Über den Autor dieser Erläuterung: Dr. Stefan Helge Kern, geb. 1974. Studium der Germanistik, Philosophie, Geschichtswi...
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Über den Autor dieser Erläuterung: Dr. Stefan Helge Kern, geb. 1974. Studium der Germanistik, Philosophie, Geschichtswissenschaft und Pädagogik an der Leibniz Universität Hannover. Promotion 2003 mit einer Arbeit über Romane von Thomas Mann, Max Frisch und Jurek Becker unter dem Titel Die Kunst der Täuschung. Stefan Helge Kern unterrichtet Deutsch, Geschichte und Philosophie an einem Gymnasium in Hannover und bildet am Studienseminar in Hannover Deutschlehrer aus. In der Reihe Königs Erläuterungen ist bisher erschienen: Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (KE 456, 3. Aufl. 2008). Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt oder gespeichert und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen.
1. Auflage 2008 ISBN: 978-3-8044-1874-5 © 2007 by Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Elfriede Jelinek © Isolde Ohlbaum Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk
Inhalt
Vorwort..................................................................
1. 1.1 1.2 1.3
Elfriede Jelinek: Leben und Werk....................... 7 Biografie.................................................................. 7 Zeitgeschichtlicher Hintergrund.............................. 12 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken.......................................... 14
2. Textanalyse und -interpretation.......................... 2.1 Entstehung und Quellen.......................................... 2.2 Inhaltsangabe.......................................................... 2.2.1 Erster Teil............................................................... 2.2.2 Zweiter Teil............................................................. 2.3 Aufbau.................................................................... 2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken............ 2.4.1 Erika Kohut............................................................. 2.4.2 Mutter Kohut.......................................................... 2.4.3 Walter Klemmer...................................................... 2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen................. 2.6 Stil und Sprache...................................................... 2.7 Interpretationsansätze.............................................
5
19 19 21 21 41 62 65 65 68 70 72 84 90
3.
Themen und Aufgaben........................................ 95
4.
Rezeptionsgeschichte............................................ 97
5.
Materialien............................................................ 101
Literatur ...................................................................... 105 5.1 Textausgabe............................................................. 105 5.2 Bearbeitungen......................................................... 105 5.3 Biografie.................................................................. 105 5.4 Sekundärliteratur.................................................... 106 5.5 Internet................................................................... 108
Vorwort
Vorwort Der Roman Die Klavierspielerin zeigt ein Panorama zwischenmenschlicher Gewalt. Jelineks überzeichnete, bis ins Groteske gesteigerte Erzählung rückt die psychischen Folgeschäden des kleinbürgerlichen Kampfes um den gesellschaftlichen Aufstieg in den Mittelpunkt. In den Figuren der Klavierlehrerin Erika Kohut, deren Mutter und dem jungen Liebhaber Walter Klemmer porträtiert die Nobelpreisträgerin nicht pathologische Einzelfälle, denen man einen einfühlsamen Psychiater empfehlen würde, wenn sie zum eigenen Bekanntenkreis gehörten. Die drei Protagonisten sind vielmehr Typen, klischierte Sprach- und Charaktermasken, die in tradierten Rollenbildern gefangen sind. Trotz Zuspitzung und Übertreibung, Ironie und Satire ist der Roman im Kern realistisch: Die geschilderten Probleme und Menschentypen gibt es tatsächlich. Auch wir Leser sind möglicherweise oder partiell Teil der erzählten Welt. Aus eigener Erfahrung oder Beobachtung kennen wir solche Beziehungen, die sich im Schmerz erfüllen, in denen Menschen wie mit Gummibändern aneinandergekettet sind. Jelinek gestaltet diese realen Erfahrungen mit Mitteln, die den Anschein erwecken könnten, das Geschilderte sei irreal, also bloß erfunden. Die Satire hat aber die Tendenz, die Wirklichkeit zu verzerren, zu vergröbern: um sie kenntlich zu machen. Erika, die es nicht bis zur Weltspitze der Klavier-Solisten geschafft hat, ist in erster Linie eine Klavierlehrerin – und eben nicht jene Klavierspielerin, die der Titel des Romans von Elfriede Jelinek ankündigt. Der Titel spiegelt vor allem den Traum der Mutter wider, die mit körperlicher und vor allem seelischer Gewalt dafür sorgen wollte, dass ihre Tochter ganz oben steht und alle zu Erika – und damit auch zur Mutter – aufsehen müssen. Als Klavierlehrerin gibt Erika Kohut die Unterdrückung, die sie selbst seit ihrer Kindheit erfährt, an ihre Schüler weiter. Vorwort
Vorwort Das Mittel dieser Unterdrückung ist die Musik. Diese erscheint in doppelter Gestalt: Musik ist eine Kunst, die sich an die Sinne richtet, sie bewirkt Empfindungen. Diese Sinnlichkeit soll aber – für Erika – rein, geistig, ohne Makel und Schmutz des Leiblichen sein. Eine sinnenlose Sinnlichkeit ist ihr künstlerisches Ideal. „Kunst und Ordnung, die verfeindeten Verwandten.“ (S. 125), schreibt Jelinek in der Klavierspielerin. Um der reinen, angeblich hochwertigen Empfindung willen muss jedes Empfinden zuerst ausgeschaltet und zerstört werden. Das Üben am Klavier ist eine Bezwingung des Körpers und der Individualität von Heranwachsenden wie der jungen Erika Kohut, die sich immer drinnen disziplinieren muss, während sich ihre Altersgenossen draußen ausprobieren. Sie wird darüber zum emotionalen Krüppel. Beziehungen zwischen Menschen kann Erika nur noch in den Mustern von Über- und Unterordnung, Lehrer und Schüler, Herrschaft und Knechtschaft erleben. Aus Angst vor Selbstbestimmung flieht Erika in die Unfreiheit. Ihre zaghaften Versuche, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu artikulieren, werden verspottet oder von anderen mit Gewalt beendet. Sie entwickelt sexuelle Obsessio nen, die sich zwischen dem bloßen Zuschauen auf der einen und realen Schmerzen auf der anderen Seite bewegen. Weil Anführungszeichen im Roman fehlen, fließen personale und auktoriale Perspektive, die Stimme des Erzählers und die Gedanken der Figuren ineinander. Die gelegentliche Verwendung des Pronomens SIE in Versalien unterstützt dieses Verwirrspiel. Aus welcher Perspektive Urteile gefällt und Einschätzungen über die Romanfiguren formuliert werden, bleibt deshalb meistens offen. Daher gilt für diesen Roman in besonderer Weise, dass schon die Wiedergabe des Inhalts eine Interpretation ist. Der Autor dieser Erläuterungen hat sich deshalb bemüht, seine Lesart ausführlich mit dem literarischen Text selbst zu belegen.
Vorwort
1.1 Biografie
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk 1.1 Biografie Alle, die glauben, sie wüssten etwas über mich, wissen nichts. Jahr
Ort
Ereignis
1946
Mürzzuschlag/ Steiermark
Elfriede Jelinek wird am 20. 10. geboren. Ihre Mutter Olga Ilona stammt aus bescheidenen Verhältnissen und ist bereits 42 Jahre alt. Ihr Vater, der Beamte Friedrich Jelinek, ist 46. Er ist jüdisch-tschechischer Abstammung und musste im Krieg als Chemiker für die Nazis arbeiten. Wegen seiner kriegswichtigen Arbeit in der Rüstungsindustrie blieb ihm während des Nationalsozialismus aber die Verfolgung als Jude erspart. Besuch des Kindergartens und der Klosterschule Notre Dame de Sion. Musikunterricht (Klavier, Blockflöte, Geige, Gitarre, Bratsche). Der Vater erkrankt psychisch.
ab 1950 Wien
ab 1953 Wien
�
Alter
4
7
Elfriede Jelinek. Zitiert nach: Mayer, Koberg: Elfriede ��������� ��������� �������� ������ ������� �������� Jelinek, Schutzumschlag.
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
1956– 64
Wien
Besuch des Realgymnasiums für Mädchen in der Albertgasse/Albertgymnasium. Jelinek wird ins Konservatorium der Stadt Wien aufgenommen und studiert dort Orgel, Klavier, Blockflöte und später auch Komposition mit dem Ziel, Berufsmusikerin zu werden. Anzeichen einer psychischen Krise. Matura (Abitur). Psychischer Zusammenbruch. Studium der Kunstgeschichte und der Theaterwissenschaft an der Universität Wien. Abbruch des Studiums nach sechs Semestern. Erste Gedichte (Lisas Schatten, erscheint 1967). Jelinek bleibt psychisch krankheitsbedingt ein Jahr lang in ihrem Elternhaus. Ihr erster Roman bukolit entsteht (veröffentlicht 1979). Ihr Vater erkrankt an Alzheimer und wird in ein Pflegeheim gebracht. Tod des Vaters in einem psychiatrischen Krankenhaus.
ab 1960 Wien
1964
Wien
1964– 67
Wien
1968
Wien
Mai 1969
Alter 10– 18 14
18 18– 21
22
22
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
1969
1970 1971
Wien
1972
Berlin
Januar– Rom März 1973 1974 Wien
1975 1979
Graz
1983
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
Ereignis
Alter
Auszug aus dem Elternhaus. Lyrik- und Prosapreis der österreichischen Jugendkulturwoche in Innsbruck; Lyrikpreis der Österreichischen Hochschülerschaft. Ihr Romandebüt wir sind lockvögel baby! erscheint. Organisten-Diplom des Wiener Konservatoriums „mit sehr gutem Erfolg“. Umzug nach Berlin, Krimi-Kolumne im SFB. Aufenthalt in Olevano bei Rom.
23
Beitritt zur KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs). Eheschließung mit Gottfried Hüngsberg, damals Mitarbeiter des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder. Der Roman Die Liebhaberinnen erscheint. Uraufführung ihres ersten Dramas Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte. Der Roman Die Klavierspielerin erscheint.
28
24 25
26 26
29 33
37
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
1986
Köln
Jelinek erhält als erste Frau den Heinrich-Böll-Preis. Der Roman Lust erscheint und wird ein Bestseller. Drehbuch für die Verfilmung von Ingeborg Bachmanns Roman Malina. Austritt aus der KPÖ. Georg-Büchner-Preis für „die vielstimmige Kühnheit ihres erzählerischen und dramatischen Werks“2 (siehe auch Kapitel 5, Materialien). Die Verfilmung des Romans Die Klavierspielerin von Michael Haneke mit Isabelle Huppert in der Rolle der Erika Kohut wird in Cannes mehrfach ausgezeichnet. Literaturnobelpreis für „den musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees
1989 1990
1991 1998
Wien Darmstadt
2001
2004
Stockholm
Alter 40 43 44
45 52
55
58
2 http://www.deutscheakademie.de/urkundentexte/buechner/1998.html (Stand: Oktober 07).
10
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
2007
Ereignis enthüllen“3. Jelinek kommt nicht zur Preisverleihung, sondern schickt eine Rede4. Zum dritten Mal (nach 1993 und 1998) „Dramatikerin des Jahres“.
Alter
61
3 http://nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2004/index.html (Stand: Oktober 07). 4 Nachzulesen unter http://nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2004/jelinek- � lecture-g.html (Stand: Oktober 07).
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
11
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Kurze Geschichte Österreichs Das Kaiserreich Österreich, das 1804 nach dem Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gegründet und 1867 in die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie umgewandelt wurde, war ein Vielvölkerstaat. Nach dem Ersten Weltkrieg, während dessen Österreich auf Seiten des Deutschen Kaiserreichs gekämpft hatte, wurde Österreich eine Republik. In den 1930er Jahren kopierte das Regime Elemente des faschistischen Italiens und des nationalsozialistischen Deutschlands: Aufmärsche, die Einheitsorganisation Vaterländische Front, das autoritäre Führungsprinzip, das Verbot der Parteien. Dennoch hatte Österreich eine viel mildere Diktatur, den sog. Austrofaschismus: Austrofaschismus Zahlreiche von den Nazis verfolgte Menschen, vor allem Schauspieler und Schriftsteller, suchten zwischen 1934 und dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich im Jahr 1938 in Österreich Zuflucht. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht, der vielerorts vom Jubel der österreichischen Bevölkerung begleitet wurde, begann der Terror des Nationalsozialismus. Mit dem Kriegsende 1945 und der Niederlage des Großdeutschen Reiches wurde Österreich als unabhängiger Staat wiederhergestellt. 1955 erhielt die Republik Österreich – anders als die BRD und die DDR – ihre volle staatliche Souveränität zurück. Als Gegenleistung dafür musste die Zweite Republik ihre „Immerwährende Neutralität“ erklären und in der Verfassung festschreiben. Ab 1960 wurden vor allem in der Türkei und in Jugoslawien sogenannte Gastarbeiter angeworben, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Viele leben mit ihren
12
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Familien heute in der zweiten und dritten Generation im Land. Ihr Anteil an der österreichischen Bevölkerung beträgt heute etwa 10 %. Viele Österreicher, Bürger wie Politiker, wollten sich als erstes Opfer des Nationalsozialismus sehen, obwohl Hitler mit Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung den „Anschluss“ herbeigeführt hatte. Die Beteiligung an den Verbrechen des Dritten Reiches wurde auch deshalb lange Zeit kaum aufgearbeitet. Erst 1991 bekannte Bundeskanzler Franz Vranitzky im Nationalrat ausdrücklich eine Mitverantwortung der Österreicher an den Verbrechen des Nationalsozialismus. Musikstadt Wien Wien nennt sich selbst die „Welthauptstadt der Musik“ und verfügt über eine lange und vielfältige Musikkultur. Viele berühmte Komponisten haben in dieser Stadt gelebt und gearbeitet: im 18. und 19. Jahrhundert die Vertreter der Wiener Klassik Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven, in jüngerer Zeit die Zweite Wiener Schule um den Schöpfer der Zwölftontechnik Arnold Schönberg. 1938 wurde die „Musikschule der Stadt Wien“ gegründet, die 1945 als „Konservatorium der Stadt Konservatorium Wien“ wiedereröffnet wurde. An der heutigen Privatuniversität studieren ca. 850 Studierende in 15 Studiengängen. Gut ein Drittel davon stammt nicht aus Österreich. Viele der Absolventen nehmen international hervorragende Positionen als Solisten, Kammermusiker oder Orchestermusiker ein – oder sie arbeiten als Musiklehrer.
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
13
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken
1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken Formen und Themen Elfriede Jelineks Werk ist umfangreich: Es umfasst Prosa, Lyrik, Dramatik, Hörspiele, Drehbücher und Opernlibretti. Mythos und Sprache, Geschlecht und Ökonomie sind Jelineks zentrale Themen: Im Anschluss an Roland Barthes’ Mythen des Alltags (1957; dt. 1964) versucht die Autorin, kleinbürgerliche Lebenslügen zu entlarven. Unter Mythos versteht Jelinek dabei eine zu Klischee und Stereotyp erstarrte Wirklichkeit. Der Gegenstand ihrer Ideologiekritik ist die Sprache, ihr Mittel die Durchbrechung sprachlicher Klischees. Ich schreibe ja nicht über reale Personen, sondern über Personen, wie sie sich als Sprachschablonen oder Sprachmuster materialisieren. Das, was ich kritisiere, ist immer die Sprache. Während sich ihre Texte zuerst vor allem gegen die kapitalistische Ökonomie, das Patriarchat und die zum Teil selbst verschuldete Unmündigkeit der Frauen richteten, verurteilt sie seit den 1980er Jahren zunehmend die unbewältigte nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs. Immer wieder kam es in der Folge von Uraufführungen ihrer Stücke und Veröffentlichungen ihrer Romane zu Skandalen. Der fremdenfeindlichen, nationalistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) um Jörg Haider gilt Elfriede Jelinek als Nestbeschmutzerin. Im Wahlkampf des Jahres 1995 erklärte die FPÖ neben anderen progressiven oder sozialdemokratischen Mitgliedern des Kulturbetriebs auch Elfriede Jelinek mit einer öffentlichen Plakat
14
Elfriede Jelinek im Gespräch mit Riki Winter. In: Bartsch, Höfler (Hrsg.): Elfriede ��������� �������� ��� ��������� ���� ����� �������� ���� ��������� ������� ��������� Jelinek, S. 13. Im �������������� April 2005 wechselte Haider von der FPÖ zur gerade gegründeten rechtspopulistisch-natio���������� ����������� ���� ���� ���� ������� ������������ ������������������������� nalkonservativen Partei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ).
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken aktion zu einer kulturlosen Hassfigur: „Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk … oder Kunst und Kultur?” Diese Entgegensetzung erinnert stark an das Schlagwort von der „Entarteten Kunst“, unter dem die deutschen Nationalsozialisten viele Künstler der Moderne verfolgten. Neben ihren literarischen Arbeiten hat sich das Enfant terrible des deutschsprachigen Kulturbetriebs in Essays zu literarischen, gesellschaftlichen und politischen Themen geäußert. Ihre Kritik an der reaktionären österKritik an der reaktionären reichischen Gesellschaft, an der kapiösterreichischen Gesellschaft talistischen Ökonomie und ihr Kampf für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ziehen sich auch durch diese Texte. Frühwerk Wichtige Themen ihres späteren Werks sowie ihre spezifische Arbeitsweise, die Aufnahme und Verdrehung von Phrasen aus der Werbung und der Kulturindustrie, aber auch von lyrischen Vorbildern, zeigen sich in Ansätzen bereits in Jelineks Frühwerk. Die ersten Texte von Elfriede Jelinek waren Gedichte. 1967 erschien ihr Lyrikband Lisas Schatten, dem Marlies Janz heute nur noch „dokumentarisches Interesse“ zugesteht. Der damaligen Mode entsprechend knüpft Jelineks Frühwerk an die literarische Avantgarde des 20. Jahrhunderts an: den Expressionismus, den Surrealismus und Dada. Der AvantgarAvantgardismus dismus galt der experimentellen Wiener Gruppe um H. C. Artmann als antifaschistisches Programm. Vom Symbolismus über den Expressionismus, Surrealismus, Dadaismus bis hin zur Pop-Art und experimentellen Poesie hat Jelinek damals so ziemlich alles zusammengeklaubt, was ihr als modern und
http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761594994/Jelinek_Elfriede.html (Stand Oktober 2007). �������������������������������������������������������������������������������������������� Marlies Janz: Elfriede �������� ������ Jelinek, S. 1
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
15
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken avantgardistisch erscheinen mochte. Dabei handelt es sich nicht, wie in den späteren Werken, um programmatisch eingesetzte Zitate, sondern um oft ungewollt komische Nachahmungsversuche, etwa in den häufigen Selbststilisierungen zu einem ›weiblichen Rimbaud‹. Die Liebhaberinnen (1975) Der Roman Die Liebhaberinnen, 1975 noch in durchgängiger Kleinschreibung erschienen, erzählt von den geringen Lebensmöglichkeiten zweier Akkordarbeiterinnen in einer Miederwarenfabrik auf dem Land. Den Frauen erscheint die Eheschließung mit einem Mann als der einzige Weg in eine sichere Zukunft. Die Näherin Brigitte gibt sich dem Elektroinstallateur Heinz hin, um ihn durch Schwangerschaft zur Ehe zu zwingen, die ihr den gesellschaftlichen Aufstieg garantiert. Ihr Plan gelingt, die beiden werden mit einem Elektrogeschäft wohlhabend. Die 15-jährige Paula hingegen, die bei einer Schneiderin lernt, gerät an den Waldarbeiter Erich, der sie schlägt und das Geld vertrinkt. Paula prostituiert sich, um sich die erträumte Zukunft dennoch zu verdienen. Als Erich dies erfährt, lässt er sich scheiden. Paula muss daraufhin in der Miederwarenfabrik arbeiten gehen, der Brigitte entkommen ist. Jelinek zerstört damit den Trivialmythos von Liebe und Familienidyll, der durch Heftchenromane und das Fernsehen verbreitet wird. Die Ausgesperrten (1980) Der Roman Die Ausgesperrten, den Jelinek schon 1979 als Hörspiel veröffentlicht hatte, erschien 1980 und wurde 1982 verfilmt. Ein authentischer Fall diente als Material. Jelinek beschreibt einen Familienmord im Wien der 1950er Jahre. Eine Jugendbande überfällt nachts Passanten. Der Vater des Anführers Rainer ist der ehemalige Nazi Witkowski, der einbeinig aus �
16
Ebd. ����
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken dem Krieg zurückgekehrt ist und seine politische Gesinnung nie aufgegeben hat. Seinen Machtverlust kompensiert er durch die Misshandlung seiner Familie. Schließlich erschießt Rainer seine Zwillingsschwester, seine Mutter, seinen Vater und sich selbst. Clara S. (1982) Zentrale Motive der Klavierspielerin scheinen bereits in der musikalischen Tragödie Clara S. auf, die 1982 uraufgeführt wurde. Jelinek hat hier die Biografie der Pianistin Clara Schumann (1819–1896) in die Zeit des italienischen Faschismus verlegt. Clara muss durch Klavierkonzerte für den Unterhalt ihrer Familie sorgen. Ihr Mann, der Komponist Robert Schumann, ist geisteskrank und war einige Zeit in einer Irrenanstalt. Clara und Robert sind bei dem Dichter Gabriele D’Annunzio (1863–1938) zu Gast, der Claras Tochter Marie zu sexuellen Handlungen nötigt. Eingeschränkt durch ihren eifersüchtigen, chauvinistischen Ehemann denkt Clara über ihre Weiblichkeit nach, über ihre Kindheit und die Beziehung zum Vater, ihre Karriere und ihre Ehe. Als Robert gegen seine Frau gewalttätig wird, erwürgt sie ihn. Am Ende steigert sich Clara mit wahnsinnigem Klavierspiel in den Tod. Lust (1989) Lust, 1989 erschienen und 200 000 Mal verkauft, löste als obszöner „Antiporno“ einen Skandal und Fehlinterpretationen aus. Der Rezensent der FAZ fasst den Inhalt des Romans so zusammen: Elfriede Jelinek hat einen Porno geschrieben, was zunächst ja auch für Frauen erregend sein könnte. Die Handlung ist, wie bei diesem Genre zu erwarten, schnell erzählt; im Grunde ist es auf rund 250 Seiten eine Aneinanderreihung von Vorwänden, um von einer Stellung zur anderen, einem Abspritzen zum nächsten zu rattern.10 10 FAZ, 17. 03. 2002, S. 25.
