Königs Erläuterungen und Materialien Band 5
Erläuterungen zu
Friedrich Schiller
Maria Stuart von Wolfgang Pfister
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Königs Erläuterungen und Materialien Band 5
Erläuterungen zu
Friedrich Schiller
Maria Stuart von Wolfgang Pfister
Über den Autor dieser Erläuterung: Wolfgang Pfister: Abitur 1959 in Bamberg, anschließend Studium der Fächer Deutsch und Geographie in Erlangen und Würzburg. 1964 bzw. 1966 Erstes und Zweites Staatsexamen für das Lehramt an Realschulen. 1974 Erwerb des Pädagogischen Diploms an der Universität Bamberg und Ernennung zum Zweiten Realschulkonrektor, 1986 zum Realschulrektor als Leiter der Graf-Stauffenberg-Realschule Bamberg.
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt oder gespeichert und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen.
6. Auflage 2009 ISBN 978-3-8044-1748-9 © 2002 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Vanessa Redgrave als Maria Stuart. Szenenfoto aus Maria Stuart, Königin von Schottland, GB 1971. Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk
2
Inhalt Vorwort ................................................................
5
Friedrich Schiller: Leben und Werk .................. Biografie ................................................................ Zeitgeschichtlicher Hintergrund ............................. Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken ........................................
8 8 11
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Textanalyse und -interpretation ........................ Entstehung und Quellen ........................................ Inhaltsangabe ........................................................ Aufbau .................................................................. Personenkonstellation und Charakteristiken .......... Sachliche und sprachliche Erläuterungen ............... Stil und Sprache ..................................................... Interpretationsansätze ...........................................
27 27 29 70 76 87 92 95
3.
Themen und Aufgaben .......................................
98
4.
Rezeptionsgeschichte .......................................... 104
5.
Materialien .......................................................... 107
1. 1.1 1.2 1.3
22
Literatur .............................................................. 110
3
4
Vorwort
Vorwort Wer die Geschichte Englands unter dem Thema „Konflikte um Macht und Herrschaft“ betrachtet, stößt auf eine kaum zu überschauende Anzahl von Dramen und Romanen, die sich dieses Stoffes bemächtigt haben. Zwar ist die Verstrickung in Konflikte und deren Lösung etwas Menschliches, werden sie jedoch auf existenzielle oder staatstragende Verhältnisse übertragen, so gewinnen sie sehr schnell allgemeine Bedeutung. Nicht ohne Grund erfreuen sich die Königsdramen Shakespeares unveränderter Wertschätzung, jedoch nicht so sehr wegen ihres Informationsgehaltes, sondern wegen ihrer Kristallisationspunkte, die den Blick vom Erhabenen auf alltägliche Lebensbedingungen lenken und somit als – nicht immer positive – Beispiele für Konfliktlösungen gelten können. Da jede bewusst vollzogene Tat des Menschen unter Abwägung unterschiedlicher Möglichkeiten geschieht und somit auch unterschiedliche Ergebnisse bewirkt, enthält auch jede Tat ein dramatisches Element, sofern der Begriff „Drama“ mit „Handlung“ im Sinne der klassischen Bedeutung verwendet wird. Der klaren Trennung von Recht und Unrecht und somit auch der Aufteilung der handelnden Personen in gute und schlechte verdankt das Drama bis in die Gegenwart seinen Platz auf der Bühne. Dabei kommt es darauf an, das Gute oder Schlechte in die angemessene Bühnenform so zu gießen, dass der Zuschauer Anteilnahme oder Betroffenheit entwickeln kann. In der deutschen Klassik hat sich das Drama als Abbildung gültiger oder verwerflicher Haltungen herausgebildet, die von Charakterzeichnungen gegensätzlicher Naturen gezeichnet werden.1 Nachdem sich Friedrich Schiller zwischen 1791 und 1
vgl. Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart, 1. Aufl., 1955 ff., S. 114, Stichwort „Ideendrama“
Vorwort
5
Vorwort 1793 dem Studium der Schriften Kants gewidmet hat, lassen sich als Ergebnis dieses Studiums seine Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen unter dem Einfluss Kants sehen. Im zwölften seiner genannten Briefe findet sich gleich zu Beginn eine für das klassische Drama und besonders für die Thematik der Maria Stuart bezeichnende Aussage: „Zur Erfüllung dieser doppelten Aufgabe, das Notwendige in uns zur Wirklichkeit zu bringen und das Wirkliche außer uns dem Gesetz der Notwendigkeit zu unterwerfen, werden wir durch zwei entgegengesetzte Kräfte gedrungen, die man, weil sie uns antreiben, ihr Objekt zu verwirklichen, ganz schicklich Triebe nennt. Der erste dieser Triebe, den ich den sinnlichen nennen will, geht aus von dem physischen Dasein des Menschen. ... Der zweite jener Triebe, den man den Formtrieb nennen kann, geht aus von dem absoluten Dasein des Menschen oder von seiner vernünftigen Natur und ist bestrebt, ihn in Freiheit zu setzen. ...“2 Damit ist die Thematik von Schillers Trauerspiel Maria Stuart angesprochen und die Gegensätzlichkeit der Geschwister-Gestalten Elisabeth und Maria. Beide münden in eine IdeenEinheit im Sinne Schillers. „Wir sind nicht mehr Individuen, sondern Gattung; ...“3 Die geringe Zeitspanne von drei Tagen, die Schiller in seinem Trauerspiel gestaltet, wirkt wie ein Brennpunkt und ist zugleich Ausgang konträrer Sichten der Positionen der unterschiedlichen Königinnen und ihrer Ansprüche. Dass Schiller dabei die historische Wirklichkeit in freier Weise gestaltet, lässt sich aus seinem Anliegen erklären: Entsprechend der in der Klassik gängigen Gedankenlyrik werden Schuld und 2 3
6
Die deutsche Literatur in Text und Darstellung, Band 7, Klassik, hrsg. v. Gabriele Wirsich-Irwin, Stuttgart (RUB Nr. 9625), S. 64 f. ebd., S. 67 Vorwort
Vorwort Schicksal gegeneinander aufgewogen, was schließlich zur Frage nach der Menschlichkeit führt. Dabei erhalten die Bedeutung des Gewissens, aber auch die Notwendigkeit staatserhaltender Macht in gleicher Weise Gewicht. Für Analyse und Interpretation dient die leicht zugängliche Reclam-Ausgabe (RUB 64), wobei die jeweiligen Zitate durch die dort angebrachten Randziffern gekennzeichnet werden.
Vorwort
7
1.1 Biografie
1.
Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.1 Biografie Jahr
Ort
1759
Marbach/ Neckar
Ereignis
Alter
Geburt am 10. Nov. als Sohn eines Militärarztes; ursprünglicher Name Johann Christoph, ab 1802 Friedrich; Sohn des Johann Caspar Schiller, der als Wundarzt, Werbeoffizier und Verwalter der herzöglichen Hofgärten auf der Solitude in württembergischem Dienst stand; Mutter ist die Gastwirtstochter Elisabeth Dorothea Kodweiß aus Marbach; Kindheit in ärmlichen Verhältnissen; 1762 Ludwigsburg Umzug der Eltern; 1765 Lorch Besuch der Dorfschule in Lorch ab 1765; 1766 Ludwigsburg Schulbesuch in Ludwigsburg; 7 1767–73 Besuch der Lateinschule in 8–14 Ludwigsburg; Wunsch, Theologie zu studieren, nicht zu verwirklichen; 1773 Besuch der Militär-Pflanzschule auf der Solitude auf Befehl Herzog Karl Eugens; zunächst juristisches, ab 1776 medizinisches Studium;
8
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
1780
Stuttgart
Studienabschluss; Regimentsmedikus in Stuttgart; Uraufführung der Räuber in Anwesenheit Schillers; Schreibverbot und Flucht nach Mannheim und Frankfurt; lebt unter dem Namen Dr. Ritter auf dem Gut der Henriette von Wolzogen in der Nähe von Meiningen; bis 1. September 1784 Theaterdichter in Mannheim am Nationaltheater; Mitglied der deutschen Gesellschaft in Mannheim; Bekanntschaft und Umgang mit Charlotte von Kalb; Gründung der Zeitschrift Rheinische Thalia; Entlassung vom Theater; Einladung durch Christian Gottfried Körner, den Vater Theodor Körners, nach Leipzig; nach der Übersiedlung Umgang mit Herder, Wieland und Charlotte von Kalb; Durchführung historischer Arbeiten;
1782
1782–83 Bauerbach
1783
Mannheim
1784 1785
1787
Weimar
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
Alter 21 23
24
25 26
28
9
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
1789
Jena
Berufung als unbesoldeter Pro- 30 fessor für Geschichte; Antrittsvorlesung am 16. Mai: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ 31 Ehe mit Charlotte von Lengenfeld; schwere Lungenerkrankung; 32 Kur in Karlsbad und Erfurt; dreijähriges Stipendium des Erbprinzen Christian Friedrich von Augustenburg und Studium der Philosophie Kants und dessen Kunstauffassung; Reise nach Heilbronn, Ludwigs- 34/35 burg, Stuttgart; Freundschaft mit Wilhelm von 35 Humboldt, Vertiefung der Freundschaft mit Goethe, der Schiller zu weiterer Arbeit anregt; Umzug nach und Theaterarbeit 40 in Weimar; Entstehung der Maria Stuart (bis 1800); 43 Erhebung in den Adelsstand; 45 Reise nach Berlin; Verschlechterung des Gesund- 45 heitszustandes; Tod am 9. Mai im 46. Lebensjahr durch akute Lungenentzündung; Überführung in die Weimarer Fürstengruft.
1790 1791
1793/94 1794
Jena
1799
Weimar
1802 1804 1805
Berlin Weimar
1827
10
Alter
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Die Zeitspanne zwischen 1759 und 1805 enthält für Europa nachhaltige Ereignisse: Die politische Situation ist äußerst angespannt. Bereits der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges im Jahr 1756, den Friedrich II. mit Österreich, Russland, Frankreich und Kursachsen um Schlesien führt, belastet vor allem die Lebensbedingungen der einfachen Menschen und bringt in die gewachsenen Verhältnisse Unsicherheit und Not. Gleichzeitig wird das politische Kräfteverhältnis neu geregelt, wobei Preußen nicht nur seine Macht in Europa stärken kann, sondern auch durch Reformen zur Modernisierung des Reiches beiträgt. 1.2.1 Politisch folgenschwere Ereignisse in Europa zwischen 1759 und 1805 1759
1760
1761 1762
Sieg der Österreicher und Russen über Friedrich II. bei Kunersdorf; schwere Krise des preußischen Staates; Geburt von Ludwig Yorck von Wartenburg, des späteren berühmten Heerführers, der zum Gegner von Gneisenau, Hardenberg und Stein wurde; Besetzung Berlins durch Russen; Eroberung Kanadas durch England als Beweis seines politischen Machtanspruches; Sieg der Preußen in der Schlacht bei Langensalza; Beginn der Geisteskrankheit von Zar Peter III.; Verhinderung der Niederlage Preußens durch Friedensschluss mit Russland;
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
11
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1763
1764
1765
1766 1767
1768
1769
1770
12
Friede zu Hubertusburg zwischen Österreich, Sachsen und Preußen; Schlesien bleibt bei Preußen; nachteilige Auswirkungen des Krieges für Preußen; Friedensschluss in Paris zwischen England, Frankreich und Spanien: Frankreich verliert Kanada und indischen Besitz an England; Spanien verliert Florida an England; Verbot des „Bauernlegens“ in Preußen, d. h. des Einzugs bäuerlichen Besitzes durch den Gutsherrn zur Vergrößerung seines Gutes; Tod des deutschen Kaisers Franz I., des Gemahls von Maria Theresia; Nachfolge durch dessen Sohn Joseph II.; Staatsmonopol Preußens für Salz; die Kartoffel wird in ganz Deutschland bekannt und als Grundnahrungsmittel eingeführt; Sonderrechte preußischer Adeliger; Lothringen kommt zu Frankreich; Geburt des Freiheitskämpfers Andreas Hofer in Tirol; Einberufung aller Stände durch Katharina II. zu Beratung und Beschluss der Gesetzesreform; Geburt Franz II., des Enkels Maria Theresias, als letzter römisch-deutscher Kaiser und König von Österreich; Frankreich kauft Korsika von Genua; Beginn des Krieges zwischen Russland und Türkei; Geburt Napoleon Bonapartes auf Korsika; Einführung eines neuen österreichischen Strafgesetzbuches; Geburt von Friedrich Wilhelm III., der 1797 König von Preußen wird; Ludwig XVI. heiratet Marie Antoinette von Österreich; Australien wird durch England erobert;
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1772
1773
1774 1775
1776
1778
1779
1780
1781
erste Teilung Polens zwischen Österreich, Preußen und Russland; Überseehandel wird preußisches Monopol durch Gründung der „Seehandlung“; Gustav III. von Schweden beseitigt die Adelsmacht und den Einfluss der Stände; Geburt des Fürsten Clemens von Metternich, des späteren österreichischen antiliberalen Staatsmannes; Tod des Franzosenkönigs Ludwig XV.; Beginn des nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieges gegen England; Verkauf von Leibeigenen in Russland; Bauernaufstand an der Wolga; Adam Smith legt liberale Volkswirtschaftslehre Natur und Ursachen des Volkswohlstandes vor; Erklärung der Menschenrechte und Unabhängigkeitserklärung der USA vom Kongress; Bayerischer Erbfolgekrieg mit Österreich: König Friedrich II. gegen Kaiser Joseph II., der Bayern zur Stärkung der Reichsmacht erwerben will; Frankreich und Spanien belagern erfolglos Gibraltar, das seit 1704 englischer Stützpunkt ist; Österreich erhält bayerisches Innviertel; Tod der Maria Theresia, der Gemahlin Kaiser Franz I.; der deutsche Kaiser Joseph II. wird Herrscher in Österreich; König Friedrich II. maßregelt preußische Richter zu Gunsten des Müllers Arnold; Reformen Kaiser Josephs II.: Abschaffung von Leibeigenschaft und Folter; Religionsfreiheit, Aufhebung der Klöster, Einwanderungserlaubnis auch für Nichtkatholiken nach Österreich;
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
13
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1784 1785 1786 1787
1789 1790 1792
1793
1794 1795
1796 1797
1798 1799
14
Österreich erlässt Auswanderungsverbot; Friedrich II. gründet den Fürstenbund, um den Kaiser am Erwerb Bayerns zu hindern; Tod des Preußenkönigs Friedrich II. (der Große); Nachfolger wird Friedrich Wilhelm II.; Herzog Karl Eugen von Württemberg vermietet das Kap-Regiment an die Holländisch-Ostindische Kompanie; Beginn der Französischen Revolution; Verkündung der Menschenrechte; Tod von Kaiser Joseph II.; Nachfolger wird sein Bruder Leopold II.; Frankreich wird konstitutionelle Monarchie; Sturm auf die Tuilerien; Robespierre erklärt Recht auf Arbeit; Tod des deutschen Kaisers Leopold II.; Beginn der Schreckensherrschaft des französischen Konvents; zweite Teilung Polens zwischen Preußen und Russland; Gültigkeit des Preußischen Allgemeinen Landrechtes; Baseler Friede zwischen Preußen und Frankreich; dritte Teilung Polens zwischen Österreich, Preußen und Russland; Kommunistische „Verschwörung der Gleichen“ in Frankreich; Tod des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm II.; Nachfolger wird sein Sohn als Friedrich Wilhelm III.; Krieg der Koalition England, Österreich, Russland, Türkei, Neapel, Kirchenstaat gegen Frankreich; Napoleon Bonaparte wird erster Konsul;
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1800 1801
1802 1803 1804
1805
Gründung des „Vereinigten Königreiches Großbritannien und Irland“; Friede zu Lunéville zwischen Österreich und Frankreich; Frankreich erhält linkes Rheinufer; Rheinpfalz kommt von Bayern zu Österreich; Napoleon Bonaparte wird Konsul auf Lebenszeit; Beginn der Seekriege zwischen Großbritannien und Frankreich; Napoleon Bonaparte wird erblicher französischer Kaiser; Freiherr vom Stein tritt in preußische Regierung ein; Bündnis zwischen England, Russland und Österreich gegen Napoleon I.4
1.2.2 Geistige und literarische Ereignisse zwischen 1759 und 1805 als Merkmale der gesellschaftlichen Situation Trotz der von politischen Umwälzungen und Konflikten gekennzeichneten Zeitspanne, die auch die Lebensjahre Schillers einschließt, entwickelt sich das literarische Schaffen in geordneten Bahnen. Wenn das absolut Vollkommene erreicht werden soll, wenn mit „hohen“ Stoffen in ethischer Verantwortung das Erhabene, Heroische, aber auch das Tragische in seiner furchtbaren Bedrohung der menschlichen Existenz dargestellt wird und wenn gleichzeitig der Blick auf das klassische Altertum in seiner Formvollendung gerichtet ist, so lässt es sich verstehen, dass das klassische Ideal den harmonisch ausgewogenen, in sich ruhenden und von innerer Freiheit gekennzeichneten Menschen ins Zentrum seiner Darstellung einbezieht. Natürlich werden diese Merkmale nicht ohne in4
vgl. Stein, Werner, Kulturfahrplan, Stuttgart-Hamburg, 3. Aufl., 1970
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
15
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund neren Kampf erreicht, so dass der Mensch erst nach einer Läuterung das eigentliche Kennzeichen seines Menschseins, die innere Freiheit, erreichen kann. So lassen sich die Merkmale der Klassik in der Bezwingung Merkmale der Klassik jugendlicher Gefühlswallungen und in der Darstellung der allmählichen Abklärung kennzeichnen, ohne damit eine genau festgelegte Zeitspanne zu umreißen. Diese wird jedoch durch die Literaten, die sich mit den genannten Themen auseinandersetzen, eingegrenzt. Im engeren Sinn wird daher die Klassik auf den Zeitraum zwischen Goethes italienischer Reise und Schillers Tod, also zwischen 1786 und 1805, festgelegt.5 Nicht zufällig ist das geistige Leben von Auseinandersetzungen um den Freiheitsbegriff geprägt oder – besonders in Frankreich – um die Frage der Selbstverwirklichung: Innere und äußere Freiheit als Voraussetzung für das Selbstverständnis der beiden starken Frauen sind Themen dieses Dramas. Nicht ohne Grund entsteht es in einer bewegten Epoche, deren geistige Strömungen bis in die Gegenwart reichen. 1759
1761
1762
5
16
Voltaire veröffentlicht den Roman Candide oder der Optimismus und ein Pamphlet gegen die katholische Kirche; Lessing veröffentlicht Fabeln in drei Bänden; Geburt von Johann Peter Hebel; Rousseau veröffentlicht den empfindsamen Liebesroman Die neue Heloise; Joseph Haydn wird Kapellmeister bei Fürst Esterhazy; Gründung der Nymphenburger Porzellan-Manufaktur; Geburt des deutschen Philosophen Johann Gottlieb Fichte; Rousseau veröffentlicht den Erziehungsroman Emile und den Gesellschaftsvertrag;
Die zeitliche Festlegung findet sich am klarsten bei Wilpert, Gero von, ebd., S. 273 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1763
1764
1765
1766
1767
1768
1769 1770
1771
Kant legt seinen Moralischen Gottesbeweis vor; Preußen erlässt das „Generallandschulreglement“; W. A. Mozart spielt als Sechsjähriger vor der Kaiserin Maria Theresia in Wien; Voltaire veröffentlich ein Philosophisches Wörterbuch; der Philosoph Moses Mendelssohn legt die von der Preußischen Akademie preisgekrönte Abhandlung über die Evidenz in den metaphysischen Wissenschaften vor; erster realgymnasialer Schulzweig in Breslau; Gründung der Literaturzeitschrift Allgemeine deutsche Bibliothek durch Friedrich Nicolai als Organ der Aufklärung gegen den „Sturm und Drang“; Christoph Martin Wieland veröffentlicht den ersten deutschen Bildungsroman Geschichte des Agathon; G. E. Lessing wird Dramaturg am neuen Hamburger Nationaltheater und veröffentlicht die Hamburgische Dramaturgie; Geburt des Philosophen Friedrich Schleiermacher; James Cook erforscht Australien, Neuseeland, die Südsee und Alaska; Gründung des Göttinger Musenalmanachs; Goethe begegnet in Straßburg Johann Gottfried Herder; Geburt Friedrich Hölderlins und Ludwig van Beethovens; die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland wird in Berlin gegründet; Gründung des Wandsbecker Boten durch Matthias Claudius; Joseph Haydn entwickelt in den Sonnenquartetten den klassischen kontrapunktischen Fugenstil;
