STUDIEN ZUM ALTEN UND NEUEN TESTAMENT
PETER KUHN
GOTTES SELBSTERNIEDRIGUNG IN DER THEOLOGIE DER RABBINEN
.ll._~ \ .. ~L-V ERLAG
MüNCHEN
In der >Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen< äußert das Zweite Vatikanische Konzil den Wunsch nach einer Vertiefung und Erneuerung des christlich-jüdischen Gesprächs aus seinem Ursprung heraus: »Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gesprächs ist.« Die vorliegende Arbeit versucht, in diesem Sinn ein noch wenig erforschtes Gebiet des rabbinischen Denkens aufzuhellen: die Anschauungen, die bei den Rabbinen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte über die Selbsterniedrigung Gottes herrschten, das heißt über Gottes Dienst am Menschen, sein Herabsteigen aus dem transzendenten Raum seiner Herrlichkeit in die Niedrigkeit dieser Erde und seine Selbstbeschränkung aus überweltlicher Fülle in die begrenzten Dimensionen der Menschenwelt. Die weit verstreuten Texte aus der rabbinischen Literatur zu diesem Thema sind in möglichster Vollständigkeit gesammelt, geordnet, übersetzt und kommentiert. Sie dürften vor allem für die neutestamentliche Forschung von Interesse sein, da die Nähe jener rabbinischen Anschauungen über die Selbsterniedrigung Gottes zum Inkarnationsdenken des Neuen Testaments offenbar ist. Doch auch der Alttestamentler, der Judaist und der ReligionswissenschafHer werden die Arbeit für ihre Wissensgebiete auswerten können. KöSEL- VERLAG
STUDIEN ZUM ALTEN UND NEUEN TESTAMENT Herausgegeben von Professor Dr. Vinzenz Hamp und Professor Dr. Dr. h. c. Josef Schmid unter Mitarbeit von Professor Dr. Paul Neuenzeit Band XVII
KOSEL-VERLAG MüNCHEN
PETER KUHN
GOTTES SELBSTERNIEDRIGUNG IN DER THEOLOGIE DER RABBINEN
19 68 KÖSEL-VERLAG MüNCHEN
Cl 1968 by Kösel-Verlag KG, München. Printed in Germany. Mit klrcblieher Druckerlaubnis:MÜDchen,18. 10.1967, GVNr. 116.!914, MattbiasDef'regger. General"ikar. Gesamtherstellung: Graplüsche Betriebe Dr. F. P. Datterer & Cie. N.cbEoI~ SeWer OHG. Freising.
VORWORT
»Da also das geistige Erbe, das Christen und Juden gemeinsam ist, derart reich ist, will diese heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung zwischen beiden fördern, welche vor allem durch biblische und theologische Studien und durch brüderliche Gespräche erreicht werden«. Die vorliegende Arbeit glaubt, im Sinn dieser Aussage des II. Vatikanischen Konzils (Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, 4. Kapitel) vorzugehen, wenn sie versucht zu zeigen, daß ein bedeutender Gegenstand des Glaubens, welcher der Welt des Christentums eigentümlich zu sein scheint, auch der Welt des rabbinischen Judentums und damit dem Judentum allgemein nicht fern ist: Gottes Selbsterniedrigung, die er selbst freiwillig aus Liebe zu den Menschen vollzieht, wenn er sich auf die Dimensionen dieser Welt einläßt, um den Menschen helfend und rettend nahe zu sein. Da dieses Thema der rabbinischen Theologie, soweit ich sehen kann, bisher noch nicht zusammenhängend und ausführlich dargestellt wurde und da die rabbinischen Texte, die von ihm handeln, bis jetzt für die Mehrzahl der Interessierten nur sehr schwer zugänglich waren, wage ich die vorliegende Arbeit trotz ihrer unvollkommenen, oft unübersichtlichen Form zu veröffentlichen. Die rabbinische erzählende (haggadische) Schriftauslegung der ersten vier nachchristlichen Jahrhunderte wurde dabei in dem Umfang ausgeschöpft, den der erste Abschnitt des beigefügten Literaturverzeichnisses umreißt. Die frühe aramäische übersetzung bzw. Paraphrase des hebräischen Bibeltextes, das Targum, wurde nicht oder nur in Ausnahmen in den Rahmen der Arbeit einbezogen, da damit zu viele Probleme verbunden gewesen wären, die zu lösen über die Aufgabe der Arbeit' hinausginge. Philologische Einzelerörterungen sind ausnahmslos in den Erläuterungen untergebracht, so daß die Hauptteile der Arbeit - vor allem die übersetzten Texte - auch ohne hebräische Sprachkenntnisse gelesen werden können. Von all denen, die zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben, möchte ich Professor Dr. Ch. Horowitz (Bonn) und Privatdozent Dr. A. M. Goldberg (FreiburgjBr.) mit besonderem Dank nennen. Die Benutzung der Bibliotheken der Instituta Judaica in Münster und Tübingen stellte für mich eine wertvolle Arbeitshilfe dar. Dank schulde ich auch Professor Dr. J. Ratzinger (Tübingen) für seine ständige Ermutigung bei der Fertigstellung der Arbeit und Professor Dr. O. Spies (Bonn) dafür, daß er sie als Dissertation angenommen hat. Tübingen, November 1967
P. Kllhn
INHALT ERSTER TEIL
TEXTE MIT ERLÄUTERUNGEN
I. Gott verzichtet aIIf seinc Ehrc.
•
I. Gottes Macht und seine Selbsterniedrigung z. Gott als der Hohe sieht auf das Niedrige 3. Gottes Selbsterniedrigung. . 4. Gottes Verzicht auf seine Ehre . S. Gottes Verzicht auf seine Ehre beim Schöpfungswerk 6. Gott hilft seinen Beleidigern ohne Rücksicht auf sein Ansehen 7. Gott verzichtet zugunsten Abrahams auf seine Ehre.' 8. Gott verzichtet zugunsten Abrahams auf seine Ehre. . 9. Gott erniedrigt sich, indem er leibliche Werke der Barmherzigkeit ausführt. . . . . . . . . . . 10. Gott verzichtet Jakob gegenüber auf seine Ehre
11. Gott als Dimer der Mmsehen II. Gott trägt Israel als Diener die Fackel voran IZ. Gott trägt Israel die Fackel voran 13. Gott trägt als Vater seinen Kindern die Fackel voran 14. Gott macht sich zu Israels Diener, indem er ihm den Regen sendet 15. Gott verrichtet auf dem Wüstenweg für Israel Sklavenarbeiten 16. Gottes vielfacher Sklavendienst an Israel in der Wüste 17. Gott als Israels Träger in der Wüste . 18. Gott trägt Israel und damit auch dessen Sünde 19' Gott als Diener aller Menschen . zoo Gott als Diener der Frevler um Israels willen . 11. Gott übernimmt um der Gerechten willen die Rolle des zu den Frevlern geschickten Boten 111. Gottes Sc/bsthingabe an die MenschCII 11. Gottes Selbsthingabe an Israel 13. Gottes Selbsthingabe an Israel zugleich mit der Thora IV. Gottes Herabsteigen vom Himmel auf die Erde 14. Gottes vielfaches Herabsteigen vom Himmel zur Erde . . . . . 1S' Mose soll vom Himmel herabsteigen, da auch Gott oftmals von dort herabgestiegen ist. . . . . . . . . . 16. Gott steigt von seinem Thron im Himmel herab . 17. Gottes Herabsteigen in den brennenden Dornbusch 18. Gottes Herabsteigen in den Dornbusch . 19' Die ErwähIung des niedrigen Dornbuschs durch Gott 30. Gott stieg auf den niedrigen Berg Sinai herab. . 31. Gott steigt zum Niedrigen herab, Beispiel dafür ist der Sinai 31. Gott wohnt beim kleinsten der Jakobssöhne, bei Benjamin B. Gott wohnt nicht beim Hochmütigen, sondern beim Demütigen.
13 13 13 14 I 5 17 18 19 zo ZI
zz z3
z3 z3 Z4 Z5 z6 z7 Z9 z9 30 31 31
B 33 B
H H
35 36 36 37 38 38 39 40 40 9
34. Gottes Herabsteigen auf die Erde aus den unendlichen Fernen seiner Transzendenz . 3S. Gottes Herabsteigen aus seiner himmlischen Herrlichkeit in ein ~omadenzelt . 36. Gott ist nicht ganz auf die Erde hinabgestiegen, und nie sind Menschen ganz zu ihm hinaufgestiegen .
V. Gottes Selbstbeschränkung aIIf einen Raum in der Welt 37. Gottes Selbstbeschränkung im Bundeszelt 38. Gottes Selbstbeschränkung auf die Bundeslade und auf einen kleinen Raum im Dornbusch 39. Gottes Selbstbeschränkung über Hiob in der Sturmwolke . 40. Gottes Selbstbeschränkung auf die Bundeslade und auf den kleinsten Raum beim Menschen . 41. Gott verliert durch seine Selbstbeschränkung im Bundeszelt nichts von seiner transzendenten Fülle . 42. Gottes Selbstbeschränkung in Bundeszdt und Tempel 43. Gottes Selbstbeschränkung in den verschiedenen Epochen der Heilsgeschichte . 44. Durch sein Wohnen im Zelt nimmt Gott vorlieb mit den begrenzten Möglichkeiten des Irdischen. Er steigt vom Himmel herab und beschränkt sich selbst . 4S. Gottes Herabsteigen und seine Selbstbeschränkung bei den Weisen 46. Gott steigt vom Himmel herab, um beim gerechten Richter zu weilen 47. Gottes Anpassung an die beschränkten Möglichkeiten der Menschen 48. Gott, der Unermeßliche und Unendliche, beschränkt sich selbst auf das Bundeszelt
42 44
4S 47 47
48 49 SO SO S2 S2
S3
S4 SS S6 S9
ZWEITER TEIL
UNTERSUCHUNGEN
Inhalt und Bedeutung der Texte Entstehungsgeschichte der Texte 3. KAPITEL: Exkurs: Aussagen über das Leiden Gottes mit Israel in der rabbinischen Literatur 4. KAPITEL: Die rabbinischen Aussagen über die Selbsterniedrigung Gottes und das Alte Testament S. KAPITEL: Jüdische und christliche Anschauung von der Selbsterniedrigung Gottes im Vergleich I. KAPITEL:
2. KAPITEL:
63 76 82
93 103
ANHANG
Umschrlfttabelle . Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis Bibelstellenregister Autorenregister 10
113 113
114 118 111
ERSTER TEIL
TEXTE MIT ERLÄUTERUNGEN
1. GOTT VERZICHTET AUF SEINE EHRE
Golles Machlllnd seine Selbslemiedrigllflg1 I
R.Jol;lanan sagte: An jeder Stelle (der Schrift), an der du die Macht! des Heiligen, gepriesen sei Er 3 , findest, findest du gleich daneben' seine Selbsterniedrigung 5 • Das wird in der Thora 8 beschrieben, in den Propheten wiederholt und in den Schriften 7 ein drittes Mal gebracht: In der Thora steht geschrieben: »Denn der Herr, euer Gott, ist der Gott aller Götter und der Herr aller Herren« (Dt 10,17), - und anschließend steht geschrieben: »Der da Recht schafft der Waise und der Witwe« (Dt 10,18). Wiederholt ist es in den Propheten: » So spricht der Hohe und Erhabene, der da ewig thront und dessen Name heilig ist. .. « Oes H,15), - und anschließend steht geschrieben: » ... und doch bei dem, der niedrig und demütigen Geistes ist« Oes H, 15)' In den Schriften wird es ein drittes Mal gebracht, da ja geschrieben steht: »Bereitet (den Weg) dem, 'der im höchsten Himmels einherfährt, Jah ist sein Name« (Ps 68,5), - und anschließend steht geschrieben: »Vater der Waisen und Richter der Witwen« (Ps 68,6).
Gott als der Hohe sieht atif das Niedrige 9 z
R.'Avira, nach anderen R. Ele'azar1o, deutete: Komm und sieh, daß das Verhaltenl l von Fleisch und Blut nicht dem Verhalten des Heiligen, gepriesen sei Er, gleicht. Das Verhalten von Fleisch und Blut (besteht darin): Ein Hoher 1
2 3 4 6
8
7
8
Quelle: bMeg 3Ia. Die ganze Stelle findet sich als Zitat aus bMeg 3Ia auch in JS 18,6 und ferner in JS n 489. Dort sind aber auch schon die späterin l' (= Text) 3 gebrachten Stellen (Ps 146,6+7/ Jes66, 1+2/ 1'. 10,16+ 17) verarbeitet. Dcr Münchner Kodex liest »Größe« statt »Macht«. Zu dieserjin~den folgenden Texten sehr häufig auftretenden Gottesbezeichnung vgl. S. ESH, Der Heilige (Er sei gepriesen). Leiden 1917. ,,:lI:Z n!lch jS. nUl'l'l'1n7 -eigentlich »Demut« - wird in den folgenden Texten mit »Selbsterniedrigung« übersetzt, da wir unter» Demut« allgemein eine Haltung verstehen, die einem H6hmn guthllltltl wird. Das trifft aber für die Haltung GOllts nicht zu. Übersetzt nach der Verbesserung :1,n!) MT (statt :zm:m ':Z'). Der dritte Teil des rabbinischen Kanons. - Der Traditionsbeweis mit drei Stellen aus den drei Teilen des hebräischen Kanons findet sich öfters in der rabbinischen Literatur, vgl. zum Beispiel JS I 960, II 232, n 430. So ist dieser Vers wohl von den Rabbinen vC1'Standen worden, im Gegensatz zur modemen Exegese. Zur Bedeutung »höchster Himmel« für n':Z'37 in der rabbinischen Literatur s. LEvy
s. v.
"':1'37.
• Quelle: bSot ,a. Die Stelle findet sich wörtlich (als Zitat aus bSot) in JS 11 887 (zu Ps 138,6). Dort und in den Verbesserungen zum Babli-Text ist der Autor R. 'Avira, wihrend der erste Bomberg-Druck des Babli R. 'Ezra (= R. 'Azarja?) als Autor nennt. Der Autorenname bleibt also unsicher. 10, Das,.könnte Anglcichung an T 3 sein, da in diesem Text dieselbe Deutung von Ps 138,6 im Namen von R. Ele'azar (b. Pedath) tradiert wird. 11 M'~,cinc dauernde Eigenschaft, Norm des Handelns (vgl. die Verwendung des Wortes M,7.1, um die Nonnen der Schriftauslegung zu bezeichnen).
13
blickt auf das Hohe, und ein Hoher blickt nicht auf das Niedrige. Doch das des Heiligen, gepriesen sei Er, ist nicht so: Er ist hoch und blickt auf das Niedrige, wie es denn heißt: »Denn erhaben ist der Herr, doch auf das Niedrige blickt er« (ps 138,6)12. Ve~halten
Gottes Selb.rterniedrigung l3
3
»So spricht der Herr: Der Himmel ist mein Thron ... , und all das hat meine Hand gemacht (und so ist alles geworden. Doch auf den achte ich, der demütig und zerschlagenen Herzens ist und der vor meinem Wort erzittert)« (Jes 66, I+Z) 1'. Unsere Lehrer sagten im Namen von R. Ele'azar b. Pedath: An sieben Stellen der Schrift findest du, daß sich der Heilige, gepriesen sei Er, mit den gebeugten Herzen 15 auf die gleiche Stufe stellt. Woraus (ist das zu entnehmen)? Es heißt ja: »Denn der Herr, euer Gott, ist der Gott aller Götter (und der Herr aller Herren, der große, starke und furchtbare Gott ... )« (Dt IO, I7) sieh nur, wieviel Macht und wieviel Ruhm I Und wie steht anschließend geschrieben? »Der da Recht schafft der Waise und der Witwe ... « (Dt IO, I8). Es steht (weiter) geschrieben: »Denn erhaben ist der Herr, doch auf das Niedrige blickt er« (Ps 138,6)18. Es steht (weiter) geschrieben: »Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der da Daß dieser Schriftvers keineswegs im Sinn von Gottes S.lbrl.",i"Jrigull/. gedeutet werden 1I1UßI., zeigt ein Text in BM I 44, in dem Ps 138,6 nur dazu dient, Gottes Größ. und AlIl1Iaehl zu zeigen. 11 Quelle: TB Wajera 3. Der ga!12e Text findet sich auch in TW Wajera 1 fast wörtlich genauso wie in TB, mit nur einer nennenswerten Variante (s. E I,). AB Pereq 19 bietet einen gegenüber TB und TW sekundären Text, wie schon BUßER (im Apparat zur AB-Stelle) feststellt. Es wird dort von den 7 SchriftstelIen gesprochen, es werden dann aber nur 6 gebracht. Davon sind, im TB-TW-Text enthalten, als 6. wird Ps 34, 19 eingefügt: »Der Herr ist nahe denen, die zerschlagenen Herzens sind ... «. Doch diese Stelle paßt nicht in den Zusammenhang, da bei ihr die Spannung der beiden Aussagen (der Herr ist erhaben - und doch läßt er sich mit den Niedrigen ein) fehlt, die für die anderen Verse charakteristisch ist. Es ist hier nur die zweite Aussage vorbanden. Die Einleitung dieser AB-SteUe ist, wenn auch spät, so doch bemerkenswert, weil sie die Spannung beider Aussagen schärfer herausarbeitet: 10
»So spricht der Herr: Der Himmel ist mein Thron ... , und all das hat meine Hand gemacht« (Jes 66, I +z). Sieh nur, welche Herrlichkeit I Sieh nur, welche Macht I Und, wenn man so sagen darf, mit wem gibt Er sich ab? »Doch auf den achte ich, der demütig und zerschlagenen Herzens ist ... « (Jes 66, z) ... U
16
IO
Oie Rabbinen schen in diesen beiden Versen (wie auch in allen folgenden Schriftzitaten) einen gewissen Gegensatz zwischen der Aussage über Gottes Hoheit (Verse 1 und 1 a) und seiner Vorliebe für den Niedrigen, Demütigen (das hebr. 'l17 umfaßt beides : Niedrigkeit als Zustand uj!.d Demut als Haltung des Menschen). TW und AB haben statt 11':1:1' : n"':1 (»Menschen«). BUßER verzeichnet außerdem die Variante n"':1" (»Gemeinschaften«), die aber als die schlechteste erscheint (wohl aus lI",:1i1 verderbt). In den ersten TW-Drucken fehlt das Wort ganz. JS II ll1 (hier erscheint nur der erste Satz unseres Textes) hat n'::I::I' wie TB. So muß der Vers im Sinn des Midraschs übersetzt werden (vgl. dazu Tz).
ewig thront und dessen Name heilig ist: Hoch erhaben und als Heiliger wohne ich, und doch bei dem, der niedrig und demütigen Geistes ist« (Jes n,15)' Es steht (weiter) geschrieben: »SO spricht der Herr: Der Himmel ist mein Thron ... « (Jes 66,1), und anschließend steht geschrieben: » Und all das hat meine Hand gemacht (und so ist alles geworden). Doch auf den achte ich, der demütig und zerschlagenen Herzens ist ... « (Jes 66,2). Der Rest (der Stellen findet sich) im Buch » Psalmen«: » Der Herr ist König auf immer und ewig« (Ps 10,16) - und (anschließend) steht geschrieben: »Das Begehren der Niedrigen hast du erhört, 0 Herr ... « (ps 10,17). Es steht (weiter) geschrieben: »Singt Gott, spielt seinem Namen, bereitet den Weg dem, der im höchstenHimmel1' einherfährt!« (Ps 68, s) - wie heißt es anschließend? »Vater der Waisen und Richter der Witwen« (Ps 68,6). Es steht (weiter) geschrieben:» Lobet den Herrn ! Lobe, meine Seele,den Herrn [« (Ps 146,1), und im gleichen Psalm steht geschrieben: »Der Himmel und Erde geschaffen hat« (Ps 146,6), - und anschließend steht geschrieben: »Der da Recht schafft den Bedrückten, (Speise gibt den Hungernden, der Herr befreit die Gefangenen)« (Ps 146,7).
Gottes VerziGht allf seine Ehre 18 4
»Groß erweisest du an mir deine Selbsterniedrigung« (Ps 18,36)19. Gibt es eine größere SelbsterruedrigWlg als die des Heiligen, gepriesen sei Er? I R~ Abba b. Al;la 20 sagte: Der Schüler sitzt vor seinem Lehrer. Wenn der Schüler (die Lektion) beendet hat, sagt er zum Lehrer: Wie habe ich dich ermüdetl Israel dagegen lernte (die Thora) vom Heiligen, gepriesen sei Er, und als sie (vom Sinai) weggingen, sagte Er zu ihnen: Wie habe ich euch ermüdet I Es heißt ja: »Der Herr, unser Gott, hat zu uns am Horeb gesprochen: (Genug habt ihr an diesem Berg verweilt ...)« (Dt 1,6). Also: »Groß erweisest du an mir deine SelbsterniedrigWlg«. 11 R. Sim'on b.Nezira 21 sagte: Wessen Selbsterniedrigung ist so groß wie die 17 18
11 10
BI
Vgl. E 8. Quelle: TB Bercschith 4Es handelt sich hier um eine Anthologie zu Ps 18, 36. Dazu existieren vier Parallelen, welche die Deutungen in folgender Reihenfolge bringen: JS II 161 f.: Leibliche Werke der Barmherzigkeit (= T 9), I, II, III, IV, VII, V und VI miteinander verschmolzen, Sitzen des Messias (= T7). TW Ki-thissa I,: II, TII, IV, V, VII, König und Rebellen (= TW-Text in E 3')' MTh 1,6 (zu Ps 18,36): V und VI (verschmolzen), Leuchten (vgl. Tu), III, VII, I, II, Sitzen des Messias (= T 7). rEx 41,4: I (defekt), V (defekt), VI, VII, König und Rebellen (= T 6). Dabei scheinen TW eine teilweise korrupte, rEx eine stark korrupte, JS eine erweiterte Fassung der Anthologie von TB zu bieten. Das Verhältnis von MTh zu TB ist nicht mchr klar. Man könnte den Vers im Sinn der Rabbinen noch zugespitzter übersetzen: »Durch deine Selbsterniedrigung machst du mich groß«. Dieser Autor ist TB und JS gemeinsam. MTh: R. Abba. Aus» b. Zira« verbessert. JS: R. Sim'on Nezira (wahrscheinlich identisch mit dem im pal. Talmud oft genannten R. Simon bar Nezira, zum Beispiel j Sab , a). TW hat aus Verse1Ien (Homoioarkton) Logion I ausgelassen und so für Logion II R. Abba b. Aba übernommen. MTh, dem wohl der Vatername nicht mellr klar war, hat nur R. Sim'on.
des Heiligen, gepriesen sei Er? Der Jünger sagt: Rabbi, lehre mich einen Abschnittl Und dieser entgegnet ihm: Mach dich auf, geh mir voraus bis zu dem und dem Ort I Der Heilige, gepriesen sei Er, sagte jedoch zu Hesekid: »Steh auf und geh in die Ebene, (dort will ich mit dir reden)« (Ez 3,2.2.). Da ging Hesekid hinaus und traf den Heiligen, gepriesen sei Er, wie Er ihm dorthin vorausgegangen war. Es heißt ja: »Und ich stand auf und ging in die Ebene hinaus, und siehe, dort stand die Herrlichkeit des Herrn ... « (Ez 3,2.3), Also: »Groß erweisest du an mir deine Sdbsterniedrigung«. III R. Luliani b. Tabrini sagte im Namen R. Ji~l}aqs22: Sieh die Sdbsterniedrigung des Heiligen, gepriesen sei Er I Sieh, was geschrieben steht: »Mose sprach, und Gott antwortete ihm mit einer Stimme «28 (Ex 19, 19). Es muß doch unbedingt heißen: »Goff sprach, und MOIe antwortete ihm mit einer Stimme« I Doch Er hat nicht so gehanddt, sondern »MoIe sprach ... «. Also: »Groß erweisest du an mir deine Sdbsterniedrigung«. IV R. Abba b. Kahana24 sprach: Komm und sieh die Sdbsterniedrigung des Heiligen, gepriesen sei Er I Wie steht geschrieben? »Und der Herr sprach zu mir: Dieses Tor soll verschlossen bleiben, (nicht geöffuet soll es werden. Kein Mensch soll dadurch eintreten, denn der Herr, der Gott Israds, ist dadurch eingezogen ...) « (Ez 44,2.). Die Herrlichkeit eines Königs von Fleisch und Blut besteht darin, durch ein großes Tor und nicht durch ein kleines einzuziehen. Der Heilige, gepriesen sei Er, zieht jedoch in seiner Herrlichkeit durch ein kleines Tor 2s (in den Tempd, seinen Palast) ein. Also: »Groß erweisest du an mir deine Sdbsterniedrigung«. V ISR. Jehuda ha-Levi b. Sallum sagte: Die Jünger gehen voraus, und danach (kommt) der Lehrer. Der Heilige, gepriesen sei Er, handdte jedoch nicht so, sondern Abrahams wegen, der voller Schmerzen dasaß, sprach der Heilige, gepriesen sei Er, zu den Engeln: Laßt uns gehen und Abraham besuchen. Während diese aber noch unterwegs waren, erschien Gott schon über ihm (Abraham), und erst danach erschienen die Engel. Es heißt ja: » Und Gott erschien ihm bei den Bäumen Mamres« (Gen 18,1), und erst danach (heißt es): »Und er hob seine Augen auf und blickte hin, (sieh, drei Männer ...)« (Gen 18,2.). Also: »Groß erweisest du an mir deine Sdbsterniedrigung«. 22 23
JS bat (kOttUpt) »b. Tabri«, und MTb hat »im Namen R. Ji§ma'els«.
1;I,V bedeutet in Ex 19. 19 wohl (Donnex-) Geräusch, doch die Rabbinen ve.rstehen hiex darunter
»Stimme«, da sonst der Satz nicht umkehrbar wird (»Mose antwortete mit Donnex« ist unmöglich). 9. JS: R. Abba bar Kahana im Namen R. Semu'els. 2& In Hz 4off. sind alle Tempeltore gleich groß. Doch in mMiddoth IV 2. (=mTamid m 7) findet sich bereits die Tradition von dex kleinen Pforte im Osttor : Zwei Pförtchen hatte das Große Tor, eines im Norden, eines im Süden. Durch das südliche war niemals ein Mensch eingetreten, und über dieses ist eine deutliche Erklärung durch Hesckiel gegeben worden. Es heißt ja: »Und der Herr sprach zu mir ... « (Hz 44,2.). (Die Erklärung der Stelle in dex »Gießener Mischna« durch HOLTZMANN ist ungenau.) .a Für den Besuch Gottes bei Abraham vgl. auch T 9 und T 5.
16
VI 27R. Simon sagte: Sieh, was geschrieben steht: » Und die Männer wandten sich von dort weg und gingen in die Richtung Sodoms, und Abraham stand noch immer vor dem Herrn« (Gen 18,%2.). Es muß eigentlich heißen: »Und Gott stand noch immer ... « - aber es handelt sich (hier) um eine Korrektur der Schreiber 28• Also: »Groß erweisest du an mir deine Selbsterniedrigung«. VII a9Ben cAzzaj sagte: Komm und sieh die Selbsterniedrigung des Heiligen, gepriesen sei Er! Ein König von Fleisch· und Blut nennt zuerst seinen Namen und danach erst sein Werk 80, der Heilige, gepriesen sei Er, jedoch nicht sol Sondern da, wo Er seine Werke nennt, nennt Er Seinen Namen erst danaGh. Es heißt ja: »Im Anfang SGhJlj Gott ••• « (Gen I, I).
Gottes VerziGht auj seine Ehre beim SGhöpj1l11gswerk 81
5
»Im Anfang schuf Gott ... « (Gen 1,1). Simcon b. CAzzaj sprach: »Groß erweisest du an mir deine Selbsterniedrigung« (Ps 18>36). Fleisch und Blut 21
In JS ist im Unterschied zu TB die Deutung (Gott steht vor Abraham) anonym und auf Gen 18, I bezogen, in MTh ist dagegen R. Simon als Autor genannt. Das Stehen Gottes bzw. der Schekhinah, der Einwohnung Gottes, bei Abraham als außerordentliche Herablassung und größter Gunstbeweis findet sich (oft mit R. Simon, welcher von der llVerbesserung der Schreiber« spricht, als Autor) an zahlreichen SteIlen, zum Beispiel TW Beschallach 16, TW Wajera 4 (= TB rLv H,S rGen 49,7; rGen 48,1 (vgI. Wajischlach 18), JS I b, MTh 149 (zu Ps 18,:.6) G 189)' Dazu ist noch die späte, ausmalende Fassung in AB 19 heranzuziehen:
=
=
... Es handelt sich um Abraham, der den Beschneidungsbund einhielt. Als ihm der Heilige, gepriesen sei Er, erschien, war er im Sitzen, es heißt ja: » Und er saß am Zelteingang ... « (Gen 18, I). Als er die Schekhinah erblickte, machte sich Abraham daran, aufzustehen. Da sprach der Heilige, gepriesen sei Er: Plage dich nicht I Es heißt ja: »Spruch des Herrn zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten ... « (Ps IIO, I). Da sagte Abraham zu ihm: Herr der Welt, ist denn das ein angängiges Verhalten (derekh ere~), daß ich sitze und du stehst? Da sagte der Heilige, gepriesen sei Er, zu ihm: Laß es dir nicht nachgehen I Jetzt bist du ein Greis, du bist 100 Jahre alt- und du staunst darüber, daß ich stehe und du sitzest. Einst werden deine Nachkommen im Alter von 3 Jahren, im Alter von 4 Jahren in der Synagoge sitzen, und ich (werde in ihrer Mitte stehen), es heißt ja: »Gott steht in der Gemeinde Gottes ... « (Ps 8z, I). Diese SteIle ist wichtig, weil sie das Stchen Gottes vor Abraham aus der fernen Vergangenheit in die tägliche Erfahrung der Rabbinen hereinholt. 18 C..,D'O S. dazu E. WIlRTHWlUN, Der Text des Alten Testaments, 19650 140 - Vgl. die Texte bei G 398 (vor allem MJ Beschallach deschirah 6 und SNum § 84). 28 Dieses Logion ist in rGen I, U in besserer Fassung gebracht und wird als T S übersetzt. 3D K~O'~P = KTiallCX, vgl. jedoch die Fassung in rGen (= TS). B1 Quelle: rGen I, u. Dieser Midrasch findet sich auch in den S Anthologien zu Ps 18,36, von denen die aus TB als T 4 übersetzt ist, sowie in JS I 1. In allen Anthologien findet sich b. 'Azzaj als Autor. Dieses Logion kölUlte der Ausgangspunkt fUr alle Anthologien und alle ähnlichen Logia gewesen sein. In rGen
ppn.
erwähnt zuerst seinen Namen und danach seinen Ruhm: N., Augustalios 3S ••• , N., ich, Prostates 33 ... Doch der Heilige, gepriesen sei Er, nicht sol Sondern nachdem er das für seine Welt Nötige erschaffen hat, erwähnt er seinen Namen: »Im Anfang schuf ... « und danach: »Gott«34.
Gott hilft seinen Beleidigern ohne Rücksicht au/sein An.sehen 36 6
»Groß erweisest du an mir deine Selbsterniedrigung« (Ps 18,36). Der Sitte nach, wie sie in der Welt herrscht, fühlt sich ein König von Fleisch und Blut liegt ein besserer Text vor als in fast allen anderen Parallelen. Nur der Text in TW Ki-thissa kann mit dem von rGen konkurrieren:
I,
Ein König von Fleisch und Blut sendet Edikte (nu~~""D von np6O'TaylJa, soKRAuss s.v.) in eine Provinz und sagt darin: N., Comes ... , N., Eparch ... , N., Hegemon ... (alle diese Wörter als Fremdwörter im Hebräischen I). Erst nachdem er seinen Namen genannt hat, nennt er seinen Ruhm (Titel) ... Die Frage, ob die Version von rGen oder von TW ursprünglicher ist, wäre von der Untersuchung der in heiden Versionen genannten Beamtentitel her zu beantworten: welche waren in der Zeit R. Sim'on b. 'Azzajs (um UD) in Palästina üblich? aa N;t)OUN haben die wichtigen Handschriften, die Drucke: ';t)OUN, andre Quellen (darunter Midrasch .f;Ialchamim): Nt)OUNi !Ur die ersten beiden Lesarten wäre nachKRAuss s.v. das Äquivalent AVyOVOTclAlOS (Titel des römischen Stattbalters von Ägypten). 83 Nt)Nt)"D - eine ziemlich eindeutige Lesart. Da a/le Lesarten % t) bieten, kann das Äquivalent nicht 'll'pG'rroS sein, jedoch auch nicht 'll'pt:>TClTOS, wie KRAUSS s. v. und 'fHEODOR (im Apparat zu rGen 1,1%) vermuten - denn dieses Wort scheint in der griechischen Sprache nicht existiert zu haben (es würde eine Steigerung des Superlativs 'll'pWTOS darstellen). Am nächsten liegt es, daß hier (wie vorher in N~"'~ - 'll'p60Taylla) ein 0 ausgefallen ist und daß das Äquivalent für Nt)Nt)"D der überaus häufige Titel 'll'POOTOrrTjS ist (s. LIDDELL-ScOTT s. v.). 840 Hier fügt sich sachlich gut ein andrer Midrasch an (Quelle: JS I 776), in dem Gott ebenfalls auf seine Ehre verzichtet, indem er seinen Namen dem des Geschöpfes nachstellt:
» Und Mose sprach zum Herrn ... « (Num 27, 15) ... R. Jehuda sagte: In 175
Abschnitten der Thora ist der Name (Gottes) (dem des) Mose vorangestellt, doch hier steht »Mose« dem Namen (Gottes) voran. Der Heilige, gepriesen sei Er, hat Mose sozusagen größer als Seinen eigenen Namen gemacht. Der Heilige, gepriesen sei Er, sprach: Als Mose für Israel eintrat, da ließ ich meinen Namen vor seinem Namen stehen, doch jetzt, wo er aus der Welt scheidet, ist es billig, daß ich seinen Namen dem meinen vorangehen lasse. S5
Quelle: rEx 41,4. Dieser Text erscheint in zwei von den fünf in T 4 E 18 genannten Anthologien zu Ps I 8, ~6 jeweils Auch dieser TW-Text ist gut als Abschluß der Anthologie: hier in rEx und in TW Ki-thissa und soll deshalb hier folgen:
I,.
Der Sitte nach, wie sie in der Welt herrscht, teilt ein König von Fleisch und Blut seinen Legionen (hier steht im Hebräischen das lateinische Fremdwort) Verpflegung und wertvolle Geschenke zu, und er verteilt Lebensmittelspenden (!at. annona wie in rEx, hier aber korrupt geschrieben) an sie - alles, solange sie Frieden mit ihm halten. Wenn sie jedoch gegen ihn meutern, ist er ihnen gegenüber zu nichts mehr verpflichtet. Dagegen der Heilige, gepriesen sei Er: Israel macht ihm drunten das Goldene Kalb - und der Heilige, gepriesen sei Er, trachtet danach, ihnen mit der Thora das Leben 18
verpflichtet, den Menschen Geschenke 38 zu machen, ihnen Lebensmitte: spenden 37 zuzuteilen, er steht für ihr Leben ein - alles, solange sie mit ihm i Frieden leben. Doch sobald sie gegen ihn rebellieren, Gott bewahre!, da fühl er sich ihnen gegenüber zu nichts in der Welt mehr verpflichtet, sondern e bricht die Lebensmittelspenden an sie ab. Warum? Weil sie gegen seine Hen schaft 38 treulos waren. Doch der Heilige, gepriesen sei Er, nicht so I Sonder; sie drunten trachten danach, ihn zu erzürnen, und Er droben trachtet danacl: ihnen die Thora zu geben, die lauter Leben ist 39 • Daher: » ... und er gab Mose als er mit ihm zu Ende geredet hatte, (die zwei Tafeln des Zeugnisses .•. ). (Ex 31.18). Gibt es eine größere Selbsterniedrigung als diese? Also: »Groß erweisest du an mir deine Selbsterniedrigung«.
Gott verzichtet zugunsten Abrahams auf seine Ehre40 7
R. Judan sagte im Namen von R.l;:lama b. I;:lanina 41 : In der zukünftigen Wel läßt der Heilige, gepriesen sei Er, den Messias-König zu seiner Rechten nieder· sitzen - es heißt ja: » Spruch des Herrn zu meinem Herrn: Setze dich zu meinel Rechten I« (Ps I I 0, I) 42 - und Abraham zu seiner Linken. Da erblaßte 43 Abra· harns Gesicht (wegen der Zurücksetzung), und er sprach zu Ihm: Mein Nach· komme sitzt zur Rechten, und ich (nur) zur Linken? Doch der Heilige, ge· priesen sei Er, beruhigte ihn, indem er zu ihm sagte: Dein Nachkomme (sitzt; zu meiner Rechten, doch ich (sitze) zu deiner Rechten; das bedeutet gleichsarr. der Vers: » Der Herr zu deiner Rechten ... « (ps I I 005)". Daher: »Mit deine] Selbsterniedrigung machst du mich groß« (Ps 18, ;6). selbst zu schenken. Es heißt ja: »Denn sie bedeutet dein Leben und die lange Dauer deiner Erdentage« (Dt ;0,%0). 38 K:I'~l"
3'
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lat. donativa, s. LEVY und KRAuss s. V.
Imme von lat. annona, s. Ll!vy und KRAUSS s. V.
38 m::l"~ - hier scheint schon im Gleichnis die C'~lIi n'::I"~ durch (das Himmelreich, die ßcxalAEIa TWV oöpcxvwv des Mt). 39 Das entspricht der Aussage» steht für ihr Leben ein« weiter oben. Der irdische König erhält seine Untertanen nur so lange am Leben, wie sie ihm gehorchen; seinen Gegnern hilft er nicht, um nicht das Gesicht Zu verlieren. Gott dagegen scheut sich nicht, ohne Rücksicht auf sein Ansehen gerade seinen Beleidigem das größte Geschenk zu machen, das üherhaupt denkbar ist, und zwar in dem Augenblick, in dem sie ihn mit ihrer Treulosigkeit verhöhnen. 40 Quelle: MTh 1,6. Dieser Midrasch bildet inMTh und in JS II 16% jeweils den Abschluß der Anthologie zu Ps 18,36. In JS lautet der Text bis auf die Auslassung der heiden Zitate aus Ps 110 - die hier freilich unentbehrlich sind - gleich wie in MTh. 41 »b . .E;lanina« fehlt in MTh und ist hier aus JS eingefügt. 41 Zum 110. Psalm in der rabbinischen Literatur vgl. den Exkurs in SuB IV 4'2-46,. Dort ist unsere Stelle übersetzt, aber ohne das wichtige Zitat Ps 18,36. 43 Wörtlich: »wurde gelb wie Safran« (s. LEvy s. v. C::I,::I). t& In Mk I2,3,ff. und Parallelen bezieht Jesus Ps IIO,I aufsieh, es wird eine der wichtigsten ATStellen für die Christologie der Urgemeinde (s. O. CULLMANN, Christologie des NT. Tübingen 31963. passim). Schon im Urchristenrum erscheint Chrisrus als der gegenüber Abraham Größere (vgl. vor allem Jo 8), was eine Gegenreaktion des orthodoxen Judentums erwarten läßt. In der rabbinischen Theologie vor dem 3.Jahrhundert fehlt nun die messianische Deurung von Ps IIO völlig, eine
Gott verzithtet zugpn.tten Abrahams at( seine Ehre 46 8
>lDer Herr sprach zu meinem Herrn ... « (ps 110, I). Dabei handelt es sich um Abraham, es heißt doch: »Gepriesen sei der Herr, der Gott meines Herrn Abraham ... « (Gen 24,27), Die Verhaltensweisen des Heiligen, gepriesen sei Er, sind nicht wie die von Fleisch und Blut 48 : Ein Herrscher setzt sich zur Rechten, wenn er in den Saal eintritt, und sein Ratgeber 47 zu seiner Linken. Der Heilige, gepriesen sei Er, (jedoch) schrieb von Abraham, er solle zu seiner Rechten sitzen, wie es denn heißt: »Der Herr sprach zu meinem Herrn ... «48. Tatsache, die man am besten als Gegenreaktion gegen die ausgiebige Benutzung dieser Stelle durch die Kirche erklärt. (ps uo wird vom Judentum auf Abraham gedeutet, vgl. StrB I.c. Mit dieser Deutung des Psalms als der rabbinischen setzt sich bereits Hieronymus auseinander, vgl. Comm. in Ev. Matthaei Iib. IV: PL 26,173)' Von diesen beiden Voraussetzungen her liegt der Schluß nahe, daß auch in unserem Text Abrahams Bevorzugung vor dem Messias eine versteckte antichristliche Polemik enthält. Diese ist allerdings nicht das letzte Ziel des Textes, so wie er uns heute vorliegt, es kommt diesem vielmehr darauf an, Gottes Selbsterniedrigung vor dem Menschen Abraham, den Er 2Ur Hauptperson macht, 2U schildern. In einer anticbristlichen Polemik (Abwertung des Messias) erscheint also ein 2Utiefst christliches Motiv: Gottes Selbsterniedrigung vor den Menschen. Nach dem Glauben der Rabbinen vollzieht Gott der Vater (außer dem es keine weitere göttliche Person gibt) diese Selbsterniedrigung, nach dem Glauben des NT vollzieht der Sohn Gottes, der 2Ugleich der Messias ist, diese Selbsterniedrigung. 4& Quelle: AB 18. Dieser Text findet sich nicht in der Sammlung, die StrB (IV 4,2lf.) bietet. ':8 Mit dieser Antithese steht der Text in einer gewissen Nähe zu den Texten 14-16, die Gott als Diener Israels schildern: Auch hier in AB nimmt Gott den Platz des Dieners und der Mensch den des Herrn ein. (7 C"'~PIC (hier korrupt geschrieben) = C1V)'Kaee6pos: »Beisitzer« (s. KRAUSS S. v.). 4S An dieser Stelle soll ein Text zitiert werden (Quelle: JS 1180, mit kleiner Anc:Ierung auch in JS 11 700), in dem Gott zwar nicht als der erscheint, der auf seine Ehre völlig verzichtet, aber doch als der, der anderen die gleiche Ehre gibt, die er selbst besitzt - was rur einen irdischen Machthaber eine unerträgliche Beeinträchtigung seiner Stellung bedeuten würde:
»Und der Herr sprach zu Mose: Sieh, ich mache dich zum Gott für Pharao ... « (Ex 7, I). Davon spricht der Schriftvers: »Erhebt eure Häupter, ihr Tore ... , damit der König der Ehre einziehe« (ps 24,7), der da Ehre zuteilt denen, die ihn fürchten. Wieso? Bei einem König von Fleisch und Blut dürfen sich die anderen nicht auf seinen Thron setzen. Doch der Heilige, gepriesen sei Er, setzte Salomo »auf den Thron des Herrn« (I Chr 29,23), Bei einem König von Fleisch und Blut dürfen die anderen nicht auf seinem Pferd reiten. Doch der Heilige, gepriesen sei Er, ließ Elia auf seinem Pferd reiten. Und was war sein Pferd? Wind und Sturm. Es heißt ja: »Der HerraufWind und Sturm geht sein Weg« (Nah 1,3 - vgl. 2 Kg 2,11). Bei einem König von Fleisch und Blut dürfen sich die anderen nicht seines Szepters bedienen. Doch Mose bediente sich des Szepters des Heiligen, gepriesen sei Er. Es heißt ja (Ex 4,20): »Und Mose nahm den Stab des Herrn in seine Hand «. Bei einem König von Fleisch und Blut dürfen sich'die anderen seine Krone nicht aufsetzen. Doch der Heilige, gepriesen sei Er, gibt seineKrone dem Messiaskönig. Es heißt ja (ps 21,4): »Du setzest ihm eine Krone von Gold aufs Haupt«. 20
Gott erniedrigt .rith, indem er leiblithe Werke der Barmherzigkeit aN.tflihrt'9 9
»Groß erweisest du an mir deine Selbsterniedrigung« (ps 18,36) - gibt es größere Selbsterniedrigung als die des Heiligen, gepriesen sei Er? Der Mensch sagt zu seinem Freund: Geh' Bräute schmücken, Kranke besuchen, Tote begraben, Trauernde trösten 160 Doch dieser antwortet ihm: Ich bin reich und bedeutend, und ich soll hingehen (und so etwas tun)? Dagegen der Heilige, gepriesen sei Er: »Und (Gott der Herr) baute die Rippe ... « (Gen 2.,2.2.)51_ »Und der Herr erschien ihm ... « (Gen 18,1)52_» Und er begrub ihn im Tal ... « (Dt 34,6)53 -» Und Gott erschien Jakob ... « (Gen 3',9)6'. Bei einem König von Fleisch und Blut dürfen sich die anderen nicht mit seinem Gewand bekleiden. Doch Israel bekleidet sich mit dem Gewand des Heiligen, gepriesen sei Er, und Er (selbst) gibt es Israel. Es heißt ja (Ps 2.9, I I): »Der Herr gibt seinem Volk Stärke« (und nach Jes 51,9 und Ps 93, I ist Stärke das Gewand Gottes). Bei einem König von Fleisch und Blut dürfen sich die anderen nicht mit seinem Titel nennen, wie zum Beispiel Cäsar, Augustus, Basileus. Und wenn sich einer mit einem von diesen (Titeln) nennt, so richtet man ihn hin. Doch der Heilige, gepriesen sei Er, sprach zu Mose: Sieh, ich habe dich gegenüber dem Pharao mir gleichgestellt. Ich heiße »Gott«, und mit diesem Titel habe ich die Welt geschaffen. Es heißt ja (Gen I, I): »Im Anfang schuf Gott . .. «. Und mit dem gleichen Titel habe ich dich Pharao gegenüber zum »Gott« gemacht (Ex 7,1). 48 &0
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Vgl. dazu auch die VerwendWlg einer ähnlichen Stelle des AT in Jo 10, 34f. Quelle: Dieser Text erscheint nur in JS II 161, 'Wo er die Einleitung der Anthologie zu Ps 18,36 bildet. Eine sehr verkürzte Fassung findet sich in JS I 16. Eine ganz ähnliche Reihe von »Werken der leiblichen Bannherzigkeit« lindet sich Wlter dem Namen R. I;Iama b. I;Ianinas in bSot 14a (= JS I H. Eine leicht veränderte FasSWlg des Textes auch in rGen 8,13. Der Text bSot 14a ist übersetzt bei G 402) - nur »Brliute schmücken« ist dort ersetzt durch » Nackte kleiden «. In bSot steht diese Reihe allerdings unter anderen Vorzeichen als in dem von uns übersetzten Text aus JS. ZU vergleichen ist Mt 2S, 3S ff.: »Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben ... « usw. (s. dazu den Exkurs &Die altjüdischen Liebeswerke« bei StrB IV SS9-610). Gott als Brautführer für Eva ist ein beliebtes Bild des Midrasch: vgl. zum Beispiel rGen 18,3 Wld besonders JS I 20, wo dieser Dienst Gottes für Adam ähnlich wie in dem von WlS übersetzten Text aus JS II 161 als Selbsterniedrigung gesehen wird:
» ... und er (Gott) brachte sie (Eva) zu Adam« (Gen 2.,2.2.). (Diese Schriftstelle) lehrt, daß sich der Heilige, gepriesen sei Er, zum Brautführer für Adam machte. Die Thora lehrt (damit) den Brauch, daß sich der Große zum Brautführer für den Kleinen machen und daß ihn das nicht verdrießen soll.