1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
17
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken Gerti muss ihrem Ehemann Hermann, dem Besitzer einer Papierfabrik, mehrmals täglich für Sex zur Verfügung stehen, seit er aus Angst vor AIDS nicht mehr zu Prostituierten gehen will. Gertis Leben in einem Provinznest ist öde. Sie flüchtet in Alkoholismus und nutzt das Einkaufen als Ersatzbefriedigung. Sie lernt den Jurastudenten Michael kennen, der sie demütigt, indem er sie vor den Augen seiner Freunde vergewaltigt. Nachdem Gerti von Michael und dann wieder von ihrem Mann vergewaltigt wurde, erstickt sie ihren schlafenden Sohn, das zukünftige Ebenbild seines Vaters. Durch vielfältige Sprachspiele, durch die Dekomposition sprachlicher Bilder, Wortneuschöpfungen, Slogans, biblische Zitate, geschäftssprachliche Floskeln und Kommentare wird die vom Titel geweckte Erwartungshaltung durchkreuzt. Die Entstehung sexueller Erregung beim Leser wird so verhindert. Auch in dem Roman Lust nimmt Jelinek eine zugleich kapitalismuskritische und feministische Perspektive ein. Sie führt vor, dass die Selbstverwirklichung von Frauen einerseits am Primat der Ökonomie und andererseits an der Vorherrschaft der Männer scheitert. Elfriede Jelinek schreibt in ihrem Aufsatz „Der Sinn des Obszönen“: Die Lust soll nicht konsumiert werden wie kommerzielle Pornografie. Sie soll durch ästhetische Vermittlung sozusagen dem Leser ins Gesicht zurückschlagen. Der Zweck ist, dass man sich darin nicht wälzen kann wie ein Schwein in der Kuhle, sondern dass man blass wird beim Lesen. Es geht darum, Sexualität als etwas Politisches und nicht als etwas Unschuldiges zu begreifen, das einfach da ist.11
11 Zitiert nach: http://www.corpusweb.net/index.php?option=com_content&task=view&id=413& � Itemid=35 (Stand Oktober 07).
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1. Elfriede Jelinek: Leben und Werk
2.1 Entstehung und Quellen
2. Textanalyse und -interpretation 2.1 Entstehung und Quellen Elfriede Jelinek bezeichnet ihren Roman Die Klavierspielerin selbst als eine „eingeschränkte Biografie“12. Unübersehbar sind die biografischen Parallelen zwischen biografische Parallelen Erika Kohut und Elfriede Jelinek: Wie ihre Protagonistin war auch Elfriede Jelinek mit ihrer ehrgeizigen Mutter allein, nachdem der eigenbrötlerische alzheimerkranke Vater in die Psychiatrie eingeliefert worden war. Durch die Alzheimer-Krankheit war Friedrich Jelinek in den Augen seiner Tochter „von einem unglaublich klugen Menschen zum völligen Idioten geworden. Das verzeiht eine Tochter dem Vater nicht.“13 Wie Erika erhielt auch Elfriede bereits in der Volksschule (entspricht der deutschen Grundschule) Instrumentalunterricht. Bei offenem Fenster musste sie Stunde um Stunde ihr Klavierspiel perfektionieren. Jelinek studierte an jenem Wiener Konservatorium, an dem Kohut erst Schülerin und dann Klavierlehrerin ist. Jahrzehntelang lebten Mutter und Tochter Jelinek in wechselseitiger Abhängigkeit. Auch als die Tochter sich von der Musik abgewandt und der Literatur und dem Film zugewandt hatte, nahm Ilona Jelinek großen Anteil an der Karriere ihrer Tochter. Sie hielt Elfriede den Rücken frei oder half mit Geld aus. Elfriede Jelinek hatte kaum eine Sphäre, in die ihre Mutter nicht drang, und es gab für Ilona Jelinek nur ein Thema, ob vor Nachbarn oder Besuchern, und das war Elfriede. Ilona Jelinek lebte für und durch ihre Tochter. … Außenstehende beschreiben das 12 � Zit. nach: Mayer, Koberg: Elfriede ����� ������ ������� �������� Jelinek, S. 114 13 � Ebd., S. 125 ������ ��� ���
2. Textanalyse und -interpretation
19
2.1 Entstehung und Quellen Verhältnis als eine Mischung aus totaler Vereinnahmung und bedingungsloser Verehrung.14 Weil es Ilona Jelinek stets allein um den Erfolg der Tochter ging und der Roman Die Klavierspielerin ein großer Erfolg wurde, nahm Ilona Jelinek der Tochter den autobiografischen Roman nicht übel, obwohl sie zunächst entsetzt war. „Ihre Elfriede war nun dort, wo Ilona Jelinek sie immer hinhaben wollte – im Rampenlicht einer kunstinteressierten Öffentlichkeit.“15 Vergegenwärtigt man sich diese Ähnlichkeiten und Entsprechungen zwischen der Romanfigur Erika Kohut und dem Leben der Autorin Elfriede Jelinek, so kann man dem Urteil von Verena Mayer und Roland Koberg in ihrer Biografie der Autorin nur zustimmen: „In die Figur der Erika brachte Elfriede Jelinek ihr Leben in einem Maße ein, wie sie es in keinem anderen Buch getan hat.“16 Auf der anderen Seite muss man im Hinterkopf behalten, dass Elfriede Jelinek eine Schriftstellerin ist, die ihr privates Leben vor der Öffentlichkeit zu verbergen versucht. In dem Roman Die Klavierspielerin ist es die ironische Sprache, mit der sich die Autorin zugleich enthüllt und versteckt. Auch in Bezug auf ihren autobiografischen Roman gilt daher, was sie über jede private Auskunft sagt. Es waren „Äußerungen, aus denen man trotzdem über mich nichts erfuhr“17. Elfriede Jelinek hat Die Klavierspielerin mehrfach umgeschrieben, Szenen gestrichen und geändert. Nach Auskunft von Mayer und Koberg baute Jelinek die Figur des Walter Klemmer erst auf Anregung ihres Lektors Delf Schmidt aus und verwandelte so die Beschreibung eines selbstzerstörerischen Frauenduos in eine Dreiecksgeschichte.18 14 � 15 � 16 � 17 � 18 �
20
Ebd., S. 111 f. ������ ��� ���� �� Ebd., S. 127. ������ ��� ���� Ebd., S. 116. ������ ��� ���� Ebd. ���� Vgl. ebd., S. 116. ����� ������ ��� ����
2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe
2.2 Inhaltsangabe19 2.2.1 Erster Teil S. 7: In der Wohnung der Mutter und Tochter Kohut; Mutter verbietet Kleiderkäufe; Sparsamkeit; geplanter Kauf einer Eigentumswohnung Die Klavierlehrerin Erika Kohut lebt mit ihrer Mutter in einer gemeinsamen Wohnung, eingeschlossen unter einer „gläsernen Käseglocke“ (S. 17). Erika ist Ende dreißig, ihre Mutter ist verhältnismäßig alt: „Die Mutter könnte, was ihr Alter betrifft, leicht Erikas Großmutter sein.“ (S. 7) Erika ist nach 20-jähriger Ehe der Eltern geboren, ihr Vater ist seit ihrer Geburt verrückt (S. 17). Die Mutter behandelt ihre Tochter zeitlebens wie ein kleines Kind und betrachtet sie als ihren Besitz. Mehr noch: Sie beherrscht ihre Tochter, sie ist „Inquisitor und Erschießungskommando in einer Person“ (S. 7). Erika darf nur zum Arbeiten die Wohnung verlassen, muss auf jede Frage ihrer Mutter antworten und darf kein noch so unbedeutendes Geheimnis haben. – Erika hat sich nach dem Klavierunterricht verspätet, weil sie sich ein neues Kleid gekauft hat. Als die Mutter das Kleid entdeckt, entreißt sie es ihrer Tochter und beschimpft sie wegen dieser nutzlosen Geldverschwendung. Erika soll jeden Groschen für den geplanten Kauf einer Eigentumswohnung sparen. Das Kleid werde ohnehin bald unmodern sein.
19 ��� In der ����������������� vorliegenden Erläuterung ����������������� wird Die Klavierspielerin nach der Textausgabe des Rowohlt Taschenbuch Verlags, Reinbek bei Hamburg, 1986 u. ö., zitiert. Der Roman ist durch Leerzeilen in Abschnitte unterschiedlichen Umfangs untergliedert, die mit größeren Anfangsbuchstaben als gewöhnlich beginnen. An diesen Abschnitten ist auch die Inhaltsangabe orientiert.
2. Textanalyse und -interpretation
21
2.2 Inhaltsangabe Die Mutter will alles später. Nichts will sie sofort. (…) Dieses Kleid wird nicht schon nächstes Jahr, sondern bereits nächsten Monat außerhalb jeglicher Mode stehen. Geld kommt nie aus der Mode. (S. 8) Obwohl Erika durch ihre Anstellung als Klavierlehrerin einen Großteil des Haushaltseinkommens erarbeitet, während ihre Mutter nur eine kleine Rente bekommt, entscheidet die Mutter über die Ausgaben und ist Herrin im Haus. Denn sie erledigt allein die Hausarbeit, damit Erikas wertvolle Pianisten-Hände geschont werden. Es ist ein unfreiwilliges Wollen, aus dem heraus Erika meistens zu Hause ist und mit der Mutter fernsieht. Selbst wenn sie sich mit Kollegen trifft, ruft die Mutter dort zur Kontrolle an. Wegen des Verhaltens ihrer Mutter wird Erika von anderen Menschen zunehmend gemieden, was sie wiederum zu ihrer Mutter treibt. Als die Tochter noch eine Jugendliche war, hatte die Mutter mit Erika große Pläne: Sie sollte eine berühmte Konzertpianistin werden. Mittlerweile hat sich die Mutter damit abgefunden, dass es für die Spitzenklasse bei ihrer Tochter nicht reicht. Immerhin hat sie eine sichere Stelle als Klavierlehrerin am Konservatorium der Stadt Wien. In den Augen der Mutter ist es Erikas Eitelkeit, die ihr die große Karriere verdorben hat: „eingebildete männliche Liebe drohte mit Ablenkung vom Studium, Äußerlichkeiten wie Schminke und Kleidung reckten die hässlichen Häupter“ (S. 10). Die Mutter will ihrer Tochter die Eitelkeit austreiben, will sie „glattgehobelt“ (S. 11), und raubt ihr dazu immer wieder Kleidungsstücke aus dem Schrank. Während Erika ihrer Mutter regelmäßig die Haare färben muss, darf Erika die gelegentlich gekauften Kleider nie anziehen, weil die Mutter Angst davor hat, dass sich ein Mann
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe für ihre Tochter interessieren, sie schließlich heiraten und der Mutter damit ihr Eigentum entführen könnte. „Die Mutter fügt Erika lieber persönlich ihre Verletzungen zu und überwacht sodann den Heilungsvorgang.“ (S. 13) Erikas Kleider sind das einzige Mittel, durch das sie sich von ihrer Mutter abgrenzen kann: Die Mutter kann die Kleider selbst nicht anziehen, weil sie zu dick ist. Auch Erika zieht ihre Garderobe nicht an, sondern will sie nur besitzen, berühren und anschauen. Für die Mutter ist dieses Bedürfnis der Tochter eine verbotene Eitelkeit. Als sie bemerkt, dass die Mutter wieder ein Kleidungsstück aus Erikas Schrank entfernt und vermutlich verkauft hat, geht sie auf die Mutter los und reißt ihr an den Haaren. Dadurch kämpft sie auch um ihre Selbstbehauptung, um die Abgrenzung von der Mutter, um ein bisschen Privatsphäre. Am Ende weinen beide und Erika bemüht sich sofort wieder um die Zuneigung ihrer Mutter. „Sie beschimpft die Mutter als gemeine Kanaille, wobei sie hofft, dass die Mutter sich gleich mit ihr versöhnen wird.“ (S. 12) Um der Versöhnung willen gibt sich Erika geschlagen. Der Friede zwischen Mutter und Tochter wird dadurch besiegelt, dass die Mutter über mögliche Konkurrentinnen von Erika schimpft. Sie fordert ihre Tochter auf, als Lehrerin ihren Schülern das Fortkommen zu erschweren und so mögliche Konkurrenten auszuschalten. „Du selbst hast es nicht geschafft, warum sollen es jetzt andere an deiner Stelle und auch noch aus deinem pianistischen Stall erreichen?“ (S. 13) Die Mutter redet Erika ein, dass sie etwas ganz Besonderes sei und deshalb weder Freunde noch einen Mann haben dürfe, die ihre Einzigartigkeit verändern würden. „Bleibe lieber nur du selber, sagt die Mutter zu Erika. Die Mutter hat Erika schließlich zu dem gemacht, was sie jetzt ist.“ (S. 17) Es ist also die eigene Erhöhung, die die Mutter mit der Überhöhung ihrer 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Tochter bezweckt. Außerdem hat sie Angst vor dem Alleinsein. „Wir bleiben ganz unter uns, nicht wahr, Erika, wir brauchen niemanden.“ (S. 17) Erika schließt sich als folgsames Kind unkritisch der Meinung ihrer Mutter an. Obwohl sie keine eigene Geschichte, kein eigenes Leben hat, nennt Erika sich selbst eine „Individualistin“ (S. 16), deren Ziel – unter Berufung auf Beethoven – die „Humanität“ (S. 16) sei. Sie leidet darunter, dass sie nicht aus ihrer eigenen Individualität große Musik erschafft, sondern nur eine Interpretin der Werke anderer Komponisten ist. Aber das Interpretieren will sie wenigstens besser machen als andere. S. 18: Straßenbahnfahrt der Schülerin Erika Rückblende: Die Schülerin Erika betritt mit Musikinstrumenten und Notenbüchern beladen die Straßenbahn. Mit ihrem sperrigen Gepäck führt sie absichtsvoll einen erbitterten Kampf gegen die übrigen Fahrgäste: Sie schubst und stößt, rempelt und kneift, denn sie hegt Abscheu gegen die anderen. „In der Straßenbahn sieht SIE jeden Tag, wie sie nie werden möchte.“ (S. 19) Den Menschen in der Bahn erscheint sie als hochmütig. Und tatsächlich ist Erika angewidert von den übellaunigen, zornigen Fahrgästen, die vom nächsten Alkoholrausch träumen: „Land der Alkoholiker.“ (S. 23) Dennoch traut niemand der jungen Musikerin die Angriffe zu. Weil sie nicht spricht, wird sie für taubstumm gehalten. Erikas Verhalten ist mit ihrer eigenen Vorstellung von ihrem Platz in der gesellschaftlichen Hierarchie unvereinbar: „Drängeln ist unter IHRER Würde, denn es drängt der Mob, es drängt nicht die Geigerin und Bratschistin.“ (S. 23) Und dennoch will Erika den anderen Menschen lustvoll Schmerzen zufügen. Sie will die unbedarft kunstbeflissenen Fabrikanten und Akademiker, die sich in den Philharmonien am angeblich edlen Leiden der
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2.2 Inhaltsangabe großen Komponisten ergötzen, bei alltäglichen Bahnfahrten real verletzen. Erika fühlt sich hoch erhoben über ihre Mitmenschen, „die unwissende Mehrheit“ (S. 26). Erika meint, dass nur sie über Musik nachdenken und sprechen dürfe, weil sie sich durch eigenes Leiden die Berechtigung dazu erworben habe. Ihr feiner Geschmack fühlt sich durch die Vulgarität und Unkultiviertheit ihrer Mitmenschen beleidigt, dafür bestraft Erika sie in der Straßenbahn. Überhaupt ist ihr jeder intime Kontakt zwischen Menschen und schon jedes Hineindenken in den anderen zuwider, denn sie kennt nur die Eingriffe ihrer Mutter, die fortwährend Erikas Innerstes formen will. Die Mutter schraubt, immer ohne vorherige Anmeldung, IHREN Deckel ab, fährt selbstbewusst mit der Hand oben hinein, wühlt und stöbert. Sie wirft alles durcheinander und legt nichts wieder an seinen angestammten Platz zurück. Sie holt etliches nach kurzer Wahl heraus, betrachtet es unter der Lupe und wirft es dann weg. Anderes wieder legt sich die Mutter zurecht und schrubbt es mit Bürste, Schwamm und Putztuch ab. (S. 25) Für Erikas Leid ist die Kunst kein Trost: Für Erika ist die Musik ein Teufelskreis, da sie das Leid mit sich bringt, das sie lindern soll. Dabei wird die ganze Kunst SIE nicht trösten können, obwohl der Kunst vieles nachgesagt wird, vor allem, dass sie eine Trösterin sei. Manchmal schafft sie allerdings das Leid erst herbei. (S. 27) S. 27: Erikas Kindheit und Jugend; sie wird Klavierlehrerin; Walter Klemmer; Ferien bei der Großmutter Von Anfang ihres Lebens an formt die Mutter Erika zur Künstlerin. Sie zwingt sie mit Verboten zu Feinheit und Reinheit. Als Musikerin soll die Tochter Geld verdienen und von den
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2.2 Inhaltsangabe „Durchschnittsmenschen“ (S. 27) bewundert werden. Erika soll sich auf keinem Erfolg ausruhen, sie soll sich bis zur Weltspitze der Pianisten hochkämpfen. Und die Konkurrenz schläft nie – wie die Mutter ihrer Tochter ununterbrochen vor Augen hält. Deshalb flankiert sie den Aufstiegskampf ihrer Tochter mit Intrigen und der Herabwürdigung insbesondere der männlichen Konkurrenten, vor denen sie beständig warnt. Sie ist fest von Erikas Genie überzeugt und lügt ihr vor, dass auch die Nachbarn von ihrem häuslichen Klavierspiel begeistert seien. Die zwanghafte Begeisterung der Mutter ist selbstsüchtig, denn sie hält sich selbst für den eigentlichen Grund des musikalischen Könnens ihrer Tochter, obwohl sie selbst von Musik nichts versteht. Mutter und Tochter sind wie durch einen Teufelspakt miteinander verbunden: Das Kind ist der Abgott seiner Mutter, welche dem Kind dafür nur geringe Gebühr abverlangt: sein Leben. Die Mutter will das Kinderleben selbst auswerten dürfen. (S. 30) Erika wird trotzdem keine weltbekannte Pianistin, was das Ideal der Mutter wäre. Bei einem wichtigen Abschlusskonzert der Musikakademie versagt Erika, ihr Stern beginnt zu sinken. Von der Mutter erhält sie dafür Ohrfeigen, ihre Lehrerin rügt die fehlende Konzentration. Erika und vor allem ihre Mutter müssen sich vom Traum eines Lebens als Konzertpianistin verabschieden und Erika wird Klavierlehrerin. Sie ist nun selbst Teil des Systems, mit dem Eltern ihre Kinder aus Eigennutz in Konservatorien und Musikschulen zur Kunst drängen, so wie sie selbst von ihrer Mutter „seit über dreißig Jahren“ (S. 36) dazu gezwungen wird. Die Grenze zwischen Begabten und den Nichtbegabten zieht Erika besonders gern im Laufe ihrer Lehrtätigkeit, das Aussor-
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2.2 Inhaltsangabe tieren entschädigt sie für vieles, ist sie doch selbst einmal als Bock von den Schafen geschieden worden. (S. 31) Nur die besten ihrer Schüler nimmt Erika ernst. Sie verachtet die Arbeiterkinder, für die das Klavierspiel ein Mittel des gesellschaftlichen Aufstiegs sein soll. Hier zeigt sich auch Erikas Herkunft aus dem Kleinbürgertum, das sich traditionell am Bürgertum orientiert und vom Proletariat abzugrenzen versucht. Während Erika Höchstleistungen fordert und über die richtige Interpretation eines Stückes spricht, wollen die meisten Schüler bei den regelmäßigen Prüfungen nur fehlerfrei bis zum Ende kommen. Das ist unter Erikas Würde. Eine Ausnahme bildet in diesem Zusammenhang der hübsche blonde Walter Klemmer. Eigentlich studiert er Elektrotechnik, doch statt sich um den Abschluss seines Studiums zu kümmern, verbringt er seine Tage im Unterricht der Lehrerin Kohut. Obwohl er selbst schon Werke von Schönberg spielt, hört er den Anfängern bei ihren Etüden zu. Der Grund dieses Übereifers ist seine Neigung zu der Lehrerin. Er macht ihr Komplimente und „wartet auf Winke“ (S. 33). Dass Klemmer sich in Erika verliebt habe, erkennt ihre Mutter sogleich, als sie Erika wieder einmal nach der Arbeit vom Konservatorium abholt, um zu verhindern, dass Erika sich elegante Kleidungsstücke kauft. Die Mutter spricht zu Erika von natürlicher Schönheit, welche keinen künstlichen Aufputz benötigt. Sie ist von alleine schön, Erika, was auch du bist. Wozu der ganze Tand? (S. 34) Mutter und Tochter leben in der Wiener Josefstadt im achten Bezirk, der als kleinbürgerlich und von alten Leuten bewohnt beschrieben wird. Gelegentliche Verbrechen in dem Stadtteil geben der Mutter einen Vorwand dafür, dass Erika sie nie
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2.2 Inhaltsangabe lange allein lassen darf. Mit Regenschutz und Wanderführer machen Mutter und Tochter am Wochenende gemeinsam Ausflüge zum Stadtrand. Die Naturerfahrungen werden von der Mutter romantisch verklärt: „wie zu Eichendorffs Zeiten, trällert die Mutter“ (S. 35). Diese beabsichtigte Idealisierung wird jedoch durch den Pragmatismus der Mutter der Lächerlichkeit preisgegeben: Kommt ein rieselndes Bächlein daher, wird daraus auf der Stelle frisches Wasser getrunken. Hoffentlich hat kein Reh hineingepisst. (S. 35) Beruflich hat Erika nicht mehr viel vor sich: Vielleicht bekommt sie vom Bundespräsidenten noch den Professorentitel verliehen, mit dem sie sich jetzt schon schmückt, ansonsten wartet sie auf ihre Pensionierung. Bis dahin wollen Mutter und Tochter eine Eigentumswohnung abbezahlt und ein Grundstück in Niederösterreich erworben haben. Dass die Mutter bereits gestorben sein könnte, bis Erika das Pensionsalter erreicht, kommt den beiden Frauen nicht in den Sinn. „Die Mutter wird bis dahin an die hundert sein, aber sicher noch rüstig.“ (S. 36) Ihre Jugend hat Erika mit ihrer Mutter auf dem Bauernhof der Großmutter verbracht. Als Erika in der Pubertät war, haben die beiden kaltherzigen „Giftmütter“ (S. 40) jeden Kontakt mit Männern verhindert. Freundinnen der Mutter und Nachbarn überwachen Erika wie Spione. Sie wird mit einem Studenten aus Graz gesehen und darf danach das Haus nicht mehr verlassen. Erika wächst in einem Nest auf, das ein Käfig ist: Der Habicht Mutter und der Bussard Omutter verbieten dem ihnen anvertrauten Kind das Verlassen des Horstes. In dicken Scheiben schneiden sie IHR das Leben ab, und die Nachba-
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2.2 Inhaltsangabe rinnen schnippeln schon an einer Ehrabschneidung herum. (S. 38) Auf der anderen Seite dieser allgegenwärtigen Kontrolle und Dressur wird Erika überhöht. „Auf das Brillieren ist sie dressiert worden. ... Sie weiß: sie ist besser, weil man ihr das immer sagt.“ (S. 38) Die Mutter dreht an ihrer Tochter herum wie der Klavierstimmer an den Wirbeln eines Flügels. Vor allem den Nachbarn wollen Mutter und Großmutter mit ihrem Wunderkind imponieren. „Sie sonnen sich jetzt schon in ihren eigenen Prahlereien, wie bescheiden das Kind geblieben sein wird, obzwar es eine weltumspannende Karriere gemacht hat.“ (S. 40) Tatsächlich beschweren sich Nachbarn und Sommergäste immer wieder über die Ruhestörung durch Erikas Klavierspiel, das sie sich wegen der absichtlich weit geöffneten Fenster der Kohuts anhören müssen. Ein Besuch ihres Cousins unterbricht Erikas Langeweile. Erika muss erleben, dass der Medizinstudent alles darf, was ihr verwehrt wird. Im Roman klingen zur Legitimation dieser Ungleichheit Verse aus Schillers Lied von der Glocke (1799) an, in denen ein traditionelles Familienbild mit einem tätigen Mann und einer „züchtige(n) Hausfrau“ geschildert wird. „Der Mann muss schließlich hinaus ins feindliche Leben, doch die Tochter muss derweil streben, sich an Musik überheben.“ (S. 42) Im Gegensatz zu Erika darf er sich und seinen Körper zeigen. In einer knappen Badehose spielt er mit den Mädchen aus dem Dorf, die sich im knappen Bikini dem zukünftigen Arzt anbieten, Federball und genießt die Bewunderung, die er erfährt: „Er braucht sie nur noch aufzuheben und zu verspeisen, dieser junge Sportler.“ (S. 43) In der Hoffnung, den jungen Mann zu gewinnen, lassen sie sich von ihm erniedrigen. Während sich ihr Cousin mit den Mädchen im Planschbecken amüsiert, übt
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2.2 Inhaltsangabe Erika Klavier hinter vergitterten Fenstern. Sogar ihre Mutter und die Großmutter bringt der Cousin mit seinen Faxen zum Lachen. Am Ende der festgesetzten Übungszeit will auch Erika an dem allgemeinen Spaß mit dem Cousin teilhaben. Sofort wird die Mutter übellaunig und misstrauisch. Als der Cousin seinen Ringergriff an Erika ausführt, kniet sie plötzlich vor ihm. Das weckt ihr sexuelles Begehren: Das rote Päckchen voll Geschlecht gerät ins Schlingern, es kreiselt verführerisch vor IHREN Augen. Es gehört einem Verführer, dem keine widersteht. … Der Burschi weiß nicht, dass er eine Steinlawine losgetreten hat bei seiner Cousine. Sie schaut und schaut. (S. 46) Erikas erste sexuellen Erfahrungen sind mit der Schaulust verbunden; Befriedigung erfährt sie nicht. Während der Cousin mit seinen Freunden am Abend im Garten beim Kartenspiel sitzt, fügt sich Erika in ihrem Zimmer mit einer Rasierklinge Verletzungen zu. Aus den vier Schlitzen auf ihrem Handrücken rinnt das Blut. S. 48: Besuch einer Peepshow Erika hat ihrer Mutter eine kleine Reise vorgetäuscht, sodass die Mutter ausnahmsweise nicht auf sie wartet. Erika verlässt das Konservatorium mit dem Vorsatz, etwas Besonderes zu erleben: Sie träumt davon, dass ein Mann sie verführt und überwältigt. „Erika möchte einen Meilenstein setzen in ihr doch recht eingleisiges Leben und den Wolf mit Blicken einladen.“ (S. 48) Während sie durch die Straßen streift, gibt sie sich unnahbar. „Erika hat alles an sich geschlossen, was da Verschlüsse hat.“ (S. 49) Sie fährt mit der Straßenbahn in einen Vorort, eine Wohngegend für schlechter gestellte Menschen. Hier leben Türken, Kroaten und Serben. Junge Leute fahren
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2.2 Inhaltsangabe Moped, eine Mutter schlägt ihr Kind. „Das Kind lernt die Sprache der Gewalt …“ (S. 50) Kleinwagen sind hier der Stolz einer ganzen Familie. Erika besucht eine Peepshow, die unter einer Brücke eingerichtet ist. Während oben alle zehn Minuten die Stadtbahn fährt, wechseln sich unten die Mädchen lustlos beim Ausziehen vor onanierenden Männern ab. Im angeschlossenen Sexshop gibt es Hefte, Gummipuppen und „Nylonwäsche mit vielen Schlitzen, die sich wahlweise vorne oder hinten befinden“ (S. 52). Erika ist eine der ganz wenigen weiblichen Kunden in diesem Laden. Vor der Dame mit Aktentasche und Handschuhen weichen die ausländischen Männer zurück. Erika setzt sich in eine der Kabinen, hebt ein Taschentuch voller Sperma vom Fußboden auf, hält es sich vor die Nase und betrachtet das Vorgehen auf der Bühne. Dabei bleibt sie nüchtern und kühl. Ihre Begierde ist vor allem auf das Schauen gerichtet, das Berühren wurde ihr von ihrer Mutter ausgetrieben. Erika hat keine Empfindung und keine Gelegenheit sich zu liebkosen. Die Mutter schläft im Nebenbett und achtet auf Erikas Hände. … Auch wenn Erika schneidet oder wenn sich sticht, spürt sie kaum etwas. (S. 56) Erika kann nichts dafür. Sie muss und muss schauen. Sie ist für sich selbst tabu. Anfassen gibt es nicht. (S. 58) Lust und Hingabe spielend, suggerieren die Frauen auf der Drehscheibe den Kunden Intimität. Die Männer in den Nachbarkabinen führen mechanisch und effizient ihre Ejakulation herbei. Am Abend beobachtet Erikas Mutter gerötete Wangen bei der Tochter und ist froh, dass es kein Fieber ist.
