Über die Autorin dieser Erläuterung: Frauke Frausing Vosshage, geboren 1941, studierte in Kiel und Paris Romanistik, An...
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Über die Autorin dieser Erläuterung: Frauke Frausing Vosshage, geboren 1941, studierte in Kiel und Paris Romanistik, Anglistik und Psychologie. Dissertation über die Rezeption des amerikanischen Dramas in Frankreich mit besonderer Berücksichtigung von Tennessee Williams A Streetcar named Desire. Weitere unterrichtsbezogene Veröffentlichungen zur amerikanischen, englischen und französischen Literatur. Sie unterrichtet seit über 30 Jahren Englisch und Französisch an einem Lübecker Gymnasium und engagiert sich schon ebenso lange für die interkulturelle Zusammenarbeit und internationale Begegnungen von Jugendlichen und Erwachsenen. Der besondere Einsatz der Mutter von zwei Töchtern gilt schulisch und privat der Unterstützung des Kinderhilfswerkes für Straßenkinder Amanecer in Cochabamba, Bolivien. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt oder gespeichert und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. 3. Auflage 2008 ISBN 978-3-8044-1799-1 © 2004 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Albert Camus Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk
2
Inhalt Vorwort ...............................................................
5
Albert Camus: Leben und Werk ........................ Biografie ................................................................ Zeitgeschichtlicher Hintergrund ............................. Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken ........................................
7 7 16
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Textanalyse und -interpretation ........................ Entstehung und Quellen ........................................ Inhaltsangabe ........................................................ Aufbau .................................................................. Personenkonstellation und Charakteristiken .......... Sachliche und sprachliche Erläuterungen ............... Stil und Sprache ..................................................... Interpretationsansätze ...........................................
30 30 35 48 51 63 67 76
3.
Themen und Aufgaben .......................................
86
4.
Rezeptionsgeschichte ..........................................
91
5.
Materialien ..........................................................
95
1. 1.1 1.2 1.3
20
Literatur .............................................................. 100
3
4
Vorwort
Vorwort Der Autor Albert Camus, der Philosoph des „Absurden“, Literaturnobelpreisträger von 1957, starb 1960 im Alter von sechsundvierzig Jahren bei einem Autounfall. Das Werk, das er hinterließ, gehört längst zur klassischen Literatur. Aber Camus erweist sich gerade heute als aufregend aktuell und glaubwürdig. Dass er, der entschiedene Anwalt des Menschen, auch die dunklen Seiten der Existenz durchleuchtet, konkret formuliert und durch Literatur begreifbar gemacht hat, ist angesichts der Werte- und Orientierungsleere unserer Tage ein Glück, das wir nutzen können. Camus scheute nicht vor Tabus zurück, um klarer sehen und bewusster leben zu können. Er verstand sich als Mensch in der Verantwortung. Die Erwähnung der Pest ist ein Tabu, weil sie an kollektive Ängste rührt und als Synonym für Gefahr, Tod und Chaos steht. Die Pest ist eine überzeugende Metapher für die Gefährdung des Einzelnen und der Gesellschaft, wenn die Ansteckung mit einer lebensgefährlichen Krankheit Beziehungen, Werte und Ordnungen zerstört. Jeder kann Träger der Gefahr sein. Der Ausbruch von Epidemien wie AIDS, SARS u. a. weckt alte Ängste. Wir werden an unsere Verletzlichkeit und die unleugbare Nähe des Todes erinnert. In dem Roman wird die nordafrikanische Handelsstadt Oran von der Pest heimgesucht und in kurzer Zeit verwandelt. Die Katastrophe bringt einige Personen zusammen, die Züge des Autors tragen. Besonders ihnen, aber letztlich uns allen gefährdeten Menschen gilt dieser als Chronik geschriebene Roman. Die Moral und Existenzphilosophie von Albert Camus ist innerweltlich, humanistisch und an den Möglichkeiten des Menschen orientiert. Die Identität von Werk und Autor gibt
Vorwort
5
Vorwort seinem vielseitigen, großen Werk eine authentische, nachhaltige Kraft, die inspiriert und stärkt. Diese Erläuterungen richten sich an Schüler, Studenten und Lehrende, die sich mit dem Autor Albert Camus befassen. Drei Kapitel (2.5, 3 und 5) sind für die Interpretation des Originaltextes auf Französisch abgefasst. Die Grundlage meiner Erklärungen und Interpretationen waren die Originalwerke, aber ich habe auch die deutschen Übertragungen herangezogen. Auf Deutsch kann Die Pest gelesen werden in der klassischen Übersetzung von Guido G. Meister und in der aktualisierten Fassung von Uli Aumüller, beide bei Rowohlt. Zitiert wird nach der Aumüller’schen Übersetzung.
6
Vorwort
1.1 Biografie
1.
Albert Camus: Leben und Werk
1.1 Biografie Jahr
Ort
Ereignis
7. 11. 1913
Mondovi (Algerien)
11. 10. 1914
Marne (Frankreich)
Albert Camus kommt zur Welt in der Nähe von Mondovi, Département Constantine, Frz.Algerien, als zweiter Sohn des Landarbeiters und Verwalters Lucien Camus, einer elsässischen Einwandererfamilie entstammend, und der Catherine Sintès aus einer katalanischen Einwandererfamilie.1 Der Vater wird als „Zouave“ zum Kriegsdienst eingezogen, in der Marneschlacht schwer verwundet und stirbt kurz darauf. Er wird fern der Heimat auf dem Militärfriedhof von SaintBrieuc in der Bretagne beigesetzt.2
Bretagne
1 2
Alter
1
Die Mutter war Analphabetin und sprachbehindert, vermutlich seit einer Kinderkrankheit. Camus wird von dem frühen Tod des Vaters lebenslang verfolgt. In dem frühen Essay Ja und Nein (1934) schreibt er: Marne, offener Schädel. Blind, eine Woche lang Ringen mit dem Tod ... Er war auf dem Feld der Ehre gefallen, wie man zu sagen pflegt ... das Lazarett hat der Witwe auch noch einen kleinen Granatsplitter geschickt, der in seinem zerfetzten Körper gefunden worden war. In: LEnvers et LEndroit, S. 64.
1. Albert Camus: Leben und Werk
7
1.1 Biografie
Ort
Ereignis
1914
Algier
1918– 1923
Algier
1923– 1930
Algier
1 Die Witwe zieht mit ihren beiden Söhnen um in eine winzige Wohnung des Armenviertels Belcourt, Algier, nahe dem Araberviertel. Sie verdient den Lebensunterhalt als Putzfrau in „besseren“ Vierteln. Die Großmutter beherrscht die Familie. Weitere Familienangehörige, der Onkel Etienne und seine Küfer-Werkstatt sind wichtig für die Kinder Lucien und Albert.3 Besuch der Grundschule, die 5–10 für die Kinder der Armen nach 5–6 Jahren endet. Der Lehrer Louis Germain erkennt die Begabung des Jungen, setzt sich erfolgreich für ein Stipendium am Gymnasium ein.4 Besuch des Gymnasiums. Er ar- 10–17 beitet nebenher in einem Büro, will zeitweilig nicht mehr zurück in die Schule. Er entdeckt seine Leidenschaft für den Fußball (Kameradschaft). Camus spielt in der Fußballmannschaft „Racing Universitaire“.
3 4
8
Alter
Jahr
Camus in Der erste Mensch, S. 310: sagt, dass die Menschen zusammengehalten wurden durch die blanke Not in einer behinderten und unwissenden Familie. Camus setzte dem Lehrer in seiner Nobelpreis-Rede ein Denkmal, worauf dieser ihm in einem bewegenden Brief antwortete. 1. Albert Camus: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
1930
Algier
1931
Algier
1933
Algier
1934
Algier
1935
Algier
Ausbruch der Tuberkulose. Sie führt zu einer Lebenskrise. Er kann lange nicht zur Schule gehen. Er liest Gide, macht das Baccalauréat. Camus erholt sich bei einem wohlhabenden Verwandten, Gustave Arcault, der Metzger und Literaturliebhaber ist. Beginn des Philosophiestudiums, Bekanntschaft mit dem Lehrer Jean Grenier, der ihm zum väterlichen Freund wird. Er heiratet Simone Hié, Tochter eines Arztes. „Eine übereilte Heirat, wie ein zugleich sinnlicher und idealistischer Mann sie schließen kann.“5 Camus arbeitet als Angestellter. Engagement gegen Faschismus. Camus tritt in die kommunistische Partei ein. Scheidung von Simone Hié. Verlässt die kommunistische Partei aus Protest, weil sie sich nicht klar für die arabische Bevölkerung einsetzt. Tourneen mit dem „Théâtre d’Alger“. Gründung des „Théâtre du
5
Alter 17
18
20
21
22
Lebesque, Morvan, S. 21
1. Albert Camus: Leben und Werk
9
1.1 Biografie
Jahr
Ort
1936–37 Algier
10
1937
Algier Reisen nach Italien, Frankreich
1938
Algier
Ereignis
Alter
Travail“. Lektüre von Pascal, Kierkegaard, Malraux. Erneuter Ausbruch der Tuberkulose. Der zweite Lungenflügel ist betroffen. Diplôme d’études supérieures 23–24 de philosophie. Diplomarbeit über die hellenistischen Quellen des Christentums unter besonderer Berücksichtigung von Augustin und Plotin. Camus will nicht mehr Lehrer werden, sondern seine Unabhängigkeit bewahren. Er spielt Theater, übernimmt Hauptrollen in klassischen Stücken. Aus Gesundheitsgründen wird 24 Camus nicht zur Agrégation zugelassen. Vortrag im „Maison de la Culture“ über Anliegen und Ziele der „Nouvelle culture méditerranéenne“; Reisen nach Italien und Südfrankreich, Lektüre von Nietzsche, Spengler, Sorel. Gründung des „Théâtre de L’Equipe“. Camus arbeitet mit Pascal Pia als 25 Journalist beim neu gegründeten „Alger Républicain“, schreibt und engagiert sich gegen die Un-
1. Albert Camus: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
1939
Algier
1940
Paris
1941
Oran
1942
Frankreich
6
Ereignis terdrückung algerischer Minderheiten (Kabylien); er inszeniert Die Brüder Karamasow, liest die Stoiker und Epikur. Er lernt Francine Faure kennen. Kriegsausbruch; Camus meldet sich als Freiwilliger, wird aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt. Heirat mit Francine Faure. Verbot des „Alger Républicain“; Camus wird aus Algerien ausgewiesen wegen kritischer Artikel, geht durch Vermittlung von Pascal Pia allein nach Paris, arbeitet für „Paris-Soir“. Rückkehr nach Algerien, Hinrichtung des Widerstandskämpfers Gabriel Péri in Lyon.6 Rückkehr nach Frankreich; Beitritt zur Widerstandsgruppe „Combat“. Die Landung der Alliierten in Algerien macht eine Rückkehr vorerst unmöglich; Camus arbeitet an Notizen für Die Pest. Er spricht von der beginnenden Herrschaft der Tiere. Lektüre von Melville, Cervantes, Balzac, Kierkegaard, Spinoza.
Alter
26
27
28
29
Gabriel Péri, Kommunist und führendes Mitglied der Résistance, wurde im Mai 1941 festgenommen und am 15. Dezember 1941 von den Deutschen erschossen. Siehe auch S. 98 f. dieser Erläuterung.
1. Albert Camus: Leben und Werk
11
1.1 Biografie
Ort
1943
Massif Central Ein erneuter Ausbruch der Krankheit erzwingt den Aufenthalt im Massif Central; „Combat“ Paris schickt Camus nach Paris; er tritt als Verlagslektor bei Gallimard ein; gründet mit anderen die Zeitung „Combat“, die illegal erscheint; er lernt Jean Paul Sartre kennen. Paris Erste Ausgabe von „Combat“ nach der Befreiung von Paris; Camus wird Chefredakteur. Francine kommt nach Paris. Paris Die Zwillinge Jean und Cathérine werden geboren. Camus lernt den Schauspieler Gérard Philippe kennen. Paris Beendigung von La Peste; ReiUSA se in die USA, Rede vor Studenten in New York; Beschäftigung mit dem Werk von Simone Weil; Kontroverse mit François Mauriac; Entscheidung gegen Gewaltanwendung; politische Diskussionen mit Sartre, Malraux, Sperber, Koestler über Gründung einer linken Partei; die Gruppe des „Combat“ löst sich auf.
24. 8. 1944
1945
1946
12
Alter
Jahr
Ereignis
30
31
32
33
1. Albert Camus: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
1947
Paris
1949
Paris
La Peste erscheint; überwältigender Erfolg, Camus wird mit dem „Prix des Critiques“ ausgezeichnet. Bruch mit dem Journalisten und Philosophen Merleau-Ponty. Aufruf zugunsten der zum Tod verurteilten griechischen Kommunisten, Reise nach Südamerika. Arbeit an dem Essay Der Mensch in der Revolte. Heftiger Konflikt, dann Bruch zwischen Sartre und Camus nach Veröffentlichung des Essay. Camus’ Austritt aus der UNESCO wegen Aufnahme des frankistischen Spanien als Mitglied. Projekt Der erste Mensch; Aufruf zur Solidarität mit dem Arbeiteraufstand in Ostberlin7; Festspiele in Angers, wo Camus Theaterstücke inszeniert. Beginn des Algerien-Krieges; Camus kommentiert vermittelnd zwischen beiden Seiten.
Südamerika 1950
Paris
1951
Paris
1952
Paris
1953
Paris
1954
Paris
7
Alter 34
36
37 38
39
40
41
Wenn ein Arbeiter, irgendwo in der Welt, seine nackten Fäuste gegen einen Panzer erhebt und schreit, er wolle kein Sklave sein, was sind wir denn, wenn wir da gleichgültig bleiben? Nach: Weltliteratur des 20. Jahrhunderts, Eintrag zu Camus, S. 249
1. Albert Camus: Leben und Werk
13
1.1 Biografie
Ort
1955
Griechenland Reise nach Griechenland; Camus’ Paris Artikel zum Algerienkonflikt werden in „L’Express“ veröffentlicht. Algerien Reise nach Algerien; Camus drängt auf einen Kompromiss; er fordert die europäischen Schriftsteller zum Protest gegen die Unterdrückung des Aufstandes in Ungarn auf. Zusammenarbeit mit Arthur Koestler und Jean Boch-Michel gegen die Todesstrafe. Camus Stockholm erhält den Nobelpreis für Literatur8; Nobelpreisrede und Rede des Preisträgers vor Studenten in Uppsala über das Thema „Der Künstler und seine Zeit“. Lourmarin Camus kauft ein Haus in dem Ort Lourmarin, nahe Marseille, den er aus Jean Greniers Beschreibungen kennt. Er plädiert für ein Föderations-Statut mit arabischer Autonomie für Algerien. Lourmarin Redaktion des ersten Teils von Der erste Mensch.
1956
1957
1958
1959
8
14
Alter
Jahr
Ereignis
42
43
44
45
Für sein bedeutendes literarisches Werk, das mit klar sehendem Ernst die Probleme des menschlichen Gewissens in unserer Zeit beleuchtet (aus der Begründung des Nobelpreiskomitees). 1. Albert Camus: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
14. 1. 1960
Villeblevin
Januar 1960
Lourmarin
Camus und sein Verleger Gallimard sterben bei einem Autounfall bei dem Dorf Villeblevin auf der Rückfahrt von Lourmarin nach Paris.9 Albert Camus wird auf dem Friedhof in Lourmarin beigesetzt. Seine Mutter stirbt ebenfalls 1960.
9
Alter 46
46
Aus einem der Nachrufe: Ich habe Camus kaum gekannt. Trotzdem hat sein Tod eine unendliche Leere in mir gelassen. Wir hatten ihn, den Aufrechten, so nötig. Er stand, wie natürlich, mitten in der Wahrheit. Er ließ sich nicht von der Strömung fortreißen: er war keine Wetterfahne; sein Leben war ein Zeichen für uns. Ionesco, zit. nach Lebesque, S. 169
1. Albert Camus: Leben und Werk
15
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Albert Camus war während der deutschen Besetzung Frankreichs durch die Veröffentlichung des Romans L’Étranger (Der Fremde) und des philosophischen Essays Le Mythe de Sisyphe berühmt geworden. Griechische Mythen waren wirksame Abschirmungen aktueller politischer und philosophischer Auseinandersetzungen vor der Zensur. Sartre zeigte in Les Mouches (Die Fliegen, 1943) einen Orest der Revolte, der Verantwortung übernimmt. Anouilhs Antigone, der Aufstand eines jungen Mädchens gegen den Tyrannen, wurde bei der Uraufführung am 4. Februar 1944 als klarer Aufruf zum Widerstand interpretiert. Die Pest ist ebenfalls überwiegend ein Die Pest: Roman der Werk der Okkupationszeit, auch wenn Okkupationszeit Veröffentlichung und Rezeption in die Nachkriegszeit und den beginnenden „Kalten Krieg“ fielen. „Zuvörderst muss hier an La Peste (1947) von Camus gedacht werden, der die Okkupationszeit im Bilde einer Krankheit eingefangen hat, die für heutiges Empfinden längst schon legendär und geheimnisvoll geworden ist.“10 In seinem ersten Hörspiel Les silences de Paris (1949) gestaltete Camus die Atmosphäre der Besatzungszeit für das Radio. Diese Jahre sind belegt mit den Die Okkupationszeit 194044 Schlüsselbegriffen „Vichy“ und „Résistance“, die bis heute für Kollaboration und Widerstand stehen.11 Die Okkupationszeit folgte auf die Kapitulation von Frankreichs Armee, Staat und Institutionen vor Nazi-Deutschland: Das Land wurde im Juni 1940 in zwei Hauptzonen geteilt, die durch die „Demarkationslinie“ voneinander abgeriegelt waren: Der größte Teil Frankreichs im Norden und Nordwesten, 10 Zeltner-Neukomm, Gerda: Das Wagnis des französischen Gegenwartsromans, Reinbek: Rowohlt TB 1960, S. 102 11 Siehe 5. Materialien
16
1. Albert Camus: Leben und Werk
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Paris und der gesamte Bereich der Atlantikküste waren von deutschem Militär besetzt. Die deutsche Verwaltung bediente sich der französischen Polizei und französischer Institutionen. Die „Vichy“-Regierung des ehemaligen Generals Philippe Pétain in Mittel- und Südfrankreich war von Nazi-Deutschland abhängig und passte ihre Innen- und Außenpolitik und Gesetzgebung den deutschen Wünschen an. Seit November 1942 geriet auch diese „zone libre“ unter unmittelbare deutsche Hoheit. Der „S.T.O.“ (Service du Travail Obligatoire), der Zwangsarbeitsdienst für Deutschland, Beschlagnahmung aller wertvollen Güter, Mangel und Schwarzmarkt, vor allem Razzien und Deportationen waren die Folgen. Der größte Teil der französischen Bevölkerung wollte durch Anpassung überleben. Profiteure, Denunzianten und Verräter, vor allem aber eine bis heute weit gehend ungeklärte und ungeahndete Kollaboration in den Verwaltungseliten gehörten zum Funktionieren der Okkupation.12 Die 1940 von General Charles de Gaulle von London aus zum Widerstand aufgerufene Heimatfront reagierte mit der Bildung von Untergrundgruppen, die vor allem von Kommunisten, Sozialisten, Gewerkschaftern und Intellektuellen angeführt wurden. 1943 gründete sich das Organisationskomitee des „Conseil National de la Résistance“. Die militanten Untergrundgruppen des „Maquis“ vereinigten sich schließlich zur Befreiungsfront der FFI (Forces françaises de l’Intérieur). Camus schloss sich 1942 aktiv der Résistance an. In Artikeln, Briefen, Aufrufen und Essays hat er sich gegen Kollaboration 12 Jene Jahre wurden in Frankreich 1997/98 anlässlich des Fall Papon, des Prozesses gegen einen hochrangigen Verwaltungschef des Vichy-Regimes, der nach dem Krieg eine steile politische Karriere machen konnte, kritisch diskutiert. Er wurde 1998 wegen seiner Mitverantwortung bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Deportation von mehr als tausend Menschen in die Todeslager) verurteilt, jedoch bald darauf aus der Haft entlassen. Er wies bis zum Schluss jede Schuld von sich. (Dokumentationen in: Le Monde 1997/98) 1. Albert Camus: Leben und Werk
17
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund und Defaitismus und für die äußere und innere Befreiung Frankreichs eingesetzt. Nach der Befreiung antwortet er 1944 auf die Frage eines Journalisten, warum er sich der Résistance angeschlossen habe: „Das ist eine Frage ohne Sinn für Menschen wie mich. Ich hätte nirgendwo anders sein können, das ist alles. Ich fand damals und heute genau so, dass man nicht auf Seiten der KZs sein kann. Ich habe damals gemerkt, dass ich weniger die Gewalt hasse als die Institutionen der Gewalt. Und um präzise zu sein, so erinnere ich mich genau an den Tag, als meine Empörung den Höhepunkt erreichte: Das war an einem Morgen in Lyon, als ich in der Zeitung las, dass Gabriel Péri hingerichtet wurde.“13
Rückblick von Camus
Die tiefe Spaltung der französischen
Befreiung: Libération et épuration Bevölkerung prägte die unter großen
Opfern erkämpfte Phase der Befreiung, der „Libération“. Nachdem Paris und schließlich ganz Frankreich im November 1944 durch die amerikanische Armee und die FFI befreit war, zeigten sich neben den Jubelfeiern auch die dunklen Seiten: Vergeltung, Selbstjustiz und Rechtlosigkeit, euphemistisch als „épuration“(Reinigung) bezeichnet. Tausende wurden denunziert, öffentlich oder heimlich als Kollaborateure hingerichtet, Frauen, die sich mit Deutschen „eingelassen“ hatten, wurden öffentlich gequält und gedemütigt. An ihnen und den Kindern aus diesen Beziehungen rächte sich die Gesellschaft für die Schmach der Besatzung. (Vgl. dazu das soeben veröffentlichte und viel beachtetete Buch von Jean-Paul Picaper und Ludwig Norz, Les enfants maudits (Die Kinder der Schande), Paris: Editions des Syrtes, 2004. Es behandelt erstmals ausführlich und authentisch das schwere Schicksal dieser mehr als 200 000 Kinder der 13 Camus, Albert: Actuelles, Deux Réponses, S. 185, Übersetzung der Verfasserin. Vgl. auch Eluards Gedicht auf Gabriel Péri auf S. 98 f. der Erläuterung.
