein fundamentales Problem war, das sich nicht nur mit einem Kurztext wie in Kol behandeln ließ. Die HT wird ausgestaltet, so daß ein grundsätzliches Verhaltensmuster sichtbar wird. Die Kol-HT hat offensichtlich so eingeleuchtet, daß man in der Eph-HT diese Ordnung nicht nur für die einzelnen Oikoi, sondern auch für die Gemeinde insgesamt bindend machen wollte. Hier gilt die Oikosordnung für alle Hausbesitzer, alle Frauen, alle Kinder und alle Sklaven. Deswegen dürfte es gestattet sein, von einer" Gemeindetafel " zu sprechen. Kann man hier auch schon von einer Gemeindeordnung sprechen? Das Ergebnis unserer bisherigen Untersuchung der Bedeutung der
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Hier ·ist allerdings H.J. Klauck, HG, 47 zuzustimmen, daß der Appellcharakter der Kol-HT nicht nur auf den einzelnen chdstlichen Haushalt als solchen abzielt, "sondern auf die jeweiligen Stände, die sich horizontal durch alle Häuser hindurchziehen". Sie gelten sowohl für den christlichen Oikos als Ganzes als auch für das Verhalten der Christen (Herren, Frauen, Sklaven, Kinder) in einem Haushalt, der nicht allein aus Christen besteht (so auch K.H. Rengstorf, M.ahnungen, 137; ihm folgend D, Lührmann, Haustafeln, 94, Anm. 60; anders D. Schroeder, Haustafeln, 88f). So auch F. Laub, Hintergrund, 262.
Hausgemeinde und Mission
HGn in der frühchristlichen Mission gibt Anlaß zur Annahme, daß in den HTn Oikosstrukturen auf die Gemeindeordnung eingewirkt haben. D.C. Verner weist allerdings darauf hin, daß der Vergleich zwischen häuslicher und gemeindlicher Struktur in Eph und Past in genau umgekehrter Richtung gezogen wird 259 . Demnach würde in der Eph-HT die Kirche ein konzeptionelles Modell für die Struktur der Familie bilden (Eph 5,22f). Auch für M. Barth wird hier Christus beschrieben als "the model and cause of the action and attitude expected ... , rather than mere exemplification"26o, also ähnlich wie für Verner. Aus diesem Grund würde es sich empfehlen, in der Eph-HT noch keine direkte Ableitung einer Gemeindeordnung von den Oikosstrukturen zu postulieren. Allerdings muß der Hinweis von D.C. Verner nicht unbedingt als Alternative, sondern kann genauso gut als komplementäre Argumentation verstanden werden. So schreibt J. Gnilka: "Beides wird also geboten, Ehebelehrung und Belehrung über das Mysterium der Kirche, und zwar in unzertrennlicher Mischung. Beides erhellt sich gegenseitig. Die Kirche besitzt in der Ehe ihr Bild. ,,261 V.a. in Eph 5,3 lE scheint die Ehe ein Modell der Beziehung Christus und Kirche zu bilden262 • . Weiter ist zu bedenken, daß in Eph die Gemeinde als Tempel Gottes bzw. in den Begriffen der architektonischen Oikossprache als das Haus Gottes, also mit dem Ehrentitel für den Tempel, beschrieben wird 263 • Gerade 4,12.16 ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die architektonische Bildreihe mit dem paulinischen Konzept von der Gemeinde als dem Leib Christi verschmolzen wird 264 • In Eph 2,192.2 ist eine Fülle der Verknüpfungen festzustellen: "Ihr. seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen 265 Gottes, aulerbaut auf 259 Household,
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182, Anm. r84: "The author of the Pasrorals, .... conceprualizes the church as a grear household ... in the Ephesian Hcltlstafel the reverse process has occurred, i.e., the household'relationship of husband and wife has been conceprualized on the model of Christ and the church (Eph 5,22ff)". Eph,6q.635. Eph, 274. Vgl. auch./. Roloff, Kirche im NT, 236. Allerdings ist auch dies umstritten. Vgl. R. Schnacken burg, Eph, 259ff. Vgl. auch H.]. Klauck, HG, 64ff, der auf eine architektonische und eine familiäre Metaphorisierung des Oikos-Gedankens im NT hinweist. Für den Eph hat sich eine solche metaphorisierende Übertragung schon in den unumstrittenen Paulusbriefen angebahnt (vgl. rKor 3,16; 6,19 mit 3,9 "ihr seid Gottes Bauwerk" OiKOÖO~l1i; vgl. auch Gal 6,10). Vgl. auch P. Vielhauer, Oikodome, 53-144; J. Pfammatter, Kirche, 5-139; 1. Kitzberger, Bau der Gemeinde, 34-157. So auch P. Stuhlmacher, Kirche nach dem NT, ThBeitr 6 (1995), 313.
Das Weiterwirken
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Oikos-Stntkturen
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der Heiligen und Hausgenassen 265 Gottes, auferbaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten mit Jesus Christus, ... durch den das ganze Bauwerk zusammengehalten wird und zu, e'inem heiligen Tempel im Herrn heranwächst, durch den auch ihr mit eingebaut werdet in die geistige Wahnstatt Gottes. ,,266 Zu Recht betont H.]. Klauck: "Solche theologischen Modelle sind deshalb gewiß nicht primär von der Hausgemeinde her oder auf sie hin entworfen. Aber es ist auf der anderen Seite kaum ohne jede Bedeutung, daß für die theologische Erfassung und Beschreibung von Gemeinden, die sich konkret fast ausschließlich in Häusern trafen, so oft Bilder aus dem Hausbau verwendet werden. ,,267 Es ist ebenfalls nicht ohne jede Bedeutung, daß diese Verwendung sich im Eph findet, einem Brief, der in seiner HT die familiäre Oikossprache in enge Verbindung mit der Kirche bringt. Wenn die Gemeinde metaphorisch gesprochen der Tempel Gottes bzw. das Haus Gottes ist, liegt es nahe, sie im bildliehen Sinne ebenfalls als Familie Christi zu verstehen 268 • Vieles scheint also dafür zu sprechen, die HT im Eph als Gemeindeordnung zu verstehen 269 , auch wenn dies sprachlich noch nicht ganz realisiert ist. Auf jeden Fall kann gesagt werden: Das Modell oLKOC; gleich OiKOC; 8EaU deutet sich im Eph schon an (vgl. rTim 3,r5)· J. Dunn bringt es auf den Punkt: " ... the model of the weil-run household provided precedent for the weil-run church ... ,,270 In einem nächsten Schritt gehen wir auf die weitere Entwicklung dieses Gedankens in den Pastoral briefen ein.
C) Christliche Oikos-, Gemeinde- und Leitungsstrukturen in den Pastoralbriefen Selbst von Vertretern einer direkten oder indirekten paulinischen Verfasserschaft werden die Pastoral briefe als Zeugnisse für den
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Zum Begriff "Hausgenossen" als Engel, Vertreter der himmlischen Gemeinde, vgl. Roloff, Kirche im NT, 2.39, Anm. 41. Übersetzung und Hervorhebung bei H.]. Klauck, HG, 65. Klauck, ebd., 66. Vgl. J. Roloff, Kirche im NT, 2.39: Zu Eph 2,19-2.2. schreibt er: "Wer in sie [die Kirche, wie sie in 2.,19-2.2 beschrieben wird] aufgenommen wird, tritt heraus aus der bisherigen Heimatlosigkeit ... , um Bürgerrecht in der Familie Gottes zu gewinnen" [Hervorhebung= RG]. So P. Stuhlmacher, Kirche nach dem NT, 313. .J. Dunn, Col, 245·
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Hausgemeinde und Mission
Übergang zu einer späteren Konsolidierungsphase der paulinischen Gemeinden angesehen271 • Umgekehrt rechnen fast alle Vertreter der Pseudepigraphie mit der Weiterwirkung yon paulinischer Theologie und Praxis in den Pasr2 72 • Unser Hauptinteresse gilt der Frage nach dem "household setting" der Pastoral briefe. Hier ist zu fragen, ob die Beachtung des Oikos-Zusammenhangs, der bis hierhin für die ganze christliche Mission yon großer Bedeutung gewesen ist, auch zum besseren Verständnis der Past beitragen kann und sogar Licht auf einige Aspekte dieser Briefe wirft, die bislang in der Forschung weitgehend unbeachtet geblieben sind. I.
Oikosordl1ul1g als Ge'f1teil1deordnul1g
Wie im Eph ist auch in den Past das Verständnis der Kirche das Hauptthema. Das eigentliche Interesse des Verfassers ist aber ein paränetisches, nämlich daß die Gemei,nde weiß, "wie man sich im Haus Gottes verhalten muß, welches ist die Kirche des lebendigen Gottes, Säule und Fundament der Wahrheit" (ITim 3·,IS). Auch die paränetischen Anweisungen lassen ein klares ekklesiologisches Bild erkennen, und zwar das Bild,yon der Oikoskirche273 • Aufgrund dessen hat man ITim 3,15 mit Recht zur zentralen ekldesiologischen Stelle der drei Briefe erklärt274 • Hier ist etwas anders als in Eph 275 OlKOC; BEaU nicht nur metaphorisch gemeint - in dem Sinn, daß damit das Verständnis der Gemeinde nur architektonisch bzw. soziologisch als Haus Gottes yorgestellt wird. Die Gemeinde wird vielmehr über die bildliche Bedeutung hinaus auch in ihrer konkreten Ordnung. und Struktur yon der Vorstellung als Hausgemeinschaft geprägt, wobei
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Vgl. J. Jeremias, G. Holtz, C. Spicq, E.E. Ellis, G. Fee, 1.2. Tim, 1988; M. Prior, Paul the Letter Writer, 1989 (wenigstens 2.Tim); G.W. Knight, Past, 1992; P.H. Towner, 1-2 Tim u. Tit, 1994. . Vgl. z,B. A.T. Hanson; DibeliusfConzelmann; N. Brox; J. Roloff; L. Oberlinner, Past, 1994. Für eine ausführliche Diskussion und Auflistung der Forscher pro und contra genuiner pln. Verfasserschaft vgl. W.G. Kümmel, Einleitung, 327. Vgl. neben rTim 2.,r-.r5: Verhaltensregeln für den Gottesdienst auch 1Tim 5,I22; Tit 2,1-15: Ordnungen für das Gemeindeleben; ITim 3,1-13; 4,rr-I6; Tit r,5-9: Anweisungen für Leitungsstrukturen der Gemeinde; 2.Tim 2.,14-3,9; Tit 3,8-11: Weisung zum Umgang mit Irrlehrern in der Gemeinde; 1Tim 6,1.Of; 2.Tim I,II-I4: t.-1ahnung zum rechten Umgang mit der apostolischen Lehre. N. Brox, Past, 157; ihm folgend H.], Klauck, HG, 67. So auch D.C. Verner, Household, 127;]. Roloff, Kirche im NT, 2.53. Vgl. Eph 2.,I9; auch Gal 6,10 (s.o.).
Das Wleiterwil'ken von Oikos-Struktul'en
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"Haus" soziologisch im Sinne des antiken Oikos verstanden wird276 • Die Gemeinde ist wirklich Hausgemeinschaft bzw. Familie Gottes 277 • "Haus bzw. Familie Gottes" bildet so gesehen das M~dell für das verantwortliche Verhalten278 , die Gemeindeordnung und Leitungsstruktur und damit das zentrale Leitbild zum Selbstverständnis der Gemeinde 279 • Vieles spricht für diese Sicht. Zunächst einmal deuten zahlreiche terminologische Parallelen zwischen Haus und Gemeinde dies an 280 • Daß diese Parallelitäten nicht zufälliger Art sind, zeigt die Beobachtung, daß in den Past auch sachliche und sprachliche Übereinstimmungen zwischen Aussagen über Haus und Familie auf der einen Seite und Aussagen über gemeindliche Ordnungsstrukturen auf der anderen Seite zu konstatieren sind (vgl. die Tugend- und Lasterka-
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Für den Nachweis vgl. D.C. Verner, Household, 27-180; H. v. Lips, Gemeinde, 96f.121-I50; ihm folgend H..J. Klauck,HG, 66ff; ihnen folgend R.A. Campbell, Elders, 194ff; vgl. auch D. LührmauJI, Haustafeln, 83-97; F. Laub; Hintergrund, 249-271; E. Dassmann, Hausgemeinde, 96: Die Vorstellung der bezeichneten Sache prägt mit - "OtKO<; bleibt als Bezeichnung für die Gemeinde nicht im Bereich der Metaphorik, sondern ist beteiligt an der Ausformung kirchlicher Strukturen". Vgl. ]. RoloH, Kirche, 253f, der, ohne dies in Abrede zu stellen, auch darauf aufmerksam macht, daß hier altertümliche judenchristliche Terminologie für den Tempel anklingt. Vgl. 2Kor 6,16: "Tempel des lebendigen Gottes" mit den Wendungen "Kirche des lebendigen Gottes" und "Säule und Fundament der Wahrheit". Vgl. Kritik an dieser Sicht bei A. Weiser, Kirche in den Past, BiKi 46 (1991), lIIfj vgl. allgemein zu "Haus Gottes" im NT O. Michel, ThWNT V, 128ff. So die meisten Ausleger heute - die Auflistung bei H. v. Lips, Gemeinde, 97, Anm.17· Vgl. W. Popkes, Paränese, 98. Dies wird inzwischen von vielen Forschern gesehen. Vgl. z.B. O. Michel, ThWNT V, I954, 128-131j H. v. Lips, Gemeinde, 142f; D. Lührmann, Haustafeln, 95: "Aus den Haustafeln werden Gemeindeordnungen"; H.J. Klauck, HG, 1981,67; D.C. Verner, Household, 1983, 83-IILI27j E. Dassmann, Hausgemeinde, 1984, 95f: er spricht von einer "otKo<;-Ekklesiologie"; J. Roloff, Kirche im NT, 253: Er kann hier von der ältesten Kirchenordnung überhaupt sprechen (ebd., 250); U. Wagen er, Ordnung, 1994, 61-65; R.A. Campbell, Elders, 1994, 194Vgl. H. v. Lips, Gemeinde, 122. Zu beachten sind z.B. r. die parallele Verwendung von npolO'taVat im eigenen Haus und in der Gemeinde (vgl. ITim 3,4f.I2 mit 5,17); 2. llLÖ!icrKELV wird mit aUOEYtEtV (= herrschen) parallelisiert (rTim 2,12). Die Sklaven werden ermahnt, ihre Herren nicht zu verachten (ITim 6,2), und von der Gemeinde ihrem Amtsträger gegenüber wird das gleiche verlangt (rTim 4,12; Tit 2,15). Vom Sklaven wird gefordert, gegenüber seinem Herrn (ÖEO'nO'tll~) EuapLO'to~ zu sein (Tit 2,9). Entsprechend wird vom einzelnen Christen Gott gegenüber erwartet: EÜXPllO'tO~ 't
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Hausgemeinde und Mission
taloge, Pflichtenlehren und Mahnungen zu Verhaltensweisen der einzelnen Personengruppen der Past28 ]). l\Ilan werfe z.B. einen Blick auf die Amtsbezeichnungen der Past: Ältester, Aufseher, Diener bzw. auf ihre Tätigkeiten: npolm:ua8m (= vorstehen: ITim 3,5; 5,17), em~lEJ...Etaem (= umsorgen: rTim 3,5), nupuyyeJ...J...ELv (::: anordnen: rTim 1,3; 4,1l; 5,7; 6,13.r7), eJ...eYXELv (= zurechtweisen: Tit 2,15) und verschiedene Begriffe für "belehren" und "erziehen" (vgl. z.B. 2Tim 3,16; Tit 2,llf). Das sind alles Ausdrücke, die dem antiken üikos entnommen wurden und dort namentlich mit der Aufgabe des Hausvaters und Erziehers verbunden sind 282 • Dementsprechend ist es die Pflicht der einfachen Gemeindeglieder , zu "lernen" und "sich unterzuordnen" (vgl. z.B. rTim 2,llf; 4,Il-r6; zTim 2,14; 3,7.r4·r6f; Tit 3,14). Das ürdnungsgefüge der Gemeinde ist auch hinsichtlich der Gruppierung ihrer Glieder weitgehend am antiken üikos orientiert so werden Regeln für Männer/Frauen, Alte/Junge, Herren und Sklaven sowie Witwen aufgestellt (s. Anm. 28r). Jeder soll sich so verhalten, wie es den allgemeinen gesellschaftlichen üikosnormen für die jeweiligen Gruppen entspr"icht. Im Vergleich zu den Kol- und Eph-HTn kommt es zu einigen bemerkenswerten Akzentverschiebungen. Die Personengruppen des Hauses werden nicht mehr paarweise angeredet und in ihrer gegenseitigen Verantwortung ermahnt, sondern als Stände der Gemeinde neben anderen gemeindespezifischen Personen und Gruppen wie Aufseher, Älteste, Diakone usw. angeredet. Gegenüber der HT sind die Regeln der Past eindeutig weitergefaßt, und zwar auf die ganze Gemeinde hin. So ist auch zu erkennen, daß wir es hier mit einer Gemeindetafel (als Topos verstanden - v. Lips) bzw. Gemeindeordnung zu tun haben. Die Bezeichnung der Kirche als OtKO~ 8EOU ist also ganz wörtlich zu verstehen. Mit dem Bild vom Haus verbindet sich die Vorstellung
281 Für den Einzelnachweis vgl. H. v. Lips, Gemeinde, 123-138. Er untersucht folgende Texte: r) Tugend- und Lasterkataloge: rTim 1,9f; 2,2; 6,4ff; 2Tim 2,21; 3,2ff; Tit l,roff; 2,12; 3,1-3. 2) Verhalten einzelner Personengruppen: 1Tim 2,8ff; 3,4.11; 5,lIEf; 6, I f. 17f; Tit 1,6; 2,2-6.9f. 3) Eigenschaften und Verhalten der Amtsträger: ITim 1,12.; 3,2ff.8ff; 4,12; 5,1-3ff.I7; Tit r,5f.7f; 2,7; 2Tim 2,2.24. Ihm folgend H.J. Klauck, HG, 67. 282 Vgl. H v. Lips, Gemeinde, 130-142; ihm folgend H.]. Klauck, HG, 67.
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der (ami/ia Dei283 • Wenn die Gemeinde als Haus Gottes verstanden wird, ist es folgerichtig, einen pater (amilias an ihrer Spitze zu haben, Gott selbsr2 84 . In 2 Tim 2,2of werden die Glieder der Gemeinde wie Gefäße in einem großen Haus (~tEYaA.l1 OiKta)285 beschrieben. Gott wird OEOJto-t11t; (= Hausherr: 2 Tim 2,21) genannt. Er hat wiederum einen OiKov6~oC; (= Hausverwalter: Tit 1,7)286, einen örtlichen Gemeindeleiter (btt<JKoJtoC; = Aufseher) eingesetzt. Dieser Aufseher soll in der Gemeinde Gottes (eKKA.11o(a 8EOU) die Funktion eines Hausvaters ausüben (1Tim 3,5), indem er vorsteht287, anordnet, zurechtweist usw. (s.o.). Daß er die Fähigkeit dazu hat, soll er schon in seinem eigenen Oikos bewiesen haben (ITim 3,4)288. Daß hier eine Analogie zwischen der Funktion des Hausvaters und der des gemeindlichen Amtsträgers gezogen werden kann, ist klar zu er kennen 289 . . Die wichtigste Funktion des Aufsehers als OiKov6~tot; BEOU wird in Tit 1,9 durch den ausdrücklichen Hinweis auf- seine Lehraufgabe präzisiert. J. RoloH stellt fest: "Hier wird die die Ekklesiologie der Past beherrschende Thematik von der Kirche als der (ami/ia Dei, deren Hausvater der Bischof ist, auf ihre tragende theologische Mitte hin transparent: Diese besteht nämlich in dem traditionellen, bereits bei Paulus nachweisbaren Motiv des Haushalterdienstes am Evangelium (I Kor 4,1) ... Die die OiKovol.tia des Bischofs bestimmende Norm ist die Lehre des Evangeliums; denn sie allein setzt ihn in-
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VgJ. auch J. Roloff, rTim, I78; ders., EWNT I, 1009: "Das Bild des Hauses geht fließend in das des Hauswesens über: Die Kirche ist (ami/ia dei." Anders O. Michel, ThWNTV, I29. So auch E. Dassmann, Hausgemeinde, 96. Vgl. J. Roloff, Kirche im NT, 259ff für seine Ausführung zu dieser Passage. Neben dem ekklesiologischen Gesichtspunkt, Kirche als geordnetes Hauswesen Gotces, kommt hier ein zweiter dazu, und zwar die Kirche als Institution. Vgl. O. Michel, ThWNTV, ISI-I53; H. Kuhli, EWNTII, 1981, I220. Hierzu B. Reicke, ThWNT VI 7°0-7°3; zu npotmaa8m s. S. 341. Es verbinden sich hier Komponenten der Fürsorge und des veranrworlichen Leicens in amtlicher Vollmacht, "wie schon aus der Verbindung von rrpoimavm mit OiKO~-Topos ersichtlich ist: npotmavaL ist nun das Ausüben der verantwortlichen Funktion des pater (ami/jas im Hauswesen der Kirche (3,4f.I2)" 0. Roloff, ITim, 307). Ähnliches wird auch von den Diakonen erwartet (ITim 3,12). 1. RoloH, EWNT T, 1009; ihm folgend L. Oberlinner, Past I, 124, Anm. 49. Vgl. auch F. Laub, Hintergrund, 263f; G. Schöllgen, Hausgemeinde, 89f.
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stand, ... das gemeinsame Leben der Kirche, des ihm anvertrauten Hauswesens Gottes, zu ordnen und zu gestalten. ,,290 Nach all dem, was wir bislang erarbeitet haben, scheint es berechtigt, mit E. Dassmann von einer otKoc;-Ekklesiologie in den Past zu sprechen (s. Anm. 279). An dieser Stelle kann nun gefragt werden, wie sich diese ekklesiologische Vorstellung mit der des Paulus in seinen unumstrittenen Briefen verhält. Wie wir gesehen haben, sind die Vorstellungen "Familie Gottes" bzw. "Haus Gottes" eindeutig ein wichtiger Teil des Kirchenverständnisses des Paulus (5. Exkurs S. 286). Denken wir v.a. an den Abschnitt 1Kor 3,10-17, der stark an die Kirchenmetaphorik der Past erinnerr291 • In den Past tritt aber eindeutig der Leibgedanke zurück. Vom aW~la XPLO"tOU ist explizit gar nicht mehr die Rede. Die Vorstellung der Kirche als Leib, in dem das Zusammenwirken der verschiedenen Glieder im Interesse des Ganzen betont und an Christus als dem Haupt des Leibes gedacht wird, legt eine andere. Struktur der Gemeinde nahe, als wenn sie nach dem Modell des OtKOC; konzipiert wird. Auch die Struktur des Leibes imp1iz~ert eine gewisse Rangordnung, ·v.a. hinsichtlich der Wichtigkeit der I:'unktionen. Auch das -aw~la hat nur eine KE<j>aÄll, und die muß bestimmen. Die Leibstruktur betont aber das Verhältnis der Gegenseitigkeit stärker. Allein vom Leibgedanken her gedacht, gibt es keine einlinig festgelegte Autoritätsstruktur, sondern dem jeweiligen Glied kommt Vollmacht zu, indem es seine Gabe wahrnimmt. Die' den Past zugrundeliegende Gemeindeordnung im Hause Gottes hat im Vergleich dazu feste, unumkehrbare Autoritätsstrukturen 292 • Im Eph kann der Leibgedanke mit der Hausvorstellung verbunden werden (s.o.). In 2Tim 2,19-22 geht es indirekt auch um Glieder der Gemeinde, freilich als Glieder eines Hauses und nicht als Glieder eines Leibes. Hier wird die Kirche ähnlich wie im Eph als eigenständige Größe verstanden. J. Roloff betont: "Nimmt man das über sie als Ordnungsgefüge, als bergender Raum und als beständiger Ort der Wahrheit Gesagte hinzu, so trägt die Kirche hier alle Züge der Institution. "293 Als Institution ist sie ganz in der Welt. Aber indem 290 291 292
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rTim, 17 8. Vgl. auch Lk 12,42-45. Vgl. A. Weiser, Kirche in den Past, BiKi 46 (1991), I II. VgJ. H. v. Lips, Gemeinde, 14 1ff. Kirche, 260; ihm folgend A. Weiser, Kirche in den Past, BiKi 46 (1991), IUf. Roloff betont zugleich, daß das noch kein Abfall gegenüber Paulus bedeuten muß, "denn bei Paulus hat die Kirche bereits institutionelle Züge" (ebd., 260). Eine Ill-
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die christliche Gemeinde sich aus der Welt nicht zurückiieht, behält sie erstens die Möglichkeit, die bleibende Gegenwart der Wahrheit Gottes der Welt gegenüber werbend zu bezeugen,294 und zweitens die Aussicht auf den Generationsübergang29S • Dennoch hat die Wirkungsgeschichte dieses Textes gezeigt, daß eine einseitige Betonung der ekklesiologischen Aussagen der Past unter mangelnder Berücksichtung von anderen wichtigen neutestamentlichen, v.a. paulinisehen Texte zur Überschreitung der kritischen Grenze hin zu einem kirchlichen Institutionalismus und zu einer Einschränkung der Freiheit aller Getauften in Christus geführt haf- 96 • Aus unserer Sicht ist dieses Hervortreten einer Oikossprache am besten von einem hausgemeindlichen Hintergrund her zu erklären, und zwar durch die Annahme, daß hier wieder die Privathäuser einiger wohlhabender Mitglieder der Gemeinde als Versammlungsräume dienten 297• Es ist nicht auszuschließen, daB im Einzelfall das Haus
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stitutionalisierung war "für die ihren eigenen Ursprung überdatlernde Kirche unumgänglich", und es ist gut so, daß die Past dies als ihre Aufgabe erkannt haben. Vgl. B. Holmberg, Power, I66f. Vgl. P. Stuhl macher, Kirche nach dem NT, I995, 313f;.I. Roloff, Kirche, 2.59. Vgl. D. Lührmann, Haustafeln, 83-97. VgI. P. Stuhlmacher, Kirche nach dem NT, 314; ders., Christliche Verantwortung, EvTheol2.8, 1968, 185f. So auch H.]. Klauck, HG, 66ff; E. Dassmann, Hausgemeinde, 1984, 82.-97 v.a. 85ft; H.O. Maier, Social Setting of the Ministry, 1991, 44ft; ihm folgend R.A. Camp bell, Elders, 194f. Anders Malherbe, Social Aspects, 98ff. Auch G. Schöllgen, Hausgemeinde, 84 meldet sich an dieser Stelle kritisch. ,,\'(10 und unter welcben Umständen sich die Lokalgemeinden versammeln, bleibt unklar. Für Hausgemeinden als Substruktur von Lokalgemeinden gibt es nicht den geringsten Hinweis." Schöllgen ist zunächst recht darin zu geben, daj~ si.ch keine direkten Belege in den Past selbst für ein Nebeneinander von HGn und Ortsgemeinde finden. Unten versuchen wir nachzuweisen, daß es mehrere indirekte Hinweise wenigstens für ein Nebeneinander von HGn gibt (vgI. z.B. rTim 3,.lE; 2Tim 3,6f; Tit 1,11 - s. Anm. 332). Das kann man zumindest für Ephesus zu diesem Zeitpunkt auch ohne direkte Hinweise dafür annehmen, denn in einer Stadt, iIl der Paulus so lange gewirkt hat, werden in der dritten Phase der Mission mehr Christen gelebt haben, als daß sie in ein einziges Haus gepaßt hätten. G. Schöllgen übersieht in diesem Zusammenhang auch die sozio-historischen und archäologischen Argumente. In der Forschung wird nämlich weitgehend angenommen, daß die ersten Christen sich in den ersten drei .Ihn. in HGn versammelt haben. Größere Versammlungsrällme wie die Halle des Tyrannlls (Apg 19,9) werden eher die Ausnahme darstellen. Vgl. W. Rordorf, Gottesdiensträume, IIo-r28; für den ausführlichen Nachweis vgl. nun L.M. White, The Social Origins oE Christian Architectllre, I-Ir, I996/r997.