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2.2 Inhaltsangabe S. 60: Erika darf nie Kinder haben In Eisdielen und Tanzhallen beobachtet Erika Menschen in ihrem Alter. Erika macht nicht, was für Gleichaltrige selbstverständlich ist: Freunde zu treffen, sich zu schminken, zu frisieren und schön anzuziehen. Ihr Leben ist weit von dem der anderen entfernt. „Unermesslich schleppt sich der Müll zwischen IHR und DEN ANDEREN dahin.“ (S. 61) Von allem Normalen und Alltäglichen ist Erika abgeschirmt, auch weil sie unter der Kontrolle ihrer Mutter steht. „Und an IHREN Leitseilen zieht die Mutter kräftig.“ (S. 62) Erika macht das lebensunfähig. Nicht einmal im Spiel gelingt es ihr, sich eine normale Welt aufzu bauen. „Es gelingt ihr nicht einmal die Lego-Tankstelle, für die es eine ganz präzise Vorlage gibt.“ (S. 63) Da sie keinen Mann in ihre Nähe lassen darf, wird Erika nie selber Mutter werden. Eigene Kinder und das Klavierspiel schließen sich in Erikas Leben aus. „Die vielen Töne werden unter Zuhilfenahme der Atemluft von kleinen Kindern erzeugt. Es erfolgt keine Unterstützung von Seiten eines Klaviers!“ (S. 63) Traurigkeit und Neid auf junge Mütter schwingen in Erikas Gedanken mit. S. 63: Hauskonzert In der alten Patrizierwohnung einer Familie von polnischen Musikliebhabern musiziert Erika Kohut mit dem alten Dr. Haberkorn bei einem Hauskonzert. Kindern soll hier die Musik nahegebracht werden. Erika hat ihre Klavierschüler hinzitiert und mahnt sie mit demselben bösen Blick zur Ruhe, mit dem ihre Mutter Erika damals nach dem verpatzten Konzert bedacht hat. Jetzt weidet sich die Mutter an der Bewunderung, die ihre Tochter genießt. Auch Walter Klemmer ist Gast der Veranstaltung. Er beobachtet seine Lehrerin beim Klavierspiel und wägt ihre körperlichen Vor- und Nachteile ab. Er ist verliebt, betrachtet Erika aber nur als Einstieg in sein Liebesle-
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2.2 Inhaltsangabe ben. Mit der älteren, vermeintlich anspruchslosen Frau will er üben, was er für die jungen Frauen als Liebhaber braucht. Er träumt davon, die verschlossene Frau sexuell zu erwecken, ihr Lust auf ihren eigenen Körper zu machen. Fräulein Kohut, Sie denken, Ihr Äußeres ist Ihr Feind und die Musik allein Ihr Freund. Ja, schauen Sie doch in den Spiegel, dort drinnen sehen Sie sich, und einen besseren Freund als sich werden Sie niemals haben. (S. 69) Klemmer will sie dem geistigen Reich der Musik entreißen und ins Diesseits des körperlichen Lebens holen. Dabei erniedrigt er sie zugleich, nennt sie in Gedanken einen „formlosen Kadaver“ oder einen „schlaffe(n) Gewebesack“ (S. 69). Erika hält sich den Gästen des Kammerkonzerts für weit überlegen. „Heute einmal ist das Ausnahmesein von Erika keine Schuld, sondern ein Vorzug. Denn alle glotzen jetzt auf sie, auch wenn sie sie insgeheim hassen.“ (S. 71) Aus dieser Position blickt Erika herab auf die Mittelmäßigkeit ihrer Schüler, die nur mit Zwang dazu zu bringen sind, statt fernzusehen oder Sport zu treiben ein solches Konzert zu besuchen. „Der Herdeninstinkt schätzt ja überhaupt das Mittlere hoch ein. Er preist es als wertvoll.“ (S. 70) Als Walter Klemmer sich händeküssend bei seiner Lehrerin für das Konzert bedankt, verhindert Erikas Mutter sofort weitere Gesten der Freundschaft. Erika fühlt sich mit Klemmer geistig verbunden, sie sieht in ihm eine Ausnahme von der kulturellen Barbarei. Während Erika andere Gäste begrüßt, heftet sich Klemmer an ihre Fersen. Mit seiner Höflichkeit beeindruckt er sogar Erikas Mutter. Er bedauert, dass solche Hauskonzerte aussterben. Klemmer will mit seinem musikalischen Fachwissen und Geschmack beeindrucken, doch Erika fährt ihm über den Mund: „Enthalten Sie sich modischer Urteile, 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe bevor Sie nicht mehr davon verstehen, Herr Kollege Klemmer.“ (S. 73) Es folgt ein „Duett Kohut/Klemmer“ (S. 74), in dem sich die beiden selbstherrlichen Fachleute gegenseitig darin übertreffen („Molto vivace.“, S. 74), die anwesende Gesellschaft als dilettantisch abzuqualifizieren. Die Mittelmäßigkeit der Mittelschicht sei der Genialität der Musik nicht gewachsen. Bei diesem Einvernehmen lassen es die beiden jedoch nicht bewenden. Sie konkurrieren gegeneinander um das bessere Verständnis der Musik. Jeder von beiden denkt, er verstehe es besser als der andere, der eine wegen seiner Jugend, die andere wegen ihrer Reife. Abwechselnd überbieten sie einander in ihrer Wut auf die Unwissenden, Verständnislosen, hier sind zum Beispiel viele von ihnen versammelt. (S. 74) Erika hypostasiert die enge Verbindung der Musik mit dem Leiden, die sich bei den Komponisten Schubert und Schumann in deren Wahnsinn und frühen Tod gezeigt habe. Nur eigenes Leid könne deshalb eine ernstzunehmende Beschäftigung mit Musik legitimieren. Mit ihrem „geschundenen Herzen“ (S. 75), ihrem eigenen Leiden an der Verständnislosigkeit der Masse und am wahnsinnigen und schließlich im Irrenhaus gestorbenen Vater begründet Erika ihre Berechtigung, Musik zu interpretieren und über Musik zu reden. Zugleich bekennt sie sich vor Klemmer zu der Befürchtung, dass sie sich selbst verlieren, selbst wahnsinnig werden könnte. Mit dieser Zurschaustellung eigener Schwäche facht Erika die Verliebtheit ihres Schülers an. Nach dem Konzert bekommen die Künstler nach bester Gewohnheit Blumen. Für Erika ist es ein Triumph, dass sie mehr Sträuße erhält als die Sopranistin. Angebote von Bekannten, Mutter und Tochter Kohut mit den vielen Blumen nach Hause
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2.2 Inhaltsangabe zu fahren, lehnt die Mutter rigoros ab: „Wir nehmen keinen Gefallen an und erweisen auch selbst keinen.“ (S. 76) Walter Klemmer bietet sich an, die Damen zur Straßenbahnhaltestelle zu begleiten. Die Mutter ist wütend, nicht nur, weil sie hinter den beiden jungen Leuten hergehen muss, statt am Arm ihrer Tochter, sondern auch, weil sie in Walter Klemmer eine Gefahr für die Mutter-Kind-Symbiose sieht: „Heute nimmt ein hergelaufener junger Mann die Stelle der altbewährten Mutter ein, welche, zerknittert und vernachlässigt, die Nachhut bilden muss.“ (S. 77) Auch Erika fühlt sich von der sympathischen Vertrautheit mit Klemmer bedroht, dessen Geschlecht sie nicht als anders, sondern als „entgegengesetzt“ (S. 78) betrachtet. „Erika will in ihre Mutter am liebsten wieder hineinkriechen, sanft in warmem Leibwasser schaukeln.“ (S. 78) Erika erinnert sich an ihre drei bisherigen enttäuschenden Bekanntschaften mit Männern, die immer nach dem gleichen Muster verliefen: Zuerst wurde sie bewundert. Nachdem dann sexuelle Kontakte stattgefunden hatten, wurde sie vernachlässigt und bald verlassen. Sex hat sie nie als Erfüllung erlebt: „Erika spürt nichts und hat nie etwas gespürt. Sie ist empfindungslos wie ein Stück Dachpappe im Regen.“ (S. 79) Dennoch hat sie eigene Lust vorgetäuscht, „damit der Mann endlich wieder aufhört“ (S. 79). Zwar ahnt Klemmer nichts von Erikas vergangenen Erlebnissen, aber im Grunde hat er mit ihr vor, was sie schon erlebt hat (vgl. S. 67–69). Vorerst bleiben Klemmers Annäherungsversuche aber höflich und gesittet. Er erzählt von seiner Leidenschaft für den Sport. Nur daraus könne Freude und Gefühl für den eigenen Körper entstehen. Die Mutter lehnt Klemmers Einladung der Tochter zum Skifahren ab. „Wir ziehen uns im Winter lieber zeitig mit einem spannenden Krimi zurück. Wir ziehen uns überhaupt gern zurück, wissen Sie, wovor auch immer.“ (S. 83) 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe S. 84: Erika als Schülerin; Erfahrungen mit Beziehungen; Selbstzerstörung durch Schneiden Obwohl Erika eigentlich eine brave Musterschülerin ist, die sich nachmittags für die Musik aufopfert, ist sie auch bei den Lehrern unbeliebt. Wegen dieser Isolation kann Erika ihr Selbstbild nur für sich, nicht aber im Abgleich mit den Wahrnehmungen anderer entwickeln: Im Kern ist sie schön wie etwas Überirdisches, und dieser Kern hat sich von alleine in ihrem Kopf geballt. Die anderen sehen die se Schönheit nicht. SIE denkt sich schön und gibt sich im Geist ein Illustriertengesicht, das sie sich aufsetzt. Ihre Mutter würde es ihr untersagen. (S. 85) Erikas Bedürfnis nach Liebe bleibt unbefriedigt. Ihre Mutter flößt ihr die Auffassung ein, dass sie unscheinbar sei und deshalb nur durch musikalisches Können und Wissen beeindrucken könne. Weil sie haben will, was andere haben, und ihre Mutter jede Wunscherfüllung an die Beherrschung immer neuer Musikstücke knüpft, fängt Erika an zu stehlen. Statt es zu gebrauchen, wirft sie das Diebesgut weg, so wie sie später ihre heimlich und verbotenerweise gekauften Kleider nicht trägt, sondern in den Schrank hängt. Erika erzählt ihrer Mutter von einer 16jährigen Mitschülerin, die sich das Geld für Kleidung als Prostituierte verdient, nicht um das Mädchen vor seinem Schicksal zu bewahren, sondern um die Mutter zu erpressen. Statt eines Flanellkostüms erhält Erika aber nur die Erlaubnis, sich aus Lederresten in langwieriger Handarbeit eine Schultasche selbst zu nähen. Das schäbige Resultat wird von der Mutter wiederum als Bestätigung und Ausdruck der Einzigartigkeit und Individualität ihrer Tochter gewertet.
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2.2 Inhaltsangabe Erikas Männerbekanntschaften folgen einem furchtbaren Muster: Sie verliebt sich, der Geliebte interessiert sich für sie, wo rauf Erika mit Hochmut reagiert. Um die Aufmerksamkeit des ersten Geigers in einem unbedeutenden Orchester erneut zu wecken, fügt sich Erika bewusst eine Verletzung zu, damit er sie tröste. Das emotionale Prinzip, das ihr durch die Beziehung mit ihrer Mutter aufgezwungen wurde, ist auch Grundlage jeder anderen Beziehung, die Erika mühsam und vorsichtig eingeht: Unterordnung ist das einzige Schema, in dem Erika das Verhältnis zwischen Menschen erleben kann. Ein schwacher und zugleich selbstzerstörerischer Versuch der Gegenwehr gegen den von der Mutter geforderten Gehorsam sind die Verletzungen, die sich Erika mit der Rasierklinge des Vaters, ihrem „Talisman“ (S. 90), zufügt. Das Schneiden ist ihr Hobby. Nach Armen, Beinen und Händen ist auch die Scheide Ort ihrer Autoaggression. „SIE setzt sich mit gespreizten Beinen vor die Vergrößerungsseite des Rasierspiegels und vollzieht einen Schnitt, der die Öffnung vergrößern soll, die als Tür in ihren Leib hineinführt.“ (S. 90) Schmerzen bleiben dennoch aus. Die Selbstverstümmelungen sind Erikas verzweifelte Versuche, Zugang zu ihrem eigenen Körper, Zugang zu sich selbst zu bekommen und sich zugleich für andere – auch sexuell – zu öffnen. „Der Unterleib und die Angst sind ihr zwei befreundete Verbündete, sie treten fast immer gemeinsam auf.“ (S. 91) S. 92: Einlieferung des Vaters ins Sanatorium; Erika erwischt einen Klavierschüler vor einem Pornokino Lebensmittel sind voller Umweltgifte. Die modernen Mütter prüfen daher genau, was ihnen von den Gemüsehändlern angeboten wird. Das Schulmädchen Erika verabscheut dieses Bemühen, weil sie die Ängste nicht für sachlich begründet hält, sondern als ein Mittel der jungen Frauen auffasst, sich interessant zu machen. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Schon von klein auf hat Erika an der Natur vor allem die Vergänglichkeit wahrgenommen. Alles Körperliche hat sie deshalb abgelehnt, jede Annäherung auch von gleichaltrigen Mädchen hat sie schroff abgewiesen. Denn alles steht unter dem Verdacht, sie vom Weg zur Perfektion in der Musik abzubringen. An einem Frühlingssonntag bringen Mutter und Tochter Kohut Erikas verwirrten Vater in ein niederösterreichisches Sanatorium in Neulengbach. Der Schlachter, bei dem sie Stammkundinnen sind, chauffiert sie mit seinem grauen VW-Bus. Später kommt der Vater in das „staatliche Irrenhaus Am Steinhof“ (S. 96) im 14. Bezirk in Wien, wo er dann auch stirbt (vgl. S. 75). Das Sanatorium in Neulengbach dient ebenfalls „dem guten menschlichen Zweck der Irrenverwahrung und pekuniären Irrenverwertung“ (S. 96). Im Mittelpunkt stehen nicht die Menschen, sondern das Geschäft. Die Unterbringung ist teuer, aber dennoch lieblos, beinahe menschenverachtend. Davon profitieren die Betreiber des Heimes. Die Angehörigen der Patienten sind dennoch froh über die Unterbringung, weil andere Pflege-Einrichtungen noch schlechter ausgestattet sind. Die Patienten müssen sich so benehmen, dass sie wenig Platz verbrauchen, dem Personal möglichst wenig Arbeit machen und keine Kosten verursachen. Anderenfalls müssen die Angehörigen mit großzügigen Trinkgeldern für den Verbleib sorgen. Erikas Vater fühlt sich fremd im Sanatorium, obwohl er durch seine Frau an Verbote und Unterordnung gewöhnt ist. „Was er tut ist falsch, daran ist er freilich gewöhnt, von seiner Gattin her.“ (S. 99) Auf der Rückfahrt mit dem Fleischer betonen die Frauen Kohut, wie schwer ihnen der Schritt gefallen sei, „ein Glied der Familie“ (S. 100) in das Heim in Neulengbach einzuliefern. Zu Hause stellen sie erleichtert fest, dass sie nun mehr Platz für sich haben und endlich unter sich sind: „jeden beliebigen nimmt die Wohnung nicht auf, nur den, der hierher
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2.2 Inhaltsangabe gehört.“ (S. 101) Der „Störenfried ihrer Behaglichkeit“ (S. 99) ist aus dem Weg geräumt. Abgesehen von diesem Zwischenfall verläuft Erikas Leben gleichförmig: Sie weiß jeden Tag, dass der nächste Tag vor allem aus musikalischen Übungen bestehen wird. So sehr Erika sich vor der Welt verschließt, so sehr will sie wissen, „was in anderen Leben vor sich geht“ (S. 101), vor allem im Leben ihrer Klavierschüler. Außerhalb des Konservatoriums ist sie immer auf der Jagd und verfolgt ihre Schüler bei ihren Freizeitbeschäftigungen. Den Friseurbesuch einer Schülerin hält Erika dann abends ihrer Mutter vor, weil sie selbst nicht zum Friseur gehen oder überhaupt ihre Zeit außerhalb der Wohnung verbringen darf. Was Erika durch heimliches Beobachten weiß, das weiß sie, und was Erika in Wirklichkeit ist, ein Genie, das weiß keiner besser als ihre Mama, die das Kind von innen und von außen kennt. Wer suchet, der findet Anstößiges, auf das er insgeheim hofft. (S. 102) Eines Tages erwischt Erika einen ihrer Klavierschüler mit zwei Freunden, als diese in die Filmplakate eines Softpornos vertieft sind. Erika fährt die Jungen an. Ihr Schüler weiß, dass die Lehrerin ihm später schon alleine deshalb Vorwürfe machen wird, weil er in seiner Freizeit etwas anderes getan hat, als Klavier zu üben. Während der Schüler überlegt, ob sich seine Lehrerin in ihrem weiblichen Stolz verletzt fühlen könnte, weil er sich nackte Frauen angeschaut hat, betrachtet Erika ihn als einen „Aussätzige(n) der Lust“ (S. 104). In der nächsten Unterrichtsstunde hält sie ihm, um ihn zu demütigen, einen Vortrag darüber, dass das Werk Bachs, von dem der Schüler vorher ein Stück spielte, ein Bekenntnis zu Gott sei. Und Bilder von Frauen solle er mit Ehrfurcht anschauen, weil er selbst von 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe einer Frau geboren worden sei. Der Schüler gibt klein bei und beginnt – zur Zufriedenheit der Lehrerin – zu weinen. Erikas Finger zucken wie die Krallen eines ordentlich ausgebildeten Jagdtiers. Im Unterricht bricht sie einen freien Willen nach dem anderen. Doch in sich fühlt sie den heftigen Wunsch zu gehorchen. Dafür hat sie dann ihre Mutter zuhause. (S. 105) Erika fürchtet sich davor, dass ihre Mutter gebrechlich werden und sie deshalb nicht mehr beherrschen könnte. Wer sich dann zu ihrem neuen Herrscher aufschwänge, „der könnte ALLES von ihr bekommen … ihre Pfoten zucken dem letzten, endgültigen Gehorsam sehnsüchtig entgegen“ (S. 106). Von ihrer Mutter, die ihre Tage vor dem Fernseher verbringt, verlangt Erika das Recht auf ein Eigenleben. Sie sehnt sich nach einer widersprüchlichen Form von Freiheit, die „in einen Höhepunkt aller denkbaren Gehorsamkeiten einmünden“ (S. 108) soll. Sie möchte – auch körperlich – bezwungen werden. „Erika würde die Grenze zu ihrer eigenen Ermordung gern überschreiten.“ (S. 110) Nachdem Erika den Schüler zur Raison gebracht hat, besucht sie selbst das Pornokino, vor dem sie den Schüler ertappt hat. Sie sinniert über die Unterschiede zwischen Pornos in Vorstadt- und Innenstadtkinos. In den billigen Vorstadtpornos sind Schmerz und Lust eng miteinander verbunden, „Schmerz ist ..., in seiner höchsten Form, eine Art von Lust“ (S. 110). Der Liebesakt wird in Metaphern des Sports und der Arbeit zur Schau gestellt. Gerade durch die Künstlichkeit der im Pornofilm inszenierten Sexualität ist sie für Erika der Musik vergleichbar: „Erika ist darauf geeicht, Menschen zuzusehen, die sich hart bemühen, weil sie ein Ergebnis wünschen. In dieser Hinsicht ist der sonst so große Unterschied zwischen Musik und Lust eher geringfügig. Natur sieht Erika weniger
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2.2 Inhaltsangabe gern“ (S. 110). Sie kennt die Unterschiede zwischen den verschiedenen Genres der Pornografie und betrachtet die Filme wie eine Kunstkennerin. S. 112: Verhältnis von wildem Tier und seinem Dompteur Tiere der Wildnis brauchen in Gefangenschaft einen Dompteur, weil sie sonst orientierungslos sind und gewalttätig werden. Sie profitieren von der Dressur, weil sie sich nicht mehr um Nahrung bemühen müssen, sondern ihr Essen stückweise vorgelegt bekommen. Dadurch verliert ihr Leben aber auch jedes Abenteuer. In der Manege führen sie abends lächerliche Kunststücke in lächerlicher Kostümierung auf. Obwohl man die Tiere zu vielem bewegen kann, hat noch nie jemand die Idee gehabt, „einen Leoparden oder eine Löwin mit einem Geigenkasten auf den Weg zu senden.“ (S. 113) Dem Leser wird mit dieser Allegorie die Deutung nahegelegt, dass Erika ein solches gebändigtes Raubtier ist, dem die Musik eigentlich wesensfremd ist, weil sie Erikas verborgener wilder Natur entgegensteht.