18
1. Albert Camus: Leben und Werk
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Besatzungszeit, die erst im Alter darüber sprechen konnten.) Über Kollaboration und „Volksjustiz“ wurde bald der Schleier des Vergessens und der Mythos der Résistance ausgebreitet. Camus hatte sich durch intensive LekFraternité spirituelle türe früh einen geistigen Kosmos ge(Geistesverwandte) schaffen, der Heimat und Orientierung war. Aus der Erfahrung der Okkupation heraus empfand er eine Geistesverwandtschaft mit jenen Schriftstellern, deren Werk Ausdruck eines in schwieriger Zeit bewusst gelebten Lebens war: Hier können nur zwei, allerdings für Die Pest wesentliche Einflüsse angeführt werden: Der Dichter René Char (1907–1988) hatte als Mitglied der Résistance, der „armée secrète“ in Frankreich und Algerien, eine Wandlung vom Surrealisten zum Dichter des moralischen Engagements erlebt. Camus empfand Chars Werk Fureur et mystère als „das schönste, wichtigste Buch in unserer unglücklichen Epoche“, voll geheimer Lebenskraft, Revolte und Geheimnis, eine Dichtung über den unzerstörbaren Kern des Menschen.14 Camus befasste sich auch mit den politischen Schriften und dem Schicksal der Philosophin Simone Weil, einer Märtyrerin des Widerstandes (1909–1943). Diese hatte entgegen ihrer bürgerlichen Herkunft ein Leben anhaltenden Verzichts und konkreten sozialen Engagements gewählt; sie hatte in der Fabrik gearbeitet, sich gewaltlos an der Verteidigung der spanischen Republik beteiligt, Untergrundartikel für die Résistance geschrieben und sich mit den „Eingeschlossenen“ der deutschen Besatzung so sehr identifiziert, dass sie im August 1943 in England vermutlich durch einen Hungerstreik aus Solidarität starb. Camus entdeckte ihr Werk und machte sie bekannt. Er war tief beeindruckt von ihrer gelebten Solidarität und ihrer Mitmenschlichkeit. 14 zitiert nach Horst Wernicke, Camus Lesebuch, Camus Entwurf vom brüderlichen Menschen, S. 109 ff. 1. Albert Camus: Leben und Werk
19
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken
1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken Werke 1936 1937 1938 1939 1942
1943 1944
1945 1947 1948 1949 1950 1951
20
Veröffentlichung des Theaterstücks Révolte dans les Asturies. Erscheinen der Essays L’Envers et l’Endroit (Licht und Schatten). Erscheinen der Essays Noces (Hochzeit des Lichts). Erscheinen des Essays Le Minotaure ou la Halte d’Oran. Veröffentlichung von Le Mythe de Sisyphe, Essai sur l’absurde; Beendigung und Erscheinen des Étranger (Der Fremde) in Paris. Der erste Lettre à un ami allemand (Brief an einen deutschen Freund) erscheint Aufführung von Le Malentendu (Das Missverständnis) in Paris; Erscheinen des letzten Lettre à un ami allemand. Aufführung von Caligula in Paris mit Gérard Philippe. Veröffentlichung des Romans La Peste; überwältigender Erfolg („Prix des Critiques“). Aufführung des Theaterstücks L’État de Siège (Der Belagerungszustand). Aufführung von Les Justes (Die Gerechten) in Paris; Hörspiel Les silences de Paris im Radio. Veröffentlichung der Algerischen Essays Actuelles I. Veröffentlichung des Essays L’Homme révolté (Der Mensch in der Revolte).
23 24 25 26 29
30 31
32 34 35 36 37 38
1. Albert Camus: Leben und Werk
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken
1954 1955/ 56 1956 1957
1958 1959
1962 1971 1973 1983 1994
Veröffentlichung der Essays L’Été (Die Heimkehr 41 nach Tipasa). Bearbeitungen von Theaterstücken von Buzzati 42/43 und Faulkner (Requiem für eine Nonne), Chronique algériennes III. 43 Erscheinen der Erzählung La Chute (Der Fall). Essay: L’Exil et le Royaume (Das Exil und das Reich); 44 Réflexions sur la peine de mort in Zusammenarbeit mit Koestler und Bloch-Michel; Rede vor der Akademie zur Verleihung des Nobelpreises. Veröffentlichung der Chroniques Algériennes III, 45 Ecrits et théâtre. Aufführung von Les Possédés (Die Besessenen); 46 Arbeit an dem Roman Le Premier Homme (Der erste Mensch). Posthum erscheinen die Carnets (1935–1942). Posthum erscheint Une mort douce (Ein glücklicher Tod; Erstfassung des Étranger). Posthum erscheint die Sammlung früher Essays. Posthum erscheinen die Oeuvres Complètes (9 Bd.). Posthume Veröffentlichung des Romanfragments Le Premier Homme.
Camus sah sein Werk als zusammenhängendes Ganzes in der Entwicklung15, in dem jeder Zyklus aus Erzählung, Theater und Essay bestehen sollte. Statt von Zyklen kann man auch von einem Triptychon sprechen, in dem Die Pest, Der Mensch in der Revolte und Der Fall das Zentralbild darstellen. Es zeigt sich außerdem eine Dialektik im Gesamtwerk: 15 Camus sagte wiederholt wenige Jahre vor seinem Tod, dass sein Werk gerade erst begonnen habe (une oeuvre à peine commencée). 1. Albert Camus: Leben und Werk
21
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken 1. These: Negation, das Absurde (Der Fremde, Der Mythos von Sisyphos, Caligula, Das Missverständnis), die Situation des Menschen in einer gleichgültigen Welt. 2. Antithese: die Revolte, der Einzelne in der Gemeinschaft (Die Pest, Der Mensch in der Revolte, Der Fall). 3. Synthese durch das Maß: Empathie mit dem unbekannten Vater, tiefe Liebe zur Mutter, die Versöhnung mit sich selbst (Der erste Mensch). 4. In dem Jahr vor seinem Tod plante Camus einen vierten Abschnitt: Über die Liebe. 1. These: Der Mythos von Sisyphos (1942) Camus’ Denken über die absurde Existenz des Menschen und seine paradoxe Situation in der Moderne ergänzt seine Zivilisationskritik und findet ihren Niederschlag in Essays, Theaterstücken und dem Roman Der Fremde. Camus reagiert auf den modernen Nihilismus, „le mal du siècle”, und auf ein zur Konvention verkommenes Christentum. Sein Essay über das Absurde ist eine nüchterne Bestandsaufnahme der menschlichen Existenz als Voraussetzung für den philosophischen Dialog. Camus bejaht die Würde und die Glückserwartung des Menschen trotz der Absurdität seiner Existenz. Mit seiner „sensibilité absurde”16 hatte er schon als Jugendlicher erkannt: „Die Menschen sterben, und sie sind nicht glücklich. Man muss sehr jung sein, um dieses zu erkennen und nicht andere, Gott oder die Gerechtigkeit, verantwortlich zu machen.”17 Der Mensch lebt und ist zugleich verurteilt zum Tod. Er ist dem Schicksal, der Geschichte und unkontrollierbaren Bedingungen ausgesetzt. 16 Boisdeffre, Pierre de, S. 318 17 Camus, Albert: Noces, S. 42, Übersetzung der Verfasserin. Die Beobachtungen und nahezu intuitiv gewonnenen Erkenntnisse seiner Jugendjahre wurden für Camus zur Quelle seines weiteren philosophischen und schöpferischen Arbeitens.
22
1. Albert Camus: Leben und Werk
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken • Die Beziehung des Menschen zur Das Absurde Welt ist grundsätzlich absurd: Das Absurde liegt in der Unvereinbarkeit zwischen Mensch und Welt, zwischen dem Appell des Menschen und der Gleichgültigkeit der Welt. Absurd ist die Konfrontation des denkenden Menschen mit der Undurchdringlichkeit der Welt. • Da das Leben keinen „Sinn” und das Hoffen keinen Zweck hat, könnte man sagen, dass der Mensch sich in einer Hölle befindet. Aber diese Hölle ist zugleich sein Königreich. Der Mensch ist aufgefordert, bewusst auf seine Welt zu reagieren und das Absurde zu leben. Er fühlt sich unschuldig und stark genug, um frei zu entscheiden. • Der absurde Mensch nimmt das Leben als begrenzt an, ohne Illusionen über die unvermeidliche Barriere des Todes. Der Protest gegen den Tod gehört zu jedem bewussten Leben. Die Revolte entspricht dem Menschen; sie ist Impuls und Inspiration. Theorien schwächen nur das individuelle Leben, dessen Gewicht jeder zu tragen hat. Der Selbstmord könnte als Ausdruck der Revolte erscheinen. Er ist jedoch das Gegenteil: Die Begrenzung des Menschen durch den Tod wird im Selbstmord bestätigt. Das Gegenteil des Selbstmörders ist der Todeskandidat: Er rebelliert entschieden gegen den Tod und erkennt damit das Leben bis zum letzten Moment an. • Bewusstsein und Revolte sind das Gegenteil von Resignation. Freiheit ist nicht metaphysisch, sondern persönlich und konkret zu verstehen. Don Juan wählt eine Moral der Quantität und fordert damit die Moral der Qualität, der ausschließlichen Liebe, heraus. Er akzeptiert die unvermeidliche Strafe. Camus sieht Don Juan am Ende lieber alt und melancholisch im Kloster. Schauspieler leben bewusst
1. Albert Camus: Leben und Werk
23
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken ihre Freiheit und Vergänglichkeit in den Bühnenpersonen. Die Kirche bekämpft und exkommuniziert sie daher. • Sisyphos ist der Held des AbsurSisyphos als Held des Absurden den: Seine Liebe zum Leben, seine Verachtung der Götter und sein Hass auf den Tod werden mit einer furchtbaren Strafe belegt: Er muss sich einer sinnlosen Sklavenarbeit unterwerfen, die kein Ende und kein Ziel hat: Er muss immer erneut einen Felsbrocken den Berg hinaufschaffen. Nach der äußersten Anstrengung sieht er im nächsten Moment den Stein wieder herabrollen und geht der erneuten Qual entgegen. • Sisyphos ist unlösbar mit dem Stein verbunden, und sein Gesicht scheint ebenfalls zu Stein geworden. Einen Moment lang, wenn er ohne Last zu seinem Stein zurückkehrt, ist er frei und bewusst. In diesem Augenblick ist er stärker als der Felsen und als sein Schicksal. Indem er seine Qual frei wählt und die Götter verneint, ist er bei sich selbst. Man muss sich Sisyphos glücklich vorstellen. • Meursault, ein kleiner Angestellter in Algier, ist der Fremde, der „absurde Mensch“. Er lebt unbewusst sein banales Leben bis zu dem Moment, als seine Geschichte zur Tragödie wird. Als Todeskandidat erkennt er die Einmaligkeit des Lebens. In seiner Revolte gegen den Tod, die Härte der Menschen und die Gleichgültigkeit der Welt ist er zum ersten Mal glücklich.18 2. Antithese: Der Mensch in der Revolte (1951) Ist der Mythos von Sisyphos die Analyse der conditio humana, so ist dieser Essay zehn Jahre später eine Auseinandersetzung mit der Situation des Menschen in der Mitte des Jahrhunderts der Weltkriege und Ideologien. Camus setzt an den Anfang 18 Siehe 5. Materialien, S. 96.
24
1. Albert Camus: Leben und Werk
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken die These: Der Mensch findet seine Freiheit und sein Selbst-Bewusstsein nur durch die Revolte.
Freiheit und Selbstbewusstsein durch Revolte
• Der Mensch in der Revolte ist kein Nihilist: Er sagt Nein zu der Ungerechtigkeit der Welt, aber er sagt Ja zu seinem inneren Prinzip der Gerechtigkeit. Er wird geboren mit der Fähigkeit, Ja zu sagen und gerecht zu sein. Die Welt dient keinem höheren Zweck, aber der Mensch als einziges Wesen verlangt ihr einen Sinn ab. Es gilt, den Menschen zu retten. • Die Revolte ist dem Gerechten natürlich. Revolutionen missbrauchen diese menschliche Qualität für eigene, oft totalitäre Ziele. Der Mensch wird damit dem Dogmatismus geopfert. Das Ziel rechtfertigt nicht die Mittel. Das Verhalten in der Revolte muss angemessen sein. Maßhalten ist ein notwendiger Balanceakt. Gewalt und Mord in der Revolte sind nur dann annehmbar, wenn der Aufständische seinen eigenen Tod akzeptiert. • Historische Revolutionstheorien sind in der Praxis von Diktatoren missbraucht worden. Statt einer Ideologie der Massen geht es heute um die schöpferische Revolte des Individuums. Wer nur an den historischen Prozess glaubt, endet im Terror; und wer an nichts Historisches glaubt, wird den Terror auslösen. Der Mensch muss lernen, bewusst und authentisch zu leben und nicht Gott sein zu wollen. Der Essay löste eine nachhaltige Diskussion und manche Konflikte und Missverständnisse aus. Erläuterungen dazu in Lévy, ebd. Interpretationen in Heimonet, ebd., S. 107–194. 3. Synthese: Der erste Mensch (1959/1994) In seinen Erzählungen und Dramen verfremdet Camus die Erzählperson; er distanziert Handlung, Zeit und Ort und be-
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1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken nutzt Mythen und Metaphern im Sinne einer Allgemeingültigkeit. Die Moralphilosophie in seinen Werken ist das Produkt lebenslanger Auseinandersetzung mit dem menschlichen Schicksal. Sie ist auch so etwas wie eine „Offenbarung”, ein Beispiel für die von Camus so gepriesene Kraft des lebendigen, schöpferischen Bewusstseins. Es ist bewegend zu erkennen, dass Camus in seinem lange nach seinem Tod veröffentlichten Roman Le Premier Homme (Der erste Mensch) das Gleichgewicht zwischen dem ganz Persönlichen und dem Allgemeingültigen erreicht hat. Der Autor in der Rolle des Erzählers nähert sich seinem lebensbestimmenden Trauma der Vaterlosigkeit. Er Trauma der Vaterlosigkeit widmet dieses Buch seiner Mutter, „die das Buch nie wird lesen können”. Das Buch handelt vor allem aber von seinem nie gekannten Vater. Eine Schlüsselsituation ereignet sich auf dem Soldatenfriedhof, wo der Sohn im mittleren Alter zum ersten Mal die Lebensdaten des Vaters auf einem Grabkreuz liest und erschüttert erkennt, dass er ihn an Jahren längst überlebt hat. „In einer Familie, in der weder gelesen, noch geschrieben wurde, bei einer unglücklichen, geistesabwesenden Mutter, wer hätte ihn über diesen jungen, bemitleidenswerten Vater informieren sollen?”19 Diese tiefe Lücke füllt der zum erfolgreichen Schriftsteller gewordene Vaterlose mit verloren geglaubten Bildern. Camus erzählt von Menschen einer fernen Epoche europäischer Auswanderung in das damals französische Algerien und von seinen eigenen Wurzeln, der Liebe eines jungen Paares der Arbeiterklasse. Einige Monate später muss der Mann die junge Familie verlassen für den Krieg im fernen Europa, wo er verwundet wird und stirbt. 19 Camus, Albert: Der erste Mensch, S. 30
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1. Albert Camus: Leben und Werk
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken „Als mein Vater zu den Fahnen einberufen wurde, hatte er Frankreich noch nie gesehen. Er sah es und wurde getötet.“ Camus’ Kindheitserfahrungen werden bestimmend für seine Lebensthemen, sein Denken und Schreiben, seinen Lebensstil: Armut, Behinderung, Unglück, Härte, Krankheit, Überleben, das einfache Leben, Natur und Sonne, Einsamkeit und Freundschaft. Als dieses letzte Werk in Camus’ Tasche am Unfallort gefunden wurde, stand die Abspaltung Algeriens von Frankreich nach einem jahrelangen Kolonialkrieg bevor, vor dem Camus schon früh nachdrücklich gewarnt hatte. Sein unvollendetes Manuskript endet mit dem Wort „sterben“. Camus’ Tagebücher, eine AnsammDer kreative Prozess lung von Beobachtungen und Assozia20 tionen , haben sein Erwachsenenleben begleitet. Sie geben Auskunft über seinen Dialog mit sich und der Welt. Camus weist auf ihre Bedeutung in seinem Schaffensprozess hin. Er beschreibt, wie die zunächst spontanen Beobachtungen und Reflexionen im Unbewussten weiterleben und in einem besonderen Moment unerwartet das Thema eines Werkes erkennen lassen. Camus betont, dass dieses kurze Glück der plötzlichen „sonnenklaren“ Eingebung immer von einem mühsamen, peinigenden Arbeitsprozess abgelöst wird, bis das Werk vollendet ist. Für das Verständnis von Camus’ Grundzüge in Haltung und Werk Haltung und Werk ist es wichtig, biografische Einflüsse und deren Weiterwirken herauszustellen. Folgende Grundzüge sind charakteristisch: • Vaterlosigkeit und Moral: Der allzu frühe Tod des Vaters führt zum Zentralmotiv der Auflehnung gegen den Tod. 20 Tarrou führt Tagebuch wie Camus. 1. Albert Camus: Leben und Werk
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1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken
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Camus schreibt und kämpft lebenslang gegen den willkürlichen Tod durch Hinrichtung und Krieg, auch gegen den Selbstmord. Er schreibt, dass er lange brauchte, um nicht mehr anderen, sondern seiner eigenen Moral zu folgen. Liebe und Demut: Liebe zur Mutter und nahezu sprachlose Liebe der Mutter als Grund für tiefe Emotion, Strenge und Schweigen. Camus empfindet Demut vor den ganz armen und den ganz großen Menschen. Armut und Selbstgewissheit: Materielle Schlichtheit, menschliche Würde und „eine unbesiegbare Sonne“ im Herzen seines Werkes sind Leitlinien. Trauer und Protest gegen Unrecht, Unwissenheit, Erinnerungslosigkeit, Resignation oder hilflose Gewalt. Das „trockene Herz” ist seine Metapher für Erschöpfung und Überforderung.21 Glück und Leben: Leben soll gelebt werden. Camus spricht von „furchtbaren Einfachheit des Lebens“. Die Menschen machen es kompliziert. Leben in der Schönheit von Menschen und Natur, von Licht und Meer ist Glück. Aber Camus sagt auch: „Es gibt keine Liebe zum Leben ohne die Verzweiflung am Leben.“ Dankbarkeit und Bewunderung: Camus erlebt dankbar seine „Freiheit des Herzens” gegenüber Neid, Ressentiment und Selbstzufriedenheit. Seine Liebe und Bewunderung für andere Künstler gehören zu seinem „irdischen Paradies”. Stolz und Indifferenz als Grund für Zurückhaltung und Einsamkeit. Camus empfindet eine große Distanz zu der „guten“ Gesellschaft, die seine Haltung als „aristokratisch“ missversteht.22
21 Rieux klagt ebenfalls über ein trockenes Herz, nachdem er alle Gefühle der Arbeit untergeordnet hat. 22 Ehre ist die Tugend der Ungerechten (= der Unvollkommenen), ich brauche die Ehre, weil ich nicht groß genug bin, ohne sie zu leben. LEnvers et lEndroit, S. 29. Er wehrt den Vorwurf ab, dass er sich wie ein Aristokrat verhalte, und weist dagegen auf die einfachen, aber wertvollen Quellen seines Denkens und Schreibens hin.
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1. Albert Camus: Leben und Werk
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken • Leidenschaft und Erschöpfung: Lebensgier, „Lebensleidenschaft“, empfindet Camus als quälend und zerstörerisch. Er sucht auch in der Liebe das Maß.
1. Albert Camus: Leben und Werk
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2.1 Entstehung und Quellen
2.
