Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
H. Mollet, A. Grubenmann
Formulierungstechnik
Aus technischen Grün...
38 downloads
2279 Views
23MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
H. Mollet, A. Grubenmann
Formulierungstechnik
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
Hans Mollet, Arnold Grubenmann
Formulierungstechnik Emulsionen, Suspensionen, Feste Formen
~WILEY-VCH Weinheim - New York - Chichester . Brisbane
0
-
Singapore Toronto
Dr. Arnold Gruhenmann (’hcniin dcs (‘OSSCtlC5 1 C‘H-I723 Marly
Das vorlicgende Wcrh wurde sorgfdltig crarbeitct. Dennoch iihernehmen Autoren und Verlap fur die Kichtigkeit v o n Angahen. Hinwei\en und Ratschliigcn sowie fur eventuelle Ilruckfehler keine Haftung.
Die Deutsche 13ihliotheh - (’IP~Eintieit\iiulnahme Einc 7’iteldalcn\atz fur diesc Publikation ist hei der Deutschen Hihliothck erhaltlich.
(1
1
WII.FY-V(‘H Verlap (iiiitiH. D-69460 Weinhriln (Federal Rcpuhlic of German)). 2000
(iedruckt
;it11 \aurefreiem
und chlorfrci pehlcichtem Papier.
Allc Rechte. in\hewndcrc die dcr Uhcrsetzung in andere Sprachcn. vorhehaltcn. Kcin Teil dieses Buchcs dart oliiie schriltliche (;enehmipung des Verlapes in irgendeiner Fomi - durch Photokopie. Mihrovcrfilmung odelirpendein iinderes Ver1;ihren reproduriert oder in cine von Maschinen. inshc\ondere von Ilatenverarhci~
tunpsiiia\ehincn. veruendhare Sprache iihertragen oder ubersetit wcrden. Die Wiedergahe von Warenhe/cichiiungen. ll;indelsnenieii oder sonstigcn Kcnnreichen in dieaem Buch txrcchtigt nicht IU dcr Annahme. daR diesc von jedermann frei henut/t werden durfcn. Viclniehr k a n n e~ sich such d a n n uiii cingetragene Warcnreichcn oder sonstipe pcsetrlich g C \ C h u t 7 1 C Kennicichen handeln. wenn sic nicht eigen\ iils solchc niarkicrt sind. All rights reserved (including those of triinslation in other languages) N o part of this hook m a y he reproduced i n any form - lib photoprinting, microfilm. o r any other means - nor 1r;rnsmitted or tr;inslated into machine law puage without written permission from the publishers. Kegistered names. trademark\. ctc. used in this hook. even when n o t specifically nitirhccl a s such. ;ire n o t to be considered unprotected hy law. Ilruck: Str:iuss Offsetdruck. ll-69SOO Morlcnhach I3indung: (irolhchhinderei J. Schaffcr. D-67260 Griin\txIt I’rinted i n the Federal Kepuhlic o f Cicrnian):
Vorwort Was verstehen wir unter dem Begriff ,,Formulierungstechnik"? Langst bekannt ist der Ausdruck ,,Formulierung", synonym zum Begriff ,,Rezeptur". Fur viele verbindet sich damit so etwas wie eine ,,schwarze Kunst" und weniger eine exakte wissenschaftliche Disziplin. Die altesten Formulierungen stammen wohl aus der Pharmazie, wo sich das Gebiet der Rezepturen und ihrer AusGhrung zu einer selbstandigen Disziplin, der Galenik entwickelt hat, mit entsprechenden Lehrbuchern. In den anderen Gebieten der Chemie, insbesondere der industriellen Chemie, gehoren Formulierungen wegen ihres oft bedeutenden wirtschaftlichen Wertes zum Fundus des streng gehuteten Firmen-Knowhows. Mit wenigen Ausnahmen, wie Pigmente, Nahrungsmittel, Kosmetik, Agrochemie, mangelt es hier an zusammenfassenden Darstellungen des Formulierungsgebietes, und der Formulierungschemiker ist auf eine zwar zahlreiche, jedoch weit verstreute Literatur in verschiedensten Fachzeitschriften angewiesen. Ein grofier Teil der chemischen Stoffe, sowohl anorganische als auch organische, naturliche wie synthetische, mussen vor ihrer Anwendung in Medizin, Industrie, Landwirtschaft, Nahrungsmitteln, Kosmetik usw. aufbereitet und formuliert werden. Oft besteht diese Aufgabe lediglich in einer Mahl- und Mischoperation. Die reinen Farbstoffe oder pharmazeutischen und agrochemischen Wirksubstanzen mussen mit geeigneten Hilfsstoffen vermischt (coupiert) werden, damit dem Anwender eine vernunftige Dosierung bei der Anwendung uberhaupt ermoglicht wird. Jedoch genugt es meistens nicht, einfach Rezepturen anzugeben. Es muss das Wissen uber ihre Zubereitung, die erforderlichen Rohstoffe und die Applikation dazukommen. In erster Linie aber ist die Verarbeitung der Formulierung zur optimalen Handels- resp. Darreichungsform wichtig. Dabei sind vor allem zu nennen: nichtstaubende, fliefifahige Pulver von optimaler Teilchengrofie, Agglomerate/Granulate, stabile konzentrierte Losungen und Suspensionen, Emulsionen, Mikroemulsionen, Instantprodukte, Slow-Release-Praparate, Mikrokapseln, Liposomen usw. Schon lange wurde erkannt, dass man die applikatorischen Effekte der zu formulierenden Stoffe durch geeignete Mafinahmen steigern kann. Durch Erhohung der Loslichkeit, Solubilisierung, Uberfiihrung in kolloide Verteilung der Feststoffe, Agglomeration der zu formulierenden Substanzen, sehr haufig durch Einsatz von effizienten Tensiden, eroffnen sich vielfaltige Effekte, Verbesserungen und neue Anwendungsmoglichkeiten auf dem Formulierungsgebiet. Oft ist eine bessere Handelsform entscheidend fiir die Konkurrenzfahigkeit eines an sich hervorragenden Syntheseproduktes, wie etwa Vitamine mit guter Fliefiahigkeit des formulierten Produktes oder nichtstaubende Farbstoffe auf dem Markt beweisen. Die Kunst des Formulierens wird somit zu einer wissenschaftlichen Disziplin, mit ausgepragt interdisziplinarem Charakter, mit den Schwerpunkten Physik, Physikalische Chemie, Kolloid- und Grenzflachenchemie, Analytik und nicht zuletzt Verfahrenstechnik. Die modernen Handelsformen resp. Darreichungsformen erfordern den Einsatz vielfaltiger verfahrenstechnischer Methoden und auch anspruchsvoller moderner Analytik. Damit erweitert sich das Gebiet der Formulierung resp. Rezeptierung zu einer wissen-
VI
schaftlich abgestutzten Formulierungstechnik, wobei die Empirie mehr und mehr durch wissenschaftliche Kriterien abgelost wird. Dies bedeutet nicht, dass Kreativitat und Erfindungsgeist beim Losen von Problemen der Schaffung neuer oder besserer Handelsformen ihre wichtige Bedeutung verlieren sollen. Der Formulierungschemiker verfiigt im Allgemeinen uber einen grof3en Schatz an empirischem Wissen. Das ist nutzlich, aber nicht ausreichend. Die Fahigkeit, bestehende Probleme zu diagnostizieren und sie auf Grund des angesammelten Know-hows mit fruher gefundenen Losungen in Beziehung zu bringen, fuhrt zwar weiter, ist aber nicht ausreichend fur eine rasche und sichere Losung des Formulierungsproblems. Ein wissenschaftlich anspruchsvollerer Weg besteht darin, zwischen der Zusammensetzung einer Formulierung und ihren Eigenschaften durch empirische Interpretation Beziehungen abzuleiten und in Gleichungen auszudrucken, welche mit den experimentellen Daten korrelieren. Dazu werden verschiedene computerunterstiitzte Techniken angewendet, wie sie fur Korrelationsanalysen ublich sind. Im Grunde handelt es sich dabei um ein empirisches ,,Querbeet-Experimentieren" nach statistischen Versuchsplanen und Regressionsmethoden. Diese Methodik ist sehr effizient, wenn alle Komponenten einer Formulierung bereits durch Versuche oder Anforderungen der Praxis gegeben oder festgelegt sind. Der wissenschaftlich hndierteste Weg jedoch besteht darin, die Beziehungen zwischen den Komponenten einer Formulierung und ihren Eigenschaften, z.B. die Stabilitat einer Emulsion oder Suspension, aufgrund der Molekulartheorie zu verstehen. Dies ist heute in einfachen Fallen moglich, jedoch noch nicht fur komplexe Systeme. Es miissen vereinfachende Annahmen gemacht werden, wobei der Bezug zur vorliegenden Theorie abgeschwacht wird. Man wird daher ohne Empirie vorerst nicht auskommen. Die Kenntnis der theoretischen Grundlagen der Kolloid- und Grenzflachenchemie, wie etwa der DLVO-Theorie im Falle der Stabilitat von Dispersionen, vermag uns jedoch vor falschen, von der Theorie aus verbotenen Losungswegen zu bewahren. Oh der Formulierungschemiker nun gewohnt ist, seine Probleme auf rein empirischem Wege anzugehen, oder ob er mit Hilfe statistischer Rechenmethoden Korrelationen zwischen den Formulierungskomponenten und den applikatorischen Eigenschaften sucht, in jedem Fall wird ihm die Kenntnis der physikalisch-chemischen und technischen Grundlagen, die fur die Formulierungstechnik relevant sind, nutzlich sein und weiter helfen. Die vorliegende Monographie sol1 eine Lucke im Gebiet der Herstellung von optimalen Formulierungen, Handelsformen und Darreichungsformen schlierjen. Das Ziel des Buches besteht in der ganzheitlichen Behandlung der einzelnen Disziplinen, welche bei der Formulierung eines Wirkstoffes zu einer Handelsform eine Rolle spielen, wie insbesondere Kolloid- und Grenzflachenchemie und Verfahrenstechnik, und Etablierung einer koharenten, interdisziplinaren Lehre, der Formulierungstechnik. Neben dieser allgemeinen, von den einzelnen Produkten und stoffspezifischen Formulierungsproblemen unabhangigen Darstellung, welche den Kernpunkt des Buches ausmachen. werden fur den Praktiker auch einzelne konkrete Sachgebiete kurz zusammengefasst, um ihm einen Uberblick uber die Formulierungs-Erkenntnisse und Probleme dieser ausgewahlten Cjebiete zu vermitteln, wie z.B. pharmazeutische Technologie, PigmenteiFarbstoffe, Kosmetika usw. Abschlieaend haben wir zahlreichen Fachkollegen, welche uns bei der Realisierung dieses Projektes ihre Hilfe gespendet haben, unseren Dank auszusprechen. In erster Linie
v11 muss hier Herr Prof. Dr. H. F. Eicke von der Universitat Base1 genannt werden, welcher uns mit vielen Hinweisen und Korrekturen eine fachkompetente Hilfe bot. Unter den Fachleuten aus der Industrie, die uns durch wertvolle Beitrage unterstiitzt haben, danken wir den Herren Dr. U. Glor von NOVARTIS, Dr. R. Jeanneret, Dr. E. Neuenschwander und Dr. U. Strahm von CIBA SC und Herm A. Schrenk von NESTLE. Dank gebuhrt auch den diversen Verlagen und Autoren f i r die Gewahrung der Abdruckerlaubnis von Abbildungen und Tabellen. Die dort angefihrten Literaturzitate geben Hinweise auf die entsprechenden Quellen resp. Copyright-Inhaber. Naheres ist in den Literaturverzeichnissen der einzelnen Kapitel nachzulesen.
Hans Mollet, Arnold Grubenmann
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
Inhaltsverzeichnis v
Vorwort 1 Kolloidc, Phasen, Grenzfliichen 1.1 Allgemeines
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekulen im Innern von Phasen und in Grenzflachen bzw. Oberflachen 1.3 Einige wichtige Begriffe der Koiloidchemie 1.4 Intermolekulare Bindungskrafte 1.5 Die Grenzflache Flussig-Gas und Fliissig-Fliissig 1.6 Kohasion, Adhasion und Spreitung 1.7 Die Grenzflache Fest-Fliissig 1.8 Assoziatinnskolloide, Basis- und Uberstrukturen
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung 2.1 Allgemeines 2.2 Formulierung von Emulsionen 2.3 Stabilisierung durch feste Partikel 2.4 Phanomenologie der Emulsionen 2.5 Stabilitat von Emulsionen 2.6 Geschwindigkeitsbestimmende Faktoren der Koaleszenz 2.7 Inversion von Emulsionen 2.8 Technik des Ernulgierens 2.9 Einige wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen
2 10
17 22 34 38 47
59 59 73
78 80 81 81 86 88 97
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen 3.1 Mikroemulsionen 3.2 Vesikeln resp. Liposomen
107 107 115
4 Schaum 4.1 Allgemeines 4.2 Schaumstabilisierung 4.3 Krafte in dunnen Filmen 4.4 Schaumbildner 4.5 Schaumstabilisalorcn 4.6 Antifoam-Additive
12.5
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen resp. Dispersionen 5 . I Der Dispcrgiervorgang, Definition 5.2 Bcnctzung des Pulvers -1. Stufe im Dispergierprozess 5.3 Zerkleinerung und Verteilung der Partikel in der Flussigkeit - 2. Stufe im Dispergierprozess 5.4 Spezielle Dispergiermethaden 5.5 Stabilisierung dcr Dispcrsion 3. Stufe im Dispergierpruess
133 133 135
125
127 128 130 131
131
~
13.5 144 147
X
Inhaltsverzeichnis 5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse aus der Theorie der Kolloidstabilitat 5.7 Flockung, Koagulation von Suspensionen 5.8 Formulierung stabiler Suspensionen resp. Dispersionen
156 i68 173
6 Feste Formen 6.1 Pulver und Pulvermischungen 6.2 Agglomerate, Granulate 6.3 Instantisierung, Instantpraparate 6.4 Mikroverkapselung
183 183 194 232 24 1
7 Rheologie 7. I Grundlagen 7.2 Viskositat von Dispersionen und Emulsionen 7.3 Viskositat von Polymcrschmclaen und -1iisungen 7.4 Viskosimeter
253 25 3 260 263 265
8 Liislichkeitsparameter, Log P , LSER, M-Zahlen 8.1 Hildebrand-Liislichkeitsparamctcr 8.2 Mehrkomponenten-Liislichkeitsparameter 8.3 Inkrementmethoden 8.4 Liisemittelmischungen 8.5 Polymerlosungen 8.6 Anwendung von Loslichkeitsparametern 8.7 QSAR, Octanol/Wasscr-Verteilungskoeffizient 8.8 LSER 8.9 M-Zahlcn
27 1 272 273 27 8 28 1 28 1 285 289 290 295
9 Liislichkeit, Kristallisation 9. I Liislichkcit 9.2 Kristallisation I0 Reinigung, Detergency 10.1 Allgemcincs, Grundlagen 10.2 Fundamcntale Phanomene bei Reinigungsprozessen 10.3 Spezielle Phanomene bei Reinigungsprozessen 10.4 Dctergent Additive, Builders 10.5 Waschmittel
30 I 30 1 31 I 323 323 323 328 329 330
I I Kosmetika 1 1. I Die Haut als Wirkungsort von Kosmetika 1 1.2 Tensideffekte bei der Haut 1 1.3 Kosmetische Praparate 1 1.4 Emulsionen im Kosmetiksektor 1 1 .5 Mikroemulsionen und Liposomen in der Kosmetik 1 1.6 Liisungen 11.7 Bade- und Duschbadezusatze 11.8 Gelees
333 333 335 337 337 343 344 345 346
Inhaltsverzeichnis
11.9 Stifte 11.10 Puder, Pudercremes 1 1.1 1 Mund- und Zahnpflegemittel 11.12 Rasierhilfsmittel 1 1.13 Haarkosmetika 11.14 Grund- und Hilfsstoffe
XI
347 347 348 350 35 1 356
12 Pharmazeutische Technologie 12.1 Wirkstoffabsorption 12.2 Allgemeines iiber Arznei- und Applikationsformen 12.3 Arzneiformen
359 359 364 366
13 Nahrungsmittelformulierungen
383 383 385 385 39 1 394
13.1 Einige wichtige Prinzipien der Formulierung von Nahrungsmitteln 13.2 Nahrungsmittelkolloide 13.3 Proteine 13.4. Lipide 13.5 Polysaccharide 14 Agroformulierungen 14.1 Wirkstoffformulierungen und Target 14.2 Formulierungsformen 14.3 Adjuvantien
397 397 400 405
15 Pigmente und Farbstoffe
407 407 409 422
15. 1 Loslichkeit von Pigmenten und Farbstoffen 15.2 Pigmente 15.3 Farbstoffe Sachregister
43 1
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
1 Kolloide, Phasen, Grenzflachen
1.1 Allgemeines Die Kolloidchemie befasst sich mit Systemen, die entweder groBe Molekule oder sehr kleine Partikel enthalten. Beziiglich TeilchengroRe nehmen sie eine Zwischenstellung zwischen Losungen und grobdispersen Stoffen ein. Der GroBenbereich liegt zwischen etwa 1-1000 nm bzw. zwischen 10 A und lpm. Dies entspricht etwa lo3und lo9 Atomen pro Molekul oder Teilchen. Die Grenzflachenchemie behandelt Phanomene und Prozesse von heterogenen Systemen, wobei Oberflachenphanomene eine wichtige Rolle spielen. Beispiele sind Adsorption und Desorption, Fallung, Kristallisation, Dispersion, Flockung, Koagulation, Benetzung, Bildung und Brechen von Emulsionen und Schaumen, Reinigung, Schmierung, Korrosion etc. Die dabei ausschlaggebenden spezifischen Charakteristika der Grenzflachen werden kontrolliert durch elektrochemische Eigenschaften (Ladungen) oder durch Verwendung von bestimmten organischen Verbindungen, den Tensiden (auch als Detergentien, Surfactants bezeichnet), die gekennzeichnet sind durch polare und nichtpolare Gruppen in jedem Molekul.
Tabelle 1.1. Beispiele von kolloiden Verteilungszustanden ( f fest; fl: flussig; g: gasformig).
f/f feste Pharmapraparate verstarkte Kunststoffe Magnetband
flfl
&2
Dispersionen Suspensionen, Kreideschlamme Latex
Aerosole Rauch
fl/f Gele GPC-Trenngele
tl/fl Emulsionen Cremes Milch
df
dfl
Schaumstoffe Aerogele Schaumbeton, Meerschaum
Schaum Schaumgummi Schlagrahm
u
Aerosole Nebel Spray
& __
Beispiele von kolloiden Verteilungszustanden bringt Tabelle 1.1. Im Gegensatz dazu ist das Gebiet der Chemie in homogener Phase zu sehen, das den Hauptteil der synthetischen Chemie betrifft. Die ubliche Ausbildung in Chemie konzentriert sich auf dieses
I Kolloide, Phmen, Grenzflachen
2
Gebiet in homogener Phase, wogegen die Chemie in heterogener Phase, die Grenzflachenchemie, trotz ihrer groBen technischen und biologischen Bedeutung nicht entsprechend berucksichtigt wird. Ausnahmen, die in der Hochschulausbildung behandelt werden, sind etwa Adsorptionsvorgange und die Oberflachenspannung. W. Ostwald beLeichnete vor 90 Jahren die Kolloide noch als ,,Welt der vernachlassigten Dimensionen". Daran hat sich his heute nicht vie1 geandert, Kolloid- und Grenzflachen stellen in dcr Ausbildung immer noch vernachlassigte Disziplinen dar. Dieses Buch soll dazu dienen, dieses Defizit etwas abzubauen. Damit soll sich die fruhere ,,Kunst" des Formulierens zu einer wissenschaftlich begriindcten Formulierungstechnik entwickeln, mit ausgepragt interdisziplinarem Charakter, mit den Schwerpunkten Chemic, physikalische Chemie, insbesondere Crenzflachenchemie, und Verfahrenstechnik. Pradip K. Mookerjee (ein fuhrender Grenzflachenchemiker) schrieb: ,,No school teaches about mixing things together, so that they do what you want and don't react with each other."
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekiilen im Innern von Phasen und in Grenzflachen bzw. Oberflachen Einen schcrnatischen Uberblick uber die drei Phasen Gas, Flussigkeit und Feststoff gibt Abb. 1.1.
1Q
6
0
0 6
0
6
Gas: Die Molekule sind voneinander getrennt; keine, oder nur geringe Attraktion. GroRe Beweglichkeit fiihri zu elastischen Kollisionen.
Flussigkeit: In Flussigkeiten sind die Molekule in standiger Bewegung. Zwischen den Molekulen existieren Kohasionskrafle, welche die Bewegungen beeinflussen. Nur in speziellen Fallen sind die Krafle genugend, um lokal geordnete Bereiche zu bilden.
Feststoff: Starke Krafle halten die Molekule in bestirnmten regularen Anordnungen.
Abb. 1.1. Die drei Phasen: Gas, Flussigkeit, Festkfirper,
Urn eine Substanz zusammenzuhalten, mussen starke Anziehungskrafte zwischen den Atomen eines Festkorpers oder einer Flussigkeit vorhanden sein. Ein Atom im Innern
3
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekulen
einer Phase ist vollstandig von anderen Atomen umgeben und befindet sich im dynamischen Gleichgewicht (Abb. 1.2).
Abb. 1.2. Oberflachenkrafte und Binnenkrafte bei einer Fliissigkeit.
Der Zustand der Oberflachenatome ist sehr verschieden davon. Infolge der ausgleichenden Krafte im AuBeren befinden sie sich in einem anderen Spannungszustand, genannt Oberjlachenspannung. Molekiile in der Oberflache haben weniger Nachbarn, d.h. weniger intermolekulare Wechselwirkungen (W.W.) verglichen mit Molekiilen in der Fliissigkeit. Dies fuhrt zu einer Anziehung der Oberflachenmolekiile in das Innere der Fliissigkeit, normal zur Oberflache gerichtet. Die Oberflachenspannung yist definiert als die Kraft, die notig ist, um die nach innen gerichtete Kraft gerade aufzuheben. Sie ist definiert als die Kraft in mN (milliNewton), friiher dyn, die in der Linie von 1 cm Lange parallel zur Oberflache wirkt, also mit der Dimension: (milliNewtodm).
Die freie Ober-dchenenergie einer Fliissigkeit 1st definiert als die Arbeit, die notig ist, die Fliissigkeitsoberflache um 1 cm2 zu vergroBern. Dimension oder Einheit: (milliJoule/m2)
[$1 [2 1 =
(dimensionsmaBig gleich mit:
(1.2)
(Beachte, dass m einerseits fiir milli, andererseits fir Meter steht). Die Einheiten von Oberflachenspannung und freier Oberflachenenergie sind also dimensionsmaiRig gleich! Die Oberflachenenergie ist gleich der Arbeit, die notig ist, die Atome resp. Molekiile aus dem Innern in die Oberflache zu bringen. Die Oberflache tendiert also dam, sich zusammenzuziehen, daher Bildung von Tropfen (kleinste Oberflache).
4
I Kolloide. Phasen, Grenzjlachen
Wenn zwei unmischbare Fliissigkeiten in Kontakt sind, wird die Anziehungskraft an einem Molekiil in der Grenzflache etwas anders sein als im Fall einer einfachen Oberflache. Es gibt Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Molekiilen in der Grenzflache (van der Wads Krafte; siehe spater). Oft liegt die Grenzflachenspannung y,,,, betragsmaoig zwischen den Oberflachenspannungen y,, und y, der einzelnen Flussigkeiten (Dispersionsanteil r, und Polaranteil y, liegen hingegen immer dazwischen; vergl. Abschnitt 1.7.2). Beispiel: Die Grenzfllchenspannung HexanPWasser (y,,,,) liegt zwischen den Oberflachenspannungen von Hexan ( y, = 18.43) und Wasser ( y,, = 72.79) + y,,,, = 5 1.10 mN/m.
Tabelle 1.2. Oberflachenspannung und Grenzflachenspannung gegen Wasser fur Flussigkeiten bei 20 "C [mN/m]; Wasser: X I ;(aus [ 1]. Fliissigkeit Wasser
y, 72.75 (y,,)
Benzol Aceton Essigsaure CCI,
28.88 27.6 23.7 26.8
YL~LZ --
5 .o __-
45.1
Fliissigkeit Ethanol
y,, 22.3
n-Octanol n-Hexan n-Octan Ouecksilber
27.5 18.4 21.8 485
YLILZ
__ 8.5 51.1 50.8 375
Die Anziehungskrafte zwischen Molekiilen im Innern werden als Binnendruck oder Kohusionsenergie AE, bezeichnet. Eine wichtige GroBe ist die Kohasionsenergiedichte AE, /V. Fur diese gilt: AEv - AHv - RT =6 V V
--
2
AHv:Verdampfungswarme [ J.mol-'] V: Molvolumen [m3~mol~'] R: Gaskonstante = 8.314 J.K-'.mol-' T: absolute Temperatur [K]
@
Eine praktisch sehr niitzliche GroBe ist der Loslichkeitsparameter 6 = (vergl. Kapitel 8). Zu seiner Berechnung lassen sich alle notigen GroRen AH und V aus iiblichen Handbuchern entnehmen. Aus den Werten von 6 kann die gegenseitige Loslichkeit zweier Kornponenten bestimmt werden. Je naher ihre &Werte zusammenliegen, umso groBer ist die gegenseitige Loslichkeit.
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekiilen
Beispiel:
Phenanthren Schwefelkohlenstoff n-Hexan
5
6= 20.0 MPa”’ [ 1 MPa’” = ( lo6 N.m‘2)’/2] 6= 20.5 MPa”’ 6= 14.9 MPa’”
Phenanthren lost sich also besser in Schwefelkohlenstoff als in n-Hexan. Diese Berechnungen gelten nur fur nichtpolare Stoffe. Fur polare Stoffe siehe z.B. [2, 31.
1.2.1 Disperse Systeme Einfache kolloide Dispersionen sind Zweiphasensysteme: eine disperse Phase (z.B. ein Pulver) ist in einem Dispersionsmedium fein verteilt. Sole und Emulsionen sind die wichtigsten kolloiden Dispersionen. Die feinen Verteilungen vom Feststoff in einer Flussigkeit, fruher als Sole bezeichnet (der Ausdruck Sol wurde verwendet um kolloide Suspensionen von makroskopischen Suspensionen zu unterscheiden), nennt man heute Suspension oder einfach Dispersion. Im Gegensatz dazu sind Emulsionen disperse Verteilungen von Flussigkeitstropfchen in einer unmischbaren Flussigkeit als Dispersionsmedium. Die vor uber 80 Jahren von W. 0. Ostwald aufgestellte KlassiJkation der Dispersionen hat auch heute noch Gultigkeit (Abb. 1.3). Prinzipiell hat man eine innere, disperse oder diskontinuierliche Phase, die mit einer BuBeren, kontinuierlichen oder homogenen Phase nicht mischbar ist.
% m
c
a a 2 a
a
fn
a
-’
I
1
.FLUSSI~ __... -...-_ . . . _ . Aerosol, Nebel ..._...._.
. . - - . . . . _ _ _
..-.....___ gasformig
flussig Kontinuierliche Phase
Abb. 1.3. Klassische Einteilung von dispersen Systemen nach W. 0. Ostwald.
6
I Kolloide, Phasen, Gremjlachen
Eine Auswahl von typischen kolloiden Systemen zeigt Tabclle 1.3, als Erganzung zu Abb. 1.3.
Tabelle 1.3. Einige typische kolloide Systeme (aus [4]). Beispiele
Klasse
Disperse Phase
Kontinuierliche Phase
Ncbel, Spruhregcn, Dampf, Tabakrauch, Aerosolsprays, Rauchgase
Flussige oder fcste Aerosole
Flussigkeit oder Feststoff
Gas
Milch, Butter, Mayonnaise, Asphalt, pharmazeut. Cremes
Emulsionen
Flussigkeit
Flussigkcit
Anorganische Kolloide (Gold, Silberiodid, Schwefel, metallische Hydroxide)
Sole oder kolloide Suspensionen
Feststoff
Flussigkeit
Lchm, Schlamm, Zahnpaste
Pasten
Feststoff
Flussigkei t
Opal, Perlen, farbiges Glas, pigmenticrte Kunststoffc
Feste Dispersionen
Feststoff
Feststoff
Schaum
Flussige Schaume Gas
Flussigkeit
Meerschaum, geschaumte Kunststoffe Mukromolekulure Kolloide:
Feste Schaume
Gas
Feststoff
Gelee, Leim Assoziationskolloide:
Gel
Makromolekule Liisemittel
SeiSenMiasser, Detergentienmasser Biokolloide:
-
Mizellen
Losemittel
Blut
-
Teilchen
Serum
Olhaltiges Gestein
Porose Gesteine
OI
Wasserl Gcstein
Mineralflotation
Mineral
Wasser
Luft
Dowelemulsionen
-
Wassriee Phase Wasser
Disperse Sjvteme:
Kolloide Dreiphasensysteme:
Tabellc 1.4 zcigt die Abgrenzung der Dimension des kolloiddispersen Zustandes von dcr Dimension kleinerer Molekule bis zu groben, heterogenen Systemen. Die in Tabelle
1.2 Physikalisches Verhalten uon Atomen und Molekulen
7
1.4 angegebenen Grenzen fur Kolloide sind nicht starr, denn in speziellen Fallen, wie bei Suspensionen und Emulsionen, sind im Allgemeinen Teilchen uber 1 pm vorhanden. Die Grenze, bei der das kolloide Verhalten in dasjenige von molekularen Losungen ubergeht, liegt bei 1 nm.
Tabelle 1.4. Abgrenzung der Dimensionen des kolloiden Zustandes von den Dimensionen kleinerer Molekule und grober Diskontinuitaten. Gebiet definierter GrbRenordnung:
Heterogene Systeme; grobe Diskontinuitaten
Kolloide 1-1000 nm
Homogene Systeme; kleine Molekule; lonen
Beispiele:
Makroemulsion; Dispersion
Metallsole; Biokolloide; Makromolekule; Mizellen; Mikroemulsionen
Wasser; Dodecan; Ca3'
mikroskop mikroskop
Es ist nicht notwendig, dass alle drei Dimensionen eines Kolloids unter 1 pm liegen. KoIloides Verhalten wird auch bei Fasern beobachtet, bei denen nur zwei Dimensionen im Kolloidgebiet liegen. Bei Filmen ist es nur eine Dimension. Die Unterteilung eines Wurfels gibt kolloide Systeme verschiedener Art; Abb. 1.4: laminare, fibrilltire und korpuskulare. Laminar
Abb. 1.4. Kolloid-Systeme (am [ 5 ] ) .
Fibrillar
Korpuskular
8
I Kolloide, Phasen, Grenqflachen
Die Zunahme der Oberflachenenergie nach Unterteilung erklart die einmaligen Eigenschaften dcs kolloiden Zustandes. Laminar: Fibrillar: Korpuskular:
1 cm3 zu Film von 10 nm gedehnt 1 em3 zu Fasern von 10 nm zerteilt 1 cm3 zu Wurfeln von 10 nm zerteilt
+ Gesamtoberflache 2 ~ 1 em2. 0 ~ + Gesarntoberflache 4x10' em'. -+ Gesamtoberflache 6x106 cm2.
1.2.2 Die Bedeutung der Oberflache resp. Grenzflache Beim Zerkleinern eines Festkorpers nimmt die freiwerdende Oberflache je nach Grad der Zerkleinerung stark zu. In der Moglichkeit der Erzeugung von feinteiligen Pulvern und Dispersionen mit sehr groljer Oberflache liegt die technische Bedeutung des Dispergiervorganges. Als Ma8 fur diese Oberflachenzunahme gilt die spezifische OberJlache Sw;
I$[= [$] =is]
Dimension: 7
L W
S,
oder
odcr
gcwichtshezogen
volumenbezogen [L] em '
Umrechnung aus dem Durchmesser fur kugelformige Teilchen:
s
6 -pd --
p : wahre Dichte cl: Durchmesser 1 pm]
Die Zunahmc der Oberflache zeigt folgendes Beispiel (Abb. 1 S):Ein Wiirfel von 1 cm Kantcnlangc wird in Wiirfel von 0.1 pm Kantenlange unterteilt. Man erhalt aus den
6 em2 Obcrflache eine solche von 60 m2, also eine Zunahme um den Faktor lo5. Dieses Pulver in 6 em' Wasser vcrteilt gibt eine verfiigbare Grenzflachc von 8.6 m2 pro cm'. Je kleiner man den Festkorper unterteilt, umso groJer wird die Grenzffiiche zwischen Jliissiger und fester Phase, und umm mehr hestimmen die Eigenschaften der Grenzflache dus Verhalten der entstandenen Suspension. Je starker ein Material zerkleinert wird und seine Oberflachc zunimmt, umso groDer wird auch der Anteil der in der Oberflache befindlichen Atome/Molekulc im Verhaltnis xu denjenigen im ,,Bulk". Fur einen Wiirfel von I ern Kantenlange sind pro 10 Millionen Molekiile nur 2-3 Molekiile in der Oberflache vorhanden. Bei I pm Kantenliinge sitzt pro 450 Molekiilc nur 1 Molekiil in der Oberflache, bei Teilung in 10 nm 1st pro 4 Molekiile 1 Oberfliichenmolekul vorhanden; siehe Tabelle 1.5. Unterhalb von 10 nm kann nicht mehr zwischen Oberflachen- und Bulk-Molekiilen unterschieden werden.
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekulen
9
Zerteilen in Wurfel von 0.1 prn Kantenliinge
Oberfliiche 6 crn2
600 000 crn2 oder 60 m2
Abb. 1.5. Oberflachenzunahmebeim Unterteilen eines Wiirfels. Pulver in 6 cm3 Wasser verteilt. Je
cm3 der Dispersion steht eine Grenzflache von 8.6 m2 zur Verfugung (60m2/7cm’) [6].
Tabelle 1.5. Verhaltnis der Molekiile in Oberflache und Bulk. Spezijkhe Oberflache: S, = OberflacheNolurnen (volurnenbezogen) S, = Oberflachehlasse = S,lp (massenbezogen); Kugeln: Wurfel:
Oberflache n-d2 Volurnen 71.816 Oberflache 6d2 Volurnen d3
Beispiel:
AgBr-Kristall Molekularvolurnen Schichtabstand
p = Dichte
-+
+
S, = 61d S., = 61d
0.05 nrn3 0.37 nm
In Abb. 1.6 ist die Variation der Oberflachenrnolekiile mit der TeilchengroBe fur dieses Beispiel als Kurve dargestellt. Man ersieht, dass bei Zerteilung von AgBr in Partikel von 10 nm Durchrnesser ca. 20 % der Ionenpaare sich in der Oberflache befinden, wahrend dies fur Partikel von 0.1 prn nur 2 % sind. Die chemische Zusarnmensetzung in der Oberflache unterscheidet sich oft von derjenigen irn Innern (Bulk). Atorn-Arrangements an der Oberflache und elektronische Strukturen differieren ebenfalls von denjenigen im Festkorper. Die groRe Bedeutung der Oberflache wurde durch die Miniaturisierung in der Mikroelektronik erkannt. Es wurde sogar postuliert, dass die Oberflachenregion eines feindispersen Feststoffes als eine neue Phase der Materie zu betrachten sei.
10
1 Kolloide, Phusen, Grenzjlachen
Abb. 1.6. AgBr-Kristalle: Anteil der Molekule in der Obertlache als Funktion der TeilchengroBe 141
1.3 Einige wichtige Begriffe der Kolloidchemie Monodispers oder isodispers: Systeme, in welchen alle Partikel annahernd gleich groB sind. Polydispers: Systcm mit verschiedenen PartikelgroBen. Lyophohe oder hydrophohe Kolloide: Die Partikel sind mit dem Dispersionsmedium unvcrtraglich. Dieses ist organisch bei lyophoben, wassrig bei hydrophoben Kolloiden. Sie erfordern speziellc Herstellungsmethoden, insbesondere eine Dispergierung, die von eincr Teilchenzerklcinerung begleitet ist. Ihre thermodynamischc Instabilitat auBert sich in einer Zusammenlagerung der Teilchen, Aggregation, Agglomeration und Flockung. Lyophile oder Hydrophile Kolloide: Die Partikel sind mit dem Medium vertraglich. Sie treten in Wechselwirkung rnit dem Dispersionsmedium. Sie bilden sich im Gegensatz zu den Lyophoben (Hydrophoben) spontan und sind thermodynumisch stabil. Beispiele: Makromolekiile, Polyelektrolyte, Assoziationskolloide. Amphiphile Kolloide oder Assoziationskolloide: Das Molekiil hat eine Affinitat SOwohl zu polaren als auch zu unpolaren Losemitteln. Sie bilden die groBe Klasse der oberflachenaktivcn Stoffe und deren Assoziaten wie z.B. Mizellen. Sie sind thermodynamisch stabil.
1.3.1 Aufbau und Terminologie der Teilchen Lange Zeit bestand iiber die Terminologie der Teilchcn keinc Einheitlichkeit. Mit der DIN 53206, die international Eingang gefunden hat, durfte sich dieser unbefriedigende Zustand nun bereinigt haben; Abb. 1.7.
1.3 Einige wichtige Begrge der Kolloidchemie
11
'rirnarteilchen lurch geeignete physikalische Verfahren (z.6. rnit Lichtrnikroskop, Elektronenrnikroskop)als lndividuum erkennbare Teilchen. lder iinzelteilchen hnerkung: Im speziellen Fall kann ein kristallines Primarteilchen sin Einkristallsein, oder aus mehreren, rnit geeigneter Strahlung :z.B. Rdntgenstrahlen) zu unterscheidenden, koharent streuenden Sitterbereichen (Kristalliten)bestehen. quaderformig kugelformig
%?
stabformig
unregelmaaig geformt
0
/
koharent streuende Gitterbereiche (Kristallite) Primarteilchen
,ggregat
Verwachsener Verband von flachig aneinandergelagerten Prirnarteilchen, dessen OberflPche kleiner ist als die Surnme der Oberflacher der Prirnarteilchen.
Aggregate rgglornerat
Nicht verwachsener Verband von z.B. an Ecken und Kanten aneinandergelagerten Primarteilchen undloder Aggregaten, dessen Gesarntoberflache von der Surnme der Einzelteilchen nicht wesentlich abweicht.
:lockulat
In Suspensionen (z. B. in Pigrnent-Bindemittel-Systemen)auftretendes Agglornerat, das durch geringe Scherkrafte zerteilt werden kann.
W
Flockulate
Abb. 1.7. Aufiau und Terminologie der Teilchen, nach DIN 53 206, erganzt durch Flockulat.
I Kollaide, Phusen, Grenzflachen
12
1.3.2 TeilchengroQen-Analyse Da sich die Kolloid-Dimensionen uber einen weiten Teilchengronebereich erstrecken, benotigt man zur GroBenanalyse zahlreiche Messmethoden. Fur den Bereich der Teilchengrofien von 0.001 bis 100 pm kommen die in Abb. 1.8 angegebenen Messmethoden in Betracht. Die wichtigsten dieser Methoden sind schematisch in Abb. 1.9 dargestellt. Dic Wahl der fur ein Teilchenkollektiv giiltigen Messmethode ist von entscheidender Bedeutung, will man vollkommen falsche Messresultate vermeiden. Abbildung 1.10 und I . 1 1 zcigen schematisch weitere Partikelmessmethoden.
0.001
0.01
0.1
1
10
I
I
I
I
I
100 um I
gemahlene Produkte emulsionen Mizellen
-
Mikronisierte Produkte
1
b Siebung-
-I
Coulter1
-1
Sedimentation1 -
-1
Lichtbeugung
-1
Lichtmikroskopie
Zentrifugation
- 1
1-
-
1-
Raster-EM
b
Spezifische OberfliichenA
-I
Rayleigh LS-{
0.001
0.01
0.1
1
10
I I
I
I
I
I
I
I
Abb. 1.8. Methoden der Tcilchengrofleanalyse und ihre Messbcrciche.
100 pm I
1.3 Einige wichtige Begr8e der Kolloidchemie I
inkremental
13
I
kumulativ
'
Transmission
Schema Luftstrahlsieb
- 'homogene Suspensioi
SedimentationsanalysenSuspensionsverfahren
Sedimentationszeit Messkurven
Absorption
Messbereiche: 2<~<9000 pm
Schema Nasssieb
Beugung
1
lessprinzip Coulter Counter
II
Fotosedimentation
Streuung
1
1 .
I
1
1.5<~<500 pm
0.3<x<50 pm
Optische Messverfahren
Abrasterung einer Fernsehzeile
'
S p a nI n ' ' w Video-
GrauwertSchwelle Messradius r Messprinzip Laserbeugung
Abb. 1.9. TeilchengroReanalyse;Methoden nach [ 7 ] .
Messprinzip der Bildanalyse
,
Zeit
IKolloide, Phasen, Crenzfluchen
14
Sedimentation im Zentrifugalfeld Fliehgeschwindigkeiteiner Kugel in Wasser:
Sedimentation im Schwerefeld Sinkgeschwindigkeiteiner Kugel in Wasser:
. (x = Durchmesser) 18rl qH20= I.O.lO” Ns/m2 (20°C) g = 9.81 m/s2 fur Ap = 0.5.1 O3 kg/m3:
v=
fur Ap = 0.5.103 kg/m3 r=50mm f = 6000 Ulmin:
1 mmlh (ohne Berucksichtigungder Brown’schen Molekularbewegung)
Sedimentationsverfahren 1. Suspensionsverfahren
-----I I---
Siebanalyse
i__i:i
n -_
2. Uberschichtungsverfahren
.-.. . .
Mengenmessmethoden: Waage (kumulativ) Manometer (kumulativ) Pipette (kumulativ und inkremental) Photometer (inkremental) X-ray (inkremental)
Abb. 1.10. Weitcre Messmethoden fur Partikelgrofien [S].
Optische Methoden konnen nicht unbesehen zur TeilchengroBeanalyse eingesetzt wcrden. Teilchengrolk, Teilchenform, komplexe Brechungsindices, sowohl von Teilchenmaterial, als auch Dispersionsmedium mussen beachtet werden. Abbildung 1.1 1 zcigt die Untertcilung der Lichtstreubereiche nach Partikelgr6Be.
1.3 Einige wichtige Begr#e der Kolloidchemie
15
Fur Messungen an Partikelkollektiven eignen sich beispielsweise folgende optische Methoden: - Methoden: Lichtbeugung (Fraunhoferbeugung). Quasielastische Lichtstreuung (QLS), Photokorrelationsspektroskopie (PCS) oder andere Bezeichnungen.
-
-
- Vorteile:
- Nachteile
On-Line-Messung moglich. Messung bei hoher Konzentration moglich (bis ca. 1 %). geeignet fur breite Verteilungen. Dispersionsmedium innerhalb weiter Grenzen frei wahlbar. Bedienungsfreundliche Gerate am Markt erhaltlich. Auflosung beschrankt. Ruckrechnung der physikalischen MessgroBen: GroBenverteilung durch ,,mathematically ill-defined problems". Eignung fur polydisperse Kollektive problematisch (bei QLS).
lg I Streuwinkel 8
Einflussgroaen: 0, rn, 4,
J l
Wellenlange Brechungsindex rn) \ Streu- oher Polarisationsebene
1'0-31'0-2lo-1 i
ib1
Raleigh- MieStreuung Streuung
io* i03 1'04 Geometrische
Optik
Abb. 1.11. Lichtstreuung [8].
1.3.3 Fur den Formulierungschemiker wichtige Prinzipien und Grundlagen der Grenzflachenphysik Urn zu einem Kolloidsystem (Dispersion, Emulsion usw.) Angaben iiber Stabilitat, Bildung und Zerfall machen zu konnen, sind Kenntnisse uber Bindungsenergien, Oberflachen- und Grenzflachenenergie, kinetische Ablaufe u.a. erforderlich. Zwei der wichtigsten Fragen uber kolloide Dispersionen und Emulsionen lauten:
1. Unter welchen Umstanden bleibt eine Dispersion (Emulsion) im dispersen Zustand? 2. Unter welchen Umstanden wird sie flocken oder koagulieren?
16
1 Kolloide, Phasen, GrenzJachen
Ein ,fundamentales Prinzip der Thermodynamik besagt, duss ein bei konstanter Temperatur gehaltenes System dazu tendiert, sich spontan in die Richtung zu verandern, in der seine freie Energie uhnimmt. Dics ist analog dem cinfachen mechanischen Beispiel des Falls eines Gewichtes unter dem Einfluss der Schwerkraft: Abb. 1.12.
n
in
rnetastabil
instabil
I
stabil
1
8" 90" Variation der potentiellen Energie rnit dem Rotationswinkele des Kegels
0"
Abb. 1.12. Freie Energie und Stabilitat [4)
Diejenige Energie eines Gases, einer Fliissigkeit oder eines Feststoffes, die fur verwertbare Arbeit frcigesetzt werden kann, nennt man diefreie Enthalpie G des Systems:
G: Freie Enthalpie (Gibbs-Energie) H: Enthalpie S: Entropie T: Tcmperatur
Es ist nicht moglich, die gesamte thermische Energie eines Systems in mechanische Arbeit umzuwandeln wegen der ,,Unordnung" der Molekiile im System. Alle Systeme neigen zu einer moglichst groBen Freiheit der Bewegungen, zu einer Zunahme der Zufallsanordnung oder Unordnung, physikalisch ausgedriickt in einer Zunahme der Entropie. Dies ist die Aussage des 11. Hauptsatzes der Thermodynamik. Um einen stabilen Zustand zu erreichen, neigt das System zu einer Verkleinerung der freien Obertlachenenergie. Der Zuwachs an freier Oberflachenenergie AG wird in dispersen Systemen durch Zerteilen der Partikel und folglich durch VergroRerung der Gesamtobertlache A.4 hervorgerufen.
Grenztlachenspannung zwischen dem fliissigen Medium und den Partikeln.
1.4 Intermolekulare Bindungskrape
11
Um einen stabilen Zustand zu erreichen, neigt das System zur Verkleinerung von AG. Das Gleichgewicht ist erreicht, wenn AG = 0. Dies kann entweder durch Reduzierung von r,, oder durch Verkleinerung der Grenzflache erreicht werden. Letzteres fuhrt zur Flockung oder Koagulation. Die Grenzflachenspannung Iasst sich durch Zugabe eines Tensids herabsetzen, aber nicht so weit, dass r,, = 0 wird. Folglich bleibt das System instabil. Es l a s t sich dann durch ,,Einbau" einer AbstoBungskraft oder Potentialschwelle stabilisieren, wie in Kapitel 5 dargestellt wird (z.B. durch Emulgatoren bei Emulsionen). Kurz dargestellt: eine Dispersion tendiert immer dazu, sich bei konstanter Temperatur in der TeilchengroBe zu vergrobern resp. auszuflocken oder zu koagulieren, wenn sie nicht auf geeignete Weise stabilisiert 1st. Je feindisperser das System ist, umso instabiler ist es im ungeschiitzten Zustand, d.h. ohne eine geniigende Energiebarriere in Form von elektrisch geladenen oder sterischen Schutzschichten. Dies ist die elementare Forderung zur Herstellung von stabilen Dispersionen und Emulsionen. Stabil gilt hier jedoch nicht im thermodynamischen Sinn, sondern im praktisch-technischen Sinn mit zeitlicher Begrenzung. Es existieren jedoch auch thermodynamisch stabile Dispersionen, die Mikroemulsionen (vergl. Kapitel 3).
1.4 Intermolekulare Bindungskrafte Damit die Molekule in Gasen, Flussigkeiten und Feststoffen in Form von Aggregaten vorliegen konnen, mussen intermolekulare Krafte wirksam sein. Sie manifestieren sich in der Kohasion gleichartiger und in der Adhasion ungleichartiger Molekiile. Ihre Kenntnis ist nicht nur zum Verstandnis der Eigenschaften von Gasen, Flussigkeiten und Feststoffen notig, sondern auch der Grenzflachenphanomene, wie der Stabilisierung von Emulsionen, der Ausflockung in Suspensionen, der Entfernung von Schmutz von Oberflachen usw.
1.4.1 AbstoSende und anziehende Krafte Beim Zusammentreffen von Molekulen wirken sowohl anziehende als auch abstoBende Krafte; Abb. I . 13. Anziehung tritt ein, wenn bei Annaherung von zwei Molekulen die entgegengesetzt geladenen Stellen naher zusammenliegen als die gleichsinnig geladenen. AbstoBung von Molekulen tritt auf, wenn sich ihre Elektronenwolken gegenseitig durchdringen. Diese Krafte nehmen mit Verkleinerung des Abstandes exponentiell zu. Bei einem Gleichgewichtsabstand von 3-4 A halten sich anziehende und abstoBende Krafte die Waage (re).In dieser Position ist die potentielle Energie der zwei Molekule am kleinsten, der stabile Zustand ist erreicht. Dies gilt nicht nur fiir Atome und Molekule, sondern auch fur groBere Einheiten wie kolloide Teilchen und Tropfchen in Dispersionen und Emulsionen.
I8
I
I Kolloide, Phasen, Grenzflachen
1
Anziehung
Abb. 1.13. Energie dcr AbstoRung, der Anziehung und der potenticllen Energic (E,,), der Summe dcr beiden, als Funktion des Abstandes der zwei Partikel. Das Energieminimum licgt beim Gleichgcwichtsabstand rc.
1.4.2 Van der Waals’sche Krafte Zwischen zwei Atomen, Molekulen, kolloiden Partikeln oder uuch mukroskopischen Teiichen hesteht immer eine Anziehung infolge der van der Wuul Kraft. Diese macht sich allerdings erst bei sehr kleinen Abstanden der einzelnen Atome und Molekule bemerkbar, denn sie nimmt umgekehrt proportional dem Ahstand r zu, und zwar in der 6. Potenz; Gleichung ( I .9). Die potentielle Energie der AbstoBung andert sich in Abhangigkeit vom Abstand dagegen schneller, wie Abb. 1.13 zeigt, sodass ein Energieminimum beim Gleichgcwichtsabstand re resultiert. Vun der Wuals Anziehung: Fur die Anzichungsenergie V zweicr in Wcchsclwirkung stehender Molekulc oder Atome gill (&: London-Konstante; r : Distanz der Teilchen) :
Die van der Waals Energie zwischen einem Paar von Atomen oder Molekulen ist additiv. Die Anzichungsenergie zwischen zwei Partikeln mit den Volumen VI und V, betragt: (1.10)
1.4 Intermolekulare Bindungskruffte
19
Daraus folgt fir zwei Kugeln mit Radius a im Abstand H (A: Hamakerkonstante - 10-20J)
191:
v
all
A.a =-12H
(1.11)
Naherungsweise gilt:
-
Anziehung zwischen zwei Atomen in der Distanz ihrer Radien: V - kT. - Anziehung zwischen zwei kolloiden Teilchen, mit Durchmesser von 50 nm bei einem Abstand von 50 nm: V - kT. - Anziehung zweier Kugeln von 1 cm Radius im Abstand 1 cm: V - kT. Wichtigste Tatsachen uber van der Waals-Krafte: 1. Es sind ,,long range"-Krafte.
2. Teilchen ziehen sich immer an. 3. V ist groRer als kT bei kleineren Abstanden als die Radien der Teilchen. 4. Sie nehmen reziprok zur Distanz der Teilchen ab. Die van der Waals Wechselwirkungen stehen in engem Zusammenhang mit der Kondensation von Gasen, der Bildung von Metallkomplexen, der Loslichkeit von Feststoffen usw., vor allem aber auch mit der Stabilitiit von kolloiden Systemen. Die van der Waals Krafte beruhen darauf, dass Dipolmolekule sich mit ihren Nachbarn so ausrichten, dass der negative Pol eines Molekuls zum positiven Pol des anderen hinweist. Auf diese Art konnen sehr groBe Molekulgruppen uber schwache Anziehungskrafte assoziieren. Permanente Dipole konnen aber auch in unpolaren, leicht polarisierbaren Molekulen einen elektrischen Dipol erzeugen. Aber auch in nichtpolaren Molekulen kann eine gegenseitige Beeinflussung der Elektronenbewegung Dipole erzeugen. Die dabei auftretenden Krafte werden Dispersions- oder London-Krajle genannt. Die Anziehung zwischen zwei Atomen ist in der GroBenordnung der thermischen Energie kT, wenn ihre Distanz in der GroRenordnung ihrer Radien ist. kT ist die Einheit fur die thermische Energie. Sie muss hier erlautert werden, weil sie bei der Theorie der Stabilitat von Dispersionen immer wieder auftritt:
k: Boltzmann-Konstante = 1.38.10-'6erg pro Grad Kelvin und Molekul, T: absolute Temperatur in Grad Kelvin. Fur eine Temperatur von 300 K gilt: 23 3 I k T = 1.38.10-'6. . 300. 6.10 = 2.5.10 J/mol G 580 cal/mol Die van der Waals Kraft zwischen AtomedMolekiilen ist additiv und unabhangig von der Skala. Somit 1st sie fur kolloide Teilchen (Durchmesser - 50 nm) - kT bei einem Abstand von 50 nm und fur zwei Kieselsteine vom Radius 1 cm ebenfalls kT bei einer Distanz von I cm.
I Kolloide, Phasen, Grenzjlachen
20
Dic Gleichung (1.10) kann fur verschicdene kolloide Teilchenformen integriert werden und ergibt fur den uns hauptsachlich interessierenden Fall von kugelformigen Partikeln die Gleichung (1.1 1). In dcr Welt der Kolloide sind die van der Waals Haftkrafte sehr vie1 groBer als das Gewicht der Teilchen. Grund: das Gewicht nimmt mit der dritten Potenz der TeilchengroBe ah, die Haftkrafte angenahert linear. Bei einer TeilchengroSe von 1 pm kann die Haftkraft das I 06-fache der Schwerkraft betragen. Ohne Vorhandensein der van der Waals Haftkrafte ware die Erdoberflache eine Staubwolke! Die wichtigsten Fakten, die man sich uber die fundamental wichtigen van der Waals Krafte merken sollte: - sie nehrnen umgekehrt zum Abstand zwischen den Oberflachen ab;
- sie sind grol3er als kT bei Distanzen, die etwas kleiner als die TeilchengroBe sind; - in Anwesenheit eines tlussigen Mediums werden sie kleiner; - sie wirken uber groBe Distanzen, sind also ,,long range forces";
- kolloide Tcilchen ziehen sich immer mit einer van der Wads Kraft an. Diese kann das Vielfache ihres Gewichtes betragen.
1.4.3 Die Wasserstoffbriickenbindung Fur den Formulierungschemiker sind H-Brucken wegen ihrer Eigenschaft, die sie Molekulen zur Adsorption an Grenzflachen verleihen, von Bedeutung. Einige Strukturen mit H-Bruckenbindungen bringt Abb. 1.14.
. , H/Oy(, ... .., ,
HP\H
, ,
Wasser
HP\H
____ F-H ____ F-H
___.
Fluorwasserstoff
/O----HO
\
HcbH....(.-jH
Dimere Ameisensaure
Salicylsaure mit interund intramolekularen Wasserstoffbrucken
Abb. 1.14. Wasscrstoftbriickenbindung.
1.4 Intermolekulare BindungskraBe
21
Im Wassermolekiil sind die Elektronen der H-Atome gegen das 0-Atom genahert und bilden eine kovalente Bindung. Die dadurch freigelegten Protonen konnen leicht an jedes elektronenreiche Gebilde wie ein 0-Atom mit komplettem Oktett anlagern und auch an andere elektronegative Atome: Fluor, Stickstoff usw. Solche Bindungen existieren im Wasser zwischen Alkoholen, Carbonsauren, Aldehyden, Estern und Polypeptiden. Sie bewirken z.B. hohere Siedepunkte. Bei Ameisensaure und Essigsaure bewirken sie Dimerisation. Solche Doppelmolekiile konnen sogar im Dampfzustand existieren. Fluorwasserstoff besteht im Dampfzustand als ein iiber Wasserstoffbriicken gebundenes Polymeres (F-H ...).
1.4.4 Ubersicht iiber intermolekulare Krafte und Valenzbindungen Als Malj fur die Stiirke der Bindungen konnen die Bindungsenergien herangezogen werden, wie sie in Tabelle 1.6 angegeben sind.
Tabelle 1.6. Intermolekulare Krafte und Valenzbindungen (aus [lo]). Bindungsarten
Bindungsenergie [kcal/mol] a) Van der Waals'sche Krafte und weitere intermolekulare Anziehungskrafte Dipol-Dipol-Wechselwirkung oder Keesom-Kraft Dipolinduzierte Dipol-Wechselwirkung oder Debye-Kraft 1-10 Dispersions- oder London-Kraft Ioneninduzierte Dipolkraft
j
Wasserstoffbriic kenbindungen
OH ........... 0 CH ........... 0
OH ........... N NH ........... 0 FH ...........F
b) Ionenbindung oder Elektrovalenz, heteropolare Bindung c) Atombindung oder Kovalenz, homoopolare Bindung
6 2-3 4-7
2-3 7
100-200 50-150
Am starksten sind die Ionenbindungen mit 100-200 kcal/mol und Atombindungen mit 50-150 kcal/mol. Mit einer Bindungsenergie von 2-8 kcal/mol sind die H-Briickenbindungen relativ schwach. Die van der Waals Krafte bewirken Bindungsenergien zwischen 1-10 kcallmol. Erst in neuer Zeit wurde auch die ,,schwach kondensierte Materie", wie sie in Flocken vorliegt, beziiglich der Bindungsenergie untersucht. Diese liegt in der GroRenordnung von kT, also der thermischen Energie. Flocken sind auflerst instabile Gebilde.
22
I Kolloide, Phusen, Crenzflachen
1.5 Die Grenzflache Flussig-Gas und Flussig-Flussig
1.5.1 Oberflachen- und Grenzflachenspannung Die Begriffe Oberflachen- und Grenzflachenspannung wurden bereits in Abschnitt 1.1 in allgemeiner Form behandelt. Dass es sich bei der Oberflachenspannung um eine Kraft pro Langeneinheit handelt, (rnN/rn) resp. (dydcrn),l a s t sich mit einem Versuch gemaR Abb. 1.15 zeigen. Ein Drahtbugel wird in eine Seifenlosung getaucht, sodass sich uber der Flache ABCD ein dunner Seifenfilm ausbilden kann. Dieser Film lasst sich dehnen, indem man auf das bewegliche Querstuck der Liinge L eine &aft (z.B. durch Anhangen einer bestimmten Masse) einwirken Iasst, die der Oberflachenspannung des Seifenfilms entgegengerichtet ist. Man misst die Kraft, die zur Zerstorung des Films notig ist. Die Oberfluchenspannung- kann durnit als Anderung der freien Oherflachenenergie pro Flachenzuwachs dqfiniert werden. Oder: Die Oberflachenspannung ist gleich der Arbeit in rnJ, die zur Erzeugung von I em2 Oberflache notig ist.
Dr htbugel Seifenfilm
Bewegliches Querstuck
A
A' _ _ _ _-----.-..--< ____ 6_ . _ Gewicht
Abb. 1.15. Apparatur zur Demonstration der Oberflachenspannung.
GemaB Abb. 1.15 ist die Oberflachenspannung gegeben durch: y=-
K 2L
(1.12)
Daraus ergibt sich der Zusammenhang zwischen Oberflachenspannung und der zur VcrgrGBerung der Filmoberflache geleisteten Arbeit d W
1.5 Die Grenzjache Fliissig-Gas und Fliissig-Fliissig
23
(1.13) (1.14) Die Oberflachenspannung y kann daher als Anderung der Oberflachenenergie pro Flacheneinheit angesehen werden, mit den Einheiten: y:
[s]I$[
(1.15)
oder
( 7 Oberflachenspannung; K: Kraft zur Zerstorung des Films; dA: Oberflachenzuwachs; W: zur Bildung des Films geleistete Arbeit = Zunahme an freier Oberflachenenergie) In Erganzung zu Tabelle 1.2 sind in den Tabellen 1.7 und 1.8 weitere Obertlachenspannungen resp. Grenzflachenspannungen gegen Wasser angegeben.
Tabelle 1.7. Beispiele von Oberflachenspannungen. Substanz Wasser Ojlsaure Benzol Chloroform Tetrachlorkohlenstoff Rizinusol Fliissiges Paraffin Quecksilber (fl.) Silber (fl.) Kupfer (fl.) Kupfer (f.) Eisen (f.)
Oberflachenspannung bei 20 "C [mN/mI 72.8 32.5 28.9 27.1 26.7 39.0 33.1 486 920 ( 1 000 "C) 1270(1120"C) 1430 (1080 "C) 2300 (1450 "C)
Tabelle 1.8. Beispiele von Grenzflachenspannungen gegen Wasser. ~~
S ubstanz
Tetrachlorkohlenstoff Benzol Chloroform n-Hexan n-Octan n-Octanol Olivenol
Grenzflachenspannung bei 20 "C TmN/ml 45.0 35.0 32.8 51.1 50.8 8.5 22.9
24
1 Kolloide, Phasen, Grenzflachen
1.5.2 Oberflachenaktivitat Stoffe wie kurzkettige Fettsauren und Alkohole sind sowohl in Wasser und 0 1 loslich, sie sind amphiphil. Der KW-Teil (Kohlenwasserstoff) des Molekiils ist verantwortlich fur seine Loslichkeit in 01, wahrend die polare Carboxyl- oder Hydroxylgruppe geniigend Affinitat zu Wasser hat, um einen kurzen Teil der KW-Kette ins Wasser zu ziehen. Abbildung 1.16 und 1.17 zeigen zwei typische amphiphile Substanzen, Stearinsaure und ein Phospholipid. Wenn diese Molekiile sich in einer O N - (Wasser/Ol) oder einer W L (WasserLuft) Grenztlache befinden, wird die hydrophile Kopfgruppe in der Wasserphase liegen, die lipophile KW-Kette in der Olphase oder sich in der Luft erstrecken; siehe Abb. 1.18.
Hydrophil
Abb. 1.16. Typisches amphiphiles Molekul: Stearinsaure CL7H&OOH.
Lipophil
Hydrophil
Abb. 1.17. Phospholipid.
Dampfphase
Abb. 1.18. Adsorption von Tensidmolekulen an der Luft/Wasser- und der OI/Wasser-Grenztl~che.
1.5 Die Grenzflache Fliissig-Gas und Fliissig-Fliissig
25
Die amphiphilen Molekule, die auch Tenside resp. Surfactants genannt werden, richten sich senkrecht zur Grenzflache aus. Diese Ausrichtung ist mit einer Abnahme der freien Energie des Systems verbunden. Die Anreicherung der Tenside in der Grenzflache hat zur Folge, dass sich diese unter der Wirkung eines Oberflachen- oder Grenzflachendruckes ausdehnen will. Dem wirkt die Oberflachenspannung "/o des Wassers entgegen, da fur die VergroBerung der Grenzflache Arbeit geleistet werden muss ( W = ydA). Durch Zugabe eines Tensides erhalt man daher eine reduzierte Oberflachenspannung y :
Y = Y,, -
ff
[?I
(1.16)
5: Oberflachenspannung ohne Tensid y : Oberflachenspannung mit Tensid x : Oberflachendruck des Tensids oder Filmdruck, film pressure Der Filmdruck oder Oberflachendruck ist also die Differenz der Oberflachenspannungen von Losemittel ohne (yo)und mit Film (y). ff
= Yo - Y
(1.17)
Fur den Fall, dass ~2% ist, tritt spontane Mischung oder Emulgierung ein. Dies ist von Interesse fur die Emulgiertechnik. Die Tenside bilden auf der Flussigkeitsoberflache eine monomolekulare Schicht bei entsprechender Menge; Abb. 1.19.
Abb. 1.19. Monomolekulare Schicht (Monolayer)aus Tensidmolekulen.
Diese lasst sich in einem Langmuir-Trog komprimieren; Abb. 1.20.
1 Kolloide, Phasen, GrenzJachen
26
Abb. 1.20. Schcmatische Darstellung der Filmwaage von Langmuir
Die Messmethode liefert Aussagen iiber Filmdicke, Filmdruck, geometrischen Querschnitt (Mittelwert) der adsorbierten Molekule; des Weiteren elastischc und allgemein rheologische Eigenschaften des Films und qualitative Informationen uber laterale Wechselwirkungen adsorbierter Molekule. Dariiber hinaus kiinnen TensidKotensid-Wechselwirkungen untersucht werden (zur Emulsionsstabilitat siehe Kapitel 2 ) . Die Variation von n mit der Flache des Oberflachenfilms A wird durch eine z-AKurve reprasentiert.; Abb. I .21. Dabei wird A ausgedruckt durch A*/Molekiil. Solche Kurven werden mit der Langmuir-Filmwaage gemessen. Fur uns von Interesse sind Kenntnisse iiber die zur Stabilisierung von Emulsionen wichtigen Grenzflachenfilme von Emulgatoren und Emulgator-Tensidmischungen. n [dynlcm)
4
Abb. 1.21. Diagramm der Kompression cines gespreitcten Films von Stearinsaurc aut Wasser. Dargestellt ist die Abhangigkeit der Flache vom Schub. F(,: Beim steilsten Anstieg der Kurve ergibt die Abszisse die FlBche pro Molekiil.
1.5 Die Grenzjlache Flussig-Gas und Fliissig-Fliissig
27
Beispiel fur die zahlenmapige GroJe des Filmdruch: Fur einen Film von lo-’ cm Dicke entspricht ein Filmdruck von 1 mN/m einem Innendruck von lo7 mN/m oder 10 atm. Beispiel zur Berechnung der FIache eines Tensidmolekiils (nach B. Franklin): 1 Teelaffel von 5 cm3 FettsBure von MG 300 und Dichte 0.9 auf 0.5 Morgen einer Wasseroberflache (- 2 . lo7cm’) gegeben ergibt eine monomolekulare Schicht von: 4.5 g Fettsaure 0.015 . 6.02-1023
2 .I o7 9.10”
=
=
0.015 mol (MG = 300) 9-10” Molekule
= 22.10-16cm2/Molekul = 22
~zh401ekiil
1.5.3 Tenside: Struktur, Aufbau, typische Vertreter, einige wichtige physikalische Eigenschaften, abbaubare Tenside Die Tenside lassen sich einteilen in anionaktive, kationaktive, nichtionogene und zwitterionische Typen. Sie finden Venvendung vor allem als Netzmittel, Detergentien, Schaumbildner, Dispergiermittel und Emulgatoren. Die Dispergiermittel und Emulgatoren lassen sich nur schwer in eine KlassrJikation bringen, es sind unterschiedlichste chemische Verbindungen; sie werden in den Kapiteln uber Dispersionen und Emulsionen eingehend behandelt. Netzrnittel:
a) Verzweigte Ketten rnit zentraler hydrophiler Gruppe
b) Kurze hydrophobe Kette rnit endstandiger hydrophiler Gruppe
Schaurnbildner: Hydrophobe Kette rnittlerer Lange rnit endstandiger hydrophiler Gruppe
Detergens:
Lange hydrophobe Kette rnit endstandiger hydrophiler Gruppe
m Abb. 1.22. Beziehungen zwischen Struktur und Anwendungspotential von Tensiden, analog [ 1 I].
28
1 Kolloide, Phasen. Grenzflachen
fa
Surfactants: "schizophrene" Molekule
-
machen Oberflachen benetzbar oder wasserabstoRend bilden oder brechen Schaum erhohen die Viskositat eines Slurry zu einer dicken Paste oder erniedrigen sie zu wassriger Konsistenz
-
erhohen oder erniedrigen die Geschwindigkeit von organischen Reaktionen urn GroRenordnungen suspendieren einen Feststoff in Wasser oder fallen ihn aus losen Kohlenwasserstoffe klar in Wasser stol3en Haie ab
Abb. 1.23. Surfactants: ,,schizophrene" Molekule [ 121.
1.5 Die Grenzflache Fliissig-Gas und Fliissig-Fliissig
29
Einen guten Uberblick uber die erhaltlichen Handelsprodukte von Emulgatoren, Dispergatoren und Detergentien vermittelt das jahrlich erscheinende Buch von McCutcheon, mit Namen und Lieferanten von Produkten [ 131. Die Tenside gehoren zur Klasse der Assoziationskolloide, deren Grundlagen in Kapitel 1.8 behandelt werden. Eine allgemeine Beziehung zwischen der Struktur und den Eigenschaften ist in Abb. I .22 dargestellt. Sie beruht auf theoretischen Grundlagen, die hier nicht behandelt werden konnen. Die dargestellten Strukturen lassen sich jedoch bei der Beurteilung von Tensiden bezuglich Verwendung als Netzmittel, Detergentien prinzipiell verwenden. Tenside lassen sich fur sehr viele Zwecke anwenden. Sie sind als Janussubstanzen (von: Janus-Kopf) wegen ihrem lipophilen und hydrophilen Charakter bezeichnet worden, oder sogar als ,,schizophrene Molekule"; Abb. 1.23. Der chemische Aufbau der verschiedenen Klassen von Tensiden ist in Tabelle 1.9 dargestellt.
Tabelle 1.9. Aufbau oberflachenaktiver Substanzen. TYP
Hydrophiler Rest
Beispiel
anionisch
-coo-
CH,-(CH,),-COO-
-0-so,-0-
CH3-(CH2),,-O-S02-0- Na+
-so2-0-
CH,-(CH,),-SO,-OCH3-(CH,),-
-CO-N-CH,-CH,-SO,-OR
-N+-cH~
ionisch
nichtionisch
Seifen, Na-Sake von Fettsluren
Na+
Q-S02-O-
CH3 CH~-(CH,),-N;-CH,
CH3
zwitter-
Na+
CH, ; 3 -~+-cH,-coo-
Na+
-O-(C2H4-0),H
CI-
CH, CH,-(CH,),,-N+-ZH,-COO-
Alkyltrimethylamrnoniurnchlorid
N-Alkylbetain
CH3 CH3-(CH2),-O-(C2H4-O),H CH3-(CH,),-
FH20H H-Brijcken-aktiv-CO-NH-?-CH,OH CH,OH
Alkylarylsulfonate Na+ Fettacylierte Aminoethylsulfonate
CH3
CH3
Fettalkoholsulfate Alkylsulfonate
CH,-(CH,),-CO-N-CH,-CH,-SO,-OR
?43
Kationisch
Name
0
-0-(C2H4-O),H
$H,OH CH3-(CH2),-CO-NH-C-CH20H CH,OH
Polyethylenoxidalkylether Polyethylenoxidalkylarylether Fettacylderivatevon Trimethylolaminomethan
I Kolloide, Phasen, Grenzflachen
30
Typische Netzmittel zeigt Tabelle 1.10. Bei der Beurteilung von Netzrnitteln sind folgende Eigenschaften zu unterscheiden: die maximal erreichbare Oberflachenspannung, ungeachtet der dazu erforderlichen Konzentration an Tensid; - die mit einer bestimmten Konzentration Tensid erreichbare Erniedrigung der Obertlachenspannung ; - die Zeit bis zur Einstellung des Gleichgewichtes eines Tensides. -
Lctztcre Eigenschaft ist von groBer Bedeutung fur Netzmittel. In Abb. 1.24 sind einige in dieser Hinsicht herausragende Tensidtypen ausgewahlt worden. Sie ermoglichen cine starke Erniedrigung von y in Wasser, bis zu 25 mN/m in sehr kurzer Zeit ( 1 5 s). Solche Tenside sind fur den Formulierungschemiker sehr interessant, da auch die zur Erreichung des Minimums der yerforderlichen Konzentration klein ist, entsprechend der kritischen Mizellkonzentration CMC (daruber siehc Kapitel 7), und zwar fur Aerosol OT 0.7 gll.
-
Tabelle 1.10. Typische Netzmittel.
i-c
CH,-(CH,),
-CH-S03Na
I
4 9\
,N-$-(CH2)7 i-C4H9 0
-CH,
Na-Salz des sulfurierten Olsaure-diisobutylamids
Na-Salz der
Dibutylnaphthalinsulfonsaure
Na-Sulfobernsteinsaureester
0 72H5
9
C,HgCHCH2-O-C-CH-S03Na C4HgyHCH2-O-f H2
A
Na-di(2-ethylhexyl)sulfosuccinat Aerosol OT
‘ZH5
OH
OH
Tert. Acetylenglykol 2,4,7,9-Tetramethyl-5-decyne-4,7-diol Surlynol 104
1.5 Die GrenzJache Fliissig-Gas und Fliissig-Fliissig
Na-dioctylsulfosuccinat
LHCOOC~H,,
CH,COOC,H,,
A
31
Na-dibutylnaphthalinsulfonat
@03Na
k03Na
4H9 9
Nadodecylbenzolsulfnat (vemeigte Kette)
CH
S0 Na
Abb. 1.24. Einige Tenside mit rascher Gleichgewichtseinstellungin wassriger Losung [ 141.
Abb. 1.25. Typische Konzentrationsabhangigkeit der Oberflachenspannung von wassrigen Tensidlosungen.
I Kolloide, Phasen, Grenzjlachen
32
In Abb. I .25 ist die Konzentrationsabhangigkeit der Oberflachenspannung eines Tensids dargestellt, cine Kurvenform, wie sie allgemein fur Tenside typisch ist. Die Kurvenschar in Abb. 1.26 zeigt die zeitliche Anderung von y fur verschiedene Netzmittel bei gleicher Konzentration.
I
0
5 Zeit [min]
10
I
15
Abb. 1.26. Zeitliche Anderung der Oberflachenspannungvon LOsungen verschiedcner Netzmittel hei gleicher Konzentrativn (0.1 gll).
Da in Handbuchern im Allgemeinen Zusammenstellungen uber Tenside auf wasserliisliche Typen beschrankt sind, wurde eine entsprechende Zusammenstellung von Tensiden fur organische Losemittel erarbeitet; Tabelle 1.1 1. Tabelle I . 1 I . Tenside fur organische Liisemittel.
Anionische Tenside - Lineare Alkylbenzolsulfonate mit 12 C-Atomen - Pctroleumsulfonate, Na-Salze mit M < 450 - Sulfosuccinatester: ROOCCH2CH-(S0~-M+)COOR, z.B. Na-Dioctylsulfosuccinat - Dinonylnaphthalinsulfonat Kationische Tenside - Langkettige Amine mit Cl2-CI8 - Tetraalkylammoniumsalze, z.B. Di(2-ethylhcxy1)ammoniumchlorid Nichtionogene Tenside - Polyoxethylierte Alkylphenole, z.B. p-Nonylphenol mit max. 5 mol EO - Sorbitan-Fettsaurecster, z.B. Sorbitanmonooleat - Polyoxcthylierte Sorbitanfettsaurcesler Alkanolamin-Fettsaure-Kondensations~rodukte. L . B . A1kvldiethanolamid
1.5 Die Grenzjlache Fliissig-Gas und Fliissig-Fliissig
33
Tenside sind im Allgemeinen nur wenig, meist ungeniigend abbaubar, um die heutigen strengen gesetzlichen Bestimmungen zu erfullen. Zudem haben sie oft eine mit dem Tensidcharakter verknupfte Fischtoxizitat und verursachen eine Verminderung der Sauerstoffaufnahme in der Klkanlage. Daher drangt sich die Entwicklung von biologisch abbaubaren Tensiden auf. Als solche bieten Biotenside, d.h. von Mikroorganismen stammende Produkte eine mogliche Alternative. Sie weisen eine groRe strukturelle Vielfalt auf. In Abb. 1.27 sind einige Biotenside aufgefuhrt, die in der neuen Literatur besondere Beachtung gefunden haben. Ausgehend von Sophorolipid hat Kaosoap in Japan durch Umesterung praktisch den ganzen HLB-Bereich abgedeckt, sodass Emulgatoren, Netzmittel, Wasch- und Reinigungsmittel im Prinzip aus Biotensiden zuganglich sind. Sehr interessant wegen seiner niedrigen Oberflachenspannung ist Surfactin. Uber diese Verbindung hat D. G. Cooper bereits 1984 berichtet [15]. Als Emulgator ist Emulsan hervorzuheben. Es wird vollkommen an der W/O-Grenzflache adsorbiert. Es ist untoxisch und biologisch abbaubar. Viele Angaben dazu sind in [ 161 zu finden. Zu erwahnen ist noch Rhamnolipid mit einer y= 25 mN/rn. Minimale Grenzflachenspannung 0.06 mN/m. Abbaubarkeit 100 %. Es hat ein gutes Netzvermogen, jedoch kein Waschvermogen.
Sophorolipid
Emulsan
Abb. 1.27. Biotenside.
(n: 840)
34
I Koiloide, Phasen, Grenzflachen
Biotenside sind um den Faktor 4-5 teurer als die ublichen Tenside. Im Allgemeinen haben sie eine hiihere spezifische Wirksamkeit, was ihre Kosten fur die Verwendung reduziert. Als Alternativen bezugiich ihrer Ahbauharkeit zu Biotensiden sind Tenside auf Saccharid-Basis: Sorbitanfettsiiureester, SaccharoseSettsaureester und Fettalkoholpolyglycoside. Von Henkel sind neuerdings Alkylpolyglucoside erhaltlich: siehe Abb. 1.28.
n=0-6 Abb. 1.28. Neuere Tensidklasse: Alkylpolyglucoside (APG); Synthese aus Fettalkohol (8-1 4 C) und Glucose. Vorteile: groI3e Reinigungskraft;gut hautvertraglich (kein R38-Hinweis);abbaubar.
Zu erwahnen sind ferner die Glucamine. Paraffinsulfonsaure-Glucamin-Salz zeichnet sich durch gute Hautvertraglichkeit aus und ist auch fur die Augen nicht reizend. Nach Publikationcn von Huls ist die Thematik der Tenside auf Basis Monosaccharide noch nicht erschopft. Synergismus zur Erniedrigung der Tensidkonzentvation: Durch Kombination von bestimmten Tensiden lasst sich deren Anwendungskonzentration erniedrigen, z.B. Fettalkoholethersulfat und lineares Alkylsulfat.
1.6 Kohasion, Adhasion und Spreitung Diese gren7,flachenchemischen Erscheinungen spielen in der Technik eine entscheidende Rolle hci Vorgangen der Benetzung, Umnetzung, bei Wasch- und Reinigungsprozessen. Sie sollten daher dem Formulierungschemiker gut vertraut sein.
1.6.1 Die Kohasion in einer Fliissigkeit Die Kohhsion in einer Fliissigkeit ist ein Mat3 fur die Anziehungskrafte zwischen gleichartigen Molekulen ( A und A), die Adhusion zwischen ungleichartigen ( A und B). Um einen Zylinder mit dem Querschnitt S = 1 em2 aus einer Flussigkeit A in zwei Halften zu trennen, sodass zwei neue Oberfliichen entstehen (in Abb. 1.29 die zwei
I , 6 Kohasion, Adhasion und Spreitung
35
schraffierten Oberflachen), wovon jede die Oberflachenspannung yA besitzt, muss dic Kohasionsarbeit W,= 2 y, geleistet werden.
w,= 2 y A
(1.18)
Die Adhasionsarbeit, die notig ist, um die Anziehung zwischen ungleichen Flussigkeitsmolekiilen A , B zu uberwinden, ist gleich den neu geschaffenen Oberflachenspannungen yA + G,vermindert um die Grenzflachenspannung, die wahrend des Prozesses vernichtet wurde, yAB.Somit ist die Adhasionsarbeit W,:
Die Adhasionsarbeit fur eine Flussigkeit und einen Feststoff 1st:
w,= Ys + Y L - Y S L
Eine Flussigkeit A
Nichtrnischbare Flilssigkeiten A und B
(1.20)
Fliissigkeit L und Feststoffs
Abb. 1.29. Kohasion und Adhasion.
1.6.2 Spreiten einer Flussigkeit auf einer zweiten Flussigkeit Schichtet man einen Tropfen einer unloslichen Substanz wie Olsaure auf die Oberflache von Wasser, so kann sie sich auf eine von drei Arten verhalten: 1. Sie bleibt als Linse stehen; Abb. 1.30 a. 2. Sie spreitet als dunner Film, bis dieser die ganze Wasseroberflache als sogenannten ,,Duplex-Film" uberdeckt. Ein Duplex-Film ist ein Film, der dick genug ist, dass die
36
I Kolloide, Phusen, Grenzfluchen
Lwei Grenztlachen als FildLuft und Fliissigkeit-Film voneinander unabhangig sind und cine charakteristische Oberflachenspannung besitzcn. 3. Sie spreitet als Monoschicht, wobei einige Lirisen von uberschussigem 0 1 im Gleichgewicht vorhanden sind; Abb. 1.30 b.
a)
Ein Tropfen nicht-spreitendes 01auf Wasser
b)
Spreiten von n-Hexanol auf Wasser Luft
/
{esattigte Losung von n-Hexanol in Wasser
Abb. 1.30. Spreitcn ciner Fliissigkcit (z.B. 01)aufeiner zwciten Flussigkeit (z.B. Wasser) [ I ] .
1st die Affinitat zwischen den Olmolekiilen grol3er als zwischcn denen des 01s und des Wassers, so kommt es zu keiner Spreitung. Anderenfalls breitet sich das 0 1 auf der Wasseroberflaiche aus. Spreitung tritt also auf, wenn die Adhasionsarbeit groDer als die Kohasionsarbeit ist: W;,- W, > 0. Diese Differenz wird als Spreitungskoeffizient S bezeichnet.
s = y , - WL = ( Y A + Y” - Y A B ) -2YA
(1.21)
s = YB - Y A
(1.22)
oder -YAB
= Y” - ( Y A
+ Y A J
Spreiten tritt ein, wenn S > 0. Anders ausgedriickt: Einc Substanz spreitet dann, wenn die freie Oberfllchenenergie der neugeschaffenen Oberflachc und der neu geschaffenen Grenztlache zusammen kleiner ist als die freie Grcnzflichenenergie der alten Oberflache.
1.6 Kohasion, Adhasion und Spreitung
37
Fur den Fall, dass eine Flussigkeit L auf einem Festkorper S spreitet, gilt:
S=Ys-(Y,+Ys,)
(1.23)
Dieser Spreitungskoeffizient ist fur uns von besonderem Interesse, da er fur die im Kapitel 5 uber Dispersionen sich stellenden Benetzungsprobleme eine entscheidende Rolle spielt, aber auch beim Problem der Reinigung mit Detergenzien; siehe Kapitel 10. Die obige Besprechung des Spreitens einer Flussigkeit auf einer Flussigkeit beschrankt sich auf das anfangliche Spreiten; Tabelle 1.12.
Tabelle 1.12. Anfangliche Spreitungskoeffizienten auf Wasser bei 20 "C [ 171. Substanz Ethanol Propionsaure Ethylether Essigsaure Aceton Olsaure Undecylensaure Chloroform Benzol Hexan Octan Ethylendibromid Flussiges Paraffin
Spreitungskoeffizient S [mN/rn] 50.4 45.8 45.5 45.2 42.4 24.6 32 13 8.9 3.4 0.22 -3.19 -13.4
Bevor der Gleichgewichtszustand erreicht ist, sattigt sich die Wasseroberflache mit der spreitenden Flussigkeit, die sich ebenfalls mit Wasser sattigt. Sobald gegenseitige Sattigung stattgefunden hat, andern sich y, und Y,. S kann jetzt kleiner oder sogar negativ werden. Das bedeutet, dass eine Flussigkeit auch nach anfanglichem Spreiten sich zu einer Linse zusammenziehen kann. y, andert sich dabei nicht, da die Grenzflachenspannung immer bei gegenseitiger Sattigung gemessen wird. I . Beispiel:
Abb. I .30 b: n-Hexanol auf Wasser S, (anfanglich)= 72.8 - (24.8 + 6.8) = 41.2 mN/m; Sr(final) = 28.5 - (24.7 + 6.8) = -3.0 mN/rn.
2. Beispiel:
Benzol = 28.9 mN/m; ,y = 35.0 mN/m; S, (anfanglich) = 72.8 - (28.9 + 35.0) = +8.9 mN/m + spreitet auf Wasser. Nach Gleichgewichtseinstellung wird jedoch der Spreitungskoeffizient negativ: y, = 28.8 mN/m; y, 62.2 rnN/m, SJfinal) = 62.2 - (28.8 + 35.0) = -1.6 mN/m.
xl
38
I Kolloide, Phasen, Grenzflachen
Dass Benzol auf Wasser spreitet, ist nicht in dcr Polaritat begrundet, sondern darin, dass dic Kohasionskriiftc zwischen scinen Molekiilen vie1 schwacher sind als die Adhiision zu Wasser.
1.6.3 Adsorption von Tensiden an flussigen Grenzflachen Die amphiphilcn Tcnside werden an Grcnzflachen adsorbiert. Durch ihre Anordnung in dcr ON-Grenzf-lache hilden sie cine Art Briicke zwischen den poluren und unpolaren Phasen. Die Adsorption von Tensiden in binaren Systemen wird durch die fundamcntale Gleichung von Gihhs ( 1878) quantifiziert: ( I .24)
R: Gaskonstante = 8.314 J.K-'.mol-' c: Konzentration [mol/l] F Uberschuss-Konzentration des Tensids in der Grcnzflache [mol/cm'] Der Diffcrcntialquoticnt
($)
bedeutet dic Anderung von ymit dcr Konzentration
dcs Tensidcs im Innern der Fliissigkeit. Eine Abnahme der Oberllachenspannung pro Konzentrationscinheit Tensid fiihrt zu einem positiven Wcrt von d.h. das Tensid rcichert sich in der Grenzflachc an. Kennt man diese Uberschusskonzentration r bei cincr bestimmten Tensidkonzentration in der Inncnphase, so Iasst sich daraus dic von jcdern Molekiil in der Grenzflache eingenornmene Flache bercchnen. Setzt man nun Tensidc, die losliche Monoschichten bilden, in ciner Mcnge zu, dass sowohl die Grcnzschicht als auch die Innenphase damit gesattigt sind, so aggregieren sich die iiberschiissigen Teilchen zu sogenannte Mizellen. Diese haben die GroJe von Kolloiden und sind nicht oberflachenaktiv. Diese Assoziationskolloide werden in Abschnitt 1.8 beschrieben.
1.7 Die Grenzflache Fest-Fliissig 1.7.1 Kontaktwinkel und Benetzung Wenn cin Fliissigkcitstropfen auf eine ebene Fcstkorperoberflache gesetzt wird, kann er cntwcdcr vollkommen iihcr dcn Festkorper spreiten oder er kann als Troplen mil cinem
1.7 Die Grenzjlache Fest-Fliissig
39
definierten Kontakt- oder Randwinkel 6 auf der Flache stehen bleiben. Abbildung 1.31 zeigt eine schematische Darstellung von funf verschiedenen 6.
0 Q La0 = 0"
e = 30"
0 = 60"
43
0 = 90"
c 5
0 = 120"
Abb. 1.31. Kontaktwinkel zwischen Hiissigkeitstropfen und Feststoff.
Unter der Annahrne, dass die verschiedenen Oberflachenkrafte durch Oberflachenspannungen reprasentiert werden, konnen sie in Richtung der Oberflachen wirken (Abb. 1.32).
v v L
Abb. 1.32. Gleichung nach Young-DuprC: Krafteaddition an Phasengrenze Feststoff/FliissigkeitlGas; Darstellungen mit gleicher Fliissigkeit, aber unterschiedlichen Feststoffen.
Fur die drei Phasen S, A (v)und L, die sich in der Projektion (Abb. 1.32) in einem Punkt treffen, ergibt sich die Gleichung von Young durch Vektoraddition.
1 Kolloide, Phasen, Grenzflachen
40
( I .25) oder cos 8 = Ysv
-
Ys1.
( I .26)
YLV
Symbole:
S = Fest (,,Solid") L = Flussig (,,Liquid") A oder V = Luft, Gas, Dampf (in der Literatur wird die Dampf- oder Gasphase entweder mit A oder V bezeichnet; ,,Air", ,,Vapour"j
Die griifiten 8, die bisher zwischen Wasser und glatten Oberflachen gemessen wurden, liegen zwischen 105" und 110" (z.B. Paraffinwachs-Wasser). Bei 0 > 100" zieht sich das Wasser xu einzelnen Tropfen zusammen, die uber die Oberflache laufcn und lcicht abzuschutteln sind. Einige Autoren korrelieren 8 < 90" mit Benetzung und 8> 90" mit Nichtbenetzung. Rauhigkeifen vergrofiern die Abwcichung dcs naturlichen 0 von 90". Wenn r = Rauhigkcitsfaktor, d.h. das Verhaltnis der tatsachlichen zur schcinbaren Oberflache ist, so gilt fur den mittleren Randwinkcl 0 fur eine rauhe Oberflache: cos $'= r . cos 0
(1.27)
Die Kombination mit der Gleichung von DuprC; G1. (1.19)
Ys,.= Ysv + Y L V - Y1.S
( I .28)
crgibt die Gleichung von Young-Dupr@: ( I .29)
Wcnn 6 5 90", bewirkt nach Glcichung (1.26) eine Reduktion von r,, auch eine solche von 8, also eine Verbesscrung der Benetzung. Die Zugabe eines Netzmittels emiedrigt yLv,Bcides fuhrt zu besserer Benetzung. Beispiele,fur den Eirzfluss von 6 uuf die Benetzung:
- 80"; Ti02 sinkt ins Wasser, 0 - 30". Durch Adsorption von Stcarinsiiure an TiOl wird 8 - 110". Dieses hydrophobiertc T i 0 2 schwimmt auf Wasscr. - Quarzsand (SiOZ) wird von Wasser vollkommen benetzt. Dagegen ist cin hydrophobicrter Qunrzsand (durch Adsorption einer organischen Siliciumvcrbindung hydrophohiertj volfkonimen wasserabstofiend. Er klurnpt in Wasser zusammen, ist plastisch und l a s t sich beliebig formen. Nach AbgieRen des Wassers 1st er wicdcr vollkommen frei 11ie IJend . - Calciumcarbonat wird als Fullstoff fur Papier eingcsetzt. Soil cs auch in Polyolefinen - Ru13 schwimmt auf Wasser, 6
1.7 Die GrenzJache Fest-Fliissig
41
als Fullstoff dienen, muss es zuerst durch Adsorption von Fettsauren, z.B. Stearinsaure, hydrophobiert werden. Dam genugt eine monomolekulare Schicht auf der Oberflache. In Abb. 1.33 ist der Ort des Randwinkels 6 fur verschiedene Zustande des Eintauchens einer Kugel in eine Flussigkeit markiert.
Adhasion
Immersion
Spreitung
Abb. 1.33. Randwinkel beim Eintauchen einer Kugel in eine Flussigkeit.
1.7.2 Benetzung von Festkorpern in Abhangigkeit von deren Oberflachenenergie Dariiber existieren alte Regeln wie z.B.: polare Feststoffe werden durch polare Flussigkeiten benetzt. Oder: Flussigkeiten von niedriger Oberflachenspannung benetzen Festkorper von hoherer Oberflachenenergie. Diese allgemein angewandten Regeln gelten jedoch nur mit vielen Einschrankungen, z.B. spreitet Wasser nicht auf Eisen und vielen anderen Metallen. Daruber siehe Tabelle 1.13.
Tabelle 1.13. Oberflachenenergie einiger Festkorper. Festkorper Kupfer Silber Aluminium Eisen Glas Nylon PVC Pol ystyrol Polyethylen Teflon
Oberflachenenergie ImJ/m21 1100 900 500 1700 73 46 40 33 31 18.5
42
1 Kolloide, Phusen, Grenzflachen
Fuustregeln,fur die Benetzung von Festkorpern: -
Flussigkeiten von niederer Oberflachenspannung benetzen Festkorper von hoherer Energie, aber Flussigkeiten von hoherer Oberflachenspannung benetzen nicht Feststoffe von niedriger Energie. Diese Regel gilt nur mit Einschriinkungen.
-
Ohne Einschrankungen gilt dagegen die Regel: Eine Fliissigkeit von niedriger Oberflachenspannung kann einen Festkorper von hoher Oberflachenenergie nur dann benetzen und auf ihm haften, wenn ahnliche Lwischcnmolekulare Krafte zwischen Festkorper und Flussigkeit wie in der Fliissigkeit auftreten.
- Die spezifische freie Oberflachenenergie Iasst sich in einen unpolaren Anteil (&, Dis-
persionskrafte) und eine polaren Anteil
(yp,
polare Krafte) aufspalten. Beim Kontakt
von Festkorper und Flussigkeiten verhalten sich die beiden Anteile additiv. Beispielsweise spreitet Wasser (r,= 72.8 mN/m, r, = 2 1.8 mN/m, = 5 1 .@mN/m) weder
r,
auf Graphit, noch Eisen, Kupfer oder Silber, obschon deren Oberflachencnergien wesentlich groBer sind, als diejenige von Wasser. Damit Spreitung erfolgen kann, muss der Fcstkiirper einen Dispersionsanteil der freien Oberflachencnergic r, von mindestens 243 mN/m aufweisen. Dies ist bei Aluminium der Fall, nicht aber bei den oben erwahnten Stoffen. Dass Wasser auf Aluminium spreitet, Iasst sich aufgrund der Theorie von Zisman, Fowkes, Girifalco bercchnen. -
Eine Flussigkeit, welche die gleiche spezifische freie Oberflachenenergie wic eine feste Unterlage hat, benetzt diese Unterlage nur dann vollstandig ( 0 = O), wenn sowohl Flussigkeit als auch Festkorper dieselben polaren und unpolaren Anteile besitZen.
Die Bestimmung der Oberllachenenergien von Feststoffen 1st problematisch. Man m i s t d a m die Randwinkel ,,$, am Festkorper gegen eine Reihe von Fliissigkeiten mit abnehmender Oberlliichenspannung. Die Oberflachenspannung derjenigen Flussigkeit, die den Festkorper vollstandig benetzt ( BSvl2= O), wird die kritische Oherflachenspannung y, des Festkorpers genannt und gleich der Oberflachenspannung des Festkiirpers angenommen; Abb. 1.34. Dabei zeigt sich, dass liir denselben Festkorper Paraffin je nach der verwendeten Flussigkei tsrcihc (polare resp. unpolare Flussigkeiten) verschiedene u, gemessen werden, 15 mN/m fur polare, 22 mN/m fur unpolare. Dies beruht darauf, dass sich die OherJluchenenergie einer kondensierten Phase uus versehiedenen Energieunteilen zusammensetzt:
Y = Yd + Y , y = Antcil der London-Krifte (Dispersionskrafte) d
( I .30)
1.7 Die Grenzflache Fest-Flussig
43
y = Anteil der polaren Krafte (Dipol-Dipol, H-Bindungen etc.) P
Beispiel Wasser: y = 22 mN/m, y = 50 mN/m; d
P
y= 72 mN/m
(1.31)
Kohlenwasserstoffe weisen hingegen nur Dispersionskrafte auf.
Abb. 1.34. Kritische Oberflachenspannung r, von Festkorpern: a) Messung mit polaren Fliissigkeiten; b) Messung mit apolaren Flussigkeiten [ 181.
Diese Zusammenhange sind technisch besonders wichtig fur die Probleme der Benetzung und des Haftens (Kleben) von Kunststoffen. Die Bestimmung der Oberflachenenergie von Feststoffen ist mit Fehlern behaftet. Zuverlassige Werte sind in der Literatur schwierig zu finden.
1.7.3 Penetration einer Fliissigkeit in einer Kapillare Dieser Vorgang spielt bei der Benetzung von Feststoffen eine Rolle, welche nicht glatte Oberflachen aufweisen und Kapillaren enthalten wie z.B. Papier. In Pulvern und Agglomeraten kann man die Hohlraume modellmafiig als Kapillaren betrachten. Fur das Eindringen von Flussigkeit in Kapillaren (Abb. 1.35) gilt Gleichung (1.32).
44
1 Kolloide, Phasen, GrenFflachen
Abb. 1.35. Penetration einer Fliissigkeit in eine Kapillare.
(I 32) Penetration erfolgt nur, wenn B < 90" Fur B= 0" gilt: p=-- 2Y LV
(1.33)
Y
Dcr zeitliche Verlauf der Benetzung wird beschrieben durch die Washhurn-Gleichung ( I : Eindringtiefe in der Zeit; r: Porenradius; 17: Viskositat): (1 34)
(1 3 5 ) Der Kapillardruck P ist unter einer konkaven Oberflache negativ. Die Fliissigkeit wird spontan in die Kapillare gesaugt, wenn sie diese benetzt, also B < 90" ist. Wichtig bci Bcnetzungsvorgangen ist die Geschwindigkeit des Eindringens einer Flussigkeit in die Kapillaren
($1,
die nach der Gleichung von Washburn (GI. 1.34) erfolgt. Aus
Gleichung ( I .34) ist eine fur den Formulierungschemiker wichtige Konsequenz zu crschen, die beim empirischen Formulieren nicht erkannt wird: Rasche Penetration erfolgt bei groBem Wert von ~ , ~ c o s niedrigem B, 0 und 77 (Viskositat) und groBem r (lockere Packung bci Pulvern und Agglomeraten). Ein hoher Wert fur y, und cin kleiner Randwinkcl schlicfien einandcr aus. Im Hinblick auf die Sprcitung hat aber die Einstellung cines kleinen B -Wcrtes Vorrang. Der Formulierungschcmiker hat also die Aufgabe, cinen Randwinkel nahe 0" zu erreichen, ohne dabei y, uber das notwendige MaB hinaus zu reduzieren. Daher ist die hdufig geiibte Praxis, cine hereits genugende Benetzung durch Zugahe zusutzlicher Netzmittelmengen zzi verhessern, nicht nur unnotig, sondern kontraproduktiv. Glcichung ( 1.38) gibt die Penctrationszcit in ein Aggloinerat oder Pulvcr, wie sie fur Forschungsarbeiten benotigt wird.
45
I . 7 Die Grenzflache Fest-Flussig Mit der Definition der Porositat (vergl. Abb. 1.36):
E=
Hahlraumvolumen Schuttvolumen
-
vh -
v
p
V -1-2
Vh
Vh
(1.36) '
und Vb: Schuttvolumen, V,: wahres Partikelvolumen und 0,: volumenbezogene spezifische Oberflache berechnet sich der mittlere hydraulische Radius r eines Porensystems zu:
r=
E
2 (1 - E ) 0, '
(1.37)
'
U
a: 2 3 = mittlerer hydraulischer Radius des Porensystems (Pulvewolumen : 2x PartikeloberflBche) Abb. 1.36. Porositat eines Pulvers, mittlerer hydraulischer Porenradius (dargestellt ist die zweidi-
mensionale Projektion). Da die spezifische Oberflache umgekehrt proportional zur mittleren PartikelgroBe ist, kann der Kapillarradius in der Washburngleichung durch die mittlere PartikelgroRe x und die Porositat E ersetzt werden. Fur die Benetzungszeit ergibt sich daraus die nachstehende Gleichung (C: Konstante).
(1.38)
1.7.4 Messung der Benetzung und der Benetzungsgeschwindigkeit Die Messungen von Randwinkeln von Flussigkeiten lassen sich mit einem Mikroskop ausfuhren. Um Genauigkeiten von besser als 2" zu erreichen braucht es verschiedene
46
1 Kolloide, Phusen, Grenzjlachen
incsstechnische MaUnahmen. Es lassen sich ein vorruckender (advancing) und ein ruckziehender (receding) Randwinkel messen, was als Rundwinkelhysterese bezeichnet wird. Die Mcssung des Randwinkels eines Flussigkeitstropfens auf einer Faser erfordert eine spezielle Messtechnik mit Hilfe der Photomikrographie. Die Benetzung von Pulvcrn, porosen Haufwerken, Papier, Textilien lasst sich durch Messung der Geschwindigkeit der vorruckenden Flussigkeitsfront in einem Pulverbett oder einer Saulc des zu untersuchenden Materials und Anwendung der Gleichung von Washburn bestimmen; GI. ( I .34). Als Apparatur kann die Enslin-Zelle (Abb. 1.37) dienen [ 141.
1 Messzylinder mit Partikelbett
2 Glasfritte 3 Messpipette Abb. 1.37. Randwinkclmcssung an Pulvcrn mit Enslin-Apparatur [ 141.
Zur qualitativen Beurteilung der Benetzung konnen verschiedene einfache Tests angewandt werden: Zur Messung der Benetzungszeit von Textilgeweben dient der Tuuchnetztest nach DIN 53901. Der bekannteste Test zur Untersuchung der Benetzung von Textilien 1st der Dvuves-Test ( 1939), ebenfalls eine Methode, bei der die Einsinkzeit eines Textillappchens in einem mit der Tensidlosung gefullten Glaszylinder gemessen wird. Das Benetzungsvcrhalten von Pigmentpulvern und zahlreichen anderen feinteiligen oder porosen Stoffen, z.B. Zellulosepulver lasst sich studieren, wenn man eine Aufschlamtnung des Materials in einem geeigneten Suspensionsmittel in einer Petrischale cintrocknen liisst. Dann werden Tropfen von Flussigkeiten unterschiedlicher Oberflachenspannung in das Zentrum der homogenen Materialschicht aufgesetzt und die Durchmesser der sich bildenden Flecken nach festgelegter Zeit gemessen. Die Fleckendurchmesser werden graphisch als Funktion der Fliissigkeitsoberflachenspannung aufgetragen. Aus solchen Kurven erhalt man eine kritische Oberflachenspannung, welche die integrule Benetzbarkeit des Pulvers bestimmt. Dies ist nur cine Auswahl von zahlreich existierenden Benetzungstests, wozu fur einzelne Methoden Geriitc im Handel sind.
1.8 Assoziatiunskulloide
47
1.8 Assoziationskolloide, Basis- und Uberstrukturen Wie in den Abschnitten 1.1 und 1.2.1 erlautert wurde, spricht man von Kolloiden im strengen Sinn bei Systemen, bei denen Gasblasen, Flussigkeitstropfen, Festkorperteilchen, Makromolekule oder Assoziate amphiphiler Molekule im GroBenbereich von ca. 1-1000 nm in einer kontinuierlichen Phase verteilt sind. Je nach System kann die kontinuierliche Phase ein Gas, eine Fliissigkeit oder ein Feststoff sein. Die kolloiden Teilchen sind also im Allgemeinen Ensembles von Molekulen oder, im Falle von Ionenkristallen, von Ionen. Im Gegensatz dazu konnen Makromolekiile bereits allein oder im Verbund (wie die Quartkstrukturen von Polypeptiden; vergl. Kapitel 13 ,,Nahrungsmittelformulierungen") Kolloide darstellen, falls die Gebilde im definierten GroBenbereich liegen. Wenn solche makromolekularen Systeme aber physikalisch oder chemisch derart gestort werden, dass die Makromolekiile zu groBeren Verbanden zusammentreten, wie bei der Gelierung oder Flockung, spricht man nicht mehr von Kolloiden. Auch Biokolloide sind also nur unter gewissen Bedingungen als Kolloide anzusehen. Allerdings ist diese enge Definition im Rahmen der modernen Kolloidchemie zu eng gefasst. Spezielle Strukturen, wie die Sponge-Phasen und bikontinuierlichen Mikroemulsionen bis hin zu Gelen, aber auch planare, zylindrische und kugelformige lamellare Phasen und Emulsionen, sind fur die praktische Kolloidchemie von eminenter Bedeutung, liegen jedoch auBerhalb der angefuhrten Definition von Kolloiden. Zu den Kolloiden im strengen Sinn gehoren jedoch die Assoziationskolloide: Bestimmte Substanzen sind aufgrund ihres besonderen Molekulbaus in der Lage, freiwillig kolloide Assoziate zu bilden. Solche Assoziationskolloide, z.B. die spharischen Mizellen, zeichnen sich gegenuber anderen Substanzen dadurch aus, dass sie sich im ungehemmten thermodynamischen Gleichgewicht befinden. Im Gegensatz zu den thermodynamisch stabilen Assoziationskolloiden (aber auch gelosten Makromolekulen) sind die anderen Kolloide thermodynamisch instabil. So tritt beispielsweise bei kolloiddispersen Gas-, Fliissigkeits- oder Festkorperteilchen GroSenanderung durch Ostwaldreifung ein (vergl. Kapitel9).
1.8.1 Spharische Mizellen Losungen von oberflachenaktiven Stoffen haben ungewohnliche Eigenschaften. In verdiinnten Losungen verhalten sie sich wie normale Molekule. Ab einer ganz bestimmten Konzentration andern sich abrupt einige physikalische Eigenschaften, wie osmotischer Druck, elektrische Leitfahigkeit, Oberflachenspannung; Abb. 1.38. Vergleicht man alle physikalischen Daten des gleichen Systems miteinander, so stellt man fest, dass die Eigenschaftsanderungen in einem sehr engen Konzentrationsbereich stattfinden. Das anorrnale Verhalten kann durch die Bildung von urganisierten Aggregaten oder Mizellen erkliirt werden. Die Konzentration, bei der die Mizellbildung merklich auftritt, ist die kritische Mizellbildungskonzentration CMC. Oberhalb der CMC ist die Mizelle die thermodynamisch stabile Form, die aber im Gleichgewicht mit Einzel-
48
1 Kolloide, Phusen, GrenzJachen
molekulen und Oligomeren steht. Wegen der Mizellbildung unterscheidet sich das Temperaturverhalten der Tenside von dem Verhalten anderer niedermolekularer Verbindungen. Bei niedrigen Temperaturen andert sich die Loslichkeit zunachst nur wenig. Aber von einer fur den Stoff charakteristischen Temperatur an, dem sogenannten Krufft-Punkt, wachst die geloste Menge stark an, als Folge der Mizellbildung. Einige Angaben uber CMCs von typischen Tensiden sind in Tabelle 1.14 aufgefuhrt.
c al
% L
0 u)
C
al
0 .W
c c, a
-
tflachenspannung
a, N
c .-
al tl
u C
al +.-
a,
c
.-c
B
r" 0
.I .2 .3 .4 .5 % Natriurndodecylsulfat
.6 .7
.B
.9
Abb. 1.38. Anderung der physikalischen Eigenschaften von Tensidlosungen im Bereich der CMC; nach [19].
Tabelle 1.14. Kritische Mizellbildungskonzentration verschiedener Tenside in Wasser [20]. Tensid Alkylbenzolsulfonat (CIO-13-AlkyI) C, 2-17-Alkansulfat C1s~18-a-Olefinsulfonat
C12-,4-Fettalkohol-2EO-sulfat Nonylphenol + 9 EO Oleyl-/Cetylalkohol + 10 EO
CMC [g/l] in Wasser 0.65 0.35 0.30 0.30 0.049 0.035
Abbildung 1.39 zeigt eine schematische Darstellung von spharischen Mizellen in Wasser und nichtpolarem Losemittel. Zu beachten gilt, dass die beweglichen Alkylketten jedoch in Wirklichkeit in geknauelter Form vorliegen.
1.8 Assoziationskolloide
--- --
Kugelmizelle in Wasser
49
lnvertierte Mizelle in 61
Abb. 1.39. SchematischeDarstellung von sphiirischen Mizellen.
In wassriger Losung sind die lipophilen KW-Ketten gegen das Innere der Mizelle gerichtet, die hydrophilen Gruppen in Kontakt zum Wasser; Abb. 1.39. Ein Teil der Molekiile tendiert dazu, die Losung zu verlassen, der andere Teil will in der Losung bleiben. Die Faktoren der Effekte dieser Balance sind:
1. 2. 3. 4.
Die Wechselwirkungen (W.W.) von KW-Ketten mit Wasser. Die W.W. von KW-Ketten untereinander. Die Solvatisierung der Kopfgruppe. Die W.W. zwischen solvatisierten Kopfgruppen mit der ionischen Atmosphke.
Die Balance wird auch wesentlich beeinflusst durch die relativen GroBen der hydrophilen und hydrophoben Anteile des Molekuls, also dem HLB-Wert. Siehe uber HLB in Kapitel 2. Mizellen bilden Strukturen aus, bei denen der Kontakt zwischen Wasser und KW-Ketten ein Minimum darstellt, andererseits eine maximale Wechselwirkung zwischen hydrophiler Kopfgruppe und Wasser resultiert.
Abb. 1.40. Computer-generierteDarstellung einer spharischen Mizelle von Dodecanoat; schwarz:
Carboxylgruppen;schraffiert: terminale Methylgruppen; nach [21].
50
1 Kolloide, Phasen, Grenzflachen
Wie Abb. I .40 zeigt, sind dennoch betrachtliche KW-Anteile in direktem Kontakt mit Wasser. Aus Grunden der Verteilungsdichte der KW-Ketten im Innern der Mizelle (core), konnen die Kopfgruppen auf der Oberflache nicht dicht gepackt sein. Fur cine spharische Mizelle ist hochstens 1/3 der Oberflache mit Kopfgruppen besetzt. Mizellen darf man nicht als feste Partikel betrachten. Die einzelnen Molekule stehen in einem dynamischen Gleichgewicht mit den ubrigen Ausgangsmolekulen in der Innenphase und der Grenzschicht. Die Bildung von Assoziationskolloiden erfolgt spontan, sofern die Tensidkonzentration in der Liisung die CMC uherschreitet. In einem Mizellenkollektiv stellt sich eine Verteilung der Aggregate, d.h. die Anzahl Aggregate gegen die Aggregationszahl S gernaR Abb. 1.4 I ein.
Monomere
+
Mizellen
Oligomere Abb. 1.41. Verteilungskurve der Aggregate gegen die Aggregationszahl S (gemaB H. F. Eicke, Uni
Basel).
Es bildet sich keine stetig zunehrnende Aggregation, man erhalt eine rclativ schmalbandigc GrGBcnvcrteilung der Aggregate. Fur kleine Aggregate ist es nicht rnoglich, die Alkylgruppen vor dem Wasser geniigend abzuschirmen und Mizellen auszubilden. GroBe Aggregationszahlen sind dagegen bezuglich der KopfabstoBung der polaren Gruppen nicht gunstig. Dies fuhrt zur bevorzugten Bildung von AggregatgroBen in einem schmalen Bereich. Die Aggregatzahlen fur iibliche Tenside liegen etwa zwischen 50-1 00. Die groRc technische Bedeutung der Mizellen liegt darin, dass sie Reservoire fur Tenside darstellen. Ohne Assoziation und Mizellbildung ware die Loslichkeit von Tensiden kleiner als die CMC. Mizellen als Reservoire dienen deshalb dem Nachschub an Tensid fur neugebildete, zugangliche Oberflachen. Daher sind sie nutzlich als Reinigungsmittel und Stabilisatoren. Ihre Losungen bilden beim Schiitteln cinen stabilen Schaum. Einc wichtige Rolle spielen sie bei der Emulsionspolymerisation, z.B. zur Herstellung von Lalices. Ihre solubilisierende Wirkung fur unlosliche Stoffe gibt ihnen ein sehr groRes Anwendungspotential. Dabei haben nichtionische Surfactants etwa die zehnfach sturkere solubilisierende Wirkung als anionische. Eine inverse Mizelle in 0 1 lost Wasser in der-
I . 8 Assoziationskolloide
51
selben Weise wie normale Mizellen in Wasser unlosliche organische Stoffe losen. Z.B. vermag in der Trockenreinigung (Drycleaning) das Losemittel zwar den oligen Schmutz zu losen, nicht aber wasserloslichen Schmutz. Daher wird dem Solvent Tensid und Wasser zugemischt, der wasserlosliche Schmutz wird dann durch das in den inversen Mizellen geloste Wasser entfernt. Ein sehr grol3es technisches Potential haben Mizellen fur die Tertiarforderung von Erdol (Gewinnung des 01s aus porosen Gesteinslagerstatten). Interessant ist, dass die Mizellen eine Moglichkeit bieten, wasserunlosliche SubstanZen in Wasser zu ,,losen" oder Wasser in organischen Losemitteln. In Abb. 1.42 ist die Solubilisation einer unpolaren Verbindung im Kern einer Mizelle dargestellt. Das lnnere einer Mizelle hat Eigenschafen wie ein KW. Sie kann daher erhebliche Mengen einer nichtpolaren organischen Substanz losen; die freie Solubilisierungsenergie ist dabei in einer homologen Serie von Tensiden proportional zur KWKettenlange [22,23].
Abb. 1.42. Solubilisierungeiner unpolaren Verbindung im Innern einer Mizelle.
1.8.2 Basisstrukturen Bei praktischen kolloidchemischen Formulierungsarbeiten treten nicht selten unerwartete Ergebnisse auf, die nicht mit den Vorstellungen ubereinstimmen. Abgesehen von ungeeigneten Tensiden, die beispielsweise ungenugende Emulsionsstabilitat ergeben, ist dies oft mit der Bildung von speziellen Strukturen verbunden. In den Abschnitten 1.8.2-1.8.6 werden deshalb solche speziellen Formen erlautert, jedoch nur als Hinweis, dass bei Formulierungsarbeiten, insbesondere bei Ansatzen mit hoher Tensidkonzentration, gelegentlich auch komplexere Strukturen als Emulsionen oder Festkorperdispersionen in Erscheinung treten konnen. Welche geometrische Form von Assoziatsstrukturen Tenside bevorzugt ausbilden, hangt wesentlich von sterischen Faktoren ab. Als orientierendes Klassifizierungsmaa
52
I Kolloide, Phasen, Grenzflachen
kann dcr von Israelachvili eingefuhrte kritische Packungsparameter (R-Wert) dienen, der das Verhaltnis des Volumens der Kohlenwasserstoffkctte vH zur Flache der polaren Gruppc ao, multipliziert mit der Kettenlangc I', darstellt [24]. f(-
VH
(1.39)
a0 ' 1
Tabelle 1.15 zeigt den Zusammenhang zwischen R-Wert und Assoziatsstruktur.
Tabelle 1.15. Assoziatsstrukturen. R-Wert 0 - 113 113 - 1/2 112 - 1
Assoziatsstruktur Kugeln Zylinder Vesikeln. Lamellen
Fur technische Zubereitungen sind der erste und dritte Bereich von besonderer Bedeutung. Die monomolekularen Hiillen der Emulsionsstrijpfchen bei O N - und WIOEmulsionen (1. Bereich) stabilisieren dabei gegen Koaleszenz durch ihre mechanischen Eigenschaften. Bei der Koaleszenz wird Hullmaterial wieder in Mizellen ruckgewandelt. Bei Vesikeln beruht die stabilisierende Wirkung der Hiillen auf zwei Mechanismen, a) Erhohung der freien Energie bei OberflachenvergroRerung durch Deformation, b) Widerstand gegen Umwandlung in Lamellen.
1.8.3 Phasengleichgewichte Nicht nur sterische Faktoren, sondern auch die Zusammensetzung der T e n s i d h u n g definieren die sich bildenden Strukturen. Je nach Zusatzen treten Tenside in Losung zu unterschicdlichen Uberstrukturen zusammen (z.B. kubischlhexagonal). Die Ordnungszustande der entsprechenden Losungen werden als Phasen bezeichnet. Mehrkomponentenmischungen amphiphiler Molekule in Losung konnen sehr komplexe Phasengleichgewichte aufweisen. Je nach Phase resultieren die unterschiedlichsten applikatorischen Eigenschaften und es ist keineswegs trivial, was geschieht, wenn ein solches System erwarmt, gekuhlt oder verdunnt wird und dabei allenfalls einc Phasenanderung erleidet [25, 261. Die verschiedenen moglichen Assoziatsstrukturen, wie Mizellen, Doppelschichten, Zylinder, konnen eine Vielzahl von Phasen ausbilden. Neben isotropen mizellaren Phasen kommen lamellare smektische, hexagonale oder kubische Phasen vor. Die Zugabe einer nichtmischbaren Flussigkeit verandert das Phasenverhalten. Es konnen die applikatorisch wichtigen thermodynamisch stabilen Mikroemulsionen und die nur kinetisch stabilen Makroemulsionen oder komplexere Systeme, wie Vesikeln oder spezielle Membransysteme, entstehen. Solche Mesophasen sind Strukturen, die nicht wie kristalline Korper dreidimensionale Gitterstruktur aufweisen, sondern gcringere Ordnung in ein, zwei oder drei Transla-
I .8 Assoziationskolloide
53
tionsfreiheitsgraden aufweisen. Sie haben aber eine gewisse ,,long range"-Orientierung des Festkorpers bewahrt. Deshalb besitzen sie physikalische Eigenschaften, die einerseits fur Flussigkeiten, andererseits fiir kristalline Festkorper typisch sind. So sind Flussigkristalle im Allgemeinen fliissig-viskos, zeigen aber in ihren elektrischen und elektromagnetischen Eigenschaften, wie elektrische Leitfahigkeit, dielektrische Permittivitiit, magnetische Suszeptibilitat, anisotropes Verhalten. Fliissigkristalline Strukturen unterteilt man in zwei Hauptgruppen, die thermotropen und lyotropen Phasen. Thermotrope flussige Kristalle sind Einkomponentensysteme, die beim Schmelzen der kristallinen Festkorper eine oder mehrere flussig-kristalline Phasen durchlaufen, bevor sie oberhalb des Klarpunktes T, in eine normale Flussigkeit mit isotroper Molekiilverteilung ubergehen. In nematischen Phasen rotieren die Molekule frei um ihre Langsachse und nehmen im Mittel eine bevorzugte Richtung ein. Smektische Phasen zeigen eine hohere Ordnung. Hier sind zusatzlich zur Langenausrichtung, bei freier Rotation um die Langsachse, im Mittel die Schwerpunkte der Molekule in Schichten angeordnet.
Abb. 1.43 a. Lamellare Phase.
Abb. 1.43 b. Hexagonale Phase.
Im Zusammenhang mit Tensiden sind die lyotropen jliissig-kristallinen Systeme von Interesse. Sie bestehen aus mindestens zwei Komponenten, einer amphiphilen Substanz und einem Losemittel. Im Gegensatz zu thermotropen Systemen konnen hier bei gewissen Zusammensetzungen zwei Phasen koexistieren, 2.B. eine tensidarme, isotrope Phase, neben einer flussigkristallinen, tensidreichen Phase (Im Reagensglasversuch wurde man also zwei Fliissigkeitsschichten erkennen). Bei Systemen mit mehr als zwei Komponenten sind auch mehrere koexistierende Phasen moglich. Als wichtigste flussigkristalline Phasen werden die lamellare Phase und die hexagonale Phase angesehen. In der lamellaren Phase sind die Tensidmolekiile in Doppelschichten angeordnet (Abb. 1.43 a). Die Kohlenwasserstoffketten und das Wasser zwischen den polaren Gruppen befinden sich in einem ungeordneten, flussigkeitsahnlichen Zustand. Die hexagonale Phase besteht aus parallelen zylindrischen Mizellen in einer hexagonalen Anordnung (Abb. 1.43 b). Die Molekule konnen auch umgekehrt angeordnet sein, d.h. die polaren Gruppen ins Innere der Zylinder gerichtet, die KW-Ketten nach auBen. Eine solche Phase wird als invertierte Phase bezeichnet; die invertierten zylindrischen Mizellen konnen bis zu 40 % Wasser aufnehmen. Daneben existieren noch kubische Phasen, die sich beispielsweise in MonoglyceridNassersystemen bei KW-Langen > 14 bilden konnen und sehr viskos sind. Auch wenn laterale zwischenmolekulare Krafte wirken, besitzen die Molekiile in den Mesophasen noch eine grolje Beweglichkeit um ihre Langsachse.
54
I Kolloide, Phasen, Grenzflachen
Weiter existieren fliissige isotrope Phasen von ungeordnet verbundenen Doppelschichten, genannt ,,Sponge"-Phasen (Abb. 1.44) [27, 281; (Ubersicht iiber Phasen: 129-321 und koharente Beschreibung des Phasenverhaltens [33]). Nach neuerer Auffassung konnen diese Systeme eher als Phasen fluktuierender Oberflachen, denn als Phasen von Partikeln angesehen werden. So ist auch die Existenz von konzentrierten Mikroemulsionen auf die rasche thermische Fluktuation von Tensidfilmen zuriickzufiihren; (Zusammenfassungen uber Mikroemulsionen [ 33-40]).
Abb. 1.44. Schernatische Darstellung einer Sponge-Phase.
Wie ganzlich unterschiedliche Strukturen bei der Variation der Konzentrationen der Komponenten sich ausbilden konnen - auch mit einfachen Tensiden - zeigt das folgende Beispiel. In der Abbildung 1.45 ist das Phasendiagramm des ternaren Systems Wasser/Pentanol/Natriumdodecylsulfat dargestellt. Aul3er dem zweiphasigen Bereich LL' cxistieren vier Monophasen: die isotrope Phase L und die drei Mesophasen La (lamellar), Ha (hexagonal), R (kubisch). Wird diesem System 0 1 zugesetzt, so treten weitere Phasen auf: auRer diversen Multiphasenbereichen eine olreiche Sponge-Phase und Mikroemulsionsbereiche; (Abb. 1.46). SDS
Wasser
Pentanol
Abb. 1.45. Phasendiagramrn bei 25 "C des temaren Systems Wasser - Pentanol
- SDS (Natriurndodecylsulfat). L: isotrope Phase; H,: hexagonale Phase; R: kubische Phase; La: lamellare Phase; Mist ein azeotropiihnlicher Punkt; P, ist ein kritischer Punkt; aus [ 261 S. 184.
1.8 Assoziationskolloide Pentanol
WIS = 1.55
55
Pentanol
Dodecan
WIS = 5.25
Dodecan
Abb. 1.46. Zugabe von Dodecan: Phasendiagramme bei 21 "C des Systems Wasser-DodecanPentanol-SDS. WasserRensid-Verhaltnis 1.55 resp. 5.25 . Die schraffierten Flachen entsprechen Multiphasenregionen. L und L2 sind Mikroemulsionen; H , ist eine hexagonale Phase, La eine lamellare Phase und L3-oentspricht einer olreichen Sponge-Phase;aus [26] S. 194.
1.8.4 Lamellare La-Phasen Der Schichtabstand bei lamellaren Phasen ist nicht konstant, sondern kann durch Zugabe eines Losemittels kontinuierlich verandert werden, von molekularen Dimensionen bis zu 100 nm. Dies kann durch Wasser-, 01- oder Salzzugabe erfolgen. Wie auch bei Makroemulsionen liegt starke elektrostatische AbstoBung vor bei den durch Wasserzugabe aufgeweiteten Lamellenstrukturen. Dass lamellare Phasen auch bei Zugabe von vie1 0 1 stabil sind und nicht koaleszieren, wird der Flexibilitat der Doppelschichten zugeschrieben. In starker Verdiinnung fiihren sie wellenartige Schwingungen aus. Dies fiihrt zu einem abstoljenden Entropieeffekt, der Undutaiions-Wechsefwirkung, bei sich annahernden Lamellen. AuRerdem kann die Stabilitat der schwingenden Lamellen durch Zugabe eines geeigneten Co-Surfactants stark verbessert werden, ahnlich wie bei den Tensidhiillen von Makroemulsionen.
1.8.5 Sponge-Phasen und bikontinuierliche Mikroemulsionen Sponge-Phasen, wie auch bikontinuierliche, konzentrierte Mikroemulsionen, sind Beispiele von ungeordnet verbundenen, fluktuierenden Membranen. Dominierenden Einfluss spielt die thermische Fluktuation. Sponge-Phasen werden aus lamellaren Systemen durch Zugabe von Alkoholen erhalten. Die lamellaren Doppelschichten werden dabei iibergefiihrt in eine kontinuierliche Oberflache, welche das Volumen in zwei gleich grolje Bereiche unterteilt. Dies ist aus thermodynamischen Grunden deshalb so, weil in beiden Bereichen die gleich zusammengesetzte Fliissigkeit vorhanden ist, beispielsweise eine Ol/Alkohol-Mischung bei einem
56
1 Kolloide, Phasen, Grenzflachen
L3-"-Sponge. Die (in diesem Falle invertierte) Doppelschicht ist durch Wasser angeschwollen. Bei einem L3-w-Sponge ist Wasser die Fliissigkeit, und das 0 1 ist in der Tensid-Doppelschicht vorhanden. Bei bikontinuierlichen Mikroemulsionen sind die beiden Bereiche unterschiedlich groB; ein Bereich enthalt Wasser, der andere Bereich 0 1 .
1.8.6 Kugelformige lamellare Systeme Statt bikontinuierliche Phasen werden unilamellare und multilamellare kugelfiirmige resp. ellipsoidc Gebilde - Vesikeln - erzeugt, wenn die Elastizitatskonstanten k und k der Doppelschicht fur mittlere Krummung und Gauss-Kriimmung derart sind, daB die Energie zur Bildung einer Kugelhiille klein ist [41]. Besonders in der modernen Pharmazeutik und Kosmetik sind Vesikeln oder Liposomen von groBer Bedeutung. Sie ermoglichen den Einbau von organischen WirksubstanZen in diese kleinen Kompartimente (bei unilamellaren Vesikeln Durchmesser 0.010.1 pm,bei multilamellaren Liposomen einige pm), und konnen dadurch in biologische Systeme eingeschleust werden. Bei Zugabe von C5-Clo-Alkoholen (Pentanol bis Decanol) zum System Natriumdodecylsulfat/wassrige Salzlosung gehen die mizellaren Phasen in Vesikel-Phasen, und bei weiterer Alkoholzugabe in lamellare Phasen und Sponge-Phasen iiber. Man erhalt also bei Zugabe von Alkohol die Sequenz L4 + La + L3-w. Mit wenig Tensid entstehen verdunnte, polydisperse Vesikel-Dispersionen. Die Vesikeln sind unilamellar und variieren in der GroBe zwischen 150 A (Hexanol) und 1250 A (Decanol). Bei hoherer Tensid-Konzentration entstehen kleinere, mehrfach-lamellare Vesikeln, mit his zu vier Schichten. Diese Phasen sind hochviskos und stark viskoel asti sch. In allen bis jetzt untersuchten Systemen ist das Tensid/Alkohol-Verhaltniskritisch, (Gauss'sche Elastizitatskonstante; siehe auch Gauss'sche Kriimwas bedeutet, dass i? mung, Gleichung 3.6) entsprechend eingestellt werden muss, um stabile Vesikel-Phasen zu erhalten. Diesem stabilisierenden Elastizitatsbeitrag wirken entropische Beitrage zur freien Energie entgegen. Multilamellare Vesikeln konnen in lamellaren La-Phasen entstehen. Kleinere multilamellare Vesikeln, mit Durchmessern von 0.2-0.5 pm, konnen jedoch auch in der L4Phase eines Zweiphasensystcms L,/L4 vorhanden sein. Im iibrigen findet hier wegen der hohen Viskositat der L4-Phase keine Phasenentmischung statt. Abbildung 1.47 zeigt schematisch den Zusammenhang iiber die Bildung all dieser speziellen ,,Membran-Phasen" als Funktion von Tensidkonzentration $J und Gauss'scher Elastizitatskonstante K . Detaillierte Angaben iiber flussig-kristalline Phasen, speziell auch im Zusammenhang mit biologischen Membranen sind in [25,42,431 zu finden. Zu erwahnen ist in diesem Zusammenhang, dass die technisch relevanten Vesikelformulierengen nicht thermodynamisch stabil, sondern kinetisch metastabil sind und beispielsweise aus lamellaren Phasen durch Energiezufuhr gewonnen werden konnen.
1.8Assoziationskolloide
57
Q
t
>o
i
Abb. 1.47. Schematisches Phasendiagramm des Systems Natriumdodecylsulfatlwassrige Salzlosung/Alkohol als Funktion von Tensidkonzentration 9 und Gauss'scher Elastizitatskonstante K . La:lamellare Phase; L3: Sponge-Phase;L4: Vesikel-Phase; (gemaB [44]).
Literatur zu Kapitel 1 : 111
131 [41
D. J. Shaw, Introduction to Colloid and Surface Chemistry, Butterworths, London, 1980. C. M. Hansen, A. Beerbower, Solubility Parameters, in Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology, Supp. Vol., 2"d ed., 1971, p. 889. A. F. M. Barton, CRC Handbook of Solubility Parameters and Other Cohesion Parameters, CRC Press, Bocca Raton, FL, 1983. D. H. Everett, Basic Principles of Colloid Science, Royal SOC.of Chemistry, London, 1988. E. Matijevic, Chem. Technol. 1973, p. 656. R. Menold, Chem.-1ng.-Techn. 58,533 (1986). R. Polke, Farbe + Lack 90 (6), 457 (1984). M. Glor, Dechema-Kurs Formulierungstechnik 1987. H. C. Hamaker, Physica 4 , 1058 (1937). A. Martin, J. Swarbrik, A. Camerata, Physikalische Pharmazie, Wiss. Verl. Ges., Stuttgart, 1980. M. J. Rosen, J. Am. Oil Chem. Assoc. 49, 295 (1972). M. J. Rosen, Chemtech 15,292 (1985). McCutcheon's Detergents and Emulsifiers Annual, Allured, Ridgewood N.Y. L. Carino, H. Mollet, Ber. VI. Int. Kongr. grenzflachenakt. Stoffe, Zurich, 1972, S. 563. D. G. Cooper, American Oil Chemists Society Monogr. 11, 281 (1984).
58
I Kolloide, Phasen, Crenzjluchen
U.S.-Pat. Nr. 4 395 353. W. D. Harkins, The Physical Chemistry of Surface Films, Reinhold Publ., New York, 19.52. H. W. Fox, W. A. Zisman, J. Colloid Sci. 7,428 (1952). W. C. Preston, J. Phys. Colloid Chem. 52, 84 (1948). H. Andrec, P. k i n g s , Chem. Ztg. 99, 168 (1975). K. A. Dill ct al., Nature, 309, 42 (1984). K. S. Birdi, T. Magonisson, Colloid Polym. Sci. 254, 1059 (1976). K. Shinoda, Principles of Solution and Solubility, Marcel Dekker, Inc., Basel, New York, 1978. 1241 J. N. Israelachvili, J. Michell, B. W. Ninharn, J. Chcm. Soc. Faraday Trans. I1 76, 1525 (1976). 12.51 P. Ekwall, in Advances in Liquid Crystals, Vol. 1 , (D. H. Brown, Ed.), Academic Press, New York, 1975. A.-M. Bcllocq, in Surfactant Sci. Ser., Vol. 61: Emulsions and Emulsion Stability, (J. Sjoblom, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1996. G. Porte, J. Marignan, P. Bassereau, R. May, J. Phys. (Paris) 49, 5 I 1 ( 1 988). D. Gazcau, A. M. Bellocq, D. Roux, T. Zcmb, Europhys. Lett. 9 , 4 4 7 (1989). A. M. Belocq, D. Roux, in Microemulsions: Structure and Dynamics, (S. E. Fribcrg, P. Bothorel, Eds.), CRC Press, Boca Raton, FL, 1987. M. Kahlwcit, R. Strey, G. Busse, J. Phys. Chem. 94, 388 I ( 1 990). A. M. Bcllocq, D. Roux, in Progress in Microemulsions, (S. Martcllucci, A. N. Chester, Eds.), Plenum Press, New York, 1985. H. Kunieda, K. Nakarnura, A. Uemoto, J. Colloid Intcrface Sci. 150, 235 (1992). W. M. Gclbart, A. Ben-Shaul, D. Roux (Eds.), Micelles, Membranes, Microemulsions and Monolayers, Springer Verlag, New York, 1994. A. M. Bellocq, J. Biais, P. Bothorel, B. Clin, G. Fourchc, P. Lalanne, B. Lemaire, B. Lemanceau, D. Roux, Adv. Colloid Interface Sci. 20, 167 (1984). L. M. Princc (Ed.), Microemulsions. Theory and Practice, Academic Press, New York, 1976. I. D. Robb (Ed.), Microemulsions, Plenum Press, New York, 1982. K. L. Mittal (Ed.), Micellization, Solubilization and Microemulsions, Plenum Press, New York, 1977. S. Fribcrg, P. Bothorel (Eds.), Microemulsions: Structurc and Dynamics, CRC Press, Boca Raton, FL, 1987. H. L. Rosano, M. Claussc (Eds.), Microcmulsion Systems, Marcel Dckkcr, Inc., New York, 1987. M. Corti, V. Degiorgio (Eds.), Physics of Amphiphiles: Micelles, Vesicles and Microemulsions, North Holland, Amsterdam, 1987. (41 I B. D. Simons, M. E. Cates, J. Phys I1 (Paris) 2, 1439 (1992). 1421 V. Luzzati, in Biological Membranes, (D. Chapman, Ed.), Academic Press, New York, 1968. K. Fontcll, Prog. Chem. Fats Lipids 16, 14.5 (1978). D. Roux, S. Candaux, Images de la recherche: les systkmes molkculaircs , cd. CNRS, 1994, p. 29.
2 Emulsionen
-
Eigenschaften und Herstellung
2.1 Allgemeines Eine Emulsion ist eine thermodynamisch instabile Verteilung von zwei ineinander ,,unloslichen" Fliissigkeiten, z.3. Wasser und 01. Dabei liegt eine der Komponenten als mehr oder weniger feine Verteilung von kugelformigen Tropfchen in der kontinuierlichen zweiten Phase vor. Wenn 0 1 in Wasser dispergiert ist: 01-in-Wasser-Emulsion ( O N ) , umgekehrt eine Wasser-in-01-Emulsion (W/O). Abbildung. 2.1 zeigt die Dimensionen von solchen Fliissig-Fliissig-Dispersionen.
20
Grobe Makroernulsion
=E 0.5
Feine Makroemulsion
.-0
E
u
i 0.21
Mizellare Losung
10~J-10
'0
Abb. 2.1. Dimensionen der dispersen Phase von Flussig/Fliissig-Dispersionen.
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
60
Die freie Energie solcher Systeme ist gegeniiber makroskopisch ausgedehnten Phasen um die Grenzflachenenergie erhoht. ZusammenstoBe zwischen den Tropfchen reiner Emulsionen fiihren daher zur Koaleszenz (ZusammenflieBen) und schlieRlich zur Abscheidung in separate Phasen, d.h. in energietiefere Zustande. Solche technische Emulsionen sind nur kurzzeitig haltbar. Als Koaleszenz der Emulsionstropfchen bezeichnet man die irreversible Vereinigung von zwei Tropfchen. Abbildung 2.2 stellt schematisch die einzelnen Phasen der Koaleszenz von zwei Oltropfchen in Wasser dar. Der individuelle Charakter der Tropfchen verschwindet durch das ZusammenflieRen der Oltropfchen. Eine Koaleszenz kann auch im Sediment bzw. in der Aufrahmung stattfinden. lsolierte Tropfchen
TropfchenBeginn der Annaherung Koaleszenz unter Bildung der Grenzschicht
Nach Zusammenfliessen
-
00- 00- c3 -0 -
2renzschicht
1
4
3
Abb. 2.2. Koaleszenz von ungeniigend stabilisierten Tropfchen.
Die Stabilitat einer Emulsion gegen Koaleszenz ist praktisch von groBerer Bedeutung als die Sedimentation, da die Tropfchen sehr lange aggregiert sein konnen, ohne zu koaleszieren. Die Aggregate sind durch eine stabile Barriere in Form einer diinnen Zwischenschicht der CuBeren Phase zwischen den einzelnen Tropfchen stabilisiert. Erst nach Zerstorung dieser Schicht kommt es zur Koaleszenz. Die Ursache der Koaleszenz liegt im Streben nach minimaler Oberflache bei groBtem Volumen. Der durch Koaleszenz gebildete Tropfen hat eine kleinere Oberllache als die zwei Einzeltropfen. Beispiel:
1 em3 ( IN6 m') Mineral61 wird in Wasser in Tropfchen vom Durchmesser d = 0.01 l m ( I 0.' m) dispergiert. Dadurch wird die Grenzflache zwischen 01 und Wasser von 6 cm2 auf 600 in' vergroaert, hei einer Tropfenzahl n von 1.9-10'* Tropfchenlcm' 0 1 (n berechnet gemaR Gleichung 2.1). Dic Grenzflachenspannung yo, betragt 57 mN/m.
Volumen Oberflache
O=n.d'.n
Grenzflachenenergie W = yo,w . AA
6V d
6. m3 = 600m' (2.2) 10-'m N = 57. lo-' -. 600 m 2 = 34.2 J = 8 cal m
=-
=
(2.3)
Der mit der Bildung von 600 m2 Oberflache verbundene Energiezuwachs von 8 cal reicht Bus, um das System instahil zu machen. Die Tropfchen flieBen zusammen.
2. I Allgemeines
61
Luft Wasser
0 0 O
0 00
Aggregation
Koaleszenz,
000 O O
@
Abb. 2.3. Schematische Darstellung der Vorgange in einer instabilen ON-Emulsion.
In einer instabilen Om-Emulsion kiinnen die in Abb. 2.3 angegebenen Vorgange ablaufen. Dabei bedeutet erst die Koaleszenz eine Zerstorung der Emulsion, die irreversibel ist (Brechen der Emulsion): Emulsionstropfchen konnen durch Diffusion oder Konvektion aggregieren, wenn die abstoBenden Krafte zu gering sind. Multiplets werden gebildet, deren Tropfen durch diinne fliissige Filme gegeneinander abgegrenzt sind. Jeweilige Tropfenformen im Verbund hangen ab von den Grenzflachenspannungen. Die Folgeprozesse, hinsichtlich Stabilitat, Koaleszenz, Inversion, haben mit den Eigenschaften der Grenzfilme zu tun. Zusatzlich zu Grenzschichteigenschaften sind Dichteunterschiede von Bedeutung; sie fiihren zu Aufrahmen oder Sedimentation; IUPAC-Definition einer Emulsion: [ 11.
0
Flockulierung
28
Abb. 2.4. Der Kontaktwinkel von flockulierten Tropfen hangt von der Verminderung der freien Energie im Aggregationsprozessab (nach [2]).
62
2 Emulsionen - Eigenschuften und Herstellung
Um hestundige technische Emulsionen herzustellen, henotigt man Pine dritte Komponente, sogenannte Emulgatoren. Der Emulgator muss sich an der Grenztlache anreichern und cine Schutzschicht in Form von zahen, elastischen Filmen hilden, die durch Kollisionen der Tr8pfchen nicht abgeschert werden. Um diese Eigenschaften optimal zu verknupfen, verwendet man in der Praxis hau$g Mischungen von Emulgatoren. Bei Zugabe von nur 2 % einer Sefe zur Emulsion von Mineralol in Wasser wird die Grenzflachenspannung von 57 uuf 2 mN/m erniedrigt, die Grenzflachenenergie im angegebenen Beispiel von 8 cal auf 0.3 cal. Die Bildung der Emulsion erfolgt also ohne groJen Energieaujivand, und die gcbildete Emulsion ist vor Koales~enzgcschutzt. Die Emulsion ist immer noch thermodynamisch instabil, jedoch durch den Emulgator kinetisch stabilisicrt. Die Emulgatoren sind entscheidend dafiir, oh eine O N - oder W/O-Emulsion entsteht. Niedermolekulare, hydrophile Emulgatoren induzieren eine O/W-Emulsion, lipophile Emulgatoren bevorzugen W/O-Emulsionen. Auch mit wasserloslichen makromolekularen Emulgatoren bildet sich cine Om-Emulsion. Diese sogenannte Regel von Bancroft kann auch so ausgedruckt werden: Diejenige Phase, in welcher der Ernulgator besser loslich ist, ist die auJere Phase. Da der Grenzflachenfilm zwei Oberflachenspannungen hat, gilt auch: der Film biegt sich auf die Seite der hoheren 7 Die disperse Phase liegt also auf der Seite der hoheren 7 Der Emulsionstyp lasst sich ferner durch die ,,Oriented Wedge Theory" (Keil-Theorie) begrundcn; Abb. 2.5. Derjenige Teil des Tensidmolekuls mil dem griiMeren Querschnitt ist gegen das Dispersionsmedium gerichtet. Dadurch kann die griiBte GrenzflC chendichte des Emulgators erreicht werden. Monovalente Seifen bilden ON-Eniulsionen, polyvalente Seifen W/O-Emulsionen. Diese Theorie gilt jedoch nicht fur monovalente Silbersalzc, die W/O-Emulsionen geben.
O N -Emu1sion Emulgator: Seife eines einwertigen Metalls Krummung der Grenzschicht gegen das 01.
+
Abb. 2.5. ,,Oriented Wedge Theory"; analog [3]
WIO-Emulsion Emulgator: Seife eines zweiwertigen Metalls Krummung der Grenzschicht gegen das Wasser.
+
2. I Allgemeines
63
2.1.1 Phasenvolumen und Emulsionstyp Kugeln von gleichem Radius konnen bei einer Raumerfiillung von 74 % eine dichteste Kugelpackung bilden, die restlichen 26 % sind leerer Raum resp. ist die aul3ere Phase; Abb. 2.6. Nach der Theorie von W. Ostwald wird bei einem Phasenverhaltnis 4 > 0.74 eine Emulsion zu dicht gepackt. Es tritt entweder Phaseninversion oder Brechen der Emulsion ein. Fur ein gegebenes System sind zwischen den Phasenvolumenanteilen 0.26 und 0.74 O W - und W/O-Emulsionen moglich; darunter und daruber kann mit homogenen Kugeln nur eine Art der Emulsion existieren. Wenn die Kugeln weniger homogen sind, kann eine hohere Packungsdichte als I4 % erreicht werden, da die kleineren Kugeln zwischen den groBen Platz finden (Abb. 2.7). Bei deformierbaren Tropfchen sind noch dichtere Packungen moglich. Abbildung 2.8 stellt eine dicht gepackte Emulsion von vielflachigen Tropfchen dar, analog einem Polyederschaum.
Abb. 2.6. Dichte Kugelpackung; Raumerfiillung 74 %; analog [3].
Abb. 2.7. Bei heterogener PartikelgroBeverteilung sind hohere Packungsdichten als 74 9% moglich; analog [3].
64
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
Abb. 2.8. Polyederschaum mit Lamellen; analog [3].