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
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1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1772
1773 1774
1775
1776
1777
1778
1779
1780 1781
1782
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Gründung des Göttinger Dichterbundes Der Hain; Geburt von Friedrich Hardenberg (Novalis) und Friedrich Schlegel; Ende der Inquisition in Frankreich; Geburt von Ludwig Tieck; Auflösung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV.; Goethe veröffentlicht den Briefroman Die Leiden des jungen Werther; Pestalozzi gründet die „Armenanstalt“ als selbst erhaltende Arbeitsschule; Voltaire verfasst Lobrede auf die Vernunft; Goethe macht in Weimar die Bekanntschaft mit Frau v. Stein; Geburt des Naturphilosophen Friedrich Wilhelm Schelling; Geburt des Dichters E. T. A. Hoffmann; Friedrich Maximilian Klinger verfasst das Schauspiel Sturm und Drang; Gründung des Mannheimer Hof- und Nationaltheaters; Hamlet-Aufführung in Hamburg öffnet Shakespeare die deutsche Bühne; Geburt des Dichters Clemens Brentano; Tod der Philosophen Rousseau und Voltaire; Eröffnung der Mailänder Scala; Goethe wird Geheimrat; Lessing veröffentlicht Nathan der Weise; Pfarrer Johann Friedrich Oberlin gründet die erste Kinderbewahranstalt; Lessing veröffentlicht Die Erziehung des Menschengeschlechts; Gründung der Universität Münster; Geburt der deutschen Dichter Achim von Arnim und Adalbert von Chamisso; Kant veröffentlicht Kritik der reinen Vernunft; Goethe wird geadelt; Geburt des Violinvirtuosen Niccolo Paganini; 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1783 1784
1785 1786
1787 1788
1789
1790
1791
1792
1793
Moses Mendelssohn veröffentlicht Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum; Herder veröffentlicht Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Kant veröffentlicht Was ist Aufklärung?; Geburt von Bettina von Brentano und Jacob Grimm; Gründung der Berliner Hofbühne; Tod des Philosophen Moses Mendelssohn; Geburt des Sprachwissenschaftlers Wilhelm Grimm; Geburt des deutschen Dichters Ludwig Uhland; Boccherini wird Hofkomponist in Berlin; Geburt des romantischen Dichters Joseph Freiherr von Eichendorff; Kant legt Kritik der praktischen Vernunft vor; Geburt des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer; Einführung des Abiturs an den Gymnasien Preußens; Jean Paul legt die Satiren Auswahl aus des Teufels Papieren vor; Goethe veröffentlicht das Schauspiel Torquato Tasso; Verstaatlichung des Kirchengutes in Frankreich und Forderung des Eides auf die Verfassung von Priestern; Goethe als Leiter des Weimarer Hoftheaters; Geburt der Dichter Franz Grillparzer und Theodor Körner; Bau des Brandenburger Tores in Berlin durch C. G. Langhans; Johann Gottlieb Fichte veröffentlicht Versuch einer Kritik aller Offenbarung; Haydn wird Beethovens Lehrer; Kant veröffentlicht Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft; letzte Hexenverbrennung in Europa;
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
19
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1794
1795
1796 1797
1798
1799 1800
1801
1802
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Beginn der Freundschaft Goethes mit Schiller; J. G. Fichte veröffentlicht Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre; Goethe beginnt Wilhelm Meisters Lehrjahre; Beethoven komponiert die drei Klaviertrios op. 1; Haydn beendet die Komposition der 12 Londoner Symphonien; Geburt der Dichter August Graf von Platen und Karl Immermann; Geburt von Annette Freiin von Droste-Hülshoff, Jeremias Gotthelf und Heinrich Heine und des Komponisten Franz Schubert; Ludwig Tieck veröffentlicht den Roman Franz Sternbalds Wanderungen; Gründung der Freimaurer-Großloge von Preußen „Royal York zur Freundschaft“; Hölderlin veröffentlicht Hyperion oder der Eremit in Griechenland, Beethoven: Erste Symphonie; Novalis veröffentlicht Hymnen an die Nacht; Beethoven gibt erstes öffentliches Konzert mit Klavierkonzert C-Dur, Symphonie C-Dur und Chorphantasie; August Wilhelm Schlegel legt die ersten 8 Bände der Shakespeare-Übersetzung vor; der Philosoph Anselm von Feuerbach begründet die Abschreckungstheorie der Strafrechtslehre; Geburt der Dichter Wilhelm Hauff und Nikolaus Lenau; Romanfragment Heinrich von Ofterdingen von Novalis mit dem Symbol der „Blauen Blume“ wird posthum veröffentlicht;
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1803
1804
1805
Durchführung der Säkularisation durch den Reichsdeputations-Hauptschluss; Geburt des romantischen Malers Ludwig Richter; Ernennung Goethes zum Geheimrat; Geburt des Dichters Eduard Mörike und des materialistischen Philosophen Ludwig Feuerbach; Pestalozzi gründet Erziehungs- und Lehrerbildungsanstalt in Yverdon; Geburt der Dichter Hans Christian Andersen und Adalbert Stifter; Architekt Schinkel arbeitet in Berlin.
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1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken
1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken „Seitdem die Gesetze zu der Schwäche des Menschen herunterstiegen, kam der Mensch auch den Gesetzen entgegen. Mit ihnen ist er sanfter geworden, wie er mit ihnen verwilderte; ihren barbarischen Strafen folgen die barbarischen Verbrechen allmählich in die Vergessenheit nach. ... Der Mensch verwandelt sich und flieht von der Bühne; seine Meinungen fliehen und verwandeln sich mit ihm: Die Geschichte allein bleibt unausgesetzt auf dem Schauplatz, eine unsterbliche Bürgerin aller Nationen und Zeiten. ...“6 Sicher lässt sich Schillers Gesamtwerk nicht unter einem einzigen Thema zusammenfassen, dennoch enthält das obige Zitat aus seiner Antrittvorlesung einen entscheidenden Hinweis auf sein Werteverständnis: Das „Schuldigwerden“ ist eine Folge des in der Geschichte handelnden Menschen. Unabhängig von „Gedankenlyrik“, großen Gedichten und Balladen, z. B. Die Bürgschaft, Das Lied von der Glocke oder Die Götter Griechenlands, widmen sich auch die übrigen Balladen der philosophischen Sicht und den wechselvollen Situationen des Lebens. Sie sind stets auf Werte und Tugenden ausgerichtet. In seinen wichtigsten Dramen werden existenzielle Fragen nach Schuld und Sühne gestellt. Dazu gehören: 1781: Die Räuber, ein Schauspiel in fünf Akten: Das Werk lebt von gegensätzlichen Charaktereigenschaften der Brüder Karl und Franz Moor. Als Jugendwerk wird darin weniger die 6
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Schiller, Friedrich, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? Eine akademische Antrittsrede. Schillers Werke in fünf Bänden, Band 3, Aufbau Verlag Berlin 1978, S. 283 ff. 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken Differenzierung innerhalb menschlicher Entscheidungen als der Kontrast zwischen Gut und Böse dargestellt. 1782: Semele, nach Schillers eigener Beurteilung „eine lyrische Operette von zwo Szenen“, die sich auf galante Abenteuer Jupiters bezieht. Derartige Aufführungen im Stil zwischen Oper und Ballett wurden bei Festlichkeiten auf der Karlsschule geboten. 1783: Die Verschwörung des Fiesko zu Genua. Ein republikanisches Trauerspiel, eine Charaktertragödie mit geschichtlicher Paradoxie, die sich mit den Alternativen Freiheit oder Despotismus und Sittlichkeit oder Gewalt beschäftigt. 1784: Kabale und Liebe. Ein bürgerliches Trauerspiel, behandelt die reine Liebe des bürgerlichen Mädchens Luise Millerin und des Major Ferdinand von Walter, die an den Standeskonventionen scheitert. 1787: Körners Vormittag karikiert Theodor Körners Schwäche, schriftstellerische Arbeiten zu vollenden. Anlass war Körners Geburtstag am 2. Juli 1787. Die Veröffentlichung des kleinen Werkes hatte Schiller nicht mehr erlebt, da es erst 1862 von Carl Künzel unter dem Titel Ich habe mich rasieren lassen erschienen ist. 1787: Don Carlos, Infant von Spanien enthält den Entwurf einer völkerbeglückenden Menschheitsordnung, die in tragischen Konflikt mit einer absolutistischen Staatsinstitution gerät, in deren Mittelpunkt der despotische König Philipp II. steht. 1790: Der versöhnte Menschenfeind blieb ein fragmentarisches Drama, in dem ein Vater, nämlich der Menschenfeind, seine Tochter zur Rächerin an der Menschheit erziehen will, daran jedoch scheitert und schließlich versöhnt wird. 1799/1800: Maria Stuart
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
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1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken 1800: Wallenstein. Ein dramatisches Gedicht, eine Trilogie, beschäftigt sich mit Krieg, einem bunten Söldnerheer als gefährlichem Machtinstrument, dem habsburgischen Hegemoniestreben und dem Versuch, dem Kaiser die Macht zu entreißen. Wallenstein scheitert am Widerspruch zwischen seiner eigenen Unentschiedenheit und seinem Ehrgeiz und wird dadurch zum Opfer von Intrigen. 1801: Die Jungfrau von Orleans. Eine romantische Tragödie enthält die Geschichte des legendären Hirtenmädchens, das im Befreiungskampf um Frankreich als Heldin gegen England die Wende bringt, jedoch in englische Gefangenschaft gerät und schließlich als Hexe verbrannt wird. 1803: Die Braut von Messina (ursprünglich unter dem Titel Die feindlichen Brüder. Ein Trauerspiel mit Chören geplant) wählt als Schauplatz Sizilien, weil sich hier drei große Mythologien, Religionen und Kulturen begegnen. Die Besetzung des Thrones durch eine feindliche Macht und ein drohender Bürgerkrieg haben die erbberechtigten Brüder entzweit. Eifersüchtige Liebe führt beide ins Unheil, d. h. in den Sühnetod. 1804: Wilhelm Tell knüpft an die in der Schweiz bekannte Tellsage an und behandelt den Freiheitskampf und den Rütlischwur für die drei Schweizer Urkantone auf der Grundlage der Chronicon Helveticum von Ägidius Tschudi. Die willkürlichen Übergriffe habsburgischer Vögte werden erfolgreich bekämpft, die Freiheit bleibt trotz einiger Demütigungen erhalten. 1805: Die Huldigung der Künste, eine kleine Gelegenheitsarbeit als Versspiel anlässlich der Vermählung des Weimarer Erbprinzen Karl Friedrich mit der russischen Großfürstin Maria Paulowna. 1805: Demetrius. Schillers wichtigstes Dramen-Fragment zeigt das Schicksal eines „gemischten Charakters“, der sich für einen Zarensohn hält und einem Mordanschlag entkommen
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1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken ist. Im Glauben an die politische Gerechtigkeit seiner Sendung erkennt er sich schließlich als Werkzeug intriganter Manipulation und wird zum skrupellosen Herrscher. Weitere Fragmente, die ohne Bedeutung blieben: Die Braut in Trauer, eine thematische Fortsetzung der Räuber. Die Malteser beschäftigt sich mit dem Thema der leidenschaftlichen Freundschaft. Die Polizei kreist um bürgerliche und politische Verhältnisse in Paris. Schiller hatte stets großes Interesse an dieser Stadt. Die Kinder des Hauses behandelt das Thema des Brudermordes und tragischer Verwicklungen in der Nähe der Kriminaltragödie. Warbeck bezieht sich auf die Regierung Heinrichs VII. in England, in der sich der Betrüger Warbeck für einen der Prinzen Eduards V. ausgab. Nach seiner Entlarvung wurde er hingerichtet. Die Gräfin von Flandern sollte als romantische Erzählung in Versen Geschichten von Rittern zusammenfassen. Rosamund oder die Braut der Hölle war als Libretto für eine Oper von Schillers Freund, dem Komponisten Johann Rudolf Zumsteeg, gedacht, der ebenso wie Schiller die Karlsschule besuchte. Inhaltlich liegt der Don-Juan-Stoff zu Grunde. Die Prinzessin von Celle verarbeitet die Geschichte des Hofes von Hannover, geht jedoch auf eine Novelle des Baron Pöllnitz zurück. Elfriede sollte nach David Humes History of England entstehen. Die Gestalten des Dramas besitzen jedoch keine klaren Umrisse. Themistokles ist nur aus Skizzen Schillers bekannt und war als einfache Tragödie geplant.
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
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1.3 Angaben und Erläuterungen zu den Werken Agrippina lehnt sich an Racines gleichnamige Übersetzung an und an Tacitus, der in seinen Annalen die Figur behandelt. Seedramen waren als epische Gedichte über den Weltumsegler James Cook geplant. Dabei spielen Meuterei und Seeräubererlebnisse eine Rolle.
26
1. Friedrich Schiller: Leben und Werk
2.1 Entstehung und Quellen
2.
Textanalyse und -interpretation
2.1 Entstehung und Quellen 1782: Die Idee zum Thema des Dramas entstand nach der Flucht nach Bauerbach bei Meiningen als Folge des durch Karl Eugen verhängten Schreibverbotes. Offensichtlich war Schillers Interesse an der Geschichte Schottlands und den Ereignissen um die schottische Königin Maria Stuart durch seinen Freund Reinwald geweckt worden, von dem er am 9. Dezember 1782 Robertsons Geschichte von Schottland erhalten hatte. 1783 teilte er seinem Verleger Weygand mit, eine Maria Stuart verfassen zu wollen. Warum dieser Plan zunächst nicht weiter verfolgt wurde, lässt sich nicht genau klären, allerdings hatte sich Schiller ebenfalls im Jahr 1783 entschlossen, über die Gestalt des Don Carlos ein Drama zu verfassen. 1799 griff er den Stoff zu Maria Stuart wieder auf, zwar nicht aus historischem Interesse, sondern weil er darin „tragische Hauptmotive“ und „vortreffliche dramatische Charaktere“ entdeckt hatte, wie er 1799 in mehreren Briefen an Goethe schrieb.7 Da er die Bedürfnisse des Theaters berücksichtigen wollte, musste er das Leidenschaftliche und Menschliche betonen. 1800 war das Drama abgeschlossen. Drei Tage danach konnte es am 14. Juni 1800 sehr erfolgreich in Weimar aufgeführt werden. 7
1782
1783
1799
1800
vgl. zu 2.1 Koopmann, Helmut, Schiller-Kommentar, Band 1, München 1969, S. 138 f., ferner: Grawe, Christian, Erläuterungen und Dokumente. Friedrich Schiller – Maria Stuart, Stuttgart 1978 (RUB 8143), S. 58 ff.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.1 Entstehung und Quellen Neben Der Geschichte Schottlands von William Robertson und mehreren anderen Werken stützte sich Schiller bei der Bearbeitung des historischen Stoffes vor allem auf folgende Quellen: Annales rerum Anglicarum et Hibernicarum regnante Elizabetha (1615) von William Camden; Rerum Scotiarum historia (1582) von Georg Buchanan; Geschichte der Königin Elisabeth von England, enthalten im Historischen Kalender für Damen auf das Jahr 1790; History of England (1754–1761) von David Hume; Histoire d’Angleterre (1724) von Paul Rapin de Thoyras; Allgemeine Sammlung historischer Memoires, (1795), von Schiller selbst herausgegeben; Taschenbuch für 1799, worin ein Aufsatz über Maria Stuart enthalten war.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe
2.2 Inhaltsangabe Das in fünf Aufzüge gegliederte Drama8 stützt sich auf historische Ereignisse, enthält aber in seinem Höhepunkt, der Begegnung der beiden Königinnen Elisabeth und Maria, eine von Schiller frei gestaltete Zuspitzung. Handlungsorte sind Schloss Fotheringhay und die Umgebung Elisabeths im Palast zu Westminster. Das übergeordnete Handlungsmotiv kann in den unvereinbaren Zielen der beiden Königinnen gesehen werden. 1./1. Personen:
Hanna Kennedy, die Amme und Bedienstete der schottischen Königin Maria; Amias Paulet, erster Bewacher Marias, für den gesicherten Aufenthalt Marias verantwortlich; Drugeon Drury, zweiter Bewacher Marias
Ein Zimmer des Schlosses zu Fotheringhay verdeutlicht die entwürdigenden Verhältnisse, unter denen Maria Stuart, die Königin von Schottland, auf diesem Landsitz außerhalb Londons gefangen gehalten wird. Die für sie bedrohliche Situation lässt sich aus scheinbar unbedeutenden Einzelheiten erschließen: Das Aufbrechen ihres Schrankes durch Paulet trotz des Protestes von Marias Amme Hanna Kennedy und der Raub königlichen Schmuckes zeigen die Hilflosigkeit Marias, zumal sie als Bittstellerin zu Königin Elisabeth gereist ist. Paulet berichtet seinem Helfer Drury über den von Maria begangenen Gattenmord und den von ihr angezettelten Bür-
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Als Textgrundlage wurde die leicht zugängliche Reclam-Ausgabe (RUB 64) in der durchgesehenen Fassung von 2001 gewählt.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe gerkrieg. Hanna Kennedys Klage, dass Maria statt des erbetenen Schutzes gegen Völkerrecht und Königswürde auf Schloss Fortheringhay gefangen gehalten werde, entkräftet Paulet mit dem Hinweis, wonach Maria danach trachte, England katholisch zu machen und an Frankreich zu verraten. Für die Abwendung dieses Unheils sei er verantwortlich. Seine Furcht vor dem Einfluss Marias und vor ihrer Verbindung mit Frankreich kleidet er in sein ironisches Urteil über sie.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: Paulet rechtfertigt sein Tun mit der Feststellung: „Ein üppig lastervolles Leben büßt sich/In Mangel und Erniedrigung allein.“ (57–58). Gleichzeitig äußert er seine Furcht vor dem Einfluss Marias: „O Fluch dem Tag, da dieses Landes Küste/ Gastfreundlich diese Helena empfing.“ (83–84). Seine Anspielung auf die bedrohliche Rolle der historischen Helena im Trojanischen Krieg unterstreicht deren Gleichsetzung mit Maria, seine Furcht vor ihr und vor der drohenden Katastrophe. „Sich wider Völkerrecht und Königswürde/Gefangen sieht in enger Kerkerhaft“ (90–91); „Den Christus in der Hand,/ Die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen“ (142–43). 1./2. Personen:
Maria Stuart, Hanna Paulet, Drugeon Drury
Kennedy,
Amias
Maria kommt hinzu und wird von ihrer Amme über die Durchsuchung ihres Gemaches und den Raub der königlichen Gegenstände, unter denen sich auch ein Brief an Elisabeth befindet, unterrichtet. Anstatt sich gegen das Unrecht zu wehren, bekundet sie ihre Absicht, wonach sie den Schmuck selbst ihrem Bewacher übergeben wollte und auch den von Paulet
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe gefundenen Brief. Dieser enthält, wie sie erläutert, die Bitte um eine Unterredung mit ihrer Schwester Elisabeth, da sie als Frau und Königin nur zu ihresgleichen offen reden könne. Ferner bittet sie um einen katholischen Priester sowie um einen Notar, damit ihr letzter Wille festgehalten werde. Als Paulet sich entfernen will, fragt sie ihn nach dem Stand ihres Prozesses und beklagt die Ungesetzlichkeit des Vorgehens gegen sie. Sie erhält als Antwort die Aufforderung, sich auf den Tod vorzubereiten, gleichzeitig vermeidet Paulet eine klare Aussage über den Ausgang des Prozesses. Stichwörter/wichtige Textstellen: Bitte um Übergabe eines Briefes an Elisabeth (161–62) sowie um eine Unterredung mit ihr (169); Forderung eines ausschließlich zwischen Frauen stattfindenden Gespräches (175– 76); Bitte um einen katholischen Priester (188–89); Klage Marias über die Ungewissheit ihres Schicksals und über die Unrechtmäßigkeit des Prozesses (216–31).