2.2.2 Zweiter Teil S. 115: Annäherung zwischen Klemmer und Erika Vor allem die erwachsenen Schüler zeigen einen leidenschaftslosen Fleiß, um die staatliche Klavierprüfung zu bestehen. Walter Klemmer hört sich die Stunden anderer Schüler jedoch nicht wegen möglicher Lerneffekte an, sondern um in der Nähe der Klavierlehrerin zu sein. „Sie soll es nicht bemerken, aber auf einmal wird er direkt in ihr sein.“ (S. 115) Von ihren südkoreanischen Schülern verlangt Erika, dass sie die Musik mit eigenen Empfindungen interpretieren und nicht berühmte 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Klaviervirtuosen wie Alfred Brendel zu imitieren versuchen. Erika glaubt, dass die Koreaner nur deshalb in den fremden Kulturkreis eindringen, um damit in ihrer Heimat protzen zu können. Während Klemmer sich Erika anzunähern versucht, von gemeinsamer Abendgestaltung redet und die Sinnlichkeit der Musik preist, bleibt Erika kühl: „Die Lehrerin rät zu solider Technik, dieser weibliche Geisttöter.“ (S. 117) Nach dem Unterricht entsteht dennoch eine erotische Spannung zwischen Klemmer und Erika. Sie würde gerne unwiderstehlich für ihn sein. Er soll ihr nachgieren, er soll sie verfolgen, er soll ihr zu Füßen liegen, er soll sie unaufhörlich in seinen Gedanken haben, keinen Ausweg vor ihr soll es für ihn geben. (S. 118) Gerade gegenüber dem jungen, sportlichen, gesunden Mann kommt sich Erika jedoch alternd und krank vor. Das macht ihr Angst. Vielleicht ist dies der letzte, der ein Verlangen nach mir hat, denkt Erika in Wut, und bald bin ich tot, nur fünfunddreißig Jahre noch, denkt Erika im Zorn. (S. 119) Die Einzigartigkeit der Musik liegt für Klemmer gerade darin, dass sie sich der Beschreibung entzieht. Daraus ergibt sich ein an Nietzsche orientiertes Weltbild, in dem der künstlerische Schein über dem realen Sein, die Lüge über der Wahrheit steht. So wie Klemmer seine Lehrerin durch Gespräche über Musik endlich erobern will, so sieht auch Erika den Schüler nur als Spielball ihrer eigenen Wünsche. Sie sehnt sich nach langer innigster Umarmung, um ihn sodann, ist die Umarmung vollbracht, königlich von sich zu stoßen, diese großartige Frau. (S. 120)
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2.2 Inhaltsangabe In musikalischen Metaphern streiten Klemmer und Erika um ihre Beziehung. „Diese Erika, diese Erika fühlt nicht, dass er in Wahrheit nur von ihr redet, und natürlich von sich selbst!“ (S. 122) Klemmer versucht Erika unter Verweis auf Beethoven und Schubert zu beweisen, dass sie sich ins Reich der Sinne begeben müsse. Erika sehnt sich weg von ihm nach Hause, zu ihrer Mutter, vor den Fernseher. Sie sei mehr für das Durchgeistigte, die schwierige, undramatische Musik Schumanns. Erika beendet das Gespräch mit Klemmer, der sich mit seinem Liebeskummer auf die Herrentoilette flüchtet und ins Waschbecken spuckt, weil er seinen Samen nicht in der Lehrerin loswird. Er trifft dort auf einen anderen Schüler, der sich aus Prüfungsangst und Nervosität übergibt. Klemmer verachtet den Kollegen, für den das Klavierspiel ein Versuch gesellschaftlichen Aufstiegs aus kleinbürgerlichen Verhältnissen ist. Doch auch diese Herablassung tröstet nicht seine enttäuschte Zuneigung zur Lehrerin. Er plant für den nächsten Tag eine Paddeltour in der Steiermark, um sich abzulenken. Er eilt nach Hause zu seinen Eltern und wird dabei von Erika verfolgt, denn auch sie ist in den Schüler verliebt. „Vielleicht ist doch einer von ihnen für den anderen gemacht, und der andere muss das nach Kampf und Hader einsehen.“ (S. 131) Während sie Klemmer nachläuft, denkt Erika an die Mutter, die auf sie wartet und wegen ihrer Verspätung schimpfen wird. S. 132: Erika beobachtet ein Liebespaar im Prater Die Beschreibung des Vergnügungsparks im Wiener Prater zeigt, dass die Fressbuden und Fahrgeschäfte eigentlich kein Vergnügen sind. Die Kinder stören ihre Eltern, die Plastikpuppe, die ein Mann seiner Verlobten schießt, ist nur dazu geeignet, der enttäuschten Frau später zu zeigen, „wie viel sie ihrem Freund früher einmal wert gewesen ist“ (S. 133). Schießen die 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Männer an den Buden daneben, betrinken sie sich, verprügeln und vergewaltigen ihre Frauen. Im Rest des Parks zeigen Menschen beim Reiten und beim Golfspiel ihren Wohlstand. Nachts befindet sich hier der Praterstrich, auf dem junge Männer und ältere Frauen ihre Körper verkaufen. Gelegentlich werden hier Prostituierte ermordet. Manche Männer versuchen, die Prostituierten um ihren Lohn zu bringen, weil sie das Geld zum Abbezahlen der Raten für ihr kleinbürgerliches Leben brauchen. Obwohl die „Jugoslawen“, „Türken“ und „Schlosser“ die Frauen ablehnen und verachten, suchen sie die Prostituierten zum „Abspritzen“ (S. 135) auf, denn sie haben „Sehnsucht nach Abwechslung hinsichtlich der weiblichen Vagina“ (S. 135). Die eigenen Frauen oder Verlobten werden schlecht behandelt: „anspruchslos veranlagt, verlangt sie von ihm nicht viel. Sie bekommt noch weniger und merkt es kaum.“ (S. 136) Im Park werden auch gestohlene Kleider, elektrische Geräte und Zigaretten verkauft. In unauffälliger Aufmachung und mit Wanderschuhen bekleidet streift Erika ohne Angst mit einem Nachtglas durch die Praterauen. Sie ist auf „Schausuche“ (S. 144). Die Mutter glaubt, dass sie bei einem Kammerkonzert ist. Mit dem Feldstecher sucht Erika nach Liebespaaren. Schließlich versteckt sie sich in demselben Gebüsch, in dem eine „betrunkene Standardfrau“ mit einem Türken (S. 143) schläft. Sexualität ist hier kein Gleichklang, sondern ein Kampf. Erika wird Zeugin davon, dass Mann und Frau weder beim Sex noch sonst dasselbe wollen. „Beide Geschlechter wollen immer etwas grundsätzlich Gegensätzliches.“ (S. 144) Die Frau bittet um Langsamkeit, damit auch sie zum Höhepunkt kommen kann. Der Mann stößt wie eine Maschine oder wie im Akkord immer schneller und heftiger in die Frau. Obwohl Erika nur zuschauen will, stellt sie sich vor, als Dritte an dem Geschlechtsverkehr teil-
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2.2 Inhaltsangabe zunehmen. Sie stößt an Zweige und weiß selbst nicht, ob sie absichtlich auf sich aufmerksam macht. Der Türke hört das Geräusch und sucht nach dem ungebetenen Zuschauer. Die Frau macht ihm Vorwürfe, dass er sie allein lässt. „In der Liebe schon ist die Frau nicht recht auf ihre Kosten gekommen, jetzt will sie nicht auch noch ermordet werden.“ (S. 148) Weil Erika in ihrem Versteck vor Aufregung pinkeln muss, wird sie beinahe von dem Türken entdeckt. Dann läuft er seiner sich entfernenden Geliebten nach. S. 151: Die Mutter wartet auf Erika Nach ihrem voyeuristischen Ausflug in den Prater zwingt sich Erika schon auf dem Heimweg von diesem leidenschaftlichen Erlebnis wieder zur Vernunft. Mit dem Taxi kommt sie an der Volkshochschule Urania vorbei, in der sie selbst gelegentlich Vorträge über Liszt oder Beethoven hält. In der Musik Liszts seien Gefühl und Form Gegensätze, während sie in den Sonaten Beethovens harmonierten, meint Erika. Zu Hause wartet Erikas Mutter wütend, weil sie „noch immer allein mit sich“ (S. 154) ist. Sie beginnt, Erikas Kleiderschrank zu durchwühlen und die Kleider in die Luft zu werfen: „Diese Kleider sind der Mutter Indizien für Egoismus und Eigensinn.“ (S. 154) Auf der anderen Seite ist ein altes Konzertkleid von Erika für die Mutter ein Symbol des großen Erfolgs als Konzertpianistin, den sich die Mutter gewünscht und den die Tochter nicht errungen hat. In ihrer Wut auf die sich verspätende Tochter zerschneidet die Mutter das Kleid. „Die Mutter zerschneidet ihre eigenen Träume gleich mit dem Kleid.“ (S. 154) Schließlich löst „das Stadium der Angst den Zustand der Wut“ (S. 155) ab, sie ruft die Polizei und Krankenhäuser an und fragt vergeblich nach ihrer Tochter. Zur Strafe drapiert sie die Stofffetzen zum Schluss auf Erikas Fernsehliege. Kurz befürchtet 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe sie, dass ein erotisches Treffen mit Walter Klemmer der Grund für die Verspätung der Tochter sein könnte. Als Erika nach Hause kommt, entwickelt sich ein Kampf zwischen Mutter und Tochter. Sie beschimpfen sich, schlagen aufeinander ein, heulen und ziehen sich an den Haaren. Die Spuren dieses Kampfes wird Erika beim morgigen Unterricht verstecken müssen. Während Erika sofort einschläft, liegt die Mutter noch lange wach, weil sie nicht verstehen kann, dass die Tochter nach diesem Streit sofort einschlafen kann, wo sie sich doch sonst noch lange aussprechen und wieder versöhnen. S. 161: Attentat auf eine Schülerin aus Eifersucht Walter Klemmer schaut Erika bei einer Probe mit einem Kammerorchester zu. Sie wird eifersüchtig, als Klemmer andere Schülerinnen vertraulich begrüßt. Die kurzen Röcke und hübschen Gesichter der Mädchen wiegt sie in Gedanken mit ihrer eigenen geistvollen Art auf. Die Geistlosigkeit der Schülerinnen würde Klemmer gewiss schnell langweilen. „Erika denkt: wenn Klemmer sich so tief hinunterbegeben will, soll er es bitte tun, doch ich werde ihn dabei nicht begleiten. Ihre Haut kräuselt sich vor Eifersucht wie Feinkrepp.“ (S. 162) Gleichzeitig will Erika verhindern, dass Klemmer ihre Zuneigung bemerkt. Doch Klemmer spürt bereits, dass die Lehrerin seinen Liebesavancen nach einem Jahr fortgesetzter Werbung zunehmend aufgeschlossen gegenübersteht, dass „es Vorzeichen für das sichere Wanken und Weichwerden der insgeheim Geliebten gibt“ (S. 163). Diese Vorzeichen bestehen vor allem in Ambivalenz. „Sie macht sich rar und bedeutet Klemmer gleichzeitig, dass sie ihn von Anfang an als Einzigen hier überhaupt bemerkt hat.“ (S. 164) Für Klemmer ist es die Atmosphäre der Schule, die eine Annäherung verhindert. „Ihr
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2.2 Inhaltsangabe Schüler/Lehrerinverhältnis wird festzementiert, ein Geliebter/ Geliebteverhältnis rückt in weitere Fernen denn je.“ (S. 166) Erika träumt hingegen bereits von gemeinsamen Reisen mit Klemmer, der im Konservatorium den Ruf eines Frauenhelden pflegt. Nachdem Klemmer einem Mädchen zugezwinkert hat, verlässt Erika die Probe. Getrieben von Eifersucht und tief verletzt durch Klemmers Flirts rennt Erika durch die Probenräume bis in die Waschräume. Sie zerbricht ein Glas und steckt die Scherben ein. Sie will die Glassplitter der Flötistin – einem der Mädchen, mit denen Klemmer vertraulich umgegangen ist – in die Manteltasche füllen, damit es sich die Hände zerschneidet. In Gedanken überhöht sie ihr primitives Attentat: „Erikas Geist wird über die Vorzüge des Leibes siegen.“ (S. 169) Während sie selbst wegen ihrer Mutter nie kurze Rücke tragen durfte, hat die Flötistin „ihren Walter Klemmer mittels weithin sichtbarer Schenkel aufgeheizt“ (S. 170). Bei aller Ambivalenz der Gefühle und trotz der Konkurrenz um Über- und Unterlegenheit in ihrer Annäherung haben Erika und Walter eine große Gemeinsamkeit: Ehrgeiz (S. 171). Als die Proben beendet sind und die Schüler sich umziehen, geht Erikas Plan auf: Die Schülerin schneidet sich die Hand an den Scherben auf, die Erika ihr in die Manteltasche gesteckt hat. Schüler holen Hilfe, andere wollen nur glotzen. Einer vermutet eine Selbstverstümmelung, mit der sich das Mädchen interessant machen wolle. Ein anderer vermutet – ganz richtig – ein Attentat aus Eifersucht. Falsche Beschuldigungen setzen ein. Unerkannt verlässt Erika den Schauplatz, Klemmer geht ihr nach.
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2.2 Inhaltsangabe S. 174: Sex zwischen Erika und Klemmer im Toilettenraum Erika verlässt den Tatort, nicht aus Furcht vor Entdeckung, sondern weil sie vor Aufregung pinkeln muss. „Sie will nichts als sich in einem langen, heißen Schwall aus sich herausschütten.“ (S. 175) Sie geht zu einem entfernten Toilettenraum für Schüler. Sie blickt ins stinkende, verdreckte Jungenpissoir. Vor dem Fenster entdeckt sie als Fassadenverzierung ein Emblem, das ein Mädchen bei der Handarbeit und einen Jungen beim Lösen wissenschaftlicher Aufgaben zeigt, ein „steinernes Mahnmahl sozialdemokratischer Bildungspolitik“ (S. 176). Im Toilettenraum der Mädchen, der ebenso dreckig ist, sind Gucklöcher in die Sichtschutzwände der Kabinen gebohrt worden. Während Erika auf dem Klo sitzt, betritt Walter Klemmer mit eindeutigen Vorsätzen den Raum: Sein Wunsch ist, dass sie sich von ihren Hemmungen endlich befreien möge. Sie soll ihre Persönlichkeit als Lehrerin ablegen und einen Gegenstand aus sich machen, den sie ihm dann anbietet. … Klemmer ist jetzt ein Konkordat aus Bürokratie und Gier. Einer Gier, die keine Grenzen kennt und, erkennt sie sie doch, nicht respektiert. … Weiter kann Erika gewiss nicht flüchten, in ihrem Rücken befindet sich nur mehr massives Mauerwerk. Er wird Erika Hören und Sehen vergessen machen, nur ihn allein darf sie hören und sehen. … Sie soll als freier Mensch vor Klemmer hintreten, der bereits über alles informiert ist, was sie insgeheim will. (S. 177) Die Rollen von Lehrerin und Schüler sind in dieser sexuell aufgeladenen Situation vertauscht: „Erika ist Lehrerin und gleichzeitig noch ein Kind. Klemmer ist zwar Schüler, aber gleichzeitig der Erwachsene von ihnen beiden.“ (S. 178) Weil Erika nicht auf seine Rufe reagiert, stellt sich Klemmer auf
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2.2 Inhaltsangabe einen Eimer, guckt schamlos und fordernd über die sehr niedrige Wand von Erikas Kabine und schließt auf. Erika leistet keinen Widerstand, sie wartet auf Klemmers Befehle: „Gemäß dem Anlass gibt sich Erika als Person sofort auf.“ (S. 178). In seiner Leidenschaft geht Klemmer eher brutal als liebevoll vor: „Er wühlt in Erikas Innereien herum, als wollte er sie ausnehmen, um sie auf neue Art zuzubereiten“ (S. 179). Klemmer will sich auch für die lange Zurückweisung rächen, er benimmt sich wie ein Tier. Erika genießt die Scham, die sie in der Situation empfindet. Dann übernimmt sie die Kontrolle. Sie masturbiert Klemmers Penis, er soll aber die Hände von ihrer Scheide lassen. Er soll sich auf sie und nicht auf sein erigiertes Geschlechtsteil konzentrieren. Obwohl Klemmer durch Erikas Bemühungen in Ekstase gerät, ist ihm unwohl dabei, dass er selber nichts mehr tun soll. Erika nötigt ihn mehrfach zu schweigen und teilt ihm mit, „dass sie ihm in Zukunft alles aufschreiben werde, was er mit ihr anfangen dürfe“ (S. 183). Sie geht absichtlich grob mit Klemmers Penis um. Bevor er ejakuliert, hört Erika auf und verbietet ihm, sich selbst zu befriedigen. Er soll einfach vor der Lehrerin stehen bleiben, bis sie ihm etwas Gegenteiliges befiehlt. Sie möchte die körperliche Veränderung an ihm studieren. Sie wird ihn nun nicht mehr berühren, wovon er ganz überzeugt sein kann. Herr Klemmer bittet zitternd und wimpernd. … Sein Schwanz schrumpft dabei im Zeitlupentempo ein. (S. 184) Wollte Klemmer eigentlich Erika beherrschen, so ist es am Ende er, der gehorchen muss. Mit heruntergelassener Hose muss Klemmer in der offenen Klotür stehen. Für Erika ist dieser Anblick die Krönung ihres Voyeurismus. Je mehr sich Klemmer in die Rolle des Opfers fügt, desto mehr verkrampft 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe sich Erika wieder. Als Klemmer die Toilette und die Schule verlässt, ist er wieder der Überlegene. S. 187: Veränderungen bei Erika; Erika und Klemmer in der Wohnung von Erika und ihrer Mutter Nach dem sexuellen Erlebnis im Toilettenraum des Konservatoriums fühlt sich Erika verändert: Sie ist plötzlich von Gefühlen beherrscht. Mit den musikalischen Leistungen ihres Schülers ist sie fortan nicht mehr zufrieden, denn Klemmer ist im Unterricht durch die „Nicht-Geliebte“ (S. 187) in seinem Rücken abgelenkt. Beide sehnen sich nach etwas Ähnlichem und finden doch nicht zueinander: Walter Klemmer wünscht sich, sie auf den Hals küssen zu dürfen. Er hat das noch nie getan, aber oft davon gehört. Erika wünscht sich, ihr Schüler möge sie auf den Hals küssen, doch sie gibt ihm nicht den Einsatz dafür. … Vielleicht ist es für Erika noch nicht zu spät, ein neues Leben zu beginnen. (S. 188) Erika lässt Tiraden voller Hass auf den Schüler los und wirft ihm seine Jugend, sein gutes Aussehen und seine Oberflächlichkeit vor. Sie misst Klemmer an dem armen, hässlichen, alkoholkranken Schubert, der nicht einmal ein Klavier besessen habe. „Wie ungerecht, dass Klemmer lebt und nicht genug übt, während Schubert tot ist.“ (S. 190) Auch Erikas musikalische Gewissheiten sind erschüttert. Klemmer bemerkt eine Veränderung in Erikas Musikauffassung, denn plötzlich stelle sie das Unnennbare, Unfassbare der Musik über die Spieltechnik. Doch die Streitereien um die Musik sind nur Scheingefechte. „Lehrerin und Schüler kochen vor Liebe und begreiflicher Sehnsucht nach noch mehr Liebe.“ (S. 192) Dabei ist Erika bewusst, dass ein bedeutender Altersunterschied zwischen ihr und Klemmer besteht.