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des Aufsehers selbst der Versammlungsort für die Gesamtgemeinde am Ort gewesen ist. Wahrscheinlicher ist es jedoch, daß uns an dieser Stelle Ortsgemeinden begegnen, die über den einzelnen Haushalt beträchtlich hinausgreifen 298 • Die Annahme einer hausgemeindlichen Situation wird durch die Beobachtung unterstützt, daß es Hinweise in den Past für die Existenz einiger wohlhabender Christen gibt299 • Die Anweisungen des Verfassers an die Sklaven (1Tim 6,2) impliziert, daß Mitglieder der Gemeinde so wohlhabend waren, um solche zu besitzen. Mahnungen wie ITim 2,9 an die Frauen, daß sie sich mit Anstand schmükken oder 6,9f an jene, die aus Geldgier vom Glauben abgeirrt sind, stellen Indizien für eine solche Schicht unter den Gemeindegliedern dar. Das gleiche wird wohl für 1Tim 6,I7ff gelten. V.a. 6,18 wird teilweise in der Spache des Patronats formuliert: Die Reichen sollen "Gutes tun, reich werden an guten Werken (ev epyoLS; KUAOiC;), gerne geben, behilflich sein ... " An anderer Stelle in den Past impliziert der Ausdruck KUAöv epyov auch materielle Hilfe (Tit 3,14), Vieles spricht dafür, daß einige der Leiter der Gemeinde einer gehobenen Schicht zuzuordnen sind 30o • Sie werden davor gewarnt, nicht geldgierig zu sein. Nun muß Geldgier nicht unbedingt Reichtum voraussetzen - sie kann auch ein Problem für ärmere Leute darstellen. Aber die Leiter sollen stattdessen
Vgl. H.]. Klauck, HG, 67. Vgl. C. 5picq, Pastorales, 42.4f; D.C. Verner, Houshold, 180-186; ausführlich bei R.M. Kidd, Wealth and Beneficence in the Past, 1990,75-109. So 2.B. D.R. MacDonald, The Legend and the Apostle, 1983, 7·If; W. Countryman, The Rieh Christian, 1980, 181, Anm. 42.. 50cial Setting, 46.
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begehrt wurden 302 . D.C. Verner stellt fest: "Whether or not this is in fact the case, the saying would fit very weIl in ta that context, because it reflects the general concept of public office that one commonly finds in the Hellenistic municipalities, namely, that office holding is a public service to be undertaken by the welJ-to-do. ,,303 Man hat mit Recht vermutet, daß das Profil des geeigneten Aufsehers in ITim 3,lff und Tit 1,Sf als gastfreundlicher pater familias beschrieben wird, der seine familiären Angelegenheiten im Griff haben sallte304 . Diese Annahme wird durch die Beobachtung unterstützt, daß ein Kriterium eines Aufsehers darin besteht, ein gutes Ansehen nach außen aufweisen zu müssen (lTim 3,7). Denn für eine Gemeinschaft, die um eine werbende Lebensführung bemüht ist 305 und öffentlichen Respekt wilJ 306 , ist ein solcher, in der städtischen Gesellschaft angesehener Hausvorstand, ein guter Kandidat für eine leitende Position. Damit wird zugleich auch ein potentieller Nachteil der HG deutlich. Wenn der Patron in der Stadt einen schlechten Ruf hat, wird das für seine ganze HG negative missionarische Folgen mit sich bringen. , Die Beschreibung der idealen Diakone in ITim 3,I2 als diejenigen, die nicht nur ihren Kindern, sondern auch ihren eigenen Häusern (Kat -rwv i6iwv OtKWV) gut vorstehen, schließt wohl auch eine Dienerschaft einJ07 • Der Sklavenbesitz ist ein Indiz dafür, diese Personen einer höheren sozialen Schicht zuzuordnen. Allerdings muß man betonen, daß eine relativ hohe soziale Stellung vom Verfasser nicht als eine zu erfüllende Bedingung für diese angehenden kirchlichen Amtsträger verstanden wird. Sie ist vielmehr nach D.C. Verner "a casual assumption he makes abaut them. Thus it is not the author's special program or prejudices that are reflected here, but the actual situation in the churches. He apparently accepts this situation without qllestion and pllrsues his own aims within it. ,d08 Es
302
303 304 305 306 307
J08
c.K. Barrett, Past, z. Sr.. HOllsehold, 151. Ihm folgend H.O. Maier, Social Setting, 45; R.A. Campbell, Elders, 195. W. Countryman, The Rich Christian, 167. Vgl. J. Roloff, Kirche im NT, 257. Vgl. P. Stuhlmacher, Kirche nach dem NT, 313. Mit G. Theigen, Soziale Schichtung, 247; G. Delling, Zur Taufe von "Häusern", NT 7 (1965), 285-311.294; ihnen folgend D.C. Verner, Household, 133; H.O Maier, Social Setting, 45. Household, 133.
Hausgemeinde und Mission
wäre ebenso falsch, aus dem Vorhergehenden zu schließen, dais es in den Gemeinden der Past neben dem Typus der Hausvorstände keine anderen Leiterschaftsmuster gab, ähnlich wie in der Urgemeinde zu Jerusalem und in der paulinischen Mission (s. S. I28ff und 22.off). Allerdings scheint dieses Oikos-Muster der Past für Leitungsstrukturen sich weitgehend durchgesetzt zu haben. H.O. Maier schreibt: " ... it is probable that such patrons carried out important administrative tasks which contributed to them prevailing over other possible patterns. The host who possessed the wealth and initiative to invite the church into his or her own horne had important leadership responsibilities, probably occasioned by the patronage he or she offered. "309 Die Art von Diensten, die die wohlhabenderen Mitglieder der Gemeinde leisten konnten, wird in 2Tim 1,16 (vgl. 4,19) sehr schön illustriert. Hier findet sich die Beschreibung der Aktivitäten eines gewissen Onesiphorus. Er und sein Haus sind als relativ wohlhabend dargestellt: Er wird dafür gerühmt, daß er Paulus oft (wohl gastfreundschaftlich) erquickt hat. Er ist fe~ner im Auftrag der Mission gereist· und hat Dienste in der Gemeinde in Ephesus geleistet: Das sind alles Indizien dafü~, daß er relativ gut situiert gewesen sein dürfte. Unabhängig davon, ob Onesiphorus eine geschichtliche Person gewesen ist oder nicht 3lO , ist H.O. Maier zuzustimmen "the description of hirn provides a window through which we can see the kinds of activities the well-to-do were probably expected to perform for the community "311. In den Past haben wir also Christen vor uns, die in einer heidnischen, städtischen Gesellschaft ein von Gott her in Christus vorbildlich geordnetes Hauswesen darstellen sollen. Sie sollen in ihren Familien und ihren HGn nach innen und nach augen ein Bild der Ordnung und ein Musterbeispiel von Loyalität und ruhiger Bürgertreue bieten. Gerade dieses Verhalten macht sie nach Ansicht der Past missionarisch wirksam (vgl. ITim 2,4; 3,15; Tit 3,8)312. Damit wird, ähnlich wie in der Urgemeinde zu Jerusalem und in der ersten Phase der paulinischen Mission, eine missionarische Bedeutung der HGn erkennbar. 309 310
311 312
Social Setting, 47. Für H.]. Klauck, HG, 68 schimmert hier möglicherweise "eine authentische Nachricht über eine alte Hausgemeinde aus der Umgebung des J'aulus durch". Social Setting, 45. Vgl. P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz, 1983, 126.
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Exkurs: Christliche Bürgerlichkeit in den Pastoralbriefen?
Mit dem Stichwort ruhige Bürgertreue wird man an M. Dibelius und seine Beschreibung des Ethos der Past als das einer christlichen Bürgerlichkeit erinnertJ13. Dibelius hat die Sicht vertreten, daß die Gemeinde der zweiten Generation die HT als Antwort auf eine durch die Parusieverzögerung entstandene Krise übernommen hat. Nach Dibelius gilt das erst recht für die Past: Das Bild der Gemeinde mit dem Bischof als patronalen Leiter von blofS durchschnittlichen "bürgerlichen" Qualifikationen und mit Gliedern, die gute, treue Bürger sein sollen, paßt zu einer Gemeinschaft, deren eschatologische Hoffnung durch die Moral der Pflichtenlehre und eine feste Gemeindeordnung ersetzt wurde, mit dem Ziel, sich auf längere Sicht in der Welt einzurichten. Das heißt u.a., daß das hellenistische Normalideal sozialer Bürgerlichkeit ein wenig verchristlicht, aber sonst weitgehend unkritisch übernommen werde 314 . Auch wenn einige positive Aspekte des Ideals einer christlichen Bürgerlichkeit gesehen werden 315 , fällt das Urteil insgesamt dahingehend aus, daß die Sicht' der Past ein Abfall gegenüber Jesus und Paulus darstellt316~ well v.? "die Dialektik der eschatologischen Existenz nicht mehr in ihrer ursprünglichen Schärfe verstanden ist"317. Im Vergleich zu Jesus und Paulus sei die Ethik der Past den Maßstäben der hellenistischrömischen Mittelschicht völlig angepaßt und geradezu unheroisch konservativ318 . Auch wenn es sich in der Forschung eingebürgert hat, diese Sicht bei der Exegese der Past zu verwenden 3J9 , ist sie nicht ohne Kritik geblieben 320 • Zum Bespiel hat C. Spicq in seiner Kritik an Dibelius zu
313
Vgl. den Exkurs: Ideal christlicher Bürgerlichkeit bei Dibelius-Conzelmaon, Past,
3 2f· Den klassischen Beleg dafür biete 1Tim 2,2 (vgl. auch Tit 2,1 I-I4). Vgl. DibeliusCoozelmann, Past, p.f. 315 Dies aber erst bei der Überarbeitung durch Conzelmann, Past, 33. 316 Vgl. Mk I3,9-13 par; Mt 23,29-36 par; 2Kor 4,7-I5; 12,9[; I3,1-4; Gal 4,1220; 6,I7. 317 Dibelius-Conzelmann, ebd., B. 318 M. Dibelius, Past, I931, 3.~4' Die Conzelmann-Ausgabe, ebd., 3f.32 lautet an dieser Stelle nicht mehr so. 319 Vgl. eine Auflistung der vielen Forscher, die diesen Begriff teils auch kritisch aufgenommen haben: R. Schwarz, Bürgerliches Christentum, T983, I2f und P.H. Towner, Goal of our Instruction, 9, Anm. 2. 320 Vgl. v.a. E. Käsemann, Ruf der Freiheit, 169; W. Schrage, Ethik, 9; R. Schnakkenburg, Die sittliche Botschaft, 233; O. Merk, Glaube und Tat, IOD; C. Spicq, 314
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zeigen versucht, daß die Ethik der Past hinsichtlich ihrer Nähe zu der hellenistischen Moral und einer um die Welt werbenden Haltung in einer gewissen Kontinuität zu Paulus steh2 21 • Für Spicq besteht der unbestreitbare Unterschied zwischen den Past und den unumstrittenen Paulinen nicht in der Eschatologie, sondern in der Aufgabe jüdischer und der Annahme einer hellenistischen, "europäischen" Denkweise. Damit wären die Past legitimer Ausdruck eines Versuches, unter Berücksichtigung paulinischer Tradition die missionarische Aufgabe der Kirche in einer neuen Kultur ernst zu nehmenJ22 • Auch R. Schwarz hat nachzuweisen versucht, daß die ethischen Aussagen der Past doch nicht so "bürgerlich" sind, wie sie zunächst einmal erscheinen. Sie schöpfen vielmehr zahlreiche Motive aus der alttestamentlichen Weisheitsliteratur. Schwarz kommt nach Untersu~ chung des synoptischen Befundes und der unumstrittenen PaulusBriefe zu dem Schluß, daß bei Jesus und Paulus bereits Ansätze zu den späteren Entwicklungen in der Ethik, wie sie die Past bezeugen, zu konstatieren sind323 • Auch wenn es seiner Studie insgesamt an Gründlichkeit mangelt und er dadurch zu Schlüssen kommt, die zu wenig fundiert sind, bleibt zu fragen, ob er mit seinem traditionsgeschichtlichen Ansatz auf dem richtigen Weg ist324 • Die entscheidende theologische Frage hinsichtlich der Brauchbarkeit des Ausdrucks "Ideal christlicher Bürgerlichkeit" ist die nach der eigentlichen Meinung des Verfassers der Past: Hat er geglaubt, daß ein ruhiges und angesehenes Leben zu führen das eigentliche Ziel der christlichen Ethik darstellt? Oder hat er für ein der Welt sichtbares ordentliches Verhalten der Christen als Antwort auf be-
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32.1
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Pastorales, 1969, 243.295f; R.!vI. Kidd, Wealth and Beneficence, 1990,9-34; R. Schwarz, Bürgerliches Christentum, 173-177; P.H. Towner, Goal of our Instruction,9-18 .247-257· C. Spicq, Pastorales, 292, Anm. 3.294f. Er weist auf Gal 5,22; rKor 13,4-7; Phil 4,8f; Kol 4,5.6; 2,5 hin. Vgl. auch rTim 2,10; 6,5-10.17-19. C. Spicq, Pastorales, 243.296. Anders E. Käsemann, Amt, (23-129. Vgl. bei Spicq und bei R.M. Kidd, Wealth, 9-29 die Besprechung des Ausdrucks "christliche Bürgerlichkeit" (M. Dibelius) und den Versuch, diesen Begriff näher zu definieren und kritisch zn würdigen. Bürgerliches Christentum, 99-121. Anders A. Weiser, Die Kirche in den Past, BiKi 46 (1991), r07-113. Zur Kritik 'an Schwarz vgl. P.H. Towner, Goal of our Instruction, 1989, 16f. Auch L. Oberlinner, "Ein ruhiges und ungestörtes Leben führen", BiKi 46 (1991), 98-r06 betont, daß der Ausdruck "die christliche Bürgerlichkeit", wie sie von Dibelius-Conzelmann verstanden wird, die Meinung des Autors der Past nicht exakt trifft.
Das Weiterwirken
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stimmte Umstände (eine die Gemeinde bedrohende Irrlehre) unter Berücksichtigung eines höheren Zieles plädiert? P.H. Towner kommt zu dem Ergebnis, daß es dem Vf. der Past in seiner Ethik tatsächlich um ein höheres Ziel geht 325 . "The theology of the Pastorals suggests that the motive behind the ethic is ultimately that of mission and not simply that of apologetic-defense. ,,326 Die meisten Vertreter irgendeiner Form der christlichen Bürgerlichkeit "stop short of this and argue instead that the author's concern ended with avoidance oE persecution or, positively, the quiet and peaceful life. The author endorses a lifestyle that is meant to facilitate the Church's mission by presenting a witness that is gene rally acceptable to the outsider"327. Towners Sicht ließe sich durch den Hinweis auf die Enderwartung in den Past verstärken. Es geht um ein Verhalten, das missionarisch wirksam ist und Gültigkeit bis zur Parusie haben soll (vgl. z.B. rTim 6,qff; 2Tim 4,rff; Tit 2,IIff). Da die Frage nach der "Bürgerlichkeit" der Past in der Forschung noch umstritten und nicht Hauptgegenstand unserer, Untersuchung ist, kann sie hier offengelassen werden . .Auf folgendes ist aber für unseren hausgemeindlichen Zusammenhang hinzuweisen: Wir haben bereits gezeigt, daß schon unter der Naherwartung mit den urgemeindlichen und paulinischen HGn potentiell dauerhafte soziale Gebilde entstanden sind, so daß es nicht notwendig ist, die christliche HT-Tradition nur als Antwort auf eine durch die Parusie verzögerung entstandene Krise der zweiten Generation zu begreifen (Lührmann)328. Die Einordnung der HT-Tradition in einen paränetischen Zusammenhang (v. Lips) spricht im Kontext der Past (wohl gerade aufgrund ihrer Reflexion der jesuanischen und paulinischen Tradition?) für eine stärkere christliche Eigenleistung als allgemein angenommen wird. Damit wird aber die Vorstellung einer christlichen Bürgerlichkeit in den Past sowohl in der soziohistorischen als auch in der religionsgeschichtlichen Perspektive ins rechte Licht gerückt und die zu enge Auffassung von Dibelius in Frage gestellt. Es wird in den Past aber auch eine Schattenseite bzw. eine potentielle Schwäche der hausgemeindlichen Struktur deutlich. Wie wir
The Goal of our Instruction, I989, v.a. 2.49-257. Towner, ebd., 254. 327 Ebd., 2. 54 f. 328 Vgl. auch die Kritik an Dibelius diesbzgl. bei H.O. Maier, Social Setting, 46. 325
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sahen, haben eine ganze Reihe von Forschern auf diese Problematik im Zusammenhang mit der Gemeinde in Karinth aufmerksam gemacht.329. Schon in Karinth wird sichtbar, daß der Zustand eines Nebeneinanders von mehreren HGn und der Gesamtgemeinde am Ort ernste Schwierigkeiten mit sich gebracht hat. Auch in Rom sind Streitigkeiten zwischen HGn als Hintergrund von Röm 14-15 denkbar330 . Schon F.V. Filson hat betont: "The existence of several hause churches in one city goes far to explain the tendency of party strife in the apostolic age. ,,331 Die Gebundenheit an bestimmte Häuser konnte ein unterschwelliges Potential für solche Spaltungen innerhalb der Gemeinde einer Stadt bilden. Anscheinend war der Umstand, daß z.Z. der Past eine Mehrzahl von HGn am Ort existierte, im Blick auf den Zusammenhalt der Ortsgemeinde ebenfalls eine Schwachstelle. Denn die Gemeinde der Past war bekanntlich durch eine Irrlehre gefährdet - in Tit I,rr wird vor Irrlehrern gewarnt, die ganze Häuser zerstören und um schändlichen Gewinns willen lehren, was nicht recht ist. "Zu ihnen gehören auch die, die sich in die Häuser schleichen und unter gewissen Frauen Beute mach~n" (2Tim ],6)332. An diesen beiden Stellen hat man den Eindruck, daß die Gefährdung von augen kommt. Wenn der HG-Leiter schwach ist und sonst niemand da ist, der Widerstand leisten könnte, steht eine solche HG der Gefährdung der Irrlehre
329 330 331
332
So z.B. A. Malherbe, Sodal Aspekts, 70; H.]. Klauck, HG, 35; W. Vogler, Hausgemeinde, 794; ihnen folgend E. Dassrnal1l1, Hausgemeinde, 88f. Vgl. P. Stuhlmacher, Röm, 199 zu Röm 14,9. Significance, no. Ihm folgen die meisten, die sich mit dem Thema HGn beschäftigt haben. Vgl. z.B. A.]. !'vIalherbe, Social Aspects, 92-II2j H.]. Klauck, Hausgemeinde, 39; W.A. Meeks, Urchristentum, r62; L.M. White, Building God's House, 103-IIo.Anm. 31; B.B. Blue, In Public and in Private, 1.76-189. Hier ist nicht direkt von HGn, sondern nur von Häusern (oi evöUvoyw; Eic; 1:aC; o(Klac;) die Rede. Es ist aber klar, dag wenigstens christliche Familien durch die Irrlehrer gefährdet sind. Außerdem ist zu fragen, wieso die Irrlehrer gerade in diese Häuser eindringen und sie umzukehren versuchen. Eine plausible Erklärung dafür ist, daß sie christliche Familien, die HGn als Zentrum bilden, vom Glauben abbringen wollen. Wie wir gesehen haben, ist der Übergang zwischen solchen christlichen Familien und HGn ganz gleitend gewesen. Des weiteren ist davon auszugehen, daß es z.d.Z. ein Nebeneinander von HGn in den Gemeinden der Past gab (s. Anm. 297). Daß solche Gemeinden voneinander isoliert und ungeschützt gegenüber solche Gefahren dastehen können, ist ebenfalls anzunehmen.
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mehr oder weniger schutzlos gegenüber 333 • Es ist aber auch möglich, daß Häretiker aus der Gemeinde oder schwärmerische Tendenzen unter den Glaubenden eine Bedrohung von innen werden konnten334 • Auch Hausvorstände sind potentielle Falschlehrer bzw. Schwärmer. Hier ist die HG besonders gefährdet, v.a. dort, wo die Mitglieder eines Hauses ihre Loyalität nur ihrem eigenen Hausvorstand schenkten. Wenn der Hausvorstand oder ein(e) Lehrer(in) mit vorherrschender bzw. charismatischer Persönlichkeit eine ganze Hausgemeinde an sich reißt, ihr absichtlich eine eigene (vielleicht auch eigenwillige) theologische Richtung gibt, die im Gegensatz zur Gesamtgemeinde steht, führt dies mit der Zeit zwangsläufig zu einer ungesunden Abhängigkeit von der hausgemeindlichen Leitung wie auch möglicherweise zur gemeindlichen Spaltung335 • In einer Oikosgesellschaft war ein solcher Einfluß für einen Hausvorstand leicht auszüben, denn er konnte die Gefühle der Loyalität, die nach der Ethik des antiken üikos ihm als Patron entgegengebracht ""urden, in der Gemeinde für seine eigenen Zwecke ausnutzen. . Beides, die Gefahr von innen und die von außen; erforderten für die hausgemeindliche Situation eine stärkere Konsolidierung der Leitungs- und ürganisationsstrukturen der Gemeinde. Nicht zuletzt wohl deswegen hat der Verfasser der Past diese Konsequenz gezogen. Er legt Wert auf die Eigenschaften des einzelnen Gemeindeleiters und verstärkt die Strukturen der ürtsgemeinde (s. u.). Auch die überörtliche bzw. überregionale Suprastruktur wird gestärkt, wie die Anweisung an Timotheus und Titus zeigen. Bei einer Mehrzahl von Hausgemeinden wird man ohne derartige Strukturen mit solchen Tendenzen nicht fertig. Solange noch Paulus als Apostel Jesu Christi (s. S. 339) mit seinen engen Mitarbeitern die Gemeinden leitete, war dies einigermaßen gewährleistet. Nach seinem Weggang mufSten neue Strukturen geschaffen werden, um die Gemeinden auf lange
333
334 335
Daß man schlechte Erfahrungen mit schwachen Gemeinde/eitern (in diesem Fall ist die potentielle Schwäche des Leiters mit seiner Unreife im Glauben verbunden) gemacht hat bzw. vermeiden wollte, zeigt ITim 3,6. Vgl. W. Vogler, Hausgemeinde, 791. So schon H. Achelis, Das Christentum, I925, 97, der die Einheit der Kirche durch den einseitigen EinfluB vorherrschender Persönlichkeiten in den verschiedenen HGn am Ort gefährdet sah. Vgl. auch H.]. Klauck, HG, 38f.
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Sicht zu stabilisieren 336 , Auf diese Strukturen wollen wir nächsten Schritt eingehen. 2.
In
emem
Leitungsstrukturen337
Wie wir schon andeutungsweise gesehen haben, beinhalten die Past eine Anzahl von Aussagen über leitende Funktionen in der Gemeinde. Es werden Älteste dreifach (lTim 4,14; S,17ff; Tit 1,S), Aufseher zweifach (lTim 3,1-7; Tit 1,7-9) sowie Diakone (lTim 3,8-13) und Witwen (lTim S,2-16) erwähnt. Des weiteren werden Anweisungen an die Apostelschüler Timotheus und Titus für ihre eigene Amtsführung erteilt338 • Drei Stellen sind für unseren Zusammenhang besonders wichtig: Tit 1,S-9; ITim 3,1-10 und ITim S,17-20, Die Texte sind nicht ohne ihre Schwierigkeiten und einige für unsere Studie interessante Fragen. Zu Tit I,S-9 wäre :l.B. nach der eigentlichen Identität der Ältesten zu fragen. Sind sie ältere Männer, die in ein anderes Amt eingesetzt werden, oder sind sie nach ihrer Einsetzung Träger des Ältestenamtes? Auch ein Aufseher wird erwähnt339 , Hier entsteht die Frage, warum der Verfasser die beiden Begriffe "Älteste" und "Aufseher" so verwendet, als ob sie in ihrer Bedeutung miteinander identisch wären.