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1./3. Personen:
Maria, Hanna Kennedy, Paulet, Drury, Mortimer, der Neffe Paulets
Mortimer tritt hinzu und berichtet seinem Oheim Paulet, dass man ihn suche. Diese Gelegenheit nutzt Maria, um sich bei Paulet über das ungehörige Verhalten Mortimers zu beklagen. Sie erfährt jedoch, dass sich dieser nicht von Frauen erweichen lasse und dass er für England wichtig sei. Obwohl er gerade aus Frankreich zurückgekommen sei, habe er seine altenglische Gesinnung behalten.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Den Übermut des Jünglings trag ich nicht,/Spart mir den Anblick seiner rohen Sitten.“ (254–55); „Was ihn Euch widrig macht, macht mir ihn wert.“ (256). 1./4. Personen:
Maria; Hanna Kennedy
Ihrer über das Verhalten Mortimers entrüsteten Amme entgegnet Maria, es geschehe ihr Recht, Vorwürfe hören zu müssen. Dabei bekennt sie, an der Ermordung ihres Gatten, König Darnleys, schuldig zu sein. Die Entlastungsversuche ihrer Amme entkräftet sie durch das Eingeständnis, sich der Verführung Bothwells wegen ihrer weiblichen Schwachheit nicht widersetzt zu haben. Hanna führt die Verfehlung Marias auf deren Leichtsinn, aber auch auf deren Unterdrückung zurück.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: Marias Anerkennung der Anklage (266); Eingeständnis ihrer Schuld an der Ermordung König Darnleys (272) und ihrer Schwachheit, sich gegen Bothwells Verführung zu wehren (331–32); „... – der Leichtsinn nur ist Euer Laster“ (362); „Macht ist’s, die Euch hier unterdrückt, ...“ (376). 1./5. Personen:
Maria, Hanna Kennedy, Mortimer
Mortimer betritt erneut das Zimmer, in dem sich Maria und Hanna aufhalten. Seiner Aufforderung an Hanna, sich zu entfernen, widerspricht Maria mit dem Befehl, dies nicht zu tun. Darauf überreicht Mortimer ein Schreiben ihres Oheims und Kardinals von Lothringen, das Maria zur Sinnesänderung ver-
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe anlasst. Sie fordert nun Hanna auf, zu gehen. Gleichzeitig bittet Mortimer Hanna, dafür zu sorgen, dass Maria und er nicht von Paulet gestört werden. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Geht, Dame Kennedy./Sorgt, dass mein Oheim uns nicht überfalle!“ (384–85).
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1./6. Personen:
Mortimer, Maria
Das ausgehändigte Schreiben bestätigt Mortimers redliche Haltung Maria gegenüber. Mortimer bekennt, seine wahre Haltung Maria gegenüber in England verleugnet zu haben, um ihr helfen zu können. Als Beweis berichtet er von seinen Aufenthalten in Frankreich und Rom. Überwältigt von der Pracht und Ausstrahlungskraft der Vertreter der katholischen Kirche, erhielt er vom Kardinal von Guise, dem Oheim Marias, Glaubenunterweisung und wandte sich daher von der Staatskirche Englands ab. Aus seiner Zeit in Frankreich kenne er den Jesuitenorden. Aber auch den katholischen Schotten John Morgan und den Bischof Leßley habe er getroffen und in der Wohnung des Bischofs Marias Bild gefunden. Dies habe Leßleys Bericht über die grausam geführte Regierung in England und über das Unrecht, das ihr durch die Gefangenschaft zugefügt werde, ausgelöst. Als Mortimer endlich von ihrem Todesurteil spricht, zweifelt Maria dies zwar an, da Elisabeth es nicht wagen werde, eine Königin enthaupten zu lassen, wird aber widerlegt. Daher kann er seinen vorbereiteten Rettungsplan für sie erläutern. Maria lehnt diesen jedoch wegen seines voraussehbaren Scheiterns ab. Falls für sie Befreiung möglich sei, könne dies nur durch Elisabeth selbst oder 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Graf Leicester geschehen. Als sich Lord Burleigh nähert, entfernt sich Mortimer.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „... keinen treuern Freund habt Ihr in England“ (389); „Verzeihung/Für diese verhasste Larve, Königin,/Die mir zu tragen Kampf genug gekostet,/Doch der ich’s danke, dass ich mich Euch nahen/Euch Hülfe und Errettung bringen kann.“ (394– 98); „In strengen Pflichten war ich aufgewachsen,/In finsterm Hass des Papsttums aufgesäugt, ...“ (410–11); „Und riss mich in das Weichbild Roms ... // ... Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen.“ (424–50); „Sie brachten mich zu Eurem edeln Oheim,/Dem Kardinal von Guise – Welch ein Mann!“ (462–63); „Er zeigte mir, dass grübelnde Vernunft/Den Menschen ewig in die Irre leitet, ...“ (477– 78); „Fiel mir ein weiblich Bildnis in die Augen, ...“ (503); „Drauf fing er an, mit herzerschütternder/Beredsamkeit mir Euer Märtyrtum/Und Eurer Feinde Blutgier abzuschildern.“ (515–17); „Es ist gefällt. Die zweiundvierzig Richter haben/Ihr Schuldig ausgesprochen über Euch.“ (578–79); „Sie könnt es wagen, mein gekröntes Haupt/Schmachvoll auf einen Henkerblock zu legen?“ (600– 01); „Umsonst! Mich rettet nicht Gewalt, nicht List./Der Feind ist wachsam und die Macht ist sein.“ (661–62); „Der freie Wille der Elisabeth allein ... // ... Ein einz’ger Mann lebt, der sie öffnen kann.“ (665–67). 1./7. Personen:
Maria Stuart; Lord Burleigh; Ritter Paulet
Lord Burleigh überbringt als Gesandter des Gerichtes das Urteil, dessen Rechtmäßigkeit Maria jedoch anzweifelt. Sie habe sich dem Gericht nicht unterworfen und könne den Urteils-
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe spruch nicht anerkennen, da nicht ein Gericht, sondern nur Könige über ihresgleichen richten könnten. Als Bürgerin eines anderen Staates habe sie Anrecht auf Sicherheit. Maria ermahnt Burleigh, die Rechtmäßigkeit des Gerichtes zu überprüfen. Trotz der seit tausend Jahren herrschenden Feindschaft zwischen Schottland und England hätten nur Briten Kriege gegen ihr Land geführt. Ihr Ziel sei es, die beiden Nationen friedlich zu einen. Im Übrigen könne ein Gesetzgeber nicht ein Urteil fällen. Ebenso könne sie die Beweise ihres Hochverrates, die nur als Kopien existieren, nicht anerkennen. Sie fordere eine Gegenüberstellung mit ihren ehemaligen Bediensteten Kurl und Nau, die als Verfasser der Kopien genannt werden, wie es auch das Gesetz in England verlange. Wenn ihr Vergehen darin bestehe, einen offenen Krieg zu führen, sei dies kein Verbrechen. Elisabeth könne sie nur ermorden lassen, aber nicht vor ein Gericht stellen. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Wer in der Committee ist meinesgleichen?/Nur Könige sind meine Peers.“ (705–06); „Ich bin nicht dieses Reiches Bürgerin,/Bin eine freie Königin des Auslands.“ (726–27); „Ich sehe diesen hohen Adel Englands,/ ... Gleich feil mit den erkäuflichen Gemeinen, ...“ (773–78); „Kein Bürgerkrieg entzündet Schottlands Städte,/Zu dem der Brite nicht den Zunder trug.“ (822–23); „... – Wehe/Dem armen Opfer, wenn derselbe Mund,/Der das Gesetz gab, auch das Urteil spricht!“ (858–60); „Die Kopien, von fremder Hand geschrieben!“ (874); „Das sind zwei Zeugen, die noch leben!/Man stelle sie mir gegenüber, ...“ (902–03); „Dass unter dieser nämlichen Regierung/Ein Reichsschluss durchgegangen, der befiehlt,/Den Kläger dem Beklagten vorzustellen.“ (908–10); „Was irgend nur in einem guten Krieg/Recht ist und ritterlich, das darf ich üben.“ (950–
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2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe 51); „Mord würde mich beflecken und entehren.“ (954); „Ermorden lassen kann sie mich, nicht richten!“ (971) 1./8. Personen:
Burleigh; Paulet
Burleigh weist in einem Gespräch mit Paulet auf die Probleme hin, die eine Verurteilung Marias wegen der Verfahrensfehler des Prozesses nach sich zögen. Eine Gegenüberstellung mit den Zeugen sei nicht zu wagen, da diese nicht bei ihrer Aussage blieben. Für Englands Feinde gelte der Prozess ohnedies als unrechtmäßig. Auch wenn sie im Kerker an einer Krankheit stürbe, bliebe doch der Verdacht des Mordes bestehen. Maria müsse vor allem deswegen sterben, um Königin Elisabeth von ständiger Angst zu befreien. Den Vorschlag Burleighs, sie im Kerker ermorden zu lassen, lehnt Paulet ab, da er sich nur den Gerichtsorganen unterwerfen werde.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Es sind Unziemlichkeiten vorgegangen/In diesem Rechtstreit, wenn ich’s sagen darf.“ (985–86); „Das war nicht zu wagen./Zu groß ist ihre Macht auf die Gemüter“ (990–91); „So werden Englands Feinde alle Welt/Erfüllen mit gehässigen Gerüchten,/Und des Prozesses festliches Gepräng/Wird als ein kühner Frevel nur erscheinen.“ (997–1000); „Sie darf nicht leben! Nimmermehr! Dies eben/Dies ist’s, was unsre Königin beängstigt“ (1027–28); „Kein Mörder soll sich ihrer Schwelle nahn, ...“ (1065).
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe 2./1. Personen:
Graf von Kent; Staatssekretär Wilhelm Davison
Staatssekretär Davison begegnet dem vom Turnierplatz zurückgekehrten Grafen von Kent und erfährt von diesem, wie ein zu Ehren Elisabeths und der französischen Abgesandten veranstaltetes Turnier verlaufen ist. Dabei hätten die Franzosen im Auftrag von Franz von Anjou in diesem Turnier symbolisch um die Hand der englischen Königin geworben, seien jedoch abgeschlagen worden. Davison bezeichnet dieses Ergebnis als ein böses Zeichen, wogegen Graf von Kent mit Zuversicht einer Ehe Elisabeths entgegensieht. Mit ihr wäre die Frage der Erbfolge geregelt. Auswirkungen für die in England geltende Reichsreligion hätte diese Verbindung nicht, aber die Thronfolge Maria Stuarts wäre ausgeschlossen. Deren Hinrichtung würde außerdem Elisabeths Furcht vor Maria Stuart beseitigen. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Umsonst! die Stürme wurden abgeschlagen,/Und das Verlangen musste sich zurückziehn.“ (1095–96); „Im Ernste denk ich,/ Wird sich die Festung endlich doch ergeben.“ (1099–1100); „Sie geht/ins Brautgemach, die Stuart geht zum Tode.“ (1113–14).
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2./2. Personen:
Graf von Kent; William Davison; Elisabeth; Leicester; Graf Aubespine; Graf Bellievre; Graf Shrewsbury; Lord Burleigh; französische und englische Herren
Elisabeth sonnt sich vor den französischen Gesandten im Glanz ihres Ruhmes, zumal ihr die Franzosen schmeicheln. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Jedoch weigert sie sich, der Werbung um sie nachzugeben, da sie bedrohliche Zeiten auf sich zukommen sieht. Sie sieht sich als Gefangene ihres Standes und habe Pflichten gegenüber ihrem Volk. Zwar seien Ringe das feste äußere Band der Ehe, gleichzeitig könnten daraus Ketten werden. Wegen ihrer Belastung als Herrscherin möge man sie jedoch von ehelichen Pflichten befreien. Auf Grund der nicht nachlassenden Werbung der französischen Gesandten gesteht sie jedoch ein, dass sie nur eine Verbindung mit dem Repräsentanten Frankreichs eingehen würde, betont jedoch, dass dadurch ihre Entscheidungsfreiheit eingeengt wäre. Mit der Verleihung eines Ordens an den französischen Grafen Bellievre sucht sie künftigen Konflikten zwischen ihrem Land und Frankreich vorzubeugen. Allerdings verbittet sie sich die Einmischung des französischen Grafen Aubespine, als sich dieser für Maria Stuart einsetzt.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Ein gesittet fröhlich Volk,/Das sich, sooft ich öffentlich mich zeige,/Mit Segnungen um meine Sänfte drängt, ...“ (1122–24); „Schwarz hängt der Himmel über diesem Land,/Und besser ziemte mir der Trauerflor/ ...“(1148–49); „Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes,/Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.“ (1155–56); „Der Ring macht Ehen,/Und Ringe sind’s, die eine Kette machen.“ (1210–11); „Es schwinde/Der Argwohn zwischen beiden Nationen,/Und ein vertraulich Band umschlinge fortan/die Kronen Frankreich und Britannien!“ (1221–24); „Nicht weiter, Graf! Vermengen wir/Nicht zwei ganz unvereinbare Geschäfte.“ (1232–34).