2.1.2 Viskositat von Emulsionen Wenn die innere Phase einer Emulsion weniger als 30 % ihres Volumens einnimmt, storen sich die individuellen Tropfchen gegcnseitig nur wenig. Der Viskositatsvcrlauf als Funktion dcr Konzentration kann dann naherungsweise durch die Einstein-Formel beschrieben werden:
($ = Volumenverhaltnis innere/hBere Phase;
v,,
= Viskositat dcr auBeren Phase)
Um unter solchen Bedingungen eine Emulsion hoher Viskositat herzustellen, muss gemalJ Gleichung (2.4) die auBere Phase (wassrige Phase im Falle einer ON-Emulsion; ein mil Wasser nichtmischbares Losemittel im Falle einer W/O-Emulsion) bcreits eine hohe Viskositat aufweisen. Durch Verdickungsmittel, die in der auBeren Phase loslich sind, kann die Viskositat entsprechend angepasst werden. Speziell im Fallc von kosmetischen Emulsionen wird dicscm Aspekt Rechnung getragen. Bci mchr als 30 % der inneren Phasc qj kornmt es zur gegenseitigen Bccintlussung der Triipfchen, und die Viskositat steigt an his zu einem &-Wert (innere Phase) von 5052 %I. Bei hoherem qj-Wcrt steigt die Viskositat stark an, verbunden mit nicht-Newtonschcm Verhalten. Bei & F 68 % sind die Emulsionen ohne Zugabe cines speziellen Emulgators meist instahil und erreichen den fnversionspunkt. Bei noch heherem Volumenverhaltnis der inneren Phase reorganisieren sich die Kugeln entweder in cine noch dichtere Packung (Bienenwaben) oder flachen ah. Die maximale Raumerfullung wird bei & = 74 %J erreicht. Bei qj > 74 % wird die Emulsion polydispers. Wenn dazu Wasser gegeben wird, folgt die Viskositats-Konzentrationskurve nicht dem alten Verlauf, sondern bildet eine Hysteresis-Kuwe (Abb. 2.9).
... 2.1 Allgemeines
0
0.1
65
0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 Phasenvolumen t)l
Abb. 2.9. Hysterese der Viskositat beim Verdiinnen einer konzentrierten Emulsion [ 31.
2.1.3 Emulgatoren
Korrelationen zwischen der chemischen Struktur von oberflachenaktiven Stoffen und ihrer Emulgierwirkung sind kompliziert, da 01- und Wasserphase von variabler Zusammensetzung sind. Da sowohl die Zusammensetzung der zwei Phasen als auch die Konzentration des Dispergators zu berucksichtigen sind, ist es nicht moglich, spezifische Tenside afs generelie Emuigatoren einzustufen. Trotzdem gibt es einige allgemeine Leitlinien, die bei der Selektion von ,,Surfactants" als Emulgatoren hilfreich sein konnen. Damit ein Tensid als Emulgator wirkt, muss es folgende Eigenschaften haben:
1. Eine gute Oberflachenaktivitat aufweisen und eine niedrige Oberflachenspannung erzeugen. Falls dies nicht zutrifft, kann man den Emulgator mit einem entsprechenden Tensid kombinieren. Es muss die Tendenz haben, in die Oberflache zu migrieren, anstatt in der Bulkphase gelost zu bleiben. Es muss also eine Balance von hydrophilen und hydrophoben Gruppen haben. Eine zu grofle Loslichkeit in einer der zwei Phasen beeintrachtigt die Wirksamkeit. 2. In der Grenzflache einen Film bilden, entweder alleine oder mit anderen dort vorhandenen adsorbierten Molekiilen, und zwar einen kondensierten Film. Das heifit, dass fur O/W-Emulsionen die hydrophoben Gruppen im Grenzfachenfilm starke laterale (benachbarte) Wechselwirkungen haben sollten; f i r W/O-Emulsionen solften die hydrophilen Gruppen starke W. W. ausbilden. 3. Es muss zur Grenzflache so schnell migrieren, dass die Grenzflachenspannung wahrend der Zeit der Herstellung der Emulsion geniigend erniedrigt wird.
66
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
4. Emulgatorcn, die besser Blliislich sind, geben W/O-Emulsionen; niedermolekulare, hydrophile Emulgatoren, wie Seifen, induzieren ON-Emulsionen, wie auch wasserlosliche, rnakromolekulare Emulgatoren. 5. Eine Mischung eines bevorzugt olloslichen Tensids mit einem wasserloslichen ergibt stabilere Emulsionen als ein einzelnes Tensid. 6. Je polarer die Olphase, desto hydrophiler sollte der Emulgator sein, je unpolarer das zu emulgierende 01, desto lipophiler der Emulgator. Das adsorbierte Emulgatormolekul ist also zu der Phasengrenze so orientiert, dass sein hydrophober Teil im dl und sein hydrophiler Teil ins Wasser eintaucht. Die Erniedrigung der Grenzflachenspannung ist m a r fur die Zerteilung der Tropfchen verantwortlich bis zur spontan eintretenden Emulgierung bei sehr kleiner Grenzflachenspannung, ist aber fur die Stabilitat der Emulsion nicht von entscheidender Bedeutung. Es wurde gefunden, dass die wirksamen Emulgatoren einen niederen Platzbedarf in der Grenzschicht beniitigen. Die adsorbierte Menge des Emulgators lasst sich rnit der Gibbs'schen Gleichung ermitteln:
(c: Konzentration des Tensids im Innern der Flussigkeit [molll]; E uberschussige Menge Tensid pro Flacheneinheit in der Grenzflache im Vergleich zur Menge im Innern der Flussigkeit [ rnol/cm2]). Kennt man die uberschussige Konzentration an Tensid in der Grenzflache, lasst sich daraus die von jedem Molekul in der Grenzschicht eingenommene Flache berechnen.
Beispiel:
r=4.0.10 l o mol/cm2 = 24.09. Anzahl Molekule/cm2 = FNL = 4.0. I0 l o . 6.023. Fllche pro Molekul = l/(FNL) = 41.10~'"ern2 = 41 A (NL:Loschmidtsche Zahl).
2.1.3.1 Wirkungsmechanismus eines Emulgators
Die Bildung cincr Emulsion mit chcmischen Mittcln (Emulgatoren) vcrliiuft folgendermaRen: Der Emulgator muss zunachst an dcr Grenzflache dcr zu emulgierenden Phasen in so ausreichender Menge zur Verfugung stehen, dass durch eine schnelle Adsorption die Grenztlachenspannung so stark erniedrigt wird, dass ein Tropfchenzerfall ausgel6st wird. Die dadurch entstehenden Strornungen und Turbulenzen bewirken weitere Teilungen, die durch eine Sprcitung der Emulgatormolekule in der Grenzflache noch verstarkt werden. Die Spreitung selbst tragt zu einer schnellen Belegung der Grenzflache bei. Auch muss die Nachlieferung dcr Emulgator-Molekule zur Grenzflachc gesichert sein, d.h. die Diffusionsgeschwindigkeit aus der Losung zur Grenzflachc hin muss genugend groB sein.
2. I Allgemeines
67
Wenn die dem System zugefuhrte Energie nicht mehr ausreicht, die bereits gebildete Tropfenoberflache nochmals zu vergroBern, kommt die Teilung zum Stillstand. Die Adsorptionsschichten um die 01- bzw. Wassertropfen sollen die Koaleszenz zwischen den Tropfchen verhindern. Zwischen den angenaherten Tropfchen bildet sich eine dunne Grenzschicht (Abb. 2.2), in der sich die auBere Phase, d.h. das Dispersionsmittel, befindet. Diese Grenzschicht wird in ihren physikalischen Eigenschaften durch die Art des adsorbierten Emulgators bestimmt. Die Ernulgatormolekule diffundieren aus der kontinuierlichen Phase laufend in diese Zwischenschicht und setzen die Grenzflachenspannung herab. Durch Diffusion erfolgt die Zufuhr neuer Emulgatormolekule aus der kontinuierlichen Phase auBerhalb der Grenzschicht, was einen relativ langen Diffusionsweg bedeutet. Als Folge nimmt die Oberflachenspannung im Bereich der Zwischenschicht langsamer ab als an der ubrigen Grenzflache des Emulsionstropfens. Es kommt zu einer mechanischen Bewegung der Adsorptionsschicht Iangs der Grenzflache OlNasser in das Gebiet der Zwischenschicht hinein. Dabei wird eine diinne Schicht der angrenzenden Fliissigkeit mit in die Grenzschicht transportiert. Dadurch wird eine Abnahme der Dicke der Schicht, und damit der Koaleszenz verhindert. Dieser Vorgang wird Marangoni-Eflekt genannt, welcher auch in anderen Bereichen, 2.B. der Stabilitat von Schaumen eine wichtige Rolle spielt (siehe Kapitel4). Fur stabile Emulsionen wurde eine ziemlich rasche Dickenabnahme der Zwischenschicht bis zu einem Grenzwert von etwa 50 A bis 200 A beobachtet. Dass eine so diinne Flussigkeitsschicht sich einer weiteren Dickenabnahme widersetzt, zeigt, dass diese Schicht einen Uberschussdruck besitzt, der als ,,Spaltdruck" bezeichnet wird und die Teilchen vor Koaleszenz schutzt.
2.1.3.2 Ubersicht iiber gebrauchliche Emulgatoren Die nachstehend angegebene Liste zeigt, dass gebrauchliche Emulgatoren zu unterschiedlichsten chemischen Klassen gehoren. Einen guten Uberblick uber die vor allem im angelsachsischen Bereich erhaltlictien Markenprodukte gibt der jahrlich erscheinende ,,McCutcheon's Detergents and Emulsifiers" Internat. Edition [4]. Emulgatoren A. Niedermolekulare Emulgaforen mit vonviegend hydrophikn Eigenschaften. Bevorzugter
ON-Emulgator- Typ. I . Anionaktive Substanzen Seifen (Na-, K-, NH4-,Morpholinium-Salzevon Fettsauren), Na-Laurylsulfat,Na-Cetylsulfat,
Na-Mersolat, Na-2-Ethylhexylsulfat,Na-Xylolsulfonat,Na-Naphthalinsulfonat, Na-Sulfosuccinat, R-COOC2H4S03Na,R-CONHC2H4S03Na, (R = C17H33), Oleyllysalbinsaures Na, OleylprotalbinsauresNa, Tiirkischrotol, natiirliche sulfonierte Ole, Na-Salz von Sulfobernsteinsaure-dialkylester,gallensaure Salze, Harzseifen. 2. Kationaktive Substanzen
Laurylpyridiniurnchlorid,Lauryltrimethylarnmoniurnchlorid, Lauryl-colarnin-formyl-rnethyl-pyridiniumchlorid.
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
68
3.Nichtionische Substanzen Polyoxyethylen-Fettalkoholethcr,Polyoxyethylen-Fettsaureester. B. Niedermolekulare Emulgatoren mit vonviegend lipophikn Eigenschaften. Bevorzugter W/O-Emulgatortyp Mg-Stearat, Mg-Oleat, Al-Stearat, Ca-Oleat, Ca-Stearat, Li-Stearat, Di-, Tri- usw. Ester von Fettsauren mi1 mehrwertigen Alkoholen, Cholesterin, Lanolin, oxidierte Fette und Ole.
C. Niedermolekulare Emulgatoren mit weniger ausgepragter Tendenz Fettsaureester von mehrwertigen Alkoholen und Polyoxyethylen, PolyoxypropylenFettalkoholether, Polyoxypropylen-Fettsaureester,Lecithin, Monoester von Fettsauren und mehrwertigen Alkoholen, Triethylcetylammonium-cetylsulfat,Laurylpyridinium-laurat, Chlornitroparafiine. D. Hochmolekulare Emulgatoren Albumin, Casein, Gelatine, Eiweifiabbauprodukte (Leim), Gummi arabicum, Tragant, Carraghen, Saponin, Celluloseether und Celluloseester, Polyvinylalkohol, Polyvinylacetat, Polyvinyl pyrrolidon.
In der folgenden Tabelle 2.1 sind weiterc bekannte Emulgatoren angegeben (Vcrgl. such 14-61),
Tabelle 2.1. Beispiele von Emulgatoren.
Nicht-ionischer Emulgator
u lipophil
hydrophil
C12H25+(-=-&S0p2Ca++
Anionischer Emulgator
0 hydrophiI
lipophil
Kationischer Emulgator n,m=1-40 lipophil
hydrophil
CH, R- C- NH-CH,-CH
II 0
I 0"
CH,
\-
lipophil
Amphoterer Emulgator Izwitterionisch)
-N -CH,-C00'
21
hydrophil
I
R = Alkyl C, - C,,
2. I Allgemeines
69
Hier sei noch auf AMP = 2-Amino-2-methyl- 1-propano1 verwiesen, das von zahlreichen Autoren als das wirksamste Emulgator-Kation (in protonierter Form) bezeichnet wird.
2.1.3.3 Auswahlsysteme fur Emulgatoren Am besten ausgearbeitet 1st das System von Griffin, unter Verwendung des HLB-Konzepts. Dabei wird jedem Emulgator eine dimensionslose Zahl zwischen 0 und 20 zugeordnet: Zahlen zwischen 0 und 9: ollosliche hydrophobe Emulgatoren Zahlen zwischen 11 und 20: wasserlosliche hydrophile Emulgatoren Beispiele sind in der folgenden Tabelle 2.2 angegeben.
Tabelle 2.2. HLB-Werte von Emulgatoren. Name Span 85 Tegin 0 Span 80 Brij 72 Catinex KB-10 Triton X-35 * Atlox 4861 B * Eumulgin RT20 * Tween 85 * Igepal CA-630 * Atlox 485 1B * Synperonic OPl 1 * Synperonic NP 15 * Renex 720
*
Myrj 59 Ethomeen TI25
Chemische Bezeichnung Sorbitantrioleat Glycerin-mono/dioleat Sorbitan-mono-oleat ethoxylierter Stearylalkohol (2 Mol ") ethoxyliertes Nonylphenol ethoxyliertes Octylphenol Alkylarylsulfonat ethoxyliertes techn. Rizinusol ethoxyliertes Sorbitantrioleat ethoxyliertes Nonylphenol (9 Mol ") Mischung nichtionisch und anionisch ethoxyliertes Octylphenol (1 1 Mol ") ethoxyliertes Nonylphenol (15 Mol ") ethoxylierter Cl3-CIS-Alkohol Na-Oleat Polyethoxyethanol (100)-stearat ethoxylierte Talgamine Na-Laurylsulfat (rein)
* Emulgatoren fur ON-Emulsionen; N nichtionisch A anionisch C kationisch ") Anzahl Mol Ethylenoxid pro Mol Tensid
Typ N N N N N N A N N N N/A N N N A N C A
HLB 1.8 3.3 4.3 4.9 6.6 7.8 8.6 9.6 11 12.8 13.2 14 15 16.2 IS 18.8 19.3 40
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
70
Bei 10 liegt das hydrophile-hydrophobc Gleichgewicht. Der Emulgator 1st so orienticrt, dass sein hydrophober KW-Rest in die Olphase eintaucht, wahrcnd sich die hydrophilcn Gruppen im Wasser befinden. Wird das HLB-Konzept auf ionische Tensidc angewandt, konncn wegen dcr zusatzlichen DissoziationscSSckte auch HLB-Werte > 20 vorkommen, z.B. fur Natriunidodecylsulfat der Wert 40.
Das HLB-System ._
~~
~
HLB = Hydrophilic-Lipophilic Balance
In dcm von Griffin [7] eingeiiihrten System wird jedem Tensid aufgrund seines hydrophilen Anteils irn Molekul cin HLB-Wert (von 1-20) zugeordnct. Das HLB-System wurde von GriM'in vorerst nur fur nichtionogene Stoffc wie Fettsaurccster, Polyglykolcthcr von mchrwcrtigen Alkoholen, Fettsiiuren, Fettalkoholen usw. ausgearbeitct und spiitcr auch fur andere Tenside erweitert (Tabelle 2.3).
Tabelle 2.3. Tenside und HLB-Wert. lipophil
1
hydrophil
HLB-Wert 0 - 3 3 - 8 7 - 9 8 -18 I I - 1s 15 - 18
Anwendung Entschaumer W/O Emulsionen Netzmittel O N Emulsionen Waschmittel Solubilisierung
H L B- Wert-Bestimmung: -
Bcrechnung aus der theoretischen Zusammensetmng (bei nichtionischen Ethylcnoxid-Adduktcn):
HLB - Wert =
-
Molgcwicht des hydrophilen Antcils M . 2 0 =".20 M Molgcwicht des Eniulgators
(2.6)
Berechnung aus der Verscifungszahl S dcs Esters und dcr Saurezahl A der zuriickgewonnenen Siiure (bei Fettsaureestern):
2.1 Allgemeines
71
- mittels NMR (bei nichtionischen Ethoxylaten) - kalorimetrisch (Mischungsenthalpien) - mittels Testsubstanzen (Ole) von bekanntem HLB-Wert
GemaB Gleichung (2.6) gibt der HLB-Wert also an, welcher auf das Molgewicht bezogene Teil in die wassrige Phase eintaucht. Die HLB-Werte einer Emulgatormischung HL&i setzen sich additiv aus den Komponenten zusammen:
HLB,, = HLB, . g , + HLB, . g ,
+ ......
g,, g2, ... sind die Massenanteile der Komponenten. Fur Fettsaureester kann der HLB-Wert aus der Verseifungszahl des Esters ( V Z ) und der Saurezahl der Fettsaure berechnet werden; Gleichung (2.7). Fur ethoxylierte Fettsaureester und andere chemische Typen existieren weitere Formeln. Nach der Gleichung (2.6) liegen die HLB-Werte fur ionische Emulgatoren zu niedrig, d.h. der Emulgator ist hydrophiler als es der Idealverteilung entspricht. Daher wird die Gleichung durch ein Zusatzglied C (Tabelle 2.4) korrigiert, gemaf3 Gleichung (2.9). Bei positivem C ist der effektive HLB-Wert grol3er als es der Idealvorstellung entspricht. Dies bedeutet, dass die Tensidmolekel tiefer in die wassrige Phase als nach Annahme eintaucht. Die hydrophilen Molekulteile ziehen also ihre hydrophoben Nachbarteile etwas in die wassrige Phase hinein. 1st C negativ, wird der HLB-Wert kleiner, die Tensidmolekel ist hydrophober. Sie taucht weniger tief in die wassrige Phase als im Idealzustand. Die hydrophoben Teile ziehen die hydrophilen Nachbarn etwas in die Olphase.
Korrektur der HLB-Werte fur ionische Emulgatoren und Polyglykolether:
HLB = 2 0 . 5 + C M
(2.9)
Tabelle 2.4. Korrekturfaktoren C nach Griffin [ 7 ] .
Emulgatoren aliphatische Polyglykolether aromatische Polyglykolether mit einer Alkylgruppe aromatische Polyglykolether mit zwei Alkylgruppen .. Ethanolaminsalze der n-Dodecylbenzolsulfonsaure Natriumsalze von n-Alkylsulfonaten Natriumsalze von n-Alkvlsulfaten ~
C -1.2 -1.9 -4.4 +2. I +5.5
+6.0
72
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
Da im Allgemeincn HLB-Werte vor allem fur nichtionogene Emulgatoren und nur wenige fur anionaktive Typen tabelliert sind, wurde fur die Verwendung von anionischen TensidedEmulgatoren dieser Aspekt etwas naher entwickelt. Fur solche Falle lasst sich der HLB-Wert nach einer lnkrementmethode abschatzen (Tabelle 2.5). Fur nichtionische Emulgatoren stimmen die so berechneten HLB-Werte im Allgemeinen mit den Werten nach Griffin uberein. Fur ionische Tenside erhalt man dagegen Werte, die weit uber 20 liegen, also uber denjenigen von Griffin. lnkrementmethode zur Berechnung von HLB- Werten: HLB = 7
+
C H
+
ZL
(2.10)
Tabelle 2.5. HLB-Inkremente fur hydrophile und hydrophobe Gruppen. Hydrophile Gruppen Gruppe NaS04KOOCNaOOCHOOCHO- (lrci) -0-OH (Sorbitan-Ring) N (tertiares Amin) Ester ( h i )
Beispicle: O l s h r c C17H33COOH Na-Olcat Sorbitol-rnonoolcat Na-Laurylsulfat Propylcngl ykol-monolaurat
H-Wert 38.7 21.1 19.1 2.1 1.9 1.3 0.5 9.4 2.4
Lipophile Gruppen Gruppe -CH< -CHZ-CHT-CFZ-CFT Ben~olring -(CH2CHCH?O)-
L-Wert 0.47 0.47 0.47 0.87 0.87 1.66 0.1 1
7 + 2 . 1 (17.0.47) = 1 . 1 7 + 19.1 - (17 ‘0.47) = 18.1 7 + ( 5 . 1.9) - (17 .0.47) = 8.5 7 + 39 - (12’0.47) = 4 0 7 + 1.9 (12’0.47) = 3.3 ~
~
Es cxistieren noch zahlreiche wcitcrc Methoden zur Ermittlung des HLB-Wertes, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Erwahnt sci lcdiglich die Bcstimmung von HLB-Wcrten aus dcm Wert der Phuseninversionstemperutur PIT. Ubcr den PIT-Wcrt sichc spiiter. Zwischcn dcm PIT- und dcin HLB-Wert lassen sich bcslimmtc Beziehungcn au fstc I I en. Dcr Vorteil bei der Anwendung dcs PIT gegenuhcr dem HLB ist der, dass der PITWcrt cine unmittelbar messbare GriiRc darstellt, in dcr alle Bedingungcn, wie Art des
2.2 Formulierung von Emulsionen
73
Ols, Zusammensetzung der wassrigen Phase etc. berucksichtigt sind. Diese Methode eignet sich nur fur nichtionogene Emulgatoren. Das HLB-Konzept ist ein empirisches Prinzip. HLB-Werte sind physikalisch nicht begriindet: - sie erlauben keine Aussagen uber die tatsachliche stabilisierende Wirkung der grenz-
flachenaktiven Verbindungen. - die Struktur und Zusammensetzung der Olphase und die Zusammensetzung des wass-
rigen Mediums werden nicht berucksichtigt (z.B. Elektrolytzusatz). - wenn mehrere polare Gruppen im Molekiil enthalten sind, bleibt ihre Stellung zuei-
nander unberucksichtigt. - Mischungen von grenzflachenaktiven Stoffen konnen nicht additiv betrachtet werden.
Dagegen kann ein physikalisch begrundetes Model1 zur Charakterisierung von Emulgatoren hinsichtlich Emulsionstyp und Stabilitat aus den Wirkungsmechanismen von Adsorptionsschichten abgeleitet werden [ 81. Fur Alkylpolyglykolether konnte von C. M. Donnald [9] eine physikalische Beziehung zwischen HLB-Wert und Loslichkeitsparameter gefunden werden. R. G. Laughlin [ 101 behandelte den HLB-Wert aus thermodynamischer Sicht.
2.2 Formulierung von Emulsionen Die praktische Bedeutung des HLB-Konzeptes besteht darin, dass alle Stoffe, die emulgiert werden sollen, einen individuellen ,,erforderlichen HLB- Wert" haben. Um einen bestimmten Stoff zu emulgieren, muss also ein Emulgator oder eine Mischung von Emulgatoren mit gleichem HLB-Wert verwendet werden, was wie folgt bestimmt werden kann:
2.2.1 Bestimmung des ,,erforderlichen HLB-Wertes" eines Oles Mit einem zusammengehorigen Paar eines lipophilen und eines hydrophilen Emulgators derselben chemischen Klasse, z.B. Span 60 (Sorbitanmonostearat) und Tween 60 (Polyoxyethylen(20)-Sorbitanmonostearat) werden Mischungen hergestellt, deren HLBWerte den Bereich von etwa 5 his 14 abdecken. Der HLB-Wert einer Mischung wird dabei aus der Summe der einzelnen prozentualen Anteile der Komponenten berechnet (Tabelle 2.6). Mit diesen 10 Emulgatormischungen stellt man Testemulsionen her, welche jeweils folgende Zusammensetzung haben: 20% 0 1 4 % Emulgatorgemisch (20 % bezuglich 0 1 ) 76 % Wasser
74
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
In einem graduierten Testzylinder aus Glas legt man das 0 1 vor und lost darin das Emulgatorgemisch. Zu dieser homogenen OlEmulgator-Mischung wird das Wasser xugegeben. Die Emulgierung erfolgt durch Ruhren, Homogcnisieren ctc. Es ist wichtig, dass jede dieser 10 Testemulsionen nach dem gleichen Verfahren und Procedere hcrgestcllt wird. Man vergleicht die Emulsionen nach einer j e nach Emulgierwirkung kurzeren odcr Iangeren Standzeit auf Transparenz, Aufrahmen, Sedimentation, Trubung. Der ganze Vorgang muss bei etwa konstanter Raumtemperatur erfolgen. Falls zwischen den einzelnen Emulsionen kein bemerkenswerter Unterschied fcstzustcllen ist, wiederholt man die Testreihe unter Verwendung einer geringeren Emulgatormenge. Andererscits, wenn alle Emulsionen schlecht sind und man keine groBen Unterschicde feststellen kann, wiederholt man den Test mit einem hoheren Emulgatorgehalt. Wenn man in der Testserie ein Optimum gefunden hat, z.B. bei einem HLB-Wert von 10.3, kann man zur genaueren Bestimniung des HLB-Wertes weitere Versuche mit Emulgatormischungen in cinem engen HLB-Bereich zwischen 9.5 und 1 1 durchfuhren.
Tabelle 2.6. HLB-Werte von Emulgator-Tcstmischungen Emulgatormischung TWEEN 60 SPAN 60 Muster Nr I 2 3 4 5 6 7 8 9 10
I%I
[%I
I 00 87 68 50 45 40 35 30 25 20
13 32 50 55 60 6.5 70 75 80
Bercchneter HLB-Wert 4.7 6.0 8.0 9.8 10.3 10.8 11.3 11.8 12.2 12.9
I n den Tahcllen 2.7 und 2.8 ist einc Anzahl von erforderlichcn HLB-Wcrtcn fur hiiufig emulgiertc Substanzcn zu finden (aus Broschiire ,,Spezialchemikalien" von Atlas, cnthaltend 7 Kapitcl uber das HLB-System; ohne Datum).
Tabelle 2.7. Erlordcrliche HLB-Werte (W/O) fur haufig cmulgierte Substanzen (kI ). Bcnzin Mincralol Petroleum
7 6 6
2.2 Formulierung von Emulsionen
75
Tabelle 2.8. Erforderliche HLB-Werte ( O m ) fur haufig emulgierte Substanzen (fI ) . Acetophenon Alkohol, Cetyl Alkohol, Decyl Alkohol, Hexadecyl Alkohol, Isodecyl Alkohol, Isohexadecyl Alkohol, Lauryl Alkohol, Oleyl Alkohol, Stearyl Alkohol, Tridecyl Arachidyl Propionat Arlamol E Baumwollsamenol Benzoesaureethylester Benzol Benzonitril Bienenwachs Brombenzol Butylstearat Carnaubawachs Ceresin Chlorbenzol Chlorparaffin Cyclohexan Decahydronaphthalin Decylacetat Diethy lanilin Di-iso-octyladipat Di-iso-octyl-phthalat Di-iso-propylbenzol Dimethylsilikon Erdnussol (hydriert) Ethylanilin Fenchon Glycerinmonostearat Isopropylmyristat Isopropyllanolat Isopropylpalmi tat Jojobaol Kiefernadelol (Pine oil) Kokosbutter Lanolin. wasserfrei
14 15-16 15
11- 12 14 11-12 14 13-14 15-16 14 7 7 5-6 13 15 14 9 13 11 15 8 13 12-14 15 15 11 14
9 13 15 9 6-7 13 12 13 11-12 14 11-12 6-7 16 6 9
Lanolin, flussig Laurylamin Maisol Menhaden01 Methylphenylsilikon Methylsilikon Mineralol, naphthenisch (leicht) Mineralol, paraffinbasisch Mineralol (leicht) Mineralol (mittel) " Nerzol Nitrobenzol Nonylphenol N,N-Di-ethyl-toluamid Orthodic hlorbenzol Palmol Petroleum Polyethylenwachs Polyoxypropylen(30)-cetylether Propylen, tetramer Rapsol Rinderfett Rizinusol Saure, Dimer Saure, Isostearin Saure, Laurin Saure, Linol Saure, Ol Saure, Rhizinol Schwerbenzin Silikonol (fluchtig) Soyaol Styrol Tafelparaffin Testbenzin Tetrachlorkohlenstoff Toluol Trichortrifluorethan Tricresylphosphat Vaseline Xylol "
9 12 10
12 11 11
11-12 10 10-1 1
9 5 13 14 7-8 13 10 14 15 10-1 1 14
6 5 14 14 15-16 16 16 17 16 14 7-8 6 15 10
14 16 15
14 17 7-8 14
76
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
Wie schon fruher angedeutet, lasst sich der HLB-Wert einer Mischung von Emulgatoren leicht aus den einzelnen Anteilen berechnen: Bcispicl: HLB-Wert einer Mischung von 70 % TWEEN 80 (HLB = IS) und 30 % SPAN 80 (HLB = 4.3) 4 HLB = 0.7 15 + 0.3 . 4.3 = 11.8. Hier muss auf cin System von nichtionischen Emulgatorcn hingcwiesen werden, bei dem sich die Skala der HLB-Werte von 1.8 bis 16.7 erstreckt. Es handelt sich um das HLB-System von Atlas Chemie, welches aus den lipophilen Sorbitanestern (SPANS) rnit HLB-Werten von 1.8 his 8.6 und deren Polyoxycthylenderivaten, den hydrophilen TWEENS, mit hohen HLB-Werten zwischen 9.6 und 16.7 besteht. SPAN 20 und TWEEN 20 sind zwei Emulgatoren derselben chemischen Klasse, ein hydrophober und cin hydrophiler Laurat-Ester. Die Typen mit der %ah1 40 sind Palmitat-, diejenigen rnit 60 Stearat- und diejenigen mit 80 Oleat-Ester. Zwischen den HLB-Werten einer Mischung von zwei Emulgatoren und dcm erforderlichen HLB-Wert eines 01s besteht folgende Bczichung ( W,: 741Emulgator A; W,: ?hEmulgator B):
HLB,,, =
W, HLB,
+ W,
WA +
HLB,
(2.11)
w,
Urn die Menge eines Emulgators (A) zu bestimmen, den man rnit irgendeinem anderen Emulgator (B) mischen muss, um einen HLB-Wert von Xzu erhalten, kann man folgende Gleichung anwenden: %(A) =
IOO.(X-HLB,)
HLB,
-
wohei % ( B ) = I 0 0 - % ( A )
HLB,
(2.12)
Beispiel: Wicviel SPAN 80 (HLB = 4.3) und wieviel TWEEN 80 (HLB = 15) wcrden benotigt, um cinen HLB-Wcrt von 12 zu erhalten?
100 (1 2 - 4.3) IS - 4.3 '
% TWEEN 80 =
= 72 o/n
5% SPAN80= 100-72 % = 28 %
(2.13) (2.14)
Es ist auch moglich, dass bci den Vorversuchen eine ziemlich gute Emulsion bci cinem HLB-Wert von z.B. 4.7 und eine weitere bei einem HLB-Wert von I2 resulticrt. Die Emulsion mit dein nicdrigen HLB-Wert stellt eine W/O-Emulsion dar (nicht wasscrverdiinnbar), diejenigc mit hohem HLB-Wert eine Om-Emulsion (leicht wasserverdunnbar).
2.2 Formulierung von Emulsionen
77
2.2.2 Einfluss des chemischen Typs des Emulgators auf die Emulsion Ein erforderlicher HLB-Wert l a s t sich mit geeigneten Mischungen von Emulgatoren verschiedener chemischer Typen erhalten. Der ,,richtige" chemische Typ ist ebenso wichtig wie der ,,richtige" HLB-Wert. Hat man festgestellt, dass eine Mischung von SPAN 60 und TWEEN 60 (Stearate) mit einem HLB-Wert 12 eine bessere Emulsion ergibt als irgend ein HLB-Wert einer anderen Mischung dieser zwei Emulgatoren, wird dieser HLB-Wert auch fur jeden anderen chemischen Typ naherungsweise der geeignetste sein. Man muss nun prufen, ob nicht SPANmEEN-Mischungen rnit HLB-Wert 12 von anderen Typen, beispielsweise Laurate, Palmitate oder Oleate besser oder wirksamer sind als die Stearate, oder ob Emulgatoren aus anderen Klassen noch bessere Resultate ergeben. In Abb. 2.10 a) sehen wir einen Emulgator vom Typ eines POE-Sorbitanoleat-Esters mit seinen ungesattigten Oleatresten im 0 1 . Eine ungesattigte Kette dieser Art scheint ungesattigte Ole zu bevorzugen. In Abb. 2.10 b) ist ein ahnlicher Emulgator dargestellt, der jedoch einen Stearatrest anstelle des Oleates aufweist. Eine gesattigte Kette wie diese, oder ein Laurat bzw. Palmitat scheint dagegen gesattigte Ole zu bevorzugen. Obwohl beide Oltypen einen Emulgator rnit HLB-Wert 12 erfordern, ist der Emulgator, dessen chemische Struktur der des Oles naher steht, wesentlich wirksamer.
a)
b)
Oleat
Stearat
gesattigte Ole
ungesattigte Ole
/-vvdvw
6"
Q"
Wasser
POE'
\PO, Abb. 2.10. Auswahl von TWEEN-Typen, entsprechend dem Typ des zu emulgierenden 01s.
In Abb. 2.1 1 wird der Einfluss des chemischen Typs der Emulgatoren auf die Emulsionsstabilitat dargestellt. Dabei werden drei Mischungen von Emulgatoren mit jeweils unterschiedlichen chemischen Strukturen verwendet. Alle Emulgatorenmischungen haben einen HLB-Wert von 12, gemaR dem erforderlichen HLB-Wert des zu emulgieren-
I8
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
den 0 1 s und werden in gleicher Konzentration eingesetzt. Man erkennt, dass alle drei Mischungen ,,A", ,,B", ,,C", die aus Emulgatoren unerschiedlicher chemischer Struktur bcstehen, eine gute Emulsionsstabilitat im HLB-Bereich von 12 ergeben. Mischung ,,A" ist jedoch weitaus die beste. Es ist jedoch moglich, bei Erhohung der Anwendungskonzcntration von ,,B" und ,,C" gleich gute Ergebnisse zu erhalten. Bei der Wahl des Emulgatorsystems sind wirtschaftliche und applikatorische Aspekte oft ausschlaggebend. Mischung ,,B" mag Mischung ,,A" vorzuziehen sein, wenn sie billiger ist, oder wenn eine mittelmaBige Emulsionsstabilitat in einem weiten HLB-Bereich vorteilhafter ist als eine ausgezeichnete Stabilitat in einem sehr engen Bereich. Man stellt vielleicht fest, dass besonders Oleate eine gute Geschmeidigkeit ergeben, Stearate sich dagegen besonders zur Einstellung der Konsistenz cignen. Im gleichen System ergeben die Laurate vielleicht eine ausgezeichnete Emulsionsstabilitat bei schr nicdriger Emulgatorkonzentration, erlauben also eine preisgunstige Formulierung.
Chemische Klasse
HLB-Wert der Emulgatoren Abb. 2.1 1. Stabilisierungsvermogen unterschiedlicher Emulgatorklassen als Funktion des HLBWertes der Emulgatoren.
2.3 Stabilisierung durch feste Partikel Schr fein verteilte Feststoffteilchen, die kleiner als die Eniulsionstropfchen sind und von der Wasser- bzw. Olphase gut benetzt werden, konnen eine Stabilisierung der Emulsion bewirken. Sie reichern sich an der Phasengrenze Wasser/Ol in Form einer festen Schicht an, die das ZusammenflieBen der inneren Phase verhindert (Abb. 2.12).
2.3 Stabilisierung durch feste Partikel
79
;chiicht
-______________-____------Abb. 2.12. Anlagerung von Feststoffteilchen an der ON-Grenzflache.
Wenn der Feststoff durch eine der zwei Phasen bevorzugt benetzt wird, kann er sich an der Grenzflache anlagern, wenn diese konvex gegen die Phase gekriimmt ist. Bentonite, welche bevorzugt durch Wasser benetzt werden, geben also ON-Emulsionen, im Gegensatz zu GasruB, der bevorzugt durch 0 1 benetzt wird und W/O-Emulsionen ergibt (Abb. 2.13).
--_ Wasser
0 0 -
Abb. 2.13. Emulsionsstabilisierung durch Adsorption von a) hydrophilen und b) hydrophoben Fests tofftei Ichen.
Durch die feinen Partikel in der Grenzflache wird eine Koaleszenz der Tropfen, und irn Fall von abstoBenden Kraften zwischen den Feststoffteilchen auch eine Aggregation der Tropfen verhindert. Festteilchen rnit dem Randwinkel 90" bilden die stabilsten Emulsionen (Abb. 2.14).
80
2 Emulsionen - Eigenschuften und Herstellung
Abb. 2.14. Adsorbierte Feststoffteilchen mit Randwinkel 90" ergeben stabilste Emulsionen.
Die Feststoffteilchen werden in Wirklichkeit uberwiegend von der BuBeren Phase benetzt. Dies fuhrt zur Bildung der minimalen GroBe der Grenzflache zwischen den 7wei Phasen und dadurch zu weiterer Stabilisierung der Emulsionstropfchen. Wenn zur Stabilisierung einer Emulsion nur anorganische Feststoffe und keine eigentlichen Emulgatoren eingesetzt werden, muss die zur Tropfenbildung erforderliche Energic durch intensives Mischen, z.B. mit einem hochtourigen Riihrwerk, in das System eingebracht, und der Feststoff langsam zugesetzt werden. Die Zugabe kann auch zusammen mit der inneren und auReren Phase erfolgen. BenzoUWasser-Emulsionen werden durch CaC03 stabilisiert, Toluol/Wasser durch Pyrit, Wasser/Benzol durch Holzkohlepulver. Die Anreicherung des Feststoffes in der Phasengrenze Ol/Wasser stellt einen Grenzflachen-,,Film" von hoher Stabilitat und Festigkeit dar, der die Stabilitat der Emulsion verstarkt. Tatsachlich wird eine mit Tensid stabilisierte Emulsion stabler, wenn die Grenzflacheneigenschaften der dispersen Tropfchen sich denjenigen eines Festkorpers annahern. Es ist auch moglich, dass durch die Pulverteilchen in der Grenzflache sich hohe Zetapotentiale aufbauen, die selbst einen stabilisierenden Effekt zur Folge haben.
2.4 Phanomenologie der Emulsionen Der Emulsionstyp O/W oder W/O kann durch verschiedene Methoden und Beobachtungen identifiziert werden:
2.5 Stabilitat von Emulsionen
81
1. ON-Emulsionen haben cremige Struktur, W/O-Emulsionen sind olig-schmierig (die Viskositat einer ON-Emulsion weicht oft nur geringfugig von einer echten wassrigen Losung ab; die W/O-Emulsionen zeigen dagegen sehr oft eine salben- oder butterformige Konsistenz, die meist durch fliissigkristalline Gelstrukturen verursacht ist); 2. eine Emulsion vermischt sich sofort mit einer Flussigkeit, die mit ihrem Dispersmedium mischbar ist; 3. eine Emulsion ist mit Farbstoffen anfarbbar, die im Dispersionsmedium loslich sind. Fur ON-Emulsionen, z.B. Methylenblau, fur W/O-Emulsionen Sudanblau; 4. ON-Emulsionen haben im Allgemeinen eine wesentliche elektrische Leitfahigkeit.
2.5 Stabilitat von Emulsionen Da Emulsionen thermodynamisch instabil sin4 bezieht sich der BegrifS ,,Stabilitat" auf die Lebensdauer der Emulsion. Irn Zusammenhang mit der Stabilitat sind drei wichtige Begriffe zu nennen (siehe Abb. 2.3): I . Aufrahmen und Sedimentation. Diese Erscheinungen erfolgen aufgrund von Dichteunterschieden. Das Aufsteigen oder Absetzen der dispergierten Tropfchen ist nicht unbedingt mit einer Aggregation verbunden und wird im Allgemeinen nicht als Instabilitat bezeichnet. Die Tropfchen lassen sich wieder redispergieren. 2. Flockung der Emulsion. Die Flockung oder Koagulation der dispergierten Teilchen ist eine Form der Instabilitat von Emulsionen. Solange jedoch der individuelle Charakter der Triipfchen erhalten bleibt, ist die Emulsion nicht ,,zerstort", sie Iasst sich wieder redispergieren. 3. Brechen der Emulsion, Koaleszenz. Erst das Zusammenflieljen der Tropfchen fuhrt zum Brechen der Emulsion, zur Phasenseparation und damit zur Zerstorung des emulgierten Systems. Daher wird allein die Geschwindigkeit der Koaleszenz der Tropfen als quantitatives Malj fur die Stabilitat einer Emulsion gewahlt.
2.6 GeschwindigkeitsbestimmendeFaktoren der Koaleszenz Die kinetische Instabilitat resp. das Brechen von Emulsionen hangt von verschiedenen Faktoren ab:
GeschwindigkeitsbestimmendeFaktoren der Koaleszenz 1. Natur des Grenzflachenfilms 2. Elektrische und sterische Barrieren 3. Viskositat des Dispersionsmittels 4. Volumenverhaltnis der dispersen Phase und des Dispersionsmittels 5 . TropfengroOeverteilung 6. Temperatur
82
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
2.6.1 Natur des Grenzschichtfilms Fur dic Stabilitiit der Emulsion ist die mechunzsche Beanspruchburkeit der Grenzschich@lme wichtig. Die adsorbierten Tenside sollten durch starke laterale intermolekulare Krajie ,,kondensiert" sein, verbunden mit einer groJen Filmelastizitat. Dazu ist eine Kombination von wasser- und olloslichen Tensiden geeignet. Das ollosliche Tensid mit langen, geraden KW-Ketten und schwachpolaren Kopfgruppen reduziert durch seinen Einbau in den Film die elektrostatische AbstoBung zwischen den wasserloslichcn Tensidmolekulen und verdichtet den Film durch die Dispersionswechselwirkungen. Eine dichte Packung wird am besten durch einen komplexen Film gehildet:
Gemischte Grenzschicht-Filme und strukturelle Effekte. I . Hochgereinigte Emulgatoren crgeben nicht dicht gcpackte und somit nicht mechanisch stabile Grcnzschichtfilme. Gutc Emulgatoren bestchen daher gewohnlich aus ciner Mischung von zwei oder mehr Tensiden. Eine ubliche Kombination besteht aus eincm wasserliislichen und einem olloslichen Emulgator. Der olloslichc Typ, gewohnlich mit ciner langen, geraden KW-Kette und einer nur schwach polaren Kopfgruppe, verstarkt die latcralen Wechselwirkungen zwischen den oberflachenaktiven Molekulcn im Grcnzflachenfilm und verdichtet ihn zu einem mechanisch starkeren Film. Beispiel: Die Kombination von Laurylalkohol und Na-Laurylsulfat ergibt einen dichtgepackten monomolekularen Film und cine verbesserte Stabilitat im Vergleich zu einer Emulsion mit nur cinem Emulgator. Die elektrostatische AbstoBung zwischen den ionischen Kopfgruppen wird rcduziert und die hydrophoben KW-Ketten konnen sich einandcr niihern. Die stabilstcn OW-Emulsionen werden erhalten, wenn bcidc Komponenten des Emulgatorgemisches dieselbe Kettenliinge haben und in gleicher molarer Konzentration vorliegen. In Tabelle 2.9 sind weitere Beispiele von Emulgatorkombinationcn zusammengestellt. 2. Mit Makromolekulen geschutzte Emulsionen sind gegen Elektrolyt unempjindlich. Verschiedene Polymere spreiten auf der W a s s e r h f t - und der WasserlOl-Grenzflache unter Bildung vvn koharenten, jedoch meist viskosen Filmen und ergeben gute Emulsionsstabilitat. Solche Polymere haben eine flache molekulare Konfiguration. Erwahnt seien: Polyester, Polyvinylacetat, Polyvinylbenzoat, Polymethylmcthacrylat. Abbildung 2. I5 gibt Beispiele eines dichten Films (a), eines Films mit loser (b), cines Films mit ungenugender Packung (c), mit entsprechend unterschicdlichen Stabilitaten der Emulsionen. Tabelle 2.9, Weitere Beispiele fur Emulgatorkombinationen.
Na-Cetylsulfat / Cctylalkohol Na-Cetylsulfat / Oleylalkohol Na-Cctylsulfat / Cholesterin Cholesterin allcin Sorbitolester (Span) / POE-Sorbitolestcr (Tween)
Talliil-Fettsaurcn / Alkylarylsulfonatc (Petrolsulfonat)
gut schlecht gut schlecht spontane Bildung von O N Emulsionen mit mechanisch stabilen Grenzflachenfilmen do.
2.6 Geschwindigkeitsbestimmende Faktoren der Koaleszenz
83
-
Natriumcetylsulfat
o-- Cholesterin
a+-
Natriumcetylsulfat Oleylalkohol
o-- Cetylalkohol
a--
Natriumoleat
Abb. 2.15. Schematische Darstellung der Adsorption von Emulgatorgemischen an der O N Grenzflache [l I].
Eine haufig verwendete Emulgatormischung besteht aus olloslichen Sorbitolestern (SPAN) und wasserloslichen POE-Sorbitolestern (TWEEN). In Abb. 2.16 ist ein moglicher Aufbau des stabilisierenden Grenzschichtfilms aus diesen Molekiilen dargestellt. Wegen der grof3eren Wechselwirkungen des POE-Sorbitols mit der Wasserphase ragt dessen hydrophile Gruppe weiter in das Wasser als der nicht oxyethylenierte Ester, was es den hydrophoben Gruppen der zwei Verbindungen ermoglicht, sich im Grenzschichtfilm mehr zu nahern und miteinander zu ,,wechselwirken", als wenn nur jedes Tensid alleine anwesend ware.
84
2 Emulsionen - Eigenschupen und Herstellung
Abb. 2.16. lnteraktion von Span 80 und Tween 40 an der Grenzflache OVWasser [ 121.
Besonders wichtig ist ein dichter, sperriger Film bei WDEmulsionen. Da die Wassertropfchen im Allgemeinen elektrisch neutral sind (oder schwach negativ geladen), existiert keine elektrische Barriere, die der Koaleszenz entgegenwirkt. Die Stabilitat der Emulsion muss allein durch die mechanische Schutzschicht gewahrleistet sein. Die Dicke des Grenzflachenfilms betragt bei den meisten Emulsionen etwa 0.01 prn.
2.6.2 Elektrostatische und sterische Barrieren In ON-Emulsionen ist der geladene, hydrophile Tensidteil dem Wasser zugewandt und die elektrische Ladung der Tropfchen wirkt als Barriere gegen die Koaleszenz. Das Ladungsvorzeichen des Tropfchens entspricht bei ionischen Tensiden demjenigen des Tensids. In Emulsionen, die mit nichtionischen Tensiden stabilisiert sind, wird die disperse Phase entweder durch Adsorption von Ionen aus der wassrigen Phase aufgeladen, oder durch Bewegung (Reibung) der Tropfen im Dispersionsmediuin wcrden elektrische Doppelschichten getrennt. Dabei ist die Phase mit der hoheren Dielektrizitatskonstante positiv geladen. Bei den hochmolekularen Emulgatoren erfolgt die Stabilisierung vorwiegend durch sterische AbstoBung.
2.6 Geschwindigkeitsbestimmende Faktoren der Koaleszenz
85
2.6.3 Viskositat des Dispersionsmediums Dieser Aspekt wurde z.T. bereits unter Abschnitt 2.1.2 behandelt. Die Abhangigkeit der Emulsionsstabilitat von der Viskositat der kontinuierlichen Phase hangt mit der Beeinflussung der Diffusion der Tropfen zusammen. Eine kleine Diffusionskonstante reduziert die Zahl der ZusammenstoRe, die Koaleszenzgeschwindigkeit wird geringer. Konzentrierte Emulsionen sind daher oft stabiler als verdunnte, da die Viskositat der kontinuierlichen Phase mit der Zahl der Tropfen zunimmt und damit die Diffusion abnimmt. In der Praxis erhoht man die Viskositat und damit die Stabilitat der Emulsion durch Zugabe von ,,Verdickungsmitteln". Ubliche Verdickungsmittel sind: Cellulosederivate, Gelatine, Caseine, Starke, Dextrine, Johannisbrotkernmehl, PVA, PVP, Xanthangummi (Kelzan), Carbopole (Acrylsaurepolymere), Traganth, mikrokristalline Cellulose, Alginate. Bei bestimmter Zusammensetzung von Wasser, 0 1 und Tensid kijnnen sich fliissigkristalline Strukturen ausbilden, die das System stabilisieren.
2.6.4 Volumenverhaltnis der dispersen Phase und des Dispersionsmittels Die VergroBerung des Volumens der dispersen Phase im Verhaltnis zum Volumen der kontinuierlichen Phase fiihrt zur VergroBerung des Grenzschichtfilms und damit zur Erniedrigung der Stabilitat. Wenn das Volumen der dispergierten Phase dasjenige der kontinuierlichen Phase iibersteigt, wird der Emulsionstyp instabil gegeniiber der invertierten Emulsion. Die Tensidschicht, die die disperse Phase umhiillt, ware jetzt groBer als diejenige, die notig ware, um die kontinuierliche Phase zu umhiillen; daher wird diese instabil gegeniiber derjenigen mit der kleineren Emulgatorschicht (Abnahme der freien Oberflachenenergie). Konnen mit dem verwendeten Emulgator beide Emulsionstypen gebildet werden, kann eine Phaseninversion erfolgen.
-
Durchmesser Cm]
Abb. 2.1 7. GroBenverteilung einer stabilisierten Emulsion nach verschiedenen Zeiten (in Tagen); aus [13].
86
2 Emulsionen - Eigenschufien und Herstellung
2.6.5 Grolienverteilung der Tropfen Griikrc Tropfen sind thermodynamisch stabiler als kleinerc, da ihr Vcrhaltnis von Grenzflache (Oberflache) zu Volumen kleiner ist. Infolgedessen wachsen die grolJen Tropfen auf Kosten der kleineren, bis die Emulsion bricht. Eine Emulsion ist also umso stabiler. j e enger die Grojlenverteilung der Tropfen ist. In Abb. 2.17 ist der zeitliche Verlauf der GrbBenverteilung der Tropfchen einer Emulsion dargestellt.
2.6.6 Temperatur Die Koaleszenzgeschwindigkeit einer Emulsion ist stark temperaturuhhungig. Eine Temperaturanderung bringt eine Anderung der Grenzflachenspannung zwischen den Phasen. Fur die meisten Flussigkeiten nimmt ymit steigender Temperatur linear ab, z.B. nach der empirischen Formel von Ramsay und Shields resp. von Eotvos. Ferner andern sich die Viskositat des Grenzschiehtfilms und der homogenen Phasen, die Loslichkeit des Emulgators in beiden Phasen und die thermische Bewegung der Teilchen.
2.7 Inversion von Emulsionen Die Phaseninversion bietct eine Miiglichkeit zur Umwandlung einer O N - in eine W/OEmulsion oder umgekehrt. Der Emulsionstyp hangt z.B. von der Reihenfolge der Zugaben der Phasen, der Art des Tensides, dem Phasenverhaltnis, der Temperatur und der Zugabe von Elektrolyt oder anderen Additiven ah. Gibt man Wasser zu einer apolaren Tensidlosung, entstehen im Allgemeinen W/OEmulsionen, wiihrend die Zugabe von 0 1 zu einer wassrigen Tcnsidlosung ON-Emulsionen ergibt. Eine Anderung des Emulsionstyps mit dcr Tempcratur ist bedingt durch die Anderung der Hydrophobizitat der Tenside mit der Temperatur. Mit nichtionischen Tensiden tritt mit steigender Tempcratur Umwandlung vom O N - T y p in den W/O-Typ ein, mit ionischen findet beim Abkuhlen einer Losung eher eine Umwandlung vom W/O- in den O N - T y p statt. Interessant ist das Verhalten der Grenzjlachenspunnung hei der Phusenumkehr. In einem engen Trmperaturintervall geht yoM1gegen 0, und die Emulsionslropfen sind nicht mehr stabil. Auch durch Zusatz von Elektrolyt kann die Hydrophobizitat des Grenqjlachenfilms geandert und darnit eine Phuseninversion erzeugt werden. Starke Elektrolyte erniedrigen das elektrochemische Potential der Teilchen, und die Wechselwirkungen zwischen Tensidionen und Gegenionen werden verstarkt. ON-Emulsionen kijnnen damit instabiler werden (aussalzen). In Abb. 2.18 ist der Ablauf der Inversion ciner ON-Emulsion crsichtlich, welche init cinein Grenzfliichenfilm von Na-Cetylsulfat und Cholesterin stabilisiert 1st. Durch
2.7 Inversion von Emulsionen
87
Zugabe von starken Elektrolyten, d.h. polyvalenten Kationen werden die negativen Ladungen auf den Tropfchen neutralisiert (in Abb. 2.18 durch Zugabe von Ba2+oder Ca”). Kleine Mengen Wasser werden in den sich verklumpenden Oltropfchen eingeschlossen.
-0
-+
Natriumcetylsulfat Cholesterin
+ I
Koaleuenz der Olbopfen; Bildung von UnregelmBssig geforrnten Wassertropfen
Wasser
Abb. 2.18. Inversion einer mit Natriumcetylsulfat und Cholesterin stabilisierten ON-Emulsion bei Zugabe von mehrwertigen Kationen. Durch Adsorption der Kationen werden die negativen Oberflachenladungen neutralisiert, sodass die Oltropfchen koaleszieren konnen [ 141.
Die Molekiile des Grenzflachenfilms richten sich so aus, dass unregelmaaig geformte Wassertropfchen gebildet werden, welche durch einen starren, ungeladenen Film stabilisiert und im Ol dispergiert sind. Die Koaleszenz der Oltropfchen unter Bildung einer kontinuierlichen Phase vervollstandigt den Inversionsprozess. Das Phanomen der Koaleszenz ist wichtig als Beginn sowohl des Aufrahmens (creaming) als auch der Inversion.
2.7.1 Phaseninversionstemperatur Die Koaleszenzgeschwindigkeit nimmt mit steigender Temperatur zu, und damit nimmt die Stabilitat ab. Sie wird von mehreren Faktoren beeinflusst, wie Charakter und GroBe der hydrophilen und hydrophoben Gruppen des Emulgators, seiner Konzentration, der Lange der hydrophoben Kette usw.
88
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
Wenn die Temperatur erhoht wird, nimmt die Hydratation der hydrophilen Gruppen in einem Tensid ah, und das Tensid wird weniger hydrophil. Sein HLB-Wert muss ahnehmen. Wenn also eine Emulsion bei niedriger Temperatur vom OW-Typ ist, kann sie bei Temperaturerhohung zum W/O-Typ invertieren. Umgekehrt invertiert eine bei hoher Temperatur gebildete W/O-Emulsion bei Erniedrigung der Temperatur zu einem O W Typ. Die Temperatur, bei der diese Inversion passiert, he& Phaseninversionstemperatur PIT. Bei dieser Temperatur sind die hydrophilen und lipophilen Eigenschajien des Ernulgators im Gleichgewicht. Der PIT-Wert lasst sich visuell bestimmen. Da im Bereich der PIT auch ein Minimum f i r die Grenzflachenspannung des Emulgators Iiegt, wird empfohlen, den Emulgiervorgang nahe der PIT durchzufuhren, da sich ohne groJeren Energieaufiand sehr kleine Tropfchen bilden konnen. Wie bereits unter Abschnitt 2.1.3.3 erwahnt, existiert zwischen dem PIT-Wert und dem HLB-Wert eine fast lineare Funktion.
2.7.2 Inversionspunkt einer Emulsion (EIY) Dieser gibt an, wann eine W/O-Emulsion durch Zugabe von Wasser zu einer ON-Emulsion iibergeht. Der EIP-Wert wird als die Menge an Wasser in em3 pro em3 0 1 angegeben, nach deren Zugabe die Phasenumkehr erfolgt. Dies setzt voraus, dass die Emulsion aus Wasser, dl und Emulgator besteht. Der EIP-Wert sinkt mit steigendem HLB-Wert eines Emulgators und erreicht ein Minimum. Der EIP-Wert in dem Minimum entspricht der optimalen Stabilitat einer OW-Emulsion. Die EIP-Methode ist eine schnelle Methode zur Ermittlung der physikalischen Stabilitat von Emulsionen. Bei der Herstellung von stabilsten O/W-Emulsionen geht man o$ vom W/O-Typ aus und invertiert zum O/WTYP.
2.8 Technik des Emulgierens 2.8.1 Verfahren und Apparate Die feine Verteilung einer dispersen fliissigen Phase in einer unloslichen Fliissigkeit kann prinzipiell auf zwei Arten erfolgen: a) durch Kondensation ausgehend von Keimen; b) durch Zerteilungsprozesse von grol3en Tropfen in kleinere. Die Kondensationsmethode beschrankt sich auf einige wenige spezifische Anwendungen (2.B. Einblasen von Dampf in Fliissigkeit mit Dampfkondensation). Die technisch iiblichen Verfahren beruhen auf dem Dispersionsprinzip mit Einsatz von mechanischer Energie. Die disperse Phase wird einem hohen Geschwindigkeitsgra-
2.8 Technik des Emulgierens
89
dienten ausgesetzt, sodass die Tropfen in mehrere Teile zerfallen. Der zerteilenden Tragheitskraft (-v2.d?.p) wirkt die Oberflachenkraft (- y 'dp)entgegen (dp:Partikeldurchmesser; p: Dichte). Das Scherfeld kann entweder durch ein Ruhrorgan (Stator-Rotor-Prinzip) oder in einer durch Druck bewirkten Stromung in einem engen Stromungsquerschnitt erzeugt werden. Dementsprechend unterteilt man die Emulsionsapparate in: a) ,,Kolloid-Muhlen" (Stator-Rotor-Prinzip) fiir breiten Viskositatsbereich; b) ,,Homogenisatoren" (durch Druck bewirktes Stromungsfeld) fur eher niedrige Viskositaten.
Als Emulgiermaschinen werden folgende Gerate verwendet: - Einfache Mischer - Mischturbinen - Kolloidmuhlen - Homogenisatoren - Kugelmuhlen - Ruhrwerkskugelmuhlen - Lochscheibenmuhlen - Hochdruckhomogenisatoren - Ultraschallgerate
m CIP-Reini un
Messen
I
t Entleeren Abb. 2.19. Labor-Emulgierapparat.
90
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung Stator
Rotor
I I I
Ultra Turrax
Kolloidmuhle
Homogenisatorventil
Abb. 2.20. Rcispiele von Emulgierapparatcn.
Fur die Auswahl der Emulgiermaschinen ist neben den produktespezifischen Eigenschaftcn und der Viskositat vor allem die damit erzeugte mittlere PartikclgroUe von Bedeutung. In Abb. 2.19 und 2.20 sind Beispiele einiger Emulgierapparate dargestcllt. In Tabellc 2.10 sind die Eigenschaften von drei Typen von Emulgiermaschinen: Kolloidmuhlc, Kugelmuhle und Homogenisator zusammengestellt.
Tabelle 2.10. Eigenschaften von verschiedenen Emulgiergeraten (aus [ 151). Kolloidmuhle 25ds 501ds Viskositatsbereich (mPa.s) 1 03- 1 o5 1-5000 optimale ViskositCt (mPa-s) 15 000 2000 2-100 1-100 PartikclgroBc (pm) 1-3 optimale PartikelgroRe (pm) 2 4 2-150 2-150 Leistungsbedarf (kW) Vormischung erforderlich ja ja Fur nicdrigsicdende ja ja Likemittel verwendbar
Kugclmuhle Homogenisator
300-8000 600-2400 0.5-1 00 1
ncin ja
1-20 000 1-200 0.5-20 0.1-2 2-220 ja ja
Die Ultraschallgeratc und der Hochdruckhomogenisator werden in Kapitcl 5 behandelt. Da der Zerteilungsvorgang von groRen Tropfcn in klcinere nicht nur durch Anwendung mechanischer Energie erfolgen kann, sondern auch durch Erniedrigung der Grenz-
2.8 Technik des Emulgierens
91
flachenspannung zwischen den zwei Phasen mit Hilfe von Tensiden erleichtert wird, und die feinen Tropfchen mit Emulgatoren vor Koaleszenz geschutzt werden miissen, spiel1 die optimale Formulierung mit Tensiden, Emulgatoren usw. eine mindeslens so wichtige Rolle wie die mechanische Zerkleinerung, Bei sehr kleinen Grenzflachenspannungen mN erhalt man sogar spontan oder selbstemulgierende Systeme (wenn r,,w< 1 -). m
2.8.2 Verfahrenstechnik: Art der Zugabe der Komponenten Einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf und die Durchfuhrung einer Emulgierung und ihrem Resultat hat die Art der Zugabe der Komponenten [16, 171. Von den vier ublichen Standardtechniken 1. 2. 3. 4.
,,Agent-in Wasser" ,,Agent-in-Ol" ,,Nascent Soap-Methode", in situ Seifenbildung ,,Alternierende Zugabe"
ist nur Nr. 1 mit grol3em Energieaufwand verbunden, die anderen benotigen dagegen nur einen kleinen Energieeinsatz. Methode Nr. 1 ist eine forcierte Emulgierung. Zu Methode 4: In der Kosmetik kennt man zwei allgemeine Methoden der Emulsionsherstellung: Die sogenannte ,,englische" und die ,,continentale" Methode. Die erstere entspricht der Methode der alternierenden Zugabe, die ,,Continentalmethode" der ,,agent-in-oil" -Methode. Diese sol1 etwas bessere Emulsionen geben, braucht jedoch hohere Konzentrationen an Emulgator.
Nahere Angaben zu den Standardtechniken: 1 . ,,AGENT-IN-WATER' Der Emulgator wird direkt in Wasser gelost, dann das 0 1 unter starkem Ruhren zugegeben (,,forcierte Emulgierung"). Es entstehen direkt O/W-Emuisionen. Wenn W/O-Emulsionen gewunscht sind, wird weiter 0 1 zugegeben, bis Inversion eintritt. Diese invertierten groben Emulsionen mussen in einer Kolloidmuhle weiter verfeinert werden. 2. ,,AGENT-IN-OIL". Der Emulgator wird in der Olphase gelost. Die Emulsion kann auf zwei Arten gebildet werden: a) Durch Zugabe der Mischung direkt zum Wasser, unter spontaner Bildung einer O/WEmulsion. Im Allgemeinen entstehen gleichmal3ige Tropfchen von ca. 0.5 ym. b) Zugabe von Wasser direkt zur Mischung, langsam in kleinen Portionen (zwecks ,,Anspringen der Emulsion"). Bei Zugabe von mehr Wasser unter langsamem Ruhren entsteht durch Inversion eine OW-Emulsion. 3. ,,NASCENT SOAP'-Methode. In situ Seifenbildung. Nur fur Emulsionen geeignet, die mit Seifen stabilisiert sind. Erlaubt die Herstellung von W/O- und O/W-Emulsionen. Die Fettsaure wird im 0 1 gelost, der alkalische Teil im Wasser. Die Seife bildet sich
92
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
beim Zusammengeben der zwei Phasen in der Grenzflache. Spontane Bildung von stabilcn Emulsionen.
4. ALTERNIERENDE ZUGABE. Wasser und 0 1 werden alternierend in kleinen Portioncn zum Emulgator zugegeben. Speziell fur Nahrungsmittelemulsionen geeignet, z.B. Mayonnaise und andere Emulsionen, die vegetabile Ole enthalten. In Tabelle 2.1 I sind die Resultate der TeilchengroBenverteilung fur vier Emulsionen von je 10 9% Olivenol, 0.5 % Seife, 89.5 % Wasser, hergestellt nach vier verschiedenen Mcthoden, aufgetragen. Im Vergleich dazu ergibt die ,,Agent-in-Oil"-Methode gleichmaBigere Emulsionen mit guter Stabilitat (gleichmaOige TropfchengroRe).
Tabelle 2.1 1. TropfengroBeverteilungen fur verschiedene Zugabearten (aus [ 3 ] ) . TeichengroBebereic h Iuml 0- 1 1-2 2-3 3-4 4-5 5-6 9 - 10
Prozent Teilchen im TeilchengroBebereich Emulsion 1 Emulsion 2 Emulsion 3 Emulsion 4 47.5 71.8 68.5 80.7 41.1 26.4 28.4 17.1 I .4 2.0 2.0 7.4 2.1 0.3 0.5 0.2 0.7 0. I 0. I 0. I 0.3 0.2
Emulsion 1 : ,,Agent-in-Wasser". Dito, jedoch zusatzliche Homogenisierung nach Ruhren. Emulsion 2: ,,In situ"-Seifenbildung rnit einfachem Ruhren. Emulsion 3: Dito, jedoch rnit anschlieBendem Homogenisieren. Emulsion 4: Zusammensetzung der Emulsionen: 10 % Olivenol + 0.5 % Seife + 89.5 % Wasser.
2.8.3 Selbstemulgierende Systeme und spontane Emulgierung Selbstemulgierende Systeme sind konzentrierte Formulierungen, die beim EingieBen in Wasser bci eventuell leichter mechanischer Bcwegung eine Emulsion bilden. Ein ,,Vorlaufer" dazu ist die ,,in situ nascent soap"-Methode. Bekannt sind auch selbstemulgierende Ole, in welchen wasserlosliche Seifen mit Hilfe eines Phenols, Amylalkohols oder Benzylalkohols solubilisiert werden. Anstelle der Seifen konnen auch sulfonierte Fettsauren und sulfonierte aromatische und hydroaromatische KW dienen. Viele sulfonierte Ole sind genugend liislich in den zu emulgierenden Olen, sogar als Natriumsalze, vor allem aber die Triethanolaminsalze von Fettsauren. PEO-Tenside sind besonders geeignet fur die Verwendung in selbstemulgierbaren Olen, da verschiedene Typen sowohl in 0 1 als auch in Wasser loslich sind. Sie konnen auch mit dloslichen Sul-
2.8 Technik des Emulgierens
93
fonaten gemischt werden. Z.B. werden Na-Dodecylbenzolmonosulfonat und Octylphenol, kondensiert mit 1&12 Molen Ethylenoxid, dem zu emulgierenden 0 1 beigemischt. Neuere selbstemulgierende Systeme resp. Formulierungen enthalten Mischungen von Emulgatoren, welche Grenzflachenkomplexe bilden. Beispiel: Mischungen von SorbitanFettsaureestern mit ihren Ethylenoxid-Kondensationsprodukten. Selbstemulgierende Glycerinmonostearate sind z.B . Mischungen von lipophilem Glycerinmonostearat mit einem hydrophilen Emulgator wie z.B. Na-Stearat. Mit einzelnen speziellen Tensiden lassen sich aufierst niedrige x,w-Werte (< 1 mN/m) erreichen. Damit lassen sich spontan Emulsionen rnit extrem feinen Tropfchen erzeugen (< 0.1 pm). Diese Emulsionen besitzen in dieser Zusammensetzung jedoch eine ungenugende Stabilitat.
Beispiele fur solche Tenside:
- Petroleumsulfonate haben eine extrem niedrige Grenzflachenspannung zwischen O N : r,,dydcm. - Aerosol OT, Na-di(2-ethylhexyl)-sulfosuccinat,ergibt eine sehr niedrige
x,,,,.
Mit solchen Tensiden gelangt man in das Gebiet der mizellaren Emulsionen.
Beispiel einer spontanen Emulgierung (nach Bowcott und Schulman): Man startet mit einer groben Emulsion eines ON-Typs, z.B. Benzol in Wasser, stabilisiert mit einer Seife, z.B. Kaliumoleat. Dann gibt man einen langkettigzn Alkohol hinzu, z.B. Hexanol, worauf die TeilchengroBe der Emulsion abnimmt, bis die Emulsion transparent wird, d.h. die TeilchengroBen liegen dann zwischen 100-500 A. Es handelt sich dabei urn geschwollene Micellen. Aus verschiedenen Griinden, die hier nicht erlautert werden konnen, handelt es sich dabei urn Emulsionen und nicht um Mikroemulsionen. Sie sind also thermodynamisch nicht stabil (dagegen sind Mikroemulsionen thermodynamisch stabil). Es sind drei Mechanismen zur Erklarung der spontanen Emulgierung vorgeschlagen worden: a) Grenzjlachenturbulenz Wenn Losungen von Laurinsaure in 0 1 vorsichtig auf eine Losung von NaOH in Wasser gebracht werden, bildet sich in der wassrigen Phase eine Emulsion. Quincke nahm an, dass die spontane Emulgierung durch ortliche Erniedrigung der Grenzflachenspannung, bedingt durch ungleichmaBige Bildung von Seife an verschiedenen Stellen der Grenzflache, hervorgerufen wird. Durch anschlieBendes heftiges Spreiten werden Oltropfen von der Grenzflache weggerissen und darauf durch die Seife stabilisiert. b) Diffusionund ,,stranding" Eine spontane Emulgierung kann alleine durch Diffusion hervorgerufen werden, wenn z.B. eine Losung von Ethanol und Toluol vorsichtig mit Wasser in Kontakt gebracht wird. Wenn der Alkohol aus dem 0 1 ins Wasser diffundiert, reiBt er etwas 0 1 mit sich. Das 0 1 wird aus der Losung ,,ausgeworfen" und ,,strandet" im Wasser in Form kleiner Emulsionstropfchen.
94
2 Emulsionen - Eigenschujkn und Herstellung
c ) Negative Grenzfachenspannung Wenn die Grcnzllachcnspannung ortlich ncgativ wird, versucht die Grcnzflachc sich spontan zu vergrosern. Damit wird die Grenzflachenspannung weniger negativ. Allgemein kann als Erklarung fur die spontane Emulgierung gesagt werden, dass eine hydrodynamische Instabilitat der Phasengrenze bei niedriger Grenzflachenspannung m r spontanen Emulgierung fuhrt. Es entstehen dadurch Tropfchen von sehr kleiner TeilchengroBe im Bereich von 10-50 nm. Ihre kinetischc Energie licgt schon in der GriiBenordnung ihrer zwischenpartikularen Wechselwirkungsenergie. Derartigc Emulsionen weisen deshalb eine hohe Stabilitat auf. Eine grol3e Bedcutung hat spontanc Emulgicrung z.B. hci der Herstellung feinteiliger Latices.
2.8.4 Emulgierbare Konzentrate Fur cinige Anwendungszwecke ist es vortcilhaft, ON-Emulsionen erst unmittelbar vor der Anwendung aus einem moglichst in Wasser emulgierbaren Konzentrat herzustcllen. Solchc Praparate sind vor allem im Pflanzenschutz von Interessc, wo haufig hydrolyseempfindliche Wirkstoffe in wasserfreien Formulierungen in den Handel gelangen. Sie werden vom Anwender an Ort und Stelle durch einfaches Mischen in die crforderliche Mengc Wasser cingebracht. Ein anderes Anwendungsgcbiet fur cmulgicrbare Konzentrate sind die sogenannten Schneideole, respektive Kuhlschmierstoffe fur die Metallbearbeitung, wobei diese Konzcntrate zur Emulgierung in Wasser im Allgemeinen intensives Ruhren erfordern, also kcine spontane Emulgierung crlauben wie die emulgierharen Konzentrate im Pflanzenschutz. Da die emulgicrbaren Konzentrate fur den Pflanzenschutz einc spontanc Emulgierung in Wasser ohnc gofiere mechanische Energie erfordern, spielt die Zusammensetzung dcr Emulgatoren eine entscheidende Rolle. Dabei ist die Einstellung des zum Wirkstoff passendcn HLB-Wertes die Voraussetzung. Dancben mussen auch die iibrigen Anforderungen an das Produkt erfullt sein, wie Spontancitat der Emulgierung, gute Vcrtraglichkeit mit den anderen Komponenten in der Spritzbruhe, gute Lagerstabilitat. Dicsc Anforderungcn werden lange nicht von allen Emulgatorcn mit dem richtigen HLB-Wcrt bczuglich dcr Wirkstoffc crfullt. Fur einc gute Spontaneitat der Emulgicrung sind crlorderlich: - Erzcugung von Turbulcnz in dcr Grenzfliiche, was durch einc nicdrigc Viskositiit dcs cmulgierbarcn Konzentrates unterstutzt wird, - Liisevermittlcr, wclche die gegenseitige Loslichkcit der Phasen bcgunstigen (z.B. Alkohole), - Emulgatoranteilc, die infolge Konvektion rasch durch die Grenzflache transportiert wcrden. In dcr Praxis werden Mischungen von mindestens zwei, vortcilhafi drei his h n f Emulgatoi-en vcrwendet. Als ionische Komponenten dicncn mcist Calcium- odcr Aminsalze von Alkylarylsulfonaten als nichtionischc Emulgatoren Ethylenoxid-Adduktc von Fettalkoholen, Alkylphenolcn, Rizinusiil odcr Sorbitancstern mit unterschicdlichen HLBWertcn. Bei ausgcwogencr Mischung von nichtionischcn und ionischcn Emulgatoren
2.8 Technik des Emulgierens
95
genugen oft ca. 5 % Emulgator, in anderen Fallen werden 10-20 % benotigt. Die Emulsionsstabilitat hangt von der Temperatur und dem Salzgehalt des Wassers ah: wiirmeres und harteres Wasser erfordert eine hydrophilere Einstellung des HLBWertes durch Erhohung des Anteils an ionische Emulgatoren, fur kalteres und weicheres Wasser gilt das Umgekehrte. Zur Herstellung wird der feste oder flussige Wirkstoff zusammen mit den geeigneten Emulgatoren und weiteren Additiven, wie Stabilisatoren, in einem wasserunloslichen Losemittel oder Losemittelgemisch gelost. Es muss eine klare Losung resultieren, die in Wasser spontan emulgiert. Als Stabilisatoren werden im Allgemeinen Epoxide, z.B. epoxidiertes Sojaol verwendet. Wenn der Wirkstoff diinnflussig ist, kann auf das Losemittel verzichtet werden.
Beispiel eines emulgierbaren Insektizid-Konzentrates (aus [ 181): 264 g/l technischer Wirkstoff (95 %) 38 g/l Nonylphenol-polyethoxyethanol(10 Mol Ethylenoxid, HLB 13.5) 15 g/I Rizinusol-polyethoxylat (32 Mol Ethylenoxid, HLB 16) 25 g/1 Calcium-dodecylbenzolsulfonat (HLB 8.6) 250 g/l Xylol 388 g/1 aromatische Petroleumfraktion (Siedebereich 170-210 "C) Apparatur: Heiz- und kuhlbarer Ruhrkessel, ZulaufgefaBe mit Dosier- und Abfiilleinrichtungen.
2.8.5 Emulgierhilfsmittel Emulgierhilfsmittel dienen dazu, die gewunschte Emulsionsstabilitat zu erreichen und zu erhalten. Sie werden einer Emulsion vor oder wahrend des Emulgiervorgangs zugesetzt. Zu den wichtigsten Emulgierhilfsmitteln gehoren die folgenden Additive:
Emulsionsverdicker Emulsionsverdicker werden Emulsionen zugegeben, um die Viskositat der auReren Phase zu erhohen. Da sie auch z.T. als Emulgatoren wirken, wie z.B. Lecithin im Eigelb bei der Mayonnaiseherstellung, kann man sie auch als ,,Quasiemulgatoren" bezeichnen. Als Beispiele aus einer grooen Zahl von solchen Stoffen seien erwahnt: Methylcellulose, Na-Alginat, Wachse, EiweiBkorper wie z.B. Gelatine, Caseine, Gummiarten, Johannisbrotkernmehl; Polysaccharide wie z.B. Stiirke, Dextrine, Pektine. Eine hohe Viskositat allein stabilisiert noch keine Emulsion. Aber viskose Emulsionen konnen stabiler sein als dunnflussige. Hohe Viskositaten erschweren die Koaleszenz und die Flockenbildung. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Viskositat bei ON-Emulsionen nur eine geringe Rolle spielt [ 191. Im Textildruck werden grol3e Mengen von Alginaten oder Johannisbrotkernmehl eingesetzt, um hochviskose Druckpasten herzustellen. Dazu dienen auch synthetische Polymere aus Styrol und Acrylsaurederivaten, oder Butadien und Acrylnitril. Zu erwahnen sind noch die Carbopol Resins von Goodrich und Lyoprint von Scott Bader.
96
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
Auch die Erniedrigung der Viskositat eines Emulgatorsystems kann ein Problem sein. D a m dienen Plastifikatoren, wie sie z.B. der Margarine zugesetzt werden, um auch nach dem Abkuhlen im Kuhlschrank eine ausreichende Streichfahigkeit zu ermoglichen. Als Plastifikatoren sind zu erwahnen: Fettsaureglycerinester (HLB 2-4), Cholesterine, Umsetzungsprodukte von Fetten und Olen. Losevermittler Diese werden einer Emulsion zugemischt, um die Loslichkeit eines Emulgators in einer Phase zu erhohen. Als Beispiele seien erwahnt die Emulsionskonzentrate im Pflanzenschutz (Abschnitt 2.8.4), denen kleine Mengen eines aliphatischen Alkohols zugcsetzt werden, um die Spontanemulgierung zu erzielen. Als Losevermittler wirkt auch die Zugabe von Harnstoffen und deren Derivaten zu Textil- oder Farbehilfsmitteln, ebenso der Zusatz von kleinen Mengen Wasser zu den chlorierten Kohlenwasserstoffen in der chemischen Reinigung. Losevermittler dienen auch dazu, um Dichte und Viskositat in beiden Phasen anzupassen. Prinzipiell sind alle mit der auljeren Phase mischbaren Losemittel verwendbar. Eine entscheidende Rolle spielt oft der Preis. Schutzkolloide Sic werden der auljeren Phase zur Verhinderung der Koaleszenz von Emulsionstriipfchen zugesetzt, indem sie die gebildeten Tropfchen in Schwebe halten. Sie umhullen die gebildeten Tropfchen wie Emulgatoren, ohne jedoch in die innere Phase einzudringen. Haushaltswaschmittcl enthaltcn zu dicsem Zweck meist Carboxymethylcellulosc als Schutzkolloid. Diese halt die von der Faser abgelosten Schmutzteilchen in Losung und hindert sie am Wiederaufziehen auf das Substrat. Weitere Schutzkolloide sind: Lecithine, Cholesterin, Gelatine, Proteine, Casein, Gummiarten, Saponine, Ligninsulfonate. Konservierungsmittel Diesc sollen den Befall durch Pilze und Bakterien verhindern. Fur kationische Emulgatoren erubrigt sich ein solcher Zusatz, da diese im Allgemeinen selbst eine bakterizide oder bakteriostatische Wirkung besitzen. Normalerweise sind Konservierungsmittel in Olen bcsscr loslich als in Wasser, wie z.B. die p-Hydroxybenzoesaureester. Diese Verhiiltnisse sind bci der Dosierung des Konservierungsmittcls zu berucksichtigen. Als Konscrvierungsmittel fur Emulsionen cignen sich: Aldehydc, wie Formaldehyd und Chloralhydrat, Phenolderivate, wie o-Phenylphenol, p-Chlor-m-Kresol, Pentachlorphenol (nur fur physiologisch unbedenkliche Falle). Ferner wcrden angewandt: Heterocyclen wie o-Chloranilindichlortriazinund Derivate des 1,2-Benzisothiazolo-ions. Entschaumer Die im Handel befindlichen Entschaumer konnen groljtenteils auch in den Emulsionen eingcsetzt werden. Da heute der Einsatz schaumarmer Emulgatoren angcstrebt wird, sind spcziclle Zusatze von Antischaummittcln nur noch gelegcntlich notwendig. Bewahrtc Typen sind: nichtionische Polyalkylenglykolether mit gemischter Ethylenund Propylenkette. Zusutze gegen Verkrusten der Behalterdeckel D a m cigncn sich vor allem Glycerin und Sorbit.
2.9 Wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen
97
2.9 Einige wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen 2.9.1 Die elektrische Doppelschicht (el. D.S.) in Emulsionen Die wichtigste Differenz einer elektrischen Doppelschicht bei Emulsionen zur elektrischen Doppelschicht bei Dispersionen besteht darin, dass bei Emulsionstropfen auf beiden Seiten der Grenzflache je eine elektrische Doppelschicht existiert. In Abb. 2.21 ist die Struktur der elektrischen Doppelschicht der wassrigen Phase an der Phasengrenze W/O mit adsorbiertem Emulgator dargestellt. Das Bild ist fur ein System Ol/Wasser nicht ganz korrekt, es fehlt die elektrische Doppelschicht auf der Seite der Olphase.
Emulgator, negativ geladen
: Phasenpotential y~, : Sternpotential : Zetapotential y~,
<
fstarrtdiffus
-
Abb. 2.21. Struktur der elektrischen Doppelschicht der wassrigen Phase an der ON-Grenzflache, mit adsorbiertem Emulgator [20].
98
2 Emulsionen - Eigenschuften und Herstellung
Abbildung 2.22 bringt eine schematische Darstellung des Potentialverlaufs auf beiden Seiten der Phasengrenzen (nach van den Tempel). In Anwesenheit von Salzionen ergibt sich eine ungleiche Verteilung von Anionen und Kationen zwischen den zwei Phasen. Anionen sind besser loslich in 0 1 als Kationen. Die OIphase wird daher eine negative Ladung annehmen. In Abwesenheit von oberflachenaktiven Ionen haben wir einen Potentialvcrlauf wie in Abb. 2.22 a ersichtlich. Die Dicke der elektrischen Doppelschicht in der Olphase ist wesentlich grolJer, namlich mehrere pm, gegenuber von pm bis I 0-2pm in der Wasserphase. Dies bedeutet, dass die Wechselwirkungskrafte zwischen den Tropfchen in einer W/O-Emulsion vie1 weitreichender sind, und zwischcn den Tropfchen nur eine geringe Abstokngsenergie besteht, sodass diese leicht zusammenlaufen. Der rasche Potentialabfall in einer O/W-Emulsion fiihrt dagegen zu ihrer Stabilisierung. Die elektrischen Potentiale der benachbarten Wassertropfchen uberlappen sich, was zur Erniedrigung der Stabilitat fuhrt, das System hat eine starke Tendenz zur Koaleszenz (in Abwesenheit eines Emulgators). Durch Zugabe von Tensiden, die sich in der Grenztlache konzentrieren, andcrt sich der Potentialverlauf drastisch; Abb. 2.22 b. Der griiBte Teil der Ladung hefindet sich nun in der wassrigen Phase, sodass cin zur Stabilisierung der Emulsion genugend grol3es Zetapotential auftritt.
Abb. 2.22. Potentialverlauf an der OI/Wasser-Grenzllache in Emulsionen: a) ohne Emulgator; b) mit Emulgator; c) rnit Emulgator, bei hoher Elektrolytkonzentration1201.
Nach Vcrwcy sol1 ein Zetapotential von der GroJenordnung von +/- 100 Millivolt zur Stahilisierung erforderlich sein. Bei Anwesenheit groBer Mengen Elcktrolyt zusatzlich zum Tensid in der Wasserphase ergibt sich fur das Potential ein Verlauf wie in
2.9 Wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen
99
Abb. 2.22 c. Durch die Elektrolytzugabe wird die Dicke der diffusen Doppelschicht reduziert. Die gegenseitige AbstoRung der geladenen polaren Gruppen bewirkt, dass der Film expandiert ist und einen niedrigen n-Wert (Filmdruck) hat. Zugabe von Elektrolyt reduziert die AbstoRung, und der Film wird kondensiert (verdichtet), der Filmdruck n steigt an. Die zuerst unverstandliche Rolle von Elektrolytzusatz, welcher die Grenzflachenspannung erniedrigt und damit die Stabilitat erhoht, Iasst sich so qualitativ erklaren. Der stabilisierende Effekt von Elektrolyt auf Emulsionen, wie er in gewissen Fallen zu heobachten ist, beruht somit auf einer Verfestigung der Grenzjlache. In den Gleichungen (2.15)-(2.17) sind noch das Abstohngspotential VR und die Van der Waals Anziehungskraft YAfur die elektrische Doppelschicht angegeben (ohne weitere Erlauterungen). (2.15)
(2.16)
v = VR+ VA
(2.17)
(r: Partikelradius; K Wertigkeit der Gegenionen; y Funktion von v&yo/kT;E: Dielektrizitatskonstante; yo: Doppelschichtpotential; k: Boltzmann-Konstante; A : Hamakerkonstante; H,: Distanz zwischen den Partikeln; x: Debye-Huckel-Funktion; l/x: DebyeLange)
Die Flockung von Emulsionstropfchen ist von der Wertigkeit der Gegenionen abhangig, entsprechend der Regel von Schulze-Hardy (siehe auch Abschnitt 5.6): Mono-, di-, tri-valente Gegenionen flocken wie:
100 : 1.6 : 0.13.
Der Mechanismus ist etwas verschieden von der Flockung von Solen. Ein 2-wertiges Ion bewirkt Flockung wie ein 1-wertiges bei 1/10 der Konzentration. Allgemein gilt, dass die Stabilitat einer Emulsion umso groper ist, j e hoher die Konzentration der potentialbestimmenden (Definition siehe unten) lonen, j e geringer die Konzentration von ind$erenten Ionen (lonenstarke) undje niedriger die Wertigkeit der Gegenionen ist. Potentialbestimmende lonen spielen eine sehr spezi fische Rolle bei der Flockung von EmulsionedDispersionen. Beispiel: Fur ein Aluminium Sol sind H+ und OK-Ionen potentialbestimmend. Bei tiefem pH ist das Sol positiv geladen wegen Adsorption von Al”-Ionen, bei hohem pH negativ wegen Adsorption von OH- oder A102- -1onen. Bei Oxiden (z.B. SiOz, A1203, TiOz) wirken Protonen wie potentialbestimmende lonen, d.h. Oberflachenladung und -potential hangen vom pH ab. Bei den Aluminiumoxiden liegt der isoelektrische Punkt (Punkt, wo die elektrische Ladung = 0) bei pH = 9. Unterhalb dieses Wertes bilden Aluminiumoxidpraparate positiv, oberhalb negativ geladene Kolloidteilchen. Bei Proteinen und biologischem Material ist gcnerell H+ ein
100
2 Emulsionen - Eigenschuften und Herstellung
potentialbestimmendes Ion, wegen der Abhangigkeit der Dissoziation von saurcn oder basischcn Gruppen vom pH der Losung.
2.9.2 Elektrische Doppelschicht in W/O-Emulsionen In W/O-Emulsionen haben wir eine kontinuierliche Phase (01) mit einer niedrigcn D.K. Solche organische Phasen konnen hochstens kleine Ladungen haben. In Benzol sind z.B. Ionenkonzentrationen von 10." mol/l moglich. Die elektrische Doppelschicht hat somit eine groRe Ausdehnung, mit Debye-Langen IIKvon einigen pm. Die Kapazitat der Doppelschicht ist schr klein, sodass kleine Ladungen hohe Zetapotentiale ergeben (50 mV und mehr). Die W.W.-Krafte der geladenen Tropfchen ciner W/O-Emulsion sind vie1 weitreichender als in einer ON-Emulsion. Aufgrund der geringen AbstoRungsenergie 1st cin Zusammenlaufen von Wassertropfchen ohne groBeren Energieaufwand moglich. Dic hohen Zetapotentiale haben keinen Stabilisierungseffekt (Overbeek). Als Konsequenz ergibt sich, dass W/O-Emulsionen sterisch stabilisicrt wcrden mussen (mit Makromolekulen, Polymeren).
2.9.3 Zetapotential von Emulsionen Die Gleichungen fur das Zetapotential von Dispersionen sind,fiir Emulsionen nicht anwendbur. Es miissen komplizierte Gleichungen (von Boots) vcrwendet werden. Von Hunter wurden Korrekuren zur Bcrcchnung von 6 angegeben. Die elektrophoretische Beweglichkeit hangt von der TeilchengroRe und Form ah. Der Effekt der Tropfengrohe auf dic elektrophoretische Beweglichkeit ist durch cine Funktion c r gegeben, welche von Henry berechnet wurde. Urn qualitative Aussagen oder relative Vcrgleichc zu machen, kann man sich mit dcr Angabe der elektrophoretischen Beweglichkcit begniigen. Allgemein muss darauf hingcwiesen werden, dass das Zeta-Potential einc brauchbare MessgroRe zur Beurteilung der Emulsionsstabilitat ist, sofern die ahstopenden Krafte ausschlieplich odrv iiherwiegend elektrostatischer Nutur sind. Aus den vorher angegebenen Griinden wird man nicht das sehr schwer zu bcrechnende Zetapotential angeben, sondern die ihm zugrundc liegende McssgriiRe V (elektrophoretische Geschwindigkeit oder die elektrophorctische Beweglichkcit VIE ( E : elektrischc Feldstarke). Aus Messung von VIE untcr vcrschiedenen Versuchsbcdingungcn lasscn sich Ruckschlusse auf die Stabilitiit der Emulsion ziehcn.
2.9.4 Sterische Stabilisierung Wenn sich die Adsorptionsschichten zweier Tropfchen unmittelbar beriihren, kann zusiitzlich zur Wechselwirkung durch elektrostatischc odcr Dispcrsionskrafte noch eine
2.9 Wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen
101
sterische Hinderung auftreten. Bei Adsorptionsschichten kurzkettiger Molekule, z.B. den typischen Tensiden, kann man gemaB Abb. 2.23 vier Ursachen fur die sterische Hinderung bei Annaherung angeben, (a-d). Bei Makromolekulen wiirde die freie Beweglichkeit der Ketten behindert durch gegenseitige Durchdringung von makromolekularen Adsorptionsschichten, gemal3 Abb. 2.24. Deshalb resultiert ein entropischer Abstohngseffekt.
Abb. 2.23. Sterische Hinderung bei Adsorptionschichten von kurzkettigen Molekiilen: a) Gegenseitige Durchdringung von in Wechselwirkung stehenden Adsorptionsschichten;b) Stauchung der Molekule; c) Kompression in der Schichtebene unter Lochbildung; d) Partielle Desorption durch Verdrangung (analog [S]).
W
W
Abb. 2.24. a) Schematische Darstellung der Adsorption von Makromolekulen; b) Gegenseitige Durchdringung makromolekularer Adsorptionschichten (analog [S]).
Zur eigentlichen sterischen Stabilisierung von Emulsionen verwendet man jedoch polymere Emulgatoren, insbesondere Hydrokolloide, d.h. in Wasser losliche Makromo-
102
2 Emulsionen - Eigenschujen und Herstellung
lekule und Polyelektrolyte, die dissoziationsfahige Gruppen enthalten, welche in Wasser in Makroioncn und Gcgenionen zerfallen, wie z.B. PVA, Polysaccharide (,,Gummis"), Alginatc, Ccllulosederivatc. Diese werden fur ON-Emulsionen cingesetzt. Die Ursachen dcr Stabilisierung durch Hydrokolloidc an der Grenzflache O N sind:
a) Entstehung eincs clastischen Grenzflachenfilms; b) Modifizierung dcr rheologischen Eigenschaften des Dispersionsmediums; c) Abstohngsbarriere der elektrischen Doppelschicht. Eine Kombination Hydrokolloid-Tensid .fiihrt oft zu stabileren Emulsionen als die einzelnen Komponenten. Ein gemischter Film kann nur existicren, wenn Hydrokolloid und Emulgator gleiche Ladung haben. Neben den Hydrokolloiden konnen auch Polymere verschicdenster Art eine sterische Stabilisierung bewirken. So wirkt die Bcweglichkeit von Kohlenwasserstoff- odcr Polyglycolethcrgruppcn gcgen die Annaherung dcr Emulsionstropfchen. Alle Faktoren, die die Beweglichkeit der Emulgatormolekule in der Grenzschicht begunstigen, tragen zur Stabilitat bci. So sind Emulgatoren mit Iangeren KW-Kctten wirksamere W/O-Emulgatoren als solche mit kiirzeren. Auch die Ausbildung von Wasserstofflriicken oder die Bildung von Komplexen sind sterische Faktoren, welche die Emulsionsstabilitat erhohen konnen. Eine Hydratbildung an den hydrophilen Gruppen wirkt einer Annaherung der Tropfchen cntgegen. Es kann zur Ausbildung von Jiissig-kristallinen Strukturen kommen, welche die Emulsionsstahilitst ebenfalls erhohcn konnen. Es wurdc bereits crwahnt, dass mit Makromolekiilcn geschiitzte Emulsionen unempfindlich gegen Elektrolytzusatz sind. Grund: nicht die elektrostatische Abstohng bewirkt die Stabilitat der Emulsion, sondern die geringc Anziehung durch Dispersionskrafte. Bci hohen Salzkonzentrationen kann allerdings durch Dehydratisicrung der Makromolekiile cine Flockung erreicht werden. Makromolekiile kiinnen die Flockung nicht nur verhindern, sie kiinnen sie auch hervorrufin. Die Flockung tritt auf, wenn der Dispersion nur geringe Mengen an Makromolckiilen zugesetzt werden. Ein Makromolekiil kann dann gleichzcitig an zwei Tropfchen adsorbiert wcrden, wirkt als Briicke und erzcugt damit die Flockung. Dieser Fall tritt dann auf, wcnn die Grcnztlachen von Tropfchen nicht vollstandig mit Emulgatormolckiilen bedeck1 werden, und Schwanzc eines Makromolekuls von einem benachbarten Triiplchen a u f desscn unbedeckten Oberflachcn adsorbieren kiinnen. Dieser Vorgang wird Sensihilisierzing genannt und spielt bci dcr Flockung von Kolloidteilchcn in dcr Abwasserreinigung cine groBc tcchnische Rollc. Uber die Konzentrationen an Makromolekiilen, hei welchcn diescr Effekt auftritt, lassen sich nur sehr allgemcine Angaben machen. In Polystyrolsuspensionen wurden bei 2 %I Zusatz alle Primarteilchen agglomeriert, bei 3 %I Zusatz erhielt man wieder einc Suspension ohne Agglomerate. Bei W/O-Emulsionen mit Monoglyceriden und Scife als Emulgator trat Creaming a u l im Konzentrationsbereich der Tcnside untcr ca. 3 %I. Dcr kritische Bcreich licgt also bei - < 3 %. Andererscits, wenn cin Emulgator in relativ groBen Mengen zugegeben wird, kann es zur Bildung von Mischphasen aus Wasser, Tensid und 01 kommcn, die das Verhaltcn der Emulsion weitgehend bestimmen.
103
2.9 Wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen
Die optimale Menge an Emulgator lasst sich nur durch entsprechende EmulgierReihenversuchefeststellen, ahnlich, wie es unter 2.2.1 fur die Bestimmung des erforderlichen HLB-Wertes eines 01s angegeben ist.
2.9.5 Kinetik der Koaleszenz, Bestimmung der Emulsionsstabilitat Die Stabilitat einer Emulsion wird gewohnlich gemessen, indem man die Geschwindigkeit der Abnahme der Anzahl an Tropfchen wahrend der Anfangsphase der Aggregation misst. Die Geschwindigkeit der diffusionskontrollierten Koaleszenz von spharischen Tropfchen infolge von Kollisionen in Abwesenheit von Energiebarrieren gegen die Koaleszenz wurde von Von Smoluchowsky [21] berechnet. Wenn jeder ZusammenstoB zwischen Teilchen zur Verminderung ihrer Anzahl fuhrt, ist die Anderung der Teilchenzahl in Abhangigkeit von der Z i t durch eine Kinetik zweiter Ordnung gegeben: dn =4n.D.r.n2 dt
(2.18)
--
D: Diffusionskoeffizient r: Kollisionsradius = maximaler Abstand zwischen den Zentren der Teilchen, bei dem noch eine Kollision eintritt n: Anzahl Teilchen/cm3 Nimmt man an, dass eine Energiebarriere vorhanden ist, die uberwunden werden muss, bevor es zur Koaleszenz kommt, erhalt man fur die Abnahme der Teilchenzahl die Gleichung
(2.19)
EA;Aktivierungsenergie T: Temperatur k: Boltzmann-Konstante t: Zeit Die Integration ergibt 1 = 4n. D . y . e-EA/kT ’t
n
+ const
(2.20)
Fur den Diffusionskoeffizienten D sphiirischer Teilchen gilt die Gleichung von Einstein (a: Teilchenradius, 77: Viskositat): (2.21)
104
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
Wenn zwischen den reagierenden Teilchen Kontakt besteht, also r = 2a, so erhalt man die reziproke Teilchenzahl als Funktion von t :
(2.22)
In dieser Gleichung lassen sich alle GroBen his auf die Aktivierungsenergie E A experimentell bestimmen. Die Teilchenzahl wird mikroskopisch ermittelt. Aus einer graphischen Darstellung von I l n gegen t gewinnt man EA. Die Abhangigkeit der Koaleszenz vom Volumenverhaltnis der zwei Phasen kann folgendermaBen berucksichtigt werden: Man definiert das ,,mittlere Volumen" eines Tropfchens als neue Variable: T
I
(2.23)
wobei V = Volumcn der dispergierten Phaselcm' Emulsion bedeutet. Somit:
(2.24)
Durch Differcnzieren erhalt man die Koaleszenzgeschwindigkeit und damit ein Mar3 fur die Stabilitat dcr Emulsion:
(2.25)
In der Energiebarriere der Koaleszenz E A ist die Wirksamkcit des Emulgatorsystems enthalten. Diese Barriere umfasst sowohl die elektrische als auch die mechanische Abschirmung. Sic ist im Allgemeinen temperaturabhiingig. Nach Davics 1221 ist der gebildete Emulsionstyp von der Kinetik des ZusammenllieBens von zwei tlussigen Phasen abhangig, die in Anwesenhcit eines Emulgators zusammengemischt werden. GemaR folgender Gleichung kann die Koaleszenzgeschwindigkeit GI der in Wasser dispergicrten Oltropfchen wie folgt berechnet werden:
Der Kollisionsfaktor CI hiingt vom Volumenverhaltnis dcr Phasen O l N a s s c r und dcm reziproken Wert der Viskositat der Wasserphase ah. EAl kcnnzeichnet die Energicschwelle, welche uberwundcn wcrden muss, bevor einc Koaleszenz crfolgen kann. In einer ON-Emulsion ist EAlcine Funktion des elektrischen Potentials und der Hydratati-
105
2.9 Wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen
onsenergie des Emulgators. Fur die Koaleszenz von Wassertropfchen in einer W/OEmulsion gilt: (2.27) EA2 ist die dem ZusammenflieSen entgegenstehende Energieschwelle. Sie ist vor allem eine Funktion der Anzahl -CH2- Gruppen im Emulgatormolekul, die sich zwischen zwei sich nahernden Wassertropfchen befinden. Bevor es zur Koaleszenz der Wassertropfchen kommen kann, muss erst die durch die lipophilen Anteile im Molekul erzeugte Energiebarriere uberwunden werden. Wenn eine Mischung von 0 1 und Wasser mit einem Emulgator vermischt wird, bilden sich anfanglich Dispersionen von 0 1 in Wasser und Wasser in 0 1 . Welcher Emulsionstyp endgultig gebildet wird, hangt davon ab, welche Koaleszenzgeschwindigkeitgrol3er ist, d.h. GI oder G2. Nach Davies bildet sich eine ON-Emulsion, wenn G2 sehr vie1 grol3er ist als G I .Im umgekehrten Fall bildet sich eine W/O-Emulsion [23].
ON-Emulsionen sind bevorzugt stabil, wenn G2 = 1 resp. G2/G1 >> 1. W/O-Emulsionen sind bevorzugt stabil, wenn GI/G2>> 1. In praxi sollen Emulsionen nur dann stabil sein, wenn GI oder G2 kleiner als etwa 10-6C1oder 10-6C2 sind.
Literatur zu Kapitel 2: International Union of Pure and Applied Chemistry, Manual on Colloid and Surface Science, Butterworths, London, 1972. S. E. Friberg, J. Yang, in Surfactant Science Series Vol. 6 I : Emulsions and Emulsion Stability (J. Sjoblom, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1996. P. Becher, Emulsions: Theory and Practice, Reinhold Publishing Corporation, New York, 1966. McCutcheon's Detergents and Emulsifiers, Int. Ed., Ridgewood N.Y. H. Stache, Tensid-Taschenbuch, Carl Hanser Verlag, Munchen, 1979. N. Schonfeldt, Grenzflachenaktive Aethylenoxid-Addukte, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 1976. W. C. Griffin, J. SOC.Cosmetic Chem. I , 311 (1950); 5, 249 (1954). H. Sonntag, Lehrbuch der Kolloidwissenschaft, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1977. C. M. Donnald, Canad. J. of Pharm. Sci., Vol. 5 , No. 3, 81 (1970). R. G. Laughlin, J. SOC.Cosmet. Chem. 32 (1981), p. 371-392. J. H. Schulman, E. G. Cockbain, Trans. Faraday SOC.36, 651 (1940). J. Boyd, C. Parkinson, P. Sherman, J. Colloid Interface Sci. 41, 359 (1972).
106
I171
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
J. Stauff, Kolloidchemie, Springer Verlag, Berlin, 1960. J. H. Schulman, E. G. Cockbain, Trans. Faraday Soc. 36,661 (1940). L. H. Rees, Chem. Eng. S l , 86 (1974). A. L. Smith (Ed.), Thcory and Practice of Emulsion Technology, Academic Press, New York, 1976. K. J. Lissant (Ed.), Emulsions and Emulsions Technology, Marcel Dekker, Inc., New York, 1974. H. Helfenberger, in DECHEMA-Kurs Formulierungstechnik 1987, Thema 7. E. L. Knoechel, D. E. Wurster, J. Am. Pharm. Assoc. Sci. Red. 48, 1 (1959). B. Dobias, Tenside Detergents 15, 228 (1978). M. Von Smoluchowsky, Physik. Z. 17, 557,585 (1916); Z. Phys. Chem. 92, 129 (1917).
J. D. Davies, in 2"d Int. Congress of Surface Activity, Vol. I , p. 426, Butterworths, London, 1957. J. D. Davies, E. K. Rideal, Interfacial Phenomena, Academic Press, New York, 2'Id ed. 1963, p. 366 ff.
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen Mikroemulsionen und Liposomenpraparate werden unter anderem in der Kosmetik fur spezielle Applikationen venvendet. Worin unterscheidet sich nun aber applikatorisch eine Mikroemulsion von einem Vesikel- b m . Liposomen-System? Mikroemulsionen als thermodynamisch stabile Systeme sind leicht reproduzierbar herzustellen, wahrend bei metastabilen Vesikeln je nach Herstellung Abweichungen in Typ und GroRe eintreten konnen. Nach der Applikation, z.B. beim Auflragen von Kosmetika auf die Haut, gehen Mikroemulsionen in eine andere Phase iiber (wegen Losemittelverdamphng und Wechselwirkungen mit der Epidermis), wahrend Vesikeln im kinetisch metastabilen Zustand verbleiben, und sich vie1 langsamer verandern.
3.1 Mi kroemulsionen 3.1.1 Phanomenologie
-
OiW- und W/O-Systeme mit Grenzflachenspannung 0, die unter Venvendung spezieller Tenside oder Mischungen von Tensiden und Co-Tensiden entstehen, konnen periodische Anordnungen von Lamellen, Zylindern oder auch komplexeren Objekten ausbilden, wie in Abschnitt 1.8 beschrieben. Solche Zubereitungen besitzen partiell Festkorpereigenschaften und hohe Viskositat, was bei gewissen industriellen Applikationen zu Schwierigkeiten fuhren kann. Im Gegensatz dazu sind bei anderen Systemen mit Grenzflachenspannung 0, den Mikroemulsionen, die Grenzflachen ungeordnet. Diese Systeme verhalten sich wie transparente Fliissigkeiten geringer Viskositat. Bei kleiner 0 1 - bzw. Wasserkonzentration tritt eine Art geschwollener Mizellen auf, vorgestellt als ,,Mikroemulsions-Tropfchen". Im dazwischen liegenden Konzentrationsbereich sind die Strukturen wesentlich komplexer; es bilden sich bikontinuierliche Strukturen aus, wie beispielsweise die Sponge-Phasen (vergl. Abschnitt 1.8.5). Alle diese unterschiedlichen, thermodynamisch stabilen Strukturen werden jedoch mit dem von Schulman [ l ] (unglucklich gewahlten) Namen Mikroemulsionen bezeichnet. Die ersten Mikroemulsionen wurden 1943 von Hoar und Schulman [ I ] erkannt. Sie beschrieben trunspurente 1 :I-Vol/Vol-Mischungen von Wasser und 0 1 in Gegenwart groRer Mengen eines ionischen Tensids und eines nichtionischen Co-Tensids. Als CoTenside eignen sich Alkohole mittlerer Kettenlange. Es werden z.B. etwa gleiche Teile Toluol und Wasser zusammengegeben und dazu ein anionisches Tensid, wie K-Oleat, bis eine Emulsion gebildet ist. Diese opake Emulsion wird mit Hexanol titriert, bis sie transparent ist. Eine von Shinoda angegebene Mikroemulsion hat folgende Zusammensetzung:
-
108
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen
Tabelle 3.1. Mikroemulsion [2], Referat in [ 3 ] . 01 60 % Benzol
Wasser 27 %a
Tensid 6,5 YOK-Oleat
Co-Tensid 6,5 YOButanol
Man startet von Benzol (pur), danach erfolgt Addition von Alkohol, gefolgt von Zugabe von Wasser und Seife. Solche transparenten Liisungen hieten eine Kombination der Eigenschaften von KW und Wasser. Daraus kann man die groBen Moglichkeiten fur ihre technische Anwendung ersehen. So gibt z.B. ein olloslicher Farbstoff in Benzol die gleiche Farbe wie in einer Mikroemulsion aus Benzol, Wasser und Co-Tensid. Umgekehrt verhalt sich ein wasserloslicher Farbstoff identisch in Wasser wie in einer Mikroemulsion aus Benzol, Wasser und Co-Tensid. Licht und Rontgenstreuung zeigen, dass diese Mischungen aus einer Dispersion w~dssrigerTropfihen mit einem Durchmesser von etwa 8 nm hestehen, wobei sich der grigte Teil des K-Oleats und des Hexanols in der Grenqflache CJl- Wasser befindet. Die Kleinheit der Tropfchen erklart die geringe Triibung. Der wesentliche Unterschied &wischeneiner Mikroemulsion und einer gewbhnlichen Emulsion ist nicht die GroJe der Tropfen oder der Grad der Triihung, sondern die Tutsuche, dass sich Mikroemulsionen spontan hilden, dass ihre Eigenschufien unahhangig vom Weg der Herstellung sind, dass sie thermodynamisch stabil sind. Im Gegensatz dazu erfordern gewohnliche Emulsionen mechanische oder chemische Arbeit zu ihrer Bildung, sodass sie hochstens kinetisch stahil, d.h. gegen Koaleszenz der Tropfen geschutzt sind. Mikroemulsionen sind im einfachsten Fall spezielle Emulsionen: kolloide Losungen von normalen resp. invertierten, geschwollenen Mizellen [4]. ,Die groOe Grenzflache zwischen Wasser und 01 von Mikroemulsionen hat zur Folge, dass sie nur dann thermodynamisch stabil sind, wenn ihre Grenzflachenspannung so niedrig ist, dass die positive fieie Grenzflachenenergie y.A ( A : Grenzflache WiO) durch die negative freie Mischungsenergie (= -T.S) kompensiert wird. Die Mischungsentropie pro Tropfen ist gemah Boltzmann-Gleichung von der GroOenordnung kt3 (BoltzmannKonstante; = 1.3806.10-'3 JiK; S: Entropie; W:thermodynamische Wahrscheinlichkeit):
I=] J
S = k , . In W
Daraus folgt, dass unter diesen Bedingungen die Grenzflachenenergie von der GroBenordnung der thermischen Energie ist ( y = Grenzflachenspannung): k .T
= 4xR
' .y
Wenn der Tropfenradius R
(3.7) =
I0 nm betragt, ergibt sich ein y von
- 0.03
mN ~
!
m Die Grenzflachenspannung zwischen OliWasser betragt - 50 mN/m. Das Tensid hat nun die Aufgabe, diese Grenzflachenspannung auf sehr niedrige Werte y -+ 0 herabzu-
3. I Mikroemulsionen
109
setzen. Die Tenside adsorbieren infolge ihrer amphiphilen Natur spontan in der WiOGrenzflache. Dies erleichtert die Ausdehnung der Grenzflache und damit die Erniedrigung der Grenzflachenspannung. Nach der Gleichung von Gibbs (Abschnitt 1.6.3) ist die dY der Adsorption proportional (c: Tensidkonzentration). Steigung - dc Abbildung 3.1 stellt die Grenzflachenspannung als Funktion des Logarithmus der Tensidkonzentration dar. Fur niedrige Konzentrationen ist die Adsorption klein, und die Grenzflachenspannung nimmt nur schwach ab. Bei weiterer Tensidzugabe sinkt y rasch ab, bis innerhalb eines kleinen Konzentrationsgebietes Konstanz erreicht wird. Dieses Verhalten ist durch die Bildung von Mizellen zu erklaren (+Kritische Mizellenkonzentration = CMC). Die Aggregatbildung verhindert haufig, dass yauf sehr kleine Werte absinkt. Wenn allerdings ein zweites Tensid, ein Co-Tensid, zugegeben wird, das vom ersten chemisch verschieden ist, verstarken sich die Effekte beider Tenside. Die Grenzflachenspannung kann dann sehr niedrige Werte erreichen. Mit einem wasserloslichen Tensid und einem vonviegend olloslichen Co-Tensid, z.B. Na-Dodecylbenzolsulfonat in Wasser und Pentanol in Cyclohexan, kann yso klein werden, dass bei weiterer Erhohung der Tensidkonzentration y negativ wiirde (was nicht moglich ist). Dies ware verbunden mit einer spontanen Expansion der Grenzflache durch Auhahme des uberschiissigen Tensids und Co-Tensids, bei gleichzeitiger Erhohung von y auf positive Werte. Bei diesem Prozess wird spontan eine Mikroemulsion gebildet.
Abb. 3.1. Grenzflachenspannung als Funktion der Tensidkonzentration f i r ein zweiphasiges System mit zwei verschiedenen Tensiden (I, 11). Bei kleinerer Konzentration als der CMC
(Knickpunkt der Kurve I) sind die Tenside als Monomere vorhanden, und ysinkt rapide als Folge der Adsorption in der OI/Wasser-Grenzfltiche. Bei grokrer Konzentration als der CMC bildet Tensid I Mizellen. Weil die Grenzflache fast vollstandig mit Tensidmolekulen bedeckt ist, findet nur noch eine maBige Abnahme von y statt. Solche Tenside werden f i r Makroemulsionen eingesetzt. Mit Tensid I I lassen sich Mikroemulsionen erzeugen. Es bilden sich Nanotropfchen (Mikroemulsionstropfchen) bei der kritischen Tropfchenkonzentration, was in einer aukrordentlich kleinen Grenzflachenspannung zum Ausdruck kommt (aus [ 5 ] ) .
1 10
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen
Ein Molekul Natriumdodecylsulfat bedeckt eine Grenzflache von 80-90 A' im Bereich, in dem Mikroemulsionen auftreten, in Gegenwart von 0.3 m NaCI. Diese Flache hangt nur schwach von der Konzentration, der Natur des Co-Tensids und der Elektrolytkonzentration ab. Ein Gramm Natriumdodecylsulfat bedeckt etwa 1780 m2. Eine solch enorme Grenzflache kann auf verschiedene Weise in Mikroemulsionen untergebracht werden; (siehe Abb. 3.2) namlich: Wassertropfchen in Ol oder Oltropfchen in Wasser oder irregulare, bikontinuierliche Strukturen. Aus Lichtstreuungsmessungen und anderen Experimenten kann bewiesen werden, dass viele Mikroemulsionen kugelformige Tropfchen enthalten. Die Groae der Tropfchen kann aus der Zusammensetzung der Mikroemulsionen und der molekularen Bedeckungsflache (gemessen aus der Grenzflachenspannung) abgeschatzt werden. Fast die ganze Tensidmenge hejindet sich in der Grenzfluche. Daher ist die totale Grenzflache A etwa gleich der Zahl der Tensidmolekule, multipliziert mit ihrer molekularen Bedeckungsflache.
irregulare bikontinuierliche Struktur
Abb. 3.2. Strukturen in Mikroemulsionen: analog 161
Zur Herstellung von Mikroemulsionen mit ionischen Emulgatoren resp. Tensiden ist, wie dargelegt wurde, die Anwesenheit eines mehr hydrophoben ,,Cosurfactants" notwendig. Eine Erklarung besteht darin, dass das ionische Tensid nicht genugend hydrophob ist, um die Solubilisierung der Olphase zu ermoglichen. Das ist im Einklang rnit experimentellen Befunden, die zeigen, dass Iangerkettige ionische Tenside weniger Cosurfactant (hohere Alkohole) als kiirzerkettige benotigen. Die Partikelgroae in einer Mikroemulsion variiert mit der Temperatur, der Balance zwischen hydrophilen und hydrophohen Gruppen oder Komponenten des Emulgators und dem Olgehalt. Mikroemulsions-Tropfchen erfahren durch kleine Anderungen von Temperatur und Druck groBe reversible Anderungen in ihrer GroBe, was t%r Mizellen nicht zutrifft.
3. I Mikroemulsionen
111
Abb. 3.3. Phasendiagramm des Systems Wasser, Natriumcaprylat, Octanol. lsotrope Phasen: 1,l (normalen Mizellen); L.2 (inverse Mizellen). Flussig-kristalline Phasen: E (hexagonale Anordnung von Zylindern); D (lamellare Struktur) [7].
Ob eine Mikroemulsion vom Typ W/O oder O/W ist, hangt von der Krummungstendenz der Grenzflachenregion ab (Bancroft-Regel) [S], die durch Faktoren wie Differenz der Grenzflachenspannung oder Grenzflachendruck auf beiden Seiten der Grenzflache sowie von der Differenz der Volumina und Komprimierbarkeit der hydrophilen und hydrophoben Gruppen bestimmt wird. Wenn die Tendenz der hydrophilen Seite des Grenzflachenfilms zur Expansion groRer ist als auf der hydrophoben Seite, bildet sich eine O/W-Mikroemulsion. Anderenfalls, wenn die hydrophobe Seite eine groRere Tendenz zur Expansion als die hydrophile hat, bildet sich eine W/O-Mikroemulsion. Mikroemulsionen werden oft rnit Hilfe von Phasendiagrammen untersucht, die als Orientierungsplan die koexistierenden Phasen bei gegebener Temperatur zeigen; Abb. 3.3. Mikroemulsionen rnit ionischen Tensiden benotigen erhebliche Mengen an Tensid: Fur eine Mikroemulsion rnit einem Verhaltnis von Wasser und Kohlenwasserstoff I :1 sind etwa 15 % Tensid notwendig. Dies ist f i r verschiedene Anwendungen prohibitiv. Fur bestimmte nichtionische Tenside genugen kleinere Mengen, etwa 5 YOf i r einen Polyethylenglykolalkylether.Allerdings ist hier der Temperaturbereich f i r die O/W- und W/O-Mikroemulsionen sehr eng. Friberg [7] vertritt die Meinung, dass f i r den Fall, wo 75 YOeines Solvents durch eine wassrige Tensidlosung rnit 7.5 % ionischem Tensid (optimistischer Fall) ersetzt werden kann, also ein Kostenverhaltnis von Tensid : Solvent von 10 besteht, der okonomische Break-even Punkt erreicht ist. Heute sollen Kostenverhaltnisse von 4 noch tragbar sein, was zeigt, dass das Mikroemulsionen-Konzept okonomisch gesund sei! Es muss noch erwahnt werden, dass in einzelnen Fallen mit einem einzigen Tensid sehr niedrige Grenzflachenspannungen und damit Mikroemulsionen gebildet werden konnen. Dies ist moglich rnit ionischen Tensiden, die zwei KW-Ketten besitzen wie Ethyl-hexyl-sulfobern-
1 12
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen
steinsaure (Aerosol OT) und bei einigen nichtionischen Tensiden innerhalb eines engen Temperaturbereiches, in welchem ihre Olloslichkeit mit ihrer Wasserloslichkeit vergleichbar wird (PEG-Alkylether). Die Formulierung von W/O-Mikroemulsionen ist im Allgemeinen einfacher als von O/W-Systemen. Es ist schwieriger, die richtige Zusammensetzung von Ol und Emulgatoren fur W/O-Typen als f i r O/W-Typen zu finden. Aus diesem Grund werden O/W-Mikroemulsionen oft aus W/O-Mikroemulsionen durch nachtragliche Phaseninversion hergestellt [9].
3.1.2 Mikroemulsionstheorie Die Schulman-Bedingung fur Mikroemulsionen, y = 0, besagt, dass der Langmuir'sche Oberflachendruck der Tensidmolekule der molekularen Schicht gleich der Grenzflachenspannung zwischen Wasser und Ol ist (siehe Abschnitt 1 S.2). Die Tensidmolekiile nehmen dann an der OVWasser-Grenze die Gleichgewichtsflache & ein und besitzen die Energie ,us.Die Schulman-Bedingung erlaubt nun, das Verhaltnis der die Tensidmolekule enthaltenden OI/Wasser-Grenzflache S zum Volumen V mit geometrischen Eigenschaften des Tensidmolekiils in Beziehung zu setzen (vs: Volumen, I,: Lange, N,: Anzahl, Os: Volumenbruch der Tensidmolekule): (3.3) Des Weiteren definiert man von der Theorie her eine Persistenzlange 6, uber die sich eine Eigenschafi nicht wesentlich andert (z.B. lipophiler Innenbereich bei O/W-Mikroemulsionstropfchen). Man denkt sich sodann die Mikroemulsion unterteilt in Wurfel der Kantenlange {. Jeder Wurfel enthalt enhveder Ol oder Wasser; das Wurfelvolumen entspricht also ungefahr der GroBe eines Mikroemulsionstropfchens. Werden mit 00bzw. & die Volumenanteile von 0 1 und Wasser bezeichnet, so ergibt sich das Verhaltnis der gesamten OliWasser-Grenzflache S zum Volumen V nach statistischen Uberlegungen zu:
Die Kombination der Gleichungen (3.3) und (3.4) ergibt die interessante Beziehung (3.5).
Gleichung (3.5) wird als Definition der sog. Schulman-Linie angesehen, die im Gibbs'schen Phasendreieck die Zusammensetzungen gleicher Persistenzlange verbindet (Abb. 3.4).
3.1 Mikroemulsionen
1 13
S (Tensid)
W (Wasser)
0 (01)
Abb. 3.4. Phasendreieck eines Dreikomponenten-Systems. Die durchgezogene Kurve ist die Schulman-Linie, d.h. die Kurve konstanter Persistenzlange in einer Mikioemulsion.
Wie schon erwahnt, besitzen Mikroemulsionen sehr kleine Grenzflachenenergien; Gleichung (3.2). Welche Strukturen in den Mikroemulsionen vorliegen, hangt deshalb u.a. auch von der Kriimmungsenergie der Grenzflachen ab [lo]. Die Kriimmungsenergie Ek pro Einheitsflache der mononiolekularen Tensidschicht kann dargestellt werden gemaR Gleichung (3.6).
R , und R2 sind die Krummungsradien der Grenzflache, wie sie auch in der Gleichung nach Young-Laplace f i r Seifenblasen vorkommen (siehe Abb. 4.2). R, ist der Kriimmungsradius fur spontane Kriimmung. Diese Krummung entsteht aufgrund der Asymmetrie der lipophilen und hydrophilen Bereiche des Tensidmolekuls (siehe auch ,,Oriented Wedge Theorie"; Abb. 2.5). K und F sind die Kriimmungskonstanten f i r Steifigkeit und Gauss'sche Krummung. Die Bedeutung der Steifigkeit kann durch Vergleich mit der thermischen Energie illustriert werden. Man erwartet ungeordnete Mikroemulsionsphasen f i r K < kB.T und geordnete lamellare Phasen f i r K > kB.T. Hinweise auf bikontinuierliche, schwammartige Strukturen ergeben sich, falls R, < 6, und auf tropfenartige disperse Phasen deutet, falls R, > 6 (uber Persistenzlange 4 siehe weiter vorn). Das Vorzeichen von d R , steht nach der Regel von Bankroft (siehe Kapitel 2 ,,Emulsionen)" auch mit gewohnlichen Emulsionen im Zusammenhang. Im Fall ionischer Tenside wird Wasser mit steigender Temperatur ein zunehmend besseres Losemittel. Der Radius der spontanen Kriimmung kann dabei sein Vorzeichen wechseln und zu Phasenumkehr fihren. In Mikroemulsionen mit kleinem Olgehalt in kontinuierlicher wassriger Phase oder kleiner Wasserkonzentration in einer kontinuierlichen Olphase sind isolierte Nanotropfchen vorhanden. Erhoht man die Konzentration der jeweiligen dispergierten Phase, so
I 14
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen
muss eine Phasenumkehr stattfinden, z.B. von einer OiW- zu einer WiO-Mikroemulsion. Die dispergierte Phase geht dabei uber in eine kontinuierliche Phase und die kontinuierliche in eine dispergierte Phase. In einem Zwischenbereich der Konzentrationen existieren jedoch eine wassrige und eine olige kontinuierliche Phase nebeneinander, was einer bikontinuierlichen Mikroemulsion entspricht. Nach der Perkolationstheorie erfolgen diese Ubergange bei Konzentrationen von ca. 20 % und 80 % [ I I].
3.1.3 Anwendungsgebiete fur Mikroemulsionen Die generelle Applikation, wo ein apolares Losemittel durch eine wassrige TensidLosung ersetzt werden kann, ist besonders vom Standpunkt der Toxizitat und des Umweltschutzes interessant. Das wichtigste Anwendungsgebiet fur Mikroemulsionen liegt aber in der tertiaren Erdolgewinnung. Mit den konventionellen Methoden lassen sich heute hochstens SO % der Erdolvorrate wirtschaftlich ausbeuten (Primar und Sekundarforderung). Mit Hilfe von Mikroemulsionen und anderer Methoden (tertiare Forderung von Erdol) sollen die Ausbeuten um 10--20 % gesteigert werden. Das mit diesen Methoden nicht forderbare 0 1 gilt vorlaufig als nicht gewinnbar. Reinigung: lndustrielle Reinigungsprozesse umfassen generell die gleichzeitige Entfernung von hydrophobem Schmutz (Fett, 01, Lipide) und hydrophilem Schmutz (anorganische Salze, Pigmente, Zucker, Proteine). Hier konnen Emulsionssysteme gegenuber den klassischen Methoden fir Textilien und harte Oberflachen Fortschritte bringen, vor allem Mikroemulsionen, welche keine Probleme mit der Emulsionsstabilitat bringen. Im Vordergrund stehen O/W-Mikroemulsionen. Diese sind jedoch schwieriger mit Standardtensiden zu formulieren und neigen zum Schaumen. Wahrend die hohe Tensidkonzentration einen besseren Reinigungseffekt bringt, hat sie den Nachteil der hohen Kosten. Die neueren Entwicklungen und Patente betreffen hauptsachlich die chemische Reinigung von Textilien. Detergents-Losungen fur harte Oberflachen, welche hohe Konzentrationen an Pyrophosphat und Tripolyphosphate enthalten, konnen durch Zugabe von aromatischen oder anderen organischen Losemitteln zu Mikroemulsionen formuliert werden, die bessere Stabilitat und Reinigungswirkung haben. Kosmefik; Hier besteht ein groRes Einsatzgebiet fur Mikroemulsionen. Gefragt sind hier stabile und transparente Emulsionen, wofur Mikroemulsionen geeignet sind. Es werden vor allem OiW-Mikroemulsionen und weniger WiO-Typen verwendet. Als Solubilisierungsmittel fur Riechstoffole und Vitamine sind PolyoxyethyIenderivate von Sorbitanfettsaureestern und -ethern ublich, als Cosurfactants Pentanol und Hexanol oder die milderen Glykole, Cholesterin und nichtionischen Tenside als Additive zum Alkohol.
~
-
Weitere Anwendungsgebiete f%r Mikroemulsionen: Schmiermittel Emulsionspolymerisation Coatings Brennstoffe
G. Gillberg [ 121 gibt 245 Literatur-Referate an.
3.2 Vesikeln resp. Liposomen
1 15
AbschlieRend sol1 noch envahnt werden, dass die ersten Mikroemulsionen bereits 1928 durch ZufalI hergestellt wurden, namlich Camaubawachs in Wasser. Die Entwicklung derartiger ,,Emulsionen" entstand aus dem Gebiet der Haushaltsreinigungsprodukte. Zu erwahnen ist ,,Aerowax", eine selbsttatig polierende Bodenwachsformulierung, bestehend aus Camaubawachs, Olsaure, KOH, Borax und Wasser. Borax zersetzt sich bei hoherer Temperatur zu NaOH und Borsaure. Diese macht aus der Seife freie Fettsaure, welche in der Grenzschicht als Co-Tensid wirken sol1 (L. Prince). Andere ,,Vorlaufer" von Mikroemulsionen sind die Schneidole, Riechstoffole, Polymere, Pestizide in Form von Mikroemulsionen.
3.2 Vesikeln resp. Liposomen 3.2.1 Nomenklatur Phospholipide sind wichtige Substanzen in tierischen und pflanzlichen Zellen und werden als Formulierungshilfsstoffe im Nahrungsmittelsektor bei sehr vielen Produkten angewandt, denkt man beispielsweise an Sojalezithin. Wie in Kapitel 13 gezeigt, sind Phospholipide Ester von Glycerin mit zwei unterschiedlichen Fettsauren und einem Phosporsaureabkommling. Die groBe Variabilitat fiihrt zu sehr unterschiedlichen kolloiden Eigenschaften der diversen Phospholipide und deren Gemische. Zusammen mit Wasser sind solche Amphiphile befahigt, unterschiedliche lyotrope Mesophasen wie lamellare, hexagonale, kubische Phasen, aber auch Vesikeln bzw. Liposomen zu bilden (vergl. Abschnitt 1.8). Vesikeln sind dabei spezielle lamellare Phasen, bei denen die ,,Bilayermembranen" geschlossene, unilamellare oder multilamellare kugelformige oder ellipsoide Gebilde formen. Als Liposomen werden im engeren Sinne Vesikeln auf Basis von amphiphilen Lipiden aus biologischen Materialien bezeichnet. Oft wird der Begriff Liposom jedoch als Synonym f i r Vesikel gebraucht. Bangham et al. [ 131 gelang es mittels Elektronenmikroskopie zu zeigen, dass sich bei der Ultraschallbehandlung von lamellaren Phasen von Membranphospholipiden zellenartige Strukturen mit geschlossener Membran - ,,Mikrovesikeln" (kleine Blasen oder GefMe), damals ,,Bangosomes" genannt - bildeten. Leiten sich diese Bezeichnungen vom Namen des Entdeckers oder der Form der Assoziate ab, so deutet ,,Liposomen" auf ihre Bausteine, die Lipide, hin.
3.2.2 Phanomenologie In Abb. 3.5 ist ein multilamellares Liposom mit seinem zwiebelartigem Aufbau in elektronenmikroskopischer Darstellung zu sehen. Solche Vesikeln unterteilt man je nach Aufbau und GroRe in unterschiedliche Klassen, wie aus der Abbildung 3.6 zu ersehen ist.
1 I6
3 Mikroemirlsionen, Vesikeln resp. Liposomen
lpm
Abb. 3.5. Multilamellares Liposom in elektronenmikroskopiseher Oarstellung (Kryobruchtcchnik). Ecke rechts oben: Schematische Darstellung einer Phospholipid-Doppelschicht. Das abgebil-
dete Liposom enthiilt eine ganze Anzahl solcher Doppelschichten in konzentrischer Anordnung.
MLV
Multilamellar Vesicle 0 0.5 - 50 pm
LUV
Large Unilamellar Vesicle 0 0.1 - 2 p m
SUV
Small Unilamellar Vesicle
0 0.02-0.1 l m Abb. 3.6. Vesikcltypen.
Welcher Zusammenhang besteht nun aber zwischen Vesikeln und anderen Strukturen wie Mizellen oder Lamellen? Betrachtet man die Strukturen, die eine oberflachenaktive ionische Substanz bei Erhohung der Konzentration einnimmt, so werden beim Uberschreiten der kritischen Mizellkonzentration (CMC’) Mizellen gebildet. Die hydrophoben Krafte fuhren zu einer Verdichtung der KW-Ketten, wahrend die ionischen Kopfgruppen infolge starker AbstoRung versuchen, grofltmogliche Distanz zu wahren. Dadurch ergeben sich die kugelformigen Mizellen. Bei weiterer Erhohung der Konzentration wird die Ionisation und damit auch die gegenseitige AbstoRung der hydrophilen Kopfgruppen zuriickgedrangt. Wegen des verminderten Oberflachenbedarfs dieser Gruppen fuhrt eine Neuordnung zu zylindrischen Strukturen und des Weiteren zu Lamellen, bestehend aus
3.2 Vesikeln resp. Liposomen
1 17
Doppelschichten von amphiphilen Molekiilen, wobei die hydrophoben Teile sich beriihren und die hydrophilen Teile gegen die zwischen den Lamellen eingebettete Wasserschicht gerichtet sind. 1st der KW-Anteil eines Amphiphils so beschaffen, dass sein Oberflachenbedarf groR ist, beispielsweise wie bei einem Molekul mit zwei KW-Ketten, so werden entsprechende Phasen bei der Konzentrationserhohung ubersprungen. Im Allgemeinen tritt bei einfachen geradkettigen Tensiden die lamellare Phase auf. Die lamellare Phase Wllt jedoch aus, wenn die KW-Kette zu kurz (Caprylat) oder der hydrophile Teil sehr groB ist. Da die rgumliche Anordnung der Molekiile in erster Linie eine Platzbedarfsfrage ist Cjedoch unter Beriicksichtigung aller intermolekularer Wechselwirkungen), so wird versttindlich, dass Zusiitze wasser- oder olloslicher Substanzen diese Anordnung beeinflussen konnen. Soweit besprochen, sind diese Systeme thermodynamisch stabil. Je nach Weg, wie diese Zustande erzeugt werden sollen, sind aber auch metastabile Zwischenzustande moglich, oder aus thermodynamisch stabilen Systemen k6nnen durch Zufihrung von Energie metastabile Formen gewonnen werden. Die meisten Vesikel-Systeme sind solche metastabile Formen, die beispielsweise aus lamellaren Phasen durch mechanische Scherung erzeugt werden konnen.
3.2.3 Herstellung Um Vesikeln herzustellen, konnen verschiedene Techniken angewandt werden. Einzelne eignen sich nur f i r den LabormaRstab, andere eignen sich auch fiir den groatechnischen Einsatz.: MLV - Schiitteln von Lipidfilmen oder lyophilisiertem Schaum - GrbRenfraktionierung durch Filterextrusion LUV - Phasenumkehrverdampfng (reverse phase evaporation) SUV - Ultraschall - Hochdruckhomogenisator - Chelat-Dialyse (,,Lipoprep", Laborgergt) - Alkoholinjektion - Etherinjektion - Spontane Bildung durch Zusatz spezieller Lipide. Obschon Amphiphile mit zwei K W-Ketten wie Phosphatidylcholin bevorzugt werden, lassen sich auch mit ungesgttigten und gesattigten Fettsauren in f i r ihre Kettenlange spezifischen pH-Bereichen Vesikeln bilden, sofern oberhalb des Krafft-Punktes gearbeitet wird (bzgl. Krafft-Punkt vergl. Abb. 13.7). Oberhalb des Kraffl-Punktes, der in diesem Falle 7-1 0" unterhalb des Schmelzpunktes der Fettsguren liegt, konnen die KW-Ketten im Festkorper frei um ihre Lgngsachse rotieren. AuRerdem liegt ca. die HBlfte der Fettsauremolekule in undissoziierter Form vor. Alternativ kijnnen auch die entsprechenden Alkohole zugesetzt werden, was einen ghnlichen Effekt wie bei der Stabilisierung von Emulsionen bewirkt. Vergleichbare Resultate werden mit einem Gemisch von Natriumdodecylsulfat und Dodecanol erhalten.
1 18
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen
Nicht nur biologische, sondem auch synthetische Amphiphile mit zwei KW-Ketten wurden f i r Vesikel-Studien eingesetzt. Mortara et al. [ 141 stellten aus Dihexadecylphosphat (DHP) bei 55 "C durch Ultrabeschallung Vesikeln her. Diese waren unterhalb des Krafft-Punktes (35 "C) stabil, litten aber unter starkerer Salzempfindlichkeit als Vesikeln aus naturlich vorkommenden Phospholipiden. Kationische Vesikeln wurden von K. Deguchi und J. Mino [ 151 analog aus Dioctadecyldimethylammoniumchlorid (DODAC) hergestellt. Wie die DHP-Vesikeln sind auch die DODAC-Vesikeln elekrolytempfindlich. Bei groBerem Elektrolytgehalt als 0.1 m werden diese Surfactantvesikeln zerstort. Eine grolje Anzahl von kationischen, anionischen, amphoteren und nichtionischen, zwei KW-Ketten enthaltende Amphiphile wurden von T. Kunitake [ 161 untersucht. Es wurde festgestellt, dass alle Amphotere, welche zwei KW-Ketten von 10-20 C besitzen, in wassrigem Medium Lamellen bilden. Die beiden Ketten konnen unterschiedlich lang sein. Die kurzerkettigen Amphiphile, mit Krafft-Punkt unterhalb Raumtemperatur, bilden spontan multilamellare Vesikeln. Weitere Beispiele sind in Tabelle 3.2 zusammengestellt. Diese geben auch einen Uberblick uber Typ und GroBe der dabei gebildeten Vesikeln.
Tabelle 3.2. Beispiele zur Herstellung von Vesikeln. ~
~~
VesikelgroBe 0 [A1 TYP Injeklionsmethode SUV 250 SUV 600-1200
~
~~~
Kolloid
Methode
Lecithin
Injektion einer ethanolischen Losung oder Etherlosung des Phospholipids in Wasser oberhalb des Krafft-Punktes; Aufionzentrierung durch U Itrafiltration [17, 181.
Verdampfungsmerhode LUV + 2000-10 000 PhosphoMLV lipide
Zugabe einer wassrigen Pufferlosung zu einer Mischung aus Phospholipid und organischem Losemittel; Abdestillieren des organischen Losemittels im Vakuum. Es entstehen unilamellare und oligolamellare Vesikeln mit groljem eingeschlossenem, wassrigem Anteil (bis 65 YO), der wasserlosliche Wirkstoffe enthalten kann [19].
Mechanische Scherung MLV >5000 ex ovoManuelle Ruhrung (5 min) MLV 1000-I0 000 Phospholipid- Wirbelriihrung (1 h) SUV 300-1000 emulsion Ultrabeschallung ( 1 5 min) [20]. Vergr6Jerung von Vesikeln LUV 3000-10 000 Phosphatidyl- Zugabe von Ca'4 zu SUV, gefolgt von Ca2'Komplexierung mit EDTA [2 I]. serin
3.2 Vesikeln resp. Liposomen
1 19
Im LabormaBstab besteht die am meisten angewandte Art zur Herstellung von Vesikelpraparaten in der Ultrabeschallung der die amphiphilen Molekule enthaltenden Losungen. Bei ganz kurzzeitiger Beschallung entstehen dabei multilamellare Vesikeln, wahrend bei Iangerer Behandlung diese in kleine unilamellare Vesikeln ubergehen. In vielen Fallen ist es jedoch auch moglich, durch einfaches Scheren in einem Mischer wie Homogenisator, Kolloidmuhle etc., die auch in der Emulgiertechnik gebraucht werden, Vesikeln zu erzeugen (vergl. Kapitel 2). Diese Verfahren sind insbesondere fiir den Fabrikationsmal3stab von Interesse. So konnten in einer Apparatur gemal3 Abb. 3.7 Formulierungen von unilamellaren, den Wirkstoff ,,Econazole" enthaltenden Vesikeln im 500 kg-Mal3stab produziert werden [22]. Dem Verfahren wurde die in Tabelle 3.2 zitierte Ethanol-lnjektionsmethode von Batzri und Korn [ 171 zugrunde gelegt. Dabei wurde eine ethanolische Losung von Wirkstoff und Lecithin unter Druck (Pumpencharakteristik 0.1-300 bar) in eine wassrige Pufferlosung, enthaltend Elektolyte, und Antioxidans, eingespritzt. Die Umpumprate der wassrigen Losung muss mindestens 50 ma1 groRer als die Einspritzrate der organischen Losung sein. Die Vesikelbildung erfolgte in einem Homogenisator (Charakteristik: 1500-20 000 Upm). Mit dem eingesetzten Wirkstoff bildeten sich stabilste Liposomen bei pH 5-7.
Kessel2
1 Mischeinheit 2 Ethanolische Wirkstoff/Lecithin-Losung 3 Zuleitungen zurn lnjektor 4 Pumpe
7 Hornogenisator 8 Zirkulationsleitungenfur Elektrolyt 9 Mischeinheit 10 ElektrolytlOsung
5 Filter 6 Injektor/Rotor-Stator
11 Einlassventil fur pH-Regulierung
Abb. 3.7. Apparatur zur Herstellung von Vesikelformulierungen (Fa. Cilag, Schaflhausen, aus
[221).
Abbildung 3.8 zeigt die Massensummenkurven der Vesikeln einzelner Chargen, die in dieser Apparatur unter Variation der Prozessparameter hergestellt wurden. Die bimodalen Verteilungen deuten auf das Vorhandensein von multilamellaren, zusatzlich zu den unilamellaren Vesikeln. Je nach Prozessfiihrung - Dauer der Homogenisierung, Rotati-
120
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen
onsraten, Einspritz-iZirkulationsratenverhaltnis etc. - konnen so Formulierungen entstehen, die auRer unilamellaren Vesikeln 0-70 Massen-% multilamellare Vesikeln enthalten.
0 VesikelgrORe [nm]
Abb. 3.8. Massensummenkurven von ,,Econazole" enthaltenden Lecithin-Vesikel-Chargen [22].
Ein Problem ist die Sterilisierung der Produkte. Feinteilige Formulierungen konnen durch Filter mit kleinerer PorengroRe als 200 nm filtriert werden. GroRere Vesikeln mussen jedoch unter aseptischen Bedingungen unter Verwendung steriler Losungen hergestellt werden. Hinsichtlich Lagerung der flussigen Vesikelformulierungen gelten ahnliche Aspekte wie f i r Dispersionen. So mussen beispielsweise Flockulierung und Sediment-Cacking durch geeignete MaBnamen verhindert werden. Altemativ werden Vesikeln auch unter Zusatz von Disacchariden lyophilisiert oder spriihgetrocknet, um stabile Formen zu erhalten.
3.2.4 Amphiphile Uber einige Typen von Amphiphilen, die sich zur Vesikelherstellung eignen, wurde bereits im vorherigen Abschnitt berichtet. Von Interesse sind jedoch vor allem die naturlichen Amphiphile. Es sind dies Gemische von verschiedenen Lipiden. Ein wichtiges Amphiphil ist Phospatidylcholin (vergl. Abb. 3.9), das auch als Lecithin bezeichnet wird. Es enthalt verschiedene Komponenten, die sich in ihren Fettsaureresten unterscheiden. Es sind dies zur Hauptsache ungesattigte Fettsauren, wie aus Tabelle 3.3 ersichtlich ist. Dargestellt sind die an Phosphatidylcholin gebundenen Fettsauren in gereinigtem Sojaphosphatidylcholin ,,Epicuron 200". Tabelle 3.3. Gebundene Fettsauren in Soja-Phosphatidylcholin ,,Epicuron 200" [23]. Fettsauren Massenanteil 1%1
c 8
c 1 6
cl6 I
c 1 8
0.8
12.2
0.4
2.7
CIS I 10.7
CIS2 67.2
CIS3 6.0
3.2 Vesikeln resp. Liposomen
12 1
Im erweiterten Sinn wird der Term Lecithin f i r Sojalecithin venvendet, das aus einem Gemisch von verschiedenen Phosphatiden besteht (vergl. Abb. 3.9) und neben 2-5 % Sterinen, 5 % Kohlenhydraten auch 33-35 % Sojaol enthalt.
Phosphatidyl-
-X
:+I -8, y-
-0-CH,-CH,-
Sew.-% y
o-P-x
3
NkH3 I CH3
-0-CH,-CH,-NH,
I1
-cholin
19 - 21
- ethanolamin
8 - 20
0 20 - 21
'
6H
andere Phosphatide z.6.: -0- CH,-CH-COOH I NH,
5 - 11
-serin
Abb. 3.9. Phosphatide in Sojalecithin.
Um optimale Vesikeleigenschaften zu erzielen, mussen oft Blends von diversen Lipiden eingesetzt werden. Tabelle 3.4 zeigt einige venvendetete Lipidmischungen. Solche Lipidmischungen eignen sich zur Herstellung von LCL (,,Long-Circulating Liposomes", wie sie fir die parenterale Applikation bei der Krebstherapie eingesetzt werden.
Ta belle 3.4. Lipidmischungen zur Vesikelherstellung. LiDide HPI/HSPC/Chol/TC PEG-DSPE/HSPC/Chol/TC DSPC/Chol DPPC/Chol
Molverhgltnis
Referenz
1 :9:5-8:0.1 5.556.1 :38.2:0.2 2: 1 55:45
1241 [251 [261 D71
Chol: Cholesterin; DSPC: Disteaorylphosphatidylcholin;DPPC: Dipalmitoylphosphatidylcholin; HPI: hydriertes Phosphatidylinosit; HSPC: Hydriertes Soja-Phosphatidylcholin; PEG-DSPE: Polyethylenglykol (M 1900)-modifiziertes Disteaorylphosphatidylethanolamin;TC: a-Tocopherol.
Auch polymerisierbare Amphiphile werden eingesetzt, um die Stabilitat von Vesikein zu erhohen. Wegen der wesentlich geringeren Monomeren-Austauschrate bei Vesikeln gelingt die Polymerisation hier vie1 besser als bei Mizellen.