Eine ähnliche Entwicklung ist bei Ignatius zu erkennen. Auch dort scheint die Einheit der Kirche durch häretische Falschlehren und Absonderungen innerhalb der Orrsgemeinde gefährdet gewesen zu sein. Auch dort erscheinr die Gemeinde gerade wegen ihrer hausgemeindlichen Situation solcher Gefährdung gegenüber verwundbar. Auch dort versucht Ignatius, dieser Gefahr zu begegnen, indern er den gemeinsamen Gottesdienst und die zentrale Stellung des Episkopos betont (vgl. z.B. Eph 5,2f; 9,1; 13,1; Magn 7,1; II,I; Trall 6,1-8,1 v.a. 7,2; Philad 3,1; 7,2; Smyrn 4,1; 8,I: Text und Übersetzung bei ].A. Fischer, Die Apostolischen Väter, 1993, [09-;2.2.5). Für eine gute kurze Besprechung vgl. E. Dassmann, Hausgemeinde, 91-95. Vgl. allerdings die Kritik dieser Sicht bei G. Schöllgen, Hausgemeinde, 86ff. 337 Leitungsstrukturen nehmen in den Past so breiten Raum ein, daß wir im Rahmen unserer Darstellung sie nicht angemessen würdigen können. Vgl. hierzu die gängigen Kommenrare, z.B. die Exkurse zum Thema bei J. Roloff, ITim, 169189.263-281. Wir beschränken uns auf die für die hausgemeindliche Situation relevanten Fragen. 338 Vgl. dazu J. RoloH, Kirche, 263ff. 339 Um Mißverständnisse zu vermeiden, verwenden wir für unsere Untersuchung als Übersetzung von btiaK01tO~ den Begriff "Aufseher" anstatt "Bischof", weil er in seiner Bedeutungsmöglichkeit noch nicht so festgelegt ist. 336
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Zu 1Tim 3,1-10 fällt auf, daß die bei den erwähnten Ämter und C~Il&KOVOC;) auch in Phil 1,1 erscheinen 340 • Allerdings begegnet "Aufseher" hier im Singular, dort im Plural, wobei "Diakon" in beiden Fällen im Plural verwendet wird. Des weiteren ist im Vergleich mit Tit I auffällig 341 , daß Älteste überhaupt keine Erwähnung finden. Zu rTim 5,17-20 wäre zu fragen, ob oi KUA.WC; ltpOEOLW'W; ltPWßU-CEPOL alle Ältesten im Blick hat, oder ob hier eine Gruppe innerhalb des Ältestenkreises insgesamt gemeint ist. Sind diejenigen, die sich in dem Predigt- und Lehrdienst abmühen, eine weitere Untergruppe von Ältesten, oder sind sie identisch mit oi ltpOW-CW-CeC; und damit irgendeiner Art von "Vorsteher", oder ist dies einfach eine andere Redeweise, um auf die Ältesten insgesamt zu verweisen? Mit welcher Gruppe, wenn überhaupt, müssen wir den Aufseher in Verbindung zu bringen? In welcher Weise ist die Ehre, die den Ältesten erwiesen wird, eine doppelte? Die zentrale Frage ist die nach dem Verhältnis zwischen den Ältesten und dem Aufseher; dazu sind die schon vorgeschlagenen Lösungen in vier Gruppen einzuteilen 342 : Erstens: Eine ganze Reihe von Exegeten identifizierten die beiden miteinander und bemühten sich sodann um eine Erklärung der übrigbleibenden Schwierigkeiten343 • Hauptbeleg für diese Sicht ist Tit I,5ff. Wie wir sahen, verwendet der Verfasser die beiden Begriffe dort, als ob sie austauschbare Titel wären (vgl. auch Apg 20,r7.28; rPetr 5,rf; rKlem 44,1.5), Die Hauptschwierigkeit bei dieser Interpretation ist die Tatsache, daß in den Past der Aufseher im Sg. und Älteste im PI. erscheinen. Diejenigen, die sich für die Identität der beiden aussprechen, verstehen den Aufseher im Sg. als generisch 344 • Gegen ein generisches Verständnis (bdoKOltOC;
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344
Vgl. auch Did I 5,rE und 1Klem 42.,4Vgl. auch die Ignatiusbriefe. Vgl. zum folgenden R.A. CampheH, Elders, 179-193. Vgl. :l.B. ].B. Lightfoot, Philippians, 95; Dibelius-Conzelmann, Past, 40-47; H.W. Beyer, ThWNT II, 612f; J.N.D. KeHy, Past, 13; G. Fee, I.2.. Tim.Tit; 84; J. Ysebaert, Amtsterminologie, 1994, 60f.69-73. . Vgl. J. KeHy, Past, 13; G. Fee, I.2.Tim.Tit, 84.I2.8. Diese Sicht wird auch etwas variiert. Vgl. Kelly und Fee, ebd., und auch C. Spicq, Past, 450-455, der die beiden für fast identisch hält, wobei der Aufseher ein Ältester ist, die Älcesten aber nicht alle Aufseher sind; denn der Aufseher ist für ihn der leitende Älteste, primus inter pares, der priesterlichen Würde nach von den Älcesten aber nicht unterschieden.
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von EJttOlCOJtO<:; könnte aber sprechen, daß sich diese sprachliche Verwendung bei den anderen Ämtern nicht findet 345 . Zweitens: Etliche Exegeten entscheiden sich für folgende Lösung: Die Ältesten in den Past sind gar keine Amtsträger 346 . Sie seien einfach ältere Glieder der Gemeinde, die ein höheres Ansehen genossen. Aus den Reihen dieser älteren Männer wurden die Aufseher gewählt. So gesehen gibt es, abgesehen von dem Witwenamr3 47 , nur zwei kirchliche Ämter in den Past: Aufseher und Diakone, wie auch in Phil 1,1 348 . J. Jeremias machte darauf aufmerksam, daß es in 1Tim 5,17 schwierig wird, wenn man Älteste als Amtsbezeichnung versteht, "denn da das Wort 'Ehrung' nach V. 18 ganz sicher die Bezahlung einschließt, wäre in V. 17 gesagt, daß die 'tüchtigen' Presbyter ein doppelt so hohes Entgelt erhalten sollten als die übrigen Presbyter. Es würden also zwei Gehaltsstufen der Presbyter je nach der Leistung unterschieden! Das klingt nicht eben wahrscheinlich"J49. Wenn aber "Älteste" nicht Amts-, sondern Altersbezeichnung ist (wie in 5,1), löst sich diese Schwierigkeit. "Dann besagt V. 17 völlig einleuchtend, daß diejenigen Alten, denen ein Amt [das Amt des Aufs'ehers '='~Gl übertragen wurde ... , doppelte Bezahlung erhalten sollen - nämlich im Vergleich zu den von der Gemeinde unterstützten Alten und Witwen! Auch im Titusbrief löst sich die Schwierigkeit, daß scheinbar die Amtsbezeichnungen Presbyter (1,5)
345 So z.B. G. Bornkamm, ThWNT VI, 667, Anm. 95. 346 Vgl. z.B. schon R. 50hm, Kirchenrecht, 96; J. Jeremias, Past, 23.4If.69f; A.E. 347 348
349
Harvey, Elders, 1974, 330; R.A. Camp bell, Elders, I94ff. Vgl. J. Jeremias, Past, 20. Für]. Jeremias, Past, 20f erklärt sich die fehlende Berücksichtigung der charismatischen Titel: Apostel, Propheten und Lehrer (vgl. IKor I2,28) daraus, daB die Past nur die gewählten Amtsträger im Blick haben. Für ihn findet sich auch eine Entsprechung zum Ausdruck E1ttaK01W<; (ohne direkte Abhängigkeit) in der Damaskusschrift (I3,7-II), in der der Titel "Aufseher" (1P1Y.l) begegnet. Der Episkapos sei nicht "Bischof" im Sinne des monarchischen Episkopats, sondern besser mit "Gemeindeleiter" zu übersetzen, wie Phi! 1,1 zeige. Zum 1P1Y.l vgl. noch W. Nauck, Probleme des frühchr. Amtsverständnisses, ZN\V 48 (1957), 2ooff; H.W. Beyer, ThWNT II, 6I4f; G. Holtz, Past, 8IE;]. Roloff, ITim, I73, Anm. 325. Past, 36. ]. Kelly, Past, U5, geht doch davon aus, daß "the executive officers should receive twice as much as the rest, presumably because they devote more oE their time and energies to their functiolls".
Das
Weiterwirl~en
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und Episkopos (1,7) unterschiedslos wechseln, auf gleiche Weise; presbyteros ist auch Tit 1,5 Alters- (nicht Amts-) bezeichnung. ,,350 Diese Sicht hat viel für sich. V.a. stimmt dieses Verständnis von Ältesten, wi~ wir es auch aus der jüdischen und rämischhellenistischen Umwelt kennen, weitgehend mit unseren bisherigen Untersuchungen überein. Allerdings liegt eine Schwierigkeit darin, daß Ka1:aOL~On<;/Kae{OL11'lL in Tit 1,5 im absoluten Sinne verstanden werden müßte, so daß aus den Reihen der Ältesten Aufseher eingesetzt wurden 3S1 • Im normalen Gebrauch des Verbes in einem entsprechenden Zusammenhang wird es dem Leser nicht überlassen, sich das Amt zu denken, in das man eingesetzt wurde352 • Des weiteren wird Jeremias' Verständnis von der "doppelten Bezahlung" für den Aufseher im Vergleich zu den Witwen dadurch schwierig, daß nur die "rechten" und d.h. die bedürftigen Witwen finanziell unterstützt werden sollen (vgl. 1Tim 5,3-16). Außerdem läßt sich aus dem Text keine allgemeine gemeindliche Unterstützung· der Alten erheben3S3 • Drittens: Eine ganze Anzahl von Exegeten geht davon aus, daß die Begriffe "Älteste" und "Aufseher" ursprünglich aus verschiedenem Hintergrund stammen354 • Nach dieser Sicht stammt der Begriff "Älteste" aus den judenchristlichen Gemeinden, die es dem Vorbild der Synagoge nachgebildet haben 355 • Dagegen begegnet der Begriff "Aufseher" erst unter den Heidenchristen, die ihn aus der hellenistischen Umwelt übernommen haben 356 • Dort bedeutete EntoKono<; ganz allgemein "anyone who had authority to oversee or inspect anything
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Jeremias, Past, 41. G. Holtz, Past, 124f entscheidet sich für die Altersbezeichnung nur im Blick auf 1Tim 5,17 und folgt Jeremias hinsichtlich der Auslegung der "doppelten Ehre". Weder ]eremias noch Harvey, Elders, 329f scheinen sich dessen bewußt zu sein. Darauf hat R.A. Campbell, Elders, 185 aufmerksam gemacht. Vgl. Bauer-Aland', Sp. 792, 2. einsetzen a.b. VgJ. als Ausnahme IKlem 42,4; 43,I und V.a. 44,2 und 54,2. Zu 54,2 schreibt R. Sohm, Kirchenrecht, 96: "die bestellten Alten ... sind die BIschöfe". Allerdings wird in 1Klem vom Kontext her deutlich, in welches Amt man eingesetzt werden sollte. In Tit 1,5 dagegen wäre auf Grund von der Erwähnung zwei Verse später vom Leser verlangt, sich dies zu denken, was eher unwahrscheinlich ist. So]. RaloEf, ITim, 308, Anm. 422. • Vgl. z.B. G. Bornkamm, ThWNT VI, 651-683 v.a. 667; A.T. Hanson, Past, 313 8.
355 356
VgJ. auch N. Brox, Past, 159; J. Gnilka, Phil, 34. Vgl. Dibelius-Conzelmann, Past, 44f;]. Gnilka, Phil, 38; G. Holtz, Past, 81.
Hausgemeinde und Mission
or anyone else " 357. Mit der Zeit aber, sicher irgendwann vor der Entstehung der Past, wurden die beiden Begriffe austauschbare Bezeichnungen für die gleichen örtlichen Gemeindeleiter. Allerdings zeigt sich in den Past eine spätere Entwicklung, in der ein einzelner Aufseher aus den Reihen der Ältesten hervorgegangen ist. Mit den beiden fiktiven apostolischen Delegaten Timotheus und Titus wird also in Wirklichkeit der monarchische Bischof angeredetJ58 • Nach A.T. Hanson liegt das stärkste Argument für diese Sicht in dem weiten Umfang der Autorität, die Timotheus und Titus ausüben sollen. Sie weisen zurecht, sind zur Ordination des Klerus bevollmächtigt, und sie setzten kirchliche Amtsträger ein. Dies erinnere an die Autorität, die Ignatius seiner Zeit den Bischöfen übertragen hat 359 • Nach Hanson ist das eigentliche Anliegen der Verfasser, ein Handbuch für solche monarchischen Gemeindeleiter zu bieten und die Gemeindeglieder zu ermutigen, diese Leiter anzunehmen. Eine Anfrage wäre allerdings an diese Sicht zu richten. Paulus selbst, wie wir ihn in seinen unumstrittenen Briefen kennen, hat in seinen Gemeinden zur Zeit ihrer Entstehung durch seine späteren Besuche und Briefe und durch das Senden eines Mitarbeiters als seinen Vertreter Autorität ausgeübt360 • Daraus folgert R.A. Campbell "If the Pastorals are really from long after Paul' s death, it seems likely that they are drawing on the authoritative image Paul and his delegates were remembered to have had as a way of urging what they have to say upon the churches. "361 Demnach würden die Gemeinden durch die Past dazu ermutigt, die Autorität ihrer eigenen Leiter ebenfalls so anzusehen. So verstanden, können die Past aber noch kein Handbuch für den monarchischen Bischof im Stil der 2. und 3. Jh. darstellen. Eine ebenso wichtige Kritik an Campbells Sicht ist, daß sie einen Aspekt der Stellung der "Apostelschüler" , wie er in den Past dargestellt wird, verabsolutiert. Die Past betonen aber auch andere Aspekte, z.B. die Aufgaben der beiden, die über die einzelne Gemeinde
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A.T. Hanson, Past, 3 2 . Vgl. E. Käsemann, Amt und Gemeinde, 1970, 12.9, der andeutet, dal~ es in den Past um die nachträgliche Legitimierung des monarchischen Bischofs geht. Hanson, Past, 33. Vgl. z.B. B. Holmberg, Power, 79-8r; s. S. 339ff für ausführlichen Nachweis. Elders, 188.
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
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hinausreichen (Tit r,5). Außerdem wird in den Past nirgends ein Amtstitel auf die Adressaten angewandt362 • Viertens: Ebenfalls von vielen Exegeten vertreten, wenn auch verschieden akzentuiert, ist die Sicht, daß die Past den Prozef~ einer Verschmelzung zweier unterschiedlicher kirchlicher Verfassungsformen dokumentieren, wobei es sich um die Angleichung der Ältestenverfassung an die Episkopen-Diakonen-Verfassung handelt 363 • Die ausgereifteste Darstellung dieser Sicht bietet J. Roloff364 • Im folgenden legen wir die Grundzüge seiner Auffassung dar. Die Ältestenverfassung stellt nach RoloH eine christliche Adaption jüdischer Modelle sowohl aus der Kommunal- als auch aus der Synagogenverfassung dar 365 . Dort waren das Ansehen in der Öffentlichkeit, und damit verbunden eine gewisse Reife und Erfahrung, ausgewiesen durch das fortgeschrittene Lebensalter, die Qualifikationen für das Ältestenamt. Schon in der Jerusalemer Urgemeinde wurde eine Ältestenordnung eingeführt. Dagegen erwähnt Paulus an keiner Stelle in seinen unumstrittenen Briefen Älteste, weiUür ihn Leitungsaufgaben nur aus seiner Charismenlehre abzuleiten sind. "Denn der dem Ältestenamt inhärente Grundgedanke der Ehrenstellung hzw. der Repräsentation steht im scharfen Gegensatz zu dem Ansatz beim Charisma."366 Hingegen sind Episkopen und Diakone (Phil r,r) eindeutig von ihren Funktionen her begriffen worden und "erweisen sich damit als mit der paulinischen Charismenlehre vereinbar"367. Interessant für unsere Studie ist, daß auch nach der Roloffschen Darstellung schon sehr früh in der paulinischen Mission diejenigen, 362
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Für die weitere Kritik an dieser Auffassung und anderen ähnlichen Auffassungen vgl. H. v. Lips, Gemeinde, 106ff mit einer ausführlichen Auflistung der Forscher der verschiedenen Positionen. Vgl. dort auch die gegenwärtige Position der Forschung hinsichtlich der Bedeutung der Adressaten in den Past. Vgl. z.B. J. RoloH, 1Tim, 170; H. Merkei, Past, 1991, 9 1f; für eine etwas andere Akzentuierung vgl. lD. Quinn, Titus, 1990, 84; auch R. Schnacken burg, Episkopus und Hirtenamt, 66-88, kann unter Verweis auf Apg 20,17.28 von einer Verschmelzung reden; ihm folgend]. Gnilka, Phil, 34. Für Dibelius-Conzelmann, Past, 47 handelt es sich um "eine gewordene Identifizierung, nicht um eine von Anfang gewesene"; Dibelius folgend G. ßornkamm, ThWNT VI, 668. Vgl. aber auch die weitere Auflistung der Vertreter dieser Sicht bei H. v. Lips, Gemeinde, 112, Anm. 103. Vgl. ITim, 169-189 seinen wertvollen Exkurs: "Die gemeindeleitenden Ämter", wo er seine Sicht ausführlich entfaltet. Roloff, rTim, 171. Ebd., I7I. Ebd., 17 2 •
Hattsgemeinde und Mission
die ihre Häuser als gemeindliche Versammlungsräume zur Verfügung gestellt haben, in die Aufgabe und Position des Episkopos hineingewachsen sind363 • Die Vermehrung der HGn an einem größeren Ort führte folgerichtig zu einer Mehrzahl von bd(J1(o:n:m - "dies ist anscheinend das für Phi I r,r vorausgesetzte Entwicklungsstadium"369. In den Past versucht der Verfasser nun die beiden Gemeindeordnungen, Aufseher der HGn und ein Gremium der Ältesten, miteinander zu verschmelzen 37o, um die Vorteile der beiden Ordnungen beibehalten zu können, wobei die Episkopen-DiakonenOrdnung favorisiert wird. Das merkt man daran, daß der Vf. in rTim 5,r7 aus der Reihe der Ältesten diejenigen besonders hervorhebt, die ihre Vorsteherfunktion, v.a. ihre Predigt- und Lehraufgaben, gut ausüben (KaA.W~ :n:POEO'tW'tE~). Sein eigentliches Anliegen dabei ist es, das bisher nur auf die Hausgemeinde ausgerichtete Episkopenamt als Gemeindeleitungsamt auf die gesamte Ortsgemeinde auszudehnen. Die Feststellung, daB die Past vom e:n:{(JKo:n:O~ immer nur im Sg. reden, zeigt, daß die örtliche Gesamtgemeinde entsprechend ihrer Ordnung als Hauswesen G~ttes (rTim 3,15) fortan vonel11em' Allfseher als deren "Hausvater" geleitet werden soll. Auch die Sicht Rolofts. hat viel für sich. Das eigenständige Herauswachsen der Leitungsstrukturen der frühchristlichen Gemeinden aus einer hausgemeindlichen Vorgabe ist auch das Ergebnis unserer bisherigen Studien. Aus unserer Sicht ist dies eine plausible Erklärung, sowohl für die Entstehung von einer Mehrzahl von e:n:{(J1(o:n:oL an einem Ort als auch für das weitgehende Schweigen des Paulus hinsichtlich der Frage nach Leitungsstrukturen (s. S. 339). Die Ausdehnung des Aufseheramts von der HG auf die Ortsgemeinde als eigentliches Anliegen des Verfassers und die Verbindung zwischen
Ebd., I72f. "Daß die Gastgeber der Versammlung als Hausväter auch den Vorsitz bei der Herrellmahlsfeier wahrnahmen, lag nahe, muß aber keineswegs als allgemein bindende Norm vorausgesetzt werden" (r73). 369 Ebd., 173. 370 "Daß der Verfasser beide Ordnungen in Bezug zueinander setzen will, wird nur aus Tit 1,5-9 ersichtlich, aber auch dort bleibt es mehr bei einem abrupten Nebeneinander ... " Ebd., 175. 363
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dem einen Aufseher und der Oikosordnung der Gemeinde scheinen uns von RoIoH ebenfalls zutreffend beschrieben zu sein371 • Allerdings hat R.A. Camp bell an der Sicht RoloHs Kritik geübt 372 • V.a. stellt Camp bell die von Roloff und anderen vertretene Vorstellung einer Verschmelzung grundsätzlich in Frage. Erstens will Campbell mit seiner Studie zeigen, "that there did not exist two opposed forms of church government needing to be reconciled '" From Jerusalem to Corinth, the churches were nurtured in hornes, received oversight from their familial btLOKO:n:OI" who were naturally known by the collective tide of :n:PWßU'LEpOL"m. RoloHs These setze auf Grund einer einzigen Stelle (Phil I,I) voraus, daß zwei Verfassungen existierten, die eine paulinisch-episkopal, die andere judenchristlich-presbyterial, die aneinander angeglichen werden mußten. "How do we know that the appearance of e:n:tOKo:n:ot und OLCXKOVOL in Philippi does not represent the adoption by a Pauline church of titles deve10ped elsewhere?" - z.B. von einer judenchrisdichen Vorgabe aus Antiochien bzw. ]erusaJem. Der Haupteinwand Campbells richtet sich aber gegen das angebliche Eindringen einer Ältestenordnung in die paulinischen Gemeinden: "We woüder why a: Pauline church [in Ephesus! = RG] did not have overseers and deacons in the first place, or how and why it lost them, and why this invasion [Eindringen = RG] of elders toak place. ,,374 Zweitens ist nach Campbell zu fragen, warum der Vf. der Past solche Umstände macht, um die beiden Verfassungen verschmelzen zu lassen. Niemand sonst scheint Schwierigkeiten empfunden zu haben. Scheinbar ganz unbesorgt läßt Lukas Pallills Älteste einsetzten (Apg 14,23) und sie danach Aufseher nennen (20,28}375. Demnach könnte man in der Tat den Eindruck gewinnen, daß die beiden Begriffe austauschbar waren. Des weiteren: "The c1umsy alterations
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So auch H. v. Lips, Gemeinde, 142f; E. Lohse, Entstehung, 198o, 6n E. Dassmann, Hausgemeinde, 96; F. Laub, Hintergrund, 26I-265f; G. Schöllgen, Hausgemeinde, 89. Elders, 19 0ff. Elders, I93. R.A. Camp bell, Elders, I9 2. Vgl. auch rPetr 5,2; 1Klem 44. Allerdings kann R. Schnackenburg, Episkopos und Hirtenamt, 66-88 gerade Apg 20,17-2.8 als Beispiel einer Verschmelzung anführen.
Hausgemeinde und Mission
of the singular and plural in the Pastorals ... demand an alternative solution. ,,376 Camp bell schlägt folgende Lösung vor. Er setzt zu recht mit der Kritik ein, dag die bisherigen Lösungsversuche deswegen unbefriedigend sind, "because they aB neglect to take seriously the household setting of the churches, and its effect on the development of the ministry 11 377. Für ihn stellt wie auch für uns dieses "household setting" den "Sitz im Leben" der paränetisch-ekklesiologischen Anweisung der Pastoral briefe dar. Camp bell fährt mit der Feststellung fort: "The most significant deve10pment in the ordering of these churches in the period after the death of Paul is the emergence of a single bdoKOnOt; over the church in a certain place. This appears to have taken place not all over at once but at different times in different places. ,,378 Für den Nachweis seiner These führt er neben den Past Jakobus, den Herrenbruder in JerusaIem, die Ignatiusbriefe 379 und schlieglich auch die paulinische Mission an 380 • Campbell betont: Sowohl das "household setting" der paulinischen Mission als auch der Leitungsstil des Apostels selbst (vgl. sein Selbstverständnis als Vater seiner Gemeinden, seine Ausübung von Autorität durch Besuche, Briefe, und Sendung von Mitarbeitern) hätten mit der Zeit zum monarchischen entaKoJtoc; geführt 381 • Außerdem dürfen die metaphorische Verwendung vom "Haus Gottes" als Beschreibung der Gemeinde ganz organisch zum Gedanken eines einzigen Oberhauptes als Gemeindeleiter geführt haben 382 •
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R.A. Campbell, Elders, 19 2 . Ebd., 193. Anders L. überlinner, Past I, 125, Anm. SI, der G. SchölIgen, Hausgemeinde, 85 folgt. s. S. 431f aber unsere Kritik an Schöllgen. Elders, I9 5. Für Campbell sind die Past etwa 10 Jahre nach dem Tod des Paulus (um 70-75 n.Chr. also) entstanden (ebd., 179). Daß Igna~ius für die Gemeinden in Kleinasien "Monepiskopoi" voraussetzen kann, ist ein Hinweis dafür, daß es z.d.Z. auch in Antiochien ein solches Amt gab. Den ausführlichen Nachweis bringt er in Kap. 4.5.7. Vgl. auch B. Holmberg, Power, 79ff. Ebd., 19 6. Als Gewährsmann dafür führt er E. Dassmann, Hausgemeinde, 9 5E an. Diese These wird auch von j. Roloff, rTim, 169ff vertreten (was Campbell an dieser Stelle nicht notiert) lind ist ebenfalls durch unsere bisherige Untersuchung bestätigt worden (s.o.). Anders als Roloff würden wir aber sagen, daß diese Entwicklung nicht erst in den Past anfing.
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
Aufgrund all dieser Beobachtungen stellt Campbell folgende These auf: " ... the Pastoral Epistles are written, not to effect an amalgamation of overseers and elders, but to legitimate the authority of the new overseer. ,,383 Die Gesamtgemei~de in einer Stadt wird zur Annahme eines einzigen Leiters mit dem Titel EJ-dCTKOnOC;, also einem Monepiskopos, bewogen, der als Leiter derer fungieren soll, die schon als en{CTKonOL in ihren eigenen HGn und kollektiv als npEoßuLEPOl im Zusammenhang der örtlichen Gesamtgemeinde bekannt waren. Seine These begründet er folgendermaßen: Tit I,5-9 spricht von der Einsetzung von Ältesten KULCt nOAlV. Campbell versteht diesen Ausdruck nicht nur im Sinne von "in den einzelnen Städten"; sondern "auf der stadtweiten Ebene". In einem früheren Kapitel hatte er versucht, bei Lukas eine Unterscheidung verschiedener Ebenen nachzuweisen, KUL' OtKOV als die hausgemeindliche Ebene, wo der Leiter eni'CTKonoc; genannt wurde, und KUL' eKKAYjo{UV als die Ebene mehrerer HGn zusammen, wo die Leiter dieser HGn kollektiv npEoßuLEPOL genannt wurden 384 • Außerdem ist der Ausdruck npwßuLEPOl für Camp bell ein Ehrentitel, aber keine Amtsbezeichnung. Dies gilt auch noch in der Gemeinde der Past. Unter diesen Voraussetzungen kann er hinsichtlich Tit 1,5 sagen: "what is going on here is the elevation of one of the npEoßuLEPOl to be en{oKonoc; at city level- KmCt n:OAlV. The title npwßu"n,pOl would still apply to such entOKonOL when considered collectively, just as it had to the household en{OKOnOL. Both KUL' OtKov and KULCt nOAlv, the individual leader is oi en{OKonOl. Viewed together the several leaders are oi npEo!)ULEpOl. ,,385 In ITim 5,17 heißt es: "Älteste, die gut vorstehen, verdienen doppelte Anerkennung, besonders solche, die predigen und lehren." Wer ist mit solchen "Ältesten" gemeint? Camp bell ist der Meinung, sie seien keine" Vorsteher" der HGn, sondern die neuen lvlonepiskopoi Ka1:Ct nOAlv, v.a. aufgrund der "doppelten Anerkennung", die sie empfangen sollen. Da die "nl-lrl hier, in welchem Sinn auch immer, finanziell zu verstehen ist (vgl. .5 ,18 mit IKor 9,9.14), sei es unwahrscheinlich, daß ein Hausvorstand für Dienste in der eigenen HG bezahlt werden mußte. Denn Hausvorstände sind "ex hypothesi
Ebd., 19 6. Ähnlich :luch E. Käsemann, Amt, 129. Vgl. Eluers, 164-172.193. 385 Elders, 197. 383 384
Hausgemeinde und Mission
well-to-do people. Patrons received loyalty frorn their clients, but hardly money. On the other hand btiOKOn:O~ in the new sense may weil have been a full-time job which even a weH-ta-da person might hesitate to take on for nothing. "386 Mit der doppelten Ehre ist gemeint: Obwohl alle Ältesten geehrt werden sollen, die neuen monarchischen Aufseher, "who are giving their time ... to preaching and teaching are doubly worthy of honor, receiving not only obedience but financial support. ,,387 Auch die Sicht von R.A. Campbell hat viel für sich. Ihm ist es gelungen, die Implikationen der hausgemeindlichen Vorgabe weiter zu verfolgen. Sein Verständnis von KU1;a n:OALV als stadtweite Ebene ist ebenfalls weiterführend. Auch seine Auffassung von der doppelten Anerkennung ist zu befürworten 388 • Campbell mag auch damit recht haben, daß schon in der paulinischen Mission Älteste der Sache nach existierten, auch wenn sie vielleicht noch nicht explizit so genannt wurden339 • Daß es Leitungsstrukturen und leitende Persönlichkeiten in den paulinischen Gemeinden gab, haben wir oben nachgewiesen (s. S. 352)390. Sie folgten aus dem "househofd .setting" der paulinischenMission. Die Beobachtung, daß sich eine presbyteriale Gemeindeordnung in ]erusalem bewährte und in den außerpaulinischen Missionsgemeinden offenbar bereits gebräuchlich war (vgI. rPetr 5,rff), scheint Campbells Sicht zu unterstützen. Daß Lukas in Apg 14,23 von der Einsetzung von Ältesten berichtet, kann anachronistisch sein, da Paulus Älteste nirgends in seinen unumstrittenen Briefen erwähnt. Aer auch dann ist es möglich, "that Luke has used a term current in his own time to refer to leaders who may pqssibly have been known by other designations in the earlier period. ,,391
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Elders, 202. Ebd., 202f. Diese Idee ist aber nicht neu: Ähnlich auch schon N. Brox, Past, I99; G.W. Knight, Past, 232; G. Fee, I.2 Tim, Tit, 1984, 89. Zu 1:Ll-tll vgl. Bauer-Aland', Sp. 162.9{: Der Begriff kann Ehrung oder Bezahlung bedeuten. Dazu schreibt J. Gnilka, Phil, 32: Die Paulusbriefe vermitteln uns "beileibe keine vollständig klaren Einsichten in das Gemeindeleben, denn diese Briefe sind alle mehr oder weniger aus konkreten Situationen heraus geboren, besitzen also im gewissen Sinn Zufälligkeitscharakter und haben nicht die Absicht, späteren Generationen genau zu vermitteln, wie es damals war". Dies wird von immer mehr Exegeten betont. Vgl. z.B. J. Ralaff, rTim, 172, Anm. PS, der auf B. Holmberg, Power, 193f verweist. I.I-I. MarshalI, Acts, 241; so auch F.F. Bruce, Acts, 1990,326; ihnen folgend R.A. Campbell, Elders, 166.