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe 2./3. Personen:
Elisabeth, der Graf von Leicester; Burleigh, Graf Talbot
Burgleigh berichtet Elisabeth, dass das Volk den Tod Marias fordere. Von ihr und Frankreich werden immer Gefahren für England ausgehen. Maria habe es verstanden, Zwietracht zu säen und die Jugend für sich einzunehmen. Graf Talbot ermahnt jedoch Elisabeth, für Frieden zu sorgen und nicht nur nach Ruhm auszuschauen. Daher rät er davon ab, Maria Stuart hinrichten zu lassen, und entgegnet auf Elisabeths Einwand, wonach Staatsrat, Parlament und Gerichte dem Urteil über Maria zugestimmt hätten, dass das Recht nicht durch Stimmenmehrheit erreicht werden könne. Als allein verantwortliche Herrscherin müsse sie allein richten. Da sie sich vor der Tötung Marias fürchte, solle sie Milde walten lassen, zumal die Stimmung im Volke nach der Vollstreckung des Urteils umschlagen könne. Zusätzlich erinnert Talbot an die Verfahrensmängel des Prozesses gegen Maria und daran, dass ihre zurückliegenden Verfehlungen in Schottland aus einer Notlage zu erklären seien. Dem widerspricht Graf Leicester und weist auf das verbrecherische Wirken Marias hin und auf die Belastung, die sie für Elisabeth bedeute. Zwar trage die englische Königin die Verantwortung allein, jedoch seien Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Vollstreckung des Todesurteils angebracht, vor allem, weil das gesprochene Urteil die gleiche Wirkung habe wie das vollzogene. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Ein Opfer ist’s, das alle Stimmen fodern.“ (1251); „Und in dem Schloss zu Fotheringhay sitzt/Die Ate dieses ew’gen Kriegs ...“ (1280–81); „Mögst du noch lange leben, Königin,/
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2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Die Freude deines Volks zu sein, das Glück/Des Friedens diesem Reiche zu verlängern“ (1306–08); „Schnell wirst du die Notwendigkeit verschwinden/Und Recht in Unrecht sich verwandeln sehn./Du selbst musst richten, du allein ...“ (1338– 40); „Wozu sie also töten? Sie ist tot!“ (1447); 2./4. Personen:
Elisabeth, Leicester, Paulet, Mortimer
Burleigh,
Talbot,
Paulet begibt sich zu Elisabeth, um ihr seinen Neffen Mortimer, der soeben aus Frankreich zurückgekommen ist, vorzustellen. So erfährt sie von ihm, dass die dort lebenden schottischen Verbannten gegen England Anschläge planen würden, Papst Sixtus den Kirchenbann gegen Elisabeth bekräftigt habe und er der Königin von Schottland verschlüsselte Briefe überbringen solle. Bei dieser Gelegenheit übergibt Paulet der Königin Elisabeth einen Brief von Maria Stuart, worum diese um eine Begegnung bittet. Burleighs Warnung vor einer Begegnung mit Maria und Talbots Drängen, diesem Wunsch zu entsprechen und die Versöhnung mit ihr anzustreben, verursachen eine Gefühlswallung Elisabeths. Das Urteil Leicesters, wonach die Begegnung der beiden Königinnen das Urteil des Gerichtes nicht ändern könne, Elisabeth jedoch damit ihre Größe beweise, verunsichert Elisabeth so stark, dass sie ihre Berater entlässt. Nur Mortimer fordert sie auf zu bleiben.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Alle schottische /Verbannte lernt ich kennen, die zu Reims/ Anschläge schmieden gegen diese Insel./In ihr Vertrauen stahl ich mich, ...“ (1477–80); „Es ist ein Schreiben,/Das dir die Königin von Schottland sendet.“ (1500–01); „Welch andre Spra-
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe che führt sie jetzt als damals,/Da sie das Wappen Englands angenommen, ...“ (1534–35); „Verzeiht, Mylords, es schneidet mir ins Herz,/Wehmut ergreift mich und die Seele blutet, ...“ (1538–39); „Gehorche dieser himmlischen Bewegung!/Schwer büßte sie fürwahr die schwere Schuld,/Und Zeit ist’s, dass die harte Prüfung ende!/Reich ihr die Hand, der Tiefgefallenen, ...“ (1544–47); „Würdig ist’s,/Der großen Seele der Elisabeth,/ Dass sie des Herzens schönem Triebe folge,/Wenn das Gesetz den strengen Lauf behält.“ (1564–67); „Sir Mortimer! Ein Wort!“ (1571). 2./5. Personen:
Elisabeth, Mortimer
Elisabeth vermutet in Mortimer einen ihr wohl gesonnenen und fähigen Helfer, der sie von der Bedrohung durch Maria Stuart befreien könnte. Da sie die wankelmütige Stimmung des Volkes fürchtet, wagt sie die Entscheidung über Leben und Tod Marias nicht zu treffen. In vertraulichem Gespräch bittet sie daher Mortimer, dafür zu sorgen, dass sich die Anordnung der Vollstreckung des Todesurteils gegen Maria erübrige, wenn diese zuvor im Gefängnis stürbe. Mortimer sichert Elisabeth die Verwirklichung ihres Wunsches zu. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Wer schon so früh der Täuschung schwere Kunst/Ausübte, der ist mündig vor der Zeit,“... (1574–75); „Und ich muss die Vollziehung anbefehlen. Mich immer trifft der Hass der Tat.“ (1596–97); „Was man scheint,/Hat jedermann zum Richter, was man ist,/hat keinen.“ (1601–02); „Zählt auf mich.“ (1624).
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2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe 2./6. Personen:
Mortimer
Mortimer erkennt die Falschheit Elisabeths und lehnt ihren Plan ab, da er sich zu Maria Stuart hingezogen fühlt. Er wartet auf Graf Leicester, um ihm einen Brief Elisabeths zu übergeben, und beschließt, Maria ohne Hilfe anderer zu retten.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Wie du die Welt, so täusch ich dich.“ (1633); „... indessen du/ Geheim auf meine Mörderhilfe hoffst,/So werden wir zur Rettung Frist gewinnen!“ (1639–41); „Bei ihr nur ist des Lebens Reiz“ (1647); „Ich selber kann sie retten, ich allein,/Gefahr und Ruhm und auch der Preis sei mein!“ (1660–61). 2./7. Personen:
Mortimer, Paulet, Leicester
Paulet warnt Mortimer vor falschem Ehrgeiz und dem Angebot Elisabeths, da er sein Gewissen rein halten solle. Er durchschaut die Verstellung Mortimers. Das Gespräch der beiden wird durch Leicester unterbrochen, der die Nachricht überbringt, dass Mortimer die uneingeschränkte Überwachung Marias übertragen worden sei.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Lass dich den Ehrgeiz nicht verführen!“ (1667); „Verletze dein Gewissen nicht!“ (1672); „Die Monarchin/Ist gnadenvoll gesinnt für ihn, sie will,/Dass man ihm die Person der Lady Stuart/Uneingeschränkt vertraue ...“ (1686–89).
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe 2./8. Personen:
Leicester, Mortimer
Leicester schätzt das Ansinnen Elisabeths an Mortimer richtig ein. Seine Frage nach dessen Zuverlässigkeit gibt Mortimer in gleicher Weise zurück. Nachdem sie sich gegenseitig versichern, Maria befreien zu wollen, bekennt Leicester, dass sie ihm zugedacht gewesen sei, er sie jedoch aus Ehrgeiz abgelehnt habe und auf die Hand Elisabeths hoffe. Da Maria im Kerker immer noch Rettung von ihm erwarte, lässt sie ihm durch Mortimer einen Brief übergeben. Die Konkurrenz um die Befreiung Marias zeigt sich in der unterschiedlichen Einschätzung zu deren Möglichkeiten. Mortimer tadelt Leicesters Bedenken, zumal er noch nichts für die Befreiung unternommen habe. Leicester will jedoch durch List eine Begegnung Elisabeths und Marias erreichen, so dass danach die Vollstreckung des Urteil unmöglich werde. Dem Vorwurf Mortimers, sein Vorhaben mit den ihm zur Verfügung stehenden Machtmitteln durchsetzen zu können, begegnet Leicester mit der Tatsache der totalen Überwachung Englands, die Mortimers Ansinnen unmöglich mache. Als es Mortimer ablehnt, nur als Leicesters Liebesbote benutzt zu werden, wird ihre Entzweiung deutlich. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Verdient Ihr, Ritter, dass man Euch vertraut?“ (1697); „Verzeiht mir meinen Zweifel./Ich kann der Vorsicht nicht zu viel gebrauchen, ...“ (1748–49); „Sie war mir zugedacht seit langen Jahren“ (1762); „Damals hielt ich/Mariens Hand für mich zu klein, ...“ (1771–72); „Und dieser Brief, den Ihr mir überbracht, versichert mir, dass sie verzeiht ...“ (1820–21); „Wie? So bedenklich, Graf,/Bei einer Botschaft, die Euch Hülfe
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2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe bringt!“ (1857–58); „Was habt Ihr denn getan, um sie zu retten?“ (1885); „Vielleicht, dass ich durch List sie überrede,/ Das Angesicht der Gegnerin zu sehn,“ (1902–03); „Weg mit Verstellung! Handelt öffentlich!/Verteidigt als ein Ritter die Geliebte“ (1923– 25); „... Unterworfen/Ist alles, unterm Schlüssel eines Weibes, ...“ (1936–37); „... nicht Euch zum Liebesboten!“ (1944). 2./9. Personen:
Elisabeth, Leicester
Elisabeth fragt Leicester, mit wem er soeben gesprochen habe und warum er verlegen sei. Als Antwort erhält sie Schmeicheleien und die Klage darüber, dass nicht er, sondern der Duc von Anjou sich mit ihr vermählen dürfe. Daraufhin klagt Elisabeth, dass sie wegen ihrer Pflichten nicht ihrer Neigung nachgehen dürfe. Maria Stuart habe im Gegensatz zu ihr nach ihrer Neigung gehandelt. Auf die Frage, ob Maria tatsächlich so schön sei, wie es allgemein dargestellt werde, überredet sie Leicester zu einer Zusammenkunft mit Maria auf Schloss Fotheringhay.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Sie fodert‘s/Als eine Gunst, gewähr es ihr als Strafe!“ (2023–24). 3./1. Personen:
Maria, Hanna Kennedy
Maria hat ihren Kerker verlassen und darf sich mit ihrer Amme im Park des Schlosses Fotheringhay aufhalten. Beim Blick auf die entfernten Berge Schottlands überfällt sie Sehnsucht nach ihrer schottischen Heimat und nach Freiheit. Ihrer angedeuteten Hoffnung, dass ein Fischer auf dem See, den sie
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe erblickt, ihr Retter sein könnte, begegnet Hanna mit dem Hinweis auf ihre fortwährende Bewachung. Dennoch glaubt Maria an eine bevorstehende Befreiung, die sie dem Grafen Leicester zu verdanken haben werde. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Lass mich der neuen Freiheit genießen,/Lass mich ein Kind sein, sei es mit!“ (2075–76); „Dort, wo die grauen Nebelberge ragen,/Fängt meines Reiches Grenze an, ...“ (2094–95); „Dort legt ein Fischer den Nachen an!/Dieses elende Werkzeug könnte mich retten, ...“ (2107–08); „Verlorne Wünsche! Seht Ihr nicht, dass uns/Von ferne dort die Spähertritte folgen?“ (2115–16); „... Ich irre nicht. Es ist/Der Liebe tät’ge Hand, der ich sie danke.“ (2122–23); „Lord Leicesters mächt’gen Arm erkenn ich drin.“ (2124).
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3./2. Personen:
Maria, Hanna Kennedy, Paulet
Paulet überrascht Maria und Hanna Kennedy mit der Nachricht, wonach die gewünschte Begegnung mit Elisabeth unmittelbar bevorstehe. Den Einwand Marias, nicht vorbereitet zu sein, lässt Paulet nicht gelten, da das Treffen auf Marias Wunsch erfolge. Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Wie, Ritter?/Seid Ihr’s, der diese Gunst mir ausgewirkt?“ (2144–45); „... War’s nicht Eure Bitte?/Sie wird Euch früher gewährt, als Ihr gedacht.“ (2157–58); „Bleibt. Ihr müsst sie hier erwarten./Wohl, wohl mag ’s Euch beängstigen, ich glaub’s,/Vor eurem Richter zu erscheinen.“ (2167–69).
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2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe 3./3. Personen:
Maria, Hanna Kennedy, Paulet, Shrewsbury
Zu Maria, Hanna Kennedy und Paulet kommt Graf Shrewsbury hinzu, den Maria wegen ihrer fehlenden Vorbereitung bittet, die Begegnung abzuwenden. Doch Shrewsbury mahnt zu Besonnenheit und betont die Milde Elisabeths.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Ihr kommt,/Vom Himmel mir ein Engel zugesendet!/ – Ich kann sie nicht sehn! Rettet, rettet mich“ (2171–73); „... Fasst Euren Mut/Zusammen. Das ist die entscheidungsvolle Stunde.“ (2175–76); „... Gehorcht der Zeit und dem Gesetz der Stunde! (2192); „... ihr Auge schwamm in Tränen.“ (2208). 3./4. Personen:
Maria, Hanna Kennedy, Paulet, Shrewsbury, Elisabeth, Graf Leicester
Elisabeth zeigt sich überrascht, auf Maria zu treffen. Während Leicester und Shrewsbury Elisabeth um Milde bitten, beanstandet Elisabeth, nicht wie angekündigt eine tief Gebeugte zu finden. Maria zwingt sich zunächst zur Demut, spricht jedoch von Hochmut, den die Götter rächen und erinnert an das Tudor-Blut, das sie beide besitzen. Elisabeth könne durch ihre ausgestreckte Hand das erstarrte Herz der Schwester lösen. Als Elisabeth abweisend kalt reagiert und an den Mordplan Marias erinnert, weist diese nochmals auf ihre Situation als Unterlegene hin und versucht sogar ihr erlittenes Schicksal und die Handlungsweise Elisabeths zu erklären. Dies nutzt diese, um an die Verfehlungen Marias zu erinnern, an ihre Ehrsucht, aber auch an herrschsüchtige Priester, an Raub des
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe königlichen Wappens und des Königstitels und vor allem an den Krieg, den sie angezettelt habe. Daher werde ihr Haupt fallen. Sie werde nicht auf einen falschen Frieden eingehen, zumal die katholische Kirche weder Blutsverwandtschaft, Völkerrecht oder allgemeine Pflichten geachtet habe. Nach einer Begnadigung Marias sei Elisabeths Sicherheit in Frage gestellt, da von der katholischen Kirche Gefahren ausgingen. Maria verliert nach wiederholter, allerdings vergeblicher Mahnung zur Großmut und nach erneuten Anklagen und der Verhöhnung ihrer gepriesenen weiblichen Reize die Beherrschung und lässt ihrem Zorn gegen Elisabeth in unkontrollierter Heftigkeit freien Lauf, so dass sogar Leicester sich abwendet. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Es ist geschehen, Königin – Und nun/Der Himmel deinen Schritt hierher gelenkt,/So lass die Großmut und das Mitleid siegen.“ (2236–38); „... Eine Stolze find ich,/Vom Unglück keineswegs geschmeidigt.“ (2243–44); „Ich will mich auch noch diesem unterwerfen.“ (2245); „Es leben Götter, die den Hochmut rächen!“ (2262); „... schändet nicht/Das Blut der Tudor, das in meinen Adern/Wie in den Euren fließt ...“ (2266– 69); „Löst mir das Herz, dass ich das Eure rühre!“ (2274); „Ihr seid nicht schuldig, ich bin auch nicht schuldig,/Ein böser Geist stieg aus dem Abgrund auf, .../ (2308–09); „Das ist das Fluchgeschick der Könige,/Dass sie, entzweit, die Welt in Hass zerreißen, ...“ (2316–17); „Nicht die Geschicke, Euer schwarzes Herz/Klagt an, die wilde Ehrsucht Eures Hauses.“ (2330– 31); „... Wen rief er gegen mich nicht auf?/Der Priester Zungen und der Völker Schwert,/Des frommen Wahnsinns fürchterliche Waffen,/ (2339–41); „... Meinem Haupte war/Der Streich gedrohet, und das Eure fällt!“ (2345–46); „Was ist mir Blutsverwandtschaft, Völkerrecht?/Die Kirche trennet aller Pflich-
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2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe ten Band,/Den Treubruch heiligt sie, den Königsmord,/Ich übe nur, was Eure Priester lehren. Sagt! Welches Pfand gewährte mir für Euch, ...“ (2353–56); „Sprecht dieses Wort aus. Sagt mir: „Ihr seid frei,/Maria! Meine Macht habt ihr gefühlt, jetzt lernet meinen Edelmut verehren!“ (2390–92); „... Ich habe/ Ertragen, was ein Mensch ertragen kann./Fahr hin, lammherzige Gelassenheit,“ (2435–37); „... Höre/Die Wütende nicht an! Hinweg, hinweg ...“ (2444–45). 3./5. Personen:
Maria, Hanna Kennedy
Während Hanna Kennedy den Hassausbruch Marias beklagt und nun kommendes Unheil fürchtet, fühlt sich diese befreit, zumal sie Elisabeth im Beisein ihres Geliebten, des Grafen Leicester, gedemütigt hat.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Sie geht in Wut!/Jetzt ist es aus und alle Hoffnung schwindet.“ (2452–53); „O wie mir wohl ist, Hanna! Endlich, endlich/ Nach Jahren der Erniedrigung, der Leiden, ...“ (2455–56); „Vor Leicesters Augen hab ich sie erniedrigt!“ (2464). 3./6. Personen:
Maria, Hanna Kennedy, Mortimer
Mortimer kommt erregt hinzu und verrät, die Auseinandersetzung der Königinnen heimlich mit angehört zu haben. Maria sei die wahre Königin und Siegerin in diesem Streit geblieben. An Stelle von Leicester, von dem Maria nichts erwarten dürfe, werde er sie befreien. Helfer stünden bereit, der kirchliche Segen sei eingeholt, so dass die zur Befreiung notwendigen
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe Morde ausgeführt werden können. Zwar wehrt sich Maria gegen diesen Plan, doch will Mortimer ihn nicht aufgeben und damit auf sie verzichten. Seine Liebe zu ihr fasst er in einem Gefühlsausbruch in so überschwängliche Worte, dass Maria schließlich Zuflucht bei ihrer Amme Hanna Kennedy sucht. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Du warst die Königin, sie der Verbrecher.“ (2470); „Wer? Er? das ist ein Feiger, Elender!“ (2481); „Wer dich will retten und die Seine nennen,/Der muss den Tod beherzt umarmen können.“ (2488–89); „Der Tat bedarf’s jetzt, Kühnheit muss entscheiden, ...“ (2498); „... Eh ich dir entsage,/Eh nahe sich das Ende aller Tage.“ (2532–33); „O Hanna! Rette mich aus seinen Händen!“ (2594).
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3./7. Personen:
Mortimer, Paulet, Drury
Paulet fordert, Brücken und Straßen zu sperren und Maria in das Gefängnis bringen zu lassen, da Königin Elisabeth in London auf offener Straße ermordet worden sei. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Hinab mit ihr ins finsterste Gefängnis“ (2600); „Sie ist ermordet auf der Londner Straßen!“ (2604).
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3./8. Personen:
Mortimer, Okelly
Die Nachricht von Elisabeths Ermordung durch den Katholiken Sauvage, die Mortimer erfahren hat, erweist sich als Gerücht. Sie hat das Attentat unverletzt überlebt. Daher eilt 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Okelly, der Freund Mortimers, zu diesem und drängt ihn zu eiliger Flucht. Mortimer erkennt, dass dieses Ereignis den Tod Marias bedeute. Er flieht aber nicht mit seinem Freund, sondern bleibt, um für Maria einen Rettungsversuch zu wagen.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Flieht, Mortimer! Flieht. Alles ist verloren.“ (2611); „... Sauvage führte/Den Streich, der Rasende.“ (2613); „Ich bleibe. Noch versuch ich’s, sie zu retten, ...“ (2639). 4./1. Personen:
Graf Aubespine, Kent, Leicester
Der französische Gesandte Graf Aubespine erkundigt sich bei Graf Leicester und Graf Kent nach dem Befinden Elisabeths. Dabei berichten Leicester und Kent, dass der Attentäter ein Franzose und Katholik sei.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Der es tat,/War Eures Königs Untertan, ein Franke.“ (2645–46). 4./2. Personen:
Graf Aubespine, Kent, Leicester, Burleigh, Davison
Burleigh befiehlt dem Staatssekretär Davison, den Befehl zur Hinrichtung Marias unverzüglich auszustellen und Elisabeth zur Unterschrift zu bringen. Als der französische Gesandte Aubespine hinzukommt, seine Freude über das Misslingen des Attentates ausdrückt und Elisabeth beglückwünschen will, wird ihm befohlen, England zu verlassen, weil der Attentäter
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe einen von ihm ausgestellten Pass besaß. Trotz seiner Stellung als Abgesandter Frankreichs schütze diese Stellung einen Reichsverräter nicht. Elisabeth habe die Verbindung zu Frankreich bereits abgebrochen. Graf Kent übernimmt unter Protest Aubespines wegen des Verstoßes gegen Völkerrecht dennoch die Aufgabe, den Gesandten auf das Schiff nach Frankreich zu bringen. Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Wenn er ausgefertigt,/Wird er der Königin zur Unterschrift/Gebracht ...“ (2650–51); „... Euch liegt ob,/Die Insel auf das Schleunigste zu räumen.“ (2666–67); „... Ein Pass, von Eurer Hand/Geschrieben, fand sich in des Mörders Tasche.“ (2674–75); „England wird sich mit Frankreich nicht vermählen.“ (2684); „Ich gehe, ich verlasse dieses Land,/Wo man der Völker Recht mit Füßen tritt, ...“ (2692–93).