122
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen
3.2.5 Eigenschaften Die kinetische Stabilitat von Doppelschichtmembranen ist wesentlich groBer als diejenige von Mizellen. Mizellen befinden sich im raschen dynamischen Gleichgewicht mit den Monomeren, wahrend Vesikeln, einmal gebildet, wahrend Wochen oder Monaten stabil sind. Grund ist das vie1 langsamere Wegdifindieren der Monomeren (vergl. Tabelle 3.5).
Tabelle 3.5. Vergleich von Mizellen, Mikroemulsionen und Vesikeln [28].
a,
Molgewicht Durchmesser [A] Solubilisate pro Aggregat Monomerausstauschrate [s] Aufenthaltsdauer Solubilisat [s] Verdunnung mit H 2 0
Mizellen 20004000 30-60 wenige - 1o - ~ I 03-I O5 zerstort
Mikroemulsionen 105-106 50-1 000 viele - 1o - ~ 103-1 o5 geandert
Vesikeln >lo7
300-5000 viele >sec >sec stabil
Wie f i r die Formierung von Mizellen, die bei der CMC beginnt, gibt es auch fur Vesikeln eine Minimalkonzentration, ab welcher erst Aggregate gebildet werden konnen. Fur DODAC-Vesikeln liegt diese bei (8*4).10-6 mol/l [29]. Im Gegensatz zu Mizellen werden einmal gebildete Vesikeln durch Verdiinnen beim Unterschreiten dieser Konzentration nicht zerstort. Kationische und anionische Vesikeln sind uber einen groRen pH-Bereich stabil. Sie werden aber zersetzt unter dem Einfluss von Elektrolytlosungen mit Konzentrationen > 0.1 m oder durch diverse Stoffe wie niedermolekulare Alkohole, oder auch Dodecylsulfat. Anders ist es bei polymerisierten Vesikeln, die gegen diese Einflusse stabil sind. Wohl kann Flockulierung, Ausfallung nach ahnlichen Mechanismen, wie bei Emulsionen und Feststoffdispersionen geschehen, aber im Sediment sind weiterhin kugelige Gebilde feststellbar. Auch hinsichtlich Dispersionsstabilisierung gilt Ahnliches wie f i r Emulsionen und Feststoffdispersionen. Koaleszenz von kleinen Vesikeln kann durch Zugabe geeigneter Polymere verhindert werden, wie z.B. Polyethylenglykol (6000) und Polyvinylpyrrolidon. Wie Vesikeln organisiert sein konnen, sol1 anhand der kationischen DODAC-Vesikel (Dioctadecyldimethylammomiumchlorid)skizziert werden; Abb. 3.10. Betrachtet man die Feinstruktur dieses Gebildes, so findet man, dass es aus einer Reihe verschiedener Zonen besteht: auRere wassrige Phase, lipophile Phase, innere wassrige Phase und zusatzlich eine aunere und innere geladene Zone, die sich wie bei Polyelektrolyten weiter unterteilen lassen. An die weitgehend ionisierten Kopfgruppen schlieBt sich eine im elektrischen Feld ausgerichtete und verdichtete wassrige Schicht an, gefolgt von einer Wolke von Gegenionen.
3.2 Vesikeln resp. Liposomen
123
Wie in Abb. 3.10 angedeutet, konnen sich, j e nach ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften, Gastmolekule in jedem dieser Bereiche aufhalten und dort konzentriert werden. In DODAC-Vesikeln lassen sich beispielsweise Hydroxylionen konzentrieren. Wenn das pH in der auReren wassrigen Phase auf pH 8.75 eingestellt wird, so betragt es im Vesikel-Innern >I0 [29]. GroRe wasserlosliche Molekiile kbnnen im Innern der Vesikeln eingeschlossen werden. Dabei spielen die elektrostatischen Wechselwirkungen mit der Membran eine wichtige Rolle. So ist die Aufnahmeftihigkeit von DODAC-Vesikeln f i r zwitterionische Aminosauren gering, wahrend die anionische Form von 8-Azaguanin weitgehend eingeschlossen wird. Der Zeitrahmen fiir den Einschluss betragt Stunden bis Tage. Im Gegensatz dazu verbleiben in der Lipidmembran eingeschlossene lipophile Gastmolekiile dort wahrend der Lebensdauer der Vesikeln. Vesikeln sind osmotisch aktiv. Bei groaerer Elektrolytkonzentration in der aul3eren wassrigen Phase ziehen sie sich zusammen, w2hrend im umgekehrten Fall Quellung eintritt. Das Permeationsverhalten der Lipidmembran kann allerdings gesteuert werden, z.B. durch die Lipidzusammensetzung, wie in Tabelle 3.4 angegeben (,,Cholesterin dichtet ab"). Die Undichtigkeit ist am groBten bei der Phaseniibergangstemperatur.
Kationische Amphiphile
0
-
Negativ geladene Molekule, adsorbiert an innerer und auRerer Membranflache Positiv aeladene Molekule. zusamiengedrangt in innerer Phase Hydrophobe Molekule, interkalierl in Bilayer
Abb. 3.10. Schematische Darstellung einer kationischen DODAC-Vesikel (ohne Gegenionen); analog [28].
Literatur zu Kapitel 3: [I] [2] [3] [4]
J. H. Schulman, T. P. Hoar, Nature (London) 152, 102 (1943). G. Gillberg, H. Lethinen, S. Friberg, J. Coll. Interface Sci. 33,40 (1970). K. Shinoda, S. Friberg, Adv. Coll. Interface Sci. 4, 281 (1975). S. Friberg, Chemtech 6, 124 (1976).
124
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen
M. Borkovec, J. Chem Phys. 91,6268 (1989). J. T. Overbeek, Proceedings 889, 87 (1986). S. Friberg , J. Dispersion Science Technol. 6, 3 17 (1985). P. G. de Gennes, C. Taupin, J. Phys. Chem. 86,2294 (1982). L. M. Prince, Microemulsions, Academic Press, Inc., New York, San Francisco, 1977. H.-F. Eicke, Seifen - Ole - Fette - Waschmittel 118, 3 1 1 (1992). M. Borovec, H.-F. Eicke, H. Hammerich, B. D. Gupta, J. Phys. Chem. 92,206 (1988). G. Gillberg, in Emulsions and Emulsion Technology, Part 111, 1 (K. J. Lissant, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, Basel, 1984. A. D. Bangham, H. M. Standish, H. M. Watkins, J. Mol. Biol. 13,238 (1965). R. A. Mortara, F. H. Quiana, H. Chaimovich, Biochim. Biophys. Res. Comm. 81, 1080 (1978). K. Deguchi, J. Mino, J. Colloid Interface Sci. 65, 155 (1978). T. Kunitake, J. Macromol. Sci. Chem. A 13, 587 (1979). S. Batui, E. D. Korn, Biochim. Biophys. Acta 298, 1015 (1973). D. Deamer, A. D. Bangham, Biochim. Biophys. Acta 443,629 (1976). F. Szoka, D. Papahadjopoulos, Proc. Nat. Acad. Sci. USA 75,4194 (1978). E. Marchelli, U. Bucciarelli, DOS 29 46 601 (1 7.1 1.78). D. Papahadjopoulos, W. J. Vail, K. Jacobson, G. Poste, Biochim. Biophys. Acta 394,483 (1975). R. Naeff, in Liposomes, Erganzungskurs Pharmazie, Pharmazeutisches Institut Universitat Basel, 1994; Grusbach Conference: Liposome Dermatics, SpringerVerlag, Berlin Heidelberg, p. 93, 1992. B. BergenstHhl, K. Fontell, Progr. Colloid & Polymer Sci. 68,48 (1983). A. Gabizon, D. C. Price, J. Huberty, R. S. Bresalier, D. Papahadjopoulos, Cancer Res. 50,6371 (1990). J. Vaage, D. Donovan, E. Mayhew, R. Abra, A. Huang, Cancer 72,367 1 (1993). E. A. Forssen, D. M. Coulter, R. T. Profitt, Cancer Res. 52,3255 (1 992). M. B. Bally, R. Nayar, D. Masin, M. J. Hope, P. R. Cullis, L. D. Mayer, Biochim. Biophys. Acta 1023, 133 (1990). J. H. Fendler, J. Phys. Chem. 84, 1485 (1980). J. H. Fendler, W. L. Hinze, JACS 103, 5439 (1981).
4 Schaum
4.1 Allgemeines Schaum ist eine grobe Dispersion eines Gases in einer Flussigkeit, wobei der gr6l3te Teil des Phasenvolumens aus Gas besteht, und die Flussigkeit sich in dunnen Schichten, sog. Lamellen, zwischen den Gasblasen befindet. Typische wbsrige Schtiume bestehen zu 95 % aus Luft und nur zu 5 % aus Fliissigkeit. Von dieser sind mehr als 95 YOWasser, der Rest besteht aus Tensiden und anderen Stoffen. Allgemeines uber Schaum ist zu finden bei [ 1-51. Wie jede andere Form von Materie behtilt auch ein Schaum seine Struktur nur so lange bei, wie er sich nicht in einen anderen, energiearmeren Zustand umwandeln kann. Ein Schaum versucht also immer eine Struktur anzunehmen, bei der die Filme (Wtinde der Lamellen) eine m6glichst kleine Ausdehnung haben. Ein Schaum kann niemals thermodynamisch stabil sein. Wenn eine Fliissigkeitslamelle bricht, zefillt sie in Tropfen mit einer kleineren totalen Oberfltiche, und daher erfolgt eine Abnahme der freien Energie des Systems. Schtiume von reinen Fliissigkeiten und Gasen sind extrem instabil, die Lebensdauer liegt unter einer Sekunde. Man kann zwei Typen von Schtiumen unterscheiden: den Kugel- und den Polyederschaum; Abb. 4.1.
Kugelschaum
Polyederschaum
Abb. 4.1. Schaum-Typen.
Kugelschaume bestehen aus einzelnen selbstandigen Blasen. lhre Entstehung ist nicht an die Gegenwart von grenzflachenaktiven Stoffen gebunden. Die Stabilittit wird durch die Viskositat des Dispergiermediums bedingt. Bei hoher Viskositat nimmt die Lebensdauer stark zu. Polyederschaume entstehen nur in Gegenwart von grenzflachenaktiven Verbindungen. Ein wichtiges Merkmal ist das rasche Wachstum von groljen Blasen auf Kosten der kleineren. Nach der Gleichung von Young-Laplace (Abb. 4.2) ist der Druck in einer kleinen Blase grbBer als in einer Blase mit groBerem Radius, entsprechend der gr6Beren
126
4Schaum
Krummung der Grenzflache der kleinen Blase. Wenn die zwei Blasen miteinander in Kontakt sind, wachst die groDere, und die kleinere nimmt in ihrer GroBe ab; Abb. 4.2. I
Young-Laplace:
I
Druckunterschied an Seifenblasen: 2y
AP = 7
Spezialfall der Gleichung
von Young-Laplace
Abb. 4.2. Phanomene an gekrummten Oberflachen.
Die Gasblasen eines Schaumes, die urspriinglich kugelformig sind, nehmen rasch eine Struktur mit dichter Packung an, in der die einzelnen Blasen durch dunne Flussigkeitsfilme getrennt sind. Der Druckunterschied zwischen den Grenzflachen ist gewohnlich sehr gering, sodass die individuellen Schaumlamellen aus Polyedern bestehen, die durch ebene Seiten miteinander verbunden sind. In Abb. 4.3 ist das Schema einer Schaumstruktur dargestellt. Das Gebiet, wo drei Gasblasen zusammenstoflen, wird nach dem Physiker Plateau benannt: ,,Plateau Border". lnfolge der Schwerkraft und der Oberflachenspannung findet eine Entwasserung oder Drainage des Schaumes statt. Der Druck in der Flussigkeit an der Plateau Border ist wegen der negativen Kriimmung kleiner als daneben. Wird ein Film durch Entzug von Wasser ausgedunnt, entstehen ab einer bestimmten Filmdicke Grenzflachenkrafte, die einem weiteren Schrumpfen entgegenwirken. Diese Krafte konnen von elektrischer oder sterischer Natur sein. Sie gehen von den Molekulen aus, die die Flussigkeit uberhaupt erst zur Schaumbildung befahigen, den Tensiden. Wenn sich zerstorende und bewahrende Krafte das Gleichgewicht halten, sind die Lamellen im Schaum metastabil, d.h. stabil gegen kleine Anderungen. Beispiel: Bierschaum bildet nach Einschenken die ,,Blume" (idealer Kugelschaum), welche langsam schrumpft, sodass der Flussigkeitsspiegel sinkt. Die bei der Verflussigung des Schaumes verbleibenden Blasen venvandeln sich als Reaktion auf das sich andernde Kraftegleich-
4.2 Schaumstabilisierung
121
gewicht aus Kugeln in Polyeder. Aus dem nassen Schaum wird ein trockener, die Zellen beginnen einander zu beeinflussen und bilden einen Polyederschaum (Abb. 4.1).
Border
._.-...
...--__.____.....~
Draii
Wasser
Abb. 4.3. Schematische Darstellung der Schaumstruktur; analog [6].
4.2 Schaumstabilisierung Man kann sich fragen, warum ein Schaum nach seiner Entstehung nicht sofort wieder zusammenftillt. Der ,,Zweiblasenschaum" nach Abb. 4.2 mit einer grorjeren und einer kleineren Blase ist von Natur aus instabil. Durch Zusatz von Tensiden Iasst er sich jedoch stabilisieren. Diese Stabilisierung beruht auf zwei verwandten Phanomenen, die schon im 19. Jahrhundert beschrieben wurden, von J. W. Gibbs und von C. G. Marangoni. Der Gibbs-Effekt tritt auf, wenn ein dunner Film, in dem Tensidmolekule gelost sind, gestreckt wird; Abb. 4.4. Dadurch vergrorjert sich die Oberflache des Films und weitere Tensidmolekiile finden dort Platz. Nach der Streckung des Films befinden sich jedoch weniger Tensidmolekiile in der Grenzschicht als zuvor. Die Oberflachenspannung steigt an, der gestreckte Film versucht, sich wie eine elastische Haut zusammenzuziehen. Man spricht von einer ,,Gibbs-Filmelastizitat'. Zugleich findet unter der Oberflache ein Fliissigkeitstransport statt. Dieses zweite Phanomen, der Marangoni-Effekt, tritt nur voriibergehend auf. Das riihrt daher, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis Tensidmolekiile aus dem Innern der Flussigkeit an die Oberflache des gerade gestreckten Films gewandert sind. Zunachst hat eine solche gestreckte Grenzflache also eine stark erniedrigte Tensidkonzentration und ihre Grenzflachenspannung ist noch grorjer, als nach dem GibbsEffekt zu envarten ware. Wahrend Tensidmolekiile zur Oberflache difindieren, und der Film sich dem Gleichgewichtszustand nahert, geht die Oberflachenspannung dann langsam auf den Gibbs-Wert zuriick. Gemeinsam stabilisieren beide Effekte den Schaum gegenuber kleinen Schwankungen der Blasengrorje und Filmdicke. Die Filmelastizitat ist eine notwendige Bedingung fur stabile Schaume. Der Marangoni-Effekt spielt auch eine wichtige Rolle zur Verhinderung der Koaleszenz von Emulsionen. Er ist verantwortlich fiir die technisch a d e r s t wichtige Filmelasti-
128
4Schaum
zitat. Fur Liebhaber guter Rotweine sei als amusantes Beispiel des Marangonieffekts die im Weinglas zu beobachtenden groBen Rotweintropfen an der Glaswand envahnt.
I nichtgestreckt7r Film
--_-----I
, , ,
I
8-
----____
verminderte Tensidkonzentration-1 erhohte Oberflachenspannung i,gestreckter F’lm
.
_-,
“Tensidmolekule
mechanische lnstabilitat des Films
Abb. 4.4. Stabilisierung von Tensid-Filmen durch Gibbs- und Marangoni-Effekt; analog [6, 71.
4.3 Krafte in dunnen Filmen Durch allmahlichen Fliissigkeitsverlust geht ein Schaum vom nassen in den trockenen Zustand uber. Einer urspriinglich dicken Lamelle wird durch die Saugwirkung der Plateau-Zone Flussigkeit entzogen (Abb. 4.5). SchlieBlich ist sie so diinn geworden, dass ihre beiden Oberflachen aufeinander einzuwirken beginnen.
Stromungsrichtung der Flussigkeit in Schaumlamellen
Abb. 4.5. Flussigkeitsstromung beim Plateau-Border
4.3 Krailfte in diinnen Filmen
129
AuBer dieser Saugwirkung sind es die van der Waals-Krafte sowie elektrostatische und sterische Krafte, die auf den Film wirken, diesen jedoch eher stabilisieren. Die van der Waals-Krafte bewirken eine Anziehung der Grenzflachen eines diinnen Films, pressen ihn zusammen, sodass er verst&kt Fliissigkeit abgibt. Die elektrostatischen Krafte, die in einem diinnen Film auftreten, wenn in der Fliissigkeit geladene Molekiile gelost sind und sich die Ionen der einen Sorte bevorzugt an der Grenzflgche aufhalten und geladene Grenzschichten bilden, fiihren zu einer AbstoRung beim Austrocknen, d.h. Nahern der Grenzschichten und Verhinderung einer weiteren Schrumpfung; Abb. 4.6,4.7.
-;-;
+
A+-+
Ma$+:
-
4 -++-+ + --+ -+ 4 , . -+4 +-+/\/\.o
I->+++ -++ ++
Luft
wassrige Lbsung
ti
r
Elektrische Doppelschicht durch Adsorption eines anionischen Tensids an der Grenzflache Wasser/Luft. Ubenchuss an +Ladungen in der diffusen Doppelschicht als Funktion der Distanz zur Obefflache
4++++ o.rv\
4 -++ +
-
-HH Annaherung von zwei geladenen Obefflachen e m s Films Freie Wechselwirkungsenergie der Obefflachen als Funktion der Filmdicke H. (i) niedriger (ii) hoher Elektrolytgehalt
H Film stabilisieri mit nichtionischem Tensid Freie Wechselwirkungsenergie als Funktion der Filmdicke H
Abb. 4.6. Wechselwirkungen der Oberflachen von Schaumlamellen [8].
130
4Schaum
Schaumlamelle f -
Luff
T
---p0
I
0q-
Uberlappung der Doppelschichten
Luff
I
Abb. 4.7. Elektrostatische Stabilisierung einer Schaumlamelle [9].
Auch sterische Krafte konnen eine Abstoljung bewirken, und zwar in Anwesenheit von makromolekularen Stabilisatoren. Es konnen sich in einem diinnen Film munchmal auch Fliissigkristalle bilden, die in einem groj'en Volumen derselben Fliissigkeit nicht entstehen. Sind die dem Ausdunnen entgegenstehenden Krafte grolj genug, schrumpft der Film nur bis zu einer Dicke, bei der er metastabil ist. Qualitativ wurde in einzelnen Fallen eine Korrelation der Schaumstabilitat zur Filmviskositat gefunden, die aber nicht klar ist. Allgemein zeigte sich, dass instabile Schaume entstehen, wenn die Viskositat des Films entweder sehr hoch oder sehr niedrig ist.
4.4 Schaumbildner Allgemein gilt, j e niedriger die CMC eines Tensids ist, umso efJizienter ist es a1.s Schaumbildner. Die Wirkung von Tensiden als Schaumbildner hangt von deren Struktur ab. Fur praktische Zwecke muss der Schaum nach seiner Entstehung eine gute Stabilitat gegen mechanischen und thermischen Schock haben. Dies erfordert Molekule, welche sich dicht packen lassen und einen Film bilden, der mechanisch fest ist. Dazu muss die hydrophobe Gruppe lang und gestreckt sein. Da eine Verlangerung der hydrophoben Gruppe die Wirkung des Molekuls zur Erniedrigung der Oberflachenspannung reduziert, sollten gute Schaumbildner eine mittlere Kettenlange haben, etwa 12-14 C-Atome fur Na-Alkylsulfate und Seifen fur 20 "C. Fur hohere Temperaturen, z.B. 60 "C, sind 16 CAtome optimal, fur Temperaturen nahe dem Siedepunkt: C18-Verbindungen. Nichtionische Tenside produzieren allgemein weniger und wesentlich instuhileren Schuum als ionische Tenside in ionischen Medien.
4.5 Schaumstabilisatoren
13 1
4.5 Schaumstabilisatoren Die Schaumbildungseigenschaften von Tensidlosungen konnen wirkungsvoll durch die Zugabe von geeigneten organischen Additiven modifiziert werden. Losungen mit ausgezeichneten Schaumungseigenschaften konnen zu wenig oder zu nichtschaumenden Formulierungen umgewandelt werden, schwach schaumende zu stark schaumenden Produkten, durch geringe Mengen von Additiven. Die Modifizierung der Schaumungseigenschaften ist von groBer praktischer Bedeutung. Die effektivsten Additive zur Erhohung der Stabilitat von Schaum, hervorgerufen durch Tensidlosungen, sind langkettige, oft wasserunlosliche polare Verbindungen mit geradkettigen KW-Gruppen von ungefaihr derselben L h g e wie die hydrophobe Gruppe des Tensids. Beispiele: Laurylalkohol als Additiv f i r Na-Dodecylsulfat, N,N-bis (hydroxyethy1)lauramid als Additiv zu Dodecylbenzolsulfonat, Laurinsaure fiir Na-Laurat, N,N-dimethyldodecylaminoxid f i r Dodecylbenzolsulfonat und andere anionische Tenside. lnteressant ist die Feststellung, dass die Zugabe von Verbindungen, welche die Ladung eines ionischen Tensids neutralisieren oder abpuffern, die Oberflachenspannung weiter verkleinert und die Schaumbildung verstarkt. Langkettige Aminoxide des Typs RN(CH3)*0, welche selbst oberflachenaktiv sind, werden in flussigen Geschinwaschmitteln, welche anionische Tenside in der Formulierung enthalten, als Schaumstabilisatoren verwendet. Die Aminoxide nehmen vom anionischen Tensid ein Proton auf, unter Bildung von RN(CH3)*0H' . R-S03-,welches einen vie1 dichter gepackten Film als jede einzelne Komponente bildet, infolge der Neutralisation der ionischen Kopfgruppen. Diese Verbindung ist vie1 starker oberflachenaktiv als das Aminoxid oder das anionische Tensid und zeigt ausgezeichnetes und besseres Schaumverhalten als die Einzelkomponenten. Die optimale Wirkung hangt vom Verhaltnis der zwei Komponenten und vom R des Aminoxids ab.
4.6 Antifoam-Additive Antifoam-Additive wirken schaumzerstorend, indem sie den schaumbildenden Oberflachenfilm durch einen total verschiedenen Filmtyp ersetzen. Sie mussen dazu alle Schaumstabilisatoren, wie Tenside im Film, ersetzen. Zu diesem Zweck mussen sie in reinem Zustand eine genugend tiefe Oberflachenspannung haben, sodass sie spontan uber den Film spreiten konnen. Ihr Spreitungskoeffizient S,, = ySA- ysL- yLAmuss also positiv sein. Sie mussen fast unloslich in der Schaumlosung sein, doch nur so weit, dass sie noch im Oberflachenfilm als Komponenten vorhanden sind. Man hat zwei Typen zu unterscheiden: Schaumbrecher und Schauminhibitoren. Schaumbrecher zerstoren den existierenden Schaum. Sie wirken zum einen durch Reduktion der Oberflachenspannung in lokalen Gebieten auf extrem niedrige Werte, wodurch diese Stellen sehr rasch ausdunnen, und der Schaum durch den Zug der umgeben-
132
4Schaum
den Regionen mit hoherer Oberflachenspannung bricht. Ethylether mit y = 17 mN/m und i-Amylalkohol in kleinen Mengen wirken auf diese Weise. Sie wirken zum anderen durch Verstarkung der Entwasserung des Schaumfilms und dadurch Verkurzung seiner Lebensdauer. In diesem Sinne wirkt Tributylphosphat, welches die Oberflachenviskositat stark herabsetzt. Schauminhibitoren verhindern die Bildung von Schaum. Sie wirken durch Eliminierung der Filmelastitzitat. Sie erzeugen eine Oberflache, welche eine konstante Oberflachenspannung hat, wenn diese expandiert oder kontrahiert wird. Einige Inhibitoren bewirken dies durch Uberschwemmen der Oberflache mit nichtschaumenden, schnell diffundierenden, nicht kohasiven, nur schwach oberflachenaktiven Molekiilen, sodass jeder Anstieg der Oberflachenspannung infolge Filmexpansion rasch riickgangig gemacht wird. Einige Netzmittel und EOPO- Blockpolymere wirken in dieser Weise. Andere lnhibitoren wirken, indem sie den elastischen Oberflachenfilm durch einen sproden, dichtgepackten Film ersetzen. Dies ist der Fall bei Ca-Salzen von langkettigen Fettsauren (Stearin- und Palmitinsaure fiir Schaume von Na-Dodecylbenzolsulfonat und Na-Laurylsulfat). Die Ca-Seifenfilme produzieren einen instabilen Schaum. Wenn die Ca-Seife mit dem Tensid einen echten gemischten Film bilden kann, wird der Schaum nicht zerstort. Schaumbrecher und Schauminhibitoren konnen in ihren Eigenschaften additiv sein, und ihre Mischungen konnen sehr gute schaumbrechende als auch schaumverhindernde Eigenschaften haben. Weitere Schauminhibitoren sind: - Octanol wird bei der Papierherstellung und in Elektroplating-Badern eingesetzt. Breit und allgemein venvendbar sind Silicone, bei Konzentrationen von 10 ppm. Diese Additive wirken durch bevorzugte starke Adsorption. - Perfluoralkohole sind als Schaumbrecher und Antischaummitel wirksam. - 4-Methyl-2-pentanol und 2-Ethyl-hexanol sind wirksame Antischaummittel fur Detergentien.
Literatur zu Kapitel 4: A. W. Adamson, Physical Chemistry of Surfaces, 4Ih edn., Wiley-Interscience, New York, 1982. J. J . Bikerman, Foams and Emulsions, Ind. Eng. Chem. 57, 57 (1965). N. Pilpel, Foams in Pharmacy, Endeavour, New Series Vol. 9, No. 2, 87 ( 1 985). S. Ross, Ind. Eng. Chem. 6/, 48 (1969). A. J. Wilson (Ed.), Foams: Physics, Chemistry and Structure, Springer-Verlag, Berlin, 1989. T. C. Patton, Paint flow and pigment dispersion, Wiley-Intersci. Publ., N.Y., 1979. J. A. Wingrave, T. P. Matson, J. Am. Oil Chemists, 1981, 349 A. D. H. Everett, Basic Principles of Colloid Science, Royal SOC.of Chemistry, London, 1988. D. Eklund, T. Lindstrom, Paper Chemistry, DT Paper Sci. Publ., Grankulla. Finnland, 199 1.
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen resp. Dispersionen Unterscheidung zwischen kolloiden Dispersionen und Suspensionen nach KorngroDenbereich: kolloide Dispersionen: Suspensionen:
1 nm (10 A) bis 1 pm 2 1 pm
Diese Einteilung ist etwas willkurlich, entspricht aber derjenigen der wichtigsten Autoren. Uns interessieren vor allem die hydrophoben Dispersionen und Suspensionen. Oft wird nicht zwischen Dispersionen und Suspensionen unterschieden und nur generell von Dispersionen oder Suspensionen gesprochen, also ohne Begrenzung ihres TeilchengroBenbereiches; siehe dazu Abschnitt 1.2.1. Als Sole bezeichnet man dagegen sehr feine Dispersionen. Die technische Bedeutung der lyophoben dispersen Systeme liegt darin, dass man schwerlosliche Stofe in einer jliissigen Phase in eine sehr feine Verteilung iiberjiihren kann, welche sich wie eine konzentrierte Losung von niedriger Viskositat verhalt. Beispiele wurden bereits in Kapitel 1 gebracht. Weitere Beispiele von industriell wichtigen lyophoben Suspensionen: Schwerlosliche pharmazeutische und agrochemische Wirksubstanzen. Pigmente in feiner Verteilung in H 2 0 oder in organischen Flussigkeiten: Dispersionsfarben, Druckfarben, Tinten und Lacke. Schwerlosliche Textilfarbstoffe (Disperskiipenfarbstoffe). Magnetische Partikel, z.B. Fe304in wassriger oder organischer Suspension zur Herstellung von Magnetbandern. Wassrige und nichtwassrige Polymerdispersionen f i r Oberflachenbeschichtungen. Monodisperse Polymerdispersionen mit definierter PartikelgroDe, z.B. von Latex. Monodisperse Suspensionen von keramischen Stoffen wie Al2O3f i r ElekronikBauteile (high-tech ceramics). AgBr feindispers in Gelatine fLir Photographie. Farbstoffdispersionen zur Beschichtung von TV-Bildschirmen. RuDdispersionen in Polymeren f i r Xerographie (Toner).
5.1 Der Dispergiervorgang, Definition Die Pulverteilchen werden in einer Flussigkeit so verteilt, dass jedes Teilchen von Flussigkeit vollkommen umgeben ist. Die Grenzflachen Festkorper/Luft gehen in Grenzflachen FestkorpedFliissigkeit iiber.
1 34
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Zur Herstellung von lyophoben Dispersionen existieren prinzipiell zwei Wege: I . Kondensationsmethoden Bildung der dispersen Phase aus einer loslichen Verbindung durch Kondensation und Aggregation. Beispiel: Schwefelsol. Eine konzentrierte Losung von Schwefel in Alkohol wird zu Wasser gegeben. Bildung von Kristall-Keimen in der iibersattigten Losung, die rasch wachsen und eine kolloide Suspension bilden. Auch durch chemische Fallungsreaktionen lassen sich Kolloide gewinnen. Im Allgemeinen erhalt man so nur Kolloide mit niedriger Konzentration. Fiir industrielle Anwendung unwirtschaftlich, auDer in wenigen Spezialfallen ungeeignet f i r Produktion im industriellen Manstab.
2. Dispergier- resp. Zerkleinerungsmethoden Im Gegensatz zu Kondensation und Aggregation handelt es sich um Teilchenzerkleinerung insbesondere durch Mahlprozesse. Obwohl dabei iiber 99 % der Mahlenergie durch Reibung verloren geht, sind fast alle industriellen Produktionsverfahren f i r kolloide Dispersionen und Suspensionen Zerkleinerungs-, hauptsachlich Nassmahlverfahren. Damit lassen sich hochkonzentrierte kolloide Produkte bei groBen Durchsatzen erzeugen. Trockenzerkleinerungsverfahren haben bei etwa 10 pm eine untere Grenze der erreichbaren KorngroBe (Strahl- oder Jet-Muhlen). Moderne Ruhnverkskugelmiihlen haben groBe Durchsatze (bis 5 th), Ruhnverksleistungen bis 200 kW und erlauben die Herstellung von Dispersionen im Submikronbereich. Die erreichbare Kornfeinheit hangt wesentlich von der optimalen Einstellung der zahlreichen Betriebsparameter (daruher spater) und der bezugl. Netzmitteln und anderen Additiven optimal eingestellten Mahlsuspension ab. Beispielsweise erfolgt die Energieubertragung bei der Nassmahlung von Teilchen < 1 pm vonviegend durch hydrodynamische Prozesse und ist von der Oberflache der zu zerkleinernden Partikeln abhangig. Ohne Mahlhilfsmittel gelingt es nicht, von kristallinem Material feinere Teilchen als ca. 0.5 pm zu erzielen. Mahlhilfsmittel uberziehen die Partikeloberflachen mit einer dunnen Schicht und verhindern, dass die zerkleinerten, aber agglomerierten Kristalle aggregieren (,,Zusammenwachsen der Kristalle"). Ein bekanntes Mahlhilfsmittel &r organische Pigmente ist Stabelite Resin (Tetrahydroabietinsaure), von welchem eine Menge benotigt wird, die ungefahr zur zweifachen molekularen Belegung der erzeugten Oberflache ausreicht. Auch durch noch so langes Mahlen gelingt es nicht, mit weniger Mahlhilfsmittel kleinere Teilchen zu erzeugen. Zu beachten gilt, dass auch konsekutiv ablaufende Rekristallisationsvorgange(vergl. Kapitel 9). die erzielbare Kornfeinheit beeinflussen konnen. Ein weiterer Aspekt betrifft den Abrieb von Mahlkorpern, der in manchen Fallen unenviinscht ist. Der Dispergierprozess Iasst sich in drei Stufen einteilen, welche sich aber im Allgemeinen uberschneiden konnen:
-
-
-
Benetzung des Pulvers Zerkleinerung und Verteilung der Partikel (Desagglomerierung) Stabilisierung der Teilchen
Durch den Dispergierprozess gehen die Grenzflachen Festkorper/Luft iiber in Grenzflachen Festkorper/Fliissigkeit.
5.2 Benetzung des Pulvers - 1. Stufe im Dispergierprozess
135
5.2 Benetzung des Pulvers - 1. Stufe im Dispergierprozess Die vollstandige Benetzung des Pulvers, aus dem die Dispersion hergestellt werden SOH, ist die Voraussetzungfur eine optimale Dispergierung. Dies wird oft zu wenig beachtet.
Die Wahl des geeigneten Netzmittels ist also wesentlich. Die Kriterien dazu wurden bereits in Kapitel 1.7 behandelt. Gute Netzmittel mussen in niedrigen Konzentrationen und bei rascher Einstellung des Gleichgewichtes eine vollkommene Benetzung ergeben ( 0 OO), ohne yL stark zu erniedrigen (Abschnitt 1.7.3). AuBerdem miissen sie wenn mbglich an der Teilchenoberflkhe adsorbieren, wodurch auch ysLemiedrigt wird und damit auch @ GI. (1.26). Die Konzentrationen an Netzmittel liegen im Bereich der CMC, z.B. fur Na-Lauryl-Sulfat 0.2 %. Die Werte der CMC fir iibliche Tenside findet man in den einschlagigen Handbuchern. Uber Netzmittel siehe Abschnitt 5.3. Eine Verbindung, die die Anforderungen an ein Netzmittel f i r Dispersion nahezu ideal erfillt und dariiber hinaus noch als Entflockungsmittel dient (nachster Abschnitt), ist das Kondensationsprodukt von p-Naphthalinsulfosaure und Formaldehyd, Dinaphthylmethandisulfosaure(Na-Salz), das in Molekulargewichten von 500-2000 existiert, entsprechend dem Polymerisationsgrad; Abb. 5.17. Im Handel: Tamol-Typen. Diese Verbindungen geben nur eine geringe Erniedrigung der Oberflachenspannung von Wasser (- 60 mN/m), adsorbieren jedoch an die verschiedensten Feststoffe. Es sind PolyelektroIyte. Sie erfillen also fast ideal die in Abschnitt 1.7.3 postulierten Bedingungen f i r eine gute Benetzung von agglomerierten Pulvern oder Filterkuchen. Als Beispiel sei die Netzwirkung von Tamol an einem harten Filterkuchen eines apolaren organischen Farbstoffes angegeben. Bei Zugabe von etwas pulverformigem Netzmittel unter Riihren zum trocken erscheinenden Filterkuchen wird dieser zu einem flussigen Slurry. Der Filterkuchen enthalt ca. 60 % eingeschlossenes Wasser, das nach der Benetzung der Oberflache frei wird.
-
-
-
5.3 Zerkleinerung und Verteilung der Partikel in der Fliissigkeit - 2. Stufe im Dispergierprozess Beim Zerkleinern der Partikel stellt sich ein Mahlgleichgewicht ein: die erzeugten feinen Teilchen lagern sich infolge Zunahme der freien Grenzflachenenergie wieder zu Agglomeraten und Flocken zusarnmen; Abb. 5.1.
&@
Mahlung
a
Agglomeration
Flockung
Abb. 5.1. Mahlgleichgewichte.
136
5 Herstellung und Eigenschujien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Zur Stabilisierung miissen Entjlockungs- oder Dispergiermittel zugesetzt werden. Bei der Zerkleinerung muss man unterscheiden zwischen einem kristallinen oder agglomerierten Material. Kristalline Stoffe sind im Allgemeinen schwieriger zu zerkleinern und benotigen Muhlhilfsmittel, 2.B. Polyacrylate, Acrylamide, Polystyrolsulfonate. Agglomerierte Pulver sind leichter zu zerkleinern. Meist handelt es sich nicht um eine eigentliche Mahlung, sondern um eine Desagglomeration. Die gebildeten Primarteilchen resp. Bruchstiicke miissen vor einer neuen Agglomeration oder Flockung geschiitzt werden. Dazu dienen Entjlockungsmittel. Hohermolekulare ,,Deflocculants" konnen zugleich auch als Dispergatoren wirken, wie z.B. Tamol sowie Ligninsulfonate. Entflockungsmittel sind meist elektrisch geladene Tenside, die auf den Teilchen adsorbieren und eine AbstoBung bewirken. Ihre Ladung muss gleichsinnig wie die Ladung der Teilchen sein. Sie adsorbieren mit ihrem hydrophoben Teil in der sogenannten SternSchicht (siehe Abschnitt 5.6.1) der Oberflache. Bei entgegengesetzter elektrischer Ladung erfolgt Flockung. In grooeren Konzentrationen kann eine zweite Adsorptionsschicht gebildet werden, die dem Teilchen wieder eine elektrische Ladung gibt; Abb. 5.2.
Losung
Losung
Abb. 5.2. Adsorption eines anionenaktiven 'Iensids an eine positiv geladene Obertlache. a) Monoschicht; Entladung, Flockung. b) Doppelschicht, IJmladung des Potentials; Gesamtladung negativ 111.
Typische Entflockungsmittel: unionische Typen; Dodecylbenzolsufonat, Isopropylnaphthalinsulfonat, Diamylsulfosuccinat. kutionische Typen: Dodecyltrimethylammoniumbromid und Cetyltrimethylammoniumbromid. Auch als Dispergatoren wirksam sind: Tamol-Typen, Ligninsulfonate, moglichst hochmolekular.
5.3 Zerkleinerung und Verteilung der Partikel - 2. Stufe im Dispergierprozess
137
Die Konzentration der Entflockungsmittel muss hoher sein als die zur Bedeckung der fiisch gebildeten Oberflachen erforderliche Menge. Grund: sie mussen jederzeit an den Orten, wo fiische Oberflachen durch die Zerkleinerung gebildet werden, in geniigender Konzentration vorhanden sein, um eine schnell erfolgende Reagglomeration zu verhindern. Die Konzentrationen liegen je nach Feinheit der gebildeten Dispersion zwischen etwa 10-20 %, bezogen auf die Masse der Teilchen.
5.3.1 Der Zerkleinerungsvorgang Die Nasszerkleinerung erfolgt nach den in Abb. 5.3 schematisch dargestellten Beanspruchungsmechanismen. Zur Zerkleinerung von Agglomeraten in einem viskosen Medium (z.B. Pigmente in Polymerschmelzen) genugen oft die dabei auftretenden Scherkrafte. Dagegen wird die Zerkleinerung durch StoD von der Viskositat behindert.
I
I
Norrnalkraft
I
a) Druck und Schub
b) Prall
c) Scherung in Flussigkeii
Abb. 5.3. Beanspruchungsrnechanisrnen nach Rumpf: a) Druck und Schub zwischen zwei Fest-
korperoberflgchen; b) Parallelbeanspruchung an einer Festkorperobeflgche; c) Scherkrafte in der urngebenden Fliissigkeit [2].
Der Zerteilungsvorgang eines Teilchens in Scherstromungen ist der freigesetzten Energie proportional. Diese Energie ist gegeben durch das Produkt aus Schubspannung 5 und SchergeMle D; Abb. 5.4. GemaD der Definitionsgleichung fir die Viskositat 7 (Gleichung 5.1) ergibt sich d a m die wichtige Gleichung (5.2). 7:-
7
D (7: Viskositat [N.~.rn-~];5: Schubspannung [N.m-2]; D: Schergeschwindigkeit [s-’1)
13 8
5 Herstellung und Eigenschuften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
E hat die Dimension einer in der Volumeneinheit (m3) pro Zeiteinheit (s) frei werdenden Energie oder Leistung pro Volumen.
8 R
D =
2R R.2
1-$2 a
Abb. 5.4. Im Mahlprozess umgesetzte Energie: Analogie zum Rotationsviskosimeter. Lerkleinerung eines Teilchens in einer Scherstromung (viskoses System); 0 Winkelgeschwindigkeit [ s-’].
n: Drehzahl [Ciimin].
Bei gegebenem Schergefalle D (durch Drehzahl der Maschine und Ausbildung ihrer Bauteile), wie z.B. bei Extruder, Walzenstuhlkneter, bleibt als Variable die Viskositat. Auf diesen Maschinen erfolgt also eine Dispergierung bevorzugt bei hohen Viskositaten. Bei Maschinen mit stark variabler Drehzahl, wie Ruhnverkskugelmuhlen, kann auch bei niedrigen Viskositaten eine intensive Zerkleinerungswirkung erzeugt werden. Der Energiaufwand fEr das Zerkleinern von Feststoffen steigt mit der Mahlfeinheit uberproportional an. Er kann z.B. beim Nassmahlen von Pigmenten auf eine KomgroBe unter I pm auf uber - I kWhikg ansteigen. Dabei wird, wie schon envahnt, uber 99 % der zugefuhrten mechanischen Energie infolge Reibung in Warme umgesetzt. Trotzdem stellen Nassmuhlverfuhren zur Herstellung von fliissigen Dispersionen die wirkungsvollsten Methoden dur. Die Mahlkosten fur die Trockenzerkleinerung im Feinstbereich, die Luftstrahlmahlung (bis zu etwa 10 pm) sind etwa doppelt so hoch wie fur eine Nassmahlung.
5.3.2 Ubersicht uber die Nasszerkleinerungsmaschinen Eine schematische Einteilung der Dispergiergerate in Abhangigkeit der Viskositat des Mahlgutes zeigt Abb. 5.5. Die Gerate werden nach ihren Beanspruchungsmechanismen
5.3 Zerkleinerung und Verteilung der Partikel- 2. Stufe im Dispergierprozess
139
Schlag (im Schema Abb. 5.3 Druck, Schub, Prall) oder Verreiben (Scherbeanspruchung) in ,,Smashers“ und ,,Smearers“ und Zwischenstufen ,,Hybrids“ eingeteilt (nach T. C. Patton).
durch Verreiben (smear)
durch Schlag (smash)
Viskositat sehr hoch loch nittel iiedrig
“Smashers”
“Hybrids”
“Smearers”
Sigma Kneter, etc Dreiwalzenstu hl Hochtourige Impeller, Scheiben Sand-, Perl-Mills Kugelmuhlen Vibrationsmuhlen, Attritor Kinetische Dispersions-Mills
Abb. 5.5. Dispergieroperation: Klassifikation der Dispergiergerate nach T.C. Patton [3].
Die ubliche Einteilung der Nasszerkleinerungsmaschinen kann generell in solche mit und solche ohne Mahlkorper erfolgen. Abb. 5.6 bis 5.1 1 geben einen Uberblick. Dazu muss folgendes bemerkt werden: Die Gerate auf Abb. 5.6-5.8 eignen sich nur f i r die Herstellung von relativ groben Suspensionen. Sie werden zum Anschlammen des Mahlgutes oder fur eine ,,Vordispergierung” eingesetzt, wobei Teilchengroljen im Bereich uber 1 pm, im Allgemeinen 10, 20 oder mehr pm erreicht werden. Der Begriff ,,Kolloidmuhlen“ ist hier mit Ausnahmen (leicht dispergierbares Produkt) nicht gerechtfertigt. Dagegen kommt man mit Vibrationsmiihlen (Abb. 5.9) in den Kolloidbereich, vor allem aber mit den im flussigen Bereich arbeitenden Riihrwerkskugelmiihlen; Abb. 5.1 1. Sie zeichnen sich nebst ihrer groljen Dispergienvirkung im Bereich von 1 pm und je nach Mahlgut bis hinunter zu etwa 0.01 pm durch groRe Durchsatzleistungen aus. Es sind kontinuierlich arbeitende Maschinen.
I40
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
I eine Ruhrwelle
Kombination Ruhrer - Dissolver
6 z&ne
zwei Ruhrwellen
Rotor - Stator
Wellenabdichtung unten
i!b
a - d Schergerate e - f Mischgerate g - k Ausfuhrungsformen von Dissolverscheiben
Kombination Dissolver - Ankerruhrer
Stege
Stifte
Schneiden
Abb. 5.6. Ausfuhrungsformen von Dissolvem; aus [4]
axial 0
axial-radial
0
axialgenuteter konischer Rotor
Zahnscheiben
Zahnring
P
0
I
radialgenuteter Schragscheiben Rotor
Korundscheiben
Abb. 5.7. Ausfuhrungsformen von Kolloidmuhlen: aus [4].
in-line Anordnung
5.3 Zerkleinerung und Verteilung der Partikel - 2. Stufe im Dispergierprozess
s
Rotor-Stator-Prinzip
Korundscheibenmuhle
Abb. 5.8. Prinzipskizzen von Kolloidmuhlen; gernaI3 [4].
Gele(k
a b _ M a h l k o r p e r -Unwucht
I
, - I
'Federn Mulden-Vibrationsmuhlen
Rohr-Vibrationsrnuhle
Abb. 5.9. Ausfihrungsformen von Vibrationsmiihlen (Schwingmiihlen); gemaR [4].
14 1
142
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Abb. 5.10. Konstruktion der Sand-Mill; gemaR [ 5 ]
Kijhlmantel\ Mahlkorper,\
I
a
0
I
horizontal
vertikal
Abb. 5.1 1. Ausfuhrungsformen von modemen RuhrMierkskugelmuhlen, gemab 141.
1
5.3 Zerkleinerung und Verteilung der Partikel
-
2. Stufe im Dispergierprozess
143
Bedingung f i r eine gute Dispergierung mit einer engen Kornverteilung (moglichst kein ,,Uberkorn") ist das Stromungsprofil des Mahlgutes in der Maschine. Das Produkt muss alle Mahlzonen passieren, daher Pfropfenstromung. Fur die Gewahrleistung einer optimalen Fahnveise mussen zahlreiche Apparate- und Betriebsparameter beachtet werden. Es sind gegen 30 Parameter ermittelt worden fiir eine optimale Dispergierung. Davon sind die 10 wichtigsten nachstehend zusammengefasst. Nur bei ihrer Beachtung I&& sich ein Endprodukt mit einem engen Kornbereich erzielen. Wichtigste Parameter fur Ruhrwerkskugelmuhlen:
- Ruhrerdrehzahl - Riihrerdurchmesser
- Form der Ruhrerelemente - Abstand der Riihrerelemente - Fullungsgrad der Mahlkbrper - FeststoMtonzentration
- Mahlgutdurchsatz - Mahlkorperdurchmesser
- Tensidkonzentration - Viskositiit.
Der ideale Bereich der Viskositat einer Mahlsuspension liegt zwischen 0.1 und 1 Pa+., die obere Viskositatsgrenze bei etwa 10 Pa.s. Die mittlere Venveilzeit des Mahlgutes f i r eine Passage betragt etwa 10 min. Auf dem Markt sind einige Dutzend Fabrikate von Ruhrwerkskugelmuhlen erhaltlich, die sich zwar in ihrer Bauart mehr oder weniger unterscheiden, im Prinzip jedoch auf die in Abb. 5.1 1 dargestellten Typen zuriickgehen. Die ,,Sand-Mill" von Du Pont war die erste schnellaufende Ruhnverkskugelmuhle auf breiter industrieller Basis. Zwei moderne Typen sind in Abb. 5.12 schematisch dargestellt. Austritt Produkt
Eintritt
Spaltsieb
I,
4
DYNO-Muhle (schematisch)
Zentrifugenabscheider Austritt gemahlenes Produkt
t
Kuhlwasser-Eintritt
Eintrin
MASAP-Muhle (schernatisch)
Abb. 5.12. Moderne Dispergierapparaturen.
144
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Neue Entwicklungen stellen die Ringraum- und Spaltraummuhlen dar. Sie bringen eine Steigerung der Energiedichte und damit des Wirkungsgrades, besseren Warmeaustausch etc. Erwahnt unter anderen Typen sei die CoBall-Mill von Fryma. Diese Muhlentypen sind insbesondere fir spezielle Dispergierprobleme, Zerkleinerung von Problemprodukten von Interesse. Beispiel fur einen typischen Mahlansatz: In Anbetracht der zahlreichen Parameter, die f i r eine optimale Dispergierung zu beachten sind, sol1 hier ein Beispiel, wie es f i r die Dispergierung von Pigmenten iiblich ist, dargestellt werden. Pigmente sind im Allgemeinen agglomerierte oder aggregierte Pulver und stehen hier stellvertretend f i r viele andere Stoffe. Es handelt sich um einen Laboransatz, dessen Scale up ohne Probleme moglich ist, falls eine der Laborapparatur entsprechende Pilot- oder Produktionsapparatur zum Einsatz kommt. Als geeignete Fabrikate sind zu nennen: Drais Perlmill, Dyna-Mill von Bachofen u.a. 11 300 ml je nach Substanz 25-35 Gew.-Yo.
Nutzinhalt der Laborapparatur: Mahlansatz: Feststoffkonzentration:
-
Der Feststoff wird als Pulver (mit 0.1 YONetzmittel) oder als Filterkuchen eingesetzt, und 10-20 Gew.-% Dispergator und Wasser zugegeben bis zum Endvolumen 300 ml. Dieser Ansatz wird mit einem Dispergieniihrer oder Dissolver homogenisiert und auf eine TeilchengroBe von maximal 50 pm zerkleinert. Zu diesem vordispergierten Mahlansatz werden 800 ml Glasperlen von 2 mm Durchmesser gegeben (Mahlkorperfillungsgrad 0.8). Der Mahleffekt hangt vor allem von der Mahldauer, aber auch von der Riihrwerksdrehzahl ab. Die Kornverteilung muss in zeitlichen Abstanden gemessen werden. Je nach Art des Mahlgutes ergibt sich eine mehr oder weniger hohe Temperatursteigerung, die mit einer Viskositatsanderung verbunden ist, z.B. ausgepragt bei Produkten der Lackund Farbenindustrie. Dies sollen nur einige allgemeine Hinweise auf die wichtigsten Faktoren sein, die von Produkt zu Produkt verschieden sein konnen.
-
-
5.4 Spezielle Dispergiermethoden Hochdruckhomogenisierung: Die Suspension wird mit einer Kolbenpumpe auf einen Druck von 50-700 bar komprimiert, dann in einem Homogenisierventil rasch entspannt; Abb. 5.1 3. Durch Kavitation, Turbulenz, Drall und Scherkrafte tritt eine starke Zerkleinerungswirkung auf. Einzelkristalle lassen sich im Allgemeinen nicht zerkleinern, jedoch harte Agglomerate und Aggregate. Starker VerschleiR der Diisen durch Abrasion, daher Einsatz von Hartmetallen wie Wolframcarbid. Bekannte Maschine f i r industrielle Produktion: Manton Gaulin Submicron Disperser. Ergeben feine Dispersionen (< 1 pm) bei hohen Leistungen. Im niedrigen Druckbereich ist diese Maschine auch f i r die Herstellung von Emulsionen geeignet.
5.4 Spezielle Dispergiermethoden
U
Detail D:
145
a Ventil b Prallring c Ventilsitz d Ausgangsprodukt e Dispergiertes Produkt
I
Abb. 5.13.
Dispergierapparatur f i r Emulsionen ,,Manton Gaulin".
Dkpergierung durch Ultraschall (U.S.): Es handelt sich urn Schallwellen mit Frequenzen uber 20 KHz. Erzeugt werden sie durch mechanische Schallgeber z.B. Sonolator oder U.S.-Pfeife nach Janovski und Pohlmann, Abb. 5.14.
D: Duse S: Schneide einer dunnen Metallplatte M K: Lagerung in zwei Knotenpunkten Abb. 5.14. Ultraschall-Dispergierapparaturen.
Solche Apparate arbeiten im unteren Frequenzbereich. Die eigentlichen US.-Erzeuger verwenden piezoelektrische (Quarz, Turmalin, Zinkblende) und magnetostriktive Schallgeber. Es sind Frequenzen bis zu 200 KHz und wesentlich mehr erreichbar, ferner
I 46
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
hohe Schallintensitaten bis zu 50 W/cm2. Die Wirkung ist sehr lokal, durch Kavitation. GroBe Volumina, z.B. eine Suspension in einem gronen Behalter, lassen sich nicht gleichmaBig beschallen. Dagegen ist dies moglich in Durchflussgeraten, ,,inline-Operation". Die Zerkleinerungswirkung ist stark frequenzabhangig, die Gerate arbeiten jedoch nur mit einer oder wenigen Frequenzen. Homogene, kolloide Dispersionen lassen sich mit U.S. im groDtechnischen MaDstab nur in ganz speziellen Fallen (abhangig vom Produkt) erzeugen. Nicht alles was auf dem Markt als U.S.-Gerat angeboten wird, verdient den Namen! Der Sonolator hat Anwendung gefunden zur Vordispergierung; er vermag jedoch nicht kolloide Dispersionen zu erzeugen.
*. :..
Abb. 5.15. Dreiwalzenstuhl
Abb. 5.16.
Dispersionskneter.
5.5 Stabilisierung der Dispersion
-
3. Stufe im Dispergierprozess
147
Walzenstuhl und Dispersionskneter (Abb. 5.15 und 5.16): Diese Maschinen zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Bereich von hohen Viskositaten sehr feine Dispersionen im Submikronbereich im industriellen Maljstab erzeugen. Sie sind vor allem in der Technik zur Herstellung von Druckfarben, Dispergierung von Pigmenten in Polymeren, z.B. Polyolefinen, die iiblichen Dispergiergerate. Sie erlauben die Produktion von Dispersionen, die frei von Uberkorn (> 1 pm) sind und deshalb z.B. in Diisenspinnprozessen von Polymerschmelzen eingesetzt werden und keine Probleme mit Dusenverstopfungen durch Uberkorn stellen. Zudem verhindert dies die Briichigkeit von Spinnfasern als Folge von Uberkorn. In Extrudern werden z.B. Calciumcarbonat und andere anorganische Fiillstoffe in verschiedene Polymere in kolloider Verteilung eingearbeitet. Diese Composites erhohen auch die mechanischen Festigkeiten der Kunststoffe. Es gibt zurzeit keine Alternativen von vergleichbarer Efizienz der Dispergierung in Polymeren. Durch die hohe Viskositat des umgebenden polymeren Mediums werden die kolloiden Teilchen vor Agglomeration geschiitzt und stabilisiert.
5.5 Stabilisierung der Dispersion - 3. Stufe im Dispergierprozess Eine ,,stabile Dispersion" bedeutet: Gesamtzahl und Grope der Partikel in der Dispersion durfen sich im Verlauf der Zeit nicht verandern. Zur Stabilisierung dienen Dispergiermittel oder Dispergatoren. In hochviskosen Medien werden die Teilchen daran gehindert, zu agglomerieren, siehe Abschnitt 5.3. Die Stabilisierung kann nach drei Mechanismen erfolgen: 1. Durch elektrostatische Abstoljung (DLVO-Theorie, Derjaguin-landau-Yerwey-
Overbeek) 2 . Durch sterische Abstoljung (HVO-Theorie, Hesselink-Vrij-Qverbeek) 3. Durch Kombination von elektrostatische; und sterischer AbstoRung Zu diesem Zweck gibt es eine grolje Zahl von verschiedenen Dispergatoren. Ihre Auswahl richtet sich vor allem nach Art und elektrischer Ladung der Partikel und nach der Natur des fliissigen Mediums (Wasser, polare oder eventuell unpolare organische Flussigkeiten); Abb. 5.17 und 5.18. Auch die unpolaren Feststoffe besitzen meist eine elektrische Oberfllchenladung infolge Ionisation oder Adsorption in Kontakt mit einem polaren Medium, wie z.B. Wasser. Die Ionisation hangt vom pH-Wert der Suspension ab: Proteinmolekiile sind infolge ihrer Carboxyl- und Aminogruppen bei niedrigem pH positiv, bei hohem pH negativ geladen. Mehrwertige oder oberflachenaktive Ionen, die an die Grenzflache adsorbiert werden, bestimmen die Ladung der Grenzflache: potentialbestimmende Ionen. Disperse Teilchen sind haufiger negativ als positiv geladen, wegen bevorzugter Adsorption von Anionen, insbesondere OH-. Sogar Oltropfchen und Luftblaschen in Wasser haben eine negative Ladung.
148
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Jaturliche Polymere 3ummi Arabicum (Alkalisalz): stark verzweigtes Polysaccharid aus L-Arabinose D-Galactose L-Rhamnose D-Glucuronsaurc 3 : I : 1
HOH,
H
Uginsaure (Alkalisalz): lineares Polysaccharid aus Blocken und alternierenden Einheiten, mit variierendem Gehalt von D-Mannuronsaure und L-Guluronsaure COOH
lalbsynthetische Polymere :elluloseether. ?: Methyl, Ethyl, Hydroxypropyl, iydroxyethyl, Carboxymethyl
bCH, HO-
\
/-AH- H-
bH::l!OHqcH
\
,-OH 3
hnthetische DisDeraatoren [ondensationsprodukt von laphthol-2-sulfosaure-6, Kresol, :ormaldehyd und Natriumbisulfit
Kondensationsprodukt aus 0-Naphthalinsulfosaure und Formaldehyd
b0,Na
Abb. 5.17. Dispergatoren fur wassrige Suspensionen. Zur Festlegung des geeigneten Dispergators muss der Formulierer den Ladungssinn
und die Gro13e der elektrischen Ladung kennen resp. bestimmen. Dazu dient das Zetapotential (daruber spater).
5.5 Stabilisierung der Dispersion
-
3. Stufe im Dispergierprozess
149
Das Dispergiermittel muss an der Festkorperoberflache adsorbiert werden. Die Mechanismen der Adsorption von Tensiden sind in Abb. 5.19 dargestellt. Dadurch wird eine Energiebarriere gegen die Anziehung erzeugt. Im Allgemeinen genugen die von kurzkettigen Tensiden (Netmittel, Entflockungsmittel) stammenden Barrieren nicht f i r eine wirksame und dauerhafte Stabilisierung. Zur elektrischen Stabilisierung mussen daher noch Schutzschichten, z.B. von Kohlenwasserstoff-Ketten (KW-) hinzukommen, welche eine sterische Abstoljung bewirken. Gute Dispergatoren sind daher Molekiile mit elektrischen Ladungen und Konzgurationen verschiedener hydrophober Gruppen, z.B. KWKetten von hoherem Molekulargewicht, sogenannte Polyelektrolyte. Die hydrophoben Gruppen sind in wassrigen Suspensionen bevorzugt an der FestkBrperoberflache adsorbiert. In Dispersionen mit organischem Dispersionsmedium existieren besondere Verhtiltnisse, wie spiiter besprochen wird.
Synthetische polymere Dispersionsstabilisatoren 'olyethylenglykol (PEG)
HOCH,- [CH,-0-CH,],
-CH,OH
'olyvinylpyrrolidon (PVP)
'olyvinylalkohol (PVA)
'olystyrolsulfonat iomopolyrnere und Copolymere von Acrylsaure, Methacrylsaure, iydroxyethylacrylat, Hydroxyethylmethacrylat: 'olyacrylsaure [-CH,-
Polymethacrylsaure
'olyhydroxyeth ylacrylat
Polyhydroxyethylrnethacrylat
[-CH,O=
[-CH,-
H-1,
I,
-OC,H,OH
[-CH,O=[:OC2-In H401-
3lockcopolymere von Ethylenoxid und Propylenoxid
A bb. 5.18. Synthetische Polymere, venvendet als Dispersionsstabilisatoren.
1 50
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
lonenaustausch
Ionenpaarbindung
H-Bruckenbindung
Abb. 5.19. Mechanismen der Adsorption von Tensiden an Feststoffen: Ionenaustausch, lonenpaar-
bindung, H-Bruckenbindung, Polarisation von x-Elektronen, Dispersionskrafie (London-. van der Waals-KraAe); nach IS].
5.5.1 Auswahl der Dispergatoren fur wassrige Dispersionen Zur Bildung von elektrostatischen Barrieren gegen Flockung werden allgemein ionische Tenside venvendet. An ungeladenen Partikeln werden die Tenside mit ihrem unpolaren Teil adsorbiert, die polaren Gruppen ragen ins Wasser. Alle Teilchen haben so eine Ladung gleichen Vorzeichens, damit resultiert AbstoDung. Durch Adsorption der hydrophoben Gruppen auf der Partikeloberflache erniedrigt sich die Grenzflachenspannung ysL. Lungerkettige Tenside adsorbieren starker, sind wirksamere Dispergatoren. Fur elektrisch geladene Teilchen sind ubliche Tenside zur Stabilisierung nicht geeignet. Bei entgegengesetzten Ladungen von Teilchen und Tensid tritt Flockung ein. Auf der nun neutralisierten Oberflache kann eine zweite Adsorptionsschicht gebildet werden; Abb. 5.2. Dies fuhrt jedoch zu einer unwirksamen Stabilisierung, da die zweite Schicht leicht wieder abgelost wird. 1st die Ladung des Teilchens gleich der des Tensids, wird eine Adsorption der polaren Kopfe des Tensids auf der Teilchenoberflache durch AbstoDung behindert, die unpolaren Gruppen des Tensids orientieren sich zum Wasser. Eine Stabilisierung ist nur moglich bei hoher Konzentration des Tensids. Als Konsequenz dieser Situation sind ionische Dispergatoren zur Stabilisierung von polaren und unpolaren Feststoffen in Wasser folgendermajlen konstruiert: Sie haben zahlreiche ionische Gruppen (multiple Ladungen), die iiber das ganze Dispergatormolekzil verteilt sind, und hydrophobe Gruppen mit polarisierbaren Strukturen, wie uromutische Ringe und Etherbindungen anstelle von KW-Ketten. Die multiplen ionischen Gruppen haben verschiedene Funktionen [I]:
5.5 Stabilisierung der Dispersion
-
3. Stufe im Dispergierprozess
15 1
1. Sie verhindern die Adsorption des Dispergators rnit Orientierung der hydrophoben Gruppen zum Wasser (Wrde zu einer Ausflockung fiihren). Auf entgegengesetzt geladenen Oberflachen kann eine der multiplen ionischen Gruppen adsorbiert werden, wlhrend eine andere zur Wasserphase ausgerichtet ist. Dadurch wird eine Adsorption des Tensids rnit Orientierung der hydrophoben Gruppe zum Wasser verhindert. 2. Die multiplen ionischen Gruppen verstarken die abstonende Wirkung der elektrischen Barriere. Je mehr ionische Gruppen gleichen Ladungssinns pro Molekul, umso grijRer die elektrische Barriere pro adsorbiertes Molekul auf gleich geladenen Oberflachen, und umso grbBer die Neutralisation der elektrischen Ladung, die zur Bildung einer elektrostatischen Barriere gleichen Ladungssinns fiihrt, wie das Dispergatormolekiil auf entgegengesetzt geladenen Oberflachen. 3. Sie ermbglichen die Ausdehnung des Dispergatormolekiils in die wassrige Phase, unter Bildung einer sterischen Barriere gegen Flockung, ohne die freie Energie des Systems zu erhbhen. Die Abnahme der freien Energie infolge Hydratisierung der hydrophilen ionischen Gruppen wird kompensiert durch die Zunahme der freien Energie, welche vom gr613eren Kontakt der hydrophoben Gruppen rnit der Wasserphase stammt. Die hydrophoben Gruppen mit polarisierbaren Strukturen ermoglichen eine verstarkte Adsorption auf geladene Teilchen mit Orientierung der hydrophoben Gruppen zur Partikeloberflache. Beispiele solcher gebrauchlicher Dispergatoren rnit multiplen ionischen Gruppen und aromatischen hydrophoben Gruppen sind die bereits envahnten Kondensationsprodukte von P-Naphthalinsulfosbre rnit Formaldehyd (Tamol-Typen) und Ligninsulfonate; Abb. 5.20. In Abb. 5.20 findet sich auch ein idealisiertes Modell eines Ligninsulfonates rnit multiplen Ladungen. Weitere gebrauchliche Dispergatoren dieses Typs sind Copolymere auf Basis von Maleinsaureanhydrid oder Acrylsaure, neutralisiert rnit Alkali. Es sind Polyelektrolyte.
Ligninmolekuls
Ligninsulfonat(schematisch)
ldealisierles Modell des Ligninsulfonatknauels in Losung
Abb. 5.20. Ligninsulfonat.
152
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
5.5.2 Sterische Stabilisierung Auch durch nichtelektrische Barrieren konnen Partikel in wassrigem Medium stabilisiert werden. Dazu konnen ionische und nichtionische Tenside als Dispergatoren dienen. Sterische Barrieren gegen Flockung entstehen, wenn die adsorbierten Tensidmolekule in die Wasserphase hinausragen und den nahen Kontakt von zwei Partikeln verhindern. Langere Molekiile sind wirksamer als kurze, vorausgesetzt dass ihre erhohte Loslichkeit im Wasser deren Adsorption auf den Partikeloberflachen nicht erniedrigt. Als Beispiel: nichtionische Tenside vom Polyoxyethylen-Typ sind ausgezeichnete Dispergatoren f i r viele Zwecke. Ihre hoch hydratisierten POE-Ketten erstrecken sich als Schlaufen (coils) in die Wasserphase, welche ausgezeichnete sterische Barrieren gegen Flockung bilden. Sie bewirken auch eine Abnahme der van der Waals Anziehung zwischen den Partikeln. Besonders wirksame nichtionische Dispergiermittel in wassrigen Medien sind die Blockcopolymeren von Propylenoxid und Ethylenoxid; Abb. 5.18 (unten). Hydrophob sind die Propylengruppen, deren Etherbindungen die Adsorption an die Teilchenoberflache bewirken. Die POE-Gruppen sind zur Wasserphase gerichtet und liegen in hydratisierter Form vor. Es existieren Typen mit verschiedenen Langen der POE- und der POP-Gruppen. Handelsprodukte sind die PLURONIC-Typen. Die wirkungsvollsten Dispergatoren dieser Klasse sind solche mit langen POE- und langen POP-Ketten. Die altesten bekannten Dispergatoren f i r wassrige Systeme sind die Schutzkolloide. Es sind natiirliche makromolekulare Verbindungen mit hydrophilem Charakter, wie Gummi Arabicum, Alginsaure, Casein, Lecithin, Gelatine. Sie stabilisieren sterisch; Abb. 5.17. Als synthetische Polymere zur Stabilisierung von wassrigen Suspensionen eignen sich auch Polyvinylalkohol, Polyvinylpyrrolidon, Polyacrylamide, Poly(styro1-oxyethylen), Poly(vinylalkohol-vinylacetat); Abb. 5.18.
5.5.3 Stabilisierung von nichtwassrigen Suspensionen Uber die Stabilisierung von Dispersionen in organischen Losemitteln findet man in den Lehrbuchern im Allgemeinen keine, oder nur kurze Darstellungen dieser industriell sehr wichtigen Dispersionen. Dazu gehoren z.B. Lacke, insbesondere das groDe Gebiet der Autolacke Coatings auf Basis von filmbildenden Systemen Tinten f i r reprographische Techniken Dispersionen von magnetischen Partikeln in polymeren Bindern Kohledispersionen Emulsionspolymerisationen in organischen Medien Dispersionsharze Organosole und Plastisole
5.5 Stabilisierung der Dispersion
-
3. Stufe im Dispergierprozess
153
In nichtwgssrigen Dispersionen mit niedriger Dielektrizitiitskonstante hat die diffuse elektrische Doppelschicht (Abschnitt 5.6.1) eine grofie Ausdehnung und ist z.B. 2000 8, dick f i r einen (1-1) Elektrolyt, der in einem Losemittel mit einer DK von 4 in einer Konzentration von mol/l gelost ist. Damit ist sie etwa 20 ma1 dicker als in einer 10” molaren wassrigen Losung von KN03. Der Potentialabfall in Abhangigkeit von der Distanz der Teilchen ist also sehr gering. Daher kann das Zetapotential dem Potential der Teilchenober-ache gleichgesetzt werden. Eine kleine Ober-achenladungsdichtegeniigt, um ein hohes Oberjlachenpotential zu erhalten. Die Stabilisierung von Suspensionen in unpolaren Fliissigkeiten wird vor allem durch sterische AbstoJungskrape, aber auch durch elektrische AbstoJung erzeugt. Auch in nichtionischen Losemitteln konnen suspendierte Partikel eine Ladung tragen, namlich infolge Dissoziation von Oberflkhengruppen und Adsorption von ionischen Tensiden. Der deutlichste Beweis f i r die Existenz von elektrischen Ladungen in nichtwgssrigem System ist in der Explosionsgefahr von Petroleum infolge elektrostatischer Aufladung zu sehen. Durch bestimmte Dispergatoren konnen in Olen hohe Zetapotentiale entstehen. Solche Dispergatoren sind Sluren oder Basen. Wesentlich f i r einen Beitrag von elektrischer AbstoBungsenergie zur Stabilisierung ist die Aciditat oder Basizitiit der Teilchenoberflkhe. Es findet ein Protonentransfer von sauren Stellen der Teilchenoberflgche zu adsorbierten basischen Dispergatormolekiilen statt, gefolgt von einer Desorption des Dispergatorkations. Eine elektrische Stabilisierung sol1 nur bei Zetapotentialen von mindestens I00 m V moglich sein. Wenn in einer Dispersion in apolarem Medium durch elektrische Ladungen keine geniigend groDe Energiebarriere zustande kommt, kann eine Flockung der Teilchen durch sterische Hinderung, d.h. durch eine Adsorptionsschicht eines geeigneten Polymers unterdruckt werden. Die sterische Abstofiung ist durch einen steilen Anstieg des Potentials bei kleinen Teilchenabstanden charakterisiert (Abb. 5.2 1).
v,; I \
VR+VA+VS
I I P
I
I
A
$,,
+
vA
H : Teilchenabstand VA:Van der Waals-Anziehung V,: ElektrostatischeAnziehung V,: Sterische Anziehung
Abb. 5.21. Potentialkurven fur sterische Stabilisierung sphtirischer Teilchen: a) ohne elektrische
Doppelschicht; b) rnit elektrischer Doppelschicht [7].
Aus diesen Kurven geht hervor, dass bei einer sterisch stabilisierten Dispersion ein Abfall in das tiefe primare Energieminimum im Wesentlichen ausgeschlossen ist, sowohl ohne, als auch mit Existenz einer elektrischen Doppelschicht. Die Kombination von ste-
1 54
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
rischer und elektrostatischer AbstoBung bietet auch bei der Stabilisierung in organischen Medien vielfaltige Moglichkeiten der Formulierung. Bei Dispersionen in organischen Medien besteht ein interessanter Einfluss der TeilchengroBe auf die Stabilitat, im Gegensatz zu den wassrigen Systemen, wo die TeilchengroBe nur von sekundarer Bedeutung ist. Im Wasser ist in der Nahe des Flockungspunktes die Reichweite der elektrischen Krafte im Allgemeinen klein im Vergleich zur Teilchengrone, sodass sich die maBgebenden Krafte und Energien im Gebiet der groaten Annaherung beider Teilchen entfalten konnen. Daher ist die durchschnittliche TeilchengroBe von zweitrangiger Bedeutung. In apolaren Medien muss rnit einer raumlich sehr ausgedehnten elektrischen AbstoDung oder einer sterischen AbstoBung rnit einem steilen Anstieg bei kleinen Abstanden gerechnet werden. Die elektrostatische AbstoRung ist angenahert proportional zur 2. Potenz der Ladung der Teilchen. Sie nimmt bei konstantem Oberflachenpotential mit der TeilchengroBe ab und vermag bei geniigend kleinen Partikeln der van der Waals Kraft nicht mehr die Waage zu halten. Andererseits vermag die sterische AbstoRung die Teilchen bestenfalls bis auf eine bestimmte Entfernung voneinander getrennt zu halten. Die van der Waals Kraft nimmt rnit der TeilchengroBe zu; GI. (1.1 I). Daraus folgt die f i r den Formulierungschemiker wichtige Erkenntnis, dass fur die Stabilisierung von groben Partikeln (Mikronbereich) die elektrostatische AbstoBung wirkungsvoller ist als der sterische Mechanismus, wahrend f i r sehr kleine Partikel (Submikronbereich) die Verhaltnisse umgekehrt sind. Die meisten Dispergatoren fur unpolare Medien sind sehr spezifisch fur das betreffende System. Es gibt keine Dispergatoren von allgemeiner Wirksamkeit, die sich zur Stabilisierung der verschiedensten Feststofle eignen, wie etwa die Ligninsulfonate oder Dinaphthylmethandisulfonate fur wassrige Systeme. Andererseits besitzen viele nichtwassrige Medien wie Lacke, Latices, Druckfarbenmedien u.a. an sich dispergierende Eigenschaften. Wirksame Dispergiermittel fir nichtwassrige Dispersionen miissen folgende Voraussetzungen erfullen: Die Dispergatoren mussen starke Wechselwirkungen rnit den Teilchen und dem Medium ausbilden, also stark auf der Teilchenoberflache adsorbieren und im Medium gut loslich sein. Sie miissen also ,,Ankergruppen'' haben, die auf dem Feststoff adsorbieren und solvatisierte Gruppen, welche als Schlaufen und Schwanze eine Schicht von geniigender Dicke bilden und damit eine Anziehung der Teilchen verhindern. Sie sollten ferner mit der Teilchenoberflache einen Ladungstransfer-Mechanismus ermoglichen und damit zur sterischen AbstoBung eine elektrostatische AbstoBung beifugen. Als Dispergatoren f i r Dispersionen in organischen Medien eignen sich je nach Feststoff die verschiedensten Tenside und Polymere f i r organische Medien gemaR Abb. 5.22. Fur breiteren Einsatz kommen alkylmodifizierte Polyvinylpyrrolidone rnit Molekulargewichten von ca. 7300-20 000 und unterschiedlichen hydrophob-hydrophilen Eigenschaften in Frage. Dasselbe gilt auch f i r die Blockpolymere von Propylenoxid und Ethylenoxid (Pluronics). Hier sind auch die relativ neuen ,,Hyperdispersants" von ICI (Abb. 5.23) oder ,,Solsperse Hyperdispersants" zu envahnen. Ahnliche Dispergieradditive sind die ,,Disperbyk" von BYK-Chemie.
5.5 Stabilisierung der Dispersion
-
3. Stufe im Dispergierprozess
"Comb"-Surfactants Poly(12-h ydroxystearinsaure) A, Katalysator, Vakuurn
Kondensation rnit Glycidylrnethacrylatergibt ein Makrornonorner, welches durch Copolyrnerisation rnit Methylacrylat und Methylrnethacrylat zu einern "Comb"-Surfactant umgesetzt wird.
Polyhydroxystearinsaure-Ketten
lLLu-u:
AcrylaVMethacrylat-Backbone
Alkylrnodifiziertes Polyvinylpyrrolidon
R = H oder Alkyl
Blockcopolyrnere Z.B. Poly(styro1-butylstyrol), Poly(styro1-acrylnitril). Ankergruppe = Polystyrol
Polyharnstoffe Herstellung durch Addition von Fettarninen an Polyisocyanate.
HCONHC18H,,
4-7, ,0cf -73H
? CH ,N , H,
+ NCO
Abb. 5.22. Dispergatoren fur organische Suspensionen.
HCONHC,,H,,
155
I 56
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
ROH + n
@-
+ H,N-(CH,CH,NH)3-H R 0$( C H 2)5 01N !-"
E
R O [ (CH,),O],-H
(Triethylentetramin)
H
q
CH
Polycaprolacton
-
Hyperdispersant
,
Ketten Ankergruppen
Partikel
Stabilisator-Ketten, Schlaufen multiple An kergruppen
Handelsprodukte:
Solsperse Hyperdispersants (ICI) Disperbyk (Byk-Chemie)
Abb. 5.23. Hyperdispersants.
5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse aus der Theorie der Kolloidstabilitat Alle kolloiden Dispersionen sind thermodynarnisch instabil, da sie in einem Zustand von hoherer freier Energie (entsprechend der grofleren Grenzflache) als das nicht feindisperse Ausgangsrnaterial vorliegen. Das System tendiert dazu, spontan in einen Zustand von niedrigerer freier Energie (durch Flockung) der Teilchen uberzugehen, sofem nicht eine Energiebarriere dies verhindert. In Gegenwart einer solchen Barriere ist das System metastabil und kann in diesem Zustand lange Zeit verharren, z.B. sind Original Goldsole von Faraday (- 1850) heute noch stabil (zu sehen in der Royal Institution in London). Bei Kolloiden liefert die Brown'sche Bewegung der Teilchen die zur Uberschreitung der Energiebarriere notwendige Energie. Die durchschnittliche Translationsenergie von Kolloiden in Brown'scher Bewegung betragt 3/2 kT pro Teilchen (siehe Abschnitt 1.4).
5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse uber Kolloidstabilitat
157
Bei einer Temperatur von 300 K haben zwei Partikel eine Kollisionsenergie von lO'*'J. Es ist unwahrscheinlich, dass Kollisionen mit einer Energie von einigen kT auftreten. Eine Energiebarriere von 10 kT genugt also, um die Dispersion in einem metastabilen Zustand zu halten. Sie ist kolloid stabil. Diese Energiebarriere ist das Resultat von zwei KraJen: der van der Waals'schen Anziehung und einer Abstoflungskrajt bedingt durch Oberflachenladungen und Adsorptionsschichten.
-
5.6.1 Die elektrische Doppelschicht (el. D.S.) Eine elektrische Doppelschicht wird an jeder Grenzflache ausgebildet. Wegen der entgegengesetzt geladenen Ionen auf beiden Seiten der Grenzfllche bildet sich ein elektrisches Potential aus. Die Ladungen kbnnen von ionisierbaren Gruppen auf der Partikeloberflache (-COOH, -S03H, -SOH etc.), Adsorption von Ionen an der Grenzflache u.a. s t a m e n . Wenn z.B. Cellulosefasern in Wasser dispergiert werden, werden Carboxylgruppen ionisiert und ergeben eine Ladung. Im Falle von CaC03 ist die Oberfllche der Teilchen geladen wegen der Adsorption von Ionen wie Ca", C03'- etc. an der Grenzflache. Zur Erhaltung der Elektroneutralitat mussen die geladenen kolloiden Partikel von Ionen mit entgegengesetzter Ladung umgeben sein, den Gegenionen. Daneben sind in Nlhe der Grenzflache auch Ionen gleicher Ladung anwesend, die Co-Zonen. Die Theorie der elektrischen D.S. beschreibt die Verteilung der Gegen- und Co-Ionen in der Nahe einer geladenen Oberflache, die sich in Kontakt mit einem polaren Medium befindet, durch die GrbRe der elektrischen Potentiale in dieser Umgebung. In Abwesenheit von thermischer Bewegung w&en die Gegenionen fest an der Oberfllche der kolloiden Partikel angelagert und wiirden deren Ladung neutralisieren. Nach diesem Modell von Helmholz wiirde das Potential in kleinem Abstand von der geladenen Oberflache auf Null abfallen; Abb. 5.24. yo-
b)
-
.sc c
a
Abb. 5.24. Helmholz-Modell der elektrischen Doppelschicht: a) Ionenverteilung in Nahe der gela-
denen Oberfllche; b) h d e r u n g des Potentials mit dem Abstand von der geladenen ObertlBche.
Dieses Modell ist nicht realistisch, da die thermische Bewegung die Bildung einer kompakten D.S. verhindert. Die Kombination von elektrischen Kraften und thermischer
158
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Bewegung fiihrt zu einer diffusen D.S., Modell von Couy-Chapman. Danach fallt die Konzentration der Gegenionen und damit das Potential mit zunehmendem Abstand von der geladenen Oberflache zuerst rasch ab, dann mehr und mehr gleichformig mit der Distanz; Abb. 5.25.
1/K
Distanz von der Oberflache
1k
Abb. 5.25. Gouy-Chapman-Modell der elektrischen Doppelschicht.
Die gestrichelte vertikale Linie entspricht der Distanz, bei der das Potential auf den e~ Debye-Lunge genannt. K ten Teil abgefallen ist (1/2.7 18 = 0.37). Die Distanz l / wird Iasst sich aus bekannten GroRen berechnen (siehe spater). Das Modell von Gouy-Chapman macht die Annahme von punktformigen Ladungen, was unrealistisch ist. Es wurde von Stem durch Einfihrung effektiver Radien der lonen korrigiert. Modell von Stern; Abb. 5.26. Es beriicksichtigt auch die Moglichkeiten der spezifischen Adsorption von lonen, welche zu einer kompletten Schicht von Gegenionen an der Grenzflache fihrt, deren Bindung an der Oberflache der thermischen Bewegung widersteht. Die el. D.S. wird so in m e i Teile zerlegt: eine kompakte Stern-Schicht, in der das Potential von yo auf y, abfallt, und eine diffuse Schicht mit einem Potentialabfall von y, auf Null. y, ist das Potential an der AuDenseite der Stern-Schicht.
8
0
I
Y;I
I
I I
Abb. 5.26. Stem-Modell der elektrischen Doppelschicht
I
5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse uber Kolloidstabilitat
1 59
Die mathematische Behandlung des difisen Teils der D.S. durch Debye-Huckel fihrte zum Konzept der effektiven Dicke 1 / (bezeichnet ~ als Debye-Lange dieser Schicht). Diese Iasst sich berechnen (siehe Abb. 5.26), wobei die einzelnen Symbole folgendes bedeuten: ‘5
Dielektrizitatskonstante
e:
Elementarladung
nro:
Ionenkonzentration der i. Ionensorte
Z,:
Wertigkeit der i . Ionensorte
Durch Elektrolyte wird die Reichweite der Coulomb-Wechselwirkungen verkiirzt, die elektrische Doppelschicht wird komprimiert. Die Kompression der elektrischen Doppelschicht durch Elektrolyte fuhrt schlieJlich zur Ausjlockung der Dispersion. Dabei ist der Effekt f i r mehrwertige Ionen vie1 starker als f i r I-wertige (siehe spater Regel von Schulze-Hardy, die das Verhalten von Dispersionen in Gegenwart von Elektrolyt bestimmt).
5.6.2 Das Zetapotential Verschiedene elektrokinetische Phanomene haben gemeinsam, dass sie mit der relativen Bewegung von geladenen Oberflachen zu tun haben. Dies gilt insbesondere auch f i r disperse Festkorperteilchen. Zur Charakterisierung der elektrischen Eigenschatlen disperser Partikel ist die Kenntnis des elektrischen Potentials erforderlich. Dabei benutzt man das sogenannte elektrokinetische- oder Zetapotential (Abb. 5.28). Das GPotential lasst sich iiber die elektrokinetischen Effekte messen: Elektrophorese, Elektroosmose, Stromungspotential und Sedimentationspotential (Abb. 5.27).Am gebrauchlichsten ist die Mikroelektrophorese. Das Zetapotential tritt auf, wenn sich geladene Teilchen im Dispersionsmedium bewegen, oder wenn sich das Dispersionsmedium gegeniiber einer festen Wand bewegt. Das Zetapotential ist also ein Potential, das durch eine erzwungene tangentiale Verschiebung des diffusen Teils der Doppelschicht gemessen werden kann. Die Hohe des GPOtentials wird durch den Abstand der Gleitebene dieser Bewegung von der Teilchenoberfltiche bestimmt. Gewohnlich wird angenommen, dass diese Gleit- oder Scherebene unmittelbar an die Stern-Schicht anschlieDt, wenn man vom Teilchen in die Losung hinein wandert. Dies trifft nur selten zu. Gewohnlich ist eine monomolekulare Wasserschicht an die geladene Teilchenoberfllche gebunden, ferner ist die Oberflache meist rauh. Dadurch wird die Gleitebene etwas nach auflerhalb der Stern-Schicht verschoben. Das GPotential ist also im Allgemeinen etwas kleiner als p,. Die genaue Lage der Gleitebene und der Struktur der Fliissigkeit in ihr bleiben unbekannt. Damit wird die zahlenmaflige Bestimmung des GPotentials problematisch.
<
160
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Stromungspotential
Elektroosmose
~
&a+
Druck
I
oroser Pfropfen
Elektroden:
~~
Mikroelektrophorese Mikroskop
k
Wandernde Grenzflachen
Beobachtungszelle
Elektrophoretische Ueberfuhrung
Sedimentationspotential
I
Dernontierbare --i'elle I
_ -Halterung Behalter-,'
Abb. 5.27. Messung von elektrokinetischen Effekten [8]
.. . . .. .... . ...... .... ....
161
5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse iiber Kolloidstabilitat
Abb. 5.28. Potentiale in der elektrischen Doppelschicht.
Zur Auswertung der Zetapotentialmessungen betrachtet man die Dispersionsteilchen als kugelformige Partikel der Ladung q in einem elektrischen Feld E (Abb. 5.29).
Abb. 5.29. Kriifie bei Zetapotentialmessung [9].
Es wirken die folgenden Krafte: P I : Kraft von E auf Partikel
4 =E.9
(5.3)
P2: Reibkrafi
Pz = -~T/VV
(5.4)
P3: Hydrodynamische Krafi, erzeugt durch die Einwirkung von E auf die Gegenionen und damit auf die Losemittelmolekule (elektrophoretischer Effekt). P4: Relaxationseffekt infolge Asymmetrie der Ladungsverteilung im beweglichen Teil der Doppelschicht.
162
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Im stationaren Zustand gilt:
e+p?+p,+p, =O
(5.5)
Bei Dispersionen mit K . a 2 10' gilt f i r die Geschwindigkeit der Dispersionsteilchen im elektrischen Feld die Gleichung von Smoluchowsky:
Andererseits kommt die Gleichung von Hiickel zur Anwendung f i r
K
. a 5 I 0'
Voraussetzungen f i r die Giiltigkeit dieser Gleichung sind: Partikel nichtleitend und kugelformig. Konzentration niedrig; keine Durchdringung der Doppelschichten. K . a eindeutig definiert. 11um Teilchen unabhangig vom Abstand zur Gleitebene. Brown'sche Bewegung vernachlassigbar. Aus den angegebenen Gleichungen sind im Prinzip Zetapotentiale berechenbar. Es ist jedoch die Kenntnis der Viskositat und der D.K. erforderlich, die in der elektrischen Doppelschicht aber andere Werte als in der Volumenphase haben und im Allgemeinen unbekannt sind. Es ist deshalb nur mit sehr gropem experimentellem Aufioand moglich, das <-Potential zahlenmapig einigermapen exakt zu messen. Stattdessen hehilfi man sich so, dass man nur die gut messhare elektrophoretische Beweglichkeit V/E ermittelt und die unter verschiedenen Bedingungen erhaltenen Werte rniteinander vergleicht. Es sol1 hier noch auf das in der Papierindustrie bekannte ,,Zetameter" hingewiesen werden, mit dem jedoch keine absoluten Messungen, sondern nur relative Vergleichsmessungen moglich sind. Aus der elektrophoretischen Beweglichkeit u (= v/E) kann f i r wassrige Dispersionen behelfsmaRig das Zetapotential abgeschatzt werden, gemaR:
5 ( mV ) = 12.86. u
(25 "C),
u
gemessen in
1L:;1 ~
5.6.3 Potentialenergiekurven In einer Potentialenergiekurve wird die potentielle Energie zweier Partikel als eine Funktion ihres Abstandes aufgetragen. Aus ihr lasst sich erkennen, ob ein kolloides System stabil resp. entflockt bleibt oder instabil ist und ausflockt.
5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse iiber Kolloidstabilitat
1 63
Um die totale Wechselwirkungsenergie zwischen zwei kolloiden Teilchen zu ermitteln, muss man die einzelnen Energien, die dazu beitragen, addieren. Dies sind: 1. Elektrostatische und sterische AbstoDungsenergie
2. Van der Waals'sche Anziehungsenergie.
Fur die elektrostatische Abstoljung ergibt sich aus der Theorie der elektrischen Doppelschicht eine Potentialenergie VR mit einer komplizierten Formel, die sehr vereinfacht so angegeben werden kann:
VR = exp ( ~ 6 )
(5.9)
d: Distanz der zwei Teilchen-Schwerpunkte Die van der Waals Anziehung f i r zwei kugelfdrmige Teilchen ist approximativ
v,
=-- A . a
(5.10)
12H
a: Radius der Teilchen A : Hamakerkonstante H: Distanz zwischen den Oberfltichen
Die totale Wechselwirkungsenergie ist
v, = VR + v,
(5.1 1)
Diese Summierung kann graphisch erfolgen; Abb. 5.30.
v,
= v, + v,
Entfernung der
2 Partikel
I
Minimum
Abb. 5.30. Potential als Funktion der Entfernung der Partikel; VT: totales Potential, VR: AbstoRung, VA:Anziehung.
164
5 Herstellung und Eigenschuften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Die der Dispersionsstabilitat zugrunde liegende Theorie stammt von Derjaguin, Landau, Venvey und Overbeek; daher kurz als DLVO-Theorie bezeichnet. Die Berechnung der Dispersionsstabilitat nach der DLVO-Theorie ist extrem schwierig. Mit Naherungsgleichungen konnen jedoch heute praktische Beispiele berechnet werden, z.B. PVA-Ti02 oder Cu-Phthalocyanin-Dispersionenin Wasser. Die Berechnungen basieren auf 14 Gleichungen [lo]. Fur qualitative Uberlegungen geniigen die Ausfiihrungen uber Potentialenergiekurven und deren physikalische Bedeutung. Abgesehen vom Bereich der Partikelkompression dominiert bei sehr kleinen und groBen Abstanden die Anziehung. Bei mittleren Abstanden dominiert hingegen die AbstoBung, j e nach den aktuellen Werten der zwei Krlfie. In unserem Beispiel (Abb. 5.30) existiert, auBer dem primaren Energieminimum bei kleinem Abstand, ein ausgepragtes sekundares Minimum bei groBer Entfernung der Partikel (- 4 1 ~ ) . Wenn die Energieburriere V,, hoch ist (-> 25 k 7 ) verglichen mit der thermischen Energie kT, sollte dus kolloide System stubil sein. Anderenfulls tritt Flockung ein.
/
Partikelradius a = IO'5 cm
Abb. 5.31. Einfluss der Elektrolytkonzentration (dargestellt als
zwei sparischen Partikeln.
K)
auf das totale Potcntial von
5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse uber Kolloidstabilitat
165
Die Anwesenheit von Elektrolyten hat einen groRen Einfluss auf die Stabilitat; Abb. 5.3 I , Durch Elektrobt wird die elektrische Doppelschicht komprimiert; das Potential fallr rascher ab. Dabei verhalten sich die Flockungskonzentrationenvon 1,2,3-wertigen Ionen wie 100 : 1.56 : 0.137 (vergl. Schulze-Hardy-Regel). A13' flockt also -64 ma1 starker als Ca2', und -729 ma1 starker als Na'. Die Flockung wird iiber den Flockungsschwellenwert in mmol/l Elektrolyt bestimmt. Dies ist fur den Formulierer eine der wichtigsten Folgerungen aus der Theorie der Dispersionsstabilitat. Sie Iasst sich aus der DLVO-Theorie ableiten. Schulze-Hardy Regel: - Flockungskonzentrationen fiir 1 -,2-,3-wertige Gegenionen gemaR 1/z6 [ 1 11: 1 : 1/26: 1/36 = 100: 1.56: 0.137 - Flockung im primken Minimum, wenn a . K << 1 ( a Partikelradius; I / K Debye-L2nge) - Flockung im sekundaren Minimum, wenn a . K > > 1 Sekunddires Minimum: Wenn das Verhaltnis der TeilchengroBe zur Dicke der elektrischen Doppelschicht >> 1 ist, ergibt sich in groBem Abstand der Teilchen ein sekundares Energieminimum. Im Gegensatz zur Flockung im primaren Minimum erfolgt hier eine schwache Flockung, die reversibel ist und durch Ruhren wieder zerstort werden kann. Erst bei TeilchengroBen von etwa lpm und dariiber sowie bei asymmetrischen Teilchen, z.B. Nadeln, Blattchen erfolgt die Flockung. Dies ergibt eine thixotrope Struktur. Das sekundare Minimum kann dazu benutzt werden, durch sogenannte ,,Kontrollierte Flockung" gezielt thixotrope Strukturen in Dispersionen zu erzeugen, welche nicht sedimentieren und durch leichtes Schiitteln wieder in einen diinnfliissigen Zustand gebracht werden konnen; Abb. 5.32. Sedimentierende Dispersionen ohne ausgepragtes sekundares Minimum flocken im primaren Energieminimum. Solche Dispersionen lassen sich durch Riihren nicht mehr dispergieren.
Abb. 5.32. Thixotrope Strukturen.
I66
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
5.6.4 Sterische Stabilisierung Sterische AbstoBung wird erreicht, wenn eine Teilchenoberflache durch Adsorption oder chemische Reaktion mit voluminosen Molekulen, gewohnlich solchen mit langen Ketten, bedeckt wird, welche den Partikeln eine ,,haarige" Oberflache verleihen. Dabei ist nur ein Teil des Polymers auf der Festkorperoberflache verankert, wahrend sich der andere Teil als Schwanze, Schlaufen, Ketten in das umgebende Dispersionsmedium erstreckt; Abb. 5.33.
Schlaufe
Oberflache Abb. 5.33. Adsorption von linearen Polymeren an Oberflachen
Wenn sich zwei Teilchen einander nahern, jedes mit einer Adsorptionsschicht der Dicke d, treten sie miteinander in Wechselwirkung bei einem Abstand von 2d oder weniger.
Entweder durchdringen sich die Adsorptionsschichten oder sie werden komprimiert oder beides tritt ein; Abb. 5.34. Diese Durchdringung oder Kompression fiihrt aus thermodynamischen Grunden (Anderung der freien Energie, resp. der Entropie), die hier nicht erlautert werden konnen, zu einer Abstohng zwischen den Partikeln; Abb. 5.35.
Abb. 5.34. Polymcrbcschichtete I'artikel.
5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse uber Kolloidstubilitat
167
Polyyerschicht
Abb. 5.35. lnteraktion von polymerbeschichteten Partikeln: a) Kompression; b) Durchdringung.
In Abb. 5.36 ist die Kurve der W.W.-Energie fir 2 Teilchen mit sterischer Abstoljung dargestellt. Entscheidend fur die Gute der sterischen Stubilisation sind die Loslichkeitseigenschaften der Polymerketten im Dispersionsmedium.
Abb. 5.36. Sterische Stabilisierung.
168
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Sterisch stahilisierte Dispersionen konnen durch Elektrolyte nicht gejlockt werden, z.B. lasst sich eine wassrige Latexdispersion, die mit Polyethylenoxid stabilisiert ist, durch Zugabe von bis zu 10 mol Elektrolyt nicht koagulieren. Ferner konnen durch sterische Stabilisierung hoher konzentrierte wassrige Dispersionen hergestellt werden, die dennoch gut jliepen. Grund: kein elektroviskoser Effekt beim FlieRen wie bei elektrostatisch stabilisierten Dispersionen.
5.7 Flockung, Koagulation von Suspensionen Die starkste Beeinflussung der elektrostatischen Wechselwirkung zwischen den in einer wassrigen Suspension fein verteilten Partikeln erfolgt durch die Elektrolytkonzentration . Zugabe von Elektrolyt zu einer wassrigen Suspension uber die Debye-Lange 1 / ~ Durch wird die Dicke der elektrischen Doppelschicht und damit die Energiebarriere kleiner, bis eine Flockung resp. Koagulation eintritt. Nach der DLVO-Theorie sol1 die Energiebarriere der elektrostatischen AbstoDung mindestens eine GroBe von 25 kT haben. GemaR Abb. 5.26 gilt f i r K eines Salzes gleichwertiger Ionen in wassriger Losung bei 25 "C ( z : Wertigkeit; c: molare Konzentration): K =
O.329.lO8 . z . &
(5.12)
Die Debye-Lange I / K ist also umgekehrt proportional zur Wertigkeit der Ionen in der Losung und zur Quadratwurzel ihrer Konzentration. Fur zweiwertige Ionen wird die Dicke I / K der diffusen Schicht auf etwa die Halfie reduziert, f i r dreiwertige Ionen auf etwa einen Drittel. Da die Debye-Lange gemaR Abb. 5.26 proportional zur Dielektrizitatskonstanten der Losung ist, ist zu envarten, dass in Losungen mit hohem E, wie etwa in Wasser, die elektrischen Wechselwirkungen sich wesentlich weiter in die Losung erstrecken als in solchen mit niedrigem E, wie z.B. Kohlenwasserstoffen. Daraus ergibt sich die fur den Praktiker wichtige Folgerung, dass zur Stabilisierung von Dispersionen in organischen Losemitteln mit niedrigem E die Coulomb'sche AbstoRung gewohnlich unwirksam ist und statt dessen sterische Schutzschichten zur Stabilisierung erforderlich sind. Eine wichtige Konsequenz fir die Stabilitat von Dispersionen besteht ferner darin, dass in Gegenwart von Elektrolyten die Reichweite der Coulomb'schen Wechselwirkungen verkurzt wird. Durch Zusatz von Elektrolyten wird die Reichweite also komprimiert. Tabelle 5.1 enthalt einige Werte fir die Dicke der diffusen Schicht in Funktion der Elektrolytkonzentration von einwertigen Salzen bei 25 "C. Man ersieht, dass die Dicke der diffusen Doppelschicht, die fir die elektrostatische Stabilisierung von Dispersionen verantwortlich ist, bei 0.1 molaren Salzlosungen schon sehr klein ist. Welchen Einfluss die Elektrolytkonzentration auf die Potentialenergiekurve der Wechselwirkung von zwei kugelformigen Partikeln in wassriger Losung ausubt, ist aus Abb. 5.3 1 ersichtlich.
5.7 Flockung, Koagulation von Suspensionen
169
Tabelle 5.1. Debye-Langen f i r wassrige Elektrolytlosungen von einwertigen Salzen bei 25 "C. Konzentration (mol/l)
K
1o-6 I 0" 1o - ~ 1o - ~ 1o-*
3.29-104 1.04.lo5 3.29.105 1.04. O6 3.29. O6 1.04. o7 2.32. o7 3.29. o7 1.04.108
0.1
0.5 1.o 10
(cm-')
1/K
(A)
3040 962 304 96 30 10
4.3 3.O 1.o
Wie schon envahnt, kann durch Zugabe von Elektrolyten zu elektrostatisch stabilisierten Dispersionen Flockung eintreten, wobei die Wertigkeit der Ionen einen entscheidenden Einfluss ausiibt: Zweiwertige Ionen sind etwa 60 mal, dreiwertige Ionen etwa 770 ma1 wirksamere Flockungsmittel als einwertige Ionen. Diese GesetzmaRigkeit, die j a als Schulze-HardyRegel bezeichnet wird, kann aus der DLVO-Theorie abgeleitet werden [ l 11. Aus dieser geht hervor, dass sich die Flockungskonzentrationen von ein-, zwei- und dreiwertigen Gegenionen zueinander verhalten wie 1/z6, also 1 : 2-6 : 3-6 = 1 : 1.6 : 0.1. Diese Regel gilt aber nur, falls sich keine Gegenionen in der Stem-Schicht befinden, dass also y6 durch die verschiedenen Elektrolytzusatze nicht verandert wird (vergl. Abb. 5.28).
5.7.1 Bestimmung der Flockungskonzentration Der Ubergang zwischen Stabilitat und Flockung erfolgt gewohnlich in einem schmalen Bereich der Elektrolytkonzentration; eine kritische Flockungskonzentration Iasst sich deshalb scharf bestimmen. Sie wird auch als Flockungsschwellenwert und im englischen Schrifttum als critical coagulation concentration, abgekiirzt C.C.C. bezeichnet. Die kritische Flockungskonzentration C.C.C. kann als die minimale Elektrolytkonzentration definiert werden, die erforderlich ist, um die Ausflockung des betreffenden Kolloids hervorzurufen. Der Vorgang Iasst sich gut durch optische Methoden der Trubungsmessung verfolgen. Eine f i r den Praktiker brauchbare Methode, welche halbquantitative Ergebnisse liefert, besteht darin, die in Reagensgl2sem durchgefiihrten Flockungsversuche nach bestimmten Zeitintervallen ohne optische Hilfsmittel direkt zu beobachten.
170
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Die Messung erfolgt in der Weise, dass man ausprobiert, welche Elektrolytkonzentration in der kolloiden Probe zehn Minuten nach der Zugabe eine deutlich wahmehmbare Triibung hervonuft. Als Elektrolytlosung venvendet man z.B. 0.5 normale Losungen von KCI, CaCI2, AlC13 und Na2S04. Die Elektrolytkonzentration wird zunachst stark abgeschwacht. Zu diesem Zweck venvendet man j e finf Reagensglaser, gibt in das erste j e 10 ml der Elektrolytausgangslosungen und in die anderen je 9 ml Wasser. Aus dem ersten Reagensglas ubertragt man 1 ml in das zweite, schuttelt durch und gibt 1 ml der Mischung in das dritte, usw. Fur die einzelnen Salze erhalt man somit j e finf Losungen, deren Konzentrationen eine geometrische Reihe rnit dem Quotientenl / I 0 bilden. Zu jeder dieser Losungen figt man sodann 1 ml der zu prtifenden kolloiden Losung hinzu, schuttelt durch und beobachtet nach zehn Minuten, ob eine Ausflockung eingetreten ist oder nicht. Dann verfeinert man diese rohen auf eine Zehnerpotenz genauen Flockungswerte, indem man eine Reihe von Elektrolytlosungen herstellt, deren Konzentrationen im kritischen Bereich sich wie 4:3 verhalten (von 4 ml Losung j e 1 ml in das nachste Reagensglas transferieren und mit 3 mi Wasser mischen). Man gibt wieder die gleiche Menge Kolloidlosung zu (1 ml) und stellt fest, in welchen Mischungen eine gerade noch deutlich sichtbare Flockung auftritt. Die entsprechende Elektrolytkonzentration stellt den gesuchten Flockungswert dar. Wird die Beobachtung noch auf Iangere Zeiten ausgedehnt, so Iasst sich ein quantitatives Bild uber die Geschwindigkeit der Flockung durch die verschiedenen Elektrolytkonzentrationen erhalten. Wichtig ist bei diesem Vorgehen, dass nicht die vollstandige Ausflockung, sondern die ersten sicher wahrnehmbaren Anzeichen der Koagulation die wichtigsten Merkmale der Flockungswirkung eines Elektrolyten sind. Fur eine vergleichende Beobachtung innerhalb einer Untersuchungsreihe ist es notwendig, immer zum gleichen Zeitpunkt zu entscheiden. Dies kann 10 Minuten, aber auch 2, 18 oder 24 Stunden betragen. Die Flockungswerte sind von der Konzentration des Kolloids abhangig, wobei die Abhangigkeit sich selbst wieder nach der Wertigkeit des fallenden Gegenions richtet. Viele Systeme sollen dabei der Regel von Burton [I21 folgen. Nach dieser nehmen die Flockungsschwellenwerte bei Fallung mit einwertigen Ionen rnit zunehmender Konzentration des Sols (Dispersion) ab und rnit mehnvertigen lonen zu; siehe auch [ 131. Fur nichtabsorbierende kugelformige Partikel, wie z.B. Polystyrol-Latex-Kugelchen kann die C.C.C.durch eine Triibungsmessung mit Hilfe eines Spektrophotometers ermittelt werden [ 141. Dispersionen, welche rnit nichtionischen Dispergiermitteln, wie z.B. rnit Polyvinylalkohol oder rnit Blockcopolymeren von Polypropylenoxid und Polyethylenoxid stabilisiert sind, beginnen gewohnlich bei einer kritischen Temperatur (CFT) auszuflocken. Die Kenntnis dieser Temperatur ist f i r den Formulierungschemiker sehr wichtig, da Suspensionen nicht einer Temperatur ausgesetzt werden sollten (z.B. wahrend der Lagerung), welche die CFT ubersteigt. Es muss also ein Dispergiermittel venvendet werden, dessen CFT der formulierten Dispersion uber der maximalen Lagertemperatur liegt. Der Flockungsvorgang spielt in der Technik bei FestiFlussig-Trennprozessen, wie zum Beispiel bei der Wasseraufbereitung und der Erzgewinnung eine groBe Rolle. Fur die Auslegung von Anlagen der Wasser- oder Erzaufbereitung ist daher die Kenntnis des Flockungsgrades der Suspension erforderlich.
5.7 Flockung, Koagulation von Suspensionen
171
5.7.2 Kontrollierte Flockung In der Kolloidchemie ist der Begriff ,,stab#' f i r eine Dispersion synonym mit ,,entflockt". Dagegen wird eine geflockte Dispersion, welche rasch sedimentiert, als ,,instabil" bezeichnet. Vom Industriechemiker wird daher gewohnlich angenommen, dass Dispersionen bzw. Suspensionen im entflockten Zustand gehalten werden sollten. Dabei wird nicht beachtet, dass entflockte Systeme beim Lagern im Allgemeinen harte Sedimente bilden. Dieser Vorgang wird in der englischen Literatur als ,,caking" bezeichnet. Falls sich die gebildeten Sedimente jedoch leicht dispergieren lassen, kann man solche Dispersionen als ,,bedingt" lagerstabil bezeichnen, da sie vor Anwendung einer Homogenisierung bedurfen. Die Potentialkurven von elektrostatisch stabilisierten Dispersionen weisen bei groRen Abstanden (2.B. 1000-2000 A) ein sekundares Minimum auf (Abb. 5.30). Dieses Minimum entsteht dadurch, dass die Kurve f i r die Anziehung V ,nach einem Potentialgesetz, mit hyperbolischem Verlauf, diejenige f i r die AbstoRung V, hingegen exponentiell aballt. Die Existenz solcher sekundlrer Minima wurde bereits von E. J. Verwey und J. T. G. Overbeek beschrieben [ 151 (Abschnitt 5.6.3). Wenn dieses sekundare Minimum im Vergleich zur thermischen Energie kT des System genugend tief ist, tritt eine lockere Flockung auf. Solche sekundaen Minima sind im Allgemeinen nur einige Vielfache von kT tief. Die gebildeten Strukturen lassen sich daher leicht durch Schutteln oder Pumpen wieder zerstoren. Zu beachten gilt, dass elektrostatisch stabilisierte Dispersionen ohne geniigend tiefes sekundares Minimum beim Sedimentieren ein hartes, nicht redispergierbares Sediment ergeben. Dies ist deshalb so, weil die thermische Energie, verbunden mit der Schwerkrafi ausreicht, um das Potentialmaximum gems Abb. 5.30 zu uberwinden. Die Partikel flocken dann im tiefen primiren Minimum. Dies gilt, wenn das Verhaltnis der Teilchen) 1 ergibt groBe zur Dicke der elektrischen Doppelschicht a/(I / K ) << 1 ist. Fur a/(1 / ~ >> sich in groRem Abstand ein sekundares Energieminimum, gemM Abb. 5.30. Allerdings ist dieses Minimum f i r Teilchen << 1 pm nicht genugend tief f i r eine lockere Flockung im sekundgren Minimum. Solche Dispersionen ergeben durch Flockung im primaren Minimum harte, nicht redispergierbare Sedimente. Dagegen ist das sekundare Minimum f i r Teilchen von uber etwa lpm ausreichend f i r eine Fixierung der lockeren Flocken in diesem Zustand. Dies gilt vor allem f i r asymmetrische Partikel, wie 2.B. Nadeln oder Blittchen. Die Flockung im sekundaren Minimum ergibt eine thixotrope Struktur, die leicht wieder in einen dunnfliissigen Zustand gebracht werden kann. Solche thixotrope Strukturen sind in Abb. 5.32 dargestellt. Die Tiefe des sekundaren Minimums hangt neben der Teilchengr6Be von der Hamakerkonstanten, dem Zetapotential und der Elektrolytkonzentration ab (Abschnitt 5.6.3). Durch Optimierung dieser Parameter ist es theoretisch moglich, ein genugend tiefes sekundares Minimum zu erhalten. Dies wird als ,,kontrollierte Flockung" bezeichnet. In der Praxis versucht man, dieses Prinzip angen&ert durch Zugabe von Elektrolyten anzuwenden. Die Bedingungen f i r eine kontrollierte Flockung werden jedoch in der Praxis eher durch Zufall als durch strenge Parameteroptimierung gefunden.
1 72
5 Herstellung und Eigenschaften vow kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Auch f i r sterisch stabilisierte Dispersionen hat die Potential/Distanzkurve ein Minimum; eine kontrollierte Flockung ist in diesem Falle moglich. Diese ist jedoch stark von der Temperatur abhangig und somit in ihrer Anwendung begrenzt [ 161. Das Prinzip der kontrollierten Flockung von elektrostatisch stabilisierten Dispersionen ist bisher vor allem bei pharmazeutischen Praparaten angewandt worden. Als Beispiel sei die kontrollierte Flockung von Sulfamerazin durch AICI3 envahnt [17]. Eine Suspension von 2 YOSulfamerazin in Wasser, mit 0.1 % Aerosol OT als Netz- und Dispergiermittel, wurde mit einer Losung von AIC13(H20) geflockt. Bei Zugabe von 0.6 bis 10 mmol/l Flockungsmittel tritt eine leichte Flockung mit lockerer Sedimentbildung ein, dariiber jedoch ein hartes, nicht redispergierbares Sediment. Andere Beispiele betreffen die pharmazeutischen Wirksubstanzen Sulfaguanidin, Griseofdvin und Hydrocortison [ 181. Die Anwendung des Prinzips der kontrollierten Flockung zur Formulierung von stabilen Dispersionen ist jedenfalls heikel, vor allem wenn diese ausschlieDlich im sekundaren Minimum erfolgen SOLDer Formulierungschemiker wird daher bei der Flockung zum Zweck der Herstellung einer lagerstabilen Dispersion von anderen Moglichkeiten der Beeinflussung des Sedimentationsverhaltens von Dispersionen Gebrauch machen. Dazu eignet sich eine Kombination von Flockung und Verdickung. Bei der Flockung zum Zwecke der Herstellung einer lagerbestandigen Dispersion sollte das Sedimentationsvolumen der geflockten Dispersion sich im Lauf der Zeit nicht verandern. Um die Sedimentation der Flocken zu verzogern, figt man der Suspension Verdickungsmittel zu. lnsbesondere im Agrosektor wird davon reger Gebrauch gemacht. So durfen wasserverdunnbare Flowables, die beim Lagern unter Umstanden hohen Temperaturen ausgesetzt sind, keine harten Sedimente bilden; die Konzentrate mussen sich vor der Verdiinnung leicht aufriihren lassen.
5.7.3 Flockung durch Bruckenbildung, Sensibilisierung Bei Suspensionen, die durch Adsorption von Polymeren stabilisiert sind, besteht eine Moglichkeit zur Flockung zum Beispiel dann, wenn eine Polymerkette gleichzeitig an zwei oder mehr benachbarten Partikeln adsorbiert wird. Dies kann erfolgen, wenn nur eine unvollstandige Bedeckung der Partikel durch das Polymer vorliegt, was bei niedriger Polymerkonzentration moglich ist. Diese Art von Flockung ist nicht auf Systeme beschrankt, bei denen die kolloiden Teilchen und das Polymer entgegengesetzt geladen sind. Zum Beispiel lasst sich ein Sol von Silberiodid durch Polyvinylalkohol ausflocken. Die Flockung durch Briickenbildung (englisch bridging flocculation) spielt bei zahlreichen modernen Aufbereitungsprozessen eine wichtige Rolle, vor allem in der Wasserund Erzaufbereitung. Einen guten Uberblick uber dieses Gebiet gibt Kitchener [ 191. La Mer [20] entwickelte dazu eine quantitative Theorie. Moderne polymere Flockungsmittel haben Molekulargewichte zwischen etwa 1-5 Mio Dalton. Sie sind wesentlich teurer als anorganische Koagulationsmittel, dagegen ist ihre erforderliche Dosis vie1 geringer, etwa 0.1 mgil fir polymere, gegenuber 5 0 4 0 0 mgil f i r anorganische Flockungsmittel. Eine umfassende Zusammenstellung findet sich in [2 11.
5.7 Flockung, Koagulation von Suspensionen
173
5.7.4 Depletion Flocculation Eine sterisch stabilisierte Dispersion kann auch durch Zugabe von fieiem, nicht adsorbierendem Polymer zur Flockung gebracht werden. Die Flockung hangt in diesem Fall vom Molekulargewicht und der Konzentration des zugesetzten Polymers ab. Das Phiinomen tritt auf, wenn die kolloiden Partikel sich so nahe sind, dass aufgrund ihrer lineareren Dimension die Polymerketten nicht in den zwischen den Partikeln befindlichen Spalt eindringen konnen, resp. aus ihrer Losung im Zwischenraum der Teilchen ausgestoflen werden, unter Bildung einer polymerfieien Zone. Dies erzeugt eine Anziehung infolge der Erniedrigung des osmotischen Druckes im Gebiet zwischen den Partikeln (Abb. 5.37). Vincent hat gezeigt, dass Systeme, welche durch niedermolekulares Polyoxyethylen stabilisiert sind, durch Zugabe von fieiem hdhermolekularem POE geflockt werden konnen [22]. Der Effekt der Zugabe von freiem, nicht adsorbierendem Polymer auf die Stabilitat von Suspensionen ist seit langerer Zeit in zahlreichen industriellen Systemen angewandt worden, ohne zu realisieren, dass das zugegebene Polymer auf den Teilchen nicht adsorbiert. Es handelt sich um einen Vorgang, der sich thermodynamisch erklben Iasst. Dazu muss auf die zitierte Literatur verwiesen werden [23, 241.
Polymerfreies Losemittel
Abb. 5.37. Flockung durch nichtadsorbierende Polymere.
5.8 Formulierung stabiler Suspensionen resp. Dispersionen 5.8.1 Kriterien Mit der Herstellung einer kolloidchemisch stabilen Dispersion, welche auch nach langen Lagerzeiten keine irreversible Koagulation oder Flockung erleidet, ist die Aufgabe des Formulierungschemikers nicht abgeschlossen.
174
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
An eine handelsubliche Dispersion resp. Suspension werden im Allgemeinen sehr hohe Anforderungen hinsichtlich ihrer Lagerstabilitat gestellt. Lagerzeiten von zwei Jahren und mehr, dazu in einem Temperaturbereich von etwa -10 bis +SO "C sind iiblich, etwa f i r Dispersionen von Farben und Agrochemikalien. Neben der kolloidchemischen Stabilitat, wie sie im Abschnitt 5.6 behandelt wurde, miissen vor allem noch folgende Kriterien von einem Handelsprodukt erfillt werden: -
-
Keine Bildung von harten, nicht mehr aufitihrbaren Sedimenten, im englischen Schrifttum als ,,Claying" und ,,Caking" bezeichnet. Kein Kristallwachstum (Ostwaldreifimg; Abschnitt 9.2.5). Keine mikrobielle oder chemische Zersetzung.
Daruber hinaus sollten die im Labor ausgearbeiteten Formulierungen eine gewisse ,,Robustheit" aufweisen, damit sie in der Produktion die kleinen Variationen, welche von Ansatz zu Ansatz auftreten konnen, zu bestehen vermogen. Das am schwierigsten zu erfullende Kriterium durfte die Formulierung von Dispersionen/Suspensionen sein, welche auch nach Ablauf der vorgeschriebenen Lagerzeit entweder kein Sediment aufweisen, oder dann ein Sediment, das sich leicht aufriihren und in Primarteilchen zerteilen Iasst. Zur Erfillung dieser Forderung existieren insbesondere folgende Moglichkeiten: Zerkleinerung des Feststoffes bis hinunter zu TeilchengroDen, die auch nach langer Lagerzeit nicht sedimentieren, also keine Partikel mit Durchmessern groDer als etwa 0.1-0.5 pm auheisen, j e nach Dichte des Feststoffes und Viskositat des Suspensionsmediums. Anpassung der Dichte des flussigen Mediums an diejenige des Feststoffes. Damit wird nach Stokes die Sedimentationsgeschwindigkeitgleich Null. Erhohung der Viskositat des Suspensionsmediums durch Verdickunngsmittel, sowie Bildung von dreidimensionalen Gelstrukturen durch Zugabe von inerten feinen Partikeln. Kontrollierte Flockung der DispersioniSuspension. Da das Sedimentationsverhalten von polydispersen Suspensionen fur das Langzeitverhalten dieser flussigen Formulierungen entscheidend ist, sol1 es im folgenden Abschnitt etwas ausfuhrlicher behandelt werden.
5.8.2 Sedimentation von Suspensionen Das Sedimentationsverhalten von polydispersen Suspensionen ist komplex, vor allem bei hoheren Konzentrationen und fur geflockte Systeme. Zur Beurteilung von Suspensionen muss auch das Verhalten des Sedimentes berucksichtigt werden, also der ganze Absetzvorgang. Dieser besteht aus zwei Stufen, wobei es darauf ankommt, ob die Teilchen inert sind, oder ob zwischen ihnen eine Anziehung besteht und ein flockendes System vorliegt.
5.8 Formulierung stabiler Suspensionen resp. Dispersionen
1 75
1. Stufe: freie Sedimentation der Teilchen, Flocken oder Agglomerate im Schwerefeld. Fur inerte Teilchen gilt die Gleichung von Stokes f i r den freien Fall ( r = Radius des kugelformigen Teilchens; v = Sedimentationsgeschwindigkeit;p = Dichte des Teilchens; p,, = Dichte des Dispersionsmediums; 7 = Viskositat):
(5.13)
Sie gilt nur fur kugelformige Teilchen; anderenfalls sind Korrekturfaktoren einzubeziehen [ 2 5 ] ,auRerdem gilt sie streng nur bis zu Partikelkonzentrationen < 0.5 Vol.-% und in erster Naherung bis etwa 2 VoL-%. Die untere Grenze der GroBe der sedimentierenden Teilchen ist durch die Brown'sche Bewegung gegeben, welche der Sedimentation entgegenwirkt. Nach Burton [26] Iasst sich ein kritischer Radius rk angeben, der j e nach System Werte von 0.2-2 pm betragt. Teilchen mit einem kleineren Radius werden durch die Molekule des Suspensionsmediums in Schwebe gehalten. In Suspensionen von inerten Teilchen rnit Konzentrationen > 5 % kommt es zu einer behinderten Sedimentation (,,hindered settling"), sodass das Gesetz von Stokes seine Gultigkeit verliert. Die Teilchen beriihren sich noch nicht, doch wird die Stromung um die Partikel durch andere Partikel im System behindert, sodass die schnellen Teilchen langsamer sinken. Im Idealfall sinken dann alle Teilchen rnit gleicher Geschwindigkeit. Es bildet sich eine definierte Grenzflache zwisc'hen Sediment und Flussigkeit. Das ganze dispergierte Material sinkt als Wolke, deren Sinkgeschwindigkeit durch ihre Porositat gegeben ist und von der Teilchenkonzentration abhgngt. Die Sinkgeschwindigkeit Q wird beschrieben durch die Gleichung von Steinour [27] (6 Porositat; A : Konstante = 1.82; Vs:Fallgeschwindigkeit nach Stokes): (5.14)
Das Sediment ist leicht redispergierbar; es bildet sich keine Kompressionszone. In flockenden Suspensionen werden wahrend der Sedimentation Flocken gebildet und durch Reibung rnit anderen Flocken auch solche zerstort. Die Sedimentation wird durch GroRe und Form der Flocken bestimmt. Bei kleinen Konzentrationen sedimentieren die Flocken nach Stokes, bei hoherer Konzentration erfolgt eine Strukturbildung, und alle Flocken sedimentieren gleich schnell: Zonensedimentation. Bei hohen Konzentrationen tritt eine Kompression der Flockenstruktur ein; es bildet sich ein Schlamm. Zwischen Sediment und Flussigkeit existiert eine scharfe Grenzlinie. Auch kleinste Teilchen sind rnit den Flocken assoziiert. Dies ist in einem entflockten System nicht der Fall. Die uberstehende Flussigkeit bleibt uber einen Iangeren Zeitraum trube. Nur in einem monodispersen System bildet sich eine klare Grenze zwischen dem sedimentierenden Teil und der dariiberstehenden, von Partikeln freien Fliissigkeit. Ein gutes Erkennungsmerkmal f i r geflockte bzw. entflockte Suspensionen rnit unterschiedlichen TeilchengroRen besteht darin, ob die uberstehende Fliissigkeit wahrend der Sedimentation klar bleibt oder nicht.
176
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
2 . Stufe: Kompression des Sedimentes. Bei sehr hohen Konzentrationen erleidet die Flockenstruktur eine Kompressionskraft infolge des Gewichtes der uberlagernden Teilchen. Die Wirkung der Schwerkraft auf die Sedimentation wird reduziert, da diese gegen die sich aufbauende Kompressionskraft des Sedimentes wirken muss. Bei inerten Partikeln tritt keine Kompression des Sedimentes auf. Eine gegenseitige Beriihrung der Teilchen erfolgt nur dam, wenn sich diese zu einer dichten Raumpackung anordnen. Ein solches Sediment Iasst sich kaum redispergieren. Ein Unterscheidungsmerkmal fur geflockte resp. entflockte Suspensionen ergibt sich aus der Beschaffenheit des Sedimentes (Abb. 5.38): geflockte Suspension -+ grol3es Sedimentvolumen (lose Packung) Sediment leicht aufriihrbar. entflockte Suspension -+ kleinvolumiges, dicht gepacktes Sediment schwer oder nicht aufruhrbar. Die verschiedenen Sedimentationstypen lassen sich im D i a g r a m nach Fitch darstellen (Abb. 5.39) und das Sedimentationsverhalten einer konzentrierten Suspension ist schematisch in Abb. 5.40 dargestellt.
4
klar
4
b) Geflockte Dispersion
a) Enfflockte Dispersion
Abb. 5.38. Sedimentation von entflockten und geflockten Dispersionen.
inerte Teilchen dispergiert Intensitat der Flockung
I
Flocken geflockt
Abb. 5.39. Sedimentationstypen nach Fitch [28].
5.8 Formulierung stabiler Suspensionen resp. Dispersionen
a) Enfflockte Dispersion rnit sehr feinen Teilchen
konstante
kompaktes Sediment
b)Teilweise geflockte Dispersion
c) Geflockte Dispersion
variable
Sediment
177
klare Losung lockeres Sediment
A bb. 5.40. Sedimentationsverhalten von konzentrierten Dispersionen [29].
Der zeitliche Verlauf einer Sedimentation Iasst sich auf einfache Weise in einem Sedimentationszylinder verfolgen. Vorausgesetzt, dass die Suspension nicht einen groReren Anteil von sehr feinen Teilchen enthalt, bildet sich schon bald nach Beginn der Sedimentation eine deutliche Grenzflache zwischen der Sedimentationszone und der dariiberliegenden Klarflussigkeitszone aus. Die Hohe dieser Grenzflache wird zu verschiedenen Zeiten gemessen und in Absetzkurven dargestellt (Abb. 5.4 1).
t
Bereich konstanter Absetzgeschwindig keit
Ubergangsbereich fallig rate section"
Zeit
-
Abb. 5.41. Sedimentationsbereiche in Absetzkurven.
118
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Eine Absetzkurve setzt sich im Allgemeinen aus drei Teilen zusammen: zuerst ein dann ein Ubergangsbereich mit linearer mit konstanter Absetzgeschwindigkeit (0-X), einer Abnahme der Sedimentationsgeschwindigkeit (X-Y), anschlieBend beim Kompressionspunkt KO das Gebiet, wo das Sediment zusammensinkt. Bei Z ist das Sediment so stark verfestigt, dass es nicht mehr leicht redispergiert werden kann. Nicht immer sind alle drei Bereiche des Sedimentationsvorganges anzutreffen. Dies hangt von der Konzentration ab und auch davon, ob die Partikel inert oder geflockt sind. In Abb. 5.42 sind einige typische Absetzkurven dargestellt.
Zeit
-
Abb. 5.42. Typische Absetzkurven: a) niedrige Konzentration. entflockt: b) niedrige Konfentration, geflockt; c) mittlere Konrentration; d) mittlere Konientration mit Anlaufperiode; c) hohe Konzentration; K,: Kompressionspunkt [30].
Ein ideales Handelsprodukt in Form einer Suspension sollte fir eine lange Zeit, eventuell uber Jahre in gleichmaDiger Verteilung bleiben. Die Absetzkurve sollte also horizontal verlaufen. Eine geflockte Suspension mit diesem Verhalten kann daher als stabile Form qualifiziert werden. Geflockte Suspensionen gelten jedoch im Sinne der Kolloidwissenschaft als nicht stabile Dispersionen. Chwala hat diese Situation als ,,Sedimentations-Paradoxon" beschrieben. Wesentlich fur eine in diesem Sinne stabile Suspension ist, dass das gebildete Sediment leicht wieder in die Primarteilchen redispergiert werden kann. Das Problem der Stabilitatspriifung besteht also in der Bestimmung
5.8 Formulierung stabiler Suspensionen resp. Dispersionen
179
des Punktes Z auf der Absetzkurve (Abb. 5.41). Eine direkte Messung dieses Punktes wiirde aber das Abwarten sehr langer Lagerzeiten erfordern. Man sucht sich daher mit beschleunigten Tests zu behelfen, wobei man die Sedimentation in einer Zentrifbge untersucht. Die Ubertragung von Tests in Zentrifugen auf die Absetzcharakteristik im Schwerefeld ist problematisch und nur fiir inerte Teilchen und Flussigkeiten mit Newtonschem Flieljverhalten moglich. Bei hoheren Beschleunigungwerten konnen Flocken zerstijrt werden, was zu falschen Resultaten fiihrt. Es wird daher empfohlen, eine maximale Beschleunigung von 4 g nicht zu uberschreiten [3 11. Die beste Moglichkeit besteht darin, bei verschiedenen, moglichst niedrigen g-Werten zu zentrifugieren und die Resultate auf 1 g zu extrapolieren. Untersuchungen uber die Beschaffenheit von Sedimenten sind auf visuellem Wege oft nicht moglich. Dazu existiert eine Reihe von Testgeraten, wie z.B. die Penetrometer und Gel-Testgerate. Zu envahnen sind der ,,Helipath' von Brookfield und das ,,Rheoprobe". Naheres dariiber siehe [3]. Eine wichtige UntersuchungsgroRe in Sedimentationsversuchen stellt das Sedimentationsvolumen dar. Man vergleicht die vorliegende Hbhe H, oder das Volumen V, der Suspension mit der Hohe Ht oder dem Volumen V, nach der Zeit t. Der Quotient dieser GroDen HtlHo resp. VtlVo heiljt Sedimentationsgrad F, welcher eine qualitative Aussage uber die Flockung gibt. Fur F = 1 befindet sich die Suspension in einem Flockungsgleichgewicht. F kann auch groljer als 1 sein. Dies ist dann der Fall, wenn das Netzwerk der Flocken sehr locker ist, sodass das Volumen, das sie einnehmen, gr6Der als das Volumen der Originalsuspension ist. Das Konzept der Sedimentationsvolumina muss allerdings mit Vorsicht angewandt werden. Es kann namlich auch eine im kolloidchemischen Sinne instabile Suspension, deren Flockung irreversibel ist, zu einem hohen Sedimentvolumen fiihren. Um hier zwischen schwacher und starker Flockung zu unterscheiden, ist ein Versuch zur Redispergierung des Sedimentes notwendig. Dies lasst sich auf einfache Weise durch mechanische Rotation des Messzylinders ,,Kopf uber Kopf' erreichen, wobei man die Anzahl der bis zur Redispergierung des Sedimentes notwendigen Umdrehungen zahlt. Um das Sedimentationsverhalten fiir sehr lange Lagerzeiten zu ermitteln, misst man das Sedimentvolumen mit zunehmender Zeit wahrend einiger Wochen und extrapoliert diese Werte auf die gesamte Lagerzeit.
5.8.3 Vermeidung der Bildung von nicht-redispergierbaren Sedimenten Zur Vermeidung der Bildung von harten Sedimenten lasst sich der Absetzvorgang auf verschiedene Weise beeinflussen: 1. Durch Ausgleichen der Dichten von disperser Phase und flussigem Medium. Dies ist jedoch nur bei kleinen Dichteunterschieden moglich und nur fir einen kleinen Temperaturbereich. 2 . Verwendung von Verdickungsmitteln: Zur Erhbhung der Viskositat werden Verdickungsmittel verwendet, welche bereits in kleinen Konzentrationen eine Viskositatssteigerung bringen. Dazu geeignet sind Makromolekule wie modifizierte Cellulose und
180
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Starke, natiirliche Gummiarten, Polyvinylalkohol, Polyethylenoxid und viele andere (vergl. die Kapitel Kosmetika und Nahrungsmittelformulierungen). Solche Polymere bilden Strukturen im kontinuierlichen Medium und verursachen deshalb im Allgemeinen das Auftreten einer FlieBgrenze. Nachteilig wirkt sich aus, dass Losungen von polymeren Verdickungsmitteln sich nur unter Anwendung grol3erer Scherkrafle verdunnen lassen. AuRerdem fihrt die Temperaturabhangigkeit der Viskositat zu Problemen der Lagerstabilitat bei schwankenden Temperaturen. Zudem bauen sich viele Polymerlosungen mit der Zeit ab, wobei ihre Viskositat abnimmt. Haufig venvendete Verdickungsmittel: ,,Carbopole" (hochpolymere Acrylsaurepolymere), Carboxymethylcellulose, Hydroxypropylmethylcellulose (,,Klucel"), Methylcellulose, Alginate, Polyethylenglykol, Polyvinylalkohol, Polyvinylpyrrolidon, Xanthan (,,Kelzan"). Neben den polymeren Verdickungsmitteln sind solche auf Basis von kolloid verteilten anorganischen Stoffen wie Tone oder Oxide von Bedeutung. Tone wie etwa Montmorillonit und Oxide wie Kieselsaure bilden unter speziellen Bedingungen von Konzentration und pH-Wert, Elektrolytgehalt, usw. im flussigen Dispersionsmedium dreidimensionale Netzwerke in Form von Gelen, welche die Bildung von harten Sedimenten verhindern. Zu envahnen sind unter den Tonen die ,,Bentonite", rnit Typen f i r wassrige als auch flir organische Suspensionen. Pyrogene Kieselsaure eignet sich zur Verdickung von polaren und apolaren Medien (,,Aerosile"). Zu den kolloiden anorganischen Verdickungsmitteln sind in neuerer Zeit auch organische Produkte rnit mikrokristallinem Aufbau hinzugekommen, vor allem die mikrokristalline Cellulose (,,Avicel"TYPen). Durch Mischen von anorganischen mit polymeren Verdickungsmitteln lassen sich die Effekte der einzelnen Komponenten zur Verhinderung des Absetzens von Suspensionen verstarken. Es bilden sich dreidimensionale Strukturen, in denen die Partikel als Zentren miteinander durch Polymere verbunden sind. Der Verdickungseffekt ist sehr stark vom Mischungsverhaltnis der Verdickungsmittel abhangig. 3. Kontrollierte Flockung: Dieser Aspekt wurde bereits in Abschnitt 5.7.2 beschrieben. Im Gegensatz zur Bildung von Gelen rnit polymeren und mikrokristallinen Zusatzen, in welche die disperse Phase eingebettet ist, wird hier ein dreidimensionales Netzwerk des dispergierten Materials erzeugt. 4. Damit eine Suspension wahrend langen Lagerzeiten stabil bleibt, darf auRerdem kein, oder nur geringes Kristallwachstum erfolgen. Kleinere Teilchen haben eine hohere Loslichkeit als groDere. Dies fihrt dazu, dass die groBeren Partikel auf Kosten der kleineren wachsen (vergl. Kapitel9):
(5.15) ( R : Gaskonstante; M : Molekulargewicht; S,, S,: Loslichkeit von Teilchen mit Radius r , , r2; c: Grenzflachenspannung festhliissig; p: Dichte der Teilchen)
Geringe Loslichkeit und enge Korngroflenverteilung sind die Kriterien zur Verzogerung des Kristallwachstums.
5.8 Formulierung stabiler Suspensionen resp. Dispersionen
18 1
5.8.4 Konservierung von Suspensionen Organische Substanzen enthaltende Suspensionen sind oft schgdlichen Zersetzungsprozessen durch Mikroorganismen ausgesetzt. Sie mussen daher konserviert werden gegen eine Vielzahl von mbglichen Mikroorganismen. Wenn der Formulierungschemiker keine Kenntnis Uber die vorhandenen Keimarten besitzt, wird er ein Konservierungsmittel mit maglichst breitem Wirkungsspektrum auswghlen. Da die meisten Konservierungsmittel in einem bestimmten pH-Bereich optimal wirksam sind, muss bei ihrer Auswahl der pHWert der Suspension beriicksichtigt werden. Fur die Evaluation von Konservierungsmitteln f i r Suspensionen bietet eine Publikation von Wallhgurjer und Fink wertvolle Hilfe [32]. Zu beachten gilt, dass einige der Stoffe aus toxikologischen und bkologischen Griinden unter Umstgnden nicht mehr in Handelsformen verwendet werden sollten. Fur pharmazeutische und kosmetische Produkte werden z.T. andere Konservierungsmittel eingesetzt. Nghere Angaben dazu sind in Kapitel 12 zu ersehen.
Tabelle 5.2 Einige Konservierungsmittel mit breitem Wirkungsspektrum [32]
[%I
Chemische Verbindung Formaldehyd Na-Pentachlorphenol
pH-Bereich 3-10 4-1 0
Einsatzkonz. 0.054.2 0.1-0.3
N-( 3-Chloral 1yl)hexaminium-chlorid 1,3-Dimethylol-4,4dimethy lhydantoin 1,2-Dibrom-2,4dicyanobutan 1,2-Benzisothiazol-3-on
4-10
0.05-0.2
3.5-10
0.05-0.2
Handelsprodukte Formalin (40 YO) Preventol PN, Witophen N, Cryptogil Na Dowicil200, Quatemum 15, Preventol D 1 Glydant 55
breit
0.01-0.025
Tektamer
3.5-1 1
0.024.5
Sorbinsgure Benzoesgure o-Pheny Iphenol-Na
24.5 24.5 8-12
0.5 0.5 0.14.2
Mergal K10, Proxel AB, Proxel BD und weitere Proxeltypen (als K-Sorbat) (als Na-Benzoat) Dowicide A, Mergal KM, Preventol ON
m-Kresol
8-9
0.14.2
Literatur zu Kapitel 5: [I] [2]
M. J. Rosen, Surfactants and Interfacial Phenomena, John Wiley & Sons, Inc., New York, 1978. H. Rumpf, Chem.-1ng.-Tech. 37, 187 (1965).
1 82
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
T. C. Patton, Paint flow and pigment dispersion, 2"d ed., Wiley-Intersci. Publ., New York, 1979. B. Heinrich, L. Kreitner, Aufbereitungstechnik I0 (1 98 l), I I (1 98 I). U.S. Pat. 2,855,156. M. J. Rosen, J. Am. Oil Chem. SOC.49,43 1 (1 972). R. J. Pugh, T. Matsunaga, F. M. Fowkes, Colloids and Surfaces 7, 183 ( 1983). P. Sennett, J. P. Olivier, Ind. Eng. Chem. 8 , 4 5 (1965). H. Sonntag, Lehrbuch der Kolloidwissenschaft, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1977. L. Dulog, M. Hilt, Farbe und Lack 96, 180 (1990). T. G. Overbeek, Pure and Appl. Chem. 52, 1 15 1 (1980). E. F. Burton, E. Bishop, J. Phys. Chem. 24,701 (1920). W. Ostwald, Kleines Praktikum der Kolloidchemie, 9. Auflage, Leipzig, 1943. W. Heller, W. J. Panagonis, Chem. Phys. 29,498 (1957). E. J. Venvey und J. T. G. Overbeek, The Theory of the Stability of Lyophobic Colloids, Elsevier, Amsterdam, 1948. T. F. Tadros, Adv. Colloid and Interface Sci. 72, 505 (1 979). B. A. Haines, A. N. Martin, Pharm. Sci. 50,288, 753 (1961). R. D. Jones, B. A. Mathews, C. T. Rhodes, J. Pharm. Sci. 57,569 (1968). J. A. Kitchener, Brit. Polymer J. 4,217 (1972). V. K . La Mer, Discuss. Faraday SOC.42,246 (1966). J. Vostrcil, F. Juracka, Commercial Organic Flocculants, Noyes Data Corp. F. K. R. Li-in-on, B. Vincent, F. A. Waite, A.C.S. Symp. Ser. 9, 165 (1975). R. J . Feigin, D. H. Napper, J. Colloid and Interface Sci. 74, 567 (1980). S. Asakura, F. Oosawa, J. Polym. Sci. 33, 183 (1958). H. Heywood, Symp. On the Interaction between Fluids and Particles, Inst. Chem. Eng. 1 (1962). E. F. Burton, in Colloid Chemistry, Vol. I, 165 (A. E. Alexander, Ed.), Reinhold Publ., New York, 1926. H. H. Steinour, Ind. Eng. Chem. 36,618 (1944). E. B. Fitch, Filtration and Separation 12,40 (1975). G. D. Parfitt, Dispersions of Powders in Liquids, Applied Science Publishers Ltd.. London, 198 1. M. J. Pearse, Gravity Thickening Theories, Report No. LR 261 (MP), Warren Spring Laboratory, Stevenage, 1977. W. Jones, J . Grimshaw, Pharm. J. 19,459 (1963). K. WallhauBer, W. Fink, Farbe und Lack 91,277 (1985).
6 Feste Formen
Die festen Formen umfassen ein groRes Gebiet unter den Formulierungen; sie reichen von einfachen Pulvern uber Agglomerate bis zu den modernen Formulierungen wie Liposomen oder eingekapselten und urnhullten Wirkstof@raparaten. Sie eroffnen dem Formulierungschemiker neue, industriell aunerst interessante Moglichkeiten, wie etwa die kontrollierte Wirkstoffabgabe (Slow Release und Retard-Praparationen), Instant-Produke, und nicht zuletzt nichtstaubende, gut rieselfahige Feststoffformulierungen. Entsprechend anspruchsvoll sind die Technologien zur Herstellung solcher, man konnte im modernen Jargon sagen ,,High-Tech" Produkte. Seit einiger Zeit haben sich dam die Nanopartikel und deren Formulierungen gesellt. Solche fortgeschrittenen Feststoffformulierungen sind oft noch durch laufende Patente geschutzt, und eine groBe Forschungsund Entwicklungsaktivitat bringt immer neue Formulierungspraparate auf den Markt. Hier konnen wir nur die wichtigsten und bereits bewahrten Vertreter dieser fortschrittlichen Formulierungen besprechen.
6.1 Pulver und Pulvermischungen Ein trockenes Material wird nach British-Standard 2955 als Pulver bezeichnet, wenn es aus Teilchen mit einer maximalen Dimension von weniger als 1000 pm besteht. Pulver, welche ein Testsieb von 76 pm passieren konnen, nennt man ,,sub sieve"-Pulver. Diese Grenze dient zur rohen Unterscheidung zwischen ,,grit" (grober Sand) und Staub. Feinpulver ist ein ungenauer Begriff fir ein Material, dessen KorngroRen unter 1 pm liegen. Pulver gehiiren wie auch die Agglomerate/Granulate zu den Schuttgutern. In fast allen lndustriezweigen werden Festkorper in Form von Schuttgutern verarbeitet und mussen folglich bewegt und gelagert werden. FlieRen und Lagern von Schuttgutern ist eine Grundoperation der mechanischen Verfahrenstechnik. Ein Schuttgut kann im Gegensatz zu Flussigkeiten beliebig geformte Oberflachen bilden, bis zu Neigungen, die seinem Boschungswinkel entsprechen. Es kann statische Schubkrafte ubertragen, wobei die Driicke, die es in einem Behglter auf Wande und Boden ausubt, nicht linear mit der Tiefe zunehmen, sondern bald einen Endwert erreichen, da ein Teil des Stoffgewichts durch die Reibung an der Wand von dieser gehalten wird. Der Druck ist ferner von der Richtung abhangig und verschieden beim Fullen, Entleeren und Lagern. Ein Schuttgut kann weiter auch keine oder nur sehr geringe Zugkrafte iibertragen, und lgsst sich nicht mit den Gesetzen des Festkorpers beschreiben. Es ist also weder eine Fliissigkeit noch ein Festkorper. Ein Pulver kann als disperses Zweiphasensystem betrachtet werden, in welchem Festkorperteilchen von verschiedenen Durchmessern in einem Gas als kontinuierliche Phase dispers verteilt sind. Die festen Teilchen bilden darin ein mechanisches Netmerk auf
184
6 Feste Formen
Grund ihrer Wechselwirkungskrafte. Dieses Netzwerk kann unter gewissen Bedingungen expandiert werden, strebt jedoch danach, unter dern Einfluss der Schwerkraft stets wieder in den ,,gepackten" Zustand zuriickzukehren. Es besitzt also eine gewisse mechanische Kraft und eine gewisse Elastizitat. Zwischen der Gasphase und den dispergierten Teilchen existiert eine starke Wechselwirkung. Je starker diese Wechselwirkung ist, bedingt durch eine hohere Viskositat des Gases oder durch die Adsorption von Gas, umso starker kann das Pulver expandiert werden. Eine grobere Expansion hat eine bessere Flienbarkeit des Pulvers zur Folge. Als bemerkenswerter Effekt resultiert, dass j e hoher die Viskositat des Gases ist, umso niedriger ist die Viskositat des Pulvers. Diese Pulvereigenschaften spielen eine Rolle bei allen mehr oder weniger kohasiven Pulvern. Sie rnussen bei jedem Hantieren mit Pulvem in Betracht gezogen werden, wie beim Mischen. Umwalzen oder Fluidisieren der Pulver. Uber kohasive und kohasionslose Pulver siehe weiter unten. Hier sol1 noch auf eine Klassifikation der Pulver von Geldart [ 11 hingewiesen werden. Nach dieser werden Pulver in folgende Klassen eingeteilt (Abb. 6.1):
10
100 1000 Partikeldurchmesser [pm]
5000
Abb. 6.1. Klassifikation von Pulvern nach Geldart.