Textanalyse und -interpretation
2.1 Entstehung und Quellen Der Roman und seine Entstehungsgeschichte beweisen, dass Camus sich eingehend mit dem Krankheitsbild und dem Auftreten der Pest in der europäischen Geschichte beschäftigt hat. Die Pest ist eine alte Tierseuche. Sie Die Pest ist auch eine von Tieren auf den Menschen übertragbare Infektionskrankheit, eine „Zooanthroponose“. Sie wird vor allem von Ratte zu Ratte und von der Ratte zum Menschen durch Flohstiche übertragen. Der Erreger der Erkrankung ist das Bakterium Yersinia pestis, das 1894 von Alexandre Yersin entdeckt wurde. Die nach 2–8 Tagen ausbrechende Infektion kann latent als Hautpest verlaufen oder zu Entzündung und Anschwellen der Lymphknoten führen, den schmerzenden, verfärbten Beulen. Weitere Symptome sind Fieber, Erbrechen und Durchfall. Es kann zur Lungenpest kommen, die bei tödlichem Verlauf auf Grund der Zyanose, einer Insuffizienz der Lunge, zu einer Verfärbung der Haut, dem „schwarzen Tod“ führt. Seit den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Sulfonamide gegeben. Heute werden Medikamente wie Tetracycline gegen den Pesterreger eingesetzt. Erkrankte werden isoliert, und Kontaktpersonen werden für die Dauer der Inkubation in Quarantäne genommen. Die Behandlung der Seuche im Roman Die Pest entspricht der damaligen und auch der heutigen medizinischen Praxis, außer, dass man heute die Beulen nicht öffnen würde. Die Times vom 19. 2. 2004 meldet den Durchbruch in der Entwicklung eines Serums gegen die Beulenpest am Laboratorium des briti-
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2. Textanalyse und -interpretation
2.1 Entstehung und Quellen schen Verteidigungsministeriums in Porton Down (durch Prof. Titball). Die Pest, auch „schwarzer Tod“ geDie Pest in Europa nannt, suchte die Europäer erstmals im 14. Jahrhundert heim und forderte in nur vier Jahren, 1347 bis 1351, mehr Todesopfer als zuvor irgendeine Epidemie oder irgendein Krieg. Die Seuche wurde über die Handelsrouten Innerasiens eingeschleppt. Europäer kamen erstmals damit in Kontakt, als bei der Belagerung eines Genueser Handelspostens auf der Krim die Belagerer ihre Pesttoten in die Stadt warfen. Im Oktober 1347 liefen zwei genuesische Handelsschiffe, von der Krim kommend, mit toten und sterbenden Menschen an den Rudern in den Hafen des sizilianischen Messina ein. Die Kranken hatten entsetzliche Schmerzen, furchtbare Geschwüre und schwarze Flecken auf der Haut. Sie starben nach wenigen Tagen. Die Krankheit trat in zwei gleich schrecklichen Formen auf. Das Auftreten beider Formen beschleunigte die Verbreitung. Schiffe trugen die Krankheit in die Hafenstädte des Mittelmeeres. Sie breitete sich von 1347 bis 1351 rasend schnell aus über Italien, Frankreich, Spanien, England, Österreich, Ungarn, die Schweiz, Deutschland und Holland, die skandinavischen und baltischen Länder. Die Seuche hielt sich in größeren Städten länger als auf dem Land, klang im Winter ab, setzte dann ihre Zerstörung ab dem Frühjahr weiter fort. Bis 1400 kehrte die Pest noch fünfmal für die Dauer von ein oder zwei Jahren in die besonders gepeinigten Regionen zurück. Familien, sogar ganze Orte wurden ausgelöscht. Die Pest traf Menschen aller Stände und jeglichen Alters.23 Allerdings stellten Chronisten fest, dass wesentlich mehr Opfer unter den Armen als unter den Reichen waren. Es starben 23 Siehe Darstellungen in den Bilderzyklen des Totentanzes von Lübeck, Reval u. a. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.1 Entstehung und Quellen auch verhältnismäßig mehr junge als alte Menschen. Der Tod vieler Bauern und ihrer Tiere führte zu Hunger, Elend und Verödung ganzer Regionen. Niemand weiß genau, wie viele Menschen starben: Historiker schätzen, dass in einigen Landstrichen bis zu zwei Drittel der Menschen hingerafft wurden, in anderen allerdings deutlich weniger. Die Feststellung des französischen Chronisten Jean Froissart, dass Europa ungefähr ein Drittel seiner Bevölkerung verlor, wird als sehr wahrscheinlich angesehen.24 Eine weitere Pestkatastrophe traf dreihundert Jahre später London (1664–65), wo in kurzer Zeit 100.000 Menschen starben. Die Pestgefahr ist heute keineswegs ganz verschwunden. Selbst in den USA gibt es jedes Jahr mehrere Fälle. Eine der letzten Epidemien betraf Los Angeles 1924/25. Vorarbeiten zur Pest25 Camus’ Tagebücher enthalten Gedanken und Leitmotive des Romans: • 1941: Camus notiert Ergebnisse seiner Forschung über die Pest, über historische Epidemien und Berichte, u. a. von Daniel Defoe. 1942 bemerkt er, dass die Pest eine soziale und eine metaphysische Qualität habe. Es ist ein und dieselbe. Der ursprüngliche Titel des Werkes sollte sein: Die Gefangenen.
24 Tuchman, Barbara: Der ferne Spiegel, das dramatische 14. Jahrhundert. München: DTV, 5. Aufl. 1985, S. 98 ff. Sie macht darauf aufmerksam, dass Froissart dieses Drittel der Offenbarung des Johannes entnommen haben wird, die als Prophetie auf historische Ereignisse angewandt wurde. Sie bewertet die Zahlen eher als subjektive Schätzungen im Zusammenhang mit der katastrophalen Situation für die Bestattung der Opfer. Die Encyclopedia Britannica gibt einen Verlust von drei Viertel der Menschen in manchen Regionen und in ganz Europa eine Reduzierung der Bevölkerung um etwa ein Viertel (25 Mio) an. 25 Die folgende Motiv-Liste ergibt sich aus der Lektüre der Carnets (19351951). Die deutsche Version ist erschienen als Tagebücher 19351951, Reinbek: Rowohlt, 1992.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.1 Entstehung und Quellen • Oran, die nordafrikanische Hafenstadt am Mittelmeer, erscheint in den Aufzeichnungen von 1941 unter der Überschrift: „Die befreiende Pest“ zunächst als glückliche Stadt, die dann unter Quarantäne gestellt wird.26 • Ein Tagebuch führender Philosoph und ein junger Priester, der vom Glauben abfällt, werden ebenfalls erwähnt. Aus den Tagebüchern von Camus: • Die Pest, malerisch und beschreibend: kleine dokumentarische Abschnitte und eine Abhandlung über die Heimsuchungen. • Alles im indirekten Stil schreiben (Predigten, Tagebücher usw.). • Es muss entschieden ein Bericht sein; eine Chronik. Aber wie viele Probleme das stellt. • Das Thema der Trennung bis zum Schluss durchführen. • Zusätzliche Gestalt: ein Versprengter, ein Verbannter, der alles unternimmt, um aus der Stadt herauszukommen, und dem es nicht gelingt. • Die Gesellschaftskritik und die Revolte ausführen. Was ihnen fehlt, ist die Phantasie. Sie richten sich im Epos ein wie in einem Picknick. Sie denken nicht im Maßstab der Heimsuchungen. Sie werden zugrunde gehen. • Ein Kapitel über die Krankheit: Sie stellten wieder einmal fest, dass die körperliche Krankheit nie allein kam, sondern stets von seelischen Leiden begleitet war (Angehörige, enttäuschte Liebe), die ihr ihre Tiefe verliehen. • Moral der Pest: sie hat niemandem und nichts gedient. Nur die Menschen, die in ihrer eigenen Person oder in ihren 26 In frühen Aufzeichnungen unterstreicht Camus die Hässlichkeit und Langweile von Oran, das nur aus Stein zu bestehen scheint. Aber er schwärmt von dem guten Essen und dem Meer im Rücken der Stadt. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.1 Entstehung und Quellen
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Angehörigen vom Tod berührt wurden, haben etwas gelernt. Aber die so erlangte Wahrheit betrifft nur sie allein. Sie ist ohne Zukunft. Die Ereignisse und die Chroniken müssen den sozialen Sinn der Pest erkennen lassen. Den tieferen Sinn lassen die Personen erkennen. Grob gesagt. Gesellschaftskritik: Die Begegnung der Verwaltung, die etwas Abstraktes ist, mit der Pest, der konkretesten aller Mächte, kann nur komische und ärgerliche Ergebnisse zeitigen. Was mir diese Epoche am besten zu kennzeichnen scheint, ist die Trennung. Alle sind von der übrigen Welt abgeschnitten worden, von ihren Lieben oder von ihren Gewohnheiten. Und in dieser Abgeschiedenheit waren sie entweder zur Kontemplation gezwungen, falls sie dazu fähig waren, oder zum Leben eines gehetzten Tieres. Kurzum, es gab keinen Mittelweg. Die Getrennten verlieren den kritischen Sinn. Im Kapitel über die Isolierlager: die Eltern sind bereits vom Tod getrennt – dann werden aus sanitären Gründen die Kinder von den Eltern getrennt und die Männer von den Frauen. So dass die Trennung allgemein wird. Alle werden der Einsamkeit anheim gegeben. Am Ende der Pest wirken die Einwohner wie Auswanderer. Durch das ganze Werk hindurch mit den Mitteln eines Detektivs aufzuzeigen, dass Rieux der Erzähler ist.
(Übersetzung der Verfasserin)
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe
2.2 Inhaltsangabe Der Erzähler des Romans berichtet im Erster Teil Rückblick über die „ungewöhnlichen Ereignisse“ des Jahres 194... in der nordafrikanischen Hafenstadt Oran. Er unterstreicht die Glaubwürdigkeit seiner Darstellung mit dem Hinweis auf weitere Augenzeugenberichte und sagt, dass die Menschen völlig ahnungslos und unvorbereitet waren. Beim Verlassen seiner Wohnung am 16. April stolpert der Arzt Dr. Rieux über eine tote Ratte im Flur und macht den Concierge darauf aufmerksam. Dieser reagiert ungläubig und empört darauf und glaubt an einen dummen Streich. Bei seiner Heimkehr beobachtet Rieux den Todeskampf einer Ratte. Zuhause wird er von seiner Frau erwartet, um die er in großer Sorge ist. Sie ist an Tuberkulose erkrankt, will ihn damit aber nicht belasten. Am nächsten Tag sieht Rieux bei seinen Arztbesuchen im Armenviertel, dass viele tote Ratten auf den Müll geworfen wurden. Einer seiner Kranken, ein alter Asthmatiker, zeigt sich merkwürdig erregt über die Menge der Ratten, die jetzt „aus ihren Löchern kommen“. Rieux bringt seine Frau zum Zug, da sie zur Kur fährt. Beide sind unglücklich, versuchen jedoch, einander mit dem Versprechen zu trösten, dass sie nach ihrer Rückkehr noch einmal von vorne anfangen werden. Rieux trifft auf den Untersuchungsrichter Othon, der seine Frau von der Bahn abholen will. Später kommt Rambert, ein junger Journalist, der für eine Pariser Zeitung den Gesundheitszustand der arabischen Bevölkerung recherchieren soll, in Rieuxs Sprechstunde. Rieux will ihm nur Auskunft geben, wenn Rambert bereit ist, die Wahrheit zu schreiben. Da der
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2.2 Inhaltsangabe Journalist ausweichend antwortet, bekommt er keine Informationen. Rieux macht Rambert auf das aktuelle Thema der Rattenplage aufmerksam. Als Rieux nachmittags zu seinen Hausbesuchen aufbricht, begegnet ihm ein Mann, den er gelegentlich im Haus bei den spanischen Tänzern gesehen hatte, Tarrou. Er wechselt mit ihm einige Worte über die sonderbaren Vorgänge und das Problem des Hauswartes Michel. Dieser wirkt seelisch und körperlich leidend, anscheinend wegen der wachsenden Zahl toter Ratten in seinem Haus. Am nächsten Morgen holt Rieux seine Mutter vom Zug ab. Er ist dankbar für ihr Kommen und für ihre Ruhe. Angesichts der rapide steigenden Zahl toter Ratten an den verschiedensten Orten der Stadt bittet Rieux den Leiter des Entrattungsdienstes, Mercier, umgehend zu reagieren. Der bemüht sich um eine ausdrückliche Order der Vorgesetzten. In den Zeitungen wird die Situation diskutiert. Der Rundfunk, Ransdoc, meldet täglich neue Schreckenszahlen: Am 25. April wurden über 6200 tote Ratten gezählt. Am 28. April ist die Anzahl schon auf 8000 Ratten angestiegen. An diesem Tag trifft Rieux auf den schwer kranken Michel, der von Pater Paneloux mühsam gestützt wird. Er untersucht ihn flüchtig, stellt holzige Geschwülste fest und will später noch einmal nach ihm zu sehen. Nachmittags sucht Rieux einen Mann auf, der einen Selbstmordversuch unternommen hatte, von seinem Nachbarn Grand gefunden und gerettet wurde. Der Selbstmörder Cottard möchte nichts mit der Polizei zu tun haben. Die Arzt ist jedoch verpflichtet, den Vorgang weiterzugeben. Als er später den Hauswart erneut untersucht, ist er sehr beunruhigt und ruft seinen Kollegen Richard an, der ihm von ähnlichen Krankenfällen berichtet. Einige Tage später ist er
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe erleichtert, als die Rattenplage gestoppt zu sein scheint und seine Frau ihm beruhigend geschrieben hat. Auch das Fieber des Hauswarts ist gefallen. Doch wenige Stunden später wird Michel als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert und stirbt bald darauf unter furchtbaren Qualen. Seine letzten Worte sind: „Die Ratten!“ In den nächsten Wochen steigen die Temperaturen, es ist heiß und schwül. Rieux ahnt Schlimmes, wenn er neue Patienten mit den verdächtigen Symptomen behandelt, die schrecklich leiden und schließlich sterben. Die Anzahl der gemeldeten Todesfälle wird immer beunruhigender. Rieux wird schließlich durch seinen älteren und erfahrenen Kollegen Castel bestärkt, nicht erst weitere Analysen abzuwarten, sondern das Unglaubliche auszusprechen: Diese Krankheit ist die Pest. Dieses Wort weckt in Rieux erschreckende Bilder von Pestepidemien vergangener Jahrhunderte. Er zwingt sich jedoch zum ruhigen Überlegen und Handeln. Er erreicht, dass eine Gesundheitskommission gebildet wird, die jedoch ihre Aufgabe nicht erfüllt, weil die Verantwortlichen die Gefahr leugnen. Rieux spricht als Einziger die absehbaren Folgen der Hinhaltetaktik an: Die Pest wird unendlich viele Opfer fordern, wenn nicht schnell und entschieden gehandelt wird. Frustriert verlässt er die Sitzung und hat schon in der folgenden Stunde ein weiteres Opfer der Krankheit in verzweifeltem Zustand zu behandeln. Obwohl in den folgenden Tagen die Zahl der Todesfälle steigt, spielen die Medien immer noch die Gefahr herunter. Auch die öffentlichen Bekanntmachungen durch den Präfekten erscheinen Rieux völlig unzulänglich: Sauberkeit, Isolierung der Kranken, Gas gegen die Ratten in der Kanalisation.
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2.2 Inhaltsangabe Rieux steht täglich im Kampf um die Trennung der Kranken von ihren Familien. Während die Krankenzahlen unaufhörlich steigen, so dass Gemeinderäume zu Krankenstationen umfunktioniert werden, während immer noch kein ausreichender Impfstoff eingetroffen ist, wartet der Präfekt ab. Er lässt Rieux aber ein Gutachten erstellen, das in Paris eine Entscheidung bewirken soll. Nach wenigen Tagen hält der Präfekt die Depesche aus Paris in Händen. Er reicht sie Rieux, der liest: Pestzustand erklären. Stadt schließen. Die Erklärung des Pestzustandes bedeutet nicht nur die Schließung der Stadttore, sondern auch die Unterbrechung nahezu aller Verbindungen nach draußen, Einschränkung von Ferngesprächen, Schließung des Hafens. Die Menschen sind in einem Schockzustand, der von äußerster Depression bis zu völliger Gleichgültigkeit reicht. Viele gehen von einem vorübergehenden Zwischenfall aus, ignorieren die Krankheit und die täglichen Todeszahlen und führen ihr Leben scheinbar unverändert fort. Ende Mai wird die Rationierung von Treibstoff und Lebensmitteln verfügt. Der Alkoholkonsum steigt, in den Cafés und Kinos drängen sich die Menschen, anscheinend ohne Angst vor Ansteckung. Cottard fühlt sich umso wohler, je mehr die Pest sich ausbreitet. Er geht ständig aus, verfügt anscheinend über reichlich Geld und Freunde in den besseren Kreisen. Während Castels Frau in dieser Situation in die Stadt zurückkehrt, um bei ihrem Mann zu sein, ist Rambert entschlossen, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen, um seine Freundin wiederzusehen. Er drängt Rieux, ihm den notwendigen Passierschein auszustellen. Dieser versteht Ramberts Wunsch und Einstellung sehr gut, aber er sieht sich
Zweiter Teil
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2.2 Inhaltsangabe in einer Verantwortung, die ihm nicht erlaubt, die Vorschriften zu missachten. Er versteht Ramberts Provokationen als Ausdruck seiner Enttäuschung. In dieser Zeit erkranken täglich im Durchschnitt 500 Menschen an der Seuche. Drei Hilfsspitäler sind eingerichtet worden. Jeder einzelne Fall entwickelt sich zur menschlichen Tragödie. Rieux fühlt sich durch die ständige Anspannung seiner aufreibenden Arbeit, an deren Ende fast immer der Tod steht, schon fast immun gegen die Verzweiflung der Kranken und ihrer Angehörigen. Seine Sorge ist der reibungslose Ablauf in jedem neuen Fall: Nach der Diagnose werden die Menschen informiert, die Kranken isoliert, die Sachen und die Umgebung desinfiziert. Ende Juni ordnet die Kirche eine Gebetswoche an, die bei den Menschen einen starken Widerhall findet. Da Pater Paneloux beliebt und als vorzüglicher Redner bekannt ist, wird er gebeten, zu Ehren des Pestheiligen St. Rochus die Woche mit einer feierlichen Messe zu beschließen. Paneloux nutzt die Gelegenheit, seine Zuhörer aufzurütteln, ihr sündiges Leben, ihre Habsucht und ihren Hochmut zu kritisieren. Er behauptet, die Seuche sei eine Strafe Gottes, die wie ein Dreschflegel über der Stadt wüte. Diese Predigt über die Gerechtigkeit Gottes und sein Urteil über die Menschen verstört viele. Andere klammern sich umso heftiger an etwas Wichtiges in ihrem Leben: Rieux ist froh, seine Arbeit zu haben, Grand schreibt an seinem Roman, Rambert verfolgt besessen sein Ziel, so bald wie möglich seine Geliebte wiederzusehen. Der Juni endet mit großer Hitze und einer Sterbewelle von 700 Opfern pro Woche. Die wachsende Panik zeigt sich besonders deutlich in Gewaltszenen an den Stadttoren, in dem häufigen Eingreifen der Polizei und in der hektischen Suche
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2.2 Inhaltsangabe nach Schutz gegen die Pest in Artikeln des „Epidemieboten“, einer neuen Zeitung. Während die Hotels leer sind, da der Fremdenverkehr längst erloschen ist, werden in den Restaurants die teuersten Speisen und Weine konsumiert. Viele stürzen sich in verschiedenste Formen des Vergnügens. Obwohl Rieux unablässig arbeitet, gibt es immer neue Seuchenfälle. Es kann kaum noch vorbeugend geimpft werden. Plötzlich tritt auch noch die Lungenpest auf. In dieser Situation bietet Tarrou den Aufbau eines Sanitätsdienstes an und überzeugt Rieux von der Notwendigkeit und Durchführbarkeit. Durch ihre tägliche Zusammenarbeit entwickelt sich schnell eine vertrauensvolle Freundschaft, die beide sicherer und stärker macht. Ihre Gespräche sind persönlich, ehrlich und respektvoll. Auf der Suche nach Fluchthelfern findet Rambert in Cottard einen Mittelsmann, der gegen Bezahlung seine zahlreichen Verbindungen einsetzt. Rambert befolgt zwar alle Anweisungen und akzeptiert tagelanges Warten und die verschiedensten Verabredungen, aber er kommt nicht voran. Cottard ist in seinem Element. Er gibt sich sicher und erfahren und rät Rambert, nicht aufzugeben, sondern es noch einmal ganz von vorne zu versuchen. Rambert erkennt die Manipulation und den Widerspruch seines jetzigen Weges zu den Idealen, für die er sich im Spanischen Bürgerkrieg eingesetzt hatte. Er verspricht Rieux, solange er Oran nicht verlassen kann, ihn bei seinem Kampf gegen die Pest zu unterstützen. Die Gefangenen der Pest fühlen sich ständig vom Tod bedroht. Der Höhepunkt der Hitze fällt zusammen mit dem Höhepunkt der Krankheit. Wind, Staub und Trockenheit plagen die Stadt. Ge-
Dritter Teil