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2.2 Inhaltsangabe Nach dem Unterricht gibt Erika Klemmer einen Brief, in dem sie ihm den von ihr gewünschten Fortgang ihrer Beziehung beschreibt. Auch hier zeigt sich ein Unterschied zwischen den beiden. Ihren Brief darf Klemmer nicht sofort lesen. Klemmer will das nächste Wochenende mit Erika verbringen, worüber Erika entsetzt ist. Sie vertröstet ihn, er erinnert an ihr Alter. Zwischen Klemmer und Erika spult sich einerseits das „Thema junger Mann und alternde Frau“ (S. 194) ab, andererseits besteht für Klemmer der „nie verblassende Reiz, dass sie immerhin seine Lehrerin ist!“ (S. 195) Er gefällt sich in der Überlegenheit seiner Jugendlichkeit und seines körperlichen Reizes, woraus sich für Erika eine Position der Abhängigkeit ergebe. „Streitgespräche, in denen er Sieger bleibt, werden sich von nun an häufen, weissagt er der Geliebten.“ (S. 195) Klemmer will Erika erobern, er will sie als Trophäe, dann wird er sie – schon wegen ihres Alters – fallen lassen. „In diesem Fall: spätere Heirat ausgeschlossen.“ (S. 196) Klemmer verlangt von Erika als „Liebesprobe“ (S. 196), den folgenden Unterricht ausfallen zu lassen und mit ihm zu gehen. Erika will nicht, Klemmer versucht sie mit Appellen an ihre Ehre als Künstlerin umzustimmen. Die großen Künstler hätten Reglementierungen immer überwunden. Klemmer ist bewusst, dass Erikas Mutter ihren Treffen im Wege stehen wird, und schlägt vor, für Schäferstündchen ein kleines Zimmer zu mieten. Als Klemmer gegangen ist, lässt Erika das erste Mal in ihrer Laufbahn eine Unterrichtsstunde ausfallen, indem sie Kopfschmerzen vorgibt. Auf dem Weg nach Hause fühlt sich Erika eingeklemmt zwischen ihrer Mutter und Klemmer. Einer Beißzange gleich, werden ihre beiden auserwählten Lebenspartner sie umschließen, diese Krebsscheren: Mutter und Schüler Klemmer. Beide gemeinsam kann sie nicht haben, aber
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2.2 Inhaltsangabe auch nicht einen allein, weil ihr der andere Teil sofort schrecklich abginge. (S. 200) Unbemerkt wird sie von Klemmer verfolgt. Während sie so durch die Stadt laufen, denkt Erika an eine gemeinsame Zukunft mit Klemmer und ihrer Mutter (S. 203), während Klemmer sich ausmalt, wie er endlich mit Erika schläft und sie „besitzt“ (S. 204). Erika gibt sich nun viel Mühe mit ihrem Äußeren, sie durchlebt eine „Metamorphose“ (S. 206), um Klemmer zu beeindrucken. Sie zieht jetzt die Kleider an, die sie früher auf Druck der Mutter nur im Schrank hängen hatte, kauft Accessoires und schminkt sich übertrieben. Die Mutter beklagt die Ausgaben und die Eitelkeit der Tochter. Auch dem Naturburschen Klemmer missfällt Erikas Kleidung. Im Treppenhaus von Erikas Haus holt Klemmer Erika ein. Klemmer fordert ein Treffen zu zweit, Erika verweist auf ihren Brief, den Klemmer noch nicht gelesen hat. Die beiden liebesmäßig miteinander verzahnten Leute täuschen sich noch vor Beginn der Kampfhandlungen in dem, was sie voneinander wollen, und in dem, was sie voneinander bekommen werden. (S. 208) Während Erika noch immer Angst vor ihrer Mutter hat, wünscht sie sich, dass Klemmer sie erlöst und „jahrealte Versteinerungen“ (S. 209) aufweicht. Sie träumt davon, von Klemmer beherrscht zu werden, um dadurch ihn zu beherrschen. Denn nach ihrer Vorstellung gerät Klemmer in ihre Hand, wenn sie sich ihm ergibt. Erika klingelt und ihre Mutter fordert sofort, dass Klemmer verschwinden soll. Erika führt Klemmer an der zeternden Mutter vorbei in ihr Zimmer, das nicht abschließbar ist. Damit die Mutter nicht herein kann,
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2.2 Inhaltsangabe stellen Erika und Klemmer eine Kredenz vor die Tür. Die Mutter sieht kommen, dass Klemmers Verliebtheit vergehen wird. Sie vermutet, dass er eigentlich nicht die Tochter, sondern Geld wolle. Sie überlegt sogleich, dass sie die Tochter für den Besuch von Klemmer dadurch strafen wird, dass sie androht, ins Altenheim zu gehen. Außerdem will sie beim abendlichen Fernsehen schweigen. Sie versucht ihre Tochter und Klemmer, die im verbarrikadierten Zimmer sitzen und reden, zu belauschen. Die Mutter versteht aber nichts, und so geht sie ins Wohnzimmer und betrinkt sich mit Likör. S. 215: Erikas Brief an Klemmer; Sehnsucht nach Schmerz und Demütigung Hinter der verbarrikadierten Tür von Erikas Zimmer sind Erika und Klemmer nun allein. Das Kräfteverhältnis zwischen den beiden hat sich nach Erikas Machtübernahme in der Schülertoilette des Konservatoriums nun wieder zugunsten Klemmers verschoben, denn Erika ist in dem Zimmer seine Gefangene. Alleine könnte sie den Schrank nicht von der Tür wegbewegen. Und Erika genießt diesen Zustand: Sie will nur Instrument sein, auf dem zu spielen sie ihn lehrt. Er soll frei sein, sie aber durchaus in Fesseln. Doch ihre Fesseln bestimmt Erika selbst. Sie entscheidet, sich zum Gegenstand, zu einem Werkzeug zu machen; Klemmer wird sich zur Benützung dieses Gegenstands entschließen müssen. (S. 216) Den Brief, den Erika Klemmer im Konservatorium gegeben hat, hat Klemmer noch nicht gelesen. In diesem Brief beschreibt Erika detailliert, wie Klemmer ihr körperliche Gewalt antun soll. Zugleich sehnt sie sich nach einer Liebe Klemmers, die Gewalt ausschließt. Sie fordert deshalb, dass er ihren Brief endlich lese, und hofft dennoch, „dass ihr erspart bleibe, was sie in 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe dem Brief verlangt“ (S. 216). Während Erika erst – in Anspielung auf Fontanes Roman Irrungen, Wirrungen (1888) – „nach einer Irrung und nach Wirrnissen geliebt werden“ (S. 216) will, will Klemmer keine Briefe lesen, sondern zur sexuellen Hauptsache kommen: „Jetzt sind wir einmal allein, fangen wir an!“ (S. 217) Immer wieder hält er ihr vor Augen, dass sie als Frau für seine sexuelle Erregung zuständig sei. „Man muss sich als Frau eben abwechslungsreich zubereiten können.“ (S. 217) Schließlich liest er Erikas Brief, um endlich zu seinem sexuellen Ziel zu kommen. Er ist entsetzt, „als Mensch kann er sie jetzt nicht mehr recht sehen“ (S. 218), denn Erika verlangt, dass er sie fesselt, mit Stricken und Ketten zusammenschnürt. „Er soll ihr seine Knie dabei in den Leib bohren, bitte sei so gut.“ (S. 219) Klemmer beginnt zu lachen, weil er Erikas Bedürfnis nach Schmerzen nicht ernst nehmen kann. Mehr noch: Erika wird ihm ernsthaft unheimlich. Seine Grenzen beginnen da, wo Schmerzen empfunden werden. „Erika wünscht, dass Walter Klemmer an ihr eine Quälerei vollzieht. Klemmer will an Erika keinerlei Quälerei vollziehen“ (S. 226). Er hält Erika für verrückt, für einen „klinischen Fall“ (S. 221). Klemmer ist irritiert davon, dass Erikas Wunsch, von ihm überwunden und bezwungen zu werden, ein Versuch ihrer Befreiung ist: Hat er recht verstanden, dass er dadurch, dass er ihr Herr wird, ihrer niemals Herr werden kann? Indem sie bestimmt, was er mit ihr tut, bleibt immer ein letzter Rest von ihr unergründlich. (S. 219) Was Klemmer neben allem Abscheu von Erikas Vorschlägen abhält, ist die Überzeugung, dass er von ihren Schmerzen nichts hat. Und so begründet er seine Ablehnung dieser Wünsche damit, dass das Zufügen von Schmerzen seiner Vorstel-
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2.2 Inhaltsangabe lung von Liebe widerspräche: „Ich liebe dich so sehr, spricht Klemmer, dass ich dir niemals weh tun könnte, nicht einmal um den Preis, dass du es wünschst.“ (S. 223) Während Erikas Mutter draußen gegen die Tür hämmert, bittet Erika Klemmer mehrfach darum, dass er sich nicht um die Mutter kümmere. Klemmer unterbricht immer wieder die Lektüre des Briefes, in dem Erika ihre Qualen gedanklich minutiös vorwegnimmt, detailliert schildert und Anleitungen zu ihrer Realisierung gibt, und will endlich Körperlichkeit. „Lesen ist kein Ersatz, flucht der Mann unflätig.“ (S. 228) Doch mit zunehmender Lektüre gerät Klemmer in den Bann von Erikas Fantasien: „Stimmt es wirklich, wie es hier steht, dass sie ihm die Zunge in den Hintern stecken muss, wenn er rittlings auf ihr sitzt.“ (S. 229) Als Klemmer den Brief zu Ende gelesen hat, wünscht sich Erika eine gefühlsmäßige Antwort von ihm, doch er straft sie mit Schweigen. Erika schlägt einen erotischen Briefwechsel vor, dessen Anfang ihr Brief gewesen sei. Erika rudert zurück und wünscht sich Zärtlichkeit. „Die Frau sehnt sich, dass er sie heftig küsst und nicht schlägt.“ (S. 232) Und doch bleibt sie dabei, dass Klemmer Macht über sie bekommen soll. Ihre Wünsche sind ambivalent: Sie wünscht sich innigst, dass er, anstatt sie zu quälen, die Liebe in der österreichischen Norm an ihr tätigt. Wenn er sich leidenschaftsmäßig an ihr ausließe, stieße sie ihn mit den Worten: zu meinen Bedingungen oder gar nicht zurück. (S. 234) Klemmer beschimpft und verspottet Erika und gibt seiner Verachtung Ausdruck. Er erklärt die Liebesbeziehung für beendet und verlässt grußlos die Wohnung.
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2.2 Inhaltsangabe S. 235: Erika vergewaltigt ihre Mutter Erika legt sich nach der Auseinandersetzung mit Klemmer in ihrem Zimmer zu ihrer von Likör betrunkenen Mutter ins Ehebett, in dem der einzige Geschlechtsverkehr zwischen ihren Eltern stattgefunden hat und wo sie auch für gewöhnlich schläft. Die Mutter erwacht und droht Erika Konsequenzen ihres ungezogenen Verhaltens an, „zum Beispiel ein eigenes Bett für Erika!“ (S. 236) Erika küsst wild auf die Mutter ein, die sich wehrt, doch Erika ist stärker. „Erika saugt und nagt an diesem großen Leib herum, als wollte sie gleich noch einmal hineinkriechen, sich darin verbergen.“ (S. 237) Die Mutter schlägt auf Erika ein, um sich gegen Erikas Liebessturm zu wehren. Sie ist entsetzt über die Perversion der Tochter und hält sie für verrückt. Bei dem Kampf hat Erika das Schamhaar ihrer Mutter sehen können, worüber sie sehr glücklich ist. Schließlich schlafen die beiden Frauen – wie gewohnt – dicht an dicht ein. S. 239: Erika zerrt Klemmer in die Besenkammer; unbefriedigt gehen sie auseinander Obwohl Klemmer durch Erikas Bedürfnis nach Qual anscheinend abgestoßen war, ist er nun doch beeindruckt, weil Erika ihre Grenzen zu überschreiten bereit ist. Er erwägt die Chancen eines solchen Abenteuers mit Erika für sein eigenes Leben. Nachdem er gegenüber Erika erklärt hatte, dass Schmerz und Liebe für ihn unvereinbar seien, sieht er die Geschichte nach einigen Tagen Bedenkzeit als Prüfung, die er stolz ablegen will, „er wird sie vielleicht beinahe töten!“ (S. 240) Sein sportlicher Ehrgeiz ist durch Erika erneut angestachelt: „jetzt möchte er ein Hochleistungsgeliebter werden, die Frau fordert ihn dazu heraus.“ (S. 241)
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2.2 Inhaltsangabe Um Erika zu strafen und herauszufordern, bleibt er dem Klavierunterricht unentschuldigt fern und besucht stattdessen die benachbarte Klarinettenklasse, darauf hoffend, „dass die Frau ihm daraufhin schamlos nachstellt“ (S. 240). Tatsächlich erscheint Erika dort nach mehreren Tagen in neu gekaufter teurer Wanderausrüstung, um mit ihm die versprochene Wanderung zu unternehmen. „Erika hat den Plan, sich dem Mann in winzigen Gabelbissen zuzuteilen.“ (S. 243) Weil Klemmer zwar sexuelles Interesse hat, aber sein Judo-Training nicht versäumen möchte, schlägt er vor, „es an Ort und Stelle zu tun“ (S. 244). Erika zerrt Klemmer in eine Besenkammer, sinkt vor ihm auf die Knie und küsst ihn, umgeben von dem Gestank der Putzmittel. Die demütige Pose seiner Lehrerin ist Klemmer unangenehm. Während Erika dabei grenzenlose Hingabe verspricht und ihre Liebe erklärt, hält sich Klemmer zurück. „Erika beschreibt, wie weit sie unter diesen oder jenen Umständen gehen möchte, und Klemmer plant doch höchstens einen Rundgang durch den Rathauspark im mäßigen Tempo.“ (S. 245) Erika ist für Klemmer eine Liebeslawine, der er nicht gewachsen ist. Er hat Angst. „Er fürchtet sich vor den so lang ungelüfteten Innenwelten dieser Klavierlehrerin. Sie wollen ihn ganz verzehren!“ (S. 246) Er wird panisch, als sein Penis nicht steif wird. Ungeschickt ahmt Erika Handlungen nach, die sie aus den Pornofilmen kennt, aber „Klemmer kann nicht, weil er muss.“ (S. 246) Eigentlich ist Klemmer jetzt am Ziel seiner Wünsche: Endlich bietet Erika ihm an, was er die ganze Zeit über wollte. Er wollte die Lehrerin erobern und empfindet nun keine Leidenschaft, weil er hinter ihren leidenschaftlichen Versprechungen „den Befehl dahinter als Zwischenton heraushört“ (S. 247). Das Lehrer-Schüler-Verhältnis, das ihn zuerst so erregte, steht nun zwischen ihnen. Das Nichtgelingen 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe des körperlichen Aktes ist für Erika der tiefste Liebesbeweis, während Klemmer wegen seiner Unfähigkeit tobt. Er fährt fort, seinen schlaffen Penis in ihren Mund zu stoßen. Dabei schwärmt er von dessen eigentlicher Größe. Erika beginnt sich selbst für Klemmers Versagen die Schuld zu geben. Sie muss sich übergeben, Klemmer reagiert schroff: Die Lehrerin stinke unerträglich nach Fäulnis. „Er empfiehlt ihr herzlich, die Stadt zu verlassen.“ (S. 251) Auf dem Gang treffen Erika und Klemmer auf den Direktor des Konservatoriums, der in Klemmer den Solisten des nächsten Abschlusskonzerts sieht. Erika macht Klemmers musikalische Leistungen vor dem Direktor schlecht: Klemmer habe an Fleiß und Eifer nachgelassen. Zu Hause ist Erika von dem Erlebnis mit Klemmer enttäuscht: „Sie wollte über ihren Schatten springen und konnte es nicht.“ (S. 253) Mit Wäscheklammern und Stecknadeln fügt sie sich Verletzungen zu. „Sie spickt sich mit Haus- und Küchengerät.“ (S. 253) Sie stellt sich vor den Spiegel und sticht weinend in die letzten freien Stellen ihres Körpers. Dann nimmt sie Klammern und Nadeln wieder ab und geht zu ihrer Mutter. S. 254: Klemmer ist frustriert und will töten Nach dem für beide Seiten enttäuschenden sexuellen Erlebnis mit Erika ist Klemmer wütend und beleidigt. Um sich abzuregen, will der sonst friedliebende Klemmer im Park einen Flamingo töten. Klemmer, in der Grauzone seines maßlosen Zorns, sucht jemand, der ihm endlich einmal nicht widerspricht. Daher sucht er jemand, der ihn nicht versteht. Der Vogel flüchtet möglicherweise, doch er macht keine Widerrede. (S. 256 f.) Klemmer hofft darauf, dass sein „Vandalenakt“ in der Zeitung stehen wird. Dann will er Erika mit dem Artikel über sein
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2.2 Inhaltsangabe „Vernichtungswerk“ beweisen, dass er töten kann. „Dann kann man das Leben der Geliebten gleichfalls brutal zerstören. Lebensfäden kann man abschneiden.“ (S. 257) Auf seiner nächtlichen Suche nach einem Flamingo im Park bekommt Klemmer Angst, dass er Opfer eines Raubüberfalls werden könnte. Er scheucht ein jugendliches Liebespaar auf. Klemmer erwägt, mit einem Knüppel auf das Paar einzuschlagen. „Herr der Situation ist er. Verständnis kann er erklären oder als Rächer gestörten Parkfriedens und verderblicher Jugend auftreten.“ (S. 260) Das Paar hat Angst vor dem Fremden. Nachdem die beiden geflohen sind, trampelt Klemmer auf einer zurückgelassenen Jacke herum. „In seinen Eingeweiden ein schwebender Ballon von Gewalt.“ (S. 261) Im Zustand dieses Gefühls geht Klemmer zu Erikas Haus. Statt zu klingeln, stellt er sich in eine Nische und masturbiert mit Blick auf Erikas Fenster. S. 264: Klemmer verprügelt und vergewaltigt Erika in ihrer Wohnung Klemmer fühlt sich von Erika missbraucht, weil sie ihn nicht zum Orgasmus gebracht hat. „Er erfährt an seinem Leibe, und sie soll es am eigenen Leib erfahren, was es heißt, Spiele ohne Ziele mit ihm zu treiben.“ (S. 264) Während Klemmer sich vorstellt, Erika zu vergewaltigen, träumt sie davon, dass „der Mann sie im Sturm erobern möge“ (S. 265). Als Klemmer nachts anruft, hält Erika das für einen romantischen Ausdruck seiner Liebe. Ihre gefühlsmäßige Distanz zur Mutter wächst. Erika denkt an den möglichen Tod ihrer Mutter und daran, eine neue eigene Wohnung zu beziehen. Dass Klemmer sie nachts noch besuchen will, ist Erika nicht recht, denn sie hatte eine andere Vorstellung vom Verlauf ihrer Beziehung. „Man wird diskutieren, ob die Beziehung ewig halten wird, dann wird man die Beziehung eingehen.“ (S. 266) Sie öffnet ihm die Tür. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Erika spielt Klemmer gegenüber ihren Brief nun zu einer Dummheit herunter und möchte ihn ungeschehen machen. Es kommt zum Wortgefecht, Erikas Mutter wacht auf und kommt hinzu. Klemmer schlägt Erika. Als die Mutter die Polizei rufen will, wird sie von Klemmer zu Boden gestoßen und in ihr Zimmer gesperrt. „Erika greint, so habe ich mir das nicht vorgestellt.“ (S. 270) Sie meint damit ihre Wünsche nach körperlichem Schmerz, die sie Klemmer brieflich mitgeteilt hat. „Ins Gesicht wird sie zum wiederholten Male geschlagen, obwohl sie sagt, bitte nicht auf den Kopf! Sie hört etwas über ihr Alter, das mindestens fünfunddreißig beträgt, ob sie will oder nicht.“ (S. 270) Während Klemmer aus zurückgewiesener Liebe immer gewalttätiger wird, möchte Erika den Schmerz „aus dem Repertoire von Liebesgesten“ (S. 271) nun gestrichen sehen. Sie habe es sich anders überlegt. Klemmer beruft sich jedoch auf den Brief. Er führe nur ihre Befehle aus. Unter seinen Schlägen beginnt Erika zu bluten. Klemmer rechtfertigt sich: „Wenn du nicht Opfer wärst, könntest du keins werden!“ (S. 272) Neben den Schlägen demütigt Klemmer Erika mit Worten. Er verhöhnt sie wegen ihres Alters und verleugnet seine Zuneigung. Zwecks Weiterkommens in Leben und Gefühlen muss die Frau vernichtet werden, die über ihn gelacht hat, zu Zeiten, da sie noch leicht triumphierte! Sie hat ihm Fesselung, Knebelung und Vergewaltigung zugetraut und zugemutet, jetzt erhält sie, was sie verdient. (S. 273) Hinter der Tür zetert Mutter Kohut. Für die ganze Situation und seinen Gewaltausbruch gibt Klemmer Erika die Schuld. Lüstern dringt Klemmer in Erika ein. Erika empfindet dabei nicht die Lust, die sie sich ersehnt, und bittet ihn aufzuhören. „Er schreit sie an, sie solle ihn freudig aufnehmen!“ (S. 277)
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe „Er bittet: liebe mich, er schleckt an ihr und schlägt abwechselnd.“ (S. 278) Nachdem er ejakuliert hat, entschuldigt sich Klemmer für sein Benehmen. Er verlässt die Wohnung bester Stimmung. S. 279: Mutter Kohut würde Erika ausziehen lassen; Erika hat Mordgedanken gegen Klemmer; Selbstverletzung Am nächsten Tag hat die Mutter Erikas Wunden versorgt. Von einer Anzeige gegen Klemmer sehen die Frauen ab. Die Mutter fordert ihre Tochter auf, neue Bekanntschaften zu schließen. „Die Mutter hält ihrem schweigenden Kind rechnerisch vor, immer mit mir alter Frau zusammen ist nicht gut, du junger Übermut.“ (S. 280) Die Mutter versucht Erika abzulenken und schlägt einen Ausflug vor. Erika hört nicht zu. „Die Tochter weiß noch nicht, ob sie einen Mord begehen wird oder sich dem Mann lieber küssend zu Füßen werfen.“ (S. 281) Mit einem Küchenmesser verlässt Erika in einem zu kurzen, zu engen und altmodischen Kleid die Wohnung. Auf der Straße wird sie ausgelacht. Vor der technischen Hochschule sieht Erika Klemmer mit einem blonden Mädchen im Kreis von Kommilitonen. Erika hat den Wunsch, sich zu erstechen, doch fehlt ihr dazu die Kraft. Stattdessen sticht sie sich in die Schulter, als die Studenten ins Gebäude gegangen sind. Blutend geht Erika nach Hause. „Sie geht und beschleunigt langsam ihren Schritt.“ (S. 285)
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2.3 Aufbau
2.3 Aufbau20
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������ Diese Übersicht der Themen des ���������� ����������� ����������� Romans basiert auf: Anja Meyer: Elfriede �������� ����� ����� ������� Jelinek in der Geschlechterpresse, S. 50–55.
2. Textanalyse und -interpretation
2.3 Aufbau Der Roman umfasst zwei Teile. Im Mittelpunkt des ersten Teils steht die symbiotische Beziehung zwischen Erika Kohut und ihrer Mutter. Das erotische Verhältnis der Klavierlehrerin zu ihrem Schüler Walter Klemmer bildet das Zentrum des zweiten Teils. Beide Teile sind durch Leerzeilen in Abschnitte unterschiedlichen Umfangs untergliedert, die mit größeren Anfangsbuchstaben als gewöhnlich beginnen. An diesen Abschnitten ist auch die Inhaltsangabe in dem vorliegenden Band orientiert. Bei manchen Absätzen innerhalb der Abschnitte erscheint die erste Zeile eingerückt. Die Handlung des Romans Die Klavierspielerin ist vergleichsweise einfach. Im Unterschied zu anderen Romanen von Elfriede Jelinek ist sie außerdem relativ linear erzählt, insbesondere die Ereignisse zwischen Erika und Klemmer. Einleitend werden Mutter und Tochter Kohut als Hauptfiguren vorgestellt sowie ihre Erfahrungen und Beziehungen geschildert. Dann tritt mit Walter Klemmer eine Veränderung in ihr Leben. Das Ende bleibt weitgehend offen. Diese schlichte Struktur schließt jedoch nicht aus, dass der Roman Vor- und Rückblenden enthält und die zeitliche Ordnung gelegentlich unklar bleibt. Die Darstellungsweise hat ÄhnlichFilmische Darstellungsweise keit mit einem Film: Figuren werden handelnd gezeigt, unvermittelte Schnitte machen aus Absätzen Szenen, wie bei einer Kamerafahrt wird die Perspektive gewechselt. Diese Visualität hat zwei verschiedene Gründe: Das Schauen ist auch Erikas Leidenschaft. Sie will nicht mitmachen, sondern von außen zugucken. In der Art, wie in dem Roman Bilder beschrieben werden, wird außerdem die Oberflächlichkeit der erzählten Welt besonders deutlich.
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2.3 Aufbau
Die Beziehung von Erika Kohut und Walter Klemmer: Klemmer verliebt sich in Erika, will die Lehrerin erobern, an ihr seine Fähigkeiten als Liebhaber schulen, um sie dann fallen zu lassen; Kammermusikabend: intellektuelle Annäherung auf musikalischem Gebiet; Erikas Zuneigung zu Klemmer wächst; Konservatorium: Erika verübt aus Eifersucht mit Glasscherben ein Attentat auf eine Schülerin; Schülerinnentoilette des Konservatoriums: Klemmer bestürmt Erika, sie verhindert seinen Orgasmus; Erikas Brief, in dem sie Klemmer um Erniedrigung und Schmerzen bittet; Erikas Zimmer: Erika und Klemmer verbarrikadieren sich vor der Mutter, Klemmer verhöhnt Erika wegen ihres Briefes; Besenkammer im Konservatorium: Erika will sich Klemmer sexuell hingeben, Klemmer versagt sexuell; Aus Wut über seine sexuelle Schmach vergewaltigt Klemmer Erika; Erika sucht Klemmer mit einem Messer auf, sticht sich aber schließlich selbst in die Schulter.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken 2.4.1 Erika Kohut Anders als der Titel des Romans vermuten lässt, ist Erika Kohut keine berühmte Pianistin, sondern Klavierlehrerin eine Klavierlehrerin am Wiener Konservatorium. Ein einziger Patzer der jugendlichen Klavierspielerin bei einem bedeutenden Wettbewerb kostete sie die Aussicht auf eine Karriere als Konzertpianistin, die ihre ehrgeizige Mutter für sie vorgesehen hatte. Seit früher Kindheit wurde Erika zur Musikerin gedrillt: Zuerst hat sie Geige, Bratsche und Flöte (S. 18) gelernt. Während Gleichaltrige miteinander spielten oder erste Erfahrungen mit der Liebe machten, musste Erika stets das von der Mutter vorgegebene und überwachte Pensum am Klavier ableisten. An keiner Stufe, die Erika erreicht, ist es ihr gestattet auszuruhen ... Was Erika tut, tut sie ganz. Keine Halbheiten, hat die Mutter immer gefordert. Keine Verschwommenheiten. Kein Künstler duldet etwas Unfertiges, Halbes in seinem Werk. ... Lieber den Gipfel der Kunst als die Niederungen des Geschlechts. (S. 28, 59 und 199) Erika ist 36 Jahre alt (S. 192) und lebt mit ihrer Mutter in einer symbiotischen Beziehung: Seitdem der Vater verrückt geworden und von Frau und Tochter in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden ist, teilt Erika das Ehebett mit ihrer Mutter. Und auch tagsüber darf kein eigenständiges Leben Erika kein eigenständiges Leben führen. Sie pendelt zwischen ihrer Arbeit im Konservatorium und der mütterlichen Wohnung. Andere Kontakte hat sie kaum. Trifft sie sich doch einmal mit Kollegen, macht die Mutter dort 2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Kontrollanrufe. Erika wehrt sich nur vorsichtig, wie ein Kind eben, das die Liebe der Eltern um keinen Preis verlieren will, gegen die Herrschaft ihrer Mutter. Im Alltag kleidet Erika sich auf Druck der Mutter altmodisch und dezent. Heimlich und gegen den Willen der Mutter kauft sie sich aber manchmal neue Kleider, die sie allerdings nie tragen, sondern nur im Schrank bewundern darf. Überhaupt Schaulust ist das Schauen Erikas große Lust. Sie besucht Porno-Kinos und beobachtet im Prater Liebespaare. Zur Musik hat Erika in erster Linie ein professionelles Verhältnis. Ihre Leidenschaft konzentriert sich auf das fehlerfreie Spiel durch perfekte Körperbeherrschung. Ihre Idole sind Schumann und Schubert (vgl. S. 75), aber auch Brahms und Beethoven. Sie erhofft sich eine Erhöhung des körperlichen, tierischen Menschen zur Göttlichkeit durch die Musik. Was nötig wäre, ist eine Musik, bei der man das Leiden vergisst. Das animalische Leben! soll sich vergöttlicht fühlen. (S. 116) Die Musik ist für Erika eine besondere Weihe, die man sich mühsam verdienen muss. Nur eigenes Musik und Leid Leid berechtige und befähige zum Verständnis großer Musik, die ihrerseits Ausdruck des Leidens der Komponisten sei. Ihren Schülern ist Erika musikalisch und hierarchisch überlegen und im Unterricht kostet sie ihre Vorrangstellung auch weidlich aus. In den Stunden macht sie lange Ausführungen über das Leben und Leiden der Komponisten sowie über die Interpretation und Bedeutung ihres Werks, um die Schüler zu erniedrigen. Zwar spielt Erika gelegentlich auch selber bei Hauskonzerten vor Publikum, noch häufiger und vor allem lustvoller jedoch redet und urteilt sie über Musik und Musiker.