Ein A-Pulver ist dadurch charakterisiert, dass es bei einer Fluidisierung mit einer Gasgeschwindigkeit in Nahe der kritischen Fluidisierungsgeschwindigkeithomogen uber das Pulverbett verteilt wird. B-Pulver bestehen allgemein aus groneren Teilchen und lassen sich nicht homogen fluidisieren. C-Pulver sind feiner als A-Pulver und zeichnen sich durch ein relativ starkes kohasives Verhalten aus. Dieses bewirkt, dass beim Uberschreiten der minimalen Fluidisierungsgeschwindigkeit im Pulverbett horizontale Bruchflachen auftreten, verbunden durch irregulare vertikale Kanale, durch welche das uberschussige Gas aufwarts strornt. Das Pulverbett ist kaum in Bewegung. D-Pulver sind die grobsten Pulver. Zum Fluidisieren braucht es hohe Gasgeschwindigkeiten. Gasblasen koaleszieren und reinen Partikel rnit sich nach oben, sogenanntes Spouting.
6.1 Pulver und Pulvermischungen
185
Die Klassifikation der Pulver nach Geldart eignet sich nicht nur zur Beschreibung der Fluidisierung, sondern auch der meisten anderen Operationen des Pulver-Handlings, wie Transport, Mischen, Mahlen, Agglomerieren und Trennen. In allen diesen Operationen befinden sich die Pulver kontinuierlich in einem expandierten Zustand, sei es durch Zufuhr von Gas, oder einfach als Folge des kontinuierlichen Umwendens und neu Mischens des Pulvers, wodurch immer Gas eingeschlossen wird. Als Resultat wird das Pulver flub disiert, und seine FlieBeigenschaften verbessern sich. D-Pulver fallen infolge ihrer Teilchengrol3en nicht in diesen Rahmen. Interpartikuke Krafie spielen hier keine Rolle, ihr Verhalten ist allein hydrodynamisch bedingt. Staubteilchen besitzen im Allgemeinen eine elektrische Ladung, die kurz nach ihrer Entstehung festzustellen ist. Fur Quarzteilchen im Bereich von 4-5 pm wurden Ladungen zwischen 134 und 172 e (Elementareinheiten) gemessen. Teilchen unter 1 pm haben noch bis 100 e. Die Zunahme der Ladung ist etwa oberflachenproportional. Dies konnte an Holzstaub, Mehl, Zuckerstaub, RuR u.a. bestatigt werden. Die elektrischen Ladungen beeinflussen das FlieRverhalten resp. die Kohasion der Pulver. Die elektrische Aufladung ist im wesentlichen verkniipfi mit Operationen von Pulvern, wie Fallen, Leeren, Sieben, Mischen, Staubabscheidung, pneumatischer Transport etc., und m a r zwischen den Partikeln und den Apparatewanden. Als Beispiel fiir die elektrische Aufladung zwischen Partikeln und Apparatewand, z.B. bei pneumatischer Forderung, werden Ladungen von Coulombkg erzeugt. Fur eine langsamere Bewegung wie z.B. AusgieBen bis eines Pulvers aus einem Behalter findet man Werte zwischen bis lo-’ C k g . Bereits eine kleine Aufladung des Pulvers auf lo-’ C k g kann in der Praxis zu kritischen Verhi-iltnissen fiihren. Die Gefahr von Entzlindungen oder Explosionen beim Handling mit Pulvern in der Praxis kann stark reduziert werden, wenn nur elektrisch leitende Materialien f i r alle Apparateteile Verwendung finden und diese geerdet werden [ 2 ] .
6.1.1 FlieDverhalten von Pulvern Das Gebiet der Schiittgutmechanik resp. das FlieBverhalten der Schuttgiiter und ihre Grundlagen konnen hier nicht n&er behandelt werden. Dazu sei auf die entsprechende Literatur venviesen [3], [4]. Das FlieRverhalten von Pulvern spielt in der Technik eine groBe Rolle und dementsprechend auch dasjenige von pulverformigen Formulierungen. Es wird in der Literatur auch als Rieselfihigkeit, Rolligkeit, Sttiubungsvermogen, FlieBfahigkeit, Dispersibilitat u.a. bezeichnet. Die Schuttgiiter lassen sich entsprechend ihrem FlieRverhalten in zwei Gruppen einteilen: -
kohi-isionslose, freiflienende Schuttguter
- kohasive Schuttguter.
Der KorngrbBenbereich, oberhalb dem bei nicht zu feuchtem Gut keine Kohlsion auftritt, liegt bei 100 bis 200 pm. Die Koh%ion spielt also eine Rolle bei KorngroBen unter 100 pm. Sie beruht auf den Haftkrlfien zwischen den Einzelpartikeln. Bei groBeren
I86
6 Feste Formen
Teilchen sind diese m a r auch vorhanden, jedoch gegenuber dem Teilchengewicht zu vernachlassigen. Bei einer TeilchengroBe von 1 pm kann die Haftkraft das 106-fache der Schwerkraft betragen. Das FlieRverhalten von Pulvern wird oft uber den Boschungswinkel bestimmt. Mit kohasiven Pulvern fiihrt dies jedoch zu unbrauchbaren Resultaten, da sich mit kohasiven Schuttgutern beliebige Boschungswinkel erzeugen lassen, sogar solche uber 90". Der Boschungswinkel ist vom Verdichtungszustand abhangig. Ebenso untauglich zur Bestimmung der FlieRfahigkeit von kohasiven Pulvern sind auch die zahlreichen Tests, bei denen das Pulver aus einem Trichter auf eine Basisflache ausflieRt und darauf der gebildete Boschungswinkel gemessen wird. Zu envahnen ist etwa die Methode zur Bestimmung der Rieselfahigkeit von Pulvern nach Pfrengle, DIN 53916, urspriinglich fur die Priifung von Waschmitteln enhvickelt. Eine Beschrankung auf nicht kohasive Pulver wird nicht gefordert. Weiter existiert DIN 53492 zur Bestimmung der Rieselfahigkeit von kornigen Kunststoffen. Es wird envahnt, dass eine eindeutige und reproduzierbare Messung des Boschungswinkels nur bei denjenigen Schuttgutern moglich ist, die ,,ohnehin keine groReren Schwierigkeiten beim FlieRen verursachen". Zur Bestimmung des Kohasionsvermogens von Pulvern und generell von Schuttgutern wird heute aus theoretischen Erwagungen und aus Grunden der Reproduzierbarkeit und Verlasslichkeit die Messung mit der Scherzelle als die geeignetste angesehen. Sie beruht auf den Erkenntnissen der Schuttgutmechanik, fur die auf die Literatur venviesen werden muss [3, 41. Die Messung rnit diesen Geraten erfordert gute Kenntnisse der Schuttgutmechanik. Zur Beschreibung der FlieBeigenschaften mussen etwa funf Parameter gemessen werden. Die wesentlichen Flieoeigenschaften, die bekannt sein mussen, um die Vorgange beim Lagern und FlieRen von Schuttgutern quantitativ zu erfassen, sind: ~
die Schuttfestigkeit der innere Reibungswinkel der Winkel der inneren Reibung beim stationaren FlieBen der Wandreibungswinkel die Schuttgutdichte.
Zur Messung dieser GroRen eignen sich, wie zuerst Jenike auf Grund theoretischer Arbeiten fand, eine sogenannte Scherzelle. Eine aus Boden, Scherring und Scherdeckel bestehende Zelle (Abb. 6.2), mit Schuttgut gefiillt, durch eine Normallast N verdichtet und durch eine Scherkraft S abgeschert, erlaubt die Messung dieser fur das FlieBen von Schuttgutern wichtigen GroRen. Heute existiert zu diesem Zweck eine Anzahl von verschiedenen Schergeraten. Uber deren Messprinzip und Konstruktion und Anwendungsgebiet siehe bei Kulicke, Kap. 10 von Wilms und Schwedes [ 5 ] .Fur alle diese Gerate gilt jedoch, dass die damit erhaltenen Messwerte generell nur dann einen Sinn ergeben, d.h. die FlieReigenschaften zahlenmaRig und rnit genugender Genauigkeit erfassen und deren Interpretation ermoglichen, wenn der Operator uber die notwendigen Grundkenntnisse der Schuttgutmechanik verfugt. Dies gilt auch fur das Einfachschergerat nach Schwedes [ 5 ] , S. 460.
6.I Pulver und Pulvermischungen
187
Im Schergergt nach Peschl, ,,RO-200 Automatic", existiert ein automatisches Industriegerat, das auf dem Prinzip der Rotationsscherung beruht und aus den verschiedenen, automatisch gemessenen pulvermechanischen Eigenschaften einen sogenannten ,,Flowability Index" ermittelt. Dieser Index ist geeignet zur Betriebskontrolle von Pulvern, und kann von Betriebskrgften ohne Kenntnisse in Pulvertechnologie ermittelt werden. (Inst. fir Schuttguttechnologie, Schaan-Vaduz, Liechtenstein). Normallast N
Abb. 6.2. Scherzelle nach Jenike.
Das FlieRvermogen eines Pulvers lgsst sich durch eine GrdDe, den Scherindex n, quantitativ wiedergeben. Die Scherindices (Tabelle 6.1) liegen nach N. Pilpel zwischen 1 (frei flienendes Pulver) und 2 (stark zusammenbackendes Pulver [6]). Ihre Bestimmung erfolgt in einer speziellen Scherzelle. Tabelle 6.1. FlieRvermogen von Pulvern [6].
Stoff Sand Portland-Zement Kalk pulverisiert Trockenei Titandioxid Griseofulvin
Flienverhalten frei flieljend frei flieBend frei flieBend kohasiv kohtisiv kohasiv
Scherindex n 1.2 1.4 1.3 1.6 1.8 1.9
Der Scherindex eines Pulvers steigt mit abnehmender TeilchengrljRe ebenso an wie das Kohlsionsvermdgen; z.B gefirllte Kreide von mitterem Teilchendurchmesser 1 pm: n = 1.86; fir 20 pm n = 1.29.
6.1.2 Verminderung und Verbesserung des Kohasionsvermogens Additive, die das FlieDverhalten von Pulvern verbessern, sogenannte Gleitmittel, finden weite Anwendung zur Verminderung der Kohasion feiner Pulver. Eine Schicht von
188
6 Feste Formen
wenigen Molekullagen aus Stearinsaure auf der Oberflache von Agrochemikalien, mit denen Obst oder andere landwirtschaftliche Produkte gegen Schadlinge und Krankheiten bespriiht werden, verhindert die Bildung von Klunipchen und erleichtert die Anwendung als feiner, uberall wirksamer Staub. Auch die Zerstaubung von pharmazeutischen Wirkstoffen als Wolke von pulverisierten und fieiflieljenden Heilmitteln verstarkt deren Wirkung beim Einatmen in die Lunge. Andere wasserabstoljende Additive, welche als Spray oder Dampf eingesetzt werden, um die Adsorption von Wasser auf Pulvern zu reduzieren, sind neben den Fettsauren: Dimethyldichlorsilane und quaternke Ammoniumverbindungen. Die Pulver werden durch Adsorption solcher Additive hydrophobiert. Zur Verbesserung des Flieljverhaltens von pulverisierten Nahrungsmitteln venvendet man Starke und Lactose. Magnesiumcarbonat, zu etwa I YOdem gewohnlichen Kochsalz beigemischt, verbessert dessen Streufahigkeit auch bei feuchter Atmosphare. Zur Verminderung des Kohasionsvermogens von pharmazeutischen Pulvern wird in sorgfaltig kontrollierter Menge Aerosil zugesetzt, sodass diese sich in Fullmaschinen G r Kapseln oder in schnelllaufenden Tablettenpressen besser verarbeiten lassen. Auch Talk, Calciumphosphat, und verschiedene Metallstearate dienen diesem Zweck. Der Effekt eines Gleitmittels auf das Kohasionsverhalten und die Flieljbarkeit eines Pulvers hangt von zahlreichen Faktoren ab: von seiner physikalischen und chemischen Affinitat zum Pulver, der durchschnittlichen Teilchengroae und -form im Verhaltnis zum Pulver, seiner Konzentration und seinem Feuchtigkeitsgehalt.
6.1.3 Staub Schon der englische Arzt Sir Thomas Brown schrieb im 17. Jahrhundert: ,,Time, which antiquates antiquities, hath an art to make dust of all things". Teilchen in der Atmosphare haben Durchmesser zwischen 0.002 bis etwa 100 pm. Die Partikel an der unteren Grenze sind allgemein instabil und koagulieren zu groljeren Teilchen, und feine flussige Tropfchen haben die Tendenz rasch zu verdampfen. Partikel im oberen Groljenbereich sedimentieren rasch; sie sind gewohnlich von irregularer Form und bestehen oft aus Aggregaten. Die Sinkgeschwindigkeit kann nach der Gleichung von Stokes berechnet werden (siehe Kapitel uber kolloide Suspensionen). Staubteilchen mit einem Durchmesser von groaer als 2 pm konnen sich auf die Dauer in der Luft nicht halten, da sie infolge der Schwerkraft von selbst ausfallen, wahrend kleinere Teilchen sehr lange in der Luft schweben. Sehr kleine Staubteilchen, sogenannte Kondensationskeime, sind verantwortlich fur die Dunstbildungen, f i r Nebel- und Regenbildung. Ihre Konzentration betragt etwa 1000 Partikel pro cm3 Luft auf dem Land, und uber 100 000 Teilchen pro cm3 in der Stadt. Die Problematik des aus den verschiedenen Quellen und menschlichen und industriellen Tatigkeiten anfallenden Staubes ist bekannt. Pro kWh des in einem Kohlenelektrizitltswerk erzeugten Stromes fallen etwa 20 g Staub an; ein Konverter zur Stahlerzeugung schleudert pro Stunde etwa eine Tonne Staub in die Luft. Das Staubeverhalten von Produkten der chemischen Industrie beschaftigt auch den Formulierungschemiker, insbesondere wenn es sich dabei um toxische oder physiolo-
6.I Pulver und Pulvermischungen
189
gisch hoch aktive Stoffe handelt, nicht zuletzt auch das Stauben bei Farbstoffen. Es stellt sich also das Problem, das Staubeverhalten von Pulvern zu messen, und schliefllich unter Kontrolle zu bringen. Einige Moglichkeiten dazu sollen hier kurz zusammengefasst werden.
6.1.4 Messung des Staubeverhaltens von Pulvern Zwischen dem Staubeverhalten und dem Boschungswinkel eines Pulvers besteht ein Zusammenhang: Die staubenden Pulver haben einen kleinen Boschungswinkel, die wenig staubenden kijnnen mit senkrechter Boschung vorliegen. Dies kann nur eine sehr qualitative Beurteilung des Staubeverhaltens sein. Als halbquantitative Tests f i r Farbstoffe sind in der Industrie Methoden bekannt, bei denen eine gewogene Menge eines Pulvers aus einem Glaszylinder in einen Messzylinder von 500 cm3 fallen gelassen wird. Der Trichter tragt an seinem verlangerten Stutzen ein angefeuchtetes Rundfilter. Durch den Aufprall des Staubes auf den Boden des Messzylinders bildet sich eine Staubwolke, die j e nach Intensitat das auf einer Hohe von etwa 400 cm3 des Messzylinders am Trichterstutzen angebrachte gelochte Rundfilter bestaubt. Aus der auf dem feuchten Rundfilter entstandenen Farbung wird die Staubestarke bestimmt. Eine quantitative Methode zur Staubmessung bietet das sogenannte ,,Casella"-Staubmessgerat. Bei diesem Itisst man eine bekannte Menge Pulver in eine Kammer fallen und misst die relative Anderung der Lichtintensitat einer Lichtquelle mit einer Fotozelle als Funktion der Zeit (Abb. 14.4). Als eine der ersten wissenschaftlichen Untersuchungen uber das Staubungsvermogen der Stoffe und deren Messung sei die Arbeit von Andreasen [7] angegeben. Diese Arbeit behandelt die wesentlichen Aspekte des Staubeverhaltens der verschiedensten anorganischen und organischen Stoffe.
6.1.5 Methoden der Staubbekampfung Schon friih hatten sich Gemeinden und lndustrie mit der Bekampfung von Staub zu beschaftigen. Als Beispiel sei die Beseitigung des StraBenstaubes erwahnt. Man versuchte das Problem durch Benetzung des Staubes rnit Wasser oder wassrigen Losungen von Salzen in den Griff zu bekommen. Dabei spielen die friiher erwahnten Grundlagen der Benetzung von Festkorpern mit einer Flussigkeit die entscheidende Rolle: Adhasion der Spruhtropfchen auf einer rauhen Oberflache, Spreitung auf dieser Oberflache, kapillares Eindringen in den Staub, Entweichen der Luftblasen aus den Kapillaren durch das wassrige Medium. Als Netzmittel werden bestimmte Tenside verwendet. Dabei spielt die Erniedrigung des voniickenden Kontaktwinkels die wichtigste Anforderung an das Tensid, und gleichzeitig sol1 dieses die Oberflkhenspannung der Losung nur schwach erniedrigen . Grenzflachenaktive Stoffe, die diesen Anforderungen genugen, sind z.B. die Ligninsulfonate. Als sonst unbrauchbares Nebenprodukt aus der Celluloseherstellung sind diese
I90
6 F a t e Formen
sehr billig. Auch wassrige Losungen von Calciumsulfat und anderen leicht zerflienenden Salzen (Hydrate) finden Venvendung. Unter den Tensiden sind zur Staubbindung vor allem Lissapol N (Kondensationsprodukt von Alkylphenol und Ethylenoxid) und Teepol (sulfatiertes Olefin) seit langem in Gebrauch. Zu envahnen sind auch die Kondensationsprodukte von Naphthalindisulfosaure mit Formaldehyd; siehe dazu Kapitel 1. Als negative Nebenwirkung von Netzmitteln bei der Staubunterdriickung von Pulvern muss die Schaumbildung envahnt werden. Benetzung und Schaumbildung sind bei bestimmten Netzmitteln einander entgegengesetzte Eigenschaften, was bei der Auswahl von Staubbindemitteln auf Basis von Tensiden zu beachten ist. Eine generell anwendbare Methode zur Staubbindung von Pulvern stellt die Agglomeration der Pulver dar. Dies kann auf verschiedene Weise erfolgen, wie noch dargelegt wird. Die Bindung der einzelnen Staubteilchen muss dabei genugend stark sein, sodass diese beim Handling nicht wieder zerfallen. Andererseits mussen die Agglomerate bei Dispergier- oder Loseprozessen wieder leicht in ihre Einzelpartikel zerteilt werden. Als vielseitig anwendbares Agglomerationsverfahren bietet sich hier die ,,wet spherical agglomeration" an. Deren Grundlagen sind beschrieben bei Capes [8], und in den Patenten von Mollet, Rabassa et al. finden sich zahlreiche Beispiele von Farbstoffen, Pharmawirksubstanzen bis zu Kaffee, Milchpulver, Waschpulvern, Textilhilfsmittel u.a. (CH Patent 602 276 und weitere Patente). Als spezielles Verfahren muss noch der sogenannte Harshow Dustless Process envahnt werden, bei welchem den zu entstaubenden Pulvern Teflon K zugemischt wird, worauf diese Mischung einer intensiven Mischoperation in Kugelmuhle, Hammermuhle, Extruder u.a. ausgesetzt wird. Dabei wird Teflon K, Typ 20 zu Fibrillen von etwa 0.2 pm Durchmesser zerteilt, welche als feines Netzwerk die Pulverteilchen miteinander verbinden, sodass ein staubfreies Produkt entsteht, in welchem die Staubteilchen von den feinen Fibrillen zusammengehalten werden. Da jedoch Teflon K in Losemitteln wie Wasser unloslich ist, eignet sich die Methode nicht f i r Produkte, welche bei ihrer Applikation einen Filtrationstest bestehen mussen. Der Zusatz an Teflon K betragt maximal 0.5-1 %, doch liegt das Optimum der Dosierung meist niedriger, benotigt jedoch eine Iangere Zeit der Bearbeitung. Das Verfahren erfordert eine Lizenzgebuhr (Harshaw Dustless, Cleveland Ohio).
6.1.6 Mischen von Pulvern Die Vermischung von festen Teilchen ist ein komplexes Problem der Verfahrenstechnik. In fast allen Ablaufen der chemischen Industrie spielen Mischprozesse eine Rolle. Die theoretischen Grundlagen der grundlegenden Mischungsvorgange konnen hier nicht behandelt werden. Dam sei auf die Literatur hingewiesen [9, lo]. Hier sollen die f i r den Formulierungschemiker wichtigsten Grundlagen und fur die Praxis erforderlichen Kenntnisse kurz zusammengefasst werden. Die Pulvereigenschaften jeder individuellen Komponente einer Pulvermischung beeinflussen das Mischverhalten. Die Unterschiede in den betreffenden Eigenschaften wie PartikelgroBe, GroBenverteilung, Form, Dichte und Charakteristik der Oberflachen der Teilchen dominieren den Mischvorgang und machen ihn zu einem schwierigen Prozess.
6.I Pulver und Pulvermischungen
191
Als typische Mischprobleme sollen hier einige Falle e r w m t werden, welche die Anforderungen aufzeigen, die an solche Mischungen beziiglich ihrer Einheitlichkeit gestellt werden kbnnen: 1. Zur Herstellung einer keramischen Masse mussen zu einer Mischung von 99 % Sand, TiOz und weiteren Komponenten, 1 YOPigment mgemischt werden, wobei die prozentuale Abweichung des Pigmentanteils der Mischung nicht uber 0,l YObetragen darf. 2. Korkpulver als Grundmaterial zur Herstellung von Linoleum sol1 aus Griinden der Farbe aus verschiedenen KorngrbBen zusammengemischt werden, und m a r 15 % der KorngroRe 80 pm und 85 YOvon 330 pm Durchmesser. Die prozentuale Abweichung der TeilchengroRen in der Mischung darf maximal 2.2 % betragen. Jede homogene Mischung hat die Tendenz, sich wieder zu entmischen. Die Mischungsqualitat einer Pulvermischung wird verbessert sein, wenn das MaB und die Intensitat der Entmischung vermindert sind. Im Gegensatz zu gasfdrmigen und mischbaren fliissigen Systemen, wozu auch Suspensionen gehbren, wird dieser Verminderungsvorgang nicht durch molekulare Diffusion erfolgen, sondern das System muss bearbeitet werden, damit eine Bewegung zwischen den Partikeln entsteht. Die Partikel konnen geknetet, gewalzt, geschnitten oder geschaufelt werden, jedoch muss den einzelnen Partikeln die Gelegenheit gegeben werden, sich innerhalb der Mischung wieder niederzulassen. Die Fahigkeit der Partikel sich frei zu bewegen fiihrt zu einer allgemeinen Trennung der Pulvermischungen in -
FreiflieRende Mischungen
- Zusammenh2ngende oder nicht freiflieRende Mischungen.
Die TeilchengroBe ist wahrscheinlich von dominierendem Einfluss auf die Art des FlieRverhaltens. Die Gravitationskraft bei grol3en Partikeln ist vie1 starker als die zuriickhaltenden, interpartikularen Krafte, sodass die einzelnen Partikel ihre Bewegungsfreiheit beibehalten. Wenn die TeilchengroBe abnimmt, konnen verschiedene interpartikulare Krafte dominieren, und die Partikel versuchen, eine strukturierte Anordnung zu bewahren. Naherungsweise kann gesagt werden, dass Partikel mit einem Durchmesser uber SO pm dazu neigen, fieifliefiend zu sein, wahrend solche unter 50 pm die Tendenz haben, zusammenhangend zu sein. Die Eigenschafien und die Wirkung der FlieReigenschafi des Pulvers auf den Mischvorgang sind f i r beide Pulverqualitaten (beziiglich TeilchengroBen) verschieden: a) FreiflieBende Mischungen. Wegen der groReren Teilchen sind sie weniger staubend. Sie konnen nach einem Transport aus einem GefaD glatt auslaufen. Der Nachteil solcher Mischungen besteht darin, dass sie leicht entmischt werden konnen. Gerade diese Freiheit, die einem Teilchen erlaubt, glatt und unabhangig von seinen Nachbarn sich zu bewegen, ermoglicht es ihm, vorzugsweise in eine besondere Richtung zu flieRen. Somit werden kleine Partikel bevorzugt durch ein Bett sich bewegender groljerer Partikel durchsickern. Dies Aihrt zu einer Entmischung, sogar bei extrem kleinen Unterschieden in der PartikelgroRe. Auch wenn eine groBe Menge freiflieDenden Pulvers einwandfrei gemischt ist, kann die Mischungsqualitat bei anschlieDendem Handling oder bei Lagerung zerstort werden. Erst wenn die Mischung bei ihrer endgultigen Verwendung ,,eingefroren" ist, also die Partikel
192
6 Feste Formen
ihre Beweglichkeit verlieren, kann die Mischung als sicher betrachtet werden. Das kann durch Bildung einer Tablette oder die Abfiillung einer Packung der Fall sein. b) Zusammenhangende Massen. Im Gegensatz zu fieifliefienden Mischungen besteht bei zusammenhangenden Mischungen das Problem darin, dessen natiirliche Struktur wiederholt zu brechen, um den einzelnen Partikeln die Moglichkeit zu geben, innerhalb dieser Struktur sich an einen anderen Punkt zu begeben. Es ist relativ einfach, gute zusammenhangende Mischungen in den meisten industriellen Mischern herzustellen. Sowohl die Natur als auch die Widerstandskraft der interpartikularen Krafte, die innerhalb des zusammenhangenden Pulversystems wirken, bestimmen, wie leicht oder wie schwer die Partikel innerhalb einer Mischung verschoben werden konnen. Wenn feste ,,Bruckenbildung" zwischen Partikeln ausgeschlossen ist, dann sind Bruckenbildungsmechanismen zuruckzufiihren auf -
Feuchtigkeit
- elektrostatische Aufladung -
van der Waals Krafte.
Eine Zusammenstellung dieser Krafte zeigt die Grafik von Rumpf, Abb. 6.12. Wenn eine ZerreiRfestigkeit von 0.0 1 kg/cm2 willkurlich als ,,unbedeutende" Pulverwiderstandskraft gewahlt wird, so zeigt das Diagramm, dass die van der Waals Kraft nur eine zusammenhangende Wirkung fur Partikel mit einem Durchmesser unter 1 pm hat. Wenn dagegen ein Film aus adsorbierter Feuchtigkeit und Valenzkrafte bei den Kontaktpunkten vorhanden sind, dann betragt der begrenzende Partikeldurchmesser etwa 80 pm. Bei nassen Pulvern oder sehr hohen Feuchtigkeiten werden zwischen den Partikeln ,,fliissige Briicken" gebildet. In diesem Fall konnen Partikel der GroRenordnung von 500 pm eine Bindekraft aufiveisen. Unter den meisten atmospharischen Bedingungen besitzt eine ,,trockene" Pulvermischung kein flussiges Brijckensystem. Die zusammenhangenden Krafte sind van der Waals Krafte, elektrostatische Krafte oder adsorbierte Feuchtigkeit. Nach Rumpf [9] neigt ein Pulver dazu, zusanimenhangend zu sein, wenn sein Partikeldurchmesser unter 50 pm liegt.
6.1.7 Quantitative Festlegung der Mischungsqualitat Die Varianz eines Bestandteils in einer Anzahl Muster ist ein MaR fiir die Qualitat oder Konsistenz des Produktes. Je kleiner die Varianz, desto besser die Mischung. Der Varianzwert allein gibt jedoch keine absolute Einschatzung der Mischungsqualitat. Um diese zu erhalten, muss der aus Versuchen bestimmte Wert mit den abgrenzenden Mischungsvarianzwenen der vollstandigen Entmischung und der Zufallsmischung verglichen werden. Die abgrenzende Zufallsvarianz s2 kann fur die meisten industriellen Mischungen berechnet werden. Als einfachster Fall sei hier die Mischung von zwei Komponenten mit gleich groi3en Partikeln angegeben (Lacey [ 1 I]).
6.I Pulver und Pulvermischungen
s2
a.6 B
=-
193
(6.1)
Standardabweichung Varianz a,b: Anteilbriiche der zwei Komponenten B: Anzahl Partikel im Muster s:
2 S :
Das Mischverfahren versucht, den Variannvert zwischen den Mustern auf ein Minimum herabzusetzten. Im Idealfall sollte s2 so klein als moglich gehalten werden. Aus der Gleichung geht hervor, dass die Zufallsvarianz vermindert werden kann, wenn entweder ein Bestandteil in einem sehr kleinen prozentualen Verhaltnis vorhanden ist, oder wenn in jedem Muster eine groRe Anzahl Partikel enthalten ist. Wenn das Gewicht des Musters festgelegt ist, bleibt als einzige Freiheit im Verfahren, die Gr6Re der Teilchen in der Mischung zu reduzieren. Die Wichtigkeit der Zerkleinerung und die Kontrolle der TeilchengroRen zur Erzielung einer konsistenten Mischung hoher Qualitat wird durch die Untersuchung von Ausdriicken fiir die Zufallsvarianz von komplexeren Systemen bestatigt. Fur Systeme mit zwei Teilchensorten verschiedener GroRe, oder mehrerer Teilchensorten verschiedener GroRe existieren ebenfalls Zusammenhange[ 12, 131. Solche Zusammenhange beriicksichtigen jedoch nicht Unzulanglichkeiten des Mischers oder einen realen Entmischungsvorgang. Das Mischverfahren versucht, den Varianzwert zwischen verschiedenen Mustern auf ein Minimum herabzusetzen.
6.1.8 Wichtige Mischgerate Fur die effiziente Mischung von Pulvern existieren zahlreiche Mischertypen, von Labor-, Pilot Plant- bis zu BetriebsgroRe. Eine altere Ubersicht uber Mischgerate und deren Klassifizierung gibt Ries [ 141. Weitere Ubersichten uber Mischer fiir Pulver und Agglomerate: Perry [ 151. Periodische Marktiibersicht uber Ruhrer, Mischer und Kneter ist in der Zeitschrift Chem.-Ing. Technik zu finden. Die meisten Mischer beruhen auf folgenden Mischmechanismen: DiSfusion, Konvektion, Scherung. Bewegungsvorgange, welche die Beweglichkeit von individuellen Partikeln fordern, unterstutzen die Mischung infolge der Difision. Es handelt sich dabei um kleine Bewegungen. Wenn keine Krafte die entgegengesetzte Trennung unterstutzen, wird die Mischung durch Diffusion rasch zu einer guten Durchmischung fiihren. Mischung durch Diffusion erfolgt, wenn Teilchen uber eine frisch erzeugte Oberflache verteilt sind, und wenn die individuellen Partikel eine erhohte Mobilitat erhalten. Fur eine rasche Mischung, als Erganzung zur difhsiven Mischung, muss ein zusatzlicher Mischeffekt angewandt werden, durch den Gruppen von Partikeln durchgemischt werden. Dies wird entweder durch den Konvektions- oder den Schereffekt erreicht. Die meisten Mischer berucksichtigen alle diese Mischungsmechanismen, aber immer ist einer dieser Mechanismen vorherrschend. Bei Tumbler-Mischern ist die Diffusion dominant, bei Bandmischern die Konvektion, bei Universalmischern die Scherung.
194
6 Feste Formen
Eine originelle Losung des Mischproblems bietet der Universal-Mixer von Peschl [ 161. Er beruht auf den modernen Kenntnissen der Schuttguteigenschaften, speziell der FlieDbedingungen. Das Prinzip beruht auf der Einstellung eines gleichmafiigen Austrags des Produktes aus einer vertikalen Kolonne in einen speziellen Mischboden, wobei die horizontalen Schichten in vertikale umgewandelt werden, und Rezyklierung derselben. Dabei resultiert eine perfekte Mischung bis in die kleinsten Proben, und zwar f i r freiflieljende und kohasive Schuttguter (Hersteller IPT, Vaduz).
6.2 Agglomerate, Granulate In den Kapiteln uber die Herstellung von stabilen flussigen Dispersionen und Emulsionen wurde die Teilchenzerkleinerung behandelt. Die Herstellung von Agglomeraten steht begrifflich der Zerkleinerung gegenuber (vergl. Abb. 6.3).
AGGLOMERAT GRANULAT Partikelgrofie
AGGLOMERATION Partikelvergrol3erung
GRANULIERUNG Partikelzerkleinerung
Abb. 6.3. Schema dcr fkgriffe Agglomerat, Aggregat.
Nach Rumpf [I71 versteht man unter Agglomeration die erwunschte und unerwunschte Zusammenballung feindisperser Materialien zu grober dispersen Gutern. Den so entstandenen Teilchenverband nennt man unabhangig von Form und Festigkeit Agglomerat. In der alteren Literatur und im technischen Sprachbereich findet man dafur den Ausdruck Granulat. Darunter versteht man ein korniges Haufwerk, dessen einzelne Teilchen als Granulatkorner, Granalien oder Pellets bezeichnet werden. Sie besitzen eine mehr oder weniger einheitliche KorngroDe im Bereich von etwa 0.1 bis 50 mm. Granulieren bedeutet ganz allgemein ,,kornig machen", was sowohl durch Kornvergroljerung als auch durch Zerkleinerung geschehen kann. Seit uber 20 Jahren ist auch in der deutschen Literatur fur die TeilchenvergroDerung der Begriff Agglomeration allgemein ublich, wahrend man mit dem Ausdruck Granulieren die Zerkleinerung von groljeren zu kleineren Partikeln und insbesondere nur noch spezielle Kornvergrofierungsverfahren versteht. Der Begriff Granulat bezieht sich nur auf die Form und GroDe des Endproduktes und nicht auf die Herstellungsmethode.
6.2 Agglomerate, Granulate
195
Da den Formulierungschemiker vor allem feste Formulierungen beschaftigen, die bei ihrer Anwendung wieder leicht in Dispersion oder Losung ubergefihrt werden konnen, im Extremfall Instantprodukte, wird das Schwergewicht dieses Kapitels auf die Herstellung von Agglomeraten rnit gutem Rekonstitutionsverhaltengelegt. Unter Rekonstitution versteht man den Gesamtvorgang des Dispergierens resp. Losens der Agglomerate. Dagegen sollen Agglomerations- bzw. Granuliermethoden, welche den Aufbau moglichst harter Granulate zum Ziel haben, wie etwa die Herstellung von Pellets in der Erzaufbereitung oder der Brikettierung von Kohle, nicht behandelt werden, ebenso nicht die fur die pharmazeutische Technologie typischen Methoden der TeilchenvergroBerung, wie Tablettierung oder Dragierung. Dies wird in Kapitel 12 behandelt; vergl. auch die Ubersicht in [ 181. Das Ziel der Agglomerationstechnik ist die systematische Herstellung von Agglomeraten mit moglichst definierten Eigenschaften. Agglomerate werden jedoch oft unerwiinscht und zufillig gebildet. Da mit der Abnahme der PartikelgroOe das Gewicht rnit der dritten Potenz des Teilchendurchmessers abnimmt, wahrend die Haftkrafte in erster Naherung etwa linear mit der TeilchengroBe abnehmen, werden bei kleinen Partikeln die Haftkrafte groOer als das Partikelgewicht. Bei einer TeilchengroBe von 1 pm kann die Haftkraft das Millionenfache der Schwerkraft erreichen, je nach der Art der Haftkraft sowie Dichte und Form der Teilchen. Beim Hantieren rnit feinkornigem Material, wie beim Mahlen, Mischen und Sieben machen sich die Haftkrafte auf unerwiinschte Weise bemerkbar. Als unewnschte Agglomeration ist sicher die Bildung von Nierensteinen zu bezeichnen, dagegen die kugeligen Gebilde aus Pappelsamen oder Tannennadeln, wie sie in Feld und Wald zu beobachten sind, eher als Laune der Natur. Mit der Agglomeration werden unterschiedliche Ziele angestrebt wie z.B.: - gut oder definiert flieBfiihige Produkte - staubarme Produkte - Produkte mit geringem Schutt- oder Verpackungsvolumen - Produkte rnit raschem Zerfall (Auflosung, Dispergierung) in flussigen Medien, Instantprodukte - andererseits durch geeignete Zusatze Produkte rnit Depotwirkung, z.B. Slow ReleasePraparate von pharmazeutischen Wirksubstanzen. Die GroBe der Agglomerate (Abb. 6.4) liegt je nach Herstellungsprozess etwa zwischen 0.1 und 5 mm. Bei kleineren KorngroBen spricht man besser von Mikroagglomeraten, welche mehr oder weniger stauben. Als gunstigste Kornform f i r Agglomerate ist die Kugel ausgezeichnet, da sie keine abriebgeahrdeten Kanten und Ecken besitzt. Die mechanische Festigkeit ist ein MaB f i r die Eignung eines Agglomerates f i r seine Applikation. Sie hangt rnit allen ubrigen Eigenschaften von Agglomeraten zusammen, insbesondere der Porositat, der PartikelgroBe der das Agglomerat bildenden Teilchen, dem Flussigkeitsanteil und der Benetzung durch die Flussigkeit. Diese Zusammenhange werden im Folgenden naher ausgefihrt. Die mechanische Zerteilbarkeit der Agglomerate hangt von deren Festigkeit ab. Wenn notig kann die Zerteilbarkeit in flussigen Medien durch sogenannte Sprengmittel, d.h. leicht losliche oder quellende Zusatze, wirksam unterstutzt werden.
I96
6 Feste Formen
Mikrogranulat
< 1 rnrn
ca. 1 - 5 mrn
Granulat
Korn
Kugel
Zylinder
Hohlzylinder
Tablette
Abb. 6.4. GroBe von Agglomeraten und Mikroagglomeraten, sowie Formen von Agglomeraten
und Granulaten (poros und unporos).
6.2.1 Granulatbildung Die Granulatbildung kann prinzipiell nach folgenden Grundprozessen erfolgen: -
Pressagglomeration, Kompaktierung Aufbauagglomeration Agglomeration durch Trocknung.
6.2.1.1 Pressagglomeration, Kompaktierung Das Pulver wird unter Druck zu Agglomeraten verpresst (Abb. 6.5). Dabei werden nicht nur mehr Kontaktstellen zwischen den Partikeln geschaffen, sondern Verformungen, welche die Haftung verstarken konnen. Diese Haftkraftverstarkung liefert den wichtigsten Beitrag zur Festigkeitssteigerung der Agglomerate wahrend des Pressvorgangs. Die wichtigsten Verfahren der Pressagglomeration sind: Walzenkompaktierung, Brikettierung, Tablettierung, Lochpressen, Vibrationskompaktieren.
I Sintern
Abb. 6.5. Partikeldeformation.
6.2 Agglomerate, Granulate
197
6.2.1.2 Aufbauagglomeration Hier ist zu unterscheiden zwischen einer Agglomeration durch eigentlichen Partikelaufbau und durch Partikelanlagerung (Abb. 6.6). Partikelaufbau liegt dann vor, wenn suspendierte Feststoffe verspruht werden und sich auf den vorhandenen Partikeloberflachen anlagern, sodass Volumen und Masse der Agglomerate anwachsen, jedoch die Anzahl der KornverbSinde unverandert bleibt. Bei der Partikelanlagerung kommt es durch Zugabe von Flussigkeit zur Anlagerung von PrimSirteilchen, Bruchstiicken von Agglomeraten und Agglomeraten an bereits bestehende Agglomerate. Dies fiihrt zu einer Zunahme von Volumen und Masse, wahrend die Anzahl der vorhandenen Partikel im Verlauf des Agglomerationsprozesses bis zu einer Gleichgewichtslage abnimmt; ,,Coalescence", Partikelanlagerung, Koaleszenz 0.0
-co
o o + o
-Qp
??+8+0
-
a+%+ O
+a
-
Abb. 6.6. Partikelanlagerung und Partikelaufbau.
Am Anfang einer Aufbauagglomeration steht die Bildung von Nuklei. Diese Keimbildung erfolgt aus fiisch zugegebenem Ausgangsmaterial, also feuchtem Pulver oder feststoffhaltiger Losung, infolge der Kapillaranziehung zwischen den Teilchen. Der weitere Agglomerataufbau kann jetzt nach verschiedenen Mechanismen verlaufen: Bruch der Agglomerate und Anlagerung der Bruchstiicke, Anlagerung von Ausgangsmaterial, im englischen Schrifttum als ,,snowballing" oder ,,layering" bezeichnet. Ein anschauliches Beispiel fiir eine Aufbauagglomeration ist die Lawinenbildung. Unter Druck und Bewegung lagern sich Eiskristalle an die bereits gebildeten Agglomerate an, die so immer weiter wachsen.
6.2.1.3 Agglomeration durch Trocknen Durch Trocknen von Losungen, Suspensionen oder feuchten Haufiverken lassen sich bei geeigneter Prozessfiihrung ebenfalls Agglomerate herstellen. Dabei sind meist Kristallisationsvorgange von Bedeutung. Wenn eine Losung verspriiht und getrocknet wird, entstehen Kristalle oder amorphe Teilchen, die uber Festkorperbriicken miteinander verbunden sind. Auch beim Trocknen von feuchten Haufwerken bilden sich Festkorperbriicken aus, da die Flussigkeiten stets geloste Stoffe enthalten. Diese sind zum Ende der Trocknung hauptsachlich in den Flussigkeitsbriicken zwischen den Teilchen konzentriert,
198
6 Feste Formen
wo sie schlieRlich in fester Form ausfallen. Durch die Trocknungsbedingungen lassen sich die Festigkeiten, Porositaten und lnstanteigenschaften der Agglomerate beeinflussen. Die gebrauchlichsten Verfahren der Trocknungs-Agglomeration sind: - Spriihtrocknung - Wirbelschichttrocknung - Walzentrocknung - Gefriertrocknung
6.2.2 Die Haftkrafte der Agglomerate Damit Agglomerate entstehen, mussen zwischen den Einzelteilchen Haft- oder Bindekrafte wirksam werden. Die Haftung kann durch Festkorperbriicken, Bindemittel oder Flussigkeit vermittelt werden, oder auf van der Waals Kraften und elektrostatischen Anziehungskraften beruhen, die ohne Materialbriicken wirken. Bei ferromagnetischen Stoffen kommen magnetische Anziehungskrafte hinzu. Eine Klassifikation der bei der Agglomeration vorkommenden Haftkrafte stammt von Rumpf [ 191; Tabelle 6.2. Die moglichen Bindungstypen, die den Zusammenhalt der Agglomerate bewirken, sollen kurz zusammengefasst werden. Tabelle 6.2. Schematischer Uberblick uber die Prinzipien der Agglomeration.
Bindungskrafte zwischen Primarteilchen Festkorperbrucken
Verfahren Sintern, Schmelzen, Befeuchten rnit Losemittel oder Klebstofflosung
Grenzflachenkrafte: - Oberflachenspannung
Kapillarer Unterdruck - Tropfen-Oberflachenspannung Adhasions- und Kohasionskrafte Anziehungskrafte -
Befeuchten rnit wenig Flussigkeit Befeuchten rnit Flussigkeit Befeuchten rnit vie1 Flussigkeit Befeuchten rnit Bindemittel Elektrostatische Aufladung
6.2.2.1 Festkorperbriicken Diese konnen auf folgende Weise gebildet werden: a) Durch Sinteworgunge: Eine Temperaturerhohung vergronert die Beweglichkeit der Atome, sodass durch Diffusion Sinterbficken zwischen den Teilchen entstehen. Es bilden sich porenreiche Agglomerate. b) Durch Schmelzhuftung und KaltverschweiJung: Durch Reibung oder plastische Verformung kann an Kontaktpunkten und Rauhigkeitsspitzen ortlich nahezu die Schmelz-
6.2 Agglomerate, Granulate
199
temperatur erreicht werden, vor allern bei Stoffen mit niedrigem Schmelzpunkt. Dies fuhrt zu einer VergroRerung der Kontaktstellen und Schmelzbriicken. Die Brucke ist einer Sinterbrucke Bhnlich, doch wird hier die erforderliche Warme durch Reibung und plastische Verformung erzeugt. c) Durch erhartende Bindemittel (Klebstofiirkung): Als Agglomerierflussigkeit wird eine KlebstoMosung venvendet. Nach Abdunstung des Losemittels werden die einzelnen Partikel durch den Klebstoff miteinander verbunden. Auch Mortelbriicken, die durch Anwesenheit von Kalk in feuchter Atmosphare entstehen, gehbren dazu. d) Durch Kristallisation geloster Stofe (Krustewbildung): Falls bei einer Nass- oder Feuchtagglomeration die Flussigkeit geloste Stoffe enthalt oder diese die Festsubstanz anlost, so kristallisiert beim Trocknen das Geloste an den Kontaktstellen aus und bildet Festkorperbriicken zwischen den Teilchen.
6.2.2.2 Adhasions- und Kohasionskrafte in nicht frei beweglichen Flussig-
keits- und Bindemittelbrucken a) Durch hochviskose Bindemittel: Es bilden sich keine Flussigkeitsbriicken aus, sondern die Tropfen des Bindemittels behalten ihre Oberflachenform, weil die aufzubringende Verformungsenergie groRer als der Energiegewinn an der Oberflache ware. Dagegen konnen die Adhasionskrafte an der Bertihrungsflache fest/flussig und die Kohasionskrafte im Bindemittel voll ausgenutzt werden. Grenzflachenkrafte treten derngegenuber zuruck. b) Durch Adsorptionsschichten: Nahezu alle Festkorper adsorbieren aus der Umgebungsatmosphare Wasserdampf, sodass wenige Molekulschichten Wasser an der Oberflache vorhanden sind, welche nicht fiei beweglich sind. Solche Schichten von weniger als etwa 30 8, Dicke bewirken molekulare Anziehungskrafte in voller Starke zwischen den Partikeln, wenn sie sich beriihren, also in einem Pulver.
6.2.2.3 Anziehungskrafte zwischen Feststoffteilchen Molekularkrajlefte: Valenzkrafte kommen als Haftmechanismen wegen ihrer kurzen Reichweite nicht in Frage. Bei Kornabstanden bis zu 100 8, konnen jedoch van der Waals Krafte wirksam werden und zu einer Bindung zwischen den Partikeln fihren. Elektrostatische-Krafie: Feststoffpartikel konnen durch Beriihrung, Reibung und Zerkleinerung elektrostatisch aufgeladen werden. Die Ladungsmengen sind abhangig vom Stoff und der Beanspruchung. Bei Leitern ist die durch das Kontaktpotential bewirkte Anziehungskraft groBer als bei Nichtleitern, weil sich die Ladungen in den Oberflachen konzentrieren. Bei glatten Kugeln unter 100 pm sind die elektrostatischen Haftkrafte gegenuber der van der Waals Kraft zu vernachlassigen, dagegen konnen sie bei grohen
200
6 Feste Formen
Partikeln in trockenen Systemen einen mafigeblichen Einfluss auf Haftung und Agglomeration gewinnen. Der Einfluss elektrostatischer Krafte wird noch bedeutender, wenn nicht mehr die Haftung, sondern die Anziehungskrafte bei groDeren Partikelabstanden betrachtet werden. Bei Abstanden oberhalb 1 pm wirken nur noch die elektrostatischen Krafte und beeinflussen die Anlagerung der Teilchen, bevor eine Haftung eintritt.
6.2.2.4 Haftkrafte an freibeweglichen Fliissigkeitsoberflachen Wenn eine das Haufwerk benetzende Flussigkeit vorhanden ist, wie im Fall einer Feuchtagglomeration und der Aufbau- und Anlagerungsagglomeration, entstehen Haftkrafte zwischen den Teilchen infolge des kapillaren Unterdrucks in der Flussigkeit und infolge der Randkraft an der Beriihrungslinie fest/flussig/gasformig. Diese Randkraft wird durch die Oberflachenspannung der Flussigkeit verursacht. An einer freibeweglichen Flussigkeitsoberflache muss f i r jedes Flussigkeitselement ein Gleichgewicht zwischen den Komponenten der Oberflachenspannung y und dem Differenzdruck AP zwischen der konkaven und der konvexen Seite der Grenzflache herrschen. Daraus leitet sich die Formel von Laplace f i r den Kapillardruck Pk in Abhangigkeit der Krummungsradien R, und R2 einer raumlich gekrummten Flache ab; Abb. 6.7.
I
I
Abb. 6.7. Illustration zur Laplace-Formel
Wenn zwei kugelformige Teilchen uber eine Flussigkeitsbrucke miteinander verbunden sind, gilt nach Abb. 6.8:
6.2 Agglomerate, Granulate
20 1
Abb. 6.8. Kapillardruck zwischen zwei Kugeln mit Flussigkeitsbrucke.
For den Kapillardruck in einer zylindrischen Kapillare gilt nach Abb. 6.9: pk
2Y =--case r
Abb. 6.9. Kapillardruck in zylindrischer Kapillare.
Je nach dern Mengenanteil der irn Haufiverk vorhandenen Flussigkeit ergeben sich unter Annahrne vollstgndiger Benetzung folgende Verteilungsarten zwischen Partikeln und Flussigkeit (Abb. 6.10):
@
a) Bruckenbereich ,,Pendular state"
@
b) Ubergangsbereich ,,Funicular state"
@
c) Kapillarbereich ,,Capillary state"
@
d) Mit Teilchen gefullter Tropfen
Abb. 6.10. Hafiung von freibeweglicher Flussigkeit an Pulvern.
202
6 Feste Formen
a) Bruckenbildung: Es ist nur so vie1 Flussigkeit vorhanden, dass diese sich aufgrund der Kapillarkrafte an die Kontaktpunkte zusammenzieht und dort diskrete Flussigkeitsbrucken ausbildet. Dabei wirkt der Zug der Oberflachenspannung an der Beruhrungslinie festiflussigigasformig in Richtung der Fliissigkeitsoberflache. Im Innern der Flussigkeitsbrucke entsteht ein kapillarer Unterdruck. Beides zusammen bewirkt eine Anziehungskraft zwischen den Partikeln. Dieser Zustand wird im englischen Schriftum als ,,pendular" bezeichnet; Abb. 6.10 a. b) Ubergangsbereich: Bei Zunahme des Flussigkeitsanteils vereinigen (koaleszieren) einige Flussigkeitsbrucken miteinander und bilden mit Flussigkeit ausgefullte Bereiche. Daneben existieren noch einzelne Flussigkeitsbrucken. Dieser Ubergangsbereich heiljt ,,funicular''; Abb. 6.10 b. c) Kupillarbereich: Wenn die Flussigkeit den ganzen Hohlraum ausfillt und an der auDeren Berandung des Agglomerates konkave Menisken bildet, entsteht im ganzen Flussigkeitsraum ein kapillarer Unterdruck, welcher dem Agglomerat eine bestimmte Zugfestigkeit verleiht; Abb. 6.10 c. Nahezu flussigkeitserfidlte Agglomerate entstehen bei der Aufbauagglomeration im Granulierteller. d) Mit Feststoflteilchen gefullter Tropfen: Sobald die Flussigkeit den Feststoff vollkommen umhiillt, tritt an die Stelle der konkaven Oberflache in den Poren die konvexe Oberflache des Flussigkeitstropfens. Samtliche kapillaren Haftkrafte zwischen den Partikeln sind verschwunden; Abb. 6.10 d. Die Flussigkeit steht unter einem kleinen Uberdruck. Im Tropfen werden die Teilchen durch dessen Oberflachenspannung zusammengehalten. Angrenzende Tropfen streben danach, sich zu vereinigen. Die Aufteilung einer Suspension in Tropfen und deren Tendenz zur Vereinigung konnen zur Agglomeratbildung benutzt werden wie z.B. bei der Spruhtrocknung.
6.2.2.5 Zugfestigkeit von Agglomeraten Fur vergleichende Untersuchungen der mechanischen Festigkeit von Agglomeraten hat Rumpf die Zugfestigkeit vorgeschlagen [ 191. Darunter sol1 die auf den Agglomeratquerschnitt bezogene gemessene ZerreiDkraft verstanden werden. Diese lasst sich aus einem Zerreiljversuch eindeutig bestimmen. Betrachtet man ein Agglomerat theoretisch als Kontinuum, in welchem eine uber den Bruchquerschnitt konstante, reine Zugspannung ubertragen werden kann (d.h. keine plastische Verformung, also keine Schubspannung), so wird dessen Festigkeit durch die maximal ubertragbare Zugspannung qnax bestimmt. Eine gemessene Zugfestigkeit c& kann im idealen Zugversuch den Wert von on,;,, erreichen. Bei der Abschatzung der Zugfestigkeit von Agglomeraten muss unterschieden werden zwischen Systemen, in welchen die Bindungen in den Partikelkontakten lokalisiert sind und solchen, in welchen der Hohlraum zwischen den Partikeln teilweise oder ganz mit einer die Zugspannung ubertragenden Flussigkeit erellt ist. Fur ein Partikclhaufioerk rnit lokalisierten Kontuktstellen Iasst sich die mittlere Zugfestigkeit eines Agglomerates nach Rumpf [20] durch folgende Gleichung angeben:
6.2 Agglomerate, Granulate 9 I-& cTz
=
203
H
i'E'd2
wobei:
(H: Haftkraft; d Teilchendurchmesser; Partikel).
Fur eine mittlere Porositat von
E:
Porositat; pa,ps:Dichte von Agglomerat resp.
E = 0.35
erhalt man:
2H cT2
ST-
Fur Bindungsmechanismen, basierend auf beweglichen Flussigkeitsbriicken, van der Waals Krlften und elektrostatischer Anziehung, lasst sich der Wert von H fiir einfache Modelle berechnen. Dagegen sind die starkeren Bindungskrafte von FestkBrperbriicken und Briicken von hochviskosen Flussigkeiten nur in den einfachsten Fallen einer Berechnung zuganglich [ 2 1 ] . Zur Berechnung der in beweglichen Fliissigkeitsbriicken iibertragenen Huftkrafte kann man von AnsatZen ausgehen, die von Newitt und Convay-Jones [22] angegeben wurden. Nach diesen Ansatzen ist die Haftkraft zwischen zwei kugelformigen Teilchen mit einer Flussigkeitsbriicke (Abb. 6.1 1) bei vollstandiger Benetzung durch die Flussigkeit durch folgende Gleichung gegeben:
p: halber Zentriwinkel der Brucke a: Abstand der Teilchen Durchmesser der Teilchen 8: Randwinkel (fur vollstandige Benetzung 8 = 0)
Abb. 6.1 1. Flussigkeitsbrucke zwischen zwei kugelformigen Teilchen.
204
6 Feste Formen
Die Funktion F ist von Pietsch und Rumpf [23] als bezogene Haftkraft, unter Annahme vollstandiger Benetzung des Feststoffes durch die Flussigkeit, als Funktion des Sattigungsgrades graphisch dargestellt worden. Der Sattigungsgrad S gibt das Verhaltnis des Flussigkeitsvolumens zum Porenvolumen an. Bei S = 1 ist das gesamte Porenvolumen mit Flussigkeit erfillt, bei S = 0 ist keine Flussigkeit vorhanden. Im Bereich der Bruckenbindung bleibt f i r konstantes y und d die Zugfestigkeit annahernd konstant und nimmt einen mittleren Wert von ungefahr 2 an. Setzt man diesen Wert in Gleichung (6.8) ein und kombiniert diese mit Gleichung (6.5), so ergibt sich f i r 8= 0":
Bei Erhohung des Flussigkeitsgehaltes bis zur Koaleszenz einzelner Flussigkeitsringe wird ein Zwischenzustand (funicular state) erreicht. Sobald alle Poren mit Flussigkeit geflillt sind, herrscht der kapillare Zustand. In diesem Gebiet ist der Beitrag an die Zugfestigkeit infolge des Unterdrucks in der Flussigkeit vie1 grol3er als der Beitrag infolge der Grenzflachenspannung an der Oberflache des Agglomerates. Dieser Unterdruck ist durch die Gleichung von Laplace gegeben; G 1. (6.4). Fur ein Agglomerat Iasst sich der Kapillarradius durch einen hydraulischen Radius charakterisieren, der sich aus der spezifischen Oberflache der Partikeln und der Porositat ergibt. Auf diese Weise erhalt man fur die Zugfestigkeit eines Agglomerates mit gleich grol3en spharischen Teilchen im Kapillarbereich: (6.10)
Im Fall von nicht kugelformigen Teilchen und vollstandiger Benetzung durch die Flussigkeit resultiert: (6.1 1 )
Die Konstante C ergibt sich aus der spezifischen Oberflache der Agglomerate und der Abweichung von der Kugelform. Fur Sand liegt C zwischen 6.5 und 8. Aus einem Vergleich von Gleichung (6.9) und (6.1 I ) ist ersichtlich, duss die Zug,festigkeit im Kupillarbereich etwa dreimul groJer ist uls im Zustund der Bruckenhindung. Fur den Ubergangsbereich (funicular state) liegen die Werte dazwischen. Wenn die Flussigkeit die Teilchen vollstandig umhullt, werden die Partikel lediglich durch die Oberflachenspannung der konvexen Oberflache der FlussigJceit zusammengehalten. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Der Briickenbindungsmechanismus reicht etwa bis S = 0.25. Im Bereich von 0.25 < S < 0.8 uberlagert sich dieser mit dem Kapillardruckmechanismus. Bei S > 0.8 sind keine Flussigkeitsbrucken mehr vorhanden,
6.2 Agglomerate, Granulate
205
der Hohlraum ist grootenteils von Fliissigkeit erfillt, in welcher der Kapillardruck Pk herrscht. Da das nicht von Fliissigkeit ausgeftillte Volumen nicht zur Ubertragung der Zugspannung beitragt, ist die Zugfestigkeit fiir S 2 0,8: 0,=
S.p,
(6.12)
6.2.2.6 Van der Waals Anziehung Diese betragt f i r zwei kugelformige Teilchen, deren Abstand a < 1000 I\ ist: H = - . A d = 4.2. 24a2
d a2
(6.13)
(d Teilchendurchmesser [cm]; A: Hamakerkonstante [ 1 0 ” d y n ~ m ] ;a: Teilchenabstand tcml) Daraus ergibt sich f i r die Zugfestigkeit eines Agglomerates mittlerer Porositat 0,35)gemBR Gleichung (6.7):
(E =
(6.14) Fur ein Agglomerat von 1 pm Durchmesser, in welchem die spharischen Teilchen einen Abstand von 20 I\ voneinander haben, ergibt sich eine Zugfestigkeit von 2 1 g/cm’. Rauhigkeiten setzen die Haftkraft herab. Adsorbierte monomolekulare Wasserschichten miissen ftir die Berechnung der van der Waals Anziehung in erster Naherung dem Feststoff zugeschlagen werden. Die Adsorption von Feuchtigkeit fihrt somit zu einer Annaherung der Kugeloberflachen und einer Abnahme des Abstandes a, somit zu einer Zunahme der Festigkeit. Die van der Waals Krafte sind annahernd urn eine GroBenordnung kleiner als die Haftkrafte von Fliissigkeitsbriicken.
6.2.2.7 Elektrostatische Haftkrafte Elektrisch geladene Teilchen konnen bei der Herstellung und Behandlung von Agglomeraten auf mannigfaltige Weise gebildet werden. Aliein schon durch Bewegung von staubfdrmigen Produkten, durch Stof3 und Reibung treten Ladungen auf. Beim Kontakt von Teilchen entsteht ebenfalls eine elektrische Anziehungskraft, bedingt durch das Kontaktpotential. Bei glatten Kugeln unter 100 pm Durchmesser sind die elektrostatischen Haftkrafte gegeniiber der van der Waals Anziehung und insbesondere der Haftkraft einer Fliissigkeitsbriicke zu vemachlgssigen. Bei groRen Partikeln in trockenen Systemen dagegen vermogen die elektrostatischen Anziehungskrafte durch Uberschussladungen
206
6 Feste Formen
einen maRgeblichen Einfluss auf die Haftung von Agglomeraten auszuuben. Der Einfluss der elektrostatischen Krafte wird bedeutend, wenn nicht mehr die Haftung, sondern die Anziehungskrafte bei groReren Wandabstanden a betrachtet werden. Bei Abstanden oberhalb 1 pm bzw. aid > 0.2 wirken nur noch die elektrostatischen Krafte. Sie beeinflussen die Anlagerungsvorgange, bevor die Haftung realisiert ist [24].
6.2.2.8 Zusammenfassung zur Festigkeit von Agglomeraten Die verschiedenen Beitrage zur Festigkeit von Agglomeraten sind in Abb. 6.12 dargestellt. In diesem Diagramm nach Rumpf [20] sind die maximal ubertragbaren Zugspanin Abhangigkeit der TeilchengroDe aufgetragen. Dabei konnen nur die Benungen aMax reiche der van der Waals Krafte und der Kapillarkrafte als gesichert gelten. Die Werte der Zugfestigkeit der ubrigen Bindungstypen lassen sich demgegenuber nur in der GroRenordnung abschatzen. 1000 I \
00
Abb. 6.12. Beitrage zu Agglomeratfestigkeit als Funktion der TeilchengroDe fur verschiedenc Hindungsdrten (nach Rumpf [20]).
Fur den Formulierungschemiker lassen sich aus diesem Diagramm und den vorangegangenen Darlegungen folgende Erkenntnisse uber die in Agglomeraten moglichen Haftkrafte ableiten: Die Festigkeit von Agglomeraten nimmt zu, wenn man von der Haftung von submikroskopischen Teilchen zu Bindungen durch Kapillarkrafte in Gegenwart von Flussigkeiten, und schlieRlich zu den verschiedenen Bindungsmoglichkeiten durch Feststoffbrucken ubergeht. Im Gebiet der Feststoffbrucken hangt die Festigkeit der Agglome-
6.2 Agglomerate, Granulate
207
rate weniger von der TeilchengroRe ab als im Gebiet der van der Waals Krafie und der Kapillarkrafte.
6.2.3 Priifung der Festigkeit von Agglomeraten Die mechanische Festigkeit ist eine der wichtigsten GroBen f i r fast alle Anwendungen von Agglomeraten. Da die in der Praxis vorkommenden Beanspruchungsarten von sehr verschiedenartiger Natur sein konnen, versucht man, diese verschiedenen Beanspruchungen auch in den Priihethoden zu simulieren. Zur Bestimmung der Festigkeit von Agglomeraten existiert eine Reihe von exakten Messmethoden und praktischen Tests. Die Messmethoden, wie sie vorwiegend im Forschungslabor angewandt werden, erlauben die direkte Messung der Zugfestigkeit. Voraussetzung dazu ist die Kenntnis des Bruchvorgangs, wodurch sich die Zugfestigkeit berechnen Ilsst. Auf solche Messmethoden sol1 hier nur hingewiesen werden, z.B. Rumpf [25]und Schubert [26]. Die Tests umfassen Methoden der Kompression, des StoRes, der Abrasion, der Auflosung usw. Hier sind die Resultate nicht aufgrund theoretischer Grundlagen zu verstehen. Sie sind jedoch in der Praxis wegen ihrer einfachen Durchfihrung iiblich und erlauben Riickschlusse auf das Handling und die Verarbeitung von Agglomeraten sowie ihre Eignung f%r bestimmte Applikationen. Bei Transport, Verpackung und Lagerung miissen die Agglomerate groBe Druck- und Fallfestigkeiten sowie eine geniigende Abriebfestigkeit besitzen. Zur Bestimmung der Festigkeit von Agglomeraten sind deshalb vor allem drei Betriebskontrollmethoden zu erwahnen, welche diese Beanspruchungsarten im Versuch simulieren: Falltest, Druckfestigkeitstest und Abriebtest; Abb. 6.13.
Falltest
Druckfestigkeit
Biegefestigkeit
Abriebtest f roche-Friabilator)
Abb. 6.13. Technologische Tests zur Prufung der Festigkeit von Agglorneraten
Zur Bestimmung der Druckfestigkeit wird das Granulat zwischen zwei parallelen Platten in einer Druckpriihaschine oder in einfachen Betriebsmessgeraten zerdriickt. Die Festigkeit wird durch die Kraft charakterisiert, welche notwendig ist, den Bruch zu erzeugen. Die Bestimmung der Fallfestigkeif erfolgt, indem man die Agglomerate aus einer bestimmten Hohe auf eine Stahlplatte fallen Iasst, und den Anteil der gebrochenen
208
6 Feste Formen
Agglomerate ermittelt, oder durch Sieben den Anteil des durch Bruch enstandenen Feingutes misst. Oft mussen Agglomerate f i r ihre Anwendung keine groBen Druck- und Fallfestigkeiten aufweisen, jedoch eine genugende Abriebfestigkeit. Die Kenntnis des Abriebs ist besonders bei Agglomeraten wichtig, die automatischen Dosier- und Verpackungsmaschinen zugefihrt werden. Die Abriebfestigkeit wird bestimmt, indem man eine von Feinkorn und Bruchstucken fi-eie Probe in einer zylindrischen Trommel, deren Mantel aus einem Siebgewebe bekannter Maschenweite besteht, bei konstanter Urndrehungsgeschwindigkeit kaskadieren Iasst, und nach einer vorgegebenen Zeit die Feingutmenge misst. Zur Verstarkung der Beanspruchung werden oft noch Kunststoffiugeln zugegeben, z.B. Polyethylenkugeln von 1-2 cm Durchmesser. Die Zerreibbarkeit (friability) als Kriteriurn f i r die Festigkeit von Agglomeraten wurde von Hunter [27] behandelt. Eine Ubliche und kommerziell erhaltliche Apparatur f i r diesen Abriebtest ist der ,,Roche-Friabilator".
6.2.4 Bindemittel und Hilfsmittel Bei der Agglomeration werden im Allgemeinen verschiedene Additive venvendet, vor allem Bindemittel, Netzmittel, Gleitmittel, Sprengmittel. Bindemittel tragen wesentlich zur Festigkeit der Agglomerate bei. Gleitrnittel dienen insbesondere bei den PressAgglomerationsverfahren zur Erniedrigung der Reibung zwischen den Partikeln und damit zur Verbesserung des Kontaktes zwischen den Teilchen. Sprengmittel werden eingesetzt, wenn die Agglomerate einen raschen Zerfall im Applikationsmedium aufweisen sollen, also fir Instantprodukte. Als Bindemittel sind hunderte von chemischen Verbindungen venvendet und patentiert worden. Sie lassen sich einteilen nach: - chemischem Typ (organische, anorganische Verbindung) -
physikalischem Zustand (flussig, halbfest, fest) Funktion (Matrix, Film, chemische Reaktion).
Im Fall der Matrixbinder sind die Partikel in einem Netzwerk des Bindermaterials eingebettet. Binder vom Filmtyp werden als Losungen oder Dispersionen eingesetzt, welche nach Trocknung einen Film bilden. Der Effekt der chemisch reagierenden Bindemittel beruht auf einer chemischen Reaktion zwischen den Komponenten des Binders oder zwischen Binder und Agglomerat. Je nach Art des Bindemittels kann es fir die Agglomeratfestigkeit von entscheidender Bedeutung sein, ob die Zugabe zur Pulvermischung trocken oder gelost bzw. in einer Flussigkeit gequollen erfolgte. Eine Bindemittellosung fihrt immer zu einem sogenannten Klebstoffagglomerat, im Gegensatz zu den Krustenagglomeraten, zu deren Herstellung eine bindemittelfreie Flussigkeit venvendet wird. Nachfolgend sind einige typische Bindemittel angegeben: - Starke (hauptsachlich Mais- und Weizenstarke), als 10-25 %iger Kleister bzw. etwa 8 %ig zum Spriihagglomerieren. Spezielle Starketypen: Prejel (thermisch behandelte Kartoffelstarke) als 10-1 5 %ige kolloide wassrige Losung; STA-Rx (mechanisch
6.2 Agglomerate, Granulate
-
-
-
-
-
209
behandelte MaisstSirke mit hoherem Gehalt an kaltwasserloslichen Bestandteilen) als 10-20 %iger Kleister. Gelatine Typ B, in 2-20 %iger wbsriger Losung. Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC): Methocel E und K; als 1-5 %ige Losung. Geeignet als Bindemittel fiir hydrophobe Stoffe. Methylcellulose: Methocel MC, Tylose MH und MB; als 1-5 %ige wassrige Losung. Zur Agglomeration hydrophober Stoffe geeignet. Natriumcarboxymethylcellulose (Na-CMC): Tylose C und CB, Hercules CMC; als 16 %ige wassrige Lbsung. Polyethylenglykol (PEG): Carbowax 4000 und 6000; 2-1 5 % als Trockenbindemittel; auch in organischen Losemitteln verwendbar. Als weitere Bindemittel sind zu erwahnen: Dextrin, Dextrose, Glukose Gummi arabicum Lignosulfonate (Sulfitablauge) Alginate Polyvinylacetat Polyvinylalkohol.
Eine Auswahl von Binde- und Gleitmitteln findet sich in [28]. Die Starken besitzen auch Sprengmitteleigenschaften, insbesondere kaltwasserlosliche Starken wie Prejel and STA-Rx. Auch niedrig substituierte Natriumcarboxymethylcellulose (Nymcel-Typen), mikrokristalline Cellulose (Avicel) sind als Sprengmittel geeignet. Das wirksamste Sprengmittel ist ein Gernisch von Natriumhydrogencarbonat und Citronen- oder Weinsaure. Dieses vermag das damit formulierte Granulat beim Einbringen in Wasser durch Bildung von COPzum Zerfall zu bringen.
6.2.5 Grundverfahren der Agglomeration Fur die Herstellung von Agglomeraten aus Pulvem, Suspensionen, Losungen und Schmelzen existiert eine groRe Zahl von Verfahren und Geraten. Ries [29] hat versucht, eine Klassifizierung der Verfahren zu schaffen. In dieser Arbeit wird begrifflich nicht zwischen Agglomeration und Granulierung unterschieden. Die Einteilung umfasst die Gruppen: - Rollgranulierung - Granuliertrockner - Erstarrungs- und Schmelzgranulierverfahren - Zerkleinernde Granulierverfahren - Kompaktier- und Brikettpressen - Lochpressen - Tropfierfahren
2 10
6 Feste Formen
- Vakuum-Verdichtungs- und Agglomerationsverfahren - Kristallisierverfahren - Granulaterzeugung in der flussigen Phase.
In unserer Darstellung werden vor allem diejenigen Verfahren behandelt, welche die Herstellung von Agglomeraten mit guten Loseeigenschaften erlauben, also Verfahren der Autbau- und Trocknungsagglomeration. Fur Informationen uber Pressagglomeration siehe z.B. [30]
6.2.5.1 Aufbauagglomeration (Anlagerung) Unter den Verfahren der Aufbauagglomeration interessieren insbesondere die Rollagglomeration und die Mischagglomeration.
6.2.5. I . I Rollagglomeration
Trockene oder angefeuchtete Pulver werden in einer Trommel oder auf einem Teller unter Aufspriihen von Wasser oder einer anderen Flussigkeit bei gleichzeitig rollender Bewegung zu Agglomeraten aufgebaut. Zwischen den Teilchen des Ausgangsmaterials bilden sich Flussigkeitsbrucken aus, und es entstehen allmahlich Agglomerationskeime. Durch die abrollende Bewegung dieser Primaragglomerate und Anlagerung von frischem Gut und verdustem flussigen Bindemittel erhalt man kugelformige Teilchen. Mit zunehmender GroBe der Apparate werden die Agglomerate aufgrund der groljeren Fallhohen starker verdichtet und somit fester. Ein hoherer Feinanteil im Ausgangsmaterial bringt eine Steigerung der Agglomeratfestigkeit. Daher ist eine feine Ausmahlung des Ausgangsmaterials wichtig. Einen wesentlichen Einfluss auf die Festigkeit der Pellets hat auch der Feuchtigkeitsgehalt: zu geringer Feuchtigkeitsgehalt behindert die Formung der Agglomerate, zu vie1 Wasser Iasst die Agglomerate weich werden oder verhindert sogar deren Bildung. Mit Hilfe von Bindemitteln Iasst sich die Agglomeratfestigkeit erheblich verbessern. Der Kraftewettstreit zwischen den Haftkraften und den zerteilenden Kraften begunstigt den Aufbau sehr gleichmaljig strukturierter und fester Agglomerate. Von gro13em Einfluss auf Grolje und Festigkeit der Agglomerate ist die Venveilzeit, indem die dauernd wechselnde Beanspruchung gebildeter Agglomerate zu einer Verfestigung der Bindungen fuhrt, bis die Teilchen die jeweils gunstigste Lage erreicht haben, und in einer Potentialmulde stabilisiert sind. In der Agglomeriertrommel bewegt sich das am Trommelende zugegebene Gut durch die geneigte, rotierende Trommel nach unten, und bei der abrollenden Bewegung bilden sich kugelformige Agglomerate. Da dabei immer Agglomerate von unterschiedlicher Grolje entstehen, muss am Schluss eine Klassierung erfolgen. Dazu kann ein Sieb am Ende der Trommel dienen. Als Nachteil der Trommelagglomeration ist die breite Kornverteilung der Agglomerate zu nennen. Feinagglomerat lasst sich auf diese Weise nur schwierig herstellen. Dazu muss das Gut die Trommel sehr schnell passieren. Im
6.2 Agglomerate, Granulate
21 1
Wiklund-Verfahren [3 I ] erfolgt die Klassierung bereits in der Agglomerierzone. Die Pellets der gewilnschten Grolje verlassen die Agglomerierzone, wahrend die kleineren Agglomerate darin verbleiben. Dazu dient eine konische Trommel. Durch Vorschaltung einer Trommel Ibst sich die Mengenleistung steigern. Die Trommelagglomeration ist schematisch in Abb. 6.14 dargestellt.
Wasser OAbstreifer ;/
,'I
;,*'',,'./, I
Pulver -aufgab
icz
.-... '0..
Agglomerat Abb. 6.14. Agglomeriertrommel.
Der Agglomerierteller besteht aus dem in einem variablen Winkel zur Horizontalen rotierenden Teller, dem das Material an einer bestimmten Stelle aufgegeben wird. Es bildet sich ein Pulverbett, auf welches durch eine Diise die Fliissigkeit versprtiht wird. Die sich bildenden Agglomerate beschreiben nierenformige Bewegungsbahnen. Die grbRer werdenden Pellets wandern vom Tellerboden immer weiter an die Oberflache. Wahrend die groljen Kugeln auf der Fiillung und iiber den Rand des Tellers abrollen, werden die feineren Teilchen vom Teller hbher angehoben und gelangen wiederholt in den Bereich der Fliissigkeitszugabe, wobei sie sich vergrOljern. Die Grolje der uber den Tellerrand ausgetragenen sogenannten Griinpellets ist erstaunlich einheitlich. Das Schema und den Bewegungsablauf der Telleragglomeration zeigt Abb. 6.15.
Materialflussim Agglomerierteller Abb. 6.15. Agglomerierteller.
-
2 I2
6 Feste Formen
Der groBe Vorteil des Tellers gegenuber der Trommel liegt in seinem Klassiereffekt. Ein weiterer Vorteil der Agglomeration im Teller besteht darin, dass man den Agglomerationsvorgang gut uberblicken kann. Alle Einflusse, wie Neigung des Tellers, Drehzahl, Art, Menge und Verteilung der Flussigkeitszugabe lassen sich sofort uberblicken und regulieren. Die Qualitat der Gmnpellets und die Leistung des Tellers werden in einfacher Weise durch folgende Parameter dargestellt: -
Ort der Rohstoffzugabe Ort der Bedusung Tellerneigung und Drehzahl Stellung des Abstreifers.
Die Teller haben Durchmesser bis zu etwa 8 m und Leistungen von uber 100 t h . Die aus der Rohr- oder Telleragglomeration kommenden Grunpellets mussen anschlieRend auf geeignete Weise getrocknet werden.
6.2.5.1.2 Mischagglomeration
Die meisten fest-flussig Mischer sind auch in der Lage, Agglomerate zu bilden, was oft unbeabsichtigt geschieht. Im Prinzip ist nahezu jeder Mischer fur Pulver auch f i r eine Agglomeration geeignet, sofern fiir eine genugende Partikelhaftung gesorgt wird. Agglomerationsmischer lassen sich nach Capes [32] in zwei Gruppen einteilen, entsprechend GroBe, Dichte und Benetzungszustand der erzeugten Agglomerate. Zur ersten Gruppe gehoren horizontale Teller- oder Trogmischer und Pflugscharmischer, welche dichte Agglomerate im Kapillarzustand erzeugen, ahnlich wie bei der Rollagglomerierung: Diese Mischer sind mit Ruhrereinbauten ausgerustet, welche eine Reib- und Schenvirkung ausuben. Dank der Knetwirkung entstehen hartere und festere Agglomerate als bei der Rollagglomeration, und es lassen sich auch zahe und plastische Materialien verarbeiten. Im Vergleich zur Rollagglomeration wird weniger Flussigkeit benotigt. Als Nachteil sind unregelmaBig geformte Agglomerate zu envahnen, die eine nachtragliche Formung erfordern. In der zweiten Gruppe der Mischagglomerationstechnik werden die Pulver weniger befeuchtet als dem Kapillarzustand entspricht. Es bilden sich lockere Anlagerungen von Pulverteilchen. Als Beispiel ist die Herstellung von Instant-Lebensmittelprodukten durch Befeuchten, Trocknung und Kuhlung zu nennen. Fur jede dieser zwei Agglomerationsmethoden existieren spezielle Gerate. Die Einrichtungen zur Herstellung von Instant-Agglomeraten werden im Abschnitt uber Instantisierung behandelt. Der horizontale Tellermischer (Abb. 6.16) wurde schon sehr fruh fur die Agglomeration von Kunstdunger eingesetzt. Die Rotation des Tellers und der exzentrisch angebrachten Ruhrelemente. die sich in umgekehrter Richtung drehen, erzeugen eine konstante Mischwirkung, welche bei Zugabe von Flussigkeit kompakte Agglomerate bildet. Zur Gewinnung von kugelformigen Agglomeraten muss nachtraglich eine Formung auf dem Telleragglomerator erfolgen. Als typisches Gerat ist der Eirich-Ceggenstrom-Mischgranulator zu envahnen.
6.2 Agglomerate, Granulate
213
Agglomerationsmischer werden vorteilhafterweise dann eingesetzt, wenn mehrere Komponenten gemischt und gleichzeitig agglomeriert werden sollen. Trogschneckenmischer sind diskontinuierlich oder kontinuierlich arbeitende Einwellen- oder Zweiwellenmischer mit Mischpaddeln oder pflugscharartigen Mischelementen. Intensivere Wirkung haben Geriite mit hohen Drehgeschwindigkeiten der Welle, wie etwa der LddigeMischer.
Abb. 6.16. Mischagglomerator, Planetenriihnverk.
Eine neuere Entwicklung auf dem Gebiet der schnelllaufenden Misch-Agglomeriermaschinen stellt der Schugi-Mischer dar (Abb. 6.17).
Scherzone durch schnelllaufende Mischerwelle. Hohe Dissipationsdichte. Mischerwand selbstreinigend, da elastisch und mechanisch bewegt. Flussigkeitsaufgabemit Duse oder Rohr.
Abb. 6.17. Schugi-Flexomix [33].
Die kontinuierliche Vermischung geschieht in einer senkrechten Mischkammer, in welcher eine schnelllaufende Mischerwelle konzentrisch angeordnet ist. Auf der Scher-
2 14
6 Feste Formen
welle sind mehrere Schermesser unabhangig voneinander befestigt. Das zu bearbeitende Gut durchstromt die Mischkammer von oben nach unten. Im Bereich der Schermesser wird das Produkt in starke Turbulenz versetzt und gleichzeitig rnit Flussigkeit bedust. Das Pulver-Flussigkeitsgemischbewegt sich auf einer spiralformigen Bahn nach unten. Die Venveilzeit des Produktes in der Mischkammer betragt ca. eine Sekunde. Durch eine spezielle Anordnung wird die Bildung eines Belages an der Wand verhindert. Mit dieser Spriih-Agglomerationstechnik werden Agglomerate rnit KomgroBen zwischen 0.2 und 2 mm erhalten. Die KorngroBe lasst sich vor allem durch die Drehzahl der Mischenvelle, den Anstellwinkel der Schermesser und die Flussigkeitsmenge beeinflussen. Das Verfahren wird speziell fiir die Waschmittelherstellung empfohlen. Zu envahnen sind hier ferner die Spriihmischgerate, in welchen im Innem einer Trommel rnit Hilfe von Ruhrern und geeigneten Einbauten das Material zu einem Schleier venvirbelt wird, der durch eine axial angebrachte Duse rnit der Flussigkeit bespriiht wird. Das eingebrachte Pulver wird oberflachlich rnit weniger als 5 YOBruckenbildungsflussigkeit bespriiht. Man erhalt Agglomerate rnit KorngroBen von 2 mm und weniger, mit verbessertem FlieD-, Benetzungs- und Loseverhalten. Solche Gerate werden vor allem in der Waschmittelindustrie eingesetzt. Die Herstellung von kleinen, lockeren Agglomeraten vom sogenannten Cluster-Typ rnit Hilfe der Bespriihung eines Pulverschleiers ist auch in der Lebensmittelindustrie wichtig (Instantprodukte). Einige apparative Ausfiihrungsformen fir Spruh-Mischagglomeration finden sich in [34, 351.
6.2.5.2 Agglomeration durch Trocknung Bei den Agglomeraten, die durch Trocknung von feuchten Haufwerken und Suspensionen entstanden sind, spielen neben den van der Waals Kraften und Kapillarkraften besonders Feststoffiriicken eine Rolle als Bindemechanismen. Bereits eine geringe Menge an festen Verunreinigungen, wie sie in gewohnlichem Wasser vorhanden sind, konnen beim Trocknen als Festkorperbriicken zwischen den Partikeln auskristallisieren. Das zu agglomerierende Material kann entweder in unzerteilter Form als Pulver oder Presskuchen vorliegen, oder muss wie im Fall von Losungen und Suspensionen rnit Hilfe von geeigneten Einrichtungen in Tropfen zerteilt werden. Ohne eine Zerteilung der flussigen oder festen Phasen arbeiten der Walzentrockner und der Gefriertrockner. Dagegen wird bei der Spriihtrocknung und beim Prillen das Material (Losung, Suspension, Schmelze) in Tropfen zerteilt. Bei der Wirbelschichtugglomerutionexistieren beide Varianten, je nachdem ob es sich um ein kontinuierliches oder diskontinuierliches Verfahren handelt.
Walzentrockner
Beim Walzentrockner wird die meist hochkonzentrierte Suspension in dunner Schicht auf eine horizontale Walze verteilt, getrocknet und mit einem Schaber von der Walze abgenommen. Dabei erhalt man ein Agglomerat in Form von Schuppen oder Flocken. Mehr Information uber Walzentrocknung findet sich bei [8].
6.2 Agglomerate, Granulate
215
6.2.6 Gefriertrocknung Die Gefriertrocknung ermoglicht die Herstellung von komigen Endprodukten mit besonders guten Loseeigenschaften, ausgehend von Losungen und Suspensionen. Daneben eignet sich die Gefriertrocknung auch zur Dehydratisierung von Lebensmitteln. Wegen der guten Loseeigenschaften der gefriergetrockneten Produkte wird dieses Verfahren auch Lyophilisation genannt. Da sich bei der Gefriertrocknung keine oder nur sehr kleine Festkbrperbriicken durch auskristallisierende Salze bilden konnen, und da wtihrend ihres Verlaufs kein frei bewegliches Kapillarwasser vorhanden ist, entstehen nur Agglomerate mit geringer Festigkeit und unregelmafliger Form. Als schonendes Trocknungsverfahren ist sie zur Erhaltung der Aromastoffe von Lebensmitteln und bei temperaturempfindlichen Stoffen anzuwenden. Hierzu gehort auch die Uberfiihrung von kolloiden wassrigen Dispersionen in eine feindisperse Pulverform, unter Erhaltung des Dispersitatsgrades. Dies ist allerdings nur in Anwesenheit ausreichender Mengen an Dispergiermittel mdglich. Die Gefriertrocknung stellt ein relativ teures Trocknungsverfahren dar, etwa im Vergleich zur Spriihtrocknung. lhre industrielle Anwendung liegt vor allem in der Herstellung von Instantprodukten der Lebensmittelindustrie, sowie in der Gewinnung von pharmazeutischen Praparaten. Im Labor wird sie gelegentlich zur schonenden Trocknung von fliissigen Dispersionen von Farbstoffen und anderen Produkten und deren Uberfiihrung in feindisperse Agglomerate mit gutem Rekonstitutionsverhalten eingesetzt. Das Prinzip der Gefriertrocknung beruht darauf, gefrorenes Material durch Sublimation, d.h. direkten Ubergang von Eis in Dampf, unter Umgehung der fliissigen Phase zu trocknen. Der Prozess erfolgt im Vakuum.
4 Eis + Eutektikum I Eis I
Losung
AB BC CD CE K
1
. a $ n E
Einfrieren Evakuieren Sublirnieren Nachtrocknen Kondensieren
Y
0
0 -
Wasserdampf
VV
4 . . . . . . . . . , . . . . . . . . . . .
Temperatur
0°C
Abb. 6.18. Phasen der Gefriertrocknung im Zustandsdiagramm des Wassers [36].
216
6 Feste Formen
Wie aus dem Zustandsdiagramm des Wassers hervorgeht (Abb. 6.18) existiert auch iiber Eis ein Dampfdruck, welcher von der Temperatur abhangig ist. Liegt der Wasserdampfdruck bei Temperaturen unter 0 "C unterhalb dem Sattigungsdampfdruck, so geht Eis in Dampf uber. Diese Dampfdruckdifferenz ist die treibende Kraft der Gefriertrocknung. Sie wird durch Abpumpen des Wasserdampfs mit Hilfe von Vakuumpumpen, oder durch Kondensation an kalten Flachen aufrecht erhalten. Dabei ergibt 1 g Wasser von 20 "C bei I 0-3mbar ein Dampfvolumen von etwa 1000 1. Der Vorgang der Gefriertrocknung verlauft in drei Schritten, die in Abb. 6.18 eingetragen sind: I . Einfrieren unter Normaldruck bei tiefer Temperatur (A-+B). Da das Trocknungsprodukt nicht reines Wasser, sondern eine Losung oder Suspension ist, die als geloste Anteile z.B. Dispergiermittel, Geriistbildner, Salze etc. enthalt, liegt sein Gefrierpunkt beim eutektischen Punkt. Dieser l a s t sich fir die Phasendiagramme von Mehrkomponentensystemen nur experimentell bestimmen, am einfachsten uber die elektrische Leitfahigkeit. Der eutektische Punkt darf wahrend der Gefriertrocknung nicht uberschritten werden, damit das gefrorene Gut wahrend der Primartrocknung nicht schmilzt. Nur dann bleiben die ursprunglich mit Eis erfillten Hohlraume erhalten, und das getrocknete Produkt hat eine porose Struktur mit groBer Oberflache. Diese bewirkt eine rasche Rekonstitution der urspriinglichen Losung oder Dispersion nach Zusatz von Wasser. 2. Primar- oder Haupttrocknung durch Sublimation von Eis im Vakuum (B-+C-+D). Sie kann nur unterhalb des Tripelpunktes erfolgen. Da die Sublimation Energie in Form der Verdampfungswarme erfordert (-2900 kJkg Eis) muss Warme zugefuhrt werden, um eine weitere Abkuhlung des Systems und damit Verlangsamung der Trocknung zu verhindern. Dies geschieht durch elektrisch oder mit Sole beheizte Elemente. Da der Warmetransport umso schlechter ist, je hoher das Vakuum, wird dieses auf einen Wert eingestellt, der dem halben Sattigungsdampfdruck des Ekes im Produkt bei der Sublimationstemperatur entspricht. Unter diesen Redingungen erreicht man die maximale Sublimationsgeschwindigkeit. Das sublimierte Losemittel kondensiert sich in Form von Eis am Eiskondensator, der eine tiefere Temperatur als das Produkt wahrend der Sublimation haben muss. 3 . Nachtrocknung oder Sekundartrocknung (C+E). Sobald alles Eis aus dem Gut sublimiert ist, steigt die Temperatur im Produkt stark an. Das Produkt enthalt jetzt immer noch adsorptiv gebundenes oder Hydratwasser, Um dieses zu entfernen, wird das Vakuum soweit als moglich erhoht und die Temperatur der Heizflachen auf den fur das Produkt zulassigen Hochstwert gebracht. Von entscheidendem Einfluss auf die Eigenschaften des getrockneten Produktes ist die Temperatur und damit die Geschwindigkeit, mit welcher das Ausgangsmaterial eingefroren wird. Rasches Einfrieren bei tiefen Temperaturen fihrt zu vielen Kristallisationskeimen und damit zu einer feinkristallinen Eisphase. lnfolge der geringen Ausdehnung der Einzelkristalle bleibt die Struktur des Ausgangsmaterials weitgehend erhalten. Ein solches gefriergetrocknetes Produkt hat gute Loseeigenschaften. Im Gegensatz dazu ergibt langsames Einfrieren bei Temperaturen, die nur wenig unter dem Gefrierpunkt liegen, wenige Kristallkeime, aus denen sich dann grobe Eiskristalle bilden. Dies kann zur Zerstorung der Struktur des Gutes fuhren. Andererseits ist eine grobporose Struktur gunstig f i r eine rasche Trocknung. Zu einer feinkristallinen Eisphase gelangt man auch durch
6.2 Agglomerate, Granulate
217
langsames Abkiihlen in der N2he des Gefrierpunktes. In Abb. 6.19 ist das Schema einer
Labor-Gefriertrocknungsanlagedargestellt.
8 1 Gefriertrocknungskarnrner
4
5
12
2 Absperrklappe 3 Kondensator 4 Getrocknetes Gut 5 Gefrorenes Gut 6 Therrnoelement 7 Leitfahigkeitssonde 8 Manometer 9 Differenzdruckrnanometer
10
.. 11
10 Kaltesole 11 Heizung 12 Vakuurnanschluss
Abb. 6.19. Schema einer Labor-Gefriertrocknungsanlage [36].
Produktionsanlagen f i r die Gefriertrocknung, wie sie z.B. f i r die Herstellung von lyophilisiertem Kaffee eingesetzt werden, bestehen aus groRen Vakuumkammern, in welche das zu trocknende Gut auf Platten absatzweise oder halbkontinuierlich entwassert wird. Die konstruktive Gestaltung der Behllter f i r das zu entwlssemde Gut ist Gegenstand zahlreicher Patente. General Foods venvenden Behalter, welche in der Vakuumkammer selbst gefillt und nach der Trocknung wieder entleert werden konnen, was die Beschickung und Entleerung wesentlich vereinfacht. Die Produktbehalter sind fest zwischen den Heizelementen angebracht. lnfolge hoher Kapital- und Energiekosten ist die Gefriertrocknung ein teurer Prozess. Die Trocknungskosten betragen etwa das 2-3-fache einer Spriihtrocknung bei gleicher Leistung. Es ist daher von Vorteil, die Lbsungen oder Suspensionen vor der Trocknung aufzukonzentrieren. Dabei muss eine schonende Methode angewandt werden, um die Vorteile der Lyophilisierung, namlich die Erhaltung von Aromastoffen und anderen temperaturempfindlichen Substanzen nicht zu schmllem. Dam eignet sich industriell die sogenannte ,,Freeze Concentration", wie sie von der Firma Grenco N.V. in Holland entwickelt wurde [37]. Als weiterfihrende Literatur sei angegeben: [38, 391.
6.2.7 Spruhtrocknung Das Verfahren der Spriihtrocknung besteht darin, eine Lbsung, Suspension, Emulsion oder Paste zu verspriihen und die entstandenen Tropfchen durch einen heiRen Gasstrom zu trocknen, sodass ein Produkt in Form von Agglomeraten oder eines Pulvers gewonnen wird. Je nach Konstruktion des Spriihtrockners und Einstellung der Arbeitsvariablen lassen sich runde Teilchen bis zu 0.5-1 mm Durchmesser herstellen. Es handelt sich dabei um eine schonende Trocknungs- und Agglomerationsmethode, die sich besonders f i r die
2 18
6 Feste Formen
Trocknung und Agglomeration von temperaturempfindlichen Stoffen eignet, wie zum Beispiel Nahrungsmittel und Pharmazeutika. Die Spruhtrocknung hat ferner den Vorteil, dass sie nur aus einem Arbeitsgang besteht. Wahrend dieser Prozess im Englischen allgemein als ,,spray drying" bezeichnet wird, spricht man im Deutschen haufig von ,,Zerstaubungstrocknung". Dies ist nicht korrekt, da man unter Zerstauben eine feine Verteilung von Feststoffen versteht, im Gegensatz zum Verspriihen einer Losung oder Suspension. Erst wenn aus den Flussigkeitstropfchen trocknende Teilchen entstanden sind, kann man von Zerstauben sprechen.
6.2.7.1 Prinzip der Spruhtrocknung Das zu trocknende Gut, sei es Losung, Suspension, Emulsion oder Paste, wird mit Hilfe von Dusen oder rotierenden Scheiben in einen feinen Nebel zerteilt, der dann mit heiBer Trockenluft oder Gasen durchstromt wird. Das Prinzip ist in Abbildung 6.20 dargestellt (Zerstaubungstrockner; Dusentrockner). Der wesentliche Faktor der Spruhtrocknung ist die auBerst feine Verteilung der Flussigkeit. Die ubertragene Warmemenge nimmt proportional mit der Oberflache der Tropfchen zu, wodurch der Warmeubergang stark gesteigert wird. Dadurch lassen sich die Trocknungszeiten drastisch verkurzen. Zusatzlich bewirkt die starke Kriimmung der feinen Tropfchen eine Steigerung des Innendrucks. Es werden also Zustande geschaffen, wie sie bei ruhenden ebenen Flussigkeitsoberflachen nie auftreten konnen. Bei der Zerteilung eines Tropfens von 1 mm Radius in Tropfchen von 1 pm Radius wachst die Oberflache um den Faktor 1 06, wahrend die abzudampfende Losemittelmenge gleich bleibt. Dabei erfolgt die Verdampfung des Losemittels aus diesen kleinen Tropfchen in Bruchteilen von Sekunden. Die HeiBluft tritt durch spezielle Fuhrungen in den Trocknungsturm ein.
Abb. 6.20. Prinzip dcs Zcrstaubungstrockners (a) und Dusentrockners (b)
Fur eine optimale Spruhtrocknung ist die sofortige Mischung zwischen Spruhnebel und Heiljluft in der Nahe der Spriiheinrichtung erforderlich, ferner die homogene Ver-
6.2 Agglomerate, Granulate
219
teilung der trockenen Teilchen in der Trocknungsluft bis zum Abschluss der Trocknung. Um einen langen Trocknungsweg zu erzielen, muss entweder der Turm sehr groR dimensioniert sein oder die Heifiluft in einer Rotationsbewegung durch den Trocknungsturm gefihrt werden. Die Bewegung zwischen Gas und verspriihtem Produkt kann im Gleichstrom, Gegenstrom oder Mischstrom erfolgen. Im Falle des Gleichstrom- und Mischstromprinzips werden das getrocknete Produkt und das Trocknungsgas gemeinsam unten aus dem Turm abgefiihrt, dagegen wird beim Gegenstromverfahren das Produkt am Boden des Turms abgeschieden, das Trocknungsgas jedoch an der Decke ausgeblasen. Die Trennung von Produkt und Gas erfolgt in einem Zyklon oder Abscheider. In entsprechend ausgelegten Spriihtrocknern kann der aus dem Zyklon austretende Feinanteil in den Trocknungsturm zuriickgefihrt werden, wobei er in Kontakt mit dem Spruhnebel gelangt und trockene Partikel mit verspriihten Tropfchen unter Bildung groRerer Agglomerate kollidieren. Dadurch erhalt man ein weniger staubendes, besser flieBendes und leichter benetzbares oder losliches Produkt.
6.2.7.2 Apparatives Spriiheinrichtung: Die Verspriihung der Lbsung oder Suspension kann entweder durch Dusen oder durch rotierende Scheiben erfolgen. Bei den Diisen unterscheidet man zwischen Einstoffdiisen (Druckdiisen) und Zweistoffdusen (pneumatische Dusen), bei den rotierenden Scheiben existieren flache Teller, Dusenrader, Schaufelrader und andere Ausfihrungsformen. Die Verspriihung in der Druckdiise beruht vor allem auf der Wirbelbewegung, die dem Material in der Diise aufgezwungen wird. Es entsteht ein konischer Spriihnebel, der im Innern im Allgemeinen hohl ist. In der Zweistoffdiise wird die Flussigkeit mit Luft oder Dampf in einen Spriihnebel venvandelt. Meist ist die Fliissigkeitsdiise von der Luftduse ringfdrmig umgeben, was eine heftige Turbulenz der Gasphase bewirkt, die ein Vereinigen der erzeugten Tropfchen verhindert. In Abbildung 6.2 1 sind die drei Spriihtypen schematisch dargestellt.
Luft Flussigkeit
1 1
Rotor
.. - : -.-. '. *
Druckduse
Abb. 6.21. Spruheinrichtungen.
Zweistoffduse
Scheibenzerstauber
220
6 Feste Formen
Die Zweistoffduse eignet sich auch zur Verspruhung von pastenformigen Produkten. Das zu verspriihende Gut wird als Hohlstrang durch die Duse gepresst und beim Austritt aus der Duse durch die Druckluft zerteilt. Die rotierenden Scheiben sind als Fliehkraftverspriiher zu bezeichnen. Die Flussigkeit gelangt auf den Teller, dessen Rand gegenuber der umgebenden Luft eine sehr hohe Geschwindigkeit besitzt. Beim Wegschleudern der Flussigkeitstropfen treffen diese auf einen groRen Luftwiderstand und werden zerrissen. Die Drehzahlen von rotierenden Scheiben sind sehr hoch (10 000-20 000 U/min), die Umfangsgeschwindigkeit betragt etwa 150 d s . Die Tropfengrolje hangt vor allem von der Umdrehungszahl der Scheibe ab, nach Gleichung (6.15) [40].
(6.15)
(n: Umdrehungszahl [U/min]; d,: mittlere TropfengroBe [m]; CT Oberflachenspannung [kp/m]; r: Radius der Scheibe [m]; nI: Dichte der Flussigkeit [kg/m3])
Fur die Auswahl der Spriiheinrichtung sind folgende Kriterien von Bedeutung: Erzeugte TropfengroRe, Tropfenspektrum, Verstopfungsgefahr der Austrittsoffnungen, MaterialverschleiR, Durchsatz, Energiebedarf und Turmkonstruktion. Die Druckduse erzeugt bei relativ groRem Tropfendurchmesser ein schmales Kornspektrum, dagegen die Zweistoffduse sehr feine Tropfchen mit einer breiten Kornverteilung. Wenn ein staubarmes Produkt gewunscht wird, wahlt man daher eine Druckduse. Der MaterialverschleiD ist bei Druckdusen hoher als bei Zweistoffdusen, jedoch am geringsten bei rotierenden Scheiben. Die meisten Flussigkeiten, die mit Dusen verspruht werden, lassen sich auch rnit rotierenden Scheiben verspriihen. Die Zweistoffduse ist infolge des erforderlichen hohen Energieaufwandes und der niederen Kapazitat auf Laborspruhtrockner und fiir spezielle Zwecke beschrankt. Aus der Form der Bahnen der verspruhten Tropfchen ergibt sich, dass mit Scheiben ausgeriistete Spriihtrockner einen groBen Turmdurchmesser erfordern, im Gegensaiz zu den schlankeren Dusentrocknern. Ein Aufprallen der verspriihten Tropfchen auf die Wande des Turmes muss vermieden werden, um Wandansatz und Verkrustung zu verhindern. Die rnit Scheiben ausgerusteten Apparate sind fur die Spriihtrocknung unterschiedlicher Produkte beweglicher und auch fir das Verspriihen von zahen und dicken Slurries geeignet. Bei niedriger Aufgabegeschwindigkeit ergeben Scheibenspriihtrockner ein einheitlicheres Spriihprodukt. Mit wachsender Aufgabegeschwindigkeit nimmt die Streuung der Tropfchengroljen zu. Einen Vergleich der verschiedenen Spriiheinrichtungen vermittelt [4 11.
He$luftzufuhr: Diese besteht aus dem Lufierhitzer, dem Ventilator und dem Lufiverteiler. Als Lufterhitzer kommen ol- oder gasbeheizte Verbrennungskammern in Frage. Die Heiljlufi wird durch spezielle Fuhrungen in den Trocknungsturm eingefiihrt. Fur zahlreiche temperaturunempfindliche Produkte ist auch eine direkte Gas- oder Olheizung moglich. Sobald aus den Fliissigkeitstropfchen trocknende Teilchen entstanden sind, konnen wir von Zerstaubungstrocknung sprechen.
6.2 Agglomerate, Granulate
22 1
Die Bewegung zwischen Gas und versprtihtem Produkt kann im Gleichstrom, Gegenstrom oder Mischstrom erfolgen. Das Strijmungsverhalten im Scheiben- und Dusenspriihtrockner ist schematisch in Abbildung 6.22 dargestellt. Produkt ein
Lu? aus
Produkt ein
kuf! ein
f?J Produkt ein Produkt + Luft aus
Produkt + Luft aus Produkt aus Gleichstrom (Duse)
Gleichstrorn (Scheibe)
Produkt aus Gegenstrom (Duse)
Mischstrom (Dike)
Abb. 6.22. Stramungsverhalten von Produkt und Gas im Scheiben- und Dusen-Spruhtrockner; nach Masters [42].
Im Gleichstromtrockner wird die Flussigkeit in das Trocknungsgas bei Eintritttemperatur gespriiht. Die Teilchen werden durch das Gas mitgefiihrt, bis die Trocknung abgeschlossen ist. Dabei ergeben sich groae Unterschiede im Temperaturprofil fiir einen Scheiben- oder Dusentrockner; siehe Abbbildung 6.23.
lioo
loo iool
*
Produkt 75 - 80°C
I
-
Produkt 80°C
Abb. 6.23. Temperaturverteilung im Scheiben- und Dusentrockner bei Gleichstrom (nach Masters
[421).
222
6 Feste Formen
Beim Scheibenspruhtrockner, in welchem eine wirbelformige, turbulente Luftstromung erzeugt wird, herrschen im ganzen Tumvolumen gleichmaflige niedrige Temperaturen, die etwa der Austrittstemperatur entsprechen. Die Temperatur des zu trocknenden Materials ist zu keinem Zeitpunkt hoher als die Temperatur der Abluft. Die Produkttemperatur beim Ausgang liegt etwa um 20-25 "C tiefer [42]. Im Dusenturm dagegen, der einen kleineren Durchmesser und eine groRere Hohe als der Scheibenturm aufweist, verlauft der Gasstrom stromlinienformig, mit einem groneren Temperaturgradienten entlang des Turmes. Partikel in einem halbtrockenen Zustand werden also Ianger einer hoheren Temperatur als im Scheibenspriihtrockner ausgesetzt sein. Fur temperaturempfindliche Produkte erfolgt also die schonendste Trocknung und Agglomeration in einem Scheibenturm mit Luftfiihrung im Gleichstrom. Bei der Trocknung im Gegenstrom verlauft die Stromung zwischen dem Gasstrom und dem verspruhten Produkt entgegengesetzt; Abbildung 6.22. Die frisch verspriihten Teilchen werden einer niedrigeren Temperatur als der Austrittstemperatur ausgesetzt, das getrocknete Produkt dagegen der heiBesten, also der Eintrittstemperatur. Im Mischstromtrockner liegt eine Kombination von Gleich- und Gegenstrom vor.
6.2.7.3 PartikelgroRe und Form Da bei der Agglomeration im Allgemeinen eher groRe Partikel erzeugt und getrocknet werden mussen, ergeben sich hohe Fallgeschwindigkeiten und somit grolje Fallhohen im Spriihturm. Die KorngroRe der Agglomerate Iasst sich zusammenfassend auf folgende Weise beeinflussen: Sie ist vor allem vom Spruhmechanismus abhangig, gemaR den vorausgegangenen Ausfuhrungen. Mit der rotierenden Scheibe entsteht im Allgemeinen ein feinkorniges Produkt rnit KorngroRen zwischen 20-1 00 ym, mit der Druckduse und Zweistoffduse ein groberes Agglomerat von etwa 50-250 pm Durchmesser. Mit abnehmender Tourenzahl der rotierenden Scheibe erhalt man groRere Agglomerate. Eine Erhohung der Trocknungstemperatur fiihrt bei zahlreichen Produkten zu einer Zunahme der KorngroRe. Ebenfalls in dieser Richtung wirkt sich eine hohere Konzentration des Ausgangsproduktes aus. Dagegen ergibt die Erniedrigung der Oberflachenspannung im zu verspruhenden Produkt eine Abnahme der AgglomeratgroBe. Die Viskositat des flussigen Spruhproduktes sol1 die PartikelgroRe nicht oder nur wenig beeinflussen. Uber die Beeinflussung der AgglomeratgroBe durch Variation der wichtigsten Parameter siehe [43]. Nach Masters [42] Iasst sich die PartikelgroRe durch die richtige Gestaltung des Trocknungsturmes und dessen Spriiheinrichtung kontrollieren. Fur Agglomerate im Bereich von SO-I20 pm ist ein Standardtrockner mit rotierender Scheibe geeignet, dessen Verhaltnis von Durchmesser zur Hohe des Trocknungsturmes etwa 1 :0,6-1 betragt. Je groRer der Durchmesser der Trocknungskammer ist, umso niedriger darf die Umdrehungszahl der rotierenden Scheibe sein, und umso groRer sind die gebildeten Agglomerate, ohne dass sich Wandbelage von nur unvollstandig getrockneten Partikeln bilden. Fur AgglomeratgroRen uber etwa 120 pm werden Dusenapparate eingesetzt, deren Verhaltnis von Durchmesser zu Hohe ungefahr 1 : 1-1.3 betragt. In schlanken Spruhturmen
6.2 Agglomerate, Granulate
223
konnen nur Dusen venvendet werden. Das Verhaltnis von Durchmesser zu Hohe liegt hier bei etwa l : 3 4 . Damit lassen sich die groRten Agglomerate produzieren, mit Durchmessern bis zu etwa 250 pm. Spruhgetrocknete Teilchen besitzen im Allgemeinen eine spharische Form und sind meist hohl. Die endgultige Form der Agglomerate ist abhangig von der Temperatur der Trocknungsluft und von den Stoffeigenschaften des zu verspriihenden Produktes. Das Zusammenspiel von mechanischer Verfestigung und den auftretenden Kraften flihrt zur Bildung mannigfaltiger Partikelformen. Eine geringfiigige Anderung der Formulierung kann genugen, um eine Veranderung der Partikelform herbeizufiihren. Je nachdem, ob die Temperatur der Trocknungsluft oberhalb oder unterhalb des Siedepunktes des Losemittels liegt, bilden sich intakte Hohlkugeln, ohne oder mit kristallinen Ausbluhungen, oder nur Kugelfragmente, aufgeblahte Hohlkugeln oder schwammige Kugeln. Die Partikelbildung bei der Spriihagglomeration ist von Charlesworthy und Marshall untersucht worden [44]. Faktoren, welche die Verdampfungsgeschwindigkeit erhbhen, wenn beispielsweise die Temperatur der Trocknungsluft oberhalb des Siedepunktes des Losemittels liegt, oder wenn eine porose Krustenbildung auftritt, fiihren zu gri5Reren und hohlen Partikeln. Die Entstehung der Hohlkugeln kann man sich so vorstellen: Infolge der hohen Temperatur des das Tropfchen umgebenden Gases verdampft das Losemittel von der Tropfchenoberflache und neues Losemittel gelangt von innen zur Oberflache, was eine Stromung im Tropfen vom Zentrum nach aul3en verursacht. Mit dem Flussigkeitsstrom gelangen auch die gelosten oder dispergierten Feststoffe zur Oberflache, wo sie schlieRlich ausgeschieden werden. Falls der gelbste oder suspendierte Feststoff der Stromung widersteht, entstehen porose, schwammige Agglomerate. Die hohle Form der spriihgetrockneten Agglomerate ergibt ein niedriges Schuttgewicht und ist auch flir die hohe Losegeschwindigkeit, also die Instanteigenschaft des Hohlgranulates verantwortlich. Die Restfeuchtigkeit der spriihgetrockneten Agglomerate hangt vor allem vom Flussigkeitsdurchsatz, d.h. der pro Zeiteinheit zugegebenen Flussigkeitsmenge ab, ferner von der Temperatur der Trocknungsluft und der Luftverteilung im Trocknungsturm. Uber staubarme Pulver siehe Herbener [45].
6.2.7.4 Sicherheit Viele pulverformige Produkte sind im Gemisch mit Luft explosionsgefahrlich. Fur derartige Pulver werden spezielle Spruhtrocknertypen eingesetzt, in welchen die Trocknung in einer inerten Atmosphare erfolgt, und die verdampften flussigen Anteile von Wasser und Losemittel in einem Abscheider (Kondensator) abgetrennt werden. Solche Einrichtungen konnen einen halbgeschlossenen oder einen geschlossenen Kreislauf (selbstinertisierend) aufiveisen. Der geschlossene Kreislauf venvendet zur Inertisierung Stickstoff und wird bei Formulierungen eingesetzt, welche organische Losemittel enthalten. Fur die Spruhtrocknung von wassrigen Formulierungen, die nur ein niedriges Explosions- oder Brandrisiko darstellen, genugt der Einbau von speziellen Explosionsklappen und Feuerloscheinrichtungen. Zur Sicherheit gehort heute auch die Vermeidung von Emissionen
224
6 Feste Formen
des staubformigen Materials in die Atmosphare. Dazu sind sehr wirkungsvolle Staubabscheider erforderlich. Als solche sind Filtersacke und Zyklone in Gebrauch. Zyklone vermogen im Allgemeinen bis zu 98 % des Staubes abzutrennen. Filtereinrichtungen bis zu 99.9 %. Um auch die restlichen Staubanteile abzutrennen, werden den Zyklonen oder Filtereinrichtungen Nassabscheider nachgeschaltet.
6.2.7.5 Wirtschaftlichkeit Die pro Stunde verdampfte Menge Wasser nimmt mit steigender Temperatur der Trocknungsluft starker als linear zu. Zum Beispiel ergab sich f i r einen Spriihtrockner bestimmter GroRe bei einer Eintrittstemperatur von 200 "C und Austrittstemperatur von 100 "C eine Wasserverdamphng von 300 kgih, bei einer Eintrittstemperatur von 400 "C dagegen eine solche von 800 kg/h. Der thermische Wirkungsgrad eines Spruhtrockners ist nach Gleichung (6.16): (6.16)
( T , : Eintrittstemperatur; T,: Austrittstemperatur; T,: Umgebungstemperatur).
Fur einen hohen thermischen Wirkungsgrad ist also eine groRe Temperaturdifferenz zwischen Eintritts- und Austrittstemperatur wichtig. Eine Erhohung des thermischen Wirkungsgrades bewirkt, dass ein groRerer Teil der Trocknungsluft zur Verdampfung der Flussigkeit ausgenutzt wird. Dies bringt Einsparungen an Brennstoff. Zugleich wird die Luftmenge zur Verdampfung der Flussigkeit erniedrigt, und damit die erforderliche GroRe des Spruhtrockners. Einen groBen Einfluss auf die Kosten der Spruhagglomeration hat auch die Konzentration des zu trocknenden Produktes. Die Trocknungskosten pro kg Produkt konnen j e nach Kapazitat des Spruhtrockners bei einer Erhohung der Konzentration des Ausgangsproduktes von 20 % auf 40 % Feststoff um das Mehrfache reduziert werden. Es wird daher oft angestrebt, die Konzentration im Ausgangsprodukt zu erhohen, zum Beispiel durch Umkehrosmose. Die Verdampfungskosten pro 100 kg Wasser belaufen sich nach Kaspar und Rosch [46] bei einer durchschnittlichen Temperaturdifferenz von 260 "C bei Kleinanlagen (verdampfte Wassermenge unter 200 kgih) auf ca. 30 Euro pro 100 kg HZO, bei GroDanlagen (verdampfte Wassermenge uber 500 kg/h) auf etwa 10 Euro pro 100 kg HlO. AbschlieRend sollen noch einige interessante Moglichkeiten envahnt werden, welche die Spruhgranulierung bietet. Wenn in einer Suspension eines unloslichen Produktes ein zum Coating (Umhullung) geeignetes Material gelost wird, kann das spruhgetrocknete Agglomerat mit diesem Material umhullt werden. Die Methode eignet sich zum ,,Coaten" von pharmazeutischen Wirksubstanzen mit einem Bindemittel, was eine bessere anschlieRende Tablettierung ermoglicht, oder zur Umhullung von Pigmenten mit Tensiden, um deren Dispergierung zu verbessern. Ein Coating Iasst sich auch durch lnjektion eines
6.2 Agglomerate, Granulate
225
feinen Pulvers, wie zum Beispiel S O 2 , Talk, Stake usw. in den Trocknungsturm. erreichen, welche sich an die Tropfchen anlagern. Auf diese Weise lassen sich die FlieBeigenschaften von Agglomeraten durch geeignete Additive verbessern, ohne eine anschlie13ende Mischoperation. Sehr stark adhasive Materialien lassen sich oft nur durch Spriihagglomeration in einer spharischen Teilchenform herstellen. Nicht zuletzt bietet die Spruhagglomeration eine andere Moglichkeit, mehrere Komponenten in eine gleichmaBige Pulverform uberzufiihren als das Mischen von trockenen Pulvern. Fur ein tieferes Eindringen in das Gebiet der Spriihtrocknung siehe die Monographie von Masters [47].
6.2.8 Wirbelschichtagglomeration Die Wirbelschichtagglomeration ermoglicht wie die Spriihagglomeration, eine Losung, Suspension, Paste oder Schmelze in einem einzigen Schritt durch Trocknung in ein agglomeriertes Pulver uberzuftihren. Dabei erfolgt der Partikelaufbau in einer Wirbelschicht. Die Wirbelschichtagglomeration verbindet die zwei Verfahren Wirbelschichttrocknen und Spriihtrocknen zu einem neuen Verfahren, bei dem neben dem Trocknen eine TeilchenvergroRerung stattfindet. Nach diesem Verfahren lassen sich grbBere Agglomerate als durch Spriihtrocknung herstellen, da sich in einem FlieRbett mehrfache Schichten von Tropfchen des gelosten oder dispergierten Feststoffes um die Partikel der Wirbelschicht lagern konnen. Das resultierende Produkt ist weniger staubend und hat ein groReres Schuttgewicht im Vergleich zu spriihgetrockneten Agglomeraten. Wie bei der Spruhtrocknung bildet sich zwischen der festen resp. dispergierten Phase und der Gasphase eine grolje Grenzflache und eine intensive Durchmischung, was eine optimale Warmeubertragung bewirkt. Ursprunglich wurde die Wirbelschichtagglomeration f i r einen absatzweisen Betrieb entwickelt und vor allem fiir die Agglomeration und das Coating von pharmazeutischen Wirksubstanzen eingesetzt. Moderne kontinuierliche Verfahren der Wirbelschichtagglomeration erlauben heute auch eine wirtschaftlich gunstige Agglomeration von relativ billigen Produkten, wie zum Beispiel Gerbstoffen und Farbstoffen, durch Steigerung der Produktionsleistung einer Anlage.
6.2.8.1 Prinzip der Wirbelschichtagglomeration Ein vorgelegtes, feinkorniges, trockenes Pulver wird in einem heinen Luftstrom suspendiert, wobei sich eine Wirbelschicht ausbildet, und mit Tropfchen der mit Hilfe einer Spruhduse verspruhten Flussigkeit in Kontakt gebracht. Durch das gleichzeitige Abdampfen des Losemittels verbinden sich die in der Spriihflussigkeit gelbsten oder suspendierten Partikel durch Koaleszenz und Partikelaufbau mit den Partikeln der Wirbelschicht zu gemeinsamen, grol3eren Teilchen. Die Warmluftzufbhr wird so lange fortgesetzt, bis das Losemittel bis auf eine gewunschte Restfeuchtigkeit abgedampft ist. Der Partikelaufbau kann nur erfolgen, wenn sich die Spriihflussigkeit in Form feinster Tropfchen auf den Partikeln der Wirbelschicht niederschlagt. Dies bedingt, dass die Spriihflus-
226
6 Feste Formen
sigkeit nicht zu stark eingetrocknet ist. Sie muss also vermittels der Zerstauberduse moglichst nahe am oder sogar im Wirbelbett zugefiihrt werden. Damit feste Agglomerate entstehen konnen, mussen die Feststoffpartikel des Wirbelbettes in der Spriihflussigkeit loslich und zur Bildung von Krustenagglomeraten geeignet sein, oder die Spruhflussigkeit muss ein Bindemittel enthalten, welches rnit den Feststoffpartikeln die Bildung von Klebstoffagglomeraten ermoglicht. Grundsatzlich ergeben sich folgende Moglichkeiten der Agglomeratherstellung nach dem Wirbelschichtverfahren: - Beschickung des Wirbelschichttrockners rnit festen Wirkstoffen und eventuell festen Hilfsstoffen und Bespriihen rnit einer wirkstofffi-eien Agglomerationsflussigkeit (Bindemittellosung) - Beschickung rnit festen Wirkstoffen und eventuell festen Hilfsstoffen und Bespruhen mit einer wirkstoffhaltigen Spriihflussigkeit (Losung oder Suspension) - Beschickung rnit inertem Feststoff und Bespriihen rnit einer WirkstoMosung. Die Venveilzeit des Feststoffes im Wirbelbett liegt in der Groflenordnung von 60 min. Daher spielt die Temperaturempfindlichkeit des Wirkstoffes eine grofle Rolle. Dabei liegt die Temperatur der Luft, welche zur Erzeugung der Wirbelschicht venvendet wird, im Allgemeinen nicht uber etwa 90 "C, je nach Art des zu agglomerierenden Produktes.
6.2.8.2 Eigenschaften der Wirbelschicht Im Allgemeinen kann ein Hohlzylinder rnit einer am Boden befindlichen Loch- oder Siebplatte ein Wirbelschichtgerat darstellen. Wenn Gase eine Schuttschicht feinkorniger Feststoffe von unten nach oben durchstromen, so bestimmt die Stromungsgeschwindigkeit das Verhalten der Feststoffpartikel; Abbildung 6.24.
;U, log u Abb. 6.24. Abhangigkeit des Druckverlustes Ap der Schuttschicht von der Geschwindigkeit u des Gases.
6.2 Agglomerate, Granulate
227
Bei geringer Stromungsgeschwindigkeit bleiben diese in Ruhe, das Gas stromt nur durch die Poren der Schiittschicht. Mit zunehmender Geschwindigkeit des Gasstromes u steigt der Druckverlust Ap im Wirbelbett bis zum Erreichen des Wirbelpunktes WP quadratisch an. Bei logarithmischer Darstellung wie in Abbildung 6.24 ergibt sich ein linearer Anstieg. Sobald der Druckverlust des stromenden Mediums in der Schiittschicht das auf die Flacheneinheit bezogene Schiittgewicht des Feststoffes erreicht, beginnt sich das Festbett zu expandieren. An diesem Punkt tritt der Ubergang vom Festbett zum FlieSoder Wirbelbett ein. Nach Passieren eines Ubergangsbereiches bleibt bei weiterer Steigerung der Strbmungsgeschwindigkeit der Druckabfall nahezu konstant. Bei Erreichen der minimalen Wirbelgeschwindigkeit uwp beginnen sich die Teilchen in der Schicht zu bewegen, wobei es zu Vibrationen und zu StoDen kommt. Diesen Zustand, in welchem sich die Partikel in lebhafter Bewegung und Durchmischung befinden, nennt man Wirbelzustand oder fluidisierten Zustand. Die Wirbelschicht kann jetzt homogen, brodelnd oder stODend sein. Eine noch weitere Steigerung der Stromungsgeschwindigkeit fihrt zum Austragungspunkt, bei welchem die Teilchen vom Gas mitgerissen und nach oben ausgetragen werden. Es entsteht eine Flugstaubwolke. Man arbeitet in der Wirbelschichttechnik also mit Stromungsgeschwindigkeiten, die zwischen der minimalen und der Austragsgeschwindigkeit liegen. Die theoretische Druckabfallkurve nach Abbildung 6.24 gilt nur fiir eine einheitliche KorngriiRe. Fur Produkte mit einem breiten Kornspektrum resultieren etwas andere Kurven. Steigende PartikelgrbDen ergeben eine zunehmende Viskositat der Gas/Feststoffsuspension. Durch einen geringen Feinanteil im Wirbelbett von groben Teilchen lasst sich die Viskositat stark reduzieren. Zur Erreichung eines guten Wirbelverhaltens miissen also immer geniigend Feinanteile in der Wirbelschicht vorhanden sein. Im Fall eines Gemisches von groben und feinen Partikeln kann es passieren, dass die feinen Teilchen aus der Wirbelschicht ausgetragen werden, bevor die groben Partikel sich im fluidisierten Zustand befinden. Dies kann zu Filterproblemen fihren, jedoch auch zu Agglomeraten mit ungeniigender Festigkeit.
6.2.8.3 Partikelaufbau Der erste Schritt der Wirbelschichtagglomeration besteht immer in der Benetzung der Partikel des Wirbelbettes durch die mit Hilfe der Duse verspriihten Tropfchen. Die Flussigkeit spreitet uber deren Oberflache, sofern die Partikel benetzbar sind. Die benetzten Teilchen bilden beim ZusammenstoS Fliissigkeitsbriicken aus. Falls die benetzten Agglomerate nicht zu groD sind, sodass sie noch im fluidisierten Zustand bleiben und nicht zu Boden sinken, verfestigen sich die Fliissigkeitsbriicken auf ihrem Weg durch die Wirbelschicht. Ob das Teilchen seine Form behalt, hangt von der relativen GroDe der Bindungs- und Zerreinkrafte ab. Letztere entstehen infolge von Kollisionen der Partikeln. Falls die Bindungskrafte ubenviegen, tritt ein unkontrolliertes Wachstum auf, und die Teilchen fallen zu Boden. Nur wenn beide Krafie ausgeglichen sind, kann eine kontrollierte Agglomeration stattfinden und eine stabile KorngroDe entstehen (Literatur iiber Partikelaufbau: [48]). Das Wirbelschichtverfahren wird auch zur Umhiillung resp. Enkapsulierung von Granulaten eingesetzt. In der Wirbelschicht sollen sich Teilchen von
228
6 Feste Formen
etwa 1 pm (Mikroverkapselung) bis zu etwa 10 mm (Filmdragierung) uberziehen lassen. Eines der mihesten Wirbelschichtverfahren, der Wurster-Prozess (siehe Abschnitt 6.2.8.4) wurde zu diesem Zweck entwickelt.
6.2.8.4 Apparatives Die Wirbelschichtagglomeration kann absatzweise oder kontinuierlich durchgefiihrt werden. Dies erfordert verschiedene apparative Ausfihrungen. Als Beispiel fur die absatzweise Wirbelschichtagglomeration sol1 eine Anlage geman Schema Abbildung 6.25 besprochen werden.
I---- : ~ A
u:.
........................
--
Ex-Kana1
..................
Materialbehalter
Schnellschlussventil rbeitsturmunterteil
Abb. 6.25 Schema eines Wirbelschichttrockners (System Glatt)
Von einem Ventilator wird Luft uber Zuluftfilter und Heizregister angesaugt. Die Lufttemperatur wird mittels Regelthermostaten eingestellt. Die gereinigte und vorerwarmte Luft wird durch den mit Ausgangsprodukt gefillten konischen Behalter, der unten einen Siebboden enthalt, gesaugt. Dieser Siebboden dient als Luftverteiler. Durch geeignete Einstellung der Stromungsgeschwindigkeit der Luft wird das Kornhaufiverk in eine pulsierende Wirbelschicht versetzt. In einer anschlieRenden Entspannungszone wird die Luftgeschwindigkeit so weit reduziert, dass die Teilchen nicht mehr in Schwebe gehalten werden, und entlang der Wand der Expansionskammer absinken, um dann wieder vom Gasstrom aufgewirbelt zu werden. Dieser Zyklus halt wahrend der Dauer des Prozesses an. Uber der Expansionskammer ist die Duse angebracht, mit welcher die Flussigkeit (Losung, Suspension) mit einer kontrollierten Geschwindigkeit in das fluidisierte
6.2 Agglomerate, Granulate
229
Pulver verspruht wird. Durch dariiber angebrachte Filter wird das ausgetragene Feingut aufgefangen. Das agglomerierte und getrocknete Produkt bleibt im Produktebehalter zurUck, und kann diesem entnommen werden. In einer anderen Ausfihrungsform [49] ist der Produktebehalter zylindrisch ausgefiihrt, und der Siebboden durch eine mit variabler Geschwindigkeit rotierende Scheibe ersetzt. Diese llsst sich in der Hohe verschieben, sodass je nach Hohe ein mehr oder weniger grober Spalt zum Produktebehalter eingestellt werden kann. In der niedrigsten Position der Scheibe ist kein Spalt vorhanden. Beim Betrieb stromt die Luft in einer spiralfijrmigen Bahn durch die Kammer. Die Dusen sind tangential zum Pulverbett angebracht. Dieser Rotations-Wirbelschichtagglomeratorbringt eine intensivere Vermischung zwischen Flussigkeit und Feststoff; Abbildung 6.26. I
Spalt--
.--
y%
--- Rotorscheibe
Abb. 6.26. Lufistrornung irn Rotor-Wirbelschichttrockner nach [50].
Als Vorbufer zu den Wirbelschichtagglomeratoren ist der Apparat nach Wurster zur Herstellung von Tablettengranulaten zu envahnen. Der Wurster-Prozess wurde bereits 1959 zur Umhullung von Partikeln beschrieben [5 13. Dabei werden die zu urnhullenden Teilchen durch einen aufsteigenden Luftstrom fluidisiert. In diese Wirbelschicht wird von unten ein Luftstrom von groBer Geschwindigkeit eingefihrt, durch den die Teilchen beschleunigt und voneinander getrennt werden. Diese Zone intensiver Teilchenbewegung wird durch einen zylindrischen Einsatz nach auBen begrenzt. Daruber befindet sich eine Expansionszone von gr6Berem Durchmesser, in welcher die Geschwindigkeit des Luftstroms reduziert wird. Dies bewirkt, dass die Teilchen im Zwischenraum zwischen dem Einsatz und der AuBenwand des Gerltes nach unten sinken und eine zyklische Bewegung mitmachen. Im Zentrum der perforierten Bodenplatte befindet sich eine Spriihduse, durch welche die Flussigkeit mit dem Umhullungsmaterial zugedust wird. Die Teilchen passieren den Austritt der Duse alle 6 bis 10 Sekunden, wobei sie jedesmal mit neuem Coatingmaterial umhullt werden. Durch die envarmte Luft werden die umhullten Partikeln getrocknet. Auf diese Weise lassen sich Teilchen von wenigen Mikron GroBe bis zu groBen Tabletten urnhullen, wobei es sich um Teilchen der verschiedensten Form handeln kann. Abbildung 6.27 stellt eine Skizze des Apparates von Wurster dar.
230
6 Feste Formen
Abb. 6.27. Schema des Apparates nach Wurster-Glatt
6.2.8.5 Kontinuierliche Wirbelschichtagglomeration Der Wunsch nach einer wesentlichen Steigerung des AusstoBes pro Apparat fuhrte zur Entwicklung der kontinuierlichen Wirbelschichtagglomeration. Dabei hat man im Wesentlichen zwei Varianten zu unterscheiden: Agglomeration von Pulvern durch Aufspriihen einer Agglomerierflussigkeit oder Agglomeration von Slurries durch deren Aufspriihen auf ein Wirbelbett aus zu Beginn vorgelegtem Pulver. Die Apparatur besteht im Prinzip aus einem absatzweise arbeitenden Wirbelschichttrockner, der mit einer kontinuierlichen Austragsvorrichtung f i r das Endprodukt versehen ist. Diese Austragsvorrichtung dient auch zur Entstaubung des Produktes und wirkt wie ein Sichter, wobei das Feingut kontinuierlich in den Trockner ruckgefiihrt wird. Uber eine andere Vorrichtung kann kontinuierlich trockenes Coupagematerial zudosiert werden. Die Entnahme wird so eingestellt, dass ihre Menge zeitlich der zudosierten Menge Ausgangsmaterial entspricht. Die Menge des im Wirbelbett befindlichen Materials bleibt also konstant. Im Gegensatz zum absatzweise arbeitenden Wirbelschichttrockner Iasst sich in der kontinuierlich gefahrenen Anlage stets ein optimaler Betriebszustand erreichen und konstant halten. Einen stationaren Zustand erhalt man durch entsprechende Regelung der Entnahme, der Flussigkeitszufuhrung und der Temperatur des Luftstromes. Die Produktlosung, Suspension oder Paste wird mit Hilfe einer Spruhduse, meistens einer Zweistoffduse, gleichmailJig auf das Wirbelbett gespruht. Eine solche Anlage wurde von Kaspar und Rosch [46] beschrieben und ist schematisch in Abbildung 6.28 dargestellt.
6.2 Agglomerate, Granulate
23 1
8 Nasswascher
..
Hauptventilator
Luft
___)
Slurry
.--Austragvorrichtung ---
Zellenradschleuse
---
SiebEichter
Warmetauscher
-&: 8
- ---- Austragsilo
....-. ..
Zellenradschleuse
Abb. 6.28. Der kontinuierliche Wirbelschicht-Granulator [46].
Hier sol1 noch auf ein von ,,Niro Atomizer" entwickeltes modernes Agglomerationsverfahren hingewiesen werden, das die Wirbelschichtagglomeration mit der Spriihtrocknung kombiniert. Mit diesem Verfahren lassen sich staubfreie, fieiflienende Agglomerate mit einer Partikelgrone zwischen 0.5 und 5 mm direkt herstellen [52]. Fur ein storungsfreies Arbeiten dieser Anlage muss das Wirbelbett bezuglich Produktmenge, KorngroRenverteilung und Temperatur in der Wirbelschicht moglichst stationar gehalten werden. Die Regelung der Dosiennenge erfolgt analog wie bei der Spruhtrocknung in Abhkgigkeit der Ablufltemperatur. Zur Konstanthaltung der Feststoffmenge in der Wirbelschicht wird die Tatsache ausgenutzt, dass der Druckverlust der durch die Wirbelschicht stromenden Lufi proportional dem Gewicht des fluidisierten Feststoffes und unabhangig von der Luftmenge ist. Die Dosierung von Trockencoupage in das Wirbelbett erfolgt uber die pro Zeiteinheit zugediiste Fliissigkeitsmenge. Kontinuierliche Anlagen zur Wirbelschichtagglomeration wurden schon 1964 beschrieben, z.B. [53].
232
6 Feste Formen
6.2.8.6 Praktische Hinweise Voraussetzung f i r eine Wirbelschichtagglomeration ist die Ausbildung einer turbulenten Wirbelschicht. Die beiden wichtigsten Parameter einer Wirbelschichtagglomeration sind der Durchsatz der Spriihflussigkeit und deren gesamte Menge. Die f i r die Erzeugung einer gewiinschten Agglomeratgrorje geeignete Kombination von Durchsatz und Menge der Spriihflussigkeit lasst sich f i r jede Formulierung experimentell ermitteln. Die Agglomerate werden generell umso groRer, je schneller und j e mehr Flussigkeit eingespruht wird. Durch die Temperatur der durch die Wirbelschicht stromenden Luft wahrend der Spruhphase wird die Spriihgeschwindigkeit beeinflusst. Je hoher die Temperatur der Eintrittsluft ist, desto mehr Flussigkeit verdampft und umso schneller kann eingespriiht werden. Hohe Zulufttemperaturen bis 80 "C ergeben kurze Trocknungszeiten und ein feinkorniges Produkt. Dabei ist die Temperaturempfindlichkeit des Produktes zu beachten. Um eine bestimmte Restfeuchte im Agglomerat zu erzielen, muss Trocknungsluft mit definierter Luftfeuchte zur Verfigung stehen. Von wesentlichem Einfluss auf das Endprodukt ist der Druck der Luft der Spriihduse. Die AgglomeratgroRe ist proportional zur TropfengroRe der verspriihten Fliissigkeit, welche mit steigendem Verdusungsdruck kleiner wird. Bei den Diisen besteht die Gefahr der Verkrustung und Verstopfung. Pneumatische Dusen, bei welchen der Flussigkeitsaustritt unterhalb der Luftdiise erfolgt, sollen weniger Verkrustungs- und Verstopfhgsprobleme ergeben. Die Spriihdusen werden entweder oberhalb oder auch unter der Oberflache der Wirbelschicht angebracht. Da in Wirbelschichten sehr leicht elektrostatische Ladungen auftreten konnen, muss der Sicherheit solcher Anlagen hochste Beachtung geschenkt werden. Die Staubexplosionsgefahr kann durch entsprechende druckfeste Konstruktion der Apparate (runde Bauweise), keine Ziindquellen, Erdung aller metallischen Teile, Vermeidung von brennbaren Losemitteln, Entlastungsofhungen in der Wirbelschichtzone sowie spezielle Explosionsunterdriickungssysteme vermindert werden Die KorngroRe der durch Wirbelschichttrocknung erzeugten Agglomerate liegt im Durchschnitt zwischen 80 pm und etwa 2 mm [46]. Im Vergleich dazu betrugen sie bei einer Spriihh-ocknung mit Druckdiisen 50 pm bis 500 pm. Nach derselben Untersuchung ergaben sich fur die Kosten der Wirbelschichtagglomeration im Vergleich zur Spriihtrocknung unter gleichen Voraussetzungen bei einer Leistung unter 400-500 kg/h verdampftes Wasser niedrigere Werte. Bei hoheren Verdampfungsleistungen arbeitet der Spriihtrockner kostengiistiger.
6.3 Instantisierung, Instantpraparate Viele pulverformige Stoffe mussen vor ihrer Anwendung in einer Flussigkeit dispergiert oder gelost werden. Sehr feine Pulver lassen sich jedoch in Fliissigkeiten mit hoher Oberflachenspannung wie z.B. Wasser nur schwer dispergieren. Durch Instantisierung der Pulver konnen deren Dispergierbarkeit oder Loseverhalten verbessert werden.
6.3 Instantisierung, Instantpraparate
233
Instantprodukte sind zuerst im Lebensmittelbereich eingefiihrt worden, wie z.B. der Instant-Kaffee. Auch auRerhalb des Bereiches Lebensmittel besteht ein Bedarf an Produkten mit Instanteigenschaften, etwa bei den Pharmazeutika und Agroprodukten. Eine genaue Definition der Instanteigenschafien eines Produktes besteht bis heute noch nicht. Es ist jedoch iiblich, pulverformige Stoffe und Agglomerate immer d a m als ,,instant" zu bezeichnen, wenn sie durch eine spezielle technische Operation - das Instantisieren - derart verandert wurden, dass sie sich in Flussigkeiten schneller losen oder dispergieren lassen als das Ausgangsprodukt. Ein haufig praktiziertes Instantisierverfahren stellt die Agglomeration dar. Durch eine Agglomeration kann vor allem das kapillare Eindringen der Flussigkeit in die Pulverschuttung beschleunigt werden. Uber die Grundlagen der Vorgange beim Instantisieren und die technischen Anwendungen siehe [54]. Es sol1 eine gleichmaflige Befeuchtung des Pulvers ohne Klumpenbildung erreicht werden. Zu den wichtigsten Instantisierverfahren durch Agglomeration zahlen die Spriihtrocknung und die Gefriertrocknung. Dabei werden lediglich Grofle und Form der Partikel verandert. Es handelt sich also um physikalische Verfahren. Das Benetzungs- oder Loseverhalten der Partikel kann aber auch durch geeignete Zusatzstoffe oder durch eine thermische Behandlung verbessert werden, also ohne Agglomeration. Diese Art der lnstantisierung l h t sich durch Kombination mit einer Agglomeration noch verbessem.
6.3.1 Rekonstitution von Instantprodukten Der Gesamtvorgang des Losens bzw. Dispergierens von Instantprodukten wird als Rekonstitution bezeichnet. Diese Iasst sich in einige Teilschritte unterteilen [55]. Wenn man ein Pulver auf die Oberflache einer Fliissigkeit gibt, konnen die folgenden Teilprozesse unterschieden werden: a) b) c) d)
Durchfeuchten des porosen Systems Untersinken der Agglomerate in die Flussigkeit Zerfall der Agglomerate, bzw. Dispergierung der Partikel Losen der Partikel in der Flussigkeit im Fall von loslichen Stoffen.
Diese Teilprozesse laufen zwar in der angegebenen Reihenfolge ab, iiberlagem sich jedoch gelegentlich, indem etwa die Teilprozesse b), c) und d) ablaufen, bevor a) beendet ist. Im Falle eines Instantproduktes benotigen diese Teilschritte zusammen nur einige Sekunden. Die Durchfeuchtung ist eine notwendige Voraussetzung fiir die nachfolgenden Schritte. Dies ist am Verhalten eines feinen, nicht instantisierten Pulvers beim Streuen auf eine Wasseroberflache zu erkennen. Es vergeht vie1 Zeit, bis sich die Schuttung wenigstens teilweise mit Wasser gefiillt hat. Infolge einer nicht gleichmafligen kapillaren Benetzung bilden sich Bereiche, in welche das Wasser nicht eindringen kann. Es entstehen Klumpen, die sich nur mechanisch zerteilen lassen.
234
6 Feste Formen
Die Penetration in ein poroses Medium, wie es eine Pulverschuttung darstellt, Iasst sich angenahert durch die Gleichung von Darcy beschreiben. Dabei wird angenommen, dass es sich um das Eindringen von Flussigkeit mit einer scharfen Flussigkeitsfront handelt, wobei keine Lufteinschlusse zuriickbleiben. Die Geschwindigkeit, mit der diese Front vorruckt, Iasst sich mit folgenden Parametern angeben: dem Kapillardruck Pk, der die Fliissigkeit in die Poren des Pulvers einsaugt, und dem Widerstand der Porenstromung, der dem Kapillardruck entgegensteht [56]. Fur die eindimensionale Anordnung mit der Koordinate y in Stromungsrichtung (Abb. 6.29) ergibt sich die auf den freien Querschnitt A bezogene Geschwindigkeit v,, der Flussigkeit wie folgt: (6.17)
Bo: Durchlassigkeit des Porensystems Pk: Kapillardruck 7: dynamische Viskositat c. Porositat = HohlvolumedSchuttvolumen.
II
-:X+ I
,
II
porose Platte
, .
L
Abb. 6.29. Schcmatischc 1)arstellung des kapillaren Eindringens von Flussigkeit in ein por(iscs System: a) I m g s a m c r Flussigkeitstransport; b) Schneller Flussigkeitstransport (nach 1561).
Setzt man einen konstanten Kapillardruck voraus, ergibt die Integration obiger Gleichung zwischen den Grenzen y = 0 und y = h sowie t = 0 und der Penetrationszeit 1 = 1, im Prinzip die Gleichung von Washburn (siehe Abschnitt 1.7.3).
6.3 Instantisierung, Instantprapurute
23 5
-
Fur annahernd gleich grolje Partikel der GroBe x gilt in erster Naherung (mit Bo x2 und Pk x-'):
-
Daraus ergibt sich, dass bei grofieren Partikeln die Flussigkeit schneller eindringt. Die Agglomeration verbessert also die Instanteigenschajien.
Eine f i r die Struktur und das Lose- resp. Dispergierverhalten von Instantagglomeraten wichtige Grolje ist die Porositat E. Schubert [57]konnte zeigen, dass mit zunehmender Agglomeratporositat die totale Eindringzeit abnimmt. Bei zu hoher Porositat wird jedoch der kapillare Flussigkeitstransport groljtenteils unterbrochen, sodass die Penetrationszeit wieder sehr stark anwachst. Es existiert also eine optimale Porositiit, die in keinem Fall uberschritten werden darf, und daher experimentell ermittelt werden muss. Abbildung 6.30 zeigt als Beispiel das kapillare Eindringen von Wasser in ein 4 mm hohes Haufwerk aus Partikeln eines Gemisches aus Kakao und Zucker. In dieser Grafik ist die Eindringzeit tp als Funktion der Porositat aufgetragen. Es wurde jeweils ein konstantes Flussigkeitsvolumen in Pulverschuttungen mit unterschiedlichen Porositaten eingesaugt und die dazu benotigte Penetrationszeit in Funktion von E gemessen. Gemalj der Theorie nimmt die Eindringzeit mit zunehmender Porositat ab. Ab einer bestimmten Porositat, der sogenannten kritischen Porositat G",, steigt die Eindringzeit steil an, was heifit, dass die Durchfeuchtung stark verlangsamt wird. Diesen Effekt kann man damit erklaren, dass ab einer bestimmten lockeren Packungsstruktur der kapillare Flussigkeitstransport nicht mehr stattfinden kann. Fur eine Erklarung der Verhaltnisse, insbesondere bei Packungen aus unregelmaljig geformten Partikeln, sei auf [ 5 8 ] venviesen. Bei lnstantagglomeraten ist also darauf zu achten, dass die kritische Porositat nicht erreicht wird.
141
.-_
I
0.2 Porositat
0:s E
:'
016
%I
Abb. 6.30. Experimentelle Bestimmung der kritischen Porositat eines Kakao-Zucker-Gemisches bei der Befeuchtung mit destilliertern Wasser ( Vn = const.; h = 4 rnm; T = 293 K) [57].
236
6 Feste Formen
Es wurde bereits festgestellt, dass die Eindringzeit in eine Pulverschuttung mit zunehmender Partikel- resp. Agglomeratgrorje abnimmt. Agglomerate besitzen also bessere Instanteigenschaften als die Ausgangspartikel. Schubert [57] hat gezeigt, dass man die Eindringzeiten stark verkurzen kann, wenn man Primaragglomerate der GroBe x2 zu Sekundaragglomeraten der GroBe x3 in einer zweiten Stufe agglomeriert. Nach Schubert sind die hinsichtlich einer schnellen Durchfeuchtung optimalen AgglomeratgroBen unabhangig von den Stoffeigenschaften; sie hangen nur von der PartikelgroBe, der Porositat und der Schutthohe des Haufwerkes ab. Rechnungen von Schubert [57] zeigten, dass die Erzeugung optimaler AgglomeratgroBen durch eine zweistufige Agglomeration eine dreimal schnellere Durchfeuchtung ergibt, verglichen mit der einstufigen Agglomeration. Wird das Material nicht agglomeriert, so erhalt man bei gleicher Porositat der Schuttung eine urn den Faktor 37 Iangere Befeuchtungszeit im Vergleich zur zweistufigen Agglomeration.