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2.2 Inhaltsangabe walttaten, die Trennung von Liebenden und Beerdigungen sind Zeichen der moralischen Plage. Während sich zunächst die Opfer in den dicht bevölkerten Außenbezirken häuften, schlägt die Epidemie nun auch im Stadtzentrum zu und trifft hier am heftigsten die in Gemeinschaften Lebenden: Soldaten, Mönche, Sträflinge. Man behandelt die Wärter wie Mobilisierte in einem Krieg, die ihre Pflicht zu tun haben, und verleiht ihnen im Falle ihres Todes eine Epidemie-Medaille. Zwei Klöster werden vorübergehend aufgelöst und ihre Bewohner zu frommen Familien der Stadt geschickt. Die Soldaten werden ebenfalls getrennt in verschiedenen öffentlichen Gebäuden untergebracht. Nachdem Brandstiftungen und Plünderungen die öffentliche Ordnung noch weiter erschüttern und die Menschen beunruhigen, erklären die Stadtväter den Belagerungszustand. Damit sind radikale Eingriffe in das Leben der Stadt verbunden, wie die Ausgangssperre ab 22 Uhr. Die Stadt wirkt dadurch noch mehr wie eine Totenstadt. Die Beerdigungen verlaufen immer schneller, bald auch immer rücksichtsloser. Nun werden die Toten in Massengräbern beigesetzt und mit Kalk bedeckt. Familiengräber werden enteignet, man gräbt immer tiefere Löcher, um Platz für die Leichen zu schaffen. Die Straßenbahn verbindet die Stadt mit dem Krematorium. Der Rauch des Todes steht lange über der Stadt. Da sich die Menschen von dem Geruch belästigt fühlen, wird ein Abzugssystem geschaffen. Rieux weiß, dass es noch schlimmer kommen kann und dass dann die Leichen ins Meer geworfen werden. Er hat eine Vision, wie sich Sterbende auf der Straße an Gesunde klammern. Die Verwaltung arbeitet tadellos; dabei ist die Pest dabei, alle menschlichen Gefühle zu Gleichgültigkeit und Routine zu verändern. Die Menschen richten sich ein; sie bilden lange
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2.2 Inhaltsangabe Schlangen vor den Geschäften und warten in hartnäckiger Ausdauer, ohne an die Zukunft zu denken. Rieux erlebt diese Schicksalsergebenheit ohne Zeichen einer Auseinandersetzung als das Schlimmste. Unter einem schwer lastenden Himmel treten die Menschen auf der Stelle wie zum Takt eines pfeifenden Dreschflegels, dessen Bild der Pater in seiner Predigt beschworen hat. Es ist Herbst. Zugvögel zeigen sich über dem Meer, aber sie weichen der Stadt aus. Anfang Oktober folgen auf Hitze, Dunst und Schwüle schwere Regengüsse. Damit geht eine große Erschöpfung und Müdigkeit besonders bei jenen einher, die weiter dafür arbeiten, möglichst viele Menschen zu retten. Rieux denkt manchmal an seine Frau, für die er nun gar nichts tun kann. Er erfährt, dass es ihr schlechter geht. Rambert hofft trotz seiner Mitarbeit in der Quarantäne immer noch, bald aus der Stadt herauszukommen. Tarrou wohnt mittlerweile mit in Rieuxs Wohnung, weil das Hotel ebenfalls zur Quarantänestation umgewandelt wurde. Rieux macht sich keine Illusionen über die Ungleichheit des Kampfes, und er akzeptiert die Verhärtung seiner Gefühle als Schutz gegen Verzweiflung und Aufgabe. Statt zu heilen, sorgt er nun vor allem für die noch nicht Erkrankten. Er kämpft weiter gegen die gefährliche Gleichgültigkeit und Apathie der Menschen, durch die sie nachlässig und unvorsichtig werden. Sie scheinen auf den Zufall zu setzen, dass gerade sie verschont bleiben könnten. Cottard hat sich in der Zeit der Pest völlig verändert: Er geht ständig aus, genießt die völlige Verantwortungslosigkeit und rechtfertigt seine Befürwortung der Pest mit der Überzeugung, dass die Pest die Menschen zusammenbringe. Tarrou beo-
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2.2 Inhaltsangabe bachtet Cottards Verhalten mit einem gewissen Verständnis, da Cottard jeden Tag seine Freiheit feiern kann, statt allein im Gefängnis zu sitzen. Eine Theatertruppe ist in Oran hängen geblieben und bietet nun jeden Freitag eine Aufführung an. An einem Nachmittag trifft die Pest auch das Bühnenvolk: Der Darsteller des Orpheus bricht an der Rampe zusammen. Ramberts Kontaktleute bereiten seine Flucht vor und verstecken ihn. Rieux wünscht ihm Glück, aber er warnt ihn vor den Schmugglern. Nach einer Woche ist Rambert anderen Sinnes geworden; er glaubt erkannt zu haben, dass sein Platz jetzt bei ihrer gemeinsamen Aufgabe ist. Rieux erinnert ihn daran, dass nichts so wichtig sei, um dafür das Liebste im Leben zu vernachlässigen. Aber er weiß, dass er dasselbe getan hat. Castels Serum wird erstmals an dem schwer erkrankten kleinen Sohn des Richters erprobt. Dessen Familie muss sich nun auch der strikten Quarantäne fügen, die alle trennt. Der Kampf des Kindes gegen die Krankheit ist qualvoll und herzzerreißend. Rieux, Tarrou, Paneloux verbringen Stunden am Krankenbett und hoffen auf eine Wende. Doch das Kind stirbt. Sein Tod ist zu viel für die übermüdeten und abgekämpften Menschen. Rieux schreit Paneloux seinen Protest gegen dessen Gottergebenheit ins Gesicht und setzt dagegen seinen Hass auf den Tod und das Böse. Er ist selbst erschrocken über seine Heftigkeit, doch er hat Paneloux tief berührt. Paneloux lädt Rieux danach zu seiner nächsten Predigt über die Arbeit des Arztes und des Priesters ein, die durch ihr früheres Gespräch ausgelöst wurde. Nur wenige Menschen sind anwesend, da die meisten sich Wahrsagern angeschlossen haben, die das Ende der Pest prophezeien. Apokalyptische
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2.2 Inhaltsangabe Theorien finden ebenfalls viele Anhänger und bringen Profit. Panelouxs Predigt hat einen neuen Ton; er spricht nun von dem gemarterten Kind in der Nachfolge Christi und schließt sich in die Reihe der Sünder mit ein. Er zeigt sich als zweifelnden, zerrissenen Menschen, der mehr Fragen als Antworten hat. Seine These ist nun, dass man das Geschehen wollen müsse, weil Gott es wolle. Er glaubt daran, dass aus der Ungerechtigkeit auch Wahrheit entstehen könne. Paneloux muss seine Wohnung aufgeben und zu einer alten Frau ziehen. Er ist ratlos und erschöpft. Als er Fieber bekommt und bald schwer krank ist, will er keinen Arzt holen lassen. Die Frau lässt ihn ins Spital bringen. Rieux behandelt ihn ohne Hoffnung auf Rettung, andererseits gibt es neben dem Husten und dem Fieber keine typischen Symptome für die Pest. Paneloux lässt sich das Kreuz über dem Bett reichen und hält es bis zum Ende. Als er am nächsten Morgen tot aufgefunden wird, trägt man ihn als zweifelhaften Fall in die Statistik ein. Am 1. November, dem Tag Allerheiligen, herrscht ein kalter Wind mit tiefen Wolken. Zwar wird der Totensonntag nicht begangen, aber Cottard meint, es sei jeden Tag Totensonntag. Doktor Rieux deutet die Pestkurve als beruhigend, doch Doktor Richard erkrankt kurz danach und stirbt. Jedes öffentliche Gebäude ist mittlerweile zum Lazarett geworden. Der Verlauf der Lungenpest ist rapide, die Menschen sterben „in Windeseile“. Mittlerweile nehmen die Fälle der Beulenpest ab, aber neue Probleme in der Versorgung treten auf: Viele Menschen hungern. Es gibt Demonstrationen mit Forderungen nach Brot und Luft. Das Stadion ist zum Quarantäneplatz geworden. Menschenmassen drängen sich wie in einem Konzentrationslager. Tarrou und Rambert treffen dort auch auf
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2.2 Inhaltsangabe den Richter Othon, der wissen will, ob sein Sohn Philippe gelitten habe. Er bittet sie, Rieux zu danken. Tarrou und Rieux begeben sich bei dem Asthmatiker auf das Dach des Hauses, um zu reden und auf die Stadt und weiter hinaus auf das Meer zu sehen. Hier erfährt Rieux die Geschichte von Tarrous Beziehung zu seinem Vater, einem Staatsanwalt, die lebensentscheidend wurde, von seinen Gewissensqualen bis zu der Klarheit, dass man sich zwischen zwei Seiten entscheiden muss und dass er auf der Seite der Opfer sein will, nicht der Täter. Beide Männer besiegeln ihre Freundschaft und Vertrautheit mit einem Bad im Meer, was ihnen ihr Passierschein ermöglicht. Sie erleben Momente des Glücks in der Natur. Der Dezember bringt mit Weihnachten nicht ein Fest der Freude, sondern das Gefühl der Hölle. Zum ersten Mal sieht Rieux aber einen unerwarteten Verlauf der Krankheit: Grand erkrankt und scheint verloren, er erholt sich aber überraschend. Auch ein junges Mädchen, das an der Pest erkrankt war, überlebt. Die Statistiker veröffentlichen fallende Zahlen, aber der Asthmatiker spricht von dem Erscheinen weiterer Ratten. „Sie kommen wieder hervor.“ Der plötzliche Rückgang der KrankenFünfter Teil zahlen wird mit Zurückhaltung aufgenommen. Von der Anfang Januar beginnenden Kältewelle scheint auch die Pest geschwächt worden zu sein. Castels Serum erweist sich als unerwartet erfolgreich; dennoch bleibt die Krankheit unberechenbar. Einige kommen glücklich davon, andere sterben, wie der Richter Othon. Die Pest scheint jedoch mehr und mehr zurückzuweichen. Während die einen hoffen, sind andere depressiv, aufgeregt oder pa-
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2.2 Inhaltsangabe nisch. Die Preise sinken. Ende Januar wird die Eindämmung der Pest öffentlich verkündet. Noch bleiben die Tore zu, doch Tarrou und Rieux erleben die Stadt in Feststimmung. Cottard ist nun wieder völlig verändert: Ängstlich fragt er Tarrou aus und taucht unter, als nach ihm gesucht wird. Tarrous letzte Eintragung in sein Tagebuch lautet, dass es immer eine Stunde am Tag oder in der Nacht gebe, in der ein Mensch feige sei, und dass er nur vor dieser Stunde Angst habe. Während Rieux auf Nachricht von seiner Frau und auf eine gemeinsame Zukunft nach allem Schrecken hofft, erkennt seine Mutter, dass Tarrou schwer erkrankt ist. Sie ruft ihren Sohn, der entsetzt die Symptome beider Pestformen erkennt. Tarrou kämpft die ganze Nacht gegen die Krankheit. Die Anwesenheit von Rieuxs Mutter tröstet und beruhigt ihn. Doch plötzlich strömt das Fieber umso stärker zurück, und bis zum Nachmittag entfernt sich der Kranke immer mehr, bis ihn schließlich alle Kraft verlässt. Rieux erlebt Tarrous Tod als schwere Erschütterung und eigene Niederlage. Danach glaubt er nicht mehr an ein Leben in Frieden, und selbst die Liebe erscheint ihm verloren. Als er am nächsten Tag die Nachricht vom Tod seiner Frau erhält, fühlt Rieux nur das Fortdauern des alten Schmerzes. Im Februar werden schließlich die Tore geöffnet. Dem Erzähler bleibt nur noch, von der Freude der Überlebenden und von ihren widersprüchlichen Reaktionen zu berichten. Nun tanzen die Menschen, suchen Verbrüderung und Vereinigung und scheuen die Erinnerung an die Verwilderung der Gefühle, den Mord an Unschuldigen, die Gefangenschaft und den ständigen Geruch des Todes. Rieux hat sich verändert: er ist einsam, gelassen und illusionslos geworden. Er geht durch die Stadt, diagnostiziert, was er
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe sieht. Er erkennt, dass alle etwas suchten; dass die Belohnung darin lag, sich mit dem Menschen zu begnügen. Er wird Zeuge von Cottards Festnahme durch die Polizei und von seinem elenden Ende auf der Straße. Er trifft Grand, der ihm von seinem Brief an seine Frau erzählt, und er denkt an Tarrou, der wusste, was er wollte, nämlich das Leben, sonst nichts. Rieux begibt sich wieder auf das Dach oberhalb der Stadt. Es ist die Nacht der Befreiung von der Pest. Hier beschließt er, Zeugnis abzulegen für ein Verbrechen an den Menschen. Er will zeigen, dass es an den Menschen mehr zu bewundern als zu verachten gibt. Rieux weiß, dass der Sieg über die Pest, der in dieser Nacht gefeiert wird, nicht endgültig ist.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.3 Aufbau
2.3 Aufbau Der Roman besteht aus fünf Teilen und umfasst insgesamt dreißig Kapitel: Zu Teil I gehören acht Kapitel, zu Teil II die folgenden neun, zu Teil IV sieben, zu Teil V die letzten fünf Kapitel, während Teil III nicht weiter unterteilt ist. Die Teile I, II und IV, VI sind symmetrisch um den Höhepunkt im dritten Teil angeordnet: Die beiden ersten Teile zeigen ausführlich die schockierende Entwicklung zur Katastrophe, die beiden letzten Teile die fortschreitende Gewöhnung an den Ausnahmezustand und das zugleich immer erhoffte Abflauen der Pest bis hin zur Öffnung der Stadt. Der dritte Teil ist der kürzeste aller fünf Teile. Er beinhaltet das endgültige Zerbrechen aller zuvor gültigen Normen, die physische und psychische Krise angesichts der scheinbaren Allmacht der Pest.
Die Symmetrie der Teile
Zeitfolge der Teile27 I: 70 Seiten Er umfasst etwa 6 Wochen (Mitte April bis Ende Mai).
II: 112 Seiten Er umfasst etwa 10 Wochen (Anfang Juni bis Mitte August).
III: 23 Seiten Er umfasst etwa 6 Wochen (Mitte August bis Ende September).
IV: 90 Seiten Er umfasst etwa 3 Monate (von Anfang Oktober bis Ende Dezember).
V: 48 Seiten Er umfasst etwa 6 Wochen (Januar bis Mitte Februar).
27 Die Seitenzahlen und Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe des Romans in der Übersetzung von Uli Aumüller.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.3 Aufbau Die erzählte Zeit umfasst zwei EbeErzählzeit und erzählte Zeit nen: die Zeit der Pest, etwa 10 Monate, und die Zeit des Chronisten Rieux, der die Ereignisse erinnert und aufschreibt. Der Erzähler rückt in der Einleitung den Beginn der Ereignisse nah heran und vermittelt so den Eindruck, dass zwischen dem Geschehen und dem Erstellen der Chronik kaum Zeit vergangen ist. Was er hautnah miterlebt hat, will er als unmittelbarer Zeuge weitergeben. So entsteht ein kompakter Zeitblock von ungefähr 12 Monaten. Die Erzählzeit ist die Dauer, die der Erzählende für das Erzählen benötigt. Je nach Tempo des Lesens kommt man auf die Dauer von ungefähr einem Tag: 12 Stunden. Die Zeitangaben, die Rolle des Zeugen und Chronisten, die Überschaubarkeit der Ereignisse und die symbolische Beziehung zwischen erzählter Zeit und Erzählzeit suggerieren Aktualität und Authentizität. Elemente der Tragödie28: Der Roman hat Elemente des Epischen wie des Tragischen. Das Tragische hat die Dichte und Dramatik einer antiken Tragödie. Es folgt den drei Einheiten der klassischen französischen Tragödie, die diese aus der Poetik des Aristoteles abgeleitet hatte:29 Die Begegnung der Menschen mit dem Die Einheit der Handlung Außerordentlichen, dem über sie hereinbrechenden Schicksal in Form der Pestepidemie, ist die einheitliche und chronologisch entwickelte Handlungslinie. 28 Camus unterstreicht das Tragische (le sentiment du tragique) in seiner Philosophie der Existenz, darüber hinaus in aktuellen Texten (1948). In: Actuelles, S. 227 29 Siehe J.-P. Sartre: Mythos und Realität des Theaters, Reinbek: Rowohlt TB 4422, 1991. Zitiert nach Bahners, S. 29: Unsere Stücke sind gewaltsam und knapp, um ein einziges Ereignis zentriert; sie haben wenig Darsteller, und die Geschichte ist auf eine kurze Zeitspanne komprimiert, mitunter auf nur wenige Stunden. Daraus resultiert, dass sie einer Art Regel der drei Einheiten folgen, die nur etwas verjüngt und modifiziert worden ist. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.3 Aufbau Der Ort Oran – Stadt, Himmel und Meer – ist von Anfang bis Ende identisch. Oran ist Handlungsbühne und facettenreiches Zentralsymbol. Die Handlung vollzieht sich in eiDie Einheit der Zeit nem klassischen Zeitrahmen: Den 24 Stunden der klassischen Tragödie entsprechen die 10 Monate, darin vier Jahreszeiten, in denen sich die Heimsuchung durch die Pest abspielt: Vom 16. April bis zum 8. Februar des folgenden Jahres. Eine weitere Reminiszenz an die klasPflicht oder Leidenschaft sische französische Tragödie ist der Konflikt zwischen Pflicht und Leidenschaft (Corneille: Entscheidung für die Pflicht, Racine: Entscheidung für die Leidenschaft). In dem Roman steht Rieux für die Pflicht, Rambert für die Leidenschaft. Rambert stellt sich dem moralischen Konflikt. Nach langem Ringen und gänzlich unerwartet entscheidet er sich für die moralische Pflicht zum Widerstand. Die Tragödie findet ihren sachliDas Paradox der Zahl chen, verheerenden Niederschlag in der Statistik. Die wachsende Anzahl von Ratten, die an die Oberfläche kommen und in der Stadt sterben, wird abgelöst von den Zahlen erkrankter und toter Einwohner der Stadt. Auf dem Höhepunkt der Pest, im dritten Teil des Romans, wird die Explosion der Opferzahlen durch den Mangel an Särgen und den Zusammenbruch des Bestattungssystems ausgedrückt. Wie die steigende Opferkurve Angst und Entsetzen hervorrief, so folgt auf die fallenden Ziffern die leise Hoffnung davonzukommen. Die Nüchternheit der Zahlen und Statistik ist also eng verknüpft mit menschlichen Schicksalen und Emotionen und verschärft den Eindruck der schicksalhaften Unausweichlichkeit der Tragödie. Die Einheit des Ortes
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Camus’ Ideen und Thesen werden durch Personen vertreten. Diese bekommen positive oder negative Bedeutung durch: • Das Äußere und das Auftreten Das sympathische Äußere, das positiv betonte Auftreten von Rieux, Rambert und Castel und die kraftvolle, melancholische, geheimnisvolle Aura Tarrous haben Signalcharakter. Ambivalent erscheint von Beginn an Cottard, der zudem als abstoßend vor allem für Frauen charakterisiert wird. Grands Äußeres ist zwar das eines „Versagers“; es wird aber sofort durch die explizite Würdigung von Grands Persönlichkeit ausgeglichen. • Die Nähe oder Ferne der Personen zum Protagonisten Rieux Grand, Rambert, Castel sind oder werden wertvolle Mitarbeiter, Tarrou wird ihm zum engen Freund. Richard und andere Ärzte distanzieren sich von Rieux. • Explizite Wertung und Aufmerksamkeit des Erzählers für die Personen Grand, Tarrou, Rambert, Paneloux werden dadurch zu Hauptpersonen, deren Charakter, Verhalten und Schicksal sich deutlich vor dem Hintergrund des Menschen-Tableaus der Stadt abhebt und einprägt. • Die Relation von Position und Engagement Grand wird als Held bezeichnet, weil er trotz untergeordneter Position und persönlicher Probleme Rieuxs Kampf ohne Zögern aktiv unterstützt. Das Verhalten von Rieuxs Kollegen und Vorgesetzten, die das Wissen und die Verantwortung ha-
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken ben, ist hingegen unangemessen und verantwortungslos. Cottard steht für alle, die wider besseres Wissen der Pest weiter den Weg bereiten. • Die Wirkung einer Person als Vorbild Verantwortungsvolles Engagement kann ansteckend sein. Rieuxs Haltung bewirkt letztlich die Wandlung in Rambert und berührt zu einem frühen Zeitpunkt Tarrou. Cottards Schwäche wird dagegen umso deutlicher, da er sich trotz seiner guten Beziehung zu Tarrou nicht von dessen Engagement anstecken lässt. Unverzichtbar sind die eigentlichen Helden, da sie Vorbild und Inspiration für jene sind, die eines Anstoßes bedürfen.30 Der Arzt Bernard Rieux wird zum Experten und Chronisten der Pest. Er kommt aus einer Arbeiterfamilie und ist Arzt geworden, weil er die Herrschaft des Todes nie akzeptieren konnte. Er will wenigstens die Körper retten. Die Epidemie fordert ihn als Mensch und Arzt zu einem ungleichen Kampf heraus. Rieux erkennt die schreckliche Gefahr, während andere abwiegeln und auf Befehle der Vorgesetzten warten. Sein Vorgehen ist konkret, umsichtig, pragmatisch und aufopferungsvoll. Dennoch erlebt er den Verlauf der Pest als seine Niederlage und die Niederlage der Stadt. Er erkennt den Schaden, den die Pest physisch und psychisch angerichtet hat, auch in ihm selbst. Rieuxs Geheimnis ist seine Auflehnung gegen den Tod als Grund für sein Handeln.
Rieux, der Arzt
30 In einer Sendung des Bayerischen Rundfunks (TV) am 21. 1. 2004 berichtet die Ordensfrau Ruth Pfau von ihrer jahrzehntelangen Arbeit auf einer Lepra-Station in Karatschi. Sie spricht von der Bedeutung der Teamarbeit, der nötigen Disziplin und der ständigen Bereitschaft. Eschatologische Fragen müssen dagegen zurückstehen.