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4./3. Personen:
Leicester, Burleigh
Leicester kritisiert Burleigh wegen seines voreilig veranlassten Bruches mit Frankreich und erhält als Antwort einen indirekt geäußerten Verdacht gegen ihn. Daher flüchtet er in die Ironie, indem er die Einrichtung eines Inquisitionsgerichtes, wie es in katholischen Staaten üblich sei, anmahnt und Burleigh als „Atlas des Staats“ bezeichnet, der mit dem Weltgewicht auch die Verantwortung zu tragen habe. Burleigh gibt die Schuld an der Begegnung der beiden Königinnen Leicester, wobei er ein Wortspiel mit dem Begriff „Königin“ betreibt mit dem Hintersinn, es im Unklaren zu lassen, welche der „Königinnen“ gemeint sein könnte und wer diese „Königin“ nach Schloss Fotheringhay geführt habe. Die Verspottung 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Elisabeths sei demnach von ihm verursacht worden. Da sich Leicester gegen diesen Vorwurf wehren muss, sucht er mit der Flucht nach vorn eine Klärung vor Elisabeth zu erreichen.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Wohl dem, der sich nichts Schlimmeres bewusst ist!“ (2701); „Jetzt wird ein Inquisitionsgericht/Eröffnet. Wort und Blicke werden abgewogen,/Gedanken selber vor Gericht gestellt.“ (2707–09); „Da seid Ihr der allwicht’ge Mann, der Atlas/Des Staats, ganz England liegt auf Euren Schultern.“ (2710–11); „Ihr wart es doch, der hinter meinem Rücken/Die Königin nach Fotheringhayschloss/Zu locken wusste?“ (2716–18); „... Die Königin war es,/Die so gefällig war, Euch hinzuführen.“ (2722–23); „Nichtswürdiger! Gleich folgt mir! An dem Throne/ Der Königin sollt Ihr mir Rede stehn.“ (2737–38). 4./4. Personen:
Leicester, Mortimer
Nachdem Burleigh gegangen ist, erkennt Leicester, dass sein Plan der Zusammenkunft der Königinnen durchschaut worden und die Verhöhnung Elisabeths durch Maria daher von ihm zu verantworten ist. Als Mortimer in Aufregung zu ihm eilt und von der Aufdeckung einer geheimen Versammlung bei Aubespine berichtet und von der Ergreifung des Attentäters, verleugnet Leicester seine Absicht. Darauf berichtet Mortimer von der Flucht seiner Gefährten und von einem angefangenen Brief Marias an Leicester, in dem sie ihn an die versprochene Befreiung erinnert. Dieser Brief sei bereits im Besitz Burleighs. Auf den Rat Mortimers, sich nach gewaltsamer Befreiung Marias und durch anschließende Flucht in Sicherheit zu bringen, lässt Leicester Mortimer als Staatsverräter
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe von einem herbeigerufenen Offizier verhaften. Doch Mortimer kommt dem zuvor, indem er sich mit einem Fluch gegen die Verräter Marias und gegen Elisabeth vor den Augen des Offiziers ersticht. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Ich bin entdeckt, ich bin durchschaut – ...“ (2741); „... Was unterfangt Ihr Euch,/In Euren blut’gen Frevel mich zu flechten?/Verteidigt Eure bösen Händel selbst!“ (2767–68); „Ergreift den Augenblick! Kommt ihm zuvor!/Errettet Euch, errettet sie – ...“ (2785–86); „He da! Trabanten! Diesen Staatsverräter/ Nehmt in Verwahrung und bewacht ihn wohl! (2794–95); „Fluch und Verderben euch, die ihren Gott/Und ihre wahre Königin verraten!“ (2811–12).
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4./5. Personen:
Elisabeth, Burleigh
Elisabeth besitzt den bei Maria gefundenen Brief, der an Leicester gerichtet ist. Wegen der Verhöhnung durch Maria befindet sie sich immer noch in Erregung und bereut, nicht dem Rat Burleighs, sondern dem Leicesters gefolgt zu sein. Gleichzeitig bereut sie, Leicester an ihrem Hof Macht, Einfluss und ihre Liebe gegeben zu haben, da sie sich nun von ihm verraten fühlt. Dafür solle er der Enthauptung Marias beiwohnen und anschließend ebenfalls zum Tode verurteilt werden, wozu sie Mitglieder in das Oberhaus ernennen werde. Noch während sie in Anwesenheit Burleighs ihrem Zorn nachhängt, lässt sich Leicester bei ihr melden und dringt gegen ihren Willen zu ihr vor. Zugleich hegt sie die Hoffnung, dass es sich bei dem Brief um eine Intrige handele und sie sich nicht von ihm als ihrem treuesten Freunde trennen müsse. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „O ich bin schwer dafür gestraft, dass ich/Von Eurem weisen Rate mich entfernt!“ (2833–34); „Er, den ich groß gemacht vor allen Großen,/Der mir der Nächste stets am Herzen war, ...“ (2838–39); „O sie bezahle mir’s mit ihrem Blut! (2844); „So hoch er stand, so tief und schmählich sei/Sein Sturz! Er sei ein Denkmal meiner Strenge,/Wie er ein Beispiel meiner Schwäche war.“ (2850–52); „Ich will ihn nicht sehn. Niemals, niemals wieder! (2861); „Wenn’s dennoch möglich wäre – Wenn er sich/Rechtfert’gen könnte! ...“ (2871–72); „Wenn sie den Brief nur schrieb, mir gift’gen Argwohn/Ins Herz zu streun, ihn, den sie hasst, ins Unglück/Zu stürzen – ...“ (2876–77). 4./6. Personen:
Elisabeth, Burleigh, Leicester
Entgegen der Anweisung Elisabeths kann sich Leicester zu ihr und Burleigh Zutritt verschaffen. Elisabeth lässt ihm den bei Maria entdeckten Brief mit dem Fluchtplan zeigen. Leicester bestätigt den darin enthaltenen Sachverhalt, weist jedoch Burleighs Verdächtigung mit ironischer Kritik zurück. Alles sei ein Plan Mortimers, der seine Königin hintergehe und sich nach Überführung und Gefangennahme durch ihn vor dem Offizier erstochen habe. Wenn er nicht eingeschritten wäre, wäre Maria bereits befreit. Um seine treue Gesinnung zu beweisen, besteht Leicester auf dem unverzüglichen Vollzug des Todesurteils. Burleigh rät Elisabeth, die Vollstreckung des Urteils Leicester zu übertragen, und als sich dieser zunächst wegen seines Standes dagegen wehrt, wird Burleigh zusammen mit Leicester von Elisabeth dazu verpflichtet.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Ihr seid sehr kühn, Mylord,/Hier wider die Erlaubnis einzustürmen.“ (2883–84); „Zeigt ihm den Brief, Mylord!“ (2923); „Der Schein ist gegen mich, doch darf ich hoffen,/Dass ich nicht nach dem Schein gerichtet werde!“ (2925–26); „... ich bekenne,/Dass sie die Wahrheit schreibt!“ (2932–33); „Mylord! Ihr pflegt zu schwatzen, eh Ihr handelt,/Und seid die Glocke Eurer Taten ...“ (2952–53); „Trotz Eurer Spürkunst war Maria Stuart/Noch heute frei, wenn ich es nicht verhindert.“ (2962– 63); „... Wo hattet/Ihr Eure tausend Augen, nicht zu sehn,/ Dass dieser Mortimer Euch hinterging?“ (2971–73); „Sein Werk vereitelt, sich entlarvt zu sehn,/Gab er sich selbst den Tod! (2985–86); „Jedoch um meinen Eifer zu bewähren, ... / ... Und übernehme die verhasste Pflicht.“ (3045 und 3048); „Lord Burleigh teile sie mit Euch! ...“ (3049).
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4./7. Personen:
Elisabeth, Burleigh, Leicester, Kent
Graf von Kent berichtet den Anwesenden vom Schrecken in der Stadt, weil das Volk von der Ermordung Elisabeths gehört habe. Es fordere, Elisabeth sehen zu dürfen. Gleichzeitig habe es Furcht vor einer Verschwörung der Katholiken, die Maria zu befreien versuchen. Nur deren unverzügliche Enthauptung könne zur Ruhe führen. Elisabeth sträubt sich dagegen, dass ihr auf diese Weise die Vollstreckung des Todesurteils aufgezwungen werden solle. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Es ist das Volk, das den Palast umlagert,/Es fordert heftig dringend dich zu sehn.“ (3053–54); „Sie sind entschlossen, eher nicht zu weichen,/Bis du das Urteil unterzeichnet hast.“ (3064–65).
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2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe 4./8. Personen:
Elisabeth, Burleigh, Leicester, Kent, Davison
Staatssekretär Davison überbringt Elisabeth das Todesurteil, damit es von ihr unterschrieben werde. Trotz der Ermutigung zur Unterschrift durch Burleigh schreckt Elisabeth davor zurück, zweifelt an dem Wunsch des Volkes und weist auf dessen Wankelmütigkeit hin.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Die jetzt gewaltsam zu der Tat mich treiben,/Mich, wenn’s vollbracht ist, strenge tadeln werden!“ (3075–76). 4./9. Personen:
Elisabeth, Burleigh, Leicester, Kent, Davison, Shrewsbury
Zu den um Elisabeth versammelten Höflingen begibt sich in starker Erregung Graf Shrewsbury, um die Königin vor einer übereilten Handlung zu warnen. Den Einwand Elisabeths, dass sie zur Vollstreckung des Urteils gezwungen werde, widerlegt Shrewsbury mittels ihrer Herrscherrolle, aber auch mit ihrer Menschlichkeit. Obwohl Burleigh weiterhin auf die Vollstreckung dringt, warnt Shrewsbury vor dem damit verbundenen Verlust von Glück und Frieden. Nicht vor der lebenden Maria habe Elisabeth zu zittern, sondern vor der enthaupteten, denn die Stimmung im Volke werde bald umschlagen und Furcht vor Tyrannei werde um sich greifen. In ihrem Zweifel bekennt Elisabeth, regierungsmüde zu sein und sich in die Einsamkeit Woodstocks zurückziehen zu wollen. Allem Drängen Burleighs, der nach der Enthauptung Marias auf den dann eintretenden Frieden im Lande und auf
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe Befreiung von den Gefahren der römischen Kirche hinweist, vor allem aber Elisabeth an ihre Staatspflicht erinnert, wonach sie an das Wohl des Volkes zu denken habe, widersteht sie. Sie erkennt die Nutzlosigkeit aller Berater, da nur sie allein mit ihrem Gewissen entscheiden müsse. Stichwörter/wichtige Textstellen: „O halte fest, sei standhaft“ (3077); „Hier gilt es, deine Majestät zu zeigen!/Gebiete Schweigen jenen rohen Stimmen,/Die sich erdreisten, ... / ... dein Urteil zu regieren.“ (3084–87); „Du bist ein Mensch und jetzt kannst du nicht richten.“ (3090); „... Dieser Federzug/ Entscheidet deines Lebens Glück und Frieden.“ (3095–96); „... Du zitterst jetzt/Vor dieser lebenden Maria. Nicht/Die Lebende hast du zu fürchten ...“ (3114–16); „... Furcht, die schreckliche Begleitung/Der Tyrannei, wird schaudernd vor dir herziehn, ...“ (3134–35); „Ich bin des Lebens und des Herrschens müd.“ (3145); „So steig ich gern von diesem Thron und kehre/In Woodstocks stille Einsamkeit zurück, ...“(3155–56); „Es kommt die erste schwere Königspflicht,/Und ich empfinde meine Ohnmacht ...“ (3164–65); „Denk an die Kirche! Soll mit dieser Stuart/Der alte Aberglaube wiederkehren?“ (3173–74); „Des Volkes Wohlfahrt ist die höchste Pflicht;“ (3182); „... Bei Menschen ist/Nicht Rat noch Trost in dieser großen Sache.“ (3185–86).
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4./10. Personen:
Elisabeth
Von der Last der bevorstehenden Entscheidung bedrückt, beklagt Elisabeth die Sklaverei des Volksdienstes und den Zwang, Beifall der Öffentlichkeit suchen zu müssen. Ihr Wunsch richtet sich auf die Möglichkeit, wie ein echter König 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe ohne Rücksicht auf Menschen herrschen zu können. Dabei erkennt sie, dass das von ihr begangene Unrecht nun auf sie zurückfällt und Frankreich und Spanien sie vernichten wollen. Umsonst habe sie den Makel ihrer Bastard-Geburt verborgen. Um ihre Furcht vor Maria Stuart zu beseitigen und um den inneren Frieden wieder zu gewinnen, müsse das Urteil vollstreckt werden. Danach werde sie sich frei fühlen und die Zweifel an ihrer fürstlichen Geburt würden schwinden. Deswegen unterschreibt sie das Todesurteil über Maria, anschließend erschrickt sie über ihre Unterschrift.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „O Sklaverei des Volksdiensts! ...“ (3190); „..., einem Pöbel muss ich’s/Recht machen, dem der Gaukler nur gefällt“ (3195–96); „O der ist noch nicht König, der der Welt/Gefallen muss! Nur der ist’s, der bei seinem Tun/Nach keines Menschen Beifall braucht zu fragen.“ (3197–99); „Das Muster, das ich selber gab, verdammt mich!“ (3204); „Mich zu vernichten streben alle Mächte/Des festen Landes ...“ (3214–15); „... Den Flecken meiner fürstlichen Geburt,/Wodurch der eigne Vater mich geschändet“ (3223–24); „Nein, diese Furcht soll endigen!“ (3228); „Sobald dem Briten keine Wahl mehr bleibt,/Bin ich im echten Ehebett geboren!“ (3247–48). 4./11. Personen:
Elisabeth, Davison
Der herbeigerufene Davison berichtet Elisabeth von der aufgebrachten Volksmenge, die jedoch von den bisher bei ihr weilenden Lords beruhigt werde und Shrewsbury umjubele, weil dieser die Königin vor einem Anschlag bewahrt habe. Dabei spricht Elisabeth von dem Wankelmut des Volkes.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe Gleichzeitig übergibt sie Davison das unterschriebene Todesurteil mit der Anweisung, dieses zurückzunehmen. Davisons Entsetzen sucht sie zu entkräften, indem sie nur auf die ihr angeratene Unterschrift hinweist und die Verantwortung für deren Folgen Davison überträgt. Doch dieser erbittet von ihr eine eindeutig klare Anweisung, die ihm Elisabeth jedoch verweigert, zumal sie sich gedanklich von den Folgen ihrer Unterschrift trennt. Davison versucht vergeblich, ihr das unterschriebene Schriftstück zurückzugeben, Elisabeth erinnert ihn an seine Amtspflicht. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Das Toben war auch augenblicks gestillt,/Sobald der Graf von Shrewsbury sich zeigte.“ (3251–52); „... Die wankelmüt’ge Menge,/Die jeder Wind herumtreibt! ...“ (3260–61); „Und dieses Blatt – Nehmt es zurück – Ich leg’s/In Eure Hände“ (3264– 65); „... Ein Blatt Papier entscheidet/Noch nicht, ein Name tötet nicht.“ (3267–68); „... Gott legt ein wichtig groß Geschick/ In Eure schwachen Hände ...“ (3279–80); „In klare Worte fasse deine Meinung,/Was soll mit diesem Blutbefehl geschehn?“ (3297–98); „Ich will, dass dieser unglücksel’gen Sache/Nicht mehr gedacht soll werden, ...“ (3305–06); „Nimm dies Papier zurück! Nimm es zurück!/Es wird mir glühend Feuer in den Händen.“ (3321–22); „... Tut, was Eures Amts ist.“ (3324).
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4./12. Personen:
Davison, Burleigh
Burleigh trifft Davison, der unmittelbar nach der Unterredung mit Elisabeth unschlüssig das unterschriebene Todesurteil in der Hand hält. Er erkennt, für das ihm übertragene Staatsamt nicht geeignet zu sein, da er wegen der unklaren Anweisung 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe Elisabeths nichts Falsches tun will. Burleigh drängt jedoch auf schnelle Ausführung des Urteils, andernfalls drohe ihm selbst Unheil. Wegen seiner anhaltenden Zweifel entreißt ihm Burleigh schließlich das Urteil und entfernt sich damit.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Befreiet mich davon. Ich übernahm es,/Unkundig seiner Rechenschaft! ...“ (3330–31); „... ich gehöre nicht auf diesen Platz“ (3333); „Ich soll’s vollziehen lassen – soll es nicht ...“ (3342); „Gebt her! Ihr seid verloren, wenn Ihr säumt.“ (3345). 5./1. Personen:
Hanna Kennedy, Paulet, Drury, Melvil
Während Paulet und Drury sich um Wertgegenstände kümmern und Hanna letzte Verfügungen Marias ordnet, trifft deren soeben eingetroffener Haushofmeister bei Hanna ein, um von Maria Abschied zu nehmen. Er ermahnt Hanna, ihren Schmerz nicht zu zeigen und Maria mit Fassung voranzugehen. Dabei erfährt er von der heldenhaften Haltung Marias, die nicht wegen ihres eigenen Schicksals, sondern wegen des Verrates durch Leicester, aber auch wegen Mortimers Schicksal Tränen vergossen habe.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Den letzten, ewigen/Abschied von meiner Königin zu nehmen.“ (3353–54); „... Lasst uns/Einander nicht erweichen! ...“ (3363–64); „... Sie selber ist’s,/Die uns das Beispiel edler Fassung gibt.“ (3377–78); „... nicht das eigne Schicksal,/Der fremde Jammer presste sie ihr ab.“ (3416–17).