6.3.2 Instantisierprozesse Die lnstantisierprozesse der Technik lassen sich einteilen in solche, welche auf einer Agglomeration beruhen und solchen ohne Agglomeration. Unter den letzteren sind vor allem Methoden zu finden, welche eine Verbesserung der Benetzungseigenschaften bewirken. Dies kann durch geeignete Netzmittel erreicht werden, wie z.B. durch Lecithin im Fall von Lebensmitteln, oder durch Entfernung von schlecht benetzbaren Substanzen aus der Oberflache des Produktes, oder durch eine thermische Behandlung des Materials, wobei die Loslichkeit verbessert wird. Fur Produkte, die sich nur schwer instantisieren lassen, kann auch eine Kombination von Agglomeration und Zusatzen von Netzmitteln das 'Ziel einer Instantisierung erreichen.
6.3.2.1 Agglomerationsverfahren Die wichtigsten Instantisierprozesse stellen Feuchtagglomerationsverfahren dar, wobei trockene Pulver durch Zugabe von Flussigkeit, sei es durch kondensierende Dampfe, zerstaubte Flussigkeit oder eine Kombination beider Methoden befeuchtet werden. Bruckenbindungs- und Kapillarkrafte bewirken eine ausreichende Haftung der Teilchen. Die Befeuchtung kann im FlieBbett, Spriihgerat, Trommel- und Tellermischer usw. erfolgen. Nach der Feuchtagglomeration werden die Produkte getrocknet, wobei sich Feststoffbrucken zwischen den Teilchen ausbilden [59].
6.3.2.2 Instantisierung durch Trocknung Die wichtigsten Methoden der lnstantisierung durch Trocknung sind die Spruhtrocknung, kombiniert mit Wirbelbett, und die (teure) Gefriertrocknung. Diese sind bereits in Abschnitt 6.2.6 behandelt worden. Fur weiterfuhrende Literatur wird auf [ 6 0 4 2 ]venviesen.
6.3 Instantisierung, Instantpraparate
I
P
G
A
tG
flirbelschicht-Trockner
3' .: ...::
Mischer + Fluid Bed
237
F
Ah7
I
Mischer
I
Trocknung
*---F
5 i.
Schugi-Mischer A Agglomerat
Jet F Flussigkeit
I
Bandtrockner
G Gas, Lufl
P Pulver
Abb. 6.31. Instantisierung durch Agglomeration unter Benetzung und Trocknung (Aufbauagglomeration); nach Schubert [59].
r=i
Konzentrat
Feinanteil
Spruhtrockner
Zyklon
Gas Gas Agglomerat
Konzentrat Gefrieren 1
jgr?E?Q &@)
Brechen
1
t
Agglomerat
Abb. 6.32. Instantisierungdurch Agglomeration unter Trocknung; nach Schubert [59].
238
6 Feste Forrnen
Die Abbildungen 6.3 1 4 . 3 3 stellen schematisch die wichtigsten Instantisierprozesse dar: Instantisierung durch Agglomeration unter Benetzung und Trocknung; Instantisierung durch Agglomeration unter Trocknung; Instantisierung durch Nachagglomeration von spruhgetrockneten Pulvern.
Suspension
I
Abluft
t
Spruhturm
4
Abb. 6.33. Instantisierung durch Nachagglomeration von spruhgetrockneten Pulvem.
6.3.3 Messung der Instanteigenschaften In der Literatur existieren zahlreiche Methoden zur Messung der Instanteigenschaften von Pulvern, grorjtenteils fur die Anwendung im Bereich Lebensmittel. Die Unzulanglichkeiten dieser Methoden sind vielfach so erheblich, dass sie sich in der Praxis nicht durchgesetzt haben. Jedoch haben vor allem die von der IDF (International Dairy Federation) standardisierten Messverfahren zur Charakterisierung der Instanteigenschaften von Milchpulver teilweise Eingang in die Praxis gefunden. Da sich die gesamten Instanteigenschaften aus folgenden vier Teileigenschaften zusammensetzen, stellt die Aus-
6.3 Instantisierung, Instantpraparate
239
arbeitung eines allgemein anwendbaren Tests ein sehr schwieriges, wenn nicht fast unlbsbares Problem dar. Diese Teileigenschaften, welche die Kinetik des Gesamtvorganges beeinflussen, sind (beim Schutten eines Pulvers auf die Oberflache einer Flussigkeit) die folgenden: a) Eindringen von Flussigkeit in das Porensystem aufgrund von Kapillaritat, als Benetzbarkeit bezeichnet b) Absinken der Partikel in die Flussigkeit (Untersinkvermogen) c) Dispergieren des Pulvers in der Flussigkeit (Dispergierbarkeit) d) Losen der Partikel in der Flussigkeit im Fall von loslichen Stoffen (Losbarkeit). Zur Abklarung der Frage, welcher dieser vier Teilschritte der zeitbestimmende ist, mussen sie separat gemessen werden. Dazu wurden spezielle Messtechniken entwickelt, f i r die auf die Literatur venviesen werden muss, z.B auf den guten Uberblick von Schubert uber das Instantisieren pulverformiger Lebensmittel [63]. Die Messmethoden zur Untersuchung der Teilvorgange, die beim Aufschutten eines Instantproduktes auf eine Flussigkeit ablaufen, sind vor allem f i r Forschung und Entwicklung von Interesse. In der Praxis benotigt man dagegen eine Methode, welche die einzelnen Instanteigenschaften in einem Messwert zusammenfassen. Eine derartige integrale Messmethode hangt jedoch davon ab, welchem Venvendungszweck das Instantprodukt nach der Dispergierung dient, ferner von den speziellen Anforderungen, die es erfillen muss. Bei instantisierten Pigmentfarbstoffen ist der Farbeffekt und damit die Partikelgrorje der suspendierten Feststoffe die wichtigste Anforderung an ein Instantprodukt. Diese Forderung wird an Instant-Lebensmittel nicht gestellt, sondern es werden andere Eigenschaften verlangt. Diese zwei Falle demonstrieren die Problematik der Entwicklung eines vom Produkt unabhangigen Testes. Fur pulverformige Lebensmittel wurde ein Dispergiergrad definiert (Schubert [63], S. 905), der nicht nur die Dispergierbarkeit, sondern alle envahnten Teileigenschaften berucksichtigt. Er stellt somit ein Ma13 f i r die gesamten Instanteigenschaften dar. Das Verhaltnis der Konzentrationen von dispergiertem und nicht dispergiertem Anteil wird mit der Messanordnung fotometrisch bestimmt, nachdem beide Fraktionen zuvor gleichartig mit Ultraschall dispergiert wurden. Der ganze Messvorgang lauft, von Mikroprozessoren gesteuert, vollautomatisch ab. Einzelheiten sind publiziert [56]. Ein solches Gerat wurde serienmaig gebaut von der Firma Vogtlin Messgerate GmbH (D), nach Angabe in [59]. Es soll sich inzwischen im praktischen Einsatz bewfihrt haben [63]. Wahrend der gro13te Teil der Methoden zur Messung des Instantverhaltens von Produkten der Lebensmittelindustrie entwickelt wurden, sind auch in anderen Industriezweigen Arbeiten zur Untersuchung des Instantverhaltens von loslichen und unloslichen Stoffen, z.B. Farbstoffen, Pigmenten, vorgenommen worden. Dartiber wurde jedoch nur wenig publiziert. Hier soll auf ein Verfahren zur Messung der Auflbsegeschwindigkeit von InstantFarbstoffpraparaten hingewiesen werden. Dabei wird Losemittel in das LosegefaB vorgelegt und dazu eine abgewogene Menge des Instantproduktes unter Riihren zugegeben. Gleichzeitig wird eine auf eine bestimmte Durchflussmenge eingestellte Mikropumpe gestartet, welche die Lbsung durch eine Glasfritte in einen Fraktionssammler befordert,
240
6 Feste Formen
worauf die einzelnen Proben im Photosedimentometer auf ihre Farbstoffkonzentration gemessen werden. Diese zeitaufwendige diskontinuierliche Methode lasst sich zu einer kontinuierlichen Technik verbessern, indem die durch die Glasfiitte angesaugte Losung bzw. Suspension in einer Mischstrecke rnit konstantem Wasserzufluss so verdiinnt wird, dass die Farbstarke kontinuierlich in einer Durchflusszelle mit einem Photometer gemessen werden kann (unveroffentlicht). Anstelle einer Glasfritte, welche sehr leicht verstopft, eignet sich ein engmaschiges Metallsieb mit Porenweite 140 pm (abhangig vom zu untersuchenden Produkt). Der Vorgang der Penetration eines Losemittels in ein Pulverbett kann rnit einer Enslin-Zelle gemessen werden (Abschnitt 1.7.4). Dabei lassen sich allerdings nur lockere Pulverschuttungen d.h. solche von hoher Porositat messen. Von Carino und Mollet [64] wurde die Methode derart abgeandert, dass sich auch kompakte Pulverschuttungen messen lassen. Dazu wird das Pulver in einem Zylinder aus Plexiglas, welcher auf die Glasfritte der Enslin-Apparatur gestellt wird (Abb. 6.34), auf die gewiinschte Porositat verdichtet. Die in Funktion der Zeit aufgesaugten Volumina der Fliissigkeit, die an der horizontalen Messpipette abgelesen werden, lassen sich auf Grund der bekannten Volumina des Pulverbettes und der Porositat in eine lineare Penetrationsgeschwindigkeit umrechnen. In einer von Crow1 und Wooldridge publizierten Methode zur Messung der Benetzung von pulverformigen Stoffen durch eine Fliissigkeit [65] wird die Hohe der im Pulverbett aufsteigenden Flussigkeitsfront in Funktion der Zeit gemessen. Es ist dies allerdings schwierig, da sich im Allgemeinen keine definierte Front ausbildet, welche die erfolgte Benetzung anzeigt und messen lasst. Im Gegensatz dazu wird rnit der Enslin-Zelle das Volumen der aufgenommenen Fliissigkeit gemessen, was mit genugender Genauigkeit moglich ist. Die Methode eignet sich nicht zur Messung der Instanteigenschaften von in Wasser loslichen Produkten. Dagegen lasst sie sich zur Messung der Instant-Eigenschaften von Formulierungen aus Stoffen, die in organischen Medien zur Anwendung kommen, anwenden.
Abb. 6.34. Messung der Aufstiegsgeschwindigkeit einer Flussigkeit in einem Pulverbett mit einer modifizierten Enslin-Zelle; nach [64].
6.4Mikroverkapselung
24 1
6.4 Mikroverkapselung Die Technik der Mikroverkapselung hat die Umhullung resp. den Einschluss von Gasen, Flussigkeiten oder Feststoffen mit natiirlichen oder synthetischen Feststoffen zum Ziel. Die mittleren Partikelgroljen dieser Kapseln liegen in einem Bereich von etwa 15000 pm. Mikrokapseln konnen glatte runde Kugeln, traubenfomige Aggregate oder auch unregelmiiRige Gebilde, mit glatter, rauher oder gefalteter OberflBche sein. Die Kapselhulle lagert sich im Allgemeinen an den Inhalt der Kapsel an, sodass bei unregelmaBig geformten Feststoffen eine unregelmaljig geformte Mikrokapsel resultiert. Die FZihigkeit, den Inhalt der Kapsel freizusetzen, wird durch die Art des Polymers und die Dicke der Kapselwand bestimmt. Je nach Anwendungsnveck muss die Kapselwand unterschiedliche Eigenschaften beziiglich Dichtigkeit oder Durchlgssigkeit aufweisen. Die wichtigsten solcher Eigenschaften sind: - Die Kapselwand soll sowohl fir den Kapselinhalt als auch fiir die W e r e Umgebung dicht sein. Um den Kapselinhalt freizusetzen, muss man die Kapsel offnen, sei es mechanisch von auBen durch Zerdriicken, von h e n durch Erhitzen, oder durch Auflosen, Schmelzen oder Verbrennen des Kernmaterials. - Die Kapselwand soll permeabel fir die Kemsubstanz sein. Die Freisetzung des Kernmaterials wird durch die Dicke und Porengrolje der Wand gesteuert. Der Inhalt tritt je nach Vorgabe mehr oder weniger langsam aus. Diese Eigenschaft ist von wichtiger Bedeutung bei ,,Slow Release"-Formulierungen. - Die Kapselwand soll semipermeabel sein, z.B. undurchlBssig fiir das Kernmaterial, jedoch durchlassig fir niedermolekulare Flussigkeiten aus dem Kontinuum. Wenn diese mit dem Kernmaterial mischbar sind und in die Kapsel eindifindieren, wird dort ein osmotischer Druck aufgebaut, der die Kapsel von innnen sprengen kann, sofern sie dem osmotischen Druck nicht zu widerstehen vermag. Dadurch wird der Kapselinhalt freigegeben. - Die PermeabilitBt der Kapselwand kann auch vom Kontinuum abhangig sein. In einer dichten Mikrokapsel, die von einer Flussigkeit umgeben ist, in welcher das Hullenmaterial quillt, weitet sich das polymere Netzwerk auf, und die Kapselwand kann f i r den Kapselinhalt permeabel werden. So lassen sich eingekapselte Stoffe wie z.B. pharmazeutische oder agrochemische Wirkstoffe aus der Kapsel herauslosen. Hierzu gehoren auch pH-sensitive Materialien (z.B. Quellung bei hohem pH im Darm). Eine Mikroverkapselung kann aus verschiedenen Griinden enviinscht sein, welche unter die folgenden finf Kategorien fallen: - Zum Schutz von reaktiven Materialien gegenuber ihrer Umgebung bis zum Zeitpunkt ihrer Anwendung - Zur Ermoglichung eines sicheren und zweckdienlichen Handlings von toxischen oder verderblichen Stoffen - Zur Erzielung einer kontrollierten, stetigen Freisetzung von Material - Um zu ermbglichen, dass sich Flussigkeiten wie Feststoffe handhaben lassen - Zur Verhinderung einer Materialentmischung. Einen Uberblick uber das Gebiet der Mikroverkapselung findet man in [66-711.
242
6 Feste Formen
6.4.1 Hullenmaterialien Die heutige Technik der Mikroverkapselung bietet eine grol3e Auswahl an Hullenmaterialien, mit welchen sich flussige und feste Stoffe einschlierjen lassen und die erlauben, den Mechanismus zur Freisetzung derselben nach Wunsch zu variieren. Fur die Permeationseigenschaften der Kapselwand ist das Wandmaterial ebenso entscheidend wie die Kapselabmessungen. Uber den Einfluss der Kapselabmessungen auf die Freigabe von Kernmaterial sei auf Abb. 6.37 venviesen. Als Kapselmaterial wurde zuerst Gelatine venvendet, welche auch heute noch haufig Anwendung findet. Dam kommen andere Proteine z.B. Agar-Agar, Gummi arabicum u.a. Weiter sind viele synthetische Polymere als Hullenmaterial geeignet wie Polyamide, Polysulfonamide, Polyester, Polycarbonate, Hamstoffverbindungen. Zu envahnen sind weiter Celluloseether wie Ethyl- und Methylcellulose. Weitere Polymere, die sich zur Enkapsulierung eignen, werden in Abschnitt 6.4.2.1 envahnt. Die ersten Patente zur Umhullung der Suspension eines Feststoffes stammen von B. K. Green von National Cash Register Co. [72]. Zur Auswahl eines Hullenmaterials fur eine gewunschte Kombination von Kapselinhalt und kontinuierlicher Phase sind die Loslichkeitsparameter 6 (Kapitel 8) nutzlich [67]. Um dichte Kapseln herzustellen, wird man ein Wandmaterial mit einem Loslichkeitsparameter auswahlen, der moglichst verschieden von dem des Kapselinhaltes ist. Losemittel sind in der Regel miteinander mischbar, wenn ihre Loslichkeitsparameter 6 sich um nicht mehr als 2-3 Einheiten unterscheiden. Die folgende Tabelle 6.3 bringt eine Zusammenstellung einiger Loslichkeitsparameter von Polymeren. Tabelle 6.3. Loslichkeitsparameter von Polymeren. Polymer Polytetrafluorethy len Polychlortrifluorethylen Polydimethylsiloxan Ethylen-propylengummi Polyethy len Polystyrol Polymethylmethacrylat Polyvinylchlorid Aminharze Epoxyharze Polyurethan Ethylcellulose Polyviny lchlorid-acetat Polyethylenterephthalat Celluloseacetat (sec.) Cellulosenitrat Phenol-formaldehydharz Polyvinylidenchlorid Nylon 6,6
6[MPa"'] 12.7 14.7 14.9-1 5.5 16.2 16.2-1 6.6 17.6-18.6 19.0 19.4-1 9.8 I9.C-20.7 19.8-22.3 20.5 21.1 21.3 21.9 21.3-23.5 19.8-23.5 23.5 25.0 27.8
6.4Mikroverkapselung
243
6.4.2 Mikroverkapselungsverfahren Zur Mikroverkapselung konnnen chemische, physikalische und mechanische Verfahren dienen. Ohne Vollstandigkeit seien hier die wichtigsten davon erwahnt.
6.4.2.1 Koazervation Der Begriff Koazervation (von lat. coacervare = anhlufen) wurde 1926 von H. G. Bungenberg de Jong und H. R. Kruyt [69] gepragt und wird f i r den Prozess der sichtbaren Phasentrennung in Polymerlosungen venvendet. Unter dem Einfluss verschiedener Faktoren wie pH, Temperatur, Zugabe einer dritten Substanz beobachtet man die Auftrennung einer einphasigen homogenen Polymerlbsung (makromolekulare Losung oder Assoziationskolloid-Losung) in zwei oder mehr Phasen. Die eine dieser Losungen ist dabei kolloidreich und wird als Koazervat bezeichnet; die andere ist kolloidarm (Gleichgewichtsflussigkeit). Dabei findet jedoch keine Ausfallung des reinen Polymers statt, sondern es entstehen kleine Teilchen einer polymerreichen Phase in der Umgebung einer polymerarmen Phase. Beide Phasen sind makro- und mikroskopisch homogen, und stehen im thermodynamischen Gleichgewicht. Wenn zusatzlich suspendierte Fetstoffpartikel vorhanden sind, deren Oberflache durch die polymerreichen Tropfchen benetzt werden konnen, so bedecken sich diese Teilchen mit einem Film von polymerreichem Material. Durch Entfernen des Losemittels und eventuell zusatzliches Hgrten des Films erhalt man mikroverkapselte Feststoffieilchen. In Abb. 6.35 wird der Ablauf der Mikroverkapselung schematisch dargestellt. Einige Materialien, die sich zur Mikroverkapselung durch Koazervation eignen, sind nachstehend angegeben. Allgemein: - Naturliche und synthetische Stoffe; insbesondere Polymere, die in Losung ionisierte
Gruppen enthalten. Positiv geladene Stoffe: Gelatine I pH 5.0 - andere Proteine z.B. Casein - Aminosauren - lmine - Polymere mit Aminogruppen - Polyvinylpyrrolidon. -
Negativ geladene Stoffe: - Wasserlosliche oder dispergierbare Polymere mit Carboxylgruppen, z.B. Gummi arabicum, Pectine, Starke - Carboxymethylcellulose -
-
Styrol-Maleinanhydrid-Copolymer Ethylen-Maleinanhydrid-Copolymer Ethylen-Alkylacrylat-Copolymer.
244
6 Feste Formen
Zu beachten ist, dass positiv geladene Stoffe einfach oder komplex koazerviert werden konnen, wohingegen negativ geladene Stoffe nur komplexe Koazervation ergeben.
Phase I: Dispergierte Kernmaterialteilchen in Gelatinelosung
Phase II: Beginn der Koazervation durch Ausscheidung des Mikrokoazervats
Phase 111: Abscheidung des Mikrokoazervatsan der Oberflache der Kernmaterialtropfchen
Phase IV: Koaleszenz der Mikrokoazervatstropfchen zur Wandmaterialphase oder Hulle
Abb. 6.35.
Mikroverkapselung durch Koazervation.
Vorschrft zur Durchfuhrung einer Mikroverkapselung (aus [73])
Es werden zwei Losungen mit folgender Zusammensetzung hergestellt: Losung A : 22 g Natriumsulfat in 90 ml destilliertem Wasser von 37 "C Losung B: 8 g Gelatine in 80 ml destilliertem Wasser von 37 "C. Das zu umhiillende Material wird in der warmen Gelatinelosung suspendiert oder dispergiert. Die Koazervation wird erreicht durch Zugabe der Natriumsulfatlosung unter Ruhren. Nachdem das System gut durchmischt ist, wird es in einem Eisbad von 10 "C unter Riihren auf 30 "C abgekiihlt. Die gebildeten Mikrokapseln werden nach ihrer Sedimentation abgetrennt und je nach ihrer Natur mit kaltem Wasser, Alkohol, konzentrierter Formaldehydlosung oder Kombination derselben gewaschen. Die beste Prozedur besteht darin, 1 ml Formaldehydlosung zu jedem ml Kapseln zuzufigen und 5 min zu riihren. Auf jeden ml Formaldehydlosung werden dann 2 ml Ethanol zugegeben, und weitere 5 min geriihrt. Die nach Zugabe des Alkohols gebildeten weiBen Flocken werden durch ein Filterpapier abgetrennt. Nach Trocknung des Filterkuchens erhalt man ein feines Pulver, welches mit kaltem Wasser gewaschen, filtriert und wieder getrocknet wird.
6.4Mikroverkapselung
245
Als konkreter Fall diene die Mikroverkapselung von Aspirin: 5 g Aspirin werden in einer LBsung von 2 g Gelatine und 100 ml dest. Wasser von 37 "C suspendiert. Dieses System wird durch Zugabe von 26 g Natriumsulfat, die in 57 ml dest. Wasser von 37 "C gelost sind, koazerviert. Die Aspirin enthaltenden Koazervattropfen werden wie beschrieben geliert und als Pulver gewonnen.
6.4.2.2 Komplexkoazervation Bei der Komplexkoazervation handelt es sich um eine gegenseitige Ausfallung zweier gegengesetzt geladener Polymere oder Sole in Losung. Beispiel: eine Gelatinelbsung wird mit einer Losung von Gummi arabicum vermischt, und der pH-Wert durch Verdunnung auf 4.5 eingestellt. Gelatine hat als amphoteres Polymer einen isoelebkchen Punkt bei pH 8. Durch das Ansauem der Losung auf pH 4.5 ladt sich das Polymer positiv auf. Es reagiert mit dem (stets) negativ geladenen Gummi arabicum zu einem Komplex, wobei die Neutralisation der zwei Polymeren im pH-Gebiet zwischen 3.8 und 4.6 die Koazervation bewirkt. Der Wirkstoff (Kernmaterial) muss vorgagig der Koazervation in der Losung der Gelatine emulgiert und bis zur gewiinschten TeilchengrGBe von z.B. 15 pm zerkleinert werden. Da die Gelatineltisung bei Raumtemperatur geliert, muss die Komplexkoazervation oberhalb der Gelierungstemperatur von 37 "C durchgefihrt werden. Die Koazervation tritt unter standigem Riihren ein. Durch Abkiihlung des Reaktionsgemisches auf 5-10 "C geliert das um die Kemphase abgeschiedene Komplexkoazervat aus Gelatine/Gummi arabicum. Durch Zugabe von Formaldehyd und Natronlauge bis zum pH-Wert von 9-10 erhillt man Mikrokapseln, die mehr oder weniger zu traubenartigen Gebilden agglomeriert sind [67]. Die Agglomeration der Mikrokapseln lilsst sich durch geeignete Mal3nahmen verhindem; z.B. nach [74]. Nach diesem Verfahren wurden z.B. Mikrokapseln fir Reaktionsschreibpapiere von Green [72] hergestellt. Abbildung 6.36 zeigt als Beispiele ,,Color Former", die durch Komplexkoazervation hergestellt wurden.
Abb. 6.36. Mikrokapseln von ,,Color Former".
246
6 Feste Formen
6.4.2.3 Spruhtrocknung Unter Spriihtrocknung versteht man die Verdiisung einer Emulsion oder Dispersion in einem heinen Gasstrom. Die Teilchen des Kemmaterials, z.B. in Form einer Pigmentdispersion oder Farbstofflosung, werden in einem Uberschuss der Losung eines filmbildenden Polymeren emulgiert. Diese Emulsion wird in einem Zerstaubungstrockner verdiist. Nach Verdunstung des Wassers werden freiflieaende Mikrokapseln von 1-10 pm erhalten [75]. Das Verfahren kann auch benutzt werden, um eine meite und dritte Wandschicht um die Kapseln anzubringen, wodurch die Permeabilitat der Kapselwand verandert wird.
6.4.2.4 Beschichtung im Wirbelbett Die feinteiligen Wirkstoffpartikel werden im Wirbelschichttrockner von einem vertikalen heiDen Luftstrom in Schwebe gehalten, und mit einer Losung des Wandmaterials bediist. Diese umhiillt die Feststoffteilchen und wird nach dem Verdunsten des Losemittels als feste Haut auf dem Kernmaterial abgeschieden. Das Verfahren kann zum Beschichten von festen Teilchen rnit Durchmessem von etwa 40 pm bis zum Umhiillen von Tabletten angewandt werden. Es werden vor allem pharmazeutische Praparate eingekapselt, neben Chemikalien und Lebensmitteln. Als Wandmaterialien werden Gelatine, Zucker, Harze, Wachse, synthetische Polymere und Cellulosederivate eingesetzt. Als spezielle Ausflihrungsform ist das als Wurster-Prozess (Abschnitt 6.2.8.4) in USA seit 1949 bekannte Verfahren zu envahnen [76].
6.4.2.5 Mikroenkapsulierung durch physikalische Methoden Dazu gehoren die elektrostutische Mikroverkupselung und die Mikroverkupselung in einer Zentrifuge, wobei letztere in einer Weiterentwicklung mit Extrusionsdiisen kombiniert wurde. Dariiber findet man nahere Angaben in [77].
6.4.2.6 Chemische Mikroverkapselungsverfahren Bei diesen Verfahren kann die Kapselwand aus monomeren oder oligomeren Ausgangsstoffen durch Grenzflachen-Polykondensation gebildet werden. Dabei wird die eine Monomerenkomponente in Wasser gelost, z.B. Ethylendiamin, und rnit der Losung der anderen Komponente, z.9. Isocyanate oder Polyisocyanate in Toluol iiberschichtet. Mit diesen Komponenten bildet sich an der Grenzflache der beiden miteinander nicht mischbaren Phasen ein in beiden Phasen unloslicher Polyharnstoff-Film [67]. Auf diese Weise kann man unter Riihren Kapseln mit Toluol als Kernmaterial gewinnnen. Ein entsprechendes praktisches Verfahren mit Terephthalsauredichlorid als Wandmaterial ist in der Literatur beschrieben [78].
6.4 Mikroverkapselung
247
Die Mikroverkapselung von agrochemischen Wirksubstanzen durch Grenzflachenpolymerisation ist in Kapitel 14 erwahnt. Das Monomer 1, gelost in organischer Phase, wird rnit dem in wassriger Losung vorliegenden Monomer 2 unter RIihren zur Reaktion gebracht. In der Losung des Monomers liegt auch der Agrowirkstoff fein verteilt vor. Die Grenzflachenpolymerisation erfolgt nach folgendem Reaktionsschema: H,N-R,-NH,
+ O=C=N-R,-N=C=O +...HN-R,-NH-C-NH-R,-NH-C-NH-R,-NH...
6
6
Auch wassrige Losungen lassen sich chemisch mikroverkapseln. Durch Verwendung von Triaminen wird infolge Vernetzung die Permeabilitat der Kapselwand verringert. Durch Eindlisen einer wassrigen Losung von Diethylentriamin in eine Losung von Terephthalsauredichlorid in Benzol lassen sich Kapseln erzeugen, welche die wassrige Losung als Kernflussigkeit enthalten [67]. Wasser- oder Glycerintropfchen lassen sich mit einem partiell verseiften Ethylenvinylacetat-Copolymer umhullen. Das Wandmaterial wird in Toluol gelost, erhitzt und unter Ruhren rnit einer Losung von Polydimethylsiloxan in Toluol 1 :1, sowie rnit dem einzukapsulierenden Glycerin versetzt. Die Glycerinphase als Kern der Mikrokapseln wird von der Losung des Wandpolymers umschlossen; die kontinuierliche Phase besteht aus Polydimethylsiloxan in Toluol. Die Mikrokapseln werden abgekiihlt, und ihr Wandmaterial mit Toluoldiisocyanat vernetzt, dann separiert [79]. Ein bei der Grenzflachenpolymerisation sehr haufig venvendendes System ist die Reaktion zwischen Sebacoylchlorid und 1,6-HexamethyIendiamin zu Nylon 6- 10. Dieses und weitere Systeme wie z.B. die Reaktion von 1,6-HexamethyIendiamin und Phthaloyldichlorid ist beschrieben bei [ S O ] .
6.4.3 Suspensionsmedium Beziiglich Suspensionsmedium kann man die zwei folgenden Verfahren unterscheiden: 1. Mikroverkapselung in wassrigem Medium - Das filmbildende Polymere besteht aus Proteinen, insbesondere aus verschiedenen Arten von Gelatine. - Die zu umhiillende Phase kann aus wasserunloslichen Flussigkeiten wie Parfiimdlen, Aromen, organischen Ldsemitteln, fettloslichen Vitaminen, Silikonen usw. bestehen. - Das Kernmaterial kann auch ein wasserunloslicher Feststoff sein wie die meisten wasserunloslichen organischen Verbindungen. Ungeeignet sind z.B. anorganische basische Salze, die sich bei pH-Anderungen auflosen konnen. - Auch Losungen und Dispersionen hydrophober Feststoffe in wasserunloslichen Flussigkeiten wie z.B. Pigmentdispersionen, Farbstofflosungen konnen umhullt werden. 2 . Mikroverkapselung in organischen Medien - Das filmbildende Polymere besteht aus modifizierten Cellulosen. - Die zu umhullende Phase ist praktisch auf wasserlosliche und wasserunlosliche Fest-
6 F a t e Formen
248
stoffe, soweit sie nicht im Losemittel loslich sind, beschrankt. Id dieser Gruppe befinden sich zahlreiche pharmakologische Wirkstoffe und andere organische Stoffe.
6.4.4 Mikrokapseln mit gesteuerter Freigabe des Inhalts Durch Mehrfachbeschichtung eines Wirkstoffkerns wird eine verringerte Auflosegeschwindigkeit resp. Freisetzungsgeschwindigkeit von Wirkstoffen erzielt. In der Galenik versucht man durch langsame Freigabe des Medikamentes aus der Mikrokapsel (Slow Release) eine Depotwirkung zu erzielen. Als Kapselwandmaterialien werden vor allem Gelatine, Gummi arabicum, Natriumalginat, Ethylcellulose, Carboxymethylcellulose eingesetzt. Abbildung 6.37 zeigt als Beispiel das Releaseverhalten von Penicillinsaure f i r verschiedene Massenverhaltnisse Wirkstoff : Kapselwandmaterial. Das wichtige Gebiet des Slow Release und Controlled Release kann hier nur envahnt werden. Fur eine eingehende Behandlung sei auf [81] venviesen. Massenverhaltnis Wirkstoff : Kapselwand 7 :1
loo> - 2?
3
:a v)
80-
-
C
E .- 600 ._
c
a,
a
a,
-
40-
7
0
1 2 3 Release-Dauer [h]
4
5
6
Abb. 6.37. Freisetzungsverhalten von Penicillinsaure in vitro f i r verschiedene Gewichtsverhaltnisse Wirkstoff : Kapselwandmaterial.
6.4.5 Einflussfaktoren auf die Eigenschaften von Mikrokapseln Die durch die Wand einer Mikrokapsel diffundierende Stoffmenge dmidt [molis] erfolgt nach dem Gesetz von Fick (0:Oberflache; dcidw: Konzentrationskoeffizient; D: Diffusionskoeffizient [cmz/s]):
6.4 Mikroverkapselung
dm dt
-=
-D.O.- dc dw
249
(6.20)
Nach dieser Gleichung ist die durch die Wand einer Mikrokapsel diffundierende Stoffmenge zur Oberflgche der Kapselwand und zum Konzentrationsgra- dmldt proportional - dienten dcldw, wobei dc die Konzentrationsdifferenz zwischen innerer und auRerer Phasengrenze der Wand und dw die Wanddicke der Hiille angibt. AuRerdem h a g t sie vom Difisionskoeffizienten D ab. Dieser erfasst die Materialeigenschaften des Hiillenmaterials, seine Wechselwirkungen mit der Umgebung und deren Temperaturabhangigkeit. Dldw ist der Permeabilitatskoeffizient oder die Permeabilitat [cds]. Einfluss der Korngroje und des Phasenverhaltnisses: Es ist von Interesse, wie die Dicke der Kapselwand von der TeilchengroRe des zu umhiillenden Materials und vom Gewichtsverhgltnis Wandmaterial : Kernmaterial abhangt. Dazu kann ein vereinfachtes Model1 eine qualitative Aussage liefern.
Abb. 6.38. Idealisierte geometrische Verhaltnisse bei der Urnhullung.
Unter Annahme exakt kugelfirmiger Teilchen ergibt sich auf Grund einfacher geometrischer Uberlegungen an einem Querschnitt einer umhiillten Partikel gemaR Abb. 6.38 ( K Volumen; K: Kern, umhiilltes Material; W: Kapselwand; r , : Radius Kern; r2: Radius Kapsel; Ar: Wanddicke): (6.21)
oder: r2-r, = A r = [ d F - l ] . r ,
(6.22)
250
6 Feste Formen
Die Wanddicke Ar ist also eine lineare Funktion der TeilchengroDe und nur in der dritten Wurzel vom Volumenverhaltnis V, : V, resp. vom Massenverhaltnis abhangig. Zur Verringerung der Diffusionsrate wird man konsequentenveise eher die KorngroBe erhohen als den Anteil an Hullenmaterial vergroDern.
Literatur zu Kapitel 6: D. Geldart, Powder Technology 7,285 (1 973). M. Glor, Chimia 5 , 2 10 ( 1 997). A. W. Jenike, Flow of Bulk Solids, Bulletin 108, Univ. Utah, Salt Lake City, 1961. A. W. Jenike, Bulletin 123, Univ. Utah, Salt Lake City, 1964. H. Wilms, J. Schwedes, in FlieDverhalten von Stoffen und Stoffgemischen (W. M. Kulicke, Ed.), Huthig und Wepf, Base1 Heidelberg New York, 1986. N. Pilpel, Endeavour 28, 73 (1969). A. M. H. Andreasen, Kolloid Z. 86, 70 (1939). C. E. Capes, Particle Size Enlargement Kap .8, Elsevier, Amsterdam Oxford New York, 1980. H. Rumpf, Chem.-lng. Tech. 30, 144 (1958). P. V. Dankwerts, Research (London) 6,365 (1953). P. M. C. Lacey, J. Appl. Chem. 4,257 (1954). K. Stange, Chem.-lng. Tech. 26, 361 (1954). K. Stange, Chem.-Ing. Tech. 35, 580 ( 1 963). H. B. Ries, Aufbereitungstechnik 1, 1 (1969). Perry's, Chem. Eng. Handbook, 50. Edition, McGraw Hill, New York, 1984. I . A. Peschl, Seminar Powder Technol., IPT, Vaduz, 1986. H . Rumpf, W. Henmann, Aufbereitungstechnik 3, 1 17 ( 1 970). H. Sucker, S. Speiser, Pharmazeutische Technologie, Thieme, Stuttgart, 1978. H. Rumpf, Chem.-Ing. Tech. 30, 144 (1958); 46, 1 (1974). H. Rumpf, in Agglomeration (W. A. Knepper, Ed.), Symp. Philadelphia, 1961. W. Pietsch, H. Rumpf, Proc. Internat. Colloq. C.N.R.S. 213 (1966). P. M. Newitt, J. Conway-Jones, Trans. Inst. Chem. Eng. 39,422 (1 958). W. Pietsch, H. Rumpf, Chem.-lng. Tech. 39, 885 (1967). H. Rumpf, Chem-Ing. Tech. 46, 1 (1974). H. Rumpf, Pharm. Ind. 34,270 (1972). H. Schubert, Powder Technol. 11, 107 (1975). B. M. Hunter, J. Pharm. Pharmacol. 25 Suppl., 1 1 ( 1 967). H. R. Komarex, Chem. Eng. 74, 154 (1967). H. B. Ries, Aufbereitungstechnik 3, 147 (1 970); 5,262 ( 1 970); 10, 6 15 ( 1 970); 12, 745 ( 1 970). C. E. Capes, Particle Size Enlargement Kap. 5, Elsevier, Amsterdam Oxford New York, 1980. DBP 937 495 vom 8.1.1956. C. E. Capes, Particle Size Enlargement Kap. 3, Elsevier, Amsterdam Oxford New York, 1980.
6.4 Mikroverkapselung
25 1
C. M. Ginneken, Agglomeration, 3. Int. Symposium, Numberg, 1981. 0.Pfrengle, Seifen - Ole - Fette - Wachse 99,358 (1973). H. Zilske, Seifen - Ole - Fette - Wachse 68,972 (1966). H. Rahm, Ausgewahlte Grundlagen der pharmazeutischen Technologie, GSIAFortbildungskurs 1979/1980, S. 3 1. S. Bamett, 4'hInt. Symp. on Agglomeration, (C. E. Capes, Ed.), Toronto, 1985. 0. Krischner, Die Wiss. Grundlagen der Trocknungstechnik, Springer, Berlin, 1962. R. Rey, Advances in Freeze-Drying, Edition Herrmann, Paris, 1966. P. B&, Uber die physikalischen Grundlagen der Zerstaubungstrocknung, Diss. TH Karlsruhe, 1935. Y. Mori, A. Suganuma, Kagaku Kogaku (Japan) 4,228 (1966). K. Masters, American Ink Maker, Dec. 1979,27. E. J. Crosby, W. Marshall, Chem. Eng. Progress 54, 56 (1958). D. H. Charlesworthy, W. M. Marshall, J. Am. Inst. Chem. Eng. 6, 9 (1960). R. Herbener, Chem.-Ing. Tech. 59, 112 (1987). J. Kaspar, M. Rosch, Chem.-Ing. Tech. 45, 736 (1973). K. Masters, in Spray Drying, (G. Goodwin Ltd., Ed.), London, 1979. A. Maroglou, A. W. Nienow, 4th Int. Symp. on Agglomeration, (C. E. Capes, Ed.), p. 465, Toronto, 1985. K. H. Bauer, 31d Int. Symp. on Agglomeration, p. F9 1 , (NMA, Ed.), Numberg, 1981. D. M. Jones, 4' Int. Symp. on Agglomeration (C. Capes, Ed.), p. 435, Toronto, 1985. D. E. Wurster, US-Pat. 3 089 824 (1963). S. Mortensen, A. Kristiansen, 3rdInt. Symp. on Agglomeration, p. F77, (NMA, Ed.), Numberg, 198I . M. W. Scott, H. A. Liebermann, A. S. Rankell, J. V. Battista, J. Pharm. Sci. 53, 314,321 (1964). H. Schubert: Kapillaritat in porosen Feststoffsystemen. Springer Verlag, Berlin, 1982. L. Pfalzer, W. Bartusch, R. Heiss, Chem.-Ing. Techn. 45, 5 10 (1973). H. Schubert, Verfahrenstechnik 12,296 (1978). H. Schubert, Chem.-Ing. Techn. 47,86 (1975). J. van Brakel, Capillary liquid transport in porous media, Diss. Delft, 1975. H. Schubert, 4'h Int. Symp. on Agglomeration, (C. E. Capes, Ed.), p. 519, Toronto, 1985. S. Mortensen, A. Kristiansen, 3. Symposium Agglomeration Numberg, 1981, F77. K. Masters, A. Stoltze, Food Eng. Feb. 1973, S.64. J. D. Jensen, Food Technol., June 1975, S. 60. H. Schubert, Chem.-Ing. Tech. 62,892 (1990). L. Carino, H. Mollet, Ber. VI. Int. Kongr. grenzflachenakt. Stoffe, Zurich, 1972, S. 563. V. T. Crowl, W. D. Wooldridge, Research Memorandum No. 283, Paint Research Station Teddington, Vol. 12, No. 16. J. R. Nixon (Ed.), Microencapsulation, Marcel Dekker, Inc., New York Basel, 1976.
252
6 Feste Formen W. Sliwka, ,,Mikroenkapsulierung", Angew. Chemie 87,556 (1975). M. Gutcho, Capsule Technol. and Microencaps., Noyes Data Corp., Park Ridge N.Y., 1972. H. G. Bungenberg de Jong, H. R. Kruyt, ,,Koazervation", Kolloid-Zeitschr. 50, 39 (1930). A. Kondo, in Microcapsule Processing and Technology, Kap. 8, S. 70, (J.Wade van Valkenbourg, Ed.), Marcel Dekker N.Y., 1979. A. Kondo, in Microcapsule Processing and Technology, Kap. 9, S. 95, (J.Wade van Valkenbourg, Ed.), Marcel Dekker N.Y., 1979. National Cash Register Co., US-Pat. 2 800 457 und 2 800 458 (1953). R. E. Phares, G. J. Sperandio, J. Pharm. Sci. 53,516 (1964). National Cash Register Co., Be1g.-Pat. 695 91 1 (1966). N. Macauley, U.S.-Pat. 3 016 308 (1957), 2 799 241 (1953). D. E. Wurster, Wisconsin Alumni Research Foundation, US-Pat. 2 648 609 (1949). J. T. Goodwin, G. R. Sommerville, ,,Microencapsulation by physical methods", Chemtech, October 1974, 623. P. Vandegaer, US-Pat. 3 577 5 15 (1963). R. G. Bayless et al., National Cash Register Co., US-Pat. 3 674 704 (1971). R. Nixon, Endeavour, New Series, Vol. 9, No 3, 123 (1985). J. R. Robinson, Ed., Sustained and Controlled Release Drug Delivery, Marcel Dekker New York, 1979.
7 Rheologie
7.1 Grundlagen Die Rheologie umfasst das Deformations- und FlieRverhalten von Materialien unter dem Einfluss externer Krafte. Insbesondere das FlieRverhalten von fliel3fihigen Formulierungen, wie Fliissigkeiten oder Pasten, ist eine wichtige applikatorische Eigenschaft, zu deren Charakterisierung Viskositltsmessungen durchgefiihrt werden. Die dynamische Viskositat T,I (Z&igkeit) kennzeichnet die Eigenschaft eines Fluids, der ,,gegenseitigen nicht beschleunigten laminaren Verschiebung zweier benachbarter Schichten" einen Widerstand (innere Reibung) entgegenzusetzen.
7.1.1 Gase Von den Theorien zur Viskositat von Fluiden stimmen die Gleichungen aus der kinetischen Gastheorie gut f i r einfache Gase. Filr Fliissigkeiten oder komplexere Fluide existieren jedoch keine adaquaten Theorien. Fur verdiinnte Gase lautet die Gleichung der Viskositat: T,I = 0.499 mV
/(firc~~)
(q: Viskositiit; m: Molekulmasse; 5; : mittlere molekulare Geschwindigkeit; messer)
(7.1) CT Molekuldurch-
Dass die Viskositat von Gasen g e m a Gleichung (7.1) praktisch unabhangig von der Dichte ist, wird illustriert durch Messungen an CO, bei 40 "C: 1.57.10-5 Pa's (1 am); 1.69.10-5 Pa.s (23.8 atm); 4.83.10-5 P a s (100 atm). Erst bei hohen Driicken treten Abweichungen auf.
7.1.2 Viskositat In der alteren Literatur werden sowohl fiir die Viskositat als auch die Schubspannung cgs-Einheiten statt der heute gebrauchlichen SI-Einheiten venvendet. Fiir die Viskositat ist die Einheit im cgs-System Poise (P; = 1 dyn+crn-*), die SI-Einheit Puscah (Pa.s; = 1 N+m-*); f i r die Umrechnung gilt: Viskositat 7:
1 P = 0.1 Pa.s
Schubspannung r
1 dyn.cm-2= 0.1 Pa
254
7 Rheologie
Zur lllustrierung der Viskositat betrachtet man eine Flussigkeit zwischen zwei ebenen parallelen Platten. Die untere Platte moge festgehalten werden, die obere werde mit konstanter Geschwindigkeit nach rechts verschoben. Die unmittelbar an den Platten haftenden Flussigkeitsschichten haben die gleichen Geschwindigkeiten wie die Platten. Die dazwischenliegenden Schichten erfahren durch die Reibung Schubkrafte und nehmen dadurch eine Geschwindigkeit proportional zur Hohey an (Abb. 7.1). Y V(y) = v .-
Geschwindigkeitsgefalle=
v
dV dY
= - = Schergefalle D (resp. y)
Abb. 7.1. Geschwindigkeit in der Flussigkeitsschicht zwischen zwei Platten.
Die von Schicht zu Schicht ubertragenen Schubspannungen zr (Kraft pro Flacheneinheit auf eine Flache; Richtung in der Ebene) gehorchen dem laminaren Reibgesetz von Newton; sie sind proportional zum Geschwindigkeitsgefalle, resp. Schergefulle D (auch als bezeichnet; Einheit: [s-']; Abb. 7.1). Der Proportionalitatsfaktor ist die Viskositat 7:
7.1.3 FlieSverhalten Fluide, f i r die der Zusammenhang in Gleichung (7.4) zeit- und scher-unabhangig gilt, heiBen Newtonsche Fluide, bzw. Newtonsche Fliissigkeiten. Fluide, bei denen insbesondere die Viskositat zeit- und scherabhangig ist, wie bei diversen Polymerschmelzen, -Losungen, -Latices, -Pasten, zeigen nicht-Newtonsches FlieBverhalten bei Scherung. Man spricht von einer scheinbaren Viskositat. Nicht-Newtonsche Flussigkeiten werden eingeteilt in dilatante, strukturviskose, thixotrope und rheopexe Flussigkeiten. Abbildung 7.2 zeigt verschiedene Typen von FlieBkurven. Bei strukturviskosen Flussigkeiten nimmt die scheinbare Viskositat r / D mit steigender Schubspannung ab, bei dilatanten hingegen zu. Bei D+O weisen sowohl strukturviskose als auch dilatante Flussigkeiten Newtonsches Verhalten auf. Strukturviskositat tritt auf, wenn asymmetrische starre Teilchen sich in einer Stromung ausrichten, des Weiteren, wenn flexible Polymerknauel im Geschwindigkeitsgefalle deformiert werden. Dilatanz kommt gelegentlich bei Dispersionen, selten bei Polymerschmelzen und -losungen
7.1 Grundlagen
255
vor. Dilatanz wird vor allem bei gewissen Pasten beobachtet, wenn die kritische Pigmentvolumenkonzentration fast erreicht oder uberschritten ist. Hier nimmt die Viskositiit mit steigender Scherung zu. Es tritt Verfestigung ein.
Abb. 7.2. Typische FlieRkurven von 1 : Newtonschen, 2: dilatanten, 3 : pseudoplastischen (strukturviskos),4: idealplastischen, 5: nichtideal-plastischen Fliissigkeiten; r, = FlieRgrenze.
Plastische Korper weisen eine FIieBgrenze auf. FlieBen tritt erst oberhalb dieses Wertes ein. Idealplastische Fliissigkeiten, auch Bingham-Korper genannt, verhalten sich oberhalb der FlieRgrenze wie Newtonsche Fliissigkeiten; nichtideal-plastische Systeme zeigen hingegen oberhalb der FlieBgrenze strukturviskoses Verhalten. Die FlieDgrenze wird als Auflosen von Assoziaten gedeutet (strukturviskose Flussigkeiten ohne FlieBgrenze heiRen pseudoplastische Flussigkeiten). Fur Newtonsche, strukturviskose und dilatante Flussigkeiten ist die Viskositat bzw. die scheinbare Viskositiit gegeben durch: 5
v = -D
(7.5)
Fur plastische Korper (Viskositatsbezeichnung 7')muss entsprechend die FlieBgrenze beriicksichtigt werden: T - r,, 77' = -
(7.6)
D
Beispiel: Schubspannungsmessungbei unterschiedlichen Schergefallen mit idealplastischer Flussigkeit. r= 174 Pa bei D = 10 s-' und r= 867 Pa bei D = 100 s-'. Durch Gleichsetzen der beiden Gleichungen f i r die Viskositat kann toerrnittelt werden: 174 - ro
7'=-
867 - r,, -
10
Fur die Viskositat folgt:
100
+
ro =
77'
174.100 - 867.10 100-10
174 - 97
=--
10
= 97 Pa
- 7.7 Pa. s
256
7 Rheologie
Die folgende Tabelle 7.1 zeigt je ein Beispiel fiir strukturviskoses (Emulsion) und dilatantes (PVC-Plastisol) Verhalten: Tabelle 7.1. Messwerte eines strukturviskosen und eines dilatanten Systems (aus [I]). Schubspannung
7
[Pal 28 50 62.5 71 143 213
Emulsion
PVC-Plastisol
Schergefalle D [s-'I 7 29 72 36 58 77
Viskositat 7 = z / D [Pa.s] 4.0 1.7 0.9 2.0 2.5 2.8
Durch Anderung der Schubspannung stellt sich bei Newtonschen, strukturviskosen und dilatanten Flussigkeiten, sowie bei Bingham-Korpern praktisch momentan das entsprechende Geschwindigkeitsgefalle ein. Bei verschiedenen Flussigkeiten ist jedoch dazu eine merkliche Einstellzeit erforderlich. Nimmt die scheinbare Viskositat bei konstantem Schergefalle oder konstanter Schubspannung mit zunehmender Zeit ab, so handelt es sich um thixotrope Flussigkeiten, anderenfalls, wenn die scheinbare Viskositat zunimmt, spricht man von rheopexen Fliissigkeiten. Thixotrope Systeme zeigen im Ruhezustand Gelstruktur, die unter der Einwirkung von Scherkraften abgebaut werden, wobei eine schergefalleabhangige Endstruktur gebildet wird. Im Ruhezustand baut sich die Gelstruktur wieder auf. Abbildung 7.3 zeigt ein typisches FlieBdiagramm einer strukturviskosen, thixotropen Flussigkeit. 60
- 40 'v,
Y
n
a
-
a g200 v)
0 0
I
I
I
I
I
20 40 Schubspannung T [Pa]
I
I
60
Abb. 7.3. Typisches FlieBdiagramm einer thixotropen Fliissigkeit.
0
7.1 Grundlagen
257
In welcher Zeit sich die Ruhestruktur wieder zuriickbildet, ist in Abb. 7.4 dargestellt. Geschert wurde wtihrend 5 min bei 232 s-’, und die Riickbildung erfolgt bei einer sehr kleinen Scherrate von 0.023 s-I. 100-
0.023s-’
-v, 80-, m
- 60
:m .,.-
40
Y v)
20 0
-360
232 s-’ -260 -160
6
160
260
360
Zeit [sec]
Abb. 7.4. Ruckbildung der Ruhestruktur nach Scherung einer thixotropen Flussigkeit (aus [ 2 ] ) .
Rheopexie, das Gegenteil der Thixotropie, also die Zunahme der Viskositat bei konstantem Schergefrtlle, kommt weniger htiufig vor. Bei hochkonzentrierten Emulsionen wurde sie gelegentlich festgestellt, z.B. bei W/O-Emulsionen mit groBerer Konzentration als es der dichtesten Kugelpackung entspricht [3]. Rheopektisches Verhalten wurde auch bei Latex-Emulsionen mit weniger als 30 % Gehalt an disperser Phase gemessen [4]; vergl. Abb. 7.5. D = 291 s-‘
D = 1164 s-’ D = 582 s-’
If 0
I
I
I
I
500
1000
1500
2000
Zeit [s] Abb. 7.5. Viskositat von Polystyrol-Latex als Funktion der Scherdauer f i r verschiedene Scherge-
aus [4]. falle (Polymerkonzentration 28 YO);
7 Rheologie
258
Qualitativ beschreibt man die Konsistenz von Substanzen mit Ausdriicken wie diinnflussig, cremig, zahfliissig, ohne zu wissen, welcher Viskositat dies entspricht. Orientierungshalber ist deshalb in Abb. 7.6 der Zusammenhang mit Viskositat und FlieBgrenze dargestellt.
10 000
zah gummig (Asphalt)
1000-
klebrig (Harzschrnelzen)
salbig pastos
zahflussig
100-
B ;10m
?? LL
butterig
(Druckfarben)
(Mayonnaise)
hochviskos
cremig (Anstrichfarben)
0)
c2 al .-
(Salben)
flussig
1-
(Drucktinten) (Firnis)
0.1-
0.01
dunnflussig, wassrig I
I
I
I
I
00
Abb. 7.6. Einordnung der Konsistenz von Materialien in einem Viskositat/FlieRgrenzenDiagramm (nach Patton [ 11).
7.1.4 Temperaturabhangigkeit der Viskositat Wie andere strukturabhangige Eigenschaften von Materialien hangt auch die Viskositat von der Temperatur ab. Ublichenveise sinkt die Viskositat bei Erhohung der Temperatur; sie kann durch eine Arrheniusgleichung dargestellt werden, die im (log TI /T)-Diagramm eine Gerade ergibt; Gleichung (7.7): q = A . eni 1 ( A , R: Konstanten; T: absolute Temperatur).
(7.7)
7. I Grundlagen
259
So konnen beispielsweise f i r die in Tabelle 7.2 angegebenen Daten von Leinsaatol die folgenden Konstanten ermittelt werden (Least-squares-fit uber l o g p I / T ) : A = 5.58.10-6Pas; B = 2610 K.
Tabelle 7.2. Temperaturabhagigkeit der Viskositat von Leinsaatol.
Temperatur ["C] 10 30 50 90 150
Viskositat [Pas] experimentell berechnet mit Gleichung (7.7) 0.060 0.059 0.033 0.032 0.018 0.0 19 0.0071 0.0077 0.0029 0.0028
7.1.5 Viskoelastizitat Idealelastische Materialien werden unter dem Einfluss einer Spannung deformiert, gehen aber in die urspriingliche Form zuriick nach Aufhoren des Krlfteinflusses, unter Abgabe der aufgenommenen Energie. Bei idealviskosen Materialien geht die Energie bei der Deformation vollstandig verloren. Viele Materialien sind viskoelastisch, zeigen also neben viskosem auch elastisches Verhalten, was bei technischen Prozessen zu Relaxations- und Retardationsvorgangen fiihren kann und je nach Applikation positiv oder negativ sein kann. Anstrichfarben, Cremes usw. sind Beispiele von viskosen Flussigkeiten rnit elastischem Charakter. Andererseits sind Schokolade und Gele Beispiele von elastischen Materialien mit viskosen Eigenschafen. Gemessen wird das viskoelastische Verhalten durch dynamische, oszillatorische Beanspruchung. GroBen, die dabei eine Rolle spielen [2], sind der komplexe Schermodul GI, der Speichermodul G', der Verlustmodul G" und die Komponenten q' und q" der komplexen Viskositiit q*. Die Zusammenhgnge sind gegeben durch:
mit der folgenden Verknuphng (w:Winkelgeschwindigkeit):
(7.10) Viskoelastizitat findet man beispielsweise bei Emulsionen, wie bei Lotionen und Cremes im Kosmetiksektor. Dynamische Messungen liefern in diesem Falle wichtige Informationen Uber haptische Anwendungseigenschafen, beispielsweise die Elastizitatsanderung beim Einreiben eines solchen Produktes.
260
7 Rheologie
7.2 Viskositat von Dispersionen und Emulsionen 7.2.1 Newtonsche Systeme Die Viskositat von verdunnten Dispersionen kann durch die Einstein-Formel beschrieben werden; Gleichung (7.11). Sie gilt f i r Dispersionen kugelformiger Teilchen bis zu einer Volumenfraktion 4 von 0.01. Fur hohere Konzentrationen bis zu 4 = 0.55 wird die Viskositat gut durch die empirische Formel von Thomas [5] erfasst; Gleichung (7.12).
+ 2.5.4)
Einstein
q = qk . (I
Thomas
q = qk . (1 + 2.5 4 + 10.054* + 2.73. lo-’ exp( 16.64))
(7.11) (7.12)
( q : Viskositat der Dispersion; qk:Viskositat der kontinuierlichen Phase, z.B. der Bindemittellosung; $: Volumenfraktion der dispersen Phase (kugelformige Festkorperteilchen))
Emulsionen unterscheiden sich von Dispersionen dadurch, dass die Tropfchen unter Scherung deformierbar sind. Nicht nur die Viskositat der kontinuierlichen Phase, sondem auch die Viskositat der dispergierten Phase muss in Betracht gezogen werden. Frankel und Acrivos [6] erweiterten die Einstein-Formel zu Gleichung (7.13); (qa = Vd/l]k; V d = Viskositat der dispersen Phase; l]k = Viskositat der kontinuierlichen Phase):
(7.13)
Wie die Einsteinformel gilt auch Gleichung (7.13) nur f i r verdunnte Systeme. Eine Erweiterung f i r konzentrierte Systeme stammt von Choi und Schowalter [7]. Mit Vd = 00 (feste Kugeln) geht Gleichung (7.13) in die Einstein-Formel f i r Dispersionen uber. Mit Vd = 0 erhalt man eine Gleichung f i r Kugelschaume. Auch in diesem Fall ist die Viskositat groRer als f i r die kontinuierliche Phase allein.
7.2.2 Nicht-Newtonsche Systeme Das FlieBverhalten von realen, Bindemittel enthaltenden Dispersionen, wie Lacken oder Drucktinten, Iasst sich nicht eindeutig durch einen einzelnen FlieBkurventyp klassifizieren [8]. Bei Dispersionen zeigen die partikelfreien Bindemittelsysteme zwar meist Newtonsches oder strukturviskoses FlieRverhalten, abgesehen von speziellen Applikationsformen wie Gelfirnissen und Thixolacken. Abweichungen treten jedoch mit steigendem
7.2 Viskositat von Dispersionen und Emulsionen
261
Anteil der dispersen Phase auf. Solche strukturviskosen Systeme zeigen nicht nur ,,Shearthinning", sondern sind ofi auch thixotrop. Oft ist zusatzlich auch eine FlieBgrenze r, vorhanden. Durch die Scherkrafte orientieren sich die auf den dispergierten Feststoffpartikeln adsorbierten Polymer~nolekiile, sodass der wirksame Querschnitt und damit der FlieRwiderstand abnimmt. Thixotropie tritt bei Dispersionen mit zunehmendem Feststoffgehalt mehr oder weniger ausgepragt auf. Hochkonzentrierte Dispersionen weisen im Ruhezustand Partikel/Bindemittel-Gelstrukturenauf. Diese werden unter Einwirkung von Scherkraften zerstort, bauen sich aber bei geringeren Scherkrafien partiell, oder in anschlieaendem Ruhezustand vollst2ndig wieder auf. Thixotropie ist also eine zeitabhangige, reversible h d e rung der Konsistenz, die unter Einwirkung von Scherkraften und nach deren Beendigung auftritt. In Abb. 7.7 ist dies dargestellt an einem pigmentierten Alkydharzlack.
Abb. 7.7. Pseudoplastisches thixotropes Verhalten von pigmentiertem Alkydharzlack fiir verschiedene Pigmentkonzentrationen; aus [9].
Diverse applikatorische Eigenschafien hangen direkt vom rheologischen Verhalten des jeweiligen Systems ab. Aus Erfahrungswerten kann man deshalb Richtlinien fiir die erforderlichen rheologischen Eigenschaften aufstellen. In Abb. 7.8 ist das zur Formulierung von Dispersionsfarben empfohlene Viskositatsprofil dargestellt. Sedimentation, Verlauf, Ablaufen sind nur einige Aspekte, die bei solchen Applikationsformen von den rheologischen Eigenschaften abhhgen.
262
7 Rheologie
Formulierung fur gute Filmdicke und guten Verlauf ohne Ablaufen 0
d
Richtiger Viskositatsbereich bei hoher Scheruna
i z .- I
0.3 Pa.s 0.1 P a s I ib-3
1'0-2 1'0-1 i b o ibl Schergefalle D [sec-I]
1b2
1'03
1b4
I
Abb. 7.8. Empfohlenes Viskositatsprofil Rir Dispersionsfarben (nach [lo]).
Im Offsetdruckbereich ist die Kurze bzw. die hierzu reziproke Zugigkeit eine wichtige anwendungstechnische Eigenschafi. Sie hangt von der Fliengrenze und der auf sehr hohes Schergefalle extrapolierten Viskositat ab, gemZR:
r Kurze = 2
(7.14)
77r
Der Einfluss des sehr hohen Schergefalles, wie sie in schnelllaufenden Druckmaschinen beim lllustrationstiefdruck auftreten, vor allem im Spalt zwischen Rake1 und Tiefdruckzylinder, kann gut mit modernen Hochdruckkapillarviskosimetern bei Schergefallen von lo6 s-' und Versuchszeiten von s untersucht werden. (Praxisbedingungen: D = lo's-'; t = ca. I o - s). ~ Im Kosmetikbereich, mit einer breiten Palette von Losungen und Emulsionen, sind viele Formulierungen strukturviskos und thixotrop. Dies ist aus Abb. 7.9 ersichtlich, wo Viskositatsdiagramme von reprasentativen kosmetischen Produkten zusammengestellt sind.
7.3 Viskositat von Polymerschmelzen und -1osungen
Abb. 7.9. Viskositatsbereiche von
263
kosmetischen Produkten (Daten aus [2]).
7.3 Viskositat von Polymerschmelzen und -losungen Abbildung 7.10 zeigt den Viskositatsverlauf von strukturviskosen Flussigkeiten uber einen gr6Beren Scherbereich, so wie er bei vielen Polymerlosungen und PolymerschmelZen auftritt. Bei sehr kleiner Scherbeanspruchung verhalten sich solche Losungen wie Newtonsche Flussigkeiten (Zero-shear- Viskositut v0). Bei sehr hohen Schergeallen ist zusatzlich meist ein zweites Newtonsches Gebiet feststellbar (High-shear- Viskositut 77,). Zwischen qound qmliegt das Gebiet nicht-Newtonschen Verhaltens. Der Zusammenhang zwischen Schergefalle und Schubspannung lasst sich oft fir dieses letztere Gebiet durch die empirische Gleichung von Ostwald und de Waele wiedergeben; Gleichung (7.15). n ist der FlieBexponent. Er betragt fir Polymerschmelzen 2-3. Als Man f i r das nichtNewtonsche Verhalten wird der Wendepunkt in der FlieBkurve log&log r verwendet.
7 Rheologie
264
D
= (1 17)''
(7.15)
t
Abb. 7.10.
Viskositatsverlauf von strukturviskosen Flussigkeiten als Funktion des Schergefalles
Im ersten Newtonschen Bereich hangt die Viskositat bei Polymersystemen stark von Strukturparametern wie Molekulargewicht, Molekulargewichtsverteilung, Kettenverzweigung ab. Wie die Viskositat von Polymerschmelzen mit dem Molekulargewicht zusammenhangt, ist in Abb. 7.1 1 dargestellt. Fur alle diese Polymere besteht eine lineare unterhalb eines kritischen MolekularAbhangigkeit von mit dem Gewichtsmittel gewichtes M,. Oberhalb M, nimmt 7" mit der Potenz 3.4 zu; Gleichung (7.16). Der scharfe Ubergang ist dem Beginn von Knauelverhakungen zuzuschreiben, worn eine gewisse Lange der Polymermolekule notig ist.
a,
70 -- K . M 3w 4
(7.16)
Ahnliches Verhalten beobachtet man auch bei konzentrierten Polymerlosungen [ 1 11. Polyisobutylen Polybutadien Polymethylmethacrylat
Polyethylenglycol Polystyrol
I
I
I
I
I
0
1 log
2
3
4
UW+ const.
Abb. 7.11. Viskositat
von Polymerschmelzen als Funktion von
a,
7.4 Viskosimeter
265
Eine wichtige Kennzahl von Polymerlbsungen ist die intrinsische Viskositat [ q], auch Staudinger-Index genannt. Sie leitet sich ab von der Einstein-Formel Gleichung (7.1 l), wenn man zu anderen Teilchen als unsolvatisierten starren Kugeln, z.B. zu Polymerknaueln ubergeht. Definiert man die spezifische ViskositSLt qspeiner Polymerlbsung gem20 ( qo:ViskositSLt des Lbemittels):
Vsp
= -7
1
(7.17)
70 so ist die intrinsische Viskositat der auf die Konzentration 0 extrapolierte Wert des Quotienten aus spezifischer ViskositSLt und Polymerkonzentration. Sie wird graphisch aus Messungen flir eine Konzentrationsreihe ermittelt (c ist die Polymerkonzentration in [g/cm31): (7.18) Die intrinsische Viskositit hangt sowohl vom Molekulargewicht als auch vom hydrodynamischen Volumen ab [ 121. So liegen gewisse Proteine in Wasser als solvatisierte Kugeln vor, bei denen das Hydratwasser wihrend der Viskositatsmessung nur unmerklich gegen das umgebende Wasser ausgetauscht wird. Beispiele sind Ribonuclease ([ q] = 3.3), P-Lactoglobulin (3. l), Hamoglobin (3.6). Im Gegensatz dazu ist bei durchspiilten Kniueln die Relativgeschwindigkeit des Lbsemittels innerhalb und auRerhalb des Knauels gleich groD. Solche durchspulten Knauel sind bei Polymeren mit relativ starren Ketten und guten Losemitteln zu erwarten, im Gegensatz zu undurchspulten Knaueln, bei sehr flexiblen Molekulen in schlechten Losemitteln. Uber intrinsische Viskositat vergl. auch Kapitel 13 (Zusammenhang mit Zero-shear-Viskositat bei Polysaccharid-Losun-
€90.
7.4 Viskosimeter Zur Messung von rheologischen Eigenschaften stehen unterschiedliche Viskosimeter und Messtechniken zur Verfligung [ 131. Je nach Anwendungsgebiet wurden verschiedene Normen ausgearbeitet, welche das FlieBverhalten von flussigen Formulierungen im Zusammenhang mit Applikationsparametem aufzeigen. So besteht beispielsweise eine Norm flir das Messen von Anstrichstoffen mit Zylinder/Rotations- oder Platte/KegelViskosimeter bei SchergefNlen von 5000-20 000 s", unter Bedingungen, wie sie beim Streichen bestehen [ 141. Weitere Nonnen sind in [ 15-17] beschrieben. Uber rheologische Messungen an Hochpolymeren gibt [ 181 Auskunft. Nfihere Angaben iiber Kapillarviskosimeter sind in [ 191 und [20] zu finden.
266
7 Rheologie
Fur verlassliche Messungen muss unter laminaren Stromungsverhaltnissen gemessen werden. Bei guten Viskosimetern ist dieser Aspekt beriicksichtigt. Solche FlieBbedingungen werden durch hohe Viskositat und geringes Schergefille gefordert. Bei den meisten Messsystemen schlagt die Stromung bei hohen Schergefallen jedoch in turbulenten Fluss um, was bei den Messungen zu beachten ist. Ein MaB dafiir ist die Reynolds-Zahl, die beispielsweise bei Rohren von Durchmesser, Stromungsgeschwindigkeit und kinematischer Viskositat abhangt. Computerisierte Systeme haben den Vorteil, dass man Messungen nach verschiedenen Programmen durchfiihren kann, sodass rasch unterschiedliche Methoden angewandt werden konnen, beispielsweise f i r FlieBdiagramme, Low-shear-Messungen, Thixotropiezyklen, oder j e nach System auch dynamische oszillatorische Messungen. Datenspeicherung, Anwendung verschiedener Auswertemethoden, sofortige graphische Reprasentation sind weitere Vorteile.
7.4.1 Kapillarviskosimeter Kapillarviskosimeter basieren auf dem Fluss durch ein zylindrisches Rohr, entweder durch Anlegen eines Gasdrucks, oder unter hydrostatischem Druck der Flussigkeitssaule. Diese Art Viskosimeter eignet sich vonviegend f i r Newtonsche Flussigkeiten tiefer Viskositat. Vereinfacht ausgedriickt dient hierzu die folgende Formel (bei hydrostatischem Druck):
( K : Geratekonstdnte; p: Dichte der Flussigkeit; t: Messzeit)
Fur konzentrierte Polymerlosungen und Schmelzen konnen hingegen besser Viskosimeter venvendet werden, bei denen die Flussigkeit mit einem Kolben bei kontrollierter Geschwindigkeit durch die Kapillare gedriickt wird. Solche Viskosimeter arbeiten mit Schergefallen bis zu 20 000 s-' und eignen sich speziell zur Untersuchung nicht-Newtonschen Verhaltens. Bei Kapillarviskosimetern ist es fur genauere Messungen nicht nur das HagenPoiseuille-Gesetz, das berucksichtigt werden muss, enthalten im ersten Term von Gleichung (7.20), sondern auch das Beschleunigen und Abbremsen an den Kapillarenden (zweiter Term; vernachlassigbar bei langer Messzeit resp. hoher Viskositat). (7.20)
( r : Kapillarradius; P: mittlerer Druckabfall in Kapillare; V: Volumenfluss in der k i t t ; I: Kapillarlange; n, M : Koeffizienten. verbunden mit dem Fluss an den Kapillarenden; r]: Viskositat; p: Dichtel
7.4 Viskosimeter
267
Ublichenveise werden die Konstanten jedes Terms in Gleichung (7.20) zusammengefasst und die resultierenden beiden Werte experimentell mit Eichfliissigkeiten bestimmt, wie bei dem unter Gasdruck arbeitenden Bingham- Viskosimeter oder den kinematischen Viskosimetern. Diese letzteren sind unter hydrostatischem Druck der Messfliissigkeit arbeitende Viskosimeter; sie werden so bezeichnet, weil bei der Messung direkt die kinematische Viskositiit v (v/p) anfallt @: Dichte). Abbildung 7.12 zeigt verschiedene Ausfiihrungsformen von kinematischen Viskosimetern.
Abb. 7.12. Kinematische Viskosimeter nach: a) Ostwald; b) Cannon-Fenske; c) Cannon-Fenske,
rnodifiziert; d) Ubbelhode.
7.4.2 Rotationsviskosimeter In Rotationsviskosimetern (Abb. 7.13) wird die Fliissigkeit zwischen zwei FISichen nach dem Stator/Rotorprinzip geschert, sei es mittels koaxialen Zylindern (Zylindrisches Couette-Viskosimeter; Zylinder + Becher), KegeUPlatte oder Scheibe/Platte. Ublicherweise wird die Drehzahl kontrolliert und das Drehmoment gemessen. Es existieren aber auch Rheometer mit Krafikontrolle, die sich speziell zur Untersuchung von FlieBgrenzen eignen. Generell eignen sich Rotationsviskosimeter gut fiir Messungen an nicht-Newtonschen Fliissigkeiten. M
(M: Drehmoment) M I
4
b)
M I
I
c)
Abb. 7.13. Rotationsviskosimeter: a) Zylinder/Becher; b) Kegel/Platte; c) ScheibeiPlatte.
268
7 Rheologie
Beim ZylinderIBecher-System rotiert ublichenveise der Zylinder bei stationarem Becher. Der Fluss im ringformigen Spalt ist deshalb tangential. Bei zu kurzem Zylinder beim Becher/Zylinder-System konnen Fehler in der Berechnung des Schergefalles auftreten, speziell bei zu kleinem Abstand zwischen Zylinder- und Becherboden. Deshalb wird der Zylinderboden meist als Kegel konstruiert, sodass dort ahnliche Verhaltnisse wie beim Platte/Kegel-Viskosimeter herrschen. Weitere Artefakte treten bei zu groRen Drehzahlen auf. Es ist nicht nur die Turbulenz beim Uberschreiten der kritischen Reynolds-Zahl, sondern auch die Taylor-lnstabilitat bei wesentlich kleinerer Drehzahl. Es handelt sich um toroidale Stromungszellen, die vertikal zum tangentialen Fluss rotieren. Fur Newtonsche Flussigkeiten ist die Viskositat gegeben durch Gleichung (7.2 I); vergl. Abb. 7.13.
(7.2 I )
Beim KegeYPlatte- Viskosimeter befindet sich die Flussigkeit im Spalt zwischen der stationaren ebenen Platte und dem rotierenden Kegel, wobei die Kegelspitze zur Vermeidung von Direktkontakt meist abgeschnitten ist. Bei genugend flachem Kegel sind Schubspannung T und Schergefalle D konstant uber den Radius und nur abhangig von Kegelwinkel, Kegelradius, Drehzahl und Viskositat; Gleichung (7.22), (7.23); vergl. auch Abb. 7.13. Deshalb konnen FlieRdiagramme d D ) direkt, ohne Umrechnung erhalten werden. Ein weiterer Vorteil ist die Mbglichkeit zur Messung der Elastizitat bei viskoelastischen Fluiden. Ein Nachteil des Systems besteht im beschrankten Schergefallenbereich, der wesentlich kleiner ist als bei Kapillarviskosimetern, zylindrischen Couetteviskosimetern und Scheibe/Platte-Viskosimetern. Sekundare FlieRbewegungen und andere Irregularitaten am Rand, schon bei kleinen Umdrehungszahlen, sind dafiir verantwortlich. Fur dunnflussige Systeme ist 1000 s-' die obere Grenze, fiir Polymerschmelzen 100 s-'. (7.22)
(7.23)
Beim Scheibe/Platte- Viskosimeter, mit konstanter Spaltdicke, ist das Schergefalle nicht mehr homogen uber den Scheibenradius. Der Vorteil gegenuber dem KegeliPlatteViskosimeter besteht darin, dass die Spaltdicke uber einen weiten Bereich geandert werden kann, sodass im gleichen Zyklus uber einen groRen Schergefallenbereich, bis lo5 s-', gemessen werden kann. Auch mit diesem System konnen lnformationen uber die Elastizitat gewonnen werden, allerdings in weniger direkter Art als beim KegeliPlatte-System.
7.4 Viskosimeter
269
Ein einfaches Rotationsviskosimeter ist das Brookfield- Viskosimeter. Hier taucht der rotierende Korper in die Messflussigkeit, bei grol3em Abstand zu den Gefawanden. Obschon das Brookfield-Viskosimeter streng nur !3r Newtonsche Fliissigkeiten richtige Viskositatswerte ergibt, wurde von Williams [2I ] eine Methode zur Bestimmung mittlerer SchergeMle und Schubspannungen bei nicht-Newtonschen Fliissigkeiten ausgearbeitet. Fur Newtonsche Fliissigkeiten kann die Viskositat nach Gleichung (7.24) berechnet werden. 77=
0.09375 M R3 * R
(7.24)
7.4.3 Diverse Mess-Systeme Das Stokes'sche Gesetz beschreibt die Bewegung der fieifallenden Kugel im Kugelfallviskosimeter, wobei die Viskositat gemM Gleichung (7.25) berechnet wird. Fur zylindrische Rohre, wie 2.B. beim Hoppler-Viskosimeter, muss zusatzlich Air den Wandeinfluss eine Korrektur angebracht werden. (7.25)
(r: Kugelradius; pk, p: Dichte von Kugel und Fliissigkeit; v: Fallgeschwindigkeit; t: Fallzeit; g: Gravitationskonstante; K: Geratekonstante)
Beim Blusenviskosimeter, wie 2.B. dem Gardner-Holdt-Viskosimeter, befmdet sich die Fliissigkeit in einem standardisierten und kalibrierten verschlossenen Rohr. Beim Umdrehen des Rohres steigt eine Luftblase auf, deren Lange gr6Rer als der Rohrdurchmesser ist. Die Aufsteigrate ist dann unabhhgig von der BlasengroRe. Solche Testrohre sind beispielsweise in der Lackindustrie im Gebrauch. Weitere technische Methoden basieren auf dem Auslaufiiskosimeter, bei dem die Auslaufzeit durch ein Loch gemessen wird, oder dem Riihwiskosimeter, so wie es fiir Kontrolltests in der Lackindustrie venvendet wird. Eine spezielle Klasse von Viskosimetern beruht auf erzwungener oszillutorischer Scherung mittels vibrierendem Probek6rper. Mit solchen dynamischen Techniken lassen sich simultan sowohl das dynamische viskose als auch das elastische Verhalten von flussigen Systemen wie Polymerlosungen oder Dispersionen untersuchen [ 131. Von speziellem Interesse sind sie bei O/W-Emulsionen, denen zur Verdickung Hydrokolloide zugesetzt wurden. Solche Systeme sind viskoelastisch. In diesen Rahmen geh6rt auch das Messen des Kriech- und Relaxationsverhaltens von hochvikosen pastbsen und zahfliissigen Materialien, das mit relativ einfachen Methoden durchgefiihrt werden kann; die Proben werden in einer Sandwichgeometrie zwischen zwei Platten geschert.
270
7 Rheologie
Literatur zu Kapitel 7: T. C. Patton, Paint flow and pigment dispersion, Wiley-lnterscience Publishers, 2"d ed., New York, 1979. D. Laba, in Rheological Properties of Cosmetics and Toiletries, (D. Laba, Ed.), p. 403, Marcel Dekker, Inc., New York Basel Hong Kong, 1993. K. J. Lissant, Colloid and Interface Science, Vol. IV (M. Kerker, Ed.), p. 473, Academic Press, New York, 1976. A. J. De Vries, in Rheology of Emulsions (P. Sherman, Ed.), p. 43, Pergamon, Elmsford, New York ,1963. D. G. Thomas, J. Colloid Sci. 20,267 (1965). N. A. Frankel, A. Acrivos, J. Fluid Mech. 56,401 (1970). S. J. Choi, W. R. Schowalter, Phys. Fluids 18,420 (1975). W. M. Kulicke, FlieBverhalten von Stoffen und Stoffgemischen, Huthig und Wepf Verlag, Basel - Heidelberg - New York, 1986. W. Herbst, K. Hunger, Industrial Organic Pigments, VHC Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim, 1983. J. Schroder, Farbe & Lack 104 (3), 26, (1998). G. C. Berry, T. G. Fox, Adv. Polym. Sci. 5,261 (1968). H.-G. Elias, Makromolekiile, 3. Auflage, Huthig & Wepf Verlag, Basel Heidelberg, 1975. J. Greener, Viscosity and its measurement, in Physical Methods of Chemistry, 2"d ed., Vol. 6: Determination of Thermodynamic Properties (B. W. Rossiter, R. C. Baetzold, Eds.), John Wiley & Sons, Inc., New York, 1992. DIN 53 229: Bestimmung der Viskositat bei hoher Schergeschwindigkeit. DIN 53 01811 : Messung der dynamischen Viskositat Newtonscher Flussigkeiten mit Rotationsviskosimetern: Grundlagen. DIN 53 01 8/2: Fehlerquellen und Korrekturen bei Zylinder-Rotationsviskosimetem. DIN 53 222: Bestimmung der Viskositat mit dem Fallstabviskosimeter. J. Schurz, Viskositatsmessungen an Hochpolymeren, Verlag Berliner Union Kohlhammer, Stuttgart, 1972. J. E. McKie, J. F. Brandts, in High Precision Capillary Viscosimetry, Methods in Encymology, Vol. XXVI, Encyme Structure, Part C, (C. H. W. Hirs, S. N . Timasheff, Eds.), p. 257, Academic Press, New York, 1972. D. K. Carpenter, L. Westerman, Viscosimetric Methods for Studying Molecular Weight and Molecular Weight Distribution, in Polymer Molecular Weights, Part 11, Chap. 7 P (E. Slade, Ed.), Marcel Dekker, New York, 1975. R. W. Williams, Rheol. Acta, 18, 345 ( I 979).
8 Loslichkeitsparameter, Log P,LSER, M-Zahlen Loslichkeitsparameter, log P, aber auch andere Parameter werden venvendet, um Voraussagen iiber das Verhalten von Substanzen machen zu konnen z.B. mittels QSARs. Dabei sind Loslichkeitsparameter eher im technischen Sektor, log P sowie LSER eher im biologischen Sektor gebrguchlich. M-Zahlen geben Aufschluss uber die Mischbarkeit von Losemitteln. Loslichkeitsparameter werden u.a. verwendet, um Voraussagen uber das Verhalten von Substanzen sowohl bei der Herstellung von Formulierungen, als auch unter Applikationsbedingungen zu machen. Urspriinglich von Hildebrand entwickelt, um die Thermodynamik der Mischungen von Nichtelektrolyten zu erfassen, wurde das Konzept von ihm auf die Loslichkeit von Gasen und Feststoffen in Losemitteln, die Mischbarkeit von Flussigkeiten, metallische Losungen, Polymerlosungen, Grenzflachenphanomene, kritische Eigenschaften angewandt [I]. Iniwischen sind diverse Erweiterungen des Konzeptes entwickelt worden, welche zusatzlich polare Wechselwirkungen und ,,chemische" Interaktionen wie Assoziation, Solvatation, Elektron-Donor/Akzeptor-Komplexe, Wasserstoffbriickenbindungen beriicksichtigen. Das bekannteste, und am meisten angewandte Modell, ist das dreidimensionale Loslichkeitsparameter-Modellvon Hansen, bei welchem der Loslichkeitsparameter 6 von Hildebrand aufgespalten wird in einen Dispersionsanteil &, einen Polaranteil Sp und einen Wasserstoffbriickenbindungsanteil 6". Die Genauigkeit reicht jedoch nicht aus, um relevante quantitative Aussagen machen zu konnen. Hingegen ist es gut geeignet f i r qualitative Anwendungen, insbesondere bei Formulierungen, die Polymere enthalten. Dal3 beispielsweise einige der gemessenen und berechneten Loslichkeiten von Naphthalin gemaB Tabelle 8.1 gut ubereinstimmen, ist zum Teil den kleinen Unterschieden in den Hildebrand-Loslichkeitsparametern,teils auch der Kompensation von enthalpischen und entropischen Fehlern zuzuschreiben. Mit den dreidimensionalen Loslichkeitsparametem nach Hansen sind die Abweichungen wesentlich grofler, hingegen ist der Trend zuverlassiger, was f i r qualitative vergleichende Anwendungen wichtig ist. Die Berechnung nach Hildebrand erfolgte mit Gleichung (8.1) (Variablenbezeichnung im nachsten Abschnitt). Wie ersichtlich ist, beriicksichtigen die Loslichkeitsparameter das Abweichen vom idealen Verhalten = 8,).
Tabelle 8.1. Loslichkeit von Naphthalin bei 20 "C (Messwerte aus [I]).
v [cm3]
Loslichkeit x2(Molenbruch) gemessen berechnet
20.3
111.5
-
19.4
102.1 74.0
0.256
0.183
0.26 1 0.257 0.261
91.5
0.0495
0.203
40.7
0.0180
0.005 1
Losemittel
S[MPa'"]
Naphthalin (ideal) Chlorbenzol Aceton n-Butanol Methanol
20.3 23.3 29.7
272
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
8.1 Hildebrand-Loslichkeitsparameter Loslichkeitsparameter haben offensichtlich etwas zu tun mit der Loslichkeit. Wie in Kapitel 9 gezeigt wird, kann die Loslichkeit eines Feststoffes thermodynamisch abgeleitet werden vom Mischen zweier Flussigkeiten, namlich dem hypothetisch geschmolzenen und auf Mischtemperatur abgekiihlten Feststoff und dem Losemittel. Die Loslichkeitsparameter beziehen sich dabei auf den Mischvorgang. Aber auch andere Substanzeigenschaften, die in einen Zusammenhang mit Loslichkeitsparametern gestellt werden, konnen schluRendlich (unter anderem) auf Mischungsvorgange zuriickgefihrt werden. Dabei ist beispielsweise der Zusammenhang zwischen Mischungsenergie AE und Loslichkeitsparametern f i r das Mischen zweier Fliissigkeiten naherungsweise gegeben durch [ 1 ] ( 4, ,x , , V, ,a, : Volumenfraktion, Molenbruch, Molvolumen, Hildebrand-Loslichkeitsparameter der i. Flussigkeit):
In dieser Formel wird den geanderten intermolekularen Wechselwirkungen in der Mischung im Vergleich zu den separaten Substanzen Rechnung getragen. Solche Wechselwirkungen in kondensierter Materie konnen global durch die molare Kohasionsenergiedichte c ausgedriickt werden; es ist dies die molare Energie der Molekule in der kondensierten Materie im Vergleich zum gasformigen Zustand, also die molare Verdampjiingsenergie AE, , dividiert durch das Molvolumen V:
Basierend auf Kohasionsenergiedichten erhielt Scatchard [2] f i r die Mischungsenergie zweier Substanzen die folgende Formel, welche die Kohasionsenergiedichten der reinen Stoffe und der Mischung enthalt:
Wird die Kohasionsenergiedichte cI2f i r die Mischung empirisch als geometrisches Mittel der Kohasionsenergiedichten der reinen Stoffe angenommen,
so folgt f i r den letzten Term von Gleichung (8.4):
&)’
8.2 Mehrkomponenten-Loslichkeitsparameter
273
was zur Definition der Loslichkeitsparameter gemiil.3 Gleichung (8.7) Aihrt. Unter Berlicksichtigung von Gleichung (8.6) und (8.7) ergibt sich damit aus Gleichung (8.4)die Gleichung (8.2).
Gemll3 Gleichung (8.7) konnen Lbslichkeitsparameter ermittelt werden aus den experimentell leicht zugiinglichen Verdampfungsenergien und Molvolumen. Zu beachten gilt, -~’~ daB Loslichkeitsparameter in der alteren Literatur in den Einheiten ~ a l ’ / ~ c mtabelliert sind. Fiir die Umrechnung in die S1-Einheit Megapascal’” gilt: 1 ~al’%rn”’~ = 2.0455 MPa’l2
8.2 Mehrkomponenten-Loslichkeitsparameter Fehlerkompensation, herriihrend von der geometrischen Mittelung der Kohasionsenergiedichten analog Gleichung (8.5)ist wohl ausreichend f i r unpolare Materialien, nicht hingegen Air polare Substanzen, wie aus Tabelle 8.1 ersehen werden kann. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, durch Modifikation des Hildebrand’schen Modells diesem Aspekt Rechnung zu tragen. Hinsichtlich intermolekulare Bindungskrafte sei auf Abschnitt 1.4 venviesen. Aufspaltung von 6 in einen ,,physikalischen“ Parameter &, der Dispersionskrafte und unpolare Wechselwirkungen beriicksichtigt, und einen ,,chemischen“ Parameter 4 wurde von Bagley et al. [3] auf thermodynamischer Grundlage vorgenommen. Dieses Modell sei dem Dreikomponentensystem von Hansen iiberlegen; es ist aber weniger gebrauchlich. Prausnitz [4]unterteilt die Kohasionsenergiedichte in einen polaren und einen unpolaren Anteil. Die geometrische Mittelung ist jedoch nur fiir den unpolaren Anteil zulassig. Keller et al. [5]haben hervorgehoben, daR die polaren Wechselwirkungen unterteilt werden miissen in solche zwischen permanenten Dipolen, die orientiert sind (6J und f i r welche die geometrische Mittelung Gleichung (8.5) gleich wie fiir den Dispersionsanteil & gilt, und Induktionswechselwirkungen (&), die unsymmetrisch sind und f i r welche die geometrische Mittelung unzulgssig ist. Andere Ansatze beriicksichtigen auch spezifische Wechselwirkungen, die unter dem Sammelbegriff WasserstoMbrlickenbindungen zusammengefdt werden [6-81. Das am meisten angewandte Modell ist das Dreikomponentensystem von Hansen [9, lo], mit Dispersionsanteil &, Polaranteil 4, Wasserstoffbriickenanteil4, die zusammen den Gesamt-Loslichkeitsparameter4 ergeben, der ungefihr dem Hildebrand-Loslichkeitsparameter 6entspricht:
274
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER. M-Zahlen
Analog wie beim Hildebrand-Modell konnte die Anderung der Kohasionsenergiedichte Ac beim Mischen zweier Substanzen ausgedriickt werden durch: (8.10)
Wie schon envahnt, ist die geometrische Mittelung f i r den Polaranteil jedoch unzuIassig. Dazu kommt, daR nur Wasserstoffbrucken gebildet werden, wenn sowohl Donorals auch Akzeptorgruppen vorhanden sind, was gleichfalls in Gleichung (8.1 0) nicht berucksichtigt ist. Fur quantitative Rechnungen ist das Hansen-Modell deshalb eher ungeeignet. Seine praktische Bedeutung besteht jedoch bei qualitativen Vergleichen des Einflusses unterschiedlicher Komponenten, wie Polymere oder Losemittel auf die Eigenschaften einer Formulierung. Graphische Darstellung einer gemessenen Eigenschaft als Funktion der Loslichkeitsparameter der variierten Komponenten konnen gezielte Hinweise uber zu treffende Anderungen ergeben. In Tabelle 8.2 sind einige Loslichkeitsparameter zusammengestellt, die [ I I ] entnommen wurden. Tabelle 8.2. Molvolumen und Hansen-Liislichkeitsparameter; aus [ 1 I ] . I ,iisemittel n-Hutan n-Pentan Iwpentan, 2-Methylbutan ii-I lexan n-Heptan n-Oc t an 2.2.4-Trimethylmethan. lsooctan n-Nonan n-Decan n-Dodecan n-Hexadecan n-l icosan Cyclohexan Methylcyclohexan cis-Decahydronaphthalin,Decalin trans-Decahydronaphthalin
Bend 1oluol Naphthalin Styrol 0-Xylol Ilhylbenzol I -Methylnaphthalin Mesitylen Tetrahydronaphthalin, Tetralin Biphenyl
Molvolumen 6~ h’P [cm’imo~l [ M Pa“’] Alkane 101.4 14.1 00 116.2 14.5 0.0 117.4 13.7 0.0 131.6 14.9 0.0 147.4 I5 3 0.0 163.5 15 5 0.0 166.1 I4 3 0.0 179.7 15.8 0.0 195.9 15.8 0.0 228.6 16.0 00 294.1 16.4 0.0 359.8 16.6 0.0 108.7 I6 8 0.0 128.3 16.0 0.0 156.9 18.8 0.0 159.9 18.0 0.0 Arornatrsche Kohlenwasserstofle 89.4 18.4 0.0 106.8 18.0 1.4 I 1 1.5 19.2 2.0 115.6 18.6 1 .o 121.2 17.8 I .o 123.1 17.8 0.6 138.8 20.7 08 139.8 18.0 00 136.0 19.6 2.0 154 I 21.5 I .o
h’H
6,
00
00 00 00 00 02 10 00 00
14 1 14 5 13 7 I4 9 15 3 15 5 14 3 15 8 15 9 I6 0 I6 4 I6 6 I6 8 I6 0 I8 8 18 0
20 20 59 41 31 14 47 06 29 2.1
I8 6 18 2 20 3 19 0 18 0 I7 8 21 2 18 0 20 0 21.6
00 00
00 00 00
00 00
8.2 Mehrkomponenten-Loslichkeitsparameter (Fortsetzung der Tabelle 8.2) Losemittel
Methylchlorid Dichlormethan Bromchlormethan Chlordifluormethan, Freon 22 Dichlorfluormethan, Freon 2 1 Ethylbromid 1,l-Dichlorethyliden 1,2-Dichlorethan Methylendiiodid Chloroform 1,I-Dichlorethan 1,2-Dibromethan Bromoform n-Propylchlorid Trichlorethylen Dichlordifluormethan, Freon 12 Trichlorfluormethan, Freon I I Bromtrifluormethan Tetrachlorkohlenstoff 1, I. I -Trichlorethan Perchlorethylen Chlorbenzol n-Butylchlorid I , 1,2,2-Tetrachlorethan Brombenzol o-Dichlorbenzol Benzylchlorid I , I ,2,2-Tetrabromethan 1,2-Dichlortetrafluorethan,Freon 114 1,1,2-Trichlortrifluorethan,Freon I13 Cyclohexylchlorid I -Bromnaphthalin TrichlorbiphenyI Perfluormethylcyclohexan Furan Epichlorhydrin Tetrahydrofuran 1,4-Dioxan Diethylether Di-(2-chlorethyl)ether Anisol, Methoxybenzol Di-(2-methoxyethyl)ether
Dibenzylether Di-(2-chlorisopropyl)ether Di-(m-phenoxypheny1)ether Aceton Methylethylketon Cyclohexanon Dlethylketon
Molvolumen [cm3/mo~]
6~
6P
6H
6,
3.9 6.1 3.5 5.7 5.1 4.5 4.1 5.5 5.7 0.4 2.1 6.1 2.0 5.3 0.0 0.0 0.0 0.6 2.1 2.9 2.0 2.1 9.4 4. I 3.3 2.7 8.2 0.0 0.0 2. I 4.1 4.1 0.0
17.0 20.3 18.6 14.9 17.1 17.0 18.8 20.9 19.0 19.0 18.5 23.9 22.7 17.8 19.0 12.5 15.4 9.9 17.8 17.7 20.3 19.6 17.4 21.6 21.7 20.5 20.3 24.7 12.8 14.7 18.4 20.9 20.3 12.5
5.3 3.7 8.0 7.4 5.1 57 6.8 9.2 7.4 5.1 5.1
18.6 21.9 19.4 20.5 15.8 21.6 19.5 19.3 19.3 21.3 20.5
7.0 5.1 5.1 4.7
20.0 19.0 19.6 18.1
[MPa"']
Halogenrerte Kohlenwasserstoffe 55.4 15.3 6.1 63.9 18.2 6.3 17.4 65.0 5.7 72.9 12.3 6.3 75.4 15.8 3.1 76.9 3.1 15.8 79.0 6.8 17.0 79.4 7.4 19.0 3.9 80.5 17.8 80.7 3. I 17.8 84.8 8.2 16.6 87.0 6.8 19.6 87.5 4.1 21.5 88.1 7.8 16.1 90.2 3.1 18.0 2.0 12.3 92.3 92.8 2.1 15.3 97.0 2.5 9.6 97.1 0.0 17.8 100.4 4.3 17.0 6.5 101.1 19.0 4.3 102.1 19.0 104.9 5.5 16.4 5. I 105.2 18.8 5.5 20.5 105.3 6.3 112.8 19.2 7.2 115.0 18.8 5.1 116.8 22.7 1 17.0 1.8 12.7 119.2 I .6 14.7 121.3 5.5 17.4 140.0 3.1 20.3 187.0 5.3 19.2 196.0 0.0 12.5 Ether I .8 72.5 17.8 10.2 79.9 19.0 81.7 5.7 16.8 85.7 1.8 19.0 104.8 2.9 14.5 117.6 9.0 18.8 119.1 4.1 17.8 142.0 6.1 15.8 192.7 3.7 17.4 8.2 146.0 19.0 3.1 373.0 19.6 Ketone 10.4 74.0 115.5 90.1 16.0 9.0 104.0 6.3 17.8 106.4 15.8 7.6
5.1
275
276
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
(Fortsetzung der Tabelle 8.2) l.(isemittel Mesityloxid Acetophenon Methylisobutylketon Methylisoamylketon lsophoron Di-isobutylketon Acetaldeh yd Furfural Rutyraldehyd Benzaldehyd Ethylencarbonat y-Butyrolacton Methylacetat Ethylfonniat Propylen- 1,2-carbonat Ethylacetat Trimethylphosphat Diethylcarbonat Diethylsulfat n-Butylacetat lsobutylacetat 2-Ethoxyethylacetat lsoamylacetat lsobutylisobutyrat Dimethylphthalat Ethylcinnamat Triethylphosphat Diethylphthalat Di-n-butylphthalat n-Butylbenzylphthalat lsopropylpalmitat Di-n-butylsebacat Methyloleat Dioctylphthalat Dibutylstearat Acetonitril Acrylnitril l’ropionitril Butyronitril Benzonitri I Nitromethan Nitroethan 2 -N itropropan N itrobenzol Ethanolamin Ethylend iamin I , I -Dimethylhydrazin 2-Pyrrolidon Pvridin
6~ Molvolumen [cm’imo~] 115.6 16.4 1174 I9 6 125 8 15 3 142 8 I6 0 150 5 I6 6 177 1 I6 0 Aldehyde 57 1 14 7 83 2 18 6 88 5 14 7 101 5 I9 4 Ester 66 0 I9 4 76 8 I9 0 79 7 15 5 80 2 15 5 85 0 20 0 98 5 15 8 16 8 99 9 121 0 I6 6 131 5 15 8 132 5 15 8 133 5 15 1 136 2 I6 0 148 8 15 3 I63 0 15 1 163 0 18 6 166 8 18 4 171 0 16 8 198 0 I7 6 266 0 178 306 0 19 0 330 0 14 3 339 0 13 9 340 0 I4 5 377 0 I6 6 382 0 14 5 Sticksroffverbindung~n 52 6 15 3 I6 4 67 I 15 3 70 9 15 3 87 0 102 6 174 54 3 15 8 I6 0 71 5 86 9 162 102 7 20 0 60 2 17 2 67 3 16 6 15 3 76 0 16 4 I9 4 80 9 I9 0
6P
6H
6,
[MPa”*] 6.1 86 6. I 5.7 8.2 3.7
6.1 3.7 41 4.1 7.4 4.1
18.9 21 8 I7 0 I7 4 19 9 I6 9
8.0 14.9 5.3 7.4
11.3 5.1 7.0 5.3
20 2 24 4 17 1 21 5
21.7 16.6 7.2 7.2 18.0 5.3 16.0 3.1 14.7 31 3.7 4.7 3.1 2.9 10 8 8.2 11.5 9.6 8.6 11.3 39 4.5 3.9 7.0 3.7
5.1 7.4 7.6 7.6 4.1 7.2 10.2 6.1 7.2 63 6.3 10.6 7.0 5.9 4.9 4.1 9.2 4.5 4.1 3.1 3.7 4. I 3.7 3.1 3.5
29 6 26 3 18 7 18 7 27 3 18 1 25 3 I7 9 22 8 I7 4 I6 8 20 0 17 1 16 5 22 1 20 6 22 3 20 6 20 2 22 3 15 3 15 2 15 5 18 2 15 4
18.0 17.4 14.3 12.5 9.0 18.8 15.5 12.1 8.6 15.6 8.8 5.9 17.4 88
6.1 6.8 5.5 5.1 3.3 5.1 4.5 41 4.1 31.3 17.0 11.0 11.3 59
24 4 24 8 21 7 20 4 199 25 1 22 7 20 6 22 2 31 5 25 3 I9 8 28 4 21 8
8.2 Mehrkomponenten-Loslichkeitsparameter (Fortsetzung der Tabelle 8.2) Losemittel n-Propylamin Morpholin Anilin N-Methylpynolidon n-Butylamin Diethylamin Diethylentriamin Cyclohexylamin Chinolin Di-n-propylamin Formamid N,N-dimethyl formamid N,N-dimethy lacetamid Tetramethylharnstoff Schwefelkohlenstoff Dimethylsulfoxid Ethylmercaptan Dimethylsulfon Diethylsulfid Methanol Ethanol 1-Propano1 2-Propanol 3-Chlorpropanol Furfurylalkohol l-Butanol 2-Butanol 2-Methyl- 1-propanol, Isobutanol Benzylalkohol Cyclohexanol 1-Pentanol 2-Ethyl-1 -butan01 Diacetonalkohol 1,3-Dimethyl-l-butanol Ethyllactat n-Butyllactat Ethylenglycolmonomethylether Ethylenglycolmonoethylether
Diethylenglycolmonomethylether Diethylengl ycolmonoethylether Ethylenglycolmono-n-butylether 2-Ethyl-I -hexanol 1-0ctanol 2-Octanol Diethylenglycolmono-n-butylether 1-Decanol 1 -Tridecanol ,,Nonyl"phenoxyethanol Oleylal kohol
Triethylenglycolmonooleylether
Molvolumen 6~ [cm3/mo~] 83.0 17.0 87.1 18.8 91.5 19.4 96.5 18.0 99.0 16.2 103.2 14.9 108.0 16.8 115.2 17.4 118.0 19.4 136.9 15.3 39.8 17.2 77.0 17.4 92.5 16.8 120.4 16.8 Schwefelverbrndungen 60.026.5 71.3 18.4 74.3 15.8 75.0 19.0 108.2 17.0 Alkohole 40.7 15.1 58.5 15.8 75.2 16.0 76.8 15.8 84.2 17.6 86.5 17.4 91.5 16.0 92.0 15.8 92.8 15.1 103.6 18.4 106.0 17.4 109.0 16.0 123.2 15.8 124.2 15.8 127.2 15.3 115.0 16.0 149.0 15.8 79.1 16.2 97.8 16.2 118.0 16.2 130.9 16.2 131.6 16.0 157.0 16.0 157.7 17.0 159.1 16.2 170.6 16.0 191.8 17.6 242.0 14.3 275.0 16.8 316.0 14.3 41 8.5 13.3
6,
6P [MPa'"] 4.9 4.9 5.1 12.3 4.5 2.3 13.3 3.1 7.0 1.4 26.2 13.7 11.5 8.2
8.6 9.2 10.0 7.2 8.0 6.1 14.3 6.6 7.6 4.1 19.0 11.3 10.2 11.1
19.7 21.5 22.6 22.9 18.6 16.3 25.8 18.9 22.0 15.9 36.6 24.8 22.7 21.7
0.0 16.4 6.6 19.4 3.1
0.6 10.2 7.2 12.3 2.1
20.5 26.7 18.6 29.8 17.4
12.3 8.8 6.8 6.1 5.7 7.6 5.7 5.7 5.7 6.3 4.1 4.5 4.3 8.2 3.3 7.6 6.5 9.2 9.2 7.8 9.2 5.1 3.3 3.3 4.9 7.0 2.7 3.1 10.2 2.7 3.1
22.3 19.4 17.4 16.4 14.7 15.1 15.8 14.5 16.0 13.7 13.5 13.9 13.5 10.8 12.3 12.5 10.2 16.4 14.3 12.7 12.3 12.3 11.9 11.9 11.1 10.6 10.0 9.0 8.4 8.0 8.4
29.6 26.5 24.5 23.5 23.6 24.3 23.1 22.2 22.7 23.8 22.4 21.7 21.2 20.8 19.9 21.6 19.9 24.8 23.5 22.0 22.3 20.8 20.2 21.0 20.2 20.4 20.4 17.2 21.4 16.6 16.0
6H
277
278
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
(Fortsetzungder Tabelle 8.2) 1.Bsemittel
Molvolumen [cm3/mo~]
Ameisensaure Essigsaure Benzoesaure n-Buttersliure Caprylsliure Okliure Stearinsaure Phenol Resorcin m-Cresol o-Methoxyphenol Methylsalicylat ,,Nonyl"phenol Wasser
60
6P
6H
6,
[ MPa"']
Sauren 37.8 57.1 100.0 110.0 159.0 320.0 326.0 Phenole 87 5 87 5 104 7 I09 5 129 0 23 1.O
14.3 14.5 18.2 14.9 15.1 14.3 16.4
11.9 8.0 7.0 4.1 3.3 3.1 3.3
16.6 13.5 9.8 10.6 82 5.5 5.5
24.9 21.4 21.8 18.8 17.5 15.6 17.6
I8 0 I8 0 18 0 18 0 16 0 16.6
59 84 51 82 80 4.1
14 9 21 1
24 1 29 0 22 7 23 8 21 7
18.0
15.6
16.0
42.3
12 9 13 3 12 3 9.2
19.4
47.8
8.3 Inkrementmethoden Oft sind bei Formulierungsproblemen keine Loslichkeitsparameter der interessierenden Substanzen verfigbar. In solchen Fallen konnen Werte nach Inkrementmethoden abgeschatzt werden. Gruppenbeitrage zur Kohasionsenergie und zum Molvolumen wurden beispielsweise von Fedors [ 121 publiziert. Obschon nicht besonders genau, konnen damit doch approximative Hildebrand-Loslichkeitsparameter berechnet werden. Eine Zusammenstellung von Daten aus [ 1 I ] ist in Tabelle 8.3 zu finden. GemaR der Definition der Loslichkeitsparameter, Gleichung (8.7), konnen mit solchen Daten Hildebrand-Parameter nach Gleichung (8.1 1) berechnet werden.
,
112
(8.1 1)
Heispiel:
Phenylpiperidin
5 -CH= 1 >c= 5 -CH21 -N< 3 konjugierte Doppelbindungen 2 Sechsringe
5x 4.3 1 4.3 1 5 x 4.94 4.2 3x 1.67 2x 1.05
61.87 kJ/mol 6
= (61.87~10~' MJ.mo1-I /
5x 13.5 -5.5 5x 16.1 -9 3x -2.2 2x 16.0 158.9 cm3/moI
158.9.10-6m'.rnol-1)1'2= 19.73 MPa'"
8.3 Inkrementmethoden
279
Eine Anwendung der Gruppeninkremente besteht beispielsweise darin, abzuschatzen wie die Eigenschaften einer Substanz durch Einfihrung weiterer Substituenten veriindert werden. Tabelle 8.3. Gruppeninkrementefiir Kohiisionsenergien und Molvolumen (aus [ 1 I]). Gruppe
U V l
v,
Gruppe
[kJ/mol] [cm3/mol] -CH3 -CH2XH>C< =CH2 -CH=
4.71 4.94 3.43 I .47 4.31 4.31 4.3 1 3.85 7.07
33.5 16.1 -1 .o -19.2 28.5 13.5 >c= -5.5 HC27.4 -C6.5 RingschluO, 5 oder mehr Atome 1.05 16.0 RingschluO, 3 oder 4 Atome 3.14 18.0 Konjugation im Ring pro = 1.67 -2.2 -F 4.19 18.0 -F (disubst.) 3.56 20.0 -F (trisubst.) 2.30 22.0 4.27 -CF2- (Perfluoroverbindungen) 23.0 -CF3 (Perfluoroverbindungen) 4.27 57.5 -c I 11.55 24.0 -CI (disubst.) 9.63 26.0 -CI (trisubst.) 7.53 27.3 -Br 15.49 30.0 -Br (disubst.) 12.4 31.0 -Br (trisubst) 10.7 32.4 -I 19.05 31.5 -I (disubst.) 16.7 33.5 -I (trisubst.) 16.3 37.0 Halogen an C mit = 0.8xAEwa, -CN 25.5 24.0 -OH 29.8 10.0 -OH (disubst. oder an Nachb.-C) 21.9 13.0 -03.35 3.8 -CHO 21.4 22.3 -CO17.4 10.8 -coo18.0 18.0 -co3- (Carbonat) 17.6 22.0 -C203- (Anhydrid) 30.6 30.0 HCOO18.0 32.5 - O2CC02- (Oxalat) 26.8 37.3 -COF 13.4 29.0 -COCI 17.6 38.1 -COBr 24.2 41.6 -COI 29.3 48.7 -NH2 12.6 19.2 -NH8.4 4.5 -N< 4.2 -9.0
U V l
v,
[ k ~ / m o ~[cm3/mol] ] -N= -NHNH2 -NHNH-N2 (Diazo) -N=N>C=N-N=C< -N=C=N-NC -NF2 -NF-CONH2 -CONH-CON< HCON< HCONH-NHCOO-NHCONH-NHCON< >NCON< NHzCOO-NCO -0NH2 >C=NOH -CH=NOH -NO2 (aliphatisch) -NO2 (aromatisch) -NO3 -NO2 (Nitrit) -NHN02 -NNO -SH -S4-s3-
>so so3 sod -S02CI -SCN -NCS Po3 Po4 POdOH) SiOd BO?
11.7 22.0 16.7 8.4 4.2 20. I 11.47 18.8 7.66 5.07 41.9 33.5 29.5 27.6 44.0 26.4 50.2 41.9 20.9 37.0 28.5 19.1 25. I 25.1 29.3 15.36 20.9 11.7 39.8 27.2 14.44 14.15 23.9 13.40 39.1 18.8 28.5 37.1 20.1 25.1 14.2 20.9 31.8 21.8 0.0
5.0 -
16.0 23.0 -
0.0 -
23. I 33.1 24.5 17.5 9.5 -7.7 11.3 27.0 18.5 -
-14.5 -
35.0 20.0 11.3 24.0 24.0 32.0 33.5 33.5 28.7 10.0 28.0 12.0 23.0 47.2 -
27.6 31.6 43.5 37.0 40.0 22.7 28.0 32.2 20.0
280
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
Tabelle 8.4 Gruppeninkremente zur Berechnung von Hansen-Loslichkeitsparametern [ 1 1 1. Gruppe
FD,
EH, (aliph.)
FPI
[J'~2cm3'2mol~l][J'/2cm3/2mol-l] [Jmol-'1
-CH, -CHZ>CH>C< =CH2 =CH=C< Cyclohexyl Phenyl Phenylen (0,m, p) -F 421 -Br -I -CN -OH (-OH), -0-CHO >C=O -COOH -COOHCOO-NH2 -N H-N< -NO2 -SRing eine Symmetrieebene zwei Symmetrieebenen mehrere Symmetrieebenen
420 270 80 -70 400 200 70 1620 1430 I270 (220) 450 (550) -
430 210 -
100 470 290 530 390 530 280 160 20 500 440 190 -
EH, (arom.) [Jmol-'1
0 0 0 0 0 0 0 0 110 110 -
500 -
1100
500 -
400 800 770 420 490 -
210 800 1070 -
-
-0 400k 80 2100f 400 4000k 800 2100f 800 1 9 5 0 0 f 1700 n( 19 500 k 1700) 4800 f 1200 -
3300k 600 l l 5 0 0 k 1000 5200f 600 -
5600k 800 3100k 800 -
1700f 200
-
-0 400k 80 2100k 400 -
2300f 800 19500f2100 n(l9 500 k 1700) 5200 k 1200 -
3300k 600 9400 f 1000 3300k 600 -
9400f 800 -
1700f 200 -
-
x 0.5 x 0.25 0
Auch zur Berechnung von Hansen-Loslichkeitsparametern wurden Inkrement-Methoden enhvickelt. Sie basieren auf Gruppenattraktionskonstanten F,, und Fp,fiir Dispersions- und Polaranteil und Gruppenkohasionsenergien EHIgemal3 Gleichung (8. 12H8.14). Diese Gruppenkonstanten sind in Tabelle 8.4 zusammengestellt. Molvolumen konnen
8.4 Losemittelmischungen
28 1
mithilfe der Gruppeninkremente aus Tabelle 8.3 oder gemaR Exner [ 131 berechnet werden. Als Gruppenattraktionskonstanten F,, und Fpiwurden die Werte von Krevelen und Hoftyzer [I41 und als Gruppenkohtisionsenergien EH,die Werte von Hansen und Beerbower [ 151 aufgefihrt. Bei mehreren polaren Gruppen muR der berechnete Polaranteil Sp je nach Symmetrie mit einem Symmetriefaktor gemill3 Tabelle 8.4 multipliziert werden. Vorsicht ist jedoch am Platz. So wird beispielsweise bei Phthalsgureestern der Polaranteil durch die zweite XOO-Gruppe vervierfacht [ 151. Auch bei Wasserstoffbrlickenanteilen ist wie schon erwtihnt zu beachten, daR Interaktionen nur zwischen Donor- und Akzeptorgruppen autlreten.
8.4 Losemittelmischungen Die Vertrtiglichkeit zweier Stoffe ist umso besser, je n h e r sie im Loslichkeitparameterraum beieinander positioniert sind. In vielen losemittelhaltigen Formulierungen reicht jedoch ein Losemittel allein nicht, um allen Anforderungen zu genugen, sei es hinsichtlich Loslichkeit der einzelnen Komponenten, oder hinsichtlich Fliichtigkeit, Viskositgt, Okologie, usw.; oft mussen deshalb Mischungen eingesetzt werden. Fiir solche Mischungen werden die Hansen-Loslichkeitsparameter entsprechend den Volumenanteilen 4 der einzelnen Losemittel aus Loslichkeitsparameteranteilender einzelnen Losemittel berechnet. (8.15) D ' (Mischung) = 41'ID'
c c41 c41 I
'P(Mischung)
=
'P 'i
(8.16)
' 'HI
(8.17)
I
it'
(Mischung)
=
I
Wie stark sich Eigenschaften andern konnen, kann anhand der Loslichkeit von Nitrocellulose aufgezeigt werden. Nitrocellulose ist unloslich in Ethylether (hlPlH I4.5/2.9/5.1) und Ethanol (&/p/H 15.8/8.8/19.4), wohl hingegen in einer Mischung der beiden Losemittel.
8.5 Polymerlosungen 8.5.1 Flory-Huggins-Parameter Lbsungen von Polymeren zeigen stark nicht-ideales Verhalten. So besitzt eine Mischung von Polystyrol mit mittlerem Molgewicht Gnvon 290 000 mit 3.4 g Toluol einen Dampfdruck von 0.32 kPa bei 25 "C statt 3.7 kPa wie bei einer idealen Mischung [ 161.
282
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
Nach der Flory- Huggins-Theorie kann die lnteraktion zwischen Polymer und Losemittel durch den Flory-Huggins-Wechselwirkungsparameter ausgedriickt werden. Fur die Freie Mischungsenthalpie AG,,,, ergibt sich damit (Bezeichnungen in Abschnitt 8.1 ; Index 2 entspricht dem Polymeren):
x
A G =~ R T ( X ,I n h + x q ~ n +hx x , @ * )
(8.18)
x ist keine Konstante, sondern hangt von der Zusammensetzung der Losung ab. Die ersten beiden Terme in Gleichung (8.18) resultieren aus der kombinatorischen Entropie der Polymerlosung unter Beriicksichtigung der unterschiedlichen MolekulgroBen von Losemittel und Polymer. Der dritte Term riihrt hingegen nach der ursprunglichen FloryHuggins-Theorie von der Mischungsenthalpie her. Damit Polymer und Losemittel mischbar sind, muB AGM negativ sein. Da die beiden ersten Terme negative Beitrage liefern, muB der dritte Term bei positivem x kleiner als diese kombinatorischen Entropiebeitrage sein. Flory zeigte, daB Polymer und Losemittel fir alle Zusammensetzungen mischbar sind, unter folgenden Bedingungen [ 17, 181: (8.19) Wenn diese Bedingung nicht erfillt ist, tritt Aufspaltung in zwei Phasen auf, eine ,,Losung von Polymer im Losemittel" und eine ,,Losung von Losemittel im Polymeren". In Abb. 8.1 ist dies graphisch dargestellt f i r verschiedene Verhaltnisse der Molekulargewichte von Polymer und Losemittel.
Abb. 8.1. Phasendiagramm von PolymeriLosemittel-Systemen als Funktion des reziproken FloryHuggins-Wechselwirkungsparameters x-l und der Losemittel-Volumenfraktion q$ fur verschiedene Verhaltnisse der Molekulargewichte von Polymer und Losemittel; gemai8 [ 191.
8.5 Polymerlosungen
283
Wenn x als Funktion der Konzentration und der Temperatur f i r ein bestimmtes Polymer/Losemittelpaar bekannt ist, konnen quantitative Voraussagen uber die Thermodynamik dieses Systems gemacht werden. Da dies im Allgemeinen jedoch nicht der Fall ist, kann man zur Abschatzung des Loseverhaltens von Polymeren, gleich wie f i r niedermolekulare Substanzen, stattdessen das Loslichkeitsparameterkonzept anwenden. Ein weiterer Aspekt ist die Vertraglichkeit unterschiedlicher Polymeren in flussigen Formulierungen, was mittels des Flory-Huggins-Wechselwirkungsparameters gar nicht erfasst werden kann.
8.5.2 Loslichkeitsparameter von Polymeren Das Li5slichkeitsparameterkonzept hat weitverbreitete Anwendung bei Lacken und Druckfarben, aber auch bei Haftklebem erfahren. Hildebrand-Loslichkeitsparametervon Polymeren konnen jedoch nicht wie f i r niedermolekulare Substanzen aus Verdamphngsenergie und Molvolumen berechnet werden, da die Polymere j a nicht verdampfbar sind. Sie mussen iiber Loseversuche empirisch bestimmt werden. Dies gilt ebenfalls Air die Hansen-Lbslichkeitsparameter.Fiir Harze und andere Bindemittel konnen die Loslichkeitsparameter &, 4,& uber Loseversuche in ausgewahlten Liisemitteln bestimmt werden; gute Losemittel grenzen einen zusammenhangenden Bereich im Loslichkeitsparameterraum ab. Das Zentrum kennzeichnet das gesuchte Loslichkeitsparameter-Tripe1 des untersuchten Bindemittels. Nach Hansen werden die Loseversuche mit Polymerkonzentrationen von 10 % durchgemhrt. Mischungen, die hochviskose Losungen ergeben, wurden erhitzt und die Interaktionen nach Abklihlung beurteilt (IiSslich, unvollstandig Idslich, stark gequollen mit geringer Lbslichkeit, gequollen, schwache Quellung, kein Effekt). Gemafl Hansen kann das Gebiet grofler Lbslichkeit im dreidimensionalen Loslichkeitsparameterraum als spharischer Bereich abgegrenzt werden, wenn die &-Achse um den Faktor 2 gestreckt wird (Abb. 8.2).
J 6, Abb. 8.2. SphLrischer Lbslichkeitsbereich eines Polymeren im dreidimensionalen Lbslichkeits-
parameterraum. Die &-Achse wurde um den Faktor 2 gestreckt.
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
284
Der entsprechende Interaktionsradius f i r Losemittel i und Polymer j ist damit gegeben durch:
(8.20) Beerbower et al. [20] bevorzugen quaderformige Bereiche f i r Losemittel, die das Polymere zu mehr als 25 % quellen, und definieren zusatzlich den Ort groRter Loslichkeit (Zentroid). Fur beide Procedere sind Loslichkeitsparameterdaten in [ 1 I ] zu finden. Tabelle 8.5 zeigt einige Beispiele.
Tabelle 8.5. Loslichkeitsparameterbereichevon Polymeren [ 1 I]. 25 % Quellung [MPa”’]
Polymer Naturgurnrni Styrol-butadiengumrni Nitril-butadiengummi Chloropren Vinylsilikongurnmi Fluorsilikongurnmi Ethylen-propylencopolyrner
,,Zentroid“ [MPa”’]
&
s,
&
&
s , &
13.5/20.1 13.Y22.5 14.3/21.9 14.1/21.9 14.3/20.7 14.9/19.4 13.5h9.4
0.0/12.3 0.0/12.3 0.0/19.2 0.0/12.5 0.0/12.3 1.4114.9 0.018.8
0.0/11.3 0.0/8.2 0.4/9.2 0.417.8 0.0/4.1 3.9/8.0 0.0/6.1
18.4 17.4 18.0 19.4 16.4 15.3 18.0
2.1 2.9 4.1 3.1 3.7 7.2 0.8
7.2 6.8 4.1 2.7 4.5 6.1 2.1
Eine weitere Methode geht davon aus, daR die S, der meisten Losemittel wesentlich weniger variieren als die 4 und &. Deshalb ist es gerechtfertigt, das Loseverhalten in einem zweidimensionalen Bereich darzustellen, der nur Polaranteil und Wasserstoffbriickenbindungsanteil beriicksichtigt. Zusatzlich kann jedoch der EinfluR von S, in Form von ,,Hohenkurven“ beriicksichtigt werden, so wie es in Abb. 8.3 dargestellt ist.
0
5
6,
10 15 [MPa”’]
Abb. 8.3. Loslichkeitsdiagramrn des Alkydharzes Alphtalat AF342 von Hochst (Konzentration 20 %; 23 “C). 1 : & = 14.7-15.3 MPa”’; 2: & = 16.2 MPa”’; 3: & = 16.8 MPa”’ 1211.
8.6 Anwendung von Loslichkeitsparametern
285
&) Der Schwerpunkt innerhalb der Kontur kann als Loslichkeitsparameter-Set (4, angesehen werden. Selbstverstandlich konnen solche zweidimensionalen Diagramme nicht nur f i r Einzelpolymere, sondern auch f i r Polymermischungen erstellt werden. Bekannt ist ebenfalls die Darstellungsart f i r PolymedL6semitteLSysteme von Teas [22]. Er ordnet fraktionale Parameter geman Gleichung (8.2 1H8.23) in einem triangularen System an; Abb. 8.4.
fD
=
6, 6, +SP+s,
6,
fp
=
6,
+a, +a,
f, = 6, + " 6, + 6"
(8.21-8.23)
Abb. 8.4. Trianguliire Darstellung der Ldslichkeitsgrenzen von Polyrnethylrnethacrylat rnit fraktionalen Loslichkeitsparametem nach Teas [23].
Wenn keine Loslichkeitsparameter f i r Polymere zur Verfigung stehen, konnen f i r UberschlagsmaBige Abschatzungen Loslichkeitsparameter gleich wie f i r kleine Molekiile auch nach den Inkrementmethoden gemal3 Abschnitt 8.3 berechnet werden. Man berechnet die Loslichkeitsparameter f i r die Grundeinheiten, so wie von Ahmad und Yaseen in [24] beschrieben. Zu beachten ist, daB die Polaranteile bei gewissen Polymeren zu hoch 1Sx). anfallen (z.B. Polyacrylnitril 1 . 7 ~Polyvinylchlorid ;
8.6 Anwendung von Loslichkeitsparametern Bei vielen Formulierungsproblemen will man aus einer Reihe zur Verfigung stehender Substanzen diejenige auswahlen, die optimale Formulierungseigenschafien bewirkt. Man testet einige Substanzen und versucht anhand der Ergebnisse eine Wahl zu treffen. Die Testresultate sind dabei der diskreten Variablen <Substan0 zugeordnet, f i r die keine direkte Korrelation sichtbar ist. Indem man jedoch den einzelnen Substanzen Loslich-
286
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
keitsparameter zuordnet, gelingt es besser, anhand der Korrelation zwischen Testresultaten und Loslichkeitsparametern eine optimale Wahl zu treffen. Der wichtige Punkt ist also, daJ man die diskrete Variable <Substanz> in die kontinuierliche Variable transformiert und diese korreliert mit der abhangigen Variablen . Ein Beispiel ist in Abb. 8.5 zu sehen. 10-
-am z
0
C
3
C K
;5JZ 0
2
0
Decalin und Ethylacetat Arnyl-
r“0
/ n-Butanol Cyclohexanol
/
.v, ._ 4-4
8
4
0
2
16,- 6,1 [MPa”*] Abb. 8.5. IJmformung der diskreten Variablen in die kontinuierliche Variable und Korrelation rnit MeRgroRe: Zusammenhang zwischen kritischer Bruchspannung unter dem EinfluR von Losemitteln und Differenz der Hildebrand-Loslichkeitsparameter von Polymer und Losemitteln (gemaR [ 2 5 ] ) .
Viele Korrelationen mit Loslichkeitsparametern wurden im Zusammenhang rnit Polymeren durchgeflihrt. Mechanische Eigenschaften von Festkorpern beruhen unter anderem in den intermolekularen Wechselwirkungen, so wie sie in der Kohasionsenergiedichte zum Ausdruck kommen. Korrelationen zwischen mechanischen Eigenschaften und Loslichkeitsparametern konnen deshalb mit gutem Erfolg bei Optimierungsaufgaben, beispielsweise zum Abschatzen des Einflusses von Molekulstrukturen auf die Festkorpereigenschaften, angewandt werden. So besteht z.B. ein h e a r e r Zusammenhang zwischen von Polymeren und der Kohasionsenergiedichte b’, der maximalen Zugfestigkeit a,,, gemal3 Gleichung (8.24). Flexibilitat, Glasumwandlungspunkt, Schmelzpunkt, Kriechverhalten, Harte und Elastizitat sind weitere Festkorpereigenschaften, die bei diversen Polymeren im Zusammenhang rnit Loslichkeitsparametern untersucht wurden [ 1 11. amax = 0.256?
(8.24)
In besonderem MaDe konnen die mechanischen Eigenschaften von Polymeren durch umgebende Losemittel beeinflusst werden. Beispiele sind Anderung des Glasumwand-
8.6 Anwendung von Loslichkeitsparametern
287
lungspunktes wegen Grenzfltichenplastifizierung durch Losemittel, aunerdem aber auch Grenzflachenhilrtung durch Losemittel. Abbildung 8.5 zeigt das Bruchverhalten von Polystyrol unter dem EinfluR von Losemitteln als Korrelation rnit Loslichkeitsparametern. Weitere Anwendungen betreffen u.a. die Mikroenkapsulierung [26], Probleme bei der Herstellung von asymmetrischen Membranen [27], Fluidbestandigkeit von Elastomeren bei hydraulischen Systemen [28], Fliichtigkeit von Losemitteln aus Polymerschmelzen [29], Polymervertraglichkeit in Blends [30], Losemittel f i r Filmformer [3 I], Sauerstoffpermeabilitat von Polymethylmethacrylat [32], PigmenVBindemitteI-Wechselwirkungen [33], Fiillstoff/Polymer-Wechselwirkungen[34], Controlled Release von Pestiziden [35], Loslichkeit von Pestiziden [36], Verteilung in Bilayermembranen [37], Lipidextraktion aus biologischen Geweben [38], Transport von Steroiden durch Polymere [39], Wirkstoffabsorption im Zusammenhang rnit transdermalen Anwendungen [40], Oberflachenenergetik von kiinstlichen Blutsubstituten [4 11, Anesthetika [42] und vieles andere mehr. Bei biochemischen Prozessen kommt der Loslichkeit eine wichtige Bedeutung zu. Aspekte, wie Transport von pharmazeutischen und agrochemischen Wirkstoffen in biologischen Geweben, Struktur-Aktivittitsrelationen,Wirkstoff-Formulierung, seien in diesem Zusammenhang erwahnt, die in Ubersichtsartikeln zusammengefasst sind [4345]. Bekannt ist, daR die Effekte vieler Wirksubstanzen rnit dem Verteilungskoeffizienten zwischen Wasser und 0 1 korrelieren, wie dies rnit dem Lipophilie-Parameter von Hansch [44] erfasst werden kann. (8.25)
nx ist dabei der Hansch-Parameter des Substituenten X, DRx und DRHdie molaren Verteilungskoeffizienten von substituierter bzw. unsubstituierter Substanz f i r die Losemittel 1 -0ctanol und Wasser. Mithilfe von tabellierten Hansch-Parametern laRt sich somit der EinfluR von Substituenten auf den Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienteneiner Verbindung abschatzen. Statt mit Hansch-Parametern konnen Verteilungskoeffizienten natiirlich ebenso gut mit Loslichkeitsparametern berechnet werden. Der Zusammenhang zwischen Hansch-Parametern und Hildebrand-Loslichkeitparametern ist gegeben durch Gleichung (8.26), wobei die Gruppeninkremente fiir Kohasionsenergie Fx und Volumen Vx der Tabelle 8.3 entnommen werden konnen. (8.26)
Nicht nur Zusammenhange, die in Kurvenform dargestellt werden konnen, eignen sich fur die Anwendung von Loslichkeitsparametern. Qualitative Beschreibungen von visuellen, haptischen, olefaktorischen und anderen Befunden konnen beispielsweise in einem zweidimensionalen Loslichkeitsparameterdiagrammder variierten Substanzen, wie Losemittel, dargestellt werden. So sind in Abb. 8.6 EM-Aufnahmen eines Pigmentes, das in unterschiedlichen Losemitteln rekristallisiert wurde, in Form eines ,,Solvent Mapping" angeordnet. In solchen Darstellungen erkennt man, ob kontinuierliche Zusammenhange bestehen, oder ob in gewissen Bereichen zusatzliche spezielle Effekte auftreten. Abbildung 8.7 zeigt die venvendeten Losemittel.
882
8 Loslichkeitsparameter, Log P,LSER, M-Zahler;
Gl 01
5 Abb. 8.6. ,,Solvent Mapping": Rekristallisation des in Abb. 9.6 gezeigten Pigmentes. Gemahlenes Pigment wurde in diversen Losemitteln wahrend 2 Std. bei 60 "C rekristallisiert.
0
1
01 I ;
Abb. 8.7. Verwendete Losemittel der in Abb. 8.6 gezeigten Rekristallisationen.
8.7 QSAR, Octanol/Wasser- Verteilungskoeflzient
289
Grenzfllchenprobleme konnen ebenfalls mit Loslichkeitsparametern angegangen werden, sei es die Adsorption von Gasen an Festkorperoberfllchen, oder die Benetzung mit Fllissigkeiten. So kann die Charakterisierung der Benetzbarkeit und Flockulierungstendenz von Pigmenten in ahnlicher Weise wie die Loslichkeit von Polymeren in einem Loslichkeitsparameterdiagramm dargestellt werden. Wie in Gleichung (8.20) kann ebenfalls ein Interaktionsradius R, ermittelt werden. Man schuttelt Pigmentproben und beurteilt die Sedimentationstendenz [9]. Einige Daten sind in Tabelle 8.6 angegeben.
Tabelle 8.6. Loslichkeitsparameter und Interaktionsradien R, von Pigmenten (aus [ 1 I]). Pigment Titandioxid (Kronos RN 57) Graphit Printex V (Degussa) Phthalocyane blue BG (Du Pont) Isolbonared 7522 (Koge) Reflex Blau TBK Ext. (Hochst) Hansagelb 10G (Hochst) Heliogenblau B Pulver (BASF) Permanentgelb H 10G (Hbchst)
43
s,
24.1 2 1.1 19.0 17.8 22.1 18.6 22.1 17.2
[MPa"'] 14.9 19.4 12.3 11.3 6.3 7.6 7.2 7.2 7.8 13.5 8.2 6.8 7.2 8.2 3.1 4.7
s,
4
4
34.4 26.8 21.5 20.5 27.0 21.5 24.6 18.0
[MPa"'] 17.2 11.3 4.7 5.1 14.3 6.8 10.6 4.5
8.7 QSAR, OctanolNasser-Verteilungskoeffizient Um den Einfluss von Substanzen in komplexen Zusammenhangen abschatzen m konnen, werden QSARs (Quantitative Structure-Activity Relationship) entwickelt, die den quantitativen Zusammenhang zwischen messbaren GriSBen und Strukturparametern wiedergeben. So wurden vom ,,U.S. EPA's Office of Pollution Prevention and Toxics" 49 unterschiedliche QSARs entwickelt, welche die Toxizitat von Substanzen &r Organismen in Gewassern voraussagen lassen [46]. Mal3gebender Strukturparameter ist dabei f i r biologische Zusammenhange der Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizientresp. der Logarithmus davon, log P. Mithilfe gemessener log P und des biologischen Einflusses bekannter Substanzen werden die Zusammenhange durch Regressionsanalysen empirisch dargestellt. Mit diesen Zusammenhangen resp. Formeln, den QSARs, kann sodann der Einfluss einer nicht untersuchten Substanz vorausgesagt werden, wenn es gelingt, ihren log P abzuschatzen. lnsbesondere in den Bereichen Toxikologie, Pharmazeutik, Okologie, ganz allgemein im Biosektor, werden QSARs als Funktion von log P oft angewandt. Es wurden mehrere Ansatze entwickelt, um log P aus der Molekulstruktur zu berechnen. Bekannt ist die Methode, welche die Lipophilie-Substituentenparametervon Hansch aufsummiert; Gleichung (8.25): log P
=
1
7ri
I
(8.27)
290
8 Loslichkeitspurumeter, Log P, LSER, M-Zuhlen
Zu envahnen sind die Ansatze von Meylan und Howard [47], Hansch und Leo [48], Rekker und de Kort [49], Niemi et al. [50], Klopman et al. [51], Suzuki und Kudo [52], Ghose et al. [53], Bodor und Huang [54], Broto et al. [55]. Die Methode von Meylan und Howard ist statistisch besser untermauert als die iibrigen, mit einem Validierungs-Dataset von 7 167 Substanzen. Die Hansch und LeoMethode, obschon auch gut, wurde jedoch validiert unter Ausschluss von 10 ‘YODaten von schlecht voraussagbaren Substanzen. Die Rekker-Methode ergab eine gute Korrelation mit einem ‘l’rainingsset von 1054 Substanzen, wurde jedoch praktisch nicht validiert. Die Durchfiihrung der log P-Berechnung erfolgt meist mit kommerzieller Computersoftware, da ohne diese Hilfe wegen der vielen anzubringenden Korrekturen nur mit grofier Erfahrung zuverlafiige Abschatzungen ermittelt werden konnen. Nahere Angaben sind in [46] zu finden.
8.8 LSER Wechselwirkungen in Losung sind in allen Bereichen der Chemie und Biologie von wichtiger Bedeutung. Molekiilkonformation, Assoziation, Reaktivitat, Lbslichkeit sind zu envahnen. Durch Parameter, welche Substanz und Umgebung beschreiben, versucht man die Wechselwirkungen quantitativ darzustellen, und den Einfluss hinsichtlich bestimmter Eigenschaften abzuschatzen. Wie im vorherigen Abschnitt envahnt, geschieht dies durch empirische Quantifizierung (QSAR) des komplexen Zusammenhanges zwischen solchen Parametern und einer gemessenen GroBe, z.B. im Biosektor die Fischtoxizitat oder im technischen Sektor die Tribofiagmentierung. Im Fall von log P als Substanzparameter diirften diese QSARs in Form von nichtlinearen Regressionen darzustellen sein, im Fall von LSERs sind es jedoch eher multiple lineare Regressionen. LSER (Linear Solvation Energy Relationship), das von Kamlet et al. [56] entwickelte Modell fur Losemitteleffekte, beruht auf der Vorstellung, dass im Losemittel eine Kavitat geformt werden muss, in welche ein von der zu losenden Substanz abgetrenntes Molekul eingelagert wird und dort Anziehungskraften ausgesetzt ist. Die Wechselwirkungen werden - wie in Kapitel 9 fur die Loslichkeit gezeigt - durch lineare Mehrparametergleichungen dargestellt. Eine Wechselwirkung bzw. Eigenschaft X kann wie folgt als LSER dargestellt werden:
(8.28)
Dabe i bedeuten : m.V , / I00: Kavitatsterm; er ist ein Man fur den endoergischen Prozess des Entfemens von Losemittel, um Platz f i r das einzulagernde Molekiil zu schaffen. V, ist dabei das intrinsische Molvolumen der einzulagernden Substanz. Durch Ska-
8.8LSER
291
lierung mit 1/100 wird diese Variable von ahnlicher GroOe wie die anderen. Dipolaritatsterm; ein MaR f i r die exoergischen Effekte von Molekiil/Losemittel-, Dipol/Dipol-, Dipohduzierter Dipol- Wechselwirkungen.
S.fl:
b.&: aa,,,:
Exoergischer Wasserstoffbriickenbindungstermf i r Molekiil als H-Akzeptor. Exoergischer Wasserstoffbriickenbindungsterm f i r Molekul als H-Donor (der Index m bedeutet dabei Monomer, f i r selbstassoziierende Molekiile miissen spezielle a und pvenvendet werden).
Angewandt wurde LSER von Kamlet et a]. in so verschiedenen Gebieten wie Verteilung im BWGewebe; Lbslichkeit in Polymeren; Toxizitat bei verschiedenen Spezies wie Bakterien, Kaulquappen oder Goldfischen; Irritation im Atmungstrakt von Mausen durch Reizstoffe; Adsorption an Aktivkohle; Effekte bei stationarer und mobiler Phase bei HPLC [56]. Als Beispiel einer LSER-Gleichung sei die aus [57] entnommene Gleichung (8.29) f i r ,,Pimephales Promelas" angegeben. Mithilfe von Messdaten und LSER-Parametern gemM Tabelle 8.8 und 8.9 wurde diese Gleichung durch multiple lineare Regression ermittelt.
log LC,,
=
-038 - 5.24. V, / I00 - 0.76. n'
+ 3.93. p,
-
0.83. a,
(8.29)
Im Biosektor sind die Wechselwirkungen mit Wasser von besonderem Interesse. In welchem Mal3 die einzelnen Terme dazu beitragen, ist f i r diverse Molekule in Tabelle 8.7 dargestellt. Insbesondere der Kavitatsterm (MolekiilgroOe) aber auch Wasserstoffbriickenbindungen sind von Wichtigkeit. Berechnete Losungsenergien bnv. Loslichkeiten stimmen im Rahmen der experimentellen Fehlerbereiche von Loslichkeitsbestimmungen mit den gemessenen Werten iiberein.
Tabelle 8.7. Laslichkeit in Wasser: Beitrage zur freien Losungsenergie f i r diverse Substanzen bei 25 "C nach dem LSER-Modell; aus [56]. Substanz
Kavitat
Pyridin +3.38 p-Nitroanilin +5.06 Benzoesaure +4.68 Benzylalkohol +4.57 1,4-Dinitrobenzol +5.55 Dibenz[ah]acridin +10.05 2.2'-Bichinolin + I 1.82
Dipolaritat -0.33 -0.33 -0.33 -0.33 -0.33 -0.33 -0.33
H-Briickenbindung Akzeptor Donor -3.51 0 -2.63 -0.98 -2.19 -1.66 -2.85 -0.73 -2.74 0 4.06 0 -7.01 0
Schmelzterm 0 +1.65 +1.32 0 +2.12 +2.74 +2.30
Total [kcal/mol] ber. exp. -0.46 -0.64 +2.77 +3.1 1 t1.82 +2.15 +0.66 +0.54 +4.60 +4.54 +9.34 +8.51 +6.78 +7.35
V,/lOO, Ir*, &, a,,, der einzelnen Substanzen werden aus Inkrementen f i r Molekiilsegmente durch Summierung berechnet. Diese aus [57] entnommenen Daten sind in den Tabellen 8.8 und 8.9 zusammengestellt.
292
8 Liislichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
Tabelle 8.8. LSER-Inkremente von Basisstrukturen (aus [57]). Fragment V1/100 rr' Aliphatrsche Basrsstrukturen n-Butan 0.455 0.00 n-Pentan 0.553 0.00 2-Methylbutan 0.543 0.00 n-llexan 0.648 0.00 2-Methylpentan 0.638 0.00 n-Heptan 0.745 0.00 2-Methylhexan 0.735 0.00 n-Octan 0.842 0.00 2-Methylheptan 0.832 0.00 2,2.4-Trimethylpentan ,812 0.00 Cyclopropan 0.310 4 . 0 2 Cyclobutan 0.450 -0.01 Cyclopentan 0.500 0.00 Aromatische Basisstrukturen Benzol 0.491 0.59 lndan 0.784 0.52 Tetrahydronaphthalin 0.883 0.50 Biphenyl 0.920 1.20 9H-Fluoren 0.960 1.18 Naphthalin 0.753 0.70 Azulen 0.753 0.90 Anthracen 1.015 0.81 Phenanthren 1.015 0.81 Furan 0.370 0.40
rr'
A,
a,
Cyclohexan 0.598 Cycloheptan 0.690 Cyclooctan 0.815 Octahydro-l H-inden ,884 Decahydronaphthalin.982 Ethylenoxid 0.249 Tetrahydrofuran 0.455 Tetrahydropropan 0.553 1,4-Dioxan 0.508 Tetrahydrothiophen 0.509 Pyrrolidin 0.460 lmidazolidin 0.431 Piperidin 0.556
0.00 0.00 0.00 0.02 0.00 0.56 0.58 0.51 0.55 044 0.14 0.27 0.17
0.00 0.00 000 0.00 0.00 0.50 0.51 0.50 0.41 0.27 0.70
0.00
Dibenzofuran Dibenzo-p-dioxin Thiophen Pyrrol Imidazol Pyridin Pyridazin Pyrimidin Pyrazin Triazin
060 045 070 074 087 087 035 087 092
a,
Fragment
0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00
0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0 00 0.00 0.00 0.00
0.14 0.14 0. I4 0.28 0.25 0.20 0.35 0.20 0.20 0.35
0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00
V1/lOO
1 581 1 616
0 445 0 428 0 401 0 472 0 451 0 451 0 541 0 430
1 15
0.54 0.70 030 060 025 069 064 043 054 064 069 072
0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 000
000 000 041 041 000 000 000 000 000
Tabelle 8.9. LSER-Inkremente von Substituenten (aus [57]). Fragment V,/lOO KW 1-3 -CH; ar0.098 4-6 i ' H 3 ar0.098 ar0.098 1-3 -CH4-6 -Cllzar0.098 -CHI, -Ctlz-. X H - , >C< (prim., sec.) al 0.098 (tert.. quart.) al 0.088 -Chi I( 0.491 PC(ChH5)j 1.485
rr'
a,
4.04 -0.04 -0.02 4.02
0.01 0.02 0.01 0.02
0 00 0.00 0.00 000
0.00 0.00 0.59 1.45
0.00 0.00 0.14 0.40
0.00 0.00 0.00
0 08 0.03 0.04 0.25 0.35 0 12 0.05 0.04 0.35
0.19 -0.05 0.09 4.25 0.15 4.04 -0.05 0 09 -0.15
0.06 0.08 0.00 0.15 0 06 0.00 0.00 0.00 0.15
Fragment V~iIOO Ungesattigte und Salze Olefin 4,026 Alkyn 4.036 -C-CCH? 0.315 lonenpaar(+,-) 0.000
a,
rr* 0.10 0.20 0.20 0.50
0.10 0.20 0.17 0.50
0.35 0.35 0.43 0.20 0.04 0.04 0.38 0.05
-0.10 -0.10 0.17 4.08 4.04 0.07 0 05 -0.05
0.05 0 13 0.13
0.00
0.00
IMogent.