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Rieuxs Erscheinung: Bernard Rieux wird von Tarrou beschrieben als ungefähr 35– jährig, breitschultrig, mit dunklen offenen Augen, festen, männlichen Zügen und vollen Lippen. Mit seiner braunen Haut, dem schwarzen Haar und den immer dunklen, gut sitzenden Anzügen sieht er aus wie ein sizilianischer Bauer. Er ist immer barhäuptig. Er wirkt klug und doch oft zerstreut, besonders am Steuer. Er geht schnell und locker. Er ist sachlich, streng mit sich, schweigsam und unpathetisch.
Rieuxs Beziehungen: Rieux ist seit einigen Jahren verheiratet, aber die Ehe ist nicht glücklich. Seine Frau ist schwer krank, und Rieux hat zu wenig Zeit für sie. Die Trennung macht sie traurig; sie hoffen auf Heilung. Rieux genießt die Gegenwart seiner Mutter und ihre wortlose Liebe. Er hat kein anderes Leben als seinen Beruf. Sein Verhalten, seine Gefühle, seine Beziehungen sind von diesem Leben bestimmt. Rieux findet Partner und für kurze Zeit auch Freunde in Grand und Tarrou.
Rieuxs Erkenntnisse: Rieuxs Priorität ist der Mensch, daher der Widerstand gegen den Tod. Hartnäckig und illusionslos kämpft er gegen das Übel, das keine Abstraktion, sondern die Bedrohung des Lebens ist. Am Tag der Öffnung der Stadt fühlt sich Rieux nicht als Sieger, sondern körperlich und seelisch erschöpft und menschlich verarmt durch den Verlust der Menschen, die er liebte. Rieux entscheidet sich erneut für das Handeln: Er wird die Chronik der Pest schreiben.
Joseph Grand ist einer der kleinen Grand, der Angestellte Angestellten in Oran. Er arbeitet bei der Stadtverwaltung. Grand tritt im Roman zunächst als Retter des zwielichtigen Cottard auf, seines Nachbarn. Er entdeckt den versuchten Selbstmord und alarmiert den Arzt. Sein gewissenhaftes Verhalten zeigt sich schon hier. Grand und Cottard leben diametral entgegengesetzte Leben: Grand ist trotz äußerlicher Schwäche ein idealistischer, erstaunlich zä-
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken her Einzelgänger. Cottard ist ein haltloser, schwankender, parasitärer Opportunist. Grands Geheimnis ist sein Buch als Grund für seine Lebenskraft. Grands Erscheinung: Grand ist 50 Jahre alt, der Älteste der Hauptpersonen, zugleich die erste Person, die aus der Sicht des Erzählers ausführlich dargestellt wird. Sein Name wirkt ironisch, weil Grand als unauffällig, pedantisch, unbegabt beschrieben wird; er will nicht auffallen. Grand sieht krank aus und verhält sich manchmal depressiv. Er trägt einen gelben Schnurrbart. Durch die fehlenden Zähne in seinem Oberkiefer liegt ein Schatten auf seinem Gesicht. Er ist ein Mensch im Schatten, im scheinbaren inneren und äußeren Niedergang.
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Grands Beziehungen: Grand lebt allein. Sein Leben wird vom Erzähler als edel und vorbildlich charakterisiert. Dieser treuherzige, feinfühlige Mensch vereinsamt, weil er nicht ausdrücken kann, was er fühlt. Seine Frau verließ ihn, weil sie enttäuscht war. Die Gehaltserhöhung entgeht ihm, weil er sein Recht nicht vertreten kann. Er kommt nicht über den ersten Satz des Romans hinaus, an dem er seit längerem schreibt und von dem er sich die Achtung der literarischen Welt erhofft. Glück erlebt der Introvertierte an den Abenden, wenn er sich dem Schreiben widmet.
Grand, der Held: Grand ist Rieuxs treuer Begleiter als Buchhalter der Pest. Seine Loyalität hilft Rieux. In der Pest bewährt er sich als tatkräftig und zuverlässig. Aber auch seine Gesundheit und Selbstkontrolle werden erschüttert. Er bricht zusammen und muss sich Menschen anvertrauen. Grand erkrankt schwer, aber gerade er erlebt das unerwartete Wunder der Rettung. Grand ist wie Sisyphos. Er wächst über sich und andere hinaus und hat doch auch Anfälle von Verzweiflung. Grand ist ein paradoxer Held.
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Neben Rieux ist der Jesuitenpater Der Priester Paneloux Paneloux eine wichtige Vertrauensperson. Als Priester und als Redner über Fragen der Religion und Ethik genießt er hohes Ansehen. Dazu kommt seine Mitarbeit an einer geografischen Zeitschrift, für die er über alte Inschriften schreibt. Während Rieuxs Aufgabe die medizinische Betreuung ist, beansprucht Paneloux die Verantwortung für die Seelen. Seine Deutung der Pest als Strafe Gottes, als Züchtigung der Menschen, erschreckt die Leute und empört Rieux. Beide geraten in einen anhaltenden Disput. Er wirkt wie persönliche Rivalität um das Wohl der Menschen. Es handelt sich jedoch um einen ideologischen und zugleich praktischen Konflikt: Statt zum Wohle der Menschen sachlich und verantwortungsvoll gegen die Ausbreitung der Pest mit den Ärzten zusammenzuarbeiten, missbraucht Paneloux die Angst. Durch die gleichzeitige Rechtfertigung Gottes und der Pest untergräbt er den natürlichen Widerstand der Menschen. Paneloux wird jedoch zu einem wertvollen Mitstreiter und Mitmenschen. Panelouxs Geheimnis ist seine Identifizierung mit einem bösen Gott. Sein Tod weist aber auf seine Identifizierung mit Christus hin. Panelouxs Erscheinung: Er ist mittelgroß, untersetzt, mit roten Wangen und großen Händen. Er trägt eine Brille und ist schwarz gekleidet. Mit seiner kräftigen Stimme, sei-
Paneloux und die Pest: P. spricht am Beispiel der Pest in Ägypten (Exodus) von der Strafe Gottes, die dem sündigen Treiben folge. Er erklärt, dass die Gerechten die
2. Textanalyse und -interpretation
Panelouxs Ende: Durch die Pest verliert Paneloux seine Gläubigen und seine Autorität. Er stirbt allein. Wegen der Pest muss er abrücken von seinen jesuitischen Lehrsätzen. Er
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
ner geschulten Rhetorik und seiner leidenschaftlichen Überzeugung tritt der Jesuitenpater als unerbittlicher Soldat Gottes auf. Als „Büchermensch“ (Rieux) kommt er zu falschen Schlüssen. Bei seiner Mitarbeit sind seine inneren Kräfte „besser als seine Predigt“(Rieux).
Prüfung der Pest nicht zu fürchten brauchen, dass aber die Ungerechten bestraft werden. In seiner zweiten Predigt nach dem Tod des Kindes predigt er über das Leiden mit Einfühlung und als betroffener Mitmensch. „Liebe Brüder, jeder muss der sein, der bleibt!“(257)
lernt die einfache Wahrheit des Dienstes am Nächsten. Er nimmt Kränkung, Nichtbeachtung und schließlich Krankheit und Tod hin. Sein einsamer Tod wirkt tragisch und hat Züge des Martyriums.
Jean Tarrou lebt seit einiger Zeit in bewusster Anonymität in einem Hotel Orans. Er hat sich diese Stadt als neutralen Ort ausgesucht. Er führt Tagebuch und notiert scheinbar Nebensächliches und Skurriles. Tarrou hat sich weit entfernt von seiner „guten“ Herkunft. Deren Falschheit offenbarte sich ihm schockartig in der Gefühllosigkeit seines Vaters, eines Staatsanwaltes in hoher Position. Er besuchte dessen Verhandlung gegen einen Menschen, den er als „rote Eule“ in Erinnerung behielt. Der Vater forderte und „bekam“ den Kopf dieses Mannes. Tarrou war danach seelisch krank.31 Er ging fort, arbeitete und engagierte sich politisch und kämpfte auf der Seite der Unterdrückten. Das Bild des zum Tode Verurteilten belastete ihn, auch wenn seine Freunde ihm sagten, dass manche Tode gerechtfertigt seien. Das Erlebnis einer Hinrichtung machte ihm schließlich klar, dass er den falschen Weg gegangen und selbst
Tarrou, der Fremde
31 Camus erfuhr nur sehr wenig über seinen Vater. Eine der wertvollsten Mitteilungen wurde für ihn, dass der Vater einer Hinrichtung beigewohnt hatte und davon krank wurde und verstört war (u. a. Der erste Mensch).
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2. Textanalyse und -interpretation
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken schuldig geworden war. Er hatte den Frieden verloren und wollte nun einen anderen Frieden finden, indem er keines Menschen Richter und Feind war. Tarrous Geheimnis ist seine Philosophie: Es gibt die „Verpester“ und die Opfer, und als dritte Gruppe die Heiler, die wahren Ärzte. Er will nicht zu den „Tätern“, sondern zu den Opfern gehören. Tarrous Erscheinung: Tarrou erscheint noch jung, von schwerfälliger Gestalt, mit einem wuchtigen, hageren Gesicht, grauen Augen, buschigen Augenbrauen. Er raucht bedächtig und sieht von seinem Fenster aus dem Leben draußen zu.32 Sein Einsatz gegen die Pest verändert ihn innerlich und äußerlich.
Tarrou während der Pest: Tarrou ist der eigentliche Gegenpol zu Paneloux. Auch er will ein anderes Leben verwirklichen, das er als „Heiligkeit“ bezeichnet, aber er beansprucht dafür kein Publikum und keine Ehre. Durch die Pest wird Tarrous Opposition gegen Unrecht und Gewalt wieder herausgefordert. Im Gegensatz zu Paneloux unterscheidet Tarrou nicht zwischen Guten und Sündern. Er glaubt, dass in allen die Pest ist, unter der alle leiden.
Tarrous Kampf und Tod: Tarrou wird zum beispielhaften Kämpfer gegen die Pest. Mit Mut, Disziplin und Energie organisiert er den Widerstand gegen die Ausbreitung der Seuche. In dem von ihm geleiteten Sanitätsdienst schafft er die Gemeinschaft der Verantwortungsvollen. Er ist bereit, sich zu opfern. Tarrou ist der von seinen Nächsten betrauerte Märtyrer.
32 Tarrou beobachtet, was Camus in den Carnets (193942) notierte: Die Geschichte des kleinen Alten, der die Katzen mit Papierschnipseln anlockt und dann auf sie spuckt. Carnets, S. 221. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Raymond Rambert ist als junger Journalist aus Paris nur zufällig beruflich in Oran, als die Pest ausbricht. Er weigert sich, die Folgen der Epidemie für sich anzunehmen und ist fest entschlossen, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Rambert hat vor wenigen Jahren Mut und Ausdauer im Spanischen Bürgerkrieg gezeigt. Ramberts Geheimnis ist seine Liebe zu einer Frau, die Glück und Zukunft bedeutet.
Rambert, der Journalist
Ramberts Erscheinung: Er ist klein, breitschultrig. Er hat ein entschlossenes Gesicht, helle, kluge Augen. Er scheint sich im Leben wohl zu fühlen. Er tritt selbstsicher und beredt auf.
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Ramberts Verhalten: Ramberts Reaktion auf die Pest ist die zähe Entschlossenheit, Gefängnis und Tod der Stadt hinter sich zu lassen. Er will seine Geliebte wiedersehen. Sein Lebenshunger ist eine Folge seiner Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg. Er sucht Unterstützung bei den Journalisten und den Bürokraten der Stadt, bei Rieux und schließlich bei Cottard und den „Menschenschmugglern“, die ihn heimlich aus der Stadt schaffen sollen.
Ramberts Wandlung: Er beschließt, das Warten mit der Arbeit für den Sanitätsdienst zu füllen. Plötzlich entscheidet er, auf die bevorstehende Flucht zu verzichten: Er würde sich schämen, alleine glücklich zu sein, und diese Scham würde seine Liebe stören. Er wird seine Geliebte wiedersehen, aber er wird die Erfahrungen mitnehmen: Die Pest geht alle an, auch ihn.
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Cottard ist im Kontakt zu den HauptCottard personen und entwickelt sich zugleich von ihnen fort. Er ist die am negativsten charakterisierte Person, eine Mischung aus gerissenem Opportunisten, Bösewicht und Verräter. Zunächst ist er ein misstrauischer Einzelgänger mit einer unklaren Vergangenheit. Er zieht viel Aufmerksamkeit auf sich: Rieux ist sachlich, unsentimental und dennoch fast besorgt um ihn. Er erwähnt und zitiert ihn vielfach in seinem Bericht. Rambert benutzt Cottards Kontakte für seine Fluchtziele. Er scheitert an seiner Undurchsichtigkeit. Ähnlich wie Rieux interessiert sich Tarrou für Cottards Verhalten, aber er nimmt sich außerdem seiner an. Cottard gibt vor, auf der Seite der Opfer zu sein, dabei ist er ein Täter und Kollaborateur. Cottards Geheimnis ist das Verbrechen, wegen dessen er von der Polizei gesucht wird.33
33 In seinem frühen Essay La mort dans lâme über seinen Aufenthalt in Prag beschreibt Camus seine Einsamkeit und seine Fassungslosigkeit, als ein Mann, klein und rundlich, Tage später tot in einem Hotelzimmer aufgefunden wird. Er versichert sich mehrfach, dass es wohl kein Selbstmord war. Empathie mit dem Außenseiter. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Cottards Erscheinung: Cottard ist ein kleiner, rundlicher, älterer, unangenehm wirkender Mann. Er lebt allein neben Grand und wird eingeführt als jemand, der anscheinend gerade noch gerettet wurde. Rieux nennt ihn „einsam wider Willen“. Er hat Angst vor der Polizei, da er wegen eines Verbrechens gesucht wird. Cottard handelt emotional und manipulativ.
Cottard zur Zeit der Pest: Cottard hat plötzlich keine Angst mehr auszugehen. Er hat Geld und Freunde, aber kein Glück bei den Frauen. Er nutzt Chaos und Angst der Menschen. Er fühlt sich wie ein Fisch im Wasser. Er verdient am Sach- und Menschenschmuggel. Er lehnt daher jede Beteiligung am Kampf gegen die Pest ab. Er ist ein Doppelagent in der Zeit der Pest.
Cottards Ende: Cottard fürchtet die Rückkehr des normalen Lebens. Tarrou ist an seiner Seite und will ihn beruhigen. Cottard erlebt, dass die Polizei auftaucht, um ihn festzunehmen. Er taucht unter. Dann stürmt diese ein Haus und schleppt Cottard wie einen Schwerverbrecher auf die Straße. Er schreit und fällt tot um. Rieux und Grand sind Zeugen. Rieux quält der Gedanke an den toten Cottard.
Der Asthmatiker und Cottard repräsentieren die Randständigen der Gesellschaft. Beide lebten zurückgezogen, voller Angst und Ressentiments gegenüber anderen Menschen. Der Asthmatiker will leben, aber nicht mehr am Leben teilnehmen. Cottard will etwas vom Leben haben, aber er macht dunkle Geschäfte und scheut das Licht. Die Pest bringt beiden die unerwartete Genugtuung einer neuen Ordnung der Angst, in der sie sich schon auskennen. Beide fühlen sich nun in ihrem Element. Das Geheimnis des Asthmatikers ist seine Angst vor dem Leben und Sterben.
Der Asthmatiker
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2. Textanalyse und -interpretation
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Der alte Asthmatiker wird nicht mit Namen genannt. Es heißt nur, dass er Spanier ist. Er ist seit langem asthmatisch und Rieuxs Patient. Früher hatte er ein Geschäft, das er mit 50 Jahren aufgab. Seit 25 Jahren lebt er sein passives, monotones, pedantisches Leben, in dem seine Frau keine Rolle spielt. Er verlässt kaum seine Wohnung oder die Stadt. Alle sind ihm gleichgültig.
Während der Pest verfolgt er mit Genugtuung das Fortschreiten der Seuche. Obwohl er jede Anstrengungen für sinnlos hält, da der Tod immer kommen kann, möchte er zugleich sehr alt werden. Die Pest fürchtet er nicht für sich, als sei er durch sein Asthma geschützt. Die Pest bedeutet Trennung vom Leben, die er schon vollzogen hat. Tarrou fragt sich, ob er ein Heiliger ist, aber er bezweifelt das selbst.
Die einzige durchgehend präsente, Frau Rieux, die Mutter deutliche Frauengestalt im Roman ist Rieuxs Mutter. Sie vertritt die junge Frau Rieux, solange diese wegen ihrer schweren Erkrankung fern von Oran ist. Sie ist „eine kluge Frau mit silbernem Haar und schwarzen, sanften Augen.“ Tarrou erwähnt ihre „hell-kastanienbraune Augenfarbe“. Sie ist glücklich, bei ihrem Sohn zu sein. Ihre Ankunft fällt mit dem Ausbruch der Pest zusammen. Sie hat jedoch keine Angst vor den Ratten und der Pest. Rieux ist glücklich über ihr Kommen, denn „mit ihr schien immer alles leicht“. Am Ende des Berichts sagt Rieux, dass er und seine Mutter sich immer wortlos lieben werden (329).34 Das Geheimnis der Mutter Rieux sind ihre Gedanken: Sie ist eine Schweigende. 34 Camus stattet Rieuxs Mutter mit den Qualitäten, aber nicht mit der Behinderung seiner Mutter aus. Er wusste sich von ihr geliebt. Ihr Schweigen war für ihn Ausdruck ihrer Einsamkeit und Sprachbehinderung, aber auch schmerzliche Liebe, Symbiose. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Der Beitrag von Rieuxs Mutter im Kampf gegen die Pest wird nicht ausdrücklich benannt, aber es ist deutlich zu erkennen, dass Rieux ohne sie nicht so lange die seelische und körperliche Kraft für seine Aufgaben gefunden hätte. Tarrou notiert, dass ihr gütiger Blick immer stärker als die Pest sein werde. Ohne sie hätte Tarrous Todeskampf und Abschied vom Leben in Verzweiflung geendet. Ihre Zuwendung tröstet Tarrou auch für den Verlust seiner eigenen geliebten Mutter. Rieuxs Mutter hält die Totenwache bei Tarrou. Rieuxs Mutter ist die Inkarnation der Maria und der Marta, der tätigen Liebe.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen (Aspects de linterprétation en français) La caractérisation Rieux est le narrateur et le personnage principal ; il est le héros, le protagoniste ; il n’y a pas d’héroïne, de protagoniste féminine. La peste est l’ennemie, l’antagoniste. Le narrateur se caractérise comme un des habitants d’Oran, comme chroniste et témoin. Il rappelle les événements de l’année précédente. Le narrateur introduit les personnages qui figurent dans le roman. L‘un d’eux a aussi tenu un journal. Il y a d’autres témoignages du passé. Il y a quelques personnages principaux: Rieux, Tarrou, Paneloux, Grand, Rambert. Leurs biographies sont très différentes. Ils se comportent selon leurs natures. Il y a des personnages secondaires : Richard, Castel, Cottard etc. Chaque personnage parle et agit selon son caractère individuel. Le lecteur suit les différentes phases de leur lutte. Pour étudier les traits principaux des personnages il faut analyser leur attitude face à la peste. Rieux est le centre de la résistance.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen Un personnage est : vif, spontané, dynamique // apathique, passif, indolent, découragé; sérieux, calme, posé, raisonnable, réfléchi // agressif, violent, coléreux, énervant; susceptible, froid, indifférent, renfermé // doux, sympathique, tendre, sensible, compréhensif, lucide. Rieux est lucide, courageux, travailleur, fatigué. Tarrou est sympathique, énergique, mélancolique. Paneloux est dynamique, fort, éloquent, convaincant. Grand est pédant, soucieux, découragé, loyal. Rambert est passionné, impatient, tenace. L’Action Exposition : Invasion, la menace de la terreur. L’action se passe à Oran sur la Méditerrannée pendant une année au début des années 40. Au printemps des rats apparaissent et meurent dans la ville. La Peste entre en secret et prend la ville comme ôtage. Les portes de la ville sont fermées maintenant. Nœud, conflit : Exil, égalitarisme, le bonheur contre l’abstraction, le développement de l’action coincide avec le chiffre croissant de morts. Une des conséquences terribles est la séparation des familles et des couples. Ce sont les mois de mai et juin; les profiteurs, la panique. La catastrophe s’annonce. Apogée, sommet : Impuissance, déshumanisation, la face macabre et stérile de la ville déserte. Les hommes se sentent esclaves du destin. L’ordre est détruit, l’ordre de la peste s’établit. La chaleur, le désespoir et le fatalisme enferment la ville. Au sommet de la peste les morts règnent sur les
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2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen vivants.Un moment captivant et tragique est la mort de l’enfant, fils du juge Othon. La révolte contre la mort injuste unit les hommes. Péripétie : Piétinement des incarcérés, le dénouement se fait attendre. On transforme le stade en camps de concentration. Les justes souffrent, les injustes se sentent à l’aise. Paneloux meurt. Grand survit. Cottard le collaborateur craint la fin de la peste. Dénouement : L’épidémie s’affaiblit; l’espoir n’a pas de force. Les uns échappent à la catastrophe. Tarrou périt. L’élégie de sa mort est une méditation de Rieux. Rieux se rend compte de la joie de vivre qui renaît dans la ville. La libération, le souvenir de Rieux: se rappeler et écrire la chronique. L’interprétation La Peste représente la deuxième phase dans la pensée de Camus : L’homme n’est pas condamné au déspoir. Le mal existe sous différentes formes et la contagion est une menace. Mais il dépend des hommes d’agir et de le combattre. Il y a plus de qualités que de faiblesses dans les hommes. Ils doivent se rendre compte de leur responsabilité de leur propre vie et du monde humain. Rieux représente l’idéal humain de Camus sans être une personne sans défauts. Il accepte le travail qui se présente à lui sans discuter, dans la lucidité. Il respecte les autres et leur fait confiance ; il sait que l’homme a besoin de l’autre pour vivre et survivre.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen Tarrou représente « L’Étranger » révolté qui lutte contre la mort parce que c’est l’ennemie et que la vie est unique. Son agonie est longue, douloureuse et effrayante dans son intensité. Tarrou subit un martyre. Rambert, ancien combattant de la Guerre civile en Espagne, se révolte contre la séparation de son amie, du bonheur possible. Il se range enfin du côté des amis. Comment pourraitil être heureux seul en dehors de la ville ? Il survit. Grand sacrifie son temps à son roman jamais écrit, mais l’idée le rend heureux. Dans tous les hommes Camus a réalisé un aspect de lui-même.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.6 Stil und Sprache
2.6 Stil und Sprache Der Roman zeigt in der Erzählweise Die Erzählweise eine Verbindung von epischer und dramatischer Form: Es gibt den Haupterzähler, der als allwissender Berichterstatter erscheint, der sich aber durch eine ausführliche, teilweise ironische Beschreibung Orans und das identifizierende „Wir” als Einwohner von Oran und Zeuge zu erkennen gibt. Er hat den Überblick, bezieht Stellung und verbindet mehrere Perspektiven. Der Erzähler ist ein auktorialer Er-Erzähler. Auktorial ist auch als Hinweis auf den Autor Camus zu verstehen, der sich noch weiterer Stimmen bedient. Er spricht von Schriftstücken, die ihm in die Hände fielen und die er verwenden will, wie es ihm gefällt und sinnvoll erscheint. Diese weiteren Personen, die entweder direkt oder in „erlebter Rede“ zitiert werden, ergänzen den Bericht des auktorialen Erzählers. Ihre Sicht wird in den Erzählfluss integriert. Der Erzähler bleibt scheinbar anonym. Der Erzähler Am Ende des Romans gibt er sich als Rieux zu erkennen, der über die Ereignisse spricht: „Diese Chronik nähert sich ihrem Ende. Es ist Zeit, dass Dr. Bernard Rieux sich als ihr Verfasser zu erkennen gibt. Aber bevor er die letzten Ereignisse schildert, möchte er doch sein Eingreifen rechtfertigen und erklären, dass großen Wert darauf gelegt hat, den Ton des objektiven Zeugen anzuschlagen.“ (341) Der Erzähler belegt zwei Zeitebenen: die des Erzählens als Erinnerung und die der erinnerten Ereignisse. Auf der ersten
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2.6 Stil und Sprache Ebene ist Rieuxs Stimme meistens unpersönlich, gefasst, distanziert, philosophisch und bewusst neutral im Interesse der Chronik, die er schreibt. Rieux erhebt den Anspruch der Objektivität; er versteht sich als hellsichtig („lucide“). Dies ist ihm möglich, weil er aus eigenem Empfinden und sachlicher Erwägung zunehmend eine innere Distanz zu den dramatischen Ereignissen und dem Leid der Menschen erworben hat und für notwendig erachtet. Eine dritte Zeitebene wird durch Anspielungen an historische Pestzeiten eingeführt. Rieux hat die Ereignisse in seinem InErzählstimmen neren gespeichert. Sie waren so einschneidend, dass er sich daran erinnern kann, als wären sie gerade erst geschehen. Er hatte nichts notiert, weil er von seiner Arbeit ganz in Anspruch genommen war. Die Chronik ist das Ergebnis seiner Erfahrungen. Tarrou dagegen führt Tagebuch als tägliche Beschäftigung. Die Wahrnehmung und Niederschrift des scheinbar Banalen und Skurrilen gehört zu seiner Philosophie der Toleranz und des Nichtwertens. Seine Aufzeichnungen zeigen die Ironie und Genauigkeit eines Schriftstellers. Die Darstellung der Familie Othon im Restaurant zum Beispiel, hat den Charakter einer satirischen Bühnenszene. Tarrou bildet Alltagsmomente wie in einem Film ab. Daher ist sein Tagebuch für Rieux unverzichtbar als die wichtigste authentische Stimme aus der Vergangenheit. Beides gehört in der Pest, wie im Gesamtwerk, zu den strukturbildenden Elementen. Schweigen hat widersprüchliche Bedeutungen: Angst, Depression, Einsamkeit, dagegen auch Konzentration, Liebe, Ruhe, Frieden.