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe 5./2. Personen:
Margareta Kurl, Kennedy, Melvil
Da Hanna von Maria gerufen wird, erfährt Melvil von der ehemaligen Kammerfrau Marias, Margareta Kurl, dass ihr Mann vor Gericht falsche Aussagen gemacht hätte und somit am Tod Marias schuldig sei. Stichwörter/wichtige Textstellen: „O der nichtswürdig schändliche Verräter!“ (3435); „O seine Seele sei verflucht/Bis in die Hölle! Er hat falsch gezeugt ...“ (3438–39).
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5./3. Personen:
Margareta Kurl, Kennedy, Melvil, Burgoyn
Marias Arzt Burgoyn verlangt für Maria Wein, da trotz ihrer Tapferkeit die Angst vor dem bevorstehenden Tod sichtbar werden könne. Auf Melvils Verwunderung wegen des prachtvollen Bechers reagiert die Amme Kennedy mit Mehrdeutigkeit, wonach erst der Tod den Überfluss zurückbringe. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Und ihre Feinde sollen sich nicht rühmen/Dass Furcht des Todes ihre Wangen bleichte, ...“ (3451–52); „... Wir litten Mangel, da wir lebten,/Erst mit dem Tode kommt der Überfluss zurück“ (3458–59).
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2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe 5./4. Personen:
Margareta Kurl, Kennedy, Melvil, Burgoyn
Maria bereitet sich allein auf den Tod vor und hat daher ihre Bediensteten weggeschickt. So trifft Melvil voller Freude auf die ehemaligen Bekannten.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Sie will zum letzten Mal allein/Mit Gott sich unterhalten!“ (3462–63). 5./5. Personen:
Margareta Kurl, Melvil, Burgoyn
Die Kammerfrau Kurl berichtet von dem erschreckenden Anblick der Hinrichtungsstätte und von der mordlüsternen Menschenmenge, die sie kurz erblicken musste, als sie Maria den Wein brachte.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Voll Menschen war/Der Saal, die um das Mordgerüst sich drängten, ...“ (3475–76). 5./6. Personen:
Maria, Margareta Kurl, Melvil, Burgoyn
Maria spricht zu ihren betrübten Vertrauten von ihrer Freude, da der Tod ihr die ersehnte Erlösung bringe. Sie lässt ihren Verwandten Gruß- und Segenswünsche übermitteln, und bittet ihre Vertrauten, England zu verlassen, und verteilt an sie ihren persönlichen Besitz. Margareta Kurl, der Gattin ihres Verleumders, versichert sie, sich nicht an ihr rächen zu wol-
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe len, was sie an der Hinterlassenschaft erkennen werde. Die Dienerin Berta erinnert sie an deren Plan, in ein Kloster einzutreten, da sie am Schicksal ihrer Königin erkennen könne, wie vergänglich die materiellen Werte seien. Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Freuen solltet/Ihr euch mit mir, dass meiner Leiden Ziel/ Nun endlich naht, ...“ (3480–82); „Ich segne meinen Öhm, den Kardinal,/Und Heinrich Guise, meinen edlen Vetter.“ (3523– 24); „Bleibt nicht in England, dass der Brite nicht/Sein stolzes Herz an eurem Unglück weide, ...“ (3536–37); „Worüber mir vergönnt ist frei zu schalten,/Das hab ich unter euch verteilt, ...“ (3544–45); „Dass ich des Gatten Schuld an dir nicht räche,/ Wird mein Vermächtnis offenbaren ...“ (3556–57); „O eile, dein Gelübde zu vollziehn!/Betrüglich sind die Güter dieser Erden,/Das lern an deiner Königin ...“ (3577–79).
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5./7. Personen:
Maria, Melvil
Während Maria und Melvil allein zurückbleiben, vertraut sie ihm ihre Not an, nicht vor einem katholischen Priester beichten zu können und somit in ihrer letzten Stunde von ihrer Kirche auch keine Vergebung erhalten zu können. Zwar tröstet sie Melvil damit, dass es auf die Absicht und nicht die vollbrachte Tat ankomme, doch Maria möchte ein Zeichen der Kirche sehen. Sie ist sogar bereit, ihm als einem nicht Geweihten ihre Vergehen zu nennen. Dies veranlasst Melvil, sich als geweihter katholischer Priester zu offenbaren und zur Freude Marias deren Beichte abnehmen zu können. Ihr Schuldbekenntnis enthält neben Neid, Hass und Ehebruch auch den Mord an ihrem Gatten. Auf die Frage, ob sie nicht das Verge2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe hen vorbringen möchte, weswegen sie mit dem Tode bestraft worden sei, nämlich am Hochverrat Babingtons und Parrys beteiligt gewesen zu sein, bekräftigt sie, Elisabeth niemals nach dem Leben getrachtet zu haben. Somit zeigt sich für Melvil, dass Maria unschuldig hingerichtet werde und dass sie für ihr zurückliegendes Leben büße.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Bald soll ich treten vor den höchsten Richter,/Und noch hab ich den Heil’gen nicht versöhnt.“ (3589–90); „Wo zwei versammelt sind in meinem Namen,/Da bin ich gegenwärtig unter ihnen.“ (3635–36); „… Du irrest dich. Hier ist/Ein Priester, und ein Gott ist hier zugegen.“ (3647–48); „Du sagst mir nichts von deinem blut’gen Anteil/An Babingtons und Parrys Hochverrat?“ (3713–14); „Du fehltest nur aus weiblichem Gebrechen, ...“ (3740). 5./8. Personen:
Maria, Melvil, Burleigh, Leicester, Paulet
Maria wird im Auftrag Elisabeths nach ihren letzten Wünschen gefragt. Sie nennt ihr Testament, das alles enthalte, und bittet darum, ihre bisherigen Bediensteten nach ihrem Tod aus England fortziehen zu lassen. Ferner möge ihr Herz in Frankreich begraben und ihre Schwester Elisabeth um Vergebung gebeten werden.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Es ist der Wille meiner Königin,/Dass Euch nichts Billiges verweigert werde.“ (3767–68); „Ich bitte, meine Diener ungekränkt/Nach Schottland zu entlassen, oder Frankreich,/ ...“ (3773–74); „So dulde man, dass dieser treue Diener/Mein
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe Herz nach Frankreich bringe zu den Meinen.“ (3778–79) „Der Königin von England/Bringt meinen schwesterlichen Gruß – ...“ (3781–82); 5./9. Personen:
Maria, Melvil, Burleigh, Leicester, Paulet, Hanna Kennedy
Maria dringt darauf, dass sie von Hanna Kennedy auf dem Weg zum Schafott begleitet wird. Dabei erkennt sie unter den anwesenden Adeligen Graf Leicester, den sie anspricht und an sein Versprechen erinnert, sie aus dem Kerker zu führen und anschließend zu heiraten. Mit der so erlangten Freiheit habe sie auf ein neues Leben gehofft. Da er jedoch um zwei Königinnen habe werben können, habe er sich nicht um ihre wahre Liebe bemüht, sondern um die Elisabeths mit dem Preis, vor dieser knien zu müssen. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Die kleine Bitte könntet ihr mir weigern?/Habt Achtung gegen mein Geschlecht! ...“ (3801–02); „Ihr haltet Wort, Graf Leicester – Ihr verspracht/Mir Euren Arm, aus diesem Kerker mich/Zu führen, und Ihr leihet mir ihn jetzt!“ (3819–21); „Ein zärtlich liebend Herz habt Ihr verschmäht,/Verraten, um ein stolzes zu gewinnen,/Kniet zu den Füßen der Elisabeth!“ (3834–36).
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5./10. Personen:
Leicester
Nach der Begegnung mit Maria wird sich Leicester seines Verrates an ihr bewusst. Entgegen seines Vorsatzes, ihrer Hin2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe richtung beizuwohnen, kann er sich nicht dazu überwinden und verfolgt aus dem Hintergrund Marias Enthauptung.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Und mir bleibt die Verzweiflung der Verdammten.“ (3846); „Ich kann, ich kann das Schreckliche nicht schauen,/Kann sie nicht sterben sehn ...“ (3862–63). 5./11. Personen:
Elisabeth
Elisabeth erwartet Nachricht über die Vollstreckung des Urteils. Einsamkeit und Unruhe lassen sie Schlimmes ahnen.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Ist es geschehen? Ist es nicht? ...“ (3880); „Graf Leicester zeigt sich nicht, auch Burleigh nicht, ...“ (3882). 5./12. Personen:
Elisabeth mit einem Pagen
Auf die Frage nach Leicester und Burleigh erfährt Elisabeth, dass diese nicht aufzufinden seien. Ihre Genugtuung, nun endlich ohne Furcht Alleinherrscherin sein zu können, ist jedoch nicht frei von Angst, die sie jedoch mit dem Vorsatz öffentlicher Trauer um Maria verdrängen will.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Du kommst allein zurück – Wo sind die Lords?“ (3888); „Jetzt endlich hab ich Raum auf dieser Erde./Was zittr’ ich? ...“ (3896–97); „... Es soll an Tränen mir/Nicht fehlen, die Gefallne zu beweinen!“ (3899–3900).
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe 5./13. Personen:
Elisabeth, Shrewsbury
Unmittelbar nach Elisabeths Erkenntnis ihres zweifelhaften Sieges über Maria wird sie von Graf Shrewsbury aufgesucht. Er habe nochmals die Schreiber Marias im Gefängnis befragt, um die Richtigkeit des Urteils festzustellen. Statt einer Bestätigung habe er vom Wahnsinn Befallene vorgefunden. Das Zeugnis gegen Maria sei falsch, da die Briefe an Babington nicht dem von Maria diktierten Wortlaut entsprächen. Elisabeth sichert mit der missverständlichen Bemerkung, es sei noch Zeit, daher eine neue Untersuchung zu, um die königliche Ehre nicht zu beflecken. Stichwörter/wichtige Textstellen: „Mein sorgenvolles Herz, um deinen Ruhm/Bekümmert, trieb mich heute nach dem Tower,/“ (3907–08); „Wie ein von Furien Gequälter, lag/Der Schotte Kurl auf seinem Lager ...“ (3917– 18); „Er habe falsch gezeugt, ...“ (3936); „Euch zur Beruhigung erneure man/die Untersuchung – Gut, dass es noch Zeit ist!/ An unsrer königlichen Ehre soll/Auch nicht der Schatten eines Zweifels haften.“ (3956–59).
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5./14. Personen:
Elisabeth, Graf Shrewsbury, Davison
In Anwesenheit von Shrewsbury verlangt Elisabeth das Urteil zurück, das sie Davison zur Verwahrung anvertraut hatte. Sie erfährt jedoch, dass dieser es Burleigh übergeben habe, da ihre Anweisung nicht eindeutig gewesen sei. Elisabeth leugnet dies und droht Davison mit der Todesstrafe, sofern aus seinem Verhalten ein Unglück entstanden sei. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.2 Inhaltsangabe
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „Ihr wisst, was ich Euch sagte – Nun! Gebt her!“ (3967); „Sie ist in Burleighs Händen – schon seit gestern.“ (3975); „Das hast du nicht befohlen, Königin.“ (3978); „... Du wagst es, meine Worte/Zu deuten? ...“ (3982–83); „Mit deinem Leben sollst du mir’s bezahlen.“ (3986). 5./15. Personen:
Elisabeth, Graf Burleigh, Kent
Shrewsbury,
Davison,
Burleigh huldigt Elisabeth mit dem Wunsch, dass es allen ihren Feinden wie Maria ergehen möge. Elisabeth antwortet mit der Frage, ob er das Urteil von ihr empfangen habe. Wegen der voreiligen Vollstreckung habe er ihre Möglichkeit der Begnadigung verhindert. Deswegen werde er sich vor Gericht verantworten müssen. Shrewsbury durchschaut jedoch das Spiel Elisabeths, setzt sich für Burleigh ein und bittet um seine Entlassung. Er sei zu alt und unbeugsam, um ihr weiterhin dienen zu können. Elisabeths Erstaunen kommentiert Shrewsbury mit dem Eingeständnis, ihre Taten nicht mehr verantworten zu können. Von ihrem besten Berater verlassen, ruft Elisabeth nach Leicester und muss erfahren, dass auch dieser ihr den Rücken zugekehrt und sich nach Frankreich abgesetzt habe.
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Stichwörter/wichtige Textstellen: „... Hat Davison ihn Euch/In meinem Namen übergeben?“ (4001–02); „... Euch gebührte nicht,/Der Milde unsres Herzens vorzugreifen“ (4005–06); „Ein strengeres Gericht erwartet Euch, ...“ (4008); „Wirf sie nicht ins Gefängnis, die für dich/ Gehandelt haben, die jetzt für dich schweigen.“ (4017–18); „...
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2. Textanalyse und -interpretation
2.2 Inhaltsangabe Verzeih, ich bin zu alt,/Und diese grade Hand, sie ist zu starr,/ Um deine neuen Taten zu versiegeln.“ (4023–25); „... Ich habe deinen edlern Teil/Nicht retten können ...“ (4028–29); „... Der Lord lässt sich/Entschuldigen, er ist zu Schiff nach Frankreich.“ (4033–34).
2. Textanalyse und -interpretation
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2.3 Aufbau
2.3 Aufbau 2.3.1 Innerer Aufbau: Begründung der Handlungsweisen der Königinnen Schillers Drama zielt entsprechend seiner Konzeption als „Trauerspiel“ auf den nachvollziehbaren Grund für die Trauer: Das Todesurteil ist gefällt, die Hinrichtung Marias lässt sich bereits im 1. Auftritt des 1. Aufzuges als logische Konsequenz der Anklage nicht mehr verhindern. Vor dem Beginn des dramatischen Geschehens steht somit dessen Ergebnis fest. Dafür werden drei schwerwiegende Gründe angeführt:
Konzeption als „Trauerspiel“
a) Maria als Anstifterin zum Aufruhr: „Doch wusste sie aus diesen engen Banden/Den Arm zu strecken in die Welt, die Fackel/Des Bürgerkrieges in das Reich zu schleudern,/Und gegen unsre Königin, die Gott/Erhalte! Meuchelrotten zu bewaffnen.“ (64–68). b) Maria als Mörderin: „Sie kam ins Land als eine Mörderin,/ Verjagt von ihrem Volk, des Throns entsetzt,/Den sie mit schwerer Greueltat geschändet.“ (98–100). c) Maria als Unheil für England: „... Und unheilspinnend diese ganze Insel/Aus ihrem Kerker zu erobern hofft.“ (114–115). Somit ist das politisch begründete Urteil mit dem moralisch begründeten verbunden, so dass die Anklage zu einer komplexen Einheit wird. Der dramatische HöDer dramatische Höhepunkt hepunkt wird daher mit der Umkehrung der Anklage erreicht, die sich somit gegen Elisabeth richtet:
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2. Textanalyse und -interpretation
2.3 Aufbau a) Maria als Opfer von Verleumdung: „Du sagst mir nichts von deinem blut’gen Anteil/An Babingtons und Parrys Hochverrat? ...//... Ich bin bereit zur Ewigkeit zu gehn,/...// ... Doch wiederhol ich’s, meine Beichte ist vollendet.“ (3713 und 3720); „So hätten deine Schreiber falsch gezeugt?/Wie ich gesagt, so ist’s. Was jene zeugten,/Das richte Gott!“ (3731–33). b) Maria als abgewiesene Reumütige: „Ich will mich auch noch diesem unterwerfen./Fahr hin, ohnmächt’ger Stolz der edeln Seele!/Ich will vergessen, wer ich bin, und was/Ich litt, ich will vor ihr mich niederwerfen, ...“ (2245–48). c) Maria als Hilfsbedürftige: „Ich kam zu Euch als eine Bittende,/Und Ihr, des Gastrechts heilige Gesetze,/Der Völker heilig Recht in mir verhöhnend,/Schlosst mich in Kerkermauern ein, ...“ (2298–2301); „ – Jetzt macht ein Ende, Schwester. Sprecht es aus, ...//... Sprecht dieses Wort aus. Sagt mir: „Ihr seid frei, ...“ (2386 und 2390). Den gegensätzlichen Machtansprüchen stehen gegensätzliche Ziele und somit auch gegensätzliche Argumentationsweisen gegenüber. Damit wird die Zieldrama Grundlage für das Zieldrama gelegt, das zu einem anvisierten Ergebnis führen muss: Elisabeth verwirklicht den Anspruch auf den Thron Englands, und somit Ausschaltung und Vernichtung der Konkurrentin. Maria fordert den Anspruch auf den Thron Englands, und somit Befreiung aus dem Kerker und Gleichrangigkeit mit Elisabeth. Da der Thron nicht zu teilen ist, kann es äußerlich und innerlich nur einen Gewinner und einen Verlierer geben.