Das Weiterwirken von Oikos-Stl'uktuI'en
Schließlich können wir aus 1Klem 44,1-4 ersehen, daß im letzten Jahrzehnt des I. Jh. in Karinth und in Rom eine presbyteriale Gemeindestruktur in Kraft war. Die Polemik des 1Klem gegen die Absetzung der Presbyter und Episkopen in Karinth (z.B. 44,1ff) bezeugt dies für diese Stadt eindeutig. Nach der Untersuchung von K. Beyschlag kann man wohl auch urteilen, daß diese Verfassung in Rom ursprünglich war und von Paulus in Röm 12 nur nicht erwähnt wird J92 • Campbell mag schließlich mit seiner These recht haben, daß es in den Past nicht um eine Verschmelzung zweier Gemeindeverfassungen gehe, sondern nur um die Beförderung einer Person aus den Reihen der Ältesten und um die Legitimierung dieses neuen Aufsehers in der Gesamtgemeinde in einer Stadt. Mit Camp bell kann man jedenfalls Anfragen an die Vorstellung einer Verschmelzung, die erst in den Past vollzogen wird, richten. Selbst Roloff räumt ein, es sei nur in Tit 1,5-9 zu erkennen, daß der Verfasser der Past die beiden Verfassungen in Bezug zueinander setzen will, aber selbst dort nur undeutlich. 'Es ist sogar zu fragen, ob es überhaupt ein€ Verschmelzung gab, oder ob nicht die beiden Strukturen schon sehr früh, vielleicht von Anfang an, zusammengehörten. Das "household setting" der frühchristlichen Gemeinden spricht für diese zweite Möglichkeit. Auch Roloff geht davon aus, daß die hausgemeindliche Vorgabe das Entstehen von Leitungsstrukturen in der paulinischen Mission erklärt, und daß damit in der Regel Hausvorstände als Hausgemeindeleiter mit den bti<JKOltOL zu identifizieren sind (Phil 1,1)393. Aber selbst ein so verstandener E:lt{<JKOltO~ steht schon in Spannung mit der paulinischen Charismenlehre als dem bestimmenden Faktor für kirchliche Leitungsstrukturen. Als Hausvorstände werden die Leiter der HGn gewisse Vorstellungen hinsichtlich ihrer Leitungsrolle, die eher vom antiken Oikosdenken geprägt waren, teilweise auch ganz unreflektiert mitgebracht haben. Die Glieder ihrer Gemeinden, die zum Teil aus ihrer eigenen Familie, Gesinde und Klientel bestanden, werden diese Vorstellungen wohl auch geteilt haben. Wenn die Leiter der HGn ein gewisses Ansehen in der Gemeinde und Gesellschaft auf-
392 K. Beyschlag, Clemens Romanus, 1966, 348ff; ihm folgend P. Stuhlmacher,
Evangelium - Apostolat - Gemeinde, 39; anders v.Campenhausen, Kirchliches Amt, 91. 393 J. Roloff, ITim, 172f.
Hausgemeinde und Mission
grund von Seniorität und Eigentum genossen, dann war ihre Stellung in der Gemeinde nicht allein von ihren dort ausgeübten Funktionen abhängig, auch nicht mehr allein von ihren charismatischen Gaben394 • Selbst wenn Paulus diese HG-Leiter nie Älteste nennt, scheinen sie viele Eigenschaften mit einer solchen Gruppe zu teilen und der Sache nach nicht weit von ihnen entfernt zu sein. Daß die HGLeiter eines Tages dann tatsächlich Älteste genannt wurden, dürfte nicht überraschen, v.a. im Blick auf eine judenchristliche bzw. synagogale 395 , aber auch eine römisch-hellenistische396 Vorgabe und die Tatsache, daß Paulus und seine Mitarbeiter sicher die presbyteriale Verfassung der Jerusalemer Gemeinde unter Jakobus, dem Herrenbruder, gekannt haben. Wenn man die Dinge so sieht, ist die paulinisehe Mission ein Vorstadium der Entwicklung, die uns in den Past begegnet. Damit wäre die These einer Verschmelzung der beiden Verfassungen gar nicht mehr nötig. Aber viele Sachverhalte liegen noch im Dunkeln und für unsere Studie können wir diese Fr~ge offen lassen. Ivlan kann auch durchaus Kritik an der Rekonstruktion von Camp bell anmelden. Wie wir schon sahen (s. S. 146), kann seine These nicht überzeugen, daß die Leiter der HGn bereits in Jerusalem btt()l(oJtoC; genannt wurden, denn dies ist nirgends in den Texten belegt. Weiter ist zu fragen, ob es sich in den Past schon um den monarchischen Aufseher handelt. G. Schöllgen betont: "Die Vorstellung von der Alleinherrschaft eines Bischofs findet weder in der Amtstheologie noch in dem, was die [Pastoral = RG] Briefe über die den Episkopen tatsächlich zugestandenen Kompetenzen durchscheie nen lassen, eine zureichende Stütze. ,,397 Vorsichtiger und wohl zutreffender als Campbell formuliert RoloH, daß es dem Verfasser der Past darum geht, das bisher nur auf die HG ausgerichtete Episko-
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Mit B. Holmberg, Power, 58-12.3; R.A. Campbell, Elders, 191. Vgl. wenigstens das Vorhandensein eines Ehrentitels rcPEOßULEPO<:; (s.o.). Die Mischung von administrativen und patriarchalischen Elementen lä{~t sich schall für die Ratsversammlungen römischer Städte nachweisen. Vgl. DibeliusConzelmann, Past, 46. Hausgemeinde, 19 88 , 8+ Die exegetische Forschung ist in dieser Frage noch immer geteilt. Sie neigt aber wohl mehrheitlich dazu, noch keinen Monepiskopus (geschweige denn einen monarchischen Episkopus) in den Past bezeugt zu sehen. Dennoch ist die auf ihn hinzielende Tendenz nicht zu verkennen (vgl. H. v. Lips, Gemeinde, 142{; E. Lohse, Entstehung, 67; J. RoloH, TRE II, Art. Amt IV, 1978, 52 3 f).
Das \Veitelwirken von Oikos-Struktttren
penamt als Gemeindeleitungsamt auf die gesamte Ortsgemeinde aus:z;udehnen 398 . Eine weitere Anfrage an CampbeIls Rekonstruktion betrifft das Verständnis vom Ältesten als Ehren- statt Amtsbezeichnung. Unsere Studien haben gezeigt, daß Camp bell und Harvey wenigstens in einer Hinsicht recht zu geben ist: In den jüdischen KommunaJ- und Synagogenverfassungen jener Zeit gab es noch kein Ältestenamt, sondern nur den Ehrentitel "Älteste" (s. S. 188). Campbell schließt daraus, daß der Titel Älteste in den Past ebenfalls nur eine Ehrenbezeichnung sei. Aber daß npwßU1:EPOC; sowohl in der jüdischen als auch in der römisch-hellenistischen Umwelt als Ehrentitel verwendet wird, beweist noch nicht, daß die Bezeichnung, wie wir sie aus der Apg für Jerusalem (vgl. v.a. Apg 21,18) oder in den Past kennen, sich nur an dem jüdischen bzw. römischen Vorbild orientierte. Jedenfalls ist eine spezifisch christliche Verwendung der Terminologie nicht apriori auszuschließen. Möglich ist, daß sowohl in Jerusalem als auch in den Past hinsichtlich der Frage nach dem Ältestenamt sehr viel mehr christliche Eigenleistung vorliegt, ais allgemein angenommen wird. V.a. unter der Annahme einer hausgemeindlichen Vorgabe wird das plausibel. Schon die HGn hatten Mitglieder, die als Hausvorstände und Gastgeber aufgrund ihrer natürlichen Autorität, ihrer Unabhängikeit und ihres Einflusses in besonderer Weise leitende Verantwortung für das Leben der Gemeinschaft in seinem/ihrem Haus trugen. Es liegt demnach nahe, daß mit der Zeit diese Leiter der Hausgemeinden an einem Ort auch ein Gremium bildeten, das für die Querverbindungen zwischen den HGn und den Zusammenhalt der Ortsgemeinde zuständig wurde. Wie diese überhaus gemeindlichen Leiter ihre Aufgaben im Dienst der Ortsgemeinde wahrgenommen haben, liegt im Dunkeln. E. Dassmann formuliert: "Sobald aber aus dem Kreis dieser angesehenen ,Ältesten' bzw. Episkopen einer den Vorsitz übernähme, Sprecher aller würde, die Aktivitäten in Gottesdiensten und Predigt koordinierte, für die Einheit im Bekenntnis sorgte, wäre der Zustand gegeben, den man den einen Bischof in der Ratsversammlung der Presbyter nennen könnte. "399 Möglich wäre auch eine gewisse Entwicklung zu diesem Zustand hin. Zunächst in Jerusalem, dann vielleicht auch in der paulinischen
398 ITim, 175f.
399 Hausgemeinde, 90.
Hausgemeinde und Mission
Mission, hätte man den Titel als Alters- bzw. Ehrenbezeichnung, ähnlich wie in der Umwelt, verwendet, aber mit der Zeit war eine Amtsbezeichnung daraus entstanden. Eine solche Entwicklung läßt sich anhand der Stellen der Apg gut vorstellen (vgl. 15,2.4.6.22f.41; 16,4; 21,18). Wir haben (s. S. 157ft) für die Jerusalemer Gemeinde ein "household setting" nachgewiesen, und dort war ebenfalls eine zunehmend stärker werdende Stellung der Ältesten gegenüber den Aposteln zu konstatieren, so daß schließlich die Apostel gar nicht mehr erwähnt werden 40o • Am Ende dieses Prozesses steht ein Presbyterium mit Jakobus, dem Herrenbruder, als Leiter an dessen Spitze (s. o. Kap.m, B.3.b). Auch in der paulinischen Mission stellten wir (mit Campbell und Chapple) Funktionen und Titel fest, die als "neither official nor incompatible with office", sondern "informal and tending toward office"401 zu bezeichnen sind. In den Past scheint diese Tendenz zum Amt hin eine gewisse Vollendung erreicht zu haben. Aus unserer Sicht i.st der Zustand mit einer Ratsversammlung der Presbyter in den Past wahrscheinlich schon erreicht. Hier stellt "ÄItest~i~ schon ~ine Amtsbezeichnung dar, wobei es nicht auszuschließen ist, daß an manchen Stellen der Alters- bzw. Ehrengedanke noch mitschwingt (vgl. ITim 5,1: npEOßu'tEPO<; als Altersbezeichnung)402. Für "Älteste" als Amtsbezeichnung spricht folgendes: Erstens gibt es in der Gemeinde eine Mehrzahl von Ältesten (Tit 1,5). Sie bilden zusammen ein Kollegium. Die Gruppe der Ältesten ist als gemeindeleitendes Kollegium zu verstehen 403 . Ein starkes Argument dafür scheint ITim 4,14 zu sein, denn hier wird eine amtliche Funktion des Presbyteriums als Gremium deutlich - es ist nämlich an der Ordination von Timotheus beteiligt404 . Des weiteren werden Älteste in 400 Vgl. J. Rohde, EWNT III, Sp. 358. 401 R.A. Camp bell, Elders, 122. 402
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Vgl. L. Oberlinner, Past, 248: "Die ursprünglich ... noch auf ein entsprechendes Alter weisende Bezeichnung war in der Zeit der Past schon Funktionsbezeichnung, so daß zwar auch und insbesondere ältere Männer in diesem Gremium vertreten waren, das Alter jedoch nicht mehr allein bedeutsam war." Vgl. H. v. Lips, Gemeinde, Ln; so auch G. Bornkamm, ThWNT VI, 666 und viele ändere - vgl. Auflistung bei v. Lips, ebd., lO8-1II. Mit L. Oberlinner, Past, 248; J. Roloff, rTim, 258f; 1:0U ltpwßU1:1lP{ou als genitivus (inalis zu übersetzen, wobei es dann um eine " Ordination zum Presbyteramt" gehe, ist aus sprachlichen und sachlichen Gründen nicht möglich (für den Nachweis vgl. Roloff, ebd. 259, AnlTI. 193). Anders J. KeHy, Past, r08; G. Holtz, Past, I Ir.
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
Tit r,5 405 eingesetzt - Ka8iatYJ~lL bezeichnet die Einsetzung in ein kirchliches Amt406 . Wie schon gezeigt, ist es sehr unwahrscheinlich, daß Ka8iatl]~LL an dieser Stelle absolut verwendet wird. Auch in Tit 1,6 werden Eigenschaften eines Ältesten aufgelistet wie für den Aufseher in r,7f, ohne zwischen den beiden zu unterscheiden. Daß die Ältesten in rTim 3 nicht erwähnt werden, wird wohl daran liegen, daß das Hauptinteresse des Vf. darin besteht, das Episkopenamt als Leitungsamt der gesamten Ortsgemeinde zu empfehlen 407 • Die Beobachtung, daß die Ältesten in der Jerusalemer Urgemeinde schon als Amtsträger verstanden wurden, ist eine weitere Stütze unserer Sicht (s. S. r82)408. Es ist anzunehmen, daß spätestens mit den Past die paulinischen Gemeinden die presbyteriale Verfassung des Judenchristentums aufweisen409 . Damit wäre es möglich, daß es in den Past um beides ging, um die Legitimierung eines einzelnen Aufsehers für die Gesamtgemeinde in einer Stadt (CampbelJ) und um die Neugestaltung des Episkopenamts mit Ausdehnung auf die Gesamtgemeinde in der Stadt" (Roloff), wobei die Bezeichnung "Älteste" als Amtsbezei2hriung (so u.a. RoloH) verwendet und für das Presbyterium beibehalten wird. So gesehen wäre die Legitimierung, Neugestaltung und Ausdehnung des Episkopenamts auf der Basis einer schon existierenden prebyterialen Organisation der Gemeinde auf die Stadtebene einerseits und von der Basis der schon existierenden episkopalen-patriarchalen Strukturen auf der hausgemeindlichen Ebene anderseits erfolgt. Damit hätten wir eine presbyteriale Gemeindeverfassung mit einem Aufseher an der Spitze des Presbyteriums,410 wie bei der uns aus der Jerusalemer Urgemeinde bekannten Ältestenverfassung (vgl. Apg r 5 ,4, 6.22)411. Ob der Aufseher der r.Vorsitzende des Presbyteriums als primus inter pares verstanden oder von dem Ältestenkollegium unterschieden, ihm deutlich übergeordnet und eher als alleiniger Leiter Vgl. G. Bornkamm, Th WNT VI, 666: npwßii-!:cpo<; ist in Tit 1,5 "offenkundig terminus technicus für Träger des gemeindeleitenden Amtes". Daß in Tit 1,5 titularer Gebrauch zur Bezeichnung des Presbyteramtes in der Gemeinde vorliegt, ist fast allgemeine Auffassung der Forschung - vgl. H. v. Lips, Gemeinde, 10Sf. :~~ Bauer-Aland', Sp .. 792; JA. Bühner, EWNT II, Sp. 554; G. Holtz, Past, 207 . . Vgl. J. Roloff, rTlm, 176. 408 So auch G. Bornkamm, ThWNT VI, 662-672 v.a. 66}; J. Gnilka, Phi], 34. 409 So auch H. v. Lips, Gemeinde, 109. 4\0 Diese These ist gewiß nicht neu. Vgl. Auflistung der Vertreter dieser Sicht und Besprechung bei H. v. Lips.. Gemeinde, 112ff, Anm. 1°4.1°5.106.1°7. 411 Vgl. P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz, 1983, 126. 405
Hattsgemeinde und Mission
der Gemeinde angesehen wurde, ist in der Forschung immer noch umstritten und kann hier offengelassen werden 412 • Nach den bisherigen Ergebnissen unserer Studie dürften solche presbyterialen Strukturen mit einem Ältestenamt keine bloße Kopie einer jüdischen Tradition sein. Denn wenn Harvey und Camp bell recht haben, ist in der Antike Seniorität weder spezifisch jüdisch, noch existierte in der Synagoge ein solches Amt, das von der frühchristlichen Gemeinde hätte übernommen werden können. Demnach müßten die presbyterialen Strukturen mit einem Ältestenamt als christliche Neuschöpfung anzusehen sein 413 • Exkurs: Hausgemeinden im
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und 3. Johannesbrief414
Zu einer neutestamentlichen Untersuchung von HGn gehören unbedingt der zweite und dritte Johannesbrief. Sehr wenige Belege im Neuen Testament leisten für unser Thema soviel wie die beiden Schreiben, denn sie geben ein konkretes Exempel, wie HGn missionarisch funktioniert haben. Hier wird die große Bedeutung von HGn in der urchristlichen Mission noch einmal deutlich bestätigt. Schon ein kurzer Blick in die Forschungsgeschichte zeigt, daß die Erfassung der historischen Situation der Johannesbriefe äußerst
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H. v. Lips, Gemeinde, 1I3 entscheidet sich für das Modell primus inter pares mit eingehender Begründung. Vgl. auch G. Schöllgen, Hausgemeinde, 84ff, der den Verdacht äufSen, dalS die Ämter der Episkopen und Presbyter in den Past noch nicht in einer Überordnung der ersteren über die letzteren abgegrenzt seien, sondern ineinander übergingen. So schon H.W. Beyer, ThWNT ll, 615: " .. , so haben sie [die ersten Christen = RG] die zur Erfüllung ihrer Sendung notwendigen Ämter neu geschaffen oder sie sich aus der Sache heraus schenken lassen". Vgl. auch M. Karrer, Das urchristliche Ältestenamt, 1990, 152-188 und die Kritik zur Sicht Karrers bei R.A. Campbell, Elders, 16rf. Zur historischen Frage vgl. M. Hengel, Die johanneische Frage, 1993, lIoff nnd seine Auseinandersetzung mit v.a. R.E. Brow/l, The Communiry of the Beloved Disciple, 1979,93-144; ders., Epistles of John, 69-115. Mit Henge! wird im folgenden angenommen, daß alle drei Johannesbriefe von einem vollmächtigen Verfasser geschrieben wurden. Vgl. auch H.]. Klauck, Johannesbriefe, 1995, 158, der von einem Autor aller drei Briefe ausgeht und deswegen keine Notwendigkeit sieht, die Briefe auseinanderzureißen. Hengel und Klauck vertreten die traditionelle Sicht hinsichtlich Abfassungsort und -zeit: in Ephesus um 100/110 (für eine Besprechung der verschiedenen Positionen vgl. W.G. Kümmel, Einleitung, 390ff'396ff; G. Strecker, Die Johannesbriefe, 1989, 11-28; R. Schnackenburg, Die Johannesbriefe, 1984, 1-48.1.95-3°3.
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
schwierig ist 415 • Es besteht bis heute kein Konsens hinsichtlich des eigentlichen Grundes für die Auseinandersetzung zwischen dem "Alten" (JtPWßULEPO~: 2Joh I) und Diotrephes (s. U.)416. Das liegt sicherlich daran, daß die Exegese gerade auch hier mit der Aporie zurechtkommen muß, "wie zufällig und spärlich die uns erhaltenen Nachrichten sind, [und = RG] wie wenig wir darum im Grunde wirklich Exaktes wissen können"417. Schon "1977 hat aber A.]. Malherbe darauf hingewiesen, daß die Beachtung des Oikos-Zusammenhangs zum besseren Verständnis der Johannesbriefe beitragen könne 418 . Andere Exegeten haben diese Sicht unterstützt, auch wenn einige die Hypothese von Malherbe kritisiert bzw. revidiert haben 419 • Im vollen Bewußtsein, daß jede historische Rekonstruktion hypothetisch bleiben muß und dies erst recht für die Johannesbriefe gilt, bieten wir im folgenden einen Versuch, von der sozio-historischen Perspektive des antiken Oikos her einige Aspekte der Situation zu beleuchten. Wir beschränken uns v.a. auf die für unsere Studie relevanten Aussagen über Häuser bzw. HGn. Die zentrale Figur in unserem Zusammenhang stellt Diotrephes dar (vgl. 3Joh 9f). Auch wenn die Information, die wir über ihn besitzen, nur auf diese zwei Verse beschränkt ist, bietet seine Gestalt
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Vgl. R.E. Brown, Epistles, 14-46; M. Henge!, Die joh. Frage, 1-6.
416 In der Forschung werden verschiedene Deutungen vorgeschlagen, um den Kon-
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flikt zwischen Diotrephes und dem Alten zu erläutern: die Deutung als Lehrkonf/ikt (mit dem Gewicht auf Inhalten und verbunden mit der Frage nach Häresie bzw. Orthodoxie; die Deutung als Alltoritätskonflikt (mit dem Gewicht auf den Rollen und Funktionen, die konkrete Personen örtlich oder regional in urchristlichen Gemeinden innehaben, und der damit verbundenen Macht; und die Deutung als Machtkonflikt, der weder an bestimmte Inhalte noch an konkrete Führungsrollen gebunden sein mufS. Vgl. dazu M. Leutzsch, Die Bewährung der Wahrheit. Der 3Joh als Dokument urchristlichen Alltags, 1994, 108-114, der sich für die letzte Deutungsmöglichkeit starkmacht. Vgl. auch R.E. Brown, Epistle, 728.73239 und den kurzen Überblick bei H.J. Klauck, Die Johannesbriefe, 16rf. M. Hengel, Die joh. Frage, 5. Vgl. A. Malherbe, The Inhospitality of Diotrephes, 222-232 nun leicht revidiert abgedruckt in: Aspects, r9l:!3, 92-II2 v.a. 92.9+ Malherbe schlägt vor, "that we attempt to understand Diotrephes in light of the main subject of III lohn, which is the extention of hospitality to fellow Christians" (94). Malherbe folgend L.M. White, Texts, 24. Vgl. auch R.E. Brown, Epistles, 69II 5.728-739 und seine Kritik an Malherbe. Vgl. außerdem M. Hengel, Die joh. Frage, 124-150, H.J. Klauck, Der 2/3 Joh, T992, 65ff; ders., Die Johanncsbriefe, 1995, I55-I63 und M. Leutzsch, Die Bewährung der Wahrheit, v.a. 90-Il5 mit jeweils unterschiedlicher Akzentuierung.
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Einblick in die damalige Situation der Gemeinde. Obwohl der Verfasser des 3Joh, "der Alte", der Gemeinde geschrieben hatte {2Joh)420, verweigerte Diotrephes ihm die Aufnahme 42 1, übte gegenüber einigen wandernden Christen aus anderen Gemeinden keine Gastfreundschaft und stieß diejenigen aus der Gemeinde aus, die sich anders als er verhielten. Aus dem 3Joh kann man sehen, daß die Mahnung, die der Presbyter im 2Joh lof ausgesprochen hat422 , in der (Gesamt-)Gemeinde zu unterschiedlichen Reaktionen geführt hat. Diotrephes hat sich dem "Alten" widersetzt, während Gaius seinem Rat gefolgt ist. Wie wir sahen, versammelten sich die ersten Christen zum Gottesdienst überwiegend im Privathaus einer wohlhabenden christlichen Familie. Gasträume in diesem Gemeindezentrum standen auch durchreisenden Nlitchristen und Missionaren als Herberge zur Verfügung. Daraus folgert H.]. Klauck mit Recht weiter: "Die Wandermissionare der Gegenseite nicht ins Haus aufzunehmen bedeutet also auch, ihnen den Zutritt zur Hausgemeinde zu verweigern, sie nicht bei den Versammlungen zu Wort kommen zu lassen, denn das
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Mit vielen anderen Exegeten gehen wir davon aus, daß der 2Joh vor dem 3Joh geschrieben worden ist (vgl. z.B. vorsichtig H.]. Klauck, Die ]ohannesbriefe, I25f und seine Besprechung der verschiedenen Positionen). Immer mehr Forscher setzen sich für die gleiche Übersetzung von bnöeXE08IXt sowohl im 3]011 9 als auch im 3]oh 10 mit "aufnehmen" ein (vgl. unabhängig von einander aber mit ähnlichen Argumenten - v.a., daß W. Bauer, WBNT, nicht mehr maßgeblich sei - M. Leutzsch, Die Bewährung der Wahrheit, 1994, 90-II5, V.<1. rOI.J09f und M.M. MitcheII, "Diotrephes does not receive us", ]BL 117 (1998), 299-320); vgl. auch H.J. Klauck, 2.3Johannesbrief, 1992, I02. Man übersetzt bnöexeu8al in V. 9 nämlich anders als in V. 10 gerne etwa mit "anerkennen"; vgl. z.B. R. Schnacken burg, Johannesbriefe, 1984, 326. Wie man sich hier entscheidet, hat weitreichende Konsequenzen für die Exegese v.a. von 3Joh 5-10 und für das Verständnis der Auseinandersetzung zwischen dem Alten und Diotrephes. In 2Joh IOf findet sich nämlich ein in aller Härte formuliertes Haus- und Grußverbot für alle Sendboten der Gegenpartei. Anscheinend sieht der Verfasser eine Bedrohung für die Adressatengemeinde (2Joh) durch eine häretische, aber auch dynamische Gegenmission, die aus einem Konflikt in der johanneischen Hauptgemeinde herausgewachsen ist (vgl. IJoh 2,19). V.a. werden erhebliche Defizite in der Christologie der Gegner festgestellt (vgl. z.B. 2Joh 7-9). Von daher wird die Schärfe der Forderung in V. IOf verständlich - es geht um das theologische Fundament des christlichen Glaubens (vgl. H.]. Klauck, Johannesbriefe, I54). VgJ. M. Hengel, Die joh. Frage, 146-I50 für eine ausgewogene Besprechung des theologischen Problems des Haus- und Gruß verbots unter Berücksichtigung der Spannung zum jesuanischen Gebot der Feindesliebe in Mt 5>44.