Stimmen und Schweigen
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2. Textanalyse und -interpretation
2.6 Stil und Sprache Der gewohnte Lautteppich der Stadt wird durch die Pest verändert. Angst legt sich auch auf die Stimmen der Menschen. Das Schweigen wird durch erschreckende Laute wie Schreie und Sirenen unterbrochen. Musik ist gedämpft. Unüberhörbar ist die kräftige Stimme des Priesters Paneloux gegen die Menschen der Pestzeit. Bald wird sie schwächer, bis sie durch stille Mitarbeit und Krankheit ganz verstummt. Grand ist ein Schweiger. Seine Stimme ist in kurzen Dialogen und gelegentlich indirekt zu hören. Sie bleibt vor allem im Gedächtnis durch den ersten Satz seines nie geschriebenen Romans. Tarrous Todeskampf verläuft schwer, aber fast stumm. Das folgende endgültige Schweigen erschüttert den Erzähler tief. Das Schweigen seiner Mutter beruhigt ihn. Der Ton des Chronisten ist präzise, Metaphorische Rede sachlich, differenzierend und andeutend. Durch Kontraste, Erinnerungsbilder und Verfremdung entsteht aber zugleich eine Atmosphäre des Pathos, des Leidens: Der erste Teil endet mit dem Bild des Marktes im Frühling und der Nachricht, dass die Stadt wegen der Pest geschlossen werden soll. Dieser Gegensatz gibt ein Vorgefühl der Katastrophe im Inneren und der Gleichgültigkeit der Außenwelt, der Jahreszeiten und des Wetters. Die Apokalypse erscheint in der Beschreibung der entmenschlichten, zu gefühllosem Stein gewordenen nächtlichen Stadt: „Die große, stille Stadt war damals nur noch eine Ansammlung massiver, lebloser Kuben, zwischen denen allein die schweigsamen Bildnisse auf immer in Bronze erstickter vergessener Wohltäter oder ehemaliger großer Männer mit ihren falschen Gesich-
2. Textanalyse und -interpretation
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2.6 Stil und Sprache tern aus Stein oder Eisen versuchten, ein verwittertes Bild dessen wachzurufen, was der Mensch gewesen war. Diese armseligen Leitbilder thronten unter einem bedeckten Himmel, auf unbelebten Kreuzungen, gefühllosen Unmenschen gleich, die recht gut das reglose Reich versinnbildlichten, in das wir eingetreten waren, oder zumindest dessen allerletzte Ordnung, die einer Totenstadt, in der die Pest, der Stein und die Nacht endlich jede Stimme zum Schweigen gebracht hatten. Aber auch in allen Herzen war es Nacht (...).“ (194 f.) Der Erzähler verwendet und variiert Metaphern: Für das zentrale Thema der Pest findet er verschiedene Symbole: Er spricht von dem Pestengel, mit dem der erkrankte Tarrou kämpft. Damit greift er eine der Metaphern aus Panelouxs erster Predigt auf. Er übernimmt von ihm auch die Metapher des Dreschflegels. Allerdings verwendet er sie nicht in dessen Sinn. Der Dreschflegel trennt nicht die Spreu vom Weizen, sondern er pfeift über der Stadt und lässt alle Menschen zu seinem Takt tanzen. Damit wird der Dreschflegel zum Sinnbild des übermächtigen Todes und erinnert einerseits an den mittelalterlichen „Sensenmann”, der das Leben ohne Ansehen der Person abschneidet, und an das Damoklesschwert der ständigen Bedrohung. Vor allem im dritten Kapitel konzentrieren sich die Motive zu einer apokalyptischen Szene. Die Pest tritt in vielen Gesichtern und Verkleidungen unter den Menschen auf. Eine der dramatischsten Szenen ist der Zusammenbruch des von der Pest erfassten Sängers im Kostüm des Orpheus. Er ist Opfer und zugleich Bote der Pest. Die Zuschauer wollten Orpheus sehen und hören, der Mensch und Tier mit seinem Gesang rührt und sogar über den Tod
Personifikation und Allegorie
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2. Textanalyse und -interpretation
2.6 Stil und Sprache siegen will, indem er seine Frau Eurydike aus dem Totenreich führt. Doch der Orpheus auf der Bühne bricht nach dem Duett mit Eurydike zusammen und wendet sich dabei gestikulierend an das Publikum, das die Flucht ergreift. Die Metapher des Krieges wird durchgehend und mit zahlreichen Variationen gebraucht: Belagerung, Feinde, Niederlage, „die endgültige Niederlage (...), die Kriege beendet und selbst aus dem Frieden ein unheilbares Leiden macht” (328). Die bewegliche, andeutungsreiche Sprache des Erzählers Rieux unter- Erlebte Rede als Brücke für Rieux scheidet sich von der des wortkargen Arztes. Dieser Widerspruch ist Teil der Charakterisierung. Der Arzt Rieux ist ein Handelnder; der Erzähler Rieux ist ein Schriftsteller, Denker und Philosoph. Es handelt sich um „zwei Seiten einer Medaille”, um Zeichen der Mehrschichtigkeit, die Camus jedem Menschen zuschreibt. Die beiden Seiten einer Person werden durch die Erzählweise des „style indirect libre”, der „erlebten Rede”, verbunden. Diese Erzählweise schafft den Eindruck unmittelbarer Nähe des Erzählers zu der Person, über die er schreibt. Die Person scheint von sich zu sprechen, allerdings in der dritten Person. Ein Ausschnitt aus der zweiten Predigt Panelouxs zeigt den kaum merklichen Übergang vom Bericht zur „erlebten Rede”: „Rieux erfasste verworren, dass es nach des Paters Ansicht gar nichts zu erklären gab. Sein Interesse wurde wieder wach, als er hörte, wie Paneloux mit Entschiedenheit sagte, es gebe Dinge, die man im Angesicht Gottes erklären könne, und andere, die unerklärlich blieben. Gewiss gab es Gut und Böse, und im Allgemeinen konnte man auch leicht verstehen, was sie trennte.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.6 Stil und Sprache Aber die Schwierigkeit begann innerhalb des Bösen. So gab es zum Beispiel das scheinbar notwendige und das scheinbar unnütze Übel. Es gab den in die Hölle gestürzten Don Juan und den Tod eines Kindes. Denn während es gerecht ist, dass der Wüstling niedergeschmettert wird, versteht man das Leiden des Kindes nicht. Und es gab in Wahrheit nichts Wichtigeres auf Erden als das Leiden eines Kindes (...).“35 Über Rieux schreibt der Erzähler Rieux nach dem Tod Tarrous und mit Blick auf seine Mutter: „Er wusste, was seine Mutter dachte und dass sie ihn in diesem Augenblick liebte. Aber er wusste auch, dass es nicht viel bedeutet, einen Menschen zu lieben, oder zumindest, dass eine Liebe nie stark genug ist, um den ihr gemäßen Ausdruck zu finden. So würden er und seine Mutter sich immer schweigend lieben.“ (329) Der Erzähler nimmt mehrfach Stellung und tritt in einen fiktiven Dialog ein. Die Beteiligung vieler Menschen am Sanitätsdienst wird zum Beispiel von ihm ausführlich kommentiert. Er ist bereit, ihnen die verdiente Anerkennung zu geben, ohne sie jedoch als Helden zu betrachten. Nach seiner Meinung erscheinen diese vielen Menschen nur deshalb so ungewöhnlich, weil sonst Gleichgültigkeit und Bosheit herrschen:
Der argumentierende Erzähler
„Diese Ansicht teilt der Erzähler nicht. Das Böse in der Welt geht fast immer von Unwissenheit aus, und der gute Wille kann ebenso viel Schaden anrichten wie die Bosheit, wenn er nicht aufgeklärt ist. Die Menschen sind eher gut als böse, und eigentlich geht es gar nicht um diese Frage. Aber sie sind mehr oder 35 Camus, Albert: Die Pest. Übersetzung von Meister, S. 146. Diese gibt den Stil des Originals zumindest hier genauer wieder. In der Übersetzung von Aumüller wird die erlebte Rede als indirekte Rede übertragen.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.6 Stil und Sprache weniger unwissend, und das nennt man dann Tugend oder Laster, wobei das hoffnungsloseste Laster das der Unwissenheit ist, die alles zu wissen vermeint und sich deshalb das Recht nimmt zu töten. Die Seele des Mörders ist blind, und es gibt keine wirkliche Güte oder Liebe ohne die größtmögliche Klarsichtigkeit.“ (150) Der Erzähler argumentiert dann, dass Menschen halfen, weil die Pest eine Angelegenheit war, die sie alle anging. Dann zieht der Erzähler den Vergleich mit einem Lehrer heran, der das Wahre lehren will und erlebt, dass manchmal selbst die einfachsten Wahrheiten nicht gelehrt werden dürfen: „Sagen wir also, es war lobenswert, dass Tarrou und andere sich entschlossen hatten zu beweisen, dass zwei und zwei eher vier ergibt als das Gegenteil, aber sagen wir auch, dass sie diesen guten Willen mit dem Lehrer und all denen teilten, die das gleiche Herz haben wie der Lehrer und die, zur Ehre des Menschen, zahlreicher sind, als man denkt, zumindest nach der Überzeugung des Erzählers. (...) es kommt immer eine Stunde in der Geschichte, da derjenige, der zu sagen wagt, dass zwei und zwei vier ist, mit dem Tod bestraft wird. Der Lehrer weiß das wohl. (...) Jene unter den Mitbürgern, die damals ihr Leben riskierten, mussten entscheiden, ob sie es mit der Pest zu tun hatten oder nicht und ob man gegen sie ankämpfen musste oder nicht.“ (151) Die Frage ist zu stellen, warum es Frage an Camus Camus so wichtig war, Rieux zum Erzähler zu machen, obwohl dieser während der Pest eher als Mensch der Tat erscheint. Als Antwort auf den möglichen Einwand, dass Rieux von seiner übermäßigen Verantwortung viel zu sehr in Anspruch genommen wurde, um alles zu wis-
2. Textanalyse und -interpretation
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2.6 Stil und Sprache sen, lässt Camus den Erzähler Rieux erklären, dass er Zeuge all der Vorgänge gewesen sei, ein sachlicher Zeuge, der zugleich die Partei der Opfer, d. h. aller unter der Pest leidenden Menschen ergriffen habe. „Deshalb gibt es nicht eine Angst seiner Mitbürger, die er nicht geteilt hätte, keine Situation, die nicht auch die seine gewesen wäre.” (342) Camus sagt, dass die Chronik eine Vermutungen Beichte des Arztes sei. Beichte, „confession“, bedeutet schonungslose Selbstoffenbarung. Was hatte Rieux zu offenbaren? Bei genauer Lektüre wird klar, dass Rieux wie alle anderen durch die Pest traumatisiert ist. Rieux selbst diagnostiziert an sich eine wachsende Gefühllosigkeit, ein „trockenes Herz“, je schrecklicher die Not und seine Überforderung werden. Seine Gefühle und Beziehungen werden immer reduzierter. In der Chronik kann er die traumatische Zeit aus der Erinnerung noch einmal durchleben und verarbeiten. Als die Pest besiegt scheint, fasst Rieux den Entschluss zu schreiben, weil er nicht zu denen gehören will, die schweigen. Mit der Chronik rechtfertigt er die Menschen, die Opfer der Pest wurden, und er rechtfertigt sein eigenes absurdes Überleben. Camus erwidert in einem Brief von Camus Antwort 1952 an den „Observateur“ mit dem Titel Révolte et Police auf Angriffe gegen seinen Essay Der Mensch in der Revolte, die auch Die Pest betrafen. Er mokiert sich über die Methode und Voreingenommenheit des Kritikers und über dessen Bezeichnung der Erzählweise in Die Pest als „die Subjektivität eines Nicht-Betroffenen”. Camus schreibt: „Auch der zerstreuteste Leser der ‚Pest‘, der aber das Buch bis zum Ende gelesen hat, weiß genau, dass der Erzähler der Doktor Rieux ist, der Held des Buches, der wissen sollte, wovon er
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2. Textanalyse und -interpretation
2.6 Stil und Sprache spricht. In Form einer objektiven Chronik, geschrieben in der dritten Person, ist ‚Die Pest‘ eine Beichte, und alles ist darauf angelegt, dass diese Beichte so vollständig und der Bericht so zurückhaltend wie möglich erzählt wird. Natürlich kann man diese schamhafte Zurückhaltung als Mangel an Engagement bezeichnen. Aber das würde bedeuten, dass der Ausdruck der Liebe in der Obszönität liegt. Hingegen ist ‚Der Fremde‘, in der Form eines Berichts in der ersten Person, ein Roman der Objektivität und der Fremdheit, wie der Titel besagt. (...) Wenn es eine Entwicklung seit ‚Der Fremde‘ in Bezug auf ‚Die Pest‘ gibt, dann ist es der Weg zu Solidarität und Zusammenarbeit.“36
36 In: Camus, Albert: Actuelles II, S. 93 ff. Übersetzung der Verfasserin. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.7 Interpretationsansätze
2.7 Interpretationsansätze Die Motiv-Interpretation: Es können hier nur einzelne charakteristische Motive herausgestellt werden, in denen ein besonderes Bedeutungs- und Vergleichspotential liegt: Als zwei ganz unterschiedliche, aber bekannte und vergleichbare Beispiele für die Invasion von Tieren sind Erzählung und Theaterstück von Eugène Ionesco, Rhinocéros (1959), und Daphne du Mauriers Erzählung Die Vögel mit dem eindrucksvollen Film von 1963 zu nennen.37 Im Roman selbst wird leitmotivisch Das Thema der Pest in der Stadt das immer erneute Auftreten der Pest in der Welt thematisiert: Rieux denkt an Berichte aus dem verseuchten und von den Vögeln verlassenen Athen, an chinesische Städte und das pestverseuchte Marseille. Auch Paneloux erinnert an die von der Pest heimgesuchten Orte, persische Städte und Kairo. Bocaccios Decamerone (1348–53) ist eines der frühesten literarischen Zeugnisse. Die Pest in Florenz ist darin Rahmen und dunkler Hintergrund für die Unterhaltungs- und Überlebenskultur einer Gruppe reicher junger Florentiner, die auf ein Landgut geflüchtet sind. Das Auftreten der Pest oder anderer Epidemien löste in vergangenen Jahrhunderten vielerorts einen reflexartigen Antisemitismus und Pogrome gegen die jüdischen Mitbürger aus.38 Die Invasion der Tiere
37 Das Genre des modernen Horrorfilms bedient sich mit Vorliebe dieses Motivs (z. B. KillerInsekten etc.). Frank Schätzings Science-Thriller Der Schwarm (2004) beschreibt u. a. die Invasion von Krebsen in New York und an der Atlantik-Küste, die tödliche Parasiten einschleppen. 38 Der Einfluss von Epidemien im Lauf der Geschichte wird meist weit unterschätzt. Die Pocken z. B. haben Jahrtausende hindurch Gesellschaften dezimiert (besonders die der Neuen Welt) und wurden z. T. sogar als biologische Waffe eingesetzt (1763 im Ausrottungskrieg gegen amerikanische Indianerstämme). Sie wurden endlich 1980 von der WHO als ausgerottet erklärt.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.7 Interpretationsansätze Hier sollen nur zwei aktuell kommentierte Beispiele angeführt werden: Im Der Arzt als Retter und Märtyrer Jahr 1932 wütete in Nordengland eine der letzten schlimmen Typhusepidemien. Für Monate wurde der Ort Malton in Yorkshire in Quarantäne gehalten und von der Umwelt abgeschnitten. George Parkin, ein junger Allgemeinmediziner, rettete durch unermüdlichen Einsatz zahlreiche Menschen. Er wurde ein Opfer der Epidemie.39 Im März 2003 informierte der italienische Arzt Carlo Urbani die WHO über seine Entdeckung einer gefährlichen neuen Infektionskrankheit, die man bald SARS nannte. Urbani fiel am 1. April 2003 in Ausübung seines Berufes dem Erreger zum Opfer. Camus verarbeitet in dem Roman die Die historische Interpretation Erfahrungen der Okkupationszeit: Überfall, Kollaboration, Widerstand, Solidarität, Einsamkeit, Tod. Als historisches Beispiel für den Überfall eines französischen Ortes wird in Frankreich sofort der „Märtyrer-Ort“ Oradoursur-Glane im Limousin genannt: Im Juni 1944 wurde Oradoursur-Glane von der deutschen Division „Das Reich“ umzingelt, zerstört und angezündet. Die Einwohner wurden ermordet, nur wenige konnten entkommen. Heute sind die Ruinen Erinnerungsstätte und Mahnmal. Als Beispiel für viele Menschen des Widerstandes, die in Berlin-Plötzensee seit 1933 durch Nazi-Urteile zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, erscheint in den Erinnerungen des damaligen Gefängnisgeistlichen, Dr. Poelchau, der ehemalige Reichstagsabgeordnete der KPD, Robert Stamm: „Stamm war trotz der mehr als zwei Jahre langen harten Haft ungebrochen, aber nicht starr und fanatisch. (...) Die Über39 Im Jahr 2003 enthüllte seine mittlerweile 71-jährige, damals noch ungeborene Tochter in dem Ort eine Gedenkplakette zu Ehren ihres Vaters. Andrew Norfolk, TIMES, 2472003. Vgl. auch Leben + Wirken des frz. Arztes + Lehrers Jean Dautet (18921944). 2. Textanalyse und -interpretation
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2.7 Interpretationsansätze zeugungstreue und die freundliche, menschliche Art von Stamm in der langen Zeit seiner Haft machte einen starken Eindruck auf die Mitgefangenen und die Beamten: Ich erinnere mich, dass seine Hinrichtung die älteren Beamten zum Nachdenken zwang. Sie äußerten zum ersten Mal mir gegenüber Kritik am Regime.“40 Die werkimmanente Interpretation: Daniel Defoe (1660–1731) ist am besten bekannt als Autor des Robinson Crusoe und anderer Romane. Er war ein berühmter und gefürchteter politischer Journalist und Pamphletist. Camus kannte sein Journal of the Pest Year und entnahm ihm das der Pest vorangestellte Zitat, wonach sich Fiktion und Wirklichkeit untrennbar durchdringen. Die Bedrohung durch die Pest und Die Gefangenschaft die Gefangenschaft entwickelt sich zum Drama der Gefühle und zur Zerreißprobe für die Gemeinschaft. Das Zitat
Zeichen der kommenden Katastrophe
Die Invasion der sterbenden Ratten löst Ekel und Abwehr aus, nicht sachliche Analyse und vernünftiges Handeln. Mit Ignoranz und Verdrängen wird auf die Zeichen der Seuche reagiert. Untätigkeit verschlimmert die Lage. Rieux zeigt und tut, was notwendig ist. Die dramatische Lage wird in wenigen Worten zusammengefasst: „Pestzustand erklären. Stadt schließen.“
40 Zipfel, Friedrich: Gedenkstätte Plötzensee, S. 15
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2. Textanalyse und -interpretation
2.7 Interpretationsansätze
Der Ort als Gefängnis
Die Menschen werden beherrscht von den Folgen der Ausgrenzung und inneren Bedrohung: Depression, Fluchtverhalten, Leugnen der Gefahr, Suchtverhalten. Die Handelnden und Verantwortlichen heben sich immer deutlicher von den Untätigen und Mitläufern ab.