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Analog dazu will Paulus die Kirche (von Korinth), als ein Gegenbild zu Eva, Christus als dem neuen Adam »als reine JWlgfrau zuführen« (2 Kor II,2 +3). Da sich Abraham nach Gen 17. I erst mit 99 Jahren beschnitt, litt er besonders Wlter dieser Operation. So kam Gott (mit den Engeln) zu ihm auf Krankenbesuch: s. T 4 V. (Die Angabe der JS-Ausgaben, daß es sich um ein Zitat aus Gen 26,24 handle, ist ein Irrtum). Der Midrasch bezieht das »er« auf Gott, dieser hat also Mose begraben. Da unmittelba,r vor dieser Gotteserscheinung vom Tod Deboras, der Amme Rebekkas, berichtet wird, meint der Midrasch, Gott habe mit seinem Erscheinen den trauernden Jakob trösten wollen. ~I
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Gott verzichtet Jakob gc..~eniiber alif seine Ehre'6'6 , » Und der Herr sprach zu Mose: Erfasse alle männlichen Erstgeborenen ... « (Num 3,40). Darauf ist der Schriftvers zu beziehen: »Weil du teuer in meinen Augen bist, weil du viel giltst und weil ich dich liebe ... « (Jes 43,4)61 ... Eine andre Erklärung zu »Weil du teuer bist«: Der Heilige, gepriesen sei Er, sprach: Jakob, teuer bist du in meinen Augen, denn gewissermaßen standen ich und meine Engel über dir in der Stunde, da du nach Paddan Aram auszogst, und bei deinem Wiederkommen, denn es heißt ja: » Und Jakob zog aus... und kam an einen Ort '" und siehe, der Herr stand über ihm ... « (Gen 2.8,10-13)57. R. Hos'aja sagte: Heil dem Weibgeborenen, welcher sieht, wie der König und sein Hofstaat über ihm stehen 68 undihn bedienenl 59 Und woher (ist zu entnehmen, daß Gott über Jakob stand auch) bei seinem Wiederkommen? Weil es ja heißt: » Und Jakob zog seines Weges, und es begegneten ihm die Engel Gottes« (Gen 32.,2.). Sieh, das sind (nur) Engel, woher (ist zu entnehmen, daß auch) die Schekhinah (ihm begegnete und wie bei seinem Auszug wieder über ihm stand)? (Aus dem Vers) » Und Gott erschien Jakob noch einmal 10, (als er von Paddan Aram kam ...)« (Gen 35,9)' Daher heißt es: »Weil du teuer in meinen Augen bist ... «81. Quelle: TB Bemidbar 22. Die Stelle findet sich noch in TW Bemidbar 19 und in JS J 691, nach BUBBR (im Apparat ZU TB) hat sie auch, in etwas anderer Fassung, im verlorenen Midrasch JeIammdenu gestanden. Zur Textkritik vgI. BUIIBRS Apparat zu TB Bemidbar, Fußnote 176. Dieser Text richtet sich in Jes 43 an Jakob, doch ist damit in der Schrift die »KolIektivperson« Israel (als Volk) angesprochen. Der Midrasch dagegen bezieht die SchriftstelIe auf die Einzelpersönlich keit Jakob. In der Schrift bezieht sich das "'P (auf ihm, über ihm) wahrscheinlich auf die Leiter, doch der Midrasch bezieht es auf Jakob. N"721 = lat. familia (Umgebung des antiken Herrschers). In btIul 91 b (= JS I II9) ist die gleiche Stelle Gen 28,10-13 mit dem Bild vom Vater und vom Sohn gedeutet, das ja auch an anderen Stellen mit dem vom Herrn und Sklaven abwechselt (vgl. zum Beispiel den folgenden Text 11). In bl;Iul heißt es:
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» ... und siehe, der Herr der Heerscharen stand über ihm ... « (Gen z8, 13): R. SUu'on b. LaqiS sagte (dazu): Wenn es nicht ein geschriebener Schriftvers wäre, dürfte man es nicht aussprechen: Gott verhielt sich so wie ein Mensch, der über seinem Sohn fächelt. Dieses Bild findet sicb - allerdings mehr unter dem Aspekt der Fürsorge Gottes als unter dem seiner Selbsterniedrigung gesehen - noch ein zweites Mal in JS I 1l9. Das »Fächeln« ist Ehrenbezeugung im Orient, vgl. dazu etwa: Arabische Märchen ••• gesammelt und übertragen von E. LITTMANN, Leipzig 1957, 197f. 10 Aus diesem »noch einmal« ("P) wird wohl entnommen, daß es dabei wie beim ersten Mal (bei Jakobs Auszug) zuging. 81 In Gen 28 liegt der Akzent ursprünglich darauf, daß Gott 1Ib" Jakob im Himmel (auf der Spitze der Engelsleiter) steht: eine Hoheitsaussage. Der Midrasch legt nun den Akzent darauf, daß Gott über Jakob, der schon im Schlaf liegt, sIeht: die Haltung des Dieners - also enthält der Text!dr die Rabbinen eine Niedrigkeitsaussage. Unser Text (Stehen Gottes über Jakob) steht dem bereits übersetzten Text 4 VI sehr nalre und ist vielleicht in Analogie zu diesem gebildet worden.
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H. GOTT ALS DIENER DER MENSCHEN
Gott trägt Israel als Diener die Fackel uoran 82 I I
» Und der Herr ging vor ihnen her (nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten ...)« (Ex I 3, Z I). R. J ose der Galiläer sagte: Wenn es nicht ein geschriebener Vers der Schrift wäre, dürfte man es nicht aussprechen: Wie ein Vater, der seinen Kindern die Fackel 63 voranträgt, und wie ein Herr, der seinem Sklaven die Fackel voranträgt.
Gott trägt Israel die Fackel uoran 64. IZ
Und als Lohn dafür, daß Abraham den Dienstengeln das Geleit gab, begleitete der Heilige, gepriesen sei Er, seine Nachkommen 40 Jahre lang in der Wüste, es heißt ja: » Und der Herr ging vor ihnen her, tags in einer Wolkensäule, um sie auf dem Weg zu leiten, (und nachts in einer Feuersäule, Um ihnen ...
BI Quelle: MS 47 (zu Ex 13.21). Die Interpretation von Ex 13.ZI als Sklavendienst Gottes für Israel findet sich auch in den nun
folgenden übersetzten Texten. An zwei Stellen ist Ex 13.ZI in der rabbinischen Literatur jedoch als Verzicht Gottes auf seine Ehre im Sinn der vorausgehenden Texte interpretiert. Diese beiden Stellen stehen T 4 V [Vorausgehen Gottes) besonders nahe. Sie sollen hier nachgetragen werden: MTh I / ' (als Abschluß der Anthologie zu Ps 18.36):
R.1;lija sagte: Der Jünger geht in der Nacht seinem Lehrer voraus. Wer trägt dabei die Fackel? Etwa nicht der Jünger vor seinem Lehrer? Doch der Heilige, gepriesen sei Er, trägt Israel die Fackel voran, es heißt ja: » Und der Herr ging ihnen V0111US, tags in einer Wolkensäule, um sie auf dem Wege zu leiten (,und nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten)« (Ex 13, ZI)daher: »Groß erweisest du an mir deine Selbsterniedrigung« (ps 18>36). bQjd J20:
R. Joseph sagte: Auch wenn ein Lehrer (:2,) auf seine Ehre verzichtet, so ist (damit gültig) auf seine Ehre verzichtet, es heißt ja: » Und der Herr ging vor ihnen her am Tage ... « (Ex 13, Zl). Da erwiderte Raba (im Münchner Kodex: Abaije): Ist es hier (bei Gott) denn wirklich das Gleiche (wie beim menschlichen Lehrer, der auf seine Ehre verzichtet) ? Der Heilige, gepriesen sei Er, dem die Welt gehört und dem die Thora gehört, kann auf seine Ehre verzichten - aber gehört denn ihm (dem Lehrer) die Thora? (Sie gehört doch Gott; wenn der Lehrer auf seine Ehre verzichtet, so verzichtet er auf eine Ehre, die nicht so sehr ihm persönlich als der Thora und damit Gott erwiesen wird. Er verzichtet also nicht auf »seine« Ehrung, sondern auf Gottes Ehrung. Das kann Gott selbst freiwillig tun wie in Ex 13, dem Menschen aber steht das nicht zu.)
om (hier korrupt geschrieben) = gr. cpavTJS (s. LEvy und KRAuss s. v.). "' Quelle: rTE IHf. (Pereq u). Dieser Text stellt eine erweiterte Fassung von T I I dar. Er befindet sich am Schluß eines Aufzählungsmic.lrasch~, in welchem das gütige und gastfreundliche Verhalten Abrahams gegenüber Gott und den Engeln in Gen 18 in Parallele gesetzt wird zu Gottes gütigem Verhalten gegenüber Israel in der Wüste. Diese Aufzählung findet sich mit stark wechselnden Einzelzügen an vielen
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zu leuchten)« (Ex 13,U). Wenn diese große Sache nicht (in der Schrift selbst) geschrieben wäre, dürfte man es nicht aussprechen: Wenn man so sagen kann, wie ein Vater, der vor seinem Sohn (hergeht), wie ein Herr, der seinem Sklaven die Fackel voranträgt 6s• Wie eine Mutter dem Kind gegenüber, es heißt ja: »Und Mose sprach zum Herrn: ... Daß du zu mir sagen kannst: trag es (das Volk) an deiner Brust, wie die Amme den Säugling trägt ... « (Num II, II+U)68.
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Gott trägt al.r Vater seinen Kindern die Fach' tJoran 87 »Und der Herr ging vor ihnen her, tags (in einerWolkensäule, um sie auf dem Wege zu leiten, und nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten)« (Ex 13,U). Kann man denn so sagen? Und ist nicht bereits gesagt: »Fülle ich nicht den Himmel und die Erde, Spruch des Herrn?« (Jer Z3, Z4) 88, und es steht doch geschrieben: »Und ein (Engel) rief dem andern zu und sprach: Heilig, heilig, heiligI ..• Die ganze Erde ist erfüllt von Seiner Herrlichkeit!« (Jes 6,3), und (die Schrift) sagt: »Sieh, die Herrlichkeit des Herrn, des Gottes Israels, kommt aus östlicher Richtung. Sein Rauschen tönt wie gewaltige Wasser, und die Erde leuchtet auf von Seiner Herrlichkeit« (Ez 43, z). Was lehrt (aber) die Schrift: »Und der Herr ging vor ihnen her, tags ... « Rabbi sagte: Wenn der König Antoninus 89 manchmal auf seinem Richtersitz Recht sprach, und er geriet in die Dunkelheit (damit), und seine Söhne bei ihm gerieten (mit) in die Dunkelheit, dann trug er, nachdem er den Richtersitz verlassen hatte, die Fackel und leuchtete seinen Söhnen (nach Haus). Da nahten sich ihm die Großen seines Reichs und sprachen zu ihm: Wir wollen die Fackel tragen und deinen Söhnen leuchten I Doch er erwiderte ihnen: Nein, nicht weil ich niemanden hätte, der die Fackel trüge und meinen Söhnen leuchtete, (tue ich das), sondern seht, ich will euch (durch mein Verhalten) meine Liebe Stellen, immer unter dem alleinigen Aspekt der Belohnung der guten Taten Abrahams, zum Beispiel tSot IV x-6; MJ Einleitung zur Par. Beschallach; MS, (kurz angedeutet) + 48; TW Beschallach 4; TB Wajera , = TW Wajera 4; rGen 48,10 + rQH II,' + JS 192 (bier zwei Reihen). Nur in der hier von uns übersetzten Fassung enthält der Aufzählungsmidrasch den Aspekt des mziedrigenden Dienstes Gottes. 85 Die nun folgenden letzten drei Zeilen sind ein Zusatz,der sich gedanklich mit TII7 + 18 berührt. es In Num 1 x, 1 X+1 2 ist der Vergleich Amme - Kind von Mose und dem Volk gebraucht, der Midrasch dagegen bezieht den Satz auf Goll und das Volk. Moses aufbegehrende Fragen in Num IX wurden vom Midrasch vielleicht als Aufforderung an Gott. selbst das Volk zu tragen, aufgcfaßt. Möglicherweise ist der Text korrupt und an dieser Stelle stand einmal ein besser passendes Zitat, etwa Dt 1,'1, wie in T X7. 87 Quelle: MJ, Einleitung zur Par. Beschallach (= JS 1%28). B8 Durch die Verwendung dieses Zitats (vgl. seinen späteren Gebrauch in den TI 51+,8, 40+41, 48) und des folgenden klingt bereits das Motiv der Selbstbeschränkung an. n Antoninus war ein heidnischer Herrscher, ein Freund des R. Jehuda ba-Nasi. Mit wem diese legendenhafte Gestalt der rabbinischen Literatur historisch zu identifizieren ist. ist nicht klar. Jedenfalls gilt Antoninus als der Typ des gottesfürchrigen, dem Judentum zugetanen Heiden: so erscheint er auch in unserem Text in günstigem Licht. Eine ziemlich erschöpfende überschau - unser Text fehlt allerdings - bictet der Artikel »Antoninus in tbc Talmud« von L. GINZBBI\G, in: Tbe Jewish Encyclopedia, vol. I, N. Y. andLondon 1901, und der Artikel »Antoninus im Talmud« vonA. MAIWOI\STIIIN, in: Encyclopaedia Judaica, Bd. 11, 1928.
zu meinen Söhnen zeigen, damit ihr mit ihnen ehrfurchtsvoll umgeht. So zeigte der Heilige, gepriesen sei Er, (durch sein VoranIeuchten in der Wüste) (seine) Liebe zu Israel 70 den Völkern der Welt, damit diese mit ihnen (mit Israel) ehrfurchtsvoll umgingen 71.
Gott 1I1acbt sieb Zu brael.r Diener, inde1l1 er ib1l1 den Regen sendet?8
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»(Denn das Land, in das du kommen wirst, um es zu erobern,) das ist nicht wie das Land Ägypten, (aus dem ihr ausgezogen seid, welches du wie einen Krautgarten bewässern mußtest, wenn du es mit deinem Samen besätest. Das Land, 70 71
Hier ergänzt eine Handschrift sinngemäß: indem er in eigener Person vor ihnen herging. An unseren Text reiht sich ein Midrasch an (Quelle: bAZ II a = JS I ZZ9). in dem zwar nicht auf das Paradox von Gottes Dienersein der Hauptakzent gelegt ist, sondern auf die Ehre, die Gott Israel erweist, welcher es aber doch verdient, in unserem Zusammenhang zitiert zu werden:
Onqelos b. Kalonymos war Proselyt geworden. Da sandte der Cäsar einen Trupp von Römern nach ihm aus, (um ihn zu verhaften), doch er zog sie durch Schriftverse (an sich, und) sie wurden (ebenfalls) Proselyten. Da sandte er noch einmal einen Trupp Römer nach ihm aus, indem er ihnen befahl, sie sollten kein Wort mit ihm sprechen. Als sie ihn verhaftet hatten und weggingen, da sprach erzu ihnen: Ich will euch nur eine einzige Sacheerzählen : Gewöhnlich trägt ein Hofbeamter das Licht vor dem Offizier einher, der Offizier vor dem Dux, der Dux vor dem Hegemon, der Hegemon vor dem Comes. Trägt aber etwa der Comes das Licht vor irgendeinem Menschen her? Sie antworteten: Nein. Da sagte er zu ihnen: Der Heilige, gepriesen sei Er, jedoch trägt das Licht vor Israel einher. Es steht ja geschrieben (Ex 13,11): »Und der Herr ging vor ihnen her, tags (in einer Wolkensäule ... und nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten) «. Da wurden sie alle Proselyten. Daraufhin sandte er (der Cäsar) noch einmal einen andern Trupp nach ihm, indem er ihnen befahl, mit keinem einzigen Wort sich mit ihm zu unterhalten. Als sie ihn wegbrachten, da sah er eine Mezuzah (eine an einem Tor angebrachte Kapsel, Schriftverse mit dem Gottesnamen enthaltend, zum Schutz des Hauses). Er deutete mit der Hand darauf und fragte sie: Was ist das? Sie antworteten: Es ist an dir, es uns zu erklären. Da antwortete er ihnen: Dem Brauche der Welt nach sitzt ein König von Fleisch und Blut drinnen (im Palast), und seine Diener bewachen ihn draußen. Doch beim Heiligen, gepriesen sei Er, ist es nicht so: Seine Diener sind drinnen, und Er bewacht sie draußen. Es heißt ja: »Der Herr bewacht dein Gehen und dein Kommen, von jetzt an bis in Ewigkeit« (ps laI,8). Da wurden (auch) sie Proselyten. Daraufhin sandte er nicht mehr nach ihm. 78
Quelle: SDt 38. Dieser Text bildet eine Vorstufe Zu T I,. Das Paradox der Umkehrung des Herr-Sklave-Verhältnisses ist hier in T 14 noch nicht so scharf herausgehoben wie dann in TI,. Der Text ist im Licht der Erzählung vom Gastmahl R. Gamaliels (T 19) ZU sehen, da er ihr unmittelbar vorangeht. - Unser Text findet sich auch in JS n 851 (dort aus SDt zitiert) in etwas besserer Textgestalt (vgl. E 73 +76).
in das ihr zur Eroberung hinüberzieht, ist ein Land von Bergen und Tälern, vom Regen des Himmels trinkt es Wasser)« (Dt II, IO+II) ... So wurden allen Ländern Diener gegeben, um sie zu bedienen: Ägypten schöpft aus dem Nil, und Babel schöpft aus den Strömen 73, doch das Land Israel nicht so! Sondern (die Israeliten) schlafen auf ihren Lagern, und der Heilige, gepriesen sei Er, läßt (indessen) Regengüsse für sie herabstürzen 74. Und um dich zu lehren, daß die Wege des Allumfassenden 76 nicht wie die Wege von Fleisch und Blut sind: Fleisch und Blut erwirbt sich einen Sklaven 76, damit er (den Herrn) ernährt und versorgt, doch der da sprach, und es ward die Welt 77, erwirbt sich einen Sklaven, damit Er ihn ernährt und versorgt.
Gott verrichtet allf dem Wiistenzugfiir Israel Sklavenarbeiten 78 15
Eine andere Erklärung (des Verses): »Wie lange noch soll es mit dieser bösen Gemeinschaft (so weitergehen), (die da gegen mich murren)?« (Num 14,2.7): Der Heilige, gepriesen sei Er, sprach: Wenn man so sagen darf, so kauft man einen Sklaven, damit der Sklave einem die Fackel voranträgt und damit er dem leuchtet, der ihn erworben hat. Doch ich habe nicht so gehandelt, sondern obwohl ihr meine Sklaven seid - es heißt ja: »Denn mir gehören die Kinder Israel als Sklaven, meine Sklaven sind sie« (Lev z 5, 55) -, so habe ich doch die Fackel getragen und habe ihnen geleuchtet, wie es denn heißt: » Und der Herr ging vor ihnen her, tags in einer Wolkensäule, um sie auf dem Wege zu leiten, und nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten ... « (Ex I h 2.1). Eine andere Erklärung: (Der Heilige, gepriesen sei Er, sprach) : »Dem Brauche nach, wie er in der Welt herrscht 79,erwirbt sich jemand einen Sklaven, damit sein Sklave, wenn er (der Herr) sich auf eine Reise begibt, voranzieht und ihm Quartier 80 bereitet. Doch ich habe nicht so gehandelt, sondern, obwohl ihr Plural nach JS TI 8~7' Während die Stromkulturen eine regelmäßige Wiederkehr der Frühjahrsflut erwarten konnten, erfuhr Israel, als Hochland vom Regen abhängig, die Fürsorge Gottes, die hier als Dienst aufgefaßt wird, viel unmittelbarer (vgl. zum Beispiel 1 Kg 17f.). Die Anschauung, daß sieh Gott um Israel persönlich kümmert, während er die anderen Völker untergeordneten Wesen anvertraut, findet sich bereits in Dt 3z,8. Vgl. dazu G. VON RAD, Das fünfte Buch Mose, Göttingen 1964 (= Das Alte Testament Deutsch, Teilband 8), 140. '7& Die Gottesbezeichnung C'1P~i1 (= »der Ort«, vgl. dazu MAIWORSTBIN I 9z) wird von uns durchgängig mit »der Allumfassende« übersetzt. Gott ist »der Ort« schlechthin, in dem sich alles Seiende befindet. Er ist »der Ort der Welt«, der diese umfaßt, aber nicht von ihr umfaßt werden kann (vgl. dazu rGen 67, II). Auf dem Hintergrund dieser durchgehenden Anschauung der rabbinischen Literatur tritt die Bedeutung der später folgenden Texte, die von der Selbstbeschränkung Gottes in der Welt handeln, um so deutlicher hervor. 7. Singular nach JS TI 817. 77 Zu dieser Gottesbezeichnung vgl. MARMORSTBIN I 89; 11 60. '78 Quelle: TB, Anhang zur Par. Schelach, n-13. Nach BUBER z. St. ist der Text (den übrigens nur seine römische Handschrift bietet) aus dem verlorenen Midrasch ]e1ammdenu. Der Text findet sich auch in rNum 16,Z7 - dort völlig mit der Fassung aus TB übereinstimmend bis auf den dritten Abschnitt, wo der TB-Text den besseren Wortlaut bietet. Außerdem erscheint der Schlußsatz von TB noch im Text von rNum einzeln. ,79 Vgl. :.u dieser Ausdrucksweise T 17. 80 i1"O~''''N =? nol\lcxa(cx =? Quartier (so BUBER, KRAUSS und LEVY). trol\lcxala ist in der 73 74
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meine Sklaven seid, so habe doch ich (euch) Quartier bereitet, es heißt ja: »Und die Lade des Bundes des Herrn zog vor ihnen her drei Tagreisen, um für sie einen Ruheplatz auszukundschaften« (Num 10,33)81. Eine andere Erklärung: (Der Heilige, gepriesen sei Er, sprach:) Dem Brauche nach, wie er in der Welt herrscht, erwirbt sich jemand einen Sklaven, damit sein Sklave ihm Brot bäckt, und derjenige ißt es, der ihn (den Sklaven) erworben hat. Doch ich habe nicht so gehandelt, sondern obwohl ihr meine Sklaven seid, habe doch ich für euch gebacken. damit ihr essen konntet. es heißt ja: »Sieh, ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen« (Ex 16,4), und so spricht (die Schrift): »Brot von Starken 82 aßen Menschen, (Speise sandte er ihnen zur Sättigung)« (Ps 78, z 5) 83. Und nach all den Wohltaten, die ich euch erwiesen habe, fordert ihr mich (durch eure Auflehnung) heraus. Wie lange soll ich es noch ertragen, » wie lange noch (soll es mit) dieser bösen Gemeinschaft (so weitergehen) ... «.
Gottes vielfacher Sklavendienst an Israel in Jer Wüste U 16
8~) Und
Gott führte sie nicht auf dem Weg (des Landes) (hebr. derekh ere~)« (Ex 13, 17): Er verfuhr 86 mit ihnen nicht nach der natürlichen Weise aller Welt (hebr. derekh kol-haare~) 87. Wie sieht dieses natürliche Verhalten aus?
81
speziellen Bedeutung »Quartier« in der griechischen Literatur nicht nachzuweisen, so daß unsere Übersetzung an dieser Stelle unsicher bleibt. Es gibt von diesem zweiten Abschnitt unseres Textes eine Vorstufe (bei G ~8 bereits übersetzt). in welcher über die Umkeluung des Herr-Sklave-Verhältnisses noch nicht reßektiert wird. Sie findet sich in zwei Fassungen vor: SNIUII 82 (= JS I 7%7 mit R. Sim'on b. Jobaj als Autor):
»Und die Lade des Bundes des Herrn zog vor ihnen her ... «(Num 10,33)." Ein Gleichnis: (Wem gleicht das?) Einem Mann vom Vortrupp ('O'j:"D3K = antecessor, so mit DALMAN gegen KRAUSS, LEVY und K. G. KUHN), der seinen Heerscharen voranzog, um ihnen einen Platz zu bereiten, wo sie ruhen konnten. So ging die Schekhinah Israel voran und bereitete ihnen einen Platz, wo sie ruhen konnten. sSNIUII '(.11 NIUII rO;JJ:
» .•. um für sie einen Ruheplatz auszukundschaften ... « R. ~im'on sagte: Man bildete ein Gleichnis: Wem ist das zu vergleichen? Einem Zensor ("'lj:' = censor, das Wort fehlt bei KRAUSS und LEVY), der vor den Volks scharen drei Tage vorauszog, um ihnen den Weg zu bereiten .. , Zu Num 10.33 vgl. auch die Parallele in Dt 1,33' = von Engeln. Ba Vgl. die Verwendung dieses Psalmzitats in Jo 6,31 • .. Quelle: TB Beschallach 10. Parallele Aufzählungsmidraschim. in denen Gott als Israels Diener in der Wüste erscheint: rE:K 21,6: Leuchten, Waschen, Kleiden, Sandalen-Anlegen, Tragen, Wachen über dem Schlaf des Herrn. gE:K 246 (sekundiiJ: zu rEx %5,6): Vorausgchen, Leuchten, Waschen, Kleiden, Sandalen-Anlegen, Wachen. 81
Der Sklave trägt seinen Herrn. Trägt etwa sein Herr ihn 88? Doch der Heilige, gepriesen sei Er, verfuhr mit ihnen nicht so, sondern: » Und in der Wüste hast du es gesehen, wie dich der Herr, dein Gott, getragen hat, wie ein Mann seinen Sohn trägt ... « (Dt 1,31), und die Schrift sagt weiter: »Und ich will euch auf Adlersflügeln tragen ... « (Ex 19,4). In der natürlichen Ordnung wäscht der Sklave seinen Herrn, aber hier hat der Heilige, gepriesen sei Er, uns 89 gewaschen, es heißt ja: »Und ich habe dich mit Wasser gewaschen« (Ez 16,9)' In der natürlichen Ordnung kleidet der Sklave seinen Herrn an, doch hier hat der Heilige, gepriesen sei Er, sie angekleidet, es heißt ja: » Und mit Buntgewirktem habe ich dich bekleidet« (Ez 16,10). In der natürlichen Ordnung zieht der Sklave seinem Herrn die Sandalen an, doch hier: »Und Sandalen von Tachaschleder habe ich dir angezogen« (Ez 16, J 0). In der natürlichen Ordnung leuchtet der Sklave seinem Herrn, doch hier leuchtet der Heilige, gepriesen sei Er, Israel, es heißt ja: » Und der Herr ging vor ihnen her (... nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten)« (Ex 1 3,1 I). Daher: Er verfuhr mit ihnen nicht nach der natürlichen Weise aller Welt. Und woher (kommt) das alles? »WeiiEr ein Verwandter ist« (Ex 13017)90denn sie sind Verwandte des Heiligen, gepriesen sei Er, es heißt ja: » Das Horn wird Er erheben für sein Volk, ... , für die Kinder Israel, das Volk seiner Verwandten« (Ps J48, J4)91. -----------_._-----_.p"K 1I,I ZU Ex 13,17: Leuchten, Vorausgehen, Waschen, Kleiden, Sandalen-Anlegen, Wachen. JS 1 221 (defektes Zitat von PK): Tragen, Leuchten, Kleiden, Sandalen-Anlegen, Tragen, Wachen. rEx 20, I I: Waschen, Salben, Kleiden, Tragen, Leuchten. 85 Dcr Midtasch ist an allen Stellen anonym. Nur in der PK-Fassung heißt es zu Ex 13,17: R. Levi im Namen R.1;Ianinas brachte dazu acht Deutungen. 88 Das nn3 in Ex 13, 17 konnte als 1m verstanden werden, und dieses Wort heißt gleichzeitig» fuhren« und »verfahren« (vgl. 1m~ = Brauch, 1:I?'~!1rJ 1",3 = der Brauch, wie er in dcr Welt herrscht, so in T 17). 87 In Ex 13,17 heißt es f'N1" (Gott flihrte sie nicht den »Weg des Landes der Philister«). Nun ist f'N 1" abcr im rabbinischen Hebräisch die Bezeichnung f\ir die natürliche Weise und Ordnung, wie sie in der Welt herrscht, rur das natürliche Benehmen, das nicht aus dcr Thora hervorzugchen braucht, sondcrn auch unter Heiden existiert. - In dieser Bedeutung vcrsteht der Midrasch den Ausdruck f'N 1" in Ex 13,17, und so gewinnt cr einen völlig neuen Sinn dieses Verses. 88 In PK (und JS) wird nicht das Bild von Hcrr und Sklave, sondern das von Rabbi und Jünger verwendet. 8. Diescr Wechsel von »sie« auf »uns« ist bezeichnend: alles, was der Exodusgeneration widerfuhr, wIderfuhr damit jeder späteren Generation Israels. . 90 Der Sinn dieses Satzes in Ex 13,17 ist ursprünglich: »Denn cr (der Weg des Landes der Philister) wäre nahe (!1"P) gewesen«. Das Wort !1"P wird im Hebräischen in der doppelten Bedeutung llnahe« und »verwandt« gehraucht. Die Rabbinen nehmen nun für Ex 13,17 die letztere Bedeutung und beziehen das Wort nicht mehr, wie die Schrift ursprünglich, auf den Weg, sondern auf Gott. 01 In BM II 56 ist die »Vcrwandtschaft Israels (mit Gott)« (?N,rn!1""p) hereitseinfeststehender Begriff. Im AT wird zwar von Gott gesagt, er sei seinem Volk »nahe« und dieses ihm (!1"P in unsrer Stelle Ps 148,14, von Gott in Ps 148,18 oder in Dt 4,7), doch hat dieses !1"P noch nicht den zugespitzten Sinn von »verwandt«.
Gott als Israels Träger in der IPiiste G2
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»Und 40 Jahre lang habe ich euch in der Wüste geleitet« (Dt 19,4). R.Jehuda sagte: Komm und sieh die Selbsterniedrigung des Heiligen, gepriesen sei Er 1 Dem Brauche nach, wie er in der Welt herrscht, hat jemand einen Sohn und trägt ihn, wirft ihn aber herunter, sobald er ihn belästigt. Der Heilige, gepriesen sei Er, (handelt) jedoch nicht so: Israel war 40 Jahre lang in der Wüste, sie erzürnten Ihn, und Er trug sie trotzdem 93• Woher (ist das zu entnehmen) ? Weil es heißt: »Und in der Wüste hast du gesehen, wie dich der Herr, dein Gott, getragen hat, (wie ein Mann seinen Sohn trägt)« (Dt 1,3 1) 84. Gott trägt Israel lind damit aNGh deuen Siinde 95
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»Wie lange noch (soll es) mit dieser bösen Gemeinschaft so weitergehen, welche da gegen mich murren ... « (Num 14,17), Unsre Meister lehrten 86: Wenn ein Kind am Sabbat einen Stein in der Hand hält, darf man es dann am Sabbat tragen? So überlieferten unsere Lehrer 87 : Man darf seinen Sohn mit einem Stein in der Hand tragen und auch mit einem Korb mit einem Stein darin. Von der Wüstengeneration kannst du lernen, daß sie der Heilige, gepriesen sei Er, in der Wüste trug, wenn man so sagen darf: »Und in der Wüste hast du gesehen, wie dich der Herr, dein Gott, getragen hat, wie ein Mann seinen Sohn trägt« (Dt I, 3I) - und doch befand sich ein Götzenbild in ihren Händen, es heiß~ ja: » (Du verließest sie nicht), und doch machten sie sich ein gegossenes Kalb •.. « (Neh 9, 18). Und so findest du, daß bereits bei ihrem Durchzug durch das (Rote) Meer das Götzenbild des Micha mit ihnen zog, es heißt ja: »Und Not zog mit durch das Meer ... « (Sach 10, II)98. Und trotz alledem verließ sie der Heilige, gepriesen sei Er, nicht ... 99. 88 QueUe: rOt 7,12. (Ein stark abweichender Paralleltext findet sich in JS I 262. Dort ist das »Tragen« allerdings bloßer Vergleicb) • •• Gottes Selbsterniedrigung besteht darin, daß er sich die »Belästigung« durch das ungeborsame Volk gefallen läßt (vgl. dazu auch T 6). 14 Dieses Zitat findet sich schon in T I6, dort liegt der Akzent allerdings noch ganz auf dem Tragen an sich und nicht auf dem Tragen trotz Belästigung. 85 Quelle: TB, Anhang zur Par. Schelacb, I. Der Text stellt eine Erweiterung von T 17 dar. Er findet sich auch, mit nur geringen Verschiedenheiten, in rNum 16,26. 8S Statt dieses Satzes steht in rNu m nm: Halakha: ... B7 S. mSab XXI. N Die Tradition, welche den Vers Sach IO, II so deutet, als ob das Kultbild des Micha (Ri I7+18) schon mit Israel aus Agypten gekommen sei, ist sehr alt. Sie findet sich schon im Mund R. Eli'ezers in MJ Pascha 14 und dann in zahlreichen ParaUelstellen, welche dort in MJ im Apparat und im Apparat zu unserer TB-Stelle angegeben sind. 88 Strenggenommen steht unser Text schon außerhalb unseres Themas von Gottes Selbsterniedrigung als Diener der Menschen, da er nicht mehr vom Tragen Gottes als solchem spricht, sondern von seinem Tragen von Sünde und Schuld (s. dazu Kapitel m der Untersuchungen). Als Beispiel für die Weiterentwicklung des Bildes von T 17 ist der Text hier trotzdem von Wert. Zum Bild »der Mensch als Last Gottes« vgl. Hiob 7,20, wo es ursprünglich bieß: »... und ich (Hiob) liege auf dir (Gott) als .Last «, was später bezeichnenderweise als AnthropomoIphismus empfunden und in »auf INir« korrigiert wurde (s. BH z. St.).
Gott als Diener aller Menschm lOO
19A
Fassung AlOl: Ein;st lagen R. Eli'ezer, R.Jehosu'a und R. ~adoq rund um die Tafel im Haus desHochzeitsmahls von Rabban Gamaliels 102 Sohn. Da mischte Rabban Gamaliel einen Becher für R. Eli'ezer, doch dieser wollte ihn nicht annehmen. R. J ehosu'a dagegen nahm ihn an. Da sprach R. Eli'ezer zu ihm: Wie geht das an, Jehosu'a, daß wir um die Tafel herumliegen und Rabban Gamaliel stehend bedient? Da entgegnete ihm R.Jehosu'a: Laß ihn (ruhig) bedienen! Abraham,der Größte auf der Welt, bediente die Dienstengel 103, und das in der Meinung, es seien Araber, Götzenanbeter. Es heißt ja: » Und Abraham hob seine Augen auf (und schaute, sieh, drei Männer 104 standen über ihm ...)« (Gen 18,1). Kann man da nicht einen Schluß vom Größeren aufs Geringere ziehen: Abraham, der Größte auf der Welt, bediente die Dienstengel, und das in der Meinung, es seien Araber, Götzenanbeter - sollte da nicht um so eher Rabban Gamaliel uns bedienen dürfen? Da sprach R. ~adoq 106 zu ihnen: Ihr habt die Ehre des Allumfassenden ganz außer acht gelassen und beschäftigt euch nur mit der Ehre von Fleisch und Blutl Der da sprach, und es ward die Welt, führt Winde herbei, läßt Nebel und Wolken aufsteigen und Regengüsse herabstürzen 106, zieht Gewächse groß und bereitet jedem Einzelnen eine Tafel 107• Sollte da Rabban Gamaliel uns nicht bedienen dürfen?
Der,Midrasch ist in verschiedenen Fassungen überliefert, von denen hier die beiden wichtigsten übersetzt sind: Fassung A: SDt 38, fast gleichlautend: bQid 3zb, gGen Z97, MT zu Dt 11,10, JS I U9. Fassung B: MJ Jithro, Amalcq, I. Fassung C: MS 13 I f (zu Ex 18, a): Eine Kurzfassung, die MJ nähersteht als SDt. Diese drei Fassungen, von denen hier die ersten zwei übersetzt sind, verhalten sich ähnlich zueinander wie die drei Fassungen einer Erzählung, die in den drei synoptischen Evangelien mit jeweils verschiedenen Worten und mit wechselnden Einzclzügen berichtet wird. Fassung A hat wohl stärkeren historischen Bezug gegenüber der Fassung B: Dort handelt es sic~ um ein konkretes Hochzeitsmahl, während es hier um ein schon legenwes Mahl geht, bei dem »alle Gelehrten Israels« versammelt sind. Dagegen ist Fassung B mit der nochmaligen Betonung dessen, daß Gott sich aueh zum Diener der Bösen macht, theologisch tiefer als Fassung A. Ob Fassung C als die schlichteste auch zugleich die ursprünglichste ist, bleibt cIahlngestellt, es kann sich ebensogut auch um die Verkürzung eines reicheren Textes handeln. 101 Quelle: SDt 38. 101 Zweimal steht hier hinter »Rabban Gamaliel«: »Sohn Rabbis«. Es würde sich also in unserem Text um R. Gamaliel m. handeln, der im 3. Jahrhundert lebte. Doch diese Angabe muß auf einem Irrtum beruhen, denn Gamaliel m. hatte weder den Titel» Rabban« noch war er Zeitgenosse der im Text mit ihm zusammen genannten Rabbinen. Es muß sich in unserem Text vielmehr um »Rabban« Gamaliel n. handeln, welcher auch Zeitgenosse der genannten Rabbinen war (Sohn des Lehrers des Apostels Paulus, vgl. Apg 5,34 und U,3). 108 Zu Abraham als Typus der Gastfreundschaft vgl. Hebr 13, Z. 104 Aus diesem Wortlaut, daß er »Männer« sah, wird wohl entnommen, daß er sie nicht als Engel erkannte. 106 Nach bQid und gGen aus »R. Ji,l}aq« verbessert. 108 Vgl. Mt 5,44f: » •.• damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet, denn er läßt seine Sonne aufgehen über Frevler und Gute und läßt regnen auf Gerechte und Ungerechte« (5. StrB I 374fi). Diese Anschauung ist also den Rabbinen und dem NT gemeinsam. 107 Fast die gleiche Reihe von mühevollen Diensten, die Gott für die Welt verrichtet, wird in gLev 564 in ganz anderem Zusammenhang unter den Namen R. Jannajs und R. Pinl}as' gebracht.
100
19 B Fassung BI08: (Mose wird in Ex 1 1 Z vom Midrasch als im Stehen an der Tafel bedienend vorgestellt, der Mid sch meint nun, das habe er von Abraham gelernt:) ... Das erklärte R. Ji~ aql09, indem er sagte: Als Rabban Gamaliel den Gelehrten ein Gastmahl ab, da lagen alle Gelehrten Israels bei ihm um die Tafel. Da stand Rabban maHel auf und bediente sie. Die Gelehrten meinten: Wir sind dessen nicht würdig, daß er uns bedient. Doch R. J ehosu'a sprach zu ihnen: Laßt ihn bedienen I Wir finden ja, daß ein Größerer als Rabban GamaHel die Menschen bediente. Sie fragten ihn: Wer ist das? Er antwortete ihnen: Abraham, unser Vater, der Größte auf der Welt, der die Dienstengel bediente, und dabei glaubte er von ihnen, es seien (gewöhnliche) Menschen, Araber, Götzenanbeterl Um wieviel eher darf da Rabban Gamaliel Thoragelehrte bedienen I Da sprach R. ~adoq zu ihnen: Laßt ihn bedienen! Wir finden ja einen Größeren als Rabban Gamaliel und als Abraham, der doch die Menschen bedient. Sie fragten ihn: Wer ist das? Er antwortete ihnen: Der Heilige, gepriesen sei Er llo ; denn in jedem Augenblick teilt Er Speise zu allen, die in die Welt gekommen sind, » und sättigt alles, was lebt, mit Wohlgefallen « (Ps 145, 16), und nicht allein die Reinen und Gerechten, sondern auch die Frevler, die Götzenanbeter l08. Sollte da RabbanGamaliel nicht um so eher Gelehrte und Thorakundige bedienen dürfen I
Gott als Diener der Frevler 11171 Israels willen 111 2.0
» Und ich sah, sieh da, ein Sturmwind kam von Norden und eine gewaltige
Wolke und zuckendes Feuer, Glanz darum herum, und aus seinem Innern ein Strahlen wie von Elektron ... « (Ez 1,4). Wozu kam Er? R.Jehuda sagte im Namen Rabs 112, daß Er kam, um die ganze Welt dem Frevler Nebukadnezar zu unterwerfen. Und warum das alles? Damit die Weltvölker nicht sagen sollten: Der Heilige, gepriesen sei Er, hat seine IGnder in die Hand eines unbedeutenden Volkes dahingegeben 113. Der Heilige, gepriesen sei Er, sprach: Wer hat es mir zugezogen, daß ich Diener sein muß für die Verehrer von Götzenbildern? Die Sünden Israels haben es mir zugezogen 114. Quelle: MJ Jithro, Amaleq, I. In MS steht hier» R. ~adoq «. 110 So nach deI OxfordeI Handschrift der MJ. Die Lesart »die Schekhinah«, die sich auf die Drucke stützt, ist jedenfalls sekundär. Das" meint auch GOLDBI!RG (G 430, dort ist Fassung B teilweise übersetzt). III Quelle: b1:Iag 13 b. DeI Text findet sich auch in JS II 336 als Zitat aus b:r.ag. 111 »Rab« fehlt in JS. 118 In JS TI 308 (als MJ-Zitat) bzw. JS I 2.3° ist das Thema weitet ausgeführt: Um das kleine Israel zu unterjochen, war jeweils ein ganzes Weltreich im Heilsplan Gottes vorgesehen. 114 Gott sieht sich gewissermaßen als Krieger auf der Seite Nebukadnezars. Zum Thema »Gott kämpft gegen Isracl« vgl. die Texte in MJ Wajehi S und SNum In, dazu gEx 2.98 und TW Beschallach IS. Zu vergleichen ist weiteIhin sKL 18 (= JS zu KL 41, sKL TI 4): 108
lot
Gott übernimmt 11m der Gerechten willen die Rolle des ZII den Frevlern geschickten Boten 1lS
21
»Und nach zwei Jahren (träumte Pharao ...)« (Gen 41, I). Davon spricht die schrift, wenn sie sagt: »Wie einen Traum nach dem Erwachen wird der Herr, wenn er wacht, ihr Bild verachten« (Ps 7 3, 10): Niemals erschien der Heilige, gepriesen sei Er, den Frevlern am Tage, (sondern nur bei Nacht). Und warum das? Um sie zu demütigen ... 118. Nicht einmal dessen, daß ihnen der Heilige, gepriesen sei Er, bei Nacht erschien, waren sie wert, doch er machte sich selbst zum Gesandten 117 an die Frevler, um den Willen der Gerechten auszuführen. So findet man es beim ersten Pharao: Als dieser Sarah wegnahm, da schickte der Heilige, gepriesen sei Er, zu ihm weder Engel noch Seraph, sondern Er ging, wenn man so sagen darf, in eigner Person: »Und der Herr schlug Pharao ... « (Gen 11,17) ... Und so war es auch, als Abime1ekh sie wegnahm 118 ••• Und so war es bei Laban 119 ••• Der Heilige, gepriesen sei Er, sprach zu Israel: Als ich meine Welt schuf, da gab es vor mir weder Mühe noch Anstrengung, es heißt ja: »Weißt du es nicht, hast du es denn nicht vernommen: Der Herr ist ein ewiger Gott. Der die Enden der Erde schuf, wird weder müde noch strengt er sich an. Seine Einsicht ist unerforschlich« Ges 40,18). Doch wegen eurer bösen Taten hat es für mich Mühe und Anstrengung gegeben, damit Könige (gegen euch)heraufzögen. Es heißt ja:» Nun hast du mich zum Diener gemacht durch deine Verfehlungen und mir Anstrengungen verursacht durch deine Sünden« Ges 430 1 4). Als Pamlle1stelle dazu soll hier noch JS I :tH genannt werden, wo gesagt ist, daß Gott die W,ll mühelos durch sein Wort erschaffen habe, den TemPI' aber aus besonderer Liebe gewissermaßen mühevoll mit eigener Hand gebaut habe. Vgl. zu unserm Text:to auch bSot 48a:
R. J o};lanan sagte: Jeder, der zu den (im Folgenden genannten) vier Arten von Musikinstrumenten trinkt, bringt fünf Plagen über die Welt ... »Es beugt sich der Mensch, und niedrig geht der Mann ... « Ges So 1 S), denn sie ziehen dem Feind des Heiligen, gepriesen sei Er (so wird euphemistisch »Gott« umschrieben), Erniedrigung zu. »Mann« bedeutet ja nichts anderes als den Heiligen, gepriesen sei Er, es heißt ja (Ex 1 5, 3): »Der Herr ist ein Mann des Krieges«. Quelle: AB 67. Wir haben hier zweifellos einen spiten und (vor allem in der Zitierweise) verderbten Text vor uns, doch ist die theologische Intention, auf die es uns ankommt, noch gut zu erkennen. 118 Dieses Motiv, das in der mhbinischen Literatur mehrfach auftaucht, ist zweifellos das Hauptmotiv unseres Textes, doch dann kommt das zweite Motiv, welches das für unser Thema eigentlich wichtige ist: Gott macht sich selber zum Boten, macht sich selbst auf den Weg aus Liebe zu den Gerechten. 117 dem entspricht im NT äTr6crrOAOS (s. den Artikel äTrOcrroAoS von K. H. RENGSTORP, in: Theologisches Wörterbuch zum NT, Bd. I, Stuttgart 1933, besonders 413-420). 118 Gen 20,13. 118 Gen 31 ,:t40 115
"-'111-
III. GOTTES SELBSTHINGABE AN DIE MENSCHEN
Gottes Se/bsthingabe an Israe/ 12o 2Z
Ich habe zu euch gesagt: »Und sie sollen 111kh 121 als Gabe 122 nehmen ... « (Ex 2.. • damit ich unter euch wohne. Es heißt ja: »Und sie sollen mir 123 ein Heili um machen. damit ich in ihrer Mitte wohne« (Ex 2.S,8). Das ist keine leich e Sache 124 - wenn man so sagen darf. sprach er zu ihnen: Nehmt mich. dami ich unter euch wohne! Es steht ja nicht geschrieben: »Und sie sollen ein Gabe nehmen«. - sondern: » Und sie sollen IHkh 121 als Gabe nehmen«. 111ifh 126 sollt ihr nehmenl
Gottes Se/bsthingabe an l.rrae/ ZlIglekh mit der Thora 128
23
»Und sie sollen mkh als Gabe nehmen« (Ex 2.S. 2.) - davon spricht (auch) der Vers: »Denn eine gute Lehre habe ich euch gegeben; verlaßt meine Thora nichtl« (Spr 4.2.). Verlaßt nicht die Ware127, die ich euch gegeben habe ... Gibt es denn eine Ware. bei der ihr Verkäufer mitverkauft wird? Der Heilige. gepriesen sei Er. sprach zu Israel: Ich habe euch meine Thora verkauft. Wenn man so sagen darf, habe ich mich mit ihr mitverkauft. Es heißt ja: » Und sie sollen lI/ich als Gabe nehmen ... «128. Ein Gleich120
121
Quelle: TB Ämor 24. Der Text erscheint als Bestandteil eines Aufzählungsmidraschs, der von Lv 23,40 ausgehend verschiedene Stellen des AT behandelt, an denen das Wort »nehmen« (MP') vorkommt. In TB ist der Midrasch anonym, in rLv 3°,13, wo sich fast der gleiche Text findet, ist als Autor R. Jehuda im Namen von R. Sim'on b. Pazzi genannt. Weitere Parallelen mit fast dem gleichen Text wie in TB finden sich in TW Amor 17 und in JS I 6S2 (= rLv). Die Hauptintention dieses Midraschs ist es, zu zeigen, daß Israel die Gebote Gottes erfullt, nicht weil Er diese Erfüllung nötig hätte, sondern weillsrael sie nötig hat. Der ursprüngliche Sinn des Satzes in der Schtift ist: Nehmt eine OpfergabejNr mim <"); da jedoch im Späthebräischen, das vom Aramäischen beclnßußt ist, die Präposition? auch gebraucht werden kann, um den Akkusativ auszudrücken, ist die Übersetzung "
122
=
mich rur die Rabbinen möglich.
il~''1l'l (»Hebe«), ursprünglich das, was man vom Übrigen als Opfer abhebt, dann allgemein
Opfergabe: Nach dem Midrasch wird also Gott selbst in seinem Wohnen unter Israel zur Opfergabe schlechthin, gibt sich in die Hände der Menschen. In Auch hier steht 'I;i, und man könnte übersetzen: »••• mith ZUm Heiligtum machen, damit ich unter ihnen wohne«. Ob der Midrasch dieses Verständnis im Auge hat, bleibt offen. lU ilvlp .,~, - vgl. Jo 6,60: cnc?TJP6s lC7TllI 0 Myos oVrOS. A. SCHLATTER (Der Evangelist Johannes, Stuttgart 196o, 180) bringt weitere Belege fur diese rabbinische Redewendung. In Das •., des Bibeltextes wird verdeutlicht, indem hier wechselweise dafur die alte Akkusativpartikel TnN (hier in der Verbindung 'l'I'N = mich) gebraucht ist. 111 Quelle: rEx 33, I. Es handelt sich hier um eine Erweiterung von T zz, vgl. die Erläuterungen dort. 127 np~- Wortspiel mit dem np, (Lehre) von Spr 4,2. 128 Vgl. dazu den parallelen Midrasch in rEx 33,6: Dem Brauche der Welt nach kauft der Mensch eine Kostbarkeit vom Bazar - kann er vielleicht ihren Besitzer mit kaufen? Der Heilige, gepriesen sei Er, jedoch gab Israel die Thora und sprach zu ihnen: Wenn man so sagen darf, so nehmt ihr mith - »und sie sollen mich als Gabe nehmen« (Ex 2S,2). Diese Deutung findet sich in einem Aufzählungsmidrasch, welcher unter dem Motto steht: Wo-
nis 129 : (Wem ist das zu vergleichen?) Einem König, der eine einzige Tochter hatte. Da kam ein (anderer) König und nahm sie zur Frau. Er bat, wieder zu, sich in sein Land ziehen und seine Gemahlin mitnehmen zu dürfen. Da sprach (der alte König) zu ihm: Die Tochter, die ich dir gegeben habe, ist meine einzige. Von ihr trennen kann ich mich nicht, zu dir sagen: nimm sie nicht mit, das kann ich auch nicht, weil sie deine Frau ist. Doch eine Wohltat erweise mir: überall, wo du hingehst, dort mach mir ein kleines Gemach, damit ich bei euch wohnen kann, denn ich kann meine Tochter nicht verlassen. So sprach der Heilige, gepriesen sei Er, zu Israel: Die Thora habe ich euch gegeben. Von ihr trennen kann ich mich nicht, zu euch sagen: nehmt sie nicht, das kann ich auch nicht. Aber macht mir überall, wo ihr hingeht, ein Haus, damit ich darinnen wohne; es heißt ja: » Und sie sollen mir ein Heiligtum machen ... « (Ex 25,8).