-r: -CF1 -C I
-CCI,
al 0.030 ar 0.030 py 0.030 0.188 al 0.090 ar 0090 ar + as 0.090 py 0.090 al 0.368
-XI? -Br
-ClfzBr
ar0.368 py 0.368 al 0.131 arO 131 ar + as 0 131 py 0.131 al 0.257 ar 0.257
0.15 0 10 0.05 0 10
0.00 0.07 0 00 0.00
8.8LSER
293
(Fortsetzung der Tabelle 8.9) Fraernent -CBo
a,
a,"
Fraernent
0.40 0.40 0.40
4.10 -0.10 4.10
0.12 0.15 0.10
-I
0.40 0.45 0.13 0.41 0.27 0.54 0.10 0.28 0.81 0.67 0.30 0.76 0.39 0.69 0.65 0.33 0.33 0.65 0.55 0.62 0.55 0.60 0.15 0.55 0.61 0.55 0.55 0.68 0.17 0.50 0.56 0.65
0.47 0.51 0.23 0.36 0.45 0.51 0.22 0.34 0.65 0.48 0.35 0.52 0.39 0.43 0.41 0.33 0.42 0.38 0.25 0.37 0.30 0.45 0.30 0.25 0.34 0.45 0.49 0.51 0.29 0.30 0.34 0 55
0.33 0.31 0.60 0.40 0.00 0.00 0.06 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.06 0.00 0.00 0.00 0.00 0.65 0.05 0.00 0.00 0.55 0.59 0.05 0.62 0.12 0.12 0.12 0.12 0.00 0.12 0.00
4c(=o)ooC(=o)cr
0.35 0.35 0.36 0.58 1.00 1.00
0.16 0.02 0.28 0.10 0.78 0.62
0.95 0.35 0.85 0.72 0.30 0.95 0.91
0.74 0.65 0.74 0.70 0.65 0.65 0.67
v1/100 7P al 0.491
ar 0.491 py 0.491
Ow-,Carboxyderrvafe -OH al 0.045 a1 + an 0.045 ar 0.045 -0OH 0.080 -0a1 0.045 a1 + in 0.045 ar 0.045 -000.080 :c=o 0.098 al 0.098 -C(=Ot al + as 0.098 al + in 0.098 ar 0.098 HC(=O)H 0. I40 -C(=O)H a1 0.115 al+as 0.115 ar 0.115 HC(=O)OH 0.224 HC(=O)SH 0.294 -OC(=O)H 0.225 -SC(q)H 0.294 al 0.139 <(=O)OH ar 0.149 <(=O)SH 0.294 -C(=O)OOH 0.174 <(=0)0al 0.139 a1 + an 0.139 la+ in 0.139 ar 0.139 <(=O)S0.294 -C(=O)OG 0.174 -C(=O)OC(=Ot 0.395 Schwefelverbindungen -SH a1 0.117 ar 0.117 -S0.1 17 -ss0.234 -S(=OF al 0.150 ar 0.154 Amme, Imrde, Nifrrle -C(=O)NH2 a1 0.185 ar 0.185 -C(=O)NHa1 0.183 la+in 0.183 ar 0.183 HC(=O)NH2 0.185 -HNC(=O)H 0.185
a,
a,
0.45 0.22 0.04 0.04
0.18 0.02 -0.04 0.05
0.04 0.10 0.00 0.05
0.522 <(=O)OOC(=O)- 0.430 -0C(=O)@ 0.185 -OC(=O)OH 0.185 HOC(=O)OH 0.185 -OC(=O)SH 0.339 -0C(=O)S0.339 -SC(=O)OH 0.339 HSC(=O)SH 0.374 -SC(=O)SH 0.374 -SC(=O)S0.374 -OC(=O)NH2 0.202 -SC(=O)NH2 0.312 -HNC(=O)OH 0.202 -HNC(=O)SH 0.3 12 4c(=O)NH- al 0.202 ar 0.202 -OC(=S)NH0.270 -HNC(=O)S0.3 12 -SC(=O)NH0.312 >NC(=O)OH 0.202 >NC(=S)OH 0.312 >NC(=O)00.228 >NC(=O)S0.312 H2NC(=O)NH2 0.265 -HNC(=O)NH2 0.265 >NC(=O)NH2 0.265 -HNC(=O)NH0.265 -HNC(=S)NH0.307 >NC(=O)NH0.265 >NC(=O)N< 0.265
0.46 0.66 0.45 0.55 0.45 0.45 0.42 0.35 0.35 0.45 0.35 0.48 0.52 0.78 0.50 0.76 0.76 0.56 0.50 0.53 0.76 0.48 0.75 0.48 0.90 0.89 0.88 0.87 0.67 0.85 0.83
0.30 0.44 0.38 0.48 0.60 0.35 0.30 0.38 0.45 0.38 0.33 0.78 0.65 0.82 0.63 0.62 0.57 0.42 0.63 0.40 0.84 0.62 0.65 0.60 0.74 0.75 0.77 0.77 0.55 0.78 0.74
0.12 0.00 0.12 0.55 0.65 0.15 0.14 0.50 0.10 0.05 0.00 0.55 0.38 0.70 0.23 0.36 0.36 0.36 0.19 0.39 0.60 0.05 0.00 0.00 0.76 0.65 0.38 0.38 0.38 0.19 0.00
0.03 0.23 0.00 0.00 0.00 0.00
-S(=0)20-
0.221 0.250 al 0.170 ar 0.174 0.270 0.266
0.85 0.70 1.00 1.00 0.70 1.00
0.55 1.02 0.48 0.42 0.72 0.76
0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.75
0.56 0.49 0.25 0.28 0.30 0.49 0.25
<(=S)NH-
al 0.225 ar 0.225 -C(=O)N< al 0.183 la+ in 0.183 ar0.185 -N%< 0.152 >C=NOH 0.197
0.65 0.65 0.76 0.74 0.35 0.30 0.55
0.52 0.48 0.66 0.80 0.65 0.75 0.45
0.31 0.44 0.00 0.00 0.00 0.00 0.32
Vd100 7P al 0.181
arO.181 ar+as 0.181
py 0.181
-OS(=O)0-S(=0)2-0S(=0)2Q-SO3H
294
8 Loslichkeitspararneter, Log P, LSER, M-Zahlen
(Fortsetzung der 'Tabelle 8.9) Fragment >NC( =O)H -C(=O)NHC(=Ot -C(=O)N(R)C(=O)-N=CH2 -N=CH-
VI/l00 0.185 0.430 0.430 0.152 0.152
rr* 0.80 0.70 0.65 0.45 0.35
,& 0.66 0.60 0.70 0.80 0.78
a, 0.00 0.33 0.00 0.15 0.10
Fragment -N=C=O -N=C=S -C=N
0.32 0.13 0.25 0.13 0.15 0.13 0.75 0.55 0.60 0.45 0.65 0.65 0.50 0.33 0.30 030 0.15 0.56 0.26
0.69 0.38 0.70 0.30 0.65 0.73 0.90 0.90 0.85 0.85 0.90 0.90 0.85 0.85 0.80 0.75 0.15 0.93 0.83
0.00 0.26 0.00 0.17 0.00 0.00 0 15 0.45 0.05 0.35 0.15 0.20 0.00 0.17 0.00 0.00 0.00 0.26 0.46
-NHG
0.30 0.30 0.90 0.90 0.45 045 0.75 0.75 0.65 0.65 0.00 0.00
0.65 0.75 1.05 0.92 0.72 0.50 0.75 0.55 0.77 0.62 0.00 0.00
0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00
V,/lOO 0.206 0.278 al 0.100 ar 0.099 py 0.099
0.75 0.63 0.65 0.20 0.20
0.35 0.22 0.44 0.37 0.37
a, 0.00 0.00 0 22 022 020
al 0.130 ar 0.120 al 0.128 ar 0.1 I6 al 0.130 ar 0.116 al 0.200 ar 0.188 al 0.200 ar 0.188 al 0.198 ar 0.178 al 0.198 ar 0.178 0.100 al 0.140 al + as 0.140 ar 0.140 ar+as0.140
0.52 0.35 0.35 0.35 0.35 0.35 0.65 0.55 0.60 0.45 0.45 0.40 0.45 0.45 0.50 0.79 0.35 0.42 0.10
0.90 0.80 0.90 0.70 0.90 0.70 0.80 0.60 0.75 0.55 0.85 0.45 0.70 0.50 0.15 0.25 0.20 0 20 0.25
0.05 0.22 0.05 0.05 0.14 0.14 0.10 0 25 0.00 0 17 0 00 0.00 0.05 0.05 0.00 0.12 0.00 0.16 0.16
0.237 al 0.387 ar 0.387 (-0)(-S)2P=O 0.459 0 459 (-0)2(-S)P=S (-O)(-S)2P=S 0.531 (-O)(R)(R')P=O 0.235 (-O),(HO),P=O 0.270 (>N)3P=O 0.420 (>N)3P=S 0.462 %Sn al 0.240 ar 0.220
0.75 0.60 0.60 0.55 0.55 0 50 0.85 0.85 095 1.40 0 10 0.10
0.47 0.38 0.92 0.90 1.02 1.07 0.70 0.60 1.87 2.55 0.05 0.05
0.00 0 00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.75 0.00 0.00 0.00 0 00
ric
Amme. Hydrazme
-NH2
-NH-
-N< -N ti-NH2 -NI-I-NH>N-NH2 >N-NH>N-N<
-N=N-NHOH
al 0.080 ar 0.080 al 0.080 ar 0.080 al 0.080 ar 0.080 al 0.150 ar 0.138 al 0.150 ar 0.138 al 0.150 ar 0.138 al 0.150 ar 0.138 al 0.150 ar 0.138 0.125 al 0.130 ar 0.130
>NG >NOH
-NHSH -NHS>NS>NSH -N=O -NO2
Anorganrsche Gruppen
RJ' R?P=O (-0)iP (-O)z(R)P=O (-O),P=O
RJSI
al ar al ar al ar al ar al ar al ar
0.160 0.160 0.195 0 195 0 295 0.295 0270 0.270 0.315 0 315 0 208 0 188
R P S (-O)3P=S
al: aliphatisch; ar: arornatisch; py: Pyridin; as: andere Substituenten; an: an einem Ring; in: in einem Ring; la: Lacton.
Zur Berechnung der LSER-Parameter denkt man sich das betreffende Molekiil in Fragmente zerlegt und summiert die Werte der einzelnen Fragmente. So ergibt sich z.B. der p,,,-Wert von 3-Trifluormethyl-5-cyano-phenolzu: 0.14 + 0.23 + 0.37 0.25 = 0.49 (Summierung der p,-Werte von Benzol, -OH, -CN, -CF3). Bei einigen Molekulen mit mehreren Substituenten konnen unrealistische Werte fur 9 ,p,, a;,anfallen. Fur Moglichkeiten zur Korrektur sei auf [57]venviesen. -
8.9. M-Zahlen
295
8.9 M-Zahlen Wer eher daran interessiert ist, rasch abzuschatzen, ob organische Fliissigkeiten miteinander mischbar sind, kann dies mittels M-Zahlen tun. Godfrey [58] wghlte eine Reihe von 3 1 Standard-Losemitteln aus und ordnete sie entsprechend ihrer ,,Lipophilie " oder Affinitat f i r ,,ol-ahnliche Substanzen". Ihre Ordnungszahlen 1-3 1 wurden als M-Zahlen (Mischbarkeitszahlen) bezeichnet, und hinsichtlich Mischbarkeit wurde folgendes festgestellt: - Alle Paare von Standard-Losemitteln, deren M-Zahlen um weniger als 16 Einheiten differieren, sind ineinander mischbar. - Jedes Paar mit einem Unterschied in den M-Zahlen von 16 zeigt eine kritische Entmischungstemperatur zwischen 25 "C und 75 "C. - Eine Differenz von 17 und mehr deutet auf Unmischbarkeit oder eine Entmischungstemperatur > 75 "C. Ordnet man die Losemittel in einem Diagramm gemal3 Abb. 8.8, so ergeben sich zwei klar abgegrenzte Bereiche f i r Mischbarkeit und Unmischbarkeit. Dabei entsprechen die Quadrate an der Hypothenuse des Dreieck-Bereiches den reinen Ldsemitteln, die Quadrate in den Schnittpunkten j e einer horizontalen und vertikalen Linie den Mischungen der entsprechenden Losemittel.
2-Dichlorethan 2-Tetrachlorethan
1 Glycerin
Abb. 8.8. M-Zahlen: Mischbarkeit der Standard-Losemittel [ 5 8 ] .
296
8 Loslichkeitspurumeter, Log P,LSER, M-Zuhlen
Mithilfe der definierten Standardlosemittel wurden viele organische Flussigkeiten auf ihre Mischbarkeit getestet und ihnen dementsprechend eine M-Zahl zugeordnet. Die Daten sind in Tabelle 8.10 zusammengestellt. Fur diese Flussigkeiten gilt ebenfalls, dass sie mischbar sind, wenn ihre M-Zahlen sich um weniger als 16 Einheiten unterscheiden. Bei einigen Flussigkeiten der Tabelle sind zwei Zahlen angegeben. Solche Flussigkeiten sind unmischbar mit Losemitteln an beiden Enden der Lipophilie-Skala. Die groaere Zahl definiert die Mischbarkeitsgrenze nach tieferen M-Zahlen, und umgekehrt. Diethylenglycoldiacetat (M-Zahlen 12, 19) ist dementsprechend mischbar mit Losemitteln des M-Wertes zwischen (19 - IS) und (12 + IS), also 4-27. Als Extremfall sei das Zahlenpaar (0, 32) envahnt. Eine solche Flussigkeit ware unmischbar mit allen Standardlosemitteln.
Tabelle 8.10. M-Zahlen von organischen Flussigkeiten; aus [ 5 8 ] . 15. 17 Aceton
12. 17 2,3-Butandion I -Butanol
I I . 17 Acetonitril
I5
15, 18 Acetophenon
16
II
16
N-Acetylmorpholin 14. 18 Acrylonitril 8, 19 Adiponitril 14 Allylalkohol Allylether 22 13 2-Allyloxyethanol Ameisenslure 3 2 2-Aminoethanol 5 Aminoethylethanolamin 2-(2-Aminoethoxy)ethanol 2 I -Amino-2-propanol 6 25 12 20 15, 19
21 15.1’) 13
15-21 29 6 15, 17
I I , I9 21 6 4 3
2-Butanol Butox yet hanol
15, 17 iso-Butoxyethanol 2-(2-Butoxyethoxy)ethanol 15 22 n-Butylacetat 21 iso-Butylacetat 22 sec-Butylacetat 15 iso-Butylalkohol 16 t-Butylalkohol iso-Butyl-iso-butyrat 23 26 n-Butylether 19 Butylformiat Hutylmethacrylat sec-Amy1benzol 23 Butyloleat Anilin 28 Anisol 26 Butylsulfid Buttersaure Benzaldehyd 16 10 Benzol Butyrolacton Benzonitril 14, 19 Butyronitril Chlorbenrol Benqlalkohol 21 Chloroform Benzyl benzoat 19 a-Chlortoluol Bicyclohexyl 20 Cyclohexan Bis(2-hydroxypropyl)maleat28 C yclohexancarbonslure Bis(2-methoxyethy1)ether 16 Cyclohexanol Bis(2-methoxyethy1)phthalat 16 Cyclohexanon Brombenzol 17 1.2-Rutandiol 26 Cyclohexen 1.3-Hutandiol 29 Cyclooctan Cycloocten 1.4-Butandiol 21
29
Decalin
29
Decan
18
1 -Decanol
29
1 -Decen Diacetonalkohol Diallyladipat 1,2-Dibutoxyethan N,N-Dibutylacetamid Di-iso-butylketon Dibutylmaleat Dibutylphthalat Dichloressigslurc o-Dichlorbenzol 1.2-Dichlorethan Dichlormethan 1,3-Dichlor-2-propanoI Dicyclopentadien Didecylphthalat
14
21 25 17 23 22 22 13 21 20 20 12 26 26 1 26 14 19
21
Diethanolamin Dimethoxydimethylsilan N.N-Diethylacetamid Diethyladipat Diethylcarbonat
Diethylenglycol 5 12, 19 Diethylenglycoldiacetat 9 I8 14, 20 13. 20
12, 21
Diethylentriamin Diethylketon Diethyloxalat Diethylphthalat Diethylsulfat
8.9. M-Zahlen
291
(Fortsetzung der Tabelle 8.10) 17 17 13
10
14 14, 19 12 12, 19 11, 19 12, 19 16 16 22 12, 17 9 24 17 15,19 26 23 25 11
23 12. 17 29 18 29 14, 19 IS, 19 14 12, 19 5
14 14 13 15, 19 19 13, 19 24 21 17 22 6, I7
2,s-Dihydrofuran 9 1,2-Dimethoxyethan 2 N,N-Dimethylacetamid 12, 19 N,N-Dimethylacetoacetamid8, 17 10, 19 2-Dimethylaminoethanol 23 Dimethylcarbonat 9 Dimethylformamid 15, 19 Dimethylmaleat 14, 17 Dimethylmalonat 17 Dimethylphthalat 23 1,4-Dimethylpiperazin 14 2,s-Dimethylpyrazin 16 Dimethylsebacat 23 2,4-Dimethylsulfolan 21 Dimethylsulfoxid 13 Dioctylphthalat 21 p-Dioxan 20 p-Dioxen 21 Dipenten 3 Diphenylmethan 10 Di-iso-propylbenzol 20 Dipropylenglycol I I , 17 Di-iso-propylketon II Dipropylsulfon 1 Dodecan 3 1-Dodecanol 13, 19 I -Dodecen 29 Epichlorhydrin 17 Epoxyethylbenzol 22 Essigsaure Essigsaureanhydrid 23 28 Ethansulfons aure 26 Ethanol 30 2-Ethoxyethanol 2-(2-Ethoxyethoxy)ethanol 29 2-Ethoxyethylacetat 15 Ethylacetat 29 Ethylacetoacetat 5 Ethylbenzol 12, 17 Ethylbenzoat 2 2-Ethyl butan01 17 Ethylbutyrat 21 Ethylencarbonat 2
Ethylendiamin Ethylenglycol Ethylenglycoldiacetat Ethylenglycoldiformiat Ethylenmonothiocarbonat Ethylether Ethylformamid Ethylformiat 2-Ethyl- 1,3-hexandiol 2-Ethylhexanol Ethylhexanoat Ethyllactat N-Ethylmorpholin Ethylorthoformat Ethylpropionat Ethylthioethanol 2-Ethyltrichloracetat Fluorbenzol 1-Fluomaphthalin Formamid N-Formylmorpholin Furan Furfural Furfurylalkohol Glycerin Glycerincarbonat Glycidylphenylether Heptan 1-Heptanol 3-Heptanon 4-Heptanon 1-Hepten Hexachlorbutadien Hexadecan 1-Hexadecen Hexamethylphosphoramid Hexan 2,s-Hexandiol 2,s-Hexandion 1,2,6-Hexantriol I -Hexanol I -Hexen 2-Hydroxyethylcarbamat
1
12 3 14, 17 22 22 21 18 25 30 29 14 9 24 18
15, 19
4 12 8 11, 19 14 13 12 14, 17 5
IS I I , 17
IS 10
15, 17 19 I1 19 27 26 19 13, 19 8, 17 29 27 28 17 14, 19
2-Hydroxyethylformamid 2-Hydroxyethylmethacrylat 2-Hydroxypropylcarbamat Hydroxypropylmethacrylat lodbenzol Iodethan lodmethan Isophoron lsopren Kerosin Kokosbl p-Kresol 2-Mercaptoethanol Mesitylen Mesityloxid Methacrylnitril Methansulfonsaure Methanol Methoxyessigsaure Methoxyacetonitril 3-Methoxybutanol 2-Methoxyethanol 2-(Methoxyethoxy)ethanol 2-Methoxyethylacetat 3-Methoxy-l,2-propandiol I -Methoxy-2-propanol 3-Methoxypropionitril 3-Methoxypropylamin 3-Methoxypropylformamid Methylacetat Methylal 2-Methylaminoethanol Methyl-iso-amylketon 2-Methyl-I-buten 2-Methyl-2-buten Methyl-iso-butylketon Methylchloracetat Methylcyanoacetat Methylcyclohexan 1-Methylcyclohexen Methylcyclopentan Methylethylketon Methvlformiat ,
298
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
(Fortsetzung der Tabelle 8.10) 8 20
2,2'-Methyliminodiethanol
17
1 -Pentanol
17
Methylmethacrylat
23
Pentylacetat
13
Tetrahydro furan Tetrahydrofurfurylal kohol 'Tetrahydrothiophen
13
Methylmethoxyacetat
16
t-Pentylalkohol
21
16
N-Methylmorpholin
26
Pentylether
24
Tetralin
22
1 -Methylnaphthalin
20
Phenetol
29
Tetramethylsilan
26
Methyloleat
Tetramethyl harnstoff
5-Methyloxazolidinon
2-Phenoxyethanol 12 13, 17 I -Phenoxy-2-propanol 12, 19 Phenylacetonitril 10 Phenylethanolamin 22 Phenylether 16 2-Picolin 14 PPG-400 14.23 PPG-I 000 II Propandiamin 3 I ,3-Propandiol 4 I ,2-Propandiol 7, 19 Propansulton IS 1 -Propano1 15 2-Propanol 19 iso-Propenylacetat 15 Propionsaure 13, 17 Propionitril 19 Propylacetat 19 iso-Propylacetat 24 iso-Propylbentol 9, 17 Propylencarbonat 17 Propylenoxid 26 iso-l'ropylether 16 Pyridin 10 Pyrrolidinon 25 Kizinusol 26 Schwefelkohlenstoff 22 Styrol 9, 17 Sulfolan 13. 19 I , l,Z,Z-Tetrahromoethan 19 I , 1.2,2-Tetrachlorethan 25 Tctrachlorethylen 24 Tetrachlorkohlenstoff 30 'letradecan 29 1-Tetradecen 7 Tetraethylenglycol 9 'tetraethylen pentamin 23 Tetraethvlorthosilikat
15
7 29 29
29 4
Tetrapropylen 2,2'-Thiodiethanol
14 17 28 27 13 26 23 10. 17 14 14.20 13.20 10.19 IS. 20 17
17 30 27 29 26 17 17 22 28 28 6 7 7 X 25 7 9 9 3 12. 18
2-methyl pentan 3-methyl pentan 2-Methyl-2,4-pentandiol 4-Methyl-2-pentanol 4-Methyl- I -penten cis-4-Methyl-2-penten I -Methyl-2-pyrrolidinon Methylstearat a-Methylstyrol 3-Methylsulfolan Morpholin Nitrobenzol Nitroethan Nitromethan 2-N itropropan I -Nonanol Nonylphenol I -0ctadecen 1.7-Octadien Octan I -0ctanthiol 1 -0ctanol 2-Octanol 2-Octanon 1 -0cten trans-2-Octen 3,3'-Oxydipropionitril PEG-200 PEG300 PEG600 I .3-Pentadien Pentaethylenglycol Pentaethylenhexamin Pentafluorethanol I ,S-Pentandiol 2.4-Pentandion
8 I , I'-Thiodi-2-propanol 6, 19 3,3'-Thiodipropionitril 20 'Thiophen 23 1 1 , I9
28 18 24 22 19 20 20 21 2 26 25 6 9 14
29 16 12 29 27 27 10
26 12 20 22 26 26 23 23 24
Toluol Triacetin Tributylamin Tributylphosphat I ,2,4-Trichlorbenzol I , I , 1 -Trichlorethan I , 1,2-Trichlorethan 'Trichlorethylen 1,2,3-Trichlorpropan 'l'ricresylphosphat Triethanolamin Triethylamin Triethylbenzol 'Triethylenglycol 'frieth ylentetramin Triethylphosphat Triisobutylen Trimethyl borat 'Trimethylnitrilotripropionat
2.2.4-Trimethylpentan 2,4,4-Trimethyl- I -penten 2,2,4-Trimethyl-2-penten Trimethylphosphat Tripropylamin Tripropylenglycol Vinylacetat Vinylbutyrat 4-Vinylcyclohexen Vinylidennorbornen m-Xylol 0-Xylol n-Xvlol
8.9. M-Zahlen
299
Literatur zu Kapitel 8: J. H. Hildebrand, R. L. Scott, The Solubility of Nonelectrolytes, 3rded., Dover Publications, Inc., New York, 1964. G. Scatchard, J. Am. Chem. SOC.56,995 (1934). E. B. Bagley, T. B. Nelson, J. M. Scigliano, J. Paint Technol. 43, 35 (1971); J. Phys. Chem. 77,2794 (1973). R. F. Blanks, J. M. Prausnitz, Ind. Eng. Chem. Fundam. 3, 1 (1 964). R. A. Keller, B. L. Karger, L. R. Snyder, Gas Chromatogr. Proc. Int. Symp. (Eur.) 8, 125 (1971). H. Burrell, Interchem. Rev. 14, 3, 31 (1955). J. D. Crowley, G. S. Teague, J. W. Lowe, J. Paint Technol. 38,269 (1 966). R. C. Nelson, R. W. Hemwall, G. D. Edwards, J. Paint Technol. 42, 636 ( 1 970). C. M. Hansen, J. Paint Technol. 39, 104, 505 (1967). C. M. Hansen, K. Skaarup, J. Paint Technol. 39,5 11 (1 967). A. F. M. Barton, CRC Handbook of Solubility Parameters and Other Cohesion Parameters, CRC Press, Bocca Raton FL, 1983. R. F. Fedors, Polym. Eng. Sci. 14, 147,472 (1974). 0. Exner, Collect. Czech. Chem. Commun. 32, 1 (1967). D. W. van Krevelen, P. J. Hoftyzer, Properties of Polymers: Their Estimation and Correlation with Chemical Structure, 2nded., Elsevier, Amsterdam, 1976. C. M. Hansen, A. Beerbower, Solubility Parameters, in Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology Supp. Vol., 2"d ed., Interscience, New York, 197 I . R. A. Orwoll, Rubber Chem. Technol. 50,45 1 (1977). P. J. Flory, J. Chem. Phys. 10, 51 (1942). P.J. Flory, Principles of Polymer Chemistry, Cornell University Press, Ithaca, NY, 1953. P. A. Small, J. Appl. Chem. 3,71 (1953). A. Beerbower, J. R. Dickey, Am. SOC.Lubric. Eng. Trans. 12, 1 (1969). G. Walz, G. Emrich, Kunstharz Nachr. (Hochst) 34(8), 19 (1 975). J. P. Teas, J. Paint Technol. 40, 19 (1968). J. L. Gardon, J. P. Teas, Treatise on Coatings, Vol. 2, Characterization of Coatings: Physical Techniques (R. R. Myers, J. S. Long, Eds.), Marcel Dekker, New York, 1976. H. Ahmad, M. Yaseen, Polym. Eng. Sci. 19, 858 (1979). R. F. Boyer, H. Keskkula, in Encyclopedia of Polymer Science and Technology, Vol. 13, John Wiley & Sons, New York, 1970. W. Sliwka, Angew. Chem. Int. Ed. 14,538 (1975). L. Broens, D. M. Koenhen, C. A. Smolders, Desalination 22, 205 ( 1 977). A. Beerbower, D. A. Pattison, G. D. Staffin, Am. SOC.Lubric. Eng. Trans. 6, 80 (1 963). 0. Olabisi, J. Appl. Polym. Sci. 22, 1021 (1978). D. J. David, T. F. Sincock, Polymer 33,4505 (1 992). J. Sevestre, Peint. Pigments Vernis. 42, 838 (1966). F. Higashide, K. Omata, Y. Nozowa, H. Yoshioka, J. Polym. Sci. Polym. Chem. 15,2019 (1977).
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
C. M. Hansen, J. Paint Technol. 39, 505 (1967). C. M. Blow, Polymer 14,309 (1973). H. T. Dellicolli, in Controlled Release Pesticides (Am. Chem. SOC.Symp. Ser. 53), (H. B. Scher, Ed.), American Chemical Society, Washington D.C., 1977. A. M. Thomas, Agric. Food Chem. 12,442 (1964). S. A. Simon, W. L. Stone, P. B. Bennett, Biochim. Biophys. Acta 550, 38 (1979). P. Schmid, Physiol. Chem. Phys. 5, 141 (1973). A. S. Michaels, P. S. L. Wong, R. Prather, R. M. Gale, Am. Inst. Chem. Eng. J. 21, 1073 (1975).
E. Squillante, T. E. Needham, H. Zia, Proc. Int. Symp. Controlled Release Bioact. Mater. 19Ih, 495 (J. Kopecek, Ed.), Controlled Release SOC.,Deerfield, Ill, 1992. D. H. Kaelble, J. Moacanin, Med. Biol. Eng. Comput. 17, 593 ( 1 979). M. J. Lever, K. W. Miller, W. D. M. Patton, E. B. Smith, Nature (London) 231, 368 (1971).
A. Cammarata, S. J. Yau, K. S. Rogers, Pure Appl. Chem. 35, 495 (1973). C. Hansch, in Structure-Activity Relationships (C. J. Cavallito, Ed.), Pergamon Press, Oxford, 1973. R. Osman, H . Weinstein, J. P. Green, in Computer-Assisted Drug Design (Am. Chem. SOC.Symp. Ser. 112), (E. C. Olson, R. E. Christoffersen, Eds.), American Chemical Society, Wahington D.C., 1972. W. M. Meylan, P. H. Howard, in Techniques in Aquatic Toxicology (G. K. Ostrander, Ed.) CRC Press, Inc., Boca Raton FL, 1996. W. M. Meylan, P. H. Howard, J . Pharm. Sci. 84, 83 (1995). C. Hansch, A. J. Leo, Substituent Constants for Correlation Analysis in Chemistry and Biology, John Wiley & Sons, New York, 1979. R. F. Rekker, H. M. de Kort, Eur. J . Med. Chem. 14,479 (1979). G. J. Niemi, S. C. Basak, G. D. Veith, G. Grunwald, Environ. Toxicol. Chem. 11, 893 (1992). G. Klopman, J. Y. Li, S. Wang, M. Dimayuga, J. Chem. Inf. Comput. Sci. 34,752 (1 994). T. Suzuki, Y. Kudo, J. Computer-Aided Mol. Design 4, 155 ( I 990). A. K. Ghose, A. Pritchett, G. M. Crippen, J. Computational Chem. 9, 80 (1 988). N. Bodor, M. J. Huang, J . Pharm. Sci. 81,272 (1992). P. Broto, G. Moreau, C. Vandycke, Eur. J. Med. Chem. 19, 71 ( 1 984). M. J. Kamlet, in Progress in Physical Organic Chemistry 19 (R. W. Taft, Ed.), John Wiley & Sons, Inc., New York, 1993.
J. P. Hickey, in Techniques in Aquatic Toxicology (G. K. Ostrander, Ed.), CRC Press, Inc., Boca Raton FL, 1996. N. B. Godfrev. Chemtech. June 1972.359.
9 Loslichkeit, Kristallisation
9.1 Loslichkeit Die Eigenschaften von Wirkstoffen in Formulierungen (Pharmazeutika, Kosmetika, Agrochemikalien, Farbstoffe, Nahrungs- und Genussmittel, usw.) hangen in erheblichem Malj von ihrem Aggregatszustand ab. Wenn eine formulierte Substanz mbglichst rasch durch Diffusion zu einem Target gelangen SOH,so muss der Wirkstoff am besten als niederviskose Lbsung vorliegen. In Mikroemulsionen, Emulsionen, oder Zubereitungen in Form von Vesikeln ist der Stofftransport jedoch langsamer. Noch ungunstigere Verhaltnisse liegen vor, wenn der Wirkstoff in Form von Kristallen vorliegt. Einerseits ist der gelbste Anteil kleiner, was zu vermindertem Massentransport fiihrt, andererseits kann der Loseprozess geschwindigkeitsbestimmendsein. Muss jedoch eine chemische Reaktion wie Hydrolyse, Bindungsumlagerung, Photolyse, radikalischer Angriff usw. verhindert oder verlangsamt werden, so wird man eher Formulierungen in Form von kristallinem Material bevorzugen, weil der geschwindigkeitsbestimmende Schritt meistens die Reaktion in Losung ist. An der KristalloberflZiche nehmen die Molekiile oft eine ungiinstige Konformation f i r den Angriff ein. Im Vergleich zum fliissigen Wirkstoff ist aderdem zusatzlich die Kristallisationsenergie resp. Schmelzenthalpie zu beriicksichtigen. Reaktionen an Festkbrperoberflachen verlaufen deshalb im Allgemeinen langsamer als in Lbsung. So beruht die aderordentliche Lichtechtheit von organischen Pigmenten in vielen Fallen in der hohen Schmelzenthalpie, verbunden mit hohem Schmelzpunkt. Diese sind verantwortlich f i r geringe Lbslichkeit in den Bindematerialien, sodass praktisch nur an den Kristalloberflachen (energetisch gehinderte) Zersetzung eintreten kann. Nicht immer muss man aus Stabilitiitsgriinden kristalline Wirkstoffe einsetzen. In vielen Fallen kbnnen auch gelbste Wirkstoffe durch Zusatz von Antioxidantien und Lichtschutzmitteln vor photochemischen und radikalischen Angriffen geschiitzt werden. Ob Wirkstoffe in gelbster Form, als Fliissigkeit oder als Feststoffe formuliert werden - immer spielt die Lbslichkeit eine wichtige Rolle. Kenntnisse iiber die Lbsemittel- und Temperaturabhangigkeit, ebenso wie die Strukturabhhgigkeit sind f i r den Formulierer von Vorteil.
9.1.1 Thermodynamik der Loslichkeit Die Lbslichkeit von Feststoffen kann dargestellt werden durch folgende Formel:
302
9 Loslichkeit. Kristallisation
oder: logx=---4AH
a:
f X:
AHF R:
T: TF :
Aktivitat des gelbsten Stoffes Aktivitatskoeffizient des gelosten Stoffes Loslichkeit der Festsubstanz (als Molenbruch) Schmelzenthalpie Gaskonstante Temperatur der Losung Schmelzpunkt
Der erste Term in Gleichung (9.2) ist die ideale Loslichkeit. Die darin vorkommenden Parameter Schmelzenthalpie AHF und Schmelzpunkt TFhangen nur vom Festkorper ab und konnen normalerweise leicht experimentell mittels DSC (,,Differential Scanning Calorimetry") bestimmt werden. Die Losernittelabhangigkeit der Loslichkeit steckt irn Aktivitatskoeffizientenf;der f i r jede Kombination Feststoff/Losemittel wieder anders ist. Schmelzenthalpie und Schmelzpunkt sind normalerweise messbar, sodass die Loslichkeit f i r jede Temperatur berechnet werden kann, wenn man den Aktivitatskoeffizienten fder entsprechenden Kombination Feststoff/Losemittel kennt. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, thermodynamische Modelle zur Berechnung dieser Aktivitatskoeffizenten aus Struktur-Inkrementen f i r Losemittel und zu losenden Stoff zu berechnen. Erwahnt seien UNIFAC, SUPERFAC, NRTL, ASOG, MOSCED. Alle diese Modelle basieren auf der Mischung von Flussigkeiten. Denn statt eine Festsubstanz direkt zu losen, konnte man die Substanz zuerst schmelZen, dann abkuhlen zur Temperatur T als unterkuhlte Flussigkeit und schlussendlich mischen mit dem Losemittel. Beide Wege fuhrten zur gleichen Losung; Abb. 9. l . Gemalj diesem Gedankenexperiment beschreibt Gleichung (9.1) thermodynamisch das Mischen von zwei Flussigkeiten, namlich des hypothetisch geschmolzenen Feststoffes mit dem Losemittel. Referenzzustand f i r den Mischprozess ist also die Substanz, die beim Schmelpunkt TF geschmolzen und zur Mischtemperatur T abgekuhlt wurde. Eine solche hypothetische, gekiihlte Flussigkeit befande sich in einem energetisch hochangeregten Zustand und zeigte vollig andere Wechselwirkungen rnit den Mischungspartnern als ubliche Flussigkeiten. Dies ist auch der Grund, weshalb quantitative Loslichkeitsrnodelle nur fur Feststofle rnit kleiner Schrnelzenthalpie geeignet sind, wo also die hypothetisch unterkiihlten Flussigkeiten sich nicht wesentlich von normalen Fliissigkeiten unterscheiden. Schon niedermolekulare pharmazeutische Feststoffe zeigen weite Streubereiche in quantitativen Modellen [I], und noch extremere Abweichungen erhalt man rnit den schwerloslichen organischen Pigmenten, mit hohen Schmelzenthalpien und hohen Schmelzpunkten.
9. I Loslichkeit
Effektiver Loseproress: Loseproress: Effektiver
Pukr
303
Thermod hermodyna ynarn rniik: k: T ufteilung des Loseprozesses in Schrnelzen des Feststoffes und Mischen rnit Losemittel
Losemittel
\/ Unterkuhlte, hochenergetische Flussigkeit
Losung Abb. 9.1. Zwei Wege, urn einen Festkorper zu losen: a) Direktes Einriihren des Pulvers; b) Vor-
gtingiges Schmelzen des Pulvers, dann Mischen der beiden Flussigkeiten: Schmelze und Losemittel.
9.1.2 Temperaturabhangigkeit der Loslichkeit W2hrend es schwerlich gelingt, die Losemittelabhtingigkeit der Loslichkeit eines Feststoffes quantitativ mit einfachen Modellen zu erfassen, kann Gleichung (9.1) gut fiir die Temperaturabhangigkeit angewandt werden. Umgeformt erh2lt man, in exponentieller Form (C = Loslichkeit, z.B. in [g/l]):
oder logarithmiert:
9 Loslichkeit. Kristallisation
304
10gC = log K ,
K z
(9.4)
T
Gemal3 Gleichung (9.4) stellt log C als Funktion von I/T eine lineare Gleichung mit den Konstanten log K1 und K2 dar. Wie in Abb. 9.2 gezeigt, konnen die Konstanten aus der Geraden graphisch ermittelt werden, oder rechnerisch, mit zwei bei unterschiedlichen Temperaturen experimentell bestimmten Loslichkeitswerten C,( TI) und C,( Tz):
Loslichkeit in Chlorbenzol T [“CI
c [g/ll exp.
ber. mit
K, und K2 25 50 70
0.015 1.25 25.0
0.014 1.24 28.1
!
‘x 0.0029 0.0030 0.0031 0.0032 0.0033 0.01 34
0.01
1IT
[K-’1
Abb. 9.2. Loslichkeitsmessungen (Formel der Substanz in Abb. 9.4): Graphische Ermittlung der
Konstanten K2 aus der Steigung der Geraden. K,wurde durch Einsetzen von K , und T2 in Gleichung (9.3) berechnet.
Hat man die beiden Konstanten ermittelt, so kann die Loslichkeit f i r jede beliebige Temperatur nach Gleichung (9.3) berechnet werden. Allerdings wird man sich vorsichtigerweise zur Konstantenermittlung nicht nur auf zwei Loslichkeitsbestimmungen beschranken, sondern mit mindestens drei Werten in einem log C-I/T-Diagramm uberprii-
9.I Loslichkeit
305
fen, ob wirklich eine Gerade im interessierenden Bereich vorliegt. Protonierung, Assoziation, Komplexbildung usw. in Losung, aber auch Phasenubergange im Festkorper ktinnen Abweichungen von der Geraden verursachen. Noch einmal sei hier darauf hingewiesen, dass approximativ die Temperaturabhangigkeit in der Konstanten K2 und die L6semittelabhhgigkeit in der Konstanten K , der Gleichung (9.3) steckt; Abb. 9.3. Ob in Wasser, in einem 01, in Mizellen oder Vesikeln, oder in einem Polymeren gelbst, immer zeigt eine Substanz approximativ die gleiche relative Temperaturabhangigkeit, unabhangig vom Substrat, falls nicht eine chemische Vertinderung eintritt oder die gelbste Substanz im Gleichgewicht mit anderen gelasten Formen steht.
c = K, - lo-+\
/
Temperaturabhangigkeit
Losemittelabhangigkeit
Abb. 9.3. Liislichkeit: Trennung von Temperaturabhiingigkeit und Liisemittelabhagigkeit.
9.1.3 Festkorper-Phasenubergange Nicht selten kommt es vor, dass Festkorper sogenannte Phasenubergange eingehen. Beim Aufwarmen gehen solche festen Substanzen bei bestimmten Temperaturen in andere Ordnungszustande uber, wozu Energie zugefihrt werden muss. Abbildung 9.4zeigt einen solchen Fall. Dargestellt ist das kalorimetrische Verhalten eines Farbstoffes, der lange KW-Reste als Substituenten tragt. Im DSC-Diagramm sind auBer dem Schmelz-Peak bei 217.2 "C zwei Festkbrperphaseniibergtinge bei 106.2 "C und 168.8 "C feststellbar. Es ist ersichtlich, dass der erste Phaseniibergang vie1 mehr Energie benMigt als der eigentliche Schmelzvorgang. Beim vorgestellten Molekiil handelt es sich um partielles ,,Aufschmelzen" der KW-Ketten. Statt nur Gitterschwingungen auszuflken, rotieren die Ketten nun frei urn ihre Lhgsachsen im Kristallgitter. Im Allgemeinen Fall treten bei Festkorperphaseniibergtingen jedoch eher Gitterstrukturanderungen ein, statt partiellem Aufschmelzen von Molekiilresten. Nach erfolgtem FestkBrper-Phaseniibergang ist die Schmelzenthalpie AHF um den Betrag der Phasenilbergangsenthalpie AHHrr kleiner. Dementsprechend tindert sich gems Gleichung (9.1) die Loslichkeit sprunghaft. Im Beispiel wiirde die Loslichkeit beim ersten Phaseniibergang um das 15 000-fache ansteigen (falls moglich, j e nach Losemittel)!
9 Loslichkeit. Kristallisation
306
Versucht man eine solche Substanz durch Abkiihlen der ubersattigten Losung umzukristallisieren, mit dem Ziel, groBe Kristalle zu erzeugen, so gelingt dies nicht. Beim Unterschreiten der Phasenubergangstemperatur bilden sich sprunghaft viele kleine Kristalle. Es konnen aber auch weitere Anomalien aufh-eten: Kristallisation in anderen Modifikationen, anderer Kristallhabitus, andere Kristalldefekte, wie Verzwilligung, Einbau von Fremdmolekulen (Solid Solutions) etc.
T ["C] AH,,[kJ/Mol] 106.2 112.8 168.8 12.5 217.2 28.3
Phasenubergange 35.7 Aufschrnelzen der aliphatischen Kettei 3.4 .? 6.9 Schmelzpunkt
AS,JR
Schrnelz-
106.2"C I
1
100
I
150 Ternperatur ["C]
I
1
200
250
Abb. 9.4. DSC-Diagrarnrn einer kristallinen Substanz, die Festkorperphasenubergange aufweist. Beim ersten Phasenubergang bei 106.2 "C werden die KW-Ketten ,,aufgeschmolzen", die den groBten Anteil zur Gitterenergie beitragen. Die Loslichkeit wurde dabei urn das 15 000-fache ansteigen (falls rnoglich, je nach Losemittel; berechnet nach Gleichung 9. I). Die Transitionsentropie AST,/R ist von ahnlicher GroBenordnung wie bei entsprechenden Kohlenwasserstoffen [2].
9.1.4 Assoziatbildung in Losung Wie schon envahnt, sind allfallige, dem Auflosen nachgelagerte Gleichgewichtsprozesse zu berucksichtigen: Protonierung in protischen Losemitteln, Tautomerisierungen, Assoziatsbildung, usw. Alle diese Prozesse erhohen die Loslichkeit und zeigen j e nach Sub-
9.1 Loslichkeit
307
stanz unterschiedliche Temperaturabhiingigkeit.Dies kann sich in einer Kriimmung der log C-l/T-Kurve auswirken. Assoziate stehen untereinander im Gleichgewicht (MI Monomer, Mz Dimer, ...):
M , + M , e M,;
M,
+ MI e M 3 ;
..............
(9.7)
Die Konzentration an gelbster Substanz ist damit gegeben durch (C1: Monomerenkonzentration, ...., k2 Gleichgewichtskonstante fi,ir Dimere, ...): C=Cl+2C,+3C,+
....
= C , + 2 k , C ? + 3 k 3 C : + ....
(9.8)
Assoziate werden von einer zu Assoziation neigenden Substanz nicht in allen Losemitteln gebildet. Eine Substanz vermag beispielsweise vorzugsweise Assoziate in Alkoholen zu bilden, eine andere in aprotisch-polaren, wie Dimethylsulfoxid, eine dritte in apolaren Lbsemitteln. Abbildung 9.5 zeigt L6slichkeitsbestimmungenvon zwei Substanzen, bei denen die eine (a) in DMF stark assoziiert, wahrend die zweite (b) in nichtassoziierter Form vorliegt (Messmethode : siehe spgter).
Loslichkeitsmessungenin Dimethylformamid bei 25°C Loslichkeit: Monomer + Assoziate -10.5 mgll Losliche 0.6 Verunreinigungen
b)
0 c .-
Loslichkeit: 260 rngll
--
--.
,.
0.4 0.2
0 5 10 15, 20 Konzentration in Suspension [mgll]
<E 0
200 400 600 800 1000 Konzentration in Suspension [mg/l]
Abb. 9.5. LUslichkeitsbestimmungbei feinteiligen Pulvern: a) Substanz in Losung stark assoziiert; b) ohne feststellbare Assoziation.
9.1.5 Losemittelabhangigkeit der Loslichkeit; Substituenteneinfluss Wie bereits envahnt, basieren thermodynamische Modelle auf einem hypothetischen Schmelzen des Festkorpers, Abkilhlen auf die Losetemperatur und Mischen mit dem Lbsemittel. Wenn die Schmelzenthalpie klein ist, und der Schmelzpunkt tief liegt, so ist der
308
9 Loslichkeit. Kristallisation
hypothetisch geschmolzene Festkorper Iosemittelahnlich, und die envahnten diversen Inkrement-Modelle f i r Mischungen konnen mit gutem Erfolg angewandt werden. Ein einfaches Modell basiert auf Loslichkeitsparametem f i r Losemittel (siehe Kapitel 8). Basierend auf Gleichung (9.1) konnte Gleichung (9.9) abgeleitet werden [3]. In C, = VS + k, VL
+
(k,,
.(8;)"+ kp,,.(8,")" + k,,
.(8;)")
(9.9)
I,
(Cs: Loslichkeit; Vs: Molvolumen von Festkorper S, bzw. Losemittel L; d,", 6,". 6,": Loslichkeitsparameter des Losemittels L mit Index D: Dispersionsanteil, P: Polaranteil, H: Wasserstoffbriickenbindungsanteil; k,,, k,,,, kp,,, k,,: Konstanten).
Mittels 7 Konstanten (n = 2) und den Loslichkeitsparametem der Losemittel erhielten Richardson et al. [4] bei pharmazeutischen Produkten gute Ubereinstimmung von berechneten und experimentellen Loslichkeiten. Weniger gute Resultate werden f i r hochschmelzende Substanzen hoher Schmelzenthalpie erhalten. Eine Testsubstanz mit finffach hoherer Schmelzenthalpie und einem um 159 "C hoherliegendem Schmelzpunkt als die von Richardson venvendete Substanz gab auch mit 16 Konstanten ( n = 5 in Gleichung 9.9) noch betrachtliche Abweichungen, wie aus Abb. 9.6 ersichtlich ist. Das Modell f i r Losemitteleffekte von Kamlet et al. [5] beruht auf der Vorstellung, dass im Losemittel eine Kavitat geformt werden muss, in welche ein von der zu losenden Substanz abgetrenntes Molekul eingelagert wird und dort Anziehungskraften ausgesetzt ist. .Diverse Eigenschaften, die von den Wechselwirkungen zwischen gelostem Stoff und Losemittel abhangen, konnten so durch LSER-Gleichungen (Linear Solvation Energy Relationship) quantifiziert werden, beispielsweise die Loslichkeit:
logC, = k , + k , - ( 6 , " ) 2 . V ~ + k 3* . i ?* L . i ? S + k 4 . a L . ~ s + k i . P L . a S + k 6 . ( m p - T ) (9.10) (Cs: Loslichkeit; k , . _ _k,: Konstanten; 6," : Loslichkeitsparameter des Losemittels f i r HBriickenbindung; V,: Molekiilvolurnen der gelosten Substanz;
a, fl Solvatochrome Parameter
i~*,
fur dipolare Effekte, 1-1-Bindungs-Donor- und -Akzeptor-Eigenschafen fur Losemittel (..L) und gelosten Stoff (..& mp: Schmelzpunkt; T: Losungstemperatur).
Der Term fir die Umwandlung der Festsubstanz in die unterkuhlte Flussigkeit hangt nach Gleichung (9.2) von der Schmelzenthalpie, dem Schmelzpunkt und der Losungstemperatur ab. Yalkowsky et al. [6] fanden jedoch, dass fur Substanzen mit nicht allzu hohen Schmelzpunkten und Schmelzenthalpien dieser Beitrag vereinfacht werden kann (letzter Term in Gleichung 9.10). Fur die Konstante k, erhielt Yalkowsky den Wert 0.01 1 und Kamlet 0.0099 [7].
9. I Loslichkeit
309
Fur den Liisemitteleinfluss wird auch nach diesem Modell keine bessere Ubereinstimmung erzielt als mit Gleichung (9.9), wie aus Abb. 9.6 ersichtlich ist. Die IS’,a,/? Werte der Losemittel wurden [8] entnommen.
Y
2 z 0
.-
rn
:0
0.1-
/
0.001/
/
0.00001
’
/
/
/
/
/
/
/
, /
-
/
/
rt/V;asser I
I
I
I
I
I
I
1
I
00
Abb. 9.6. Losemittelabhhgigkeit der Loslichkeit eines Pigmentes. Vergleich von experimentellen rnit berechneten Loslichkeiten. Zwei Modelle: + nach Gleichung (9.9) mit n = 5 (Orientiemngshalber sind zu einigen Punkten die entsprechenden Lbsemittel angegeben); nach Gleichung (9.10) (fir diejenigen Losemittel, f i r welche solvatochrome Parameter bekannt sind).
Weitere semiempirische oder empirische Methoden stammen von Yalkowsky et al. [6], Yoshimoto et al. (Inkrement-Methode) [9], Klopman et al. (Inkrement-Methode) [ 101. Des Weiteren ist insbesondere die Verwendung von Log P-Werten (Logarithmus von OctanoVWasser-Verteilungskoefizienten) zur Abschatzung der Wasserloslichkeit von Pharma- und Ago-Wirkstoffen von Interesse. Log P-Werte kiinnen nach Inkrementmethoden berechnet werden [ 1 11. Keine der angefiihrten Methoden ist jedoch geeignet, um Loslichkeiten von Festkorpern aufgrund der Strukturformeln allein abzuschatzen. Zumindest braucht man zusltzlich eine Abschatzung des Schmelzpunktes, um den Einfluss der Umwandlung der Festsubstanz in die hypothetische unterkiihlte Fllissigkeit beriicksichtigen zu kiSnnen (letzter Term in Gleichung 9.10).
3 10
9 Loslichkeit, Kristallisation
9.1.6 Loslichkeitsbestimmung Die Losegeschwindigkeit eines Feststoffes in einem Losemittel kann gemaR Gleichung (9.11) dargestellt werden (C: Konzentration in Losung; C,: Loslichkeit; A : Oberflache der Festsubstanz; k: Losegeschwindigkeitskonstante): dC -=k.A.(Cs dt
-
-
-
-C)
(9.1 1)
Aus Gleichung 9.11 folgt: Je grofler die Festkorperoberflache (kleine Teilchen; grofle Feststoffinenge) umso rascher wird die Substanz aufgelost. Schwerlosliche Substanzen werden langsamer aufgelost als leichtlosliche. Gegen Ende des Loseprozesses, vor Erreichen der Loslichkeit, verlangsamt sich die Lbsegeschwindigkeit stark. In der Konstanten k steckt unter anderem die Viskositat der Losung: Je grol3er die Viskositat, umso kleiner die Losegeschwindigkeit.
Um die Loslichkeit eines Feststoffes in einem Losemittel zu bestimmen, kann man die Temperatur soweit erhohen, bis alle Substanz gelost ist. Man erhalt somit die Loslichkeit f i r diese Temperatur. Vor dem vollstandigen Auflosen muss jedoch die Temperatur verlangsamt hochgefahren werden, da dann die Losegeschwindigkeit sehr klein ist. Nach diesem Verfahren wird man im Allgemeinen zu kleine Loslichkeiten erhalten, weil der Endzustand wegen der Temperaturerhohungs-Geschwindigkeitdynamisch, jedoch nicht als Gleichgewicht erreicht wird. Insbesondere bei schwerloslichen Substanzen wird man betrachtliche Fehler machen. Fur leichtlosliche Substanzen eignet sich diese Methode jedoch gut, wenn nur orientierende, rasche Loslichkeitsbestimmungen verlangt sind. Sind genauere Werte gefiagt, so wird man Feststoff im Uberschuss im Losemittel vorlegen und diese Dispersion bei konstanter Temperatur in einem Thermostaten solange ruhren, bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist ('je nach Substanz Stunden bis Tage). Um sicherzugehen kann man auch bei etwas hoherer Temperatur die Substanz im Uberschuss losen und anschlieBend den Uberschuss bei der gewunschten tieferen Temperatur auskristallisieren lassen. Die effektive Loslichkeit liegt dann zwischen den beiden Werten. Zur Bestimmung des Gelosten muss sodann der ungeloste Feststoff von der Losung separiert werden. Sedimentation eignet sich fur grobe Teilchen. Feinteilige Feststoffe miissen in einer thermostatisierten Filtriereinrichtung filtriert werden, vorzugsweise durch Ultrafiltration mit feinporigen Filtern. Auch so ist nicht auszuschlieflen, dass Festpartikel durch das Filter gehen und die Loslichkeitsbestimmungen verfalschen konnen. Insbesondere ist dies ein Problem bei feinteiligen, schwerloslichen Pulvern. Oft wird man irgendeine spektrometrische Methode, VIS, IR, NMR, oder auch eine GC-Methode beiziehen und mittels Eichkurve die Konzentration in der gesattigten Losung (resp. in Verdiinnung bei zu hoher Konzentration) bestimmen. Liegt die
9.2 Kristallisation
311
Ldsetemperatur iiber der Messtemperatur, so muss man die Losung in jedem Fall entsprechend verdiinnen, um ein Auskristallisieren zu verhindern. Wenn die gewahlte Methode spezifisch f i r die zu bestimmende Substanz ist, man also Verunreinigungen diskriminieren kann, konnen genaue Werte erzielt werden. Eine allgemeine Methode stellt die Gravimetrie dar, die f i r relativ leichtfliichtige Losemittel wie Wasser geeignet ist. Die Methode ist geeignet, wenn das Losemittel verdampft werden kann, ohne dass Zersetzung oder Verlust an Substanz eintritt. Falls Verunreinigungen vorhanden sind, fihrt man die Loslichkeitsbestimmung mit einer Reihe von Dispersionen steigender Feststoff-Einwaage durch. In einem Diagramm, wie es in Abb. 9.7 gezeigt ist, konnen sodann die Loslichkeiten von Substanz und Verunreinigung ermittelt werden.
Substanz + Verunreinigung I-
Substanz
C
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Konzentration in Suspension [mglml] Abb. 9.7. Gravimetrische Loslichkeitsbestimrnung rnit einer Reihe von Suspensionen steigender Konzentration.
Bei sehr kleiner Loslichkeit muss f i r die Konzentrationsbestimung statt der Gravimetrie eine spektrometrische Methode angewandt werden. Wenn nicht zwischen Substanz und Verunreinigung unterschieden werden kann, so wird die Loslichkeitsbestimmung entsprechend ungenau, wie es in Abb. 9.5 a gezeigt ist. Um die dort gezeigte, durch Assoziate verursachte Kriimmung der Kurve zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Messldsungen so stark zu verdiinnen, dass die Assoziatbildung vollig zuriickgedrangt wird.
9.2 Kristallisation Kristallisation ist ein wichtiger Prozess bei der Verarbeitung von chemischen Stoffen, sei es die Isolierung, Reinigung, oder die Gewinnung defmierter Pulver. Aber nicht nur
3 12
9 Loslichkeit, Kristallisation
Festkorper werden durch Kristallisation isoliert und gereinigt - am bekanntesten ist wohl die hohe Reinheit von raffiniertem Zucker im Vergleich zu Rohzucker - auch Flussigkeiten werden im groljen Maljstab durch Tiefiemperatur-Kristallisation statt durch Destillation von Nebenprodukten abgetrennt. Insbesondere bietet die Kristallisation Vorteile bei azeotropen Mischungen und bei geringem Unterschied der Siedepunkte. Aufkonzentrierung von Fruchtsaften durch Gefriertrocknung sowie Meenvasserentsalzung sind weitere Beispiele technisch wichtiger Kristallisationsprozesse bei Flussigkeiten. Um kristalline Pulver definierter Partikelgrolje und Groljenverteilung zu erhalten, mussen in der Industriellen Kristallisation Nukleierung, Kristallwachstum und PartikelAggregation gesteuert werden konnen. Diese Prozesse verlaufen simultan sowohl in Batch-Verfahren, als auch in kontinuierlichen Systemen. A. D. Randolph und M. A. Larson [I21 entwickelten die Theorie dazu. Von der Nukleierung abgesehen, kann der Kristallisationsvorgang in drei Schritte unterteilt werden: 1. Substanztransport zur Kristalloberflache. 2. Migration auf der Oberflache und Einbau ins Kristallgitter. 3. Abtransport der Kristallisationswarme. Jeder dieser Schritte kann geschwindigkeitsbestimmend sein. Die Kristallisationskinetik ist bestimmt durch den langsamsten dieser Vorgange.
9.2.1 Kristallisiermethoden Die vielen unterschiedlichen industriellen Kristallisatoren konnen in einzelne wenige Kategorien eingeteilt werden [ 131: Batch- oder kontinuierliche Kristallisatoren mib'ohne Agitation, oder mit kontrollierter oder unkontrollierter Ubersattigung; Abtrennung bestimmter PartikelgroRenbereiche in einer Wirbelbettstufe durch gehinderte Sedimentation (Klassifizierung); mit/ohne Zirkulierung von Mutterlauge oder Magma (Mutterlauge + Kristalle). Kristallisation durch Abkiihlung: Unkontrollierte Abkuhlung liefert zumeist nicht optimale Kristallisate. In der Anfangsphase, in der die Abkuhlrate sehr hoch ist, werden zuviele Keime gebildet. Von Vorteil wird der Temperaturverlauf so geregelt, dass zu Beginn eine wesentlich kleinere Abkuhlrate als am Ende eingestellt wird. Kristallisation unter Ruhren ergibt kleinere Kristalle, gleichmaljigere und auch reinere Produkte als die Kristallisation durch Abkiihlen ohne Ruhren, bei der das sedimentierte Magma betrachtliche Mengen Mutterlauge in den Agglomeraten enthalt. Abbildung 9.8 a zeigt einen Ruhrkristallisator mit erzwungener vertikaler Zirkulation. Zusatzlich besitzen diese Kristallisatoren oft Einrichtungen zum KuhledHeizen. In solchen Kristallisatoren kann sowohl im Batch-Verfahren als auch kontinuierlich kristallisiert werden. Im letzteren Fall wird die Temperatur im Kristallisator konstant gehalten. Kontinuierlich wird ubersattigte Losung eingespeist und Kristallisat abgezogen. Kristaflisation in Verdampfungs- und Vakuum-Kristalfisutoren: Mit Substanzen, bei denen die Loslichkeit beim Abkuhlen ihrer Losung nur wenig abnimmt, oder sogar vergroljert wird (z.B. gewisse Salze), muss die Ubersattigung durch Verdampfen des Lose-
9.2 Kristallisation
3 13
mittels ernvungen werden. Als Beispiel ist in Abb. 9.8 b der Verdampfhgskristallisator APV-Kestner angegeben, der vorwiegend f i r die Kristallisation aus wassriger Lbsung eingesetzt wird, z.B. f i r Salze, aber auch f i r Citronensaure etc. Bei Vakuumkristallisatoren wird die heil3e Lbsung mit hoherer Temperatur als es dem Siedepunkt beim gewahlten Vakuum entspricht in den Kristallisator eingespritzt. Dadurch wird die Lasung adiabatisch abgekuhlt und Losemittel verdampft. Fallung: Von der Kristallisation durch Abkthlen einer iibersattigten Lbsung oder durch Abdampfen des Lbsemittels unterscheidet sich die FLllung dadurch, dass ein Agens in Form einer zweiten Losung zugefiigt wird. Dies konnte ein schlechteres Losemittel sein, durch dessen Zumischung die Loslichkeit vermindert wird. Oder es konnte ein Stoff sein, der in rascher Reaktion das auszufallende Produkt erst bildet, z.B. das Ausfillen einer Saure durch Ansauern der Losung, oder die Bildung eines schwerlbslichen Salzes. Ein davon zu unterscheidender Kristallisationstyp ist das Ausfallen von Kristallen bei einer langsamen chemischen Reaktion aus homogener Losung. Wie bei der Abkuhlung einer ubersattigten Losung oder dem Verdampfen von Losemittel wird auch in diesem Fall kontinuierlich die Ubersattigung in einer einheitlichen Losung aufrechterhalten. Fur die FLllung von ausschlaggebender Bedeutung ist hingegen die Art des Vermischens der beiden Lasungen. Beim Mischen werden Wirbel in der Losung gebildet, deren Dimensionen von der Ruhrgeschwindigkeit abhangt. Jeder Mikrowirbel stellt einen Mikroreaktor dar, in dem die Nukleierung und das Kristallwachstum unabhangig von den umgebenden Wirbeln ablauft. Die Difision des Agens aus der Umgebung in diese Mikroreaktoren ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt, in Analogie zum Fall von raschen chemischen Reaktionen [141. Je intensiver geriihrt resp. durchmischt wird, umso kleiner sind die Mikrowirbel und umso grbBer ist deren OberflBche. Dadurch kann mehr Agens pro Zeiteinheit eindifhndieren. Es entsteht eine hbhere Ubersattigung, und als Folge werden kleinere Kristalle gebildet.
r q
a)
Separator bf
Darnpf
Einspeisung
sektor
Abb. 9.8. a) Prinzip des Riihr-Kristallisators mit erzwungener Zirkulation; b) APV-KestnerVerdampfungskristallisator(aus [ 131).
3 14
9 Loslichkeit. Kristallisation
9.2.2 Populationsbalance Beim Betreiben von kontinuierlichen Kristallisatoren ist es von Vorteil, Nukleierung und Kristallwachstum fir die zu kristallisierende Substanz untersuchen zu kbnnen. Das dynamische Gleichgewicht zwischen Nukleierung, Kristallwachstum, Zu- und Abfuhr auBert sich in einer Populutionsbalunce der Kristalle. Als Populationsdichte n wird die Anzahl der Kristalle pro Volumeneinheit rnit Kristalllangen zwischen L und L+dL bezeichnet.
dN
n=dL
(9.12)
Die Anzahl Kristalle pro Volumeneinheit mit Langen zwischen L , und L, ist damit: (9.13)
lm dynamischen Gleichgewicht ist AN konstant. Es ist die Populationsbalance zwischen den kleinen Kristallen, die in den GroBenbereich (L,-L,) wachsen, den Kristallen, die aus diesem Bereich hinauswachsen und den Teilchen dieses Bereiches, die durch Produktewegfihrung kontinuierlich aus dem Reaktor entfernt werden. Wird rnit Q die Einspeise-iwegfihrrate, mit V das Reaktorvolumen und rnit G die Wachstumsrate der Teilchen (= dLldt) und mit E die mittlere Populationsdichte in AL bezeichnet, so gilt fur das Zeitintervall At und den PartikelgroBebereich AL (= L,-L,): n, . C;. V . At
=
n2 . G . V .At
+ Q . E . AL.At
Definiert man die Residenzzeit der eingespeisten Losung als T Gleichung (9.14) fir M + O :
(9.14) =
VlQ, so folgt aus
(9.15)
Durch lntegration erhalt man die Populationsdichte n, die PartikelgroReverteilung pro Volumeneinheit zu (no ist die Populationsdichte der Keime):
(9.16)
Aus der experimentell bestimmten Populationsdichteverteilung, resp. der Partikelgrofieverteilung kann die Wachstumsrate G bestimmt werden. AuBerdem interessiert die Nukleierungsrate J , die berechnet werden kann gemaB:
9.2 Kristallisation
3 15
G und no konnen graphisch aus log(n) vs. L bestimmt werden, wie in Abb. 9.9 gezeigt.
Kristall-Lange L Abb. 9.9. Bestimmung der Wachstumsrate G und der Nukleierungsrate J aus dern Populationsplot f i r kontinuierliche Kristallisation.
Diese als MSMPR bezeichete Kristallisationsart ist der einfachste kontinuierliche Prozess (MSMPR = ,,mixed-suspension, mixed-product-removal"). Erweiterte Modelle beriicksichtigen zusltzliche Keimbildung durch Abrieb, Aggregation, komplexere Prozessparameter [ 151. Auch fiir Batch-Prozesse wurde das entsprechende Model1 entwickelt [ 161.
9.2.3 Partikelgrofieverteilung Die in Abb. 9.9 gezeigte PartikelgroReverteilungskurvestellt sich beim kontinuierlichen Prozess in einem MSMPR-Kristallisator ein. Bei batchweiser Kristallisation resp. bei Flllungen resultieren jedoch andere PartikelgroBeverteilungen. Meist wird die PartikelgroRe bei kristallinen Pulvern aus solchen Prozessen nur durch die LBnge charakterisiert. LangedBreiten- und LangedDicken-Verhlltnisse werden f i r die gesamte Population eines Pulvers als konstant angenommen. Die PartikelgroReverteilung kann dann durch eine eindimensionale Normalverteilung der charakteristischen GriSRe x ausgedriickt werden (iiber bivariate PartikelgroReverteilung siehe [ 171) ,
3 16
9 Loslichkeit, Kristallisation
(9.18)
Diese Funktion ist symmetrisch bezuglich X und ist derart normiert, dass: (9.19) Der Mittelwert X ist dabei definiert gemaf3: (9.20)
Die Breite der Verteilung ist gegeben durch die Standardabweichung a, die wie folgt definiert ist: m
o2=
I(. - q2. f(x)dx
(9.2 1)
-*
Wird als charakteristische GroRe die Partikellange L gewahlt (x = L), so werden tatsachliche PartikelgroReverteilungen nur schlecht wiedergegeben, auaerdem erstreckt sich die Formel entgegen der Realitat auch iiber negative Partikelhngen (Abb. 9.10). Eine bessere empirische Angleichung erhalt man, wenn der Logarithmus der Partikellange als charakteristische Grof3e gewahlt wird (x = 1o g L ) . Diese Log-Normal-Verteilung ist nun nicht mehr symmetrisch beziiglich Partikellange und beginnt bei L = 0 (lo& = *), wie aus Abb. 9.10 ersichtlich ist.
-0.4 0
0.4
0.8
"Partikelllnge L
1.2
1.6
2.0
2.4
i8
Abb. 9.10. Die Log-Normalverteilung eignet sich besser zur Darstellung von Partikelgrofieverteilungen als die Normalverteilung.
3 1I
9.2 Kristallisation
9.2.4 Wachstumsmechanismen Das in Abschnitt 9.2.2 dargestellte Modell gibt den numerischen Zusammenhang zwischen Nukleierung, Kristallwachstum, Lbsungs-Zu- und Abfuhr wieder. Uber die Mechanismen erhillt man so keine Informationen. Im Folgenden wird auf diese Mechanismen nlher eingegangen. Das AusmalJ der ijberslttigung ist sowohl f i r die Keimbildung als auch f i r das Kristaflwachstum von wesentlicher Bedeutung. Die Uberslttigung ist der Unterschied zwischen der Konzentration C in Losung und der Gleichgewichtskonzentration CE(in Gegenwart von Kristallen) bei der gleichen Temperatur. Die relative Ubersuttigung S bezieht diesen Unterschied auf die Gleichgewichtskonzentration. (9.22)
Erster Schritt der Kristallisation ist die Keimbildung. Treten Molekiile (oder Atome, oder Ionen) in einer iibersiittigten Lbsung zu einem Keim zusammen, so wird (Volumen)Energie frei. Zusltzlich wird aber auch die Keimoberfllche gebildet, wofilr (0berflilchen)-Energie aufgewendet werden muss. Dieser Oberflilchenterm uberwiegt bei kleinen Keimen iiber den Volumenterm. Kleine Keime sind deshalb instabil und miissen wieder zerfallen. Erst ab einem kritischen Radius rc nimmt die freie Enthalpie A G des Keimes beim Zutritt weiterer Molekiile ab. Keime mit grbBerm Radius als rc sind deshalb stabil und kbnnen wachsen; Abb. 9.1 1. 4 RT C AG = Volumenterm+ OberJlachenterm = - -. nr’ .-. In3 ‘M E‘ ( V,: Molvolumen; R: Gaskonstante; instabile Keime
0
T: Temperatur; y: Oberflkhenspannung;Y : Keimradius).
tabile Keim
7
2 4 .6 Keimradius [A]
+ 4 n r 2 . y (9.23)
8
10
12
14
Abb. 9.1 1. Anderung der freien Keimbildungsenthalpiemit dem Keimradius: Wasserkeime aus Gasphase; gemaD [ 181.
3 18
9 Liislichkeit. Kristallisation
Durch die Keimbildung sinkt die Ubersattigung derart, dass keine neuen stabilen Volumenkeime mehr gebildet werden konnen. Kleinere Kristalle losen sich sogar auf, auf Kosten der grofleren, die wachsen. Dieser Prozess heint Ostwald-Reifung. Oft ist die ijbersattigung derart, dass m a r keine Volumenkeime mehr, jedoch noch Flachenkeime auf Kristallflachen sidh formen konnen, die dann zu Kristallwachstum fiihren. Auf einer wachsenden Kristallflache kann ein auftreffendes Molekul, Atom, oder Ion nicht dort bleiben, sondern desorbiert entweder wieder oder difhndiert auf der Oberflache zu einer Kante, wo es an einer Kink (Fehlstelle) in die wachsende Schicht eingebaut wird; Abb. 9.12. Die Anzahl der Kinken hangt von der Temperatur ab. Wegen der thermischen Bewegung bilden sich laufend neue Kinken, an denen hinzudiffundierende Molekule andocken konnen. Der Unterschied in den Wachstumsraten hangt nun davon ab, wie die Kanten gebildet werden. \
/
Abb. 9.12. Kristallwachstum. Kanten und Kinken.
Ein solcher Mechanismus ist beispielsweise die zweidimensionale Nukleierung, wo die Wachstumsrate von der Bildungsrate der Flachenkeime auf den Kristallflachen abhangt. Das Wachstum der Keime geht dabei vie1 rascher vor sich als ihre Bildung. Diese lnseln wachsen, bis sie an die Grenzen von anderen wachsenden Inseln stoflen. Gleichzeitig werden schon bereits neue Flachenkeime auf den Inseln gebildet. Dieser Wachstumsmechanismus wird beschrieben durch das ,,Birth and Spread'-Modell (Abb. 9.13). In seltenen Fallen werden so viele Flachenkeime gebildet, dass sie nur wenig wachsen konnen, bis sie an andere wachsende FlBchenkeime stoRen (Polynukleare zweidimensionule Keimhildung). Das Gegenteil davon besteht in der Bildung eines neuen Flachenkeims erst, wenn die unterliegende Flache vervollstandigt ist (MononuklearesModell). Nach dem Birth and Spread-Modell ist die Wachstumsrate R naherungsweise gegeben durch:
(9.24)
9.2 Kristallisation
3 19
(R: Wachsturnsrate, senkrecht zur Oberflache; C: Konzentration in Losung; CE: Gleichgewichtskonzentration an Oberflache; S: Ubersattigung = (C - CE)/CE;yl Grenzflachenspannung; T: Temperatur).
Abb. 9.13. ,,Birth and Spread"-Modell. Bildung von wachsenden Flachenkeimen. Die Bildung neuer Keime ist langsamer als ihr Wachsturn (aus [ 191).
Reicht die UbersSittigung nicht mehr zur Bildung von Flachenkeimen, so besteht noch die Mbglichkeit zum Wachstum an Kristalldefekten. Schraubendislokationen bieten die Mbglichkeit zum Andocken von Molekulen an den Kanten der Spiralen. Die Spiralenspitze schraubt sich so mit konstanter Umdrehungsgeschwindigkeit von der Kristallflache weg und generiert so neue Kanten, an welche Molekiile solange angelagert werden konnen, bis sie auf andere Spiralen treffen (Abb. 9.14 a). Bei grol3eren Kristallen ist dies ein wichtiger Mechanismus. Abbildung 9.14 b zeigt verschiedene Formen von Schraubendislokationen bei einem NaCI-Kristall
'r Abb. 9.14. Kristallwachstum durch Schraubendislokationen. a) Anfang der Schraubendislokation
an einer Versetzung; b) Schraubendislokationen bei einer NaCI-Kristallflache; nach [20].
320
9 Loslichkeit, Kristallisation
Die Theorie fur diesen Mechanismus wurde von W. K. Burton et al. [21] entwickelt (BCF-Modell). Fur die Wachstumsrate gilt: (9.25)
9.2.5 Ostwald-Reifung Kleine Teilchen haben eine groRere Loslichkeit als groSe Teilchen; Gleichung (9.26). In einer heterodispersen Suspension findet dadurch ein Materietransport von den kleinen zu den groBen Teilchen statt; die kleinen Teilchen werden auf Kosten der groRen Teilchen aufgelost. Dieser oft unenviinschte Prozess findet z.B. in Pasten und Flussigformulierungen von Pulvern statt, wenn die betreffende Substanz zu gut loslich im flussigen Medium ist. lnsbesondere spielt dies eine Rolle, wenn jahrelange Stabilitat notig ist. Erwahnt seien Flowables im Agrobereich, mit verminderter Wirksamkeit zu grol3er Teilchen, oder pigmentierte Lacke mit geringerer Farbstarke gewachsener Kristalle. Aktiv wird dies gefordert bei der gezielten Rekristallisation von Pigmenten, um beispielsweise Pulver hoher Deckkraft zu erzeugen. Dieser als Ostwald-Reijiing bezeichnete Prozess, bei dem groSe Partikel auf Kosten von kleinen Teilchen wachsen, wurde theoretisch untersucht von Lifshitz, Slyozov [22] und Wagner [23]. Die Theorie ist bekannt als LSW-Theorie. In beiden Publikationen wird die Abhangigkeit der Loslichkeit von der PartikelgroSe durch die Gihhs-ThornsonGleichung oder entsprechende Vereinfachungen ausgedruckt. (9.26) ((‘R:
1,iislichkeit des Teilchens mit Radius K ; C,: 1,oslichkeit eines unendlich groBen Teilchcns: y.
GrcnLflachenspannung; v,: Volumen eines Molekiils; k : BoltLmannkonstante; T Temperdtur).
Die zeitabhangige PartikelgroSeverteilung f(R,t) wird durch Losen der Kontinuitatsgleichung erhalten; Gleichung (9.27). (9.27) Nach mehreren Umformungen wird eine Formel erhalten, welche die mittlere Teilchenist dimension als Funktion der Rekristallisationszeit aufzeigt; Gleichung (9.28). der anfangliche mittlere Teilchenradius und m ist eine Konstante, die vom geschwindigkeitsbestimmenden Schritt abhangt. K ist eine Konstante. Statt dem Radius R kann natiirlich auch die Partikellange L oder die Partikelbreite B betrachtet werden. Der Skalierungsexponent m ist 1 fir viskosen Fluss, 2 fur Grenzflachenkontrolle, 3 fur Volumendiffusion und 4 f i r Grenzflachendiffusion [24].
R,
9.2 Kristallisation
R m = R t -I-K .t
32 1 (9.28)
Im haufigsten Fall der Ostwaldreifung - durch Volumendifision - verlauft die mittlere Partikelvergrbljerung mit der 3. Wurzel der Zeit (m = 3). Sehr schwerlosliche Substanzen, z.B. gewisse Pigmente in entsprechenden Losemitteln, rekristallisieren jedoch mit wesentlich schwacherer Zeitabhagigkeit (hoherer m-Wert). So wurde fiir die in Abb. 9.6 vorgestellte Substanz bei der Rekristallisation in o-Dichlorbenzol bei 60 "C m-Werte von 5 f3r die LLnge und 8 fiir die Breite bestimmt. Fur das bessere Losemittel N-Methylpyrrolidon waren die entsprechenden Werte vergleichbar mit demjenigen f i r Kontrolle durch Volumendiffusion, 3 (m = 2.7 fiir L h g e ; 3.5 fiir Breite). Bei dem in Abb. 9.15 gezeigten Pigment, das sehr langsam rekristallisiert, waren die entsprechenden m-Werte sogar 11 (fir L a g e ) und 10 (fiir Breite), was tibliche Werte f i r sehr schwerlosliche Substanzen sind.
Abb. 9.15. Ostwaldreifung von N,N'-phenylenbis[4-[(2,5-dichlorphenylazo]-3-hydroxy-2-naphthalincarboxamid] in 0-Xylol bei 150 "C ( I 5 rnin; 1 h; 4 h; 24 h; 168 h).
In Gleichung (9.28) umfassen die Konstanten K und m unter anderem die Abhangigkeit der Rekristallisation von der Loslichkeit im jeweiligen Losemittel. In Abb. 9.16 ist diese AbhBngigkeit fir das in Abb. 9.6 vorgestellte Pigment in den gleichen Losemitteln gezeigt. Wie ersichtlich, besteht ein Zusammenhang zwischen mittlerer Partikelgrosse und Loslichkeit, praktisch unabhangig von weiteren Losemitteleigenscha~en. 3.5
11
-5
-215
b
2'5
log[tdsirchkeit/(rng/l)]
Abb. 9.16. Mittlere Partikellange L und Breite des Pigrnentes aus Abb. 9.6 bei der Rekristallisation (2h bei 60 "C) in verschiedenen Losemitteln als Funktion der Liislichkeit.
322
9 Loslichkeit, Krisrallisation
Schwerlosliche Substanzen rekristallisieren nur langsam. Da die Ostwaldreifung im Bulk in den meisten Fallen mit der dritten oder einer hoheren Wurzel der Zeit verlauft, ist es gunstiger, zur Erzielung groBer Kristalle die Temperatur zu erhohen, statt die Rekristallisationszeit zu verlangern.
Literatur zu Kapitel 9: [ I ] A. Martin, P. L. Wu, A. Adjei, A. Beerbower, J. M. Prausnitz, J. Pharm. Sci. 70, 1260 (1981). [2] A. A. Bondi, Physical Properties of Molecular Crystals, Liquids and Glasses, John Wiley & Sons, New York, 1968. [3] A. Grubenmann, Dyes and Pigments 21,273 ( 1 993). [4] P. J. Richardson, D. F. McCafferty, A. D. Woolfson, Int. J. Pharmaceut. 78, 189 ( 1 992). [5] M. J. Kamlet, R. M. Doherty, J.-L. M. Abboud, M. H. Abraham, R. W. Taft, Chemtech 16,566 (1 986). [6] S. H. Yalkowsky, S. C. Valvani, J. Pharm. Sci. 69, 912 (1980). [7] M. J. Kamlet, Progr. Phys. Org. Chem. 19,295 (1993). [8] M. J. Kamlet, J.-L. M. Abboud, M. H. Abraham, R . W. Taft, J. Org. Chem. 48, 2877 (1983). [9] Keiko Wakita, Masafumi Yoshimoto, Shuichi Miyamoto, Hidetoshi Watanabe, Chem. Pharm. Bull. 34,4663 (1986). [ I01 G. Klopman, Shaomeng Wang, D. M. Balthasar, J. Chem. Inf. Comput. Sci. 32,474 ( 1992). [ 1 I ] S. H. Yalkowsky, S. C. Valvani, J. Chem. Eng. Data 24, 127 (1979). [ 121 A. D. Randolph, M. A. Larson, Theory of Particulate Processes, Academic Press, New York London, I97 I . [ 131 J. W. Mullin, in Crystal Growth (B. R. Pamplin, Ed.), Pergamon Press, Oxford New York Toronto Sidney, 1975. [ 141 R. J. Ott, P. Rys, Helv. Chim. Acta 58,2074 ( 1 975). [ 151 M. J. Hounslow, AICHE Journal 36(1), 106 (1990). [ 161 M. J. Hounslow, R. L. Ryall, V. R. Marshall, AICHE Journal 34( I I), I82 1 ( 1 988). [ 171 A. Grubenmann, Part. Charact. 3, 179 ( 1 986). [IS] A. W. Adamson, Physical Chemistry of Surfaces, 3rded., John Wiley & Sons, New York, 1976. [ 191 M. Ohara, R. C. Reid, Modeling Crystal Growth Rates from Solution, Prentice-Hall, Inc., Englewood Cliffs NY, 1973. [20] M. Krohn, H. Bethge, in Current Topics in Material Science Volume 2 (I976 Crystal Growth and Materials) p. 147, (E. Kaldis, Ed.), North Holland Publishing Company, Amsterdam New York Oxford, 1977. [21] W. K. Burton, N . Cabrera, F. C. Frank, Phil. Trans. Roy. SOC.,4243, 299 (1951). [22] I. M. Lifshitz, V. V. Slyozov, J. Phys. Chem. Solids 19, 35 (1961). [23] C. Wagner, Z. Elektrochem. 65, 581 (1961). [24] H. Gleiter, in Physical Metallurgy, (R. W. Cahn, Ed.), P. Haasen-Verlag.
10 Reinigung, Detergency 10.1 Allgemeines, Grundlagen Das Gebiet der Reinigung, englisch ,,Detergency", ist das bei weitem groRte Anwendungsgebiet Rir oberflachenaktive Stoffe. Waschen oder Reinigen stellt einen sehr komplexen Prozess dar, wobei heute noch nicht alle Grundlagen aufgeklart sind. Da in der Art des Schmutzes und der Substrate eine groRe Zahl von Variationen existiert, gibt es keinen einheitlichen Mechanismus f i r den Vorgang der Reinigung, sondern j e nach Substrat - Textil, Glas, Metall, Porzellan etc. - verschiedene Mechanismen. Man kann einen Reinigungsprozess allgemein definieren als die Entfernung von flussigem oder festem Schmutz von einem Feststoff, dem Substrat, mit Hilfe einer Flussigkeit, dem Reinigungsbad. Als Schmutz wird in einer etwas einfachen Definition ,,Materie am falschen Platz" bezeichnet. Fruher war Seife das ubliche Reinigungsmittel bzw. Detergent, hat aber die bekannten Nachteile der Bildung von unloslichen, nicht waschaktiven Fettsauren in saurem Milieu und Bildung von unloslichen Niederschlagen mit Ca2' und Mg2+in hartem Wasser. Additive wie Na2C03, Phosphate etc. konnen diese negativen Effekte unschiidlich machen. In den letzten 50 Jahren wurde die Seife zum Teil durch synthetische Detergentien abgelost, welche die envahnten Nachteile nicht aufiveisen. Die wichtigsten darunter sind: Alkylsurfate, Alkylatylsurfonate und die nichtionischen Polyethylenoxid-Derivate.
10.2 Fundamentale Phanomene bei Reinigungsprozessen Wir beschranken uns hier auf Prozesse mit wassrigem Reinigungsmedium. Die Natur der Substrate kann kurz auf die im Folgenden angegebenen Beispiele konzentriert werden: a) Prozesse zur Schmutzentfernung (flussig und/oder fest) von ebenen Oberflkhen: z.B. Entfettung von Metall, Glas, Keramik (inkl. Geschinwaschen), Reinigung von bemalten Oberflachen. b) Prozesse zur Entfernung von Schmutz aus porosen oder faserigen Stoffen, z.B. Waschen von Rohwolle und Baumwolle, Entfernung von Spinnolen aus Spinnfasern, Entfettung von Leder, Haushaltswasche, Entschlichtung von Textilien. Jedes Beispiel dieser Reingungsoperationen ist ein komplexer Prozess. Es ist daher verstandlich, dass die einzelnen Prozesse sehr verschieden verlaufen, z.B. stellt die Emulgierung einen notwendigen Schritt zur Entfernung von Wollfett aus rohen Wollefasern dar, wahrend diese Methode sich uberhaupt nicht zur Entfernung eines Olfilms von einer polierten Oberflache eignet. Es ist deshalb notwendig, in erster Linie funda-
324
10 Reinigung, Detergency
mentale Reinigungsphanomene zu betrachten, die immer anwesend sind, und erst in zweiter Linie die untergeordneten Phanomene, welche nur in einzelnen, speziellen Reinigungsprozessen eine Rolle spielen.
10.2.1 Mechanismus der Reinigung Ein gutes Reinigungsmittel oder Detergent muss folgende Eigenschaften haben:
1. Gute Netzeigenschaften, damit das Mittel in engen Kontakt mit der zu reinigenden Oberflache kommt. 2. Die Fahigkeit, den Schmutz in die Hauptmenge (Bulk) der Flussigkeit zu entfernen oder diesen Vorgang zu unterstiitzen. 3. Die Fahigkeit, den entfernten Schmutz zu solubilisieren oder zu dispergieren und ihn zu hindern, sich wieder an der gereinigten Oberflache anzulagern und einen Ruckstand zu bilden (Redeposition).
10.2.1.1 Benetzung Die besten Netzmittel sind nicht unhedingt die hesten Detergentien und umgekehrt. Fur eine homologe Reihe von Detergentien wie Seifen, Alkylsulfate und Alkylarylsulfonate ist das Optimum der Benetzung bei den C8-Tensiden, obwohl die langerkettigen Verbindungen sturker oberfuchenakfiv sind. Der Grund d a f b liegt in der schnelleren Diffusion zu, und Adsorption an den betreffenden Oberflachen durch die kleineren Molekule. Trotzdem liegt die optimale Reinigungswirkung hei den C,,-Tensiden, und fur die beste Allroundleistung werden CH- Verbindungen empjohlen.
10.2.1.2 Schmutzentfernung Schmutz ist allgemein von oliger Natur mit Partikeln von Staub, RUB etc. Seine Entfernung beruht auf einem Umnetzungsprozess und kann aufgrund der Anderung der Oberflachenenergie betrachtet werden. Die Adhasionsarbeit zwischen einer Schmutzpartikel und einer festen Oberflache ist gegeben durch (siehe Abb. 10.1 a):
Die Aufgabe des Detergents besteht darin, yDwund ysw zu emiedrigen, wodurch auch die Adhasion Wso erniedrigt, und die Entfemung der Schmutzpartikel durch mechanische Bewegung erleichtert wird. ~ i c h t i ~ n i s c hDetergentien e sind im Allgemeinen weniger wirksam zur Entfernung von Schmutzpartikeln als anionische Tenside.
10.2 Fundamentale Phanomene bei Reinigungsprozessen
325
Abb. 10.1. a) Adhasionsarbeit zwischen Schmutzpartikel und Substrat. b) VergroRerung des Randwinkels von Oltropfen durch prtiferentielle Erniedrigung der Grenzflachenspannung Sub-
strat/Wasser ySw.;aus [I].
10.2.1.3 Fliissiger Schmutz Wenn der SchmutzJliissig ist (01 oder Fett) - Abb. 10.1 b - , stellt seine Entfernung ein Randwinkelproblem dar. Durch die Tensidlosung wird das Substrat bevorzugt benetzt. Der flUssige Schmutz, welcher ursprilnglich als dunner Film uber dem Substrat gespreitet ist, wird durch die Wirkung der Reinigungslbsung ,,aufgerollt" zu Tropfchen, die durch Stromungen im Bad oder auf mechanische Weise entfernt werden konnen. Durch die Zugabe des Detergents wird der Randwinkel an der Grenzflache Schmutz-SubstratWasser vergroljert (Abb. 10.1 und Abb. 10.2), sodass der Schmutz abrollt. Detergentien, die sowohl an der Grenzflache SubstraVWasser als auch an derjenigen SchmutdWasser adsorbieren, sind am wirksamsten. Wenn das Tensid nur an der SchmutdWasser- Grenzflache adsorbiert und die Grenzflachenspannung erniedrigt, oder wenn es sich im 0 1 (Schmutz flussig) lost und die Grenzflgchenspannung ys, des 01s gegen das Substrat reduziert, wird die Entfernung des Schmutzes vom Substrat behindert, da damit B verkleinert und das ,,Roll up" verhindert wird. Tenside, welche an der Grenzflache LufVWasser adsorbieren und die Oberflachenspannung des Wassers resp. Reinigungsbades erniedrigen und damit Schaum bilden, zeigen, dass Schaurnbildung nicht notwendigenveise ein Hinweis auf die Reinigungswirkung des Tensids ist! Zum Beispiel haben nichtionische Detergentien gewohnlich eine sehr gute Reinigungswirkung f i r Jiissigen Schmutz, sind aber nichtschaumend. Da die Verbraucher
326
10 Reinigung, Delergency
die psychologische Tendenz haben, diese zwei Eigenschaften miteinander zu korrelieren, erschwert Nichtschaumen gelegentlich die Akzeptanz eines Reingungsmittels.
120-
150"-
a
Abb. 10.2. Schmutzentfernung durch ,,Roll up". Der Randwinkel des Schmutzes wird auf 180" vergriilkrt, sodass die Schmutzkugeln abrollen konnen; aus [ 2 ] .
Uber den Einfuss von Schaum aufdie Waschwirkung von Detergentien sind zahlreiche Untersuchungen und Publikationen gemacht worden. Die meisten kommen zum Schluss, dass Schaum kein Hinweis fur die Waschwirkung eines Reinigungsmiffels M. Bekannt ist die nachteilige Bildung von Schaum in Waschmaschinen etc. Andererseits kann Schaum auch positive Wirkungen hahen, etwa als Schmutzsammler. Der Schaum
10.2 Fundamentale Phanomene bei Reinigungsprozessen
321
kann die Entfemung von 0 1 dadurch unterstutzen, indem dieses von den Oberflkhen in die ,,Plateau Border" der Lamellen gesaugt wird. Schaum kann die Beseitigung von Schmutz aus Fasem unterstutzen, indem er dem System eine gewisse Steifheit verleiht, sodass die Wirkung der mechanischen Bewegung verstarkt wird. Da Schhmen zu betrkhtlichen Schwierigkeiten in Flusslhfen und Abwasserkanllen fiihrt, ist die Verhiitung und Zerstorung von Schaum eine wichtige Aufgabe. Uber Schaumzerstorung siehe Abschnitt 4.6.
10.2.1.4 Verhinderung der Wiederanlagerung (Redeposition) des Schmutzes Den Ablauf der Reinigung zeigt Abb. 10.3. REINIGUNG, "DETERGENCY" Lufi
J
I
Zugabe von Tensid
Abb. 10.3. Verlaufder Schrnutzablosung [ I , 31.
328
10 Reinigung, Detergency
Damit sich die abgelosten Schmutzpartikel nicht wieder auf dem Substrat anlagern konnen, mussen sie kolloidchemisch im Reinigungsbad stabilisiert werden. Die Redeposition kann verhindert werden durch elektrische Ladungen und sterische Barrieren, welche von den Tensidmolekulen s t a m e n , die am gereinigten Material und auf den Schmutzteilchen aus dem Bad adsorbiert werden. Es sind Tenside oder anorganische lonen von gleicher Ladung (meistens negative), welche das elektrische Potential in der Stern-Schicht erhohen und damit eine Agglomeration der Teilchen verhindern. Die wirksamsten Detergentien dafiir sind jedoch die nichtionischen Tenside mit PolyethylenoxidKetten, welche stark hydratisiert und gegen die Wasserphase (Bad) ausgerichtet sind. Sie bilden eine sterische Barriere, welche eine mechanische und entropische Abstoljung (durch Abnahme der Entropie der POE-Ketten) erzeugen. Zugabe von speziellen Komponenten zum Bad, z.B. von Na-Carboxymethylcellulose und anderen polymeren Stoffen, welche an den Substraten oder am Schmutz adsorbieren, konnen ebenfalls durch elektrische oder sterische AbstoBung eine Agglomeration der Schmutzpartikel verhindern.
10.3 Spezielle Phanomene bei Reinigungsprozessen Im Gegensatz zu den fundamentalen Phanomenen unter Abschnitt 10.2 sind noch die folgenden Phanomene in speziellen Fallen zu beachten.
10.3.1 Solubilisierung in Mizellen Die Solubilisierung in Tensidmizellen ist wichtig bei der Entfernung von kleinen Mengen iiligen Schmutzes in Substraten. Die Entfernung von oligem Schmutz von harten und textilen Oberflachen wird fur nichtionische Tenside erst oberhalb der CMC signifikant, sogar fur einige anionische Tenside mit niedriger CMC. Das Maximum der Wirkung wird erst bei einem Mehrfachen der CMC erreicht. Das Ausmalj der Solubilisation von oligem Schmutz hangt von der chemischen Struktur des Tensids, seiner Konzentration im Bad und der Temperatur ab. Bei niedrigen Badkonzentrationen etjhlgt die Soluhilisation in mehr oder weniger sphurische Mizellen. Nur eine kleine Menge 01 l a s t sich so soluhilisieren, wahrend hei hohen Tensidkkonzentrationen (10-1 00 x CMC) die Soluhilisation eher der Bildung einer Mikroemulsion ahnlich ist. Die hohe Tensidkonzentration ermoglicht die Unterbringung von groljeren Mengen von oligem Schmutz. Mit ionischen Surfactants ist die Anwendungskonzentration nicht wesentlich grol3er als die CMC. Daher geniigt die Solubilisation meist nicht zur Entfernung von ullem iiligem Schmutz. Fur nichtionische Surfactants hangt die solubilisierte Menge vor allem von der Temperatur des Bades ab, und zwar relativ zum Trubungspunkt des Tensids. Die Soluhilisation von digem Material nimmt stark zu hei Annuherung an den Truhungspunkt.
10.3 Spezielle Phanomene bei Reinigungsprozessen
329
Zur Frage der Schmutzentfernung durch Mizellen gibt es gewisse unterschiedliche Auffassungen. Da die erfolgreichsten Detergentien Mizellen bilden, entstand die Auffassung, dass Mizellen direkt an der Reinigungsaktion beteiligt sind, wobei ihre Rolle in der Solubilisierung von oligem Material besteht. Jedoch gilt, dass die Reinigungsaktion von der Konzentration an nichtassoziiertem Tensid abhangig und praktisch unbeeinflusst von der Anwesenheit von Mizellen ist, da nur monomere Tensidmolekule an den GrenzJachen adsorbieren. Die Mizellen dienen darum hochstens als Reservoir zum Auffiillen von nichtassoziierten Tensiden, welche aus der Losung adsorbiert wurden. Man kann sagen, dass die molekularen Eigenschaften von Tensiden mit guter Reinigungswirkung auch zur Bildung von Mizellen beitragen, und zwar eher als Konkurrenz denn als ein unterstiitzender Prozess bei der Schmutzentfernung.
10.3.2 Emulgierung Damit eine Emulgierung erfolgen kann, muss die Grenzflachenspannung zwischen den Oltropfchen und dem Bad sehr klein sein, sodass ihre Emulgierung fast ohne mechanische Arbeit ablauft. Die Adsorption des Tensids an der SchmutdBad-Grenzfltiche spielt also eine groRe Rolle. Die Eignung des Bades zur Emulgierung des oligen Schmutzes ist ungenugend, um allen Schmutz an einer Wiederanlagerung am Substrat zu hindern. Wenn emulgierte Oltrbpfchen mit dem Substrat zusammenstoljen, werden einige daran haften und den Gleichgewichtsrandwinkel annehmen. Das ist im Gegensatz zur Solubilisation, bei welcher der olige Schmutz vollstandig vorn Substrat enflernt wird. Blofle Dispergierung von Schrnutzpartikeln im Bad ist ungenugend fur eine effektive Reinigung. Es gibt keine Korrelation zwischen Reinigung und Dispergiervermogen eines Bades. Tenside rnit ausgezeichneter Dispergienvirkung sind oft schlechte Detergents und umgekehrt. Andererseits korrelieren im Falle von anionischen und nichtionogenen Tensiden verstarkte Adsorption an Substrat und Schmutz, im Fall von nichtionischen Tensiden auljerdem die Solubilisation von fetthaltigem Schmutz mit dem Reinigungseffekt. Allgemein kann abschlieljend festgestellt werden, dass kationische Tenside eine geringe Reinigungswirkung haben, da die meisten Substrate und Schmutzpartikel eine negative Ladung in wassrigem Medium bei neutralem oder alkalischem pH aufieisen. Die Adsorption der positiv geladenen Tensidionen auf Substrat und Schmutz reduziert deren negative elektrische Potentiale, erschwert die Entfernung des Schmutzes und erleichtert seine Redeposition.
10.4 Detergent Additive, Builders Zustitzlich zu den Surfactants in formulierten Detergentien sind eine Anzahl von weiteren Stoffen vorhanden. Ihre Aufgabe besteht darin, die negativen Auswirkungen von mehrwertigen Kationen auf die Reinigung zu eliminieren, aber auch, um die Wirksamkeit der Tenside als Detergentien zu verstarken. Diese Materialien werden Builder genannt. Es
330
10 Reinigung, Detergency
sind vor allem anorganische Salze, eingesetzt in hoheren Konzentrationen. Auch einige organische Polymere werden zur Verhinderung der Schmutz-Redeposition in niederen Konzentrationen eingesetzt. Builder erfiillen vor allem folgende Funktionen: 1. Sequestrierung (Bildung von loslichen, nicht adsorbierenden Komplexen) von Ca2' und Mg2+-Ionen. D a e r werden venvendet: Na- und K-Polyphosphate, speziell NaTripolyphosphat Na5P3010.Na-Silikate, Carbonate und Hydroxide, welche mehnvertige Kationen als deren unlosliche Salze ausfallen, werden ebenfalls venvendet. 2. Entflockung und Dispergierung von Schmutzpartikeln durch Adsorption des Builders auf den Sctunutzpartikeln sowie Erhohung von deren negativem Potential und daher Verstarkung ihrer gegenseitigen AbstoRung. Dam sind vor allem Polyphosphationen geeignet, mit ihren multiplen negativen Ladungen. 3 . Einstellung eines alkalischen pH und Pufferung. Hoher pH erhoht die negativen Potentiale auf Schmutz und Substrat und verstarkt die Reinigung. Pufferung ist notig, um die Erniedrigung des pH vom Schmutz und Substrat und damit der Oberflachenpotentiale zu verhindern. In dieser Hinsicht ist Na2C03speziell wirksam. Einige Builder sind fiir spezielle Zwecke wichtig. Na-Silikate zur Vermeidung der Korrosion von Aluminiumteilen der Waschmaschinen und zur Vermeidung von Korrosion der Glasur auf Porzellan. Na-Carboxymethylcellulose verhindert bei niedrigen Konzentrationen (bis 2 %) die Redeposition von Schmutz auf Fasern. Builder helfen auch zur Erzeugung von milden, alkalischen Bedingungen, die vorteilhaft fiir die Reinigungsoperation sind.
10.5 Waschmittel Wie bereits envahnt, verlaufen Waschprozesse sehr komplex. Verschiedene physikalische und chemische Prozesse wirken zusammen. Sowohl wasserlosliche Ablagerungen, als auch beispielsweise Adsorbate von Pigmenten, Fetten, Kohlehydraten, Proteinen, naturlichen und synthetischen Farbstoffen mussen von den Oberflachen entfernt werden. Zur Entfernung von wasserunloslichen, partikularen Verschmutzungen muss im ersten Schritt des Waschprozesses vorerst mechanische Energie zugefuhrt werden, um die Adhasionsenergie zu ubenvinden, was durch Adsorption von Tensiden erleichtert wird. In diesem Stadium wird im Folgeschritt die vollstandige Ablosung der Schmutzpartikel durch die Zusammensetzung der Waschflotte bestimmt. Der Abloseprozess ist der umgekehrte Vorgang der Flockung und hangt stark von elektrostatischen Wechselwirkungen ab. Deshalb muss durch Adsorption von ionogenen Tensiden oder polyvalenten Ionen wie Alkaliphosphaten oder -silikaten (Builder) fur eine gleichsinnige Aufladung von Substrat und Schmutzteilchen gesorgt werden, damit die Abtrennung durch elektrostatische Krafte begiinstigt wird. Ublichenveise wird der Schmutz nach der Abtrennung in dispergierter Fonn vorliegen, wobei die adsorbierten Tensidschichten den Flockungsprozess von Feststoffpartikeln und die Koaleszenz von Emulsionstropfchen verzogern bzw. verhindern mussen.
10.5 Waschmittel
33 1
Ahnlich wirken auch makromolekulare Zusatze, wie Carboxymethylcellulose, die durchsterische Hinderung ebenfalls sowohl Flockung, als auch Koaleszenz verhindern sollen, was sonst zur Wiederanlagerung des Schmutzes und zur Vergrauung des Waschegutes fiihren kann. Die makromolekularen Zusatze wirken somit als Vergrauungsinhibitoren. Oft miissen Schmutzstoffe vor ihrer Entfernung chemisch umgewandelt werden, sei es durch Redoxprozesse mittels Bleichmitteln (in Kombination mit Bleichaktivatoren und Stabil isatoren), z.B. bei natiirlichen Farbstoffen aus Tee, Wein, Fruchtsaften, oder durch enzymatischen Abbau von denaturierten Proteinadsorbaten. Ebenfalls sind Komplexbildung und Ionentausch zusatzliche wichtige Prozesse. Fettige Anschmutzungen sind bei Waschtemperaturen oberhalb 40 "C meistens flussig und breiten sich in mehr oder weniger geschlossenen Deckschichten iiber die Substratoberflache aus. Diese bligen Schichten miissen beim Waschprozess emulgiert werden. Das schon envahnte ,,Roll up" ist hierbei ein wichtiger Prozess. Ebenfalls von Interesse als Waschmittelzusatze sind optische Aufheller, Korrosionsinhibitoren, Duftstoffe und Farbstoffe. Tabelle 10.1 zeigt eine Rahmenrezeptur eines Universaiwaschrnittels von welchem in der Applikation 6 bis 10 g/l Flotte benotigt wird. In den USA und Japan betragen die Anwendungskonzentrationenjedoch nur 1 bis 1.5 g/1 Flotte, bei entsprechend geanderter Waschmittelzusammensetzung.
Tabelle 10.1. Rahmenrezeptur eines Universalwaschmittels (aus [4]). Wirkstoffgruppe Aniontenside N ichtionische Tenside Schauminhibitoren Komplexbildner Ionentauscher Bleichmittel Bleichaktivatoren Stabilisatoren Vergrauungsinhibitoren Enzyme Optische Aufheller Korrosionsinhibitoren Dufistoffe Farbstoffe Stellmittel .~
Beispiel Anteil ["A] Alky 1benzolsulfonat 5-1 0 Fettalkoholpolyglykolether 1-5 Seifen, Silikonole 1-5 Na-Triphosphat 1040 Zeolith 4A 0-3 0 Na-Perborat 15-35 Tetraacetyl-ethylendiamin 0 4 Ethylendiamintetraacetat,Mg-Silikat 0.2-2.0 Carboxymethylcellulose, andere Celluloseether 0.5-2.0 0.3-1 .O Proteasen Stilben-disulfonsaure-, Bis-(styry1)-biphenyl-Derivate 0.1-0.3 Na-Si I ikat 2-7 0.05-0.3 0-0.00 I Na- Sulfat 2-20
Aus okologischen Griinden sind zahlreiche phosphatarme oder phosphatfreie Waschmittel auf dem Markt, mit weiterhin steigender Tendenz. Ebenfalls wird der biologischen Abbaubarkeit der Tenside Beachtung geschenkt.
332
I0 Reinigung, Detergency
Als Haushaltswaschmittel werden auRer Universalwaschmitteln auch 60"-Waschmittel, Spezialwaschmittel f i r die Feinwasche, Wolle und weiBe Gardinen, Zwischendurchwaschmittel f i r Hand- und Maschinenwasche, Vonvaschmittel angeboten [ 5 ] . Die des Weiteren angebotenen Flussigwaschmittel enthalten im Allgemeinen Losevermittler, wie Ethanol, Propylenglykol und u.U. avivierend wirkende Kationtenside, hingegen keine Bleichmittel wie Perborat und nur selten Builder. Ebenfalls kein Perborat ist in Zwischendurchwaschmitteln enthalten, die andererseits sehr tensidreich sind. Kationtenside, wie sie in gewissen Flussigwaschmitteln enthalten sind, finden sich ebenfalls in Wascheweichspulmitteln. Analog zu den Haarnachbehandlungsmitteln (vergl. in Kapitel 1 1) sollen diese auf dem Gewebe einen Belag bilden und so der Erzielung eines weichen Waschegriffes, der enviinschten Flauschigkeit und der Verhinderung elektrostatischer Aufladung dienen. Waschmittel f i r Waschereien sind anders aufgebaut als die Haushaltswaschmittel. Da mit bereits enthartetem Wasser gewaschen wird, konnen die Waschmittel weniger Phosphate enthalten. Seife wird hier noch in groRerem Umfang venvendet. Fur fettverschmutzte Textilien benutzt man oft sogenannte Fettloser-Waschmittel, die Losemittel enthalten. Waschpulver werden weitgehend durch Zerstaubungstrocknung hergestellt, so wie es in Kapitel 6 beschrieben ist. Die mit Wasser zu einem Slurry angeriihrten Komponenten werden am oberen Ende des Trockenturms bei Driicken bis zu 80 bar zerstaubt. HeiRluft bringt das Wasser in den Tropfchen zur Verdampfung, wobei ein aus Hohlkugeln bestehendes Pulver entsteht [4, 6, 71. Im Gleichstromverfahren tritt der Slurry in die heirjest, Zone des Turmes ein. Das Wasser wird unter starker Aufblahung der Teilchen schnell verdampft, unter Bildung eines lockeren Pulvers geringer Dichte. Wegen der kurzen Venveilzeit in der heiljen Zone eignet sich dieses Verfahren besonders f i r die schonende Tracknung von Feinwaschmitteln mit hohem Tensidgehalt. Das Hauptverfahren ist jedoch das Gegenstromverfahren. Da hier die Trocknung bei niedriger Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit beginnt, entstehen dickwandige Beads. Zusatzlich begunstigt die geringere Sinkgeschwindigkeit die Agglomerationsvorgange, wodurch kompaktere, grobere Pulver entstehen; siehe auch [8]. Literatur zu Kapitel 10: D. J. Shaw, Introduction to Colloid and Surface Chemistry, Buttenvorths, London, 1966. Ciba-Geigy Rundschaul97 112: N. Bigler, Die Tenside (Ciba-Geigy AG, Basel, Div. Farbstoffe, Ed.). L. M. Kushner, J. I. Hoffman, Synthetic Detergents, Sci. Amer., Oct. 195 1, p. 26. Ullmanns Encyklopadie der technischen Chemie, 4. Auflage, Bd. 24, S. 108, Verlag Chemie, Weinheim Deerfield Beach FL Basel. H. J. Lehmann, Chemie unserer Zeit 7, 82 (1 973). K. Henning, Chem. Lab. Betr. 27,46, 81 (1976). Winnaker-Kuchler 4. Auflage, Bd. 7, 84, Carl Hanser Verlag, Munchen. P. Berth, M. J. Schwuger, Chemische Aspekte beim Waschen und Reinigen, Tenside Detergents 16, 175 ( 1 979).
11 Kosmetika 11.1 Die Haut als Wirkungsort von Kosmetika Als kosmetische Mittel werden Stoffe oder Zubereitungen bezeichnet, die auflerlich am Menschen oder in seiner Mundhohle zur Reinigung, Pflege, zur Beeinflussung des Aussehens und des Kbrpergeruchs angewandt werden. Im Gegensatz zu kosmetischen Mitteln sind Arzneimittel dazu bestimmt, durch Anwendung am Korper Krankheiten, Leiden, Kbrperschaden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhiiten oder zu erkennen. Obschon viele Kosmetika im Sinne der Definition eindeutig nicht als Arzneimittel angesehen werden mussen, ist die Unterscheidung und Zuordnung in anderen Fallen oft schwierig, denkt man z.B. an Hautpflegemittel, welche die Talgsekretion beeinflussen, an Antitranspirantien mit schweiahemmenden Eigenschaften, oder an Sonnenschutzmittel, die Hautschaden praventiv verhindern. Man unterscheidet zwischen Wirkstoff und Grundlage. Bei Feuchtigkeitscremes besteht beispielsweise die Grundlage aus Wasser, Polyolen, Lipiden, Emulgatoren, Konsistennegulatoren, Feuchthaltemitteln, mit Zusatzen von Konservierungsmitteh und Parfiim6len. Als Wirkstoffe kommen in Frage Vitamine, Pflanzenextrakte, tierische Proteinextrakte und andere, spezifische Zusatze. Weil die Mechanismen im Stoffwechsel der Haut aber komplex verlaufen, kann je nach Hauttyp das Creme-Geriist einen entscheidenden Einfluss ausuben, im Vergleich zu den zugesetzten Wirkstoffen. Deshalb kommt in der Kosmetik der Kolloidchemie, mit der die Eigenschaften des Lipid/Wassersystems definiert werden, eine wichtige Bedeutung zu. Im Ubrigen kbnnen alle Materialien, die in Kontakt mit der Haut treten, Veranderungen bewirken; selbst Wasser beeinflusst die Hornschicht (Abb. 1 1.1) durch Quellung. Die Haut als 2ul3ere Grenzfltiche zur Umwelt hat vielfdltige Funktionen zu erfillen. Sie bildet eine Schranke gegen schadliche Einflusse und dient dem Stoffaustausch nach a d e n . Die Haut ist auch KontaktflSLche fiir Sinnesreize und hat auRerdem Signalfunktion (Hautrotung). Sie besteht aus zwei deutlich voneinander unterschiedenen Schichten, der Oberhaut und der Lederhaut (Abb. 11.1). Die Oberhaut stellt ein mehrschichtiges Epithel dar, dessen oberste Zellen verhornen und sich lockern, wiihrend in den unteren Schichten durch Zellvermehrung laufend Ersatz geschaffen wird. Der h e r g a n g von der Lederhaut zur Oberhaut wird durch unzahlige Zapfchen oder Papillen gebildet, die in die Oberhaut hineinragen und Blutgefae und Nerven enthalten. Sie sind reihenfdrmig angeordnet und zeichnen sich in der Oberhaut als charakteristische wellenformige Hautleistenstruktur ab, wie z.B. an den Fingerkuppen. Umgekehrt bildet die Epidermis auch viele Einsenkungen in die Lederhaut, die als Hautdriisen von Blutgemen der Lederhaut umsponnen werden und diverse Sekrete wie Talg oder Schweia absondern. Auch die Haare sind Bildungen der Oberhaut, die als Haarbalge (Follikel) in der Tiefe verankert sind. Andererseits bildet die Lederhaut Haarpapillen, von denen aus das junge Haar ern&rt wird. AuRerdem sind seitlich des Haarbalges Talgdriisen angeordnet, die das Haar einzufetten haben.
334
11 Kosmetika
Epidermis (Oberhaut)
Cutis (Lederhaut)
Subcutis Haarpapille
Nerven
Abb. 11.1. Querschnitt durch die Haut (aus [l]).
Durch die Driisensekretion bildet sich auf der Haut ein Hydro-Lipidfilm, der eine Schutzfbnktion besitzt. Wird er durch ein Losemittel wie z.B. Alkohol entfernt, also die Haut entfettet, so verdunstet das Wasser aus der gequellten Hornschicht, ,,die Haut trocknet aus". Aber auch beim Waschen mit Waschmittel wird der Hydro-Lipidmantel der Haut zusammen mit Schmutz abgelost - dies erfolgt unvollstandig sogar mit Wasser allein sodass die Haut durch Wasserverdunstung aus der ungeschutzten Hornschicht austrocknen kann. Obschon Tensid beim Waschprozess an der Hornschicht adsorbiert wird, reicht dieser Film aus dem Waschmittel nicht aus, um eine Barriere gegen Wasserverdunstung aufmbauen. Seifen allerdings fihren zu einer starkeren Quellung der Hornschicht, was solange anhalt, bis sich durch Talgsekretion der abgeloste Hydro-Lipidmantel regeneriert hat. Alkalische Waschmittel ftihren also zu geringerer Austrocknung der Haut als neutrale; sie sind deshalb gunstiger f i r die trockene Haut als neutrale Waschflussigkeiten. Die hautschonendste Reinigung lasst sich zweifelsohne mit Reinigungsemulsionen erzielen, bei denen das Lipid/Wasserverhaltnis stark zur Lipidseite verschoben ist; eine Lipidschicht kann sich dadurch auf der Haut bilden. Allerdings sind solche Emulsionen hinsichtlich Reinigungseffekt den reinen Tensidlosungen unterlegen, auch wenn der Emulgator in groBem Uberschuss vorliegt. Im Gegensatz zu Reinigungsmitteln sol1 durch Lipidemulsionen das Gegenteil angestrebt werden, die Bildung einer verdunstungsverhindernden Lipidschicht. So erzielt man eine weitgehend vollstandige Abdeckung durch ein wasserfreies Lipogel, das z.B. auf der Haut einen Vaselinfilm bildet. Durch Transpiration formen sich allerdings Kanale, durch
11.2 Tensideffektebei der Haut
335
die das Wasser der Hornschicht ungehindert verdunsten kann. Besser sind spezielle Emulsionen vom Typ W/O. Hierbei werden nicht nur Fett, sondern auch Emulgator und Wasser auf der Haut verteilt. Auch dadurch kommt es zu einer, wenn auch unvollstandigen, Abdeckung der Haut. Das von der Hornschicht abgegebene Wasser wird in der Olschicht emulgiert und steht noch im Gleichgewicht mit dieser. Diesen subtilen Wasserauhahme- und -abgabemechanismen mussen die Hautpflegemittel je nach Hauttyp Rechnung tragen. Pflegepraparate mussen also fiir die trockene Haut lipidreicher sein, und Reinigungsprodukte durfen die ohnehin zu starke Austrocknung nicht noch verst2rken [ 2 ] .
11.2 Tensideffekte bei der Haut Will man den Einfluss von Tensiden auf die Hautbarriere diskutieren, so muss man nicht nur die Lipide, sondern auch die Proteine der Epidermis beriicksichtigen, die von der Zelldifferenzierung s t a m e n . Die Basalzellen des Stratum germinativum differenzieren uber das Stratum Spinosum und Stratum granulosum zu den verhornten, abgeflachten Zellen des Stratum corneum. Abbildung 1 1.2 zeigt Einzelheiten des Ubergangs vom Stratum granulosum zum Stratum corneum.
Abb. 11.2. Schematische Darstellung des Stratum corneum und einer differenzierten Granularzelle
im Anfangsstadiurn der Transformation. Die Hornzellen sind mit Intermediatfilamenten (F) und einer arnorphen Matrix (M) gefillt. Die Hulle (E) besteht aus diinnen gul3eren (01) und rnittleren Lamellen (ml) sowie einer verdickten inneren Lamelle (il). Der interzelluliire Raum ist rnit 2 nrn dicken, parallel angeordneten Lamellen (L) gefillt, welche aus den Mernbran bedeckenden Granula (MCG) stamrnen. Die Granulazelle enthalt Intermediatfilament-Bundel(F), Keratohyalingranula (KH), Mitochondrien (M), Golgivesikel (G), rauhes endoplasmatisches Reticulum (ER) und freie Ribosornen (R). Die Granulazelle ist in einer dreischichtigen Plasmamembran (PM) eingepackt, die wiederum an die Hornzellen durch Desmosome (D) angeheftet ist [3].
Wahrend des 27 Tage dauernden Differenzierungszyklus fihren verschiedene interne autolytische Prozesse zur keratinisierten Matrix f i r Proteolipid-Komponenten, aber auch
336
I 1 Kosmetika
zu wasserloslichen, stickstoffhaltigen Substanzen im interzellularen Raum des Stratum corneum. Im Keratinisierungsprozess von den Basalzellen im Stratum germinativum zu den Zellen des Stratum corneum andert sich aber auch die Zusammensetzung der Lipidkomponenten. Von den polaren Lipiden wie Glycosphingolipiden und Phospholipiden in den tieferen Epidermisschichten fihrt der Differenzierungsprozess zu unpolareren Lipiden wie Sterinester, freie Fettsauren, Ceramide, Triglyceride in der keratinisierten Schicht des Stratum corneum (Tabelle 1 1.1). Aus anderer Quelle stammen die Lipide des Hydrolipidfilms. Sie kommen vonviegend aus Sekreten der Talgdriisen, und zwar in folgender Zusammensetzung: Squalen (10 %), Wachsester (22 %), Triglyceride (25 %), Di- und Monoglyceride (1 0 YO),Sterinester (2.5 YO),Sterine (1.5 %), u.a.m.
Tabelle 11.1. Lipidkomponenten in verschiedenen Schichten der Epidermis (in %) [4].
Lipide Phospholipide Glucosylceramide Ceramide Cholesterin Freie Fettsauren Diverse
Str. basalehpinosum 63 7 0 10
7 13
Str. granulosum 25 10 15 21 17 12
Str. corneum 0 0 50 25 15 10
Bezuglich Wechselwirkungen zwischen Tensiden, Lipiden und Keratin wurde Folgendes festgestellt [4]: Es werden keine Lipide extrahiert, wenn die Tensidkonzentration kleiner als die CMC ist. Oberhalb der CMC wird jedoch ein kleiner Anteil der Lipide aus dem Stratum corneum herausgelost, ca. 4-7 % des gesamten Lipids des Stratum corneum. Es handelt sich um freie Fettsauren, Cholesterin und Cholesterinester, nicht jedoch um den Hauptbestandteil, die Ceramide. Andererseits treten die Tenside mit der Lipidphase und dem Keratin in Wechselwirkung. Bei kurzer Einwirkungsdauer werden die Tenside nur von der Lipidphase aufgenommen. Bei Iangerer Einwirkung stellt sich jedoch ein Gleichgewicht zwischen dem Tensid im Wasser und in der Lipidphase und dem an das Keratin gebundenen Tensid ein. Im ubrigen kann sogar die Zusammensetzung der Lipide im Stratum corneum als Folge einer Storung der Lipidsynthese eintreten. Die Adsorption von Tensid ist am starksten bei Alkylkettenlangen von 12 C, auch im Falle von nichtionogenen Ethoxylaten, mit Ethoxylierungsgraden von 4-5. Wie schon envahnt, fiihrt die Adsorption von Aniontensiden zu starkerer Quellung des Stratum corneum, was mit spezifischen Interaktionen der Kopfgruppen erklart wird. Durch die Tenside kann die quartare Struktur des Keratins aber auch entfaltet werden (vergl. Kapitel 13). In ahnlicher Weise treten die Tensidmolekule in Wechselwirkung mit loslichen Proteinen des interzellularen Raums; sie werden in die Wasserphase extrahiert. Alle diese Interaktionen der reinen Tensidlosungen fiihren zu rissiger, schuppiger Haut, aber auch zu Hautirritationen. Vorteilhaft ist hingegen, dass aurjerdem die Permeabilitat der Haut fir Wirkstoffe erhoht wird.
11.3 Kosmetische Praparate
337
11.3 Kosmetische Praparate Wie in den Abschnitten 1 1.1 und 1 1.2 dargelegt wurde, konnen kosmetische Praparate die physiologischen Vorgange in der Haut beeinflussen. Sowohl enviinschte positive Wirkungen als auch Hautschadigungen konnen eintreten. Diesen Problemen muss bei der Ausarbeitung von Formulierungen spezielle Beachtung geschenkt werden. AuBerdem sind es jedoch diverse formulierungstechnische Aspekte, die wichtig sind. Emulsionen, Mikroemulsionen, Liposomen-Systeme, Dispersionen fester Stoffe, Losungen, Rheologie, Difkion, chemische Reaktvitat sind einige Stichworter; kolloidchemische Kenntnisse, wie sie in den einzelnen Kapiteln dieses Buches dargelegt werden, sind deshalb hilfieich bei der Entwicklung neuer Formulierungen. Insbesondere sind es Emulsionen, sei es vom Typ OVWasser oder Wasser/Ol, die wichtige Applikationsformen darstellen. Entsprechend der Vielzahl von Rohstoffen konnen viele Kombinationen zu optimierten Produkten fiir definierte Anwendungen fihren [ 5 ] wie: Hautkosmetika: Feuchtigkeitsemulsionen wie Tagescremes, Nachtcremes, Feuchtigkeitsmilch oder After-Sun-Lotion, Reinigungsemulsionen, Hand- und Bodylotionen, Hautschutzpraparate, Gesichtswasser und Gesichtslotionen, Sonnenschutzemulsionen und Solarienpraparationen, Hautole, Emulsionen zur FuRpflege, Babypflegemittel, Gesichts-Make-up-Emulsionen und Make-up-Stifte, Augen-Make-up-Praparate und EyeShadow-Stifte, Lippenstifte, Gesichtsmasken, Hautbleichcremes, Depilationsmittel, Puder, Pudercremes, Compacts, Aerosolpuder, Antitranspirant/Deodorantpraparate, Deodorantstifte, Repellentstifle, Badesalze, Badetabletten, Badeole und Schaumbadole, Zahnpasten, Zahnreinigungspulver, Mundwasser, Gebisspflegemittel. Haarkosmetika: Haarwasch- und Haarreinigungsmittel, Antischuppenshampoos, Kurspulungen, Haarfestiger, Haarfrisiercremes/Haarfixative,Haarole, Pomaden, Brillantinen, Haarwasser, Haarsprays, Haartkbemittel, Cremehaarfarben, Tonungsshampoos, Gelhaarfarben, Farbabziehmittel, Haarbleichmittel, Haardauerverformungsmittel, Haargl attungsmittel,. Nagelpflegemittel Nagelpoliermittel, Nagellacke, Nagellackentfemer, NagelhauterweicherRdageIhautentfemer, Nagelhmer, Nagelbleichspray, Nagellacktrockenspray, Nagelverlilngerer, Nagelcreme. Rasierhilfsmittel: Rasierseifen, Rasiercremes, Rasierschaumpraparate, Rasierwasser, Pre-Shaves, After-Shaves, Rasierpuder, Rasiersteine. Hinweise liber Aspekte der Anwendung, der Wirkung und viele Rezepte von solchen Kosmetika sind in [2] zu finden.
11.4 Emulsionen im Kosmetiksektor Die zur Entwicklung von Emulsionen notigen allgemeinen Informationen wurden bereits im Kapitel ,,Emulsionen" dargelegt. Hier sollen die speziell den Kosmetiksektor betreffenden Aspekte behandelt werden.
338
11 Kosmetika
11.4.1 Emulsionstypen Es gehort im Kosmetiksektor zu den schwierigsten Aufgaben, eine stabile W/O-Emulsion zu entwickeln, die hautvertraglich und in ihrer Konsistenz dem heutigen Trend entsprechend, namlich weich, glatt und gut verteilbar ist. AuRerdem ist die Entwicklung einer lagerstabilen Emulsion haufig ein Kompromiss. Emulsionen rnit guter Hautvertraglichkeit sind oft im hoheren Temperaturbereich eher instabil und sehr lagerstabile Emulsionen zeigen gelegentlich schlechte Hautrauhigkeitswerte. W/O-Emulsionen entsprechen weitgehend den physiologischen Bedingungen der Haut, weil das Hautfett praktisch ebenfalls in Form einer WiO-Emulsion vorliegt. Wie unter Abschnitt 1 1.1 envahnt, bilden solche Emulsionen einen dunnen Film auf der Oberflache, welcher die Entwasserung der Hornschicht unterbindet. Die Akzeptanz von O/W-Emulsionen ist allerdings groRer, dies deshalb, weil diese Emulsionen beim Auftragen aufgrund der Wasserverdunstung zunachst kuhlend wirken. Mit richtig eingestelltem pH, rnit ionogenen Tensiden im eher alkalischen Bereich, uben sie einen quellenden Einfluss aus und konnen einer anomalen Verhornung der Epidermis vorbeugen. AuRerdem werden die Lipide der Haut in feinster Verteilung angeboten, was besonders bei Tagescremes ausgenuta wird. Auch als Body Lotions, f i r groRflachige Verteilung auf der nassen Haut sind O/W-Emulsionen besser geeignet. Applizierte OiWEmulsionen neigen weniger zu Porenverstophng und ergeben auch geringeren Glanz, was die kosmetische Akzeptanz erhoht. In steigendem MaDe werden aber statt alkalisch gestellte Tensidlosungen neutrale nichtionogene Emulgatoren eingesetzt. Multiple Emulsionen sind Emulsionen, bei denen eine disperse Phase in einer weiteren dispersen Phase enthalten ist. Eine W/O/W-Emulsion enhalt somit dispergierte Wassertropfchen in Oltropfen, die ihrerseits in Wasser dispergiert sind. Es mussen zumindest zwei Emulgatoren venvendet werden, beispielsweise ein Sorbitanester rnit langen Kohlenwasserstoffresten und ein polyethoxylierter Sorbitanester. Produkte im Kosmetiksektor betreffen Erfrischungs- und Feuchtigkeitsemulsionen. Ihr Vorteil im Vergleich zu W/O-Emulsionen ist, dass sie wie OiW-Emulsionen angenehmer in der Anwendung sind und sich weniger olig anfihlen. Fur genugend lange Stabilitat mussen sie allerdings rnit Verdickungsmitteln versehen werden. Wie bei gewohnlichen Emulsionen sind Koaleszenz und Aufrahmen Instabilitaten, die verhindert werden mussen. Ein weiteres Problem ist jedoch auch die Wasserdifision aus den dispergierten Wassertropfchen in die auRere Wasserphase.
11.4.2 Hydrokolloide als Schutzkolloide und Konsistenzregler Gute Emulsionen brauchen zur Verfestigung der Emulgatorhulle Co-Tenside (vergl. Kapitel 2). Aber auch weitere Zusatze wie Schutzkolloide und Konsistenzregler sind notig, um Emulsionen zu optimieren, beispielsweise hinsichtlich ihrer rheologischen Eigenschaften. So wirkt sich die Gelbildung mit ihrem Einfluss auf FlieRgrenze und Thixotropie fur die Langzeitstabilitat von Emulsionen giinstig aus. ~
~
11.4 Emulsionen im Kosmetiksektor
339
Hydrokolloide sind als gelbildende Verdickungsmittel bemigt, mit den Emulsionstropfchen in Wechselwirkung zu treten, indem sie sich komplexartig an die Tropfchen anlagem und deren stabilisierende Schicht versmken. Die Stake der Interaktion ist nicht nur vom Emulgatorsystem und dem Hydrokolloid, sondem auch von den Verarbeitungsbedingungen abhangig. Man kennt anorganische und organische Produkte. Anorganische wie Bentonit, z.B. Veegum, bilden thixotrope Gele. Sie konnen bei schlechter Vertraglichkeit von Fett- und Kohlenwasserstoffgrundlage beigezogen werden und finden auch wegen ihrer wasserretinierenden Wirkung Verwendung in Feuchtigkeitsemulsionen. Organische Hydrogelbildner [6] wie die anionischen Polyelektrolyte Natriumalginat oder Carboxymethylcellulose trocknen auf der Haut zu schiitzenden Filmen. Auch Polyacrylsaure wie Carbopol oder Rohagit resp. ihre Salze gehoren zu dieser Gruppe. Nichtionogene Hydrogelbildner wie Methylcellulose, Hydroxpropylmethylcellulose haben den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu den anionischen Polyelektrolyten auch zusammen mit kationischen Inhaltsstoffen verwendet werden konnen. Speziell zu erwahnen ist Hydroxyethylcellulose, die als Gelbildner fiir Antiperspirants und Deodorant-RollOns Bedeutung erlangt hat.
11.4.3 Phospholipide und Proteine In Kapitel 13 werden diese Stoffe eingehend behandelt. Zu erwahnen ist etwa das System LecithidWasser, Abb. 13.9, oder Abschnitt 13.2 uber Proteine. Lecithin gilt als lipophiler Emulgator f i r W/O-Emulsionen, kann aber auch f i r Liposomen venvendet werden (siehe Kapitel 3). Hydroxyliertes Lecithin eignet sich hingegen f i r Emulsionen vom O/W-Typ. Casein, das quell- und dispergierbar ist, und Ca-Ionen enthalt, wird durch Zusatz von Alkali wasserlbslich und nimmt in dieser Form eine lockere Struktur an. Es adsorbiert ahnlich wie Heteropolymere an Emulsionstrtipfchen, im Gegensatz m Lipoproteinen und Phosphoproteinen, die als granulare Partikel adsorbieren.
11.4.4 Grundaufbau von kosmetischen Emulsionen Entsprechend ihrer Konsistenz sind Cremes halbfeste, salbenartige Massen, im Gegensatz zu fliissigen Emulsionen, die eher milchig bis sahneartig sind. Auch die pharmazeutischen Salben sind z.T. Emulsionen, allerdings mit wesentlich geringerem Wassergehalt. Zum Teil bestehen sie aber auch nur aus Fettkomponenten mit Zusatzen von Wirkstoffen. In dieser Art sind sie den kosmetischen Hautblen und -fetten gleichzusetzen. In einer kosmetischen Emulsion sind folgende Bestandteile vereinigt: - die Olphase, zu der auBer den Olkomponenten das Emulgatorsystem, Konsistenzregler, ollosliche Konservierungsmittel und ollosliche Antioxidantien zahlen. - die Wasserphase, die 85-95 % betragen kann, enthaltend das wasserlosliche
340
-
11 Kosmetika
Konservierungsmittel und evtl. Feuchthalte- und Verdickungsmittel die ubrigen Bestandteile wie Wirkstoffe, Parfiimol, Farbmittel.
11.4.5 Hautpflegeemulsionen GemaB K. Schrader [2] konnen kosmetische Emulsionen wie folgt zusammengesetzt sein: Feuchtigkeitsemulsionen, welche die Hornschicht durchfeuchten und uber einen langeren Zeitraum feucht halten sollen, werden als Cremes sowohl vom Typ W/O als auch O/W angeboten (Cold Cream, Emollient Cream, Tagescreme, Nachtcreme, Vanishing Cream, u.a.m.). Daneben werden auch Feuchtigkeitslotionen mit hoherem Wassergehalt, Korpermilche venvendet. Die Grundlage konnte enthalten:
Tabelle 11.2. Grundlage von Feuchtigkeitsemulsionen [2]. Bestandteile Wasser Polyol Unterschiedliche Olkomponenten, Konsistennegulatoren und Fette Emulgatoren Feuchthaltemittel Konservierunesmittel und Parfimole
m0i 20-90 1-5 10-80 2-5 0-5 ie nach Bedarf
Es ist das Ziel, gut spreitende, nicht klebende Emulsionen zu entwickeln, die angenehm in der Anwendung sind, was insbesondere bei W/O-Emulsionen nicht einfach ist. In neueren Entwicklungen wird deshalb versucht, W/O-Emulsionen zu kreieren, die auf der Haut eher als O/W-Formulierungen wahrgenommen werden. Dadurch konnen die dermatologisch wertvolleren Eigenschaften von W/O-Formulierungen mit den kosmetischen Eigenschaften von O/W-Emulsionen vereinigt werden. Ein Punkt sind beispielsweise konsistenzgebende Wachse, die oft ein stumpfes, klebriges Gefihl auf der Haut hinterlassen und die deshalb sorgfaltig ausgewahlt werden miissen. Solchen Grundlagen gemaB Tabelle 1 1.2 werden diverse Wirkstoffe und weitere Substanzen beigefigt wie Collagen, tierische Proteinderivate, hydrolysiertes MilcheiweiB, diverse Aminosauren, Hamstoff, Sorbitol, Gelee Royale, u.a.m. Beziiglich einzelner Rezepte sei auf [2] venviesen. Reinigungsemulsionen enthalten mehr Emulgator und 01, vorzugsweise Paraffinol im Vergleich zu Pflegeprodukten. Wie schon in Abschnitt 1 1.1 envahnt, greift der Emulgator nicht nur den Schmutz, sondern auch den Hydrolipidmantel der Haut an. Da diese Beeintrachtigung moglichst unterbunden werden sol1 - die nach einer Reinigung applizierten Produkte wie Tages- oder Nachtcremes vermogen sonst diesen Eingriff nicht
11.4 Emulsionen im Kosmetiksektor
34 1
mehr auszugleichen - bietet sich die Verwendung milder Tenside, z.B. Proteinderivate zur Schmutzbenetzung (vergl. Abschnitt 10.2.I .2) als Zusatz zu den Emulgatoren an. Auch hohere Gehalte an Polyolen, z.B. Propylenglykol oder Butylenglykol finden in Reinigungspriiparaten Venvendung. Reinigungsmilche enthalten typischenveise 2-8 % Emulgator, 20-50 Yo 0 1 und 5-10 % Polyole, nebst Konservierungsmitteln und Wasser. Beim folgenden Beispiel (Tabelle 1 1.3) wird zur Emulgierung die Wasserphase bei 75 "C der Olphase zugemischt. Nach einer Nachriihrzeit von 5 min wird auf 40 "C abgekiihlt, dann parfimiert und schlussendlich bei 30 "C die Emulsion iiber einen Homogenisator ausgetragen. Tabelle 11.3. Beispiel einer Reinigungsmilch; Typ O/W [2].
Rohstoff Obhase: Glycerinstearat, HLB 1 1 Stearylheptanoat (PCL-Solid) Isopropy Imyristat Cetylalkohol Paraffin61 Methylsilikonol 100 Wasserphase: Chlorhexidindigluconat 20 %ig (Mikrobizid) Glycerin Allantoin (keratolytischer Wirkstoff f i r Hautregeneration) Wasser Parfiimuhase: Parfimbl
["/I 8.0 3.0
15.0 4.0 15.0 0.5 1.O 2.0 0.2 ad 100
0.2
Hand- und Bo@otionen sind ahnlich wie Gesichtsmilche aufgebaut. Insbesondere Bodylotionen werden auf die nasse Haut aufgetragen und mussen gut verteilbar sein. Deshalb haben sich O/W-Emulsionen b e w m . Aufgepasst werden muss, dass der Tensidgehalt nicht zu hoch anfallt, da sonst Ruckstande auf der Haut vom Handtuch aufgenommen werden. Auch bei Handlotionen bilden solche Ruckstande ein Problem. Das 0 1 sol1 moglichst rasch auf der Hand aufziehen, was jedoch zu einem stumpfen Hautgeflihl fihrt. Deshalb ist die Entwicklung guter Handemulsionen nicht leicht und nur durch Kombination verschiedener Hilfsstoffe zu erreichen. Gesichfsmasken werden mit einer Anwendungsdauer von 5-30 min eingesetzt und dienen zur Reinigung oder als Feuchtigkeits- oder Wirkstoffspender. Als Emulsionen sind sie den O/W-Tagescremes sehr ahnlich. Als Crememasken sind sie 2hnlich aufgebaut wie ein Make-up und als Peeling-Masken enthalten sie vorzugsweise Polyvinylalkohol als Gelbildner, Alkohol, Weichmacher, Netzmittel, Parfimol und Wasser. Emulsionen zur FuJpjlege sollen die Fuse erfrischen, schweiBhemmend wirken, die Homschicht enveichen, allfAlligen Juckreiz stillen, Feuchtigkeit absorbieren und prophylaktisch gegen F d p i l z wirken. Fur den Aufbau der Emulsionen empfiehlt es sich,
342
I I Kosmetika
Rohstoffe zu verwenden, die eine starkere Hautaustrocknung verursachen wie Triethanolaminlautylsulfat, Magnesiumlaurylsulfat, niedrigethoxylierte Fettalkohole. Als Antitranspirantien haben sich Aluminiumsalze bewahrt. Babypraparate mussen der besonderen Empfindlichkeit der Babyhaut Rechnung tragen. Babyhaut reagiert fast wie eine Schleimhaut. Durch ihre Auhahmefahigkeit ist die Gefahr der Resorption toxischer Stoffe groB, ebenfalls besteht eine groBere Anfalligkeit gegen Bakterien wie Staphylokokken und Streptokokken. Bakterielle Abspaltung von Ammoniak aus dem Urin (Bakterium ammoniagens), speziell bei neutralem pH, verbunden mit mechanischer Reibung, kann zu Windeldermatitis flihren, die besonders zwischen den Oberschenkeln ausgepragt ist. Babypjegemittel mussen mit einem dicken, festhaftenden Fettfilm vor Nasse schutZen und allenfalls austrocknend wirken, und auf der Haut sol1 sich eine schwachsaure Biosphare ausbilden. Um eine stabile dicke Schicht zu erhalten, werden den Pflegeemulsionen meist feinteilige Festoffe wie Zinkoxid zugesetzt. Lipophile Basis ist oft Lanolin, ein Lanolinderivat, Vaselin oder Parafinol. Abbildung 1 1.3 zeigt den typischen Viskositatsverlauf einer Baby Lotion.
v)
5 0. Schergefalle [s-’] Abb. 1.3. Viskositatsverlauf einer Baby Lotion [6].
11.4.6 Hautschutzemulsionen, Make up, Desodorantien Bei Sonnenschutzmitteln ist die Wahl und die Konzentration der Emulgatoren besonders wichtig. Unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung konnen hautverandernde Vorgange induziert werden, wenn zu groBe Mengen und eventuell noch ungeeignete Emulgatoren venvendet werden. Es sollen die Haut wenig belastende Emulgatoren in moglichst niedriger Konzentration eingesetzt werden, wobei jedoch gute Lagerstabilitat angestrebt werden muss. Einfache Formulierungen ohne allzu heterogenen Aufbau scheinen im Allgemeinen besser von der Haut toleriert zu werden. AuBer UV-Absorbem konnen Sonnenschutzmittel noch Hautschutzstoffe wie Allantoin, Insektrepellents oder auch
11.5 Mikroemulsionen und Liposomen in der Kosmetik
343
Lokalanesthetika wie Lidocain enthalten. O/W-Emulsionen sind im Allgemeinen beliebter. Im Gegensatz dazu verlangt aber die intensive Bestrahlung in Solarien sehr fetthaltige W/O-Emulsionen. Antitranspirant- und Deodorantpraparate haben unterschiedliche Funktionen. Antitranspirationsmittel, so wie sie in den USA angeboten werden, konnen sowohl schweirjhemmend, als auch desodorierend wirken. Die in Europa vertriebenen Desodorantien wirken hingegen nur geruchshemmend. Zu beachten ist, dass der menschliche Schweirj nach dem Austreten aus den apokrinen Driisen praktisch geruchlos ist und erst durch bakterielle Zersetzung den schlechten Korpergeruch verursacht. Bei Desodorantien bestehen verschiedene Moglichkeiten zur Geruchsbeseitigung: Uberdeckung mit Parfiimolen; Oxidation der Geruchsstoffe mit Peroxiden; Adsorption an feinteiligen Ionentauschern; Hemmung der Bakterienflora der Haut (Basis der meisten Desodorantien); Einfluss von Tensiden, insbesondere entsprechender Ammoniumverbindungen. Antitranspirantien enthalten vonviegend adstringierend wirkende Substanzen, die mit Proteinen irreversible Fallungen ergeben und dadurch die Transpiration hemmen. Im allgemeinen Aufbau enthalten Antitranspirant-/Deodorantpraparate beispielsweise 60-80 % Wasser, 5 % Polyol, 5-15 % Lipide (Stearinsaure, Mineralol, Bienenwachs), 2-5 % Emulgatoren (Polysorbat 40, Sorbitanoleat), 10 % Antiperspirantsubstanz (Aluminiumchlorhydrat), 0.1 % antimikrobielle Substanz, 0.5 % Parfiimol. Als Gesichts-Make-up werden PrBparate fiir den Gesichts-, Hals-, DekolletCbereich sowie als Rouge eingesetzt. Cream Make-up oder auch Cream Rouge bestehen unter anderem aus 3 0 4 0 % Pigment und 40-60 % Cremebasis (klassische Emulsion). Im Gegensatz dazu sind Fluid Make-up und Fluid Rouge Thixotropie-Mittel enthaltende Pigmentdispersionen. Hautschutzpraparate werden je nach Schutzwirkung unterteilt: Schutzwirkung gegen chemische Einwirkungen wie Sauren, Laugen; Schutzwirkung gegen Schmutz und Staub, Teer und Schmierol; Schutzwirkung gegen physikalische Einwirkungen wie UV-Strahlung, Hitzestrahlung; Schutz gegen mechanische Verletzungen; Gleit- und Massagepraparate; lnsektenabwehrende Praparate (Repellents). Sie sollen in keiner Weise auf das Gewebe einwirken und nur als geschmeidiger Film auf der Haut aufliegen. Als aktives Hautschutzmittel gegen Staub und Schmutz enthalten sie beispielsweise ca. 20 % feste Fettsauresalze wie Zinkstearat. Gegen organische Losemittel werden als Schutzmittel Kombinationen von Seifen, Starke, Emulgatoren wie Natriunilaurylglutamat, Glycerinmonostearat, Stearinsaure den Schutzpraparaten zugesetzt, und gegen wassrige Losungen werden halbfeste Lipide, Silikonole beigefiigt.
11.5 Mikroemulsionen und Liposomen in der Kosmetik Allgemeine Aspekte sind im Kapitel 3 behandelt. Wie dort envahnt, bilden sich Mikroemulsionen spontan und sind thermodynamisch stabil, im Gegensatz zu Emulsio-
344
1 1 Kosmetika
nen. Mikroemulsionen rnit ionischen Tensiden benotigen erhebliche Mengen Tenside (1 5-20 %). Mit nichtionogenen Tensiden braucht man etwas geringere Konzentrationen, 2.B. 5 YOf i r gewisse Polyethylenglykolether. Nicht nur wegen ihrer thermodynamischen Stabilitat, sondern auch wegen der Transparenz sind Mikroemulsionen in der Kosmetik von Interesse. AuRerdem dringen Tropfchen wegen der kleinen PartikelgroRen (100-500 nm) besonders gut in die Haut ein. Sonnenschutzgele, P a r h g e l e , Hautreinigungs- und Pflegegele werden auf dieser Grundlage aufgebaut [7]. Wegen des hohen Tensidgehalts sind Hautunvertraglichkeiten nicht auszuschlieljen, was insbesondere noch durch die kleinen Partikelgroljen verstarkt werden kann. Um ein klares, transparentes Gel zu erhalten, ist es wichtig, bei der Herstellung die Temperatur uber 90 "C zu halten, bevor die Wasser- und Olphase gemischt werden. Einarbeiten von Luft muss vermieden werden, da sie nicht mehr entweichen kann. Zur Erzielung klarer Gele muss beispielsweise bei der Emulgierung eines Mineralols die Kettenlange des Mineralols kleiner sein als diejenige des Emulgators. Andererseits werden zur Erhohung der Viskositat langkettige Fettalkohole zugesetzt; Hydrokolloide sind dazu ungeeignet, sie beeintrachtigen die Stabilitat der Mikroemulsionen. Liposomen, deren Groljenbereich sich von 10 nm-100 pm erstreckt, besitzen Hullen, die aus einer oder mehreren Doppelschichten von amphiphilen Lipiden aufgebaut sind (vergl. Abb. 3.5). Solche Lipide sind beispielsweise die naturlich vorkommenden Phospholipide, Glycolipide, Spingolipide; aber auch synthetische Produkte. Gemalj den Erlauterungen in Abschnitt 1 1.2 ist nicht zu envarten, dass Liposomen in das Stratum corneum eindringen konnen. Vielmehr ist es moglich, damit die Feuchtigkeit des Hydrolipidmantels zu erhohen, unter Bildung von Mischphasen rnit Lipiden des Stratum corneum; sind doch die polaren Reste von Lecithin rnit bis zu 23 Wassermolekulen umgeben. Wirkstoffe wie Cortisol zeigen jedoch eine 5-1 0-fach hohere Anreicherung in der Epidermis und Dermis im Vergleich zu Emulsionen [S]. Man nimmt also an, dass die Wirkstoffpenetration der Haut durch Liposomen verbessert wird.