Meditation über die Katastrophe
Die Ordnung der Pest etabliert sich: Das Gemeinwesen bricht zusammen; es versinkt in sozialem, materiellem, emotionalem Chaos. Die Gottesleere des Himmels und die Verlassenheit von der Außenwelt sind wie die Hölle für die Eingeschlossenen. Gefühl der Apokalypse.
Zusammenbruch, Gefühlsausbrüche
Auf der Bühne bricht der Schauspieler des Orpheus zusammen; Ramberts Entschlossenheit und Grands Geduld brechen zusammen. Das Sterben von Othons Sohn führt zu Gefühlsausbrüchen: Rieux bricht sein Schweigen und spricht von seinem Zorn auf Gott, den Tod, seine Gefühle. Paneloux öffnet sein Herz und zeigt Mitleid. Der Richter Othon ist nun vor allem trauernder Vater.
Tod und Überleben
Tarrous Todeskampf ist eine Passionsszene. Rieux identifiziert sich wie mit seinem eigenen Tod. Seine Mutter ist wie Maria am Kreuz. Die Stadt feiert und verdrängt das Geschehene; sie will ihr gewohntes
2. Textanalyse und -interpretation
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2.7 Interpretationsansätze
Leben wieder aufnehmen. Rieux ist das Gedächtnis und das Gewissen der Pestzeit. Als einsamer, unbestechlicher Zeuge wird er weiterleben und mit der Chronik den Kampf gegen das Böse bezeugen und fortsetzen.
Eine der tief greifendsten Folgen der Pest ist die Trennung. Es gibt zwei Arten von Trennungen Getrenntsein: Die durch Umstände erzwungene, notwendige Trennung und die willkürliche Trennung. Beide Formen sind nicht immer klar von einander zu unterscheiden. In jedem Fall bedeutet Trennung Verlust von Beziehungen und Glück. Der Tod ist die radikalste und endgültige Trennung. Die Stadtbewohner werden von der Außenwelt getrennt. Stadtviertel werden abgeriegelt. Familien werden durch Quarantäne auseinander gerissen. Die Menschen fliehen aus Panik vor ihren Nächsten, sie ziehen sich voneinander zurück, sie flüchten vor ihren eigenen Gedanken und Gefühlen ins Vergessen, Vergnügen oder die Versteinerung. Die Pest trennt die Menschen von ihrer Zukunft. Ein wichtiges Zeichen der Liebe und Menschlichkeit ist dagegen die Rückkehr der Frau Castel, die in der Stadt bei ihrem Mann sein will. Ebenso ist die Gegenwart von Rieuxs Mutter bei dem sterbenden Tarrou zu verstehen. Rieux betreut die Menschen und verDas Paradox von Zuwendung sucht sie durch seine Maßnahmen zu und Trennung retten und zu schützen. Die dafür notwendige Trennung der Menschen ist eine der schwersten Be-
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2. Textanalyse und -interpretation
2.7 Interpretationsansätze lastungen für ihn. Er muss ständig die Kranken aus ihren Familien herausholen, Angehörige zurückweisen und Anordnungen zu ihrer Trennung treffen. Er persönlich ist durch die Krankheit seiner Frau und die Pest doppelt von ihr getrennt. Er hat kein eigenes Leben mehr und spürt, wie er von seinem Innersten abgeschnitten wird. Er ist gezwungen, scheinbar unmenschliche Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen. Rieux ist also zugleich Ausführender und Leidtragender der Trennungen. Als Rieux die Bitte Ramberts um einen Passierschein für die Flucht aus der Stadt abweist, wird er von diesem der Sturheit und „Abstraktion“ angeklagt. Mit dem Wort „Abstraktion“ attackiert Rambert heftig und anhaltend die Durchsetzung der Notstandsverordnungen, als handele es sich um bürokratische Willkür und Unmenschlichkeit. Rambert stellt als selbstbewusster, redegewandter Journalist eine beträchtliche Herausforderung für Rieuxs Arbeit dar. Rieuxs verständnisvolle, ruhige Reaktion und weiterhin spürbare Sympathie für Ramberts Bestreben sind bemerkenswert und ungewöhnlich. Sie machen seinen Zwiespalt und die paradoxe Situation deutlich, in der er sich bewähren muss. Rieux ist das Gegenteil eines empfindungslosen Bürokraten. Seine Größe zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er Ramberts Wunsch nach Erfüllung seiner Liebe anerkennt und ihn ermutigt. Was er selbst nicht leben kann und doch als so wichtig ansieht, soll anderen möglich sein. Seine Defensivstrategie gegenüber der Seuche erlaubt ihm aber kein Abweichen von den notwendigen Regeln der Vernunft. Das Überleben möglichst vieler Menschen hat Priorität vor dem Glück des Einzelnen.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.7 Interpretationsansätze Die Todesqualen des Kindes und der Todeskampf Tarrous sind entsetzlich, lang und erschütternd. Beide wirken als tragische Höhe- und Wendepunkte im Roman. Beider Tod unterstreicht die Willkür der Pest und verletzt das natürliche Verlangen nach „Gerechtigkeit“. Die Ohnmacht der Ärzte wird als unerträglich empfunden. Dem Tod des Kindes folgt eine heftige Auseinandersetzung zwischen Rieux und Paneloux, die Panelouxs zweite Predigt nach sich zieht. Der Vater wird ebenfalls durch den Tod seines Sohnes verändert: Er wird mitmenschlich. Er stirbt kurz vor Ende der Pest. Der Bericht von Tarrous Todeskampf und seinem Ende hat den Charakter eines Heldenepos. Nach vielen Stunden des physischen und psychischen Ringens wird er von dem doppelten Ansturm des Übels schließlich hingestreckt. Der Erzähler lenkt die Gefühle des Lesers durch die bilderreiche Sprache und seine eigene Empathie. Damit löst er eine kathartische Wirkung aus: Mitleid und Furcht, aber auch Bewunderung und Trauer gehen von dem Erzähler auf den Leser über. Rieux erweist in seiner Chronik Tarrou die Ehre und bestätigt die Freundschaft, die sie nur kurze Zeit leben konnten. Die beiden Sterbeszenen sind wichtig Biografische Interpretation nicht nur wegen ihrer werkimmanenten Funktion, sondern auch als Ausdruck des biografischen Hintergrundes: Die Qualen des Kindes und die Sinnlosigkeit von Tarrous Tod so kurz vor dem Ende der Pest, die er an Überleben als Sieg, Sterben als Niederlage?41
41 Heinrich, Ute: Ärztliches Handeln in Camus Roman Die Pest, Marburg: 2002. Eine lesenswerte Darstellung des Romans, entwickelt u. a. die Theorie, dass Camus die Helden überleben lässt. Wer stirbt, ist demnach kein Held. Paneloux und Tarrou sind mithin keine Helden im Sinn Camus, da beide, wie Heinrich ausführt, im Gegensatz zu Grand und Rieux von einer Ideologie geleitet werden, aus der sie ihre Kraft beziehen. Ich halte diese Interpretation für abwegig und unvereinbar mit Camus Philosophie. Beide Personen handeln gegen die Pest vielmehr gerade in Abweichung von ihrem bisherigen Leben.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.7 Interpretationsansätze vorderster Front bekämpfen half, zeigen die Willkür der Seuche und wecken Empörung und Trauer. Camus’ Vater wurde durch den Krieg getötet, in den der arme Landarbeiter von den Vorgesetzten willkürlich geschickt wurde. Camus erkrankte in der Jugend lebensgefährlich an der Tuberkulose, einer Krankheit vor allem der Armen und Unterernährten, und lebte zeitlebens in dem Bewusstsein der ständigen Bedrohung. Für ihn war die physische Existenz, vor allem am Mittelmeer, das größte Glück. Dagegen quälte ihn die Krankheit, schnitt ihm die Luft ab und erinnerte ihn an den Tod. Er kannte die Ohnmacht und das Ersticken, das er in den Sterbeszenen beschreibt. Im Roman stirbt Rieuxs Frau fern und einsam an der Tuberkulose. Rieuxs Mutter harrt schweigend an Tarrous Kranken- und Totenbett aus, so wie Camus seine eigene Mutter erlebt hatte. Es wird nachvollziehbar, dass Camus der Tod als Feind erschien, gegen den sich der Mensch auflehnen muss, indem er alles für die Rettung der Menschen tut. Seine philosophisch begründete und menschlich immer mutig und entschieden vertretene Ablehnung des von Menschen verfügten Todes wird in der Pest von Tarrou verkörpert. In Tarrous Leben und Tod personifiziert und dramatisiert Camus sein eigenes Lebensthema.42 Camus nennt seinen Roman ein PamDer Roman als Pamphlet phlet. Ein Pamphlet ist eine polemische Schrift mit scharfen Gegensätzen über ein Thema von allgemeiner Bedeutung. Das Pamphlet will öffentliche Wirkung und Veränderung erzielen. Der Titel benennt das Objekt der Kritik: Die Pest, die feindliche, ansteckende Macht, das scheinbar unbezwingbare Böse.
42 Zipfel, Friedrich: Gedenkstätte Plötzensee, S. 15 2. Textanalyse und -interpretation
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2.7 Interpretationsansätze Camus meint mit der Metapher der Pest das äußerste Übel jener Jahre: Die Invasion der NS-Ideologie und die Jahre des Unrechts. Er sagt aber auch, dass der Bazillus der menschenfressenden Diktatur nicht besiegt ist und immer erneut zur Seuche werden kann. Ein Jahr nach Erscheinen des Romans hat Camus mit dem Theaterstück Der Belagerungszustand die Pest in Spanien auftreten lassen und damit Spanien in der Franco-Diktatur gemeint. Lebenslang hat Camus seine Stimme gegen das Unrecht der Diktaturen in Ost und West erhoben. Der Roman ist ein Pamphlet gegen die Pest und für die Menschen. Er ist eine Kampfschrift gegen die Zerstörer, Verächter und Ausbeuter der Menschen und für die Freiheit und das Selbstbewusstsein eines jeden von uns. Wie Camus, so glaubt auch Rieux Ethische Interpretation nicht an eine absolute Moral.43 Er glaubt, dass die Religion die Menschen überfordert und unterdrückt. Seine „Religion“ oder Moral ist mitmenschlich. Sie erscheint als lebensnahe Formel ähnlich dem Kant‘schen Imperativ. Camus und Rieux glauben an Brüderlichkeit, an den geschwisterlichen Menschen: Liebe ist nicht Leidenschaft, sondern menschliche Pflicht und Aufgabe. Man soll immer geben, wenn man es kann. Man soll nicht hassen. Man soll nicht verurteilen. Das totalitäre Böse ist ansteckend und unausrottbar. Es kann von außen in eine Gesellschaft einbrechen. Dann ist gemeinsames Handeln erforderlich. Wer sich daran beteiligt, handelt vernünftig und menschlich verantwortungsvoll. Camus unterstreicht, dass jeder Mensch die Fähigkeiten zur Einsicht und zur selbstverantwortlichen Haltung hat. Hilfe sollte nicht von außen erwartet werden, nicht von 43 Seine Moral folgt mittleren Werten (des valeurs moyennes), die Kompromisse zwischen Menschen erleichtern. Die Helden folgen ohnehin ihrem eigenen Gesetz.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.7 Interpretationsansätze Gott. Das Universum reagiert nicht auf die Not der Menschen. Der Mensch muss für den Menschen da sein. Camus zeigt im Roman, dass mutige Menschen unter uns sind, die ein Beispiel setzen und andere überzeugen und ohne die eine Stadt oder die Menschheit insgesamt keine Zukunft hätte. Das zerstörerische Potential ist jedoch nicht auf die Gemeinschaft beschränkt. In jedem Menschen kann der Bazillus der Pest seine Wirkung entfalten. Jeden geht die Pest an. Es ist eine zentrale Überzeugung und Botschaft des Romans, dass es in den Menschen zum Glück viel mehr Energien und Kräfte zur Rettung gibt, als wir glauben.
2. Textanalyse und -interpretation
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3. Themen und Aufgaben
3.
Themen und Aufgaben
Die Kapitelverweise beziehen sich auf diese Erläuterung. Chapitre 1: Faites le portrait de la ville d’Oran d’après le narrateur et rassemblez des dates sur cette ville d’aujourd’hui. Les rats apparaissent: Décrivez ce qui se passe. Qu’est-ce que vous apprenez sur le travail et la situation du docteur Rieux ? Résumez le dialogue entre Rambert et Rieux. Faites le portrait de la mère de Rieux. Relevez les symptômes de la maladie du vieux Michel et le traitement de Rieux. Que s’est-il passé entre Grand et Cottard ? Décrivez la situation qui se présente à Rieux. Résumez une des scènes que Tarrou note dans son journal. La description de Rieux par Tarrou : Relevez des détails et faites un commentaire. Montrez le rôle du docteur Castel dans la discussion sur la maladie. Caractérisez le comportement de Cottard. Analysez les émotions du docteur Rieux après le mot fatal : la peste. (45 ff.)
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2.2
2.2 2.2 2.2 / 2.7 2.2 2.4 2.2 / 2.4 2.2 2.4 2.2
2.4 2.4 2.2 / 2.4
3. Themen und Aufgaben
3. Themen und Aufgaben
Résumez les différentes positions dans la réunion du comité sanitaire. Illustrez la croissance de l’épidémie dans sa première phase graphiquement. Chapitre II: Faites une liste des conséquences de la fermeture des portes. Joseph Grand raconte son mariage : Ecrivez un texte à la première personne. Raymond Rambert raconte sa décision de quitter la ville. Ecrivez un texte à la première personne. Après la visite de Rambert, Rieux exprime ses pensées et sentiments : Ecrivez un texte à la première personne. Expliquez ce qu’on peut entendre par « abstraction ». Expliquez le raisonnement dans le prêche de Paneloux. Racontez la rencontre avec Grand dans la rue. (116 ff.) Que fait Rambert pour réussir à quitter la ville ? (121 ff.) Rambert dans la gare : Décrivez la situation. Que se passe-t-il aux portes de la ville ? Tarrou donne d’autres informations de la famille Othon. Ramassez-les. Tarrou note des détails sur le vieil asthmatique. Qu’est-ce que nous apprenons ? 3. Themen und Aufgaben
2.2 2.3
2.2 2.4 2.2 / 2.4
2.2 / 2.4
2.7 2.4 2.4 2.2 2.2 2.4 2.4 2.4
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3. Themen und Aufgaben
Racontez la première rencontre de Tarrou avec Madame Rieux. Décrivez la stratégie de Tarrou pour établir le service sanitaire. Résumez la discussion avec les positions des trois hommes, Rambert, Rieux, Tarrou à la fin du deuxième chapitre. Chapitre III: Composez une liste des changements extérieurs et intérieurs au mois d’août. Quelles sont les formalités des enterrements ? En quelle situation sont les monastères et les prisons ? Quelles sont les conséquences les plus trerribles de la peste, selon le narrateur ? Quel est « l’ordre de la peste » ? Faites une liste des métaphores importantes dans ce chapitre. Montrez l’importance et la signification du climat. Chapitre IV: La fatigue règne : Montrez l’effet de la fatigue chez les hommes. Racontez le comportement de Cottard et sa relation avec Tarrou. Décrivez ce que Cottard et Tarrou observent sur scène et dans l’opéra. Interprétez le symbolisme de la situation.
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2.2 2.2 2.4
2.2 2.2 2.2 2.2 / 2.5 2.7 2.6 2.7
2.2 2.4 2.2 / 2.6 2.6
3. Themen und Aufgaben
3. Themen und Aufgaben
Que fait Rambert pour pouvoir quitter la ville ? Décrivez la vieille Espagnole. Expliquez la décision de Rambert de rester. Caractérisez la famille Othon. Résumez la lutte pour la vie de Philippe Othon. Caractérisez la réaction des parents et de Rieux et Paneloux. Faites une liste des arguments dans le nouveau prêche de Paneloux et des réactions. La mort de Paneloux : Résumez et interprétez la fin de sa vie. Caractérisez la soirée amicale de Tarrou et Rieux. Parlez de la fin de l’année. Chapitre V: La peste s’affaiblit: Comment réagit-on ? Montrez les étapes de la fin de Tarrou, une tragédie. Discutez le rôle de Madame Rieux dans cette situation. Quel est le comportement de Cottard jusqu’à la fin ? La mort de la femme de Rieux : Comment supporte-t-il la douleur ? Comment se déroule l’ouverture des portes de la ville ?
3. Themen und Aufgaben
2.2
2.4 2.7 2.2 2.5 / 2.7 2.4
2.4 2.2 2.2
2.5 / 2.7 2.4 / 2.7 2.4 2.2 2.4 2.2
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3. Themen und Aufgaben
Comment se comportent les gens ? Accompagnez Rieux en traversant la ville: Que voit-il ? Ecrivez et interprétez son épilogue.
90
2.5 2.2 2.4 / 2.7
3. Themen und Aufgaben
4. Rezeptionsgeschichte
4.
Rezeptionsgeschichte
Der Roman Die Pest ist seit seinem Überblick Erscheinen immer mehr zu einem Klassiker der Moderne geworden. Er gehört heute zur Weltliteratur des 20. Jahrhunderts. In Deutschland sind die Romane und Theaterstücke von Camus seit der Nachkriegszeit von hervorragender Bedeutung für den deutschfranzösischen Dialog geworden. Camus ist seit Jahrzehnten neben Saint-Exupéry etabliert als meistgelesener moderner Autor im Französischunterricht der oberen Klassen. Bestärkt durch die späte Veröffentlichung des Romanfragments Der erste Mensch ist Camus’ Werk in den neunziger Jahren erneut in den Blickpunkt gekommen. Mit den „neuen Philosophen“ hat es eine Renaissance besonders der politischen Essays gegeben. Als Reaktion auf den Roman sollen exemplarisch Stimmen der verschiedenen Generationen zitiert werden: Jean Paul Sartre (1905–1980), zeitweise Weggefährte, dann Rivale und distanzierter Bewunderer des jüngeren Camus, spricht 1945 in einer Rede in New York von den jungen Schriftstellern, die unter sehr gefährlichen Umständen heimlich zahlreiche Artikel publizieren, die das Schreiben als Tat verstehen und die Überzeugung der Aktion haben. „In dem düsteren und reinen Werk von Camus zeigen sich die entscheidenden Zeichen der französischen Literatur der Zukunft. Es enthält das Versprechen einer klassischen Literatur, die illusionslos ist und doch voll Vertrauen in die Größe des Menschen.“44 44 Zitiert nach Lévy, Bernard-Henry, S. 408 f. 4. Rezeptionsgeschichte
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4. Rezeptionsgeschichte Hermann Peter Piwitt, Jahrgang 1935, gehörte zu der Generation, deren Prägung der Krieg war: „‚Die Pest‘ war das Buch, das uns tief beeindruckte; also Faschismus und Krieg wieder mal nur als Allegorie (...) Wie alles kaputtgeht, das Leben für den Hund ist, und ein paar Männer halten durch in aussichtsloser Situation – das war das Lebensgefühl.“45 Stimmen aus den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts betonen die Mehrschichtigkeit der Handlungen und die Bedeutung für die menschliche Existenz: „Der Roman hat eine bemerkenswerte Dichte mit einer Handlung auf mehreren Ebenen. Zunächst ist es die von einem Arzt erzählte Chronik einer Epidemie: Die Symptome, der hartnäckige Kampf trotz der Niederlagen, die Hoffnung auf ein neues Serum, die Menschen im Todeskampf, die Beerdigungen und Leichenverbrennungen. Der Roman ist auch der Bericht eines Psychologen und Moralisten, der die individuellen Reaktionen (Egoismus, Misstrauen, Trennungsschmerz) und die kollektiven Verhaltensweisen (Flucht in Glauben oder Lust, Anpassung an das Eingesperrtsein, Versuche, die Stadt zu verlassen) analysiert. Nach und nach lernen alle ihre Lektion, im Unglück solidarisch zu sein.“46 „Unter dem realen Erzählgegenstand, nämlich wie die Pest im Jahre 194... über Oran hereinbricht und zum Kollektivschicksal der bald ganz von der Außenwelt abgeschnittenen Stadt wird, lassen sich weitere und tiefere Schichten der Erzählbedeutung feststellen. Wenn sich aus den sprachlich durchgehenden Bezü45 Piwitt, Hermann Peter: Lange auf der Wut gekaut. Kindheit und Jugend des fünfzigjährigen Autors. Frankfurter Rundschau, 2. 2. 1985 46 Nadeau, Maurice: Le roman français depuis la guerre, Paris: idées, NRF Gallimard, 1963, S. 101 ff. Übersetzung der Verfasserin.