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2.3 Aufbau
analytisches Drama
Daher finden sich auch Merkmale des analytischen Dramas:
Elisabeth bangt um ihre Macht und demoralisiert ihre Gegnerin mittels Gewalt, Maria hofft auf Gerechtigkeit und demoralisiert ihre Gegnerin als unrechtmäßig Gefangene. 2.3.2 Formaler Aufbau Als Verbindung zwischen inhaltlichem und formalem Aufbau können die großen Monologe Marias, die großen Monologe Elisabeths und Mortimers gesehen werden. Monologe als Antriebe, Zäsuren und Wendepunkte: • Dreimal nutzt es Maria, ihre Gesinnung darzulegen, wobei der Wandel ihrer Haltung deutlich hervortritt: Im ersten Monolog „Und das sind meine Richter! ...“ (789–826) geht es ihr grundsätzlich um Gerechtigkeit und politischen Ausgleich: „Ich will gerecht sein gegen Euch! Seid Ihr’s/ Auch gegen mich ...“ (790–91). Im zweiten, dem Begegnungsmonolog „Womit soll ich den Anfang machen, ...“ (2288–2327) zeigt sie ihre ambivalente Haltung, da sie auf Machtansprüche längst verzichtet hat: Zunächst entschuldigt sie das Vorgehen Elisabeths: „Das ist das Fluchgeschick der Könige,/Dass sie, entzweit, die Welt in Hass zerreißen“ (2316–17). Zusätzlich bietet sie Elisabeth Versöhnung und Reue an: „... Nennt mir meine Schuld,/Ich will Euch völliges Genügen leisten.“ (2321–22). Im dritten Monolog „Ach Melvil! ...“ (3601–24) hat sie allem Irdischen entsagt, da es ihr nur noch um ihr Seelenheil geht.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.3 Aufbau • Zweimal nutzt es Elisabeth, ihren staatspolitischen Standpunkt, der mit ihrer Gesinnung nicht genau übereinstimmt, darzulegen. Auch dabei findet sich ein Wandel ihrer Sicht: Ihr erster Monolog enthält eine Rechtfertigung: „Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes, ...“ (1155–84). Ihr zweiter Monolog „O Sklaverei des Volksdiensts! ...“ (3190–3248) enthält eine Verteidigung und wie der zweite Monolog Marias eine ambivalente Gedankenführung: Einerseits die Klage über ihr königliches Amt, andererseits den Vorsatz, ihren Machtanspruch zu verteidigen: „Nein, diese Furcht soll endigen ...“ (3228). • Zweimal nutzt es Mortimer, seine innere Haltung auszubreiten, nicht so sehr als Selbstdarstellung, sondern als Beweis seiner ehrlichen Absicht, aus der sich als Nebenprodukt die Liebe zu Maria entwickelt. Sein erster Monolog ist im Gespräch mit Maria enthalten, nicht so sehr als Teil dieses Gespräches, vielmehr als Darstellung seiner Glaubwürdigkeit: „Ich zählte zwanzig Jahre, Königin, ...“ (409– 50). Sein zweiter Monolog kann als Abrechnung mit Elisabeth gewertet werden: „Geh, falsche, gleisnerische Königin! ...“ (1632–61). Betrachtet man den Aufbau des gesamten Dramas, so sind nicht nur die drei genannten Gestalten eigenständige inhaltliche Brennpunkte, sondern formale Angelpunkte, die den Fortgang des Geschehens steuern. Sicher kann es auch nicht allein als Standortbestimmung gesehen werden, sondern auch als Motor für die weitere Entwicklung, Motor für die weitere Entwicklung wenn die Protagonisten in Monologen Selbstverteidigung mit Selbstdarstellung verbinden. Maria strebt nach Gerechtigkeit und Ausgleich.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.3 Aufbau Einen Ausgleich kann es nicht geben, da sich die beiden Kontrahentinnen Elisabeth und Maria im gleichen geistig-kulturellen Rahmen befinden und trotz ihrer unterschiedlichen Ziele die gleichen Wertvorstellungen als gemeinsame Ausgangsebene verfolgen. Entsprechend dem herkömmlichen, fünfstufigen Schema lässt sich der äußere, „klassische“ Aufbau dieser beiden Dramenarten9 auch bei Maria Stuart finden als • dramatische Exposition als Einstimmung in die Verhältnisse, die zur Katastrophe führen, • Steigerung bis zur konfliktartigen Verwicklung, • Höhepunkt, in dem die Bedingungen für den weiteren Verlauf vorbereitet werden, • reflektierende oder fallende Handlung als vorbereitende Diskussion der Lösung, • Katastrophe als Lösung für die entscheidenden Handlungsträger. Diese „Stufen“ sind jeweils für sich in fünf Bereiche abgegrenzt, von denen jeder einen eigenen inneren Bewegungsablauf besitzt – für die Darstellung auf der Bühne wird mit dieser Transparenz die emotionale Teilnahme an den Schicksalen der Figuren erleichtert. Das äußere Geschehen wird von inGeschehen neren Motiven der Handlungsträger gesteuert, es ist daher mit dem inneren Geschehen verflochten und bestimmt somit auch den formalen Aufbau: ERSTER AUFZUG: Konzentration auf das Geschehen um Maria Stuart. Nur indirekt wird auf Elisabeth als äußerliche Verursacherin der Lebensumstände Marias eingegangen. Dazu werden acht Auftritte benötigt. 9
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vgl. dazu Wilpert, Gero von, Sachwörterbuch der Literatur, ebd., S. 112 2. Textanalyse und -interpretation
2.3 Aufbau ZWEITER AUFZUG: Konzentration des Geschehens auf das Umfeld Elisabeths. Dazu werden neun Auftritte benötigt. DRITTER AUFZUG: Demütigung Elisabeths als moralischer Sieg Marias. Dazu werden acht Auftritte benötigt. VIERTER AUFZUG: Konzentration des Geschehens auf das Urteil gegen Maria. Dazu werden zwölf Auftritte benötigt. FÜNFTER AUFZUG: Konzentration des Geschehens auf die Getreuen Marias und auf die Folgen der Hinrichtung. Dazu werden fünfzehn Auftritte benötigt. Die Folgen von Macht und Ohnmacht führen schließlich zur Umkehr der Rollen und kennzeichnen den inneren Aufbau: „– Ist’s geschehen? Ist es nicht? – Mir graut/Vor beidem, und ich wage nicht zu fragen!“ (3880–81). Die Grenze zwischen inhaltlichem und formalem Aufbau ist nur schwer zu erkennen. Ferner führen die Folgen von Macht und Ohnmacht zur Umkehr der Rollen: Maria ist innerlich gefestigt: „Ich fürchte keinen Rückfall. Meinen Hass/ und meine Liebe hab ich Gott geopfert.“ (3761–62). Elisabeth wird zunehmend von Angst befallen: „Jetzt endlich hab ich Raum auf dieser Erde./ – Was zittr’ ich? Was ergreift mich diese Angst?“(3896–97). Im Wechsel der Gefühlsbewegungen beweist Schiller, wie fragwürdig die Einteilung der Rollen der Königinnen in Verliererin und Siegerin ist.
2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Die Zuordnung der Personen im Umfeld des Königshofes zu den beiden Königinnen ist nicht immer eindeutig. Dennoch ermöglichen die jeweiligen Einzelhandlungen meist ihren klaren Standort, wenn er sich auch mitunter zu verschieben scheint. Die beiden Kristallisationspunkte sind Maria und Elisabeth. Ihre charakterlichen Gegensätze erklären den daraus entstehenden Konflikt, der das Geschehen vorantreibt. Gleichzeitig kennzeichnet dieser Konflikt ihre Charaktere: 2.4.1 Maria tritt als aktiv Handelnde schon im 2. Auftritt in den Vordergrund, dabei verraten ihre Worte trotz des Bewusstseins um ihren Rang als Königin, der die Freiheit entzogen wurde, edle Gesinnung. Sie wird mit den Worten vorgestellt: „... Man kann uns niedrig/Behandeln, nicht erniedrigen ...“ (155–56). Würde, Ausgleich gegenüber ihrer empörten Amme und zur Schau gestellte Entsagung sprechen aus ihren Worten, wobei sie die Stellung Elisabeths anzuerkennen scheint, wenn sie von ihrer „königliche(n) Schwester“ (162) spricht. Mit vorbehaltloser Offenheit scheint sie bestehende Missverständnisse beseitigen zu wollen: „... Ihr allein, der Schwester,/Der Königin, der Frau kann ich mich öffnen.“ (175–76). Dass sie vor der Stellung Elisabeths als Königin deren Eigenschaft als Schwester betont, deutet allerdings auf eine Absicht hin: Als Schwester ist sie Königin Schottlands als Königin Schottlands gleichrangig mit Elisabeth als Königin Englands. Da ihre herausragenden Stellungen gleichwertig sind, betont Maria die dritte Eigenschaft: Als Frau kann sie zu ihrer Schwester viel offener sprechen, als Frau verbindet sie mit ihr manches, was sich vor den Hoflakaien nicht erläutern lässt. Natürlich weiß Maria um die
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2. Textanalyse und -interpretation
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Wirkung ihres Schachzuges, wenn sie ihren Bewacher Paulet in dieser Weise mit weiblicher List anspricht. Daher kann er sich mit seiner Argumentation nur hinter dem von einer neutralen Staatsmacht bewirkten Urteil verstecken: „Was die Gerechtigkeit gesprochen, furchtlos,/Vor aller Welt wird es die Macht vollziehen.“ (249–50). Diese Äußerung zeigt jedoch genau den wunden Punkt der offiziellen Staatsmacht: Weil die Gerechtigkeit vor aller Welt, dazu noch furchtlos, gesprochen hat, wird der Garant dieser Gerechtigkeit, nämlich die Staatsmacht, das Urteil vollziehen. Damit ist es Maria gelungen, das gesprochene Urteil über sie in den Schatten der Institutionen zu drängen, so dass es letztlich von niemandem verantwortet werden muss und dadurch als ungerecht in Erscheinung tritt. Diese Äußerung Paulets ist für Maria Maria als Opfer ihres Gefühls zwar der Hinweis auf ihren bevorstehenden Tod, dafür hat sie sich aber als Opfer eingeführt, das von einer nicht direkt in Erscheinung tretenden Macht vernichtet wird. Nicht sie, sondern die Handlanger Elisabeths sind gezwungen, das weitere Vorgehen zu verantworten: „Wenn Ihr mir was zu sagen habt – von Euch/Ertrag ich viel, ich ehre Euer Alter.“ (252–53). Maria bedient sich einer nicht zu widerlegenden Vertraulichkeit, die nicht um der Sache, sondern um des Alters, d. h. um der natürlichen Würde des Menschen willen gerechtfertigt erscheint. Dass sie letztlich ihre weibliche Klugheit nicht durchhalten kann und Opfer ihres Gefühls wird, kann als charakterlicher Bruch gesehen werden, obwohl ihn Schiller für die Darstellung des weiteren Geschehens benötigt. Maria besiegelt endgültig ihre Hinrichtung durch die Schmähung Elisabeths: „Das Ärgste weiß die Welt von mir und ich/Kann sagen, ich bin besser als mein Ruf./Weh Euch, wenn sie von Euren Taten einst/Den Ehrenmantel zieht ...“ (2425–28). Wieder bedient sich Maria eines 2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken nicht genau zu überprüfenden Vorwurfes, bei dem moralische Überlegenheit und nicht die überprüfbare politisch begründete Mordabsicht vorherrscht. Diese Methode wendet sie auch bei ihrem Beichtvater an: Mit dem offenen Eingeständnis einer lange zurückliegenden Schuld, die von der katholischen Kirche längst vergeben ist, stilisiert sie sich zur reumütigen Bekennerin, obwohl ihr Treiben in Schottland bekannt war und – wenn auch politisch unkorrekt – von Elisabeth als Hilfskonstruktion für das Todesurteil benutzt wurde. Wenn sie zusätzlich zu Leicester vor dem Schafott „... ohne Schamerröten/... die besiegte Schwachheit ...“ eingesteht (3830–31), bezieht sich diese Schwachheit vordergründig auf ihre weiblichen Eigenschaften und ihre Liebe zu Leicester, in Wirklichkeit jedoch auf ihr MachtMachtstreben streben, das Leicester als Werkzeug benutzt. Dass dieser dies nicht durchschaut, beweist sein an Judas Iscariot erinnernder Ausruf: „Welch Glück der Himmel hab ich weggeschleudert! ...//... Und mir bleibt die Verzweiflung der Verdammten.“ (3844 und 3846). Marias letzte Worte kennzeichnen wieder ihre Überlegenheit noch im Angesicht des Todes und sind neben dem offenen Spott somit auch eine unverschlüsselte Warnung an Leicester: „Kniet zu den Füßen der Elisabeth!/Mög Euer Lohn nicht Eure Strafe werden!“ (3836–37). Das Unrecht des von Elisabeth sanktionierten Urteils wird im Mantel gütiger Vergebung nochmals besiegelt. Die Parallele zum inneren Triumph in Schillers Drama Die Jungfrau von Orleans, deren letzter Satz auf dem Scheiterhaufen „Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude!“ innere Überlegenheit andeutet, lässt sich nicht übersehen. 2.4.2 Elisabeth ist zwar die Verkörperung der Staatsmacht, dennoch fällt ihr eine schwache Stellung zu: Erst im 2. Auftritt des 2. Aufzu-
Verkörperung der Staatsmacht
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2. Textanalyse und -interpretation
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken ges kommt sie zu Wort, indem sie zur Selbstdarstellung dem französischen Gesandten Annehmlichkeiten ihres Herrschaftsbereiches vorführt: „... Ein gesittet fröhlich Volk,/Das sich, sooft ich öffentlich mich zeige,/Mit Segnungen um meine Sänfte drängt, ...“ (1122–24). Gleichzeitig betont sie ihre bescheidene und dienende Funktion: „Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes,/Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.“ (1155–56). Die weiblichen Vorzüge ihrer Schwester vor Augen, spielt auch Elisabeth auf ihre Weiblichkeit an und verlagert den von Bellievre aus Zweckmäßigkeit geäußerten Wunsch der ehelichen Verbindung zwischen Frankreich und England auf den unkontrollierbaren zwischenmenschlichen Bereich. Dabei betont sie die Warmherzigkeit ihrer Herrschaft und verbindet damit den politisch begründeten Wunsch nach Ausgleich zwischen den beiden Völkern: „... Es schwinde/Der Argwohn zwischen beiden Nationen,/Und ein vertraulich Band umschlinge fortan/Die Kronen Frankreich und Britannien!“ (1221–24). Dass sie dem Vertreter Frankreichs den „Hosenbandorden“, den höchsten Orden Englands, verleiht, der nur dem König und 25 weiteren Persönlichkeiten zusteht, ist ein Zeichen ihrer Sorge wegen des Urteils gegen Maria, deren Verbindungen nach Frankreich reichen. Wie sehr Elisabeth Feinde fürchtet und wie unsicher sie sich auf ihrem Thron fühlt, äußert sie in der angstvollen Beschuldigung Marias: „... – denn ihr wisst,/Dass Ihr mich habt ermorden lassen wollen.“ (2286–87). Kurz danach begründet sie ihre Angst mit ihrer eigenen Willkür: „Was ist mir Blutsverwandtschaft, Völkerrecht?/Die Kirche trennet aller Pflichten Band,/ Den Treubruch heiligt sie, den Königsmord,/Ich übe nur, was Eure Priester lehren.“ (2353–56). In ironischer Umkehrung der tatsächlichen Machtverhältnisse benötigt Elisabeth die Rechtfertigung ihres Tuns durch geplante und ehemalige 2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Handlungen ihrer Gegnerin und bestätigt auf diese Weise selbst das Unrecht des von ihr sanktiUnrecht des von ihr sanktionieronierten Urteils. Die Hoffnung, nach ten Urteils Beseitigung Marias inneren Frieden zu finden, erfüllt sich jedoch nicht, denn unmittelbar nach der Hinrichtung Marias äußert Elisabeth sorgenvolle Zweifel und existenzielle Angst: „Ist es geschehen? Ist es nicht? – Mir graut/ Vor beidem, und ich wage nicht zu fragen!“ (3880–81). 2.4.3 Personen, die Maria Stuart verbunden sind: Hanna Kennedy ist die Amme und Betreuerin Marias bis zu ihrem Gang zum Schafott. Sie erfüllt die materiellen Bedürfnisse Marias und weist auf das Unrecht der Kerkerhaft hin: „Gastfreundlich hätte England sie empfangen?/Die Unglückselige, die seit dem Tag,/Da sie den Fuß gesetzt in dieses Land,/...//... Sich wider Völkerrecht und Königswürde/Gefangen sieht, in enger Kerkerhaft/...“ (85–87 und 90–91). Erst nach der Läuterung Marias erkennt auch sie: „Erst mit dem Tode kommt der Überfluss zurück.“ (3459).