11.6 Losungen Hautole und -fette als Losemittel fur Wirkstoffe haben die Aufgabe, die Haut zu enveichen, zu glatten und zu schutzen und auch die entfettende Wirkung vorausgegangener Waschungen auszugleichen. Als mechanische Mittel dienen sie zudem der Massage. In Verbindung mit Emulgatoren werden sie benutzt, um Verunreinigungen wie Schminkenfarbstoffe abzulosen. Weitere Anwendungen betreffen den hydrophoben Schutz beim Schwimmen, Sonnenschutzole, Hautfunktionsole rnit Zusatzen von etherischen Olen, Armeipflanzenausziigen, Vitaminen. Auch Gesichtswasser werden durchwegs als Losungen hergestellt. Solche Produkte werden angewandt, um Ruckstande einer vorgangigen Hautreinigung, z.B. von einer Reinigungsmilch, zu entfernen und die Haut f i r die nachfolgende Hautpflege mit einem Tages- oder Nachtpflegemittel vorzubereiten. Die Fornulierungen mussen so konzipiert
11.7 Bade- und Duschbadezusatze
345
sein, dass sie die Haut nicht unnotig austrocknen, da sonst der urspriingliche Hautzustand durch die nachfolgende Pflegebehandlung nur schwer wieder erreicht werden kann. Korper-iktionen auf Basis von Alkoholen dienen als Erfiischung der Haut nach korperlicher Betatigung oder nach dem Bad. Sie enthalten riickfettende, gut spreitende Substanzen wie ethoxylierte Lanolinalkohole oder Polyolfettsiiureester, aber auch schwach desinfizierende Substanzen. AuDerdem werden oft Pflanzenextrakte oder andere Wirkstoffe zugemischt. Rasierwasser (Pre Shave und After Shave) unterscheiden sich von den Gesichtswassern und Friktionen durch einen hoheren Alkoholzusatz und durch spezielle Wirkstoffe. Wie Gesichtswkser werden auch die Rasierwasser schwach sauer auf einen pH von 5.56.5 eingestellt. AuDerdem werden adstringierend wirkende Aluminiumsalze zugesetzt und oft auch Bakterizide zur Vermeidung von Entziindungen.
11.7 Bade- und Duschbadezusatze Kosmetische Badeprgparate, die fiir die Pflege des gesunden Korpers bestimmt sind, sollen den Gesamtstoffivechsel anregen, das Allgemeinbefmden steigern und leichte Hauthnktionsstorungen lindern oder beseitigen. Sie sollen jedoch vor allem auch die reinigende Wirkung des Wassers unterstiitzen und durch die etherischen Ole ein Gefiihl des Wohlbefindens vermitteln. Die stofiechselanregende Wirkung geht hauptsachlich von den etherischen Olen, nicht aber von den Gerbstoffen aus. Gerbstoffhaltige Pflanzenextrakte werden jedoch als adstringierende Komponenten zugesetzt. Eine wichtige Aufgabe besteht auBerdem darin, die Bildung eines Badewannenschmutzrandes zu verhindern und das Saubern der Wanne zu erleichtern. Hochviskose Praparate envecken den Eindruck von hohem Substanzgehalt und sind deshalb psychologisch gunstiger als diinnflussige Formulierungen. Da als Tenside fast immer Fettalkoholethersulfate eingesetzt werden, kann die Viskositat durch Zugabe von NaCl gesteuert werden (Abb. I 1.4). Pro Vollbad rechnet man mit ca. 6 g waschaktiver Substanz, die in 10-30 g Formulierung enthalten ist. Detergentien adsorbieren aus verdiinnter Losung auf der Haut und verleihen ein Hautgefiihl, das z.B. im Falle von Alkylarylsulfonaten als unangenehm klebrig empfunden wird. Hautreizende Eigenschaften konnen durch geeignete Kombinationen vermindert werden. Bezuglich Schleimhautvertraglichkeit sind die Ethersulfate besser als die Alkylsulfate oder die Sulfonate. Losungen mit einem hbheren Gehalt an waschaktiven Substanzen als 20 % zeigen geringe Tendenz zu Bakterien- oder Schimmelbefall. Verdiinntere Lbsungen sollten konserviert werden. Grundstoffe fiir Badesalze sind diverse Salze wie Natriumsulfat, Natriumchlorid, Natriumtripolyphosphat, Natriumhexametaphosphat, Trinatriumphosphat, Natriummetaborat, Natriumthiosulfat, aber auch feste anionaktive Tenside. Die weiteren Zusatze wie Farbstoffe, Parflimol und Tenside werden als Losungen aufgespriiht, resp. in einer Mischtrommel mit den Grundstoffen vermischt. Fur Badetabletten andererseits wird als Basis Natriumhydrogencarbonat verwendet, das in saurer Losung z.B. mit Weinsaure
346
I I Kosmetika
oder Adipinsaure Kohlendioxid ii-eisetzt. Sauerstoff-Badetabletten enthalten Natriumperborat, das mit Katalysatoren wie Mangansalzen Sauerstoff entwickelt. Um ein Feuchtwerden der Tabletten zu unterbinden, wird Zusatz von Starkemehl, wasserfreiem Natriumsulfat oder Aerosil empfohlen. Badeole und Schaumbadole zeigen je nach Emulgator- resp. Tensidgehalt unterschiedliche Eigenschaften. Reine Ole, versetzt mit Duftstoffen, schwimmen auf dem Badewasser und uberziehen den Korper beim Aussteigen aus der Wanne mit einem Olfilm. Praparate mit geringem Emulgatorzusatz bilden milchige Triibungen und ergeben keinen, oder nur einen geringen Schmutzrand. Die Zugabe von waschaktiven Substanzen zur Schaumbildung vermindert den Pflegecharakter des Praparates. 601
Texapon MLS I Sulfopon 101 spez.
50 40 -
2
3
4
5
% NaCl
Abb. 11.4. Viskositatserhohung durch Salzzugabe bei Losungen von Alkylsulfaten + Arnphotensid (Dehyton K); Tensidverhaltnis 3: 1: Gesamtkonzentration I5 % (nach Henkel) [4].
11.8 Gelees Fettfreie Gelees dienen als Basis fur Pflanzendfte und Pflanzenextrakte wie Gurkensaft, Melonensaft, Tomatensaft, Apfelsatl, aber auch Honig oder Traubenzuckersirup. Sie enthalten neben Wasser und allenfalls Alkoholzusatzen groBe Mengen Glycerin (his 20 %) und unterschiedliche Gelbildner wie Gelatine, Agar-Agar, Alginate, Carragheen, Pectine, Tragant, Weizenstarke, Bentonit, Veegum, Kolloidkaolin, Methylcellulose, Polyvinylpyrrolidon, Carbopol, Polyvinylalkohol. Zu beachten gilt, dass Gele aus pflanzlichen Schleimbildnern einen Alkoholzusatz im Allgemeinen nicht vertragen. Eine Ausnahme machen Quittenschleim und Pectingelees, die mit Ethanolzusatz nicht flocken. Alle pflanzlichen Gelbildner reagieren leicht sauer, unterstiitzen also die Schutzwirkung des biologischen Schutzmantels der Haut. Von den diversen Gelen seien envahnt: Citronenhandgelee, Parfbmgel, Frisiergelee, Hautstraffungsgelee, antiseptisches Hand-
Ii.9Stifie
347
waschgel, Schaumbadgel, Sonnenschutzgel, Sonnenbrandgel, Hautschutzgel, Babyhautschutzgel.
11.9 Stifte Stiftformulierungen haben an Bedeutung zugenornmen, auf Kosten der Aerosole. Nicht nur Lippenstifte, Augenbrauenstifte, Make-up-Stifte, sondern auch Parfiimstifte, Insektenabwehrstifte, Deodorantstifte sind beliebt. Die Grundlage der Stifie besteht wie bei den dekorativen Produkten aus einer Wachs- oder Fettschmelze, oder aus formbestlndigen Gelen (z.B. fir Desodorantien und Parhstifte). Der Erweichungspunkt der Stifhassen sol1 uber 50 "C liegen, bei guter Abgabe auch bei dieser Temperatur. Basis f i r Deodorant-Stifte sind Seifen wie Na-Stearat, die mit 10-1 00-facher Menge Alkohol formbestlndige Gele bilden konnen. Alkoholfieie Stiftformulierungen enthalten hingegen Polyole statt Alkohol. Die kiihlende, erfiischende Wirkung der Stififormulierungen wird verst2rkt durch Zusatz von Menthol und etherischen Olen. Bei Lippenstiften zeigen die reinen Fettstifte hohen Glanz und grorje Deckkraft, besitzen aber nur geringes Haftvermogen. Haftfeste Lippenstifte enthalten zusltzlich hydrophile Losemittel wie Glykole oder Tetrahydrofurfurylalkohol.Als Rohstoffe f i r Lippenstift-Grundmassen werden eingesetzt: Ozokerit (gutes Olauhahmeverm6gen, Kristallisationsverhinderer), Ceresin (gutes Olaufhahmevermbgen, mikrokristallin), Vaselin (bildet wasser-impermeable Filme), Paraffin (Thixotropie-Mittel, oft kristallin), Bienenwachs (gute Hafifestigkeit, Erhohung der Bruchfestigkeit), Myristyl-Myristat (Verbesserung der Abgabeeigenschaften, Sofieffekte), Cetyllaktat und Myristyllaktat (nicht klebrig wirkend, bilden mit Feuchtigkeit auf den Lippen eine Emulsion), Carnaubawachs (Olbindevermogen, Erhohung von Schmelzpunkt und HWe Oberflachenglanz), Lanolinderivate (unterschiedliche Eigenschaften, klebrig oder nicht klebrig, hydrophil oder hydrophob), Oleylalkohol (Olkomponente), lsopropylmyristat (Verminderung der Klebrigkeit).
11.10 Puder, Pudercremes Puder bestehen aus Festteilchen mit TeilchengroDen von 100-200 pm. Teilchen unter I0 pm fiihren zu Porenverstopfung und zu entzundlichen Fremdkorperreaktionen. Zu grorje Teilchen hingegen rufen ein rauhes Gefihl hervor. Sie bilden die Grundlage fir verschiedene Wirkstoffe und konnen aurjerdem zur Austrocknung und Kuhlung der Haut und zu ihrem mechanischen Schutz eingesetzt werden. Kolloides Siliciumdioxid, Magnesiumcarbonat, Starke sind Zusatze zur Verbesserung der Austrocknung. Starke oder Stearate verstarken den Kuhleffekt. Puder mussen eine gute Haftfahigkeit auf der Haut aufiveisen, wozu Starken, aber auch fettende Komponenten beigefiigt werden.
348
I I Kosmetika
AuRerdem mussen sie physiologisch und chemisch indifferent sein. Die Gleitfahigkeit wird verbessert durch Talkzusatz. Zu den wichtigsten Pudergrundstoffen gehoren Silikate (Kaolin, Aerosil, Talkum), Carbonate (Magnesiumcarbonat, Calciumcarbonat), Oxide (Zinkoxid, Titandioxid), Stearate (Zinkstearat, Magnesiumstearat, Aluminiumstearat), Starke, EiweiRabbauprodukte. Kinderpuder bestehen aus sehr saugfihigen Bestandteilen und enthalten zusatzlich geringe Mengen Antiseptika. Die Puderkorner durfen nicht zu hart sein und keine scharfen Kanten oder Spitzen aufweisen. Die Venvendung konnte sonst zu Hautverletzungen fuhren. Die Pudergrundstoffe durfen sowohl in Wasser als auch Olen nur geringe Loslichkeit aufweisen. In Pudercremes, die in Tiegeln oder vergossen in Stift-Hulsen angeboten werden, ist der Puder in das Geriist einer Grundlage eingebaut. Bei wasserfreien Produkten besteht die Grundlage aus einer Ol/Fetb'Wachs-Schmelze mit stark thixotropem Verhalten. Durch den mechanischen Druck beim Aufh-agen werden die Festkorperteilchen freigesetzt und haften auf der Haut. Als Wachse dienen vorzugsweise Bienenwachs, Mikrowachse und in geringerem Umfang Carnaubawachs und Candelillawachs. AuBer den wasserfreien Formulierungen sind entsprechende Make-up-Emulsionen vom W/O-Typ und O/W-Typ im Handel, die Puder, Farbpigmente und Perlglanzpigmente enthalten.
11.1 1 Mund- und Zahnpflegemittel Obschon die Zahne sich anfihlen, als seien sie Knochen, sind sie wie die Nagel und Haare - Abkommlinge jener embrionalen Schicht, die auch die Haut hervorbringt. Im Querschnitt von innen nach auRen gesehen (Abb. 1 l S ) , besteht der menschliche Zahn aus der Pulpa, die vom Dentin umschlossen wird, und dem Zahnschmelz. Der Zahnschmelz ist vom Schmelzoberhautchen (Pellikel) iiberzogen. Die Pellikel, die beim Zahneputzen kaum abgescheuert wird, regeneriert sich innerhalb kiirzester Zeit durch Adsorption von Speichelproteinen auf der Hydroxyapatit-Oberflache des Zahnschmelzes. Sie besteht vonviegend aus Glycoproteinen und bildet die Oberflache zur bakteriellen Besiedlung, dem Ursprung der Plaque. Plaque ist der festhaftende Belag aus lebenden und abgestorbenen Mikroorganismen in einer polysaccaridund glykoproteinreichen Matrix. Sie besteht zu 80 YOaus Wasser und im Rest zu 60-70 % aus Bakterienrnasse. Durch Einbau von Calcium-Ionen geht die Plaque in Zahnstein uber, was durch Zusatz von Kristallisationshemmern zur Zahnpasta eingeschrankt werden kann. Van der Waals'sche und elekrostatische Wechselwirkungen (vergl. Kapitel 5) bilden den ersten Schritt bei der Ablagerung von Bakterien auf der Pellikel. In einer zweiten Phase bilden sich Bindungen zu Rezeptoren der Pellikel uber spezifische Hafistellen der Bakterien aus. Die Verstarkung und Vernetzung der Bindungen geschieht durch spezielle Polysaccharide, die durch Mundbakterien aus Saccharose produziert werden. In der frisch gebildeten Plaque dominieren Streptokokken neben anderen Bakterien wie Neisseria- und Actinomyces-Spezies. Im Alterungsprozess tritt eine Verschiebung der Bakteri~
11.I I Mund- und ZahnpJlegemittel
349
enpopulation von den gram-positiven Streptokkoken zu mehr filamentosen gram-negativen Spezies und Fusobakterien, spater zu Spirillen und Spyrochaten ein. In der Plaque enstehen durch bakteriellen Abbau Sauren, welche die Kristallstruktur des Zahnschmelzes angreifen und durch Demineralisation zu kariosen Lasionen fihren. In einem Folgeprozess kann Zerstorung des Dentins eintreten. Aul3erdem konnen die ebenfalls als Folge des bakteriellen Abbaus entstehenden Toxine zu Entziindungen des Zahnfleisches ftihren. Es liegt also nahe, durch intensive Zahn- und Mundpflege die Bildung von Zahnbelagen zu verhindern. Reinigung durch mechanisches Zghneputzen wird unterstutzt durch Zusatze von Wirkstoffen zu Zahn- und Mundpflegemitteln, welche die Bildung von Zahnbelagen verhindern sollen. Antimikrobielle Substanzen, welche die ftir die Plaqueentstehung verantwortlichen Bakterien inhibieren sollen, wie verschiedene Bisbiguanide, diverse Schwermetallionen, oder spezielle quaterniire Ammoniumverbindungen, kbnnen dazu eingesetzt werden. Auch der Einsatz von matrixzerstorenden Enzymen wird diskutiert. Die Pflegemittel diirfen jedoch keine unspezifische antiseptische Wirkung zeigen, da sonst auch notwendige Spezies der Mundflora zerstort werden.
Zahnschmelz Zahnbein
Wurzelhaut Nerven
-Blutgefa13 Abb. 11.5. Schnitt durch Backenzahn [2].
Die MundpJlegemittel konnen eingeteilt werden in desinfizierende, adstringierende und aromatisierende Mundwasser. Sie enthalten in wassriger Losung aul3er den entsprechenden Wirk- und Aromastoffen noch Alkohole. Zuhnreinigungspulver enthalten abrasive Korner aus Calciumcarbonat (Schlammkreide), Seifenpulver oder auch Fettalkoholsulfate. Sie werden aromatisiert und meist rosa eingearbt. Sie wirken starker abrasiv als Zahnpasten und konnen zu Defekten fihren. Flussige Zahnreinigungsmittel wie Pearl Drops sind flussig eingestellte Zahnpasten von meist hdherer Abrasivitat. Zuhnpusten unterstiitzen die mechanische Reinigung der Zahnburste und ergeben ein erfrischendes Mundgefihl. Sie enthalten im Mittel folgende Inhaltsstoffe (Tabelle 1 1.4):
350
I 1 Kosmetika
Tabelle 11.4. Zusammensetzung von Zahnpasten [2]. lnhaltsstoffe Putzkorper Feuchthaltemittel Bindemittel Konservierungsmittel Tensid Aromaol W irkstoffe Wasser
mi 15-55 10-30
0.5-2 bis 0.5 0.5-2 0.5-1 nach Bedarf ad 100
Als Putzkorper wird reines, gefalltes Calciumcarbonat eingesetzt, welches keine stark abrasive Verunreinigungen wie Silicium- oder Aluminiumoxide enthalt. Damit kann keine Schadigung des Zahnschmelzes auftreten. Im ubrigen erfolgt die Abrasion des Dentins 25x rascher, und die des Wurzelzementes 35x schneller, im Vergleich zum Zahnschmelz. Weiter venvendete Putzkorper sind Calciumphosphate und schwerlosliches Natriummetaphosphat in Verbindung mit fluoridhaltigen Wirkstoffen. Neuerdings werden auch synthetische Zeolithe und Aluminiumhydroxid eingesetzt. Zu den Feuchthaltemitteln gehoren Glycerin, Sorbit, Xylit, Polyethylenglykol, und als Bindemittel werden Hydrokolloide wie Carboxymethylcellulose, Methylcellulose, Hydroxyethylcellulose, Carragheen, Tragant, Alginate, Polyacrylsauresalze, Montmorillonite venvendet. Als Konservierungsmittel dienen vonviegend p-Hydroxybenzoesaurester sowie Natriumbenzoat. Das bevorzugte Tensid in Zahnpasten ist Natriumlaurylsulfat [ 9 ] . Es wird nicht nur als Schaummittel eingesetzt, sondern unterstutzt als Netzmittel das Eindringen der Paste in Ritzen und Spalten. Hinsichtlich Wirkstoffe nehmen Fluorverbindungen eine dominierende Rolle ein; zulassig ist maximal ein Gehalt von 0.15 % an aktiven Fluoridionen.
11.12 Rasierhilfsmittel Rasierhilfsmittel dienen zur Vorbereitung bzw. Nachbehandlung der Haut vor und nach der Trocken- und Nassrasur. Es betrifft dies Rasierseifen, Rasiercremes, Rasierschaume, Rasienvasser (After- und Pre-Shave), Produkte, bei denen vor allem die Duftnote sehr wichtig ist. Rasierseifen, angeboten in Stangenform, unterscheiden sich von Toilettenseifen durch einen besonders hohen Anteil an Kaliumseife, was bessere Anschaumung erlaubt. Haufig enthalten sie noch Feuchthaltemittel wie Glycerin oder Polyole und andere Additive wie Schaumstabilisatoren (z.B. Aminoxide, Alginate). Schaumende Rasiercremes, die in Tuben verkauft werden, durfen sich auch bei Iangerer Lagerung nicht entmischen oder zersetzen. Es sind ebenfalls Kaliseifen mit 5-25 YO Glycerinzusatz. Perlglanz wird erzielt durch Zugabe von 2 4 % Stearin.
I I . 13 Haarkosmetika
35 1
Nichtschaumende Rasiercremes sind besonders bei trockener, fettarmer Haut zu empfehlen. Sie werden ohne Rasierpinsel auf die Haut aufgetragen und wirken weniger entfettend. Vonviegend handelt es sich um iiberfettete O/W-Emulsionen, die beispielsweise Lanolin, Cetylalkohol, Vaselin, Paraffin als Uberfettungsmittel und Monoglycerinester, ethoxylierte Sorbitanester als Emulgatoren enthalten. Rasierschaumpraparate sind fliissige Rasierseifen, die mittels Treibgas als Schaumaerosole abgeflillt werden. Pre-Shaves wirken wegen ihres hohen Alkoholgehaltes entfettend und ermaglichen dadurch die bessere Erfassung der Barthaare durch den Rasierapparat. Sie enthalten auflerdem Gleitmittel, die eine gut spreitende Olschicht ergeben. Ajier-Shaves sollen die durch die Rasiermittel alkalisierte Epidermis neutralisieren, z.B mit Citronen- oder Weinsaure. Sie sollen auch den biologischen Puffermantel der Haut wiederherstellen, adstringierend und erfrischend wirken und helfen bei der Abheilung kleinerer Verletzungen, wozu entsprechende Wirkstoffe der wassrig-alkoholischen Lbsung zugesetzt werden.
11.13 Haarkosmetika 11.13.1 Kopfhaut und Haar Wirkungsorte der Haarbehandlung sind die Oberflache des Haarschaftes (Cuticula), das Innere des Haarschafles (Cortex) und vor allem bei dicken Haaren das Stratum comeum (Homschicht) der Haut, sowie deren Talgdriisen; vergl. Abb. 1 1.1. Von der Kopfhaut bis zur Spitze eines Haares bemerkt man grbljere Unterschiede bei den Cuticularandern, von nahezu glatt bis zackig und unregelmaflig, als Folge der Abnutzung. Der mittlere Durchmesser eines Haares betragt 70 pm und die mittlere Wachstumsrate in der Anagenphase 0.35 mm/Tag. Die Cuticufa (Dicke ca. 2.2 pm) besteht im Mittel aus 6 Schichten von Cuticulazellen, mit mittlerer Dicke von 0.37 pm. Diese Schichtung ist gut in Abb. 1 1.6 ersichtlich. Jede Cuticulazelle besteht aus zwej unterschiedlichen Schichten, welche die eigentliche Homsubstanz, das Keratin der Cuticula bilden. Die innere, endocuticulare Schicht enthalt alle nicht-keratinischen Zellbestandteile wie teil- oder nichtabgebaute Organellen- und Membranstrukturen, Mitochondrien, Sekretionskanale und Granula. Die einzelnen Schuppen der Cuticula sind durch eine Art mechanisch stabilen ,,Zement" verbunden; die einzelnen Schuppen bleiben auch in der zerrissenen Cuticula fest miteinander verkittet. Der Cortex, der Faserstamm bzw. die Faserschicht, besteht aus spindelfdrmigen Zellen, die ihrerseits ein Verbundsystem aus Mikrofibrillen und ,,Zement" darstellen. Dazwischen befinden sich die farbgebenden Pigmentgranula. Der Foffikef(Haarbalg; vergl. Abb. 1 1.1) ist ein Anhangsgebilde der Haut. Im zwiebelformig verdickten inneren Ende in der Umgebung der Haarpapille vermehren sich die Keratinocyten durch Zellteilung. Durch den entstehenden Wachstumsdruck gelangen
352
I I Kosmetika
Zellen nach oben, wo sie sich differenzieren und zum Wachstum des Haares beitragen. Die gewachsenen Haare fallen im normalen Phasenverlauf der Zykluswelle aus, wenn sich bereits ein neues Haar unterhalb im Follikel gebildet hat. Beim krankhaften Haarausfall entfallt jedoch diese Neubildung.
Abb. 11.6. Cuticula und Cortex beim menschlichen Haar [ l o ]
Die Haaroberflache ist hydrophob und somit durch Wasser nur schwer benetzbar. Hingegen ist das Haar selbst hygroskopisch und kann unter Quellung bis zu 27 % Wasser aufnehmen. Die Quellung ist jedoch vom pH des Mediums abhangig und am isoionischen Punkt am geringsten, wo am meisten Salzbriicken im Haar vorliegen. Ein Problem der Haarpflege ist die Talgproduktion, die in der Kopfhaarregion am starksten ist. Talgdriisen sind holokrine Driisen, deren Sekret durch Zerfall der Zellen selbst entsteht. Die Bildungsrate an Talg hangt deshalb von Anzahl und Grol3e der verfetteten Zellen ab. Der Folgeprozess, das Nachfetten des Haares, verlauft uber einen Abklatscheffekt von der Kopfhaut auf das Haar und bewirkt eine strahnige, fette Frisur, besonders bei langem Haar. Kopfhautschuppung ist als physiologischer Prozess die normale Abschilferung der Hornschicht und fuhrt ublichenveise zu nichtstorenden kleinen Partikeln. Anders ist es beim Schuppentrager, bei dem grorje Agglomerate von Corneocyten abgestorjen werden, die als kosmetisch storend empfunden werden.
11.13.2 Haarkosmetische Praparate Haanvaschmijtel, Shampoos, sind ausschliefllich fur Kopfhaar und Kopfhaut bestimmt. Hauptbestandteil aller Shampoos sind Tenside. Die Praparate sollen gutes Schaumverhalten und gute Reinigungswirkung hinsichtlich Entfettung und Schmutzentfernung auf-
11.13 Haarkosmetika
353
weisen. Gute KSimmbarkeit, Frisurhaltbarkeit mit optimaler Fiille, gute dermatologische, toxikologische, okologische und wirtschaftliche Eigenschaften sind weitere Kriterien. Nicht nur Schmutz, sondern auch Mikroorganismen wie Bakterien, Pike und Hefen werden beim Haarwaschen entfernt. Da Haare, aber auch die meisten Schmutzteilchen in Wasser negativ geladen sind - erst unterhalb pH 3 15idt sich das Haar positiv auf -, bietet sich die Venvendung von Aniontensiden als waschaktive Substanzen an. Aniontenside vermbgen des Weiteren SH-Gruppen fieizulegen (wichtig fiir Verformbarkeit), im Gegensatz zu nichtionogenen Tensiden. Wegen entgegengesetzter Ladung besitzen kationaktive Tenside keine gute Waschwirkung; sie werden bestenfalls als Konditioniermittel eingesetzt. Als Konditioniermittel, die eine Beschwerung des Haares bewirken, werden aber auch kationische Polyelektrolyte, und als Riickfettungsmittel, um extreme Entfettung beim Waschen auszugleichen, Fettalkohole und Fettshrederivate zugesetzt. Der allgemeine Aufbau von Shampoos [ 111 ist in Tabelle 1 1.5 zusammengestellt.
Tabelle 11.5 Allgemeiner Aufbau von Shampoos.
Inhaltsstoffe Wasser Tenside (vorzugsweise anionaktiv) Konsistenzregulatoren (nichtionogen) Schaumstabilisatoren (Aminoxide, amphotere Substanzen) Uberfettungsmittel (Fettstiure- bzw. Fettalkoholethoxylate) Aktive Verbindungen (2.B. kationaktive Konditioniermittel) Trtibungsmittel bzw. Perlglanzmittel (2.B. Ethylenglykoldistearat) Konservierungsmittel (2.B. p-Hydroxybenzoesaureester) Farbstoffe
[%l 50-70 7-1 5 0.5-2 3-5 0.5-1 ca. 2 ca. 1 ca. 0.2 ca. 0.005
Haarnachbehandlungsmittel, die nach der Haanvasche angewandt werden, sind wesentliche Pflegemittel der Neuzeit. Sie sollen der Frisur Haltbarkeit verleihen, den Glanz erhohen, den Griff verbessern, aber vor allem die Nass- und Trockenkammbarkeit erleichtern. Entsprechend ihrer Zusammensetzung konnen sie eingeteilt werden in Produkte, die aus dem Haar ausgespiilt werden und solche, die im Haar verbleiben. Marktanteile mit steigender Tendenz nehmen die Kurspiilungen, resp. Haarspulbader ein. Sie sind vorwiegend zur Verbesserung der Frisierbarkeit bestimmt und enthalten aul3er Wasser folgende Substanzen: kationaktive und hydrophobe Substanzen wie Fettalkohole, Emulgatoren, Sauren zur Einstellung des pH-Wertes, Verdickungsmittel, Wirkstoffe wie Proteinhydrolysate und Antischuppenmittel, Feuchthaltemittel, Farbstoffe, Parfimole. Haarkuren werden zur Behandlung des geschiidigten Haares und des Haarbodens angeboten. Hauptbestandteile der cremigen Mittel sind kationaktive Substanzen, die auf dem Haar einen Belag bilden. Oft sind die kationischen Belage shampoofest und ergeben verbesserte Kammbarkeit auch nach 3 4 Haanvaschen. Haarfestiger werden in verschiedensten Formen wie Lotionen, Fertigschaumen und Gelen angeboten. Polymere Filmbildner als wesentliche Bestandteile sollen die Frisur in
354
1I Kosmetika
Form halten bzw. dazu dienen, den Zeitraum zwischen den Haanvaschen zu verlangern. Dazu venvendet man Copolymerisate vom Typ Vinylpyrrolidon/Vinylacetat, VinylacetatiCrotonsaure, Methylvinylether/Maleinsaureanhydrid.Haarfestiger enthalten aber auch Weichmacher, welche die Flexibilitat der Polymere erhohen und damit deren Abschuppung herabsetzen. Spezielle Formen der Haarfestiger stellen die Haarsprays dar. Im Gegensatz zu den Haarfestigern ist die Bedeutung der Haarfisiercremes und Haar-xative gering. Sie sind durch Gel- und Schaumpraparationen substituiert worden. Haarole, Pomaden, Brillantinen sind zu vergleichen mit den Hautolen und Hautfetten. Wie diese stellen sie Losungen in Fetten und Olen dar. In die gleiche Kategorie gehoren auch Haarwasser, die als wassrige oder alkoholische Losungen Wirkstoffe, beispielsweise gegen Schuppenbildung oder Haarausfall, enthalten. Bei Haarfiirbemitteln gelten ahnliche Kriterien wie fiir Textilfarbstoffe. Wie beim Farben von Textilien (vergl. Kapitel 15) mussen auch beim Haarfarben fur permanente Farbungen auswaschresistente, lichtechte Farbstoffe im Medium gebildet werden. Daneben existieren Haarfarbemittel f i r temporare Farbungen, die schon nach einer einzigen Shampoowasche ausgewaschen werden und weitere Mittel f i r semipermamente Farbungen, die durch Waschen und Lichteinwirkung langsam verblassen. Zu beachten gilt, dass zwar das Haar angefarbt werden SOH, nicht jedoch die Kopfhaut. Direktziehende Farbstofle sind farbefertig. Sie lagern sich am Haar ab, konnen aber wegen der MolekulgroBe im Allgemeinen nicht ins Haar eindringen. Sie lassen sich deshalb auch leicht wieder entfernen und sind eher fur semipermanente Farbungen gedacht. Nitro- und Anthrachinonfarbstoffe, aber auch Azo- und Chinoniminverbindungen mit einer quaternaren azyklischen Ammoniumgruppe finden hier Anwendung.
Violett
mH3
H2
\
Entwickler
H
OH
Kuppler
Farbstoff
Abb. 11.7. Oxidative Kupplung beim Haarfarben; analog [ 121
Blau
I I . I3 Huurkosmetiku
355
Besonders haltbare und intensive Farbungen werden durch oxidative Entwicklung von im Haar absorbierten lbslichen Zwischenprodukten gewonnen. Diese Oxidutionsfurben Lhneln deshalb in der Anwendung den Kupenfarbstoffen der Textilfarberei, bei der die lbsliche Leukoform in das Gewebe difindiert und dort durch Oxidation in schwerlosliche Pigmente ubergefihrt wird, oder den Entwicklungsfarbstoffen, die erst in der Faser zur endgiiltigen farbgebenden Form umgesetzt werden. Abbildung 1 1.7 zeigt anhand von Beispielen das Prinzip der oxidativen Kupplung: Beim Farbevorgang werden Kuppler- und Entwicklungskomponente und das Oxidationsmittel in geeigneter Formulierungsform - Creme, Gel, Liquid - auf das Haar gebracht und wirken dort 20-30 min ein. Hierbei ist es wesentlich, dass die Diffusionsgeschwindigkeiten von Entwickler und Kuppler nicht stark voneinander abweichen, damit es nicht durch oxidative Selbstkupplung zu unenviinschten Farbtonen fihren kann. Der Aufbau eines Oxidationsfarbemittels ist in der folgenden Tabelle 1 1.6 beschrieben. Solchen Formulierungen wird vor dem Farben das Oxidationsmittel beigemischt, meist Wasserstoffperoxid. Dieses Oxidationsmittel hat die erwiinschte Eigenschaft, dass es das Melanin des Haares abbaut und bleicht; hierdurch sind gleichmaBige Farbungen moglich.
Tabelle 11.6. Aufbau eines Oxidationsfirbemittels, Inhaltsstoff Farbstoffzwischenprodukte StabilisatorerdReduktionsmittel Alkalisierungsmittel, z.B. Ethanolamin TrLgersubstanzen Komplexbildner Parfiims
Funktion Ergeben nach Reaktion die Farbstoffe Stabilisierung wahrend der Produktelagerung Quellung des Keratins; Oxidationsbeschleuniger Aufbau der Applikationsform Verhutung von Schwermetalleinfluss Uberdeckuna des Aminaeruchs
Weitere Produkte sind die Tonungsmittel wie Tonungsshampoos oder Gelhaarfarben, die in groBer Nuancenvielfalt zur Farbauffrischung und Zwischenfarbbehandlung, zum Farbausgleich und zum Nuancieren von ergrautem Haar usw. angeboten werden. Solche Tonungsmittel enthalten aul3er Haarfarben, j e nach Produkt, lhnlich wie die Haarbehandlungsmittel, Emulgatoren, Verdickungsmittel, kationische polymere Konditionierm itte I, organ i sche Sauren, Haarfarben . Die Verformung des Haars mit Duuerwellmitteln ist mit dem Haarfiirben insofern venvandt, als auch hierbei chemische Reaktionen im Haar vorgenommen werden. Wie in Kapitel 13 beschrieben, verleihen Wasserstoffbriicken, Salzbindungen und Disulfidbrucken als Verbindungen zwischen Polypeptidketten dem Verbund Stabilitat. Auf das Haar iibertragen bedeutet dies, dass vorerst diese Verbindungen gelost, und nach der Verformung zur permanenten Haarverformung wieder geschlossen werden mussen: Nach griindlicher Haarwasche wird das Haar gewickelt, durch Einwirkung von Alkali, vorzugsweise Ammoniak, erfolgt Quellung und Aufheben von Salzbindungen und Wasserstoffbriicken, und durch Reduktion mit Thioglykolsaure werden die Disulfidbriicken aufgespalten, sodass die Haarverformung stattfinden kann. AnschlieBend werden die Disulfidbriicken durch Oxidation mit Wasserstoffperoxid wieder geschlossen und durch Ansauern Wasserstoffbriicken und Salzbindungen wieder hergestellt.
356
I I Kosmetika
Die wassrige alkalische Losung des Thioglykols, die Kaltwelle, kann unter Umstanden noch Tensid und Olkomponenten enthalten. Die saure, das Oxidationsmittel enthaltende Fixierlosung oder -emulsion wird oft mit kationischen Polymeren als Konditioniermittel versetzt.
11.14 Grund- und Hilfsstoffe Eine Zusammenstellung von Emulgatoren ist in Kapitel 2 zu finden; weitere Angaben dazu eriibrigen sich deshalb an dieser Stelle. Hingegen sollen andere, speziell bei Kosmetika eingesetzte Grund- und Hilfsstoffe naher erlautert werden [ 131. Alkohole wie Ethanol, n-Propanol oder Isopropanol sind neben Wasser die Hauptlosemittel f i r flussige Praparate. Zusatzlich kommen sie zum Einsatz in Emulsionen, Aerosolen und Stiften. Nuturliche Fette und Ole, die Triglyceride von diversen Fettsauren stehen in chemischer Hinsicht dem menschlichen Korperfett sehr nahe und verursachen deshalb meistens keine Hautreizungen. Wegen ihrer Oxidationsempfindlichkeit, dem Ranzigwerden, erfordern die Emulsionen Zusatze von olloslichen Antioxidantien. Von den vielen naturlichen Fettstoffen seien envahnt: Sojad (Badeole mit gutem Aufziehvermogen), Erdnussiil (hochwertige biologische Haut- und Korperpflegemittel, Emulsionen, Haarole, Hautfunktionsole, Badeole), Olivenol (hochwertiges Ol in Hautpflegemitteln und Badeprodukten), Sonnenblumenol (Hautole und Emulsionen), Avocadool (hochwertige, biologisch wirksame Haut- und Korperpflegemittel; als Cremes, flussige Emulsionen, Haarole und Hautfunktionsole), Rizinusol (Lippenstifte, Augenwimperole, Uberfettungsmittel f i r alkoholische Haanvasser und Brillantinen), Schweinefett (pharmazeutische und kosmetische Salben und Cremes), Walrat (Salbengrundlage fiir Haut- und Korperpflege), Weizenkeimol (hochwertiges Ol fur Wundheilmittel und Praparate fiir Haut- und Korperpflege), Nuchtkerzenol (Hautpflege bei trockener, sproder, rauher Haut; wirkt zusatzlich antiinflammatorisch, durchblutungsfordernd), Jojohaol (hoherwertige Emulsionen und Hautole). Synthetische Ole nehmen wegen der begrenzten Haltbarkeit der naturlichen Ole an Bedeutung zu. Man venvendet mittelkettige Triglyceride, vonviegend der Caprin- und Caprylsaure, aul3erdem PCL-liquid (Gemisch dreier verzweigter Fettsaureester), Myristylmyristat, flussiges Lanolin, Isopropylfettsaureester (Palmitat, Myristat, Isostearat, Oleat), flussige Dicarbonsaureester und anderes mehr. Parafinole, die kaum in die Haut eindringen, im Gegensatz zu vielen naturlichen Lipiden, werden in Praparaten venvendet, die reine Oberflachenwirkung besitzen, wie Massageole, Babyole, Sonnenschutzpraparate. Sie werden auch in Kombination mit sogenannten Fettfilmauflockerern eingesetzt, vermogen gewisse Emulsionen zu verstarken und werden von der Haut gut toleriert. Vaseline sind Gemische aus festen und flussigen, geradkettigen, verzweigten und cyklischen, teilweise auch ungesattigten aliphatischen Kohlenwasserstoffen. Sie bilden dreidimensionale Netzwerke, in welche die flussigen Kohlenwasserstoffe eingelagert
11.14 Grund- und Hi@stofie
351
sind. Vaseline finden Venvendung f i r phannazeutische und kosmetische Salben, f i r Praparate mit Oberflachenwirkung und dekorative Kosmetika. Hart- und Weichparaflne werden zwar als Konsistenzregler empfohlen, geben aber ein ungutes Hautgefihl und konnen durch die niedriger schmelzenden Ozokerite (bzw. Ceresin) ersetzt werden. Mikrokristalline Wachse, bestehend aus einem Gemisch geradkettiger Paraffine und verzweigtkettiger Isoparaffine, besitzen einen Erstarmngsbereich von 60-70 "C und werden als Konsistenzregler in Emulsionen und Stifien venvendet. Wachse sind im Allgemeinen tiefschmelzende Produkte aus langkettigen Verbindungen, die je nach ihrer chemische Klasse als Kohlenwasserstoff-, Alkohol-, Keton-, Esteroder Amidwachse usw. bezeichnet werden. Von den pflanzlichen Wachsen seien erwahnt: Bienenwachs (oxidationsempfindlich; Konsistenzregler in Cremes und Salben, als Stabilisator von Kuhlsalben bzw. Cold-Cremes), Carnaubawachs (Pflanzenwachs der brasilianischen Wachspalme, f i r dekorative kosmetische Produkte), Candelillawachs (von einer mexikanischen Wolfsmilchart, Stififormulierungen wie f i r Lippenstifie, Sonnenschutzstifie, Repellentstifle). Als Erganzung zu den in Kapitel 2 gemachten Angaben iiber Hilfsstoffe f i r Emulsionen seien noch envahnt: Wollfett, als salbenartiges Gemisch verschiedener Ester hoherer Alkohole und geringer Mengen fieier Alkohole, Fettsauren und Kohlenwasserstoffe, wird als hautafine, stark wasseraufhehmende Cremegrundlage und als Stabilisator und Ruckfettungsmittel eingesetzt. Wegen der Oxidationsempfindlichkeit mussen Antioxidantien zugesetzt werden. Sterine wie Sterolan (aus Wollwachs hergestellt, als Emulgator fir hautvertragliche W/O-Emulsionen), oder Cholesterin (wichtigstes tierisches Sterin fir Pharmazeutik und Kosmetik), dienen als Co-Tenside in W/O-Emulsionen. Ceryl- und Stearylalkohol dienen als Co-Tenside und Konsistenzregulatoren. Seifen ein-, zwei- und dreiwertiger Kationen (Na, K, Ca, Mg, Al; aber auch Triethanolamin) konnen beispielsweise als Emulgatoren in Tagescremes, die mehnvertigen Seifen auch als Gelbildner in W/O-Emulsionen eingesetzt werden. Ester und Ether polyvalenter Alkohole werden heute in grorjem Umfang als nichtionogene W/O- und O/W-Emulgatoren in Cremes venvendet. Es sind beispielsweise Sorbitan-, oder Glycerinester und -ether, als Verbindungen mit Polyethylenglykol, Fettalkoholen und Fettsauren. Durch die grorje Anzahl von Kombinationsmoglichkeiten lassen sich marjgeschneiderte Emulgatoren jeden HLB-Wertes synthetisieren.
Literatur zu Kapitel 1 1 : [ 11 [2]
G. Czihak, H. Langer, H. Ziegler, Biologie, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, I98 1. K. Schrader, Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika, 2. Auflage, Huthig Verlag, Heidelberg, 1989.
358
I I Kosmetika
A. G. Matoldsy, The Skin of Vertebrates, aus: R. I. C. Spearman, P. A. Riley (Eds.), Linnean Society Symposium Series, Number 9, Academic Press, Inc., London, 1980. [41 W. Abraham, in Surfactants in Cosmetics: 2"ded., Surface Sci. Ser. 68, (M. M. Rieger, L. D. Rhein, Eds.), Marcel Dekker, Inc., New York. F. Greiter, Moderne Kosmetik, Huthig Verlag, Heidelberg, 1985. D. Laba, in Rheological Properties of Cosmetics and Toiletries, p. 403 (D. Laba, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1993. J . Chester, Soap. Parf. Cosmet. 40, 393 ( 1 967). W. Wohlrab, J . Lasch, R. Laub, C. M. Taube, K. Wellner, in Liposome Dermatics (0.Braun-Falco, H. C. Korting, H. I . Maibach, Eds.), Springer Verlag, Berlin, 1992. [91 K. Schrader, in F. Greiter, Aktuelle Technologien in der Kosmetik, Huthig Verlag, Heidelberg, 1987. Das Haar und seine Struktur, 2. Auflage, Wella AG, Darmstadt, 1991. A. L. L. Hunting, Encyclopedia of Shampoo Ingredients, Micelle Press Inc., 1983. N. Maak, In Between Congress Joint Conference (IFSCC. Deutsche Gesellschaft der Kosmetik-Chemiker e.V., Ed.), Verlag f i r chemische Industrie Ziolkowsky KG, Augsburg, 1987. H. P. Fiedler, Lexikon der Hilfsstoffe fur Pharmazie, Kosmetik und angrenzende Gebiete, Editio Contor, Aulendorf, 198 1. [31
12 Pharmazeutische Technologie Produktidentitat, Wirksamkeit, Reinheit sind wichtige Kriterien von Arzneimitteln. Arzneimittel benbtigen sorgfsiltiges Ermitteln der Produktequalitat, entsprechend den Spezifikationen: - Gleicher Wirkstoffgehalt aller Darreichungseinheiten. - Freiheit von nichtdeklarierten Substanzen. - Bleibende Wirksamkeit, therapeutische Eigenschaften, Aspekt bis zum bzw. uber das Ablaufdatum hinaus. Ausgangsformen der Wirkstoffe sind kristalline oder amorphe Pulver oder Fliissigkeiten. Therapeutische Wirksamkeit und Therapeutischer Index LD5&Dso (lethale Dosis bei 50 % Patienten / wirksame Dosis bei 50 % Patienten) hlngen aber nicht nur von der Wirksubstanz, sondern auch von der Darreichungsform ab. Deshalb kommt der Wirkstoff-Formulierung eine wichtige Bedeutung zu. Je nach Formulierung konnen sich die Eigenschaften eines Wirkstoffes in der Applikation, aber auch wlhrend der Lagerung drastisch andern. So muss beispielsweise ein slureempfindlicher Wirkstoff so formuliert werden, dass er mbglichst unzersetzt den Magen durchqueren kann.
12.1 Wirkstoffa bsorption Pharmazeutische Wirkstoffe werden wegen der leichten Anwendbarkeit zu einem groRen Teil oral eingenommen. Dabei kommt der dosierten Uberfihrung in den Blutkreislauf eine wichtige Bedeutung zu: - Normalerweise besteht ein Zusammenhang zwischen Wirkstoflkonzentration im Kbrper und therapeutischem Response, d.h. je grofler die Konzentration, um so starker ist die Reaktion. - Die therapeutisch wirksame Konzentration soll sich nach Verabreichung rasch am Zielort einstellen, damit die pharmakologische Wirkung einsetzen kann. - Je nach beabsichtigtem Effekt soll eine kurze oder lang anhaltende Wirkung erzielt werden. Faktoren, welche bei oraler Verabreichung eine Rolle spielen, sind: physikochemische und physiologische Variablen und auflerdem Variablen der Darreichungsform. Bei den in Betracht kommenden Wirkstoffen handelt es sich vonviegend um relativ kleine organische Molekule mit guter Membranpermeabilittit. Im Gegensatz dazu kommen die neuen Arzneimittel auf Polypeptidbasis, mit groljerem Molekulargewicht und starkerer Hydrolyseempfindlichkeit im Allgemeinen nicht f i r die orale Darreichung in Betracht. Anstrengungen werden jedoch unternommen, solche Molekule derart zu modifizieren, dass doch eine gewisse Absorption im gastrointestinalen Bereich, ohne enzymatischen Abbau, erfolgen kann.
360
I2 Pharmazeutische Technologie
12.1.1 Anatomie und Physiologie des gastrointestinalen Traktes Die primare Funktion des gastrointestinalen Traktes besteht in der Sekretion, Verdauung und Absorption. AuBerdem ubt er auch eine Schutz- und Reinigungsfbnktion bezuglich irritierender Materialien aus, verbunden mit Diarrhoe und Erbrechen. Stressfaktoren initiieren diese Mechanismen, beeinflussen aber gleichzeitig auch die Resorption im Gewebe. In den Anfangsteil, die Mundhohle, munden zahlreiche Drusen, wie Unterzungendruse, Unterkieferdriise, Ohrspeicheldruse. Die Speiserohre (Osophagus) leitet vom Rachenraum (Pharynx) durch das Zwerchfell zum Magen (Bereich um Magenmund = Cardia). Hauptteil des Magens ist der Magengrund (Fundus). Vom Magenausgang (Pfortner = Pilorus) auf der rechten Bauchseite geht der Magen in den Dunndarm, mit Zwolffmgerdarm (Duodenum) als erstem Abschnitt uber. In seinen absteigenden Teil mundet zunachst der Ausfihrungsgang der Leber, der die Gallenflussigkeit zufuhrt. In den Zwolffingerdarm mundet auch die Bauchspeicheldriise (Pankreas), der Hauptort f i r die Produktion von Verdauungsenzymen. Die folgenden Abschnitte des Dunndarms sind Leerdarm (Jejunum) und Krummdarm (Ileum). Im Unterbauch geht der Dunndarm sodann in den Dickdarm uber, mit Blinddarm (Caecum) und Blinddarmfortsatz (Appendix) als blindes Ende. Letzter Teil des Dickdarms ist der Mastdarm, der nach auRen durch den Ringmuskel des Afters verschlossen ist (Abb. 12. I).
9
Ohrspetcheldruse Zunge Speicheldrusen
)"t
Leber
Magen Pfortner (Pilorus) Bauchspeicheldruse(Pankreas) ZwbIffingerdarm(Duodenum) -Dtckdarm (Kolon)
Gallenblase
-Leerdam (Jejunum) Krummdarm (Ileum) Blinddarm
Rectum
~~
Li/
Abb. 12.1. Gastrointestinaler Trakt (gema8 [ I ] ) .
12.1 Wirhtoffabsorption
36 1
Die speziell geformte Oberflache des Dunndarms macht ihn besonders geeignet f i r den Stoffaustausch. Aufwolbung der Schleimhaut (Kerckring-Falte) und fmgerartige Ausstiilpungen (Darmzotten, Villi), deren Oberflachen als Mikrovilli, mit Langen von ca. 1 pm ausgebildet sind, vergroljern die Austauschflache gegen das Lumen um das 600fache. Die Schleimhaut des Dunndarms kann in drei unterschiedliche Schichten unterteilt werden. Die unterste Schicht (Muscularis mucosae) ist eine 3-10 Zellen dicke Muskelschicht, welche die Mucosa von der Submucosa abtrennt. Die Schicht zwischen Muscularis mucosae und dem Intestinalepithel wird als Lamina propria bezeichnet. Zusammen mit dem Oberflachenepithel bildet diese Schicht die Villistruktur. Die Lamina propria enthalt verschiedene Zelltypen, Blut- und Lypmphgefasse und Nervenfasem. Molekiile, die resorbiert werden sollen, miissen diese Schicht durchdringen (Abb. 12.2). Lamina Propria
Dunndarrnoberfllche
- Zentrales LymphgefaR -
Kapillaren
r Lteberkiihn-Krypte
Becherzellen
Muscularis Mucosae Arteriole Venule LyrnphgeflR
'
Abb. 12.2. Aufbau der Villi in der Schleimhaut des Dunndarms (nach [2]).
Der Darm ist der Ort, wo der chemische Aufschluss von Stoffen, wie Nahrungsmittel, und auch die Resorption ablaufen. Unter der katalytischen Wirkung von Enzymen, Hydrolasen, werden die N&stoffe hydrolytisch zerlegt. Diese Verdauungsenzyme werden nicht nur von den groBen Darmanhangdriisen, sondern auch von den Epithelzellen der Darmwand selbst und den in sie eingelagerten kleinen Driisen gebildet und abgesondert. Bei der intrazellularen Verdauung werden geloste Stoffe und feine Partikel in Zellen des Verdauungstraktes aufgenommen und dort zerlegt. GroBere Partikel und rasch abbaubare Molekule werden hingegen extrazellular im Lumen des Darmes oder der Mitteldarmdriisen verdaut, wobei die beteiligten Enzyme von Driisenzellen in dieses Lumen sezerniert werden. Entsprechend den Kategorien der Nahrstoffe sind unterschiedliche Enzyme am Abbau beteiligt: Proteine werden von den Proteasen an den Peptidbindungen aufgespalten. Endopeptidasen greifen bestimmte Aminosauren im Innem langer Ketten an. Diverse andere Peptidasen erfillen weitere, ganz spezifische Abbauhnktionen. Extrazellular im alkalischen Bereich wirken Trypsine. Diese Enzyme werden in der Bauchspeicheldriise als inaktive
362
12 Pharmazeutische Technologie
Trysinogene produziert, und durch ein von der Darmwand abgeschiedenes weiteres Enzym aktiviert. Im stark sauren Milieu des Magens ist das von den Fundusdriisen produzierte Pepsin am Abbau der Proteine beteiligt. Der Abbau von Kohlehydraten erfolgt an glykosidischen C-0-C-Bindungen durch Carbohydrasen. Polysaccharide mit a-glucosidisch verbundenen Hexosen (z.B. Starke, Glykogen) werden von den Amylasen abgebaut. Glykosidasen wirken haufig spezifisch bei einem bestimmten Typ der glykosidischen Bindung. Lipide werden durch die verschiedenen Esterasen abgebaut. Die beim Abbau der Esterbindungen langkettiger Glycerinester besonders wirksamen Esterasen werden als Lipasen bezeichnet. Andere Esterasen spalten bevorzugt Ester kurzkettiger Fettsauren. Phosphatide werden von spezifischen Phospholipasen, sowie weniger spezifisch von Phosphodiesterasen abgebaut. Erleichtert wird der Abbau der wasserunloslichen Lipide durch die Gallenflussigkeit, die als Emulgator wirkt. Ribonucleasen und Desoxyribonucleasen sind f i r die Aufspaltung von Nucleinsauren verantwortlich. Mononucleotide werden unspezifisch durch Phosphomonoesterasen in Nucleoside und Orthophosphat zerlegt.
12.1.2 Bioverfugbarkeit, Wirkstofftransport und Resorption Die Bioverfcigbarkeit ist der prozentuale Anteil der im Blut auftretenden Wirkstofhenge im Vergleich zur applizierten Dosis. Insbesondere bei peroraler Applikation kann sie durch verschiedenste Einflusse verandert werden. Die Darmflora, Enzyme, Nahrungsund Genussmittel und anderes konnen die chemische Bestandigkeit, die gastrointestinale Transportrate oder die Absorptionsrate beeinflussen. Perorale Arzneimittel, die nach dem Schlucken via Magen in den Darm gelangen, begegnen auf ihrem Weg einer grol3en Anderung der anatomischen und physiologischen Umgebung. So andert sich der pH-Wert von 1-3 beim Durchgang durch den Magen uber 5-7 im Duodenum bis 7-8 im Ileum. Auch die spezifische Oberflache, vom Magen bis Dunndarm, dort, wo die Wirkstoff-Absorption stattfindet, andert sich dramatisch. Vor Eintritt in den D a m sind die Wirkstoff-Formulierungen somit dem Einfluss einer hohen Protonenkonzentration ausgesetzt. Hydrolysevorgange, Flockungs- und Fallungsreaktionen konnen beim tiefen pH im Magen eintreten. Aber nicht nur die Saure, sondern der gesamte Mageninhalt ubt einen Einfluss aus. Zeitpunkt, Menge und Art der aufgenommenen Nahrungsmittel bestimmen Zustand und Geschwindigkeit, mit denen die Arzneimittel in den Darm, j a sogar aus dem Darm heraus gelangen. So ist es nicht verwunderlich, dass je nach Mageninhalt bei Einnahme von Medikamenten diese in ganz unterschiedlicher Konzentration im Blut zur Verfiigung stehen. Wie aus Abb. 12.3 zu ersehen ist, gelangen Wirkstoffe bei vollem Magen verzogert ins Blut, da der gesamte Inhalt Ianger im Magen venveilt. Entsprechend der langeren Aufenthaltsdauer konnen saureempfindliche Stoffe unter solchen Bedingungen zu einem grorjeren Teil degradiert werden als bei leerem Magen und stehen somit nur in geringerer Menge zur Resorption im Darm zur Verfcigung. Dies ist in Abb. 12.3 am Beispiel des saureempfindlichen, wasserloslichen Antibiotikums Erithromycin gezeigt.
12. I Wirkstoffabsorption
363
Nicht immer wird die Bioverfiigbarkeit des Wirkstoffes durch Nahrungsaufnahme gestort. Viele shreresistente Substanzen gelangen zwar rnit Verzogerung in den Dunndarm, konnen jedoch unzersetzt und vollstgndig resorbiert werden.
Zeit nach Einnahrne [h] Abb. 12.3. Wirkstofkonzentration irn Serum nach Einnahme von 500 rng Erythrornycinstearat mit 20 rnl Wasser A, rnit 250 rnl Wasser 0,rnit 250 rnl Wasser nach kohlenhydratreicher Nahrung m, rnit 250 rnl Wasser nach fettreicher Nahrung rnit 250 rnl Wasser nach proteinreicher Nahrung 0 (gernPI.3 [3]).
+,
Bei peroraler Applikation kommt also dem Zeitpunkt der Einnahme eine wichtige Bedeutung zu. Die Zeitspanne zwischen Medikamenteneinnahme und Mahlzeit vermag sowohl die Bioverfiigbarkeit, als auch den Blutspiegel eines Wirkstoffes stark zu beeinflussen.
12.1.3 Verteilung, Speicherung und Eliminierung von Anneimitteln im Korper Geloste Wirkstoffe in N&e des Darmepithels konnen durch die ,,Darmmembran" diffundieren, wenn sie nicht durch interferierende Substanzen daran gehindert werden. Wenn nicht ein Abbbau, Metabolisierung, in den Zellen der Darmwand geschieht, konnen die Wirkstoffe in den Blutkreislauf gelangen. Der Wirkstoff muss die aunerste Schicht der Schleimhaut uberwinden und gelangt in die Lamina propria, wo er entweder in die Blutkapillaren oder, zu einem wesentlich geringeren Ted, in die LymphgefaRe eindifindiert (Abb. 12.2). Ausnahmen machen lipophile Substanzen mit hohem O/W-Verteilungskoefizienten (>--lo 000), die vorwiegend in die LymphgefaRe gelangen. Phtinomenologisch gesehen sind es der OVWasser-Verteilungskoeffizient KON, der pK,-Wert und das Molekularvolumen, welche die passive Absorption eines Wirkstoffes
364
12 Phurmuzeutische Technologie
bestimmen. Insbesondere ist es die Verteilung zwischen wassriger Phase und lipophilen Membranen, die einen wichtigen Prozess darstellt [4]. Die Verteilung der Wirkstoffe im Korper erfolgt weitgehend mit dem Plasma in den BlutgefaRen, welches etwa 4 'YOdes Korpergewichts ausmacht. Nach Durchtritt aus den Blutkapillaren in die Zwischenzellflussigkeit des interstitiellen Raums (ca. 16-20 % des Korpergewichts) diffundieren die Wirkstoffe leicht zu den einzelnen Korperzellen. Eine Ausnahme besteht beim Raum der Gehirn-Ruckenmarkflussigkeit, welche das Zentralnervensystem umspult. Das luckenlose Epithel, das diesen Raum umgibt, die Blut-HirnSchrunke, Iasst nur bestimmte lipophile Substanzen durchtreten. Im Plasma kann eine Bindung der Wirkstoffe an Plasmaproteine erfolgen. Dies vermag das Austreten der Wirkstoffe aus der Blutbahn in die Zwischenzellflussigkeit zu verzogern oder sogar zu verhindern. Solche Komplexe stellen somit ein Wirkstoff-Depot im Blut dar, da sie im Gleichgewicht mit ungebundenem, gelostem Wirkstoff stehen, der wegdifindieren kann. Lipophile Wirkstoffe konnen aber auch in das Fett- und Muskelgewebe eingelagert werden und verlangern so die Dauer der Wirkstoff-Freisetzung, was u.U. ein Nachteil sein kann (Narkosemittel, Verkehrsuntuchtigkeit). Der Abbau der Wirkstoffe hat zum Ziel, diese wasserloslich zu machen, um die Ausscheidung durch die Nieren zu ermoglichen. Diese Metabolisierung (biologische Umwandlung) geschieht vonviegend durch Enzyme in der Leber. Vererbungsbedingte enzymatische Unterschiede konnen dam fiihren, dass bei einzelnen Bevolkerungsgruppen die Metabolisierung unterschiedlich rasch erfolgt, sodass auch unterschiedlich starke Wirkungen und Nebenwirkungen eintreten konnen. Ca. 90 % der Wirkstoffe bzw. ihrer Metaboliten werden durch die Nieren ausgeschieden. Daneben werden aber gewisse lipophile Molekule auch via Leber, Galle, Darm eliminiert. Hier ist die Ausscheidung von der Nierenfunktion unabhangig. Bei Gallenweginfektionen wird dieser Weg therapeutisch ausgenutzt. Nicht nur uber Niere und Leber, sondern auch uber Driisen, wie SchweiR- oder Milchdrusen, aber auch via Atem kann eine Ausscheidung von Substanzen in geringem MaRe erfolgen.
12.2 Allgemeines iiber Arznei- und Applikationsformen Wirkstofe, d.h. Substanzen, die im Organismus eine pharmakologische Wirkung erzeugen, konnen nutiirlichen Ursprungs sein, wie Pflanzenextrakte, tierische Driisenextrakte, Hormone, Seren, daneben auch Mineralstoffe. Halbsynthetische Wirkstoffe stammen ebenfalls aus naturlicher Quelle, im Gegensatz zu synthetischen Wirkstoffen; sie werden zusatzlich chemisch modifiziert. Hiljktofle dienen der Formgebung und Konservierung der Wirkstoffe oder der Regelung ihrer Wirkung. Sie durfen keine unenvunschten Nebenwirkungen verursachen, insbesondere die Vertraglichkeit und die Wirkung der Medikamente nicht nachteilig beeinflussen.
12.2 Allgemeines iiber Arznei- und Applikationsformen
365
Arzneiformen sind Formulierungen aus Wirkstoffen und Hilfsstoffen, wie Pulver, Tabletten, Suppositorien, Salben, Pflaster, Tinkturen. Sind sie speziell verpackt und mit entsprechendem Eigennamen versehen, so werden sie als pharmazeutische Spezialitaten bezeichnet. Eine wichtige Bedeutung kommt der Verpackung zu. Sie soll das Medikament gegen Feuchtigkeit, Licht, Staub und mikrobiellen Befall schutzen und als Hilfe der Dosierung dienen. Blisterpackungen f i r Tabletten, Suppositorien in fonnhaltende Folien eingeschweiDt, Fliissigkeiten in Flaschen mit Tropfvorrichtung, ohne nennenswerte Alkaliabgabe, sind Beispiele. Bezuglich Hultbarkeit sollen die pharmazeutischen Spezialitaten mit Ablaufdatum versehen sein. Fehlt dieser Hinweis, so wird eine einwandfreie Venvendung von 5 Jahren uber das Herstellungsdatum hinaus angenommen, trockene Lagerung bei tieferer Temperatur als 25 OC vorausgesetzt. Instabile Medikamente mussen im Kiihlschrank aufbewahrt werden. Je nach Applikationsart - Peroral, Sublingual, Rektal, Kutan, Perkutan, Parenteral soll eine systemische oder lokale Wirkung erzielt werden. Bei der systemischen Wirkung erreicht der Wirkstoff das Zielorgan nach der Resorption uber die Blutbahn. Bei der lokalen Wirkung sind Anwendungs- und Wirkungsort identisch; der Stofftransport entfillt. Arneimittel werden am haufigsten peroral verabreicht, d.h. sie miissen geschluckt werden. Ungeeignet ist diese Verabreichungsart, wenn der Wirkstoff durch die Verdauungsdfte des Pankreas zerstort wird, oder wenn eine sehr gleichmaflige Wirkstoftkonzentration im Blut erforderlich ist, ebenfalls bei schwer resorbierbaren Substanzen. Die Resorption der Wirkstoffe verlauft dabei rascher rnit leerem Magen als mit vollem. Ebenfalls verbessert wird die Resorption lipophiler Wirkstoffe durch fettreiche Speisen. Auch die Defilkation hat einen Einfluss. Durchfall vermindert die Kontaktdauer und in vielen Fallen auch das AusmaB der Resorption von Wirkstoffen, Verstopfung erhaht dies. Nicht zu vernachlassigen ist der First Pass Effekt: Die Resorption der Arzneistoffe erfolgt vorwiegend aus dem Dunndarm und fihrt uber die Pfortader zur Leber. Von dort gelangen die Wirkstoffe zu allen Organen. Gewisse Wirkstoffe werden aber in dieser ersten Leberpassage bereits stark abgebaut und erreichen nur in geringer Menge das Zielorgan. Bei sublingualer Applikation, bei der die Arzneimittel unter der Zunge belassen werden, erfolgt die Resorption rasch durch die Zungenschleimhaut. Der Einfluss der Verdauungssafte und der First Pass Effekt werden dadurch umgangen. Rektale Applikation ist angezeigt bei Erbrechen und Bewusstlosigkeit, ebenfalls bei Kleinkindern. Die Wirkung kann systemisch (2.B. Schmerzmittel) oder lokal (z.B. bei Hamorrhoiden) sein. Je nach Kotfillungsgrad des Mastdarmes erfolgt die Resorption in unterschiedlichem AusmaB. Der groDte Wirkstoffanteil(80 %) gelangt direkt in den Blutkreislauf, die restlichen 20 % iiber die Leber, d.h. ein allfalliger First Pass Effekt ist unbedeutend. Fur die kutane oder perkutane Applikation, bei der die Wirkstoffe auf Haut oder Schleimhaute aufgebracht werden, stellt die intakte Haut eine starke Schranke dar. Beachtet werden muss, dass bei gesch2digter Haut aber eine (meist) unbeabsichtigt starke Resorption auftreten kann. Diese Art Applikation ist geeignet f i r lipophile Wirkstoffe, wobei die Wirkung systemisch (bei perkutaner Applikation) oder lokal (bei kutaner Applikation) sein kann.
366
12 Pharmazeutische Technologie
Bei der parenteralen Applikation sind Injektionen und Infusionen von Wirkstofflosungen zu envahnen. Die Resorption und der Umweg uber die Leber fallen weg, weshalb eine rasche Verteilung des Wirkstoffes im Korper, ohne First Pass Effekt, stattfindet. Zur Vermeidung einer Schadigung der Venenwande sol1 bei intravenoser Applikation die Losung moglichst isotonisch sein (gleicher osmotischer Druck wie das Blut), mit ahnlichem pH wie das Blut. Langsamere, aber langer anhaltende Wirkung als bei intravenoser Applikation erfolgt bei intramuskularer und subkutaner Applikation. Hier diirfen auch Suspensionen und olige Losungen gespritzt werden, die als Medikamentendepots wirken und u.U. Wirkstoff wahrend Monaten freisetzen. Bei zu starker Abweichung von Isotonie und pH von den Blutwerten konnen Injektionen schmerzhaft sein und das Gewebe kann nekrosieren.
12.3 Arzneiformen Je nach Konsistenz konnen Armeiformen in feste, halbfeste und flussige Armeiformen unterteilt werden [ 5 ] . Zu den festen Arzneiformen gehoren Pulver, Granulate, Mikrokapseln, Kapseln, Tabletten, Dragees, Suppositorien, Teemischungen. Salben, Cremes, Gele, Pasten gehoren zu den halbfesten Darreichungsformen und Losungen, niederviskose Emulsionen und Suspensionen bilden die Klasse der flussigen Arzneiformen. Diejenigen Mittel, die auf die Haut aufgetragen werden, bilden den Ubergang zu den kosmetischen Mitteln, so wie sie in Kapitel 11 beschrieben sind.
12.3.1 Pulver Pulver-ormige Zubereitungen bestehen aus losen, trockenen Teilchen im Bereich von ca. 40-300 pm. Neben Wirkstoffen konnen sie zusatzlich Hilfsstoffe enthalten.
Pulver, die f i r peroralen Gebrauch bestimmt sind, werden entweder lose als Schachtelpulver, oder im Falle von stark wirksamen Substanzen in Portionen als abgeteilte Pulver abgegeben. Daneben existieren Pulver e r die parenterale Anwendung. Zum Gebrauch werden diese in steriler Flussigkeit gelost und ergeben so eine Injektionslosung. Puder sind Pulver, die zur auflerlichen Anwendung auf der Haut, den Schleimhauten oder auf verletztem Gewebe zur Wundbehandlung bestimmt sind. Sie vergrofiern die Hautoberflache und wirken daher kuhlend. AuBerdem besitzen sie trocknende und antiphlogistische Eigenschaften. Ihre KorngroBe sollte unter 100 pm liegen. Puder zur Anwendung auf offenen Wunden mussen auBerdem steril sein. Pudergrundlagen konnen einerseits aus anorganischen Stoffen wie Talkum, Zinkoxid oder Ton bestehen. Von geringerer Bedeutung sind Magnesiumoxid, Magnesiumcarbonat und Titandioxid. Da es sich urn korperfremde Substanzen handelt, kann ihre physiologische Vertraglichkeit j e nach Patient problematisch sein. Organische Pudergrundlagen andererseits sind wegen ihrer guten physiologischen Vertraglichkeit besonders f i r die Behandlung offener Wun-
12.3 Arzneformen
367
den geeignet. Im Gegensatz zu anorganischen Stoffen sind sie jedoch gute Nahrboden f i r Bakterien und ihre Sterilisation ist der geringen Hitzebestandigkeit wegen oft problematisch. Starke, wie Mais- oder Weizenstarke, seltener Kartoffelstarke, bieten sich als Pudergrundlagen an. Weil sie mit Wasser zur Verkleisterung neigen, gibt man oft nichtquellenden Starkederivaten den Vorzug. Physiologisch gut vertraglich und vollstandig resorbierbar ist Lactose, die allerdings unbefiiedigende Hafteigenschaften ergibt. Weitere Hilfsstoffe sollen im wesentlichen das Haft- und FlieBvermogen verbessem, das bei vielen Pudern ungenugend ist. Aerosil (hochdisperses Siliciumdioxid) in Zusatzen von 0.55 YOverbessert das Adsorptionsvermogen und gleichzeitig auch die Saugfahigkeit. Zusatz von Metallseifen (5 YO)verbessert FlieB- und Hafteigenschaften und erhoht die Kiihlwirkung des Puders.
12.3.2 Granulate Granulate und Agglomerate sind in Abschnitt 6.2 eingehend beschrieben. Hier sollen einige zusatzliche, speziell die pharmazeutische Technologie betreffende Aspekte behandelt werden. Granulate sind feste Agglomerate von Pulverpartikeln, die meist bessere FlieBeigenschaften als Pulver aufiveisen. Sie besitzen eine homogene Zusammensetzung und konnen sich nicht wie Pulvergemenge wegen unterschiedlicher Dichte der Bestandteile entmischen. Granuliert wird aus zwei Griinden: Granulate sind einerseits leichter einnehmbar als Pulver. Andererseits dienen sie wegen der homogenen Zusammensetzung als Vorstufe zur Tablettierung. Spezielle Eigenschaften haben Zubereitungen wie uberzogene Granulate, magensaftresistent-uberzogene Granulate und Granulate mit modifizierter Wirkstoff-Freisetzung oder Brausegranulate. Uberzogene Granulate sind rnit ein- oder mehrschichtigen Uberzugen versehen, die als Losung oder Suspension in fluchtigen Losemitteln aufgetragen werden. Magensajiresistent-iiberzogene Granulate sind mit Schutzschichten aus Celluloseacetatphthalat sowie anionischen Copolymeren der Methacrylsaure und deren Ester versehen. Damit wird erreicht, dass die Granulate erst im Darm zerfallen. Brausegranulate enthalten saure Substanzen und Hydrogencarbonate oder Carbonate die, in Wasser eingertihrt, Kohlendioxid freisetzen. Zur Granulierung werden diverse Verfahren angewandt, wie: - Feuchtgranulierung: Aufbaugranulierung, Abbaugranulierung -
Trockengranulierung.
Auflaugranulate entstehen durch kontinuierliches Zusammenkitten von Pulverteilchen, beispielsweise durch Wirbelschichtgranulierungoder Tellergranulierung. In diesen weitgehend automatisierten Verfahren entstehen die Granulate in einem Arbeitgang, rnit enger PartikelgriiRenverteilung. Bei der Wirbelschichtgranulierung werden die Teilchen im aufivarts gerichteten Luftstrom in der Schwebe gehalten und rnit Granulierflussigkeit bespriiht. Die aufeinanderprallenden Teilchen kleben zusammen und trocknen im Luftstrom. Genugend groBe
368
12 Pharmazeutische Technologie
Korner werden aus dem Prozess entfernt. KorngroDe und Granulateigenschaften lassen sich durch Einstellen der Prozessparameter leicht steuem. GleichmaDige runde Korner mit glatter Oberflache werden durch Tellergranulierung erhalten. In einen schragstehenden rotierenden Teller wird das Pulver kontinuierlich eingebracht und mit der GranulierflUssigkeit bespriiht. Durch die Rotation und das Trocknen mit eingeblasener Warmlufi entstehen die gleichmaDigen Pellets, die bei einer bestimmten MindestgroDe automatisch den Teller verlassen. Solche Granulate werden zur Darreichung haufig in Hartgelatinekapseln verpackt. Abbaugranulate entstehen durch Zerteilen einer feuchten Masse. Das Pulver wird vorerst feucht aggregiert, beispielsweise durch Erwarmen, falls eine Gemischkomponente einen tiefen Schmelzpunkt aufweist. Die geschmolzene Komponente wirkt dabei als Feuchtemittel. Es entsteht ein Sintergranulat, das sodann zur Vermeidung der Erstanung warm weiterverarbeitet werden muss. Wird zum Anfeuchten des Pulvers eine Fliissigkeit venvendet, in der sich einzelne Komponenten teilweise losen, z.B. Wasser, Zuckersirup oder Alkohol, so entstehen beim Trocknen durch Auskristallisieren der gelosten SubstanZen Krustengranulate. Bei Klebstoffgranulaten dienen zum Anfeuchten Gelatinelosungen, Starkekleister oder Losungen von anderen Polymeren, wie Polyvinylpyrrolidon oder Alginate. Diese Art Granulate sind stabiler als Krustengranulate, weil die venvendeten Polymere den Aggregaten eine gewisse Elastizitat verleihen. Die fliissige Phase muss derart bemessen werden, dass die Masse nicht zerflieot, aber auch nicht zerkriimelt. Zum Dispergieren wird der feuchte Teig durch ein Sieb geschiittelt oder gepresst. Die entstehenden Schiittelgranulate bestehen aus nahezu kugelformigen Kornem. Sie zeigen gutes FlieRvermogen und hohes Schuttgewicht, im Gegensatz zu den Pressgranulaten, die aus langlichen, stabchenformigen Kornem bestehen. Auch beim Pressen durch eine Lochscheibe entstehen stabchenfdrmige Granulate rnit relativ glatter Oberflache. Das Trocknen der Granulate erfolgt bei 3 0 4 0 "C, wobei darauf geachtet werden muss, dass je nach Venvendungszweck eine gewisse Restfeuchte erhalten bleibt, die f i r die Weiterverarbeitung benotigt wird. Pulveranteile und lockere Zusammenballungen von Granulatkornern mussen sodann durch Absieben entfemt resp. zerkleinert werden. Dieser Prozess heiBt Egalisieren. Die Trockengranulierung wird angewandt bei feuchtigkeits- oder temperaturempfindlichen Substanzen, sowie auch bei anderen Pulvern wegen des relativ geringen Arbeits- und Zeitaufwandes. Die Pulver werden unter Druck zu Briketts verpresst und anschlieaend gebrochen oder vermahlen und klassiert zur Erzielung der gewiinschten Komfeinheit. Die Bruchstucke weisen natiirlich unregelmaflige Formen auf. Die ausgeschiedenen zu grol3en Teilchen werden weiter zerkleinert, die zu kleinen Teilchen werden wieder der Brikettierung zugefihrt. Grundlagen: siehe Kapitel6.
12.3.3 Mikrokapseln, Nanopartikel, Liposomen Mikrokapseln sind rieself2hige Zubereitungen. Sie bestehen aus festen Partikeln oder fliissigen Tropfchen, die rnit einem Mantel von Gelatine oder anderen Polymeren umge-
12.3 Arzneformen
369
ben sind. Der GrbBenbereich reicht von Mikrometern bis Millimetern. Je nach GroRe kann das Hullenmaterial 2-30 % betragen. Durch Mikroverkapselung lassen sich Flussigkeiten in ,,Pulver" iiberfihren und in partikularer Form zusammen mit FestkiSrpern weiterverarbeiten. Das Hiillmaterial schiitzt vor Sauerstoff, Feuchtigkeit und anderen Einfliissen, fixiert fliichtige Stoffe und iiberdeckt unangenehmen Geschmack und Geruch. In Gemengen kann eine allfillige Wirkstoffiteraktion unterbunden werden. AuRerdem konnen durch entsprechende Wahl der Umhiillung Arzneiformen mit retardierender Wirkung erzielt werden. Mikrokapseln werden in Instant-Tee, Peroralsuspensionen und Gelatine-Steckkapseln venvendet. Das am meisten angewandte Verfahren ist die Kouzervution. Die zu verkapselnde Substanz wird mithilfe des als Dispersionsstabilisator wirkenden, in Wasser gelbsten Hiillmaterials (2.B. Gelatine) dispergiert bnv. emulgiert. Durch pH- oder Temperaturlnderung, Alkohol- oder Elektrolytzugabe wird die Loslichkeit des Hullmaterials soweit herabgesetzt, dass es sich in Form kleiner Tropfchen auf den dispergierten bzw. emulgierten Teilchen abscheidet. Nach dem Harten der vorerst noch flussigen Hiillen durch Abkuhlen oder chemische Vernetzung konnen die Mikrokapseln abfiltriert oder zentrihgiert, gewaschen und getrocknet werden. Weitere Verfahren sind das Wursterverfahren, das Zentrihgalverfahren und. die elektrostatische Mikroverkapselung. Nach dem Wursterverfuhren (Abschnitt 6.2.8.5) werden zu umhiillende Feststoffpartikel in der Wirbelschicht mit dem Hullmaterial bespriiht. Nach dem Zentrijiigulverfuhren konnen sowohl Feststoffe als auch Flussigkeiten mikroverkapselt werden. Die Substanz wird auf eine schnell rotierende Scheibe aufgebracht und durch die Zentrifbgalkraft nach auBen geschleudert, wobei sie eine Dusche von Hullsubstanz-Losung passiert. Bei der elektrostatischen Mikroverkapselung werden die Teilchen mit entgegengesetzt geladenen Aerosolteilchen aus Wandmaterial umhullt. Neuere Entwicklungen befassen sich mit der Erzeugung von Nunopurtikeln [6], rnit Durchmessern < I pm. Diese kleinen Teilchen lassen sich in dispersionsstabiler Form intravenbs applizieren und eignen sich fiir die kontrollierte Wirkstoff-Freisetzung. Zielorte sind beispielsweise Leber, Milz, Lungen [7, 81. Nanopartikel konnen nach verschiedenen Verfahren hergestellt werden. Am wichtigsten ist die Emulsionspolymerisation. Andere Verfahren beruhen auf der Grenzflachenpolymerisation, aber auch auf der Entwasserung naturlicher Proteine. Zahlreiche Tragerstoffe werden hergestellt bnv. venvendet. Erw&nt seien Polyalkylcyanoacrylate wie Polybutylcyanoacrylat, Polymethylmethacrylat, Albumin und Gelatine. Die Wirkstoffe konnen enkapsuliert, gelost, adsorbiert oder chemisch gebunden sein [9]. Wohin die Nanopartikel im Kbrper gelangen, hangt von der GroBe, der Zusammensetzung und der Oberflachenladung ab [ 101. So wurde eine Anreicherung von Nanopartikeln auf Basis von Polycyanoacrylaten in gewissen Tumoren gefbnden [l l]. Bis jetzt wurden Nanopartikel vonviegend zur Verkapselung von cytotoxischen Substanzen [12, 131, daneben aber auch fiir bioaktive Peptide und Proteine eingesetzt [ 141. Auch Liposomen werden im medizinischen Bereich eingesetzt. Bei den aus Phospholipid-Doppelschichten bestehenden Hohlkugeln befinden sich die Arneistoffe j e nach Eigenschaften im wlssrigen Innenraum oder in der lipophilen Hulle (vergl. Abb. 3.5). Beispiele von Anwendungen betreffen die parenterale Verabreichung [ 15, 161, Inhala-
370
I2 Pharmazeutische Technologie
tionstherapie [ 171, perkutane Applikation [ 18-20], Ophthalmika [2 I], Krebstherapie [22], Controlled-Release [23, 241.
12.3.4 Kapseln Kapseln sind feste einzeldosierte Arzneiformen rnit einer harten oder weichen Hulle unterschiedlicher Form und Grolje. Neben Peroralkapseln sind auch Rektal- und Vaginalkapseln gebrauchlich. Peroralkapseln konnen im Vergleich zu Pulvern leichter eingenommen werden, ein allfalliger unangenehmer Geschmack oder Geruch wird verdeckt, der Wirkstoff wird schon wenige Minuten nach Einnahme fi-eigegeben. Die WirkstoffFormulierung in Kapseln ist besonders schonend; es lassen sich so auch warme- und feuchtigkeitsempfindliche Stoffe verarbeiten. Perorale Kapseln werden eingeteilt in -
Hartkapseln
- Weichkapseln - magensaftresistente Kapseln -
Kapseln mit modifizierter Wirkstoff-Freisetzung.
Die !%her vie1 angewandten Starke- oder Oblatenkapseln sind wegen ihrer Empfindlichkeit gegeniiber Feuchtigkeit und mechanischer Beanspruchung und wegen unbefi-iedigenden Zerfallseigenschaften zunehmend von den Gelatinekapseln verdrangt worden. Demgegenuber besitzen Gelatinekapseln gute mechanische Stabilitat, gewahren besseren Schutz gegen Sauerstoff und Feuchtigkeit und sind leichter einzunehmen, da das Hiillmaterial durch die Benetzung rnit Speichel gut gleitfahjg wird. Gelatinekapseln lassen sich rnit wasserloslichen Farbstoffen oder Pigmenten transparent oder opak einfarben, was zur Medikamentenkennzeichnung aber auch als Lichtschutz dient. Uberziehen mit magensaftresistenten Schichten schutzt die Kapselinhaltsstoffe vor der aggresiven Magensaure und lasst das Auflosen der Kapseln erst im alkalischen Dunndarm zu. Auljerdem wird so auch der Magen vor schwer vertraglichen Wirkstoffen geschutzt. Verwendet wird, wie bei magensaftresistenten Granulaten, Celluloseacetatphthalat und Sauregruppen enthaltende Polymere. Hartgelatinekapseln oder Steckkapseln werden aus Gelatine ohne Zusatz von Weichmachern hergestellt. Sie werden durch Eintauchen von Matrizen in heilje Gelatinelosung und anschlieljendem Trocknen bei ca. 30 "C hergestellt und lassen sich leicht von der Form abziehen. Allerdings mussen die Formen vorgangig rnit einem Formentrennmittel behandelt sein. In der Coltonmaschine, die vor ca. SO Jahren entwickelt wurde, betragt die Eintauchzeit ca. 12 s. Nach dem Eintauchen in Gelatinelosung von SO "C werden die benetzten Formenkorper unter 2 li2-fachem Drehen um ihre Achse aufwarts gerichtet und zur Erstarmng rnit kalter Cufl angeblasen und anschlieljend getrocknet. Der gesamte Trocknungszyklus betragt ca. 4.5 min. Der Feuchtigkeitsgehalt nach dem Abstreifen betragt 15-1 8 YO.In anschlieljenden Schritten wird der Wassergehalt j e nach Anwendung weiter entsprechend eingestellt und defekte Kapseln, rnit Bruchspuren, Schlieren, Fettspuren, Luftblasen werden aussortiert. Anschlieljend werden die
12.3 Arzneiformen
311
fertigen Kapseln im Offset-Rotationsdruck bedruckt, mit Leistungen bis zu 314 Mio. Kapseln pro Stunde. Der Wassergehalt ist kritisch. Unter 12 YOwerden die Kapseln briichig; rnit mehr als 15 % Feuchtigkeit sind sie zu weich. Aufbewahrt werden die Kapseln am besten bei relativer Feuchte von 40-60 %. Gefiillte Kapseln konnen briichig werden, wenn das Fullgut dem Kapselmaterial Feuchtigkeit entzieht. Deshalb sollte das Fullgut bei entsprechender Feuchtigkeit vorkonditioniert werden. Sehr hohe Feuchtigkeit oder Spuren von Aldehyd W e n beim Lagern zu Quervernetzung der Gelatine. Solche Kapseln werden verzogert aufgelbst und entsprechen nicht mehr den Spezifikationen. Das Fullvermogen der Kapseln ist standardisiert; sie werden in den in Tabelle 12.1 angegebenen GroDen angeboten.
Tabelle 12.1. Bezeichnung und Fullvermbgen handelsiiblicher Gelatine-Steckkapseln. Nr.
0 0 0 0 0 0
Fassungsvermogen fcm31
1.37
1
2
0.95 0.68 0.50 0.37
3
4
0.30
0.21 0.13
5
Eine besondere Stabilitat wird mit Snap-Jit@-Kapseln erzielt. An Kapseloberteil und Unterteil befinden sich Rillen, die beim Verschluss einrasten (Abb. 12.4).
Oberteil
Unterteil eingerastet
Abb. 12.4. Sicherheitsverschluss-KapselnSnap-fit@(vereinfacht)und Weichgelatinekapseln.
Weichkapseln besitzen im Vergleich zu Hartgelatinekapseln eine dickere Hulle. Zusatz von Weichmachern, wie Glycerin oder Sorbit geben h e n elastische Eigenschaften. Weichkapseln werden bevorzugt mit flussigen oder halbfesten Zubereitungen gefiillt, mit Ausnahme von wassrigen Losungen oder Pasten, welche die Gelatinehiille losen bzw. quellen. Feste Stoffe mussen vorerst granuliert oder in nichtwassrigen Fliissigkeiten gelost oder dispergiert werden. Bei der industriellen Fertigung werden Weichgelatinekapseln meist nach einem Stanzverfahren hergestellt. Beim Scherer- Verfuhren werden zwei Endlos-Gelatinebander uber zwei gegenlaufige, mit Vertiefungen in Form von Kapselhalften versehenen Walzen gefiihrt, dort durch den rnit Filllduse versehenen Fullkeil an die Walzen gepresst und rnit dem Fullgut gefillt. Anschlienend erfolgt Verschweaen, Ausstanzen und AusstoDen der Kapseln und nach einem Waschgang werden sie bei 20 "C bei relativer Feuchtigkeit von
372
12 Phurmuzeutische Technologie
20 % getrocknet. (Abb. 12.5). Pro Stunde konnen in einem einzigen Arbeitsgang bis zu 100 000 Kapseln gefertigt werden. Nach diesem Verfahren werden nicht nur Peroralkapseln, sondem auch Rektal- und Vaginalkapseln hergestellt. Im Tropfierfuhren, einer weiteren Methode zur Herstellung von Weichgelatinekapseln, Iasst man aus einer doppelwandigen Tropfvorrichtung im Innenrohr das Fullgut und im umschlieljenden Mantelrohr die Gelatinelosung austreten. Die entstehenden umhullten Tropfen Iasst man in Paraffinol von 4 "C tropfen, wo sie zu nahtlosen, kugelformigen Kapseln erstarren, die keine Lufteinschlusse aufweisen. Das Tropfverfahren wird jedoch nur noch selten angewandt. Hart- und Weichgelatinekapseln mussen derart konzipiert werden, dass sie innerhalb von 30 min in Wasser von 37 "C zerfallen. Magensaftresistente Kapseln durfen in 0.1 n Salzsaure innerhalb von zwei Stunden nicht zerfallen; sie mussen jedoch innerhalb einer Stunde in Phosphatpufferlosung von pH 6.8 zerfallen.
Fertige Kapsel
T ~
+Gelatineband
rnit Stanzlochern
I Abb. 12.5. Kapselherstellung nach dem Schererverfahren; nach [25].
12.3.5 Tabletten, DragCes Tabletten sind feste, unterschiedlich geformte Arzneizubereitungen, die aus pulverformigen oder granulierten Arzneistoffen in der Regel unter Zusatz von Full-, Binde-, Sprengund Gleitmitteln oder anderen Hilfsstoffen durch Pressen hergestellt werden. Hierbei eignen sich zur Tablettierung Agglomerate besser als Pulver. Stabilisatoren, Farbstoffe oder Geschmackskorrigentien sind als Zusatze zulassig. Alle Zusatzstoffe mussen jedoch physiologisch unbedenklich sein und durfen die Inhaltsstoffe der Tabletten nicht nachteilig beeinflussen. Einfache kreisformige Tabletten, mit biplanem oder bikonvexem Querschnitt, und kugelfdrmige Tabletten haben sich aus Festigkeitsgrunden vonviegend durchgesetzt. Zur Erhohung der mechanischen StabiIitat werden zudem biplane Tabletten oft noch zusatzlich facettiert und bikonvexe Tabletten mit einem Steg versehen. Auch ovale, ei-, herzund ringformige sowie eckige Formen kommen vor (Abb. 12.6).
12.3 Arzneiformen
313
Die einfachen Peroraltabletten werden entweder zerkaut, unzerkaut, oder zerteilt in Flussigkeit geschluckt und gelangen, wie bereits beschrieben, nach Kontakt rnit dem stark sauren Magensaft in den Dam. Sie mussen eine Dosiergenauigkeit von 5 YOaufweisen und im Tablettenzerfallstest innerhalb 15 Minuten zerfallen. biplan einfach
facettiert
stark bikonvex ohne Steg mit Steg
schwach bikonvex rnit Steg und Bruchkante
Abb. 12.6. Tablettenformen rnit unterschiedlichem Querschnitt.
Als Hilfsstoffe f i r die Tablettierung wird beispielsweise Folgendes (Tabelle 12.2) verwendet: Tabelle 12.2. Hilfsstoffe fir die Tablettenherstellung.
Kategorie Fiillstoffe Bindemittel
Beispiele Lactose, Saccharose Stake, Gelatine, Zucker, Celluloseether, Polymere wie Polyvinylpyrrolidon Sprengmittel Stake, Stakeether Gleit- und Formentrennmittel Talkum, Stearate, Silicone FlieBreguliermittel Talkum, Aerosil
Pressdruck und Additive uben einen wesentlichen Einfluss auf die Auflosegeschwindigkeit von Tabletten aus. Je nachdem, ob die Partikel beim Pressen auDer dem Kompaktieren noch gebrochen oder zusatzlich gesintert werden, kann die AuflOsegeschwindigkeit ab- oder zunehmen. Auch Gleitmittel vermogen die Auflosegeschwindigkeit unterschiedlich zu beeinflussen. So werden Tabletten durch das hydrophile Na-Laurylsulfat rascher aufgelost, wlihrend das hydropliobe Gleitmittel Magnesiumstearat eine Verlangsamung bewirkt. Die Erhbhung der Konzentration an Sprengmittel wie St2rke beschleunigt das Auflosen. Solche Sprengmittel quellen in Wasser und bewirken deshalb eine rasche Desintegration. Nicht zu vergessen ist, dass auch Kristallmodifikation, -habitus und PartikelgroBe einen wesentlichen Einfluss auf die Losegeschwindigkeit und darnit auf die Wirksamkeit ausuben ktinnen [ 2 6 ] . Neben den einfachen Tabletten werden auch Tabletten rnit besonderen applikatorischen Eigenschaften hergestellt. Zur Vermeidung gr6Beren Kontaktes zwischen unvertrtiglichen Wirkstoffen wurden Mehrschichttabletten konzipiert. Bei Manteltabletten ist ein Kern von einem Mantel rnit anderen pharmakologischen Eigenschaften umgeben, mit einer anderen Wirksubstanz oder einer Initialdosis, wBhrend der spater zerfallende Kern die Folgedosis enthalt. Fur raschen Wirkungseintritt sind Brausetabletten gedacht. Sie enthalten neben Hydrogencarbonaten saure Substanzen wie Citronensaure oder WeinsSiure, durch deren Kombination beim Auflosen Kohlendioxid freigesetzt wird. Zur Vermeidung der COz-
374
12 Pharmazeutische Technologie
Bildung aus den Tabletten durch Luftfeuchtigkeit enthalten Packungen von Brausetabletten im Deckel eine Trockenpatrone. Retard-Tabletten rnit verlangerter Wirkungsdauer bestehen beispielsweise aus verschiedenen Granulaten rnit unterschiedlicher, zeitlich gestaffelter Freigabe der Wirkstoffe. Gewisse Formen erlauben ein 12-, andere ein 24-stiindiges Einnahmeintervall. Aurjer den Peroraltabletten existieren auch Tabletten f i r andere Applikationen. Es gehoren dazu die Lutsch- und Kautabletten mit lokaler Wirkung im Mund- und Rachenbereich oder Resorption durch die Mundschleimhaut. Fur diese letztere Anwendung sind auch die Buccal- (in der Backentasche) und Sublingualtabletten (unter der Zunge) konzipiert. Implantationstabletten sind kleine, sterile Tabletten, die ins Gewebe eingepflanzt werden; Augentabletten werden in den Bindehautsack appliziert. Die meist oval geformten Vaginaltabletten sind zum Einfihren in die Scheide bestimmt. Losungstabletten dienen der Herstellung von Losungen f i r innerliche, aurjerliche oder parenterale Anwendungen. Viele Tabletten sind rnit einem Uberzug versehen. Bei Dragkes besteht der Uberzug aus zahlreichen Schichten, vorzugsweise aus Zucker, die auf die stark bikonvexen Tabletten aufgebracht werden. Tabletten rnit sehr dunnem Uberzug werden als Filmtabletten oder Lacktabletten bezeichnet. Als Uberzugsmaterialien eignen sich hier schlecht oder langsam wasserlosliche Polymere wie Ethylcellulose, Schellack oder Polyvinylalkohol. Wie bei den umhullten Granulaten bewirkt der Uberzug einen Schutz vor Lufifeuchtigkeit, Sauerstoff, Licht, Magensaure und kaschiert unangenehmen Geruch oder Geschmack. Anders als die nichtumhullten Tabletten haben die uberzogenen Tabletten eine langere Zerfallszeit. Dragees weisen eine Zerfallszeit von 60 Minuten auf, Filmtabletten eine solche von 30 Minuten. Spezielle Residenzzeiten gelten f i r magensaftresistent uberzogene Tabletten. Sie mussen im Magensaft mindestens 2 Stunden bestandig sein und durfen den Wirkstoff erst im Darm innerhalb von 60 Minuten freisetzen. Zum Dragieren werden die einzelnen Uberzugsschichten in rotierenden Kesseln (Abb. 12.7) auf die Tabletten aufgetragen. Um Probleme beim Umhullen von Kanten zu vermeiden, verwendet man vorzugsweise stark bikonvexe Tabletten. Je nach Trocknungstemperatur unterscheidet man Kalt- und Warmdragierverfahren. Beim Dragieren, das mehrere Stunden bis Tage dauern kann, werden bis zu 50 Schichten aufgetragen. Man unterscheidet normalenveise finf verschiedene Vorgange: Andecken, Auftragen, Glatten, Farben und Polieren. Ublichenveise wird beim Andecken zuerst als Feuchtigkeitsbarriere ein dunner Film von Celluloseacetatphthalat (CAP), Polyvinylacetatphthalat (PVAP) oder Polyvinylpyrrolidon-stabilisiertem Schellack aufgetragen, gefolgt von 3-8 Schichten einer konzentrierten Zuckerlosung (50-65 %), die geringe Mengen von Gummi arabicum oder Gelatine enthalt. Um das Aneinanderkleben der Dragees zu verhindern, wird nach jedem Auftrag ein Andeckpuder, bestehend aus einem Gemisch verschiedener Feststoffe wie Talkum, Calciumcarbonat, Kaolin, Starke, Aerosil neben Gummi arabicum aufgestaubt. Beim eigentlichen Aufh-agen wird Auftragssirup und Puder oder auch eine Suspension des Puders so oft aufgetragen und dazwischen mit Infrarotlampen oder Warmlufi getrocknet, bis die Drageehulle 30-50 % der Kernmasse erreicht hat, wozu bis zu 30 Schichten oder mehr erforderlich sein konnen. Auf die Drageerohlinge, die haufig eine rauhe Oberflache aufweisen, muss anschlierjend ein besonderer Glattesirup ohne Fest-
12.3 Arzneiformen
375
stoffe aufgetragen werden. Gefarbt wird mit Dragiersirup, dem 1-5 YOFarbstoffe oder Pigmente zugesetzt wurden. Erst durch anschlieaendes Polieren im Polierkessel entsteht der gewiinschte Oberflachenglanz. Als Poliermittel finden Camaubawachs und Kombinationen von Bienenwachs, Paraffin, Walrat, Kakaofett u.a. Venvendung, entweder in Form der Feststoffe, oder als Losungen bzw. Emulsionen.
Abb. 12.7. Schematische Darstellung eines Dragierkessels.
12.3.6 Suppositorien Suppositorien (Zapfchen) sind feste, bei Korpertemperatur schmelzende oder sich 1osende, im Allgemeinen torpedofdrmige Arneizubereitungen zum Einfihren in den Mastdarm. Suppositorien f i r Erwachsene haben ein Gewicht von 2-3 g, f i r Kinder 1 g. Als Grundlage dienen synthetische Hartfette, die bei der Veresterung von Fettsauren mit Glycerin als Gemische von Mono-, Di- und Triglyceriden anfallen und ein Schmelzintervall von 32-35 OC aufweisen. Die vorhandenen Mono- und Di-Glyceride wirken als Emulgatoren und tragen zur Verbesserung der Wasserauhahmefihigkeit und der Wirkstoffabsorption bei. Die friiher oft venvendete Kakaobutter wird aufgrund ihres Anteils an ungesattigten Fettsauren leicht ranzig und wird deshalb praktisch nicht mehr verwendet. In geringem Umfang werden hingegen wasserlosliche Makrogole (Polyethylenglykole) und elastische Glycerin-Gelatine-Massen als Zapfchengrundlage venvendet. Da diese hydrophilen Produkte jedoch der Rektalschleimhaut Wasser entziehen, konnen sie unenviinschten Stuhldrang auslosen. Hiiufig ist es notwendig, zur Verbesserung der Zapfcheneigenschaften Hilfsstoffe zuzusetzen. Bei zu weichen Ziipfchen miissen konsistenzerhohende Zusatze wie Bienenwachs oder Cetylpalmitat, bei zu harten Zapfchen hingegen konsistenzerniedrigende Zusiitze wie flussiges Paraffin oder Rizinusol zugesetzt werden. Aerosil, Bentonit oder Glycerinmonostearat dienen als viskositatserhijhende Zusatze, um die Sedimentation und Flockung von Wirkstoffteilchen zu bremsen, insbesondere bei kleinen Wirkstoffionzentrationen. Auch Emulgatoren wie Lecithin konnen notig sein, beispielsweise fiir die Einarbeitung wassriger Losungen in die Fettgrundlage und allenfalls zur Erhohung der Bioverfigbarkeit. Auch bei der Einarbeitung von WirkstoQulvem in hydrophile Grundla-
376
12 Pharmazeutische Technologie
gen entstehen Dispergier- und Stabilisierprobleme, die, wie in anderen Kapiteln beschrieben, angegangen werden miissen. Als Emulgatoren bzw. Dispergatoren werden beispielsweise Polysorbate venvendet. Gleiche Grundmassen und Herstellungmethoden wie f i r Suppositorien gelten f i r Vaginalzapfchen. Je nach ihrer Form bezeichnet man sie als Vaginalkugeln, Globuli oder h u l a . Venvendet werden sie vonviegend f i r die lokale Therapie.
12.3.7 Salben, Cremes, Pasten, Gele Salben als halbfeste Armeizubereitungen sind bestimmt zur Anwendung auf der gesunden, kranken oder verletzten Haut. Decksalben sollen die gesunde Haut vor schadigenden Einfliissen schutzen oder auch die Haut aufiveichen. Wundsalben und kortikosteroidhaltige Salben, die in die oberen Hautschichten eindringen, sollen eine lokale Heilwirkung ergeben. Gewisse Salben ergeben auch eine Permeation von Wirkstoffen in tiefere Gewebeschichten. Ubertritt des Wirkstoffes in die systemische Zirkulation ist beispielsweise wichtig bei nitroglycerinhaltigen Salben, mit Wirkung am Herz. Nahere Angaben iiber Wechselwirkungen mit der Haut sind in Kapitel 11 zu ersehen. Im engeren Sinn sind Salben Zubereitungen, die nicht in die Kategorien Cremes, Pasten, Gele einzureihen sind, wie beispielsweise einphasige streichfahige Armeizubereitungen. Hydrophobe Salben basieren auf Paraffin, Vaselin, pflanzlichen Olen und Fetten sowie Wachsen als Salbengrundlage. Sie konnen nur geringe Mengen Wasser aufnehmen. Grundlage der hydrophilen Salben sind Makrogole (Polyethylenglykole), SubstanZen, die mit Wasser mischbar bnv. wasserloslich sind. Im Unterschied zu den einphasigen Salben sind Cremes O/W- oder W/O-Emulsionssalben. Der Ubergang von den pharmazeutischen zu den kosmetischen Salben und Cremes ist flieBend. Je nach Inhaltsstoffen der Zubereitungen miissen Schutzsalben, Lichtschutzsalben, Penetrationssalben, Resorptionssalben, Kuhlsalben der einen oder anderen Kategorie zugeordnet werden. Gele enthalten in fliissiger Phase einen Geriistbildner, der die rheologischen Eigenschaften regelt. Einzelne Aspeke iiber Rheologie und Gelbildner sind aus den Kapiteln Rheologie, Kosmetika, Nahrungsmittelformulierungen zu ersehen. Wirkstoffe konnen sowohl in geloster als auch dispergierter Form vorliegen. Auch hinsichtlich Pasten, die hochkonzentrierte Suspensionen mit Pulveranteilen bis zu 50 % darstellen, sei auf die entsprechenden anderen Kapitel venviesen. Grundlage kann eine Fliissigkeit wie Glycerin, eine Creme oder auch ein Gel sein.
12.3.8 Flussige Formulierungen Unter ,,Losung" versteht man im pharmazeutischen Bereich im Allgemeinen eine wassrige Losung. Als Losemittel venvendet man neben Wasser aber auch Ethanol oder Ole. Neben Losungen f i r den auflerlichen Gebrauch, wie Bonvasser, Kampfergeist, existieren
12.3 Arzneiformen
371
auch Losungen zum Einnehmen, die beispielsweise in Trinkampullen, wie bei Vitaminen der B-Gruppe angeboten werden. Tinkturen (,,gefarbte Flussigkeiten") und Extrakte sind Zubereitungen, die durch Extraktion von Drogen (pflanzliche oder seltener tierische Ausgangsprodukte fiir Arzneizubereitungen) hergestellt werden. Als Extraktionsmittel dient im Allgemeinen eine Alkohol/Wasser-Mischung. Extrakte konnen jedoch auljer in flussiger Form (Fluidextrakte) auch in eingedickter Form als Trockenextrakte eingesetzt werden. Andere flussige Darreichungsformen sind Spiritus, Suspensionen, Schleime. Ein Spiritus ist eine ethanolische Arzneizubereitung, die durch Destillation von Drogen mit Ethanol gewonnen wird. Flussige Suspensionen als Ersatz von festen Arzneiformen sind insbesondere in der Padiatrie von Bedeutung. Neben Dispersionsstabilisatorenenthalten sie oft Verdickungsmittel zur Verzogerung der Sedimentation. Schleime sind mehr oder weniger dickfliissige Ltlsungen, hergestellt unter Venvendung von Schleimdrogen oder synthetischen Quellstoffen. Envahnt seien appetithemmende Mittel oder milde Abflihrmittel. Bezuglich Hifsstoffe wie Fette, Wachse, Emulgatoren, Gelbildner, die f i r flussige aber auch halbfeste Arzneizubereitungen eingesetzt werden, sei auf die Kapitel 2, 1 1 und 13 venviesen.
12.3.9 Spezialformen, Steuerung der Invasion Von den verschiedenen Vorgangen, die maljgebend f i r die Zufuhr von Wirkstoffen vom Applikationsort zum Wirkort sind (Invasion), wie Wirkstofffreisetzung, Wirkstoffaufnahme, Wirkstoffverteilung, ist die Wirkstofffreisetzung durch technologische Maljnahmen am leichtesten zu beeinflussen. Mittels spezieller Maljnahmen geht es darum, die Freisetzung so zu optimieren, dass Wirkungseintritt und -dauer gesteuert werden konnen. Das Zusammenspiel von Invasion und Evasion (Vorggnge, die zu einer irreversiblen Konzentrationsabname des Wirkstoffes im Blut fiihren) ist maljgebend f i r den zeitlichen Verlauf der Konzentration im Blut (Blutspiegel), so wie sie f i r die perorale Applikation einer Einzeldosis in Abb. 12.8 dargestellt ist.
toxische Konzentration therapeutische Breite min. therapeutische Konzentration I_
Wirkungsdauer
_I
Zeit
*
Abb. 12.8. Wirkstoftkonzentration im Blut bei peroraler Applikation einer Einzeldosis.
378
I2 Pharmazeutische Technologie
Die Wirkstoffionzentration im Blut muss innerhalb der therapeutischen Breite gehalten werden: unterhalb der minimalen therapeutischen Konzentration wird die envunschte Wirkung nicht erzielt; oberhalb der toxischen Konzentration sind rnit unvertretbaren Nebenwirkungen zu rechnen. Bei Mehrfachdosierung hangt die Blutspiegelkurve nicht nur von der Dosis selbst, sondern auch vom Dosierungsintervall ab. Durch geeignete Wahl dieser beiden Parameter lasst sich der Blutspiegel im therapeutischen Bereich halten (Abb. 12.9).
C
.-0
c)
2
1
C
a, N C
0
Y
~
Dosis 1 alle 8 h __ __ __ .Dosis . 1 alle 4 h (Kumulation) Dosis 1/2 alle 4 h
Zeit
Abb. 12.9. Blutspiegelkurven bei Mehrfachdosierung (aus [27]).
Nicht nur Dosis und Dosisintervall sind maljgebend f i r den Verlauf des Blutspiegels einer Wirksubstanz, sondern auch die Invasionsgeschwindigkeit, die z.B. durch Beschleunigung oder Verzogerung der Wirkstofffreisetzung beeinflusst werden kann. Langsamere Invasion fuhrt zu einer flacheren Blutspiegelkurve rnit verlangerter Wirkungsdauer. Dies wird rnit Returdpruparaten venvirklicht. Eine spezielle Kapselart, die im Magen zu einer Gelmasse aufquillt und leichter als der Magensafi ist, wird als Hydrodynamically Balanced System (HBS) bezeichnet. Solche Kapseln schwimmen unabhangig vom Entleerungszustand auf der Magensafioberflache und setzen dort wahrend bis zu 6 Stunden Wirkstoffe frei. Beim Facilitated Absorption System (FAS), einer Tablette rnit spezieller Zusammensetzung, ist der Wirkstoff in einen ,,Losevermittler" z.B. einen Emulgator eingebettet, der auch f i r schlecht wasserlosliche Stoffe eine hohe Konzentration am Resorptionsort im Dunndarm erlaubt. Solche Tabletten mussen magensaftresistent konzipiert werden. Ein OROS (Orales osmotisches System) besteht aus einem Arzneistoffkern, der rnit einer semipermeablen Membran umgeben ist, die eine kleine lasergebohrte Austrittsoffnung aufiveist. Wasser gelangt durch die Membran, lost den Wirkstoff, der wegen des osmotischen Drucks resp. des unterschiedlichen chemischen Potentials konstant durch die Offnung freigesetzt wird. Wie beim OROS ist auch das Gastro-Intestinale Therapeutische System (GITS) rnit einer semipermeablen Membran mit einer kleinen lasergebohrten Offnung umgeben. Das lnnere des GITS besteht aus zwei Schichten, wobei die erste aus rnit Wasser aufquellenden Hilfsstoffen besteht und somit osmotisch aktiv ist. Die zweite Schicht besteht aus
12.4 Konservierungsmittel, Antioxidantien
3 79
dem in einem dickflussigen Gel suspendierten Wirkstoff, der somit eine groRe Oberflache aufweist. Der Freisetzungsvorgang verlauft analog wie beim OROS, aber mit hoherem osmotischem Druck und gr6Rerer Angriffsflache an den dispergierten Komern. Transdermale Therapeutische Systeme (TTS) gleichen aderlich Heftpflastem und werden wie diese auf die Haut geklebt. Sie ergeben eine kontinuierliche transdermale Wirkstoffzufuhr in die BlutgefaRe und den Blutkreislauf. Sie eignen sich besonders f i r Wirkstoffe, die bei peroraler Anwendung stark in der Leber abgebaut werden (First Pass Effekt). Wegen dieses wegfallenden Abbaus konnen die Wirkstoffe niedriger dosiert werden, mit entsprechend geringeren Nebenwirkungen. Solche TTS sind mehrschichtig aufgebaut (Abb. 12.10). Von auRen her betrachtet bestehen sie aus einer wasserundurchlassigen Deckschicht, einem Wirkstoffreservoir, einer optionalen Kontrollmembran zur Regulierung der Wirkstoff-Freisetzung, einer Klebschicht und einer vor dem Aufbringen zu entfemenden Abziehfolie. Eine in Entwicklung begriffene Methode, die Iontophorese [28], dient dam, grol3ere Molekule wie Proteine durch die Haut zu bringen. Hierbei werden die ionisierten Proteine durch Anlegen einer elektrischen Spannung unter Venvendung eines Ag/AgCIElektrodensystems aktiv durch die Haut resp. Poren in der Haut transportiert.
Deckschicht Kontrollmembran Klebeschicht Abziehfolie Abb. 12.10. Transdermales therapeutisches System (TTS).
12.4 Konservierungsmittel, Antioxidantien Die Konservierung von flussigen Formulierungen gegen mikrobiellen Angriff gestaltet sich oft schwierig. So sind beispielsweise Emulsionen besonders anfiillig gegen Pilze und Hefen. AuDer dem pathogenen Aspekt muss unter anderem auch die Verminderung der Emulsionsstabilitat als Folge des Befalls betrachtet werden. Inhaltsstoffe wie Polypeptide, Kohlenhydrate oder Lecithin stellen ideale Nahrboden f i r diverse Mikroorganismen dar. Abbauprodukte konnen in mannigfaltiger Weise Einfluss nehmen. Einen augenscheinlichen Einfluss ubt beispielsweise C 0 2 aus, das bei zu starker Entwicklung Flaschen zum Platzen bringen kann. Substanzen wie quaternare Ammoniumverbindungen, Benzoedure, Phenylmercurinitrat und andere werden als Antimikrobika eingesetzt. Tabelle 12.3 zeigt eine Zusammenstellung diverser Konservierungsmittel f i r Pharmazeutika und Kosmetika.
380
12 Pharmazeutische Technologie
Tabelle 12.3. Konservierungsmittel; Wirksamkeit gegen Bakterien, Hefen, Pilze [29]. Antimikrobikum
Konz.
[%I Phenol Kresol p-Chlor-m-kresol Phenylethylalkokol Chlorbutanol Benzy lalkohol PHB-Methylester PHB-Propylester PHB-Methyl + Propylester PHB-Methyl + Propylester + Benzylalkohol Sorbinsaure Benzoesaure Pheny lmercurinitrat Merthiolat'-Thiomersal Thiocid Cialit Benzalkoniumchlorid
0.3 0.3 0.02 1.o 0.5 1.o
0.18 0.02 0.2 0.2 + 0.5 0.2 0.1 0.001 0.02 0.01 0.01 0.0 1
Zeichenerklarung: x-y gut wirksam; (+) schwach wirksam; 0 unwirksam;
optimaler pH-Bereich 2 4 - ( 8) 2448) 2448) 2447) 2 4 2447) 2-749) 2-749) 2-7-( 9) 2-7 2-345) 2-3<5) 7-10 2-7-(9) 2-749) 2-749) (3)-5-8-(
Wirksamkeit Gram + Gram - Hefen + + (+>
+
+
+
+ +
+ +
(+I
(+>
(+I (+I (+I 0
+
(+> (+>
0 0
+ +
+
+ +
+ + + + +
+ + +
+
+ + + + +
10) +
+
+
+ +
+
Pilze (+>
+
(xEy und x g y ) schwach wirksam;
+
(+> (+>
(+>
+
+
+ +
+
+
+ +
+ +
+
+ + + + + + gut wirksam;
PHB: p-Hydroxybenzoesaure.
Oft ist es auch notig, Antioxidantien zuzusetzen, welche die Aufgabe haben, Radikale abzufangen und den Kreislauf der Oxidation via Hydroperoxide zu unterbrechen. So konnen Radikale leicht mit Sauerstoff reagieren unter Bildung von Peroxyradikalen, die durch H-Abstraktion aus organischen Materialien Hydroperoxide bilden. Durch thermischen Zerfall oder unter dem Einfluss von UV-Strahlung zerfallen solche Hydroperoxide weiter zu je zwei Radikalen, die in einer Kettenreaktion sich mit Sauerstoff vereinigen, und somit das ungeschutzte Gut weiter angreifen konnen. Antioxidantien unterbrechen diese Kettenreaktion, z.B. unter Bildung unreaktiver, stabiler Radikale. Ein Beispiel eines solchen Zyklus ist in Abb. 12.1 1 dargestellt. In geringem MaB kann die Kette jedoch auch durch Vereinigung zweier Radikale unterbrochen werden. In mehrphasigen Systemen wie Emulsionen ist es nicht gleichgultig, ob ein wasserlosliches oder ollosliches Antioxidans venvendet wird. Das Antioxidans muss sich in der gleichen Phase wie die zu schutzende Substanz befmden. In speziellen Fallen, wo zu schutzendes Gut sich sowohl im Wasser als auch in der Olphase befindet, muss sogar eine Kombination eines wasserloslichen mit einem olloslichen Antioxidans eingesetzt werden. Antioxidantien f i r wassrige Losungen sind beispielsweise die Salze der schwefligen Saure oder Dithionite. Da die entsprechenden Sauren unangenehm riechen, kommen sol-
12.4 Konservierungsmittel, Antioxidantien
38 1
che Verbindungen fiir perorale Anwendungen eher nicht in Betracht. Andere wasserlosliche Antioxidantien sind Ascorbinsiiure und Cysteinhydrochlorid. Zu den olloslichen Antioxidantien gehoren beispielsweise Propylgallat, Tocopherole, Ascorbylpalmitat, Di-tButylhydroxytoluol (BHT). Insbesondere bei fetthaltigen Zubereitungen muss zur Verhinderung des Ranzigwerdens ein Antioxidans zugesetzt werden. Es werden relativ geringe Mengen an Antioxidantien benotigt, z.B: Ascorbylpalmitat 0.01-0.2 %; Tocopherole 0.001-0.5 %; Propylgallat 0.001-0.02 %; BHT 0.0014.02 %; Natriumsulfit 0.05-0.3 %; Cysteinhydrochlorid 0.01-0.1 %; Ascorbinsiiure 0.0 1-0.1 YO.
Hydroperoxid-Kette: 1 Hydroperoxid verrnag nach Zerfall durch H-Abstraktion 2 R - zu bilden, die unter Sauerstoffaufnahrneund H-Abstraktion zu 2 Hydroperoxiden fuhren.
A RH
RH (+R-)
ROO-
-
(x2)
0" L
R-
( ~ +2ROH, H20)
Antioxidantien fangen Radikale aus dern Kreislauf der Oxidation von RH rnit Sauerstoff (mit Hydroperoxid als Zwischenprodukt) ab. Beispiel: (CH,), cH3+H
R. C(CH,), (BHT)
-
(CH,), CH3 -(=$o.
(+RH) C(CH,),
(sterisch gehindertes, stabiles Radikal)
Abb. 12.1 1. Oxidation von organischen Substanzen dargestellt am Hydroperoxidzyklus.
Literatur zu Kapitel 12:
[I] [2]
G. Czihak, H. Langer, H. Ziegler, Biologie, 3. Aufl., Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, 198 1. J. W. Hole, Human Anatomy and Physiology, 2"d ed., Wm. C. Brown Co., Dubuque IA, 198 1.
382
12 Pharmazeutische Technologie
P. G. Welling, H. Huang, P. F. Hewitt, L. L. Lyons, J. Pharm. Sci. 67, 764 (1978). M. Mayersohn, in Modem Pharmaceutics, 3'd ed. (S. G. Banker, C. T. Rhodes, Eds.), Marcel Dekker, Inc., New York Basel Hong Kong, 1996. [51 H. Sucker, F. Fuchs, P. Speiser, Pharmazeutische Technologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1978. J. H. Fendler, Nanoparticles and Nanostructured Films, Wiley-VCH, Weinheim, 1997. ~ 7 1 R. C. Oppenhem, in Drug Delivery Systems (R. L. Juliano, Ed.), Oxford University Press, New York, 1982. J. Kreuter, Pharm. Acta Helv. 58, 2 17 (1 983). J. Kreuter, W. Liehl, J. Pharm. Sci. 70, 367 (1981). S. D. Troster, U. Mueller, J. Kreuter, Int. J. Pharm. 61, 85 (1991). E. M. Gipps, R. Arhady, J. Kreuter, P. Groscurth, P. P. Speiser, J. Pharm. Sci. 75, 256 ( 1 986). J. Kreuter, H. R. Harmann, Oncology, 40, 363 (1983). J. Kreuter, in Drug Targeting (P. Buri, A. Gumma, Eds.), Elsevier, Amsterdam, 1985. J. C. Gautier, J. L. Grangier, A. Barbier, P. Dupont, D. Dussossoy, G. Pastor, P. Couvreur, J. Controlled Release 20, 67 (1992). H. Sasaki, T. Kakutani, M. Hashida et al., J. Pharm. Pharmacol. 37, 461 (1985). J. P. Sculier, A. Coune, C. Brassine et al., J. Clin. Oncol. 4, 789 (1 986). M. Ausborn, B. V. Wichert, M. T. Carvajal et al., Proc. Int. Symp. Control Rel. Bioact. Mater. 18, 371 (1991). M. Jacob, G. P. Martin, C. Mariott, J. Pharm. Pharmacol. 40, 829 (1 988). V. Masini, F. Bonte, A. Meybeck, J. Wepierre, J. Pharm. Sci. 82, 17 (1993). M. Mezei, V. Gulasekharam, J. Pharm. Pharmacol. 34,473 (1982). E. Hirnle, P. Hirnle, J. K. Wright, J. Microencapsulation 8, 391 (1991). Y. Watanabe, T. Osawa, Chem. Pharm. Bull. 35, 740 (1987). S. E. Tabibi, R. Mathur, D. F. H. Wallach, 831d Annual Meeting of AACR, San Diego CA, 1992. V. M. Knepp, R. S. Hinz, F. C. Szoka, R. H. Guy, J. Controlled Release 5, 21 1 (1988). Ullmanns Encyclopadie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 18, S. 15 1 (Pharmazeutische Technologie), Verlag Chemie, Weinheim, 1979. E. M. Rudnic, M. K. Kottke, in Modern Parmaceutics, 3'd ed. (S. G. Banker, C. T. Rhodes, Eds.), Marcel Dekker, Inc., New York Basel Hong Kong, 1996. J. Friedland, Arzneiformenlehre fir pharmazeutisch-technischeAssistenten, 3. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York, 1992. D. Parasrampuria, J. Parasrampuria, J . Clin. Pharm. Ther. 16, 7 (1991). K. H. WallhauDer, Pharm. Ind. 36,716 (1974). [31 [41
13 Nahrungsmittelformulierungen
13.1 Einige wichtige Prinzipien der Formulierung von Nahrungsmitteln 1. Um eine Struktur im Gut zu bilden, konnen Starke in verkleisterter Form oder Zucker, manchmal auch Fett als Bindemittel verwendet werden. Als sehr geeigneter Strukturbildner ist der Weizenkleber zu erwahnen (Brotteig). Brot, Teigwaren, Geback u.a. verdanken ihm ihre mechanischen Eigenschafien, die wichtig sind fiir die Transportfihigkeit und die Empfindungen beim BeiBen, Kauen und Schlucken. Die mechanischen Eigenschaften wie Elastizitatsmodul und Biegefestigkeit von Weizenteig resp. Kleber sind vom Wassergehalt abh2ngig. So nimmt die Biegefestigkeit, die bei einem Wasseranteil von 20 % j e nach Material 60-1 10 kg/cm2 betragt, zu auf Werte bei 10 % Wasseranteil von 3 1 0 4 2 0 kg/cm2. 2. Zur Bindung von Dufi, Geruch, Geschmack, Aroma mussen Zucker, Maltodextrine und Fette in der Formulierung vorhanden sein. 3. Die Anwendung von Additiven erfolgt aus verschiedenen Griinden: Farbstofle zur Verbesserung des Aussehens; Antioxidantien zur Verhinderung des Ranzigwerdens von 0 1 und Fett und des Braunens von Frtichten und Gemusen; Konservierungsmittel zur Verhinderung von Befall durch Bakterien und Schimmelpilzen; Emulgatoren zum Binden von 0 1 und Wasser; Gelier- und Verdickungsmittel zur Stabilisierung (Viskositat, Samigkeit); Antiagglomerantien zur Verhinderung der Knollenbildung in Pulvern; Sauren, Basen und Salze zur Herstellung von Schmelzkiise und als Backpulver; Geschmacksverstarker (z.B. Glutamat); Enzymatische Praparate (z.B. Hefe); Oberflachenverbesserer wie Wachse, Ole, Parafine; SuJstofle (Saccharin etc.). 4. Benetzbarkeit und Loslichkeit von Pulvern k6nnen durch technische Verfahren wie Agglomeration, Gefriertrocknung den Anforderungen angepasst werden. 5 . Einige Produkte durfen u.U. nicht verwendet werden: Alkohole, Schweinefleisch aus religiosen Griinden, Kuhmilch (Lactose), welche bei vielen Menschen Verdauungsbeschwerden verursacht. Ein formuliertes Produkt muss stabilisiert werden. Dazu kommen in Frage: das Sterilisieren, das Pasteurisieren, das Trocknen, das Einfrieren. Zur Formgebung konnen verschiedene Verfahren herangezogen werden: Pressen von Massen (Bouillonwiirfel), Extrusion von Pasten (Teigwaren, Kunstreis), Verspriihen (Milch, Kaffee). Auch Garen, Backen und Kochen konnen der Formgebung dienen. Das Einfrieren dient dann zur Formgebung, wenn es von der Gefriertrocknung gefolgt wird. For das Trocknen existieren viele Arten von Trocknern, die zusatzliche Aufgaben zu erfiillen haben: Walzentrockner dienen zum Sterilisieren, Flocken formen, caramellisieren. Sie trocknen kontinuierlich auf sehr tiefe Endfeuchte in einem Arbeitsgang; Bandtrockner trocknen Schuttgut in groBen Mengen in Luft oder Vakuum kontinuierlich;
3 84
I3 NuhrungsmittelJbrmulierungen
Wirbelschichttrockner, in Kombination mit Vibrations- oder Schiittelrinnen werden eingesetzt zur kontinuierlichen Trocknung grorjer Mengen Pulver oder Granulate; Spriihtrockner sind bestimmt f i r die Verarbeitung sehr grorjer Mengen pumpbarer Flussigkeiten; Gefriertrockner werden venvendet f i r teure Produkte, welche die extremen Anlageund Betriebskosten rechtfertigen. Nicht zu vergessen sind Verpackungsmaschinen, die an die jeweiligen Bedurfnisse angepasst werden mussen. Mit diesem Maschinenpark kann eine Lebensmittelindustrie praktisch alles formulieren und zu Handelsprodukten verarbeiten, was gewunscht wird. Jedes Produkt verlangt jedoch Anpassungen der Maschinen an seine speziellen Eigenschaften. Hier sol1 noch auf eine neue Methode zur Agglomeration von sehr feinen, trockenen Pulverteilchen hingewiesen werden, die Agglomeration im Dampfstrahl (Abb. 13.1). Dabei werden die feinen, trockenen Pulverteilchen zu grofieren Gebilden (Trauben) zusammengeballt. Die vom Dampf angefeuchteten Partikel mussen durch Turbulenz zur Kollision gebracht werden. Zur Bildung von Losungsbriicken, unter Venvendung von Maltodextrin, Zucker und dergleichen als Bindemittel, ist eine Haltezeit erforderlich. Diese Briicken mussen nach der Trocknung eine genugende Festigkeit besitzen, um Siebung, Verpackung und Transport zu uberstehen. Das Verfahren besteht darin, dass man in einer speziellen Duse Dampf von ca. 2 ata expandiert auf 1 ata und dem Dampfstrahl (300 m/s) einen Luftstrom und einen Pulverstrom uberlagert. Die Turbulenz der Gemischstromung nach dem Austritt aus der Duse bewirkt das Zusammenballen der Partikel. Mit einer Strahlausweitung von 8" ist die Turbulenz etwa 3 m nach der Duse abgeklungen. Die laminaren unteren 17 m eines 20 m hohen Turmes dienen der Trocknung der feuchten Agglomerate. Eine spezielle Duse ist fir diesen Prozess erforderlich.
3
:!:
,
!
I
! !
17 m
! ! ! ! ! ! ! ! ! ! !
Trocknungsbereich
Abb. 13.1. Schema der Agglomeration im Dampfstrahl
13.2 Nahrungsmittelkolloide
385
13.2 Na h rungsmittelkolloide Nahrungsmittelformulierungen sind komplexe kolloide Systeme, die unter anderem Wasser und 01, Fettkristalle, Proteinaggregate, Salze, losliche Kohlenhydrate, Starkegranulate oder -Gele enthalten konnen. Die organoleptischen Eigenschaften werden durch strukturbildende Zusatze, durch Aromen und Farbstoffe den zeitlichen Trends angepasst. Spezielle Anforderungen stellen sich hinsichtlich Unbedenklichkeit der Emulgatoren und Haltbarkeit der Emulsionen. Als Emulgatoren werden unter anderem Mono- und Diglyceride, Sorbitanester von Fettsauren, Polyoxyethylen-Sorbitanesterund Phospholipide venvendet. Allerdings geht die Tendenz dahin, moglichst natiirliche Hilfsstoffe wie Proteine und Phospholipide einzusetzen. Diese Emulgatoren unterscheiden sich in ihrem Verhalten von den ublichen Emulgatortypen, die in anderen Industriesegmenten Venvendung fmden. So ist die Tendenz zur Bildung von lamellaren Phasen und Vesikeln vie1 ausgepragter als beispielsweise bei Alkylsulfonaten. Phospholipide bilden Mono- und Mehrfachschichten um neutrale Lipidtrbpfchen, oder treten auch in Wechselwirkung mit adsorbierten oder gelasten Proteinen. Oft sind in den zu formulierenden Nahrungsrohstoffen Inhaltsstoffe vorhanden, welche die Emulgatonvirkung beeintrachtigen und zu Instabilitaten wie Flockung oder Gelierung m e n konnen. Andererseits wirken viele der vorhandenen Proteine jedoch als gute Emulgatoren. Spezielle Beachtung verlangt die Temperaturbestandigkeit. Verschiedene Nahrungsmittel werden einer Warmebehandlung ausgesetzt wie der Pasteurisierung (15 s bei 72O), der Sterilisierung (10 min bei 120") oder einem UHT-Prozess (4 s bei 140°), was zu Denaturierung von Proteinen und Anderung von Textur und geschmacklichen Eigenschaften fiihren kann. Wichtige Hilfsstoffe sind die Polysaccharide, die eine breite Palette von makromolekularen Kohlenhydraten umfasst. Sie sind nicht wegzudenken als Hilfsmittel zur Veranderung der strukturellen Eigenschaften von verarbeiteten Nahrungsmitteln. Wie bei Proteinen darf das thermische Verhalten von Polysacchariden nicht unbeachtet sein. Hier ist es die Degradation zu kiirzeren Makromolekulen, welche die sterische Stabilisatonvirkung, die Rheologie und die Netzwerkbildung beeintrachtigen kann.
13.3 Proteine Proteine haben sehr unterschiedliche Grorjen von 50-2800 Aminosaureneinheiten. Sie besitzen eine charakteristische Struktur, die aber durch Denaturierung ver5ndert wird. Oft gelingt es erst dadurch, eiweirjhaltige Rohprodukte in grenzflachenaktive Hilfsmittel umzuwandeln. In Emulsionen sind es die Substituenten der Aminosauren, die in Wechselwirkung mit dem 01 treten konnen, wahrend die hydrophilen Peptidgruppen eher in der Wasserphase sind. Aus strukturellen Griinden sind die denaturierten, entfalteten Proteine als Adsorbate
3 86
13 Nahrungsmittelformulierungen
nicht dicht gepackt und erniedrigen die Grenzflachenspannung weniger als die niedermolekularen Emulgatoren (Tabelle 13. I).
Tabelle 13.1. Erniedrigung der Grenzflachenspannung an der O/W-Grenzfl2che (aus
[]I). Molekiil p-Casein P-Lactoglobulin Gelatine Phosvitin Lysozym Glycerin-monostearat CIzEz-Tenside
Yo - Y [mN/mI
Olphase
25 21
Tetradecan Tetradecan Tetradecan Tetradecan Toluol Sonnenblumenol Tetradecan
15 12 17 28 35
Tierische und pflanzliche Proteine, venvendet als Nahrungmittel oder Emulgatoren, besitzen in Losung sehr komplexe raumliche Strukturen [ 2 ] .Oft mussen beim Emulgierprozess diese Strukturen (Sekundar-, Tertiar-, Quartar-Struktur) durch Energiezufkhr, pH-Anderung usw., gestort werden, um die fiir Adsorption und Stabilisierung geeigneten Konformationen zu erhalten. Bekanntlich enthalten Proteine eine variable, aber f i r jedes Protein konstante Zahl von Aminosauren, die via Peptidbindungen miteinander verkettet sind. Ais Primijrstruktur wird die Reihenfolge (Sequenz) der Aminosauren in den Polypeptidketten bezeichnet. In Losung besitzen diese Polypeptidketten keine regellose Struktur, sondern die Aminosaureeinheiten sind in bestimmten Konformationen angeordnet, die als Sekundurstruktur bezeichnet wird und auf der freien Drehbarkeit von C-C- und C-N-Bindungen beruht. Die Drehbarkeit ist allerdings eingeschrankt durch den partiellen Doppelbindungscharakter der Peptidbindung. Welche Sekundarstruktur eine Polypeptidkette einnimmt, hangt von zusatzlich zur Peptidbindung vorhandenen Bindungen ab, insbesondere den Wasserstofflriickenbindungen zu benachbarten Polypeptidketten (Abb. 13.2 a). Diese WasserstoMbriickenbindungen zwischen benachbarten Carbonyl- und Amid-Gruppen sind nicht besonders stark ( 8 . 4 4 2 kJ/mol); sie konnen aber durch ihre grol3e Zahl die Kettenkonformation wesentlich beeinflussen. Zwei, oder auch mehrere Polypeptidketten bilden derart lokal eine Ebene, mit typischer Falthlatt-Struktur, genannt P-Blatt. Neben Peptidbindung und Wasserstoffbriickenbindung ist die Disu[lidbindung zwischen Cysteinresten die wichtigste zusatzliche Bindungsart. Sie entsteht durch Dehydrierung. Auch die heteropolare Ionenbindung zwischen sauren und basischen Gruppen im physiologischen pH-Bereich spielt eine wichtige Rolle, mit Bindungsenergien von 4284 kJ/mol. AuDer der Faltblattstruktur ist die Spirale eine haufige Kettenkonformation. Sie kommt zustande durch Ausbildung von Wasserstoffbrucken innerhalb einer Peptidkette und wird als a-Helix bezeichnet. Pro Umdrehung Iangs der Kette werden 3.7 Aminosaureeinheiten benotigt, bei einer Ganghohe von 5.44 8, (Abb. 13.2 b).
13.3 Proteine
387
Die a-Helices sind in den meisten Proteinen rechtsdrehend. Eine Ausnahme ist beispielsweise Kollagen, der Ausgangsstoff von Gelathe, wo die a-Helices linksdrehend sind.
I
_______________________ 0.54 nm Ganghohe (3.7 Aminoslureeinheiten)
R-dH
$=\
R-dH
$=\
I
Abb. 13.2. a) Wasserstoffbriickenbindungen zwischen benachbarten Peptidketten flihrt zu P-Faltblatt-Strukturen; b) Bildung einer a-Helix durch Wasserstoffbriickenbindungen innerhalb der
Peptidkette.
In Proteinen liegen ca. 3 1 YOder Aminosaureeinheiten in rechtddrehenden a-Helices vor und 28 % in Form von P-Faltblattstrukturen. Anders als man vermutet, sind die Langen der a-Helices und P-Faltblatter in den Proteinen relativ kurz. Sie sind beschrankt durch den Durchmesser der Proteinglobulen; a-Helices enthalten 10-1 5 Aminosaureeinheiten, P-Faltblatter 3-10 Einheiten. Schematisch ist die Abfolge von Helices und Faltblattern, die durch ungeordnete Kettenziige verbunden sind, dargestellt in Abb. 13.3. Die raumliche Form des Proteinmolekiils, so wie sie auch aus der Kontur der strukturierten Polypeptidkette in Abb. 13.3 ersichtlich ist, wird als Tertiurstruktur bezeichnet. Kugelformige Tertiarstrukturen kommen bei Lipoproteinen mit hohem Lipidanteil vor. Abweichungen von der Kugelform bestehen bei globularen Proteinen. Sie nehmen im gelosten Zustand die Form eines Rotationsellipsoids mit dem Achsenverhaltnis 2: 1 ein. Noch starkerere Abweichungen bestehen bei den jibrillaren Proteinen. Die sehr langgestreckten Ellipsoide haben ein Achsenverhaltnis von 30: 1. Mehrere Polypeptidketten konnen zusammen auch eine hnktionelle Protein-Einheit ohne kovalente Bindungen bilden. Dieser Verbund mit definierter Struktur, bestehend aus einer definierten Anzahl Polypeptidketten, den Untereinheiten, wird als Quurturstruktur bezeichnet. Eine Quartarstruktur liegt meistens vor, wenn die Molmasse eines Proteins iiber 100 000 liegt.
388
13 Nahrungsmittelformulierungen
Abb. 13.3. Schematische Darstellung einer Polypeptidkette rnit a-Helices und verdrehten p-Falt-
blattem, die durch unorganisierte Sequenzen verbunden sind (aus [2]).
Wie komplex die Strukturverhaltnisse sind, kann gut anhand von Kollagen ersehen werden. Kollagen, der Ausgangsstoff zur Gelatine-Herstellung, besteht zu 30 % aus Glycin und zu 15-30 % aus Prolin und Hydroxyprolin. Die Polypeptidketten weisen eine linksdrehende Helixstruktur auf und besitzen ein mittleres Molekulargewicht von 95 000. Je drei davon sind zu rechtsdrehenden Superhelices von 280 nm Lange verdrillt (Abb. 13.4), die ihrerseits zu grorjeren Fibrillen zusammengefasst sind. Beim Erwarmen des wasserloslichen Kollagens uber 40 "C geht die superhelikale Struktur verloren. Die Polypeptidketten liegen nun als freie a-Helices vor, stehen aber im Gleichgewicht mit der ungeordneten Knauelstruktur (Abb. 13.5). Es sind diese ungeordneten Knauel, die als grenzflachenaktive Stoffe wirken. Im Rohstoff Kollagen, gewonnen z.B. aus Knorpeln, Knochen, Bindegeweben usw., sind die Polypeptidketten normalerweise jedoch quervernetzt; das Kollagen muss mittels Sauren oder Basen aufgeschlossen werden, wobei Fraktionen mit M > 30000 als Gelatine bezeichnet werden. Beim Abkuhlen gelieren die Polypeptidknauel unter Wasserstoffbruckenbildung und lokaler Ruckfaltung.
Abb. 13.4. Kollagen: rechtsdrehende Superhelix (Quartarstruktur), bestehend aus drci linksdrehenden a-Helices gemal3 Abb. 13.2 b.
Die Ruckfaltung von ungeordneten Knaueln zu den gefalteten Tertiarstrukturen ist ein langsamer Prozess. Sie verlauft bei kleinen Proteinen innerhalb Sekunden, bei groljen Molekulen in Minuten. Wichtig ist dieser Prozess bei der Gelierung, z.B. bei Gelatine.
13.3 Proteine
389
Hier bilden sich zwischen den einzelnen Knaueln kollagen-artige Verknupfungen oder j e nach Protein, auch P-Blatt-Verknliphgen, was die freie Beweglichkeit einschrankt (Abb. 13.6).
)o a-Helix
Knauel
Abb. 13.5. Losliches Kollagen, Gelatine: In Losung besteht ein Gleichgewicht zwischen a-Helix und Kniiuelform.
Abb. 13.6. Gelstrukturbildung bei Gelatine.
Die gefalteten, strukturierten Proteine sind nicht nur im Kristallverbund, sondern auch in Losung sehr kompakt und enthalten Wasser nur als Einzelmolekule, die als integrale Bestandteile der Proteinstruktur dienen. Im Gegensatz dazu sind die denaturierten, entfalteten, ungeordneten Knauel locker aufgebaut. Dementsprechend unterschiedlich
390
13 Nahrungsmittelformulierungen
sind die Wassergehalte von Emulgatorschichten aus globularen Proteinen oder adsorbierten ungeordneten Knaueln. Adsorbierte Proteinknauel bilden Schichten in der GroBenordnung von 5 nm Dicke, was einer Menge von 1-3 mg/m’ entspricht. Abgeschatzt wurde, dass dies einer Wasserkonzentration in der Adsorbatschicht von 50 YOentspricht. Im Gegensatz dazu enthalten Adsorbatschichten aus gefalteten, globularen Proteinen praktisch kein Wasser. Vonviegend myofibrillare Proteine wirken als Stabilisatoren in Fleischprodukten, wobei aber meistens noch Milchproteine und nichttierische Proteine zugesetzt werden. Entflechtung der Fibrillen, Aufspaltung in Quartar- und Tertiarstrukturen, Emulgierung von Fett und Bildung von Gel- und neuen Membranstrukturen: all diese Prozesse laufen simultan, beispielsweise bei der Bratherstellung ab. Nicht zu vergessen sind die ProteinDenaturierungsprozesse, verbunden mit partieller Koaleszenz von Oltropfen, beim Sieden von Wursten. Eine Zusammenfassung einzelner Proteinklassen ist in der folgenden Tabelle 13.2 angegeben. Die meisten dieser Proteine betreffen jedoch eher Rohstoffe der Fleischverarbeitung, z.B. bei Wurstwaren, oder werden als EiweiBquellen industriell genutzt.
Tabelle 13.2. Klassifizierung von Proteinen. Molekiilform Globulare Proteine Fibrillare Proteine Albumine Kollagen Globuline Elastin Histone Keratin Protarnine Fibrinogen Prolamine Mvosin
Nicht-Protein-Anteil Glykoproteine Nucloproteine Chromoproteine Phospoproteine Lipoproteine
Ein wichtiger Faktor, der die Emulgatoreigenschaften von Proteinen betrifft, ist ihre Quartarstruktur. So existiert Casein in Milch in Aggregaten von uber 500 Protein-Molekiilen. Durch Homogenisierung wird diese Aggregationszahl geandert, und die Wirkung als Emulsionsstabilisator verbessert. Tabelle 13.3 zeigt einige Proteine, die als Emulgatoren eingesetzt werden. Flexible Proteine wie Caseine adsorbieren wegen ihrer hohen Flexibilitat wie Heteropolymere, anders als Phosphoproteine und Lipoproteine, die an der o/w-Grenzflache, z.B. in Mayonnaise, als granulare Partikel adsorbieren.
Tabelle 13.3. Proteine als Emulgatoren. Ouelle Milch Weizen
Protein as,-, aS2-,p-, K-Casein
a-Lactalbumin, P-Lactoglobulin
13.4 Lipide
391
Ein wichtiger Punkt bei makromolekularen Emulgatoren, den es zu beachten gilt, ist der zeitliche Verlauf der Adsorption. Oft mussen technische Prozesse diesem Aspekt angepasst werden. Es ist nicht nur die Difision, sondern auch die Ruckfaltung von adsorbierten Knlueln, die eine Rolle spielen. Beim Emulgierprozess diffbndieren die groBen Proteinmolekule nur langsam zur neu gebildeten Tropfenoberflache, in der Gr6Benordnung von Millisekunden. In Hochdruckhomogenisatoren, wo die Tropfenbildung sehr rasch erfolgt, werden deshalb die vielen gebildeten, aber nicht vollstandig polymerbedeckten Tropfen unter Briickenbildung flocken und so ungenugende Emulsionen bilden. Fur die Emulgierung mit Proteinen eignen sich besser die langsameren Emulgiermaschinen wie die Kolloidmuhlen oder Mischturbinen. Briickenbildung spielt ebenfalls eine Rolle bei der Butterherstellung: An den Grenzflachen der beim Schlagen des Rahmes eindispergierten Luftblasen adsorbieren Proteine, auf Kosten der dispergierten Fettkugelchen, sodass insgesamt zu wenig Stabilisator fur die Grenzflache Fett/Wasser + LuWWasser zur Verfiigung steht, was Koaleszenz zur Folge hat. Ein weiterer Aspekt betrifft die unterschiedliche Haftstarke von Adsorbaten. Hydrophile Proteine wie die Gelatine lassen sich durch geeignete niedermolekulare Emulgatoren oder durch hydrophobere Proteine von der Tropfenoberflache verdrangen, wie in der folgenden Tabelle 13.4 dargelegt wird. Die Emulsionstropfen sind nach der Emulgierung geflockt und koaleszieren durch Zugabe der kleinen Mengen Zusatz-Tensid zu groReren Tropfen.