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4. Rezeptionsgeschichte gen zwischen Pest und Krieg sogleich die zeithistorische Anspielung auf die von Frankreich 1940–44 erduldete Besatzungszeit ergibt, so kommt es dabei doch vor allem auf ihren ideellen Gehalt an, auf die grundsätzliche Kritik an den totalitären Systemen und an der Gewalt als ihrer eigentlichen Geistesform. Besonders durch Tarrous Lebensbericht wird so ‚Die Pest‘ über alle lokale und historische Bedingtheit hinaus zum Gewissensaufruf an jeden Einzelnen, sich vor den in seinem wie im Herzen aller Menschen schlummernden Keimen der Gewalt zu hüten. Wenn sich die Pestsymbolik mit solchem Ernst im innermenschlichen Bereich erfüllt, so ist ihr voller Sinn damit noch keineswegs erschöpft. Im Letzten geht es dabei vielmehr um die metaphysische Bedrohung des menschlichen Bereichs im Ganzen, um seine summarische und unausweichliche Bedrohung durch die Gewalt des Todes, die ja in der Pest ihren sinnfälligsten Ausdruck findet. Alle Siege über die Pest sind so nur ‚provisorisch‘ (...) aber das ist – im Sinne von Camus’ Revolte gegen das metaphysische Unrecht – kein Grund, den Kampf aufzugeben.“47 In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde Camus’ Bedeutung als eher historisch gewürdigt: „Mit seinem Werk wurde Camus zum Sprecher seiner Generation und der Mentor der folgenden Generation weit über Frankreich hinaus. Sein Schreiben handelte vor allem von der Verlassenheit des Menschen in einer fremden Welt, von seiner Selbstentfremdung, dem unausweichlichen Tod und dem Problem des Bösen. Camus engagierte sich für Wahrheit, Maß und Gerechtigkeit.“48 47 Noyer-Weidner, Alfred, in: Wilpert, Gero von (Hrsg.): Lexikon der Weltliteratur II, Stuttgart: Kröner Verlag, 1968, S. 814 48 Encyclopedia Britannica, 1986, S. 782 f. 4. Rezeptionsgeschichte
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4. Rezeptionsgeschichte Auszug aus einer Würdigung der neunziger Jahre: „Camus zeigt die erstickende Atmosphäre, die Menschen angesichts einer tödlichen Bedrohung befällt und die nur durch die alltägliche und über das individuelle Schicksal hinausgehende Pflichterfüllung überwunden werden kann.“49 In den Lesermeinungen wird deutlich, dass die Darstellung der Menschen in der Katastrophe und besonders des Arztes, der sich selbst volkommen zurücknimmt, einen tiefen Eindruck macht. Häufig wird der Roman mit Saramagos Die Stadt der Blinden verglichen.50 Meinungen von 2003: Junge Leser entdecken Die Pest und schreiben darüber in Internet-Foren: Eine Schreiberin sagt, dass sie das Thema im Buch recht distanziert behandelt finde, dass wenig persönliche Dinge über den Hintergrund der Personen, die nur mit dem Nachnamen erscheinen, gesagt würden. Sie finde nicht „ihren“ Helden in dem Roman. Die Beziehung zwischen Rieux und seiner Frau werde zu wenig erläutert, obwohl die monatelange Trennung doch sehr schwer gewesen sein müsse. So entstehe der Eindruck, dass Rieux eine Person ohne Emotionen sei. Ein Junge schreibt, dass er es interessant finde, dass die Kirche plötzlich an Macht gewinnt, weil die Menschen in der Kirche einen Halt gegen die Pest suchen.51 „Am stärksten ist das Bild, das der kleine Beamte Grand bei mir hinterlassen hat; egal, was auch passiert, er bleibt an seinem Platz, versieht seinen Dienst – und entdeckt erst spät die Werte der Freundschaft“.52 49 50 51 52
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Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Dortmund 1994, S. 2272 Darko Spoljar 20. 12. 1999 in www.buchkritik.at. Die Website zum Thema Bücher. Stand: Mai 2004. www.biblioforum.de/forum/list, Stand: Mai 2004. Daniela Ecker in: www.die-leselust.de/buch/camus, Stand: Mai 2004. 4. Rezeptionsgeschichte
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Direktzitate aus Albert Camus’ anderen Werken: « Noces » : « Je comprends ici ce qu’on appelle gloire : le droit d’aimer sans mesure. Il n’y a pas de honte à etre heureux. Il me suffit de vivre de tout mon corps et de témoigner de tout mon coeur. »53 « Le Vent à Djémila » : « C’est dans la mesure où je me sépare du monde que j’ai peur de la mort, dans la mesure où je m’attache au sort des hommes qui vivent, au lieu de contempler le ciel qui dure. Créer des morts conscientes, c’est diminuer la distance qui nous sépare du monde, et entrer sans joie dans l’accomplissement, conscient des images exaltantes d’un monde à jamais perdu. »54 « Le Mythe de Sisyphe – Essai sur l’absurde » : « C’est pendant ce retour, cette pause, que Sisyphe m’intéresse. Un visage qui peine près des pierres est déjà pierre lui-même ! Je vois cet homme redescendre d’un pas lourd mais égal vers le tourment dont il ne connaîtra pas la fin. Cette heure qui est comme une respiration et qui revient aussi sûrement que son malheur, cette heure est celle da la conscience. A chacun de ces instants, où il quitte les sommets ... il est supérieur à son destin ... Si ce mythe est tragique, c’est que son héros est conscient ... La clairvoyance qui devait faire son tourment consomme du même coup sa victoire. Il n’est pas de destin qui ne se surmonte par le mépris. »55 53 Camus, Albert: Noces, S. 13 ff. 54 Ders.: Le Vent à Djémila, S. 41 f., dans: Noces, ebd. 55 Ders.: Le Mythe de Sisyphe, S. 163 f. 5. Materialien
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5. Materialien « L’Étranger » : « Pour la première fois depuis bien longtemps, j’ai pensé à maman. Il m’a semblé que je comprenais pourquoi à la fin d’une vie elle avait pris un « fiancé », pourquoi elle avait joué à recommencer. Là-bas, là-bas aussi, autour de cet asile où des vies s’éteignaient, le soir était comme une trêve mélancolique. Si près de la mort, maman devait s’y sentir libérée et prête à tout revivre. Personne, personne n’avait le droit de pleurer sur elle. Et moi aussi, je me suis senti prêt à tout revivre. Comme si cette grande colère m’avait purgé du mal, vidé d’espoir, devant cette nuit chargée de signes et d’étoiles, je m’ouvrais pour la première fois à la tendre indifférence du monde. »56 Über Albert Camus und sein Werk: « Camus explique, dans les Lettres à un ami allemand, comment l’expérience de la Résistance l’a convaincu des dangers redoutables du nihilisme ... Camus oppose son exigence de justice et son refus du désespoir. Une fois admise ‹ l’injustice éternelle › du monde, du destin et des dieux, il reste à l’homme à donner un sens à ce monde qui n’en possède aucun, à créer un peu de justice face à ce destin qui l’ignore. Les héros de Camus cessent dès lors d’être des étrangers pour entrer, homme parmi les hommes, dans la communauté. »57 « Camus, avec La Peste, entreprend un roman situé aux antipodes de L’Étranger, la première tentative de mise en forme d’une passion collective. En décrivant une épidémie de peste à Oran, il recherche un mythe qui puisse rendre compte aussi bien de la lutte contre le nazisme que de toutes les luttes à venir contre les fléaux et les oppressions. 56 Ders.: LÉtranger, S. 171 57 Bersani, Jacques; Autrand, Michel; Lecarme, Jacques; Vercier, Bruno : La Littérature en France depuis 1945, Paris: Bordas, 1970, Nachdruck Stuttgart: Ernst Klett Verlag, S. 40
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5. Materialien Sans doute l’allure du roman est-elle classique et réaliste à première vue : le déferlement des rats, la naissance sournoise de l’épidémie, l’isolement de la ville, la manière dont les habitants s’installent dans la familiarité de la mort sont minutieusement décrits. Mais à tout moment, prenant une dimension allégorique ou symbolique, l’oeuvre nous suggère que cette peste physique, avec ses microbes et ses hécatombes, figure une peste morale, avec ses instincts de mort, ses violences et ses génocides. Le ton est celui d’une chronique mesurée : à la fin seulement nous comprenons que le chroniqueur était le docteur Rieux, bien qu’il ait dans tout le récit parlé de lui à la troisième personne, d’où un curieux effet d’impersonnalité et de distanciation. »58 « La Peste n’est qu’une allégorie, mais c’est l’allégorie même de notre temps, et nos contemporains s’y sont aussitôt reconnus. C’est l’occupation allemande et l’univers concentrationnaire, c’est la bombe atomique et les perspectives d’une troisième guerre mondiale, c’est aussi l’âge inhumain, celui de L’État-Dieu, de la machine souveraine, de l‘administration irresponsable. Alors, l’anonymat de La Peste prend tout son sens : les personnages sont ceux que nous rencontrons tous les jours autour de nous, la foule anonyme des condamnés à mort. »59 Widerstandsgedichte: Robert Desnos : « La Peste » Dans la rue un pas retentit. La cloche n’a qu’un seul battant. Où va-t-il le promener qui se rapproche lentement et s’arrête par instant. Le voici devant la maison. J’entends son souffle derrière la porte. 58 Ebd. 59 Boisdeffre, Pierre de, S. 340 5. Materialien
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5. Materialien Je vois le ciel à travers la vitre. Je vois le ciel où les astres roulent sur l’arête des toits. C’est la Grande Ourse ou Béthelgeuse. C’est Vénus au ventre blanc, c’est Diane qui dégrafe sa tunique près d’une fontaine de lumière. Jamais lunes ni soleils ne roulèrent si loin de la terre, jamais l’air de nuit ne fut si opposé et si lourd. Je pèse sur la porte qui résiste ... Elle s’ouvre enfin, son battant claque contre le mur. Et tandis que le pas s’éloigne je déchiffre sur une affiche jaune les lettres noires du mot « Peste ».60
Paul Eluard : « Gabriel Péri » Un homme est mort qui n’avait pour défense Que ses bras ouverts à la vie Un homme est mort qui n’avait d’autre route Que celle où l’on hait des fusils Un homme est mort qui continue la lutte Contre la mort contre l’oubli Car tout ce qu’il voulait Nous le voulions aussi Nous le voulons aujourd’hui Que le bonheur soit la lumière Au fond des yeux au fond du coeur Et la justice sur la terre
60 Desnos, Robert (19001945): surréaliste important, poète humaniste, actif dans la Résistance, déporté par les Allemands, mort bientôt après la libération des camps.
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5. Materialien Il y a des morts qui font vivre Et ce sont des mots innocents Le mot chaleur le mot confiance Amour justice et le mot liberté Le mot enfant et le mot gentillesse Et certains noms de fleurs et certains noms de fruits Le mot courage et le mot découvrir Et le mot frère et le mot camarade Et certains noms de pays et de villages Et certains noms de femmes et d’amis Ajoutons-y Péri Péri est mort pour ce qui nous fait vivre Tutoyons-le sa poitrine est trouée Mais grâce à lui nous nous connaissons mieux Tutoyons-nous son espoir est vivant.61
61 Péri, Gabriel: communiste français, actif dans la Résistance, fut arreté en mai 1941 et fusillée par les Allemands le 15 décembre 1941. Paul Eluard publia ce poème dans LHumanité en décembre 1944. 5. Materialien
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Literatur
Literatur 1) Ausgaben Camus, Albert: Die Pest. Übersetzung von Uli Aumüller. Reinbek: rororo TB, 2003 (Nach dieser Ausgabe wird zitiert.) Camus, Albert: Die Pest. Übersetzung von Guido G. Meister. Reinbek: rororo TB, 1950 Camus, Albert: La Peste. Paris: Gallimard,1972 Camus, Albert: Le Mythe de Sisyphe – Essai sur l’absurde. Paris: Gallimard, 1942 Camus, Albert: L’Étranger. Paris: Gallimard, 1942 Camus, Albert: Noces. Paris: Gallimard, 1950 Camus, Albert: L’Exil et le Royaume. Paris: Gallimard, 1957 Camus, Albert: L’Envers et l’Endroit. Paris: Gallimard, 1958 Camus, Albert: Actuelles (1944–1948). Paris: Gallimard, 1959 Camus, Albert: Actuelles II (Chroniques 1948–1953). Paris: Gallimard, 1953 Camus, Albert: Carnets (1935–1942). Paris: Gallimard, 1962 Camus, Albert: Chroniques Algériennes (1939–1958). Paris: Gallimard, 1958 Camus, Albert: L’État de Siège. Frankfurt: Hirschgraben Verlag, 1970 Camus, Albert: Minotaurus: Erinnerung und Bekenntnis. Zürich: Arche, 1957 Camus, Albert: Der Mensch in der Revolte. Reinbek: rororo TB Verlag, 1970 Camus, Albert: Der erste Mensch. Reinbek: rororo TB 1997 Camus, Albert: Der Wind in Djemila, Albert Camus’ literarische Essays. Reinbek: rororo, 1959
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Literatur
Literatur 2) Lernhilfen Anglard, Véronique: Albert Camus: La Peste. Reihe: Klett Lektürehilfen. Stuttgart: Ernst Verlag Klett, 1995 (Französischsprachige, gut nachvollziehbare Interpretation des Romans.) Bahners, Klaus: Albert Camus: Die Pest. Hollfeld: Bange Verlag, 1996 Wieacker-Wolff, Marie: Albert Camus. Reihe: DTV Portrait. München: DTV, 2003 (Eine schön gestaltete, sachkundige, reichhaltige Darstellung.) 3) Sekundärliteratur Amouroux, Henri: La grande histoire des Français sous l’occupation. Paris: Laffont, 1983 Baltes, A.: Albert Camus: La Peste. Die neueren Sprachen (H. 9), 1958. S. 435–440 Bersani, Jacques; Autrand, Michel; Lecarme, Jacques; Vercier, Bruno: La Littérature en France depuis 1945. Paris: Bordas, 1970. Nachdruck: Stuttgart: Ernst Klett Verlag (Erläuterungen mit Auszügen aus den Werken.) Boisdeffre, Pierre de: Métamorphose de la littérature. Verviers: Marabout universitaire, 1974 Brauneck, Manfred: Weltliteratur im 20. Jahrhundert. Reinbek: Rowohlt TB, 1981 Encyclopedia Britannica, A new Survey of Universal Knowledge. Chicago u. a.: Encyclopedia Britannica, 1986 Fricke, Dietmar: Die Literatur der Résistance und Kollaboration im Französisch-Unterricht. DNS, Bd. 82, 1983. S. 425–458 Harenbergs Lexikon der Weltliteratur. Dortmund: Harenberg Lexikon-Verlag, 1994
Literatur
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Literatur Heimonet, Jean-Michel: De la Révolte à l’Exercice – Essai sur l’hédonisme contemporain. Paris: Félin, 1991. Heinrich, Ute: Ärztliches Handeln in Camus’ Roman „Die Pest“. Marburg: Dissertation, 2002 Lebesque, Morvan: Albert Camus in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek: Rowohlt TB, 1960 Lévy, Bernard-Henri: Le siècle de Sartre. Paris: Grasset, 2000 (Beeindruckendes Kompendium über Sartre mit einem interessanten Kapitel über den „Fall Camus“, den Abbruch ihrer Beziehungen.) Lottmann, Herbert R.: Camus: Eine Biografie. Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag, 1985 Nadeau, Maurice: Le roman français depuis la guerre. Paris: idées NRF Gallimard, 1963 Pieper, Annemarie: Die Pflicht zu lieben. Camus’ moralische Grundnorm. In: Schlette, H.: Mein Reich ist in dieser Welt. Das Menschenbild Albert Camus’. Stuttgart: Kohlhammer, 2000. S 23 ff. Pollmann, Leo: Albert Camus und das literarische Problem des Schweigens. Die neueren Sprachen, (H. 11)1961. S. 524–533 Rehbein, Jürgen: Albert Camus. Reinbek: Rowohlt TB,1978 Rehbein, Jürgen: Albert Camus: Vermittlung und Rezeption in Frankreich. Heidelberg: C. Winter Verlag, Universitätsverlag, 1978 Rothmund, Alfred: Albert Camus: Les Muets. DNS (H.1 1), 1959 Sändig, Brigitte: Albert Camus. Leipzig: Reclam 31992 (Eine hervorragende Kennerin des Werkes, gut erklärt.) Sändig, Brigitte: Albert Camus. Rowohlts Monographien Nr. 544. Reinbek: Rowohlt, 1995 Simons, Thomas: Albert Camus’ Stellung zum christlichen Glauben. Königstein/Taunus: Hanstein Verlag, 1979 Schlette, Heinz Robert; Herzog, Markwart (Hrsg.): Mein Reich ist in dieser Welt. Das Menschenbild Albert Camus’. Stuttgart: Kohlhammer, 2000 (Lesenswerte Sammlung von Aufsätzen mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu Camus.)
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Literatur
Literatur Todd, Olivier: Albert Camus. Une vie. Paris: Gallimard, 1996 (Ausführliche, lebendig geschriebene Biografie.) Wernicke, Horst: Albert Camus: Aufklärer, Skeptiker, Sozialist. Hildesheim: G. Olms Verlag, 1984 Wernicke, Horst (Hrsg.): Camus Lesebuch: Unter dem Zeichen der Freiheit. Reinbek: rororo TB,1993 Wilpert, Gero von (Hrsg.): Lexikon der Weltliteratur, Bd. II. Stuttgart: Kröner Verlag, 1968 Zeltner-Neukomm, Gerda: Das Wagnis des französischen Gegenwartsromans. Reinbek: Rowohlt TB, 1960 Zimmermann, H. (Hrsg.): Occupation allemande et Résistance intellectuelle. Pierre Seghers se souvient. Berlin: CornelsenVelhagen & Klasing, 1982 Zipfel, Friedrich: Gedenkstätte Plötzensee. Hrsg.: Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin. Berlin: Kolloquium Verlag Otto H. Hess, 1989 4) Zeitungsartikel Evans, Michael: ”British team develops ‘Black Death‘ vaccine“, THE TIMES, 19. 02. 2004 Stuttaford, Thomas: “Why we should dread the rat“. THE TIMES Mg, 21. 08. 2003 Norfolk, Andrew: “Typhoid martyr GP honoured 71 years on“. THE TIMES, 24. 07. 2003 Piwitt, Hermann Peter: „Lange auf der Wut gekaut. Kindheit und Jugend des fünfzigjährigen Autors“. Frankfurter Rundschau, 02. 02. 1985 Hawkes, Nigel: “Fatal Speed of Cold that kills“, THE TIMES, 21. 04. 2003. Hawkes, Nigel: “Plague still has nasty surprises for USA“, THE TIMES, 19. 02. 2004 Literatur
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Literatur Henderson, Mark: „Smallpox: The lethal choice we must face“. THE TIMES Mg, 04. 12. 2002 5) Materialien aus dem Internet http://webcamus.free.fr/ (Le Web Camus) www.bautz.de/bbkl/c/camus_a.shtml (Ausführliche Bibliographie) Weitere Internetadressen: Meinungen und Gedanken über den Roman in: www.biblioforum.de/forum/list. www.lesekost.de www.medical-thriller.de/albert-camus.html www.buch-des-ges.de/cs/camus.htm www.litlinks.it/cx/camus.htm Bericht eines Leistungskurses Französisch über den Roman in: www.zum.de/Faecher/F/NS/camusind.htm Die Pest ist Buch des Tages: www.buch-des-tages.de/Archiv/2002 Die Pest als Hörbuch bei Patmos 01/2003 3 CDs gelesen von Ullrich Mathes. Nominiert für den deutschen Hörbuchpreis 2004 Forschung zu Albert Camus: La Société des Études Camusiennes: 10, avenue Jean Jaurès, 92130 Montrouge, Frankreich Copyright für Camus’ Werk: Jean & Catherine Camus c/o Éditions Gallimard 5, rue Sébastien Bottin, 75007 Paris, Frankreich
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