IV. GOTTES HERABSTEIGEN VOM HIMMEL AUF DIE ERDE
Goltes vielfaches Herabsteigen vom Him/IJel zur Erde 130
24 »Und der Herr stieg hinab ... « (Gen I I, 5). überall, wo sich der Heilige, gepriesen sei Er, seiner Welt zum Guten oder Schlechten, einem Einzelnen oder der Menge offenbarte 131, wird das» Herablassung«13S genannt 133, denn sie waren dessen gewissermaßen nicht würdig, daß er sich ihnen offenbarte. Zu zehn Herablassungen 134 ließ sich die durch unterscheidet sich der Empfang der Thora vom »Brauch der Welt«? Dieser Midrasch läuft uoter dem Namen von R. Berekhja ha-Kohen b. Rabbi. 128 Auch in rHL 8,11 (übersetzt bei G 33) ist das nun folgende Bild von König und Tochter für Gott und seine Thora verwendet, doch hier mit ganz anderem Ausgang: Der König bleibt in seinem Land (das heißt, Gott bleibt bei den Engeln im Himmel). Dasselbe Bild erscheint ferner in rLv ~o" : die Thora als einzige Tochter Gottes, die er an Israel weggegeben hat. Der Vergleich mit Jo ~,16: »So hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einziggeborenen Sohn dahingab ••. « liegt hier sehr nahe. 130 o,uelle: gGen 199. 131 iI?~, vgl. dazu auch E 14'. 132
183
134
iI"", von ,,..
Ober die ständige Wiedergabe von " , = »herabsteigen« durch das ararD. '?ll\'N = »sich offenbaren« (dem hebr. iI?ll entsprechend) im Targum Onkelos s. S. MAYBAuM,DieAnthropomorphien und Anthropopathien bei Onkelos und den späteren Targumim, Breslau 1870, Iff. Für Maimonides stellen die Texte des AT, in denen vom »Herabsteigen« bzw. vom ))Hinaufsteigen« (iI?l7) Gottes die Rede ist, ein Problem dar, das er auf seine Weise, nämlich dllrch eine spiritualisierende Exegese, löst: Diese räumlichen Ausdrucksformen seien bloße Bilder und seien nicht realistisch aufzufassen. Von einem wirklichen Kommen Gottes in die Welt könne nicht die Rede sein. (In: Le Guide des Bgarc!s •.. traduit par S. MUNCK, Paris 1960 [Neudruck], I. Teil, Kapitel 10). Damit stellt sich Maimonides in Gegensatz zur Tendenz des alten Midraschs. Auch unser gGenText kann schon von MaimOludes beeinflußt sein. Mit der Nennung der zehn »Herablassungen« schwenkt er aber jedenfalls wieder auf die traditionelle Linie der alten Midraschim ein. Der Aufzllhlungsmidrasch mit den zehn Herablassungen findet sich noch in ARN I 34 und n H, PE 14. Erwähnungen der zehn Herablassungen finden sich zu einzelnen Stellen des AT noch in MJ
Schekhinah 135 herab, und zwar zu folgenden: (Nun folgt eine Reihe von zehn Stellen aus dem Alten Testament, an denen gesagt wird, daß Gott auf die Erde » herabstieg «). Mose soll vom Himmel herabsteigen, da auch Golt oJtfllals von dort herabgestiegen isf1 36
25
» Und der Herr sagte zu Mose: Geh, steig herab ... « (Ex 3 z, 7). R.Abin sprach: Der Heilige, gepriesen sei Er, sagte zu Mose: Es soll dir nicht mißfallen, daß ich zu dir gesagt habe: Geh, steig von hier hinab! Zwei-, dreimal bin ja ich (selbst), wenn man so sagen darf, vom Himmel hinabgestiegen, um nach der Verderbtheit der Menschen zu sehen. Es heißt ja: »Und der Herr stieg hinab, um nach der Stadt und dem Turm zu sehen ... « (Gen II,5). »Komm, laßt uns hinabsteigen ... « (Gen 11,7). »Ich will doch hinabsteigen und sehen ... « (Gen 18,ZI)l37. SO geh auch du und steig hinab I Es ist für den Sklaven genug, wenn er seinem Besitzer gleichkommt 138• Bachodesch 3, SNum 93, gEx '0, rGen 38,9 und 49,7, 1S I ~7 und I 83 (alle diese Stellengesammclt und zum Teil übersetzt bei G 166). Die zehn Fälle variieren sehr stark in der Tradition. Nur die ersten (Herabsteigen Gottes zum Paradies, zum Turmbau, nach Sodom) kommen in allen Aufzählungen vor. Ferner scheint in den Reihen regelmäßig (mindestens) eine Herablassung ins Heiligtum und eine in der Endzeit (zum apokalyptischen Krieg) vorhanden zu sein. Für unser Thema würde es zu weit fUhren, diese Reihen im einzelnen miteinander (und etwa gar noch mit den Stellen, an denen das Targum Onkelos »sich offenbaren« oder »herabsteigen« übersetzt) zu vergleichen. Jedenfalls scheint dieser Aufzählungsmidrasch ein hohes Alter zu haben, da schon in MJ und in SNum auf ihn als auf selbstverständliches Gemeingut der Tradition angespielt wird (mit den Worten: »Das ist eine von den zchn Herablassungen ... «). Die theologische Reflexion, die ihm in gGen vorangeht, lindet sich nur an dieser Stelle. Sie ist möglicherweise spät, für unser Thema aber von großem Interesse. 135 Der Begriff Schekhinah als Gottesbczeichnung ist nach GoLDBERGS Untersuchung (G 166) an dieser Stelle nicht ursprünglich. 188 Quelle: rEx 4~,'. Der Text hat eine Parallele in TW Ki-thissa 21 :
Der Heilige, gepriesen sei Er, sagte zu Mose: Ich - mir haben es die Menschen schon früher zugezogen, daß ich von hier hinabsteigen und nach (ihrer) Verderbtheit sehen mußte; es heißt ja: (nun geht der Text fast gleich weiter wie in rEx). Im TW-Tcxt ist also das Moment der Ernicdrigung Gottes besonders dadurch betont, daß er gewisser/uaBen durch einen Notstand auf Erden zum Herabsteigen gezwungen wird. Für Mose ist die gleiche Situation gegeben: Das Volk hat die Sünde des Goldenen Kalbes begangen, und er soll nun aus der Sphäre der Transzendenz, in die er nach rabbinischer Anschauung zum ThoraEmpfang aufgestiegen ist, auf die Erde zurückkehren: »Geh und steig hinab, denn dein Volk hat schlecht gehandelt ••• « (Ex 32,7). Seine eigene hohe Stellung soll er der Rettung des Volkes zum Opfer bringen. Eine Andeutung dieses Gedankens findet sich auchin JS I im Zusammenhang der Auslegung von Gen n. 137 Gen n,' und 18,21 werden auch in rGen 38,9 bzw. 49,6 zu den zehn »Herablassungen« Gottes gezählt. Zu diesem Thema vgl. E 134138 TW hat hier: seinem Herrn ('1::1'). - Diese Maxime begegnet auch in Mt 10,2' (vgl. Lk 6,40;
,I
Jo
13,16; 1,,19)'
·31
Gott .rteigt von .reinem Thron im HimllJel herab 138 26
... Und er (der EngelHadarnid) ging vor ihm her 140, bis sie zum Feuer Sandalphons 141 kamen. Da sagteHadarnid zu Mose: Bis hierher konnte ich gehen, von hier ab kann ich nicht weitergehen wegen des Feuers Sandalphons, damit es mich nicht verbrennt. Als Mose nun den Sandalphon erblickte, erschrak er vor ihm, seine Augen verströmten Tränen, er wollte sich von der Wolke hinabfallen lassen, er bat vor dem Heiligen, gepriesen sei Er, um Erbarmen, und dieser erhörte ihn. Komm und sieh, wie lieb die Israeliten Gott sind: In dieser Stunde stieg der Heilige, gepriesen sei Er, in eigener Person von seinem Thron herab und stellte sich (zum Schutz) für ihn (Mose) vor Sandalphon, bis er vorübergegangen war. Über diese Stunde sagt die Schrift: »Und Gott ging vor seinem Antlitz vorüber ... « (Ex 34,6)142.
Gotte.r Herab.rteigen in den brennenden Dornbu.rch 148 27
»UndMose hütete (das Vieh) ... , und der Engd des Herrn 144 erschien ihm (in einer Feuerflamme aus dem Dornbusch heraus)« (Ex h I z). R. Elicezer sagte: Warum erschien 145 der Heilige,gepriesen sei Er, vom hohenHimmel herab und sprach mit ihm aus dem Dornbusch? Wie dieser Dornbusch niedriger als alle Bäume ist, so stiegen die Israeliten auf die tiefste Stufe hinab, und der Heilige, gepriesen sei Er, stieg mit ihnen hinab und erlöste sie. Es heißt ja: » Und ich bin hinabgestiegen, um es (mein Volk) aus der Hand der Ägypter zu erretten« (Ex 3,8).
+
lau Quelle: PR 97a. Es wird die Wanderung Moses in den Himmel hinauf geschildert, als er von dort die Thora holte. Das bekalUlte Motiv des Neides und der Feindschaft der Engel gegenüber den Menschen (vgl. dazu T 35) tritt in diesem Midrasch besonders deutlich hervor: Gott selbst muß MOle mehrfach vor dieser Eifersucht der Engel schützen, in unserem Abschnitt geschieht das sogar um den Preis der Selbsterniedrigung. 141 'J'I~;'lO - von KRAUSS s. v. als avllaSeÄcp6s erklärt (?). In bI;Iag 13a wird die Stellung dieses Engels im Himmel näher beschrieben. 141 Kein sehr glücklicher Schriftbeweis, da im zitierten Schrifttext eigentlich Gott vor Mose vorüberging, während im Midrasch Most an Gott, der sich VOr Sandalphon gestellt hatte, vorüberging. 148 Quelle: MS 1 (zu Ex 3,2). Ein überblick über die verschiedenen Deutungen des Dornbusch-Motivs in der rabbinischen Exegese wird S. 86 f. geboten. 144 Der Midrasch gibt bier auf die Schwierigkeit, daß im AT an dieser Stelle abwechselnd von Gott und seinem Engel als von zwei anscheinend identischen Wesen gesprochen wird, keine Antwort (vgl. dagegen die bei G 170 übersetzten Texte). 145 n;ll: Der Stamm 71;1 hat im Hebräischen doppelte Bedeutung: 1. aufdecken bzw. erscheinen2. verbannen bzw. verbannt werden. In der letzteren Bedeutung erscheint n;ll (das nif'al von n?l) zum Beispiel in rEx 1" 16 auf Gott angewandt (die Schekhinah »verbannt sich« mit Israel nach Ägypten). So bekommt n;ll auch an unserer Stelle einen Doppelsinn: Daß Gott sich vom Himmel her offenbarte, indem er in den Dornbusch kam, war gleichbedeutend damit, daß er sich vom Himmel weg auf die Erde verbannte (eine Beobachtung von GOLDBEl\G bei G 169). 140
Gottes HerafJsleigCII 28
ifl
den DombllS(h 14d
» Und Mose hütete (das Vieh) ... , und der Engd des Herrn erschien ihm (in einer Feuerflamme aus dem Dornbusch heraus)« (Ex 3, I z). R. Ele'azar sagte: Warum erschien 147 denn der Heilige, gepriesen sei Er, vom hohenHimmel herab und sprach mit Mose imDornbusch? Müßte man nicht (annehmen)l48: (Er sprach mit ihm) von den Zedern des Libanon oder von den Spitzen der Berge oder von den Kuppen derHügd aus l49 - doch der Heilige, gepriesen sei Er, hat seineSchekhinah erniedrigt 150 und hat seineRedeweiseganz gewöhnlich gemacht 151,damit dieWeltvölker(später) nicht sagen könnten: Weil erGott ist und Herr seiner Wdt, hat er etwas getan, was nicht der Ordnung (dieser Welt) entspricht l52• So bedrängte der Heilige, gepriesen sei Er,Mose sechs Tage lang (zum Pharao zu gehen), und am siebten sagte er (Mose) (dennoch) zu ihm (zu Gott): »Schick doch, wen du willst ... « (Ex 4, 13)•
+
.. a Quelle: MS 2 (zu Ex 3,2). (Als MJ-Fragment auch in BM II 103). Der Text ist auch bei G 169 übersetzt. Eine erweiterte Form findet sich in gEx 46 zu Ex 3,2:
Eine andere Erklärung: Warum aus dem Dornbusch? R. Ele'azar b. 'Arakh sprach: Warum erschien Gott vom hohen Himmd herab und sprach mit Mose aus dem Dornbusch? Dabei kann Gott doch von Bergesspitzen, von den Kuppen der höchsten Hügd auf der Wdt oder von den Zedern des Libanon aus sprechen. Er jedoch hat sich selbst erniedrigt und aus dem Busch heraus gesprochen. über ihn sagt Salomo: »Wer demütigen Geistes ist, erhält Ehre« (Spr z9,z3). Man findet, daß kein Baum niedriger ist als der Dornbusch - so sagt die Schrift anderswo: »Denn erhaben ist der Herr, doch aufdas Niedrige blickt er« (Ps 138,6). Hier ist die Selbsterniedrigung Gottes und seine Liebe zum Niedrigen, Demütigen miteinander verschmolzen. Die Auslegung von Ps 1 38, 6, wie sie in den Texten 2 und 3 begegnete, ist hier noch vertieft. 147
148
149
ISO
n'll, s. E 145. Die Ergänzung, welche die von uns benützte MS-Ausgabe (J\.IELAMMED-EpSTBIN) hier im Text nach gEx 46 vornimmt, ist unnötig. Vgl. dazu noch den schwachen Anklang des Motivs in PE 94a: ... Er ließ alle Berge und stieg in den Dornbusch hinab •.. '11]'1:111 "'Dtln (in gEx '",317 '~D!/JM) - der gleiche Ausdruck '",317 '~Dtln - » er erniedrigte sich selbst« wird vom demütigen Mose gebraucht in gLv 3 zu L" I, I und in BM I 277, dort findet sich auch die parallele Bildun~ '",317 r~pn - »er machte sich selbst klein« (gLv 2). In rNum 13,3 (= PR 27a+ b) wird ,"" "~Dm von Abraham und '",317 (11K) ,~m vom Sinai und von Juda gebraucht (vgl. T 30). In gLv 320 wird '",317 vom Menschen allgemein gebraucht.
"Dm
m 152
l'"1K "':1, s. E 87. Gott hätte sich dann nicht wie eine Person zu einer anderen verhalten, die dem Partner völlige Freiheit läßt, eine Bitte zu erlUllen oder nicht, sondern er hätte seine überweltliche Macht dazu eingesetzt, um den Menschen Mose zu zwingen, seine Sendung auf sieb zu nehmen. Um der Gefahr dieser Verleumdung, die hier hypothetisch den Heiden zugeschrieben wird, Zu entgehen, redete Gott nach dem zuverlässigen Bericht der Thora zu Mose wie ein Mensch zum Mitmenschen, so daß Mose keine Scheu hatte, naeb sechs Tagen des inständigsten Bittens Gottes dessen Bitte abzulehnen.
37
Die Brwählung des niedrigen Dornbuschs durch Gol/153 2.9
R.Jo\lanan sagte: Gegen ein hitziges Fieber soll man ein Messer ganz aus nehmen und zu einem Ort gehen, wo ein Rosenstrauch 1S4 steht ... , und Irian soll folgendermaßen sprechen: Dornbusch, Dornbusch, nicht weil du höher wärest als alle Bäume, hat der Heilige, gepriesen sei Er, auf dir seine Schekhinah ruhen lassen, sondern weil du niedriger bist als alle andern (Bäume), hat der Heilige, gepriesen sei Er, seine Schekhinah auf dir ruhen lassen 155. E~sen
Gott stieg auf den niedrigen Berg Sinai herab 168
30
Eine andere Erklärung des Verses: »Hochmut bringt den Menschen zur Demütigung« (Spr 29,23), Damit ist der Thabor und der Karmel gemeint, welche vom Ende der Welt her kamen und sich folgendermaßen brüsteten 151: Wir sind hoch, und auf uns wird der Heilige, gepriesen sei Er, (Israel) die Thora geben. »Doch der demütigen Geistes ist, erlangt Herrlichkeit« (Spr 1&8 Quelle: bSab 67 a. Der Text steht inmitten einer Reihe von Rezepten über abergläubische Praktiken, die in Babylonien angewandt werden. Er ist übersetzt bei G 169b. 184 mit p6SoS verwandt (s. KRAUSS S. v.). 155 Nach dem Kontext wird der Rosenstrauch mit dem Dornstrauch des Sinai (Ex 3) gleichgesetzt, man schreibt ihm von daher magische Kraft als »Feuer-Träger« zu. Durch den Zauberspruch soll er gewi5sermaßen beherrscht werden, und dabei wird nun der Midrasch von der Niedrigkeit des Dornstrauchs verwendet (vgl. TT 27+28). Auf diese Erwähnung des Niedrigkeitsmotivs kommt es uns in unserem Zusammenhang an. 158 Qudle: PR 27a. rNum 13,3 bietet eine Parallele mit ziemlich gleichlautendem Text. 157 Das Thema vom Wettstreit der Berge Thabor und Karmel mit dem Sinai scheint sehr alt zu sein. Seine Bearbeitungen lassen sich folgendermaßen einteilen: a) Thabor und Karmel (wohl als Repräsentanten der Völkerwelt) glauben skh mit dem Anfang der Zehn Gebote angesprochen: »Ich bin der Herr, tlein Gott ... « (Ex 20,2) - doch sie werden abgewiesen, lsra./wird damit angeredet (Quelle: MJ Jithro, Bachodesch, ~). b) Thabor und Karmel und alle anderen Berge außer dem Sinai sind für die Spendung der Thora untauglich, weil auf ihnen der Aussatz des Götzendienstes war (Qudlen: rGen 99,1 und gGen 49,27 mit R.Jose dem Galiläer als Autor; JS II 47 anonym; TW Bemidbar 7 und TB Bemidbar 7 ein Nachklang davon). c) Unser Thema: Der Sinai war niedriger und demütiger als alle andern Berge, deshalb wollte Gott auf ihn herabkommen. (Qudle: PR 27a und rNum 13,3). Diese Deutung ist sogar ins Targum eingegangen: Der Berg Thabor und der Berg Hermon und der Berg Karmel stritten miteinander und sprachen jeder zum andern: ... Auf mir wird Er seine Schekhinah ruhen lassen, und mich hat Er ausersehen ... Doch Er ließ seine Schekhinah auf dem Berg Sinai ruhen, welcher niedriger und kleiner als alle Berge ist ... (Targum zu Ri ~,~ in: Miqraoth gedoloth, ed. Ha-arez, Bd. III, Jerusalem - Tel Aviv 19~9). d) Eine Mischform von b und c mit neuen Elementen findet sich in MTh 68,9, Dieser Text ist übersetzt bei G 176. Für unser Thema ist nur die Antwort wichtig, die Gott hier den anderen Bergen gibt:
Nl..,'" -
Ich habe nur Wohlgefallen am Sinai, weil er niedriger ist als ihr alle. Es heißt ja: »Hoch und als Heiliger wohne ich und doch bei dem, der niedrig und gebeugten Herzens ist« (Jes 57,15), Und (weiter) steht geschrieben: ~8
Z9,Z3)-damit ist der Sinai gemeint, der sich selbst erniedrigte 108, indem er sprach: Ich bin (ja nur) niedrig, (deshalb nicht würdig, daß Gott die Thora auf mir gibt). Darum hat der Heilige, gepriesen sei Er, Herrlichkeit159 auf ihm ruhen lassen, und auf ihm wurde die Thora gegeben. Und er war dessen würdig, daß er Heilige, gepriesen sei Er, auf ihn herabstieg und sich auf ihn stellte. Es heißt j :» Und der Herr stieg herab auf den Berg Sinai ... « (Ex 19, zo).
Gott steigt zum Niedrigen herab, Beispiel dafür ist der Sinai 180
3I
»... Bei dem, der niedrig und gebeugten Herzens ist, (wohne ich«, spricht
Gott) (Jes H,15). R. Huna und R. I;Iisda (sind in diesem Punkt verschiedener Meinung). Einer sagt: (Gott spricht:) Der Niedrige ist bei mir. Der andere sagt: (Gott spricht): Ich bin beim Niedrigen. Einleuchtend ist die Ansicht desjenigen, der sagt: (Gott spricht): Ich bin beim Niedrigen - denn sieh, der Heilige, gepriesen sei Er, ließ alle (andern) Berge und Hügel und ließ seine Schekhinah auf dem Berg Sinai ruhen 161, und dabei ragt der Berg Sinai nicht in die Höhe 182. R. Joseph sagte: Immer lerne der Mensch von der Gesinnung seines Schöpfers; denn sieh, » Denn erhaben ist der Herr, doch auf den Niedrigen blickt er, den Hoch-
mütigen aber erkennt er von ferne« (ps 138,6). Hier ist die Auslegung von PSl38,6 und Ps 51,15, die schon in TT 1-3 und in E 146 vorkam, durch den neuen Zusammenhang vertieft worden. 158 S. EI 50 • 159 In Spr :l9,:l3 heißt es )":l~ 1'/.m'<: ) (der demütigen Geistes ist) erlangt Herrlichkeit<. Dieses )":l~ <wird vom Midrasch nun auf Gottes ":l~ (Herrlichkeit) gedeutet, Goll wird zum Subjekt des Satzes, )1'tll"l'
3la
»Wer stolze Augen und ein anmaßendes Herz hat, den kann ich nicht aushalten ... « (ps 101,5). R. Huna und R. I;Iisda (sind in diesem Punkt verschiedener Meinung). Einer sagt: Der Heilige, gepriesen sei Er, spricht gewissermaßen: Ich kann ihn nicht ertragen. Der andere sagt: Der Heilige, gepriesen sei Er, spricht: Mit ihm zusammen kann ich nicht in meiner Welt wohnen.
181
182
In diesem Text bleibt die Meinungsverschiedenheit R. Hunas und R. J::Iisdas grundsätzlich die gleiche wie in T 3I, nur ist das Ganze hier negativ ausgedrückt, während es in T 3I positiv ausgedrückt war. Die nun folgende Glosse und der ganze folgende Abschnitt (Deutung R. ]osephs) fehlen im Münchner Kodex. Vgl. dagegen die ganz andre Auslegung in]S I IOD, wo der Berg Mofia (= Zion) erst als Berg von Gott geschaffen wird, weil »es nicht Weise eines Königs ist, im Tal zu wohnen«.
39
der Heilige, gepriesen sei Er, überging alle Berge und Hügel und ließ seine Schekhinah auf dem Berg Sinai ruhen, und er überging alle schönen Bäume :und ließ seine Schekhinah auf dem Dornbusch ruhen 168.
Gott wohnt beim kleimten der Jakobssöhne, bei Be,!iamin 164. 32
Wodurch verdiente es Benjamin, daß die Schekhinah in seinem Gebiet wohnte16li ? Ein Gleichnis. (Wem gleicht das? Das gleicht) einem König, der in (gewissen) Abständen zu seinen Söhnen kam. Jeder Einzelne (von ihnen) dachte: Bei mir wird er wohnen. Der kleinste von ihnen allen aber dachte: Ist es denn möglich, daß der Vater meine großen Brüder läßt und bei mir wohnt? Da ging er hin und stellte sich hin mit traurigem Gesicht und betrübter Seele 168. Sein Vater erblickte ihn, wie er mit traurigem Gesicht und betrübter Seele dastand. Da ,sprach er: Habt ihr meinen kleinsten Sohn gesehen, wie er mit traurigem Gesicht und mit betrübter Sede dasteht? So (soll) nun (meine) Speise und (mein) Trank von dem Eurigen (kommen), doch übernachten will ich bei ilun161 • So sprach der Heilige, gepriesen sei Er: Das Haus der Erwählung soll auf dem Gebiet Benjamins stehen, die Opfer jedoch (sollen) von allen Stämmen (kommen).
Gott wohnt nicht beim HochnJiitigen, sondern bei", Demiitigen 168 33
»Und Mose näherte sich dem Wolkendunkd, (in welchem Gott war)« (Ex 20, 2 Z). Was verschaffte ilun (diese große Ehre)? Seine Demut. Es heißt ja: 183
Vgl. zu diesem Herabsteigen Gottes ZUm Niedrigen die schöne Auslegung in JS II 480:
»Wohlan, ihr Durstigen alle, kommt zum Wasser ... « Oes 5hZ). R.l;fanina b.Iddi sprach: Warum werden die Worte der Thora mit dem Wasser verglichen? Die Antwort ist: Wie das Wasser eine erhöhte Stelle verläßt und auf einen niedrigen Platz herabfließt, so verlassen auch die Worte der Thora einen hochmütigen Menschen und gehen zu dem. der demütig ist. Quelle: SDt 352 (= JS I 957). Dieser Text ist übersetzt bei G 81. 185 Das Wohnen der Schekhinah im Allerheiligsten des Tempels ist gemeint. Es gab die Anschauung, daß der Tempel oder zumindest das Allerheiligste auf dem Gebiet Benjamins stand, wie aus den bei G 7S-84 übersetzten Texten genügend klar wird. 18B Im Gegensatz zu den anderen Erklärungen, die in SDt 3S2 dafür gegeben werden, daß die Schekhinah auf dem Gebiet Benjamins wohnte, wird in unserem Text kein wirkliches Verdienst Benjamins als Grund dafür angegeben, sondern seine Einsicht in seine eigene Wertlosigkeit. 187 Eine andere Anschauung begründet die Tatsache, daß der Stamm Juda als erster Opfer darbrachte (Num 7,12), in ähnlicher Weise: Juda demütigte sich wegen Benjamins vor Joseph ('~:!tP ~'DII1i1) (Quelle: PR 27b = rNum J 3, 3, unmittelbar an T 30 anschließend). lU Quelle: MJ Jithro, Bachodesch, 9. Die ganze Stelle findet sich auch als Zitat aus MJ (mit etwas schlechterem Text als dort) in JS II 489 und (mit gleichem Text wie in MJ) in JS I 302. Der ganze Midrasch, wie er uns hier vorliegt, steht den Texten nahe, in denen die »Schekhinah als Wertmaßstab« für das Verhalten des Menschen gesehen wird (diese Texte sind bei G 397-4J6 übersetzt). Er zeichnet sich aber vor diesen Texten, in denen die Schekhinah-Vorstellung oft ziem114
»Und der Mann Mose war sehr demütig« (Num I z, 3). Die Schrift verkündet, daß jeder, der demütig ist, schließlich die Schekhinah bei den Menschen im Lande wohnen macht. Es heißt ja: »Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der ewig Thronende, dessen Name heilig ist ... (hoch und als Heiliger wohne ich, und doch bei dem, der niedrig und gebeugten Herzens ist)« Oes 51,15)189. (Die Schrift) sagt (weiter): »Der Geist Gottes des Herrn ruht auf mir, da der Herr mich gesalbt hat, den Demütigen die Frohbotschaft zu bringen ... « (Jes 61,1)170. (Die Schrift) sagt (weiter): »Und all das hat meine Hand gemacht ... (doch auf den blicke ich, auf den Demütigen mit gebeugtem Geiste ...)« 0 es 66, I) 111. (Die Schrift) sagt (weiter): »Die Schlachtopfer des Herrn sind ein zerschlagener Geist ... « (Ps P,19). Doch jeder, der stolzen Herzens ist, bringt es dahin, das Land zu verunreinigen und die Schekhinah zu vertreiben. Es heißt ja:» Jemanden mit stolzen Augen und hochmütigem Herzen kann ich nicht ertragen« (ps 101,5)172.
leG
lich blaß ist, dadurch aus, daß in ihm die Schekhinah deutlich als räumlich niedrig beim demütigen Menschen in der Welt anwesend vorgestellt ist, und zwar als immer anwesend, nicht als an bestimmte Punkte oder Abschnitte der Heilsgeschichte gebunden. Vgl. 1'1' 1+3. Vgl. dazu auch BM II ,69:
Eine andere Erklärung (zu Ps 34,19): »Nah ist der Herr denen, die zerschlagenen Herzens sind ... «. Das lehrt, daß mit einem, dessen Herz allezeit zerschlagen, dessen Geist allezeit demütig und dessen Rede in seinem Munde allezeit bescheiden ist, die Schekhinah allezeit wandelt ... 170
171 112
Vgl. Lk 4,171f.: Hier bezieht Jesus diese Jesajaverse auf seine eigene Person, als er sie als SabbathHaftarah in der Synagoge vorliest: »Heute ist diese Schriftstelle erfiillt ••. « (Lk4,ZI). Der EinHuß dieser Jesajaverse ist auch sonst bei Lukas festzustellen: Lk 6,zo; 7,U; Apg 4,z7; 10,,8. Lukas hat hier, den LXX folgend, für das hebräische 'l~ das griechische Aquivalent 1\'TColx6s. Das ist eine Verschiebung vom mehr innerlichen »demütig« zum mehr äußerlichen »arm«. Dcr Sinn dieses 1\'TColx6s im NT wird aber durch den Gebrauch in der Bergpredigt des Matthius klar: »Selig dic Armen dem Geisle"ath ••• « (Mt S, ,). Auch im NT ist die wahre Armut des Christen also nicht in der bloß äußerlichen Situation begründet, sondern eine freiwillig angenommene Haltung des ganzen Menschen. Vgl. l' ,. Vgl. dal'.u folgende Pnrallclen: bSol Ja:
R. I;Iisda - manche sagen, Mar 'Uqba - sprach: Jedermann, in dem Hochmut des Geistes wohnt, (von dem) spricht der Heilige, gepriesen seiEr: Ich und er können nicht (zusammen) in der Welt wohnen. Es heißt ja: »Wer seinen Nächsten heimlich verleumdet, den will ich zum Schweigen bringen; wer stolze Augen und ein anmaßendes Herz hat, den kann ich nicht aushalten« (ps 101,5) - lies nicht »den« (iniN), sondern »bei dem« (il'n;t) »kann ich nicht aushalten «. (Vgl. dazu den in l' , I E 160 übersetzten Text). gGtn I,,:
... Und fürchte den, der den Himmel nicht furchtet, denn sogar die Schekhinah selbst kann gewissermaßen in seiner Nähe nicht bleiben. Es heißt ja: 41
Alle, die stolzen Herzens sind, werden »Greuel« genannt. Es heißt ja: »Jeder, der stolzen Herzens ist, ist ein Greuel für den Herrn« (Spr 16,5). (Auch) der Götzendienst wird »Greuel« genannt. Es heißt ja: »Du sollst keinen Greuel in &in Haus bringen« (Dt 7,26). Wie der Götzendienst das Land verunreinigt und die Schekhinah vertreibt, so bringt es jeder, der stolzen Herzens ist, dahin, das Land zu verunreinigen und die Schekhinah zu vertreiben.
Gottes Herabsteigen auf die Erde aus den unendlichen Fernen seiner Transzendenz 173
34
»Und Ziegenfelldecken sollst du zum Zelt machen (über der Wohnung) ... « (Ex 26,7)' Davon spricht der Schriftvers: »Geliebt habe ich euch, spricht der Herr, und ihr fragt (noch): Worin hast du uns geliebt ... ?« (Mal 1,2)174. Geliebt habe ich euch, spricht der Herr. Seht nur, wie sehr ich euch geliebt habe: Von der Erde bis zum ersten Himmelsgewölbe 175 ist es ein Weg von 500 Jahren, vom ersten Himmelsgewölbe zum zweiten ein Weg von 500 Jahren (und so weiter). Die Dicke eines jeden Gewölbes macht einen Weg von 500 Jahren aus: alles zusammen (ergibt bei insgesamt 7 Himmelsgewölben) einen Weg von 7000 Jahren 178. Die Hufe der (himmlischen) Lebewesen (die den Thron »Wer stolze Augen und ein anmaßendes Herz hat, den kann ich nicht aushalten« (ps 101,5). Hier reiht sich ein tiefgründi.8cr Midrasch an, der schr vcrbreitet ist (wir zitieren ihn in der Textgestalt von JS I 70S - JS II 30S):
Unerträglich sind der Dieb und der Ehebrecher, denn sie machen die Schekhinah weichen. Es verhält sich ja gewissermaßen so: Der Heilige, gepriesen sei Er, füllt (den Raum der) Unteren und der Oberen aus. Es heißt ja (Jer 23,24): »Fülle ich nicht den Himmel und die Erde? Spruch des Herrn«. Und an welchen Ort der Ehebrecher auch kommt, um dort Ehebruch zu treiben, ist dort denn nicht der Heilige, gepriesen sei Er, in seiner Herrlichkeit anwesend? Es heißt ja (Jes 6,3): »Die ganze Erde ist voll von seiner Herrlichkeit«. Doch der Ehebrecher spricht: Heb dich hinweg und gib mir Raum für eine Stunde. Das ist über alle Maßen unerträglich. Doch Er ist sozusagen voll Erbarmen und langmütig und gibt ihm für eine Stunde Raum. Es heißt ja (Hiob II, II): »Denn Er kennt die frevelnden Menschen und sieht sie, auch wenn Er nicht beachtet wird«. Quelle: TW Terumah 9. In TB Terumah 8 (= JS I 369) findet sich der ganze Text ebenfalls, mit nur geringen Abweichungen von TW. m Es folgt zuerst eine Erklärung im Sinn von Mal I,1f.: Gott hat Israel geliebt, indem er Jakob erwählt, Esau verworfen hat. 175 lr'p' - Himme1s-»Feste«, Firmament (vgl. zum Beispiel Gen 1,7), 178 Nach einer rabbinischen Tradition gab es im ganzen 7 Himmelsgewölbe, I4X SOO Jahre ergibt also 7000 Jahre (im Text von TB ist die ganze Reihe der 7 Gewölbe genannt). 173
Gottes tragen) machen einen Weg von SI S Jahren aus 177, und von den Hufen der Lebewesen an (weiter) nach oben kann man (schon gar) nicht mehr rechnenund übet all dem 178 befindet sich der Thronsitz (Gottes) 170. Seht nur, wie sehr ich euch geliebt habe, indem ich all das verlassen und zu euch gesprochen habe: » Und Ziegenfelldecken sollst du machen ... « (Ex z6,7), macht mir Ziegenfelldecken, und ich will kommen, um bei euch zu wohnen 180!
------_._---_._-----------_.- ._- -_._._ _._- ._---------..
In JS II H7 wird diese Zahl wohl mit Recht auf sogenannte Grammateia (dazu s. STRACIt, Einleitung 107) zurückgefuhrt: In Ez 1,7 heißt es nämlich von den Füßen der himmlischen Lebe= gerade, und der Zahlwert dieses hebräischen Worts beträgt 515 • wesen, sie seien Der ganze Satz fehlt in der Rezension von TB, möglicherweise wurde er später nicht mchr verstanden. 178 Damit wird die vollkommene Transzendenz Gottes ausgedrückt: im Grunde ist Er nicht in den Himmelsräumen, sondern lIber ihnen. Diese Vorstellung findet auch in Eph 4.10 ihren Ausdruck. wo von Christus gesagt wird: »Der da hinabstieg, er ist es auch. der da hinaufstieg ober alle Himmel«. »Das avoßfivol Christi ist sein Aufgang in die die Erde und alle ihre Himmel transzendierende Herrschaftsdimension Gottes« (H. SCHLIER. Der Brief an die Epheser. Düsseldorf 1961. 163). Dazu ist noch im NT Hebr 7,16 zu vergleichen, wo von Christus gesagt wird. daß er als Hoherpriester» höher als alle Himmel geworden ist«. Daß Christus über alle Himmelsräume hinausragt, war auch eine Anschauung der frühen judenehristlichen Theologie (DANIELOU. 171). DANIELOU ist den frühen Zeugnissen des Christentums. die Gott und Christus nicht im 7. Himmel. sondern über den 7 Himmeln thronend vorstellen, noch an einer anderen Stelle seines Werkes (I H ff.) nachgegangen. 118 In bl;lag I3a (gekürzt noch einmal in· bPes 948+b und in JS 11 418) findet sich eine Beschreibung der himmlischen Entfernungen. die mit unserem T 34 insofern übereinstimmt, als hier wie dort der Zwischenraum zwischen den Himmelsgewölben und ihre Dicke jeweils 500 Jaltre betragen (so übrigens auch in jBer 1C). Fl"Cilich wird die Beschreibung im Talmudtext noch phantastischer als in T 34. denn nun wird jedem Körperteil der himmlischen Lebewesen eine Größe zugemessen, die jeweils allem bis zu diesem Körperteil Berechneten gleichkommt (die Füße der Tiere sind also 7000 Jahre lang usw.). Diese Berechnung wird nach R. Jobanan b. Zakkaj dcm Nebukadnezar vorgelegt, der nach Jes 14,14 gesagt haben soll: »Zu den Wolkenhöhen will ich hinaufsteigen. dem Höchsten will ich mich gleichstellen «. Darauf wird ihm von einer Himmelsstimme gesagt: Das Menschenleben währt nur 70 Jaltre (nach Ps 90,10). Um Gott bei den ungeheuren himmlischen Entfernungen (die nun geschildert werden) zu erreichen. bräuchtest du aber Abertausende .von Jaltren, es wird dir als einem Menschen dein Unterfangen also nie gelingen. »Zur Unterwelt wirst du hinabgestürzt. in die tiefste Grube« (Jes 14.15). Wenn dieser Text aufT 34 bezogen wird. dann läßt sich die theologische Aussage beider folgendermaßen zusammenfassen: Was dem Menschen unmöglich ist. Gott in seiner Transzendenz zu erreichen, und was fur den sich aufbäumenden Menschen mit dem Sturz in die tiefste Tiefe endet, wenn er es trotzdem herbeizufuhren sucht: das Sein bei Gott - das macht Gott aus Liebe zu den Menschen möglich, indem er sich aus seiner unendlichen Ferne in die Welt hinabbegibt. 180 Der ganze Text (wie auch die folgenden Texte) zeigt, wie fur das rabbinische Judentum eil"erseits Gott in eine größere Ferne gerückt ist. als sie das AT je kannte. wie aber andrerseits auch seine Nahe stärker als im AT empfunden wurde. Ein Beispiel bietet dafür auch ein weiterer Text in JS H7 (zu Ez I), wo R. Levi und R. Berekhja die ganze Berechnung der himmlischen Entfernungen und damit der ungeheuren Entfernung Gottes von der Erde und den Menschen nur bringen, um zu zeigen, wie wunderbar es ist. daß dieser Gott nicht einmal ein Gebet überhört. das hinter einer Säule in der Synagoge geflüstert wird. Zu Unrecht wird also oft einseitig die Vorstellung von Gottes Hoheit und Feme als charakteristisch für die Religion des llSpätjudentums« genannt und dabei die überzeugung von Gottes Nähe zum Menschen, die unsere Texte so deutlich nachweisen, ganz übersehen (vgI. zum Beispiel noch R. BULTMANN, Theologie des NT, Tübingen '1961, 23). 1
i1,'"
43
Gotte.r Herab.rteigen flII.r .reiner himmli.rchen Herrlichkeit in ein NO/Hadenze/tI81
3S
»:UndZiegenfelle sollst du machen (zum Zelt über der Wohnung) ... « (Exz6, 7)... So sprach der Heilige, gepriesen sei Er, zu Mose: Macht mir eine Wohnung, damit ich in ihr mit dir sprechen kann, doch nicht nur das, nein, ich verlange danach, bei meinen Kindern zu wohnen. Als die Dienstengel das hörten, begannen sie zu sprechen: Herr der Welt, weshalb willst du die Oberen verlassen und zu den Unteren hinabsteigen? »Herr, unser Herr, wie mächtig ist dein Name auf der ganzen Erde, versetze doch 182 deine Herrlichkeit auf den Himmel« (ps 8,z): darin soll dein Ruhm bestehen, daß du im Himme/weilst. Da antwortete der Heilige, gepriesen sei Er: Bei eurem Leben (versichere ich euch), daß ich so handeln will, wie ihr es mir gesagt habt. Habakuk hat ja gesagt: »Gott kommt von Theman und der Heilige vom Berge Pharao, sela; seine Herrlichkeit bedeckt die Himmel, und sein Ruhm füllt die Erde« (Hab 3,3), An erster Stelle» bedeckt seine Herrlichkeit die Himmel«, und erst danach »füllt sein Ruhm die Erde«. Doch David sagte zu ihnen (den Engeln): Er hat euch keine ernsthafte Antwort gegeben. Seine Herrlichkeit versetzt er auf die Erde, denn es heißt: »Preist den Namen des Herrn, denn erhaben ist sein Name allein, seine Herrlichkeit auf der Erde ... « (Ps 148, I 3), und erst danach (folgt): »... und auf dem Himmel«. Der Heilige, gepriesen sei Er, jedoch sagte zu ihnen: Und was staunt ihr darüber? Seht nur, wie lieb ich die Unteren habe 183, da ich herabsteige und inmitten von Ziegenfellen wohnen will. Es heißt ja: » Und Ziegenfelle sollst du machen ... « (Ex z6,7). Quelle: TW Terumah 9. Der ganze Midrasch von der Eifersucht der Engel findet sich auch an anderen Stellen, die zusammen mit unserem T 3' bei G 32. übersetzt sind: MTh 8,2; JoS TI 640; PR 20b (= rNum 12,7); TWnasso 12. Doch nur in unserem Zusammenhang - Auslegung von Ex 26,7 - hat der Midrasch die Zuspitzung erfahren, daß Gott den Himmel für eine Nomadenwohnung aus Ziegenfellen vertauscht (der letzte Absatz unseres Textes 3S -Gottes endgültige Antwort an die Engel-fehlt in den genannten Paralleltexten).1n TB Terumah 9 und JoS I 370 findet sich unser TW-Text verkürzt (der letzte Absatz jedoch im vollen Wortlaut), und im Midrasch Wehishir findet sieb ebenfalls eine verkürzte, wohl späte Fassung des TW-Textes (bei G 32C 2 übersetzt). So ist wohl im Sinn des Midrascbs das umstrittene Wort l1lI"I aus Ps 8,2 zu übersetzen, wobei ,rziN wohl vernachlässigt wurde. Die Erklärung »welcher ••• besungen wird«, eine Vermutung der modernen Exegese (so zuletzt bei H. J. KRAUS, Psalmen I, Neukirchen 1961, 6,), liegt dem Midrasch sicher noch fern. Vgl. dazu auch einen offensichtlich früheren Text (Quelle: JS 11 "9):
111
181
188
Was soll das bedeuten: » Und ich will zur Herrlichkeit in seiner (Jerusalems) Mitte werden« (Sach z,9) ? Die Herrlichkeit des Heiligen, gepriesen sei Er, gibt es doch nur droben (im Himmel), es heißt ja (ps Il3,4): »über den Himmeln ist Seine Herrlichkeit«. R. Jehosu'a b. Levi sagte: (Gottes Herrlichkeit wohnt auf der Erde), um allen Weltbewohnern die Herrlichkeit Israels zu verkünden, denn um ihretwillen läßt der Heilige, gepriesen sei Er, seine Schekhinah vom höchsten Himmel herabsteigen und läßt sie auf der Erde ruhen. Deshalb steht geschrieben: » Und ich will zur Herrlichkeit in seiner Mitte werden «. 44
Gott ist nicht ganz aIIf die Erde hinabgestiegen, 1I11d nie sind MelISchen ganz ZN ihnl hinaujgestiegen 184 Fassung A:
36A (Mischnah:) ... und die nichthöher als 10Handbreiten ist ... 185. Woher entnehmen wir das? Rab, R. 1;Ianina, R. J oJ.lanan, R. 1;Iabiba - doch manche ändern überall, wo diese Gelehrtengruppe in der (Talmud-)Abteilung »Feiertage« vorkommt, R. JoJ.lanan in R. Jonathan -lehrten: Die Lade war 9 Handbreiten hoch und die Deckplatte eine Handbreite: das sind also 10 (Handbreiten zusammen)186. Und es steht geschrieben: »Und ich will mich mit dir treffen und mit dir reden von oberhalb der Deckplatte aus ... « (Ex 2. 5,2.1). Es wird gelehrt: R. J ose sagte: Niemals ist die Schekhinah hinabgestiegen, und Mose und Elia sind nicht in die Höhe gestiegen. Es heißt ja: »Die Himmel der Himmel gehören dem He"n, und die Erde hat er den Menschenkindern gegeben« (Ps 115, 16). Die Schekhinah ist nicht hinabgestiegen. Doch die Schriftstelle (Ex 19,2.0): »Und der Herr stieg auf den Berg Sinai hinab« (scheint dagegen zu sprechen)? (Antwort: Er stieg hinab bis) oberhalb einer Grenze von 10 Handbreiten. Die Schriftstelle (Sach 14,4): »Und Seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberge stehen« (scheint dagegen zu sprechen)?
- - - - _..._...
186
__
.
R. Joses Midrasch, auf den es uns hier primär ankommt, ist in verschiedenen Zusammenhängen und Fassungen überliefert, von denen hier drei übersetzt sind: Fassung A: Quelle: bSuk 4b+ SB (übersetzt auch bei G 18). Diese Fassung ist eindeutig später als die Fassungen Bund C. Sie ist zum Teil verkürzt, zum Teil erweitert (zum Beispiel um die Deutung R. 1'iwll?-ums). Fassung B: Quelle: MJ Jithro, Bachodesch, 4 (übersetzt bei G 18). Fassung C: Quelle: MS l44f. Ferner findet sieh der Midrasch R. Joses in verschiedener (zum Teil an Fassung A, zum Teil an Fassung B orientierter) Form noch in JS I Z84, I ,68,11 uSo Der Sohn R. Joses hat die Anschauung seines Vaters im wesentlichen beibehalten (Quelle: JS I 719 als Zitat aus Sifre zutah):
R. E]i'ezer b. R. Jose hag-Gelili sagte: Ich verstehe darunter (daß Gott mit Mose sprach), daß die Schekhinah niemals herabgestiegen ist: »V01H Hinlfllel a1IS hat Er dich Seine Stimme hören lassen« (Dt 4,36), »denn V01H Himmel aNS habe ich mit euch geredet« (Ex 10,2.1). Wie kann ich (dann aber den Schriftvers) aufrechterhalten: »Und wenn Mose (ins Bundeszelt) kam (um mit Ihm zu sprechen, so hörte er die Stimme, die zu ihm von der Deckplatte herab sprach ... )« (Num 7,89)? (Antwort: Die Schekhinah war nicht selbst im Zelt), sondern eine Art Kanal von Feuer kam vom Himmel herab auf die beiden Keruben und sprach mit ihm. Es heißt ja (Ex 2. 5,2.1): »... von dem Zwischenraum zwischen den beiden Keruben aus «. 185
Es handelt sich hier um die Laubhütte ("~~).
188
Diese Einleitung bleibt unverständlieh ohne die Parallele in jSuk SI d (übersetzt in: GM. HORDWITZ, Jeruschalmi - Sukkah, Bonn 196" 18): Eine Laubhütte, die niedriger als 10 Handbreiten ist, ist kultisch UIltauglich. Diese 10Handbreiten als entscheidende Grenze gewinnen die Rabbinen aber aus den Maßen des Bundeszeltes: Die Bundeslade war eben 10 Handbreiten hoch, und von oberhalb dieser Grenze aus hat Gott zu Mose gesprochen (Ex zS,u: ml)~" ?37/'),»vonoberhalb der Deckplatte aus«), und das wird wiederum im Folgenden wichtig.