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
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wäre für sie die beste Gelegenheit, ihre Lehre zu propagieren und im schlimmsten Fall Gemeindemitglieder abspenstig zu machen. ,,423 Anscheinend waren Christen als Wandermissionare und Boten von verschiedenen christlichen HGn unterwegs. Nur mit dem Nötigsten ausgerüstet waren diese Christusboten auf die Gastfreundschaft christlicher Häuser angewiesen424 • Diese Wanderprediger führen eine Existenz, die sehr stark an die alte jesuanische Aussendungstradition erinnert {s. S. 93ff)425. Nach 3Joh 7 sind diese wandernden Christen "ausgezogen für den Namen", d.h. um Gottes Herrschaft in dem von Gott gesandten Christus zu bezeugen426 • Sie sind deswegen auf die Unterstützung der ortsansässigen Christen angewiesen, weil sie den Weisungen Jesuvon Mt IO,5 .8f. 10 par folgen und ihre Reise mittellos unternehmen. Auch die Regelung über Gruß und Gegengruß (2Joh lof) scheint sich auf Mt IO,I2f par zu beziehen. Im 2.3 Johannesbrief sehen wir also Wanderprediger, die die jduanischen Aussendungsregeln noch immer genau befolgen 427 • Gerade an diesen reisenden Brüdern entzündet sich der Konflikt. Dem "Alten" wurde berichtet, daß Diotrephes einige dieser Missionare schroff abgewiesen hatte. Im Gegensatz dazu hatte Gaius sie aufgenommen und sogar. für die Rückreise ausgerüstet. Da der "ALte" das Verhalten des Diotrephes nicht einordnen konnte, schrieb er einen Brief an die Gemeinde, aber vergeblich, denn Diotrephes akzeptierte ihn nicht (3.Joh 9). In einem weiteren Brief an Gaius (3Joh)
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Johannesbriefe, r57. Diese Möglichkeit abwägend auch R.E. Brown, Epistles, 676. Zum antiken und biblischen Verständnis vom Grüßen in diesem Kontext vgl. M. Hengel, Die joh. Frage, 145f und S. 107. Vgl. 3Joh 7. Zur Gastfreundschaft vgl. o. Hiltbrunnel', Art. Gastfreundschaft, RAC VIII, 1972., Sp. 106r-112.3; A. Malherhe, Social Aspects, 94-1°3; H.]. Klauck, 2.3Johannesbrief, Exkurs 3: Gastfreundschaft, 9 5f und s. S. 316ft. Vgl. P. Stuhlmacher, Weg, Stil und Konsequenz, ThBeitr 12. (1983), I2.9ff; R. Schnacken burg, Johannesbriefe, 1984, 325. "Der Name" scheint schon eine feststehende Bezeichnung für Christus geworden zu sein. Vgl. Apg 5,41 mit 4,17; 5,28,40; 8,r2; 9,ro; 1Petr 4,14.16. Die Verwendung schließt sich wohl an Jesusworte an, wie z.B. Mt IO,22.4off; 18,5; 19,29. Vgl. auch Röm 1,5. Anders als die Mitarbeitermission des Paulus (s. S. 3 T rff) und die antiochenische Umlandmission mit ihren nachösterlichen Modifikationen (5. S. 202ff) ist im joh. Traditionskreis die vorösterlich betriebene Wandermission in relativ reiner Verwendung geblieben. Vgl. allerdings T. Schmeller, Brechungen, 1989, 76ff, der gegen Theißen eine zu deutliche Unterscheidung zwischen Wandercharismatikern und Gemeindeorganisatoren für eine mangelhafte Typisierung hält.
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Hausgemeinde und Mission
unterstellte der "Alte" dem Diotrephes "tyrannische Neigungen «428. Dabei bleibt der Beweggrund des Diotrephes, sich so zu verhalten, unklar429 • Wahrscheinlich ist, daß Diotrephes gegen den "Alten" Front machte und massiv gegen Gemeindeglieder vorging, die dem "Alten" folgen wollten. Ob Diotrephes mit den im 1Joh erwähnten Irrlehrern zusammengehört, wissen wir nicht, aber es ist durchaus möglich. Interessant ist die Beobachtung, daß der "Alte" trotz der Härte seiner Worte den Kontakt zu Diotrephes nicht völlig abbrechen wollte 430 • Im gleichen Brief versuchte nun der "Alte", Gaius zur Fortsetzung seiner Gastfreundschaft zu motivieren (3Joh 8). Voraussetzung dafür ist, daß Gaius über ein eigenes, wahrscheinlich in relativer Nähe zum Wohnort des Diotrephes gelegenes Haus verfügt. Umstritten ist die Frage, ob die Gruppe, die sich um das Haus des Gaius sammelte, schon vor dem Schreiben des 3Joh und der Auseinandersetzung mit Diotrephes eine HG gewesen ist 431 • Die Erwähnung des Hauses des Gaius und seiner Freunde (3.Joh 15) spricht dafür, daß die Gruppe bereits früher eine Art HG darstellte 432 • Jedenfalls scheint Gaius nicht der Gruppe anzugehören, die von Diotrephes dominiert wurde, denn es gibt keine Hinweise dafür, daß Spannungen zwischen den bei den herrschten oder daß es zur Konfrontation kam. Gaius schien außerdem unabhängig von Diotrephes handeln zu können, indem er im Gegensatz zu ihm die Anweisungen des Alten umsetzte. Wenn das Haus des Gaius bis zu dem Zeitpunkt noch nicht als Versammlungsraum einer selbständigen HG gedient haben sollte433 , lag es sicherlich "in der Logik der Ereignisse, wenn sich sein Hauszu einem neuen Gemeindezentrum entwickeln würde, wo andere Brüder
428
H.]. Klauck, Die Johannesbriefe, 161 (vgl. 3Joh 9). Zum Wortfeld von vgl. Klauck, ebd., Anm. 46. Vgl. die Besprechung der Möglichkeiten mit einer Stellungnahme bei R.E. Brown, Epistles, 732.-739; H.]. Klauck, Die Johannesbriefe, 162.f und M. Leutzseh, Die Bewährung der Wahrheit, 114f. Vgl. den angekündigten Besuch und die Absicht des Presbyters, mit Diotrephes zu reden (3Joh 10). Vgl. R.E. Brown, Epistles, 730-73 8 und seine Auseinandersetzung mit der Position von A. Malherbe, Social Aspects, 92-II2. So auch A. Malherbe, Social Aspects, 104f. Vgl. auch M. Hengel. Die joh. Frage, I26: ,,tvlöglicherweise war Gaius Leiter einer eigenen Hausgemeinde." Die Beobachtung, daß die angeschriebene Gemeinde nicht näher gekennzeichnet wurde, spricht dafür, daß sein Haus noch nicht Versammlungsraum einer selbstständigen HG war. (~LAOnportEljEw
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und schon vorhandene Freunde ... eine neue Stätte der Zusammenkunft finden ,,434. Damit waren Gaius (und wohl auch andere Gemeindeglieder) offenbar Hausvorstände, welche reisende Brüder aufnehmen konnten und wollten. In solchen Häusern sind mit der Zeit anscheinend eine Mehrzahl von Hausgemeinden entstanden. Das Verhalten des Diotrephes deutet an, daß er die Führung der Gemeinde in seinem Haus übernommen hat bzw. schon innehatte. In ihm sollte man zwar noch keinen monarchischen Bischof sehen, wie manche angenommen haben 43S , wohl aber den "Vorsteher einer Hausgemeinde, der als Besitzer des Versammlungsortes auch das ,Hausrecht' ausüben konnte"436. Seine Macht war zunächst nicht ekklesial begründet, sondern auf seiner sozialen Position als Hausvorstand 437 . Allerdings ist deutlich zu erkennen, daß die Entwicklung sich in Richtung kirchenamtlicher Strukturen bewegt438 . Wie wir an den paulinischen HGn sahen, war der Weg vom Hausvorstand zum Gemeindeleiter nicht mehr weit439 • Indem Diotrephes die Missionare abwies, setzte er sich an die Stelle des "Alten" als der einzigen vollmächtigen Instanz und distanz;erte sich damit von der Leitungspraxis der johanneischen Gesamtgemeinde (vgl. rJoh 2,27)440. Das Vorgehen des Diotrephes weist weiter darauf hin, daß er wahrscheinlich mehr als ein bloßer Leiter einer Gemeinde in seinem
434 H.J. Klauck, Die Johannesbriefe, 160.163; so auch R.E. ßrowIl, Epistles, 73IE.
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Brown und Klauck erwägen außerdem noch folgendes: Die Aufbewahrung des 3Joh verdankt seiner Annahme wohl durch Gaills. Möglich ist, daß der Brief als Gründungsurkunde einer nellen johanneischen HG besonderer Wertschätzung gewürdigt wurde. So z.B. schon A.v. Harnack, Über den dritten Johannesbr., 1897,21. W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei, 1934, 93-98 ordnet den Diolrephes der Front der Ketzer zu, als einen ihrer Anführer. Gegen ihn tritt der Presbyter als Verlreter der Rechtgläubigkeit ein. E. Käsemann, Kelzer, 1970, l73f dreht die These von Bauer um. Bei ihm iSl Diolrephes als monarchischer Bischof Vertreter der rechten Lehre, und der Alte übe mim mt als ein dem Diotrephes untergebener Presbyter mit gnostischen Neigungen die Rolle des Ketzers. Vgl. ausführliche Diskussion bei R.E. Brown, Epistles, 733ff; H.J. Klauck, Die Johannesbriefe, 16rf; ders., 2..3Johannesbrief, Exkurs 4: Diotrephes, I06-r09; G, Strecker, Johannesbriefe, 365ff; M. Leutzseh, Die Bew~hrung der Wahrheit, 106-115. M. Hengel, Die joh. Frage, 128; so auch schon A. NIalherbe, Social Aspects, 109. So auch A. Malherbe, Social Aspects, 110. Vgl. R. Schnackenburg, Johauuesbriefe, 329. So auch R.E. Brown, Epistles, 738; M. Hengel, Die joh. Frage, 12.8f; H.]. Klauck, 2.3Johannesbrief, 160f. Vgl. R.E. Brown, Epistles, 738; H.]. Klauck, Die Johannesbriefe, I6r.
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Hausgemeinde und Mission
eigenen Haus war bzw. sein wollte. Man hat den Eindruck, daß er Vorsteher der gesamten Ortsgemeinde gewesen ist bzw. diesen Vorstand angestrebt hat. Wir haben also wieder eine Situation vor uns, in der Gesamrgemeinde und Hausgemeinden zu unterscheiden sind: Die HG im Haus des Gaius (und wohl die HGo in den Häusern anderer Gemeindeglieder) einerseits und die Gesamtgemeinde am Ort bzw. in dem Gebiet andererseits 441 • Die einzelnen HGn scheinen aber in die Gesamtgemeinde eingebunden und von deren Leitung abhängig zu sein. Diese Sicht setzt voraus, daß EKKA,110ia in 3Joh 9 sich auf die Gesamtgemeiode am Ort bzw. in dem Gebiet bezieht, obwohl der Begriff im unmittelbaren Kontext (3Joh 6) eindeutig für eine einzelne Gemeinde am Ort verwendet wird. A.]. Malherbe vertritt mit guten Gründen die Auffassung als Gesamtgemeinde442 • V.a. die damalige Praxis, einen Brief an die Gesamtgemeinde am Ort bzw. im Gebiet zu schreiben, spricht für dieses Verständnis 443 • Die Probleme, die in den Johannesbriefen entstehen, werden in der Didache weiterbehaodelt. Dort (Did II,1-6.I2,1-4) sehen wir, daß es auch andere umherziehende christliche Prediger gab, die die Gastfreundschaft or~sansässiger Christen ausgenutzt haben 444 • Anscheinend hofften sie sich auf Kosten der HGn, in die sie kamen, ein sorgenfreies Leben zu machen. Die Gemeinden der Didache stellten nämlich klare Unterscheidungsmerkmale für wahre und falsche christliche Wanderpropheten auf: Ein wahrer Prophet ist nach Did 11.12 daran zu erkennen, daß er die rechte Lehre verkündigt, höchstens zwei Tage an einem Ort bleibt, sich bei der Abreise maximal mit Brot bis zum nächsten Abend ausstatten läßt und einen gedeckten Tisch nicht für sich selbst, sondern bloß für die armen Christen erbittet. Wenn einer sich nicht
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Es gibt wenigstens zwei christliche Gruppen in der Gegend: die eine, die sich mit Gaius, und die andere, die sich mit Diotrephes verbindet (so auch A. Malherbe, Social Aspects, 105). Social Aspects, I03-II2. Das gilt, auch wenn der 310h an Gaius geschrieben wurde, denn der Inhalt des Briefes geht die ganze Gemeinde an (vgl. V. LS aber auch den Brief an Philemon). Vgl. allerdings die Kritik an Malherbe bei R. Brown, Epistles, 730-738. Zum folgenden vgl. auch K. Niederwimmer, Didache, I993, 214ff.223ft.
Das Weiterwirken von Oikos-Strukturen
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an diese Anweisungen hält, ist er ein Falschprophet. Die Gemeinde soll einen solchen abweisen und nicht anhören 445 . Eine weitere Frage stellt sich im 3]oh hinsichtlich einer eventuellen kultischen Funktion des Hauses. L.M White weist darauf hin, daß sowohl die Regelung in 2]oh lof als auch das Verhalten des Diotrephes zeigen, dafS "admission to the hause of assembly in this community, and especially for Diotrephes, had become a much more formalized concept"446. Nichts deutet zwar darauf hin, daß das Haus zum Kirchengebäude umgebaut wurde; es ist anscheinend immer noch ein Privathaus im Besitz dessen, der die Hausgemeinde geleitet hat. Aber eine Tendenz wird deutlich, wie diese Gruppe ihre Versammlung und den Ort ihrer Versammlung zu verstehen begann. "The doors and walls of the house itself had begun to deHne the limits of the cultic community in assembly. "447 Der Zugang zum Haus steht, so White, symbolisch für den Zugang zur Gemeinde. Die Entwicklung bewege sich hin zur Hauskirche 448 als einem kultischen Raum. Allerdings ist hier zu fragen, ob die Belege mit der These von White nicht überfordert werden. Richtig ist, daß hier die Gemeinde eine feste Form annimmt. Sie bewegt sich hin zur Rechtsorganisation. Wie schon festgestelt: Indem Diotrephes die Wanderprediger abwies und andere anders denkende Glaubende aus der Gemeinde ausstieß, übte er als Hausvorstand eine soziale Macht und eventuell schon als Leitungsperson einer bestehenden Gruppe in seinem Haus eine kirchenamtliche Macht aus. Er lehnte es ab, die wandernden Lehrer in seinem Haus zu versorgen und ihnen ein Quartier zu geben. Er unterschied eventuell auch zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern. Damit bewegte er sich im sozial- bzw. rechtsorganisatorischen Rahmen. Sein Verhalten stellte aber noch keine kultische Verwendung seines Hauses dar.
445 Eine andere Möglichkeit, die Praxis der Gastfreundschaft zu regeln und gegen
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Mißbrauch zu schützen, bestand darin, einen Empfehlungsbrief zu schreiben, um wandernde Christen den HGn, die auf ihrem Weg lagen, vorzustellen. 3Joh kann als Beispiel eines solchen Empfehlungsbriefes gelten (vgl. z.B. A. Malherbe, Aspects, I03ff; M. Leutzseh, Die Bewährung der Wahrheit, r8-30). . Texts, 24. LM. White, Texts, 24. Zur Definition von Hauskirche bzw. Hausgemeinde s. S. 45ff.
Hausgemeinde und Mission
Es lassen sich aus unserer kurzen Betrachtung der Johanneshriefe zusammenfassend einige wichtige Folgerungen für die missionarische Funktion und Bedeutung von nd. HGn ziehen. Es ist in der Forschung allgemein anerkannt, daß das frühe Christentum seine rasche Ausbreitung wandernden !vlissionaren und Missionarinnen verdankt449 • Zur Zeit der Johannesbriefe wurde Mission vermutlich v.a. durch individuelle persönliche Kontakte und Gespräche, sowie durch Einladung in den Gottesdienst der HGn betrieben450 • Diese christlichen Wanderprediger waren außerdem wichtige Informationsträger. Der 3Joh, den vermutlich der in V. 12 genannte Demetrius überbrachte, wurde durch diesen wohl auch erläutert. Über den Informationszweck hinaus, sollte er auch die persönliche Beziehung des "Alten" mit dem Empfänger bestärken. U.a. dadurch hatten Wanderprediger die Funktion - dies wird in den Johanneshriefen besonders deutlich -, die Gemeinden zu stärken und ihrem Zusammenhalt zu dienen 451 • M. Hengel übertreibt durchaus nicht, wenn er sie "Garanten für die Einheit der Kirche" nennt452 • Die Johannesbriefe belegen unmißverständlich, daß gut funktionierende Hausgemeinschaften, die die Missionare versorgen, notfalls pflegen, ausstatten und für die weitere Reise verproviantieren (hier ist auch an finanzielle Zuwendungen zu denken - vgl. 3Joh 6)453, für diese Mission unentbehrlich gewesen sind 454 • Für wandernde Christen, denen die Aufnahme durch einen christlichen Haushalt verweigert wurde, war die Lage prekär. Selbst wenn sich eine christliche Gemeinde an einem anderen Ort in der Nähe befand, war es unter 449
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S. o. unsere Unttrsuchung, passim. Vg!. auch z.B. A. MaJherbe, Aspects, 62-69; Stambaugh und BaJch, World, 1986, 37-62. lVI. Hengel, Die joh. Frage, 133. Vg!. die Schilderung seiner Bekehrung durch einen alten Lehrer bei Justin, Dia!. 3,lff. Eine ähnliche Funktion ist auch in der Didache vorauszusetzen (s. u.) Die johanneische Frage, 134. Henge! weist zurecht auch darauf hin, daß diese wandernden Christen zu einer Gefahrenquelle werden, wie der zweite Johannnesbrief zeigt (2Joh 10). Damit wird zugleich eine Schwäche der HG erneut deutlich: Wie wir sahen, kann sie, v.a. mit schwachtr Leitung, der Gefährdung der Irrlehre mehr oder weniger schutzlos gegenüber stehen (s. o. Kap. V.CI 3m Ende des Abschnitts). In 3Joh 6 ist 1tP01tE}!1tEtV nicht bloß "geleiten", sondern "zur Reise ausrüsten" wie Apg 15,3; lKor I6,6.II; 2Kor 1,16; Tit 3,13; vg!. R. Schnackenburg, Johannesbriefe, 1984, 324', Anm. 4; H.]. Klauck, 2.3Johannesbrief, 90. Vg!. H.]. Klauck, 2..3Johannesbrief, 96: "Ohne die Praxis der Gastfreundschaft unter Glaubensbrüdern und -schwesttrn (Röm r6,1f) wäre die urchristliche Missionsbewegung undenkbar gewesen."
Das \'(!eiterwirken von Oikos-Strukturen
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Umständen (v.a. bei Nacht) gefährlich, dorthin weiterzuziehen 455 • Von den Heiden liessen sich die wandernden Christen der Johannesbriefe ebenfalls nicht aufnehmen (3Joh 7)456. Wie wir schon sahen, bot eine gewerbliche Herberge auch nicht unbedingt die notwendige Unterkunft (falls in der näheren Umgebung überhaupt eine vorhanden war) 457. Abgesehen von dem üblen Ruf dieser Herbergen konnte Geldmangel die Missionare daran hindern, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Deswegen legt der Verfasser des 3Joh so viel Wert auf die Aufnahme wandernder Christen. Eine Situation, in der ihre Aufnahme durch ortsansässige Mitchristen nicht gewährleistet wird, nimmt er als ernste Krise wahr, denn er weiß, der Erfolg der Mission hängt zum großen Teil von deren Aufnahme ab.
Außer Raubtieren ging Gefahr V.a. von Räuberbanden aus (vgl. Lk 10,25-37; MekhiltaEx Jitro 2). Zur Gefahr des Reisens bei Nacht vgl. B. Isaac, Limits, r82, Anm. I I 5; S. Krauss, Archäologie I, 68, Anm. I96f. 456 Es ist nicht ganz eindeutig, ob die wandernden Christen in 3Joh 7 von den Heiden nichts bekommen oder, ob sie nichts von ihnen annehmen, selbst wenn sie etwas von ihnen bekommen könnten. Beide sind Möglichkeiten gewesen - vermutlich hat sich häufig beides zugleich abgespielt. Im ersten Fall würden sich die Heiden von den Christen abgrenzen (z.B. wegen des Fehlens der persönlichen Bekanntschaft oder wegen Reserve bzw. Feindschaft gegen Christen). Im zweiten Fall würden sich die Christen weigern, von Heiden Unterstützung anzunehmen oder von vornherein der Möglichkeit eines solchen Angebotes aus dem Wege gehen. Beides wäre gut denkbar, v.a. wenn es sich um Judenchristen handelte, die die ad. Reinheitsgebote noch einhalten wollten (vgl. dazu M. Hengel, Die joh. Frage, . I28, Anm. ro8; anders H.J. Klauck, 2.3Johannesbriefe, 92). ,\)7 Zum üblen Ruf dieser Herbergen s. o. Kap. IV.B-3-b. 1. 455
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Hausgemeinde und Mission
VI. Die ekldesiale und missionarische Funktion und Bedeutung der Hausgemeinden A) Rückblick: Funktion und Bedeutung im Neuen Testament (von Jesus bis Paulus) Wie in der antiken Gesellschaft generell, so stellte der Oikos für das frühe Christentum eine grundlegende Einheit des Gemeinschaftslebens dar. Häuser waren mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung die bauliche, soziale und wirtschaftliche Basis der städtischen und überregionalen Mission und Keimzelle für das örtliche Gemeindeleben. Im Ansatz galt das in der jesuanischen Dorf- und Umlands mission, dann immer deutlicher in der Stadtmission der Jerusalemer Urgemeinde, in der Stadt- und Umlandmission Antiochiens, in der paulinischen "weltweiten" Zentrumsmission sowie während der zweiten und dritten Phase der Ausbreitung des Evang~liums. Im folgenden versuchen wir" die ~ekklesialen u~d missionarischen Funktionen des Hauses nach architektonischen, sozio-ökonomischen und ekklesiologischen Gesichtspunkten noch einmal zu bündeln \ wobei jeweils auf die Leistungsfähigkeit und Schwäche der Hausgemeinde (= HG) zu achten sein wird. I.
Das Haus als Bau (architektonisch)
Schon in unserem Forschungsbericht sahen wir, wie Privathäuser in der frühchristlichen Mission in unterschiedlicher Weise von Christen gottesdienstlich genutzt wurden. Es sind drei Grundmöglichkeiten zu unterscheiden. a) Ein Raum, meist das triclinium eines Privathauses, wurde zu bestimmten Zeiten ohne architektonische Veränderung für religiöse Zwecke zur Verfügung gestellt (= Hausgemeinde). b) Ein Raum (oder mehrere Räume) eines Privathauses wurde(n) mit eventuellen architektonischen Veränderungen ausschließlich religiös verwendet. c) Ein Haus mit baulichen Veränderungen (= Hauskirche) oder ein meist öffentliches Gebäude (= Saalkirche) gehörte eventuell Für die Zusammenfassung der Bedeutung von Häusern in den jeweiligen eben genannten Zeitabständen s. o. den "Ergebnis"-Teil jedes Kapitels.
Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedetung der HG 479
noch einem Privateigentümer, diente aber ausschliefslich religiösen Zwecken 2 • Auch wenn es wohl schon zur neutestamentlichen Zeit alle drei Weisen des Gebrauchs gab, werden die beiden letzten Möglichkeiten eher die Ausnahme dargestellt haben (L.M. White). Dabei sind die erste per definitionem und die anderen beiden Möglichkeit(en) wegen des weitgehenden Fehlens von positivem Beweismaterial archäologisch für unseren Zeitraum nicht sicher zu belegen. Eine Ausnahme bilden die Überreste des Petrushauses in Kapernaum, das möglicherweise schon vor 70 n.Chr. als christlicher Versammlungsraum verwendet worden ist (s. S. 57ff). Es ist auch zu bedenken, daß besonders dort, wo sich eine Synagogengemeinde ganz oder mehrheitlich dem neuen Messiasglauben anschlof5, (öffentliche) Gebäude schon ganz dem gottesdienstlichen Zweck gewidmet worden sein können. Aber auch dafür haben wir keinen sicheren Beleg. Eine Bestätigung dieser Sicht könnte man darin sehen, daß die Entstehung der ersten HGn oft als Tochter- bzw. Konstrastbildung zur Synagoge beschrieben werden 3 • Nur die erste Möglichkeit einer HG. in einem Privathaus ist im NT exegetisch sicher zu belegen, und das sogar mehrfach: Zunächst einmal schon vor· Ostern bei Jesus (Petrushaus in Kapernaum), so dann in der Jerusalemer Urgemeinde (Haus mit dem Obergemach; Haus der Maria, Mutter des Johannes Markus) und schließlich auch in der paulinischen Mission4 • Viel später (ab dem 3. Jh.) gab es dann eine wachsende Tendenz zu ausschließlich religiös genutzten Gebäuden in Gemeindebesitz, und mit Konstantin begann die Phase großer basilikaler Kirchenbauten. In abgelegeneren, noch wenig christianisierten Gegenden hielten sich aber Hausgemeinden und Hauskirchen mindestens noch bis ins 4./5. Jh. n.Chr. (s. S. 26). Hinsichtlich der Verwendung von Häusern in der Mission Jesu und in der Jerusalemer Urgemeinde darf als ein Ergebnis dieser Studie gelten, den historischen Wert der in diesen Zusammenhängen wichtigsten Belege für Häuser und HGn nachgewiesen zu haben. Wie im Forschungsbericht erwähnt, galt es bislang in Gen meisten Untersuchungen der frühchristlichen HG als selbstverständlich, daß
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3 4
Zu der Unterscheidung der drei Begriffe Hausgemeinde, Hauskirche und Saalkirche vgl. unseren Forschungsbericht S. 30fE. Vgl. in Philippi: Apg 16,qff.3off; in Korinth: Apg 18,I-8; vgl. auch Jak 2,2f. Vgl. z.B. Haus des Aquila, des Gaius und des Philemon - s. o. Kap. IV. V für Belege.