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Erika spürt das Prickeln zwischen ihren Beinen, das nur der von Kunst und für Kunst Ausgewählte fühlt, wenn er über Kunst spricht … (S. 104) In Beziehungen zu Erwachsenen, in Liebesbeziehungen, die in dem Roman nur als hierarchische, in dem Muster von Überund Unterordnung vorkommt, ist Eristets die Schwächere ka stets die Schwächere. Von Männern wurde sie oft als Sexobjekt missbraucht, von der eigenen Mutter wird sie als formbarer Lehmklumpen betrachtet. Erika entwickelt starke Aggressionen gegen sich selbst: Mit Rasierklingen fügt sie sich Schnittwunden zu, auch im Genitalbereich. Für einen Moment sieht es so aus, als würde Erika endlich einmal selbst herrschen, als würde sie selbst die Stärkere sein: In der Toilette des Konservatoriums hat sie den jungen, sportlichen Klemmer am Haken. Der will die ältere Lehrerin er obern, wie er mit seinem Paddelboot wilde Bäche bezwingt. Er glaubt, dass sie wegen ihres Alters in Liebesdingen anspruchslos sein müsse. In dieser Lage folgt er ihr auf die Schülertoilette. Wie von Klemmer angestrebt und von Erika insgeheim gewünscht, kommt es zu einem sexuellen Kontakt. Als Klemmer kurz vor dem Orgasmus ist, bekommt Erika Macht über ihn, indem sie aufhört, ihn zu masturbieren. Klemmer winselt um Befriedigung, Erika lässt ihn zappeln und bringt damit den Klavierschüler in ihre Gewalt. Sie schreibt dem Schüler einen Brief, in dem sie darum bittet, erniedrigt und gedemütigt zu werden. Der Grund für ihr Bedürfnis nach Schmerz, für ihren MasoBedürfnis nach Schmerz chismus ist typisch für Erikas Charakter: „Sie möchte von äußerlich anzuwendenden Hilfsmitteln Verantwortlichkeiten abgenommen kriegen.“ (S. 218) Freiheit ist für sie das Ergebnis totaler Beherrschung, „Höhepunkt aller
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken denkbaren Gehorsamkeiten“ (S. 108). Durch ihren Brief bringt Erika sich Klemmer gegenüber wieder in eine unterlegene Position. Klemmer hat nur Verachtung für Erikas Sehnsüchte übrig, die er als Perversion empfindet. Einmal kommt Klemmer in die Wohnung von Erika und ihrer Mutter. Erika und Klemmer verschanzen sich in Erikas Zimmer. Erika möchte ihren Brief am liebsten ungeschehen machen, weil sie sich eigentlich ebenso wie nach Unterordnung auch nach echter Liebe sehnt. Ein weiterer Versuch sexuellen Verkehrs scheitert, weil Klemmer in der Besenkammer des Konservatoriums keine Erektion bekommt. Als Strafe dafür vergewaltigt er später Erika in ihrer Wohnung. Mit Mordgedanken sucht Erika Klemmer auf und verletzt sich schließlich selbst mit dem Messer. In der Beziehung zu Klemmer wächst Erika über sich hinaus: Sie macht vorsichtige Versuche, VerAutoaggression bote ihrer Mutter zu ignorieren und sogar ihre eigenen lästigen Grenzen zu überwinden. Am Ende aber verläuft auch dieses Abenteuer nach dem bekannten Muster: Die Männer werfen Erika nach Gebrauch weg, ihre Aggression wendet Erika gegen sich selbst. 2.4.2 Mutter Kohut Erikas Mutter ist herrschsüchtig, geizig und männerfeindlich. Ihre einzige Tochter hat sie in fortgeschrittenem Alter bekommen. Ihr Mann hatte damit nach „vielen harten Ehejahren“ (S. 7), genauer gesagt nach „zwanzigjähriger Ehe“ (S. 17), seine Pflicht erfüllt und wurde verrückt. Später bringen Mutter und Tochter Kohut den Mann in eine geschlossene Anstalt. In der Tochter sieht sie ein Mittel des gesellschaftlichen Aufstiegs aus dem Wiener Kleinbürgertum. Die Mut-
herrschsüchtig, geizig und � männerfeindlich
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2. Textanalyse und -interpretation
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken ter betrachtet Erika als formlose Materie, die erst durch ihre Einwirkung zum Menschen wird. Sie lebt für ihre und von ihrer Tochter und sonnt sich in deren Erfolgen. Ihre eigene Bedeutungslosigkeit will die Mutter durch die Überhöhung ihrer Tochter kompensieren. Damit Erika erfolgreich ist, wird sie streng gedrillt und überwacht. Alle Abwege vom Ziel einer Weltkarriere als Pianistin, das die Mutter vorgezeichnet hat, verbietet die Mutter. Dazu gehört der Kontakt mit Gleichaltrigen und mit Männern ebenso wie das Tragen modischer Kleidung. Mutter Kohut ist von Missgunst beherrscht, überall wittert sie Konkurrenz für ihre Tochter, die es – gerne auch mit unlauteren Mitteln – auszuschalten gilt. Neben all ihrer Gefühllosigkeit und Grausamkeit gegen die Tochter sorgt die Mutter durchaus für das körperliche Wohl ihres Kindes. Wenn Erika nächtlich noch einen Wunsch hat, wird er erfüllt, soweit es von außen her möglich ist. Die Innenwünsche soll Erika bei sich behalten, hat sie es nicht warm und gut daheim? (S. 156) Hier zeigt sich auch die Unfähigkeit der Mutter, die Gefühle der Tochter wahrzunehmen und selbst Gefühle zu haben. Durch Komplimente und den unbedingten Glauben an die Einzigartigkeit der Tochter bindet die Mutter Erika an sich. „Die Mutter sagt, Erika ist die Beste. Das ist das Lasso, mit dem sie die Tochter fängt.“ (S. 224) Doch nicht Ausbeutung der Tochter nur emotional beutet Erikas Mutter ihre Tochter aus. Mit Erikas Einkommen als Klavierlehrerin bestreiten die Frauen ihren Lebensunterhalt. Auf Wunsch der Mutter muss jeder Groschen für den Kauf einer Eigentumswohnung gespart werden. Geiz ist nicht nur in finanzieller Hinsicht eine Charaktereigenschaft der Mutter Kohut: „Wir nehmen keinen Gefallen an und erweisen auch selbst keinen.“ 2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken (S. 76) Auch in der geplanten Neubauwohnung wird Erika mit der Mutter im gemeinsamen Bett schlafen. „Doch von einem Tochterbett kann nicht die Rede sein. Ein bequemer Fauteuil wird das Äußerste an Zugeständnissen sein.“ (S. 157) Gelegentlich begleitet die Mutter Erika zu Hauskonzerten, macht sich dort unbescheiden über das Buffet her und überzieht alle Künstler außer ihrer Tochter mit Spott und Missgunst. Die meiste Zeit verbringt sie aber zu Hause. Während sie auf die Rückkehr der Tochter wartet, sieht die Mutter fern. „Nach Beendigung des Films im Fernsehen gibt es niemand mehr, mit dem sie sich unterhalten kann.“ (S. 154) Sie entwickelt eine Neigung zum Likör, als sich Erika näher auf den Klavierschüler Klemmer einlässt. In Bezug auf ihn empfindet Erikas Mutter sofort Eifersucht und Konkurrenz. 2.4.3 Walter Klemmer Walter Klemmer ist ein sehr guter Schüler von Erika Kohut am Konservatorium. Eigentlich studiert der junge Mann Elektro technik und wohnt bei seinen Eltern (S. 127). Für den dauer haften Besuch des Klavierunterrichts – sonst zeigt er in solchen Dingen „wenig Ausdauer“ (S. 241) – hat er sich nur entschieden, weil er von Erika Kohut beeindruckt ist und sich entschlossen hat, sie zu erobern. Das Verhältnis von Schüler und Lehrerin macht den besonderen Reiz für ihn aus, das wesentlich höhere Alter der Lehrerin – er ist 26 Jahre alt, also zehn Jahre jünger als Erika (S. 171) – senkt seine Hemmschwelle, weil er davon ausgeht, dass Erika in ihrem Alter ambivalentes Verhältnis zu Erika emotional wie sexuell nicht mehr anspruchsvoll sein dürfe. Sein Verhältnis zu Erika ist ambivalent. Je nachdem, wie Klemmer Erikas Alter oder ihre Klavierkunst betrachtet, fühlt er sich über- oder unterlegen. (S. 171)
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Klemmer ist ein ehrgeiziger Sportler, er paddelt im Wildwasser, und auch die Liebe sieht er als einen Wettkampf: „Die Jagd ist für den Mann das größere Vergnügen als die unausweichliche Vereinigung.“ (S. 170) Wie im Sport und der Kunst geht es ihm auch in der Liebe um Sieg oder Niederlage. „Es ist auf einem Klo! geschehen. Da es für ihn keine Ruhmestat war, schweigt er indessen still. Er kann es später für die Nachwelt lügnerisch hinbiegen, dass er bei dem Kampf gewonnen hat.“ (S. 198) Erika ist in seinem Leben nur eine Episode. Nachdem er sie misshandelt und vergewaltigt hat, um sie aus Rache zu vernichten (S. 273), wendet er sich wieder seinem Alltag zu, als wäre nichts geschehen, denn er hat ein „Einweg-Gehirn“ (S. 279). Klemmer hat ein Weltbild, das Nietzsche entlehnt ist. Schein und Lüge zieht er der Wirklichkeit vor. Schein geht entschieden vor Sein, spricht Klemmer. Ja, die Realität ist wahrscheinlich einer der schlimmsten Irrtümer überhaupt. Lüge geht demnach vor Wahrheit, folgert der Mann aus seinen eigenen Worten. Das Irreale kommt vor dem Realen. Und die Kunst gewinnt dabei an Qualität. (S. 120) 2122
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen 1. Teil S. 16 Heiligenstädter Testament von Beethoven: Brief mit melancholisch-depressivem Grundton aus dem Jahr 1802, in dem Ludwig van Beethoven gegenüber seinen Brüdern seine Verzweiflung über seine immer stärker werdende Gehörlosigkeit ausdrückt. S. 16 Postament: Sockel S. 20 Injurien: Beleidigung S. 23 das Erschrecken und den Schauder: Mit ‚eleos’ und ‚phobos’ („Jammer und Schaudern“) beschreibt der antike Philosoph Aristoteles (384–322 v. Chr.) in seiner Poetik die Wirkung von Tragödien auf die Zuschauer, durch die die ‚Katharsis’ („Läuterung“) des Publikums bewirkt werde. S. 24 Kantilenen: getragene, liedartige Melodie (lat. cantilena „Liedchen“) S. 26 Faschiermaschine: Fleischwolf S. 27 Fisolen: Bohnen S. 28 vertieren: hier: zum Tier machen; eigtl.: umwenden S. 30 Gulda: Friedrich Gulda (1930–2000), österreichischer Pianist und Komponist Brendel: Alfred Brendel (* 1931), österreichischer Pianist Argerich: Martha Argerich (* 1941), argentinische Pianistin Pollini: Maurizio Pollini (* 1942), italienischer Pianist und Dirigent Larve: Gesichtsmaske
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
S. 31
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Messiaen: Olivier Eugène Prosper Charles Messiaen (1908–1992), französischer Komponist, Kompositionslehrer und Organist Clementi-Sonatine: Muzio Clementi (1752–1832), britischer Pianist und Komponist; Sonatine: kleine Sonate, leicht verständlich und leicht zu spielen Czerny-Anfängeretüden: Carl Czerny (1791–1857), österreichischer Komponist, Pianist und berühmter Klavierpädagoge; Etüde: Musikstück zum Üben der Fingerfertigkeit. Mit den Czerny-Etüden üben Klavierschüler auf der ganzen Welt. Schubert-Sonaten: Franz Schubert (1797–1828), österreichischer Komponist; Sonate: mehrsätziges Instrumentalstück Schumanns Kreisleriana: Klavierwerk von Robert Schumann (1810–1856) aus dem Jahr 1838, gilt als Schlüsselwerk der romantischen Klavierliteratur. Der Titel des Werkes nimmt Bezug auf die von E. T. A. Hoffmann erdachte Figur des Kapellmeisters Johannes Kreisler (vgl. Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biografie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern, 1819/21), die Schumann als Inbegriff romantischen Künstlertums galt. Bösendorfer: Wiener Klavierfabrik; Flügel von Bösendorfer haben im 19. und 20. Jahrhundert die Entwicklung der Klaviermusik maßgeblich begleitet. intrikat: verwickelt, heikel, verfänglich Schönberg: Arnold Schönberg (1874–1951), österreichischer Komponist, Musiktheoretiker und Maler, entwickelte 1921 die Zwölftonmusik.
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
S. 34
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Schönbergs 33b: Das Klavierstück op. 33b (1931) ist zurückhaltend, lyrisch geprägt und erinnert trotz der konsequenten Verwendung der Zwölftontechnik an romantische Formen. In dieser späten Komposition Schönbergs zeigt sich seine Bemühung, musikalische Neuerungen in traditionelle Zusammenhänge einzuordnen. Josefstädterstraße: Die Straße liegt in der Wiener Josefstadt, dem 8. und kleinsten der Wiener Stadtbezirke. Seit dem 19. Jahrhundert entwickelte sich die Josefstadt zu einem Sitz des Bürgertums und der hohen Staatsbeamten, der Intellektuellen und Künstler, Schauspieler und Schriftsteller. Prater: weitläufige öffentliche Parkanlage mit Vergnügungspark im Wiener Stadtbezirk Leopoldstadt Wienerwald: nordöstliche Ausläufer der Alpen, beliebtes Naherholungsgebiet Charley Frankensteins Tolle Tanten: Bei diesem Titel handelt es sich um eine ironische Verbindung verschiedener Werke. Victor Frankenstein oder der moderne Prometheus, Roman von Mary Shelley, 1818. Frankenstein erschafft einen künstlichen Menschen. Charleys Tante, Farce in drei Akten von Brandon Thomas, Uraufführung 1892, ist eine der bekanntesten Komödien der Welt. Um sich mit ihren Freundinnen treffen zu können, brauchen zwei Studenten eine Anstandsdame. Ein befreundeter Lord schlüpft deshalb in Frauenkleider. Unsere tollen Tanten (1961, Regie: Rolf Olsen), österreichischer Heimatfilm, in dem sich sechs stellungslose Musiker als Tanten verkleidet in ein Mädchenpensionat einschleichen.
2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
S. 38 S. 41
S. 43 S. 46 S. 47
S. 49 S. 50
Haferlschuhe: Gesundheitsschuh des Oberstorfer Schuhmachers Franz Schratt, den er 1803 nach dem Vorbild des Gamshufes entwickelt hat. Eichendorff: Joseph von Eichendorff (1788–1857), bedeutender Lyriker und Prosaautor der deutschen Romantik. Omutter: Gemeint ist die Großmutter von Erika. Brahmsabasieren: eigtl. bramarbasieren: aufschneiden, prahlen; hier also das Angeben mit dem Komponisten Johannes Brahms Bauernschnapsen: Kartenspiel mit vier Spielern, vor allem in Österreich weit verbreitet Halb zog er sie, halb sank sie hin: Umkehrung eines Verses von Goethe: „Halb zog sie ihn, halb sank er hin.“ (Der Fischer) Dieser Augenblick soll bitte verweilen, er ist so schön: Anspielung auf Goethes Faust I, V. 1699 f., und Faust II, V. 11581 f. Folge nach nur meinen Tränen, nimmt dich bald das Bächlein auf: Zitat aus dem Lied Wasserflut aus dem Zyklus Winterreise von Wilhelm Müller, den Franz Schubert vertont hat. Eckbeiseln: (österr.) Gasthaus, Kneipe Wer jetzt kein Heim hat …: Anspielung auf das Gedicht Herbsttag (1902) von Rainer Maria Rilke. „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. / Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben …“
2. Textanalyse und -interpretation
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen S. 51
S. 55 S. 58 S. 59 S. 61 S. 62
S. 63 S. 72 S. 73 S. 74 S. 75 S. 77 S. 81
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Venusberg: Der Venusberg ist ein seit dem Mittelalter bekanntes Sagenmotiv, das vor allem im Zusammenhang mit dem Minnesänger Tannhäuser erscheint. Venus, die römische Göttin der Liebe, lockt durch ihre Schönheit Menschen zu sich in den Berg und verführt sie zu einem erotischen, sündigen Leben. Tannhäuser: Minnesänger und Spruchdichter des 13. Jahrhunderts Kartause: Kloster der Kartäuser bei Grenoble Schlatz: österr. Spucke, Schleim; hier: Sperma Wer jetzt nicht kann …: Fortsetzung der Anspielung auf das Gedicht Herbsttag von Rilke (S. 50): „Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben …“ Eprouvetten: Probierstäbchen, Reagenzglas Buñuels Andalusischem Hund: Un chien andalou, Film von Luis Buñuel (1900–1983) und Salvador Dalí (1904–1989), der zum ersten Mal 1929 in Paris aufgeführt wurde. Er gilt als Meisterwerk des surrealistischen Films. Minimundus: Freizeitpark bei Klagenfurt in Österreich, in dem 140 Miniaturmodelle von bekannten Bauwerken der ganzen Welt gezeigt werden. Anton Kuh: 1890–1941, österreichisch-jüdischer Journalist, Essayist, Erzähler und Redner. 1925 erschien sein Buch Der Affe Zarathustras. Laryngologen: Fachärzte für Kehlkopferkrankungen Apotheose: Vergöttlichung, Verherrlichung Steinhof: psychiatrisches Krankenhaus der Stadt Wien äsen: Jägerspr. für fressen Norman Mailer: (* 1923) US-amerikanischer Schriftsteller
2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen S. 96
S. 98 S. 100
S. 104 S. 108
Irrenhaus am Steinhof … aus düsteren Balladen: gemeint ist z. B. das Lied Lasst’s mi aus (Steinhof, Das Narrenhaus von Wien) von Georg Danzer (1946– 2007), das auch unter dem Titel Lasst mich raus (Irrenhaus) veröffentlicht wurde: waßtas eh, in schdahof san olle narrisch / weu schdahof, des is des noanhaus fon wien / ma kumd sea leichd eine owa sea schwea ausse / und jezd dazoöhl i euch di gschichd / wia i einekuman bin / …21 Gugging: gemeint ist die Landesnervenheilanstalt von Klosterneuburg (Niederösterreich) Ochsenschlepp: Ochsenschwanz; Beiried: Roastbeef; Wadschinken: Fleisch für Suppen, Gulasch und andere Ragouts Selchwaren: z. B. geräucherte und gekochte Schweinezunge, gepökelte Schweineschulter das Wohltemperierte: Das wohltemperierte Klavier, Sammlung von Präludien und Fugen von Johann Sebastian Bach Panthersprung: Hier klingt der sog. Panthersprung nach Agadir an. Die zweite Marokkokrise wurde 1911 durch die Entsendung des deutschen Kriegsschiffs SMS Panther nach Agadir ausgelöst. Mit dieser Drohgebärde wollte Deutschland Frankreich dazu bringen, Kolonialgebiete abzutreten. Der Panther (1903) ist außerdem der Titel eines Gedichts von Rainer Maria Rilke, in dem er die müden Bewegungen eines gefangenen Panthers in seinem Käfig beschreibt. Der Entzug der Freiheit wird in der ersten Strophe durch den schleppenden Rhythmus
21 http://www.asklyrics.com/display/Georg_Danzer/Lasst%60s_Mi_Aus_(steinhof,_Das_Narrenhaus_Von_Wien)_Lyrics/98339.htm (Stand: Oktober 2007).