4S
(Antwort: Er wird dann) oberhalb einer Grenze von 10Handbreiten (stehen). Mose und Elia sind nicht in die Höhe (bis ganz zu Gott hin) hinaufgestiegen. Doch die Schriftstelle (Ex 19"): »Und Mose stieg zu Gott hinauf« (scheint dagegen zu sprechen)? (Antwort: Er stieg hinauf) bis unterhalb einer Grenze von 10 Handbreiten. Die Schriftstelle (Hiob z6, 9): »Er (Mose) erfaßt die Front des Thrones (Gottes), Er (Gott) breitet Seine Wolke über ihm aus«187 (scheint dagegen zu sprechen)?R. Thanl}um 188 meint, das lehre, daß der Allmächtige etwas vom Glanz Seiner Schekhinah über ihm ausbreitete189 und ihn mit einer Wolke beschattete. - Jedenfalls (heißt es doch): (»Er erfaßt die Front des Throns«? Das muß doch bedeuten, daß Mose doch bis zu Gott selbst nach oben vorgedrungen ist I) 190 (Antwort:) Er (Gott) neigte den Thron langsam für ihn herab l9l bis zu 10 (Handbreiten unterhalb der Grenze des eigentlich göttlichen Bereichs), erst daraufhin konnte er ihn erfassen. Fassung B: 36B »Und der Herr stieg auf den Berg Sinai hinab ... « (Ex 19,zo). (Darunter) könnte man verstehen: auf den ganzen (Berg). Doch die Schrift lehrt: » ... auf den Gipfel des Berges« (Ex 19, zo). Man könnte annehmen, daß die Herrlichkeit wirklich herabstieg und sich auf dem Berg Sinai ausbreitete. Doch die Schrift lehrt: »... daß ich vom Himmel aus mit euch gesprochen habe ... « (Ex zo,zz). Das lehrt, daß der Heilige, gepriesen sei Er, die untersten Himmel und die höchsten Himmel der Himmel auf den Gipfel des Berges herabneigte und daß (daraufhin) die Herrlichkeit hinabstieg und sich auf dem Rücken des Berges Sinai ausbreitete, wie ein Mensch, der das Polster oben auf dem Lager ausbreitet, und wie ein Mensch, der oben von dem Polster herab spricht. Es heißt ja: »Wie Feuer Reisig anzündet und wie Feuer das Wasser kochen macht, um Deinen Namen Deinen Feinden kundzutun, Völker zittern vor So ist wohl im Sinn der Rabbinen zu übersetzen. Hier ist Mose gemeint, von dem der Midrasch berichtet, daß Gott selbst ihn bei seinem Aufstieg zum Empfang der Thora schützen mußte: Das geht aus der Parallelstelle bSab 88 b hervor. 188 In der Parallele bSab 88b (= PR 98a): R. Nabum, doch in JS 1"2: R. Thanbum. 188 Möglicherweise hat R. Thanbum das seltsame Wort TlV1El (»er breitete aus«, so KOEHLER-BAUMGARTNER S. v.) aus dem Hiob-Text durch sogenanntes Notarikon (STRACK, Einleitung 107) aufgelöst in folgenden Satz: ,m":lW '''17J '~Vb'!:! (GOLDSCHMIDT). Zu der Vorstellung, daß Gott ;inen-Me';;'s;hen mit der leuchtenden Wolke seiner Herrlichkeit beschattet und ihn so besonders auszeichnet, wären besonders zwei Stellen des NT zu vergleichen: Lk I,J! (der Engel spricht zu Maria): »Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten« (vgI. dazu das Kapitel »Schekhinah und Heiliger Geist« bei GoLDBERG). MI17,! und Parallelen (bei der Verklärung Jesu): »... und siehe, eine leuchtende Wolke überschattete sie ... «. 180 Hier ist der Text anscheinend ein wenig korrupt. Der Münchner Kodex, dem JS I 284 und II 22 S folgen, läßt hinter »beschattete« die Worte C'lj:'7J ?!:)7J und die Wiederholung des Hiobverses aus. Unsere Übersetzung bringt, der Verständlichkeit halber, den ausführlichsten Text. 187
191
S. LEvy s. v. !l!l'Vi.
Dir« (les 64,1), und so sagt die Schrift: »Wenn Du Furchtbares tust, das wir nicht erwarten, schmelzen die Berge vor Dir dahin« (les 64,2). R. Jose sagte: Sieh, die Schrift sagt: »Die Himmel der Himmel gehören dem Herrn, und die Erde hat er den Menschenkindern gegeben« (Ps 115,16). Mose und Elia sind nicht in die Höhe (bis ganz zu Gott) hinaufgestiegen, und die Herrlichkeit ist nicht (ganz bis) nach unten hinabgestiegen. (Die Schriftstelle) lehrt, daß der Allumfassende zu Mose sagte: Ich rufe dich vom Gipfel des Berges aus,und du steigherauf192 ! Es heißt ja:» Und der Herr rief Mose ... « (Ex 19,20). Fassung C:
36C »Und der Herr stieg auf den Berg Sinai hinab, auf den Gipfel des Berges« (Ex 19,20). Man könnte annehmen, Er stieg (auf die Erde) hinab - doch da lehrt die Schrift bekanntlich: » ... daß ich vom Himmel aus mit euch geredet habe« (Ex 20,22). Man könnte annehmen, Er stieg nicht hinab - doch da lehrt die Schrift bekanntlich: »Und Gott stieg auf den Berg Sinai hinab, auf den Gipfel des Berges« (Ex 19,20). Sag also: Die Himmel der höchsten Himmel spalteten sich, und dem Feuer wurde Macht gegeben, die Wasser zu versengen. So spricht ja (die Schrift): »Wie Feuer Reisig anzündet und wie Feuer das Wasser kochen macht ... « (les 64,1)193. Das höchste Lager stieg fürIhn herab und stellte sich für Ihn auf den Berg Sinai. Was sagt die Schrift? »Ihr habt gesehen, daß ich vom Himmel aus mit euch geredet habe«: Das ist der Himmel, der auf dem Berg Sinai (wie ein Lager für Gott ausgebreitet war). (Nun folgt der Midrasch R. Joses wie in Fassung B).
V. GOTTES SELBSTBESCHRÄNKUNG AUF EINEN RAUM IN DER WELT
Gottes Se/bstbeschränkung im Bundeszelt 194 37
»(Und der Herr rief Mose und sprach zu ihm) vom Begegnungszelt aus« (Lv 1,1). Man könnte annehmen, vom ganzen Hause aus - doch da lehrt die Schrift: »... von oberhalb der Deckplatte aus« (Ex 2 h 22). Wenn von oberhalb der Deckplatte aus, so könnte man annehmen, (Gott sprach) von der ganzen Deckplatte aus - doch da lehrt die Schrift: »... vom Zwischenraum zwischen den beiden Keruben aus« (Ex 25,22). - Soweit die Worte R. Aqibas. R.Sim'on b:'Azzaj sagte: Ich will den Worten meines Lehrers nichts entgegnen, sondern 188 118
114
Gott kam also nicht ganz bis auf die Erde herab, sondern nur bis auf den Gipfel des Sinai, und Mose kam nicht ganz bis zu Gott hinauf in den Himmel, sondern nur bis auf den Gipfel des Sinai. Hier ist offenbar eine rabbinische Anschauung vorausgesetzt, nach der sich über den » oberen Wassern« des Himmels ein Feuerhimmel befindet. Quelle: SLv Wajiqra, Pereq 2,12. Der Text kommt ferner in gEx S8z (zu Ex 2S,az), in JS I 430 und in rNum 14,%% mit nur zwei wichtigen Varianten (s. EE '9S +196) vor.
47
semen Worten (vielmehr noch etwas) hinzufügen: Von der Herrlichkeit (Gottes) steht geschrieben: »Fülle ich nicht den Himmel und die Erde ... ?« (Jer 23,24). Sieh die Liebe an, die Israel genießt - wozu hat sie diese Herrlichkeit geführt?186 Dazu, daß Er sich gewissermaßen zusammendrängte 188, um »von oberhalb der Deckplatte, vom Zwischenraum zwischen den beiden Keruben aus«(, zu sprechen 187.
Golfes Selbstbeschränkrmg auf die Brmdeslade Imd auf einen kleinen Raum in, D0111hu.rch 188 38
»Und der Engel des Herrn erschien ihm in der Feuerflamme aus dem Busch heraus« (Ex 3,2). Eine andere Erklärung (zu den Worten): »aus dem Busch heraus«: Warum erschien der Heilige, gepriesen sei Er, Mose im Busch? .. 188. Und nicht nur das, nein, der Heilige, gepriesen sei Er, sprach: Ich gleiche mich allem, wem ich nur will, in meiner Welt an. Einmal fülle ich die (ganze) Welt; es steht ja geschrieben: »Fülle ich nicht Himmel und Erde, spricht der Herr?« (Jer 23,24). Ein andermal (fülle ich den Raum von nur) einer Quadratelle. Es steht ja geschrieben: »Und ich will mit dir reden von der Deckplatte aus, vom 115 Im Text von rNum heißt es hier: Bis wie weit hat sich ihnen diese gewaltige Herrlichkeit angeglichen? Vgl. dazu T 3: Gott »stellt sich auf die gleiche Stufe« mit den niedrigen Menschen. Vgl. weiter T 38: »Ich gleiche mich allem ..• in meiner Welt an«. 188 Hier scheint der Text korrupt zu sein: In gEx steht das unverständliche P""?:!, das im Apparat zw: Stelle mit p""n? ,?K:I erklärt wird. In SLv und rNum steht das mit »Er drängte sich (zusammen)« übersetzt werden muß. Das qaI von ist freilich im biblischen und rabbinischen HebrlÜsch sonst nur in der transitiven Bedeutung »(be-)drängen« bekannt, und ein intransitives ni['al (wie es im Apparat zu gEx und in JS I 430 vorausgesetzt wird) ist sonst nicht bekannt. 181 Hier läßt sich ein Midrasch anschließen, der in einer übertreibenden Weise nun von Israel die gleiche Selbstbeschränkung wie von Gott aussagt (Quelle: JS II 14). Er ist zu vergleichen mit T 43, in dem ebenfalls gesagt wird, daß Gott und Israel zusammen zur Zeit ihrer größten gegenseitigen Liebe den kleinsten Raum brauchten:
P"'
P"',
,az
»Und Josua sagte zu den Israeliten: Kommt hierher ... « (ans Bundeszelt) aos 3,9), Rabbi sagte: Er stellte sie aufrecht zwischen die beiden Stangen der Lade. R. AI].a b. R. I;Ianina sagte: Er zwängte sie zwischen die beiden Stangen der Lade. Die Rabbinen sagten: Er zog (durch ein Wunder) ihren Umfang zusammen (auf den Raum) zwischen den beiden Stangen der Lade. Da sprach Josua zu ihnen: Warum können euch (alle) die beiden Stangen der Lade umfassen? Wißt, daß »declebendige Gott unter euch ist« aos 3,10). Deshalb kann das Kleinere das Größere umfassen. ;198
198
Quelle: gEx 46. Es folgt hier eine in der übersetzung ausgelassene Erklärung, die iIlD (Busch) von ilKlW (Haß) her deutet: der Haß, mit dem Josephs Brüder ihm begegneten. Das Folgende, das wir nun übersetzen, schließt nicht sehr gut wan an.
Zwischenraum zwischen den beiden Keruben aus« (Ex Z5,z.z). Manchmal (aber fülle ich nur) den Raum eines Fingers. Es heißt ja: »In der FeuerFlamme (be-libbath) des Busches« - (darunter ist zu verstehen:) im Herzen (be-libbo) des Busches 200. Und nicht allein ich (verhalte mich so), sondern auch mein Engel 201 • Es steht jageschrleben: »... und sein (desEngels)Leib (war) wie Tarsis« (Dan 10,6)202.
Gottes Selbstbeschränhmg über Hiob in der SturnJllIolke 203 39
Hiob sprach: überallhin bin ich gegangen, um ihn (Gott) zu suchen, und ich habe ihn nicht gefunden. Ich bill nach Osten gegangen und habe ihn nicht gefunden. Es heißt ja: »Nach Osten gehe ich, und dort ist Er nicht ... « (Hiob Z3,8). Nach Westen bin ich gegangen, ihn zu suchen, und ich habe ihn nicht gefunden: »... und zurück, und ich erkenne ihn nicht« (Hiob Z3,8). Nach Norden bin ich gegangen, ihn zu suchen, und ich fund ihn nicht: » Zur Linken, wenn er handelt, so fasse ich ihn nicht ... « (Hiob Z 3,9)' Nach Süden bin ich gegangen, ihn zu suchen, und ich fand ihn nicht: »... zur Rechten verhüllt er sich, und ich kann ihn nicht sehen« (Hiob Z3,9)20~. Da sprach der Heilige, gepriesen sei Er, (zu Hiob): Warum wendest du dich mühevoll hin und her? Sieh, ich offenbare mich über dir. Sag mirzos, von woher ich mich dir offenbaren soll 1206 Die Oberen und die Unteren umfassen nicht die Herrlichkeit des Heiligen, gepriesen sei Er - doch Er beschränkte sich selbst in eine Sturm wolke hinein: » Und Gott der Herr antwortete Hiob aus dem Sturm« (Hiob 38,1). 100
101
108
108
804
10& 101
Eine Deutung in rKL Pr. 16 wäre hier zu vergleichen: dort ist Gott $elb$t das »Herz Israels«. Daß Gott in Dt H, 16 »Dornbuschbewohner« genannt wird, was im Text des AT zunächst überrascht, könnte bereits einen Einfluß rabbinischer Exegese auf den Massoretentext widerspiegeln. Die ungeheure Größe der Engel ist ein Zug auch der judenchristlichen Theologie, von D.umiLou 140 nachgewiesen (dort allerdings zu Unrecht auf Qumran enc II, 19 zurückgeführt: diese Stelle bezieht sich nicht auf die Engel, sondern auf die Giganten-Menschen von Gen 6,4). Ui"V1n bedeutet im AT zugleich die Stadt Tarsis (Tartessos) und den Tharschisch-Stein, einen Edelstein. Die Schrift meint an der vom Midrasch zitierten Stelle (Dan 10,6): wie Tharschiseh(-Stein) war der Leib des Engels. Doch der Midrasch liest heraus: so groß wie (die Stadt) Tarsis war der Leib des Engels. Da aber Tartessos wohl als Repräsentant der Seemacht galt und da nach rabbinischer Anschauung ein Drittel der 6000 Parasangen großen Welt vom Ozcan bedeckt ist, wird der Engel als .1000 Parasangen groß vorgestellt. Das geht aus folgenden Stellen hervor: rGen 68, 12; gGen 501 (zu Gen d. 12); bI;:lul91 b. Quelle: PR 190a. Der Text hat eine fast wörtliche Parallele in JS n 908. Die rabbinische Exegese kann diesen Weg gehen, da im Hebräischen die gewöhnlichen Richtungen (vorne, zurück, links, rechts) zugleich die 4 Himmelsrichtungen bezeichnen. Wir folgen der Verbesserung FRIEDMANNS r'? statt ,'?). Von hier ab hat der JS-Text weiterhin die erste Person, die dritte Person im PR-Text dürfte jedoch ursprünglicher sein.
49
Gottes Selbstbeschränkung auf die BlI1tdeslade und auf den kleinsten Raum beinl Menschen 207 40
(R. Meir im Streitgespräch mit einem Samaritaner:) Da sagte er (der Samaritaner) zu ihm: Konnte denn der, von dem geschrieben steht: »Fülle ich nicht den Himmel und die Erde ... ?« (Jer 23,24), mit Mose von dem Zwischenraum zwischen den bei den Stangen der Lade aus sprechen? Da entgegnete er (R. Meir) ihm: Bring mir einen Vergrößerungs spiegel! Als er ihn gebracht hatte, sagte er (R. Meir): Sieh dein Spiegelbild an I Da sah er es vergrößert. (Dann sagte R. Meir): Bring mir einen VerkleinerungsspiegelI Als er ihn gebracht hatte, (sagte R. Meir zu ihm:) Sieh dein Spiegelbild an! Da sah er es verkleinert. Da sprach er zu ihm: Wenn du, der du von Fleisch und Blut bist, dich in jede Gestalt, die du nur willst, verwandeln kannst, um wieviel mehr dann der, der da sprach, und es ward die Welt! 208 Wenn Er will,» fülle ich (dann) nicht den Himmel und die Erde?« Und wenn Er will, spricht Er mit Mose vom Zwischenraum zwischen den Stangen der Lade aus 209 • R. Anja b. Susaj sprach: Manchmal kann die Welt mit (all) ihrer Fülle Seine Herrlichkeit nicht fassen, und manchmal spricht Er mit dem Menschen von dem Zwischenraum zwischen den Haaren seines Hauptes aus. Dafür kann man zitieren: »Und der Herr sprach mit Hiob vom Haar aus« (Hiob 38,1)210 - von dem Zwischenraum zwischen den Haaren seines Hauptes aus.
Gott verliert durch seine Selbstbeschriinkll1lg im Bundeszelt nichts von seiner transzendenten Fiille 211 41
»Und Bezalel machte die Lade « (Ex 37, I) - bei keinem anderen Gegenstand der Wohnung (Gottes) findet man, daß Bezalel selbst irgend etwas daran verfertigt hätte, alle anderen Arbeiten und alle anderen Gegenstände (wurden von 107
108 200
210
211
Quelle: rGen 4.4. Die Stelle ist auch in jS II 306 und II 923 (mit nur unwichtigen Veränderungen gegenüber rGen) und in jS I 1 (korrupter Text) zu finden. Hier folgt die übersetzung dem Text der JS-Stellen. R. Mdr meint damit nicht, daß etwa nur Gottes Spitgelbild im Zelt war. Er will mit dem SpiegelBeispiel nur den Samaritaner auf sein begrenztes Verständnis für Gottes Wunder hinweisen. In dieser Apologetik nimmt man es nicht so genau, das Hauptziel ist zunächst, den Gegner zu verblüffen. Vgl. dazu die Stellen, an denen ein Andersgläubiger im Gespräch mit einem Rabbinen zuerst von einern im Grunde unzureichenden Argument verblüfft wird und wo danach der Rabbine seinen jüngern erst privatim die wirklich stichhaltige Erklärung gibt: zum Beispiel PK 4.7 und jSab 6a. Es wäre eine lohnende Arbeit, die rabbinischen Streitgespräche ausführlich mit denen des NT zu vergleichen. Der ursprüngliche Schriftsinn ist: »von der Sturmwolke (iI'37C) aus« - dieser Schriftsinn ist noch in T 39 bewahrt worden. Da jedoch iI'37fu im AT in der Bedeutung »Haar« vorkommt (s. KOEHLER-BAUMGARTNER S. v.) und da fV und C im späteren Hebräisch offenbar gleich ausgesprochen wurden, fühlt sich R. Anja zu seiner Deutung berechtigt: iI'37C in Hiob 38,1 bedeute »Haar«. - (Auch in bBB 16a = bNid jzb ist - freilich in ganz anderem Zusammenhang - das iI'37C von Hiob 38,1 mit »Haar« übersetzt). Quelle: TW Wajaqhel 7 (übersetzt auch bei G 41). GOLDBERG hält diesen Zusammenhang fur eine späte Komposition. In der Tat lassen sich drei heterogene Bestandteile erkennen:
anderen) nach seinem Befehl und seinem Rat (verfertigt). Warum (nennt die Schrift nur) bei der Lade ausdrücklich (seinen Namen) ? Diese allein war seine (persönliche) Arbeit, und er verfertigte sie mit eigener Hand, weil dort der Schatten 212 des Heiligen, gepriesen sei Er, sein sollte, welcher dort seine Schekhinah beschränkte. Und deshalb nannte er ihn Bezalel, weil er den Schatten (zel) des Heiligen, gepriesen sei Er, machte, zwischen den beiden Keruben. Es heißt ja: » Und ich will mit dir dort zusammentreffen und mit dir sprechen ... « (Ex 2.S,2.;). Doch heißt es nicht bereits: » Fülle ich nicht den Himmel lind die Erde ... « (Jer 2.;,2.4) ?21:1. R. Jehosu'a von Sikhnin sagte im Namen R. Levis: Ein Gleichnis. (Wem ist das zu vergleichen?) Einer Höhle, die am Meeressaum gelegen ist. Schäumt das Meer heran, so füllt sich die Höhle, doch das Meer verliert überhaupt nichts (dadurch), - so ist es auch beim Heiligen, gepriesen sei Er, gepriesen werde Sein Angedenken: Obwohl geschrieben steht: »... und die Herrlichkeit des Herrn füllte die Wohnung« (Ex 4°,34), so »ist (doch) Sein Glanz über Erde und Himmel« (Ps 148,1;)214. Und sag nicht, der Heilige, gepriesen sei Er, habe seine Schekhinah (nur) in die Wohnung beschränkt, nein, sogar in die Lade, die Bezalel gemacht hatte, beschränkte er seine Schekhinah. Es heißt ja: » Siehe, die Bundeslade des Herrn der ganzen Erde ... « (Jus ;, 11) 215. Das ist der Heilige, gepriesen sei Er, welcher in ihr war. Und wer hatte sie gemacht? Bezalel. Es heißt ja: » Und Bezalel machte .. ,« (Ex 37, x).
2lB
'13
'14
21S
a) Midrasch vom Namen Bezalcl (s. E 212). b) Midrasch von Gottes Allgegenwart: das Höhlengleichnis (s. E 213). cl Midrasch von Gottes Selbstbeschränkung in der Lade (s. E 214). Der Name 'N'::t:::l (Bezalcl) wurde vOll den Rabbinen mit'N ,::t:::l (be-zel-cl, »im Schatten Gottes«) erklärt. Diese Deutung findet sich auch in T 47 C (zu Ps 91, Il, sie findet sich ferner in rEx 34, I. Das I-Iöhlengleichnis R. Levis findet sich an verschiedenen Stellen, die alle unter G zz übersetzt sind: außer in TW noch in PR 19a (= jSII 306); PK I,Z (= JSI7II undgEx 794);rNum 12,4; rHL 3,10. An a11 diesen Stellen ist damit jedoch der Hauptakzent auf Gottes Allgegenwart gesetzt, und von einer Selbstbeschränkung im Sinn der anderen Midraschim ist nicht die Rede, so daß diese Stellen in unsere Untersuchung nicht einbezogen werden müssen. In unserem TW-Text dagegen ist das Höhlenglciehnis, d.. s die Allgegenwart Gottes betonen will, in andere Deutungen eingebettet, die von der Selbstbeschränkung Gottes handeln. Diese Komposition ist zwar sicher sekundär, aber als solche doch wichtig, weil sie die Offenheit des Problems zeigt: zwei sich widersprechende Erklärungen des Geheimnisses von Gottes Gegenwart im Allerheiligsten stehen unausgeglichen nebeneinander. Eine andre Erkläl,mg, die Gottes Allgegenwart mit seiner besonderen Gegenwart an einem bestimmten Ort der Welt in Einklang zu bringen sucht, ist in jS II 92 verstümmelt erhalten: Die Anwesenheit Gottes sei so zu denken wie die einer Krankheit, die zwar auch ein Glied besonders befalle, aber doch im ganzen Leib spürbar und so gegenwärtig sei. Zur Erklärung von Gottes Allgegenwart vgl. femer den Text in JS II 857, in dem Gott als die Seele des Universums geschildert wird: Wie die Seele den ganzen Leib durchdringt, so durchdringt Gott das All. Gewöhnlich sieht der Midrasch die Selbstbeschränkung Gottes im Zelt als eine räumliche Anwesenheit ilbtr der Lade zwischen deren beiden Tragstangen (s. TT 36, 37, 40, 4z, 43, 47,48). In unserer Deutung hier wird nun Gott als iI, der Lade anwesend vorgestellt. Diese Tradition ist auch in dem bei G 40 übersetzten Stück aus dem verlorenen Midrasch jelammdenu OS I 7z9) zu erkennen:
» Und wenn die Lade aufbrach ... « (Num XO,; S). Was hat hier diese Lade zu tun? Nicht doch, es lagen in ihr ja die Bundestafeln, und die Schekhinah
Gotte.r Selb.rtbe.rchränkmlg in Zelt lind Tempel 218 42
»Auch ist unser Lager voll üppigen Laubs« (HL 1,16). R. 'Azarja sagte im Namen von R. Jehuda b. R. Simon. (Das ist zu vergleichen) einem König, der in die Wüste hinauszog und dem man ein kurzes Bett brachte. Da begann er, Schmerz zu empfinden und seine Glieder einzuzwängen. Als er in die Provinz kam, brachte man ihm ein langes Bett. Da begann er, sich auszustrecken und seine Glieder zu dehnen. So verkleinerte sich auch die Schekhinah, solange der Tempel noch nicht erbaut war, auf die Hälfte zwischen die beidenStangen derLade 217• Von dem Zeitpunkt ab, da der Tempel erbaut war, » wurden die Stangen länger« (I Kg 8,8) 218.
Gotte.r Selb.rtbe.rchränkmlg in den ver.rchiedenen Epochen der Heil.rge.rchichte 219 43
Es kam jemand und sprach: Als unsere Liebe noch stark war, konnten wir auf der Breite eines Schwertes schlafen. Nun, da unsere Liebe nicht mehr stark ist, ist uns nicht einmal ein Bett von 60 Ellen groß genug. Da sagte R. Huna: (Auch das wird durch) geschriebene Schriftverse (belegt): Anfangs heißt es: » Und ich will mit dir dort zusammentreffen und mit dir von der Deckplatte wohnte in ihr; denn so sagt ja (die Schrift): » Siehe, die Bundeslade des Herrn der ganzen Erde ... « (J os ;, 11) ... Mose kam und sagte zu Israel: Steht auf, brecht auf, seht, die Schekhinah ist in der Ladel Da sagten sie zu ihm: Das glauben wir nicht. Da sprach er: »Stehauf, Herr ... « (Num 10,;S), und die Lade schüttelte sich. Daraufhin glaubten sie daran.
218 217
218
U8
In diesem Silm muß auch die Beschränkung der ThOta in der Lade gesehen werden, wie sie in T 48 später begegnet. Eine eil12ig dastehende Vorstellung begegnet in JS I .431: Gottes Stimmt stieg vom obersten Himmel herab und begab sich in den Raum zwischen den beiden Keruben. Quelle: rHL I 16b (übersetzt und besprochen auch bei G 40). Da ein Verb 17:l1:7:3 (es wäre von Bett,17:l1:7:3, abzuleiten-aber dessen Grundstamm ist17:l1:') sonstim Hebräischen nicht vorkommt, muß man doch wohl die kühne übersetzung »sich teilen« wählen. Es liegt hier also eine doppelte Selbstbeschränkung der Schckhinah vor: Die Schekhinah beschränkt sich erstens auf den Raum zwischen den Stangen der Lade, und zweitens nimmt sie dort im Zelt mit der Hälfte des ihr zugedachten Platzes vorlieb (wie der König mit dem zu kurzen Bett), bis der Tempel erbaut wird. Der Wüste im Gleichnis entspricht Israels Wüstenaufentbalt und der» Provinz« das Gelobte Land. Hier schließt sachlich gut ein Text an (Quelle: JS 11 984, ein Anklang auch in sHL 1,13), der ebenfalls von der Beschränkung der Schekhinah zwischen die Stangen der Bundeslade spricht:
»Ein Myrrhenbeutelchen ist mein Geliebter mir, das zwischen meinen Brüsten ruht« (HL I, I;). Wieso wird der Heilige, gepriesen sei Er, mit einem Myrrhenbeutelehen verglichen? Weil die ganze Welt ihm nicht (als Wohnort) groß genug ist und weil er doch seine Schekhinah zwischen die beiden Stangen der Lade beschränkt. Es steht ja geschrieben: »... das zwischen meinen Brüsten ruht«. Quelle: bSanh 7a (in einer korrupten Fassung auch in JS 1369). Diese Stelle findet sich innerhalb einer Reihe von Texten, in denen jeweils aufgezeigt wird, wie eine natürlich-menschliche Erfahrung schon analog in der Schrift vorkommt.
herab sprechen « (Ex z 5, 2.Z) - und es wird gelehrt, die Lade habe 9 Ellen und die Deckplatte 1 Elle (Höhe) gemessen, also sind es da (im Zelt als Raum rür Gott zusammen nur) 10 (Ellen) 220. (Doch später) steht geschrieben:» Und das Haus, das der König Salomo für den Herrn baute, hatte 60 Ellen in der Länge und zo Ellen in der Breite und 30 Ellen in der Höhe« (I Kg 6, z). Endlich steht geschrieben: » So spricht der Herr: Der Himmel ist mein Thron, und die Erd~ ist der Schemel meiner Füße. Welches Haus wollt ihr mir denn bauen .•. « Oes 66, I) 221. Durch Jein Wohnen im Zelt nimmt Gott vorlieb mit den begrenzten Möglichkeiten deJ Irdirchen. Er Jteigt V0111 HilJlmel herab und beJchränkt Jich JelbJt 222
44
» Und an dem Tage, an dem Mose (mit der Errichtung der Wohnung) fertig
war ... « (Num 7, I). R. Jehosu'a von Sikhnin 228 sagte im Namen R. Levis: Als der Heilige, gepriesen sei Er, zu Mose sprach: Mach mir eine Wohnung I - da hätte er eigentlich vier Stangen bringen und (das Zelt) der Wohnung darüber ausspannen müssen. Doch (die Schrift) lehrt, daß der Heilige, gepriesen sei Er, Mose rotes Feuer, grünes Feuer, schwarzes Feuer und weißes Feuer zeigte und zu ihm sprach: Mach mir eine Wohnung (welche ebenso aussieht) I Da sprach Mose zum Heiligen, gepriesen sei Er: Herr der Welten 224, woher soll ich denn rotes Feuer, grünes Feuer, schwarzes Feuer und weißes Feuer haben? Er antwortete Vgl. dazu T 36 A. Für unseren T 43 ist Gottes Selbstbeschränkung offenbar primär vertikal und nicht wie sonst vgl. zum Beispiel T 42 - horizontal (zwischen den Tragstangen der Lade) erfolgt. Wie unser Text sich die Selbstbeschränkung Gottes konkret im einzelnen vorstellte (ob auf dem kleinen Raum zwischen Zeltdecke und Deckplatte oder auf dem Raum in der Lade - vgl. E U4), das muß offenbleibcn. BU Als ursprünglichen Gedankengang unseres Textes möchte man antlehmen: Wie der Mann mit seiner Frau zusammen bei großer gegenseitiger Liebe auf einem minimalen Platz auskam, so brauchte auch Gott zusammen mit dem Menschen in der Zeit der »ersten Liebe«, der Wüstenzeit, nur den kleinen Raum des Begegnungszeltes. Später, als die Liebe schwächer geworden war, wurde bereits ein größerer Raum notwendig, damit es beide darin aushalten können: der salomonische Tempel. Und noch später - es ist wohl die Zeit nach der Tempelzerstörung gemeint - gibt es die Möglichkeit überhaupt nicht mehr, daß Gott und Israel auf einem beschränkten Raum innerhalb dieser Welt zusammen wohnen können, da ihr Liebesverhältnis nun ganz zerbrochen ist. 8.1 Quelle: PK I, 3 (übersetzt auch bei G 24). Zu diesem Text existieren folgende Parallelen: JS I 370: Aus PK zitiert. fast wörtlich der gleiche Text. rNum IZ, 8: Ein dem PK-Text sehr ähnlicher. mindestens ebenso guter Text. rHL 3. II b: Stark umgestellter Text. erweitert durch ein Parallelgleichnis : Ein König befiehlt einem Untergebenen. die Kopie eines Bildes anzufertigen. rEx 3,.6: Hier findet sich nur dieses Gleichnis von König und Maler. gEx 753 f.: Fast wörtlich der gleiche Text wie in PK. Alle Parallelen haben den Schluß (Verlassen der Ratsversammlung, Herabsteigen, Beschränkung der Schekhinah unter Israel) mit PK gemeinsam. !28 So nach rNum verbessert. s•• C'~"17ill1!1' nach rabbinischer Auffassung: Herr beiderWeiten, dieser und derzukünftigen (dazu vgl. MARMORSTEIN I 99). 220
ihm: »Nach ihrem Urbild 225 , das dir auf dem Berg gezeigt worden ist!« (Ex 25.40 ).
R. Berekhja sagte im Namen R. Levis 226 : (Das gleicht) einem König, der jemandem aus seiner Umgebung 227 in einem ganz 228 aus Perlen bestehenden Gewand erschien. Er sprach zu ihm: Mach mir (ein Gewand) wie dieses! Da antwortete er ihm: Mein Herr König, woher soll ich denn ein Gewand ganz aus Perlen nehmen? Er erwiderte ihm: (Arbeite) du mit deinen (dir verfügbaren) Stoffen 229, und ich (zeige mich) in meiner Herrlichkeit 230. So sprach Mose vor dem Heiligen, gepriesen sei Er: Bin ich denn Gott, kann ich denn etwas Gleichartiges verfertigen? Da antwortete Er ihm: » Nach ihrem Urbild ... « (Ex 25',40) (sollst du das Zelt) mit violettem und rotem Purpur, mit Karmesinstoff und Marmor (anfertigen). So sprach der Heilige, gepriesen sei Er, zu Mose: Wenn du drunten das verfertigst, was droben ist, so will ich meine Ratsversammlung 231 droben verlassen, will herabsteigen und meineSchekhinah drunten unter euch beschränken ... 232.
45
Gottes Herabsteigen und seine Selbstbeschränkung bei den Weisen 233 »Im siebten Monat. am Ersten des Monats ... « (Lv 23,24) ... R. Abbahu erklärte den Schriftvers mit (dem Vorgang von) den fünf Ältesten, die zusammentreten, um das Jahr zu interkalieren 234. Was tut der Heilige, gepriesen sei Er, dabei? Er verläßt den Senat droben (im Himmel), steigt herab und beschränkt seine Schekhinah (auf den Raum) zwischen ihnen (den Ältesten). Da sprechen die Dienstengel: Hier ist der Mächtige, hier ist der Mächtige !Hier ist Gott, hier ist Gott! Er, von dem geschrieben steht: » Gott, gefürchtet im Kreise der Heiligen« (Ps 89,8). Meine Erscheinung ist nur ein Idcalbild, das du wedel' erreichen kannst noch mußt. Da. gEx und rNum l'1~~:l (d-IL: ~N~~:l) stntt» Levi «als Autor nennen, bleibt dieser Name unsicher. Dazu kommt, daß die Anschauung, die hier in PI< R. Levi zugeschrieben wird, mit den sonst bekannten Anschauungen R. Lcvis (s. das I-Iöhlengleiehnis in T 41) nicht übereinstimmt. 227 So ist frei übersetzt. Wörtlich: »einem Sohn seines HallSeS«. Das Bild ist hier von der Umgebung eines antiken Herrschers genommen. 228 Die Lesart '~'N (von griech. ÖhO-), die BUBER z. St. bietet, ist zweifellos die ursprüngliche. 229 Die Lesart 1'7;)7;)C:J von rNum, rEx und rBI. ist hier vorzuziehen. 2S0 Die folgenden Sätze (von: »So sp11leh .,. « bis: » ... Marmor«) sind aus dem Text von rNum übernommen, sie fehlen in PK. 231 Die Engel sind im Bild eines himmlischen Senats gesehen: l',,'~p(')lC = griech. O'V)'KhVTOS (ßOVhft) = Senat (s. KRAUSS S. v.). m Im Folgenden wird nun ein Vergleich zwischen dem Tempel im Himmel (bzw. dem Himmel als Tempel) und dem irdischen Tempel durchgeführt. m Quelle: PK 23,4. Bat Unser Text gehört zu einer größeren Gruppe von Texten, die alle von der Gegenwart Gottes bzw. seiner Schekhinah beim Richterkollegium handeln, das den Kalender festzusetzen hatte, wobei die maO:chmal notwendige Einschiebung (Interkalation) eines Monats besonders wichtig war. Mit der Festsetzung des Kalenders war die Festsetzung der Termine der Feste gegeben, und da nach rabbinischer wie altorientalischer Anschauung Festkalenderordnung und Weltordnung aufs engste miteinander verbunden sind, ist es verständlich, wieso die Festsetzung des Kalenders hier im Midrasch als sakraler Akt von höchster Bedeutung angesehen wird, bei dem Gott selbst in besonderer Weise gegenwärtig wird. Man braucht nur an die Bedeutung des Neujahrstages im JudenB2&
226
Er verläßt den Senat droben, steigt herab und beschränkt drunten Seine Schekhinah. Warum das alles? Damit, wenn sie (die Ältesten) in irgendeinem Punkt irren, der Heilige, gepriesen sei Er, ihr Antlitz durch eine Halakhah 235 erleuchtet. Dafür kann man zitieren: »Herr, im Lichte deines Antlitzes wandeln 236 sie « (Ps 89, 16).
Gott steigt vo", HinJlllel herab, 46
Uni
beil/I gerechten Richter Zu IIJeilen 237
... Doch in der Stunde, da sich der Richter niedersetzt und in Wahrheit Recht spricht, verläßt der Heilige, gepriesen sei Er, wenn man so sagen darf, die Himmel der Himmell1nd läßt seine Schekhinah an seiner Seite ruhen. Es heißt ja: »Wenn der Herr ihnen Richter erstellt, wird der Herr mit dem Richter sein «
235
236 237
turn Zu denken, an dem nach den rabbinischen Quellen die Geschicke der Welt von Gott jeweils neu bestimmt werden. Oder man muß sich die Bedeutung vergegenwärtigen, welche die QumranSekte ihrem eigenen Sonnenjahrs kalender beilegte, der vom Mondjahrskalender des orthodoxen Judentums verschieden war. (Dazu s. J. MAlER, Die Texte vom Toten Meer, II. Bd., MünchenBasel 1960, 13 Zu I QS 1,14-15 und Il4ff. zu I QM JI). Eine andere Anschauung der Haggadah, vielleicht früher als die in unserem T 45 ausgedrückte, geht dahin, daß Gott selbst mit dem Senat seiner Engel die Beschlüsse des Senates Israels in bezug auf den Kalender übernimmt. Die ganze Gruppe von Texten, zu denen unser Text 45 gehört, ist bei G 372 und 373 übers~tzt und kommentiert. Doch nur T 45 spricht vom Herabkollllllen Gottes mit den gleiehen Worten, mit denen T 44 von Gottes Herabsteigen und seiner Sclbstbeschränkung im Zelt gesprochen hatte. Direkte Parallclstcllen zu der PK-Fassung unseres Textes finden sich in folgenden Zusammenhängen: a) JS II 840 (hier scheint durch Homoioteleuton der Gesang dcr Engel ausgelassen worden zu sein). b) rLv 29,4 (wörtlich das gleiche wie in PK, mit Auslassung der Worte »durch eine Halakhah«). c) MTh 81,4 (nur kurze Erwähnung des Ganzen). So ist das etwas befremdliche 1"I:I';I1"I:l wohl zu verstehen. Das Wort kommt auch in dem Text in MTh vor und ist kaum zu tilgen. Gott läßt nach dem Midrasch also den Weisen die richtige Regel einfallen, nach der sie den Kalender ohne In·tum festsetzen können. »Wandeln« -1':1';11"1', einc An,piclung auf die »lInlakhnh« (1"1:1';11"1). Quelle: rEx 30,24 (übersetzt auch bei G 374b). Bei G 374a ist ein Text übersetzt (aus TW Mischpatim 4), der "erwirrter und später zu sein scheint. Da er für unser Thema nichts Neues bringt, bleibt er hier unberücksichtigt. Zu vergleichen ist jedoch noch ein Text aus bSanh 7":
R. ~emu'el b. NaJ:!mani sagte, R. Jonathan habe gesagt: Jeder Richter, der ein wahres Urteil spricht mit dem einzigen Ziel der Wahrheit, läßt die Schekhinah in Israel ruhen. Es heißt ja: »Gott steht in der Gottesgemeinde, inmitten von Göttern richtet er« (Ps 82, I - »Götter« wird hier von der Tradition wie oft als »Richter« verstanden). Doch jeder Richter, der nicht ein wahres Urteil mit dem einzigen Ziel der Wahrheit spricht, fügt es der Schekhinah zu, daß sie aus Israel weichen muß. Es heißt ja: »Wegen der Bedrückung Niedriger und des Seufzens Armer will ich mich nun erheben, spricht der Herr ... « (Ps 12,6). Dieser Text hat Berührung sowohl mit T 33 (Ruhenlassen und Vertreiben der Schekhinah) als auch mit unserem T 46 (Gegenwart der Schekhinah beim Rirhltr).
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(Ri Z, 18). Doch wenn Er sieht, daß er (der Richter) parteüsch urteilt, dann läßt Er, wenn man so sagen darf, Seine Schekhinah weichen und steigt (wieder) zum Himmel hinauf ... 238.
GoI/es Anpassung alt die beschränkten Möglichkeiten der Menschen 230 Fassung A: 47 A ... Und es steht geschrieben: »Und sie sollen mir ein Heiligtum errichten, damit ich unter ihnen wohne« (Ex z 50 8). R. Jehuda b. Simon sagte im Namen R. Jol.lanans: Hier handelt es sich um eines von den drei Dingen, die Mose aus dem Munde der Allmacht 240 hörte und vor denen er zurückschreckte: Als Er zu ihm sprach: » Und jedermann soll ein Lösegeld fur sein Leben geben« (Ex 30, lZ), da sagte Mose: Wer kann denn ein Lösegeld für sein Leben geben? Es steht doch geschrieben: »Haut um Haut, und alles, was der Mensch hat, gibt er um sein Leben« (Hiob z,4) - und auch dann kommt er (an die erforderliche Summe) noch nicht hin. Es heißt ja: »Ein Bruder nicht einmal kann einen Menschen loskaufen und Gott das Lösegeld für ihn bezahlen« (Ps 49,8). Da sprach der Heilige, gepriesen sei Er, zu ihm: Ich fordere nicht tl,einem Veroas Die Aussagen vom Herabkommen b:.w. Aufsteigen Gottes sind hier zwar mit "':;)':1:;) (»wenn man so sagen darf«, »als ob man so sagen könnte«) eingeleitet, sie sInd aber doch ganz real zu nehmen.
Das gcht aus folgenden Texten hervor: a) aus TT 44, 4S, 47 A +B, wo mit den gleichen Ausdrücken wie in unserem T 46 die Gegenwart Gottes im Heiligtum und bei den Weisen als unzweifelhaft real geschildert wird, b) aus anderen Midrasch-Stellen, in denen das Mit-Sein Gottes mit einem Menschen (in der Schrift durch die Präpositionen ~-so hier in Ri ~,18-und ausgedrückt) als ganz realesräNmlithu
ntc
Dabei-Sein verstanden wird: EI72 (hSot sa). Die Schekhinah zieht mil Jakob nach Ägypten hinab (MS 1 + ~ im Anschluß an Gen 46,4) und ist mil Joseph in Ägypten (rGen 86,~ im Anschluß an Gen 59,~). Vgl. noch besonders die Auslegung des Verses Ps 91,IS: »Mit ihm (i7a31)
• Be
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bin ich in der Not« (so sagt Gott vom Menschen) - das wird in der rabbinischen Theologie durchgängig auf ein räumliches Dabei-Sein Gottes beim Menschen in seiner Not gedeutet. Dieser dreiteilige Midrasch hat eine sehr komplizierte überlieferungsgeschichte. Von den uns bekannten fünf Fassungen sind hier drei (bei G 25: vier) übersetzt. Es läßt sich folgende Gruppierung vornehmen (die von uns übersetzten Texte sind kursiv gesetzt): Fassung A: TB NfJJJD I!l. Fast wörtliche Parallele dazu: TW Nasso 11. Fassung B: PK 2,IO. Parallelen dazu: PK 6,4 (verkürzter Text); PR 84 (verkürzter Text); TW Ki-thissa 10 (genau wie in PK~, mit einem kurzen zusätzlichen Abschluß); JS I 56S; gEx HI f. (leicht erweiterter Text). Fassung C: MTh !lI,I. Fassung D: rEx H,I - kurzer, zu Bund C sekundirer Text. Fassung E: rNum 12" - diese Fassung hat Berührung mit A (heide haben die gleiche Anordnung der drei Fälle, und beide haben die Deutung R. Mein), mit B (die gleiche Angabe der »Ellen« hier wie dort) und mit C (Bezug auf Ps 91, I). Ob Fassung B die älteste ist, wie man zunlchst vermuten könnte,läßt sich nicht sicher entscheiden. Fassung C ist sicher von A abhängig. Der ganze Midrasch wird unter dem Aspekt »Anthropomorphismus« diskutiert bei MAIlMORSTEIN I 77f. - freilich in der ziemlich summarisch verfahrenden Art des ganzen Werkes. m':llil: »die Stärke (sehlechthin) «. Zu dieser rabbinischen Gottesbezeichnung vgl. A. M. GOLDBERG, Sitzend zur Reehten der Kraft - Zur Gottesbczeiehnung Gebura in der frühen rabbinischen Literatur, in: BibI. Zs. 8 (1964) ~84ff.
mögen entsprechend, sondern ihrem Vermögen entsprechend: »Folgendes sollen sie geben: (jeder, der gemustert wird, einen halben Schekel)« 241 (Ex 3°,13).
R. Meir meinte: Der Heilige, gepriesen sei Er, holte eine Art Münzbild eines Menschen unter dem Thron der Herrlichkeit hervor und zeigte es Mose: »Das sollen sie geben«, so etwas sollen sie geben 242. Als Er sprach: »Meine Opfergabe, meine Speise für mein Feueropfer ... (... sollt ihr mir sorgfältig zu seiner Zeit darbringen)« (Num 18,1) - da sagte Mose: Wer kann denn dir genug Opfergaben darbringen? Wenn wir alle Tiere des Waldes und alles Holz des Libanon darbrächten, so wäIe es ja doch nicht genug. Es heißt ja: » Und der Libanon genügt nicht für Brandholz und seine Tiere nicht für Brandopfer« (Jes 40,16). Da sprach Er zu ihm: Ich fordere nicht mciflcflJ Vermögen entsprechend, sondern ihrem Vermögen entsprechend. Es heißt ja:» Und ich sprach zu ihnen: Das ist das Feueropfer, welches ihr dem Herrn darbringen sollt: (Zwei makellose einjährige Lämmer pro Tag ... )« (Num 18,3). Und nicht einmal beide gleichzeitig, sondern »das eine Lamm sollst du am Morgen darbringen, und das zweite Lamm sollst du in der Abenddämmerung darbringen« (Num 13,4). Als Er zu ihm sprach: » Und sie sollen mir ein Heiligtum errichten« (Ex 1 S, 8) da sagte Mose vor dem Heiligen, gepriesen sei Er: »Sieh, die Himmel und die Himmel der Himmel können dich nicht fassen, (wie denn dann dieses Haus ... ?)« (I Kg 8,17). Und (die Schrift) sagt: »Die Himmel sind mein Thron, und die Erde ist der Schemel meiner Füße« (Jes 66, I) - und wir sollen ein Heiligtum für ihn errichten können? Da sprach der Heilige, gepriesen sei Er, zu ihm: Ich fordere nicht meinem Vermögen entsprechend, sondern ihrem Vermögen entsprechend. Es heißt ja: »Und die Wohnung sollst du aus zehn Ziegenfellen errichten« (Ex 16, I). Als die Israeliten das hörten, erhoben sie sich, gaben gerne ihre Spenden und errichteten die· Wohnung. Als sie die Wohnung errichtet hatten, füllte sie sich mit Seiner Herrlichkeit. Es heißt ja: » Und Mose konnte nicht ins Begegnungszelt hineingehen, (weil die Wolke darauf ruhte und die Herrlichkeit des Herrn die Wohnung erfüllte)« (Ex 40dS). Da sprachen die Fürsten: Sieh, das ist die Stunde, wo wir in Freuden 2U
114&
Es handelt sich um einen sehr kleinen Wert: etwa 6 g Silber (nach K. GALLING, Maße und Gewichte, Münzen in Israel, in: RGG IV, Tübingen 3 1960, Sp. 796). Diese eingeschobene, rätselhaft klingende Aussage (die auch in JS 1386 begegnet) kann man viel leicht auf dem Hintergrund folgender Midrasch-Stellen verstchen: a) TW Achare-moth lZ (= TB Achare-moth 18): R. Meir sagt, Gott werde mit Israel zugleich erlöst, und R. Ammi sagt, Gott erlöse Israel stellvertretend - wie eine Münze das Getreide des Zehnten auslöse - durch sich selbst, durch sein Mit-Leiden. b) In MS 118 (= gEx 338) mit Parr. und in PR 61b (mit vielen Parr.) wird der Vers Ez l,z6: » Und auf der Erscheinung des Throns - etwas wie eine Menschengestalt war darauf« dahin ausgelegt, daß Gott in M.n.reh,"gestalt auf seinem himmlischen Thron sitzc. c) In T zz (und Z3) stellt sich Gott selbst als im"n (Opfergabe) für Israel hin. Von diesen Texten können wir vielleicht folgende Aussage für die Deutung R. Mdrs erschließen: Gott hat nach R. Meir M().~e sein eigenes Bild gezeigt und damit sich selbst als das eigentliche und letzte Lösegeld für Israel bezeichnet. Doch ist nicht sicher, ob wir damit R. Meirs Deutung nicht überinterpretiert und so gewissermaßen einen neuen Midrasch gebildet haben.
Opfer darbringen wollen, da die Schekhinah unter uns ruht. Woraus (ist das zu entnehmen)? Aus dem, was man in (diesem) Zusammenhang liest: » Und an dem Tage, an dem Mose fertig war (mit der Errichtung der Wohnung ... da brachten die Fürsten Israels Opfer dar ...)« (Num 7, 1+2). Fassung B: B R. J udah b. Simon sagte im Namen R. ] oJ:!anans: Drei Dinge hörte Mose aus dem Munde der Allmacht 240, er erschrak darüber und bebte davor zurück: Als Er zu ihm sprach: » Und sie sollen mir ein Heiligtum errichten« (Ex 2. 5,8) da sagte Mose vor dem Heiligen, gepriesen sei Er: Herr der Welt, sieh, »die Himmel und die Himmel der Himmel können dich nicht fassen ... « (I Kg 8,2.7), und du sprichst: »Und sie sollen mir ein Heiligtum errichten, (damit ich unter ihnen wohne)?!« Da sprach der Heilige, gepriesen sei Er: Mose, nicht wie du es dir denkst, sondern: 2.0 Bretter im Norden, 2.0 im Süden und 8 im Westen 243, und dann will ich herabsteigen und meine Schekhinah drunten unter ihnen beschränken 244. Es steht ja geschrieben: »Und dort will ich mich mit dir treffen (und mit dir sprechen, von der Deckplatte herab, vom Zwischenraum zwischen den beiden Keruben aus ...)« (Ex 2. 5,2.2.). (Nun folgen die beiden anderen Fälle, in denen Mose vor dem Befehl Gottes zurückschreckte und Gott sich dann dem Vermögen der Menschen anpaßte Opfergaben und Lösegeld - ganz ähnlich wie in Fassung A). Fassung C: . C »Der Höchste wohnt im Versteck, im Schatten nächtigt der Allmächtige« (ps 91, I) 245-davon spricht derSchriftvers: »Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde, sieh, die Himmel und die Himmel der Himmel können dich ja nicht fassen, wie denn dann dieses Haus, das ich dir gebaut habe?« ... (I Kg 8, 2. 7) ... R. Jehudah b. Simon sagte: Drei Dinge hörte Mose aus dem Munde der Allmacht 240, und er schreckte davor zurück: (Nun folgen die beiden ersten Fälle - Lösegeld und Opfergaben - fast wörtlich wie in Fassung A, darauf folgt:) Und so auch, als der Heilige, gepriesen sei Er, zu Mose sprach: »Und sie sollen mir ein Heiligtum errichten, damit ich unter ihnen wohne« (Ex 2.5,8)da sagte Mose : Wer kann den Raum eines Heiligtums errichten, so daß die Schekhinah darinnen ruhen kann? Sieh, »die Himmel und die Himmel der Himmel können dich nicht fassen« (I Kg 8,2.7)' Da sprach der Heilige, gepriesen sei Er: Wenn ich will, kann die ganze Welt meine Herrlichkeit nicht 143 244 145
Nach Ex 26,18+20+22+23. Hier fügt gEx '71 f. ein: um der Ehre für Israel und der Liebe Zu Israel willen. So wird dieser Vers vom Midraseh interpretiert: Gott ist Subjekt des Satzes, im Gegensatz zur normalen Interpretation: »Wer im Versteck des Höchsten wohnt, im Schatten des Allmächtigen nächtigt .•• « - Vgl. dazu auch T 41 E 212 und den Schluß von T 48. Der Ausdruck »nächtigen« wird für Gottes dauerndes Wohnen im Heiligtum auch in T 32 und besond.?rs in dem bei G 31 übersetzten Text aus PK 27 gebraucht.
fassen, ja, nicht einmal cinen von meinen Dienern 246 - aber ich fordere von dir nichts weiter als 20 Ellen im Norden, 20 Ellen im Süden und 8 im Westen 247, also: »Der Höchste wohnt im Versteck, im Schatten nächtigt der Allmächtige« - das heißt, daß Er in seinem 248 Schatten nächtigt.