Hmlsgemeinde und Mission
man erst mit den Belegen in den unumstrittenen Paulusbriefen auf historisch sicherem Boden steht. Die architektonische Leistungsfähigkeit bedingte einige Stärken des Hauses bei seiner Verwendung als Räumlichkeit in der frühchristlichen Mission. Zunächst ist festzuhalten, daß Häuser architektonisch verschieden sind. Für die Zeit der frühchristlichen Mission kommen palästinische, griechische und römische Typen von Privathäusern in Frage5 • Sie waren leicht adaptierbar und boten damit als Versammlungsräume für die ersten Christen eine "kostengünstige" Möglichkeit. Mit geringem Aufwand war eine christliche Präsenz im Alltag der antiken Städte zu erreichen. Wenigstens in der Anfangszeit bot das Triklinium (teils zusammen mit dem Vorhof [vgl. Kapernaum Mk 2-4] bzw. Atrium) einen fast idealen Raum für gemeindliche Lehr- und Predigttätigkeit, katechetische Taufunterweisung und andere missionarische Aktivitäten. Durch die Größe des Trikliniums bedingt waren die Mitgliederzahlen der ersten HGn relativ niedrig (durchschnittlich 20-40; im Ausnahmefall auch bis zu roo). Dadurch sind diese Gemeinschaften, wenn auch notgedrungen, überschaubar und als Folge relativ familiär und verbindlich geblieben. H.]. Klauck betont: "Ein Grund für die Leistungsfähigkeit der Hausgemeinde ist darin zu suchen, daß schon vom Platzangebot her der Rahmen einer Kleingruppe in der Regel nicht gesprengt werden konnte. "6 Das Triklinium war ebenfalls ein geeigneter Raum für Gebetsversammlungen, Tischgemeinschaft und die Feier des Herrenmahls (vgl. die Jerusalemer Urgemeinde). Das Haus bot auch andere Räume, die der Mission zur Verfügung gestellt werden konnten, wie z.B. Gasträume als Quartiere filr reisende bzw. am Ort längerfristig wirkende Missionare (Jesus in Kapernaum; Paulus bei Philemon oder bei Priska und Aquila in Karinth). Zum Haus gehörte gelegentlich auch der Arbeitsplatz, der ebenfalls für die Mission nützlich gemacht werden konnte. Paulus z.B. hat möglicherweise den Arbeitsplatz (im Haus des Aquila) als Gelegenheit zum evangelistischen Gespräch bei geschäftlichen Kontakten genutzt. Die architektonischen Bedingungen eines antiken Privathauses brachten umgekehrt auch einige Einschränkungen und Schwächen mit sich. Die beschränkte Größe des Trikliniums ist nicht nur positiv
Siehe S. 88f, 137 f, 25 2f für unsere Beschreibung antiker Häuser.
HG,
100.
Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedetung der HG 48 I
zu sehen - sie bedeutet notwendig auch eine zahlenmäßige Begrenzung der möglichen Gottesdienstbesucher. Wenn die Gemeinde über eine gewisse Anzahl hinauswuchs, mußte ein anderer Hauseigentümer gefunden werden, der über ein entsprechend großes Haus verfügte und die Bereitschaft aufbrachte, es in den Dienst der Gemeinde zu stellen, was sicherlich nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden konnte. Eine zusätzliche Schwäche des Privathauses stellt das Fehlen einiger für den Gottesdienst und das sonstige Leben der Gemeinde wichtiger Eigenschaften dar. Z.B. bestand in den meisten Häusern keine schon eingebaute Taufmöglichkeit. Eine Ausnahme dürften manche palästinischen Privathäuser mit miqva 'at dargestellt haben? Vielleicht liegt es daran, daß wir im Neuen Testament zwar relativ viel von der Taufe eines Hauses, aber so gut wie gar nichts von der Taufe in einem I-laus hören. Ambivalent ist die architektonische Anonymität eines Privathauses zu bewerten. Ein Privathaus vermochte ohne bewußt christlich gestaltete Architektur kein Zeugnis nach außen zu geben. Andererseits konnte die Anonymität in Zeiten der Verfolgung als Schutz dienen, so daß Privathäuser zu Zufluchtsstätten für Missionare und Gemeindeglieder in schwierigen Situationen wurden (Apg 12,I2ff). Allerdings war die Anonymität gar nicht so leicht zu wahren, wie schon in Jerusalem erkennbar wurde (Apg 8,3). L.M. White betont, daß schon allein der Umbau eines Hauses in der Nachbarschaft aufgefallen wäre, denn ein solches Projekt muß finanziert und dann von Handwerkern in Angriff genommen werden 8 • 2.
Das Haus als Gemeinschaft (sozio-ökonomisch)
Wie wir im Forschungsbericht sahen, haben Klauck, Meeks und L.M. White mit Recht darauf hingewiesen, daß die Christen nicht die erste und einzige religiöse Gruppe waren, die sich in Privathäusern versammelte. So hielten es z.B. auch Angehörige des Mithras-Kultes, der Mysterienvereine und v.a. Juden in ihren Haussynagogen. Hier wird die völlige (Mithras) oder teilweise (Judentum) Unabhängigkeit von geschichtlich entstandenen, ortsgebundenen
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Vgl. N. Avigad, Discovering Jerusalem, I983, 139-143 für die archäologische Evidenz von Ritualbädern in Jerusalem und E. Netzer, Ancient Ritual Baths in Jericho, 1982, 106-I I9 im herodianischen Jericho. God's House, 14M.
Hausgemeinde und Mission
Heiligtümern deutlich. Die Christen haben also eine gesellschaftlich und rechtlich anerkannte Form für ihre religiösen Treffen gewählt. Vor allem das Beispiel der Mysterienvereine macht deutlich, "wie leicht man in der damaligen Umwelt christliche Hausgemeinden als religiöse Vereine auffassen und gelten lassen konnte"9. So wie in der ersten Zeit der Anschluß an die soziale und wirtschaftliche Grundstruktur des OiKO~ erfolgt ist, gilt das auch für die zweite und dritte Phase der frühchristlichen Mission. Die "Haustafel" (=' HT), wie wir sie in Kol und Eph vorfinden, stellte auf dem Hintergrund der Oikonomik (Lührmann) die sozial-ethische Entsprechung für Oikosstrukturen früherer Gemeinden dar. Selbst unter dem Vorzeichen der Naherwartung sind in den HGn potentiell dauerhafte soziale Gebilde entstanden. Da Familien von Anfang an eine HG um sich gebildet haben, bedurften sie der besonderen Mahnung und Weisung, die uns dann zum ersten Mal historisch greifbar in der Kol-HT begegnet. Es ist deshalb nicht notwendig, die HT nur als Antwort auf eine durch die Parusieverzögerung entstandene Krise der zweiten (und dritten) Generation oder als Protestreaktion gegen eschatologische Enthusiasten zu verstehen. Die Einordnung der HT in den paränetischen" Zusammenhang von Geineinde - Haus - Öffentlichkeit (v. Lips) sowie ihre Bestimmung als Topos und nicht als Gattung spricht für eine stärkere christliche Eigenleistung bei ihrer Formulierung als allgemein angenommen wird. Die Kol-HT dürfte als Traditionsstück bereits im Bereich der paulinischen Mission entstanden sein (Gielen)lO. Der Anschluß an die Oikosstrukturen hatte auch positive Konsequenzen hinsichtlich des Verhältnisses von Gemeinde und Öffentlichkeit. Mit der Entscheidung für die Oikosordnung entsprachen die HGn der antiken Gesellschaft, denn der antike Oikos spiegelte die damalige ständische Ordnung wider, die verschiedene soziale Schichten umfaßte. Damit haben sich die frühen Christen nicht einseitig auf bestimmte Bevölkerungsschichten beschränkt, sie blieben in der Lage, alle Schichten mit dem Evangelium zu erreichen. Das wird im Kol und Eph, aber besonders in den Pastoralbriefen deutlich. Die Christen sollten in ihren Familien und HGn ein von Gott her in Christus geordnetes Hauswesen darstellen. In ihren Familien und HGn sollten sie nach innen und nach außen ein Bild der Ordnung 9 !O
P. Stuhlmacher, Phlm, 72. Siehe S. 390.
Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedetttng der HG 483
bieten und ein vorbildliches Leben mit dem Ziel führen, ihre Mit-" menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Der Anschluß der HGn an den Oikos wirkte sich nicht nur für die Ausbreitung des Evangeliums positiv aus, sondern die HG ermöglichte auch Kontinuität, Dauer und Tradition. Mit ihrem Anschluß an die Oikosstruktur wurde die christliche Gemeinde überlebensfähig und bekam die Möglichkeit des Generationsübergangs (Lührmann). Die Bedeutung des Oikos zeigte sich besonders bei der Ausbildung von gemeindlichen Leitungs- und Organisationsstrukturen (s. u.). Im sozio-ökonomischen Zusammenhang hatte das Patronatssystem eine wichtige missionarische und gemeindefärdernde Bedeutung. Indem die Hausvorstände ihre Häuser als Versammlungsräume bereitstellten, war das materielle und organisatorische Fundament für den Gemeindeaufbau gesichert. Die soziale Vernetzung im Haus, Beruf, Zunft und Verein wirkte sich für Mission und Gemeindebau positiv aus. Hier ist z.B. an Kontakte des pater familias zu den Mächtigen einer Stadt zu denken (Jason, Apg 17) ..Der öffentlich angesehene Hausvorstal1d konnte für den rechtlichen Schutz und eine gewisse soziale Legitimation dei HG in seiriem Haus sorgen. Die Großfamilie inklusive Sklaven, Klientel und Freunden sowie die Kontakte des pater familias mit eigenen Berufskollegen und Geschäftspartnern sowie denen seiner Klientelen und Freunde boten ein Netzwerk von Beziehungen. Paulus, aber wohl auch seine Mitarbeiter und viele andere Christen konnten ein solches Beziehungsnetz für die Mission fruchtbar machen (Judge, Hock, Meeks). Das sozio-ökonomische System des antiken Patronats diente auch als Unterstützung für die örtliche und überörtliche Mission. Dies wurde im Ansatz schon vor Ostern in der jesuanischen Dorf- und Umlandmission von Kapernaum aus in dem "evangelischen Dreieck"ll deutlich, wo wir ein komplementäres Verhältnis zwischen den Wandermissionaren und den ortsansässigen Anhängern Jesu feststellen konnten. Aber das Patronatssystem ist erst recht in der paulinischen weltweiten Zentrumsmission zum Tragen gekommen. Hausvorstände ermöglichten durch ihre Gastfreundschaft und anderweitige materielle Unterstützung (z.B. Reisekosten) die missionarischen Reisen des Paulus und seiner Mitarbeiter. Zugleich diente der antike Oikos beim paulinischen Missionsunternehmen als Quelle der Gewinnung von Mitarbeitern. Sowohl Hausvorstände (Stephanas aus
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Kapernaurn, Bethsaida, Chorazin.
Hausgemeinde und Mission
,Korinth) als auch Glieder ihres Hauses haben sich am qrt und im Reisedienst für die Mission eingesetzt. Das Haus war ein Ubungsfeld für Mitarbeiter und Führungskräfte der Mission. Dabei haben Hausvorstände, Sklaven und Klientel schon vor ihrer Bekehrung zum christlichen Glauben im antiken Oikos organisatorische, verwaltungsmäßige und (v.a. die Hausväter) auch lehrende Fähigkeiten einüben können. Mit dem Stichwort Gastfreundschaft werden wir an eine weitere positive Bedeutung des antiken Oikos erinnert. Die frühchristlichen Häuser und HGn waren Orte, an denen die christliche Gastfreundschaft für Christen und Nichtchristen konkret gelebt und erlebt werden konnte. In den HGn wurde die Geborgenheit der fami/ia Dei sowohl für Christen als auch für Nichtchristen erfahr bar. Eng damit verbunden war die frühchristliche Bruderliebe, die verschiedene Schichten zu einer Gemeinschaft vereinigten. Das Ergebnis der Forschung der letzten Jahre, daß die Glieder der ersten christlichen Gemeinden keiner sozialen Schicht ausschließlich zuzuweisen sind, sondern vielmehr aus nahezu allen Schichten herstammten, wurde durch unsere Arbeit (s. S. 220ff und 38 sff) deutlich bestätigt. Sowohl die Zusammensetzung der paulinischen Gemeinden wie auch die HT-Tradition in Kol, Eph und den Pastoralbriefen zeigten, daß die HGn Menschen verschiedenster Herkunft umfaßten: Hausvorstände und Sklaven, Juden und Heiden, Männer, Frauen, und auch gläubige Kinder. Es wurde ein Wachstum der christlichen Bewegung in fast alle Schichten hinein erkennbar. Das konnte aber letziich nur dann zum andauernden Erfolg führen, wenn es gelang, ein Bewußtsein der Zusammengehörigkeit zu schaffen, das sich gegenüber den unausweichlichen Konflikten, "die aufgrund milieuabhängiger Verhaltensmuster aufbrachen" 12, durchsetzen konnte. In allen Phasen der frühchristlichen Mission bietet die HG wieder eine wichtige, wenn auch nicht ausschließliche Erklärung dafür, wie es der Christenheit gelingen konnte, Menschen von sehr verschiedenener sozialer Herkunft in die örtlichen Gemeinden zu integrieren. Gal 3,27f, Kol 3,II und die christliche HT sind Indizien für eine außergewöhnlich gemeinschafts bildende Kraft und soziale Integrationsfähigkeit der frühchristlichen HGn mit ihren Oikosstrukturen. Das Verständnis der Gemeinde als Familie Gottes wurde zum sozialen Modell und prägte den Umgang der Christen unterein-
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G. Schöllgen, Hausgemeinde, 74.
Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedetttng der HG 485
ander. Die alle Schranken überschreitende Bruderliebe, die in der paulinischen Rechtfertigungslehre theologisch verankert war, machte auch nicht vor Heiden oder Sklaven halt. Durch die prägende Kraft des Evangeliums erfuhren die Oikosstrukturen sogar eine teilweise Umgestaltung. Im Rahmen der kleinen, familiären HGn haben sich Menschen unterschiedlichster Herkunft zu einer neuen sozialen Einheit zusammengefügt. Die ersten HGn stellten einerseits das Übungsfeld der Brüderlichkeit für die Christen mit einer starken Integrationsfähigkeit nach innen dar. Andererseits waren die HGn für die Nichtchristen der Schauplatz der Brüderlichkeit und hatten damit eine starke missionarische Wirkung nach außen (Vogler). Noch ein weiteres Merkmal des antiken Patronatssystems konnte sich positiv für die frühchristliche Mission auswirken. Damals wurde allgemein erwartet, daß sich die untergeordneten Mitglieder des Hauses der Religion des Hausvorstandes anschlossen. Auch wenn das leichter in kleineren als in größeren Familien durchzusetzen und eine Auflockerung dieser Praxis in der Kaiserzeit erkennbar war, gibt es Hinweise im Neuen Testament dafür, daß sich nicht nur Einzelne, sondern auch ganze Häuser taufen ließen (vgl. die Oikosformel der Apg). Daß dies zur schnelleren Verbreitung des Evangeliums führte, liegt auf der Hand. Ein weiterer positiver Aspekt dieses Phänomens ist die damit ermöglichte korporative Solidarität, die bei und nach der Bekehrung wirksam werden konnte. Man wurde schon von Beginn an in seiner Entscheidung für den christlichen Glauben von der ganzen Familie unterstützt und getragen. Allerdings konnte die Taufe von Abhängigen im Oikos auch bedeuten, daß ihnen der persönliche Glaube noch fehlte (Meeks). Unsere Studie hat gezeigt, daß die Anlehnung der Gemeinde und Mission an den antiken Haushalt aus sozio-ökonomischer Perspektive auch noch andere Gefährdungen mit sich brachte. Die missionarische Ausstrahlung des Hausvorstandes z.B. konnte eine ambivalente sein. War der Patron der HG sehr beliebt und hoch angesehen in Nachbarschaft und Stadt, dann nutzte das dem Ruf und der Werbekraft der ganzen Gemeinde, galt aber das Gegenteil, dann schadete er ihr um so mehr. Von diesem Hintergrund her erscheinen die Anweisungen der Pastoralbriefe an die Gemeindeleiter als sehr verständlich. Die einfache Übernahme der ständischen Ordnung des Oikos konnte auch zu sozialen Problemen führen. Aus der starken gesellschaftlichen Stellung der Hausvorstände vermochten in den HGn
Hausgemeinde und Mission
leicht Abhängigkeitsverhältnisse zu entstehen - pagane Oikosstrukturen wie das Klientelwesen konnten sich auch in christlichem Gewand fortsetzen. Außerdem war die Gefahr einer Abhängigkeit von einzelnen charismatischen Leitern und Leiterinnen gegeben. Nicht jeder, der wohlhabend und gebildet war, mugte sich auch theologisch und geistlich positiv entwickeln. Abirrungen von Patronen und Patroninnen konnten ganze HGn mit sich reißen, was dann zu Konflikten und eventuell auch Spaltungen in der Ortsgemeinde führte (vgl. Past). Die Versammlung im Haus bedeutet nicht automatisch die versöhnte Vielfalt einer Gemeinde. In den Hausmithräen trafen sich ausschließlich Männer, die collegia schlossen meist Angehörige derselben sozialen Schicht zusammen. Bei den Haussynagogen war das Bild meist bunter, aber auch hier gab es einen Zug zu landsmannschaftlichen und berufsgebulldenen Vereinigungen, was immer auch ein ausschließendes Element beinhaltete. Wenn die christlichen HGn in der Regel eine große Vielfalt verschiedener Menschen einschlossen, so hängt das in erster Linie mit der inneren Struktur des neuen Glaubens zusamrrren (~al 3,27f). Christus hatte allen Menschen das Heil erworben -' de~zufolge soll eine Vielfalt in liebevoller Einheit miteinander leben. Deswegen konnte Paulus so heftig gegen die landsmannschaftliehe Aufteilung der HGn in Antiochien kämpfen. Das Beispiel von Korinth zeigt ebenfalls, wie sich soziale Unterschiede negativ auf HGn auswirken können. Auch wenn die Versammlung im Haus besondere Möglichkeiten zur Übung und Bewährung einer aufnahme bereiten, liebevollen und tragfähigen Gemeinschaft eröffnet, garantiert sie diese noch nicht.
3. Das Haus als Gemeinde (ekklesiologisch) Unsere Studie hat gezeigt, daß in allen drei Phasen der frühchristlichen Mission das Haus als Grundlage jeglichen Gemeindelebens diente. Schon für die Zeit vor Ostern ist zu erkennen, dag das Haus des Petrus zu Kapernaum als "Wiege der entstehenden Ecclesia t<13 den Stützpunkt der Missionstätigkeit, einen Ort der Heilungs- und Lehrtätigkeit Jesu und Versammlungs raum für den vorösterlichen Jüngerkreis als (amilia Dei darstellte. Auch im Rahmen der Mission seiner Jünger dienten Häuser als Versammlungsräume, Orte der 13
S. Loffreda, La Tradizionale Casa, 1993, 38 (Übers. = RG).
Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedettmg der HG 487
(Tisch-)Gemeinschaft für die Neubekehrten und Stützpunkte ihrer Wandermission. Später wurden auch in der Jerusalemer Urgemeinde Privathäuser einzelner Gemeindeglieder als Versammlungsräume für die Pflege der Gemeinschaft, für Gebet, Lehre und Feier des Her~enmahls verwendet. Es ist berechtigt, von Hausgemeinden als von Gemeinden im Vol/sinn zu sprechen, da eigentlich alle konstitutiven ekklesiologischen Elemente festzustellen sind. Die HGn ermöglichten das Feiern spezifisch christlicher Gottesdienste. Im Tempel konnte man sich treffen, beten, das Wort Gottes verkündigen, aber nur in den Häusern war es möglich, das Mahl des Herrn zu feiern. Diese Verwendung von Häusern setzt sich in der antiochenischen und sodann in der ersten, zweiten und dritten Phase der paulinischen Missionsgemeinden fort. Eine wichtige Frage unserer Untersuchung betraf das Verhältnis von Haus- und Ortsgemeinde und die damit verbundenen ekklesiologischen Implikationen. Die Beziehung von Haus- und Ortsgemeinden dürfte sich schon in neutestamentlicher Zeit verschieden dargestellt haben. Einerseits finden sich in der Apg Aussagen über mehrere Häuser als Versammlungstätten in Jerusaiem, andererseits werden v.a. in Apg I,12ff und 12,10b-I7 zwei besondere Zentren deutlich, der erste Versammlungsort der Jerusalemer Urgemeinde im Obergemach, und ein anderer im Haus der Maria, Mutter des Johannes Markus. Möglicherweise stellten diese jeweils die Versammlungsräume der hebräisch- und der griechisch-sprechenden Gemeinden dar. Durch das schnelle Wachstum der Urgemeinde vermehrte sich schon in den ersten Jahren die Zahl von HGn (Apg 2,4 2 -47; 5,42). Ihnen gegenüber stand die Gesamtgemeinde, die sich im Tempel regelmäßig versammelte. Schon in der Jerusalemel' Urgemeinde ist ein Nebeneinander von einer Mehrzahl von HGn und der Ortsgemeinde anzunehmen. In Rom gab es so gut wie sicher verschiedene HGn, die auch eine unterschiedliche Ausrichtung hatten (Röm 16). Angesichts der Größe der Stadt und der Vielzahl der Gruppen ist ein gemeinsames regelmäßiges Treffen an einem Ort überaus unwahrscheinlich (Klauek, Lampe). Auch in Karinth werden sich die Christen in verschiedenen Privathäusern getroffen haben. Doch legte hier Paulus Wert darauf, daß man auch als Gesamtgemeinde zusammenkommt, was sicherlich geschehen ist. Fragen kann man, ob das immer zur Herrenmahlsfeier geschah und dann abwechselnd in verschiedenen Häusern. Uns scheinen die Übergänge zwischen HG und Ortsgemeinde hinsichtlich
Hausgemeinde und Mission
der Inhalte des Gottesdienstes in Korinth fließend gewesen zu sein (Klauck). Unbeschadet dessen ist in Korinth nahezu sicher von einem Nebeneinander von Ortsgemeinde und HGn auszugehen (s. S. 243). Hinweise für ein solches Nebeneinander gibt es ebenfalls in Antiochien, Thessalonich, Ephesus, Philippi und Laodizea (s. S. 28 3)· Das faktische Nebeneinander führte uns zur Frage, wie bei PauJus das Verhältnis zwischen Einzelgemeinde und Ortsgemeinde bzw. zwischen der gesamten Gemeinde am Ort und der Gesamtkirche theologisch bestimmt wird. Wie sind die zwei in Spannung zueinander stehenden ekklesiologischen Aussagereihen, die gesamtkirchliche Einheit einerseits und die Stellung der Einzelgemeinde anderseits, bei Paulus zusammenzudenken? Sollte man der gesamtkirchlichen Einheit Priorität einräumen vor der Würde der Einzelgemeinde oder umgekehrt? Die entscheidenden ekklesiologischen Stellen der unumstrittenen paulinischen Briefe sprechen für das größere Recht der Einzelgemeinde gegenüber der Gesamtkirche l 4, Das gilt v.a. auf Grund des Nebeneinanders von Ortsgemeinde und HGn, wie es sich in den paulinischen Missionsgemeinden belegen läßt, und nicht zuletzt wegen des Schwergewichts, das Paulus selbst auf die Würde der Einzelgemeindegelegt hat (s. S. 282)15. Als weitere Frage ergab sich, ob sich die Struktur des antiken Oi-
kos auf die Organisation der HGn und auf die Entstehung von deren Leitungsstrukturen ausgewirkt hat. In der Jerusalemer Urgemeinde sprechen einige Andeutungen dafür, daß u.a. wohlhabende Hauseigentümerlinnen als Hausvorstände und Gastgeber/innen der Hausgemeinden wegen ihrer sozialen Position eine besondere Autorität ausübten, denn die Gemeinschaft traf sich im festgeprägten sozialen Rahmen ihrer Häuser. Daß einige Gastgeber Leiter dieser HGn wurden, dürfte anzunehmen sein. Aus diesen Hausgemeindeleitern können dann mit der Zeit einige zum Siebenerkreis bzw. zu "Ältesten" gewählt worden sein und eine Art Vorstand der HGn gebildet habe!l. Sichere Indizien haben wir diesbzgJ. für die Urgemeinde allerdings nicht (s. S. 182). Die Apg vermittelt den Eindruck, daß der "Ältesten " -Titel zu Beginn nur Alters- bzw. Ehrentitel war, aber mit der Zeit tatsächlich Amtsbezeichnung wurde (vgl. v.a. Apg 15>4.6.22.41; r6,4; 21,18).
I4
Dies ist nicht absolut zu verstehen (s. S. 282).
15 Wie gesehen, wird dazu in Eph 4 und
loh [7 dann ein Gegengewicht geschaffen.
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In der paulinischen Mission wird ganz deutlich, wie sich die Struktur des antiken Oikos auf die Organisations- und Leitungsstrukturen der HGn ausgewirkt hat. Es waren wohl die "Hellenisten ", die diese hausgemeindliche Organisationsform (von Jerusalem) nach Antiochien brachten, denn es konnte ein organischer Übergang von der Jerusalemer Urgemeinde hin zur antiochenischen Missionsgemeinde festgestellt werden (s. S. I96ff und 2uff). Hier wie dort trafen sich die ersten Christen in kleinen HGn. Durch Barnabas, Paulus und ihre Mitarbeiter ist diese Organisationsstrukrur sodann in die" weltweite" pauJinische Zentrumsmission übertragen worden. Wie wir sahen, gehörte es zur Missionsmethode des Paulus, daß er dort, wo er zum ersten Mal missionarisch wirkte, zunächst eines oder mehrere Häuser für den christlichen Glauben zu gewinnen versuchte, wobei die Bekehrung des Hausvorstandes von entscheidender Bedeutung war (s. S. 324)16. Diese Hauseigentümer/innen ermöglichten die Durchführung von Gottesdiensten, indem sie ihre Häuser als Versammlungsräume der Gemeinde zu Verfügung stellten. Wir konnten eine beträchtliche Anzahl von Spuren konkreter Leitungsstrukturen in den paulinischen Gemeinden aufdecken. Paulus verwendet in seinen unumstrittenen Briefen eine Reihe von Begriffen, die auf leitende, lehrende, verwaltende und unterstützende Funktionen von Männern und Frauen hinweisen (s. o. unseren Exkurs S. 339). Die Gruppe, die in der Anfangszeit für solche Aufgaben wie Bereitstellung des Versammlungsraumes, Leitung der Versammlung und der Mahlzeiten, Organisation der Gemeinde, ihre Vertretung den Behörden und gegebenenfalls anderen Gemeinden gegenüber besonders bei Abwesenheit des Paulus bzw. seiner Mitarbeiter am ehesten in Frage kommt, ist die der Hauseigentümer. Von ihrer Stellung in der antiken Gesellschaft her war es natürlich, daß ihnen eine leitende, eventuell auch lehrende Rolle zuwuchs, denn die Gemeinde versammelte sich fortan in ihren Häusern. Wir wollten allerdings nicht behaupten, daß die Hauseigentümer die einzigen gewesen sind, die eine leitende und lehrende Verantwortung in den HGn trugen. Es werden auch andere begabte Gemeindeglieder Leitungsund Lehraufgaben wahrgenommen haben.