Tabelle 13.4. Verdriingung von Gelatine von Sojaol-Emulsionstropfen. Emulsion: 40 Vol-% Sojaol in 0.4 % wiissriger Gelatinelosung. Verdrangung mit 0.04 % Zusatz-Tensid [5]. Zusatz-Tensid ohne Tween 60 Glycerin-monoester Na-caseinat Lecithin
Gelatine in Losung [%I 0.10 0.36 0.30 0.28 0.16
Gelatine auf TropfenOberflachen [mg/m’] 1.9 0.4 0.4 1.o 2.0
Tropfengrolje [pm] 2.5 3.6 3.6 3.4 3.3
13.4 Lipide Nicht die Proteine, sondern die Monoglyceride sind die am meisten venvendeten Emulgatoren der Nahrungsmittelindustrie. Ihr Anteil betragt 70 YO.Solche amphiphile LipidEmulgatoren sind bei Raumtemperatur oft kristallin oder teilkristallin. In Wasser, oberhalb des Krafft-Punktes (Temperatur, bei welcher die Monomerenloslichkeit genugend groB ist zur Bildung von Mizellen) konnen sie lamellare Mesophasen bilden (vergl.
392
13 Nahrungsmittelformulierungen
Abschnitt 1 . Q die dann beim Abkuhlen in Gele ubergehen (Abb. 13.7).
----_-----__-_----------------_---_-----
T>T T < T, Kristall A Lamellare Phase Wasser Abb. 13.7. Phasenubcrgbge beim Krafft-Punkt ‘1’‘ (nach [ 3 ] ) Palmitinmonoglycerid/Wasser 7:3 d, ElaidinmonoglyceridiWasser 7:3 d,
= 35.3
= 37.9
m m .
Gel-Phase
.$; dw 15.2 A. A; dw = 14.8 A.
AuBer der mizellaren Phase kommen auch die kubische Phase und die hexagonale (hexagonal I, 0 1 im Zylinderinnern) und inverse hexagonale (hexagonal 11, Wasser im Zylinderinneren. KW-Ketten nach auflen gerichtet) Phase vor. Bei technischen Prozessen kiinnen sie manchmal zu Schwierigkeiten Rihren, wenn sie zufalligenveise bei lokalen Konzentrationsschwankungen auftreten und wegen ihrer hohen Viskositat Leitungen verstopfen. GroBe technische Bedeutung haben lamellare Phasen von Monoglyceriden. Reim Verdunnen mit Wasser konnen sie Vesikeln bilden, z.R. im Verbund mit Amylose. Solche relativ niederviskose Vcsikcl-Systeme werden beispielsweise fur die Verarbeitung von Kartoffelprodukten benotigt.
Abb. 13.8. Phasendiagramm von Paltrritirr-I-monuglycerid(gcmaR [31)
13.4 Lipide
393
Bei technischen Verarbeitungsprozessen rnit Monoglyceriden spielt die Temperatur eine wichtige Rolle, um die gewiinschten, speziellen Emulgator-Eigenschaften auszuniitZen. Dies kann aus Abb. 13.8, dem Phasendiagramm von Palmitinmonoglycerid, ersehen werden. Dominanter Bereich ist die lamellare Phase, die jedoch bei weiterer Temperaturerh6hung in die kubische Phase iibergeht. Es hat sich eingebiirgert, den LiposomenBereich als Dispersion zu bezeichnen (fiir CI4Xla-Monoglyceride). In der lamellaren
Mesophase kbnnen die interlamellaren Wasserschichten bis zu 2 1 8, anschwellen, was einem Wassergehalt von 40 % entspricht. Weitere Angaben zu Phasendiagrammen von technischen Nahrungsmitteltensiden sind in [4] zu fmden. Wie bereits envtihnt, gehen lamellare Monoglyceridphasen beim Abkiihlen unter den Krafft-Punkt in Gelphasen uber. Solche Gele sind sehr empfindlich auf Elektrolytzusatz. Wegen verminderter elektrostatischer Stabilisierung kbnnen die interlamellaren Wasserschichten stark schrumpfen. Solche Gele, kombiniert mit weiteren Tensiden wie Propylenglykolmonostearat oder Polysorbat 60 werden z.B. als Beschaumungshilfsmittel in der Kuchenproduktion venvendet. Bereits bei Raumtemperatur bildet sich die lamellare Phase beim Phospholipid Lecithin. Besonders interessant ist der Dispersionsbereich, in dem Liposomen (im engeren Sinne: Vesikeln auf Basis biologischer Materialien als Kolloide) gebildet werden (Abb.13.9).
lsotrop
250
c
200.
O= .
t
-
?. 150. L
3
c
Ea,
Dispersion
g 100
E
50 Kristalle
.
L Lamellar
20 io % Wasser
Lecithin $0
do
1bo
Abb. 13.9. Phasendiagramm von Soja-Lecithin/Wasser (aus [3]).
Beispiel einer PhosphatidylcholinKomponente
394
13 Nahrungsmittelformulierungen
Da Nahrungsmittel selbstverstandlich nicht allzugroBe Mengen Emulgatoren enthalten durfen, nicht zuletzt aus geschmacklichen und diatetischen Griinden, ist es nur bei Produkten, die beim Verbrauch stark verdunnt oder in kleinen Mengen verzehrt werden, moglich, dass sie Hochkonzentrat-Phasen wie lamellare Phasen enthalten. Eher bestehen diese Produkte aus Makroemulsionen oder allenfalls Liposomen. Die folgende Tabelle 13.5 zeigt typische Konzentrationen, Teilchengronen und Oberflachenbedeckungsgrade. Tabelle 13.5. Typische Konzentrationen in Nahrungsmittelkolloiden und TropfengroBen + Anzahl Tensidschichten (nach [ 5 ] ) .
Produkt
Emulgatortyp
Margarine Eiscreme Salatsauce Mayonnaise
Monoglyceride Monoglyceride Tweens Phospholipide
Volumenanteil der dispersen Phase 0.2 0.1 0.4 0.8
TropfengroBe [pm]
EmulgatorKonzentration [gill
Anzahl Monoschichten
1.o
1 3 10 10
2 3 4 10
0.5 0.4 5.0
13.5 Polysaccharide Die im englischen Sprachgebrauch als ,,Gums" bezeichnete Produkteklasse umfasst eine breite Palette von langkettigen Polysacchariden. Geradkettige, verzweigte oder auch vernetzte Vertreter haben alle die Eigenschaft, entweder in Wasser Ioslich, oder zumindest quellbar zu sein. Auch chemisch modifizierte Polysaccharide werden dazugerechnet, wie aus Tabelle 13.6 ersichtlich ist.
Tabelle 13.6. Beispiele von kommerziellen Polysacchariden.
Quelle Saatgut Knollen, Wurzeln Seetangextrakte Pflanzenextrakte Harzabsonderung, Exsudate Mikrobielle Fermentation Modifizierte Polysaccharide
Beispiele Maisstarke, Guar, Johannisbrotkernmehl Kartoffelstarke, Tapioca-Starke Alginat, Carraghen, Agar Pektin Gummi arabicum Xanthan, Dextran Methylcellulose, Carboxymethylcellulose, Hydroxyalkylmethylcellulose,Starkeacetat, Starkephosphat, Hydroxyethylstarke, Hydroxypropylstarke, oxidierte Starke, dextrinierte Starke
13.5 Polysaccharide
395
Der Anwendungsbereich von solchen Polysacchariden umfasst z.B. die Verhinderung der Kristallisation von Wasser und Zucker, von Sedimentation und Aufrahmen, oder von Flockulation und Koaleszenz, oder auch von Formveranderungen bei Gelen. In Tabelle 13.7 sind einige weitere Anwendungen zusammengefasst.
Tabelle 13.7. Funktion von Polysacchariden in Nahrungsmitteln (nach [ 6 ] ) . Funktion Quellmittel Verdickungsmittel Geliermittel Binder Streckmittel Klebstoff Ku vert uren Emulgatoren Schutzkolloide Enkapsulierungsstoffe Filmbildner Schaumemittel Schaumstabilisatoren Suspensionsstabilisatoren Kristallisationsinhibitoren Klilrmittel Trtibungsmittel Flockulierungsmittel Synarese-Inhibitoren Entformungsmittel
Anwendung Diatetische Produkte Konfitiiren, Kuchenteig, Saucen Pudding, Sulze, Mousse Wurste Wurste Glasuren SuDigkeiten Salatdressings Aromaemulsionen Geschmacksverstarker Wursthaute Schlagrahm Toppings, Bier Schokomilch Eiscreme, Sirupe Bier, Wein Fruchtsafte Wein Kase, Tiefkuhlprodukte Gummidrops, Bonbons
Geruch, Geschmack, Farbe, Textur sind wichtige organoleptische Eigenschaften, die so optimiert werden mussen, dass die Produkte von den Konsumenten akzeptiert werden. Unter anderem sind es die Viskositat bei Flussigkeiten, die Zahigkeit und Elastizitat bei Gelen, die durch geeignete Wahl der Polysaccharide gesteuert werden konnen. Losliche Polysaccharide zeigen wie andere makromolekulare Stoffe die Eigenschaft, dass die spezifische Viskositat qsp(= q/qs-l)ab einer bestimmten Konzentration c* stark ansteigt, und bei vielen der Polymeren betragt die entsprechende Viskosittit 10 mPa.s. Der Viskositatsanstieg hat zu tun mit der gegenseitigen Durchdringung der Polymerknauel bei hbherer Konzentration. 1st die intrinsische Viskositat [ q] bekannt, die j a ein Man f i r das Volumen eines Makromolekuls in Losung darstellt, so gilt fiir c* naherungsweise c*.[q] = 4. Bei einigen Polysacchariden wie Guar oder Johannisbrotkernmehl liegt der entsprechende Wert jedoch tiefer, und er ist verbunden mit starkerem Viskositatsanstieg oberhalb c*. Ohne Gelierung variiert die Zero-shear-Viskositat qooberhalb c*
396
13 Nahrungsmitte[formulierungen
proportional zu (c'[#'). Dies bedeutet eine Viskositatsverdopplung bei Konzentrationserhohung von 1 % zu 1.23 %. Bei gelierenden Polymeren wie Galactomannan ist der Viskositatsanstieg wesentlich starker. Bei solchen Gelen sind Zonen geordneter Struktur miteinander verkniipft. Bekannt sind Doppelhelixstrukturen, beispielsweise bei Amylose, Agarose und Carraghen, Banderstrukturen bei Johannisbrotkernmehl, Cellulose, Galactomannan und ,,Kationen-Eierschachteln" bei Alginat und Pektin. Art und Anzahl von Verkniipfungen konnen gesteuert werden durch Salzzugabe, etwa bei der spezifischen Gelierung durch Calciumionen im Falle von Alginat oder durch einfache Erhohung der Ionenstarke bei Carraghen. Auch durch Dehydratisierung bei Zugabe von Zucker kann in gewissen Fallen die Gelierung gesteuert werden. Oft werden Gelstarke und Elastizitat durch Abmischung verschiedener Polysaccharide optimiert. Ein bekanntes Beispiel ist Johannisbrotkernmehl als Zumischung zu Carraghen, Pektin oder Agar. Polysaccharide konnen eine lineare Struktur aufiveisen wie z.B. Amylose, mit einem Polymerisationsgrad von 1000-16 000, die als Komponente 25 % der Starke ausmacht, oder eine verzweigte Struktur wie Amylopectin, der zweiten Komponente von Starke, mit Segmentlangen von 20-25 Glucoseeinheiten und einem Polymerisationsgrad von 1 051 06. Auch Alginate, mit variierendem Gehalt an Mannuronsaure- und Guluronsaureeinheiten, die in Blocken oder alternierend angeordnet sind, bestehen aus linearen Polymerketten. Nahere Angaben iiber Zusammensetzung, Struktur und Anwendung von Polysacchariden sind in [7] und [8] zu finden.
Literatur zu Kapitel 13: D. G. Dalgleish, Food Emulsions, in Surfactant Sci., Ser. Vol. 61, Emulsions and Emulsion Stability (J. Sjoblom, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1996. T. E. Creighton, Proteins, Encyclopedia of Polymer Science and Engineering, Vol. 13, John Wiley & Sons, New York, 1988. N. J. Krog, T. H. Riisom, K. Larsson, in Encyclopedia of Emulsion Technology, Vol2, (Paul Becher, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1985. N. Krog, J. Birk Lauridsen, in Food Emulsions (E. Friberg, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1976. D. F. Darling, R. J. Birkett, in Food Emulsions and Foams (E. Dickinson, Ed.), Royal SOC.Chem., Cambridge, 1987. M. Glicksman, Gum Technology in the Food Industry, Academic Press, New York, 1969. J. M. BeMiller, Industrial Gums, in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering, Vol. 13, John Wiley & Sons, New York, 1988. G. G. S. Dutton, Polysaccarides, in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering,Vol. 13, John Wiley & Sons, New York, 1988.
14 Agroformulierungen
dkologische Aspekte bestimmen in vermehrtem Mal3 die Entwicklung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Sicherheitsaspekte beim Hantieren und Ausbringen von Spritzmitteln und dgl. mussen uberdacht werden. Formulierungen durfen nur toxikologisch unbedenkliche Inertstoffe enthalten. Trotz der einschrankenden Bedingungen, nicht zuletzt aus okonomischen Griinden, ist die Erfindertatigkeit bei Agroformulierungen, inkl. Verpackungen und Anwendungsgeraten recht rege. Wahrend &her Wirkstoffe in Mengen von kgha ausgebracht werden mussten, wurden neue Pestizide entwickelt rnit Anwendungskonzentrationen im Bereich von gha. Um die Dosierung zu erleichtern, mussen solche Wirkstoffe zur Formulierung mit Hilfsstoffen entsprechend verdiinnt werden, unter Beriicksichtigung guter Lagerstabilitat. Kompatibilitat beim Zumischen zusatzlicher Formulierungen zu Spritzbrlihen, allenfalls von Fremdmarken, ist ein weiterer Aspekt, der beim Entwickeln von Formulierungen beriicksichtigt werden muss.
14.1 Wirkstoffformulierungen und Target Abgesehen vom direkten Bespriihen von Insekten oder dem Ausbringen uber den Boden sind es ublichenveise Pflanzen, die mit Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden bespriiht werden, sei es durch Boden- oder Flugzeugapplikation. In den meisten Fallen handelt es sich dabei um wassrige Spritzbriihen, die mit Emulsionskonzentraten, wasserverdunnbaren Suspensionskonzentraten, Spritzpulvern, wasserdispergierbaren Granulaten usw. angesetzt wurden. Um die Wirkung von Pestiziden zu verbessern, setzen die Anwender den Spritzbriihen oft weitere Substanzen, genannt Adjuvantien zu, welche insbesondere die Wechselwirkungen mit den Pflanzen beeinflussen. Es handelt sich dabei vielfach um spezielle Tenside, beispielsweise auf Silikonbasis oder Pyrrolidonabkbmmlinge, oder auch Polymere, modifizierte Pflanzenole oder Mineralble. Die Wichtigkeit von Adjuvantien wird dadurch erhellt, dass in einigen Fallen die biologische Aktivitat durch solche Zusatze um den Faktor 10 gesteigert werden konnte [l]. Allerdings k6nnen auch Schaden durch ungeeignete und inkompatible Zusatze eintreten wie erhohte Phytotoxizitat. Adjuvantien werden speziell bei Herbiziden eingesetzt. Im Falle von Herbiziden mussen die auf den Pflanzen deponierten Wirkstoffe zur Entfaltung ihrer Wirkung in lebende Zellen eingeschleust werden. Ein wichtiger Faktor ist dabei die Struktur der Targetpflanze zum Zeitpunkt optimaler Applikation. Diese Struktur, die je nach Entwicklungsstadium unterschiedlich ist, bestimmt den Transport der Bestandteile der applizierten Formulierung. Je nach Aufbau der einzelnen Pflanzen und physikochemischen Eigenschaften der Formulierungen sind dabei unterschiedliche, selektive Interaktionen zu envarten.
398
14 Agroformulierungen
Epidermis (Oberseite) Palisaden-parenchym Schwamm-parenchym Kristall- , druse Epidermis (Unterseite) Kristallzelle Leitbundel Spaltoffnung
Abb. 14.1. Querschnitt durch die Spreite eines Laubblattes [2].
Als Beispiel fur den anatomischen Bau von Blattern ist in Abb. 14.1 ein Querschnitt durch die Blattspreite eine Laubblattes dargestellt. Obere und untere Epidermis umschlienen das Mesophyll, das oberseitig zu einem ein- bis mehrschichtigen Palisadenparenchym enhvickelt ist. Die dicht aneinander schlienenden Zellen sind reich an Chloroplasten und dienen deshalb der Assimilation. Darunter ist ein lockeres interzellularreiches Durchliiftungsgewebe, das Schwammparenchym angeordnet, das weniger Chloroplasten enthalt. Das Interzellularsystem verzweigt sich zwischen den Palisadenzellen zu feineren Kanalen und steht uber die Spaltoffnungen mit der Atmospare in Verbindung. Die im Blatt verlaufende Nervatur (Leitbiindel) steht mit dem Zentralzylinder in Verbindung und dient dem Transport des im Wurzelbereich aufgenommenen Wassers, den Nahrstoffen und Salzen (im Xylem) und dem gegenlaufigen Transport von Photosyntheseprodukten aus den Blattern in andere Pflanzenbereiche (im Phloem, bestehend aus Siebrohren bzw. Siebzellen). Xylem und Phloem dienen dem Ferntransport von Substanzen in der Pflanze. Die Epidermis, ein meist einschichtiges Abschlussgewebe von luckenlos miteinander verbundenen Zellen (Abb. 14. l), ist bedeckt von einer hydrophoben Cuticula, welche von den Wirkstoffen durchdrungen werden muss, um zu den darunterliegenden Zellen zu gelangen. Die Cuticula selbst besteht vonviegend aus einer Cutinmatrix von hochmolekularen Polyestern und ist unterschiedlich ausgebildet f i r die verschiedenen Spezies. Ihre Durchlassigkeit variiert je nach Wachstumsbedingungen und Pflanzenalter. Eingebettet in die Cutinmatrix und darauf aufliegend sind Wachse, welche die Mikrotopographie der Pflanzenoberflachen bestimmen (Abb. 14.2). Sie bilden Blattchen, Fasern, Stabchen oder Dendriten. Ein Charakteristikum der Cuticula ist ihre chemische und physikalische Heterogenitat. Kohlenhydratfasern, welche in die Cuticula hineinragen und allenfalls die Cutinmatrix selbst sind mogliche Wege fir hydrophile Substanzen, wahrend lipophile Wirkstoffe direkt durch die Wachsschicht der Cuticula zu difhndieren vermogen. Auch durch geofhete Stomata (Spaltofhungen) konnen Wirkstoffe in Form von wassrigen Formulierungen gelangen. Es ist dies jedoch nur moglich, wenn die Oberflachenspannung der Formulierung kleiner als 30 mN.m-’ ist (Spreitungsproblem; Zugabe von Adjuvantien). In den unterliegenden Hohlraumen konnen dadurch Wirkstoffdepots gebildet werden, die bei geschlossenen Stomata durch Regen nicht abwaschbar sind [3].
14. I Wirkstoffformulierungen und Target
399
Abb. 14.2. Mikrotopographie der Cuticula auf Laubblattepidermis mit Spaltoffnung [ 2 ] .
Fur den Kurzstrecken-Transport im Gewebe, nach Durchdringung der Cuticula, stehen zwei Wege zur Verfigung (Abb. 14.3). Im Apoplasten difindieren die Wirkstoffe durch Zellwtinde und interzellulae Bereiche. Rascher ist jedoch der Transport durch das Parenchymgewebe des Symplasten, dem ublichen Weg organischer Molekule. Durch Difision Uber Zellmembranen konnen Wirkstoffe vom Symplasten in den Apoplasten und umgekehrt gelangen. Der Ubergang in den Phloemtransport scheint jedoch vom Apoplasten auszugehen. Dieser Ubergang ist ein limitierender Faktor der Translokation von systemischen Pestiziden in Pflanzen.
Plasmalemma Tonoplast Zellwand
Plasmodesmos
Abb. 14.3. Schematischer Querschnitt durch ein pflanzliches Gewebe. Benachbarte Zellen stehen
durch die Zellwand hindurch iiber Plasmakanale (Plasmodesmen von 60 nm Durchmesser) in Verbindung. Die Gesamtheit der lebenden Zellen bilden dadurch ein Kontinuum, den Symblast, der allseitig von der wassrigen LiSsung des Apoplast (wei8 dargestellter Bereich der Zellwhde) umspult wird [2].
400
14 Agroformulierungen
Bei verschiedenen Pestiziden findet der Transfer in das Phloem entgegen einem Konzentrationsgradienten statt. Dies ist nur moglich unter Mithilfe von Carrier-Substanzen. Ein anderer Mechanismus beruht in der pH-Differenz unterschiedlicher Pflanzenbereiche. Schwache Sauren werden in Zellen von hoherem pH angereichert. Dies gilt insbesondere auch f i r die Siebrohren des Phloems. Hier wird der Ubergang in das Phloem von schwach sauren Pestiziden, beispielsweise auf Basis von Chlorphenoxyessigsaure, Sulfonylharnstoff, Cyclohexandion, erleichtert [4]. Wie schon envahnt, kann die Auhahme von Pestiziden durch Zusatz von Adjuvantien, wie Tenside, verbessert werden. Wichtigster Effekt ist die Verbesserung der Benetzung. Dadurch werden auch mikrorauhe Blattbereiche erfasst (vergl. Abb. 14.2), was die Kontaktflache erhoht. Hinsichtlich Absorption uber die Cuticula erhohen nichtionische Tenside mit EO-Kettenlangen von 5-6 die Auhahme von lipophilen Wirkstoffen. EOKettenlangen von 15-20 sind besser f i r polare Wirkstoffe. Gewisse Tenside konnen auch selbst durch die Cuticula gelangen und dadurch in einzelnen Fallen die Wirkstoffdiffusion beeinflussen. Nicht nur uber die Blattmasse, sondern auch uber die Wurzeln konnen Pestizide in die Pflanzen gelangen. Insbesondere bei der Vorauflauf-Applikation und NachauflaufApplikation von Herbiziden ist dies ein wichtiger Prozess. Der Transport geschieht hier uber den Apoplast der Pflanze. Die Verfigbarkeit der applizierten Pestizide hangt stark von der Sorption, dem Transport und der Degradation im Boden ab. So konnen stark absorbierte Wirkstoffe nur schwer von den Wurzeln aufgenommen werden. Ein weiteres Problem ist die Grundwasserkontamination, die durch den Einsatz von Controlled Release-Formulierungen, beispielsweise unter Venvendung der komplexbildenden Cyclodextrine, geandert werden kann.
14.2 Formulierungsformen 14.2.1 Emulsionen, emulgierbare und wasserlosliche Konzentrate Haufig angewandte Formulierungen sind die in Wasser emulgierbaren Konzentrate auf der Basis von organischen Losemitteln und Emulgatoren (EC; ,,Emulsifiable Concentrate"). Beispielsweise konnte ein EC enthalten: 30-50 % Wirkstoff 40-60 % Losemittel oder Losemittelgemisch (z.B. hoher siedende Erdoldestillate) 5-1 0 % Emulgatorgemisch. Wirkstoffe, die mindestens bis zur hochsten Anwendungskonzentration in Wasser loslich sind, konnen als wasserlosliche Konzentrate (SL, ,,Soluble Liquid") formuliert werden. Dazu wird ein wassermischbares Losemittel gewahlt, in welchem der Wirkstoff hinreichend loslich ist. Tenside sind in der Regel nicht notwendig.
14.2 Formulierungsformen
401
Fliissige Wirkstoffe, die genugend hydrolysestabil und wasserunloslich sind, konnen in Wasser als Emulsionen (EW) formuliert werden. Weil die EW keine, oder nur kleine Mengen an organischen Losemitteln enthalten, stellen sie geringere okologische und toxikologische Probleme als die EC. Eine neue Formulierungsform stellen die Gele (GL) dar. Es sind EC, deren Viskositiit mit Verdickern b m . Gelbildnern erhoht wurde. Sie sind in wasserloslichen Verpackungen eingeschweiBt und bieten dadurch optimales Handling mit groBer Anwendersicherheit bei geringer Kontaminationsgefahr [S]. Eine Auswahl von Losemitteln und Tensiden, die zur Formulierung von EC venvendet werden, ist in Tabelle 14.1 zusammengestellt.
Tabelle 14.1. Hilfsstoffe f i r emulgierbare Konzentrate.
Hilfsstoffe Lbsemittel
Tenside
Beispiele Aliphatische KW (ohne bzw. mit Aromatengehalt), Cgx18Fettsauremethylester, vegetabile Ole, Alkohole, N-Alkylpyrrolidone, Tetrahydrofurfurylether, Ketone wie Cyclohexanon, y-Butyrolacton. nichtionogene: Polyethoxylierte Derivate von: Cg-CIs-Fettalkoholen, Alkylphenolen und Dialkylphenolen (CS, Cg,C I ~ - C I & Rizinusol, Alkylaminen, Tristyrylphenol, Sorbitanestern, (vergl. auch Abschnitt 2.1.3); EOPO-Blockpolymere und deren Alkylphenylether, SiliconComb-Surfactants, alkylierte Polyvinylpyrrolidone. anionische: Alkylsulfate (c& bevorzugt CI2),Alkylbenzolsulfonate 2.B. Ca-dodecylbenzolsulfonat,Naphthalinsulfonat, Dioctvlsulfosuccinat.
Toxizitiit, Phytotoxizitat, Ldsevermogen, Emulgatoren-Kompatibilitiit, Dampfdruck, Flammpunkt sind Eigenschaften, die den Einsatz von Losemitteln in EC, EW und GL bestimmen. So zeigen beispielsweise Aromaten hohere Phytotoxizitiit als aliphatische Losemittel [ 6 ] . Verdampfungsrate und Oberfliichenspannung sind ebenfalls Parameter, welche die Phytotoxizitiit beeinflussen konnen. Hinsichtlich Wirkstoffauhahme durch Pflanzenbliitter kann die Art des Lbsemittels einen groBen Einfluss haben. Mittels Loslichkeitsparametern wurde versucht, Systeme von Losemitteln, Emulgatoren und Wirksubstanzen zu optimieren [7]. Oft ist es dadurch moglich, durch Kombination zweier schlechter Losemittel die gleiche Loslichkeit zu erzielen wie mit einem toxischen Losemittel guten Losevermbgens (vergl. Kapitel8). Hinsichtlich Emulgatoren sei auf Kapitel 2 venviesen. Auch neuere Tenside werden in Agroformulierungen eingesetzt. So eignen sich speziell Comb-Surfactants auf Silikon-
402
14 Agroformulierungen
basis rnit hydrophilen EO/PO-Ketten als Netzmittel zur Verbesserung des Spreitens auf Blattern [S]. N-Alkylpyrrolidone (Octyl, Dodecyl), Verbindungen rnit dem stark polaren Pyrrolidonrest, bilden zusammen rnit geeigneten Co-Tensiden sehr stabile micellare Systeme. AuDer f i r EC werden sie auch f i r Mikroemulsionen und fur die Solubilisierung von Pestiziden eingesetzt [9, lo]. Die gut abbaubaren Alkylpolyglycoside verhalten sich ahnlich wie ethoxylierte Alkohole. Allerdings ist die Loslichkeit in Wasser, speziell auch in Gegenwart von Salzen, hoher und nimmt nicht ab mit steigender Temperatur (siehe ,,Cloudpoint") [ 1 11. Ebenfalls gut biodegradierbar sind PolyglyceridiZucker-Ester von Fettsauren, die als Gemische durch Umesterung gewonnen werden und die sehr geringe Toxizitat aufweisen [121.
14.2.2 Suspensionskonzentrate, Suspoemulsionen und Kapselsuspensionen Feste Wirkstoffe rnit geringer Wasserloslichkeit und genugender Hydrolysestabilitat konnen als Suspensionskonzentrate (SC; ,,Suspension Concentrate" oder ,,Flowable") in Wasser formuliert werden. Die wassrigen Formulierungen enthalten nur kleine Mengen von organischen Losemitteln wie Glykole, die als Frostschutzmittel dienen. Wichtig ist, dass die feindispersen Wirkstoffpartikel nicht nachreifen (,,Ostwaldreifung") und dass die Dispersionen beim Lagern keine nicht-redispergierbaren Sedimente bilden. Auch Kombinationen von EW rnit SC werden formuliert, die als ,,Suspoemulsionen" (SE) bezeichnet werden. Wie pharmazeutische Wirkstoffe konnen auch Agrowirkstoffe mikroverkapselt und in Form von wassrigen Suspensionen (CS; ,,Capsule Suspension") angewandt werden [ 131. Solche Formulierungen sind f i r den Anwender sicherer. Sie zeigen sehr vie1 geringere orale und dermale Toxizitaten als vergleichbare EC-Formulierungen wie aus Tabelle 14.2 ersichtlich ist [ 141. Zusatzlich wurde bei CS-Formulierungen auch eine verminderte Phytotoxizitat und eine um den Faktor 2-3 verlangsamte Photodegradation festgestellt [ 151. Vorteile zeigt die Mikroverkapselung auch bei fluchtigen Wirkstoffen. Tabelle 14.2. Vergleich der Toxizitaten von EC- und CS-Formulierungen.
Formulierung Furathiocarb 400 EC Furathiocarb 400 CS
LDso bei Ratten [mgkg] oral dermal 81 1805 > 3000 > 4000
Die wichtigste Mikroverkapselungsmethode fur Agrowirkstoffe ist die Grenzflachenpolymerisation [ 161. Dabei wird zuerst der flussige Wirkstoff, in welchem der erste Reaktand (polyfimktionelles Isocyanat oder Saurechlorid) gelost ist, in Wasser dispergiert und darauf der zweite Reaktand (polyfimktionelles Amin) zudosiert. Durch die in
14.2 Formulierungsformen
403
der Grenzflache zwischen Wirkstoff und wassriger Phase stattfindende Polymerisation werden die feinen Wirkstofftrbpfchen vollst2ndig mit einer diinnen Membran von Polyharnstoff bzw. Polyamid umhullt. Die Koazervationsmethode hat im Vergleich zur Grenzfl2chenpolymerisation den Nachteil, dass nur in verdunnter Dispersion umhullt werden kann. Auch entstehen meistens Aggregate, wenn nicht ein zusatzlicher, nichtreagierender Dispersionsstabilisator zugefigt wird. Zudem sind die Kapseln fiir Agroanwendungen zu grofi. Hingegen ist es von Vorteil, dass auBer Emulsionstropfchen auch Festpartikel umhullt werden konnen. Auch bei der In-Situ-Polymerisation ist die Aggregation der umhullten Partikel das Hauptproblem. Hierbei entstehen durch Polymerisation oder Polykondensation vorerst Nanopartikel in Losung, die sich sodann auf der Oberflache der dispergierten Festkorperteilchen oder Emulsionstropfchen abscheiden und dort eine Hulle bilden kbnnen.
14.2.3 Spritzpulver, wasserdispergierbare Granulate und wasserlosliche Pulver Wie emulgierbare Konzentrate werden Spritzpulver ( WP; ,,Wettable Powder") haufig angewandt. Die feingemahlenen, mit Dispergatoren versehenen Pulver konnen stauben und werden deshalb gelegentlich als dosierte Formen in wasserlosliche Beutel abgepackt. Beispielsweise konnte ein WP wie folgt zusammengesetzt sein: 20-50 YOWirkstoff 10-20 YODispergatorgemisch wie Ligninsulfonat + Ca-Alkylphenylsulfonat 30-70 % Fullstoffe wie Kaolin Im Gegensatz zu den WP sind wasserdispergierbare Granulate ( WG) praktisch nicht staubend [I41 wie aus Abb. 14.4 ersichtlich ist. Sie sind auch weniger voluminos. Der Trend zur Entwicklung von Formulierungen geht in diese Richtung, auf Kosten der WP. Die leicht fliefienden Produkte lassen sich gut volumetrisch dosieren; allerdings muss der langsameren Auflosung beim Ansetzen der Spritzbriihen Rechnung getragen werden. Verbleibende Ruckstande in der Verpackung sind minimal, in der GroRenordnung von 0.01 %, sodass ein nachtragliches Auswaschen zur Entsorgung entfallt. Es ist dies ein Vorteil gegenuber Suspensionskonzentraten, bei denen die Entfernung von eingetrockneten Krusten Schwierigkeiten bereiten kann. Die Granuliermethoden, wie sie analog f i r Pharmaprodukte eingesetzt werden, sind in Kapitel 12 beschrieben: - Tellergranulierung -
Spruhtrocknung
-
Wirbelschichtgranulierung
- Extrusion -
High Shear-Granulierung.
Abbildung 14.5 zeigt GroBe und Form von verschiedenen wasserdispergierbaren Granulaten.
14 Agroformulierungen
404
Folgende Stoffe werden zur Formulierung von wasserdispergierbaren Granulaten eingesetzt : Wirkstoffe Netmittel, z.B. Alkylnaphthalinsulfonate,Alkylsulfate Dispergatoren, z.B. Ligninsulfonate, Naphthalin-formaldehyd-Kondensate Antischaummittel, z.B. Silikonole Fiillstoffe, z.B. Kaolin - Bindemittel, z.B. Polyvinylpyrrolidon, Starkederivate - Desintegratoren, z.B. wasserlosliche Salze, vemetztes Polyvinylpyrrolidon [ 171 - Adjuvantien, z.B. Aktivitatsverstarker. -
80
-
80 -
WP
g
g
.- 40P
.-c 6 40P
$ 20-
$ 20-
E
E
-1
-I
_.
60-.
-
WG
60 -
8
8
.-0
.-0
Messdauer [s]
Messdauer [s]
Abb. 14.4. Vergleich des Stgubeverhaltens von Spritzpulver (WP) und wasserdispergierbarem Granulat (WG). Messungen mit dem Casella-Apparat (aus [ 141).
Spruhtrocknung
Pulveragglomeration
Extrusion
Abb. 14.5. Wasserdispergierbare Granulate (WG), hergestellt nach verschiedenen Methoden (aus ~41).
14.3 Adjuvantien
405
Die Benetzung der Granulate ist nur ein Problem bei sehr kleinen Granulatpartikeln. Zu beachten ist, dass iibliche Netzmittel zu Schaumen neigen, was durch Zusatz von Antischaummitteln verhindert werden muss. Dispergatoren iiben nicht nur einen stabilisierenden Effekt aus, sondern konnen auch die Wirkung von Bindemitteln und Auflosehilfsmitteln resp. Desintegratoren unterstiitZen. Hinsichtlich Dispergatoren sei auf Kapitel 5 und hinsichtlich Bindemittel und Desintegratoren resp. Sprengmittel auf die Abschnitte 12.3.2 und 12.3.5 in Kapitel 12 ,,Pharmazeutische Technologie'' venviesen. 1st ein fester Wirkstoff wasserloslich, wird er in der Regel mit einem wasserloslichen Salz vermischt oder gemahlen und als wasserlbsliches Pulver (SP;,,Soluble Powder") angewandt.
14.2.4 Unverdunnt angewandte Formulierungen Wahrend der Groljteil der Formulierungen in einer wassrigen Spritzbriihe in starker Verdiinnung gespritzt wird, gibt es auch Formulierungen, die unverdiinnt angewandt werden. Dazu gehoren vor allem die Granulate (GR), die maschinell oder von Hand gestreut werden. Der Wirkstoff wird auf einem Granulattrager rnit dem gewiinschten Kornspektrum aufgezogen; der Wirkstoffgehalt betragt meist nur wenige Prozente. Ultra Low Volume Formulierungen (UL) sind speziell konzipierte Losungen f i r direkte Flugzeug- und auch Bodenanwendungen. Sie werden rnit entsprechenden Atomizern zu 2uRerst feinen Tropfchen versprtiht. Die Hektardosierung betragt meist nur 0.5-2 Liter. Um groBere Verdampfungsverluste zu vermeiden, miissen UL-Formulierungen mit schwerfliichtigen Losemitteln hergestellt werden [ 181. Staubemittel (DP;,,Dustable Powders") sind feine Pulver rnit niedrigem Wirkstoffgehalt, die mit verschiedenen Geraten direkt verstaubt werden. Staubemittel werden heutzutage aber nur noch in wenigen Landern venvendet.
14.3 Adjuvantien Adjuvantien (unterstiitzende Bestandteile), die beispielsweise die Wirkstoffaktivitat verbessern, konnen in den Wirkstoffformulierungen bereits enthalten sein. Meist werden sie jedoch den fertigen Spritzbrtihen zugesetzt, um ihre Eigenschaften zu modifizieren. Beispiele von Adjuvantien sind: Antischaummittel, Netzmittel, Dispergatoren, Spreitmittel, Driftkontrollmittel, Verdampfungsverzogerer, Leachingverzogerer, Verdicker, Puffersubstanzen, Haftmittel, Aktivitatsverbesserer, Penetrationsverstarker, Phytotoxinhibitoren, Markersubstanzen, Diinger. Speziell im Herbizidsektor werden Adjuvantien eingesetzt. Das ideale Adjuvans sol1 die Unkrautkontrolle verbessern, hingegen die Nutzpflanzen nicht beeintrachtigen. Nichtionische Tenside und diverse Ole sind die am meisten angewandten Adjuvantien.
406
14 Agroformulierungen
Literatur zu Kapitel 14: J. W. van Valkenburg, in Adjuvants for Herbicides (R. D. Hodgson, Ed.), Monogr. 1, Weed Science Society of America, Champaign IL, 1982. G. Czihak, H. Langer, H. Ziegler, Biologie, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, 1981. R. J. Field, N. G. Bishop, Pestic. Sci. 24, 55 (1988). R. J. Field, F. Dastgheib, in Pesticide Formulation and Adjuvant Technology (C. L. Foy, D. W. Pritchard, Eds.), CRC Press, Boca Raton New York London Tokyo, 1996. B. Frei, P. Schmid, in Pesticide Formulation and Adjuvant Technology (C. L. Foy, D. W. Pritchard, Eds.), CRC Press, Boca Raton New York London Tokyo, 1996. F. A. Manthey, J. D. Nalewaja, in Adjuvants and Agrichemicals (C. L. Foy, Ed.), CRC Press, Boca Raton FL, 1992. K. E. Meusburger, in Advances in Pesticide Technology, ACS Symp. Ser. 254 (H. B. Scher, Ed.), American Chemical Society, Washington D.C., 1983. D. S. Murphy, G. A. Policello, E. D. Goddard, P. J. G. Stevens, in Pesticide Formulations and Application Systems, Vol. 12 (B. N. Devisetty, D. G. Chasin, P. D. Berger, Eds.), ASTM STP 1146, 45, American Society for Testing and Materials, Philadelphia, 1993. K. S. Narayanan, R. K. Chaudhuri, in Pesticide Formulations and Application Systems, Vol. 12, (B. N. Devisetty, D. G. Chasin, P. D. Berger, Eds.), ASTM 1 146, American Society for Testing and Materials, Piladelphia, 1993. Z. H. Zhu, D. Yang, M. J. Rosen, J. Am. Oil Chem. SOC.66,998 (1989). R. A. Aleksejczyk, in Pesticide Formulations and Application Systems, Vol. 12, (B. N. Devisetty, D. G. Chasin, P. D. Berger, Eds.), ASTM STP 1146, American Society for Testing and Materials, Piladelphia, 1993. J. F. Fiard, J. M. Mercier, M. L. Prevotat, in Pesticide Formulations and Application Systems, Vol. 12, (B. N. Devisetty, D. G. Chasin, P. D. Berger, Eds.), ASTM STP 1146, 33, American Society for Testing and Materials, Philadelphia, 1993. G. J. Marrs, H. B. Scher, in Controlled delivery of Crop-Protection Agents (R. M. Wilkins, Ed.), Taylor and Francis, Inc., Bristol Pa, 1990. E. Neuenschwander, L. Loosli, CIPAC Symposium, Athen, 1989. A. J. Stern, D. Z. Becher, in Pesticide Formulation and Adjuvant Technology (C. L. Foy, D. W. Pritchard, Eds.), CRC Press, Boca Raton New York London Tokyo, 1996. G. Japs, U. Nehen, H. J. Scholl, US-Pat. 4 847 152, 1989. L. S. Sandell, EP 501 798, 1992. A. Grubenmann, E. Neuenschwander, in Advances in Pesticide Science, Part 3, (H. Geissbiihler, Ed.), Pergamon Press, Oxford and New York, 1979.
15 Pigmente und Farbstoffe 15.1 Loslichkeit von Pigmenten und Farbstoffen Pigmente und Farbstoffe unterscheiden sich in ihrer Loslichkeit. Pigmente sind praktisch unltislich im Applikationsmedium und werden dort in Form von Festpartikeln - iiblicherweise mit PartikelgroRen
Dispersionsfarbstoffe Pigmente
Loslichkeit in Wasser bei 130 "C [mg/l] 5-500 <0.05
Pigmente werden gelegentlich in klassische und hochwertige Pigmente unterteilt. Hochwertige Pigmente sind in gewissen applikatorischen Eigenschaften wie Migrationsund Rekristallisationsbest~digkeit,Thermostabilitat, Licht- und Wetterechtheit oft dell klassischen Pigmenten iiberlegen. Es ist dies vonviegend ihrer sehr geringen Loslichkeit zuzuschreiben. Die Applikation bestimmt, ob klassische oder hochwertige Pigmente eingesetzt werden miissen. So konnen klassische Pigmente mit hoherer Loslichkeit nicht in ofentrocknenden losemittelhaltigen Lacken venvendet werden (wohl hingegen in luftrocknenden Alkydharzlacken). Bei der hohen Temperatur findet Kristallwachstum, Ausbluten und Ausbliihen statt. In welchem AusmaR die Loslichkeiten in verschiedenen Lbsemitteln differieren, kann anhand von Abb. 9.6 ersehen werden (das angegebene Pigment weist lOfach hohere Loslichkeiten auf als die hochstloslichen hochwertigen Pigmente). Rigide planare Basisstrukturen mit delokalisierten n-Bindungen bestimmen den Grundcharakter der ,,Farbe", aber auch eine Basisloslichkeit bei Farbstoff- und Pigmentmolekulen. Substituenten, die der rigiden n-Struktur beigefigt werden, verandern Farbnuance, aber auch applikatorische Eigenschaften wie Loslichkeit, Benetzbarkeit von Kristallen, thermische und chemische Bestandigkeit.
15 Pigmente und Farbstofe
408
Abbildung 15.1 zeigt f i r verschiedene Farbstoff- und Pigmentklassen die Anzahl Zentren (C,N,O), die m m rigiden n-System zugerechnet werden miissen (Zu beachten: bei Verbindung mehrerer rigider n-Systeme durch Gruppen, die im gelosten Pigment rotieren konnen, bestimmt nur eines der starren Systeme die GroRe des rigiden Teils; z.B. 2 = 1 1 beim Isoindolinonpigment). Dispersionsfarbstoffe:
H,CH,CN H,CH,OCH,CH,CN Azofarbstoff Z = 18 L = 220 mg/l (DMF, 25°C)
Anthrachinonfa L = 125 mg/l (DMF, 25°C)
I-\
Pigmente:
Perylentetracarbonsaureanhydrid Z = 34 L = 0.15 mg/l (DMF; 25°C)
...
lsoindolinonpigrnent 2 = 11 L = 0 6 mgll (DMF; 25°C)
(Je 2 H-Briicken zwischen
2 benachbarten Molekiilen)
C
I
Chinacridonpigment Z = 24 L = 0.5 mgil (DMF; 25°C)
Diketopyrrolopyrrolpigrnent Z = 22 L = 1.7 mg/l (DMF, 25°C)
Abb. 15.1. Rigides n-System und Wasserstoffbrucken von Dispersionsfarbstoffen und Pigmenten (Z: Anzahl Zentren des rigiden Teils). Loslichkeit in Dimethylformamid.
In welchem MaRe die relative Loslichkeit eines Farbstoffes oder Pigmentes durch Substituenten beeinflusst wird, zeigt Tabelle 15.2 (die angegebenen Parameter erlauben
15.2 Pigmente
409
nur grobe Abschatzungen des Struktureinflusses; spezifische Losemitteleinflusse fallen auRer Betracht. Vergl. auch: Kapitel9 beziiglich Loslichkeitsberechnung). GrijRe des starren n-Systems, intermolekulare H-Briicken, Molekulargewichtserhohung durch lbslichkeitserniedrigende Substituenten sind die Parameter, die die Schwerloslichkeit eines Pigmentes defmieren. So gew&-leistet bei Isoindolinonpigmenten (starnes n-System: Z = 11) erst die Einfiihrung von acht Chloratomen genugende Schwerloslichkeit. GemaR Tabelle 15.2 erniedrigt dies die Loslichkeit um den Faktor 1 .033(4"34 5)x1.009(4"34')= 300. Einen dramatischen Einfluss kann die Hinderung von intermolekularen H-Briickenbindungen im Festkorper haben. Aus diesem Grund ist beispielsweise Di-o-chlorphenyldi-ketopyrrolopyrrol 1OOx loslicher als die entsprechende p-Chlorverbindung. Beim Ubergang vom Festkorper in den gelosten Zustand bleibt das rigide n-System starr. Andere Molekulbestandteile konnen dann jedoch fiei oder gehindert rotieren. Es ist dieser Einfluss, der hier quantifiziert wurde. Spezifische Lbsemitteleinfliisse fallen aul3er Betracht. Tabelle 15.2. Einfluss von Substituenten auf die Loslichkeit von Farbstoffen und Pigmenten (Fur Vergleiche im gleichen Losemittel; Messungen von A. Grubenmann). VergroRerung des starren n-Systems um z C,N,O-Atome: Fur n H-Briicken pro Nachbar im Kristallgitter: - Freie -0-,-N<: - -CH(CH3)2, -C(CH3)3: - n (-CH2-): - -OSOt-, -NHS02-: - Fur g Gramm Molgewichtserhohung durch Substituenten Halogen, -CN am starren p-System: Halogen, -CN und ubrige Substituenten am flexiblen Teil: -
Erniedrigung 1 . 8 " ~ Erniedrigung 12"x Erhohung 10-1 5x Erhohung 25x Erhohung 1 . 3 " ~ kein Einfluss Erniedrigung 1.033gx Erniedrigung 1.009'~
15.2 Pigmente 15.2.1 Charakterisierung von Pigmenten Die applikatorischen Eigenschaften von Pigmenten werden in starkem MaR durch Parameter bestimmt, welche die Anordnung der Molekiile im Pigmentkristall, die Kristallform, Kristallinitat, spezifische Oberflache, Oberflachenbeschaffenheit, chemische Oberflgcheneigenschaften betreffen. Die Morphologie der Pulver, Aggregat- und Agglomeratformen (Kapitel 3) sind ebenfalls von Bedeutung. Durch gezielte Veranderung von solchen Parametern, durch Konditionierung, lassen sich die anwendungstechnischen Eigenschafien fiir spezifische Anwendungen optimieren.
410
15 Pigmente und Farbstofe
Durch Mahlung lassen sich die Syntheseprodukte zur gewiinschten PartikelgroOe reduzieren und die dadurch gestorte Kristallinitat durch anschlienende gelinde Rekristallisation oder thermische Nachbehandlung verbessern. Manchmal ist eine chemische Oberflachenmodifizierung der Pigmente erforderlich [ 11. Dadurch konnen Dispergierbarkeit und PigmentiBindemittel-Wechselwirkungenverbessert werden. Die spezifische UberjZuche yon Pigmentpulvern liegt f i r organische Pigmente im Bereich 10 bis 130 m2/g (Abb. 15.2), welche im Dispersionsmedium zur Adsorption zur Verfigung steht. Um desagglomerierte und nicht-geflockte Dispersionen herstellen zu konnen, muss man darauf achten, dass geniigend Stabilisator, z.B. Bindemittel vorhanden ist, urn die gesamte Oberflache abzudecken. Aber nicht nur die spezifische Oberflache, als MaO der TeilchengroRe, sondern auch die TeilchengroJeverteilung ist von Wichtigkeit. Sie beeinflusst nicht nur die Coloristik, sondern auch die Rheologie in Lacken, Drucktinten, Polymerschmelzen.
Abb. 15.2. Elektronenrnikroskopische Aufnahmen von Pigment Red 168: Pigrnentproben unterschiedlicher spezifischer Oberflache: 20.8 m2/ g und 35.9 m2/g (aus [2]).
15.2.2 Absorption, Streuung, Spiegelung von pigmentierten Schichten Pigmente werden entweder in Kunststoffe in Masse eingearbeitet oder mit Bindemitteln als diinne Filme, z.B. als Druckfarben, oder auch als dickere Schichten, beispielsweise in Form von Autolacken angewandt. Die optischen Eigenschaften von solchen pigmentierten Schichten - Farbe, Transparenz, Deckfahigkeit, Glanzverhalten - hangen sowohl vom Pigment als auch vom Bindemittel ab. Fallt Licht auf eine pigmentierte Schicht, so wird ein Teil an der Oberflache gespiegelt. Dies bestimmt das Glanzverhalten der Schicht (Abb. 15.3 a); Oberflachendefekte verschiedenster Art setzen den Glanz herab, Das in das Innere der Probe eindringende
15.2 Pigmente
411
Licht wird an den Pigmentteilchen gestreut und mehr oder weniger aus seiner Fortpflanzungsrichtung in alle Richtungen abgelenkt (Abb. 15.3 b). AuBerdem wird es von den Pigmentteilchen absorbiert, die Strahlung also abgeschwacht (Abb. 15.3 c). Das durch Streuung nach allen Richtungen abgelenkte Licht gelangt zum Teil wieder an die Oberflache, tritt dort aus der Eintrittsebene heraus und kann von unserem Auge wahrgenommen werden. Diese Remission hangt allerdings noch von der Unterlage ab. Dem Remissionsverhalten der Unterlage entsprechend wird ein mehr oder weniger grofier Anteil der auf den Untergrund gelangenden Strahlung gegen die beleuchtete Flilche zuriickgeworfen. Wenn der durch den Untergrund beeinflusste Anteil des austretenden Lichtes klein ist gegen die gesamte austretende Strahlung, so wird der Untergrund nicht mehr wahrgenommen. Solche Schichten erscheinen deckend. Anderenfalls sind sie mehr oder weniger transparent.
\/
a) Spiegelung
Schicht
c) Absorption Schicht
\..
\
Abb. 15.3. Schematische Darstellung der Absorption, Streuung und Spiegelung von Licht in pigmentierten Schichten; aus [ 2 ] .
412
15 Pigmente und Farbstofle
Die in einer pigmentierten Schicht effektiv wirksame Streuung und Absorption kann durch den Streukoeffizienten S(R) und den Absorptionskoeffizienten K(R) charakterisiert werden. Der Remissionswert R(R) gibt an, welcher Anteil der einfallenden Lichtintensitat bei der Wellenlange R von der Probe zuriickgeworfen wird. Fur deckende Farbungen besteht nach der Kubelka-Munk-Theorie [2] der folgende Zusammenhang zwischen Remission, Streukoeffizient und Absorptionskoeffizient: (15.1)
Der Quotient KIS ist von Interesse als MaB f i r die Farbstarke und wird bei Dispergierversuchen oft zur Untersuchung der Farbstarkeentwicklung venvendet.
15.2.3 Dispergierbarkeit Pigmentteilchen liegen im Pulver in agglomerierter Form vor. Durch Dispergierung wird versucht, die Agglomerate in die Einzelpartikel aufzuteilen. Die Dispergierung von Pigmenten, beispielsweise in einem Lack oder einer Drucktinte hat die Optimierung von Farbton und Farbstarke zum Ziel. Oft kam'die maximale Farbstarke nur durch exzessiv langes Dispergieren entwickelt werden, speziell bei sehr feinteiligen Pigmenten. Vergleich der Kosten bei langerem Dispergieren vs. Farbstarkegewinn durch groBere Pigmentkonzentration ist in diesem Falle von Interesse. Die Dispergierung bewirkt unter anderem: - Zunahme der Farbstarke, vor allem feststellbar im WeiBverschnitt - Anderung des Farbtones - Zunahme der Transparenz bzw. Abnahme des Deckvermogens - Verbesserung des Glanzes - Erhohung der Viskositat - Erniedrigung der kritischen Pigmentvolumenkonzentration, z.B. in Mahlansatzen. Beim Dispergieren in einem Medium laufen gleichzeitig folgende Teilprozesse nebeneinander ab: - Zerteilung der Agglomerate durch mechanische Krafte (Trockenmahlung, Nassmahlung) - Benetzung der Pigmentoberflache (Durchfeuchtung des Pigmentpulvers durch Flussigkeit, Ausbreiten von Flussigkeit bzw. Bindemittelkomponenten auf der Pigmentoberflache) - Stabilisierung der dispergierten Partikel zur Verhinderung von Reagglomeration und Flockung (elektrostatische und sterische Stabilisierung). Der Volumenprozentsatz des Pigmentes im nichtfluchtigen Anteil der Formulierung wird als Pigmentvolumenkonzentration ( P VK) bezeichnet; bei der kritischen Pigment-
15.2 Pigmente
4 13
volumenkonzentration (KPVK) sind die Pigmentteilchen gerade benetzt, ohne dass iiberschiissiges Bindemittel vorhanden ist. Die Viskositat n2hert sich dort asymptotisch einem Grenzwert und andere applikatorische Eigenschaften andern sich sprunghaft. Durch geeignete Wahl von Bindemittel und anderen Zusatzen kann jedoch die KPVK gezielt vergndert werden (Abb. 15.4).
Firnis B
0
v)
5
0 Firnis C
$8
10
12
14
,
I
16 18 PVK (Yo)
,
20
,
22
,
24
,
26
Abb. 15.4. Einfluss des Bindemittels auf die KPVK bzw. Viskositgt von Pigment Yellow 13 in
Bogenoffsetfirnissen (aus [2]).
Oberflacheneigenschaften, PartikelgroBeverteilung, Agglomeration, aber auch Additive wie z.B. Dispergatoren und Resinierungsmittel beeinflussen die Dispergierbarkeit eines Pigmentpulvers oder Presskuchens. Die Abhangigkeit von der PartikelgrbBe ist u.a. durch die Zahl der interpartikuken Haftstellen in den Agglomeraten gegeben. Bei breiten Verteilungen wirken die kleinen Teilchen als Verbindungen der groBen und erschweren so die Dispergierung. Sie fiillen die Agglomerate und verhindern so das Eindringen von Losemittel. Pulver mit enger Partikelgrbfieverteilung lassen sich deshalb besser dispergieren als entsprechende Pulver mit breiter Verteilung. Reaggfomeration kann auftreten, wenn nicht genugend Bindemittel resp. Dispergator zur Umhiillung der Teilchen zur Verfiigung steht. Lockere Zusammenballungen - Ffockufate- entstehen als Folge der van der Waals Anziehung, wenn die Dispersionen nicht genUgend sterisch oder elektrostatisch stabilisiert sind. Oft lassen sich solche Flockulate durch geringe Scherkrafte wieder auftrennen. Gut stabilisierte Dispersionen konnen beim Sedimentieren ,,in das primare Energieminimum fallen". Sie bilden d a m ein kompaktes Sediment, das nicht mehr durch Aufriihren redispergierbar ist. Leicht redispergierbar sind hingegen stabilisierte Dispersionen mit sekundurem Energieminimum. Die mit weitem Partikelabstand geflockten Sedimente lassen sich leicht redispergieren, ebenso wie strukturviskose thixotrope Proben, bei denen eine Sedimentation oft verhindert werden kann.
414
15 Pigmente und Furbstofle
Beim Dispergierprozess entwickelt sich die Farbstarke nicht proportional zur Dispergierzeit, sondern zeigt einen parabolischen Verlauf. Ein linearer Zusammenhang kann gewonnen werden durch Auftragen der reziproken Farbstarke IIF = SIK als Funktion der reziproken Zeit. Eine bessere lineare Korrelation erhalt man jedoch durch die Darstellung von tlF als Funktion der Zeit (Abb. 15.5) gemaD:
-t= - +tF E
l G
(1 5.2)
( F : Farbstarke (KIS); E: Farbstarke f i r t+m; G: Dispergierrate; t: Dispergierzeit)
1.0-
100
0.5-
50
0
10 20 30 40 Dispergierzeit t [rnin]
50
60
0
Abb. 15.5. Farbstarke. Zwei unterschiedliche Darstellungen der Farbstarkeentwicklung als Funktion der Dispergierzeit ( F = KIS); nach [3].
15.2.4 Storungen bei pigmentierten Systemen 15.2.4.1 Ausbliihen, Ausbluten Bei hohen Applikationstemperaturen konnen sich je nach Pigment betrachtliche Anteile losen, die dann wieder auskristallisieren, entweder im Innern des Applikationsmediums oder auf der Oberflache. Dieser letztere Vorgang, das Ausbliihen des Pigmentes, kommt oft erst nach Jahren zum Stillstand. Beispiele sind ofentrocknende Lacke, Weich-PVC, Polyethylen oder Gummimischungen, die als Weichmacher hochsiedende naphthenische Ole enthalten. Die Tabellen 15.3 und 15.4 zeigen den Zusammenhang zwischen Loslichkeit und Ausbluhen eines Pigmentes in Weich-PVC. Unterbunden wird das Ausbluhen durch hohe Pigmentierung. Bei wesentlich hoheren Pigmentkonzentrationen als es der
15.2 Pigmente
4 I5
Lbslichkeit bei der Verarbeitungstemperatur entspricht, sind im Medium-Innem noch genugend Kristalle vorhanden, an denen das gelbste Pigment sich abscheiden kann; es erfolgt dann kein Ausbluhen.
Tabelle 15.3. Loslichkeit von Pigment Red 170 in Weich-PVC (aus [2]) Temperatur ["C]
Loslichkeit [Gew.-%]
20 50 100 140 160 180 200
8.0 . 10' 1.2. 4.0 . 3.7. l o 3 9.7 . l o 3 2.3 . lo-' 5.1 . lo-*
Tabelle 15.4. Ausbluhen (+) von Pigment Red 170 in Weich-PVC in Abhangigkeit von Pigmentkonzentration und Verarbeitungstemperatur (aus [2]). Verarbeitungstemperatur I"C1 140 160 180 200
Pigmentkonzentration [Gew.-%] 0.0 1 0.025 0.05
+
+
+ +
+
+ +
+ +
0.1
0.5
+
Unter Ausbluten versteht man das Ubergehen eines im Anwendungsmedium in Lbsung gegangenen Pigmentes in ein damit in Kontakt befmdliches gleichartiges oder iihnliches ungearbtes oder anders gearbtes Medium. Ausbluten ist speziell im Kunststoff- und Lackbereich von Bedeutung. Im Lackbereich wird die Ausblutechtheit durch die sogenannte Uberlackierechtheit ermittelt.
15.2.4.2 Plate-out, Kreidung Hiiufig tritt Plate-out beim Verarbeiten von Weich-PVC auf, z.B. beim Kalandrieren und Venvalzen. Durch Gleitmittel, Stabilisatoren, Weichmacher, die mit dem Medium unvertraglich sind und deshalb ausschwitzen, werden Pigmentteilchen an die Oberflache gebracht. Es bildet sich an der Oberflache der Verarbeitungsmaschine ein farbiger Belag. Schlechte Benetzbarkeit des Pigmentes durch die Kunststof€komponenten, speziell bei
416
15 Pigmente und Furbstofle
groDer spezifischer Oberflache verstarken diesen Effekt. Auch bei Pulverlacken ist Plateout manchmal ein Problem. Die bei der Bewitterung von pigmentierten Medien verlaufenden Abbaureaktionen am Bindemittel, speziell bei genugender Feuchte, legen Pigmentkorner an der Oberflache frei und fuhren so zu einem rauhen Belag, insbesondere bei titandioxidhaltigen Systemen. Dieser Vorgang wird als Kreidung bezeichnet. Photochemische Prozesse unter Mitwirkung von Sauerstoff, insbesondere an Ti02 und gewissen Buntpigmentoberflachen sind die Ursache.
15.2.4.3 Verzugserscheinungen Bei teilkristallinen Polymeren, wie Polyolefinen, vermogen gewisse Pigmente als Keimbildner fur die Kristallisation (Nukleierungsmittel) des Kunststoffes zu wirken. Die durch Kristallisation verursachte Dichteanderung Ghrt zu Spannungen, Deformationen und Rissen und oft auch zu verstarktem Abbau bei Bewitterung. Verzugserscheinungen fuhren beispielsweise bei Flaschenkasten zu Briichigkeit und verunmoglichen die Stapelung. Die Kristallisation des Kunststoffes geht von den Kristallflachen des Pigmentes aus und fuhrt zu Spharolithen, speziell im Falle von nadelformigen Pigmentteilchen.
15.2.5 Pigmentanwendungen 15.2.5.1 Lacke Unter Lacken versteht man flussige oder pulverformige Zubereitungen, die in dunner Schicht auf Oberflachen aufgebracht und dort durch Trocknung, Einbrennen, Vernetzung oder Polymerisation in festhaftende Uberzuge umgewandelt werden. Die sorgfaltige Abstimmung des Lackes auf das zu beschichtende Material, je nach zu envartender Beanspruchung, ist ebenso wichtig wie die optimale Vorbereitung des Werkstuckes [4]. Vielfaltig sind die Beschichtungsverfahren wie Streichen, Spritzlackieren, Zweikomponenten-Spritzen, Tauchlackieren, elektrostatisches Lackieren im Spritz- oder Tauchverfahren, Trommelbeschichtung, Schleudern, GieBen, Walzen, Pulverbeschichten. Steigende Bedeutung erlangt das Coil Coating, bei dem aufgerollte Stahl- oder Aluminiumbleche kontinuierlich mit Bandgeschwindigkeiten bis 150 d m i n und Bandbreiten bis ca. 2 m beschichtet werden [ 5 ] . Die groae Vielfalt der angebotenen Lacke kann unterteilt werden nach ihrem Verwendungszweck, z.B. Autodecklack, Holzlack, Konservendoseninnenlack,nach dem Applikationsverfahren, wie Spritzlack, Tauchlack, nach ihrer Verarbeitungsform, z.B. losemittelhaltig, wasserverdunnbar, pulverfomig, oder nach ihrem Trocknungsverhalten, z.B. ofentrocknend, lufttrocknend. Lacke bzw. Lackfarben enthalten zahlreiche Komponenten, die im flussigen Anstrichmittel und in der festen Lackierung bestimmte Funktionen zu erfiillen haben: fluch-
15.2 Pigmente
4 17
tige Losemittel und nichtfluchtige Bestandteile, wie Bindemittel (Filmbildner, Harze, Weichmacher), Hilfsstoffe, Farbstoffe, Pigmente, Fullstoffe. Als Filmbildner werden makromolekulare Stoffe wie Nitrocellulose oder Vinylchlorid-Vinylacetat-Copolymere venvendet, oder es werden niedermolekulare Stoffe eingesetzt, die erst im Verlauf der Lackh-g in hochmolekulare Stoffe iibergehen, wie ungesattigte Polyesterharze oder Epoxyharze. Die Viskositat einer Polymerlosung nimmt mit steigendem Molekulargewicht zu. Daher bevorzugt man fiir die industrielle Applikation niederviskose Lacke, bei denen das filmbildende Polymermaterial erst wiihrend der Lackhtirtung aufgebaut wird. Die niedermolekularen hartenden Bestandteile sind oft flussig. Daher bediirfen solche Lacke nur wenig Losemittel, oder sind sogar lbsemittelfrei. Allerdings sind hochmolekulare Bestandteile auch in diesen Lacken notig. Als Dispergatoren und Dispersionsstabilisatoren ermoglichen sie die Desagglomerierung von pulverformigen Zumischungen wie Pigmenten und Fullstoffen beim Dispergierprozess in der Farblackherstellung und verhindern ihre Flockulierung im fertigen Lack und in der Lackapplikation. Unter dem Begriff ,,Hurze" versteht man eine Gruppe von filmbildenden Stoffen mit harziger Konsistenz, die in der Regel leicht loslich sind und zur Erhohung des Feststoffgehaltes von Lackfarben, sowie der Verbesserung der Haftfestigkeit und des Glanzes dienen. Weitere Aspekte sind die Erhohung der Filmharte und Verkiirzung der Trockenzeit bei oxidativ vernetzenden Systemen. Weichmacher sind schwerfluchtige organische Fliissigkeiten von oliger Konsistenz wie Dioctylphthalat. Diverse Hilfsstofle wie Trockenstoffe, Hautverhinderungsmittel, Htirtungsbeschleuniger, Verlaufhittel, Antiabsetzmittel, Mattierungsmittel, Benetzungsmittel und Ausschwimmverhutungsmittel werden zugemischt, urn die Eigenschaften der fliissigen Lacke oder der Beschichtungen entscheidend zu verbessern.
15.2.5.1.1 Oxidativ trocknende Lacke Es sind vor allem die lufbrocknenden mittel- und langoligen Alkydharzlacke zu envtihnen [4]. Ihr breites Anwendungsspektrum reicht von Malerlacken bis zum Industrielacksektor. Licht- und Wettterechtheit sind die wesentlichen Kriterien flir die Pigmente. Losemittelempfindlichkeit der Pigmente gegen die eingesetzten Losemittel, wie aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Terpentinol, hohere Alkohole, ist bei den bei Raumtemperatur trocknenden Systemen meist kein Problem.
15.2.5.1.2 Ofentrocknende Lacke Ofentrocknende Lacke werden in ubenviegendem Mane in Industriebetrieben venvendet; ihre Anwendung erfordern aufwendige apparative Einrichtungen. Sokhe Lacke werden unter dem Begriff Industrielacke zusammengefasst.
418
I5 Pigmente und Farbstofle
Fur viele Pigmente sind die venvendeten Losemittel wie Glykole, Glykolether, Ester, Ketone, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Nitroparaffine nicht unproblematisch. Die eingesetzten Bindemittel konnen sehr unterschiedlich sein, wie beispielsweise Melaminformaldehyd- oder Harnstoffharze, die beim Erhitzen unter Polykondensation mit anderen Harzen, wie Epoxidharzen, kurzoligen Alkydharzen, Acrylharzen, harten. Der Einbrennprozess erfolgt bei Temperaturen zwischen 100 und 200 "C und kann wenige Minuten bis zu mehr als einer Stunde dauern. Bei Zweikomponentenlacken beginnt der Hartungsprozess sofort nach dem Mischen der Komponenten. Bei industrieller Anwendung wird die Temperatur zur Beschleunigung vielfach bis auf 120 "C erhoht. Dies gilt u.a. fiir isocyanatvernetzende hydroxylhaltige Polyester oder Acrylharze, die z.B. als Autoreparaturlacke eingesetzt werden, oder die in der Mobelindustrie venvendeten ungesattigten Polyester- oder saurehartenden Alkyd-Melamin bzw. HarnstoMacke. Um die Losemittelemission zu vermindern wurden seit Jahren Anstrengungen unternommen, losemittelarme oder -freie Lacksysteme zu entwickeln: High solids-Systeme enthalten im Vergleich zu konventionellen Einbrennlacken einen hoheren Feststoffgehalt. Eingesetzt werden niedermolekulare Bindemittel. Non-Aqueous-Dispersionen (NAD-Systeme) bestehen aus einem Gemisch von gelostem und dispergiertem Bindemittel. Bei Pigmenten mit hoher spezifischer Oberflache konnen Flockungserscheinungen auftreten, wenn das geloste Bindemittel nicht zur Oberflachenbedeckung ausreicht. Wasserverdiinnbare Systeme enthalten neben organischen Losesmitteln in uberwiegendem MaR Wasser. Wegen Problemen bei der Benetzung von unpolaren Pigmenten konnen Schwierigkeiten beim Dispergieren auftreten, die sich aber durch geeignete Mahlgutformulierungen beheben lassen [2, 61. UV-trocknende Systeme bieten Schwierigkeiten beim Harten von dicken Lackschichten, wegen der Absorption der Pigmente im UV-Bereich. Es ist jedoch moglich, Schwarzlacke mit bis zu 3 % RuR in Trocken-Schichtdicken von 45-50 pm durchzuharten. Mit organischen Buntpigmenten sind Trockenfilmdicken von 3 5 4 0 pm und Pigment/Binder-Verhaltnis von 1 :7 realisierbar [7]. Bei Pulverlacken ist die Pigmentierung besonders problematisch: Farbtonanderung in Funktion von Temperatur und Zeit konnen als Ursache die Reaktion zwischen Pigment und Harter haben. Plate-out (Pigmentablagerung an Maschinen und Systemoberflachen) ist im wesentlichen auf ungenugende Benetzung der Feststoffe des Lackes durch das Bindemittel zuruckzufuhren.
15.2.5.1.3 Wassrige Kunstharzdispersionen
Wassrige Anstrichstoffe auf der Basis von Kunstharzdispersionen ergeben lackahnliche Filme. Solche Dispersionen, auf der Basis von Polyvinylacetat, als Copolymere mit Vinylchlorid, Maleinsauredibutylester, Ethylen, Acrylsaureestern, oder PolyacrylharzCopolymere, sowie Polyvinylpropionat und Polymere auf Styrol-Butadienbasis, brauchen zu ihrer Herstellung Emulgatoren in der inneren oder auReren Phase. Sie mussen zusatz-
15.2 Pigmente
419
lich sterisch stabilisiert werden mit Substanzen wie Polyvinylalkohol, Starke, Gelatine, oder Cellulosederivaten. Zum Pigmentieren solcher Dispersionen werden ausschlieRlich PigmentprSiparationen zugesetzt, deren oberflachenaktive Substanzen das Dispersionsgleichgewicht nicht wesentlich storen. Trotzdem ist manchmal unter dem Einfluss diverser Zusatze, wie Losemittel, Antischaummittel, Weichmacher, ein Farbstarkeriickgang wahrend des Lagerns nicht auszuschlieRen, verursacht durch Rekristallisation oder Flockulation.
15.2.5.2 Druckfarben MengenmBRig ist dieses Gebiet der wichtigste Verbrauchersektor f i r organische Pigmente. Entsprechend der Weiterentwicklung der Druckverfahren mussen die Druckfarben den Gegebenheiten standig neu angepasst werden. Die immer hoheren Druckgeschwindigkeiten verlangen gute rheologische Eigenschaften und groRe Farbstarke der hochpigmentierten Druckfarben, sowie oft auch guten Glanz und gute Transparenz. Je nach Applikation sind auch spezielle Echtheiten gefordert. Fur den Einsatz im OffsetdrucUBuchdruck miissen die Pigmente sehr gut dispergiert sein; Agglomerate in den 0.8-1.1 pm dicken Schichten beeintrachtigen Farbstarke und Glanz. Wegen der hohen Temperaturen beim Dispergieren in den Hochleistungs-Ruhrwerkskugelmiihlen von teilweise >90 "C ist gute Rekristallisationsstabilitat gefordert. Oberflachenaktive Zusatze konnen Storungen im Verlauf verursachen; sterische Stabilisierung der Pigmente erfolgt durch Harze. Gefordert ist auch hohe Wasserechtheit. Im Mehrfarbendruck bestehen spezielle Anforderungen bezuglich Uberlackierechtheit, Kalandrierechtheit, Lichtechtheit, Temperaturbestandigkeit, Migrationsechtheit, Transparenz, Deckvermogen, Rheologie. Im Blechdruck, einem Spezialgebiet des Offsetdrucks, bestehen als Kriterien eine hohe Hitzebestandigkeit wegen Einbrenntemperaturen von 140 "C und mehr, Sterilisierechtheit (in Wasser bei 120 "C; 2 bar) und Uberlackierechtheit. Auch UV-trocknende Druckfarben werden im Blechdruck eingesetzt. Der Tiefdruck wird unterteilt in Illustrations- und Spezial- oder Verpackungstiefdruck: Im lllustrationstiefdruck, der f i r Magazine, Illustrierte usw. angewandt wird, sind speziell gute rheologische Eigenschaften der Druckfarben notig. Bei Papiergeschwindigkeiten bis zu 12 m/s mussen sich die 40 pm tiefen Rasternapfchen mit der Druckfarbe fiillen und diese anschliesend sofort an das Papier weitergeben konnen. Weiche Pigmente, deren Korner geringe Abrasion verursachen, sind gefordert. Die Druckfarben enthalten bis 60 YOToluol und evtl. zusatzlich Benzin, bei einem Pigmentgehalt von 4-15 YO. Deshalb konnen nur Pigmente mit guter Losemittelechtheit resp. guter Rekristallisationsbestandigkeit eingesetzt werden. Gelb-Marken enthalten aminpraparierte Pigmente, die auch bei groRer spezifischer Oberflache niedrige Viskositaten ergeben. Druckfarben fiir den Verpackungstiefdruck enthalten Kombinationen von mindestens zwei Losemitteln wie Alkohole, Glykolether, Ester, Ketone, aromatische Kohlenwasserstoffe. Die Pigmente mussen gegen diese Losemittel bestandig sein, aber auch gegen
420
15 Pigmente und Farbstofe
Weichmacher in den zu bedruckenden Substraten, wie Dibutylphthalat, Dioctylphthalat, oder Epoxid-Weichmacher. Rekristallisationsbestandigkeit ist vor allem f i r transparente Drucke wichtig. Weitere Erfordernisse betreffen die Widerstandsfahigkeit gegen Sauren, Laugen, Seifen, Waschmittel, Fette, Gewurze, Paraffin, Wachs, etc. Gutes FlieRverhalten der Druckfarbe, das durch Oberflachenpraparierung des Pigmentes erzielt wird, ist ebenfalls notig. Der Dekordruck wird zum Bedrucken von Schichtpressstoff-Platten eingesetzt. Bei Polyesterplatten sind Echtheiten gegen bestimmte Losesmittel erforderlich; bei Melaminharzplatten ist das Abklatschverhalten von Bedeutung. In jedem Fall ist eine sehr gute Lichtechtheit erforderlich. Die Anforderungen an Pigmente f i r den Flexodruck, Siebdruck und andere Druckverfahren richten sich nach den erforderlichen Echtheiten wie Lichtechtheit, Losemittelechtheit. Die Bindemittel [8] fur pastose Buch-, Offset- und Sieb-Druckfarben bestehen aus Standolen, phenolmodifizierten Kolophoniumharzen, Mineralolen, LeinoI und/oder Alkydharzen (Kombinationsfirnisse), und die modernen UV-vernetzenden Systeme sind aus radikalisch polymerisierenden Prapolymeren und Monomeren in Verbindung mit Photoinitiatoren zusammengesetzt. Die Bindemittel f i r Flexo-, Tief- und Siebdruckfarben enthalten vonviegend Harze wie Collodiumwolle, Polyamidharze, Vinylpolymere, Maleinat-, Phenol-, Amin- oder Acrylharze.
15.2.5.3 Kunststoffeinfarbung Fur die Pigmentauswahl sind neben dem einzufarbenden Kunststoff und den anwendungstechnischen Eigenschaften vor allem die Verarbeitungsbedingungen wesentlich. Kunststoffe werden zu ihrer Verarbeitung mit unterschiedlichsten Additiven versehen, wie Antioxidantien, Lichtschutzmittel, Hitzestabilisatoren, Flammhemmer, Antistatika, Weichmacher, Gleitmittel, Netzmittel, Treibmittel, Verdunnungsmittel, Fungizide und auch Fullstoffe und Farbemittel. Fur das Vormischen von Kunststoff und Zusatzen existieren Gerate verschiedenster Art, die auch zu unterschiedlichen farberischen Resultaten fihren konnen. Sofern die Mischungen nicht flussig oder pulverformig sind, schlieBt sich bei thermoplastischen Kunststoffen noch eine Granulierung an. Pigmente werden in Kunststoffen vonviegend durch Scherkrafte dispergiert. Bei thermoplastischen Kunststoffen, wie PVC und Polyolefinen, werden die zum Desagglomerieren der Pigmente erforderlichen Scherkrafte nur bei so geringer Plastifizierung erreicht, wie sie bei der ublichen Verarbeitung kaum auftritt. Probleme erhalt man beispielsweise bei der Schmelzspinnfarbung, wo ungenugend zerteilte Agglomerate zu Fadenriss fihren, oder bei Dunnfolien, wo ungenugende Dispergierung Lochbildung verursacht. Zur Vermeidung solcher und anderer Schwierigkeiten werden deshalb f i r die Einfarbung in zunehmendem MaBe konzentrierte Pigmentpraparationen eingesetzt, in denen
15.2 Pigmente
421
das Pigment in gut dispergierter Form vorliegt. Es kommen Pigmentpraparationen in Granulatform oder auch pastenformige Praparationen, z.B. mit Weichmacher in Frage. Polyolejine, mengenmaRig die wichtigsten Kunststoffe, lassen sich in 3 Hauptgruppen unterteilen, die sich vonviegend in der Verarbeitungstemperatur unterscheiden: -
Low Density Polyethylen (LDPE)
- High Density Polyethylen (HDPE) - Polypropylen (PP)
160-260 OC 180-300 "C 220-300 "C
Polyolefine sind teilkristallin und zeigen deshalb eine gewisse Lichtstreuung, was bei pigmentierten Materialien einen Aufhelleffekt zur Folge hat. Copolymere aus Ethylen und Propylen weisen elastomere Eigenschaften auf und entsprechen in ihren Eigenschaften ab 20 % Propylenanteil dem Naturkautschuk. Manche Pigmente neigen, entsprechend ihrer Loslichkeit in Polyolefinen und deren tiefen Glasumwandlungspunkten, speziell in LDPE und unter dem Einfluss diverser Additive zu Migration, analog zum Ausbluhen und Ausbluten bei pigmentierten Lacken. Anderseits treten Verzugserscheinungen bei pigmentierten Polyolefinen vonviegend in HDPE auf. Pigmente vermogen die Lichechtheit von Polyolefinen zu beeinflussen. So beeintrachtigt beispielsweise eine Reihe von Pigmenten die Wirksamkeit der Antioxidantien vom Typ HALS (hindered amine light stabilisators) in Polyolefinen. Polystyrol (PS) befindet sich bei Raumtemperatur weit unterhalb der Glasumwandlungstemperatur. Deswegen spielt die Migration von gelbsten Pigmentanteilen nur eine untergeordnete Rolle, ja es konnen sogar Iosliche Farbstoffe in Betracht gezogen werden, die speziell in Kombination mit deckenden Pigmenten brillante Farbtone ergeben. Entsprechend den hohen Verarbeitungstemperaturen bis 300 "C werden an Pigmente hohe Anforderungen hinsichtlich Hitzestabilitat gestellt. Polystyrol vergilbt unter dem Einfluss von UV-Strahlung in Luft und wird deshalb rnit UV-Absorbern und Antioxidantien stabilisiert. Dies kann aber zu Problemen fiihren bei schlagzahen Copolymeren, beispielsweise mit Acrylnitril und Butadien (ABS), die unterschiedliches Losevermogen fir Additive in den einzelnen Phasen zeigen. Polyvinylchlorid (PVC) wird nach unterschiedlichen Verfahren hergestellt. Man unterscheidet zwischen Masse- oder Block-, Suspension-, Losungs- und Emulsions-PVC. Die Art der Polymerisation des einzufarbenden PVC ist bei vielen Pigmenten von deutlichem Einfluss auf das fdrberische Ergebnis. Rekristallisation und Migration von Pigmenten ist besonders bei Weich-PVC, unter dem Einfluss des Weichmachers feststellbar. Die Dispergierbarkeit der Pigmente in PVC ist wie bei anderen Kunststoffen eine fiir den Einsatz maRgebende Eigenschafi. Die aus wirtschaftlichen Griinden hohen Verarbeitungstemperaturen bis zu 200 "C und der damit verbundenen tiefen Viskositaten erschweren jedoch die Dispergierung von Pigmentpulvern, sodass in solchen Fallen Pigmentpraparationen eingesetzt werden mussen. Abbildung 15.6 zeigt den Einfluss steigender Verarbeitungstemperatur. Polyurethan (PUR), einer der vielseitigsten Kunststoffe, verhalt sich hinsichtlich Pigmentierung ahnlich wie Weich-PVC und lasst sich ebenfalls mit Weichmachern verar-
422
15 Pigmente und Farbstofe
beiten. Fur die Pigmentierung weiterer Kunststoffe, wie Polyamid (PA), Polycarbonat (PC), Polyethylenterephthalat (PETP) und Cellulosederivate, gilt im wesentlich Ahnliches wie bei den bereits envahnten Polymeren. Die Auswahl der Pigmente richtet sich nach den Verarbeitungsbedingungen, Additiven, Anwendungen und wirtschaftichen Erwagungen.
7.10
6.9a, + .-a,
m
6.7-
LL
6.5-
6.3f
I
I
I
I
I
140 160 Walzentemperatur ["C]
I
180
Abb. 15.6. Pigment Violet 19, y-Modifikation, in Weich-PVC (33 YODioctylphthalat). Einfluss der Verarbeitungstemperatur auf die Farbtiefe. Pigmentgehalt: 0.1 YO;Ti02: 0.5 YO (aus [2]). Kurve A: Pulverpigment;Kurve B: Pigmentpraparation.
15.3 Farbstoffe Farbstoffe [9] diffundieren in Ioslicher, vonviegend wasserloslicher Form in das Farbegut und mussen dort fixiert werden, sei es durch chemische Reaktionen mit dem Substrat, oder Bildung schwerloslicher Salze und Pigmente. Direkflarbstofle oder substantive Farbstofle vermogen native oder regenerierte Cellulose direkt, ohne vorheriges Beizen aus neutraler wassriger Losung anzufarben. Vorwiegend sind es sulfosauregruppenhaltige Azo-, z.T. Anthrachinonfarbstoffe. Deren Nassechtheiten (Wasser, SchweiR, Waschechtheit) werden mit zunehmender Farbtiefe jedoch so gering, dass die Farbstoffe durch Nachbehandlung mit kationischen Sub-
15.3 Farbstoffe
423
stanzen oder Metallkomplexbildung rnit Cu in schwerlosliche Verbindungen umgewandelt werden mussen. Suurefarbstoffe besitzen ebenfalls eine oder mehrere Sulfonsauregruppen, die Salze rnit basischen Gruppen eingehen. Sie werden fiir das Farben und Bedrucken von Wolle und Polyamid, daneben auch von Seide, Leder, basisch modifiziertem Polyacrylnitril und Lebensmitteln in Form der wasserloslichen Na-Salze eingesetzt. Die in Wasser relativ schwerloslichen Dispersionsfarbstoffe werden zum Farben von halbsynthetischen oder synthetischen Fasern eingesetzt, z.B fiir Polyester-, Polyamidund Polyacrylnitrilfasern. Der als Dispersion in der FSLrbeflotte vorliegende Farbstoff zeigt, entsprechend dem Verteilungskoeffizient, grbljere Aftinitat zum hydrophoben Fasermaterial als zu Wasser und zieht praktisch vollstandig auf die Faser auf. Da die Difhsion nur im amorphen Anteil des Fasermaterials erfolgt, ist es von Vorteil, wenn bei Temperaturen oberhalb des Glasumwandlungspunktesdes Polymeren gef&bt wird. Kationische oder basische Farbstoffe enthalten Stickstoffatome als Trager positiver Ladungen. Sie werden als wasserlosliche Salze zum Farben von Polyacrylnitril- und sauer modifizierter Polyesterfasern eingesetzt, sowie flir Papier und Leder. Kupenfarbstofle sind Pigmente, die in reduzierter, wasserloslicher Form (Leukofonn, 2.B. reduziert rnit Natriumdithionit) auf das Farbegut aufziehen, wo sie durch Ruckoxidation, z.B. durch Luftsauerstoff, wieder in die schwerloslichen Farbstoffe (Pigmente) iibergefiihrt werden. Leukokiipenfarbstoffe werden auch in Form von Estern eingesetzt, die dann nach dem Aufziehen vor der Oxidation zuerst verseift werden mussen. Ahnlich wie die Kupenfarbstoffe werden Entwicklungsfarbstoffe erst auf der Faser in die endgiiltige farbgebende Form ubergefiihrt. Zu dieser Klasse gehoren u.a. die Naphthol-AS- Azofarbstoffe und die Phthalocyanin-Entwicklungsfarbstoffe. Ebenfalls im Farbegut reagieren geeignete Azofarbstoffe. Sie werden rnit ChromKobalt- oder Kupferionen zu Metallkomplexfarbstoffen umgesetzt. Solche Komplexe werden aber auch direkt als Pigmente venvendet. Aus okologischen Griinden nimmt ihre Bedeutung jedoch ab. Reaktivfarbstoffe enthalten reaktive Gruppen, die rnit reaktionsfahigen Gruppen des Farbegutes kovalente Bindungen eingehen konnen. Gut geeignet sind die Hydroxylgruppen von Cellulose, die Amino- und Mercaptogruppen von Wolle und Seide sowie die Amino- und Carbonamidogruppen von Polyamiden.
15.3.1 Farbstoff-Technologie In der Synthese fallen die Farbstoffe als 1-10 %ige Suspensionen an, die durch AussalZen, pH-Einstellung, Temperaturanderung in eine gut filtrierbare Form gebracht werden. Diverse Zwischenschritte sind notig, bis daraus Handelsformen, wie Pulver, Granulate, flieljahige wassrige Teige oder hochkonzentrierte Losungen entstehen [ 10, 1 I]. Beim Filtrieren fallen die Farbstoffe als Presskuchen rnit Feststoffgehalt von 1 5 4 0 % an. Zusatze von hydrotropen Stoffen, wie Harnstoff oder Glykole, ermoglichen es, direkt zu hochkonzentrierten Losungen zu gelangen. Die getrockneten Farbstoffe, rnit Rest-
424
1.5 Pigmente und Farbstofe
feuchte von 0.5-5 % werden vor der Weiterverarbeitung meist noch in Prallzerkleinerungsmaschinen zu Komgrofien von 1-50 pm gemahlen. Da die einzelnen Produktions-Chargen wegen unterschiedlicher Nebenprodukte und Salzgehalte bezuglich Farbton und Farbstarke geringfigige Differenzen aufweisen, muss durch Zumischen anderer Farbstoffe der Farbton (Nuancierung) und mittels Salzen die Farbstarke (Verschnitt) eingestellt werden. Die Zumischung von Einstellmitteln dient aber aufierdem der Verbesserung der applikatorischen Eigenschaften. Je nach Handelsform sind dies unterschiedliche Stoffe. Gebrauchliche Einstellmittel sind: Neutrale anorganische Salze: Natriumsulfat, Natriumchlorid Alkalische anorganische Salze: Soda, Natriumbicarbonat, Trinatriumphosphat Saure Stellmittel: Natriumbisulfat, Amidosulfonsaure, Oxalsaure Puffersubstanzen: Mono- und Dinatriumphosphat Komplexbildner: Ethylendiamintetraessigsaure, Polyphosphate, wie Natriumhexametaphosphat Nichtelektrolyte: Dextrin, Zucker, Hamstoff, Benzamid Entstaubungsmittel: Mineralol (im Gemisch mit Emulgatoren), Phthalsaureester, Triacetin Dispergiermittel, Entschaumer, Netzmittel, Antigeliermittel. Die Losegeschwindigkeit beim Farben mit Dispersionsfarbstoffen hangt von der Partikelgrolje und der Kristallmodifikation ab. Daher muss bei solchen Farbstoffen nicht nur durch Mahlen die Partikelgrofie eingestellt werden (0.5-2 pm); durch Formieren wahrend,der Mahlung unter Zusatz von Emulgatoren und Losevermittlem oder durch Erhitzen der wassrigen Suspension muss der Farbstoff in die stabilste Kristallmodifikation ubergefuhrt werden. Anderenfalls konnte dies in der Applikation schon bei geringfugigen Abweichungen in den Prozessparametem zu fehlerhaften Farbungen fihren. Als Dispergatoren werden Ligninsulfonate oder Kondensationsprodukte aus Naphthalinsulfonsaure und Formaldehyd venvendet. Als Netzmittel werden langkettige Alkylsulfonate oder Alkylnaphthalinsulfonate und als Emulgatoren diverse polyethoxylierte Produkte zugesetzt (vergl. Abb. 5.17 uber Dispergatoren und Abb. 5.18 iiber StabiI isatoren). Zur Konfektionierung als wassrige Suspension werden Eintrocknungsverzogerer (Glykole, Glycerin) und Konservierungsmittel zugesetzt. Bei trockenen Handelsformen der Dispersionsfarbstoffe muss die hohe Feinverteilung erhalten bleiben. Zur Verhinderung der Aggregation enthalten solche Produkte daher einen grol3en Uberschuss an Dispergatoren, im Verhaltnis zum Farbstoff 1 :1 oder noch besser 2: 1. Immer mehr werden konzentrierte Losungen als Handelsformen bevorzugt, nicht nur wegen einfacherer Dosierung, sondem auch zur Vermeidung von Staubbelastigung, kann doch die Inhalation solcher Staube bei empfindlichen Personen zu Allergien und Erkrankungen fuhren. Die Auswahl der Losemittel richtet sich nach dem Farbegut und muss entsprechend okologischer Richtlinien erfolgen. Als solche Losemittel oder Losevermittler als Zusatz zu Wasser werden venvendet: Polyalkohole (z.B. Ethylenglykol),
15.3 Farbstofle
425
Etheralkohole (z.B. Diethylenglykolmonoethylether) und j e nach Farbstoftklasse Carbonsauren (z.B. Essigsaure), Saureamide (Dimethylformamid, Hamstoff).
15.3.2 Textilfarberei Der geloste Farbstoff liegt in Form einzelner Molekiile oder Ionen und von Aggregaten in der Flotte vor. Durch Diffusion zur Faser-Oberflache und ins Faser-Innere sol1 der Farbstoff auf das Farbegut aufziehen. Durch anschlieoendes Fixieren, sei es durch Dampfen, Trockenhitze-Fixieren, chemisches Umformen, wird der absorbierte Farbstoff stabilisiert [ 121. Aggregate konnen sich an der Faseroberflache anlagern, von wo dann Farbstoffholekule durch die Poren der Fasern zu den amorphen Stellen d i h d i e r e n . Die Diffusionsgeschwindigkeit hangt u.a. von der Morphologie des Farbegutes, von der GrOBe der Farbstoffmolekule und von der Temperatur ab. Beim Aufziehen des Farbstoffes wird ein Gleichgewicht erreicht, welches durch eine Freundlich'scheAdsorptionsisotherme dargestellt werden kann (C = Farbstoff-Konzentration): (15.3)
K = -CFm
ckme
Darin ist die Konstante K ein MaB f i r die Afinitat des Farbstoffes zur Faser. Der Exponent n ist unterschiedlich, j e nach Faser, und betragt beispielsweise f i r Baumwolle 0.6 . Zum Vermeiden von Inegalitaten darf beim Farben mit Farbstoffinischungen das Aufziehverhalten der einzelnen Komponenten nicht zu untihnlich sein. Abbildung 15.7 a zeigt das Farbeverhalten einer Mischung eines roten, blauen und gelben Farbstoffes, die gleich rasch aufziehen und gute Egalitat ergeben, w ~ e n dbeim Beipiel b die gelbe Komponente langsamer aufzieht. Mit einer solchen Mischung sind inegale Farbungen nicht auszuschliessen. al Yo
bl
% 100
6o
;/ ./
40 / :
:;'
20
40'C
98°C
Gelb
min 98°C
-____
0 40°C
Rot
20
40
60 80 98°C
l00rnin 98°C
_ _ _ _ _ - - _ _Blau -
Abb. 15.7. Aufziehverhalten der Komponenten von Farbstoffmischungen (Wollreaktivfarbstoffe):
a) ideale Kombination; b) ungeeignete Kombination; die Gelbkomponente zieht zu langsam auf. pH: 5.5; Aufheizrate: 1 "C/min (Zur Verfugung gestellt von U. Strahm, Ciba SC, Basel).
426
15 Pigmente und Furbstofle
Einen groRen Einfluss hat die Temperatur. Je hoher die Temperatur, desto starker ist das Gleichgewicht nach der Flotte verschoben, aber desto rascher verlauft auch die Diffusion. Wird die Temperatur uber den Glasumwandlungspunkt des polymeren Farbegutes erhoht, so werden auch kristalline Anteile anfarbbar. Fasern konnen in Wasser ein Oberflachenpotential aufbauen, was ahnliche Effekte wie bei elektrostatisch stabilisierten Dispersionen bewirkt. So nimmt Cellulose beim Eintauchen in Wasser eine negative Oberflachenladung an, was zu einem abstofienden Potential f i r negative Ionen fiihrt. Fur den Farbeprozess miissen deshalb Salze wie Natriumsulfat oder Natriumchlorid zugesetzt werden, um die Dicke der elektrischen Doppelschicht zu verringern und dadurch das Eindringen von negativ geladenen, sulfonathaltigen Farbstoffinolekiilen zu ermoglichen. Gleichzeitig begiinstigt die Salzzugabe die Aggregation der Farbstoffionen in und auf der Faser (Aussalzeffekt). Abbildung 15.8 zeigt Farbungen von modifizierten Cellulosefasern mit Baumwollreaktivfarbstoffen. Je nach Prozessfiihrung werden die Garne nur im aul3ersten Bereich angefarbt (Ringfarbung), oder vollstandig gefarbt (Durchfarbung).
Abb. 15.8. Farbungen von Lyocellgewebe mit Baumwollreaktivfarbstoffen: a) Durchfarbung; b) Ringfarbung (Zur Verfugung gestellt von U. Strahm, Ciba SC, Basel).
Hydrophobe Fusern lassen sich mit wasserloslichen Farbstoffen nicht ohne weiteres aus wassriger Flotte anfarben. Es braucht dazu hydrophobere Farbstoffe, die naturlich schlechter wasserloslich sind, wie die Dispersionsfarbstoffe. Solche hydrophobe Materialien sind beispielsweise Polyester (PES), Celluloseacetat (CA), Cellulosetriacetat (CT). Die Aufziehgeschwindigkeit kann mittels Farbebeschleunigern (Carrier) gesteuert werden. Carrier sind faseraffine aromatische Verbindungen, wie o-Phenylphenol, die auf Dispersionsfarbstoffe losend wirken. Alternativ kann mittels Hochtemperaturverfahren (HT-Verfahren) bei 120-1 30 "C gefarbt werden.
15.3 Farbstofe
427
Wolle ist ein Polypeptid, aufgebaut aus verschiedenen Aminosauren. Wegen ihres Anteils an basischen Gruppen (3.3 % Lysin, 9.8 % Arginin, 1.2 % Histidin) und sauren Gruppen (6.8 % Asparaginsaure, 14.5 % Glutaminsaure) Iasst sich Wolle, je nach pH der Flotte, sowohl mit kationischen als auch mit anionischen Farbstoffen farben. Kationische Farbstoffe haben jedoch fiir Wolle keine Bedeutung mehr, vor allem wegen ungeniigender Lichtechtheit. Die Diffusion der Farbstoffe durch die Schuppenschicht gelingt normalenveise erst oberhalb 70-90 "C, auRer wenn sie mechanisch beschadigt wurde. Auch durch chemische Veranderung, beispielsweise durch Chlorierung, lasst sich die DurchIBssigkeit verandern. Farbstofafine Hilfsmittel bilden mit dem Farbstoff in der Flotte Addukte, welche das Aufziehen verlangsamen und wichtig fiir das Ausegalisieren sind. Als Hilfsmittel f i r gleichmgaige Farbungen blockieren faserafine Hilfsmittel farbstoffaffine Stellen der Wollfaser und werden durch den Farbstoff langsam verdrthgt. Polyamidfasern, wie z.B. Fasern aus Polyamid 6 (Polycaprolactam) sowie Polyamid 66 (Polyamid aus Hexamethylendiamin und Adipinsaure) werden vor allem fiir Teppiche und Bodenbellge venvendet. Polyamidfasern lassen sich von anionischen Farbstoffen anfarben und verhalten sich dementsprechend analog den natiirlichen Polyamidfasern Wolle und Seide. Diese Farbstoffe bilden rnit den basischen Amino-Endgruppen (in Form von -NH3') der Polymermolekule Salze und werden dadurch gebunden. Das Aufziehvermogen korreliert mit dem Gehalt an Ammoniumgruppen. Um gute Egalitat zu erzielen, beginnt man rnit dem Farben in schwach basischem Bereich, wo nur ca. 2030 % des Farbstoffes auf die Faser aufzieht und senkt d a m den pH-Wert kontinuierlich, um die Aminogruppen in salzbildende Ammoniumgruppen umzuwandeln. Polyacrylnitrilfasern (PAC) zeichnen sich durch wollahnlichen Charakter aus. Das Anarben des homopolymeren Materials ist jedoch schwierig. Erst der Einbau von Sauregruppen tragenden Comonomeren ermbglichte das Farben rnit kationischen Farbstoffen und brachte den Durchbruch in der Anwendung von PAC-Fasern im Textilsektor. Der Sattigungswert ist dabei gegeben durch die Konzentration an Sauregruppen, die rnit den kationischen Farbstoffen Salze bilden. Zu beachten ist, dass die PAC-Faser erst oberhalb des Glasumwandlungspunktes von 70-80 "C fiir Farbstoffe und Hilfsstoffe zuganglich ist. PVC-Fasern werden bevorzugt rnit Dispersionsfarbstoffen gefarbt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht entflammbar sind und werden f3r technische Anwendungen wie Flugzeugsitzbezuge venvendet. Die Lichtechtheit der Farbstoffe ist oft schlechter als bei Farbungen von PES. Auch ist die Farbausbeute geringer im Vergleich zu PES.
15.3.3 Textildruck Zum Drucken [ 131 werden Druckpasten mit hoher Farbstoffkonzentration in einem die Diffusion behindernden Medium, der Druckverdickung, auf die Textilien aufgebracht. Die Druckverdickung muss das kapillare Fliefien zwischen den Faden des Gewebes verhindern. Nach anschliefiendem Trocknen, um ein Verschmutzen der Leihvalzen zu vermeiden, erfolgt die Diffusion des Farbstoffes aus der getrockneten Verdickung ins
42 8
15 Pigmente und Farbstofle
Faser-lnnere und seine Fixierung durch Dampfen mit Salt- oder Feuchtdampf. Analog zum Farben aus der Flotte stellt sich ein Gleichgewicht zwischen dem aufgenommenen und in der Verdickung bleibenden Farbstoff ein. Anschliefiend muss die Verdickung mit dem nicht aufgezogenen Farbstoff ausgewaschen werden. Die verschiedenen Druckarten Direktdruck, Atzdruck und Resewedruck unterscheiden sich im Wirkungsmechanismus der Hilfsstoffe und Farbstoffe, konnen aber sowohl von Hand als auch mechanisiert ausgefiihrt werden. Beim Direktdruck wird die Druckpaste als Muster lokal scharf begrenzt aufgetragen. Wenn bei einem gefarbten Gewebe die Farbe durch aufgetragene Druckpaste lokal zerstort wird, spricht man von Atzdruck (Wegutze ohne Farbstoff in der Druckpaste, Buntutze mit Farbstoff). Beim Resewedruck wird durch vorgangigen ortlichen Druckpastenauftrag die Anfarbung aus einem Bad an dieser Stelle verhindert. Buntreserven enthalten zusatzlich einen Farbstoff, der beim Dampfen in die Faser difindiert. Druckpasten enthalten Verdickungsmittel ublichenveise in Konzentrationen von 210 Yo [14]: Starkeprodukte, wie die nur heifiwasserlosliche Roststarke, oder die kaltwasserlosliche Rost-Quellstarke, konnen als Stamm-Verdickungen mit 3 0 4 0 % Gehalt angesetzt werden. Sie sind sehr alkalibestandig und werden beispielsweise als farbvertiefende Mischkomponenten beim Acryldruck zugesetzt. Abgebaute Pflanzengummiharze sind als kaltwasserloslicher ,,Kristallgummi" oder ,,lndustriegummi" auf dem Markt, zeigen fast Newtonsches Flieljverhalten und gute filmbildende Eigenschaften und werden fiir hochwertige Qualitaten als Kombinationsverdickungen venvendet. Methyl-, Ethyl-, Hydroxyethyl- und Hydroxypropylderivate der Starke haben als stabilisierende Anteile in benzinreichen Emulsionsverdickungen grolje Bedeutung. Vorziige der Alginate (Na-, Ammonium-, Mg-Salze) sind die gute Wasserloslichkeit und rasche Auswaschbarkeit nach dem Fixieren des Farbstoffes, selbst bei hohen Temperaturen. Sie haben seit der Einfiihrung der Reaktivfarbstoffe eine groRe Bedeutung als Verdickungsmittel erlangt. Carhoxymethylierte Polysaccharide, wie Carboxymethylcellulose, als guter Filmbildner, oder anionische Kernmehlether auf Guar-Basis sind vielseitig in Mischverdickungen, Guar-Derivate auch als Einzelverdickung, verwendbar. Xanthan, das durch gesteuerte Fermentation von Glucose gewonnen wird und ein Molekulargewicht von 2 Mio. aufweist, zeigt als wassrige Losung ein auljergewohnliches plastisches Flieherhalten. Nach Uberschreiten der Flieagrenze nimmt die Viskositat deutlich starker ab als bei anderen Polysaccharid-Verdickem. Xanthan wird beim Druck hochpoliger Teppichartikel eingesetzt. Von den ,,synthetischen" Verdickungsmitteln spielt heute lediglich Polyucrylsuure eine groBe Rolle. Zu den Verdickungssystemen gehoren auch Emulsionen, aufgebaut aus Emulgatoren, Wasser und Schwerbenzin. Bei Zusatz von solchen Emulsionen zu ausgequollenen Verdickungsmitteln entstehen sogenannte ,,Halbemulsionen". Fur die Farbstoffe gelten ahnliche Kriterien wie beim Farben aus Flotte. Je nach Druckverfahren sind jedoch zusatzliche Aspekte zu beachten.
15.3 Farbstofe
429
Substantive Farbstofe und Saurefarbstofe, die beide wasserloslich machende saure Gruppen enthalten, unterscheiden sich durch ihre unterschiedliche Af€initat zu verschiedenen Fasern. Sie werden beispielsweise fiir den Druck auf Cellulose wegen ihrer sich erganzenden Nuancen gemeinsam angewendet. Beim Direktdruck werden sie unter Zusatz von Harnstoff und Losemitteln, wie Ethylenglykol, Thioethylenglykol, Glycerin, in die Verdickung eingeriihrt. Optimale Farbausbeute und Echtheit wird erst nach Sattdampffixierung von 3 0 4 0 min erreicht. Fur bestmogliche Echtheiten muss bei der NachwBsche eine Behandlung rnit nassechtheitsverbessernden quarternaren Polyammoniumverbindungen erfolgen. Fur den Atzdruck bieten sich die an der Azobindung leicht reduktiv spaltbaren Vertreter der substantiven Farbstoffe an. Als Reduktionsmittel wird Na-Hydroxymethansulfinat allein oder in Kombination rnit Atzhilfsmitteln wie Anthrachinon (Reduktionskatalysator) oder quarterngren Ammoniumverbindungen venvendet. Kupenfarbstofe sind eine der echtesten Farbstofilasse. Die als Pigmentpasten aufgedruckten Farbstoffe werden auf dem Gewebe in Sattdampfatmosphare unter der Wirkung von Alkali und einem Reduktionsmittel in die Leukoform ubergefiihrt und konnen so auf das Gewebe aufziehen. Durch Reoxidation entstehen wieder die schwerloslichen Pigmente. Im anschlieflenden Kochprozess wird nicht nur oberflachlich haftendes Pigment entfernt, sondern das Kupenpigment durch Rekristallisation in die optimale Kristallgrbfle und -Form gebracht, wodurch erst das Optimum an Echtheit, Brillanz und Farbton erzielt wird. Bei Atzdruckverfahren werden Kupenfarbstoffe nur selten als Atzfonds, hingegen als Zusatz zur Atzpaste eingesetzt. Dasselbe Reduktionsmittel, das die Fondsfarbstoffe (substantive Farbstoffe, schwerlosliche Azofarbstoffe, Reaktivfarbstoffe) in auswaschbare Produkte spaltet, ist in der Verdickung fir die Umwandlung der KUpenfarbstoffe in die Leukoform verantwortlich. Fur den Einsatz von Kupplungsfarbstofen wird das Gewebe rnit 2-Hydroxy-3naphthoesBureanilid (Naphtol AS) oder Derivaten davon beschichtet. Die Druckpaste enthalt auaer dem Verdickungsmittel die Diazotierungslosung, Na-acetat und Essigsaure. Als Diazotisierungsmittel werden vonviegend komplexe Doppelsalze der Diazoniumsalze, z.B. rnit Zinkchlorid, 1,5-NaphthalindisuIfons~ure oder Bortetrafluorid venvendet (Echtsalze). Phthaloqanin-Entwicklungsfarbstofe entstehen in der Faser als schwerlosliche Pigmente aus einem Isoindolenin (,,Phthalogen") und einer Schwermetallverbindung. Beim Reservedruck haben diese Pigmentfarben eine Bedeutung, weil viele echte Farbstoffe weder Btzbar noch reservierbar sind. Die gedruckte Reserve wird rnit der das Phthalogen, Metallsalz und Ammoniak enthaltenden Farbeflotte geklotzt (Durchtranken des Gewebes rnit der Flotte, Uberschuss zwischen Walzen entfernen), getrocknet und gedampfi. Beim Direktdruck sind Phtalogen, Metallsalz, Ammoniak, Verdickung (z.B. Starkeether und Alginat) in der Druckpaste vorhanden. Die Fixierung erfolgt beispielsweise durch Dampfen in 3-5 min bei 100-102 "C. Reaktivfarbstofle reagieren rnit den Hydroxygruppen der Faser, z.B. Cellulose. Deshalb sind OH-Gruppen enthaltende Polymere, wie StBrkederivate, Johannisbrotkernderivate, usw. als Verdickungsmittel ungeeignet; verwendet werden Alginate. Alginate werden auch als Emulgatoren in Emulsionsverdickungen venvendet. AuBer dem Reaktivfarbstoff und der Alginatverdickung enthalten die Druckpasten noch 10-20 YOHarnstoff
430
15 Pigmente und Farbstofe
als in der Faser wasserbindende und farbstofflosende Substanz, Natriumhydrogencarbonat als Alkali fur die Reaktion mit der Faser und ein schwaches Oxidationsmittel, z.B. 3Nitrobenzolsulfonsaure, um eine allfallige Reduktion des Reaktivfarbstoffes zu unterbinden. Fixiert wird sowohl durch Dampfen als auch mittels Trockenhitze. Beim Atzdruck erfolgt der Farbstoffabbau wie ublich mit dem Reduktionsmittel Na-Hydroxymethansulfinat, beim Reservedruck enthalt die Verdickung nichtfluchtige organische Sauren, die lokal das f i r die Reaktion der Reaktivfarbstoffe notwendige Alkali neutralisieren.
Literatur zu Kapitel 15: P. Bugnon, Prog. Org. Coat. 29, 39 (1996). W. Herbst, K. Hunger, Industrial Organic Pigments, VHC Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim, 1983. U. Kaluza, Physicalkhemical fundamentals of pigment processing for paints and printing inks, Edition Lacke und Chemie Elvira Moeller GmbH, Filderstadt, I98 I . U. Biethan et al., Lacke und Losemittel, Verlag Chemie, Weinheim New York, 1979. M. Schmitthenner, Farbe & Lack 104(5), 50 (1998). W. Herbst und 0. Hafher, Farbe & Lack 82, 393 ( 1 976). A. Valet, T. Jung, M. Kohler, Farbe & Lack 104(2), 42 ( I 998). Karsten, Lackrohstofftabellen (diverse Auflagen), Curt R. Vincentz Verlag, Hannover. Colour Index. 3. Aufl., Vol. 1-5, Additions and Amendments. SOC.of Dyers and Colourists, Bradford, and Amer. Assoc. of Textile Chemists and Colourists, Research Triangle Park, 197 1 . Technical Manual and Yearbook, Amer. Assoc. of Textile Chemists and Colourists, Research Triangle Park, jahrlich seit 1923. Ullmanns Encyclopadie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band I 1 , S. 135 (Farbstoffe, synthetische), Verlag Chemie, Weinheim, 1976. Ullmanns Encyclopadie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 22, S. 635 (Textilfarberei), Verlag Chemie, Weinheim, 1982. Ullmanns Encyclopadie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 22, S. 565 (Textildruck), Verlag Chemie, Weinheim, 1982. H. Dahm, Bayer Farben Revue, ,,Sonderdruck Verdickungsmittel und Kleber", 6. Aufl., 198 I .
Sachregister Abriebfestigkeit 207 Absetzkurven siehe unter Sedimentation Adhasion 35 Adjuvantien 397,400,405 Adsorption 38 Agent-In-Oil, Agent-In-Water 9 1 Agglomerate 1 1, 194-232 elektrostatische Krafie 205 Festigkeitspriifimg 207 GroRe 185 Haftkrafte 198 (Tab.) PartikelgroBe 222 Restfeuchtigkeit 223 Zugfestigkeit vs. KorngroRe 206 (Abb.) Agglomeration 194-232 im Dampfstrahl 384 (Abb.) Bindemittel 208 durch Trocknung 197 Gleitmittel 209 Verfahren 209-2 14 Agglomerierteller 2 1 1 Agglomeriertrommel 2 1 1 Aggregat 1 1 Agroformulierungen 3 9 7 4 0 5 siehe auch Hilfsstoffe, grenzflachenaktive Stoffe Carrier 400 Controlled Release 400 CS (Capsule Suspension) 402 DP (Dustable Powder) 405 EC (Emulsifiable Concentrate) 400 Einfluss von Tensiden bei Pflanzen 400 EW (O/W-Emulsion) 401 Flowable 402 GL(Ge1) 401 GR (Granulate) 405 SC (Suspension Concentrate) 402 SL (Soluble Liquid) 400 SP (Soluble Powder) 405 UV (Ultra Volume) 405 Wechselwirkung mit Pflanzen 3 9 7 4 0 0
Agroformulierungen WG (wasserdispergierbare Granulate) 403 WP (Wettable Powder) 403 Aktivitatskoeffizient bei Losungen 302 Amphiphil 10,24 Anionische Tenside 29 Antifoam-Additive 131 Antioxidantien 380-38 1,42 1 Apoplast 399 (Abb.) Arzneiformen 364-379 Cremes 376 Dragees 366,372-375 FAS (Facilitated Absorption System) 378 Gele 376 GITS (Gastro-Intestinales Therapeutisches System) 378 Granulate 367 HBS (Hydrodynamically Balanced System) 378 Hilfsstoffe 364 Iontophorese 379 Kapseln 370 Liposomen 368 Mikrokapseln 368 Nanopartikel 368 OROS (Orales osmotisches System) 378 Pasten 376 Pulver 366 Retardpraparate 378 Salben 339,376 Schleime 377 Spezialformen 377-379 Suppositorien 375 Tabletten 366,372-375 Tinkturen 377 TTS (Transdermales Therapeutisches System) 379 Wirkstoffe 364 Assoziatbildung in Losung 306-307 Assoziationskolloide 10,47-57
432
Sachregister
Assoziatstrukturen 52 (Tab.) Attritor 139 Atzdruck 428 Aufbauagglomeration 197,Z I0 Aufrahmen 61 Bancroft, Regel von 62 Benetzung 38 Faustregeln 42 Messung der Geschwindigkeit 46 Benetzungstests 46 Biegefestigkeit 207 von Weizenteig 383 Bindemittel 208 Bindemittelbriicken 199 Bindungskrafte 17 Biotenside 33, 34 Bioverfigbarkeit 362 Blockcopolymere 155 Blut-Him-Schranke 364 Blutspiegel 363, 377 Blutspiegelkurve 378 (Abb.) Boltzmannkonstante 19 Boschungswinkel 186 Brucken, flussige 192 C.C.C.siehe Flockungsschwellenwert Caking 171, 174 Carrier 400,426 Claying 174 Cloudpoint 402 CMC (kritische Mizellbildungskonzentration) 4 7 4 8 Coating 224 Comb-Surfactants 155 Controlled Release 248 Creme 339,376 Cuticula 398 Darm 362 Darmepithel 363 Debye-Lange 158 Debye-Lhge, Elektrolytlosungen 169 Depletion Flocculation 173 Detergency 323-332 Detergentien 27, 323, 324 Dilatant 254 Direktdruck 428
Dispergatoren 136 nichtwassrige Suspensionen 152-1 56 wassrige Suspensionen 150-1 52 Dispergierprozess 134 Dispersionsstabilisatoren 148- 150 Entflockungsmittel 136 Netzmittel 135 Disperse Systeme 5-8 Dispersibilitat 185 Dispersion, innere und aul3ere Phase 5 Dispersionen siehe Suspensionen Klassifikation nach Ostwald 5 Dispersionsfarbstoffe siehe Pigmente Dispersionskrafte 19 Dissolver 140 DLVO-Theorie 164 Energiebarriere 168 Dosis 378 Dreiwalzenstuhl 139, 146 Druckduse 219 Druckfarbenanwendung 4 19 Druckfestigkeit 207 Druckpasten 428 Driisen 360 Dunndarm 361,362 Duplex-Film 35 Diisentrockner 2 18-22 I Einstein-Formel 64 EIP (Emulsions-Inversionspunkt) 88 Eirich-Gegenstrom-Mischgranulator 2 12 Elastizitatskonstanten f i r mittlere und GaussMmmung 56 Elastizitatsmodul von Weizenteig 383 Elektrische Doppelschicht, Potentiale 161 Elektrophorese 159 Elektrovalenz siehe Intermolekulare Krafte Emulgatoren 65-88 Auswahlregeln 69-76 Einfluss des chemischen Typs 77 erforderliche Eigenschaften 65 Kombinationen, Mischungen 82 Konzentration in Nahrungsmitteln 393 MakromolekUle 82
Sachregister
Emulgatoren O/W und W/O-Emulsionen 62 Ubersicht 6 7 4 8 unterschiedliches Stabilisiervermogen 78 Wirkungsmechanismus 67 Emulgierapparate 89 Eigenschaften 90 Emuigiertechnik 88-96 Emulgiergerate 89 Standardmethoden 9 1 Tropfengrofieverteilung 92 Emulsionen 59-105 Aufbau von kosmetischen 339-340 Aufrahmen 81 Brechen 61 Doppelschicht, elektrische 97, 100 elektrostatische und sterische Barrieren 84 emulgierbare Konzentrate 94 Emulgierhilfsmittel 95 Emulsionsverdicker 95 Flockung 6 1, 8 I , 99 Grenzschichtfilm, Struktur 82 HLB-System 69-73 Hysterese beim Verdunnen 65 im Kosmetiksektor 337-343 Inversion 86 Losevermittler 96 O/W, WIO 59,338 Phanomenologie 80 Schutzkolloide 96 Sedimentation 8 1 selbstemulgierende Systeme 92 spontane Emulgierung 92 Stabilisierung durch feste Partikel 78 Stabilitat 8 I , 103-1 05 sterische Stabilisierung 100-1 03 TropfengriSDeverteilung 85 Verkrustungsinhibitoren 96 Viskositiit 85 WIOIW 338 Zetapotential 98, 100 Enslin-Zelle 46 Entflockungsmittel 136 Entschaumer 96 Epidermis 335, 398
433
Epidermis Lipidkomponenten 336 (Abb.) Erforderlicher HLB-Wert 73-76 Evasion 377 Fallfestigkeit 207 Falltest 207 Fallung 313 Farbstoffe 4 2 2 4 3 0 siehe auch Pigmente Aufziehverhalten bei Fasern 425 Aussalzen 423 basische Farbstoffe 423 Direktfarbstoffe 422 Dispersionsfarbstoffe 423 Einstellmittel 424 Entwicklungsfarbstoffe 423,429 Formieren 424 kationische Farbstoffe 423 Kupenfarbstoffe 423,429 Kupplungsfarbstoffe 429 Leukokupenfarbstoffe 423 Losegeschwindigkeit 424 Metallkomplexfarbstoffe 423 Presskuchen 423 Reaktivfarbstoffe 423,429 Saurefarbstoffe 423,429 substantive Farbstoffe 422,429 Fasern, Farben von 425,426 Feste Formen 183-250 Festkorperbriicken 198 Festkorper-Phasenubergange 305-306 Feuchthaltemittel 333 Filmdruck 25,27 (GroDe) Filmelastizittit 127 Filtersack 224 First Pass Effekt 365 FlieDgrenze 255 FlieDkurven 255,256,261 FlieDverhalten, Verbesserung 188 FlieDvermogen 187 (Tab.) Flockulat 1 1 Flockung 168-173 durch nichtadsorbierte Polymere 173 kontrollierte 165, 171-172 Flockungsschwellenwert, Bestimmung 169
434
Sachregister
Flory-Hugginsparameter 28 1 Fluidisierung 184 Flussigkeitsbrucken 199 Haftkrafte 200-202 kugelformige Teilchen 203 Fliissigkristalle 53 Freie Energie und Stabilitat 16 Freie Enthalpie 16 Freundlich'sche Adsorptionsisotherme 425 Friability 208 Funicular state 204 Gastrointestinaler Trakt 360-362 Gefriertrocknung 2 15 Gel 344,376 Gelatine 388, 389 Gelatinekapseln 370 Gelstruktur 256 Gibbs-Energie siehe Freie Enthalpie Gibbs-Filmelastizitat 127 Gibbs'sche Gleichung 38, 66 Gibbs-Thomson-Gleichung 320 Glasumwandlungspunkt 423,426 Gleitmittel 188, 209 Gouy-Chapman-Modell 158 Granulate 194-232, 367 Bilder 404 Granulierung 403 Grenzflache 8 Fest-Flussig 3 8 4 6 Flussig-Flussig, Flussig-Gas 22-34 Grenzflachenaktive Stoffe siehe unter Amphiphile, Biotenside, CombSurfactants, Detergentien, Dispergatoren, Dispersionsstabilisatoren, Emulgatoren, Entflockungsmittel, Hyperdispersants, Netzmittel, Schutzkolloide, Surfactants, Tenside Grenzflachenchemie 1 Grenzflachenpolymerisation 247,402 Grenzflachenspannung 16,22 Daten 4, 23 Grenzflachenturbulenz 93 Grenzschichtfilm siehe unter Emulsionen Grit 183 Grundlage, kosmetische 333
Grunpellets 2 1 1 Haar, Abbildung 352 Haarkosmetika 35 1-356 Haarfirben 354-356 Shampoo 353 (Tab.) Haftkrafte 186 Flussigkeitsbrucken, 200-202 Halbemulsion 428 Hamakerkonstante I63 Hansch-Parameter, Zusammenhang mit Loslichkeitsparametem 287 Harshow dustless process I90 Haut, Querschnitt 334 (Abb.) Haut, Wirkungsort von Kosmetika 333336 Helmholz-Modell, elektrische Doppelschicht 157 Heteropolare Bindung siehe lntermolekulare Krafte Hilfsstoffe Adjuvantien fur Agroformul. 404 Antischaummittel fur Agroformul. 404 Alkohole 356 Beschaumungsmittel 393 Bindemittel 373 (Tab.) Bindemittel fur Agroformul. 404 Bindemittel fur Druckfarben 420 Cetyl-, Stearylalkohol 357 Desintegratoren fur Agroformul. 404 Dispergatoren fur Agroformul. 404 Dispergatoren fur Farbstoffe 424 Eintrocknungsverzogerer 424 Ester, Ether polyvalenter Alkohole 357 Fette und Ole 356 Filmbildner 4 I 7 FlieRreguliermittel 373 (Tab.) Formentrennmittel 373 (Tab.) Fullstoffe 373 (Tab.) Fullstoffe fur Agroformulierungen 404 fur Pigmentanwendungen 4 17 Gleitmittel 373 (Tab.) Hart- und Weichparaffine 357 Harze 417 Losemittel fur Agroformul. 40 I (Tab.) mi krokristal line Wachse 3 5 7
Sachregister Hilfsstoffe Netzmittel fiir Agroformulierungen 404 Netzmittel f i r Farbstoffe 424 Paraffinole 356 Polysaccharide 385,394 (Tab.) Seifen 357 Sprengmittel 373 (Tab.) Sterine, Sterolan 357 synthetische Ole 356 Tenside f i r Agroformul. 401 (Tab.) Vaseline 356 Verdickungsmittel fiir Druckpasten 428 Wachse 357 Weichmacher 4 17 Wollfett 357 Hindered Settling 175 HLB 69-73 lnkrementmethode 72 Korrekturfaktoren 7 1 Hochdruckkapillarviskosimeter 262 Hombopolare Bindung siehe lntermolekulare Krafte Hornschicht 334 Hiickel-Gleichung 162 Hybrids 139 Hydrodynamisches Volumen 265 Hydrokolloide 339 Hydrolipid-Mantel 334 Hydroperoxidzyklus 38 1 Hydrophil siehe Lyophil Hydrophob siehe Lyophob Hyperdispersants 156 Industrielle Kristallisation 3 12 Inertisierung 223 In-Situ-Polymerisation 403 Instant-Agglomerate 2 12 Instantisierung 232-240 Agglomerationsverfahren 236-238 Messung 238-240 Trocknungsverfahren 236-238 lnteraktionsradius 284, 289 (Tab.) Intermolekulare Bindungskrafte 17 lntermolekulare Krafte, GrMenordnung 2 1 Invasion 377 Inversionspunkt von Emulsionen (EIP) 88
435
Isodispers siehe Monodispers Kapillardruck 44 bei Kugeln, Zylindern 201 Kapillare, Penetration einer Fliissigkeit 44 Kapselherstellung 37 1-372 Kapseln 370 Kationische Tenside 29 Keratin 336 Kneter 146 Koagulation siehe Flockung Koaleszenz 60 Geschwindigkeit, Faktoren 8 1 Smoluchowsky-Gleichung 103 Temperaturabhangigkeit 86 Koazervation 243-245,403 Kohasion 34, 185-1 88 Messung 186 Kohasionsenergie 4 Berechnung mit Inkrementen 279 Kohhionsenergiedichte 272 Kohasionsvermogen, Verbesserung 187 Kollagen 388 (Abb.) Kollisionsfaktor 104 Kollisionsradius 103 Kolloidchemie 1 Kolloide 1 laminare, fibrillare und korpuskulare 6 Verteilungszustande 1 Kolloide Dispersionen siehe Suspensionen Kolloide Systeme, Beispiele 6 Dimensionen 7, 12 Kolloidmiihlen 140 Kolloidstabilit2t 156-168 Komplexkoazervation 245 Konservierung 1 8 1 Konservierungsmittel I8 1,379,380 Konsistenz von Substanzen 258 (Abb.) Konsistenzregler 333,339 Kontaktwinkel siehe Randwinkel Kontrollierte Flockung siehe Flockung Kosmetika 333-358 siehe auch Haarkosmetika, Hilfsstoffe Badezusatze 345 Gelee 346 Grundlage 333
436
Sachregister
Kosmetika Haarkosmetika 337 Haut als Wirkungsort 333-335 Hautkosmetika 337 Hautole 344 Hautpflegeemulsionen 340-342 Rezepturen 340 (Tab.), 341 (Tab.) Viskositat 342 (Abb.) Hautschutzemulsionen 342-343 Konsistenzregulatoren 333 Losungen 344 Mundpflegemittel 348 Nagelpflegemittel 337 Puder 347 Rasierhilfsmittel 337, 350 Stifte 347 Zahnpflegemittel 348 Kovalenz siehe Intermolekulare Krafte Krafft-Punkt 48, 117,391,392,393 Kristallisation 3 1 1-321 BCF-Modell 320 Birth and Spread-Modell 3 18-3 19 durch Abkuhlung 3 12 Kanten und Kinken 3 18 (Abb.) Keimbildung 3 17 mononukleares Wachstum 3 18 polynukleare Keimbildung 3 18 Populationsplot 3 15 (Abb.) Ruhrkristallisator 3 13 (Abb.) Schraubendislokation 3 19 Tieftemperatur- 3 12 Ubersattigung 3 17 Vakuumkristallisatoren 3 12 Verdamphngskristallisator 3 12, 3 13 (Abb.) Wachstumsmechanismen 3 17 Kristallisiermethoden 3 12-3 13 Kristallite 1 1 Kritische Mizellbildungskonzentration 4748 Kritischer Packungsparameter 52 Krummungskonstanten 1 I3 Krummungsradien 1 13 Kubelka-Munk 4 12 Kugelmuhlen 139, 142
Kugelpackung, dichteste 63 Kugelschaum 125 Kunststoffe und naturliche Polymere Cellulose 426 Celluloseacetat 426 Cellulosederivate 422 Cellulosetriacetat 426 Polyacrylnitril 427 Polyamid 422,427 Polycarbonat 422 Polyester 426 Polyethylenterephthalat 422 Polyolefine 42 1 Polystyrol 42 1 Polyurethan 42 1 Polyvinylchlorid 42 1, 427 Wolle 427 Kurze (im Offsetdruck) 262 Lacke 416 Beschichtungsverfahren 4 16 Coil Coating 4 16 High-Solids 4 I 8 Losemittel 4 1 8 Non-Aqueous-Dispersions 4 18 ofentrocknende 4 17 oxidativ trocknende 4 17 Pulverlacke 4 1 8 UV-trocknende 4 18 wassrige Kunstharzdispersionen 4 1 8 Zweikomponentenlacke 4 18 Langmuir-Filmwaage 26 Layering 197 Leber 364 Lecithin 393 Lichtbeugung sieheTeiIchengrolJenana1. Lichtstreuung siehe TeilchengroDenanal. Lipide 391-394 Abbau 362 Gelphase 392 lamellare Phase 392 Vesikeln 392 Lipogel 334 Lipoproteine 339 Liposomen 1 15, 343, 368; siehe Vesikeln Lodigemischer 2 13
Sachregister L o g P 289 Log-Normalverteilung 3 16 Londonkrafte 19 Loseprozess, effektiver und thermodynamischer 303 (Abb.) Loslichkeit 301-3 I 1 Abschatzungsmethoden 309 graphische Darstellung als Funktion der Temperatur 304 Losemittelabhangigkeit 305, 307-309 LSER-Gleichung 308 Temperaturabhangigkeit 303-305 Thermodynamik 30 1 und Loslichkeitsparameter 308 Loslichkeitsbestimmung 3 10-3 1 1 Assoziate 307 (Abb.) Verunreinigungen 3 1 1 Loslichkeitsparameter 27 1-289 Anwendungen 2 85-289 Einheiten 273 Loslichkeit von Naphthalin 271 (Tab.) Loslichkeitsdiagramme von Polymeren 284,285 Mehrkomponenten- 273 nach Bagley 273 nach Hansen 273-28 1 Inkrementmethode 280 Lbsemittelmischungen 28 1 Tabelle 274-278 nach Hildebrand, Herleitung 272 Inkrementmethode 278 nach Prausnitz 273 nachTeas 285 Polymere 283 und Festkbrpereigenschaften von Polymeren 286 und Fluchtigkeit von Losemitteln aus Polymerschmelzen 287 und kritische Bruchspannung 286 (Abb.) und Membranen 287 und Mikroenkapsulierung 287 und Pestizide 287 und Pigmente 287-289 und Rekristallisation 288
437
Loslichkeitsparameter Zusammenhang mit Hansch-Param. 287 LSER (Linear solvation energy relationship) 290-294 Inkremente 292-294 (Tab.) und Loslichkeit 291 (Tab.) Lyophil, Lyophob 10 Lyophilisierung 2 17 Magen 360 Mahlhilfsmittel 136 Mahlung 135 siehe auch Nassmahlung Partikelzerkleinerung 135 Manton Gaulin 145 Ultraschalldispergierung 145 Marangonieffekt 127 Membranen, biologische 56 Membranpermeabilitat 359 Metabolisierung 363 Mikroemulsionen 343,55-56, 107-1 15 Anwendungsgebiete 1 14 bikontinuierliche 56, 107 Grenzflachenenergie 108 Vergleich mit Vesikeln und Mizellen 122 (Tab.) Mikrokapseln 241-250,368 Anforderungen 24 1 chemische Verfahren 246 Controlled Release 248 Diffusion 249 Grenzflachenpolymerisation 247 Kapseldicke 249 Kapselmaterial 242 Koazervation 243-245 physikalische Enkapsulierung 246 Sprtihtrocknung 246 Suspensionsmedium 247 Wirbelbett 246 Mikrowirbel 3 13 Mischagglomeration 2 12 Mischen von Pulvern 190-1 92 Mischgerate 193 Mischungen, fieifliehende 19 1 Mischungen, zusammenhangende 192 Mischungsenergie 272 Mischungsqualitat 192
43 8
Sachregister
Mizellen 47-5 1 Solubilisierung 328 Vergleich mit Vesikeln und Mikroemulsionen 122 (Tab.) Molvolumen, Berechnung mit Inkrementen 279 (Tab.) Monodispers 10 Monoglyceride 39 1 MSMPR 315 M-Zahlen 295 von organischen Flussigkeiten 296-298 Nahrungsmittelformulierungen 383-396 Nahrungsmittelkolloide 385 Nanopartikel 368 Nascent Soap-Methode 9 1 Nassmahlung 134 Zerkleinerungsmaschinen 139-1 44 Netzmittel 27, 30 (Tab.), 324 Newtonsche Flussigkeiten 254, 260 Nichtionische (nichtionogene) Tenside 29 Nicht-Newtonsche Flussigkeiten 254, 260-263 Nieren 364 Niro Atomizer 23 1 Normalverteilung 3 16 Nukleierung 3 12 Oberflache 8 Oberflachendruck siehe Filmdruck Oberflachenenergie 1, 16 Daten f i r Festkorper 41 Dispersionsanteil, Polaranteil 43 Oberflachenspannung 1,22 Daten 4, 23 Gleichgewichtseinstellung 3 1, 32 Konzentrationsabhangigkeit 3 1 kritische 43 Optische Eigenschaften von pigmentierten Schichten 410-412 Organoleptische Eigenschaften 385,395 Oriented Wedge Theory 62 Ostwald-Reifkg 3 18,320-322,402 LSW-Theorie 320 Partikeldimensionen als Funktion der Loslichkeit 32 1 (Abb.)
Ostwald-Reifung Volumendifhsion 32 1 von Pigmenten 32 I (Abb.) Oxidation von organischen Substanzen 38 1 Packungsdichte 63 Parfiimole 333 Partikelgrofieverteilung 3 15-3 16 Partikelzerkleinerung durch Druck, Schub, Prall, Scherung 137 Pasten 376 Pasteurisierung 385 PCS (Photokorrelationsspektroskopie) siehe TeilchengroBenanalyse Perl-Mill 139, 142 Perorale Applikation 362 Persistenzlange 1 12 Pflanzenextrakte 333 Pflugscharmischer 2 12 Pfropfenstrdmung 143 Pharmazeutika 359-381 siehe auch Arzneiformen Absorption, passive 364 Applikationsart Kutan 365 Parenteral 365, 366 Perkutan 365 Peroral 365 Rektal 365 Sublingual 365 Eliminierung im Kbrper 363 Haltbarkeit 365 Verpackung 365 Verteilung im Korper 363 Phasen 52-57 lamellare, hexagonale 52 lyotrope, thermotrope 53 nematische, smektische 53 Phasendiagramm 54, 55, 57, 1 1 1, 392 Phaseninversion 63 Phaseninversionstemperatur 87 Phasenvolumenkonzentration 63 Phloem 398 Phosphatide, Abbau 362 Phospholipide 339 Photokorrelationsspektroskopie(PCS) 1 5
Sachregister
Phytotoxizitat 40 1 Pigmente 4 0 9 4 2 2 siehe auch Farbstoffe, Lacke Ausbluhen 4 l 4 , 4 15 (Tab.) Ausbluten 4 l 4 , 4 15 Dispergierbarkeit 4 12 Dispersionsstabilisierung 4 13 Druckfarbenanwendung 4 19 Farbstarkeentwicklung beim Dispergieren 4 14 Flockulate 4 13 hochwertige 407 klassische 407 KPVK (kritische Pigmentvolumenkonzentration) 4 13 Kreidung 415 Kubelka-Munk 4 12 Kunststoffeinfirbung 420 Mahlung 410 optisches Verhalten 4 10-4 12 Plate-out 4 15 PVK (Pigmentvolumenkonzentration) 412 rigides n-System 408 spezifische Oberflache 410 Substituenteneinfluss auf Loslichkeit 409 Uberlackierechtheit 4 15 Verzugserscheinungen 4 16 Wasserloslichkeit 407 PIT (Phaseninversionstemperatur) 87 Plasma 364 Plasmaproteine 364 Plateau Border 126, 327 Polydispers 10 Polyederschaum 125 Polymere siehe Kunststoffe PolymerlBsungen 28 1-285 Polysaccharide 385, 394-396 Anwendungen 395 (Tab.) Doppelhelixstruktur 396 Kationen-Eierschachteln 396 Optimierung durch Mischung 396 Struktur und Anwendung 396 kommerzielle Produkte 394 (Tab.) Populationsbalance 3 14
439
Porose Systeme, Flussigkeitstransport 234 Porositat 45 Agglomerate 203 kritische 235 (Abb.) Potentialenergiekurven 163 siehe auch primares, sekundares Energieminimum Pressagglomeration 196 Primares Energieminimum 163 Primarteilchen 1 1 Proteine 339, 385-391 Abbau 361 Adsorbate, Verdrangung durch Tenside 39 1 Adsorbatschichten 390 als Emulgatoren 390 (Tab.) Disulfidbindung Einfluss auf Grenzflachenspannung 386 Entfaltung 388 Faltblatt-, Helix-Struktur 386, 387, 388 Gelatine 388, 389 Gelierung 388, 389 globulare und fibrillare 387 Klassifizierung 390 (Tab.) Primar-, Sekundar-, Tertiar-, QuartarStruktur 386,387 Ruckfaltung 388,391 superhelikale Struktur 388 Wasserstoffbriicken 386 Proteinextrakt 333 Proteo-Lipide 335 Pulver 183-1 94,366 A-, B-, C-, D-Pulver 184 Benetzung 135 elektrische Aufladung 185 Explosion 185 FlieBverhalten 185-1 87 fieiflienende 191 Klassifikation nach Geldart 184 Sicherheit 223 zusammenhangende 19 1 QLS (Quasielastische Lichtstreuung) siehe TeilchengroBenanalyse QSAR 289 Quellung, Einfluss von Aniontensiden 336 Randwinkel 39,325
440
Suchregister
Reibungswinkel, innerer 186 Reinigung 323-332 siehe auch Schmutzentfernung Builder 329 Detergent Additive 329 Dispergierung von Schmutz 330 Entflockung von Schmutz 330 Korrosionsverhinderung 330 Mechanismus 324 Mizellen 328 Schaumbildung 325,326 Sequestrierung von Schmutz 330 Rekonstitution 195, 233 Reservedruck 428 Residenzzeit 3 14 Resorption 362 Reynoldzahl 268 Rheologie 253-269 Rheopex 256 Rieselfahigkeit 185, 186 Ringraummuhlen 144 Rollagglomeration 2 10 Rolligkeit 185 R-Wert siehe kritischer Packungsparam. Sandmill 139, 142 Sattigungsgrad 204 Schaum 124- I 32 Krafte in dunnen Filmen 128-130 Schaumbildner 27, 130 Schaumbrecher 13 1 Schauminhibitoren 131 Schaumstabilisatoren 131 Scheibenzerstauber 2 19-22 1 Scherer-Verfahren 37 1 Schergefalle 254 (Abb.) Scherindex 187 (Tab.) Scherung, Ruckbildung der Ruhestruktur 257 Scherzelle 187 Schmelze 303 (Abb.) Schmelzenthalpie 302 Schmutz 323 Ablosung 327 (Abb.) elektrische Ladung 329 Emulgierung 329 flussiger 325-326
Schmutz Redeposition 327 (Abb.) Rollup 325 Schmutzentfernung 324 Adhasionsarbeit 325 nichtionische und anionische Tenside 324 Umnetzung 324 Schubspannung 254 Einheiten 253 Schugi-Mischer 2 13 Schulman-Bedingung I 12 Schulze-Hardy-Regel 165, 169 Schuttfestigkeit 186 Schuttgutdichte 186 Schuttguter, kohasive, kohasionslose 185 Schuttgutmechanik 185 Schuttvolumen 45 Schutzkolloide 152, 339 Sedimentation 14, 61, 174-1 80 Absetzkurven 177-1 78 Schwerefeld, Zentrifugalfeld 14 Testgerate 179 Zonensedimentation 175 Sedimentationsparadoxon 1 78 Sedimentationspotential 159 Sedimentationstypen nach Fitch 176 Sedimente, Vermeidung nichtredispergierbarer 179-1 80 Sekretion 360 Sekundares Energieminimum 163, 165, I7 I Sensibilisierung 172 Smashers 139 Smearers 139 Smoluchowsky-Gleichung 103, 162 Snowballing 197 Sol 5 Solubilisierung 402 Solvent Mapping 288 (Abb.) Spaltraummuhlen 144 Speichermodul 259 Spezifische Oberflache 8 Spongephasen 55 Spouting 184 Spreiten 35 Spreitungskoeffizient 36, 37 (Tab.)
Sachregister
Sprengmittel 209 Spriiheinrichtungen 2 19 Spriihmischgerate 2 14 Spruhtrocknung 2 17-225 Stabilitat siehe Kolloidstabilitat Staub 183, 185, 188-190 Staubbekamphng 189 Staubeverhalten von WP und WG 404 Staubeverhalten, Messung 189 Staubungsvermogen 185 Steifigkeit 1 13 Steinour-Gleichung (Sedimentation) 175 Sterilisierung 385 Sterische Stabilisierung 152, 166-1 68 Potentialkurven 153 Potentialverlauf 167 Stem-Modell, Stern-Schicht 158, 328 Stranding 93 Stratum corneum 335 Stromungspotential 159 Strukturbildner 383 Strukturviskos 254 Suppositorien 375 Surfactant siehe Tenside Suspensionen 133-1 8 1 Formulierung stabiler 173-1 8 1 Herstellungsmethoden 134 Konservierung 181 KorngroRenbereich 133 LagerstabilitSit 174 nichtwassrige, Stabilisierung 152 Slurry (konzentrierte Suspension) 135 Sole 133 Symblast 399 (Abb.) Systemisch 365 Tabletten 366,372-375 Hilfsstoffe 373 (Tab.) Taylor-lnstabilitat 268 TeilchengrbRenanalyse 12-1 5 Telleragglomeration 2 1 1 Tensidadsorption bei Epidermis 336 Tensidadsorption, Ethoxylierungsgrad 336 Tenside 24-34 Adsorption 38 Beispiele (typische Tenside) 29, 30
44 1
Tenside f i r nichtwassrige Systeme 32 Synergismus 34 Textildruck 4 2 7 4 3 0 Druckverdickung 427 TextilBrberei 425-427 Therapeutische Breite 377 (Abb.) Therapeutische Konzentration 377 (Abb.) Therapeutischer Response 359 Thermische Energie 19 Thixotrop 256 Tinkturen 377 Toxische Konzentration 377 (Abb.) Toxizitat 401,402 (Tab.) Transpiration 334 Triangulare Darstellung, Loslickeitsgrenzen 285 Trockenschneckenmischer 2 13 Trocknung 214-225 Gefiiertrocknung 2 15 Spriihtrocknung 2 17-225 Walzentrockner 2 14 Wirbelschichttrocknung 228 Trogmischer 3 12 UHT-Prozess 385 Umhullung 224 Undulationswechselwirkung 55 Van der Waals'sche KrBfte 18 Agglomerate 205 Verdampfimgsenergie 272 Verdichtung 186 Verdickungsmittel 339 Verlustmodul 259 Verteilungskoeffizient O/W 363 Vesikeln 56, 115-123, 392 Amphiphile 120-121 Herstellung 1 17-1 20 LUV, MLV, SUV 116 PartikelgroReverteilungen 120 Polymerisate 12 1 Vergleich mit Mizellen und Mikroemulsionen 122 (Tab.) Vibrationsmiihlen 139, 141 Viskoelastizitat 259 Viskosimeter 265-269
442
Sachregister
Viskosimeter Auslauf- 269 Blasen- 269 Brookfield- 269 Kapillar- 265, 266 KegeliPlatte- 268 Kugelfall- 269 oszillatorische Scherung 269 Rotations- 267 Ruhr- 269 ScheibeiPlatte- 268 ZylindedBecher- 268 Viskositat 253-269 bei gelierenden Polymeren 396 Einfluss durch Salzzugabe 346 (Abb.) Einheiten 253 Einstein-Formel 260 empfohlenes Viskositatsprofil fur Dispersionsfarben 262 (Abb.) Emulsion 256 (Tab.) Formel fiir konzentrierte Systeme 260 Case 253 High-shear- 263 intrinsische 265, 395 kosmetische Produkte 263 (Abb.) Kugelschaume 260 Polymerschmelzen, Polymerlosungen 263-265 scheinbare 255 spezifische 265,395 Temperaturabhangigkeit 258 Thomas-Formel 260 Vergleich der Konsistenz von SubstanZen 258 (Abb.) Viskoelastizitat 259 Zeitabhangigkeit 257 (Abb.) Zero-shear- 263, 264, 395 Wachstumsrate 3 15 Walzentrockner 2 14 Wandreibungswinkel 186
Waschmittel 330-332 biologische Abbaubarkeit 33 I Bleichmittel 33 1 Komplexbildner 33 1 Losevermittler 332 optische Aufheller 33 1 Rahmenrezeptur 33 I (Tab.) Vergrauungsinhibitoren 33 I Zerstaubungstrocknung 332 Washburn-Gleichung 44, 234 Wasserloslichkeit von Pigmenten und Farbstoffen 407 (Tab.) Wasserstoffbruckenbindung 20 Wet spherical agglomeration 190 Wirbelschicht 226,227 Wirbelschichtagglomeration 2 14, 225-232 korltinuierliche 230 KorngroRe 232 Partikelaufbau 227 praktische Hinweise 232 Wirbelschichttrockner 228-230 Wirkstoffabsorption 359, 362 Wirkstoffkonzentation im Serum 363 Wirkstoffkonzentration im Blut, zeitlicher Verlauf 377 (Abb.) Xylem 398 Young-Dupre-Gleichung 39 Young-Laplace-Gleichung 126 Zahn, Abbildung 439 Zerreibbarkeit 208 Zerstaubungstrockner 2 18 Zetapotential 153, 159-1 62 Zugfestigkeit, Agglomerate 202-206 Zugfestigkeit, KorngroRe 206 Zugigkeit 262 Zweistoffduse 2 19-22 1 Zwischenzellenflussigkeit 364 Zwitterionische Tenside 29 Zyklon 224