48
Gott, der Ulle1'!/leßliche lind U'le11dlicbe, besehröl1kt sieh selbst auf das BII11deszelt 249 Es steht geschrieben: »Fülle ich nicht den Himmel und die Erde?« (Jer 23,24) - und es steht (in scheinbarem Widerspruch dazu) geschrieben: »Und sie sollen mir ein Heiligtum errichten, (damit ich unter ihnen wohne)« (Ex 2S, 8). Wie steht geschrieben? »Die Grenze jeder Vollkommenheit habe ich gesehen« (Ps 119,96). Wenn du das Meer und das Festland, das Licht und die Finsternis, die Berge und die Hügel betrachtest, sagst du: Gibt es für diese da vielleicht eine Grenze? Und doch haben sie eine Grenze. Es heißt ja: »Eine Grenze hat Er der Finsternis gesetzt, und alles Vollkommene erforscht Er« (Hiob 28,3). Du sagst: Kann denn ein Mensch sagen, wieviel Tropfen der Ozean enthält? Und doch gibt es für diesen ein Maß. Es heißt ja: »Wcr hat mit seiner hohlen Hand die Wasser gemessen ... ?« (Jes 40, 12)250. (Du sagst:) Hat denn dieser Sand (am Strand) eine Zahl? Und doch hat er eine Zahl. (Es heißt ja:) »Und die Zahl der Kinder Israel wird sein wie die des Sandes am Meer« (Hos 2, I). (Du sagst): Haben denn die Himmel ein begrenztes Ausmaß? Und doch haben sie eines. (Es heißt ja:) »... und (wer) bemißt die Himmel mit der Spanne?« (Jes 40, 12)250. Das lehrt uns, daß alle Geschöpfe, die der Heilige in seiner Welt schuf, ein begrenztes Ausmaß haben, daß aber der, der da sprach, und es ward die Welt, keine Grenze und kein begrenztes Ausmaß hat; denn weder die Oberen noch die Unteren können seine Herrlichkeit umfassen. Es heißt ja: »Fülle ich nicht den Himmel und die Erde?« (Jcr 23,24)251. Als der Heilige zu Mose sprach: » Und sie sollen mir ein Heiligtum errichten (damit ich unter ihnen wohne)«, da wunderte er sich darüber, und auch Salomo, der einmal ein Heiligtum (im Ausmaß) von 500 mal 5°° Ellen bauen sollte, wunderte sich und sagte: » Sollte denn Gott wirklich bei den Menschen VgI. dazu den Schluß von T 38 und E zoz dort. Für »Ellen« ist wohl nach deI' ut'SJ','ünglichercn Fassung B »BI'etter« einzusetzen, Es ist aber auch möglich, daß der Rcdaktor von T 47 C seine Ellen-M:lße aus dcn Zcltdecken, die in Ex z6,11I". beschrieben werden, berechnete. 218 Wahrscheinlich ist damit gemeint: in BezalcIs Schatten, in dem Schatten, den Bezalel gemacht hatte, im Begegnungszclt (s. T 41, 1. Abschnitt). '~9 Quclle: GS Zlsf. (Midl"llsch von den sich widersprechenden Sehriftstcllen), Für diesen Text stellte mir Professor Dr. CH. HOI\OWITZ freundlicher",cise eine noch ungcdruckte übersetzung von Genizah-Texten zur Verfügung. 2aO Die Antwol't auf diese rhetorische Frage ist: Gott. m Diesel" Vergldch der Dimcn~ionen tles Kosmos mit den übersteigenlIen Dimcnsionen Gottes hat eine biblische Grundlage in Hiob 11,7-9.
240
•n
auf Erden weilen? (Siehe, die Himmel und die Himmel der Himmel können dich ja nicht fassen, wie denn dann das Haus da, das ich gebaut habe I)« (I Kg 8,17)' Als der Heilige sah, daß sich Mose wunderte, sprach er Zu ihm: Mose, warum wunderst du dich? Meine Thora, die ich dir gegeben habe, hat keine Grenze, und ich habe dir doch befohlen, sie in die Lade zu legen, welche »zweieinhalb Ellen lang und eineinhalb Ellen breit ist ... « (Ex 21, IO)25B. Und aus Uebe zu Israel lasse ich, obwohl die Oberen und die Unteren meine Herrlichkeit nicht umfassen können, meine Herrlichkeit herabsteigen und lasse meine Schekhinah in der Wohnung ruhen, und noch nicht einmal in der ganzen (Wohnung), sondern nur zwischen den beiden Stangen der Lade. Es heißt ja: »Und dort will ich mich mit dir treffen (und mit dir sprechen, von oberhalb der Deckplatte aus, vom Zwischenraum zwischen den beiden Keruben aus ...)« (Ex 11, 22.)B63. Davon spricht MoseB64 im Buch der Psalmen: »Im Versteck wohnt der Höchste (und der Allmächtige im Schatten)« (ps 91,1)255. Es steht (hier) nicht geschrieben: »..• Gott (elohim) im Schatten«, sondern: »... der Allmächtige (saddaj)B66 im Schatten «, da Er Seine Schekhinah zusammenzieht zwischen die beiden Stangen der Lade. Daher heißt es: »... und sie sollen mir ein Heiligtum errichten, (damit ich unter ihnen wohne) «. 251 Vgl. dazu E 214. 268 2&4 2&5
258
Vgl. dazu T ~7. Das ist wohl VerschIeibung für »David«. S. E 245. Unser T 48 ist zwar ziemlich sicher eine späte Komposition, enthält aber, wie die hier und in EE 251 und 151 genannten Beziehungen beweisen, alte Traditionen. Der ganze Text ist, vom theologischen und ästhetischen Standpunkt aus gesehen, sehr gut komponiert. Vermutlich sah der Autor dieser Deutung im Gottesnamen .~ (»der Allmächtige«) ein Wortspiel verborgen:'~ ='j ~ (»was genug ist«): Gott begnügt sieh mit einem kleinen Raum.
ZWEITER TEIL
UNTERSUCHUNGEN
I. KAPITEL
Inhalt und Bedeutung der Texte Das Alte Testament sieht in Gott den überweltlichen Herrscher, der mit bestimmten Menschen einen Bund eingegangen ist und nun für sie sorgt. In der späten nachexilischen Zeit waren es vor allem die Armen, Niedrigen, Demütigen 1, welche diese Sorge Gottes für sie selbst persönlich in besonderer Weise empfanden 2• Diese Stellen des Alten Testaments, an denen kurz hintereinander von der überweltlichen Erhabenheit Gottes und dann von seinem SichHerabneigen zu den Niedrigen die Rede ist, fielen nun den Rabbinen besonders auf: Sie interpretierten diese Sorge um dcn Geringen nicht als etwas, was Gottes Transzendenz im Grunde nicht berührt, sondern als ein persönliches Sich-Einlassen Gottes auf eine niedrige Existenz: Dadurch, daß er sich um die Niedrigen kümmert, »gleicht Er sich ihnen an«, wie ein Text deutlich formuliert 3• Damit setzt er sich in Gegensatz zum allgemein-menschlichen Verhalten, das eine solche ungeschuldeteHerablassung nichtkennt,sondern jeweils nur das Sich-Behaupten auf der eigenen Höhe'. Andererseits sind die Aussagen offen hin auf ein noch tieferes und konkreteres Sich-Herablassen Gottes in seine Welt: Jes 57, I 5 wird einerseits unter diesem Thema von Gottes Sich-Abgeben mit dem Niedrigen zitiert, doch in anderen Texten 5 wird derselbe Jesajavers auf Gottes reale räumliche Anwesenheit in Niedrigkeit hin interpretiert. Die gegenseitige Zuordnung von Größe und Selbsterniedrigung 6 Gottes in diesem Sinn eines ungeschuldeten Sich-Beugens zum Geringen wurde tief im Text des Alten Testaments verankert gesehen: Für R. Jol,tanan durchzieht dieses Thema die ganze Schrift, da es in allen drei Teilen des hebräischen Kanons nachweisbar ist? R. Ele'azar b. Pedath, sein jüngerer Zeitgenosse 8, erweiterte diese drei Stellen seines Lehrers auf eine Siebenzahl - ein Zeichen, wie wichtig dieses Thema geworden war, wichtig auch' darum, weil dieses Verhalten Gottes ja nicht auf bestimmte Punkte oder Perioden der Heilsgeschichte beschränkt ist, sondern in der Gegenwart der Rabbinen fortdauert: das zeigen die von ihnen zitierten Stellen des Alten Testaments, die vom Niedrigen reden, wie er immer und überall vorkommt. Einen deutlicheren und konkreteren Erweis der Selbsterniedrigung Gottes glauben die Rabbinen ebenfalls in der Schrift zu finden: Wenn Gott mit den Menschen an ganz bestimmten Punkten der Heilsgeschichte in Verbindung tritt - und das kann er nur tun, indem er gewisse menschliche Züge annimmt 9 _, so verzichtet er auf die ihm zukommende Ehre, ja, er behandelt den Menschen Vgl. E 14. a Das ist zwar schon begründet in der »sozialen Frömmigkeit« des Deuteronomiums (vgl. Dt 10.17 in TI 1+ 3). doch ist es bezeichnend. daß 6 von den 7 Stellen. welche die Rabbinen hier zitieren. aus späten Texten. nämlich den Psalmen und dem sogenannten Tritojesaja. stammen. 3 T 3. Einleitung. ' T 2. 5 TI 31+ H. 8 Vgl. E sund E 14. 7 T 1. 8 T 3. 9 Ober dieses Wunder. daß Gott so selbst in die Welt räumlich eingeht, mit dem Menschen wie ein Mensch spricht usw.• wird hier (wie im AT) noch nicht reflektiert. 1
6~
als den Höherstehenden 10. Die Einleitung, die jeweils :zu den Anthologien gegeben wird, in denen solche Deutungen gesammelt sind, ist bezeichnend: »Gibt es eine größere Selbsterniedrigung als die des Heiligen, :gepriesen sei Er?« Weil Gott der Höchste ist, kann er sich auch tiefer herablassen, als es der Mensch je tun könnte. Gleichzeitig erhebt er dadurch den Menschen, wie das Motto zeigt, das über all diesen Anthologien steht: »Durch ,deine Selbsterniedrigung machst du mich groß« (Ps 18,36). Auch hier steht Gottes Verhalten wieder im Gegensatz zum allgemeinmenschlichen Verhalten: Er als Thoralehrer (am Sinai) entschuldigt sich bei seinem Schülerll, Er übernimmt bei Mose antwortend gewissermaßen die Rolle des TalmudschülerslI, Er wartet auf den Schüler (Hesekiel)13, Er geht den Schülern (Engeln) voraus statt umgekehrt 14• Wie ein Diener steht Er über Abraham, während dieser sitzt 10, und über Jakob, während dieser liegt l8• Er tritt Abraham den vornehmsten Sitz im himmlischen Thronsaal ab l7, benützt das kleinste Pförtchen zum Einzug in den Tempe}18 - als ob dieser nicht sein Eigentum wäre I - und stellt aus Bescheidenheit seinen Namen nicht an den Anfang des Schöpfungsberichts 19• Er setzt sich der Verachtung aus, indem er Israel die Thora gibt, obwohl ihm doch dieses Volk zur selben Zeit durch die Verehrung des Goldenen Kalbes zeigt, daß es auf seine Heilsgaben gar keinen Wert legt 20. In eigener Person übt er »leibliche Werke der Barmherzigkeit« an Eva, Abraham, Jakob und Mose, obwohl doch irgendeiner seiner zahllosen Diener diese Dienste hätte ausführen können 21 • In den Texten, die von der liebevollen Herablassung Gottes zum Niedrigen sprechen, war das Wie dieses »Blickens auf den Niedrigen«22 noch offengeIassen. Nun wird es konkret geschildert: Gott übernimmt selbst die Rolle, die seinen Dienern zukäme, und übt persönlich niedrig-leibliche Dienste an einzelnen Menschen. So ist es nicht verwunderlich, wenn das Verhältnis Gbtt-Isr~el bzw. GottMenschheit als Umkehrung des Herr-Knecht-Verhältnisses gesehen wird 23 : Der Herr (Gott) selbst erniedrigt sich zum Sklaven, indem er die Dienste an seinem Sklaven (Israel) ausführt, die dieser eigentlich ihm, dem Herrn, leisten müßte. Die Rabbinen, welche die Verse des Alten Testaments, in denen von Gottes Fürsorge für Israel die Rede ist, in solcher Weise ausdeuteten, empfanden sehr stark, wie ungeheuerlich und paradox eine derartig radikale Umkehrung des Verhältnisses Gott-Mensch ist, vor dem Hintergrund der alttestamentlichen Aussagen, die so eindringlich die absolute Majestät Gottes betonen. So leiten sie ihre Deutungen ein mit den Sätzen: »Wenn es nicht ein geschriebener Schriftvers wäre, dürfte man es nicht aussprechen«211 - »wenn man so sagen dürfte ... «25. Auch sie betonen immer wieder, daß Gottes Verhalten damit in absolutem Gegensatz steht zu dem allgemein in der Welt üblichen Verhalten 28 : »Die Wege des Allumfassenden sind nicht wie die Wege von 10 11
24
TT 4-10. 11 T 4 I. TT 7+8. 18 T 4 IV. TT JJ+J2. vgl. auch T 15.
12 11
T 4 UI. 13 T 4 II. 1& T 4 V. 11 T 4 VI. le T 10. TT 4 VII+,. 20 T 6. 1I1 T 9. 22 Vgl. T 2. 22 TT JJ-21. I1 TT U+21. H TI 14-17.
Fleisch und Blut«21. Neben dem Bild Herr-Sklave wird dabei auch manchmal das Bild vom Vater, der den Sohn bedient, gewählt 28 . In a11 diesen Texten ist die Sicht der vorangehenden Texte vertieft; denn nun handelt es sich nicht mehr um einen bloßen Verzicht Gottes auf die ihm zukommende Ehre, der in gewissen Gesten zum Ausdruck kommt, sondern um einen erniedrigenden Dienst, den Er dem Menschen leistet, und das vorher gebrauchte Bild von der Umkehrung des Lehrer-Schüler-Verhältnisses 2D ist jetzt verschärft zum Bild von der Umkehrung des Herr-Sklave-Verhältnisses. 1Ylit diesem Bild interpretieren die Rabbinen vor allem die dienende Fürsorge Gottes an Israel in der Wüstenzeit: In dieser Zeit war das Volk ja jeder irdischen Hilfe beraubt und allein auf Gott angewiesen 30• Für ihre Deutungen standcn dcn Rabbincn die Pcnt'atcuch-Tcxte (in Ex, NU111, Dt) und Ez 16 zur Verfügung. (In Ez 16 wird die Fürsorge Gottes für Israel in der Wüste verglichen mit der Fürsorge eines Mannes für ein hilfloses Findelkind.) Die immer wiederkehrende Ausgangsstelle ist Ex 13,21: Gott, der Israel nachts mit einer Feuersäule leuchtet, wird verglichen mit dem Herrn, der seinem Sklaven dienend die Fackel voranträgt 31 , oder mit dem Vater, der dem Sohn bzw. den Söhnen denselben Dienst leistet 32• Unter dem Aspekt erniedrigenden Dienens werden weiter gesehen: das Auskundschaften des Quartiers (Num 10,33)33, die Speisung mit Manna (Ex 16,4)33, Wachen über dem Schlaf (Ps 121,4)34, Waschen, Ankleiden, Sandalenanziehen (Ez 16,9+10)35, Salben (Ez 16,10)38. Dabei werden die in Ez 16 noch als Bild verwendeten Ausdrücke nun ganz wörtlich verstanden. Schließlich wird auch ein Ausdruck, der in der Schrift an einigen Stellen vorkommt 37, nämlich, Gott habe Israel in der Wüstenzeit »getragen «, ganz wörtlich genommen: Gott hat Israel in einer leibhaftigen, andererseits doch kaum anschaulich vorzustellenden Weise getragen, wie der Sklave den Herrn und wie der Vater den Sohn trägt 38 • Wenn das Bild auf den Vater und den kleinen Sohn gedeutet wird, dann steht freilich mehr die Fürsorge Gottes für Israel im Vordergrund und nicht mehr so sehr seine Selbsterniedrigung. Doch gerade hier führt ein Text 39 noch mehr in die Tiefe: Gott trug Israel, obwohl dieses wiederum eine Sünde - hier konkret: ein Götzenbild - mit sich trug, und so trug Gott gewissermaßen mit Israel zugleich auch dessen Sünde. Dieser Gedanke führt allerdings bereits von unserem Thema weg, hin zu anderen Texten, in denen Gottes konkrete Anteilnahme an T 14. Vgl. die gleiche Gegenüberstellung in Mt 16,17: »FI.iJeh und Blut hat dir das nicht geo/fenbart, sondern mein Vater, der im Himm.I ist •.• «. 28 TT lI-I 3, 17+18. 20 T 4 I-In, V. S. Zur Vorstellung von der Wüstenzeit als Idealzeit im AT vgl. R. BACH, Die Erwählung in der Wüste (Ungedruckte Diss.), Bonn 19' I. SI In diesL'fll Vorausleuchten liegt die Erniedrigung des Vorausgehens (vgl. T 4 V) und der erniedrigende Dienst des Leuchtens beschlossen, der in der Antike Sache des Sklaven war. a2 TT lI-I;, 1'+16. .3 TI, . .. rEx z,,6 + gEx 246 + PK Beschallach + JS I 226 (s. E 84). 35 T 16. 38 rEx zO,n (s. E 84). a7 Ex 19,4 + Num II,II+U + Dt 1,31. 38 TI 12+16+17+18. 38 T 18. 27
Israels Strafleiden geschildert wird 40 • Doch nicht nur die Fürsorge Gottes in der Zeit des Wüstenzugs wird als Dienst gesehen, den Er Israel leistet, sondern eigentlich jedes persönliche Eingreifen Gottes zu Israels Gunsten: Gott wird zum Krieger im Heer Nebukadnezars, da er Israel in die Hand einer Weltmacht dahingeben wi11 41 • An der Stelle von einem seiner Diener erscheint Er persönlich Pharao und Abimelek im Traum, um Sarah zu befreienu. Der Dienst Gottes an Israel wird jedoch nicht nur in seinem persönlichen Eingreifen in die Geschichte gesehen, sondern auch in seinem persönlichen Eingreifen in die Natur: Während in den antiken Stromkulturen die Ströme als Diener Gottes das kostbare Wasser bringen, ist es im Hochland Israel Gott selbst, der diese Dienerfunktion an Israel ausübt, indem er seinem Volk persönlich vom Himmel her die notwendigen Regengüsse sendet 43 • Schließlich weitet sich diese Schau aus: Die ganze Natur mit ihren Gaben wird als ein persönlicher und völlig ungeschuldeter Dienst Gottes an allen Menschen gesehen", und mit diesem Dienst demütigt sich Gott vor allen Menschen, seien es Gerechte oder Frevler 4oö• Der Text, in dem das gesagt wird, bietet gleichzeitig einen der seltenen Fälle, wo aus der Selbsterniedrigung Gottes der Schluß gezogen wird, daß sich nun auch, diesem Beispiel folgend, der Mensch vor seinem Mitmenschen demütigen dürfe und solle: Rabban Gamaliel folgt, als er seine Gäste bedient, Gottes Beispiel, welches er freilich nie in seiner ganzen Realität erreichen kann. Später in unseren Texten 46 wird einmal aus dem Verhalten Gottes, der im Sinai den niedrigsten Berg und im Dornbusch den niedrigsten Baum zu Orten seiner Theophanie wählt, der Schluß gezogen, daß auch der Mensch eine solche sich selbst demütigende Gesinnung bewahren müsse. Ein drittes Mal findet sich die Beziehung der Selbsterniedrigung Gottes zur Demut des Menschen in einem Text, in dem Gott Mose gebietet, vom Himmel herabzusteigen und das Volk zu retten, da ja auch er, Gott selbst, sich schon mehrmals dazu aus seiner Höhe herabbegeben habe 4? Die Seltenheit solcher Stellen in unseren Texten 48 bedeutet nicht, daß die·Demut des Menschen ein Thema gewesen wäre, das der rabbinischen Theologie überhaupt fernlag. Vielmehr sind die Aussagen über dieses Thema in der rabbinischen Literatur zahlreich; sie wiederzugeben würde den Rahmen unseres Themas weit überschreiten. Schon wenn wir unsere übersetzten Texte betrachten, fallen noch andere Beziehungen der Selbsterniedrigung Gottes zu der des Menschen auf. So ist etwa in der Frage: »Gibt es eine größere Selbsterniedrigung als die des Heiligen, gepriesen sei Er?«" ein Vergleich mit der Demut des Menschen verborgen. Der vorher genannte Text iO, in dem die Sinai- und Dornbusch-Theophanien als Gottes Selbsterniedrigung gedeutet u T 20. '2 T 21. &3 T 14. " TI 19 A + B. 41 T 19 B. T3 1 • 47 Ta6. " Es wäre bier als let2ter Text höchstens noch T 33 zu nennen (der Hochmütige vertreibt die Scbekhinah, der Demütige läßt sie bei den Menschen wohnen). 18 TI 4 (Einleitung) + 6 + 9. &0 T 31 in bSot ~.
'0 S. dazu Kapitel III. 46
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werden, ist eingebettet in eine große Fülle von Texten, in denen Demut vom Menschen gefordert wird. Man wird auch die Gleichartigkeit der Ausdrücke beachten, mit denen ganz unterschiedslos die Selbsterniedrigung Gottes und die des Menschen geschildert werden, um zwischen beiden eine enge Verbindung zu sehen 51 • Mit der Ausprägung einer hohen Verstandeskultur im rabbinischen Judentum war naturgemäß die Gefahr der intellektuellen überheblichkeit gegeben. Doch wäre es sehr falsch, die Rabbinen durchwegs als hochmü tige Pharisäer zu sehen 52. Die Maxime: » Sei ganz und gar demütig I « ist nicht zufällig in den einzigen allgemein-ethischen, zugleich den populärsten Traktat der Mischna aufgenommen worden 53. In vielen bisher besprochenen Texten war als selbstverständlich angenommen, daß Gott, wenn er sich vor dem Menschen erniedrigt, in irgendeiner Weise in der Welt anwesend ist. über das Wunderbare der Tatsache an sich, daß der transzendente Gott in die Welt kommt, war nicht reflektiert worden. In einer großen Zahl von anderen Texten 54 wird jedoch gerade darauf reflektiert. Dabei wird das Kommen Gottes in die Welt unter zwei Aspekten gesehen: Einerseits ist es ein Herabsteigen aus überweltlicher Höhe, andrerseits bedeutet es da es sich ja immer um Theophanien an bestimmten begrenzten Orten handeltein räumliches Sich-selbst-Beschränken der göttlichen Fülle auf einen gewissen begrenzten Raum. Dabei erscheint die Weise dieses räumlichen Herabsteigens Gottes immer noch als besonders ausgeprägt: Er läßt sich nicht nur auf die Erde herab, sondern jeweils noch auf den niedrigsten Ort auf dieser Erde, den er nur immer für sein Erscheinen finden kann. Analog ist es bei dem Vorgang der Selbstbeschränkung : Gott begrenzt sich selbst nicht auf irgendeinen, sondern jeweils auf den allerkleinsten Raum. Unsere Untersuchung kann sich dabei auf die Texte aus der rabbinischen Literatur beschränken, in denen das Herabsteigen und die Selbstbeschränkung Gottes besonders deutlich akzentuiert sind. Sie läßt die Texte beiseite, in denen davon gewissermaßen nur flüchtig und ohne nähere Bestimmung die Rede ist 55• In einer Anzahl von Texten 56 tritt das Moment des Herabsteigens, in einer anderen Reihe 57 das Moment der Selbstbeschränkung besonders deutlich hervor, obwohl natür01 Vgl. dazu E 151.
Gegen negative Eigenschaften dCI Pharisäer nehmen die Rabbinen selbst Partei: Vgl. entsprechende Texte in gEx 84f.1 jBer IX, 71 jPeah VIII, 81 jI:iag II, 71 jSot III,4. Die Exegese des NT hat es nicht nötig, die Beschuldigung der PharisäCI als »HeuchlCI« durch das NT als übertrieben zu bezeichnen, da diese Beschuldigung von der rabbinischen Literatur selbst unterstützt wird. Andrerseits wird es angesichts der oben genannten rabbinischen Texte klar, daß »Rabbinen« und »Pharisiler« nicht einfach gleichbedeutende Begrllfe sind. 68 Pirque Aboth (»Vätersprüche«) IV 4, Autor des Satzes: R. Levitas, I.Jahrhundert n. Chr. Es wilre hier interessant zu untersuchen, ob eine Vorstellung von dCI Demut der Götter mit Bezug auf die Demut des Menschen in dCI griechischen Religion existiert. In der Untersuchung von S. REHRL übCI »Das Problem dCI Demut in dCI profan-griechischen Literatur«, Münster 1961, begegnet diese Vorstellung jedenfalls nicht. " TIu-48. ii Dazu gehört ein großer Teil der bei GOLDBERG übersetzten Schekhinah-Texte. " TI 24-35 (36). i' TI 37-43, 48. 63
lieh jeder Text, der von dem einen Moment spricht, das andere damit einschließt: Gott steigt ja immer auf einen bestimmten Ort herab, und das schließt eine Begrenzung auf diesen Ort mit ein, andrerseits setzt jede Selbstbeschränkung auf der Erde ein Herabsteigen auf die Erde voraus. Eine dritte Gruppe von Texten Ö8 schließlich betont ausdrücklich beide Momente gleich stark. Dabei wird in allen Texten (oft wechselweise mit den sonstigen Gottesnamen) für Gott sehr häufig die Bezeichnung» Schekhinah« (» Einwohnung « Gottes in der Welt) gebraucht. Da über diesen Begriff die umfangreiche und erschöpfende Darstellung von GOLD BERG vorliegt, genügt es hier, einige Ergebnisse dieser Arbeit zusammenzufassen, die für das Verständnis unserer Texte notwen~ig sind69 : Mit »Schekhinah« ist immer Gott selbst gemeint, und zwar so, wie er dem Menschen an einem mehr oder weniger abgegrenzten Ort in gnädiger Selbstoffenbarung gegenwärtig wird. Wenn gesagt wird, Gott tue mit seiner Schekhinah bestimmte Dinge, er lasse sie zum Beispiel herabsteigen oder sich entfernen, so wird damit ausgedrückt, daß Gott sich zu sich selbst frei verhält, es wird damit aber noch nicht gesagt, daß es zwei freie göttliche Personen gäbe. Dabei lassen sich die Texte nun in zwei Gruppen einteilen: In der einen Gruppe wird die Schekhinah primär gesehen als an einem bestimmten Ort gegenwärtig (»Lokalbezug« bei GOLDBERG), in der anderen Gruppe von Texten wird sie vor allem so gesehen, wie sie bestimmten Men.~hell gegenwärtig wird (» Subjektbezug«). Doch diese Teilung darf nicht allzu streng gefaßt werden: Auch wenn die Schekhinah an einem Ort - hier kommt vor allem der Tempel in Frage - gegenwärtig ist, ist sie es um der .Men.~hen willen. Der Bezug auf einen Ort dürfte bei der Prägung des Begriffs »Schekhinah« freilich das Ursprünglichere gewesen sein. Das wird deutlich, wenn man das hebräische Wort auf seinen etymologischen Ursprung hin betrachtet: »Einwohnung«, vom Verb sakhan, welches im Alten Testament sehr oft gebraucht wird, um Gottes Gegenwart in Bundeszelt und Tempel zu bezeichnen. Erst später xpag d.ann die Bezeichnung »Schekhinah« auf diejenigen Gotteserscheinungen angewandt worden sein, bei denen die dauernde Gegenwart Gottes an einem Ort zurücktritt und wo der Hauptakzent auf seinem Erscheinen vor Menschen liegt. Wie fließend der übergang von Lokalbezug zu Subjektbezug, von »Gegenwartsschekhinah« zu »Erscheinungsschekhinah« ist, das zeigt ein Vergleich: In zwei Texten 80 wird das Erscheinen und Wohnen der Schekhinah in der Mitte der Weisen bzw. an der Seite des Richters mit genau den gleichen Ausdrücken beschrieben, mit denen in einem anderen Text 61 das Erscheinen und Wohnen der Schekhinah im Heiligtum beschrieben wird. Schon im Alten Testament waren 68 69
10
68
TT 44-47. Aus Kapitel I und 11 der Untersuchungen von GOl.DBI!RG. Die Ergebnissc GOLDBI!RGS sind hier natürlich bis zur Vereinfachung zusammengerafft, \lnd sie sind, auf Grund eines eigencn, von GOLDBI!RG zunächst un3bhängigcn überblicks übcr die Schckhinah-Tcxte, teilweise modifizicrt. TT 4S +46. 81 T 44.
ja beide Momente miteinander verbuEden 82. Gott erJcheillt den Menschen jeweils als der, der unter ihnen gegenwärtig bleiben will. Den Akzent auf die bleibende gnadenvolle Gegemvort Gottes im Volk (statt primär auf sein jeweiliges Erscheinen vor Einzelnen) gesetzt zu haben ist eine Leistung der rabbinischen Theologie. Das zeigt schon die Bildung des Begriffs »Schekhinah« überhaupt, da diesen das Alte Testament ja noch nicht kennt: Gott selbst wird gesehen als Akt des Wohnens in der Welt schlechthin 83, zugespitzt: Gott ist ganz Wohnen bei den Menschen. So kann die rabbinische Theologie die gesamte Heilsgeschichte (von Adam an) unter dem Aspekt des Wohnens Gottes bei den Menschen betrachten und mit den Ausdrücken vom Kommen, Ruhen und Weggehen der Schekhinah beschreiben 84. Das Heil der Endzeit oder der zukünftigen Weit besteht dann darin, daß Gott einst endgültig bei den Menschen wohnen und seine gnadenvolle Gegenwart nie mehr aufheben wird, wie das so oft im Auf und Ab der Heilsgeschichte geschehen war 85. Unserer Untersuchung geht es nun jedoch nicht wie der Arbeit GOLDBERGS darum, zu zeigen, welche Vorstellungen mit dem BegrifSchekhinah verbunden waren, sondern es geht uns darum, einen theologischen Sacht·crhaltaufzuzeigen: Wie das Kommen Gottes in die Welt und seine Gegenwart in der Welt von den Rabbinen als Akte aufgefaßt wurden, mit denen Gott sich aus seiner transzendenten Höhe erniedrigt und mit denen er seine transzendente Fülle beschränkt. Um diesen Sachverhalt zu schildern, gebrauchen die Rabbinen oft, aber keineswegs immer, den Begriff» Schekhinah« - in diesem Fall ist eine gewisse überschneidung unserer Texte mit den bei GOLDBERG übersetzten und besprochenen unvermeidlich. An die Texte, in denen Gott geschildert wird, wie er sich den Menschen als Diener zur Verfügung stellt, schließt sich sachlich gut eine Gruppe von Texten 66 an, in denen Gott geschildert wird nun nicht mehr als der, der sich Israel nur für einzelne Dienste hingibt, sondern als der, der sich an sein Volk für immer mit seiner eigenen Person wegschenkt, und zwar in seinem Wohnen 82 63
U
85
Vgl. das Erscheinen Gottes im Zelt (Ex 4°,34) und analog das im Tempel (I Kg 8,10 + 11). Ml'~1Ii als nomen actionis und als ))nomen unitatis« zu T~tzi: So GOI..DBERG in Kapitel I seiner Untersuchungen, nach L. GUI..KOWITSCH, Die Bildung von Abstraktbegriffen in der hebräischen Sprache, Leipzig 1931, 115 f. Neben diesem ))Erlösungszyklus« mit den Auf- und Abstiegen der Schekbinah (G I und G IoGa) gibt es freilich noch den anderen Zyklus, der eine dauernde Gegenwart Gottes bzw. der Schekhinah in der Mitte Israels kennt. Hier zieht die Schekbinah mit dem Volk ins Exil und nimmt durch diese räumliche Gegenwart an IS!"lels Leiden teil (Texte bei G I38-ISO). Beidc Zyklen sind in einem wichtigen Text in Beziehung zueinander gesetzt: bRB 3Ia (= G 10Gb). Jede Stufe, welche die Schekhinah weg von ihrer Heimat, dem Tempel, nach oben gehen mußte, entspricht dort einer Stufe, welche das Synhedrion, das Israel repräsentiert, in der Exilszeit nach unten gehen mußte. Wenn die Schekhinah den höchsten Punkt ihrer Entfernung vom Tempel erreicht hat und ihr Leid am größten geworden ist, hat Israel gleichzeitig den tiefsten Punkt des Exils erreicht. Zugleich ist dadurch die größte nur denkbare Distanz zwischen Gott und seinem Volk eingetreten, die sie beide zu durchleiden haben. An diesem »Höhepunkt« bzw. ))Tiefpunkt« des Leides kommt die Erlösung. - BM I 23 bietet einen Text, der aussagt, daß das Wohnen Gottes das Endziel des göttlichen Schöpfungsplans war, das bereits zu Anfang der Schöpfung festlag. G 309ff. 88 TT 22+23.
unter diesem Volk". In Umdeutung eines Verses des Alten Testaments sagt Gott: Nehmt mich selbst hin, damit ich unter euch wohne! Das wird dann näherhin so ausgeführt, daß Gott mit seiner Thora, mit der er innig und unzerltrennlich verbunden ist, sich selbst an Israel verschenkt e7 • Der Grund dafür 'ist schon im Alten Testament gelegt: Die Gesetzestafeln einerseits als sichtbare Darstellung der Thora und andrerseits Gott selbst sind beide zugleich im Heiligtum anwesend 6s • Sich so Israel zu eigen zu geben, das ist Gottes sehnlicher Wunsch. Deutlich kommt das darin zum Ausdruck, daß er Israel bittet, es möge 'ihn zu sich nehmen 69. Mit der Thora, seiner einzigen Tochter, hat er ja schon gewissermaßen ein Stück seiner selbst weggegeben: »Ich kann meine Tochter nicht verlassen, von ihr trennen kann ich mich nicht«67. Hier liegt der Akzent noch ganz darauf, daß sich Gott in die Verfügung des Menschen gibt. Es wird .bereits gesagt, daß er das durch sein Wohnen im Heiligtum tut, doch über die Weise dieses Kommens und Wohnens wird noch nichts Genaueres ausgesagt. Darüber sprechen erst die nun folgenden Texte 70 : Schon das Alte Testament hatte Gottes Kommen auf die Erde als »Herabsteigen ce beschrieben 71• Der Midrasch versteht nun die betreffenden Stellen des Alten Testaments ganz wörtlich im Sinn eines räumlichen Herabsteigens Gottes aus unendlicher Höhe, und er versteht gleichzeitig alle Offenbarung Gottes in der Welt als ein Herabsteigen inden Raum der Welt-auch an den Stellen, an denen die Schrift selbst nicht vom Herabsteigen Gottes spricht 72. Auch wenn Gott herabsteigt, um nach dem Turm zu Babel oder nach Sodom und Gomorrha zu sehen, wird das als eine !JIädige Herablassung gesehen: Er verläßt seine Transzendenz, um zu sehen, ob er die Sünden der Menschen noch heilen kann. So soll auch Mose, der in den Raum der Transzendenz hinaufgestiegen ist, um die Thora von dort zu holen, dieses Beispiel seines Herrn nachahmen: Er soll nicht für sich persönlich das Glück des Seins bei Gott und das seiner eigenen Schuldlosigkeit genießen, sondern er soll aus seiner Höhe herabsteigen, um sein Volk von der Sünde des Goldenen Kalbs zu erretten und ihm die Thora zu bringen 73. In diesem Zusammenhang ist bereits ein anderer Text zu nennen: Als Mose beim Empfang der Thora die letzte Stufe hinauf zu Gott nicht bewältigen kann, da führt ihn Gott zu sich selbst hinauf, indem Er in eigener Person von seinem Thron herabsteigt und sich schützend vor Mose stellt". Hier wird nun auch das Motiv für das Hinabsteigen Gottes, welches im vorher genannten Text nur verborgen da war, deutlich genannt: Gottes übergroße Liebe zu seinem Volk, das hier durch Mose repräsentiert wird 76• Die beiden Vorstellungen: Mose, der Mensch, steigt zum Empfang der Thora in den Himmel hinauf - Gott steigt, um die Thora zu geben, auf die Erde hinab, sie laufen ja sonst im Midrasch unausgeglichen nebeneinander her. Doch hier sind •• TT 22+23. 87 T 23. 86 Vgl. dazu T 48. 8D T 22. 70 TT 24-48. 71 Zum Beispiel Gen n,S + 7; 18,21; Ex 3.8. (Vgl. die in E 134 genannten Midrasch-Stellen, an denen diese Texte des AT verwendet werden). 72 T 2473 T 2S. .. T 26. 75 » Komm und sieh. wie lieb Gott die Israeliten sind I« (T 26).
sie auf eine überraschende Weise miteinander vereinigt: Damit Mose zu Gott hinaufsteigen kann, steigt dieser hinab. Gottes Liebe schützt um den Preis der eigenen Selbsterniedrigung Mose vor den zerstörerischen Engelmächten, die zwischen den Menschen und Gott stehen. Zwei weitere Theophanien sind es vor allem, die der Midrasch als ein Herabsteigen Gottes auf die Welt interpretiert: Gottes Erscheinen im Dornbusch 76 und auf dem Sinai". In den betreffenden Texten begegnet es uns dabei immer wieder, daß Gott mit seiner räumlichen Selbsterniedrigung restlos ernst macht: Er steigt »vom hohen Himmel« nicht auf irgendeinen beliebigen Punkt der Erde hinab, obwohl schon das eine qualitativ unendliche Erniedrigung wäre, sondern Doch dazu auf den jeweils niedrigsten Punkt, den er auf der Erde für seine Theophanie nur finden kann: Von den Bäumen wählt er den Dornbusch und von den Bergen den niedrigen Sinaj78. Indem er den Dornstrauch als »niedrigste Stufe« wählte - so sagt ein Text, der allerdings bereits über unser Thema hinausführt 70_, zeigte er ganz real, daß er mit Israel auf die niedrigste Stufe des Exils hinabgestiegen war und an Israels erniedrigendem Leiden im niedrigen Land Ägypten auf eine unanschauliche, aber reale Weise teilnahm. Noch eine andere Erklärung für diese Selbsterniedrigung Gottes in den Dornbusch hinab wird gegeben: Er wollte sich dem niedrigsten Menschen gleichmachen, als er zu Mose sprach, damit dieser in voller menschlicher Freiheit und nicht etwa durch die Erscheinung einer überweltlichen Majestät genötigt seine Sendung auf sich nahm 80. In den Schilderungen des Herabkommens Gottes auf den Sinai wird nun der Akzent teilweise etwas anders gesetzt: Der personifizierte Berg wird als Typus des Niedrigen und Demütigen gesehen, und eben weil er das ist, erniedrigt sich Gott zu ihm hinab 81 . Hier ist also die Selbsterniedrigung Gottes verstanden als eine Belohnung für die Selbsterniedrigung dessen, zu dem er sich erniedrigt: Wie vorher Gott alle hohen Bäume zugunsten eines Strauchs verschmäht hat, so verschmäht er jetzt die hohen und bekannten Berge Palästinas zugunsten des abgelegenen und niedrigen Sinai. Auf Grund dieses Beispiels entscheidet der Talmud die Streitfrage zweier Lehrer, ob der Mensch durch seine eigene Demut zu Gott gelange oder ob Gott selbst zum demütigen Menschen komme, dahin, daß primär Gott es sei, der sich zum demütigen Menschen hin erniedrige 8t. Das wird weiter verdeutlicht, wenn gesagt wird, daß Gott das Gebiet Benjamins, des kleinsten und demütigsten aller Brüder, auserwählt habe, um dort im Allerheiligsten zu wohnen 83. Indem Gott sich so auf eine ganz niedrige Existenz in der Welt festgelegt hat, macht er sich vom Verhalten des Menschen abhängig: Wer demütig ist, gewährt ihm einen Platz auf der Erde, wer dagegen hochmütig ist, nimmt ihm diesen Platz, vertreibt ihn selbst aus seinem Eigentum, seiner Welt 84. Die dritte Stelle neben Dornbusch und Sinai, an welcher der Midrasch ein 7. la
TI ~7-~9, 31. T 31. 83 T
77
3~'
TI 30+ 31. 71 TT ~9+ 31. 8& T 33. Vgl. dazu Jo 1,11.
71
T
~7.
10
T 28.
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T 30.
Herabsteigen Gottes in Niedrigkeit sieht, ist das Kommen Gottes ins Heiligtum hinab, um dort zu wohnen. Ein Text 85 betont hier vor allem die unendliche Distanz zwischen Gottes überweltlicher Höhe und dem armseligen Bundeszelt: Einige Maße der Himmelsräume werden genannt - doch schon sie sind so phantastisch, daß es klar wird, daß es sich dabei um bloße Bilder für etwas handelt, das letztlich nicht mit irdischen Dimensionen zu schildern ist, bis der Midrasch schließlich gleichsam erschöpft ausruft: Von den himmlischen Wesen an bis zu Gott selbst ist die Strecke ja doch völlig unberechenbar! In einem anderen Text 86 wird die gleiche Schilderung der Distanz Erde-Himmel gebracht, um zu zeigen, daß es dem frevelnden Menschen unmöglich ist, sie im Aufstieg aus eigener Kraft zu überwinden: Diese Distanz kann nur Gott selbst überbrücken, indem er aus unendlicher Liebe zu den Menschen aus seiner Transzendenz herabsteigt. Doch auch hier ist es wieder so, daß Gott nicht nur auf die Erde an sich hinabsteigt, sondern noch dazu, als Zeichen seiner äußersten Selbsterniedrigung, in ein Nomadenzelt aus Ziegenfellen. Er, der » bei seinen Kindern zu wohnen verlangt «, fordert Mose selbst auf, das Zelt in dieser Form zu errichten, und verläßt aus Liebe zu den » Unteren « die » Oberen «, seinen himmlischen Hof und all seine jenseitige Herrlichkeit 87. Nur eine Stelle 88 ist uns erhalten, an der gegen diese Theologie vom Herabsteigen Gottes auf die Erde ein deutlicher Protest erhoben wurde: R. Jose sah in dieser innigen Verbindung von Gott und Mensch wohl eine Gefahr für Gottes überweltliche Majestät, für sein Anderssein gegenüber den Menschen. Im Heiligtum war Gott ja anwesend in dem Raum oberhalb der Deckplatte der Bundeslade, und das heißt, 10 Handbreiten über dem Erdboden. Daraus entnahm R. Jose: Wirklich auf die Erde, auf den Erdboden, ist Gott niemals herabgekommen. Diese Vorstellung übertrug er dann auf den Sinai: Auch hier blieb Gott in einer Distanz von 10 Handbreiten über dem Erdboden. Das wiederum wurde offenbar so verstanden, daß Gott zwischen sich und die Erde eine Art Himmelsteppich legte 89. Umgekehrt schließlich seien Mose und Elia let".ltlich nie zu Gott in dessen Transzendenz aufgestiegen, sondern zwischen .ihnen und Gottes eigentlichem Bereich habe immer noch.eine nie überwUndene letzte Distanz von 10 Handbreiten gelegen. Wie klein diese Distanz auch sein mag, sie ist von unendlicher Qualität: Gott und Mensch kommen nie völlig zusammen 90. Gerade diese Auffassung R. Joses kann dazu verhelfen, die Be.deutung und die Tiefe der anderen Aussagen zu erkennen, in denen geschildert 85
89 80
T H. B8 E 179. 87 T H. 88 TT 36 A-C. T 36 B (I. Abschnitt) + T 36 C. Es ist interessant, wie der Gegensatz von »mystischem« Judentum, welches Himmel und Erde zusammenkommen sieht, und »orthodoxem« Judentum, das eine letzte Distanz zwischen beiden gewahrt wissen möchte, im 19.Jahrhundert sich noch einmal darstellt in einer Begegnung von Cbassidismus und Misnagdim: Der strenge litauische Misnaged in J. L. PE\U!Z' Erzählung »Wenn nicht noch höher« (in: Jiddische Erzählungen in der übersetzung von A. ELIASBEllG, Bremen 196,., "48-,.S,.) weist »aus dem Talmud « (offenbar aus der von uns als T 36 A übersetzten Stelle) nach, daß »selbst Mose bei Lebzeiten kein einziges Mal in den Himmel kam, sondern stets zchn Handbreiten unter dem Himmel zurückblieb! «. So könne auch der chassidische Rabbi in den zchn Bußtagen nicht allmorgcndlich
wird, wie Gott selbst die unendliche Distanz zwischen sich und den Menschen vorbehaltlos aufhebt, um in inniger Gemeinschaft ganz bei ihnen zu wohnen. Wenn Gott in den Raum der Welt eingeht, so bedeutet das jedoch nicht nur ein Herabkommen aus unendlicher Höhe, sondern zugleich eine räumliche Selbstbeschränkung auf einen bestimmten Ort, von dem aus er sich den Menschen offenbart. Wie für die räumliche Selbsterniedrigung, so ist auch für die räumliche Selbstbeschränkung Gottes das Allerheiligste des Zeltes (später des Tempels) der bevorzugte Ort nl • Und auch hier geht es Gott nicht nur um eine Selbstbeschränkung an sich, sondern er begnügt sich, wie schon bei der Selbsterniedrigung, mit einem Minimum: mit dem Platz zwischen den Stangen der Bundeslade im Allerheiligsten. Der Midrasch wird nicht müde, das Wunder zu befonen, daß Er, dessen Herrlichkeit Himmel und Erde füllt, Er, den letztlich weder Himmel noch Erde fassen können, sich selbst auf einen so kleinen Raum »zusammendrängt«92 und »beschränkt«93. Dabei wird in einem Midrasch 94 gesagt, daß sich Gott, abgesehen von seiner Selbstbeschränkung an sich, in der Wüstenzeit noch den besonders engen Dimensionen des Zeltes anpassen mußte und erst im Tempel den Raum bekam, auf den er seine Selbstbeschränkung gewissermaßen eingerichtet hatte. Wir haben hier also eine dreifache Stufung: die Selbstbeschränkung Gottes auf einen Raum an sich, die Beschränkung auf den Raum zwischen den Stangen der Lade, die Beschränkung auf die Dimensionen, die dieser Raum im Wüstenzelt hatte. Ein anderer Midrasch 95 sieht gerade in dieser letzten Stufe der Selbstbeschränkung Gottes und Israels auf den geringen Raum des Zeltes die größte Liebe zwischen beiden verwirklicht. Der Tempel mit seinen größeren Dimensionen zeigt ein Erkalten dieser Liebe an, bis schließlich die Tempelzerstörung das Zeichen dafür ist, daß Gott und Mensch ganz» auseinandergeraten « sind und überhaupt keinen gemeinsamen Raum mehr haben, in dem sie sich finden könnten. Wie das Heiligtum, so ist auch der Dornbusch nicht nur Ort der Selbsterniedrigung, sondern auch Ort der Selbstbeschränkung Gottes 96 . Auch hier kann man wieder eine dreifache Stufung wahrnehmen: Gottes Beschränkung an sich, seine Beschränkung auf den Busch, seine Beschränkung auf das fingergroße »Herz« des Busches. Darin erblickt der Midrasch sogar eine Steigerung über die Selbstbeschränkung zwischen den Stangen der Lade hinaus: Gott beschränkt sich im Dornbusch auf einen noch kleineren Raum als im Zelt. Auch in dem Vorgang, daß Gott mit Hiob »aus der Sturmwolke heraus« spricht (Hiob 38, I), sehen die Rabbinen eine Selbstbeschränkung Gottes analog zu der im Dornbusch 97: Der Gott, den Himmel und Erde nicht umgreifen können
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91 •3
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in den Himmel aufsteigen, wie seine Anhänger glaubten. Der Misnaged spürt nun dem »Rebben« nach, um zu sehen, was er in der fraglichen Zeit tut, und stellt dabei fest, daß der Rebbe jeden Morgen heimlich einer kranken Witwe hilft. Er wird Anhänger des Chassidismus, und wenn man nun vor ihm sagte, der Rebbe sei während der Bußtage all morgendlich im Hilnmc\, so bestritt er es nicht mehr, sondern »fügte still hinzu: \X/~nn nicht noch höher!«. TT H+38, 40-44, 47+48. •• T H . Dieser Ausdruck findet sich in TT 39, 41, 44+~1.
o. T 42.
9S
T 43.
•• T 38.
01
T 39.