16 Diese Vorgehensweise der Hausvorstandmission sahen wir schon in der vorösterlichen Mission Jesu und seiner Jünger wenigstens im Ansatz verwirklicht (s. S. r03)·
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In diesem Zusammenhang war es wichtig zu betonen, daß in den unumstrittenen paulinischen Briefen nichts von der Einsetzung von Gemeindeleitern durch Paulus berichtet wird. Das kann daran liegen, daß es nicht nötig schien, weil Leitungsstrukturen im antiken olKoc:; schon gegeben waren, und weil die Leiter ,von unten' aus der hausgemeindlichen Vorgabe herausgewachsen sind (s. S. 339). Allerdings bilden die Annahme bzw. die Anerkennung dieser Leiter sowohl von Seiten der Gemeinde als auch durch den Apostel die Voraussetzung für diese Art von hausgemeindlichen Leitungsstrukturen (Holmberg). Wie wir sahen, sind bttOKOrcOL in der paulinischen Mission eindeutig belegt, und zwar im Plural (Phil 1,1) und als Amtsbezeichnung. Unter der Voraussetzung eines Nebeneinanders von einer Mehrzahl von Hausgemeinden an einem Ort mit Hausvorständen als Gastgebern und Leitern kann angenommen werden, daß diese Aufseher die Leiter der HGn in der Stadt Philippi darstellten l7. Diese Sicht der Dinge wird dann in den Pastoral briefen bestätigt. Die hausgemeindliche Vorgabe bietet eine plausible Erklärung für das Vorhandenseiri ein,er ·l\Ilehrzahl von ercrOKorcoL an einem Ort, ein Titel, der bis z.Z. der Pastoralbriefe zu einer festen Amtsbezeichung geworden ist. In mancher Hinsicht wird schon im Eph, aber erst recht in den Pastoral briefen das architektonische, aber v.a. das soziologische Bild des antiken Oikos zum prägenden Bild für die Elddesiologie, den Gemeindebau, die Leitungsstrukturen und die sozialen Beziehungen der Christen untereinander. Der gut organisierte Haushalt wird zum Modell einer recht gefühten Gemeinde nicht zuletzt deswegen, weil die vielen HGn klein, übersichtlich und sehr eng an einer Kernfamilie angeschlossen waren und dadurch die soziale Wirklichkeit der Gemeinde umso stärker prägen konnten. Die HGn der Pastoral briefe haben sich wesentlich als "Haus bzw. Familie Gottes" verstanden, und so ist es völlig berechtigt, von einer otKoc:;-Ekklesiologie der Pastoralbriefe zu sprechen. Es lag sehr nahe, daß die HG von einem einzigen Aufseher wie von einem "Hausvater" geleitet wurde, und diese Konsequenz haben die Pastoralbriefe in der Tat gezogen. Die metaphorische Verwendung des Ausdrucks "Haus Gottes" als Beschreibung der Gemeinde führte zum Gedanken eines einzigen Aufsehers als Gemeindeleiter (zunächst als Leiter der Haus- und dann 17
Für die Besprechung s. S. 352 und 452..
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als Leiter der Ortsgemeinde - Dassmann). Hier wird deutlich, daß auch Leitungs- und Amtsstrukturen aus hausgemeindlichen Vorgaben herausgewachsen sind. . In den Pastoralbriefen erfolgte so dann möglicherweise eine Ausdehnung des Aufseheramts von der Basis der schon existierenden episkopalen-patriarchalen Strukturen auf der Ebene der HGn einerseits und von der Basis einer schon existierenden presbyterialen Organisation auf die Stadtebene, d.h. auf die Ortsgemeinde andererseits. Auch der Titel "Ältester" wird spätestens in den Pastoral briefen als Amtsbezeichnung zu verstehen sein. Ein wichtiges Ergebnis unserer Studie war die Feststellung, daß die presbyterialen Strukturen mit einem Ältestenamt, wie sie in den Gemeinden der Pastoralbriefe und eventuell schon in der Jerusalemer Urgemeinde (s.o.) in Kraft waren, keine bloße Kopie einer jüdischen Tradition sein können. Denn, wenn Harvey und Campbell mit ihrem Verständnis der antiken und v.a. jüdischen Verwendung des Titels "Älteste" als Ehrenbezeichnung recht haben, existierte ein solches Amt weder in der kömmunalen noch in der synagogalen Verfassung. Demnach dürfte ein.e stärkere christliche Eigenleistung bei der Ausbildung des Ältestenamtes wirksam gewesen sein, als allgemein angenommen wird. Diese Organisationsstrukturen lassen weiter erkennen, daß die Kirche der Pastoralbriefe schon Züge einer Institution trägt. Dies ist noch nicht negativ zu bewerten (s. u.). Denn für eine Organisation, die ihren eigenen Ursprung überdauern will, ist eine Institutionalisierung unumgänglich (Roloff). Gerade die Ausbildung von gemeindlichen Leitungs- und Organisationsstrukturen führte zu einer Stabilisierung der Gemeinde. Indem die HGn durch den Anschluß an den antiken üikos über ihre eigene Generation hinaus Stabilität und die Weitergabe des Evangeliums Jesu Christi ermöglichten, sind sie zu Traditionsträgern des christlichen Glaubens geworden. Allerdings sind auch strukturelle Schwächen durch unsere Untersuchung aufgedeckt worden, die die Gefahr der Zersplitterung der Gemeinde am Ort zur Folge haben können. Wie es sich schon in Korinth andeutete, scheint die Existenz von mehreren HGn in einer Stadt tatsächlich zu einem Problem für die Gemeinden der Pastoralbriefe geworden zu sein. Nicht nur konnten Abhängigkeitsverhältnisse ganzer HGn zu einseitig geprägten charismatischen Leitungspersonen entstehen (s. o. Haus als Gemeinschaft). Zusätzlich zu dieser Gefährdung von innen kam eine weitere von außen. Eine isolierte HG, v.a. mit einer schwächeren Leitung, stand ziemlich
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Hausgemeinde und Mission
schutzlos denen gegenüber, die Gemeindeglieder auf theologische und geistliche Abwege führen wollten (Tit I,II). All diese der hausgemeindlichen Situation eigentümlichen Gefahren erforderten eine Konsolidierung der Leitungs- und Organisationsstrukturen der Gesamtgemeinde. Ihnen konnte, zumindest im Idealfall, eine örtliche und überörtliche Ämterstruktur entgegenwirken. Eine solche Entwicklung bezeugen am deutlichsten die Pastoralbriefe. Die HGn weisen auch aus ekklesiologischer Perspektive einige Schwächen auf. Ein Hauptproblem liegt in der Einseitigkeit einer Oikos-Ekklesiologie, die zu Engführungen in Leben, Organisation und Theologie der Gemeinde führen konnte. Besonders kritisch droht es zu werden, wenn Ekklesiologie und Gemeindeordnung von den Pastoral briefen her nur unter mangelnder Würdigung von anderen ekklesiologischen Aussagen des Neuen Testaments, nicht zuletzt der unumstrittenen paulinischen Briefe, entfaltet werden. Das Neue Testament insgesamt hat den Oikos nicht zum vorherrschenden Leitbild seiner Ekklesiologie gewählt und damit eine gesunde Vor~ sicht gegenüber potentiell negativen Konsequenzen walten lassen. Der Oikos ist als theologische Denkform zugleich aufgenommen und begrenzt worden. Kai und Eph zeigen deutlich, daß die Urchristenheit Ehe und Familie als geschöpfliche Stiftungen Gottes und seines Christus empfand. Diese Sicht läßt sich bis in die Jesustradition zurückverfolgen. Die familäre Grundstruktur hat sich bis in die Gegenwart als Keimzelle und Kern der missionierenden Kirche bewährt 18 • Damit wird die wichtige theologische Frage aufgeworfen, inwiefern Ehe. und Familie als von Gott gestiftete Ordnungen beim Aufbau der Gemeinde unverzichtbar sind (s. u.). Gleichwohl wird die Kirche Jesu Christi als ganze nicht otKO<;, sondern EKKA'YjoCa, Aao<; 8EaU bzw. ow,"w XPLO'tOU genannt. Die EKKA'YjoCa zielt über Ehe und Familie hinaus in den weiten Raum der Heilsgeschichte. Für sie gibt es eine endzeitliche Vollendung, für den otKO<; nicht.
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Für eine kurze Darstellung der Bedeutung der HG im Laufe der Geschichte vgl. T. Lorenzen, Hauskirche, 34Iff und ausführlicher E.L. Wright, A Critical Examination of the Origin :md Developmenr ofHouse Churches, 1989,77-143.
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B) Ausblick: Die ekklesiale und missionarische Bedeutung des Hausgemeinde-Modells für die Gegenwart Es kann nicht die Aufgabe einer neutestamentlichen Dissertation sein, die Frage nach der ekklesialen und missionarischen Bedeutung des HG-Modells für die Gegenwart eingehend zu behandeln 19. In diesem Abschnitt ist deshalb nicht beabsichtigt, ein nach allen Seiten abgesichertes Bild der gegenwärtigen hausgemeindlichen Situation zu zeichnen. Auch die Fragen nach den Möglichkeiten, wie das HGModell gegenwärtig in den verschiedensten Situationen verwirklicht werden kann, sind nicht Gegenstand unserer Untersuchung 20 . Wir mÜssen uns vielmehr damit begnügen, einige Beobachtungen und Anregungen zu vermitteln 21 • Bei der Frage nach der gegenwärtigen Bedeutung der HG sollte zunächst einmal geographisch unterschieden werden. HGn finden
Es liegt nicht allein in der Kompetenz des Exegeten, diese Frage zu beantworten. Er bedarf dazu der Hilfe und Korrektur durch die theologischen Schwesterdisziplinen, in unserer Frage v.a. durch die praktische und die systematische Theologie. 20 Vgl. z.ß. H.R. Weber, Die Hauskirche, Das missionarische Wort II, (1958), 3340 (für eine Kritik vgl. K.H. ßieritz, TRE 14, Art. Haus III, 487f); C.W. Williams, Kirche: Tendenz und Ausblicke, 1971 v.a. 189-226; S. Clark, Wenn nicht der Herr das Haus erbaut, 1972.; C.M. Olsen, The Base Church, 1973, 72.-138; P. und P. Anderson, The House Church, 1975, 13 I-I73; A.L. Foster, The Honse Church Evolving, 1976, 59-126; H. Frankemälle, Hrg., Kirche von unten. Alternative Gemeinden. Modell - Erfahrungen - Reflexionen, 198t. C. ßäumler, Kommunikative Gemeindepraxis, 1984, I09-II5; M. Seitz, Erneuerung der Gemeinde, 1985; R. und J. Banks, The Horne Church, 1986, V.3. 102-142; C. Möller, Lehre vom Gemeindeaufbau, 1987; D. ßirkey, The House Church, 1988, 87156; ders., The House Church: A Missiological Model, Missiology 19 (I991), 69-80; M. Herbst, Missionarischer Gemeindeaufbau, 1988, v.a. 406-409; F. Schwarz/C.A. Schwarz, Theologie des Gemeindeaufbaus, 1987, 1I 7-148; R. Strunk, Schritte zum Vertrauen, 1989, v.a. 164-178; E.L. Wright, A Critical Examination of the Origin and Development of House Churches, 1989; W. Rebell, Zum neuen Leben berufen, 1990; .J. Blohm, "Die Dritte Weise", 1.992.; K. Eickhoff, Gemeinde entwickeln, I992., v.a. 189-206; ].A. Gonnan, Community that is Chrisrian. A Handbook on Small Groups, 1993; W. u. C. Am, Gemeindeaufbau, 1994; H.H. Pompe, Der erste Atem der Kirche. Urchristliche Hausgemeinden Herausforderung für die Zukunft, 1996. 21 Zu den o.g. Fragen vgl. K.H. Bieritz, Rückkehr ins Haus?, 1986, 1II-I26; T. Lorenzen, Die christliche Hauskirche, ThZ 43 (1987),333-352 mit weiterer Lit. 19
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Hausgemeinde und Mission
sich heute in fast allen Ländern der Welr2 2 • Man wird davon ausgehen können, daß sie in der Dritten Welt, im ehemaligen Ostblock und in der sog. Westlichen Welt, aber auch innerhalb der westlichen Ländern selbst 23 einen je unterschiedlichen Stellenwert einnehmen. Auch die Frage von Verfolgung bzw. Unterdrückung der Christen wird bei der Bestimmung der Bedeutung dieses Modells von Belang sein, wie die jüngsten Beispiele in Rußland, Ägypten und China zeigen. Des weiteren muß der zeitliche Abstand zwischen der neutestamentlichen Zeit und unserer Zeit bedacht werden, wobei auch hier wiederum geographisch zu differenzieren wäre: Den antiken Oikos als Großfamilie samt Sklaven bzw. Lohnarbeitern und Klientelen mit seiner grundlegenden Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft gibt es heute wenigstens im Westen so nicht mehr. Unser Familienbegrjff ist also nicht mehr deckungsgleich mit dem des antiken Hauses. Wir können und wollen das antike Haus mit der absoluten Macht des Hausherrn über sämtliche anderen Mitbewohner als Rahmen heutiger Gemeindearbeit nicht zurückfordern; ebensowenig die römische Sklavenhalter~G~sell'schaft oder alle damaligen Vorstellungen für anständiges Verhalten von Frauen in der Öffentlichkeit. Aber auf keinen Fall kann es als Ergebnis unserer Studie gelten, daß die neutestamentlichen HGn überhaupt keine ekklesiologische bzw. missionarische Bedeutung für die Gegenwart haben, weil wir heute nicht nur durch den Fortgang der Geschichte, sondern auch durch die Veränderung unseres geistigen Bewußtseins zu weit von dem Leben der frühchristlichen Gemeinden entfernt wären. Sicherlich darf die Kirche Jesu Christi als durch die Zeiten wandernde Gemeinschaft nicht stehenbleiben und die Lebensverhältnisse des
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Vgl. kurze Schilderungen bei T. Lorenzen, Die christliche Hauskirche, ThZ 43 (1987), 333-352.344; M.C. Cowan, Dangerous Memories, 33-60; D. Birkey, House Church, MissioJogy 19,1, (1991), 75ff. Um der Klarheit willen sollte man den Begriff Hausgemeinde im VoIJsinn nicht auf andere verwandte christliche Strukturen anwenden. Von der HG unterschieden sind christliche Wohngemein· schaften, Basisgemeinden (v.a. in Lateinamerika - vgJ. C. Bäumler, Kummunikative Gemeindepraxis, 1984, IIO-IIS), Kommunitäten und die christliche Familie (vgJ. G. Lohfink, Die christliche Familie - eine Hauskirche? ThQ 163 [19831
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Vgl. die von ausschließlich freien Gemeinden bestimmte kirchliche Situation der USA mit den (noch) volks kirchlich geprägten Umständen in Deutschland.
Z27-229)·
Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedetung der HG 495 1. Jh. bloß zu imitieren versuchen24 . Das entbindet sie heute aber nicht von der Aufgabe, "im Zeichen des Evangeliums ... auf den (wieder-)kommenden Christus" weiterzugehen und "dabei aus freier Glaubensverantwortung heraus" nach den von der Heiligen Schrift abgeleiteten theologischen Kriterien zu entscheiden, "wie sie dabei der Gabe und Aufgabe des Evangeliums gerecht wird"2\ Das Evangelium vom gekreuzigten und auferstandenen Christus veraltet nicht, sondern bleibt für alle Zukunft wegweisend. "Als Gottes Trost- und Umkehrruf eröffnet das Evangelium den Glauben an Jesus Christus und setzt gleichzeitig von sich aus bestimmte kirchliche Lebensbedingungen. ,,26 Angesichts der Minderheitensituation, in die das Christentum auch in der Ersten Welt wieder eintritt, kann man sagen, daß "die Kirche heute in einer Situation steht, die mit dem Leben der Urgemeinde in Jerusalem und der Hausgemeinden in Korinth oder Rom zwar nicht mehr zeitgleich, aber durchaus noch strukturidentisch mit ihm ist"27. Das Hauptproblem christlicher Gemeinsch~ften, die damit ernstmachen, "einladende Kirche"28 zu sein, "ist von' daher nicht, ob es denn so wie damals noch mit dem, Bekenntnis, mit Taufe, Abendmahl· und dem gemeinsamen christlichen Leben im Geist der Gottes- und Nächstenliebe geht, sondern wie sie als Glieder des von der Liebe Christi zusammengehaltenen ,Leibes Christi' am besten ihrem Auftrag gerecht werden können, Gott zu loben und Christus in unserer Welt glaubwürdig zu verlebendigen"29. üb das nur im Rahmen einer Hausgemeinde bzw. eines Hauskreises verwirklicht werden kann, ist damit noch nicht gesagt. Aber wir dürfen eine mögliche Bedeutung des HG-Modells für unsere Zeit nicht mit dem "Ja-damals-Argument" apriori ausschließen. Wenn wir nun nach der ekklesialen und missionarischen Bedeutung des HG':Modells für die Gegenwart fragen, beginnen wir mit den möglichen Einwänden. Es läßt sich wohl sagen, daß die meisten
24 Zu Recht warnt]. Gnilka, Phlrn,
32 vor einer gradlinigen und zu schnellen Übertragung der nt!. Antworten auf die heutigen Fragen. Wir können nicht einfach zurück in die Situation der uchristlichen HGn. Vg!. H.]. Klauck, HG, 12. 25 P. Stuhl macher, Volkskirche - weiter so?, ThBeitr 23 (1992),151-17°.163. 26 P. Stuhlmacher, ebd., 16 3. 27 P. Stuhlmacher, ebd., 164; so auch G. Lohfink und R. Pesch, Tiefenpsychologie und keine Exegese, 1987, I09-II2. 28 Alt-Landesbischof Theo Sorg, Einladende Kirche, Promotionsvortrag, abgedruckt in ThBeitr 22, (1991), 3-20. 29 P. Stuhlmacher, aaO., r64f.
Hausgemeinde und Mission
dieser Schwächen weltweit zutreffen, unabhängig davoll, ob man die Dritte Welt, nur den Westen oder sonst irgendein Gebiet im Blick hat. Zunächst ist die zahlenmäßige Einschränkung zu erwähnen. Wie zu neutestamentlicher Zeit, so wird auch heute die Größe des Wohnzimmers eines Privathauses den Wachstumsmöglichkeiten der Gemeinde eine Grenze setzen. Man darf auch nicht den psychologischen Wert eines größeren Treffens unterschätzen. Der Gottesdienst im großen Raum - als Croßveranstaltung verstanden - enthält für den Bau der Gemeinde ein motivierendes Moment. Nach wie vor besteht auch die Gefahr, daß die HG ein Konfliktherd wird. Damit verbunden ist das Problem des Spaltungspotentials. Es bleibt die Gefahr der Zersplitterung, die die Darstellung der Einheit der Kirche in Christus nach auISen hindern und damit das missionarische Zeugnis derer, die "Versöhnte" in Christus sein sollen, unglaubwürdig erscheinen lassen. Es ist auch die Gefahr der Einseitigkeit zu erwähnen, die dann gegeben ist, wenn eine Abhängigkeit zur leitenden Person entsteht, die die eigene theologische und geistliche Prägung der Gemeinde in ihrem Haus aufzwingt. Wie bei den etablierten Kirchen die Gefahr bestehen kann, daß die Ekklesiologie die Christologie verdrängt, kann es in einer HG zum Problem werden, wenn die persönliche Gemeinschaft untereinander einen höheren Stellenwert einnimmt als die Beziehung der einzelnen zu Christus selber. Damit zusammenhängend besteht die zusätzliche Gefahr der Elitenbildung 30 • Es kann in der isolierten HG eine dem Bruderdienst und dem Dienst an der Welt gegenüber verschlossene und selbstzufriedene Gruppe entstehen. Es fehlt heute nicht an Beispielen, wie sich in kleinen Gruppen, sei es in einer HG oder einem Hauskreis, gerade die abschotten, die sich ohnehin .schon mögen und einer 1\IIeinung sind. All diese Gesichtspunkte weisen auf ernstzunehmende Schwächen des HG-Modells hin, aber keine von ihnen ist unüberwindlich. Wir wollen deshalb auch die Leistungsfähigkeit des HG-Modells bedenken, wobei sowohl die eben genannten Schwächen als auch mögliche geographische Unterschiede im Auge behalten werden. Wir beginnen mit der weltweiten Perspektive, die dann zur möglichen Bedeutung der HG für die westlichen Länder führt. Wie schon erwähnt, haben sich Christen besonders dort zur Gemeinschaft und zum Gottes-
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Vgl. W. Popkes, RAC IX, 1976, I lOO-Il45, der zeigt, daß Jiese Gefahr ein jeder Gemt::inschafrswirklichkeir potentiell anh.tftender Besrandteil ist.
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dienst in Privathäusern und Wohnungen versammelt, wo sie aus sozialen, familiären, religiösen und nationalen Gründen unterdrückt bzw. verfolgt wurden und werden. In solchen Verfolgungssituationen bieten auch heute Hausgemeinden und Hauskirchen eine weniger öffentliche und deshalb weniger gefährliche Möglichkeit zur geschwisterlichen Gemeinschaft, zum Bibelstudiull1, zum Gebet und zur Abendmahlsfeier so etwa in China. Sowohl in Ländern der Dritten Welt als auch in manchen Inclustrieländern kann das HG-Modell eine finanziell attraktive Alternative zu großen Kirchengebäuden bieten. Denn Privathäuser einzelner Iviitglieder der Gemeinde stellen meist eine kostengünstigere und effektivere missionsstrategische Lösung dar. Sie können sowohl als gottesdit:nstliche Versammlungsräume als auch für missionarische Predigten, evangelistische Gesprächsgruppen bzw. Einzelgespräche alles im persönlichen Rahmen einer Familie (hier ist freilich an den Idealfall 'gedacht) - verwendet werden. Hier sind Gottesdienst uud Gemeinschaft fest im Alltag verankert. Weil christliche Gemeindeglieder sich dort treffen, wo sie und andere sonst leben, ist der Schritt in die Gemeinde kein Schritt in eine besondere sakrale Umgebung. Damit gibt es für Außenstehende keine räumliche "Hemmschwelle"3!. Angesichts des bekannten missiologischen Problems, daß die "mainline churches" viele ganz entchristlichte .Menschen und Menschengruppen gar nicht mehr erreichen, haben HGn gerade hier besondere Chancen32 • Für diejenigen, die die Predigt halten bzw. die evangelistische Gruppen leiten sollen, bietet die HG eine Möglichkeit, die eigene Leitungsfähigkeit zu entfalten, die wiederum für !vlission und Gemeindebau erforderlich ist. So gesehen trägt die HG zur Förderung der Heranbildung von Führungskräften für Mission und Gemeindebau in einem Rahmen mit niedrigem Risiko bei. Außerdem wird das HG-Modell in allen Kulturen relevante M,oment mit sich bringen, Freiheit für kulturelle Vielfalt auf der Basis der Familie als kreatürlicher Gemeinschaft zu bieten. Die Familie, mindestens in der Gestalt der Kleinfamilie, stellt auch heute noch eine universale Erscheinung dar, auch wenn sich die Großfamilie nur noch in manchen Gebieten der Welt findet. Nach wie vor bietet die christliche Geschwisterlich-
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Dafür gibt es eventuell persönliche Hemmschwellen, die aber uureh uie freundliche Aufnahme in die HG überwunden werden können. S. u. unseren Hinweis auf das "chLlrch planting" Konzept in England.
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keit eine lvJäglichkeit der sozialen Integration nach innen und der missionarischen Wirkung nach außen. Im Idealfall werden auch heute in der HG soziale Unterschiede relativiert, was dann nach außen eine Anziehungskraft ausübt. Die Verwirklichung christlicher Gastfreundschaft mit evangelistischer Ausrichtung ist in einer HG eher mäglich als in einem großen Kirchengebäude. Die Integration in die familiäre Gemeinschaft einer HG vermag ein universales Grundbedürfnis des Menschen nach einem "Zu Hause", nach Familie und Geborgenheit, zu erfüllen33 • In manchen Kulturen wird die Ermöglichung von korporativer Solidarität nach der Bekehrung von großer missionarischer Bedeutung sein 34 • So gesehen stellt die HG ein architektonisch, finanziell und soziologisch flexibles ModeJI dar, das über geographische und kulturelle Grenzen hinweg eine wirkungsvolle Verwendung finden kann. Auch in den westlichen Industrieländern kann das HG-Modell eine wicbtige Bedeutung erhalten. Die HG ist und bleibt klein, persönlich, überschau bar und verbindlich und bietet damit eine Chance, die Anonymität einer GrofSkirche zu durchbrechen. Gerade in der westlichen Gesellschaft mit ihrem oft sehr unpersönlichen Wohnund Arbeitsklima bieten HGn "die Möglichkeit zur intimen und verbindlichen Gemeinschaft, in der persönliche Begegnung, mitmenschliche Wärme und vertrauensvolles Zusammensein erfahren werden kann"35. Das dürfte "im heraufkommenden totalen Medienzeitalter, das die Menschen radikal vereinzeln wird" immer wichti-
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Auch abgesehen von dem HG-Modell ist es hier zu fragen, ob dem Bild der (amilia Dei in der Ekklesiologie und der gottesdienstlichen Praxis der Großkirchen ein höherer Stellenwert eingeräumt werden müßte. Die "Familie Gottes" ist, wie wir sahen, zwar nicht das einzige archetypische 'ßild, das im NT ekklesiologisch verwendet wird. Es ist aber ein sehr wichtiges. Vgl. T. Sorg, Zwischen Säkularität und Religiosität, ThBeitr 21 (1990), 6.~-77 V.ä. 70: Die Kirche muß "sich immer aufs nelle auf ihre Anfänge zurück besinnen und Maß nehmen an den archetypischen Bildern, die uns das Neue Testament von Gemeinde zeigt"; ihm folgend P. Stllhlmacher, Volkskirche - weiter so?, I992, 155. Es ist aber die Frage, ob es der Kirche gelingt, das familiäre Moment ohne irgendeine Form von Kleingruppenstrukturern zu verwirklichen. Eigentlich tut sich die Kirche seit der konstantinischen Wende und der darauf folgenden Einführung von nur für religiöse Verwendung bestimmten Sakralbauten schwer damit, die biblisch begründeten familiären Aspekte von Ekklesia im Gesamtbild der Gemeinde noch genügend zur Geltung kommen zu lassen. Vgl. die Ergebnisse der (leuen Arbeit von K.O. Sandnes, A New Family, I994. T. Lorenzen, Hauskirche, 349.