2. Textanalyse und -interpretation
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
S. 111 S. 113
ausgedrückt. Die zweite Strophe zeigt die innere Gefangenschaft des Panthers. Der Panther hat seine natürliche Wesensart verloren. Er ist sich selbst entfremdet. Die dritte Strophe bestätigt die äußere und innere Gefangenschaft des Panthers. Feinspitz: Gourmet, Feinschmecker gefinkelt: raffiniert, trickreich
2. Teil S. 116 Nietzsche: Friedrich Nietzsche (1844–1900), deutscher Philosoph. In seiner Jugend komponierte Nietzsche viele kleinere Stücke, auch als Erwachsener musizierte er. „Ich begann damit, dass ich mir gründlich und grundsätzlich alle romantische Musik verbot, diese zweideutige, großtuerische, schwüle Kunst, welche den Geist um seine Strenge und Lustigkeit bringt und jede Art unklarer Sehnsucht, schwammichter Begehrlichkeit wuchern macht. ... Gegen die romantische Musik wendete sich damals mein erster Argwohn, meine nächste Vorsicht; und wenn ich überhaupt noch etwas von der Musik hoffte, so war es in der Erwartung, es möchte ein Musiker kommen, kühn, fein, boshaft, südlich, übergesund genug, um an jener Musik auf eine unsterbliche Weise Rache zu nehmen.“22 Muskatellertraube: Traubensorte mit muskatartigem Geschmack 22 Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches, Vorrede. In: ders.: Werke in drei Bänden, Band I, Darmstadt: WBG, 1997, S. 740.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen S. 120 S. 121
S. 123
S. 124 S. 125
S. 126 S. 130
S. 132 S. 133 S. 141
Beethovens Sonaten überhaupt erst ab op. 101: Gemeint sind die späten Klaviersonaten Nr. 28–32, die Beet hoven ab 1816 komponiert hat. Signation: Jingle, Audio-Logo. Die Signation dient der Wiedererkennung und besteht meist aus einem musikalischen Motiv, über das der Titel einer Radiooder Fernsehsendung gesprochen wird. Joseph Kainz: österreichischer Schauspieler (1858– 1910). Kainz spielte am neugegründeten Deutschen Theater in Berlin und entwickelte sich dort zum berühmtesten deutschsprachigen Charakterdarsteller seiner Zeit. 1899 wechselte er nach einer erfolgreichen Amerikatournee von Berlin an das Wiener Burgtheater. Sforzando: Vortragsbezeichnung in Musiknoten: mit starkem Ton, betont, akzentuiert zu spielen mit Worten eines berühmten Romans: konnte nicht ermittelt werden, möglicherweise Scherz Jelineks. Greißlerfamilie: Lebensmittelhändler, Krämer; im übertragenen Sinn auch: Kleinkrämer, Pfennigfuchser Arlbergexpress: Busverbindung zwischen dem Flughafen Zürich und dem Skigebiet am österr. Arlberg Sirenengesang: In der griechischen Mythologie sind Sirenen weibliche Fabelwesen, die durch ihren betörenden Gesang vorbeifahrende Schiffer anlocken, um sie zu töten. Wurstelprater: bekannter Vergnügungspark an der Westspitze der Parkanlage Prater Pflanz: Schwindel, Spiegelfechterei; Betrug, Neckerei, Täuschung jausnet: eine Zwischenmahlzeit einnehmen
2. Textanalyse und -interpretation
79
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen S. 147 S. 149 S. 152
S. 156 S. 158 S. 159
S. 161
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Retirieren: sich (eilig) zurückziehen, zurückweichen seicht: urinieren Urania: Das Volksbildungshaus Wiener Urania ist eine gemeinnützige Bildungseinrichtung (Volkshochschule). Daneben verfügt die Urania über eine Sternwarte, ein Planetarium und ein Kino. Nachtkastel, Nachtkastellampe: Nachttisch, Nachttischleuchte Dachteln: Ohrfeigen quasi una fantasia: Italienisch: „Fast eine Fantasie“. Beiname von Beethovens sogenannter „Mondscheinsonate“ (Klaviersonate Nr. 14 op. 27). Niobe: In der griechischen Mythologie 1. die erste sterbliche Geliebte des Zeus; 2. die Gemahlin des thebanischen Königs Amphion, dem sie sieben Söhne und sieben Töchter gebar. Aus Stolz auf ihre zahlreiche Nachkommenschaft hinderte sie das Volk an der Verehrung der zwei Kinder der Göttin Leto – Apollon und Artemis. Zur Strafe für diese Überheblichkeit töteten Apollon und Artemis an einem Tag sämtliche Kinder der Niobe. Die Eltern überlebten diesen Schicksalsschlag nicht: Amphion tötete sich selbst und Niobe wurde von den Göttern in Stein verwandelt. Aber auch der Stein hörte nicht auf, Tränen zu vergießen. Brandenburgische Konzerte … abwechslungsreich besetzt: Die Brandenburgischen Konzerte sind eine Gruppe von sechs Konzerten von Johann Sebastian Bach, die wahrscheinlich zwischen 1718 und 1721 fertiggestellt wurden. Jedes einzelne Konzert ist spezifisch instrumentiert und kompositorisch ausge-
2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
S. 167 S. 168 S. 175 S. 176
S. 180 S. 186 S. 187
richtet. Die Konzerte Nr. 2 und Nr. 4 enthalten auch Blockflöten-Stimmen. Bach-Katarakts: Katarakt: Stromschnelle, niedriger Wasserfall. Gemeint ist ein schneller Lauf im MusikStück. Fridatten: (österr.) in Streifen geschnittenes Omelett als Suppeneinlage Fazilitäten: hier: Toiletten; eigtl.: Leichtigkeit, Umgänglichkeit Potemkin‘sches Gestell: (eigtl. Potemkin‘sche Dörfer) Vorspiegelung, Blendwerk. Nach dem russischen Feldherrn u. Staatsmann Grigorij Alexandrowitsch Potemkin (1739–1791), der in Südrussland zum Schein Dörfer errichten und bevölkern ließ, um Katharina II. Wohlstand des Landes vorzutäuschen. dunsten: (österr.) warten lassen, im Ungewissen lassen Ernst ist das Leben, heiter die Kunst. (Eigtl. „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.“) Schlusssatz des Prologs von Schillers Drama Wallensteins Lager (1799). Biedermeiers: Als Biedermeier wird die restaurative Epoche zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Revolution von 1848 bezeichnet. In dieser Zeit entsteht eine eigene Kultur und Kunst des Bürgertums, z. B. in der Hausmusik, der Innenarchitektur oder in der Mode, aber auch in der Literatur. Als Kennzeichen der Epoche gelten die Flucht ins Idyll und der Rückzug ins Private. Klamm: Felsenschlucht mit Gebirgsbach
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen S. 187 f. Smetana … Moldau: Im Rahmen des sinfonischen Zyklus „Mein Vaterland“ beschreibt die Komposition „Die Moldau“ (1874) von Bedˇrich Smetana tonmalerisch den Lauf des tschechischen Flusses Moldau von seinen Quellen bis zur Mündung in die Elbe. S. 188 Vortragszeichen: (auch: Vortragsbezeichnung) Hinweis im Notentext zur Vortragsweise eines Stückes, z. B. piano, crescendo, staccato S. 190 Leopold Mozart: (1719–1787) Komponist und Autor einer berühmten Geigenschule; Vater von Wolfgang Amadeus Mozart S. 191 Manierismen: gewollt übertriebener, gekünstelter Stil S. 200 Beißzange: Kneifzange; Zange mit zwei scharfen, gegeneinandergebogenen Schneiden S. 207 schabrackiert: Schabracke: hier in der Bedeutung von alter oder hässlicher Frau, die sich auf jung oder schön trimmt S. 210 Träumalinddecke: Rheumadecke S. 211 resche: (österr.) knusprig; lebhaft, munter S. 212 tiptoe: (engl.) auf den Fußspitzen intermittierend: zeitweilig aussetzend und wiederkehrend, mit Unterbrechungen erfolgend S. 238 parasexuell: para-: über, hinaus, daneben, vorbei kryptosexuell: krypto-: verborgen, heimlich S. 254 J-Wagen: öffentliches Verkehrsmittel in Wien S. 256 waidwund: angeschossenes Wild S. 257 Lebensfäden: In der griechischen und römischen Mythologie ist der Lebensfaden ein Symbol für das menschliche Schicksal. Er wird von den drei Moiren bzw. Parzen gesponnen. Sie legen dadurch nicht nur die Länge des menschlichen Lebens fest, sondern
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2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
S. 265
S. 278
S. 282 S. 283
auch dessen Glück und Unglück. Atropos, die „Unabwendbare”, schneidet den Lebensfaden ab. trojanisches Pferd: In der griechischen Mythologie ist das Trojanische Pferd eine Kriegslist, mit deren Hilfe die Griechen den Trojanischen Krieg gewannen. Sie bauten ein riesiges Pferd aus Holz, in dem sich Soldaten versteckten. Die Trojaner hielten das Pferd für ein Geschenk und brachten es in ihre Stadtmauern. In der Nacht stiegen die Soldaten aus ihrem Versteck, ermordeten die Wachen und öffneten die Tore, sodass die Griechen Troja in einem Überraschungsangriff einnehmen konnten. Goethe … Geister, die man rief …: Die ich rief, die Geister, / Werd ich nun nicht los. (Goethe: Der Zauberlehrling, Ballade von 1798) französisch empfiehlt er sich: heimlich weggehen, ohne sich zu verabschieden Kaiserin Maria Theresia: (1717–1780) österr. ������� Kaisergattin; hier: überlebensgroßes Denkmal der Kaiserin am Wiener Maria-Theresia-Platz Canossagang: erniedrigender Bittgang; im Januar 1077 zog Heinrich IV. von Speyer nach Canossa zu Papst Gregor VII., um den Papst um seine Lösung vom Kirchenbann zu bitten. Secession: Gebäude der Wiener Künstler-Vereinigung, Schlüsselwerk des Wiener Jugendstils, erbaut 1898; heute Museum
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2.6 Stil und Sprache
2.6 Stil und Sprache Nüchtern-metaphorische Sprache – zerbrochene Sprachbilder Die Sprache der Klavierspielerin ist zugleich nüchtern, sachlich, spröde und beschreibend sowie stilisiert, metaphorisch und anspielungsreich. Diese Verbindung ganz heterogener Stile und Stilhöhen untersteht Jelineks Ziel Entmythologisierung der Entmythologisierung. Mythen, ge meint sind Vorurteile und sprachliche Klischees, werden „dekonstruiert“, indem die tatsächlichen, profanen Verhältnisse hinter den beschönigenden Sprachbildern gezeigt werden. Wenn z. B. Menschen an vergangene Zeiten denken, kommen diese Ereignisse im alltäglichen Sprachgebrauch oft in Verbindung mit der Wendung von den „guten alten Tagen“ vor. Bei Elfriede Jelinek heißt es: „in alten Tagen, die keine guten waren“ (S. 96). Floskeln, Sprichwörter und Redewendungen klingen an, werden dann aber ungewohnt fortgesetzt.23 Auch das Stilmittel des Zeugmas, bei dem ein Wort oder Satzglied mehreren grammatisch oder semantisch verschiedenartigen Satzteilen zugeordnet wird, gehört in diesen Zusammenhang: „Erika hat keine Geschichte und macht keine Geschichten.“ (S. 17 f.) „Die vom Misthaufen zusammengefangene Menge, in hässlichen Farben gemustert, mustert ihrerseits Erika.“ (S. 70) Häufig hat das Zeugma eine komische Wirkung. Bei Jelinek lässt es erschauern. Eine ähnliche Wirkung hat auch Jelineks Verwendung des Stilmittels der Ironie, wie Uda Schestag feststellt: „Was Ironie grundsätzlich als Möglichkeit auszeichnet, nämlich Bewegung, Einsicht und Entwicklung durch Infrage23 Eine akribische linguistische Untersuchung aller Sprichwörter im Text hat Eva Glenk vorgelegt. Sie stellt systematisch dar, wie und mit welcher Funktion die Sprichwörter im Text modifiziert werden. Vgl. Eva M. F. Glenk: Die Funktion der Sprichwörter im Text. Eine linguistische Untersuchung anhand von Texten aus Elfriede Jelineks Werken. Wien: Ed. Praesens, 2000.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.6 Stil und Sprache stellung, Uneigentlichkeit und Kritik zu schaffen, das fehlt Jelineks Ironie. Sie verweigert ihrer Protagonistin wie auch anderen Roman-Figuren die Fähigkeit zur Selbstkritik, die Kraft zur Wandlung, die Möglichkeit jeder Entwicklung …“24 Den Leser aufhorchen zu lassen, ihn Verfremdung zu irritieren, ist auch das Ziel, mit dem Zitatfetzen aus dem Kanon des Bildungsbürgertums verwendet werden. So zitiert Jelinek an mehreren Stellen Gedichtverse oder lässt sie anklingen. An das Gedicht Herbsttag von Rainer Maria Rilke ist etwa folgende Passage angelehnt: Wer jetzt kein Heim hat, wünscht sich zwar eins, wird sich aber nie etwas dergleichen bauen können, nicht einmal mit der Bausparkasse und weitgehenden Krediten. (S. 50 f.) Jelinek greift Rilkes Verse auf, mit denen er im Gewand des Herbstgedichts das Gefühl der Einsamkeit beschreibt, nimmt sie wörtlich und überführt sie in profane und alltägliche Überlegungen der Baufinanzierung. Dies geschieht auch mit Liedtexten (Stille Nacht, heilige Nacht, im Original: „Stille Nacht! Heilige Nacht! / Alles schläft; einsam wacht / Nur das traute hochheilige Paar. / ...), z. B.: In der Nacht, wenn alles schläft und nur Erika einsam wacht, während der traute Teil dieses durch Leibesbande aneinandergeketteten Paares, die Frau Mama, in himmlischer Ruhe von neuen Folterinstrumenten träumt ... (S. 14) und Bibelversen, z. B.: Wer suchet, der findet Anstößiges, auf das er insgeheim hofft. (S. 102) 24 �������������� Uda Schestag: Sprachspiel als Lebensform. Strukturuntersuchungen zur erzählenden Prosa Elfriede Jelineks. Bielefeld: Aisthesis, 1997, S. 156. Jelineks Umgang mit der Ironie hat Schestag einen längeren Abschnitt gewidmet, vgl. S. 150–164.
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2.6 Stil und Sprache Vgl. Mt. 7,7 f. und Lk. 11,9 f.: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ Weitere Beispiele für Intertextualität, Intertextualität die typisch ist für das gesamte Werk der Autorin25, sind verschiedene Anspielungen auf Texte von Franz Kafka (1883–1924). Jelinek spricht von Erika Kohut und ihrer Mutter als den „Damen K.“ und den „weiblichen K.s“ (S. 100). Auch Walter Klemmer wird gelegentlich „Schüler K.“ (S. 252) bzw. „Walter K.“ genannt (S. 253). „ Josef K.“ bzw. „K.“ heißen auch die Protagonisten von Kafkas Romanfragmenten Der Proceß (entstanden 1914/15) und Das Schloss (entstanden 1922). Außerdem kann in der Art, wie Klemmer darauf wartet, Zugang zu Erikas Haus zu bekommen, eine Anspielung auf Kafkas Türhüterparabel Vor dem Gesetz, die auch Teil des Romans Der Proceß ist, gesehen werden.26 Auf das Ende dieses Romans verweist auch das Ende der Klavierspielerin. Bei Kafka heißt es: „Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte.“ In der Klavierspielerin erscheint das Bild verändert: „Das Messer soll ihr ins Herz fahren und sich dort drehen! Der Rest der dazu nötigen Kraft versagt …“ (S. 285) Uda Schestag interpretiert die Funktion dieser Variation mit einer Stellungnahme von Elfriede Jelinek, die erklärte, „dass sozusagen K. als ‚Mann’ immerhin würdig ist, Opfer zu werden, während die Frau noch nicht einmal würdig ist, Opfer zu werden. Sie kann sich weder als Opfer noch als Täter einschreiben“.27 Jelineks Umgang mit fremden Texten, mit Intertextualität also, fasst Annette Doll wie folgt zusammen: 25 ����� Vgl. Uda Schestag: Sprachspiel �������������� als Lebensform, S. 165. 26 ����� Vgl. Uda Schestag: Sprachspiel �������������� als Lebensform, S. 187. 27 �������� Zitiert nach: Uda Schestag: Sprachspiel ������ �������������� als Lebensform, S. 190.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.6 Stil und Sprache Als Repräsentanten verschiedener literarischer und gesellschaftlicher Diskurse lagert Jelinek in ihre Texte „fremde Stimmen“ ein, die die mythenbildenden Diskurse unserer Medien, von der Reklame bis zur Belletristik, simulieren. Über weite Strecken sind ihre Texte daher als „Intertexte“ zu lesen, die sich aus alltäglichem, literarischem und religiösem Sprachgebrauch speisen, den Jelinek sprachlichen Dekonstruktionen unterzieht, um unter semantischen Verkleidungen Herrschafts- und Besitzverhältnisse sichtbar werden zu lassen.28 Häufig wird in Bildern und Analogien erzählt. Gelegentlich kommt es dabei zu Katachresen, der unstimmigen, manchmal widersprüchlichen Verbindung mehresprachliche Bilder rer sprachlicher Bilder. Im folgenden Bild geht es zugleich um das Bergsteigen und Erikas Wanderausrüstung, aber auch um das Liebesleben des Paares Kohut – Klemmer, und sogar sadistische Sexpraktiken scheinen als möglicher Teil dieses Liebeslebens auf: Sie hat kein Seil, denn sie ist nicht fürs Extreme. Und wäre sie fürs Extreme, dann ohne Netz und Seil; ganz ohne Rettungsanker würde diese Frau sich möglicherweise der Wildnis der körperlichen Wühlereien aussetzen, bei denen man nur auf sich und den Partner angewiesen ist. (S. 243) Yasmin Hoffmann nennt die Sprache von Elfriede Jelineks Prosa zusammenfassend „depraviert“, depravierte Sprache also verunstaltet, verdorben, heruntergekommen, und erklärt damit zugleich die Funktion dieses Sprachgebrauchs:
28 �������������� Annette Doll: Mythos, Natur und Geschichte bei Elfriede Jelinek. Eine Untersuchung ihrer literarischen Intentionen. Stuttgart: M & P, 1994, S. 179.
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2.6 Stil und Sprache Elfriede Jelinek gehört zu den wenigen weiblichen Autoren, die sich mit der Sprache der Sexualität direkt auseinandersetzen. Diese Sprache besteht hauptsächlich aus Brüchen, aus a priori nicht zusammenpassenden Sprachregistern, in denen das Triviale und das Erhabene ständig aufeinanderprallen. … Was also hauptsächlich unter ‚depravierter’ Sprache zu verstehen ist: die Lust am Entstellen, Verdrehen, Zerstückeln, die Lust am Zerschneiden, am Zerlegen, am Montieren, die Lust am Buchstaben, an der willkürlichen Trennung von Signifikat und Signifikant, die Lust am Umprägen, an der innovierenden Textpraxis. Unter ‚depravierter’ Sprache ist Lust an der Sprache zu verstehen, die keine Sprache der Lust aufkommen lässt.29 Das Ziel von Jelineks Sprachspielen ist vielfach satirische Kritik: z. B. an den Wohnverhältnissen – „Löcher … die man hier Wohnungen nennt“ (S. 51) – oder an männlich dominierter Vetternwirtschaft im Musik-Geschäft – „Der Nachwuchs fürs Niederösterreichische Tonkünstlerorchester … Sogar für die Philharmoniker, falls ein männlicher Verwandter des Schülers dort bereits spielt.“ (S. 165) Erzählperspektive Mit den Begriffen des auktorialen, personalen und Ich-Erzählers lässt sich die Erzählperspektive des Romans nicht genau bestimmen. Weil Anführungsstriche fehlen und Erzähler- und Figurenrede deshalb ineinanderlaufen, man nie mit Sicherheit weiß, ob eine Person spricht, besprochen wird oder fremdgesteuert spricht, da nicht einmal ein vorgetäuschter Dialog zustande kommt und der Standpunkt des Erzählers von Satz zu Satz die Perspektive wechselt, da die 29 � Yasmin Hoffmann: Elfriede ������� ���������� Jelinek, S. 158 f.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.6 Stil und Sprache Figuren von dem Sprachregister und dem damit verbundenen Rollenspiel untrennbar sind,30 lässt sich die Erzählperspektive nur unzureichend in traditio nellen Begriffen fassen. Die Erzählerinstanz kennt wie ein auktorialer Erzähler Vergangenheit und Gegenwart, Inneres und Äußeres aller Figuren. Übergangslos wechselt die Darstellung von der personal begrenzten Wahrnehmung der einen zur anderen Figur. Ein Beispiel dafür ist der Heimweg nach dem Kammermusikabend (S. 76–78).
30 � Ebd., S. 158. ������ ��� ����
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2.7 Interpretationsansätze
2.7 Interpretationsansätze Der Roman ist das am besten erforschte Buch Elfriede Jelineks. Es gibt jede Art der Interpretation, die feministische, die die Frau Erika als Opfer des Mannes Klemmer sieht, die marxistische, die die Tochter als Kapital der Mutter begreift; man hat Erika psychoanalytisch gedeutet, nach Freud und nach Lacan. Man hat sich dem Stil des Buches über die Sprachphilosophie genähert und der beschriebenen Gesellschaft mit Faschismustheorien. Die Geschichte der Voyeurin Erika wurde als Sexualpathologie gelesen, als Phänomenologie einer Selbstverstümmelung oder als Ästhetik des Ekels. … Die Klavierspielerin ist ein Roman, in dem sich jeder wiederfinden kann, weil er die archaischste aller Beziehungen wiedergibt – die zwischen Eltern und Kind.31 Diese Vielzahl und Variationsbreite der Interpretationsansätze des Romans ist auch ein Zeugnis der wechselnden Moden in der Literaturkritik und -wissenschaft. Im Folgenden werden einzelne Positionen exemplarisch dargestellt.
31 � Verena Mayer, Roland Koberg: Elfriede ������� ������� ������� �������� Jelinek. Ein Porträt, S. 117.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.7 Interpretationsansätze
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2.7 Interpretationsansätze Kleinbürgerliche Lebenslügen Rudolf Burger sieht Erika und ihre Mutter in erster Linie als typische Kleinbürgerinnen, die nach oben streben und sich nach unten abgrenzen. Für einen großbürgerlichen Lebensstil fehlen ihnen die Mittel, einige wenige Statussymbole müssen deshalb weithin sichtbar beweisen, dass man nicht zur Unterschicht gehört. Gewiss handelt es sich bei der Klavierspielerin zunächst und vor allem um eine bösartig genaue Komödie zum Thema »Unbehagen in der Kultur« [Titel eines kulturkritischen Essays (1929/30) des Psychoanalytikers Sigmund Freud, Anm. d. Verf.], gewiss geht es unmittelbar um sexuelle Entfremdung und sozialen Autismus als Folge einer quasi-inzestuösen Beziehung: um ein Stück Ideologiekritik der Mutterliebe im Zeitalter der Wunschkonzerte. Aber es handelt sich zugleich um eine exemplarische Studie kleinbürgerlicher Identität heute.32 Kapitalistische Ökonomie Frank W. Young interpretiert den Roman noch deutlicher in Kategorien der politischen Ökonomie: Ihm erscheint Erika Kohut als Arbeitskraft, die Mutter als „Konzernbesitzer“: „Spesen und Verluste sollen möglichst klein, der Profit möglichst groß werden.“33 Ziel des „Unternehmen(s) Erika“34 sei die Verwirklichung eines kleinbürgerlichen Lebens, zu dem neben einem Titel und Beziehungen zu bekannten Persönlichkeiten auch eine Eigentumswohnung gehöre. Young fasst seine Interpretation wie folgt zusammen: 32 ��������������� Rudolf Burger: Der böse Blick der Elfriede Jelinek. In: Christa Gürtler (Hrsg.): Gegen den schönen Schein, S. 27. 33 ��������� Frank W. Young: »Am ������� Haken des Fleischhauers«. In: Gürtler (Hrsg.): Gegen den schönen Schein, S. 76. 34 Ebd.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.7 Interpretationsansätze Es geht in der Klavierspielerin um eine leidvolle Mutter-Tochter-Beziehung, um die Folgen einer Erziehung, zu »Lustfeindlichkeit und extremster Außergewöhnlichkeit« und um die Rolle der Frau in einer patriarchalischen Kultur. Nicht minder jedoch geht es um die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen als Reflex der herrschenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Erikas menschliches Potential wird zum Zweck der Ansammlung von Besitz und Ansehen verpfändet. Misstrauen, Neid, Angst und Verachtung bestimmen das Verhalten untereinander und zu sich selbst. Kauf- bzw. Sparzwang und billige Unterhaltung entschädigen für den Verzicht auf Befriedigung emotionaler Bedürfnisse. Für die reale Machtlosigkeit tröstet Professor Kohut lediglich die ihrem Lehramt entlehnte Macht über die Schüler.35 Psychoanalytische Weiblichkeitstheorie Alexandra Heberger sieht in dem Roman die Dekonstruktion des „Mythos der patriarchalischen Autorität“, die Umkehrung der psychoanalytischen Weiblichkeitstheorie Sigmund Freuds. Jelinek verkehre den Mythos der autoritären Vaterfigur, des patriarchalischen Familienoberhaupts in sein Gegenteil. Der Roman Die Klavierspielerin folgt Freuds psychoanalytischer Weiblichkeitstheorie: … Erika kompensiert durch Schaulust und Masochismus unterdrückte Gefühle und den Vaterverlust, folglich muss der Liebesversuch Erikas mit ihrem Schüler Walter Klemmer fehlschlagen. Erika endet wieder am Anfang der Geschichte, nämlich im Ehebett ihrer Mutter.36
35 ������ Ebd., S. 78. ��� ��� 36 ���������� Alexandra Heberger: Der ���������� Mythos Mann in ausgewählten Prosawerken von Elfriede Jelinek. Osnabrück: Der Andere Verlag, 2002, S. 39.