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und der für das Suchen des Menschen unfaßlich bleibt, offenbart sich, indem er sich selbst auf einen Raum beim Menschen beschränkt: auf die Sturmwolke, ja, auf den Raum über dem Haupt dieses Menschen selbst B8. Er, den der Mensch verzweifelt in der Weite der vier Himmelsrichtungen suchte, wird ihm plötzlich ganz nah. Doch wie sich für R. Jose bei der räumlichen Selbsterniedrigung die Frage gestellt hatte, ob damit nicht Gottes Majestät angetastet werde, so stellte sich für andere Rabbinen die Frage, ob mit der Selbstbeschränkung Gottes auf einen Raum im Allerheiligsten nicht die in der Schrift so ausdrücklich bezeugte Wahrheit geleugnet werde, daß Gott »Himmel und Erde füllt«9B. In der Form, eines Gleichnisses fand man eine Lösung: Gott füllt das Allerheiligste so, wie das Meer eine an seinem Ufer gelegene Höhle füllt - beide verlieren durch das Erfüllen eines sehr kleinen Raumes nichts von ihrer unendlichen Fülle. Diese Lösung ist weniger radikal als die analoge R. J oses, doch ist sie auch schwächer in der Argumentation; denn letztlich vermag sie nicht zu erklären, worin nun das Besondere der Anwesenheit Gottes im Zelt und im Tempel besteht 1oo• Im Anschluß daran begegnet außerdem die Vorstellung, daß Gott sich nicht auf den Raum über der Lade, sondern auf den Raum in der Lade beschränkt habe 101 • Noch später findet sich dafür folgende Vorstellung: Gott beschränkt zwar sich selbst auf den Raum über der Lade, doch seine Thora, die als sein geoffenbarter Wille ebenfalls unendliche Dimensionen hat, beschränkt er in die Lade. In einer weiteren Gruppe von Texten 102 treten schließlich räumliche Selbsterniedrigung und Selbstbeschränkung Gottes in gleich starker Weise hervor, sie werden gewissermaßen als ein einziges Wunder zusammen gesehen: Obwohl Mose nur armselige irdische Materialien zur Verfügung hat, um das Zelt zu erstellen, ereignet sich doch jenes Wunder, daß Gott aus seiner transzendenten Höhe herabsteigt, sich selbst beschränkt und mit seiner Herrlichkeit diese dürftigen Materialien, die ein Nichts sind gegenüber seiner Wohnung im Himmel, verklärt103• Doch das Wunder hat sich nicht nur in der fernen Heilszeit der Wüstenwanderung vollzogen, sondern vollzieht sich noch immer in der Gegenwart der Rabbinen, wenn Gott herabsteigt und §eine Schekhinah auf den Raum zwischen den Weisen, welche den sakralen Kalender festsetzen, beschränkt104• Ja, dieses Wunder ereignet sich im täglichen Leben: Sooft ein Richter ein gerechtes Urteil spricht, ist Gott herabgestiegen und ist nun unsichtbar neben diesem Menschen gegenwärtig 10ö• Es bleibt noch eine letzte Überlieferung zu betrachten108 : Jede Auslöse-Summe für einen Menschen bleibt gegenüber Gott, dem der Mensch ja gehört, unzureichend - und doch begnügt sich Gott beim Volk Israel mit jeweils einer kleinen Münze. Jedes kultische Opfer ist gegenüber Gott, dem doch die ganze Welt 88 100
lot
74
T 40. 88 T 41. Genausowenig wie die bald aufgegebene lutherische Ubiquitätslehre (Christus als Gott ist überall, also ist er auch unter den Gestalten der Abendmahlsgaben) das Spezifische der eucharistischen Gegenwart erklären konnte. T 48. 101 TI 44-46. 10a T 44. 10& T 45. 105 T 46. 101 TT 47 A-C.
gehört, ein Nichts - und doch begnügt sich Gott gegenüber Israel mit zwei Lämmern am Tag. Er fordert eben nicht seinem eigentlichen, letztlich unendlichen Bedürfnis entsprechend, sondern der Kraft der Menschen entsprechend, ja, nicht einmal diese will er in seiner Güte voll beanspruchen. Das war schon in dem anderen Midrasch deutlich geworden, wo Gott sich mit Moses irdischen Materialien für den Zeltbau zufriedengibt. So entspricht auch in unserem letzten Text das Heiligtum, das Israel für Gott baut, eigentlich nicht den Bedürfnissen Seines Wohnens, da er so groß wie Himmel und Erde ist, ja größer als sie - und doch will Gott sich dem anpassen, was das beschränkte Vermögen des Menschen zu schaffen vermag 107 : Er kommt und wohnt in diesem kleinen Zelt. So bringt gerade diese letzte überlieferung die Dialektik, welche in den vorangegangenen Texten so oft begegnete, noch einmal deutlich zum Ausdruck: Der Mensch versucht, Gottes überweltlicher Größe zu entsprechen, und vermag es nicht - doch Gott läßt sich gnadenvoll auf die begrenzten und armseligen Dimensionen des Menschen ein. Israels Antwort auf dieses gnadenvolle Erscheinen Gottes lautet: » Sieh, das ist die Stunde, wo wir in Freuden Opfer darbringen wollen, da die Schekhinah unter uns ruht«lo8. 101 Zu diesem Thema der Anpassung Gottes an die Welt sollen noch zwei Vorstellungen der rabbinischen Theologie erwähnt werden, die nicht leicht einzuordnen sind und die genauer zu untersuchen den Rahmen unserer Arbeit überschreiten würde: I. Gott studiert und befolgt in eigener Person die Gebote der Thora. (Quellennachweise finden sich bei F. WEBER, System der altsynagogalen palästinischen Theologie, Leipzig 1880, IH. - WEBER wertet die Anthropomorphismen der rabbinischen Theologie allerdings rein negativ, aus der Tendenz heraus, möglichst alle Erscheinungen dieser Theologie von einem negativen Gesetzesbegriffher zu erklären. Dieser Tendenz können wir nicht folgen). z. Gott unterwirft sich freiwillig in einer bestimmten Entscheidung dem Urteil Israels. (Quellentexte daftir zum Beispiel in jRH 81 c / PR 67 b + 78 a / rEx 11,3° / TB Bo I Z + 13 / gEx 168f. Weitere Nachweise bei WEBER Inf.). 108 T 47 A (Ende).
2. KAPITEL
Entstehungsgeschichte der Texte Eine historische Einordnung der Texte, die von der Selbsterniedrigung Gottes handeln, stößt auf die Schwierigkeiten, auf die man bei rabbinischen Texten immer stoßen wird: Ein großer Teil des Traditionsstoffes, besonders in der Haggadah, wird anonym überliefert, kann also zeitlich nicht genau bestimmt werden. Dabei mögen gerade bei diesen Texten sehr frühe Stücke zu finden sein. Eine Einordnung nach dem Alter des Kontextes, das heißt nach dem Alter des jeweiligen Midraschwerks, ist kaum möglich, da die Zeit der Redaktion vor allem bei den späteren Midraschim völlig unsicher ist außerdem kann ein an sich frühes Midraschwerk einen später eingefügten späten Text enthalten, und umgekehrt. Bei den Texten jedoch, die unter dem Namen eines bestimmten Rabbinen überliefert sind 1, ist nun keineswegs letzte Klarheit über die Entstehungszeit des betreffenden Textes gegeben: Der R.abbine kann ja eine frühere Tradition aufgegriffen haben, und nun wird sie unter seinem Namen überliefert. Dazu kommt oft noch eine Unsicherheit in der textlichen überlieferung dieser Autorennamen, wenn die einzelnen Handschriften und Rezensionen eines Textes verschiedene Lesarten bieten. Schließlich bleibt zu bedenken, daß uns trotz der großen Fülle der erhaltenen rabbinischen Literatur heute sicher nur noch ein Bruchteil dessen vorliegt, was jemals in der Haggadah vorgetragen wurde. Gerade bei unserem Thema mit seinen für jüdisches Glaubensempfinden oft so gewagten Aussagen mögen allzu »gefährlich« erscheinende Texte bei der Redaktion der Midraschwerke manchmal weggelassen worden sein. Für einen vollständigen historischen überblick müßte ferner noch das targumische Material beigezogen werden, auf das sich unsere Untersuchung nicht erstreckt und das zeitlich einzuordnen fast unüberwindliche Schwierigkeiten bietet. Von all diesen Voraussetzungen her gesehen wird es klar, daß ein kurzer historischer überblick über die Entstehung unserer Texte nur fragmentarisch sein kann und mit Vermutungen arbeiten muß2. Immerhin können wir zum Schluß dieses überblicks doch einige Ergebnisse zusammenfassen, die einigermaßen gesichert sind. Für die Texte, in denen alttestamentliche Stellen über Größe und» Niedrigkeit« Gottes zusammengestellt werden, haben wir eine ziemlich sichere Zeitbestimmung: Von R. Jol:].anan, der im 3. Jahrhundert in Palästina lebte, wird eine Sammlung von drei Stellen überliefert 3, die dann von seinem Schüler R.. Ele'azar b. Pedath zu einer Siebenzahl ausgebaut wurde 4• Die Deutung von Ps 138,6 in dieser Richtung, wie sie im Talmud vorliegt 5, muß in 1
Dazu das Register der rabbinischen Autoren S.
121.
i Sehr viele von unseren Texten liegen in mehreren parallelen, teilweise weit auseinandergehenden
3
Versionen vor. Um das Bild des nun folgenden überblicks nicht zu sehr Zu verwirren, ist das Verhältnis der Parallel texte zum jeweils übersetzten Text bereits vorher in den Erläuterungen zu den übersetzten Texten bC$prochen. T I. • T 3. 5 T 2.
ihrem Grundstock mindestens auf R. Ele'azars Zeit zurückgehen, da sie bereits in seiner siebenteiligen Anthologie auftaucht. In ihrer heutigen Fortn mag sie später sein; die überlieferung des Autorennamens ist hier zu unsicher, um noch Genaueres sagen zu können 6. Wenn wir nun zu den Stellen kommen, in denen gezeigt wird, wie Gott auf seine Ehre verzichtet, so wird klar, daß die Blütezeit dieser Interpretation im Palästina des 3. und 4.Jahrhunderts lag: Von den 7 in einer Anthologie 7 genannten Autoren ist nur einer zeitlich nicht näher bestimmbar 8, ~ jedoch sind auf die Zeit von etwa 2.'0 n.Chr. bis etwa 370 n.Chr. zu datieren 9. Dazu kommt noch aus anderem Zusammenhang eine ähnliche Deutung 10, die einem palä§tinischen Gelehrten des 3. Jahrhunderts zugeschrieben wird. Bemerkenswert ist jedoch, daß die Tradition von der Selbsterniedrigung Gottes durch seinen Verzicht auf Ehre auf eine viel frühere Zeit zurückzugehen scheint: Als siebte Deutung erscheint in der genannten Anthologie ein Text unter R. Sim'on b. 'Azzajs NamenIl. Da dieser Text an verschiedenen Stellen mit beträchtlich voneinander abweichenden Lesarten, aber immer gleichbleibendem Autorennamen überliefert ist, dürfte R. Sim'on b. 'Azzaj wirklich der Urheber dieser Deutungstradition sein, die damit an die Wende des I. zum 2.Jahrhundert zurückzuführen ist. Ein weiterer, anonymer, Text 12 gebraucht für seine Deutung ein Beispiel aus dem politischen Leben und verwendet dabei lateinische, nicht griechische Fachausdrücke. Auch er könnte noch aus ziemlich früher Zeit stammen, als diese Wörter in Palästina noch verstanden wurden, das heißt, als lateinisch-römische Zivilisation noch das Land beherrschte. Der Text von der Bevorzugung Abrahams vor dem Messias (bei gleichzeitiger Selbsterniedrigung Gottes) ist von R. I;:lama b. I;:lanina aus dem Palästina des 3.Jahrhunderts überliefert13• Hier kann der Abwehrkampf gegen das mit Macht sich ausbreitende Christentum eine Rolle gespielt haben. Der gleiche Autor hat auch Gott selbst eine Reihe von »Werken der leiblichen Barmherzigkeit« ausführen lassen 14, und diese Deutung erscheint dann später im J alqut anonym in der Anthologie unter dem Stichwort »Selbsterniedrigung Gottes «15. Wann der Text der Aggadath Beresith 16, der vom Sitzen Gottes und Abrahams handelt, entstanden ist, ist unklar: von dem Text in MTh, der vom Sitzen Gottes und Abrahams handelt, ist er jedenfalls völlig unabhängig. In der Aggadath Beresith finden wir auch die Deutung vom Stehen Gottes über Abraham anonym und sehr breit ausgestaltet wieder, die in der oben genannten Anthologie unter R. Simons (um 2.80) Namen erschien 17 • Gerade diese Ausgestaltung bietet im Vergleich mit der ursprünglichen kurzen • EE 9+10. 1 T 4. vgl. auch die Parr. in E 18. aT 4 I: R. Abba b. Al;la. • T 4 I-VI. 1. T 10 (hier karm es sieh umR.HoSa'jaI oder II handeln. Ocr eine lebte in der ersten, der andere in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts). 11 T 4 VII = T s. Vgl. auch den TW-Tcxt in E 31. 18 T 6. 13 T 7. 14 Vgl. E so. 1& T 9. 11 T 8. 17 E z7.
77
Deutung ein gutes Beispiel dafür, daß der späteste Text theologisch gesehen keineswegs der schlechtcstc sein muß, sondern daß er oft die ursprüngliche Intention verstanden und mit einer Fülle anderer Deutungen vertieft haben k'ann. Die nächste Gruppe von Texten 18 - mit dem Thema: Gott macht sich zum Diener der Menschen -läßt sich in ihrem Ursprung ebenfalls auf die Wende vom I. zum 2.. Jahrhundert zurückführen: R. Jose dem Galiläer wird die Deutung des Vorausziehens Gottes in der Feuerwolke als Dienst zugeschrieben: die »Urstelle« für alle weiteren Deutungen, die vom Dienst Gottes an den Menschen sprechen 19 • Diese Deutung stellt zugleich ein Bindeglied zur vorhergehenden Textgruppe dar, denn das Vorausgehen in der Feuerwolke wurde nicht nur unter dem Aspekt des Dienstes (Leuchten für Israel), sondern spätestens im Palästina des 3. Jahrhunderts und im Babylonien des 4. Jahrhunderts auch unter dem Aspekt des Verzichts auf Ehre (Gott geht voraHs) gesehen 20. Ein anderer Text 21 verband die Deutung R. Joses des Galiläers mit dem sehr alten Midrasch von der Belohnung, die Israel für Abrahams Dienste an Gott erhielt. Ein weiterer Text Z2 hat dann die Deutung R. Joses des G.l.liläers durch eine legendenhafte Schilderung erweitert, jedenfalls noch in früher Zeit. Später begegnet man dann einer Erweiterung der Sklavendienste Gottes für Israel, zunächst auf drei Dienstleistungen: Leuchten mit der Feuerwolke, Bereiten des Quartiers, Speisung mit Manna 23. Vorstufen zu der Deutung des Vorausziehens der Lade als Bereiten des Quartiers für Israel begegnen freilich schon in früheren Midraschim, davon ist ein Text auf die erste Hälfte des 2.~Jahrhunderts datiert, indem R. ~im'on b. Jo~aj als Autor genannt wirdu. Noch später begegnet, in vielen Ausformungen, eine Erweiterung dieses Midraschs bis auf acht verschiedene Dienstleistungen, die Gott für Israel V'errichtet 25 . Von ihnen ist das Getragenwerden Israels durch Gott offenbar als besonders wichtig angesehen worden: dieser Zug wurde um die Wende des 3. zum 4.Jahrhundert ausgestaltet 26 . Eine andere späte Ko.mposition21 deutet dieses Tragen darauf, daß Gott Israel trotz seiner Unreinheit trägt. Hier lassen sich als an einem charakteristischen Beispiel die alten Elemente zeigen, aus denen sich ein solch später Text aufbaut: ein Mischna-Zitat, die Deutung eines frühen Tannaiten (R. Eli'ezer, um 90) und eine sehr früh verbreitete Vorstellung (schon in SNum § I und § 161 hervortretend), daß Gott bei Israel trotz dessen Unreinheit sei. In SDt begegnen wir dann in einem sicher frühen Text 28 - seine Eingangsformel hat sich auch noch in dem späteren Midrasch von den drei Dienstleistungen Gottes erhalten 29 - der Vorstellung, daß Gott Israel auch im Bereich der Natur dient, und diese Vorstellung weitet sich im folgenden Kontext (Erzählung vom Gastmahl R. Gamaliels 11.)30 sogleich aus zu der Anschauung: Gott ist mit seinen natürlichen Segnungen Diener aller Menschen. Diese Deutung R. $adoqs stammt noch aus dem I. Jahrhundert, 18 TI 11-11. 18 T 11. 20 E 61. 21 Tu. .. T 13. 23 T IS. 26 T 17. 27 T 18. 'B T 14. .. T IS. .0 T 19 A (+B+C).
.. E 81.
26 T 16.
sie wird wahrscheinlich (im Rahmen der ganzen Erzählung) von einem Tannaiten des 2. Jahrhunderts (R. Ji~J:!a{I)31 überliefertu. Daß Gott nicht nur in der Natur Diener der Guten und Bösen zugleich wird, sondern auch in der Geschichte sich selbst gewissermaßen zum Diener der Bösen macht, um seinen Heilsplan durchzuführen - diese Vorstellung begegnet erst später 33 ; bei einem Gelehrten des 3. Jahrhunderts (hier hat der Text eine Vorstufe in einem frühen Midraschwerk)34 und in einem anonymen Text eines späten Midraschwerks 35• Die nun folgenden Texte, in denen von der Selbsthingabe Gottes an Israel im Anschluß an eine Umdeutung von Ex 21, 2 die Rede ist, könnten in ihrer heutigen Form ihren Ursprung im Palästina des 3. und 4. Jahrhunderts haben doch ist hier die überlieferung der Autorennamen nicht eindeutig. Ein kürzerer Text, wie er uns in TB und rLv begegnet 38, ist später (in rEx)37 offensichtlich durch eines der beliebten Gleichnisse, vielleicht für die Predigt, stark ausgemalt worden. Das Thema der nun folgenden Texte; Gottes Herabsteigen vom Himmel auf die Erde, läßt sich bis in die früheste Epoche der uns überlieferten Haggadah zurückverfolgen; Schon in den frühesten Midraschim werden die zehn» Herablassungen« Gottes ganz anonym als selbstverständliches Gemeingut der Tradition erwähnt38. Auch wehrt sich bereits R. Jose ha-Gelili um die Mitte des 2. Jahrhunderts gegen die Vorstellung, die Schekhinah sei (auf den Sinai) hinabgestiegen, als gegen eine anonyme Anschauung 39 . Drei Orte, auf die Gott hinabgestiegen ist, haben die Rabbinen vor allem beschäftigt: Dornbusch, Sinai und Heiligtum. Die Dornbusch-Deutung ist uns von zwei Tannaiten des r.Jahrhunderts überliefert 4o, auch im 3.Jahrhundert war sie noch lebendig 41 • In einem späteren Midraschwerk 42 erscheint dann diese Dornbusch-Deutung wieder, nun in Richtung auf die Niedrigkeitstheologie interpretiert, wie sie uns in der ersten Gruppe unserer Texte begegnete. Für die Sinai-Deutung haben wir für die frühe Zeit nur R. Joses des Galiläers indirektes Zeugnis 43 , eine anonyme Tradition der beiden Mekhilthas" und vielleicht das Targum 45 . In späteren Werken (BabyloIuscher Talmud und PR)48 erscheint sie als selbstverständlich. R. Joseph (4.Jahrhundert, Babylonien) hat sie dann mit der Dornbusch-Deutung vereinigt 47 . Die SinaiDeutung wurde wie die Dornbusch-Deutung später ebenfalls auf die Niedrigkeitstheologie hin bearbeitet 48. Wie eng diese Theologie und die Vorstellung vom Kommen Gottes in die Welt zusammenhängen, zeigt ein anonymer, wohl tannaitischer, Text 49 : Der Niedrige läßt die Schekhinah auf Erden wohnen, der Hochmütige vertreibt sie. Besonders R. I;Iisda (um 300, Babylonien) scheint die Anschauung vertreten zu haben, daß Gott real auf Erden bei dem 31
82
S. T 19 B. Diese Deutung ist noch spät lebendig: E
107.
18T:Lo. "EU3. S&Tu. "Tu. S7T:L3. «0 TT :L7+ :L8. «1 T :L9. 62 E 146. ca T 36 A-C. 48 TT 30 +31. 47 T 31. U EIn d. 49 T 33.
S8 E 134. u T 36 B+C.
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T 36 A-C. E 157 c.
«5
79
Demütigen weile 60. In dieser Richtung liegt auch die wohl frühere anonyme Deutung aus SDt: Gott wohnt im Tempel bei Benjamin, dem kleinsten aller Söhne Jakobs 61 • Das Herabsteigen Gottes aus unendlicher Entfernung in ein ~rmseliges Zelt schildern zwei Midraschim 62, die in ihrer jetzigen Form spät ~ind, aber inhaltlich sicher auf frühere Traditionen zurückgreifen 63 • Schließlich sind noch zwei Deutungen von Abstiegen Gottes zu nennen: Erstens Gottes Herabsteigen zur Zeit der Flut und des Turmbaus - das geht sicher auf den alten Midrasch von den zehn Abstiegen Gottes zurück, in dem diese beiden Fälle immer mitgenannt werden; es erscheint in seiner heutigen Form freilich als Schöpfung erst des 4. Jahrhunderts 64, Die zweite Deutung 66 zeigt Gott. wie er innerhalb der himmlischen Räume von seinem Thron herabsteigt - diese anonyme Deutung hat nichts mit den zehn Abstiegen zu tun, sondern hat :Berührung mit den Spekulationen über die Himmelsräume, die zeitlich schwer einzuordnen sind. Es bleibt nun noch die letzte Gruppe von Texten (mit dem Thema der Selbstbeschränkung Gottes) zu betrachten. Hier scheint die Ausgangsstelle eine Deutung des Wohnens Gottes im Bundeszelt auf der Bundeslade gewesen zu sein66 , Schon die früheste Haggadah (R. CAqiba, R. Simcon b. CAzzaj, R. MeIr) wurde auf dieses Geheimnis des Wohnens Gottes im Zelt aufmerksam und interpretierte es bald als ein» Sich-Zusammendrängen« Gottes 67. Der Ausdruck »sich selbst beschränken« (C3~3) dagegen taucht, auf Gott bezogen, erst am Anfang des 4. Jahrhunderts in Palästina auf, dann freilich schon in einer festen Zusammenstellung: Gott verläßt seinen »Senat« im Himmel, steigt auf die Erde herab und beschränkt sich selbst im Bundeszelt 68 , Das wird dann in der gleichen Zeit 69 analog auch von Gottes Gegenwart bei den Weisen und in einem späteren Text von seiner Gegenwart beim Richter ausgesagt 80• Die Vorstellung, daß Gott sich in der Lade, nicht auf der Lade, räumlich selbst beschränkt, ist nur in anonymen, wohl späten Texten nachweisbar 61 • Daß sich Gott im Dornbusch, in der Sturmwolke, auf dem Raum über dem }Iaupt eines Menschen räumlich selbst eingeschränkt habe, ja, daß er sich auf jeden beliebigen Raum einschränken könne, das sind Deutungen, deren Ursprünge nicht mehr sicher zu datieren sind 82. Zu datieren sind jedoch drei andere Anschauungen: das Höhlengleichnis R, Levis (Gott verliert im Zelt nichts von seiner transzendenten Fülle)63, die gegensätzliche Anschauung R. Jehudas vom Sich-Zusammendrängen der Schekhinah im Zelt 84 und schließlich die Konzeption R, Hunas: je enger der 50 T 31 (vgl. auch E 16o), E 172. T 3" &I TT34+31. &3 S. EE 178+179. M T 25. Vgl. auch E 136. u T .6. IG TT 37 +40. n R. Sim'on b. 'Azzaj in T 37. 5& T 44. 19 T 45. 80 T 46.
11
80
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T 41 Ende, T 48.
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TT 38-4°'
83
T 41.
"' T 42,
Raum für Gott (und den Menschen), desto enger die Liebe zwischen beiden 85, Alle drei Deutungen wurden um die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert vorgetragen, die ersten beiden gegensätzlichen in Palästina, die dritte in Babylonien. Zuletzt ist noch die Deutungstradition zu nennen, die vom Eingehen Gottes auf das, was der Mensch für ihn zu leisten vermag, handelt: Sie stammt aus dem Palästina des 3.Jahrhunderts (R. JoJ:tanan und R. Levi) und scheint sich großer Beliebtheit erfreut zu haben, da sie in verschiedenen Formen von verschiedenen Schülern dieser Lehrer überliefert ist 86 • Die Komposition, mit der wir unsere Texte abschließen 67, ist anonym, sehr au~ührlich und wohl sehr spät. Sie zeigt aber gut, wie gerade ein solch später Text die ältesten Traditionen bewahren, sie ausgestalten und vertiefen kann, ohne deswegen die ursprünglichen Intentionen zu verfälschen. Als Ergebnis dieser kurzen entwicklungsgeschichtlichen Untersuchung läßt sich zusammenfassen: Der Verzicht Gottes auf seine Ehre in der Welt, Gottes erniedrigende Dienstleistung am Menschen, Gottes räumlich vorgestelltes Herabsteigen auf einen niedrigen Ort der Erde und seine Selbstbeschränkung auf einen kleinen Raum in der Welt - diese grundlegenden Themen der von uns übersetzten und besprochenen Texte lassen sich alle bis in diejenige Epoche zurückverfolgen, in der die Haggadah fdr uns zum ersten Male in einem weiteren Umfang in Erscheinung tritt, nämlich bis an die Wende vom 1. zum z. nachchristlichen Jahrhundert. In den drei folgenden Jahrhunderten, die wir vor allem betrachteten, sind diese Themen dann mit wechselnden Akzenten reich ausgestaltet und teilweise miteinander verknüpft worden. Das geschah vor allem in Palästina, doch lassen sich alle Themen in schwächeren Spuren auch bei den Gelehrten Babyloniens nachweisen. 86
TH.
88
T 44+47.
87
T 48.
3.
KAPITEL
Exkurs: Aussagen über das Leiden Gottes mit Israel in der rabbinischen Literatur. Den Ruf ei/lu Val.rJ hör i,h im W'ald, Er Juchl reine Kind", Jehl Sthrei ",eilhili hallI, »KiI/d", ath Kinder, "'0 Jeid ihr g""U
Die bisher übersetzten und besprochenen Aussagen der rabbinischen Literatur handelten fast ausschließlich von der Selbsterniedrigung Gottes, wie sie abgesehen von Israels Schuld und Strafe in der Geschichte vorkam. Doch nun gibt es in der rabbinischen Theologie noch einen anderen Bereich von Aussagen, welcher sich an die bisher besprochenen Texte unmittelbar anschließt und welcher ihre Aussagen noch vertieft: Gott geht nicht nur auf die Situation des beschränkten Geschöpfs ein, indem er sich selbst erniedrigt und sich selbst beschränkt, sondern er geht sogar auf die Situation des schuldigen und leidenden Geschöpfs ein, indem er an dessen Strafleiden - das er doch selbst verhängen muß - in einer kaum anschaulich vorzustellenden und doch ganz realen Weise teilnimmt. Dabei ist dieses Mit-Leiden Gottes nicht nur als psychisches Mitleid, das sich in »seelischem« Schmerz, in Trauer und Klage äußerte-, verstanden, sondern es wird so verstanden, daß Gottes ganze Existenz mit Israel im Leid ist 3• Da ein größerer überblick über diese Aussagen vom Leiden Gottes in der rabbinischen Theologie bisher kaum vorliegt, soll hier in dem Umfang, der uns durch unsere Arbeit geboten ist, der Gehalt der wichtigsten derartigen Texte aufgezeigt werden. Dabei soll deutlich werden, wie diese Aussagen von der Erniedrigung Gottes ins Leid hinein die bisher behandelten Aussagen von der Erniedrigung Gottes in die Welt hinein jeweils weiterführen und vertiefen': Dieser Text, in dem der Vater Gott bezeichnet und die Kinder das Volk Ismel, handelt vom Exil Gottes und Israels. Er stellt die freie Übertragung (aus dem jiddischen Original) der ersten 6 Zeilen ·eines Liedes dar, das R.Arje Löb von Spola, dem sogenannten »Spoler Sejde (Großvater)« (gestorben 18n) zugeschrieben wird. (Der Text ist entnommen dem Umschlag der Schallplatte: Nigune Chabad, Mas. 3, Prod. by Hed-Arzi-Ltd., Israel o.J.) • Für dieses Thema liegen mir etwa 55 verschiedene Texte (teilweise mit Paralleltexten) vor. S Wie real diese Teilnahme Gottes am Leiden seines Volkes vorgestellt wird, das zeigt ein Vergleich .mit den Texten, die davon sprechen, daß MenJehen am Leiden Israels freiwillig teilnehmen: Mose (TW Chuqqath 10 - MJ, Amaleq,l - MS uuu Ex 17, u - sTE Pereq I), die Urväter (PR 174b), Hesekiel (pR 93 a). Für das Mit-Leiden Gottes mit Israel werden genau die gleichen Ausdrücke verwendet, wie sie in diesen Texten vom freiwilligen Mit-Leiden einzelner Menschen mit ihrem Volk gebraucht 'WC.\'den. , Im Folgenden werden angesichts der großen Fülle der Texte nur die wichtigsten besprochen und in den Anmerkungen als Belege genannt. Von den Parallelen, die fast jeder Text hat, ist in den Anmerkungen fast immer abgesehen. 1
Während in unseren bisherigen Texten davon gesprochen wurde, wie Gott freudig auf seine Ehre verzichtet vor Menschen, welche wohl bereit wären, ihm diese Ehre zu erweisen - Abraham, Mose, Hesekiel 5 -, zeigt nun ein Texte Gott, wie er vor der Situation steht, daß Israel ins Exil geführt wird und daß er als Gott dieses Volkes vor den Völkern der Alten Welt als schwach und kraftlos dasteht, weil er seinem eigenen Volk nicht zu helfen vermöge. Da er selbst kommt und »an den Türen der Völker der Welt horcht«, hört er seine Ehre geschmäht. Gewissermaßen vor Kummer gealtert ruft er aus: »Ehre wäre mir geblieben, wenn ich mich mit diesem Volk (Israel) nicht so eng verbunden hätte!« Er selbst weint darüber, daß er »zum Spott für die Heiden und zum Gelächter für die Menschen« geworden ist? Weiter finden unsere Aussagen, daß sich Gott selbst vor den Menschen »demütigt«, eine Vertiefung in der AussageS, daß die Sünder Gott selbst »Erniedrigung« - im Zusammenhang mit dem Exil Israels - zuziehen. Wichtig ist, daß diese Auslegung des Verses Jes 5, I 5: »Gebeugt wird der Mensch und gedemütigt der Mann« auf Gott selbst hin damit begründet wird, daß Gott von der Schrift selbst 9 »Mann« genannt werde 1o• In einem übersetzten Text l l wurde Gottes erniedrigender Dienst an Israel in der Wüste damit begründet, daß Gott gewissermaßen Israels »Verwandter« sei. Nun aber wird (teilweise mit den gleichen Schriftversen als Belegen) in anderen Texten 12 betont, daß Gott sich zu den Israeliten als Verwandten nicht nur in ihren glücklichen Zeiten bekannt habe, sondern daß er sie auch als seine »armen Verwandten« und als seine Verwandten im Gefängnis (Ägypten) angenommen habe, ohne Rücksicht darauf, ob sein eigenes Ansehen darunter leide, wie er ja auch alle Israeliten, ob bedeutend oder unbedeutend, als seine Verwandten bezeichne. Ja, dabei erniedrigt er sich noch in ganz besonderer Weise, indem er Israel als Hauptperson und sich selbst als Nebenperson ansieht: Er bezeichnet sich selbst als den Verwandten Israels und nicht umgekehrt Israel als seinen Verwandten. Dieses Verwandtschaftsverhältnis wird jedoch noch enger begründet mit einem anderen Bild: Gott selbst ist »Zwillingsbruder« Israels, beide sind so sehr »ein Leib und eine Seele«, daß der geringste Schmerz Israels - zum Beispiel Kopfschmerz - bei Gott jeweils ganz den gleichen Schmerz auslöst 13• Gott ist aber nicht nur der Zwillingsbruder des ganzen Volkes geworden, sondern auch der eines jeden Einzelnen im
8
V gl. zum Beispiel T 4. rKLPr. IS.
t
rKLPr. :l4.
I
bSot48a + b• • In Ex IS.3. 10 Vgl. dazu MAlUoIORSTEIN I 6S Er. 8
11 12 11
T
16.
jBer 13bl MTh 44 zu Ps 4,1 I rDt :l.IS. rHL S.:l und gEx 172.f.
Volk, sogar der des Verbrechers, bei dessen Hinrichtung Er selbst auf eine mystische Weise Schmerzen empfindetu. Andere Texte 15 hatten davon gesprochen, daß Gott selbst Israel in der Wüstenzeit getragen habe - auch mit seiner Sünde, dem Götzenbild, in der Hand. Diese Aussage wird nun vertieft durch andere Deutungen, in denen geschildert wird, wie Gott Israels Schuld und Strafe als Last trägt: Jeder von Israels Feinden, die auch Seine Feinde sind, bürdet Ihm, Gott selbst, gewissermaßen eine Last auf10• Besonders deutlich wird das, wenn Gott am Leiden Israels in Ägypten mit-trägt: Mit letzter Kraft ruft er Mose zu, die Bürde von ihm zu nehmen, zu Pharao zu gehen und das Werk qer Erlösung in Gang zu setzen 17• Als Israel schwer beladen mit dem Gepäck der Deportierten nach Babylonien ins Exil hinabzieht, steigt Gott mit seinen Engeln vom Himmel herab, um auf dem Zug ins Exil an dieser Bürde ganz real mitzutragen 18• Den Psalmvers: »Er möge es auf den Herrn abwälzen, der mag ihn erretten!« (Ps 22.9) deutet der Midrasch folgendermaßen: Der Mensch darf auf Gott seine Schuld und Strafe abwälzen, weil Gott selbst spricht: »Ich will sie tragen «19. Zu unserer Aussage, daß Gott Israel trotz dessen Sünde trägt, stehen noch gewisse andere Texte 20 in Beziehung, die aussagen, daß Gott (die Schekhinah) unter Israel weilt, auch wenn dieses unrein geworden ist: Die Schekhinah geht selbst in den Raum der Unreinheit ein. Daß sie selbst von der Unreinheit betroffen wird, werden diese Texte allerdings noch kaum aussagen wollen. Eine andere Gruppe von Texten geht hier weiter: Gott steigt hinab nach Ägypten 21 und zu Abimelek u , um Israel (bzw. Sarah) von dort zu retten. Dabei zieht er sich in diesen Ländern des Götzendienstes selbst (kultische) Unreinheit zu - ein Opfer, das er bewußt auf sich nimmt: »Der Reine unterwarf sich selbst der Unreinheit«23. Daß Gott - wiederum unanschaulich, aber real- menschliche Gestalt hat, wird von der rabbinischen Theologie so sehr als vorgegebene. Wirklichkeit verstanden, daß die Aussagen, die von der Erniedrigung Gottes in die Dimens~o nen des Geschöpfs hinab handeln, diese Wirklichkeit in irgendeiner Weise voraussetzen. Erniedrigung Gottes bedeutet nicht Annahme solcher Menschengestalt, sondern Gott hat seit jeher diese menschliche Gestalt, die als solche mit ihren kosmischen Maßen Ausdruck seiner ungeheuren Größe und Macht und
15
In mSanh VI (dazu Gemara in bSanh 4Gb): Diese schwierige Stelle ist im Licht der vorher genannten Zu verstehen. Man wird dann nicht zu den verfehlten Ergebnissen von KRAUSS (in der »Gießener Mischna« z.St.) kommen. TT 17+ 18.
10
b'Er
1-1
229.
rEx 2,G. 18 PR IHb. u MTh 192 zu Ps 22,9. Vgl. dazu Mt 27,43. 20 SNum 1+ IGl I SLv Achate-modI 3 (s. G 14')' 21 rEx IS. S+ 19. 22 PR 17Gb. 22 Ebendort.
17
1Iicht etwa seiner Selbsterniedrigung ist". Erst sein Hinabsteigen in die Welt und seine Selbstbeschränkung im Raum der Welt bedeuten im letzten Selb~t~ erniedrigung, doch diese hat nichts mit seiner Menschengestalt zu tun2&, sondern vollzieht sich vielmehr an seiner transzendenten, unanschaulichen Herrlichkeits-»Substanz«, welche zur »Einwohnung« wird, indem sie sich vom Raum der Welt umfangen läßt. Selbst da, wo wir am ehesten von Gottes Menschengestalt zu hören erwarten, bei seinen Sklavendiensten für Israel, wird im Midrasch auf diese Menschengestalt nicht angespielt - eben weil sie weniger Ausdruck der Niedrigkeit, sondern mehr der Hoheit Gottes ist. So ist es nicht verwunderlich, daß für den Midrasch der Ort, wo sich Gott in seiner Menschengestalt zeigt, fast immer der Himmel ist, nicht die Erde". Das wird besonders klar an den Stellen, die davon sprechen, wie sich Gottes Leiden mit Israel nun doch auch an seiner Menschengestalt auswirkt: Israel wird mit dem Augapfel Gottes verglichen: Jeder, der es angreift, greift damit Gott selbst, ein Stück von Gott selbst, an 17• Israel ist das Auge Gottes: Wenn Gott über Israels Leid weint, weint er gewissermaßen mit seinem einen Auge über dieses sein anderes Auge 28• Während diese Bilder noch mehr der Kategorie des Vergleichs angehören, ist ein anderes Bild nun ganz real zu verstehen: Während des ganzen Exils Israels hat Gott seine Rechte - welche der Ausdruck für seine heilschaffende Gnade ist - auf den Rücken gebunden, und das in Entsprechung zur Fesselung Israels bei der Deportation 29 • Weil er so selbst an Israels Leiden im Himmel teilnimmt, kann er Israels Leid unmöglich vergessen, er müßte damit ja »seiner eigenen Rechten vergessen«, seines eigenen Leides 30. Befreiung Israels bedeutet so aber Befreiung Gottes von seinem Leiden und seiner Gebundenheit. Wenn diese Bindung Gottes an das Leiden seines Volkes allerdings nicht mehr als seine freie und .selbstverfügte Tat verstanden wurde, sondern als ein Geschehen, das sich gewissermaßen automatisch an ihm vollzieht, dann konnte es so aussehen, als ob Gott und sein Volk den gleichen unabänderlichen Be" Gott erscheint in bestimmten Situationen den Menschen als Mensch: Am SchiIrmeer (MJ IIZ/ MS 8uu Ex 15,3), in Ägypten (rExz3,8), am Sioai (bRH 17b), am Meer und am Sinai (MJ ZI9f.). im zweiten Tempel (jJom 4ze/ bJom 39b). So kann der Midrasch sogar sagen, wo die »Spur eines MenrtheIJfußcs« sichtbar gewesen sei, eben da sei Goll in der Wüstenzeit gewesen (MS 118 und MJ Wajissa 6 zu Ex 17,16/ vgl. auch Targum Pseudo-Jonathan zu Ex 17,16). Zu der Bezeichnung vl"N für Gott vgl. die Stellensammlung bei MAIlMORSTEIN I 65-67. 2~ Eine vereinzelte Stelle lediglich bringt Gottes »Menschsein« und seine Selbstbeschränkung aus Liebe Zu Israel zusammen crS I z46). ,. Vgl. als wichtige Stelle PR 61b (der Text findet sich nicht in den ganz frühen Midraschim): R. Judan sagte: Groß ist die Macht der Propheten. denn sie vergleichen die Gestalt der Allmacht droben mit der Gestalt der Menschen. Es heißt ja: »Und ich hörte eine MtllJthmstirnme ...« (Dan 8.16). Da sagte R. Judan b. Simon: Dafür gibt es einen Schriftvers, der noch viel gewichtiger ist als dieser (Danielvers): »Die Gestalt des Throns - wie das Aussehen eines Menschen auf ihm ..• « (Ez I, z6)• •, SNum 84/ MJ Schirah 6/ MS Z (s. G 398)/ MT 7zf./ gNum I z4zff. •• rKL 151. o. rKLTI6/ PRI44 b. 3D Der Vers Ps 137,5 ist auf Gott gedeutet: Er spricht diesen Vers.
J
dingungen unterworfen seien, denen gegenüber letztlich auch Gott machtlos sei: Spuren eines derartigen Denkens begegnen uns tatsächlich in der rabbinischen Theologie 31• Ein weiteres Zeichen für das Mit-Leiden Gottes mit Israel in Menschengestalt sieht der Midrasch schließlich darin, daß des Geliebten (Gottes) Haupt im Hohen Lied voll Tau ist: Das wird Anzeichen dafür, daß Gott selbst, während Israel draußen im Exil weilt, nicht in sein himmlisches Heiligtum eingegangen ist. Er übernachtet gewissermaßen im Freien, allen Unbilden der Witterung ausgesetzt 32 • In die Aussagen vom Leiden Gottes in Menschengestalt im Himmel sind ferner die schon erwähnten Aussagen einzubeziehen, die von der Trauer und der Klage Gottes im Himmel sprechen. Hier ist besonders ein Midrasch zu nennen 33, der Gott sämtliche irdischen Trauergebräuche im Himmel übernehmen läßt: Trauergewand, Verstummen, Schlagen der Hüften, Zerreißen des Gewands, Weinen und Klagen ... 'Analog zu den Aussagen, welche das Herabsteigen Gottes in die Welt als Selbsterniedrigung verstehen 34, gibt es nun Aussagen, welche dieses Herab'steigen noch »tiefer« führen: Gott steigt bis in den Raum des irdischen Leids hinab. Das wird auf eine ganz realistische Weise damit verdeutlicht, daß Gott mit Israel in die Tiefländer Ägypten und Babylonien ins Exil hinabgezogen sei. Dieses doppelte Hinabsteigen Gottes - auf die Erde hinab und ins Leid des Exils hinab - wird besonders deutlich an der frühen rabbinischen Exegese der Szene vom Herabsteigen Gottes in den Dornbusch, von dem aus er zu Mose spricht (Ex 3,2): Alle uns heute vorliegenden Deutungen werden dabei eingeleitet mit der formelhaften Frage: »Weshalb offenbarte sich (= verbannte sich, vgl. E 14') der Heilige, gepriesen sei Er, vom hohen Himmel herab und sprach mit ihm (Mose) aus dem Dornbusch?« Ob diese Einleitung schon in der frühen Zeit, aus der die Deutungen selbst stammen, gebraucht wurde oder ob sie ein Werk des Redaktors ist - sie zeigt, wie dieses Sprechen Gottes aus dem Dornbusch heraus schon als solches als Selbsterniedrigung Gottes aufgefaßt wurde: Der natürliche Ort für das Reden Gottes wäre der Himmel gewesen. Diese Selbsterniedrigung in den Dornbusch hinab ist immer vorausgesetzt und kann in den folgenden Deutungen darüber hinaus nun noch weitere Wirklichkeiten anzeigen. Folgende Deutungen liegen uns vor: a) Gott macht sich ganz gewöhnlich, nimmt menschliche Züge an 36• b) Gott erniedrigt sich auf den niedrigen (= demütigen) Dornbusch36• 81 Vgl. die Diskussion in rKL 123 und in rGen 36,1 (wohl korrupte Stelle). Hierher gehören auch alle Spekulationen, welche Gottes himmlische Welt so eng mit der irdischen verbunden sehen, daß eine Katastrophe »unten« so etwas wie eine Katastrophe »oben« auslöst. Vgl. zum Beispiel die Texte in SDt H6, MT 72 (zu Dt 14,1), SDt 148a, MTh '09 (zu Ps 123), SNum In. 3z sTE Pereq 21 (vgl. dazu bTha , b). 33 rKL I 1 (vgl. dazu gGen 186 = bBer '9a). 3' TT24-36. as T 28 • .. T29·
86
c) Gott zeigt an, daß er mit Israel auf die niedrigste Stufe hinabsteigt, (Ob damit nur das Hinabsteigen in den Dornbusch oder schon Gottes Hinabsteigen mit in das ägyptische Exil gemeint ist, bleibt offen)37, d) Gott zeigt an, daß er mit Israel in die Exile hinuntersteigen Will 38, Weitere Deutungen, die nun nicht mehr von der Niedrigkeit des Dornstrauchs ausgehen: e) Gott leidet mit Israels Not mit, indem er sich real in den Dornen des Strauchs befindet39 , Diese Deutung wurde später noch auf eine andere biblische Szene (die Dornbäume in 1 Sam 5,11+13) übertragen 40 , Gerade diese Aussagen erscheinen sehr merkwürdig, wenn man sie im Licht des Berichts von der Dornenkrone Jesu betrachtet4 ], f) Die Dornen, in die man leicht hinein, aus denen man aber nur schwer wieder heraus kommt, symbolisieren den Aufenthalt in Ägypten, bei dem es Israel (und damit wohl auch Gott) ähnlich erging U , g) Gott beschränkt sich selbst auf einen kleinen Raum (den Dornbusch bzw, dessen innerstes »Herz«)43, h) Der Dornbusch ist im Gegensatz zu den anderen Bäumen und Sträuchern vom Verdacht des Götzendienstes rein". i) Israel ist das Feuer, seine Feinde sind die Dornen. Wie das Feuer im wunderbar brennenden Dornbusch diesen nicht verzehrt und umgekehrt der Dornbusch jenes nicht erstickt, so wird Israel in dieser Weltzeit weder von den Völkern der Welt vernichtet, noch vernichtet es diese, In der messianischen Zeit jedoch wird Israels Feuer die Weltvölker vernichten 46 • k) Gott erscheint im Dornbusch, um zu zeigen, daß keine Stelle auf der Erde, wie niedrig sie auch sei, von der allgegenwärtigen Schekhinah unerfullt bleibt48 , . Mit den Deutungen des Dornbusch-Motivs sind wir zu den Aussagen gelangt, die von einem räumlichen Dabeisein Gottes in Israels Not sprechen, Immer, wenn Israel sich in Not befindet, befindet sich auch Gott in Not: »In all ihrem Leid geschah Ihm Leid« Oes 63,9) - doch auch mit jedem Einzelnen ist Er im Leid: »Mit ihm bin ich im Leid « (Ps 9 I, 15): das sind die beiden klassischen Schriftverse, welche für die Rabbinen die Vorstellung vom Mit-Leiden Gottes mit seinem Volk begründen". Dieses Mit-Dabeisein im Leid wird nun so vorgestellt, daß Gott, in der Welt T 1.7. MS lE. (G 145a. vgl. auch G 145b). u PR 30b (vgl. dazu MTh 223). '0 PE 94a I rEx 1..5. n Mt 1.7.29 und Pan. Vgl. dazu die allegorische Deutung des Dornbuschs auE die Dornenkrone. die DANlELou (Il3) schon im Barnabasbrief vermutet (in Barn VII 8+ 11). CI MSl (vgl. rEx2.5)fVgl. auch rEx 1.5. 13 T 38. " MS 1., U JS II 438. " PK 1.1.. 47 MS 34. 87
38
als Schekhinah gegenwärtig, mit Israel räumlich-real in die Exile hinuntersteigt, um dort zusammen mit ihm zu leiden. So begleitet die Schekhinah Joseph nach Ägypten hinab'8 und bleibt sogar im Gefängnis bei ihm". Nach ~iner anderen Anschauung ist sie mit Jakob und seiner Familie nach Ägypten hinabgestiegen 50. Nun weilt sie zusammen mit Israel im Gefängnis des ägyptischen Exils 51• Zum Zeichen dafür, daß Gott selbst auf eine unsichtbare, aber reale Weise am Frondienst Israels beteiligt ist, zeigen sich Veränderungen am Himmel: Ziegelsteine und Arbeitsgeräte deuten auf den Frondienst der 5chekhinah hin 52 • So war aber die Schekhinah mit Israel nicht nur in Ägypten, sie zog auch wieder mit aus dem Frondienst heraus, »stieg hinab« ins Rote Meer, blieb in der Wüstenzeit bei Israel 63, um schließlich ihre Ruhe und Heimat wie Israel selbst im Gelobten Land zu finden. Wie Israel irrt sie »herumgeworfen« und heimatlos (im Nomadenzelt) durch die Wüste, bis sie ihre Ruhe im Tempel nndet 6'. Wie ins erste Exil nach Ägypten, so ist die Schekhinah auch ins zweite Exil nach Babylonien mit hinabgezogen. Ein Jesajavers, anders als im Massoretentext vokalisiert, wird Gott in den Mund gelegt: »Euretwegen bin ich nach Babyion geschickt worden« (Jes 43,14)56. Auch ein Jeremiavers wird so vokalisiert, daß nun Gott zu Israel spricht: »Achte auf den Weg, die Straße, die ich (ins babylonische Exil) gegangen bin« (Jer 31,U)58. Während Jeremia in Jerusalern zurückbleibt, geht Gott mit den Deportierten 67 • Ein Beweis dafür, daß er sich im 4o-jährigen Exil dauernd in Babylonien aufhielt, wird darin gesehen, daß er dem Propheten Hesekiel dort begegnete58• Das alte Legendenmotiv 69, daß die Frau, als sie sich von ihrem Mann trennen muß und nur ein wertvolles Stück mitnehmen darf, diesen ihren Mann selbst mitnimmt, wird nun auf Israel und Gott übertragen: Israel will nichts als Gott allein im Exil bei sich haben 80. Daß es Gottes freier Wille ist, wie an Israels Freude, so auch an seinem Leide teilzunehmen, das sagt er selbst den Engeln, als sie ihn davon '8
rGen 86, Z
+ gGen 6nf.1 MTh Z09.
'9 TB Wajescheb 16.