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ger werden J6 . Die HG kann auch als wirksames Gegenmittel gegen das Auseinanderfal1en von Lehre und Leben dienen, eine Leistung, die nicht unterschätzt werden soHte. Die Leiter von HGn kennen ihre Leute besser und können Predigt und Bibe1arbeit gezielter vorbereiten und sie auf die wirklichen Bedürfnisse der Mitglieder beziehen. Wegen der Überschaubarkeit der Gruppe besteht die Möglichkeit der ständigen Rückkoppelung, so daß die Leiter überprüfen können, was nun verstanden wurde und in der Praxis angewandt wird und was nicht. Wenn man zu einer kleinen HG gehört, kann man sich nicht von ihr distanzieren. Das Leben der HG ist das Leben ihrer Glieder 3 ? Es ~üßten freilich noch viele Fragen bedacht und gut durchdachte Lösungen, z.B. für die Frage nach ~em Verhältnis zwischen Ortsgemeinde und HG, gefunden werden. Ebenso wichtig ist die Frage nach dem Verhältnis der HG zu den groß kirchlichen Ämtern. Wie wir gesehen haben, ko~nte schon zur neutestamentlichen Zeit eine Ämterstruktur der Gefahr einer Zersplitterung wenigstens im Idealfall entgegenwirken. Auch heute sind die HG-Modelle, die am meisten überzeugen, diejenigen, die in einer solchen Struktur eiIigebettet sind38 bzw. sich unter der Schirmherrschaft einer ,Ortsgerneinde bzw. Großkirche treffen J9 • Dem ist hinzuzufügen, daß die Organisation der HG auf der Ebene der EinzeJ- und Ortsgemeinde mit dem kulturellen, politischen und konfessionellen bzw. denominationellen Kontext zu variieren sein wird. Es ist auch zu fragen, ob jede HG von einem ordinierten Amtsträger geleitet werden muß, oder ob hier die Leitung in die Hände von Laien gegeben werden kann, wobei dann die Frage nach der theologischen und praktischen Ausbildung dieser Personen akut wird. Mit der Frage der Leitungsstrukturen hängt auch die Frage nach der Sakramentsverwaltung zusammen, die je P. 5mhlmacher, Kirche nach dem NT, 1995, 3 I 2.; so ~luch lvI. Seitz, Distanz lind Liebe zur Welt - von der Nachfolge unter den Bedingungen unserer Zeit. Aus 6nern ungcdruckten Vortrag auf Tonband, gehalten in Reichelsheim, 6.3.97, allf einer ·Pfarrerfortbildungstagung. 3? Vgl. T. Lorenzen, Hauskirche, 350. 38 Vgl. z.B. die "Integrierte Gemeinde" in München. Für eine kurze Darstellung dieser Gruppe vgl. J.e. Hampe, Die Integrierte Gemeinde, [979,99-107 v.a. [05f für ihre Einbettung in die Organisationsstrukturen der katholischen Kirche. 39 Vgl. den Bericht von H.M. Schulz, Die territoriale Gemeinde als Basisgemeinde: Eschbofll, 1981, IU-UI. Die Vorteile einer Einhettung der HG bzw. der kleinen Gruppe in einer grö(~eren organisierten" Gemeinschaft" bzw. Ortsgerneinde ~ind bei S. Clark, Haus, 198r, 43-78 gut herausgearbeitet worden. 36
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Hausgemeinde tmd Mission
nach Modell nicht unbedingt von der HG in eigener Regie übernommen werden muß 40 . In diesem Fall ist allerdings zu fragen, inwiefern solche Gruppen noch als HGn im Vollsinn begriffen werden können. Deshalb wäre es zu überlegen, ob man das Konzept der Hauskreise als modifizierte Form und Teilanwendung des HGModells verstehen könnte. Die Vorteile des Hauskreis-Modells hat die Gemeindeaufbaubewegung in vielen westlichen Ländern mit gutem Ergebnis sowohl im qualitativen als auch im quantitativen Sinne des Gemeindewachstums 41 erprobt42 • Zur Illustration der Bedeutung des HG-Modells für die Gegenwart bieten wir zwei repräsentative Beispiele. In China wurde die HG schon in der Pioniermission, aber auch gerade in Zeiten der Verfolgung v.a. ab I949 und besonders während der Kulturrevolution (I966-I976) zu einem entscheidenden Traditionsträger des christlichen Glaubens H • Obwohl die meisten Missionare China nach der Machtergreifung der kommunistischen Partei unter der Führung von Mao Tse Tung verlassen mußten und mit der Zeit die chinesischen Christen verwaist zurückgelassen haben44 , erlebten danach die evangelischen Gemeinden die größte Blüte ihrer Geschichte 45 • Die
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Für alternative Lösungen s. o. unseren Literaturverweis in Anm. 20. Qualitativ bezieht sich hier auf das geistliche Wachstum des Einzelnen, quantitativ auf das zahlenmäßige Wachturn der Gesamtgemeinde. Vgl. z.B. O. Schweitzer, Hauskreis offensiv, 1984; M. Herbst, Missionarischer Gemeindeaufbau, 406-409; K. Eickhoff, Gemeinde enrwickeln, 189; R.W. Neighbour, Where do we go from here? A Guidebook for the Cell Group Chllrch, 1990, passim und auch weitere Lit. in unserer Anm. 2of. In den USA hat man den Ausdruck geprägt: "Growing larger by focusing smaller". Vgl. z.B. die Überblicke und Berichte in: K.R Ting u.a., Chinese Christians Speak Out, 1984; J. Wang, The House Church Movement, Word and World XVII,2 (1997), 175-182; B. Towery, Christen in China, 1987. Towery ist langjähriger Missionar in Taiwan und Hongkong, Kenner chinesischer Sprache und Lebensart und hat bis in die jüngste Zeit ausgedehnte Reisen durch China unternommen. Vgl. G.T. Brown, Christianity in the People's Republic of China, 1986,79-99 für eine Darstellung der Ereignisse, die in den 50er Jahren zu der Vertreibung der Missionare aus China geführt haben. Die Einschätzungen variieren je nach Quelle. Vgl. J. Wang, The House Church Movement, Word and World XVII,2 (1997), 178ff für eine ausgewogene Besprechung. 1949 schätzt man die Zahl der evangelischen Christen in China auf 7°0000 bis 1000000, verteilt in 7°000 Gemeinden verschiedenster Denominationen, überwiegend Hausgemeinden mit einer Durchschnittsgröße von 10 Mitgliedern. Heute umfaßt der Chinesische Christenrat rund 13 Millionen evangelische Christen. Aber die meisten Protestanten treffen sich inoffiziell - Schätzungen
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evangelischen Christen in China versuchten nämlich, das Beste aus ihrer Notsituation zu machen. Sie organisierten sich landesweit als rechtlich anerkannter Verein unter dem Namen Drei-Selbst-Bewegung und trafen sich weiterhin in Stadt und Land in Privathäusern 46 • In den traumatischen Jahren zwischen 1966-1976 wurden christliche Versammlungen verboten und alle Kirchengebäude geschlossen bzw. als Fabrik, Lagerhalle oder Schule zweckentfremdet verwendet 47 • Die Christen konnten sich, wenn überhaupt, nur noch in Häusern treffen48 • Bischof K.H. Ting schildert seine Erfahrung während dieser Zeit: "Unser Seminar wurde das Hauptquartier der Roten Garden in Najingo Wir konnten nicht mehr auf die gewohnte Weise weitermachen. Wir begannen damit, uns zum Tee zu treffen, um miteinander zu beten und die Bibel zu lesen. Wir stellten fest, daß diese Art des Zusammenkommens sehr befriedigend war. In solchen Gruppen diente jeder jedem. Als Bischof fühlte ich mich in solchen Versammlungen etwas ungemütlich, aber ich lernte es, mir von anderen dienen zu lassen. Ein wichtiges Kennzeichen des chinesischen Christentums sind die kleinen Hausversammlungen. ,,49 Damals haben die chinesischen Christen konkret gelernt, was es heißt, dag die Getauften allesamt einer in Christus Jesus sind. "Der Gebildete und der Bauer saßen Seite an Seite und lernten voneinander. ,,50 Die Überwindung sozialer Unterschiede soll noch heute für die HGn in China bezeichnend sein. sprechen von bis zu 60 Millionen (vgJ. idea Spektrum Nr. 30/3 r, 23.7.97, Seiten 3. 8). 46 Die Gemeindeversammlung in einem Haus ist schon vor der kommunistischen Wende eine traditionelle Form des Gottesdienstes in China (vgJ. Jiang Peifen, Church Life at the Grass Roots, 1984,104; E.L. Wright, House Churches, 130f). 47 Unter den rund 65 Millionen Opfern der Mao-Zeit waren zahllose Christen (vgl. zur Zahl 65 Millionen die neueste Untersuchung von S. Courtois, Das Schwarzbuch des Kommunismus, 1998 besprochen in: FAZ 264 (13.11.1997), .p. Pastoren, christliche Lehrer und andere wurden in Arbeitslager transportiert, gefoltert und :l.T. getötet (vgl. C. Lawrence, The Church in China, 1980, r09-12.8; E.L. Wright, House Churches, 128). Für eine gründliche und ausgewogene Untersuchung der evangelischen Mission im revolutionären China v.a. in der Provinz Yunnan zwischen 1906 und 1993 aus der Sicht eines chinesischen Historikers namens T'ien Ju-K'ang, Professor an der Fudian Universität in Shanghai, vgl. Peaks of Faith, Leiden 1993, vgl. zu HGn I2M. 48 Vgl. B. Towery, Christen in China, 64. 49 Zitiert bei B. Towery, Christen in China, 64. 50 ß. Towery, ebd., 64.
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Hausgemeinde und Mission
Interessant ist die Feststellung, daß selbst nach der Wiederherstellung der Kirchen in China viele evangelische Christen sich immer noch in HGn versammeln 5 !. Es existieren zwei Hauptformen des Gottesdienstes: in den großen Gebäuden der Ortsgemeinden und in Privathäusern 52 • Zusammenkünfte in HGn sind v.a. in den Vorstädten wld in ländlichen Gegenden üblich. Wichtig für unsere Studie ist die Beobachtung, daß HGn und Ortsgemeinden häufig sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten53 • Der Hauptgottesdienst findet am Sonntag in einem großen Kirchengebäude mit oft bis zu rooo-5000 Sitzplätzen statt. Es gibt in den größeren Städten meist zwischen ein und drei solcher Großgemeinden (in Shanghai 23; in Peking 20). Weitgehend alle Taufen werden inden Hauptgottesdiensten vollzogen. Das Abendmahl wird einmal im Monat auch im I-Iauptgottesdienst gefeiert und wöchentlich in manchen HGn. Ansonsten spielt sich nach wie vor das eigentliche Gemeindeleben in den Hausgemeinden ab wie z.B. Bibelgesprächskreise, Gebet, Austausch, Gemeinschaft, Evangelisation. Interessanterweise begegnen die meisten Fernstehenc den dem· Evangelium durch die natürlichen Kontakte der HGn. Ostern I98r wurden z.B: in Nanjing 48 Menschen beim Hauptgottesdienst im Großgebäude getauft - die Mehrheit wurde aber im Vorfeld der HGn für den christlichen Glauben gewonnen 54 • In die Gebiete, in denen noch keine HGn existieren, werden von der DreiSelbst-Bewegung Evangelisten ausgesandt. Diese Missionare nehmen eine Wohnung in diesem Gebiet und bleiben drei bis sechs Monate
Dies wird unterschiedlich begründet. Es wird einerseits davon berichtet, daß immer wieder auch heure noch örtliche kommunistische Funktionäre einzelne Christen verfolgen und ihre Leiter verhaften. So wurden z.B. am 16. März 1997 in Zhengzhou (Provinz Henan) acht Hausgemeindeleiter verhaftet (idea Spektrum Nr. 30131, 23.7.97, Seite 8). Die Situation ist diesbzgl. von Region zu Region allerdings verschieden. In manchen Gebieten ist anscheinend eine christliche Tätigkeit ohne Verfolgungsrisiko möglich, in anderen nicht. Andererseits erzählen chinesische Christen, daß sie aus anderen Gründen noch in HGn zusammenkommen. Erstens waren für viele Christen die HGn überhaupt alles, was sie von Kirche und Gottesdienst kannten. So ist es ganz natürlich, daß diese Form sich fortsetzte, als größere und geeignetere Kirchengebäude wieder zur Verfügung standen (vgl. B. Towery, Christen in China, 65). Ferner sehen die chinesischen Christen gewisse Vorteile darin, sich auch heute noch im kleineren Rahmen zu treffen (s.u). 52 Zum folgenden vgl.]. Peifen, Church at the Grass Roots, I04f; B. Towery, Christen in China, 64ff. 140-I66; E.L. Wright, House Churches, I3off. 53 Vgl. B. Towery, Christen in China, 66. 54 Vgl. J. Peifen, Church Life, T05f; ß. Towery, Christen in China, 70. 5!
Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedetung der HG 503
mit dem Ziel, dort eine HG zu gründen. Überwiegend auf diese Weise breitet sich das Christentum in China aus 55 • Chinesische Christen selbst erkennen aus langjähriger Erfahrung folgende Vorteile des HG-Modells: HGn sind überschaubar und persönlich. Sie ermöglichen das gegenseitige Kennenlemen und das gemeinsame Beten. Sie erleichtern es, Leben und Erfahrungen zu teilen, füreinander zu sorgen und einander zu dienen. Die Gemeindeleiter solcher HGn kennen ihre Leute besser und können Predigt und Bibelarbeiten gezielter auf die Bedürfnisse der Mitglieder hin vorbereiten56 • Dort, wo Christen noch heute in China verfolgt und verhaftet werden, bietet nach wie vor die mehr oder weniger geheimgehaltene Zusammenkunft in einer HG einen existentiellen Vorteil. Unser zweites Beispiel entnehmen wir einem westlichen Land. Schon seit den 70er Jahren existiert in Großbritannien ein ·sog. "House Church Movement". Die Bewegung ist allerdings' theologisch und organisatorisch im Fluß und als Koalition von Gemeinden verschiedenster Prägung außerordentlich vielschichtig. Deshalb läßt sie sich sehr schwer in wenigen Sätzen beschreiben 57 . Wir beschränken uns deswegen auf ein einziges Phänomen der britischen kirchlichen Szene - das "church planting", wie es schon seit über 2 5 Jahren in der anglikanischen Staatskirche praktiziert wird 58 • Anliegen des Modells "Church Planting" (Gemeindepflanzung - in Anlehnung an 55
56 57
58
Dies habe ich aus einem Interview mit einem Evangelisten aus China, Stefan Müller, erfahren. Vgl. für den Beleg dieser Vorgehensweise aus früher Zeit E.L. Wright, Hause Church, 130f; G.T. Brown, Christianity, 2.2.-44. Vgl. J. Peifen, Chruch Life at the Grass Roots, 105f. Für einen Überblick vgl. W.]. Hollenweger, The Hause Church Movement in Great Britain, ET 92. (1980), 45-47; N.G. Wright, Restoration and the 'hause church' movement, Themelios 16,2 (1991), 4-8, der auch darauf hinweist, daß die Bezeichnung "hause church movement" irreführend ist, denn ihr entspricht in den meisten Fällen nur eine frühere Verwendung von Privathäusern als Versammlungsraum. Viele dieser Gruppen "have erected same of the most sophisticated buildings that can be found today" (ebd., 4). Ausführlich: A. Walker, Restoring the Kingdom, 1986. Vgl. die Sammlung der Statistik von G. Lings in: G. Carey u.a., Planting New Churches, 1988, 161-178. Etwa 2.40 verschieden ausgerichtete Versuche einer Gemeindepflanzung sind seit 1985, als man mit der Aufstellung einer Statistik begann, mit mehr oder weniger Erfolg durchgeführt worden. Vgl. auch K.H. Schlaudraff, Gemeinde pflanzen in der Volkskirche, Für Arbeit und Besinnung. Zeitschrift für die Evang. Landeskirche in Würtemberg 2.2 (15.11.1996), 82.0-824 v.G. 823·
Hausgemeinde und Mission
rKor 3,6) ist es, kirchliche Einheit gerade auch am Ort und im Rahmen der Volkskirche zu erhalten, dabei aber flexibel auf die Herausforderungen einer sich immer stärker differenzierenden Gesellschaft reagieren zu können59 • V.a. wird versucht, das missiologisehe Problem zu berücksichtigen, daß die "mainline churches" viele entchristlichte Menschen und Menschengruppen gar nicht mehr erreichen, während hier kleine Hausgemeinden bzw. Hausgemeinschaften bessere Chancen haben. Charakteristisch für eine Gemeindepflanzung sind folgende Elemente: Sie entsteht aus einer bewußt evangelistischen Absicht. Eine Gemeinde beauftragt - im Einvernehmen mit der jeweiligen Kirchenleitung - ein Team von Christen (meist ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) mit der Gründung einer "Tochtergemeinde", eventuell auch mit der Erneuerung einer Nachbargemeinde, deren Schließung droht. Das Projekt hat von Beginn an von der sendenden Gemeinde und dem gesandten Team anerkannte pastorale Leitungsstrukturen. Das Ziel kann soziologisch oder geographisch dahingehend bestimmt sein, einer identifizierbaren Gruppe (z.B. junge Erwachsene, Familien, sozial Schwache, Minderheitsgruppen) oder einer Nachbarschaft zu dienen und sie mit dem Evangelium zu erreichen. Statt ein Kirchengebäude oder eine Pfarrstelle zu errichten, werden am Ort in einem Privathaus, einer Schule, einem kommunalen Begegnungszentrum oder in einer Gaststätte Räume angemietet. Mitglieder des Teams bauen mit Gemeindegliedern, die in dem Stadtteil wohnen, Gruppen und Hauskreise auf, planen mit anderen Bewohnern ein soziales Projekt und fangen an, regelmäßig Gottesdienste zu feiern, die in der Gestaltung auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sind. Obwohl "Church Planting" von dem "House-Church-Movement" Großbritanniens zu unterscheiden ist und keine rein hausgemeindliche Strategie darstellt, ist es dennoch für unsere Studie von besonderem Interesse. Denn es läßt sich beobachten, daß v.a. in der Anfangsphase Privathäuser, aber auch in anderen Phasen christliche Familien als Teil der Kernmannschaft eine wichtige Rolle bei Aufbau und Durchführung eines Church Planting Projektes spielen können 6o • Vgl. die Versuche einer Definition bei G. Carey, Planing New Churches, lI-I?; P. Harris, Breaking New Ground, Church Planting in the Church of England. A Report commissioned by the House of Bishops, 5-8. 60 Vgl. P. Harris, Breaking New Ground, 1994, v.a. 15-21; G. Carey u.a., Planting New Churches, 1988, v.a. 101-110, v.a. I05f; 139-146 v.a. I40. 59
Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedetung der HG 505
Die vielen Beispiele seit 1985 zeigen, daß Church Planting eine sehr wirksame Art und Weise darstellt, entkirchlichte Menschen mit dem Evangelium zu erreichen 61 • Diese Vorgehensweise genießt die volle Unterstützung der Leitung der anglikanischen Kirche 62 • Auch in der evangelischen Kirche Deutschlands ist dieses Konzept auf Interesse gestoßen 63 • Mittlerweile liegen schon erste praktische Erfahrungen vor, denn von einigen Gemeinden in Baden (in Pforzheim und in Spielberg bei Karlsbad) wird das Modell erprobt64 • Vergangenheit und Gegenwart sprechen eine deutliche Sprache: Das HG-Modell sollte heute auf keinen Fall vernachlässigt werden, denn es hat sich bewährt. Die ekklesiale und missionarische Bedeutung der kleinen Gruppe - sei sie eine Hausgemeinde im Vollsinn oder ein Hauskreis verstanden als Bibelgesprächs-, Gemeinschafts-, Gebets-, und/oder sozial engagierte Dienstgruppe, Gemeinde-Mitarbeiter-, Fortbildungs-, oder als evangelistische Gesprächsgruppe muß weltweit hoch veranschlagt werden. Bei all diesen Modellen ist die funktionsfähige intakte christliche Familie von entscheidender Bedeutung, die mit ihrem Haus oder ihrer Wohnung zum Gelingen des GemCindeaufbaus beitragen kann. Die Familie erscheint auch in der heutigen Praxis als die natürliche 61
62
63
64
Das ist auch das ausdrückliche Ziel (vgl. G. Carey, Planting New Churches, q.24f). Vgl. auch die Berichte in Breaking New Ground, 15-33 v.a. 2ff; G. Care)" ebd., 37-I57 und R. Warren (The Church of England's National Officer for Evangelism), Building Missionary Congregations. Towards a post-modern wa)' of being church, I 995. Alle Bischöfe stehen dahinter, auch der "Archbishop of CanterbllTY", George Care)': "Chllrch planting, along with other initiatives, has great potential as an exciting and positive resource for the church, and the fulfilling of that potential is my hope and my prayer" (aus seinem "ke)'note speach" am 22. 1vlai 199I auf der "fourth national day conference on Church Planting in the Church of England", abgedruckt in: Planting New Churches, 2I-32, hier 32). Vgl. den Bericht von K.H. Schlaudraff, Gemeinde pflanzen in der Volkirehe, (I996), 820-824. Das breite Spektrum von Gemeindepflanzungsmodellen in England besprachen am 15.6.96 rund 200 haupt- lind ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf dem "Ersten Deutschen Gemeindepflanzungstag" in Spielberg bei Karlsbad. Die Gemeindepflanzungsbewegung in Deutschland wird von der AMD kuordiniert und vom Evangelischen Gemeindedienst für Württemberg begleitet. Landesbischof Renz spricht von einem "verheißungsvollen Modell" (zitiert von Schlaudraff, ebd., 824). Pir. M. Rösch, Spielberg und Pir. U. Kösdin, Pforzheim haben ein halbes Jahr lang in England verschiedene "church planting" Projekte beobachtet und miterlebt, um zu prüfen, ob man dieses Konzept für Gemeindearbeit in Deutschland fruchtbar machen könnte. Nun wird es von ihren Gemeinden versucht.
506
Hausgemeiltde und M issiolt
Zelle für die Bildung von Hausgemeinden, so wie sie sich in der Vergangenheit als Keimzelle und Kern der missionierenden Kirche bewährt hat. Wie wir schon sahen, hängt die familäre Bildsprache des Neuen Testaments mit dem realen Gemeinde1eben zusammen, das wesentlich auf die Familien als Aufbauelement, als Rückhalt und als Lebensraum angewiesen war. Es wurde auch deutlich, daß der zentrale Stellenwert der Familie im Neuen Testament damit zusammenhängt, daß die Urchristenheit Ehe und Familie als geschöpfliche Stiftungen Gottes empfand. Auch aus missionarischen Gründen muß man sich deshalb kritisch mit Versuchen auseinandersetzen, die beabsichtigen, Ehe und Familie als grundlegende christliche Lebensformen zu relativieren. Schon 1526 hat M. Luther die Bedeutung der Hausgemeinde in seiner Schrift "Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdiensts" über eine "dritte Weise" des Gottesdienstes für "diejenigen, die mit Ernst Christen seien wollen und das Evangelium mit der Tat und mit dem Munde bekennen", hervorgehoben. Diese "müßten sich mit Namen (in eine Liste) einzeichnen und sich etwa in einem Haufen für sich allein versaml1;le1n zum Gebet, (die Schrift) zu lesen, zu taufen, das Sakrament zu .empfangen und andere christliche Werke zu üben". Er bedauert es aber, daß er "noch nicht die Menschen und Personen dazu" habe und "auch nicht viele" sehe, "die dazu drängen "65. Aber in jüngster Zeit weisen immer mehr Theologen in ähnlicher Weise auf die Bedeutung der kleinen Gruppe für Mission und Gemeindebau hin 66 . M. Seitz geht davon aus, daß die Kirche in Deutschland auf dem Weg ist, eine I'vlinderheitskirche zu werden. "Wir werden nicht mehr flächendeckend, sondern nur noch exemplarisch Kirche sein können. Dann wird, so sagen es die Wissenssoziologen, eine dem allgemeinen Gesellschaftstrend entgegenstehende religiöse bzw. christliche Lebensgestaltung ·nur noch denen möglich sein, die von einer überschaubaren Gemeinschaft darin gestützt und gehal ten werden. Die christliche Gemeinschaft' als Gemeinschaft
65 66
Zitiert aus K. Aland, Luther Deutsch, Bd. VI, 1966, 89f (= WA I9,75). Vgl. zusätzlich zu den unten angeführten Autoren z.B. H.]. Klauck, HG, 99-102; S. Clark, Haus, I981, v.a. 54-60; P. Lampe, Funktion der 'Familie', Ref 3 I (1982),533-542; teils kritisch H.K. Bieritz, TRE 14, Art. Haus III, I985, 487ff; K. Eickhoff, Gemeinde entwickeln, 1992, 189-206; W. Rordorf, Hausgemeinde, I993,I90- 2 37·
Die ekklesiale und missionarische Funktion und Bedetung der HG 507
bewußt Glaubender und ihren Glauben wahrnehmender, formgebender Menschen wird an Bedeutung gewinnen "67. Ähnlich äußert sich der ehemalige württembergische Bischof Theo Sorg. Die Kirche der Zukunft wird nach ihm nicht mehr primär eine verwaltete Großinstitution, auch nicht in erster Linie eine Betreuungs- und Kasualkirche darstellen dürfen. "Wir werden eine Kirche mit kleinen Hausgemeinden, engagierten Gruppen, gottesdienstlichen Feiern und missionarischen Aktionen sein müssen, eine Kirche, in der geistlich sensible Menschen sich für andere öffnen, in der Räume für menschliche Begegnung, persönliches Gespräch und argumentativen Austausch offenstehen und in der das Evangelium von Jesus Christus seinen einladenden Charakter erweisen kann. ,,68 All diese Stellungnahmen erscheinen auf dem Hintergrund der in dieser Arbeit über die urchristlichen HGn vorgelegten Ergebnisse als wohlbegründet.
67
68
M. Seitz, Distanz und Liebe zur Welt - von der Nachfolge unter den Bedingungen unserer Zeit, zitiert vom Tonband aus einem ungedruckten Vortrag, gehalten in Reichelsheim, 6.3.97, auf einer Pfarrerfortbildungstagung. Vgl. auch ders., Erneuerung der Gemeinde, I985, 20f.66f.77.r69. Vgl. auch P. Stuhllllacher, Kirche nach dem NT, ThBeitr 26 (r995), 3I2; ders., Volkskirche - weiter so?, ThBeitr 2.3 (1992.),166. Einladende Kirche, ThBeitr 22 (199r), 13; vgl. auch ders., Perspektiven für unsere Kirche, in: Lebendige Gemeinde, Heft 2 (1994), 8-10 v.a. 10.
Hausgenleinde lind Mission
50 8
Anhang - Grundrisse und Zeichnungen
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Grundrisse und Zeichnungen
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Haus des Petnls
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Hausgemeinde lind Mission
51°
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Abb. 3: GrundrijJ der Hauskirche (Domus Ecclesiae) in Kapemaum. Nach V. COI-bo: Cafomao I, Taf V1 I.
Grundrisse und Zeichnungen
Abb. 4: Isometrische Rekonstruktion der Hauskirche in Kapernau11t (4. Jh. n.Chr.). Nch V. Cotbo: Cafamao J, Ta(. VIII.
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Abb. J: Grundriß der römischen Villa in Anaploga. Nach I lvlurphy-O 'Col1not, St. Pauls' Corinth, Abb. 6.
Grundrisse und Zeichnungen
Abb. 6: Relwnstruktion der römischen Villa in Anaploga. Nach L.Ritmeyer, Archaeological Design, Jerusalem.
513
Hausgemeinde und Mission
JD m,
10 ,
Abh. 7: Rekonstrul<.tion des Grundrisses vor dem Umbau des Pl'iuathauses (Dura). Nach C. H. Kraeling, The Christian Bulding, Pt. 4.
Grundrisse und Zeichnungen
Versammlungsraum
Portico
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10 I
Abb. 8: Rekonstruktion der Hauskirche in Dura. Nach CH. Kraeling, The Christian Building, PI. 5.
51 5
Abkürzungen Die Abkürzungen folgen S. Schwertner, Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, BerlinlNew York 1994 . Darüber hinaus wurden noch folgende Abkürzungen verwendet: 2
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The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, hg.v. u.a. E. Stern, Jerusalem 1993.
ND
Neudruck
The New American Commentary
NIBC
New International Biblical Commentary
PdSBF
Pubblicazioni dello Studium Biblicum Franciscanum, Jerusalem Palästinajahrbuch
PJB SNTSJ'vIS
Society for New Testament Studies i\,Jonograph Series
THNT
Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament
TV
Theologische Versuche
WBC WTB
Word Biblical Commentary, Waco Wissenschaftliche Taschenbücher
Litera turverzeichnis Quellen I.
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