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2.7 Interpretationsansätze Ekel und die Dialektik der Freiheit Elisabeth Wright referiert zunächst einige psychoanalytische Deutungen und bestätigt, dass der Roman einen ‚Mutter-Tochter-Plot‘37 habe. In Abgrenzung von dieser Sichtweise hebt Wright jedoch einen anderen Aspekt des Romans hervor: Die Klavierspielerin lädt zur Teilnahme am Vergnügen des Ekels ein. Ein Exzess der Libido zeigt sich hier in einem beunruhigenden und ekelerregenden Überfließen jeglicher Art von Körperflüssigkeit bei einer fortwährenden Auflösung von Begrenzung …38 Indem sie ihre Protagonistin sich verstümmeln lasse und die körperlichen „Grenz-Phänomene“ Schleim, Speichel und Samen in den Mittelpunkt rücke, verfolge Elfriede Jelinek das Ziel, das Reale des Körpers darzustellen. Der Ekel, der durch die Kultur verdrängt worden sei, werde im Text zum libidinösen Objekt. Ähnlich verfahre der Roman mit anderen Paradigmen der Zivilisation: Freiheit und Moral. Der Kant‘sche Imperativ, der fordert, dass Pflicht und Neigung in einem freiwilligen Akt in Übereinstimmung gebracht werden, ist in der Klavierspielerin auf den Kopf gestellt: Die härteste Repression („ihr seine Knie in den Leib bohren“) soll das intensivste Glück garantieren („bitte sei so gut“), indem der Imperativ, das Kommando, in einen sadomasochistischen Vertrag umgewandelt wird.39
37 � Elisabeth Wright: Eine ������������������ Ästhetik des Ekels. In: Arnold (Hrsg.): Elfriede Jelinek, S. 51. 38 � Ebd., S. 53. ������ ��� ��� 39 � Ebd., S. 57. ������ ��� ���
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2. Textanalyse und -interpretation
3. Themen und Aufgaben
3. Themen und Aufgaben Die Lösungshilfen verweisen auf die Seiten der vorliegenden Erläuterung. Thema: Erika Kohut – ein wildes Tier? • Geben Sie den Inhalt des Abschnitts S. 112 f. wieder. • Ordnen Sie den Abschnitt über das Verhältnis von wildem Tier und Dompteur in den Zusammenhang des Romans ein. Wer spricht? Wer erzählt diese Geschichte? Welche Textgattung, Textfunktion? • Prüfen Sie, ob es sich bei dieser Geschichte um eine Allegorie für das Leben von Erika Kohut handelt. Thema: Musikauffassung als Spiegel von Erikas Charakter/Innerem? • Untersuchen Sie, ob Erikas Musikauffassung ihrer inneren Befindlichkeit entspricht. Hat sich nach dem sexuellen Erlebnis auf der Toilette Erikas Verhältnis zu Klemmer geändert? Drückt sich diese Veränderung in ihrer Rede über Schubert und seine Musik aus? (S. 188–192) „Vielleicht ist es für Erika noch nicht zu spät, ein neues Leben zu beginnen.“ (S. 188) „Er keift, dass seine Lehrerin plötzlich und verblüffend um 180 Grad umgeschwenkt sei …“ (S. 191) 3. Themen und Aufgaben
Lösungshilfe: S. 41, 88 f.
Lösungshilfe: S. 50
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3. Themen und Aufgaben Thema: Ist Die Klavierspielerin ein autobiografischer Roman? • Vergleichen Sie die Biografie der Autorin Elfriede Jelinek mit dem Lebenslauf der Klavierlehrerin Erika Kohut. • Wenn Die Klavierspielerin ein autobiografischer Roman ist, dann ist Erika Kohut ein Alter Ego der Autorin Elfriede Jelinek. Wenn Erika ihrerseits einen Roman über die Grundkonflikte ihres Lebens schreiben würde, würde sie dann den Roman schreiben, den Elfriede Jelinek geschrieben hat? In welcher ihrerseits erfundenen Figur würde Erika ihr Leben, ihre Nöte erzählen?
Lösungshilfe: S. 7 ff., 19 f.
Thema: Der Schluss des Romans • Im Gegensatz zur dargestellten Beziehung von Mutter und Tochter verlangt ein Roman einen Abschluss. Romanschlüsse werden häufig als Botschaft des Autors verstanden. Welche Botschaft übermittelt der Schluss des Romans Die Klavierspielerin? • Entwerfen Sie Alternativen zum vorliegenden Ende.
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3. Themen und Aufgaben
4. Rezeptionsgeschichte
4. Rezeptionsgeschichte Bei seinem Erscheinen im Jahr 1983 im Rowohlt Verlag wurde der Roman von der Literaturkritik überwiegend positiv aufgenommen.40 Vielfalt der Sprechweisen Lothar Baier lobt in der Süddeutschen Zeitung Jelineks Roman überschwänglich. Erika sei zwar ein Opfer mütterlicher Gewalt, der Roman sei aber nur auf den ersten Blick eine radikalere Variante psychologischer Töchterdramen. Die „literarische Glanzleistung“ Jelineks bestehe in der Vielfalt der Sprechweisen, mit der sie das soziale Drama der gescheiterten Aufsteigerin Erika entfalte. Mit Die Klavierspielerin hat die Österreicherin Elfriede Jelinek etwas ganz Unerwartetes zustande gebracht, einen zeitgenössischen politischen Roman, der dem zeitgenössischen Mythos vom Ende der Klassenschranken höhnisch in die Parade fährt: Denn Klassenschranken sind es, zwischen denen die Autorin alle ihre Figuren hilflos herumzappeln lässt, bis sie sich an ihnen den Schädel einrennen. Das Ungewöhnliche und Unerwartete dieser Gesellschaftskritik liegt vor allem darin, dass sie nicht von außen in den Roman hineinmontiert, sondern in seiner Sprache selbst entfaltet wird. Nirgendwo tritt das Kleinbürgerliche der Klavierspielerinnenwelt schärfer hervor als dort, wo die Autorin ihre Sätze aus dem Spiel mit den Redensarten erzeugt, die, das Evidente und die Ewigkeit der Rangordnungen in der Welt beschwörend, Sedimente des kleinbürgerlichen Bewusstseins sind: ‚Wer plant, gewinnt. Wer vorsorgt, hat in der 40 ����� Eine genaue �������������������� Untersuchung der ���������������� Bewertungen des ����������� Romans in regionalen ��� ��������������� und überregionalen ��������������� Medien hat Anja Meyer durchgeführt. Vgl. Anja Meyer: Elfriede Jelinek, S. 81.
4. Rezeptionsgeschichte
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4. Rezeptionsgeschichte Not.‘ … Auf diese Weise sprengt Elfriede Jelineks Romansprache die Alternative zwischen einfühlender Erzählung und ironischer Distanzierung von den Figuren: Sie stülpt nicht das Innere ihrer Figuren nach außen und legt es als grauen Film über die Welt, sondern sucht es in den sprachgewordenen Ablagerungen ihres Bewusstseins auf; die Welt geht unterdessen gleichgültig ihren gewohnten Gang.41 Trotz der Bilder, die sich von Schrecken zu Schrecken hinschleppten, deutet der Roman für Baier eine Utopie an, für die seiner Interpretation des Romans entsprechend die Sprache eine zentrale Rolle spielt: Es könnte sich die unübersteigbare Mauer, die ein Bewusstsein gegen fremde Blicke abschirmt, einmal öffnen, wenn nur das richtige Wort gefunden wird.42 Eindringlichkeit Die Kritik von Ria Endres im SPIEGEL besteht vor allem aus einer vergleichsweise umfangreichen Inhaltsangabe. Eine explizite Bewertung des Romans fehlt. Die Rezensentin hebt jedoch gleich zu Beginn hervor, dass die „Bilder einer geradezu tödlichen Mutter-Tochter-Beziehung … einen schon weit über den Buchdeckel hinaus verfolgen“43 könnten. Den Leser zum Kotzen bringen Reinhard Beuth betont in seiner kurzen Rezension für die WELT den Ehrgeiz der Mutter, den furchtbaren Drill, die monströse Spießigkeit und die Folgen dieser Lebensbedingungen für 41 �������������� Lothar Baier: Abgerichtet, sich selbst zu zerstören. Süddeutsche Zeitung, 16./17. 7. 1983. Zit. nach: Bartsch, Höfler (Hrsg.): Elfriede Jelinek, S. 211. 42 ���� Ebd. 43 ���� Ria Endres: Ein �������� musikalisches Opfer. Der SPIEGEL vom 23. 5.1983. Zit. nach: Bartsch, Höfler (Hrsg.): Elfriede Jelinek, S. 202.
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4. Rezeptionsgeschichte
4. Rezeptionsgeschichte Erikas Sexualverhalten. Jelinek schreibe das alles teilnahmslos, bösartig und ohne Humor auf, sodass der Rezensent zu einem ablehnenden Urteil kommt: Sie [Jelinek] gefällt sich als Menschenverächterin. Sie hasst Musik, sie hasst Wien, sie hasst Menschen. Und sie hasst wohl vor allem sich selbst. Das macht die Jelinek-Lektüre so verdrießlich. Sie möchte ganz einfach ihre Leser zum Kotzen bringen. Bei labilen Naturen schafft sie es mit der Klavierspielerin bestimmt. Aber das ist eine Art von Qualität, auf die wir uns nicht einlassen mögen.44 Melodram Die Hörspieladaption des Romans aus dem Jahr 1988 des SWF stellt die Rolle und Stimme der Mutter in den Mittelpunkt. Die Regisseurin Patricia Jünger hat das Augenmerk nach eigener Auskunft „auf die Selbstzerstörungsakte, den zwanghaften Wiederholungscharakter verselbständigter Handlungs- und Verhaltensweisen, die Empfindungslosigkeit in der aussichtslosen Mutter-Tochter-Symbiose“45 gelegt. Verfilmung Anders als die Bearbeitung für das Radio stellt die Verfilmung von Michael Haneke die Beziehung zwischen Erika und Klemmer ins Zentrum. Der Film aus dem Jahr 2001 wurde ein Erfolg, was sicher nicht nur an der Romanvorlage, sondern auch an der prominenten Besetzung mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle lag. Trotz des Erfolgs beim Publikum äußert sich Stefanie Maeck in ihrer Besprechung auf der Internet44 ���������������� Reinhard Beuth: Treffsicher im Giftspritzen. Die WELT, 21. 5. 1983. Zit. nach: Bartsch, Höfler (Hrsg.): Elfriede Jelinek, S. 202. 45 http://www.br-online.de/kultur-szene/hoerspiel/kalender/artmix/01609/index.shtml �������� (Stand: Oktober 07).
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4. Rezeptionsgeschichte Seite filmtext.com kritisch über die filmische Umsetzung der Buchvorlage: Haneke findet für sein Thema klare, kühl eingefärbte, fast klinische Bilder und eine zurückhaltende Kamera. Er kontrastiert die sublime Eleganz des Konservatoriums mit der Banalität der halbseidenen Örtlichkeiten und anhäusigen Toilettenräume. Doch sein Film bleibt dabei trotz der schauspielerischen Leistung stets in einem bedauernswert naturalistischen Original-Abbild-Verhältnis gegenüber der Vorlage. Was die Jelinek einem in einer Sprachgewalt und -deformation in den Kopf gehämmert hat, bleibt bei Haneke glatte Bildoberfläche, an der das Auge zwar erschrocken abperlt, aber bei der dem Masochismus keine eigene Sprache gegeben wird. … Der einzigartige Sprachrausch, er findet zu keiner eigenständigen, filmischen Grammatik. Manchmal, so scheint es, sagt eben ein Wort, gerade an der Grenze seiner sprachlichen Repräsentation, an der sich die Jelinek mit ihren Theatertexten so gerne bewegt, mehr als tausend Bilder.46
46 ��������� Stefanie Maeck: Schmerz, ������� oh Schutz vor dir! http://www.filmtext.com/start.jsp?mode=2&lett=K &archiv=315 (Stand: Oktober 07).
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5. Materialien Masochismus, nach dem österreichischen Schriftsteller Leopold Ritter von Sacher-Masoch benannte Sammelbezeichnung für sexuelle Orientierungen, bei denen Lust mit bestimmten Formen der bewussten Hingabe an den Sexualpartner verknüpft wird, z. B. körperliche oder psychische Unterwerfung, Erleiden von Schmerz, Duldung von Erniedrigung, Aushalten von Angst oder Wehrlosigkeit. Masochismus kommt bei heterosexuellen Frauen und Männern ebenso vor wie bei homosexuellen oder bisexuellen. Oft ist Masochismus mit Formen von Fetischismus (Leder, Gummi, Pelze, Schuhe) oder anderen sexuellen Orientierungen verbunden. Über die Ursachen von Masochismus wurde in der Psychologie und Sexualwissenschaft viel spekuliert, sie sind bis heute nicht geklärt. Masochismus, der nicht mit Hörigkeit verwechselt werden darf, braucht ein Coming-out. Gelebt wird masochistische Sexualität entweder verborgen bei einer Domina oder zunehmend häufiger auch offen in partnerschaftlicher Sexualität (S/M). Masochistische Hingabe ist freiwillig und beschränkt sich auf sexuelle oder sexuell besetzte Situationen. Menschen mit dieser Sexualität können Opfer von Misshandlungen oder Vergewaltigung werden wie jeder andere auch. Der Brockhaus Multimedial. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2004 Sadismus (nach dem französischen Schriftsteller Donatien A. F. Marquis de Sade), Sammelbezeichnung für sexuelle Orientierungen, bei denen Lust durch das Verfügen über einen sich hingebenden Sexualpartner und dessen Reaktionen hervorgerufen wird. Sadistische Machtausübung kann sich z. B. in Befehlen, Schlägen, Fesselungen oder im Hervorrufen unangenehmer Gefühle und Sinneswahrnehmungen äußern. Der Brockhaus Multimedial. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2004 5. Materialien
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5. Materialien Roland Barthes’ Theorie der Trivialmythen hat insbesondere Jelineks Sprachgebrauch stark beeinflusst. Nach Barthes’ Theorie sind die Mythen politische Herrschaftsmittel, schlicht: Betrug. Ihr Medium ist die Sprache. Die Entschleierung deformierender Mythen ist für Barthes ein aufklärerischer Akt. Die Welt tritt in die Sprache als eine dialektische Beziehung von Tätigkeiten, von menschlichen Akten ein, sie tritt aus dem Mythos hervor als ein harmonisches Bild von Essenzen. … der Mythos ist eine entpolitisierte Aussage. … Der Mythos leugnet nicht die Dinge, seine Funktion besteht im Gegenteil darin, von ihnen zu sprechen. Er reinigt sie nur einfach, er macht sie unschuldig … Er schafft die Komplexität der menschlichen Handlungen ab und leiht ihnen die Einfachheit der Essenzen, er unterdrückt jede Dialektik, jedes Vordringen über das unmittelbar Sichtbare hinaus, er organisiert eine Welt ohne Widersprüche … Roland Barthes: Mythen des Alltags, S. 130 f. Die Mythen sind nichts anderes als das unaufhörliche, unermüdliche Ersuchen, die hinterlistige und unbeugsame Forderung, die verlangt, dass alle Menschen sich in dem ewigen – und doch datierten – Bild erkennen, das man eines Tages von ihnen gemacht hat, als ob es für alle Zeit sein müsste. Roland Barthes: Mythen des Alltags, S. 147 Unter Berufung auf die Studien zum autoritären Charakter (1973) von Theodor W. Adorno erklärt Frank W. Young die Stellung des Kleinbürgertums zwischen der Unterschicht und dem Großbürgertum zum grundsätzlichen Dilemma dieser Gesellschaftsgruppe. Die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ist für Young verantwortlich für die zentralen Konflikte der Damen Kohut:
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5. Materialien Das Kleinbürgertum deutschsprachiger Provenienz kann etwa folgendermaßen charakterisiert werden: Vom Ehrgeiz nach großbürgerlicher Geltung und Eigenständigkeit getrieben, doch dauernd von finanziellen Sorgen genötigt, ist der Kleinbürger zur Bewahrung seines Selbstbildes auf Fetische angewiesen, mit deren Hilfe er sich zwischen der verachteten Arbeiterklasse, von der er meistens wirtschaftlich abhängig ist, und der verehrten Oberschicht, deren Gunst er niemals sicher sein kann, einrichtet. Besitz einer Eigentumswohnung, Beziehungen zu bekannten Persönlichkeiten oder der Erwerb eines Titels verschaffen ihm die ersehnte Vergewisserung, etwas Besseres zu sein als andere. Unfähig, sich mit seinesgleichen zu identifizieren, und unfähig, sich frei nach den zur Norm gewordenen Leitbildern der herrschenden Klasse zu verwirklichen, wendet er sich gegen Gleichgestellte und unter sich Stehende. Da die Güter dieser Welt endlich sind, die Gier danach aber unendlich, darf der Einzelne sich mit anderen nur unter geregelten, möglichst vorteilhaften Bedingungen gleichsam vertragsmäßig einlassen. Unter dem unablässigen Druck, den Sprung nach oben zu schaffen, allenfalls aber den Sturz nach unten zu verhindern, neigt er zu Konformismus, Opportunismus und Gewaltanwendung. Frank W. Young: »Am Haken des Fleischhauers«. In: Christa Gürtler (Hrsg.): Gegen den schönen Schein, S. 75 f. Begründung für die Vergabe des Büchner-Preises an Elfriede Jelinek 1998: Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht den Georg-Büchner-Preis 1998 Elfriede Jelinek, für die vielstimmige Kühnheit ihres erzählerischen und dramatischen Werks, worin sie sprachbesessen die Sprache vor ihr eigenes Tribunal zieht, liebessüchtig den Riss zwischen Lust und Zärtlichkeit aufdeckt, zornig für die ausgeschlachtete Natur in einer verblendeten Zivilisation 5. Materialien
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5. Materialien eintritt und friedliebend den Verlust der Güte und Herzlichkeit zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen, zwischen den Mächtigen und den Hilflosen beklagt. http://www.deutscheakademie.de/urkundentexte/buechner/1998.html (Stand: Oktober 07) Die Frankfurter Allgemeine Zeitung rühmt die Autorin aus Anlass der Verleihung des Nobelpreises für Literatur im Jahr 2004 als eine umstrittene, kompromisslose Kritikerin. Aber anders als der Nobelpreisträger des Jahres 1999 [Günter Grass], der die Sprache liebt und ihr vertraut, zählt Elfriede Jelinek auch die Sprache zu jenen Instrumenten der Unterdrückung, gegen die sie unermüdlich kämpft. Die Welt, die sie beschreibt, ist geprägt von Lust und Gier, von Gewalt, Unterwerfung und Machtmissbrauch. Es ist ein Raubtierkäfig der Konventionen, in dem Rituale des Schreckens und der Banalität gefeiert werden. Um dies darzustellen, ist Elfriede Jelinek jedes Mittel recht. So sind ihre Bücher all dies zugleich: poetisch und obszön, rasend komisch und sterbenslangweilig, hochintelligent und schrecklich platt. Ebenso radikal und kompromisslos wie in ihrer Zivilisationskritik zeigt sich Elfriede Jelinek in ihrem bei jeder Gelegenheit ausgestellten Hass auf ihr Heimatland Österreich. Wie Thomas Bernhard, mit dem sie den Hang zur Übertreibung, zur kompromisslosen, zuweilen blindwütigen Zuspitzung teilt, glaubt sie in Österreich überall das Fortwirken des Faschismus zu erkennen. Und so ist es kein Wunder, dass Elfriede Jelineks Bücher höchst umstritten sind und die Autorin vor allem in ihrer Heimat weniger gefeiert als beschimpft wird. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08. 10. 2004, S. 1
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Literatur
Literatur 5.1 Textausgabe Jelinek, Elfriede: Die Klavierspielerin. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1986 u. ö. (Nach dieser Ausgabe wird zitiert.) 5.2 Bearbeitungen Die Klavierspielerin. Ein Melodram. Komposition und Regie: Patricia Jünger, mit Maren Kroymann und Eva Csapó (Coloratur-Sopran), Beatrice Mathez-Wüthrich (Alt), Sylwia Zytynska (Percussion), Wolfgang Heininger (Percussion), SWF 1988. Die Klavierspielerin. Regie: Michael Haneke, mit Isabelle Huppert, Annie Girardot u. a., F/Ö 2001. Grissemann, Stefan (Hrsg.): Haneke/Jelinek: Die Klavierspielerin. Drehbuch, Gespräche, Essays. Wien: Sonderzahl Verlag, 2001. 5.3 Biografie Mayer, Verena; Koberg, Roland: Elfriede Jelinek. Ein Porträt. Reinbek: Rowohlt, 2006. (Die Autoren haben Elfriede Jelinek und zahlreiche ihrer Bekannten befragt. Auf dieser Grundlage bringen sie in der ersten umfassenden Biografie Leben und Werk von Elfriede Jelinek in Zusammenhang. Bisher sind in keinem anderen Buch mehr Informationen über das Leben der zurückgezogen lebenden Nobelpreisträgerin erschienen. Neben Fotos aus unterschiedlichen Lebensphasen enthält der Band auch eine Zeittafel.) Literatur
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Literatur 5.4 Sekundärliteratur Arnold, Heinz Ludwig: Elfriede Jelinek. Text + Kritik Heft 117, München: Edition Text + Kritik, 2., erw. Aufl. 1999. (Der Sammelband vereinigt Texte von und vor allem über Elfriede Jelinek. Die geordnete Auswahlbibliografie erschließt einen bedeutenden Teil der Literatur zur Klavierspielerin und zur Person der Autorin. Der Band enthält außerdem den lesenswerten Interpretationsaufsatz Eine Ästhetik des Ekels von Elisabeth Wright. Vgl. Kap. 2.7 Interpretationsansätze, S. 94.) Baier, Lothar: Abgerichtet, sich selbst zu zerstören. Ein Roman, der Gesellschaftskritik in seiner Sprache entfaltet. Süddeutsche Zeitung, 16./17. 7. 1983. In: Kurt Bartsch, Günther Höfler (Hrsg.): Elfriede Jelinek, Graz: Droschl, 1991, S. 208–211. (Die Rezension verortet den Roman im Werk von Elfriede Jelinek und spricht ihm eine gesellschaftskritische Aussage zu.) Bartsch, Kurt; Höfler, Günther (Hrsg.): Elfriede Jelinek. Graz: Droschl, 1991. Beuth, Reinhard: Treffsicher im Giftspritzen. Die Welt, 21. 5. 1983. In: Kurt Bartsch, Günther Höfler (Hrsg.): Elfriede Jelinek, Graz: Droschl, 1991, S. 201 f. (Die Rezension fasst Inhalt und Themen des Romans sehr knapp zusammen.) Enders, Ria: Ein musikalisches Opfer. Der SPIEGEL, 23. 5. 1983. In: Kurt Bartsch, Günther Höfler (Hrsg.): Elfriede Jelinek, Graz: Droschl, 1991, S. 202–207 (Die Rezension enthält eine umfassende Inhaltsangabe, aber keine Wertung.)
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Literatur Hoffmann, Yasmin: Elfriede Jelinek. Sprach- und Kulturkritik im Erzählwerk. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 1999. (Hoffmann untersucht Jelineks Lust an der Sprache zwischen Satire und Spiel.) Janz, Marlies: Elfriede Jelinek. Stuttgart, Weimar: Metzler, 1995. (Der Band enthält keine Biografie, sondern einzelne Interpretationen des Werkes. In chronologischer Reihenfolge werden die Gedichte, Dramen und Romane thematisiert und auf Leitmotive hin untersucht. Die Klavierspielerin wird auf den Seiten 71–86 in feministischer Perspektive interpretiert.) Meyer, Anja: Elfriede Jelinek in der Geschlechterpresse. Die Klavierspielerin und Lust im printmedialen Diskurs. Hildesheim u. a.: Olms, 1994. (Meyer untersucht die Rezeption der Klavierspielerin in deutschen und österreichischen Zeitungen. Daneben gibt sie eine kurze Übersicht über die Themen des Romans.) Vis, Veronika: Darstellung und Manifestation von Weiblichkeit in der Prosa Elfriede Jelineks. Frankfurt a. M., Berlin u. a.: Peter Lang, 1998. (Im Zusammenhang mit der Klavierspielerin sind vor allem die Seiten 388–402 sowie der Schluss, S. 429–435, von Interesse.) Young, Frank W.: »Am Haken des Fleischhauers«. Zum politökonomischen Gehalt der Klavierspielerin. In: Christa Gürtler (Hrsg.): Gegen den schönen Schein, Frankfurt a. M., 1990, S. 75–80. (Vgl. Kap. 2.7 Interpretationsansätze, S. 92 f.)
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Literatur 5.5 Internet Homepage von Elfriede Jelinek: http://www.elfriedejelinek.com/ Fachinformationen und kommentierte Links der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin: http://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/ germanistik/autoren/multi_ijk/jelinek.html Österreichisches Deutsch und „Österreichisches Wörterbuch“: http://gregor.retti.info/oewb/ Elfriede-Jelinek-Forschungszentrum des Instituts für Germanistik der Universität Wien: http://www.praesens.at/elfriede-jelinek-forschungszentrum/ Widmann, Arno: Liebeserklärung an eine Unerbittliche: http://www.perlentaucher.de/artikel/1886.html
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