50 PK II, 14 OS I I'Z + II I'Z, PE 39). Dazu vgl. gGen 77of., wo der Midrasch feststellt, daß auch vom Targum (Onqelos) dieses Hinabsteigen Gottes mit Jakob nach Ägypten ganz real verstanden wird: An allen Stellen, wo von Gottes (sich offenHerabsteigen in der Schrift gesprochen wird, übersetzt das Targum Onq. ,,- mit baren), doch hier in Gen 46,4 übersetzt es " .. das von Gott ausgesagt wird, mit (hinabsteigen). 51 rEx 1,,16. 61 MJ , 1 1SNum 841 jSuk He. Targum Pseudo-Jonathan zu Ex Z4,I0 verrät den Einfluß dieser Midrasch-Exegese. 63 MJ Schirah 31 MS I f. (G 144+ 14') 1SNum 841 PR 19Gb. 54 rHLI 16. 55 -I!l~'p~ (pu'al) statt -I!l~;'(pi'el) wie im Massoretentext. Frühe Stellen für diese Vokalisierung: MJ
-,mN
mn
Pascha 14, SNum 84+ 161.
H Das Ketib -n"i1 wird normal vokalisiert: nur in rKL I H. 57 rKL Pr. 34. 68 rEx Z3," Vgl. rHL I". eo PR 14Ia•
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zurückhalten wollen, mit Israel nach Babylonien hinabzuziehen81, So wird Gott zum Gefesselten unter den gefesselten Israeliten62, Eine besonders rührende Vorstellung ist es, daß die Schekhinah nicht mit den Angesehenen des Volkes, sondern mit den kleinen Kindern ins babylonische Exil hinabgezogen sei 63, Diese Vorstellung vom Hinabsteigen Gottes in die Exile Ägyptens und Babyloniens erscheint dann ausgeweitet: Gott steigt mit Israel in alle Exile hinab, das heißt - und das war für die Rabbinen wichtig - er ist auch in der Jetztzeit mit Israel im Leid des Exils, Es begegnet hier die Reihe der vier Exile in Ägypten, Babylonien, Elam (= Meder-Perser), Rom (= römisches Weltreich)64, (An einigen Stellen wird noch das »Exil« unter den »Griechen« - wohl Erinnerung an die Seleukiden - eingefügt)05, So konnte die Vorstellung aufkommen: Gott ist am »tiefsten« Punkt dieses Exils, nämlich in Rom selbst, in der Verbannung, Von dort her ruft er und fragt, wann die lange Nacht dieses Exils für ihn und für Israel zu Ende sei 6e, Von der Vorstellung ausgehend, daß Gott mit in die Leiden des Exils hinabsteigt, konnte sogar die kühnc DClllung geschaffcn wcrden, daß Gott mit Israel am Gerichtstag selbst in das Fegefeuer hinabsteige, um sein Volk auch von dort unversehrt herauszuführen, während die anderen Völker in den Flammen umkommen, Israel hat die Gewißheit: »Auch wenn ich im Todesschatten gehe, fürchte ich mich nicht, da du bei mir bist , .. « (Ps 2.},4)67, Da man das Leiden Gottes im Exil ganz ernst nahm, mußte man in der Erlösung Israels aus dem Exil folgerichtig auch eine Erlösung Gottes selbst erblicken, Von diesem Paradox der Selbsterlösung Gottes - »wenn es sich nicht auf einen geschriebenen Schriftvers gründete, dürfte man es nicht aussprechen«6shandeln viele Midrasch-Stellen: Gott hat sich selbst aus Ägypten erlöst, zusammen mit seinem Volk: »Für mich und für euch gilt die Erlösung«o9, Gott selbst »wurde (mit Israel aus Ägypten) herausgeführt«?O, »ihm wurde geholfen«71, So können alle Stellen in der Schrift, welche von Gottes Hilfe sprechen, die er brhtgt, umgedeutet werden auf Gottes Hilfe, die er (von sich selbst) empfängP2, Indem die Sachar81
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6~ G6
•• ., 68
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PR 144b (G 140), 62 rKL Pr. H. rKL 132 (G 14I). MJ Pascha 14 und Parr. (s. G I 38). rKLI HI rEx IS,I6/GS40z/jTha64a (beiG 138c) . jTha 64a rHL 11 II MTh ZI (zu Ps I,4) (dazu JS II Ssz+ 69Z). MJ Pascha 14. rEx IS. u. R. l;Iananja in jSuk HC. Möglicherweise lebt, auf einer Deutung aus jSuk HC fußend, die Theologie der Selbsterlösung Gottes bewußt-unbcwußt noch heute fort in der Liturgie des Laubhüttenfests, und zwar im,m 'lN der sogenannten Hoschanoth (vgl. Gebetbuch für das Laubhüttenfest, hrsg. von WOLP HEIDENHEIM, übersetzt von Rabb. Dr. S. BANDERGER, Bd. 8, Basel )713, 19Zff.). Zur Diskussion der betreffenden Stelle in jSuk S4a mit ihren Parallelen vgl. LEVYS. v. 'lN. TW Achare-moth I2 (= TB Achare-moth 18) 1TB Bemidbar IO. So besonders R. Abbahu: TW Achare-moth I2 (= TB Achare-moth 18) 1 MTh 89f.+ III +401 1 rLv 9,31 TB Bemidbar IO (= rNum Z,2).
.jastelle: » Sieh, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und einer, dem geholfen wird« (Sach 9,9) auf Gott und nicht auf den messianischen König ,gedeutet wird, kann darin Gottes Selbsterlösung gefunden werden 78. In idieser innigen Verbundenheit durch das gemeinsame Leid warten Gott und 'Israel gegenseitig auf ihre Erlösung?4. Israel weiß, daß es erlöst werden wird, da Gott sich selbst ja erlösen wird und damit auch sein Volk7 6• Indem er seinen Namen (el = Gott) mit Israel verbunden hat (Israel), hat er sein Leben selbst unauflöslich in das Leben dieses Volkes hineingebunden ?8. Wie nah ,hier wieder - wie vorher bei der Theologie der» Rechten Gottes« - der gefährliche Gedanke liegt, daß Gott und Israel einem Schicksal unterworfen seien, das über heiden stehe, ist einleuchtend. Das Paradoxe, Gefährliche und doch 'Notwendige der Aussagen von der Selbsterlösung Gottes wurde, wie aus den Einleitungsformeln dieser Deutungen hervorgeht, von den Rabbinen wohl 'empfunden. Von dieser Verbindung der Erlösung des Volkes mit der Erlösung Gottes her kam der Midrasch schließlich zu einer letzten, vereinzelten Vor,stellung: Das Leiden Gottes ist das Mittel, durch welches Israel erlöst wird: Gott selbst ist » das Lösegeld « für Israel?? All diese Aussagen vom Herabsteigen Gottes in den Raum, in dem Israel leidet, konnten verstanden werden als sachliche Weiterführung der Aussagen, die davon sprechen, daß Gott sich überhaupt in den Raum der Welt hinein erniedrigt. Zu der anderen Vorstellung, daß Gott, vor allem im Heiligtum, sich selbst in der Welt beschränke, ist eine direkte Analogie bei den Leidensaussagen über Gott nicht festzustellen, sie ist aber auch kaum möglich: In welcher Weise soll diese Selbstbeschränkung als solche noch eine Steigerung (bzw. Minderung) durch das Leid erfahren? Im Zusammenhang mit Gottes Wohnen im Tempel macht die rabbinische Theologie vielmehr andere Leidensaussagen über Gott, der als Schekhinah im Tempel vor dessen Zerstörung gegenwärtig war: Es begegnen zwei Auffassungen, welche beide in der Tempelzerstörung das große Leid sehen, das Gott angetan worden ist. Gottes Schmerz kann sich so zunächst einmal einfach darauf beziehen, daß » sein Haus'« zerstört wurde. Er selbst verlangt nach Tröstung?8. In dieser Deutung ist Gott noch nicht als Schekhinah in ausgeprägtem Sinn gesehen. Es gibt jedoch noch die andere Tradition, daß Gott selbst am Ort des zerstörten Heiligtums 73
TW Achare-moth 12 (= TB Achare-moth IS), mit verschiedenen ]S-Parallelen. Die Deutung dieses Verses Sach 9,9 (der in Mt u,' auf Jesus angewendet wird) bezieht die Aussage nicht auf den Messias, wie es die anderen rabbinischen Deutungen tun, sondern auf Goll selbst. Das ist in StrB (I S4~1f.) nicht genügend zum Ausdruck gebracht, da diese Midrasch-Stelle dort einfach unter die 1I11J.rialli.r&hen Deutungen von Sach 9,9 eingereiht wird.
" MTh
11'.
75 rEx 3D, ~4. 78 TB Bemidbar 10 (= rNum ~,z) • .. R. Ammi in TW Achare-moth 12 (= TB Achare-moth 18, dort aber irttümlich mit R. MeIr als Autor). Hier sind noch zu vergleichen die Texte in TB BelIar ~ (= TW Behar 1) und in TB Behar 3: Gott verkauft sein Haus, den Tempel, um Israels willen. 78 PK 16,91 sKL II u. Vgl. auch bBer ,Sb.
zurückbleibe und unter dieser trostlosen Umgebung leide. Vor Schmerz war er im Tempel verstummt, als die Feinde eindrangen, um diesen zu zerstören 79. Nun sitzt er vereinsamt, ohne seine Kinder, die ins Exil gezogen sind, und klagt wie die Vogel mutter, der man ihre Jungen weggenommen hat 80• Er sehnt sich nach der Wüstenzeit zurück: Wenn seine Kinder sich damals auch oft gegen ihn auflehnten, so hat er doch lieber unter diesen Umständen in ihrer Mitte gewohnt, als daß er nun ganz einsam dasitzt 81. Eine dritte Tradition sieht Gott aus dem Tempel vertrieben, von den Feinden zur Flucht gezwungen 82. Klagend weicht er in den Himmel zurück, er, der doch so gerne unter den Menschen im irdischen Heiligtum weilen wollte 83• Ein später Text schildert dann ausführlich die erschütternde Klage der Schekhinah, die ihren Ruheplatz, ihre Heimat verlassen muß 84. Während im Hesekielbuch das Weichen von Gottes Herrlichkeit aus Land und Tempel noch eindeutig als Strafe für das sündige Volk angesehen wird und dieser Herrlichkeit selbst keinen Abbruch tut 85, ist in unseren Midraschim dieses Weichen der Herrlichkeit vor allem gesehen als ein Leid, welches Gott selbst betrifft. Von der Vorstellung her, daß es einen himmlischen Tempel in Entsprechung zum irdischen gebe und daß Gott darin wohne, ist es zu verstehen, daß ein Midrasch betont, Gott habe während der ganzen Exilszeit sich gewissermaßen selbst aus dieser seiner himmlischen Wohnung verbannt 86. Ein letzter Text schließlich verbindet die beiden Vorstellungen vom Aufstieg der Schekhinah in den Himmel und vom Abstieg Israels in die Exile miteinander: Jeder Stufe des Aufstiegs auf der Seite der Schekhinah entspricht eine Stufe des Abstiegs des Synhedrions, das hier für Israel steht. Der »tiefste« Punkt des Leids für die Schekhinah ist dann erreicht, wenn sie am weitesten vom Heiligtum entfernt ist, wenn sie gleichzeitig auch von Israel am stärksten getrennt ist 87 • Es bleiben schließlich noch zwei weitere Vorstellungen zu betrachten, bei denen Gott nun wirklich gerade als der, der sich ~elbst beschränkt hat, inmitten Israels dem Leid ausgesetzt scheint: Gott selbst zeigt sich in der Herrlichkeitswolke, um an der Stelle Moses und Aarons den Steinregen des aufrührerischen Volkes zu empfangen, mit dem dieses seine Führer töten will. Da Gott selbst, bis auf die Tatsache der Gegenwart in der Wolke, dabei völlig unanschaulich bleibt, ist auch seine »Steinigung« nicht allzu realistisch zu fassen, und doch steht sie in einer gewissen Analogie zu der Steinigung von Menschen 88. Die zweite Vorstellung knüpft daran an, daß Gott in einer Tradition offenbar 71
sKL I
~3
80 rKL Pr.
(vgl. sKL II 18). (G 155).
~o
81
rKLm 7.
81
JS TI 65~ (vgl. MTh 97).
rKL Pr. ~4. rKL Pr. z 5 (G 106 d). 116 Ez 10.18ff.; 11.uff. (vgl. 43. I ff.). 88 sTE Pereq Zl. 87 bRH 3la+b (G 106b). es MJ Wajissa z I MS 108 (zu Ex 16.10) I bSot 35 a (5. G 58). 83
8&
als in der Bundeslade gegenwärtig gesehen wurde 8D • Wenn die Vorstellungen yon der Bundeslade nun auf den Thoraschrein übertragen wurden, so war eine Beziehung der Gegenwart Gottes auf die Zeit der Synagoge hergestellt: Gott selbst ist in irgendeiner Weise in der Thoralade anwesend. Wenn nun in der Zeit großer Not nicht nur alle Mitglieder einer Gemeinde sich Asche aufs Haupt streuten, sondern in einem sakralen Akt Asche sogar auf den Thoraschrein gestreut wurde, dann bedeutete das nichts anderes als die bildliehe Darstellung der Wirklichkeit, daß Gott selbst Leid und Trauer mit seinem Volk jeweils wirklich durchlitt. An dieser Stelle wird deutlich, wie tief die überzeugung vom Leiden Gottes mit seinem Volk in das Bewußtsein dieses Volkes eingegangen ist: Sie fand ihren Ausdruck sogar in einer gottesdienstlichen Handlung. Doch auch das Bewußtsein davon, an welche Abgründe des Glaubens diese Vorstellungen vom Leiden Gottes führten, blieb gleichzeitig damit lebendig: Ein Gelehrter berichtet: »Als ich zum ersten Male unsre Lehrer Herdasche auf die Lade streuen sah, da fing ich am ganzen Körper an zu zittern« 90. Mit dieser kurzen und vereinfachenden Zusammenfassung ist ein gewisser Überblick über die rabbinischen Texte gegeben, welche Leidensaussagen über Gott selbst machen. Es sind dabei keineswegs aBe Texte berücksichtigt, die hier zu betrachten wären, noch konnten die betrachteten Texte in ihrem Gehalt voll ausgeschöpft werden 91. Es sollte hier nur kurz gezeigt werden, wie diese Texte vom Leiden Gottes die Aussagen über die Selbsterniedrigung Gottes - welche ja das eigentliche Thema unserer Übersetzungen und Untersuchungen bilden - vertiefend weiterführen. 89 PO
91
Vgl. E 214. bTha 15 b+ 16a I jTha 65 aIrGen 49.11. Die Schekhinah-Texte sind im übrigen bereits ausführlich bei
GOLDBERG
besprochen.
4. KAPITEL
Die rabbinischen Aussagen über die Selbsterniedrigung Gottes und das Alte Testament Die gesamte rabbinische Theologie versteht sich selbst als Exegese des Alten Testaments. Die »Inkarnation« des göttlichen Willens und der göttlichen Weisheit in den kanonischen Schriften ist die entscheidende Heilstat Gottes, die es jetzt für den Einzelnen in Lehre und Leben auszulegen gilt. Dabei sucht die rabbinische Theologie nicht nur die expliziten Aussagen der Schrift zu verdeutlichen, sie sucht gerade die impliziten Aussagen - so wie sie ihr erscheinen - in ihrer unendlichen Fülle ans Licht zu heben. »Wende sie (die Thora) um, und wende sie (wieder) um, denn das All ist in ihr, und dein Alles ist in ihr«l. Daß die Auslegung dabei manchmal über das im Alten Testament auch nur implizit Gesagte hinausging und in neue Bereiche vorstieß, ist nicht verwunderlich. Oft genug kommt es dabei auch vor, daß aus einer Stelle des Alten Testaments etwas herausgehört wird, was zwar nicht in ihr, aber doch in einer ganz anderen Stelle der Schrift enthalten ist. Da in der Schrift das endgültige Heil Gottes enthalten ist, gibt es in ihrem geordneten Kosmos keine wahren Widerspruche, keine geschichtliche Entwicklung 2 - jede Stelle steht mit jeder anderen in Verbindung und kann von ihr aus interpretiert werden. Auch und gerade wenn die rabbinische Deutung über die Aussagen des Alten Testaments hinausstößt, hat sie ihre Einsicht doch an der Schrift gewonnen, hat sie die überraschende neue Aussage in der Schrift entdeckt. Wenn die rabbinische Theologie zum Beispiel sagt, Gott habe Israel wie ein Sklave die Fackel vorausgetragen, so wird diese Deutung eingeleitet durch den Satz: »Wenn es nicht ein geschriebener Vers der Schrift wäre, dürfte man es nicht aussprechen ... «3. Diese und ähnliche Formeln zeigen, daß die Rabbinen bewußt auf dem Boden der festgelegten Schriftaussage bleiben wollten. Inwieweit sie das wirklich getan haben und inwieweit sie in einer positiven Weise die Schriftaussagen überschritten haben, soll die folgende Untersuchung zeigen. Es ist dabei natürlich unmöglich, die Deutungen der Rabbinen jeweils mit der Theologie des ganzen Alten Testaments auf dem betreffenden Gebiet zu vergleichen. Wir beschränken uns darauf, das Verhältnis der rabbinischen Deutung zu denjenigen Schriftaussagen zu betrachten, welche die Rabbinen jeweils selbst zur Deutung heranziehen. In der ersten Gruppe unserer Texte werden Schriftstellen zitiert, die kurz hintereinander von der überweltlichen Macht Gottes und von seiner Sorge um die Armen und Geringen sprechen. Daraus wird als entscheidender Gehalt von den Rabbinen herausgehört: Indem Gott sich um den Geringen kümmert, gibt er etwas von seiner Hoheit Pirqe Aboth V 22. So findet sich in bPcs 6 dct klassische Satz: »In der Thora gibt es kein Vorher oder Nachher« (R. Menaäja b. Tablipha). • T I I (vgl. auch Tu).
1
2
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auf, »stellt sich mit den gebeugten Herzen gleich«'. Diese Stellen und der Psalmvers : »Durch deine Selbsterniedrigung machst du mich groß« beleuchten sich gegenseitig. Wenn man nun die zitierten Stellen des Alten Testaments betrachtet, so fallt auf, daß sie in ihrem ursprünglichen Zusammenhang eine ganz andere Aussage zum Ausdruck bringen: Sie wollen nicht die Selbsterniedrigung Gottes betonen, sondern sie wollen betonen, daß Gott der gerechte und liebevolle Herrscher ist, der sich gerade auch um die sozial Benachteiligten kümmert. Die Nennung von Gottes Macht und Hoheit verfolgt dabei das Ziel, dem Hörer einzuprägen, daß Gott in der Lage ist, zugunsten der Bedrückten machtvoll in die Geschichte einzugreifen und Unrecht zu rächen. Darauf, daß sich Gott damit selbst erniedrigt, reflektiert das Alte Testament an diesen Stellen nicht. Und doch kann man nicht einfach behaupten, der Gedanke, Gottes Sich-Einlassen mit dem Niedrigen habe ihn selbst niedrig gemacht, sei in diesen Stellen überhaupt nicht enthalten: Man braucht nur an Gottes Sich-Einlassen mit Israel, diesem geringen und armen Volk, zu denken, welches Er nun in großer Nähe auf seinem unscheinbaren und leiderfüllten Weg durch die Geschichte des Alten Bundes begleitet, oft von Kummer und Sorge über dieses sein Volk erfüllt, mit diesem Volk zugleich verachtet. Eine zweite Gruppe von Te>..1:en spricht davon, wie Gott auf seine Ehre vor den Menschen, besonders vor Israel, verzichtet. Wenn wir die Stellen des Alten Testaments betrachten, die in diesem Sinn gedeutet werden, so wird klar, daß an diesen Stellen das Alte Testament selbst keine der von Gott berichteten Handlungen als Verzicht Gottes auf seine Ehre deutet: Der Schrift geht es primär um Gottes liebevolles Handeln gegenüber dem Menschen. Daß er als Gott handelt, ist der Schrift klar. Daß er dabei aber seiner überweltlichen Hoheit etwas vergibt, darüber hat sie noch keine Reflexion angestellt. Sie konnte noch in wunderbarer Naivität sagen, Gott sei vor Abraham gestanden, während der Text dieser Schriftstelle dann im späteren Judentum dahin geändert wurde, Abraham sei vor Gott gestanden 5 • Die Rabbinen dagegen zeigen eine dr~tte Stufe der Entwicklung des jüdischen religiösen Bewußtseins: Sie entdecken in dieser Stelle vom Stehen Gottes neu die Selbsterniedrigung Gottes, die damit verbunden ist, und so zeigen sie den ursprünglichen Wortlaut der Stelle bewußt wieder auf. Freilich ändern sie in ihrem ungeheuren Respekt vor dem vorliegenden Schrifttext nun nicht mehr im Text, sondern nur in der Deutung die »Verbesserung der Schriftgelehrten«, welche von Abrahams Stehen sprach. Wie sind die Rabbinen darauf gekommen, in all diesen Texten des Alten Testaments Gottes Verzicht auf seine Ehre zu erblicken? Sie verglichen die gewöhnlich-menschlichen Verhältnisse mit dem Verhältnis Gott-Mensch und fanden, daß an diesen Stellen - für die Schrift noch unbekümmert, für sie mit einer tiefen Intention - Gott sich so verhielt, wie es ein Höhergestellter zu ihrer Zeit sich niemals erlaubt hätte. Als Modellfall dient ihnen dabei vor ,
T~.
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T 4 VI.
94
allem das Lehrer-Schüler-Verhältnis, das ihnen täglich vor Augen stand'. So kann diese Sicht auch in diejenigen Stellen des Alten Testaments eingetragen werden, wo sie nach dem Schriftsinn wenig Berechtigung hat. Wenn Gott zu Israel spricht: »Ihr habt lange genug an diesem Berg verweilt«, so soll damit im Alten Testament noch nicht, wie später im Midrasch, gesagt werden, Gott habe sich bei Israel, seinen Schülern, entschuldigt, daß er sie mit dem Lernen der Thora ermüdet habe. Wenn die Schrift davon spricht, daß Gott auf der Spitze der Jakobsleiter gestanden habe, so will sie damit Gottes Hoheit ausdrücken - doch der Midrasch blickt auf das »Stehen« und versteht es als dienende Selbsterniedrigung Gottes. Wenn hier fruchtbare Mißdeutungen auch zahlreich sind, wie diese Beispiele zeigen, so können wir doch wieder feststellen: Die rabbinische Theologie hat auf ihre Weise ein verborgenes Motiv der Schrift ins helle Licht gehoben, daß nämlich Gott sich um den menschlichen Ehrenkodex nicht kümmere. Dabei sagen die Rabbinen nicht, Gott verzichte nur in ganz bestimmten Situationen auf Ehrerweisungen von seiten der Menschen, in seiner überweltlichen Herrlichkeit werde er aber davon letztlich nicht betroffen. Nein, nach den Rabbinen bedeutet für Gott sein reales Eingehen in die Welt, daß er sich wie eine menschliche Person betrachtet, die durch den Verzicht auf ihre Ehre wirklich im Tiefsten betroffen wird. So kommen wir zur dritten Textgruppe, in der Gottes Selbsterniedrigung in der überraschendsten Form auftritt: Gott wird als Diener, als Sklave seines Volkes und aller Menschen gesehen. Die Hauptstelle für diese Deutung ist Ex 13,:U: Gottes Vorausgehen in der Feuerwolke wird als der Sklavendienst des Leuchtens verstanden 7 • In der Schrift selbst ist darauf noch nicht reflektiert, sondern an dieser Stelle betont die Schrift lediglich Gottes Macht, welche Israel liebevoll beschützt und versorgt. Wie bei der Theophanie am Sinai Feuer und Rauch Symbol für Gottes Macht gewesen sind, so ist auch hier in der Wüste die Feuersäule Symbol von Gottes Macht. Ebenso wollen die anderen Aussagen der Schrift von Gottes Sorge für Israel in der Wüste seine liebevoll-schützende Macht zur Erscheinung bringen. Wenn das Alte Testament Gott als den gütigen Herrn der ganzen Welt sieht oder als den in die Geschichte eingreifenden Herrscher, so versteht der Midrasch diese Stellen auf eine ganz neue Weise: Die Schrift hatte noch nicht darauf reflektiert, wie diese »Arbeiten« von Gott durchgeführt wurden, der Midrasch dagegen sieht Gott gewissermaßen als Menschen, schaltet alle Zwischenrnächte aus und läßt Gott ganz persönlich diese Arbeiten für Israel und die Welt verrichten - freilich, ohne sich nun in Detailschilderungen zu ergehen 8. Ein deutliches Beispiel ist die Schilderung des Mannaregens : Die Schrift läßt das Manna vom Himmel fallen, damit Israel Gottes liebevoll-fürsorgende Macht erkennt, »damit ihr erkennt, daß ich der Herr, euer Gott, bin« (Ex 16,12). Der Midrasch sieht dagegen in diesem Wunder - ohne nun den ersten Aspekt der Schrift auszu8
T 4 I-III. V.
7 TT ll-13. IS+ 16. B
TT
14. I9-U.
chließen - hier vor allem den Dien!t Gottes, den er persönlich durchfuhrt: Er selbst bäckt das Brot, wie ein Sklave es für den Herrn tut'. Am klarsten jedoch wird der Abstand des Midraschs vom Alten Testament bei der Deutung von Ez 16 10 : In der Schrift war Gottes Fürsorge rur Israel in der Wüste im Bild des Mannes gesehen, der ein Findelkind aufnimmt, bekleidet und wäscht. Der Midrasch dagegen nimmt dieses Bild nun wörtlkh und betont, daß Gott damit persönlich Sklavendienste an Israel getan habe. Wir müssen hier also feststellen, daß der Midrasch aus bestimmten Stellen, in welchen die Schrift vor allem Gottes Macht offenbart sah, Gottes freiwillige Erniedrigung herauslas und daß er Gottes Liebe, welche auch die Schrift an diesen Stellen hervortreten sah, auf eine Weise interpretierte, die nicht im Gegensatz zur Schrift steht, aber zumindest über die Intentionen der Verfasser des Alten Testaments hinausgeht. Wenn wir uns abschließend fragen, ob an all den Stellen, an denen in der Schrift Gott als 111 der Welt, nicht über der Welt handelnd erscheint, die Schrift selbst diese große »menschliche« Nähe Gottes niemals - wie die Rabbinen das tun - als etwas Außerordentliches, mit seiner überweltlichen Herrlichkeit schwer zu Vereinbarendes gesehen hat, so erhalten wir noch eine andere Antwort: Schon die Schrift kennt an diesen Stellen - in den Vätergeschichten, am Dornbusch, in der Wüste - Gott »verkörpert« in der Gestalt des »Engels des Herrn« (malakh jhwh)ll. Dieser ist auf eine schwer zu bestimmende Weise einerseits mit Gott identisch, indem er alles tut, was sonst nur Gott tut. Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß die Schrift Gott und seinen Engel »subjektsidentisch« sein läßt: »Und der Engel des Herrn erschien ihm ... aus dem Dornbusch heraus« (Ex 3,.t) - »Und Gott rief ihn aus dem Dornbusch heraus« (Ex 3,4). Andererseits ist der Engel des Herrn von Gott, wie er immer und ewig über der Welt ist, doch unterschieden: Er tritt nur an den Stellen auf, an denen Gott in der Welt in besondere Nähe zum Menschen tritt. Gott selbst kann von diesem seinem Engel als einer eigenen Person.reden: »Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her« - und doch ist Gottes Wesen (sein Name) »in« diesem Engel, wie der nachfolgende Satz der Schrift sagt (Ex %3, %I). Bevor wir sehen, wie die Rabbinen dieses Geheimnis verstehen, soll die gleichzeitige frühchristliche Deutung dieser Stellen des Alten Testaments betrachtet werden, damit das Problem noch deutlicher wird: Diese Deutung sieht in dem geheimnisvollen» Boten des Herrn «, der mit Gott einerseits identisch, andererseits von ihm unterschieden ist, die Person Christi. Überall, wo Gott im Alten Testament dem Menschen in der Welt räumlich nahekommt, wird das als eine • TI,. T 16. 11 Vgl. dazu G. VON RAD, Theologie dcs AT I, 1962,2988'. (»Der Engel ]ahwcs«). - W. EICHRODT, Theologie des AT I, 1961, 7ff. (»Der Malakh ]ahvcs«); »Schon der Israelit der Friihzeit empfand •.• die Schwierigkeit, zwischen dem für Menschen unfaßbaren Gott und dem Gott, der sich wirklich und wesenhaft in der Erscheinungswelt offenbart, die Briicke ZU schlagen, und suchte diese Schwierigkeit mit Hilfe des malakh jahvc zu lösen« (10). 10
Vorstufe der Inkarnation betrachtet. Als frühes Zeugnis aus dem 2. Jahrhundert soll Justin der Märtyrer zitiert werden, der sich besonders mit der zeitgenössischen jüdischen Theologie auseinandersetzte: »Das Wort (Aeyos) Gottes ist sein Sohn, wie wir vorher gesagt haben ... Er wird Engel (äyyeAos) und Gesandter (ä-rrecrroAos) genannt. Das wird auch aus den Schriften Moses deutlich werden. So heißt es in ihnen: Und der Engel Gottes sprach mit Mose in der Feuerßamme aus dem Busch und sagte: Ich bin der Seiende, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, der Gott deiner Väter ... - Doch diese Worte sind zum Beweis dafür geworden, daß Jesus der Christus Sohn Gottes und Gesandter ist, er, der vorher der Logos war; in der Gestalt des Feuers ist er einst erschienen ... «12. Justin wendet sich nun offenbar gegen die rabbinische Theologie: »Sie haben es ganz klar in den Schriften Moses ausgesagt: Und ein E/{I!,r./ sprach ... Und die Juden sagen doch, dieser Sprechende sei der Vater des Alls und der Schöpfer, in dem Glauben, immer nur habe der Vater des Alls zu Mose gesprochen. Dabei hat doch der Sohn Gottes zu ihm gesprochen, der sowohl Engel wie Gesandter genannt wird«13. Von allen Theophanien des Alten Testaments sagt Justin in seinem »Dialog mit dem Juden Tryphon«: »Dieser Gott, von dem gesagt und geschrieben ist, daß er dem Abraham, Jakob und Mose erschien, ist unterschieden von dem Gott, der das All gemacht hat, der Zahl, nicht dem Begriff (yvoo\JT,I) nach «U. Es ist im Rahmen unserer Untersuchung nun nicht möglich, dieses Thema bei den Kirchenvätern weiter zu verfolgen 15, es sollte nur das Problem deutlich gemacht werden, vor dem Rabbinen und Frühkirche gleicherweise standen. Bei den Rabbinen sehen wir nun überraschend, daß sie an den Stellen des Alten Testaments, wo vom »Engel des Herrn« und gleichzeitig von Gott selbst die Rede ist, oftmals gerade betonen, daß Gott seibst, den sie ja nur als Vater kennen, sich in seine Welt hinein erniedrigt habe ls• Die frühe Kirche wird dem Alten Testament an diesen Stellen wohl eher gerecht als die Rabbinen: Die Aussage vom »Boten des Herrn« kann voll ausgeschöpft werden, denn wie dieser ist eben auch Christus mit dem Vater auf eine geheimnisvolle ,. Justin, Apologie I 63 (5. Justini ... opera ... ed. J. C. Tu. OTTO, tom. 1, Ienae 1847). l ' Ebendort. ,( Dialogus eum Tryphone S6 (5. Justini ... opera ... tom. 2,Ienae t8s8). ,. Ein besonders gutes Beispiel für diese Deutung liefert zum Beispiel noch Novatians Schrift »De trinitate«, die um die Mitte des 3.Jahrhunderts entstand (ed. H.WEYER, Dannstadt t962), in den Abschnitten 98/1". Wenn Novatian (in Abschnitt tOS) Christus den Aposteln die Füße waschen sicht, so ist das für ihn ein Zeichen der Dankbarkeit dafür, daß Abraham ihm, Christus selbst, in Gen 18 die Füße gewaschen hat. Es fällt schwer, zu glauben, daß Novatian diese Anschauung nicht einer jüdischen Vorstellung entlieh, nach welcher Gott selbst als Zeichen der Dankbarkeit für das, was Abraham ihm in Gen 18 getan hatte, an Israel in der Wüstcnzcit ähnliche Dienste tut (s. E 64). Eine ganz andere frühchristliche Exegese deutet einen Engel im Hill11l1,l auf Christus. Darauf ist DANIELOU (I 67/f., »Trinite et Ang8010gie«) besonders eingegangen. Dort ist auch die einschlägige Literatur über diese EngeIchristologie des frühen Christentums verzeichnet. Die Wurzel dieser Deutung des ayy&i\oS auf Christus liegt möglicherweise bei Philo, da dieser etwa den i\6yos lläPX
97
Weise identisch und doch gleichzeitig wieder von ihm unterschieden. In der frühchristlichen Deutung kommt Gott im Alten Testament wirklich auf die iErde, aber im Sohn, während gleichzeitig im Vater seine Transzendenz gewahrt bleibt. Wenn wir nun die rabbinische Deutung betrachten, so müssen wir feststellen, daß sie einer Grundwirklichkeit des Christentums zustrebt, über die Aussagen des Alten Testaments hinaus: Sie will mit Gottes Kommen in die Welt ganz ernst machen. Das zeigt sich daran, daß sie den Theophanien des Alten Testaments inkarnatorische Züge der Selbsterniedrigung zuschreibt, die sich im Text des Alten Testaments noch nicht finden. Sie sieht damit in gewisser Weise eine Entwicklung bereits erfüllt, welche in den betreffenden Stellen erst angebahnt ist und verborgen anwesend ist. Wenn sie damit über den Sinn dieser Schriftstellen - vor allem bei der Unterscheidung zwischen Gott und seinem Engel- auch oft hinausgreift, so ist dieses Hinausgreifen gerade das Beeindruckende: Die tiefe Sehnsucht nach der Nähe Gottes selbst, nach der Erlösung l ? durch ihn persönlich l8 und durch niemand anderen wird auch für die Rabbinen nur dadurch erfüllt, daß Gott selbst in menschliche Dimensionen eingeht und sich so in »niedriger Gestalt« an die Menschen dienend wegschenkt. Wenn wir nun zu den Texten kommen, die vom Herabsteigen Gottes vom Himmel auf die Erde handeln, so können wir auch hier feststellen, daß die Rabbinen aus dem alttestamentlichen Text Aussagen herauslesen und in den Vordergrund ihrer Interpretation stellen, die für den Text des Alten Testaments selbst höchstens hintergründig und verborgen da sind: Das Alte Testament kann ganz unbefangen von einem »Herabsteigen« Gottes reden, weil es nie damit rechnet, daß Gott durch das Verlassen des Himmels und das Herabkommen auf die Erde irgendeine »Erniedrigung« erfahrt. Für den Midrasch dagegen bedeutet Gottes Herabsteigen immer zugleich Selbsterniedrigung: Es ist für Gott das gleiche wie für Mose, der aus der Nähe Gottes im Himmel zum sündigen Volk herabsteigen und sich mit ihm abmühen mußlD. Im Alten Testament steigt Gott herab, um sich in machtvoller und strahlender Theophanie dem Menschen zu zeigen: Er selbst verliert nichts durch dieses Kommen, in dem vielmehr seine überweltliche Herrlichkeit erst recht in Erscheinung tritt. Der Midrasch dagegen holt aus diesen Theophanien gerade den Zug der Selbsterniedrigung Gottes heraus: Während das Alte Testament die Heiligkeit der Dornbusch-Erscheinung dadurch betont, daß Mose seine Schuhe ausziehen muß, bevor er der Erscheinung nahen darf2°, blickt der Midrasch auf Gottes Herabkommen in den niedrigen und verachteten Dornbusch, auf seine gewöhnlich-menschliche Redeweise 21 • Typus für diese Erlösung ist ja der Auszug aus .Ägypten und der Wüstenzug. Dieses Thema, daß die endgültige Erlösung Israels durch Gott selbst und nicht mehr, wie bisher in Israels Geschichte, durch einen menschlichen Mittler erfolgt, kehrt in den Midraschim oft wieder (vgl. zum Beispiel TB Achare-moth 18 Ende). 19 T 25. 2°&3,5, 21 TT 27-29. 17
18
Während das Alte Testament in der Sinai-Theophanie vor allem Gottes Macht zum Ausdruck bringt, und zwar dadurch, daß Gott auf einen Berg kommt, von furchterregenden vulkanischen Erscheinungen begleitet 22, sieht der Midrasch hier zuerst Gottes Erniedrigung überhaupt und weist dann in einer besonderen Interpretation darauf hin, daß Gott auf den Sinai als auf den niedrigsten aller Berge herabgekommen sei 23 • Auch R. Jose u , der sich dagegen wehrt, daß Gott ganz auf die Erde herabgestiegen sei, bewegt sich noch völlig in diesen rabbinischen Vorstellungen und kann nicht mehr zur Unbefangenheit des Alten Testaments zurückkehren. Da der besondere Zug der Selbsterniedrigung beim Herabsteigen Gottes den Rabbinen so wichtig geworden war, sehen sie nun auch andere Erscheinungen Gottes auf Erden, bei denen im Alten Testament nicht vom »Herabsteigen« Gottes die Rede ist, unter diesem Aspekt des sich erniedrigenden Herabsteigens: Sein »Kommen« in Zelt und Tempel wird in dieser Richtung interpretiert 25 • Wenn dann das Kommen Gottes in ein ärmliches Nomadenzelt aus Ziegenfellen, das Bundeszelt nämlich, als besondere Selbsterniedrigung erklärt wird 28, so steht der Midrasch scheinbar in klarem Gegensatz zum Alten Testament, welches die Pracht dieses Zeltes ausführlich schildert 27 • Und doch müssen wir feststellen, daß der Midrasch mit dieser seiner Interpretation den Sinn der Wüstenwanderung, in welcher Gott mit einigen verlorenen Nomadenstämmen eine innige Gemeinschaft eingegangen war, auf seine besondere Weise ebensogut erfaßt hat wie der »priesterliche« Autor des Alten Testaments, der die Pracht des salomonischen Tempels auf das Wüstenzelt übertragen hat B8 • Einen besonderen Fall stellt schließlich der Text dar, in dem vom Herabsteigenlassen bzw. vom Vertreiben der Schekhinah durch den Menschen die Rede ist: Es handelt sich lIm eine Weiterinterpretation der Ezechielte.'tte, die davon sprechen, daß Gottes Herrlichkeit den Tempel und Jerusalem verläßt bzw. dorthin zurückkehrt 29• Während aber bei Ezechiel Gottes Weggehen als Strafe und sein Kommen als Heil für Israel gesehen wird, von Gott souverän vollzogen, wird Gott im Midrasch in die Hand des Menschen gegeben, welcher ihn von seiner selbstgewählten Heimat, der Erde, vertreiben kann 30. Mit seiner Selbsterniedrigung auf die Erde liefert sich Gott also gewissermaßen dem Menschen aus. Das will mit anderen Worten auch der Text zum Ausdruck bringen, der davon spricht, daß sich Gott an Israel als »Hebegabe« wegschenkt 3l • Auch dieser Text geht durch eine geschickte, philologisch 22 Ex 19.1611". ~3 TT 30 + p. :>, T 36.
.. TTH+35· T 35. 27 Ex 25-30; 35-40. 28 M. NOTIi, Das zweite Buch Mosc, Exodus, Göttingen 1959, 163. 20 Ez8,4; 1o,18ff.; II,2Zff.; 43,1ff. In diesen Ez-Stellen ist übrigens im Gegensatz zu unserem Midrasch (T 33) nicht vom Weggehen Gottes von der Erde, sondern nur vom Land Israel und vom Tempel die Rede. 30 T 33. 31 TT 22 + 23. 26
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natürlich nicht korrekte, Uminterpretation weit über die Aussage des Alten Testaments hinaus: Dieses sagt hier nur, daß Gott von Israel eine Hebegabe empfangen soll, die Rabbinen aber sehen in Gott selbst die letztgültige Gabe, ~ie Israel von Gott empfangen und die es ihm darbringen kann. Von den vorher genannten Stellen, an denen auch im Alten Testament zumindest ein Ansatz für das Hinabsteigen Gottes gegeben war, gingen die Rabbinen weiter: Sie sahen auch dort, wo das Alte Testament nicht den geringsten Anlaß dazu gibt, eine Selbsterniedrigung Gottes zu vermuten, Gott in die Niedrigkeit der Erde herabkommen: Er hat seine Wohnung bei dem »kleinsten« aller zwölf Patriarchen, bei Benjamin 32 • Von seinem Thron im Himmel (bzw. über den Himmeln) steigt er in eigener Person hinab, um Mose zu schützen33• Wenn man diesen Text mit Jes 6 vergleicht, wo Gott überweltlich groß und unnahbar auf seinem Thron sitzt und wo die Verbindung zwischen ihm und dem Propheten nur durch einen Engel hergestellt werden kann 34, dann wird der Abstand des Midraschs vom Alten Testament deutlich: Den Rabbinen war daran gelegen, daß eben Gott selbst und niemand anderer um den Preis seiner eigenen, räumlich vorgestellten Selbsterniedrigung zum Erlöser der Men,sehen wird. Wenn wir nun zu den Texten kommen, die von der Selbstbeschränkung Gottes in einem Raum auf der Erde handeln, so konnten hier die Rabbinen vor allem auf 1 Kg 8 zuruckgreifen 35, wo dieses Problem bereits erscheint: Gott füllt die ganze Welt, ja er ist größer als diese - und doch will er im Tempel, in einem beschränkten Raum, wohnen. In I Kg 8, loff. ist noch ganz unreflektiert das Wohnen Gottes in der Wolke wie im Wüstenzelt als Theophanie gesehen. Salomo staunt hier nur darüber, daß Gott im Dunkel des Allerheiligsten wohnen will. Gottes Wohnen selbst erstaunt ihn nicht. Anders ist es dann im folgenden Abschnitt (1 Kg 8,2.7ff.): Hier wird klar gesagt, daß Gott von keinem Raum und schon gar nicht vom Tempel umfaßt werden kann. Das Problem, daß er eben trotzdem im Tempel »wohnt«, wird dadurch gelöst, daß gesagt wird, sein »Name« wohne im Tempel36 • Wir haben es hier mit einer ähnlichen Erscheinung zu tun wie beim malakh jhwh: Gott, wie er auf Erden weilt, wird durch ein Wesen repräsentiert, das von Gott, wie er im Himmel wohl1t, einerseits unterschieden wird und das andererseits doch wieder mit ihm identisch ist 37 (»Name« bedeutet für das Alte Testament und den ganzen Alten Orient ja »Wesen«)88. Zu 1 Kg 8,2.7 kommen als weitere 8B
85 86 8?
38
T 3Z. 88 T z6. 34 Jcs 6,1+6. TI 47+4 8. 1 Kg 8,Z9. Von daher wird verständlich, daß genau wie beim malakh jhwh auch der »Name« Bezeichnung für Christus in der frühchristlichen Literatur werden kann (DANIELOu 199ff.). Vgl. besonders Didach~ X z+ 3 : »Wir sagen dir Dank, Heiliger Vater, für deinen heiligen Namen, den du in unseren Herzen hast wohnen lassen (Kcrreln<'fJvoocras)«. Hier ist wie in Jo I, 14 (»••• und wohnte unter uns«, Kai ~ln<'fJvoocrev ~v 1')lliv) Gottes Kommen auf die Erde mit dem Begriff der Schekhinah vorgestellt. G. VON RAD, Theologie des AT I, 1!)6z, 193ff. (»Die Offenbarung des Jahwenamens«). - W. EICHRODT, Theologie des AT I, 1961, I!)ff.
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Aussagen Jer Z;, Z4 und Jes 66, I: Hier ist ebenfalls davon die Rede, daß Gott nicht auf einen bestimmten Ort der Welt begrenzt ist. Wie verwendet der Midrasch diese alttestamentlichen Aussagen? Er benutzt gemde diese Stellen, um die Größe des Wunders zu zeigen, das darin besteht, daß Gott seine überweltliche Fülle auf einen bestimmten Raum in der Welt begrenztl 39 Wenn Jer Z;, Z4 und Ps 148 im Höhlengleichnis R. Levis 40 noch einmal im ursprünglichen Sinn verwendet werden - daß Gott sich nicht räumlich beschränke-, so kann doch selbst dieses Gleichnis nicht mehr hinter die rabbinische Fragestellung zurück. Indem es das Wunder der Se1bstbeschränkung erklärt, hebt es dieses Wunder als solches auf. Als Grundzug der rabbinischen Deutungen können wir feststellen: Es ist ihnen mehr an der wunderbaren Selbstbeschränkung Gottes gelegen als an seiner weltumfassenden Fülle, die jetzt nur mehr als notwendiger Kontrast zu dieser Sclbstbeschränkung gesehen und so indirekt dieser Anschauung dienstbar gemacht wird. Während im Alten Testament diese Fülle Gottes noch als wunderbarer Machterweis positiv gesehen wird, kann sie für den Midrasch, dem es um Gottes Selbstbegrenzung geht, geradezu als negatives Zeichen der Ferne Gottes vom Menschen gelten: So wird in einem Text Jes 66, I negativ gedeutet 41 • Wieder muß man sagen, daß der Midrasch damit die Schrift nicht völlig falsch gedeutet hat: Gott sagt zwar in Jes 66, I, daß er Himmel und Erde überrage, doch in Jes 66, Z sagt er, daß er auf den Demütigen, Niedrigen blicke. Indem der Midrasch dieses Sich-Kümmern um den Niedrigen vollendet sieht in einem Wohnen Gottes beim Niedrigen in Niedrigkeit, geht er über den Wortlaut der Schriftstelle hinaus und wird doch ihrer letzten Intention gerecht. Besonders deutlich wird die starke, über das Alte Testament hinausgehende Betonung der Selbstbegrenzung Gottes in der Auslegung von Ex Z 5, zz durch den Midrasch: das Sprechen Gottes vom Raum zwischen den Stangen der Bundeslade aus wird gedeutet auf eine Selbst beschränkung Gottes auf diesen minimalen Raum: Diese nochmalige Selbstbegrenzung innerhalb der Selbstbegrenzung kennt das Alte Testament noch nicht 42 • Von Zelt und Tempel ausgehend nimmt der Midrasch dann für alle möglichen alttestamentlichen Gotteserscheinungen eine Selbstbeschränkung Gottes an: Wenn er an einem bestimmten Ort (zum Beispiel Dornbusch, Sturmwolke) gegenwärtig wird, so vollzieht sich das gleiche wie im Heiligtum: Er begrenzt, wenn auch nur vorübergehend, sich selbst auf diesen Raum. Darauf hat das Alte Testament freilich an keiner dieser Stellen reB.ektiert. Dabei ist es einmal Gott selbst, das andre Mal (oft im selben Text abwechselnd damit) Gott als Schekhinah, der sich selbst beschränkt. Daß alle alttestamentlichen Erscheinungsformen Gottes auf der Erde (Name, Engel, Herrlichkeit Gottes) in den von uns übersetzten und in sehr vielen anderen rabbinischen Texten durch die einzige 39
TT 37+ 38,40, 47.
'0 T 41. (1 T 43. &2
Vgl. besonders T 42. 101
Benennung »Einwohnung« (Gottes) ersetzt sind, ist eine bedeutsame Tatsache, welche auf die rabbinische Religiosität ein helles Licht wirft: Daß der :weltumfangende Gott selbst von der Welt umfangen wird, in ihr »wohnt«, 1\ idas wird dem jüdischen Glauben als das eigentliche Wunder des göttlichen Bundes bewußt. Da das rabbinische Denken diese endgültige »Menschwerdung« Gottes jedoch schon im Alten Testament als der endgültigen Offen•barung finden will, an Stellen, an denen sie höchstens im Ansatz ausgesagt ist, stößt dieses Denken weit über den ursprünglichen Sinn dieser Schriftstellen hinaus bis hin :w Deutungen, die nur mehr wenig mit diesem ursprünglichen Sinn zu tun haben.
,. KAPITEL
Jüdische und christliche Anschauung von der Selbsterniedrigung Gottes im Vergleich Mit der Sammlung der rabbinischen Aussagen über die Selbsterniedrigung Gottes. ihrer übersetzung und Interpretation. der Darstellung ihres historischen Werdens und ihres Verhältnisses zum Alten Testament und schließlich ihrer Ergänzung durch einen überblick über die ihnen verwandten Leidensaussagen über Gott in der rabbinischen Literatur ist die eigentliche Aufgabe der vorliegenden Arbeit erfüllt. Wenn nun weitergehend versucht wird. auf die Beziehung dieser Aussagen zu den entsprechenden des Christentums einen kurzen Blick zu werfen. so kann es nicht darum gehen, die Ergebnisse einer mühevollen Einzelforschung vorwegzunehmen. welche die Beziehung der erschlossenen rabbinischen Texte zu ihren neutestamentlichen Parallelen zu klären hätte, oder eine abschließende Beurteilung der jüdischen Anschauungen vom Standpunkt des Christentums aus zu geben. Es soll hier lediglich versucht werden. durch eine kurze Gegenüberstellung der jüdischen Anschauung von der Selbsterniedrigung Gottes und der entsprechenden christlichen einige Grundlinien deutlicher zu machen. als das eine Interpretation tun könnte. die jeweils ganz im Rahmen einer der beiden Anschauungen verbliebe. Vielleicht kann damit ein wenig die Richtung aufgezeigt werden. in welcher notwendige Einzeluntersuchungen fortschreiten könnten. Wenn dabei die rabbinischen Anschauungen als die jüdischen schlechthin bezeichnet werden - ebenso wie die neutestamentlichen Anschauungen als die christlichen schlechthin I -, so besteht dazu eine gewisse Berechtigung, da die rabbinische Tradition und ihre Kodifikation in Talmud und Midrasch für das Judentum aller Richtungen ll eine ähnlich grundlegende und prägende Rolle gespielt hat wie die Epoche des Neuen Testaments und die der Kirchenväter für die Kirche: Die rabbinische Haggadah, die legendenhaft-ausschmückende Deutung der Erzählungen des Alten Testaments, mit der es die vorliegende Arbeit zu tun hatte, blieb und bleibt im Judentum wirksam durch die beständige Lektüre der Midraschim und der vom Midrasch gespeisten Targume und mittelalterlichen Bibelkommentare, während die rabbinische Halachah, die Gesetzesinterpretation, für das orthodoxe Judentum auch heute noch die verbindliche Deutung des alttestamentlichen Gesetzes darstellt 3• Auf der anderen Seite kann nicht übersehen werden. daß die Halachah in der rabbinischen Tradition gegenüber der Haggadah quantitativ und qualitativ den ersten Platz einnimmt. Die haggadischen Anschauungen des rabbinischen Judentums besitzen so für das orthodoxe Judentum nicht die gleiche verbindliche Autorität Es ist klar, daß wir dabei von einem ganz bestimmten Vorverständnis des Neuen Testaments und der Kirche ausgehen, wie das im Grunde jeder tun muß. Es zu begründen ist hier nieht der Ort. • Nur einige Gruppen, etwa die Kamer, sind dabei auszunehmen. 3 Zur Einführung in die Terminologie ist aueh heute noeh H. L. STRACKS »Einleitung in Talmud und Midrasch« (Unveränderter Nachdruck der 5. Auflage, München 1961) am besten geeignet.
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wie die halachischen. Schon in der rabbinischen Epoche selbst wurden die haggadischen Deutungen mehr als subjektive Äußerungen verstanden, während ein bestimmter Teil der halachischen Anschauungen so normativ geworden war, daß er als jeder Diskussion entzogen galt'. Hier zeigt sich ein Grundunterschied zwischen Judentum und Kirche: Während im Christentum vor allem die das Alte Testament erfüUenden und erklärenden Heilsgeschehnisse des Neuen Testaments verbindliches und unveränderliches Glaubensgut sind, nehmen im Judentum die Gesetzesbestimmungen, welche die Gelehrten in der »mündlichen Tradition« weitergeben, den Platz des vorrangigen Glaubensgutes ein. Umgekehrt herrscht nun im Christentum große Freiheit in der konkreten Gestaltung der Ethik, während im Rabbinismus die gleiche Freiheit bei der Deutung der Heilsgeschehnisse herrscht. Man kann es wagen, in diesem Tatbestand eine geschichtliche Ausprägung des Gegensatzes zwischen Judentum und Christentum zu sehen, wie ihn Paulus versteht: Heilsereignisse (bzw. das eine Heilsereignis des Christusgeschehens) als Geschenk von Gott her bilden das Grundprinzip des Christentums, Gesetzesauslegung bis ins Detail als Leistung des Menschen bildet das Grundprinzip des Judentums in seiner rabbinischen Form. Es soll damit nicht geleugnet werden, daß in der Kirche stets die Gefahr einer »Vergesetzlichung« bestand und besteht; doch muß diese als Abirrung vom Ursprung und Wesen des Christentums aufgefaßt werden und nicht als seine Entfaltung. Bei dem geschilderten Gegensatz kann es sich im übrigen, wie vielleicht bei allen Gegensätzen in der Religionsgeschichte, nur um einen in der Setzung des Hauptakzents und nicht um einen ausschließlichen handeln: So wie das Christentum ohne eine Form von Gesetz - das nun freilich ein »neues Gesetz« ist- nicht existieren konnte und kann, so galten auch umgekehrt für die Rabbinen die Heilsercignisse des Alten Testaments als unveränderliches Glaubensgut, und im Judentum behielt der »Garten des Midrasch« seinen Platz; in ihm konnte sich der Jude immer nach der anstrengenden Fahrt auf dem »Meer des Talmud« (der Gesetzeslehre) ausruhen. Die Vorstellungen von der Selbsterniedrigung Gottes gehören nun zu den Grundbestandteilen der Haggadah: Wir treffen sie sowohl in der babylonischen wie in der palästinensischen Schule des Rabbinismus und in beiden Schulen wiederum in der ganzen Zeit ihres Bestehens an. Bei dieser umfassenden Grundlegung in der Tradition ist es verständlich, daß das Motiv der Selbsterniedrigung Gottes in den folgenden Jahrhunderten der jüdischen Geistesgeschichte bis heute wirksam bleiben konnte. Beim Vergleich der jüdischen mit den christlichen Aussagen über eine Selbsterniedrigung Gottes fällt zunächst eine große Ähnlichkeit beider auf: daß Gott aus Liebe zu seinem Volk vom Himmel herabgestiegen ist, daß er sich auf der Erde den niedrigsten Platz ausgesucht und seine Unendlichkeit· auf • Zur geringeren Bewertung der Haggadah gegenüber der HaJachah vgl. die Ausführungen von M. GUTrMANN in seinem Artikel »Agada« (= Haggadah), in: Encyclopaedia Judaica, Bd. I, J9z8, Sp. 9P-97~ (bes. Sp. 968/9). 104
einen kleinen Raum in der Welt beschränkt hat, daß er arm und demütig auf seine Ehre verzichtet, den Menschen Sklavendienste geleistet und schließlich auf reale Weise am tiefsten Leid seines Volkes teilgenommen hat: das alles kann nicht nur der jüdische Glaube aussagen, sondern es gehört auch zum Grundbestand des christlichen Bekenntnisses. Im Festhalten dieser Wahrheit grenzen sich beide gemeinsam vom Griechentum ab, das, soweit wir sehen können, keine Selbsterniedrigung und Sclbstentäußerung der Gottheit im gleichen Sinn wie das Judentum und das Christentum kennt. Auch gegenüber der Gnosis ließe sich wahrscheinlich eine solche Gemeinsamkeit von neutestamentlich bestimmtem Christentum und rabbinisch bestimmtem Judentum zeigen, und zwar sowohl in der Betonung der realen Erniedrigung Gottes wie auch in der Ablehnung aller Spekulationen über die himmlische Welt s. Hier drängt sich die Frage auf, ob und inwieweit die Vorstellungen des Neuen Testaments von der Selbsterniedrigung des Erlösers von den entsprechenden rabbinischen Vorstellungen historisch beeinflußt sind. Zu einer sicheren Antwort auf diese Frage wird man kaum kommen können, da die in der uns vorliegenden rabbinischen Literatur enthaltenen Anschauungen zwar aus früherer Zeit stammen als diese Literatur selbst, da andererseits aber ihr frühester Ursprung - ob vorchristlich oder nicht - schwer festzustellen ist. Immerhin konnten wir im zweiten Kapitel unserer Untersuchungen nachweisen, daß alle wesentlichen rabbinischen Anschauungen von der Selbsterniedrigung Gottes bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert vorhanden waren und daß etwa die Vorstellung vom Abstieg Gottes schon im zweiten Jahrhundert von Justin als allgemein-jüdische betrachtet wird I. Wenn wir nun feststellen, wie stark sich einerseits das rabbinische Judentum gegen das frühe Christentum theologisch absetzt, wie sehr andererseits das entstehende Christentum aus der theologischen Begriffswelt des Judentums lebt, aus dem es hervorgewachsen ist, und wenn wir schließlich sehen, wie die rabbinischen Deutungen eine ohne jeden fremden Einfluß in sich mögliche Weiterfuhrung einer theologischen Linie des Alten Testaments darstellen, so sprechen diese drei Tatsachen für die Hypothese, daß das Urchristentum bereits vorhandene rabbinische Vorstellungen von der Selbsterniedrigung Gottes benutzt hat, um das Geheimnis der Inkarnation und der Passion des Erlösers zu umschreiben 7 • Dieser Schluß, der bei der relativ unsicheren Quellenlage nur Wahrscheinlichkeitscharakter haben kann, könnte immerhin dazu beitragen, den Vorgang Besonders aufschlußreich wäre wohl ein Vergleich der rabbinischen und der entsprechenden neutestamentlichen Stellen, die vom Abstieg des Erlösers auf die Erde sprechen, mit der sog. Ascensio Isaiae. die aus einer frühen judenchristlichen Gnosis Zu stammen scheint. • Zu den betreffenden Stellen bei Justin s. Anm. I2 und 14 zu Kapitel IV. 7 Wenn sich diese Hypothese bewahrheitete, so wäre ihre Tragweite für die Exegese nicht Zu unterschätzen: Ein Zug, der im rabbinischen Judentum nur Goll zukommt (und zwar paradoxerweise seine Selbsterniedrigung aus transzendenter Höhe). würde von den Schriften des Neuen Testaments auf JIJIIJ übertragen. &
der Entstehung des Christentums, wie wir ihn heute sehen, an einem weiteren Beispiel zu verdeutlichen: Die entstehende Religion wählt aus dem Vorstellungsmaterial, das ihr ihre religiöse Umwelt bietet, das Passende aus und beschreibt mit ihm das überwältigende Ereignis, unter dessen Eindruck sie steht, das Christusgeschehen. Dabei erlebt dieses so verwendete Vorstellungsmaterial selbst eine gewisse inhaltliche Neubestimmung von der Sache her, die es nun bezeichnen soll. Die beiden Momente der Anknüpfung an die Tradition und des Bruchs mit ihr sind so für das entstehende Christentum gleich wesentlich. Führen wir den Vergleich zwischen den jüdischen und den christlichen Aussagen über die Selbsterniedrigung Gottes ein wenig mehr in die Tiefe, so stellen wir fest, daß sich hinter einer großen formalen Gleichheit der Aussagen eine ebenso große, ja, eine noch größere Verschiedenheit verbirgt, die zuerst und zuletzt von dem Faktum her bestimmt ist, daß die rabbinische Glaubenswelt nur eine einzige göttliche Person kennt und daß es demgemäß di8.t8 ist, die sich erniedrigt, wenn Gott sich erniedrigt, daß dagegen für das Christentum die zweite Person der Gottheit sich in die Menschenwelt hinab erniedrigt hat 8 • Freilich muß auch hier einschränkend bemerkt werden, daß das Judentum in der rabbinischen Epoche dabei war, eine gewisse Anschauung von einer Mehrpersönlichkeit Gottes zu entwickeln, wie das besonders deutlich in der Unterscheidung des im Himmel thronenden Gottes von seiner auf Erden weilenden »Einwohnung« (Schekhinah) geschieht u• Das Ineinanderfallen von Wesen und Person bei Gott im rabbinischen Den;ken bringt nun eine Gefahr mit sich: Während im christlichen Denken beim Gegenüber von Vater und Sohn auch in der Selbsterniedrigung immer Frei'heit und Allmacht Gottes - wie andererseits ebenso die Freiheit des Menschen Jesus - ausgedrückt und gewahrt erscheinen 1o, kann es beim rabbinischen Denken manchmal so vorkommen, als ob hier Gott als ganzer so in die Welt ,einginge, daß er an Raum und Zeit unaufhörlich gebunden erscheint und daß er den Dimensionen dieser Welt und den Bedingungen ihrer Geschichte nicht mehr auf Grund seines freien Willens unterworfen ist: seine freiwillige Selbsterniedrigung ist schon fast zu einer Passivität der Welt gegenüber geworden, deren Erlösung nun auch die seine wird l l • Gleichzeitig wird Gott so an sein Volk als ganzes gebunden gesehen - gleich, ob dieses »rein« oder »unrein« ist 12 -, daß seine Erlösung nicht mehr als seine eigene freie Tat erscheint, Wir wählen bewußt diese für das Neue Testament anachronistische Ausdrucksweise, weil wir glauben, daß sie den Tatbestand des Neuen Testaments richtig zusammenfaßt und interpretiert. e Weitere Einzelheiten dazu und besonders noch zur Beziehung Schekhinah-Heiliger Geist, die von einer »Zweipersönlichkeit« Gottes bereits wegführt zu einer Art »Dreipersönlichkcit«, sind in der zitierten Arbeit von A. M. GOLDBEIlG Zu finden. Eine umfassende Arbeit über den Heiligen Geist in der rabbinischen Theologie steht allerdings noch aus. 10 Das Verhältnis derSchekhinah zu Gott selbst ist rein passivisch; nie tritt sie Gott gegenüber als ganz freie und unabhängige Person auf. 11 Belegstellen für diese Anschauungen in den Anmerkungen 6, bis 7I zu Kapitel HI. 12 Belegstelle dazu in Anm. I9 zu Kapitel llI. 8
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sondern in Gefahr gerät, von der Erlösung dieses Volkes abhängig zu werden bis hin zu dem Punkt, wo Gott notwendig von Menschen erlöst wird. Andererseits wird die Erlösung so sehr als die dieses Volkes gesehen, daß manchmal kaum noch Raum bleibt für das Heil aller Völker, und sie wird so sehr als die des ganzen Volkes aufgefaßt, daß die Freiheit des Einzelnen, der sich dem Heil auch verweigern kann, in Gefahr gerät. Wenn sich diese Betonung der engen Bindung Gottes an sein Volk sachlich auch kaum aus dem Alten Testament begründen läßt, so ist sie geschichtlich doch gut zu verstehen als Ausdruck des Kampfes um geistige und physische Selbstbehauptung, in dem das Judentum der ersten nachchristlichen Jahrhunderte stand und in dem es mehr als je zuvor den Sinn seiner Existenz theologisch zu begründen und zu bestätigen suchte. Da das Judentum sich an den Geschehnissen des »Alten Bundes« - der für den Juden ebcn nicht der »alte«, sondern der ewig-gegenwärtige ist - orientiert und dabei besonders die Zeit des Exodus als die typische Heilszeit schlechthin betrachtet, liegen für die rabbinische Theologie die wesentlichen Ereignisse der Selbsterniedrigung Gottes in jener alttestamentlichen Heilszeit, nicht, wie im Christentum, im irdischen Leben eines gottmenschlichen Erlösers. Dieser Unterschied in der Sicht der Heilszeit aber bringt es mit sich, daß der sprunghafte, fragmentarische und theologisch vielfältige Charakter des alttestamentlichen Heilsgeschehens auch das Wesen der Ereignisse der Selbsterniedrigung Gottcs prägt, die in diesem Heilsgeschehen verankert gesehen werden: Daraus, daß Gott in der Zeit des Alten Testaments seinem Volk auf vielfältige Weise erscheint und sich ihm dann wieder jeweils entzieht, ergibt sich für die Aussagen von seiner Selbsterniedrigung ein vielfarbiges Bild, dessen verschiedene Züge oft sehr wenig äußere Berührung untereinander haben. So wird etwa die Vorstellung vom Sklavendienst Gottes vom Midrasch nie mit der von Gottes Selbstbeschränkung zusammengesehen, wie das von der Sache her gut möglich wäre. Auch geben die beiden Typen von »Erscheinungsschekhinah« und »Gegenwartsschekhinah«13 zusammen kein in sich geschlossenes, anschauliches Bild. In der Sicht des Christentums dagegen bietet das Christus geschehen, da es sich in dem kurzen Zeitraum eines konkreten Menschenlebens vollzieht, ein anschauliches und in sich konsequentes Gesamtbild von Einzelzügen der Selbsterniedrigung des Erlösers, angefangen von der Inkarnation über das niedrige irdische Leben hin bis zur Passion und zum Tod Jesu, welchem einheitlichen Geschehen gegenüber dann alle entsprechenden Ereignisse des Alten Testaments bzw. ihrer rabbinischen Deutungen nur als Vorstufen zum Eigentlichen erscheinen 14. Bei aller Unverbundenheit der Einzelzüge im rabbinischen Denken kann aber 13
U
Die Bedeutung dieser beiden von GOLDBERG übelnommcnen Begrilfc wird in Kapitel 11 der vorliegenden Arbeit erklärt. Die sich hier anbietende theologische Betrachtung des Alten Bundes, welche alle Aussagen der alttestamentlichen Schriften über Gottes Eintreten in die Geschichte als Vorstufen der Inkarnation wertet, war den Kirchenvätern und dem Mittelalter bekannt, ist der modernen Exegese jedoch weithin verlorengegangen.
die Tatsache nicht übersehen werden, daß schon das bloße Vorhandensein dieser hintergründig durch die Idee der Selbsterniedrigung geeinten Einzelzüge in allen Teilen der Haggadah eine gewisse einheitliche Tendenz dieses Denkens - es ist gewiß nur eine unter vielen und nicht die bedeutendste bezeugt, die Tendenz zu einer stärkeren Betonung des Gedankens der Selbsterniedrigung Gottes. Bemerkenswert bleibt auch, daß man durch die übertragung des Begriffs »Schekhinah «, der ursprünglich nur die dauernde Gegenwart Gottes im Heiligtum inmitten seines Volkes bezeichnete, auf alle Erscheinungen Gottes in der Welt zu einer einheitlichen Konzeption vom Eingehen Gottes in die Welt zu kommen versuchte. Neben der Bruchstückhaftigkeit der rabbinischen Vorstellungen steht ihre Unanschaulichkeit und damit auch das Fehlen eines letzten Ernstes in der Selbsterniedrigung, welcher im Christentum durch den Tod des Erlösers ausgedrückt wird. Das mag daher kommen, daß bei den Rabbinen einerseits nicht anschaulich zu machende Fakten des Alten Testaments (so das Wohnen Gottes im Tempel) als Selbsterniedrigung Gottes gedeutet werden und daß andererseits eine gewisse Scheu davor besteht. Gott als die eine Person, die er nun einmal im Judentum ist, völlig und endgültig mit einem menschlichen Leben verbunden zu sehen, weil dadurch seine Transzendenz in Gefahr zu geraten scheint. Gott nimmt einzelne Züge einer irdischen Existenz an, doch ist er nie wirklich in einer endgültigen und unwiderruflichen Weise »Fleischgeworden« und hat so »unter uns gewohnt« (Jo 1.14). So konnte er auch den letzten Ernst eines solchen irdischen Lebens, den Tod, nicht erfahren16. Ein letzter Unterschied zwischen jüdischer und christlicher Auffassung ist noch zu nennen: Das rabbinische Judentum erwartet, daß sich die endgültige Erlösung auf der Erde, freilich einer verwandelten Erde, verwirklicht: mit dem Abstieg Gottes in den irdischen Bereich und mit seinem Wohnen bei seinem Volk ist die Erlösung vollendet. Umgekehrt wird jeder Aufstieg Gottes an seinen transzendenten Ort als ein unheilvolles Weggehen von den· auf der Erde zurückbleibenden Menschen empfunden18• Das Neue Testament dagegen sieht die endgültige Erlösung darin verwirklicht, daß Christus die Menschen in die Transzendenz des Himmels bzw. des Raums über den Himmeln versetzt, in die er selbst durch seinen Aufstieg vorangegangen ist. In der Kirche und durch die Kirche reicht diese Transzendenz bereits· in verborgener Weise in die Welt hinein: Christsein ist ständiges »Hinübergehen« mit Christus zum Vater, ist ständiges »Hinaufwachsen« zu Christus, der schon beim Vater ist 17 • »Wie nämlich bei irdischen Baustoffen, deren schweres ]. Die in Anm. 63 zu Kapitel III genannte Stelle spricht nieht von einem wirklichen irdischen Todesleiden Gottes. 10 Vgl. dazu Anm. 64 zu Kapitel I. 17 Wir beziehen uns dabei auf den Gebrauch von I'rrrCxyeIV im Johannesevangelium bzw. auf Eph 4. 1~. Die Anschauungen der Apk kommen zwar den rabbinischen näher als die des Jo und des Eph. und doch ist es auch hier schließlich das jenseitige Jerusalcm. das herabkommt. um die Erlösten aufzunehmen (Apk 21,2). Das Bild vom Zelt Gottes bei den Menschen (Apk 21.') weist zwar 108
Eigengewicht immer nach unten zieht, die Grundfeste von unten auf gelegt wird, so ist für uns im Gegenteil jener Grundstein (Christus) oben (im Himmel) gelegt, damit er uns durch die Schwerkraft der Liebe nach oben mitreiße«18. Auch im Neuen Testament wird der Abstieg des Erlösers als heilbringend betrachtet, doch ist er nicht das Endziel des Erlösungswerks: dieses Endziel besteht nicht nur in einer Wiederherstellung des Alten Bundes, sondern in einer überbietung jedes immanenten Heils. Die hier kurz aufgezeigten Unterschiede zwischen der jüdischen und der christlichen Anschauung von der Selbsterniedrigung Gottes können jedoch die eine grundlegende und erstaunliche Tatsache nicht vergessen machen: Neben dem femen Gott des Gesetzes kennt die Synagoge den nahen Gott, welcher sich aus erbarmender Liebe in Selbsterniedrigung und Selbstentäußerung zu seinem Volk herabneigt. In vielfältigen Deutungen des alttestamentlichen Heilsgeschehens, vor deren Kühnheit die Synagoge oft selbst zurückschreckt, erfährt sie so mit und vielleicht noch vor der Kirche auf ihre Weise das Geheimnis der Menschwerdung Gottes.
1&
darauf hin, daß Gottes Wohnen unter den Menschen auch Endziel der christlichen Hoffnung ist und doch ist gerade an dieser Stelle die Apk weit entfernt von der rabbinischen Erwartung eines neuen irdischen Tempels, in dem sich die Schekhinah nun wieder beschrinken müßte: Gott selbst ist ja der eschatologische Tempel (Apk al, zz). Augustinus, Sermo 357 In Dedicatione Ecclesiae TI: PL 58, 1477.
ANHANG
UM SCHRIFTTAßBLLB (Die folgende Umschrift ist nur da angewandt, wo philologische Genauigkeit sinnvoll ist. zum Beispiel bei der Wiedergabe der Namen der Rabbinen.)
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wird nicht wiedergegeben :l=b 1 =g "r=d i1=h =v T =z
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ABKORZUNGSVBRZBICHNIS A) AII,s Tlllom'lIl Gen Genesis Exodus Ex L(e)v Lcviticus Num Numeri Deuteronomium Dt Josua Jos Ri Richter 1 Sam I. Samuelbuch :&Sam z. Samuelbuch
IKg
:&Kg Neh Hiob Ps Spr HL QH Jes
I. Buch der Könige :&. Buch der Könige Nchemia Hiob Psalmen Sprüche Hohes Lied Prediger (Qoheleth) Jesaja
Jercmia Bzcchiel Daniel Hosca Nahum Habakuk Sacharja Maleachi
Jer Bz Dan Hos Nah Hab Sach Mal
B) N,IIIS TlslolII,nl Mt Mk Lk
Jo Apg
Matthius Markus Lukas Johannes Apostelgeschichte
Röm 1 Kor :&Kor
GaI Bph
Römer I. Korintherbricf :&. Korintherbrief Galater Bpheser
Phil 1 Thess Hebr I Petl: Apk
Philipper I. Thessalonicherbrlcf Hebräer I. Pettusbricf Apokalypse
C) Sonstig, Ab~1I Anm. Anmerkung (zu den Kapiteln der Untersuchungen) AT b. B BE R. I.V.
T TI
Altes Testament ben (»Sohn«, bei Rabbinennamen) Brläuterung (zu den übersetzten Texten) Erläuterungen Rabbi sub verbo Text (Die im ersten Teil der Arbeit übersetzten Texte werden als T bezeichnet). Texte
(Alle weiteren verwendeten Abkürzungen im folgenden Literaturverzcichnis).
I,
T
2.
usw.
LITERATUR VERZEICHNIS I.
Rabbinische Quellenwerke, welche die Grundlage für die übersetzten Texte bilden:
AB b
Aggadath berdith, ed. S. BUBER, Wilna 192.5 (Neudruck). (Nach Peraqim zitiert). Der Babylonische Talmud, herausgegeben, übersetzt und mit Erklärungen versehen von L. GOLDSCHMIDT, Haag 1933/35. (Hinter »b« folgt der Name des jeweiligen Traktats. In analoger Weise werden Jerusalemischer Talmud, Mischna und Tosefta zitiert). Abkürzungen der Traktate: AZ BB Ber 'Er I;Iag Hul Jom Ket Meg
BM
gGen gEx gLv gNum GS
JS
m
MJ MS
MT MTh PE
Abodah zarah Baba bathra Berakhoth 'Erubin J:lagigah I:luJlin Joma Kethuboth Megillah
Nid Pcah Qid RH Sab Sanh Sot Suk Tha
Niddah Pcah Qidduiin RoshdSanah Sabbath Sanhetlrin Sotah Sukkah Tha'anith
Batei midrashoth, Twcnty Five Midrashim Publishcd for the First Time flOm Manuscripts Discovered in the Genizoth of Jerusalem and Egypt, with Introductions and Annotations by R. SHLOMO AHARON WERTHEIMER. Second Ed., Enlarged and Amendcd by ABR. Jos. WERTHEIMER, Jerusalem 1954 (Nach Band und Seite zitiert). Midrash Haggadol on the Pentateuch, Genesis, ed. by M. MARGULIES, Jerusalem 1947 (Nach Seiten zitiert). Midrash Haggadol on the Pentateuch, Exodus, ed. by M. MARGULIES, Jerusalem 1956 (Nach Seiten zitiert). Midrash Haggadol, Leviticus, cd. by E. N. RABINOWITZ, New York 1932. (Nach Seiten zitiert). Midrash Haggadol on the Pentateuch, Numbers, ed. by Rabbi Dr. S. FIsH, London 1957 - Jerusalem 1963 (Nach Seiten zitiert). Genizah Studies in Memory of Dr. S. SCHECHTER, Vol. I, ed. L. GINZBERG, Midrash and Haggadah, New York 1918. Talmud jeruschalmi 'al-pi defuse Venezia-Krakau-Krotoschin, New York 1948 (= der Jerusalemische oder Palästinensische Talmud. Nach Blättern und Spalten zitiert). Jalqut Sim'oni, Jerusalem 5711. (Für JS zu KL ist ausnahmsweise die Ausgabe von S. BUBER in einem Neudruck, Wilna 1915, verwendet). Die Mischna, Text, übersetzung und ausführliche Erklärungen, cd. G. BEER und O. HOLTZMANN (später K. H. RENGSTORP und L. ROST), Gießen (später Berlin) 19u1f. (Für die in die.ser Ausgabe noch fchlenden Traktate wird der Mischna-Text des Babylonischen Talmuds in der Ausgabe von GOLDSCHMIDT benutzt). Mechiltha d' Rabbi Jismael, cd. HOROVITz-RABIN, Jerusalem 11960 (Nach P8Iaschcn zitiert). Mechiltha d' Rabbi Simon b. Jochai, ed. J. N. EpSTEIN-E. Z. MELAMMED, Hierosolymis 1955 (Nach Seiten zitiert). Midrasch Tannaim zum Deuteronomium •.• gesammelt ••• von Dr. D. HOPPMANN, Berlin 1908/9 (Nach Seiten zitiert). Midrasch Tehillim (Schocher Tob), cd. S. BUBER, Wilna 1891 (Entweder nach Seiten oder nach Kapiteln und Abschnitten zitiert). Pirqe de Rabbi Eli'ezer (mit Komment8I von DAVID LUR}A), New York 1946 (Nach Abschnitten zitiert).
PK PR r
rGen
rEx rLv rOt rKL sHL sKL sQH SDt SLv SNum
t
TB TE
TW
1.
Pc:sikta de Rav Kahana. according to an Oxford Manuscript .•• by BERNARD M.UIDELBAUM. New York 1961. Pc:sikta Rabbati. Midrasch rur den Fest-Cyclus ... cd. M. FRIEDMANN. Wien 1880 (Nach Blättern zitiert). Midrasch Rabbah (!Gen = Midrasch Rabbah zur Genesis. usw. Es wird durchgängig nach Kapiteln und Abschnitten zitiert). Als Grundlage ist benutzt die Ausgabe ROMM. WHna 1884-87 (3 Bde.). Für folgende Teile dcr Midrasch-Rnbbnh-Sammlung sind andere Ausgaben benutzt: Bereschit Rabba. mit kritischem Apparat und Kommentar von J. THEoDoR. Berlin 1911. 2. Teil nach dem Ableben des Verfassers bearbeitet und ergänzt von CHR. ALBECK. Berlin 1917. Midrasch Rabbah. Schemoth. ed. M.A. MIRKIN. Tel Aviv 19~9. Midrash Wayyikra Rabbah. ed. by M. MARGULIES, London-Jerusalem 1953-l8 (4 Bde.). Midrash Debarim Rabbah. ed. by S. LIEBERMANN. Jerusalem 1940. Midrasch Echah Rabbathi. Krit. bearb., COtntn. und mit einer Einleitung versehen von S. 1.III",m, Wilnn ISIIII (Neudruck Td Aviv n. J.). IVIidrash Sutah Zu HL. ed. S. BUBER, Wilna 192~ (Neudruck) (Wie die folgenden beiden Midraschim nach Abschnitten zitiert). Midrasch Sutah zu KL, ed. S. BUBER. Wilna 191~ (Neudruck) (Die beiden von BUBER gebrachten Fassungen sind mit I bzw. Il zitiert). Midrasch Sutah zu QH. ed. S. BUBER. Wilna 191~ (Neudruck). Sifre! debe! Rab. ed. M. FRIEDMANN. Wien 1864 (Aus dieser Ausgabe ist nur der zweite Teil verwendet. der Sifre! zu Dt enthält. - Es wird nach §§ zitiert). Sifra debe! Rab. ed. J. SCHLOSSBERG. New York 1946 (Neudruck). Siphre ad Numeros ••• ed. H. S. HOROWITZ. Lipsiae 191;. (Schriften herausgegeben von der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums. Corpus Tannaiticum. sectio Ina. pars lIla. - Nach §§ zitiert). Tosephta. ed. ZTJCKERMANDEL, Jerusalem 2 1937• Midrasch Tanehuma. ed. S. BUBER. Wilna 1913 (Wie auch TW nach Kapiteln und Abschnitten zitiert). TE Sutah. Es Sepher Tanna debe! Elijahu. Jerusalem 5719 (rTE = TE Rabbah. sTE wird nach Seiten zitiert). Midrasch Tanchuma. Warschau o.J.
=
Andere Quellenwerke oder deren übersetzungen:
a) Bibe/ausgaben: La Sainte Bible. traduit en franft8is sous la direction de l'ccole biblique de Jerusalem, Paris 1961. Biblia Hebraica, adjuvantibus W. BAUMGARTNER etc. ed. R. KITTET,. Stuttgartiae 4 1949 . Miqraoth gedoloth. Jerusalem - Te! Aviv 19~8/~9' Die Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments. Stuttgart o. J. (Sogenannte Zürcher Bibel). Septuaginta. id est Vetus Testamentum gracee iuxta LXX interpretes. cd. A. RAHLFS. Stuttgart 1935. Novum Testamentum Graeee. ed. E. NESTLE et K. ALAND. Stuttgart 24 1960. b) Rabbilliea: Tbe Midrash on Psalms. translated by W. G. BRAUDE. New Haven 1919 (Yale Judaica Series vol. XTII). Midrasch Rabbah. Jerusalem 572.2/f. Midrash Rabbah. translated under the editorship of Rabbi Dr. H. FREEDMANN and MATJRlCE SIMON. London-Boumemouth 19~1/f. Mischnajoth. Budapest o.J. Pseudo-Seder Eliahu zuta, ed. M. FRIEDMANN, Wien 1904. Seder Eliahu rabba und Seder Eliahu zuta (Tanna d'be Eliahu). ed. M. FRIEDMANN. Wien 1902.
IlS
Der tannaitische Midrascb Sifre zu Numeri, übersetzt und erklärt von K. G. KUHN, Stuttgart 19'9 (Rabbinische Texte, berausgegeben von G. KITTEL und K. H. RENGSTORP, 2. Reihe: Tannait. Midraschlm, ,. Band). Die Toscfta, Scder Tobarot, Kelim Baba kamma - Nega'im, übersetzt und erklirt VOll W. WINDPIlHR, Stuttgart 1960 (Rabbinische Teste, I. Reihe, Band VI I). c) Sotuligl QIIIII,nl,xl,: Tbe Ascenslon of Isaiah, ed R. H. CHA1lLES, London 1900. B. Hl!NNP.cu, Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Ühcrsctzung, 3. Auflage herausgegeben von W. SCHNEBMELCHER, Tübingen 19'9/64. Festgebcte der Israeliten Init vollständigem ••• Texte. Neu übersetzt und erklirt von Dr. M. SACHS, Brcslau 1')06. S. Justinl ... opera ... ed. J. C. TH. OTTO, Ienae J847fF. Die Teste: aus Qumran, bebräisch und deutsch, herausgegeben von E. LoHSE, Darmstadt 1964.
3. Lexika: BAUER, W., Wörterbuch zum Neuen Testament, Bcrlin '195S. DALKAN, G. H., Aramäisch-ncuhebriiisches Handwörterbuch zu Targum, Talmud und Midrasch, Göttingen ·193S. (Abgekünt: DALMAN). GESENIUS, W., Hebriisches und aramäisches Hendwörterbuch, Göttingen 19'4 (Nachdruck der 17· AulIage). GoLDSCHMIDT, L., Subject Concordancc to thc Babyloniao. Talmud, cd. by R. Bol!LMANN, Copenhagen 1 9'9. uVY, J., Ncuhebriisches und chaldäisches Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim, Leipzig. IS75-89 (4 Bde.) (Nachtrag und Berichtigungen von J. LIIVY und L. GOLDSCHMIDT, Berlin-Wicn 19z4). (Abgek.: LEvr). KOIIHLI!R, L. - BAUMGARTNER, W., Lcxicon in Vetcris Testamenti Libros, Leiden 1953. KRAUSS, S., Griechische und lateinische Lehnwörter im Talmud, Midrasch und Targum, Berlin IS9S/99 (Abgek.: KRAUSS). LlDDELL, H. J., A Grcck-Bnglish Lcxicon compiled by H. G. LIDDELL end R. SCOTT, Oxford I 19'9. Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, herausgegeben von G. KITTEL, Stuttgart 1933 ff.
40 Sekundärliteratur: (Literatur, die nur je einmal verwendet wurde, ist jeweils in Erliuterungen und Anmerkungen vollstindig genannt und wird hier nicht mehr aufgeführt. Die Literatur zu dem Tbema »schckhin8hu findet sich ziemlich vollstindig aufgeführt in GOLDBERGS »Untersuchungen«). BACHER, W., Die Agada der Tannaiten, I Straßburg 111903 (Nachdruck 196,), TI Straßburg IS90 (Nachdruck 1966). -, Die Agada der Palästinlschen Amoricr, Straßburg IS92""'99. -, Die Agada der Babylonischen Amoräer, Frankfurt/M. 111913• -, Tradition und Tradenten in den Schulen Palistinas und Babyloniens, Leipzig 1914. BUL'IMANN, R., Das Evangelium des Johannes, Göttingen 1962 (17. Auflage im sogenannten Mcyerschen Kommcntarwerk). CtJLLMANN, 0., Die Christologie des Neuen Testaments, Tübingen 1195S. DANltLou, J., Tb~logie du Jud4!o-Christianisme, Paris - Rome 19'5 (Abgek.: DANliLou). GOLDBERG, A. M., Untersuchungen über die Vorstellung von der Schechinah in der frühen rabbinischen Literatur (Erscheint voraussichtlich 1965. Die fortlaufcnclco Testabschnitte dieser Arbeit werden als GI, Gz usw. zitiert). MAIWORSTEIN, A., Tbe old rabbinic Doctrine ofGod, Oxford 1927-1937 (z vols.). (Abgek.: MARMORSTI!IN I bzw. TI) MOORE, G. F., Judaism in the First Ccnturies of the Chrisw Era. Tbe Age of Tannaim, Cambridgc 119'S.
II6
SCHLIEa. H., Ocr Brief an die Ephcscr, Düsscldorf • 1962. -, Christus und die Kirche nach dem Ephescrbrlef, Tübingen 1950. STUCK, H. L., Einleitung in Talmud und Midrasch, München 1961 (Abdruck der ,. Auflage), (Abgek.: STUCK, Einleitung). SnACK, H. L. - BILLBRBECK, P., Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midraach, München 1922-28 (4 Bde.) (Abgek.: StrB I-IV). Band VI: Vcrze.ichnls der Schriftgelehrten, Geographisches Register, hrsg. von J. JEREMIAS in Verbindung mit K. ADoLPH, München 1961.
BIBELSTELLENREGISTER
Altes Testament GelleJÜ
17,16
1721 E48 1,7 42 E In 2.,22. 21 21 E SI 6,4 49 E 201 II,5 34 35 35 E 137 II,5+7 70A 71 II,7 35 12,17 32 21 Ep. 17, I 18 23 E 6497 A q 18, I 16 17E27 21 30 18,2 16 18,21 35 H EI 37 70A 71 18,22 17 20, l~ 32 E II8 20 24,27 26,24 2lEF 28 22 E 61 28,10-13 22 22 E 59 28,13 22 E 59 32 E II9 31,24 22 32 ,2 21 22 35.9 56 E 238 39,2 41, I 32 56 E 238 88 A 50 46,4
18,12.
I, I
Exodu!
3,4 3d 3,8 4,13 4,20 7, I 13 13,17
16,4 16,10 16,12 17,12
II8
38E1 55 36 37 36 E 143 37 E 146 48 86 96 96 98 A 20 36 70 A 71 37 20 E48 20E48 23 E62 27 28 2.8 E 84 + 85+ 86 + 87+ 90 23 23 E 62 24 25 E 71 26 28 6S 9S 32 E Il4 83 A 9 8S A 24 2.7 6S 91 A 88 9S 82A 3
20,22.
8S A 24 30 E 100 31 46 28 6S A 37 99 A 22 16 16 E 23 39 4S 46 47 38 E 157 4° 4S E 18 4 46
23,21
96
19,3 19,4 19, 16ff. 19,19 19,2.0 2.0,2 2.0,2.1
27,15 28,2 28,3
18E34 51 51
Defilerollo1lJiUIII
47
88 A 52 99 A 27 H HE 128 79 H 34 S6 57 S8 S9 2.~, 10 60 2j,22. 4S 4S E 18 4 + 186474713 194 49 B S8 60 101 2S,23 SI 2S,4° H 26, I 51 S9 E 247 26,7 4243 444413 181 26,18-23 S8 E 243 30 ,12 S6 3°,13 51 31,18 19 32 ,7 H 3S E 13 6 34,6 36 H-4° 99 A 27 37,1 So SI 40,34 SI 69 A 62 4°,3S 51 24,10
2S-3° 2S,2 2S,8
1,6 1,31 I,H 4,7 4>36 7,26 10,17 10,18 Il,10+Il 29,4 30,20 32,8 H,16 34,6
15 2829 6SA37 27E81 28 E 91 45 E 184 42 13 14 63 A 2 13 14 26 29 19 EH 26 E 74 49 E 200 21
10Jlla
3,9 3,10 3,II 1
4813 197 48 E 197 51 52 E 2q
Chronik
29,23
2.0 E 48
Richter 2,18
5.5 17+18
S6 S6 E 238 38 E 157 29 E 98
LeuitikUJ
1,1 23,24 23,40 2SdS
37E ISO 47 H 33 E 120 26
2
1
Numeri 3,40 7,1 7,1+2 7,12 7,89 10,33 IOdS Il,II+12 12,3 14,27 23,4
22 B S8 40 E 167 45 E 184 2.7 27 E 81 65 SI E215 S2 E 21 5 24 24E 66 6SA 37 41 26 29
51
Samueli S,22+23 87
KÖI/ige
6,2 8 8,8 8,IO+II 8,10ff. 8,27 8, 27ff. 8,29 17f. 2
B 100 S2 69A 62 100 51 58 60 100 100 100 A 36 26 E 74
Könige 2,
Il
20 E 48
Nthen;ia 9,18
I I, I I
2~,8 2~,9
26,9 28,~
~8, I
56 29 E 99 59 E 25 1 42 E 172 49 49 46 59 49 50 50 E 210
n
PJaln;eJI 8,2 10,16 10,16+17 10,17
19 44 E I8~ II5,I6 45 47 II9,9 6 59 121,4 65 121,8 25 E 71 85 A ~o 137,5 I ~8, 6 I3 E 9 14 37E 146 ~9 E 151 76 145,16 31 146, I 15 146,6 15 146,6+7 13 E I 146,7 15 101 148 14 8, I 3 44 51 28 28 E 91 148,14 148, 18 28 E 91 II~,4
Niob 2,4 7,20 11,7-9
4444EI82 15 I~ E I 15 2~7
12,6
55 E
I8,~6
1515 E 181717 E ~I 18 I8E~5 19 19 E40 +42 21 21 E 4923 E 62 64 20E48 84 84 A 19 89 20 E 48 21 E 48 14 E 13 41 E 169 56
Sprl/ehe 4,2 16,5 29,23
13 15 13 15
7~,20
~2
4°,12
78,25
27 I7 E27 55 E237
4 0 ,16 40 ,28
54
4~
9°,10 91, I
9 1 ,15 93, I 101, S IIO 110, I
55 43 E 179 pE2I256E239 58 60 S6 E 238 87 21 E 48 ~9 E 160 41 41 E 172 42 E 172 19 E 40+42+44 20 E44 17E27 19 I9 E 44 20
23> 2 4
1,4 1,7 1,26 3,22 3,23 8,4 IO,I8ff. II,22ff. 16 16,9 16,9+ 10 16.10 40ff. 43,1 ff. 43. 2 44,2
32 E II4 8~ 100 100 A 34 2442 E 172 43 E 179 43 E 179 59 51 32 E II4 22 E 56
4~,4
22
43,14 43,24 P,9 55, I
88 32 E 114 21 E48 40 E I6~ 13 15 38EI 51 39 4 1 63 41 87 47 47 15 41 53 51 101
n,q
2, I
41 E 170 30E 106 35 EI 38
E 177 51E24285A26 16 16 99 A 29 91 A85 99 A29 9IA8599A29 65 96 28 65 28 65 16 E 25 91 A 85 99A 29 24 16 16 E 25
65 A 27 46 E 189 90A n
85 A 26 49 49 E 202
59
Habakuk 3.3
44
Saebarja 2.9 9,9 JO,11
14.4
Maleacbi 1.2 I.2f.
Neues Testament 5,~
~I
4~
Nahlln;
Mal/bii"J 5,44 ff• 10,25
24 42 E 172 47 48 50 SI 59 101 88
E'(.echid
8,16 10.6
jeJoja
41
89,8 89,16
37 E 146 38 ~9 E 159
jerelllia
Dal/iel
51 ,19 51,15 68,s 68,6
~9 E 151
H HE 12 7 42
Hoheslied
5,15 6 6,1+6 6,3 14,14 14,15
82, I
I~ E I 14 14 E 13 I4E 13 15 101
IIO,5
29
25,35 ff• 27,29 27.43
44 90 90A n 29 29 E 98 45
Marku.r U,35 ff.
19 E 44
Lukas 1,35 4,17 ff. 4,21 6,20 6,40 7,22
46 E 41 E 41 E 41 E 35 E 41 E
189 170 170 170 138 170
Johannes 1,11
1,14 3,16 6,31
71 A 84 100A 37 108 HE 129 27 E 83
6,60 8 10, Hf. 13,16 15,19
n Eu 4 19 E 44 21 E48 . 35 E 13 8 35 E 13 8
Epheser 4,10 4,15
43 E 178 108 A 17
Hebräer Apostelgeschichte 41 E 170 4,27 5,H 10,38 22,3
7,26 13,2
43 E 178 30 E 103
30E 102 41 E 170 30E 102
ApokalYpse 2.
Korinther
II,2+;
21 E 51
21,2 21,3 21,22
108 A 17 108 A 17 109 A 17
AUTORENREGISTER
I.
Rabbinische Autoren
(Bab.: Babylonien; Pa!.: Palästina) Abaje (+ 338/9 Bab.) 23 Abba b. Al).a (um 290 Bab.-Pa!.) 15 77 Abba b. Kahana (um 310 Pa!.) 16 Abbahu (um 300 Pa!.) 54 89 AbinI oder 11 (um 325 bzw. um 370 Pa!.) 35 ~a b. R.l;lanina (um 300 Pa!.) 48 Ammi (um 300 Pal.) 57 90 Anja b. Susaj (= Anani b. Sason, um 300 Pal.?) 50 'Aqiba (+ 135 Pa!.) 47 80 'Avira (um 300 Bab.) 13 'Azarja (= 'Ezra, um 380 Pa!.) 13 52 Berekhja ha-Kohen b. Rabbi (um 340 Pa!.) 34 43 54 Ele'azar b. Arakh (um 90 Pal.) 37 Ele'azar b. Pedath (um 270 Pal.) 13 f. 63 76f. EU'ezer b. Hyrlmnos (um 90 Pal.) 29f. 36 78 EU'ezerb. Joseha-Gelili (um 150 Pa!.) 45 Gamaliell (I. Jh. Pa!.) 30 Gamaliel 11 (um 90 Pa!.) 25 30f. 66 78 Gamaliel III (um 220 Pal.) 30
lOS
Bach,R. 65 Bamberger, S. 89 Bamabasbrief 87 Billerbeck, P. I9ff. 30 90 (= Strack-Billerbeck)
Mar 'Uqba (um 220 Bab.) 41 Meir (um 150 Pal.) 50 57 80 90 Menasja b. Tal).lipha (um 200 Pal.) 93
Onqelos b. Kalonymos (um 120 Pa!.) 25
Jannaj (um 225 Pa!.) 30 Jehosu'a b.l;lananja (um 90 Pa!.) 30f. Jehosu'a b. Levi (um 250 Pal.) 44 Jehosu'avonSikhnin(um330Pal.) 51 53 Jehuda b. Jel}esqel (+ 299 Bab.) 3I
Ascensio Isaiae Augustin 109
Levi(um300Pal.) 28 43 51 nf. 80f. 101 Levitas (I.Jh. Pa!.) 67 Luliani b. Tabrini (um 330 Pa!.) 16
Nal).um (um 300 Pal.) 46
I;labiba (um 400 Bab.) 45 Hama b. Hanina (um 260 Pal.) 19 21 77 !jananja, Brudersohn des Jehosu'a (um 110 Pal.) 89 I;lanina b.l;lama (um 225 Pa!.) 28 45 I;lanina b. Iddi (um 300 Pa!.) 40 I;lija b. Abba (um 280 Pal.) 23 I;lisda (+ um 309 Bab.) 39f. 41 Hosa'ja I oder 11 (um 225 bzw. um 300 Pa!.) 22 77 Huna(+297Bab.) 39f. 5280
2.
Jehuda b. Sim'on b. Pazzi (= Judan b. Simon um 320 Pal.) 18 (?) 29 (?) 33 52 56ff. 80 8S Jehudaha-Levi b. Sallum (um 370 Pa!.) 16 Ji~4aq (2. Jh. Pal.) 16 30f. 79 Jisma'el b. Elisa' (um 135 Pa!.) 16 (?) Jol}anan b. Zakkaj (um 80 Pa!.) 43 J04anan der Schmied bzw. Sohn des Schmiedes (+ 279 Pa!.) 13 32 38 45 56f. 63 76 81 Jonathan b. Ele'azar (um 220 Pal.) 45 55 Jose ha-Gelili (um 110 Pa!.) 23 38 45 ff. 72 74 78f. 99 Joseph b. I;Iija (+ um 333 Bab.) 23 39 79 Judan(um3soPa!.) 19 85(?)
Pinl).as (360 Pa!.) 30 Rab (+ um 250 Bab.) 31 45 Raba(+ 352 Bab.) 23 RabbiJehudaha-Nasi(+ 2.17 Pa!.) 2.448 ~adoq I (um 50-90 Pal.) 30f. 78 Semu'el (+ 254 Bab.) 16 Semu'el b. Nahmani (um 2.60 Pal.) 55 Sim'on b. 'Az;aj (um 110 Pal.) qf. 47 77 80 Sim'on b. Johaj (um ISO Pal.) 2.7 78 Sim'on b. Laqis (um 2.50 Pal.) 2.2. Sim'on b. Nezira (um 2.50 Pa!.) 15 Sim'on b. Pazzi (= Simon, um 280 Pal.) 17 33 77
Thanl}um (um 380 Pa!.) 45 f.
übrige Autoren Buber, S. 14 22 26 54 Bultmann, R. 43 Cullmann, O. 19 Dalman, G. H. 27 Danielou, J. 43 49 87 97 100 Didach6 100 121
Eichrodt, W. 96 100 Eliasberg, A. 72 Epstein, J. N. 37 Esh, S. 13 Friedmann, M. 49 Galling, K. 57 Ginzberg, L. 24 Goldberg, A. M. 30 35 36 46 50 56 67ff. 92 I06f. Goldschmidt, L. 46 Gulkowitsch, L. 69 Guttmann, M. 104 Heidenheim, W. 89 Hieronymus 20 Holtzmann, O. 16 Horowitz, eh. 45 59
Littmann, E. 22 Löb, R. Arje von Spola 82 Maier,]. 55 Maimonides 34 Marmorstein,A. 2426 53 56 83 85 Maybaum, S. 34 Melammed, E. Z. 37 Noth,M·99 Novatian 97 Perez, J. L. 72 Philo 97 Rad, G. von 26 96 100 Rehrl, S. 67 Rengstorf, K. H. 32
]ustin der Märtyrer 97 105
Schlatter, A. 33 Schlier, H. 43 Strack, H. L. 43 46 103
Kraus, H.]. 44 Krauss, S. I8ff. 23 26f. 36 38 54 84 Kuhn, K. G. 27
Theodor, J. 18
Leisegang, ]. 97 Levy,]. 13 19 23 26f. 46 89
Weber,F. 75 Weyer,H. 97 Würthwein, E. 17