Amme und Betreuerin Marias
Melvil, Marias ehemaliger Haushofmeister, spricht Hanna Kennedy Mut zu: „Und wenn die andern alle der Verzweiflung/Sich trostlos überlassen, lasset uns/Mit männlich edler Fassung ihr vorangehn/Und ihr ein Stab sein auf dem Todesweg!“ (3371–74). Noch kurz vor Marias Tod bezeugt er ihr seine Zuneigung: „Mich drückte sonst kein Mangel, als der Schmerz/Um dich, und meine Ohnmacht, dir zu dienen!“ (3507–08). Der Sorge Marias, nicht bei einem katholischen Priester beichten zu können, setzt er entgegen: „Beruhige dein Herz. Dem Himmel gilt/Der feurig fromme Wunsch statt des Vollbringens.“ (3596–97). Somit verringert er nicht nur das
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2. Textanalyse und -interpretation
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Schuldgefühl Marias, sondern gibt sich katholischer Priester auch als katholischer Priester zu erkennen und nimmt ihr die Beichte ab: „– Und Ihr, mein Diener einst, seid jetzt der Diener/Des höchsten Gottes, und sein heil’ger Mund!“ (3665–66). Die Absolution erteilt er ihr mit der Begründung, „Blut kann versöhnen, was das Blut verbrach,/Du fehltest nur aus weiblichem Gebrechen, ...“ (3739–40). Burgoyn, der Arzt Marias, sorgt sich um deren standhafte Haltung: „Und ihre Feinde sollen sich nicht rühmen,/Dass Furcht des Todes ihre Wangen bleichte,/Wenn die Natur aus Schwachheit unterliegt.“ (3451–53). Margareta Kurl trägt als treue Kamtreue Kammerfrau Marias merfrau Marias schwer an dem Verhalten ihres Mannes, dessen Falschaussage gegen Maria in die Begründung des Todesurteils einbezogen wurde. Sie berichtet von dem blank geschliffenen Beil und den Menschen, „... die um das Mordgerüst sich drängten,/Und heiße Blutgier in dem Blick ...“ (3476–77). 2.4.4 Personen, die Elisabeth verbunden sind: Amias Paulet steht als „Hüter“ Marias „Hüter“ Marias in einem Vertrauensverhältnis zu Elisabeth. Er überprüft den Wohnraum Marias, durchsucht in der Absicht, belastendes Material zu finden, persönliche Bereiche Marias und dringt trotz des von Hanna eingelegten Widerspruchs zu intimen Geheimnissen vor. Dabei spricht er von den Verfehlungen Marias: „Doch wusste sie aus diesen engen Banden/Den Arm zu strecken in die Welt, die Fackel/ Des Bürgerkrieges in das Reich zu Bewacher Marias schleudern,/...“ (64–66). Als Bewacher
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Marias verrät er ihr das Urteil gegen sie: „Schließt Eure Rechnung mit dem Himmel ab“ (232). Seine Voraussage, wonach Maria nicht mehr zu retten sein werde, trifft zu: „Was die Gerechtigkeit gesprochen, furchtlos,/Vor aller Welt wird es die Macht vollziehn.“ (249–50). Dennoch gesteht er Verfahrensfehler ein: „Es sind Unziemlichkeiten vorgegangen/ In diesem Rechtstreit, wenn ich’s sagen darf./Man hätte diesen Babington und Tichburn/...//... Ihr gegenüberstellen sollen.“ (985–991). Auch seine weitere Voraussage bestätigt sich: „So werden Englands Feinde alle Welt/Erfüllen mit gehässigen Gerüchten,/Und des Prozesses festliches Gepräng/Wird als ein kühner Frevel nur erscheinen.“ (997–1000). Er kündigt Maria die bevorstehende Begegnung mit Elisabeth an: „In wenig Augenblicken steht sie vor Euch“ (2155). Wilhelm Cecil, Baron von Burleigh begründet als „Gesandter des Gerichts“ (688) das Urteil über Maria, ohne es direkt zu nennen. Den Gegenargumenten Marias hält er die Würde des Vorsitzenden, des Primas von Canterbury (751), und die adelige Herkunft der Mitglieder des Gerichtes entgegen: „Sagt! Konnte die Beherrscherin von England/Mehr tun, als aus der ganzen Monarchie/Die Edelsten auslesen“ (754–756). Zwar verkündet er doppeldeutig, „... nicht an die Gerechtigkeit des Weibes“ (1020) zu glauben, doch müsse Elisabeth „... der Gnade königliches Recht“ (1023) gebrauchen. Seine Überzeugung: „Sie darf nicht leben! Nimmermehr! Dies, eben/Dies ist’s, was unsre Königin beängstigt“ (1027–28) zielt auch auf seinen eigenen Schutz als Höfling Elisabeths. Im Gegensatz zu Paulet, der seine Aufgabe sehr ernst nimmt, erwägt Burleigh, Maria langsam hinscheiden zu lassen: „Man breitet aus, sie schwinde, lässt sie kränker/Und kränker werden, endlich still verscheiden,“ (1059–60). Elisabeth gegenüber bekennt und fordert er
Gesandter des Gerichts
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2. Textanalyse und -interpretation
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken offen: „Kein Friede ist mit ihr und ihrem Stamm!/Du musst den Streich erleiden oder führen./Ihr Leben ist dein Tod! Ihr Tod dein Leben!“ (1292–94). Nach Aufdeckung der Verschwörung gegen Elisabeth drängt er auf den Vollzug des Urteils und veranlasst den französischen Gesandten Aubespine zur Rückkehr nach Frankreich. „Sogleich muss der Befehl/Zur Hinrichtung verfasst und mit dem Siegel/Versehen werden“ (2648–50), „... Euch liegt ob,/Die Insel auf das Schleunigste zu räumen.“ (2666–67). Er nimmt das von Elisabeth unterschriebene und dem Staatssekretär Davison zur Verwahrung gegebene Urteil und veranlasst die Hinveranlasst die Hinrichtung Marias richtung Marias: „Gleich, augenblicks sollt Ihr’s vollziehen lassen./Gebt her! Ihr seid verloren, wenn Ihr säumt.“ (3344–45). Georg Talbot, Graf von Shrewsbury huldigt zwar Elisabeth, doch hält sich sein Rat an geltendes Recht: „... so wirst du auf ein ander Mittel sinnen,/Dies Reich zu retten – denn die Hinrichtung/Der Stuart ist ein ungerechtes Mittel./ Du kannst das Urteil über die nicht sprechen,/Die dir nicht untertänig ist“ (1315–19). Dennoch lehnt er den Urteilsspruch der staatlichen Organe ab: „Nicht Stimmenmehrheit ist des Rechtes Probe,/England ist nicht die Welt ...“ (1323–24). Ihrer Weiblichkeit stünde Milde gut: „Nicht Strenge legte Gott ins weiche Herz/Des Weibes ...“ (1343–44). Graf von Kent spielt eine untergeordnete Rolle. Er hofft auf eine Verbindung Elisabeths mit Frankreich: „... Im Ernste denk ich,/Wird sich die Festung doch ergeben.“ (1099–1100). Wilhelm Davison hat als Staatssekretär eine untergeordnete Funktion. Ihm übergibt Elisabeth das unterschriebene Urteil zur Aufbewahrung: „Und dieses Blatt – Nehmt es zurück – Ich leg’s/In Eure Hände ...“ (3264–65), wegen seiner untergeord2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken neten Stellung kann es ihm Burleigh jedoch aus den Händen nehmen: „Ihr seid ein Tor, Ihr seid von Sinnen! Gebt!“ (3347). 2.4.5 Personen, die Maria und Elisabeth verbunden sind Robert Dudley, Graf von Leicester warnt Elisabeth vor der Hinrichtung Marias: „Bei Gott! Du wirst, ich hoff’s, noch viele Jahre/Auf ihrem Grabe wandeln, ohne dass/Du selber sie hinabzustürzen brauchtest“ (1434–36). Er bereut seine Zustimmung zum Todesurteil: „Mit Schrecken seh ich sie in tiefes Elend/Herabgestürzt, gestürzt durch mein Verschulden.“ (1814–15). Nun will er Maria retten: „Und hoffe noch, das Äußerste zu hindern,/Bis sich ein Mittel zeigt, sie zu befrein.“ (1839–40). Daher überredet er Elisabeth zu der Begegnung mit Maria: „Vielleicht, dass ich durch List sie überrede,/Das Angesicht der Gegnerin zu sehn,/Und dieser Schritt muss ihr die Hände binden.“ (1902–04). Seine Charakterschwäche bewirkt die Verhaftung Mortimers und seine Abkehr von Maria Abkehr von Maria, nachdem ihre geplante Befreiung entdeckt wurde: „He da! Trabanten! Diesen Staatsverräter/Nehmt in Verwahrung und bewacht ihn wohl!“ (2794–95). Marias ironischer Verurteilung seiner Treulosigkeit schließt sich seine Erkenntnis an: „Sie geht dahin, ein schon verklärter Geist,/Und mir bleibt die Verzweiflung der Verdammten“ (3845–46). Mortimer spielt zunächst eine Doppelrolle. Zwar überreicht er Maria im Gefängnis einen Brief ihres Oheims, des Kardinals von Lothringen, und berichtet von seiner Konversion während eines Aufenthaltes in Frankreich: „Er zeigte mir, dass grübelnde Vernunft/Den Menschen ewig in die Irre leitet“ (477–78) und betont den Herrschaftsanspruch Marias: „Und alle Kundige, die ich befragte,/
Doppelrolle
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2. Textanalyse und -interpretation
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Bestätigten mir Eures Anspruchs Kraft.“ (528–29). Dennoch will er die Gunst Elisabeths nicht verlieren: „Erhabene Gebieterin, was ich/Vermag und bin, ist deinem Dienst gewidmet.“ (1580– 81). Mit Gesinnungsgefährten plant er die Befreiung Marias: „Gewaltsam auftun will ich ihren Kerker,/Ich hab Gefährten, alles ist bereit“ (1847–48). Nach der Begegnung zwischen Elisabeth und Maria bestätigt er dieser ihren Sieg, aber auch seine Liebe zu ihr: „Du warst die Königin, sie der Verbrecher ... Mit diesen Reizen, die nicht dein mehr sind,/Beselige den glücklichen Geliebten.“ (2470 und 2559–60). Seinen Treueschwur „... Eh ich dir entsage,/ Eh nahe sich das Ende aller Tage“ (2532–33) löst er nach seiner Verhaftung durch Leicester und seinen freiwilligen Tod ein: „Nicht erretten konnt ich dich,/So will ich dir ein männlich Beispiel geben.“ (2817–18). Damit verwirklicht er zwar nicht mehr, was er in seinem großen Monolog nach dem Zwiegespräch mit Elisabeth geschworen hatte, dennoch lässt sich die Ehrlichkeit seiner Absicht erkennen. Okelly, der Freund Mortimers, berichtet vom fehlgeschlagenen Attentat auf Elisabeth und rät zur Flucht. „Flieht, Mortimer! Flieht. Alles ist verloren.“ (2611). 2.4.6 Randfiguren Graf Aubespine schmeichelt Elisabeth als französischer Gesandter: „Nur eine Dame zeigt Westminsterhof/Dem überraschten Fremden – aber alles,/Was an dem reizenden Geschlecht entzückt,/Stellt sich versammelt dar in dieser einen.“ (1130–33). Nach der Entdeckung der Verbindung Marias zu Frankreich wird er durch Burleigh des Landes verwiesen: „... Euch liegt ob,/Die Insel auf das Schleunigste zu räumen.“ (2666–67). Aubespine droht mit Vergeltung: „... – doch mein Monarch/Wird blut’ge Rechenschaft“ (2694–95). 2. Textanalyse und -interpretation
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2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Graf Bellievre, der außerordentliche Botschafter Frankreichs, kniet als Beweis seiner Unterwürfigkeit vor Elisabeth, als er von ihr einen Ring empfängt. Seine Bedeutung ist rein symbolisch: „Empfang ich knieend dies Geschenk, und drücke/Den Kuss der Huldigung auf meiner Fürstin Hand!“ (1216–17). Drugeon Drury, der zweite Hüter Marias, tritt nur indirekt in einer Regieanweisung vor dem ersten Auftritt des ersten Aufzugs in Erscheinung.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen Historisch bedeutsame Orte, Personen oder Sachverhalte sowie erklärungsbedürftige Begriffe sind in der zu Grunde liegenden Textausgabe RUB 64 ausreichend erläutert. Daher wird nur auf missverständliche oder unverständliche Wendungen eingegangen: Geheimnisse der Lady (9):Nicht die persönlich privaten Gegenstände, sondern Unterlagen, die für die Herrschaft Elisabeths Gefahr bedeuten und zugleich Maria belasten können, erwecken das Interesse. Ein königliches Stirnband, ... mit den Lilien von Frankreich (18–19): Die Furcht vor dem Herrschaftsanspruch Marias und vor dem Einfluss Frankreichs, dessen Wappen drei Lilien enthält, verbindet sich damit. Sterlyn (37): Das heutige Stirling liegt ca. 100 km nordöstlich von Glasgow. Helena (84): Anspielung auf die Schönheit Marias. Hatton (709): Eines der Mitglieder des Gerichtes, das über Maria verhandelte. Völkerhirte (750): Nachdem Heinrich VIII. von der römisch-katholischen Kirche die Zustimmung zur Ehescheidung nicht erhielt, kam es zur Trennung von Rom. 1531 wurde er 2. Textanalyse und -interpretation
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen durch die Suprematsakte als alleiniges Haupt der Kirche von England anerkannt. Ölbaum (831): Der Zweig des Ölbaums gilt als Symbol des Friedens. Urtelsspruch (978): Veraltete Wendung: Das Urteil über Maria. Unziemlichkeiten (985): Unkorrektheiten, die in einem Rechtsstaat zur Aufhebung des Urteils führen. Sheriff (1072 und 3795): Oberster Grafschaftsbeamter. Er führt Maria zum Schafott. Festung (1100): Gemeint ist Elisabeth, die der Brautwerbung aus Frankreich widersteht. Frauenreich (1934): Kritik an Alleinherrschaft Elisabeths. Kelch der Freuden (1977): Doppeldeutige Wendung in Umkehrung der Bedeutung „bitterer Kelch“. Der Neid Elisabeths auf die weiblichen Vorzüge Marias mündet in die Rache der Todesstrafe. So sind die Männer (1988): Elisabeth misstraut ihren Beratern, da sie sich als despotische Herrscherin nicht nur von Maria Stuart, sondern auch von diesen bedroht fühlt. Dort legt ein Fischer ... den rettenden Kahn (2107–14): Anspielung im Vorgriff auf Schillers Drama Wilhelm Tell, das erst
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2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen vier Jahre später entstanden ist. Der Kahn als berechtigter Hoffnungsschimmer und Mittel zur Freiheit: „... nicht umsonst/Ist meines Kerkers Tor geöffnet ...“ (2119–20). Vor Eurem Richter (2169):
Nicht nur Elisabeth ist gemeint, sondern eine Anspielung auf die bevorstehende Hinrichtung Marias und damit auf das Gericht Gottes. So ehrt man einen Gott ... (2231): Elisabeth betont die Zuneigung des Volkes, die ihr entgegengebracht wird, um damit Maria ihre Sicherheit zu zeigen und sie zu demütigen. Bastard (2447): Maria wirft Elisabeth wegen deren unehelichen Geburt ihre Unrechtmäßigkeit auf dem Thron Englands vor. Und fertig ... letzten Reise (2509): Mortimer ahnt seinen Tod voraus. Recht der Abgesandten (2672): Hinweis Aubespines auf seine Immunität als Botschafter Frankreichs. Peers (2853): Mitglieder des Oberhauses. Papist (2974): Anhänger des Papstes und der katholischen Kirche. Aberglaube (3174): Burleigh spricht abfällig von der Lehre der katholischen Kirche. 2. Textanalyse und -interpretation
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2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen Flecken meiner fürstlichen Geburt (3223):
Leicesters schändlichen Verrat (3411):
Erst mit dem Tode kommt der Überfluss zurück (3459): Mordgerüst (3476): ... die frohe Seele sich/ Auf Engelsflügeln schwingt zur ew’gen Freiheit (3484):
Elisabeth weiß um ihre BastardStellung und gesteht sich selbst die Unrechtmäßigkeit ihrer Herrschaft ein. Nach der Entdeckung des geplanten Befreiungsversuches der Maria veranlasst Leicester die Verhaftung Mortimers und befreit sich damit von der Mittäterschaft.
Erwartung jenseitiger Freuden nach dem Tod. Schafott, Hinrichtungsstätte.
Thematischer Anklang an die ein Jahr später entstandene Tragödie Die Jungfrau von Orleans, deren Schlussvers lautet: „Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude“.
Dass ich des Gatten Schuld an dir nicht räche (3556): Gemeint ist Marias Kammerfrau Margareta Kurl, deren Ehemann Maria verleumdet hatte.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen Und mir bleibt die Verzweiflung der Verdammten (3846):
Ein strengeres Gericht erwartet Euch (4008):
2. Textanalyse und -interpretation
Anspielung an den Verrat des Judas Iscariot an Jesus von Nazareth, Matthäus 27,5–6. Unabhängig von der Androhung juristischer Folgen für Davison ist der Hinweis auf das Gericht gleichzeitig der Zwang zu moralisch-sittlicher Verantwortung.
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2.6 Stil und Sprache
2.6 Stil und Sprache Mit Maria Stuart hat Schiller seinen Höhepunkt der Dramatik und damit auch der dramatischen Sprache erreicht. Das bühnengerechte Werk muss sich jedoch auch nach der dargestellten Handlung richten und nach den nicht gesprochenen Bühnenanweisungen. Bereits die Bühnenanweisungen ersten beiden Zeilen belegen diese sprachliche Technik, die entsprechend der Bühnenanweisung von einem „Brecheisen“ unterstützt wird: „Was macht Ihr, Sir? Welch neue Dreistigkeit!/Zurück von diesem Schrank!“ (1–2). Die Sprachformen Frage, Ausruf als neutrale Feststellung und Befehl liegen so eng zusammen, dass der Effekt nicht auf Beantwortung oder gar Befolgung zielt, sondern einzig auf die Darstellung einer verdichteten Situation, die das Geschehen schon auf einen Eingangs-Höhepunkt vorangetrieben hat. Dies geschieht überwiegend in fünffüßigen Jamben. Diesen formalen Kontrasten entinhaltlichen Kontraste sprechen die inhaltlichen Kontraste: Da es das Ziel des Dramas ist, Einfluss auf das Publikum auszuüben, muss die Sprache auf Erregung von Leidenschaften und allgemeinen Emotionen bedacht sein. Diese Merkmale finden sich bereits im 1. Auftritt des 1. Aufzuges: „Ist das ein Schicksal für die Weicherzogne,/Die in der Wiege Königin schon war,/Am üpp’gen Hof der Mediceerin/In jeder Freuden Fülle aufgewachsen.“ (46–49). Drei Tatsachen bilden gegensätzliche Schwerpunkte: Kerkerhaft, herausragende Stellung und angenehmes Leben. In ähnlicher Art werden auch neutrale Aussagen gestaltet: „In großes Unglück lehrt ein edles Herz/Sich endlich finden, aber wehe tut’s“ (52–53). Wieder treten die Kontraste hervor:
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2. Textanalyse und -interpretation
2.6 Stil und Sprache Unglück, edles Herz, sich ... finden (d. h. sich in etwas ergeben), und wehe tut’s. Der Gegensatz, wonach ausgerechnet das „edle“ Herz in Verbindung mit dem „Unglück“ gebracht wird, entspricht demjenigen, wonach „sich ... finden“ mit „wehe tut’s“ verbunden wird. Dieses Vorgehen treibt die Intensität jedes einzelnen Ausdrucks auf den Gipfel seiner BeTechnik der emotionalen deutung – die Technik der emotionaDauerspannung len Dauerspannung wird somit erreicht. Natürlich bildet nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich der Kontrast innerhalb der Begegnung der beiden Königinnen und damit die Spannung des Konfliktes im 4. Auftritt des 3. Aufzuges den endgültigen Höhepunkt: Für diese Technik benutzt Schiller als eine Art Einstimmung den Vers „Fahr hin, ohnmächt’ger Stolz der edeln Seele!“ (2246): Die edle Seele, die Stolz nicht kennt, bezichtigt sich des Stolzes und hebt damit ihren Edelmut auf. Noch spannungsvoller wirkt die Selbstdisziplinierung Marias: „O Gott, gib meiner Rede Kraft, und nimm/Ihr jeden Stachel, der verwunden könnte!“ (2291– 92). Die Bitte um Hilfe von Gott einerseits, andererseits der Stachel, der Wunden zufügt, sind als kontrastreiche Möglichkeit das gedankliche Fundament und kennzeichnend für die Sprache. Wenn Maria noch in Demutshaltung sagt: „Und Ihr habt als Gefangne mich gehalten,/Ich kam zu Euch als Bittende“ (2297–98), wird der Gegensatz in der allgemeinen Erkenntnis und gleichzeitig in der Anklage zu seinem Gipfel getrieben: „Das ist das Fluchgeschick der Könige,/Dass sie, entzweit, die Welt in Hass zerreißen“ (2316–17). Betrachtet man unabhängig vom Fortgang der Handlung die Wortwahl, so lässt sich vor allem bei Mortimer ein handfester Realismus des Ausdrucks nicht übersehen: „Schändlicher“ 2. Textanalyse und -interpretation
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2.6 Stil und Sprache (2798), „dem Elenden“ (2799) oder „Fluch und Verderben“ (2811) als unkontrollierte Ausrufe sind Zeichen der Hilflosigkeit. Mit zunehmender Nähe zum Ende des Dramas wird – wegen des absehbaren blutigen Geschehens – auch die Sprache „blutiger“: Daraus erklärt sich „die Verzweiflung der Verdammten“ (3846) oder der Anblick des Schotten Kurl, der wie „ein von Furien Gequälter“ (3917) erscheint – spannungsreiche Andeutung kommt im naturalistischen Stimmungsgehalt des Tower, des düsteren Staatsgefängnisses, erst gar nicht auf.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.7 Interpretationsansätze
2.7 Interpretationsansätze • Das Bildungsziel der Hohen Karlsschule, die Schiller prägte, bestand trotz des äußerlichen Drills darin, individuelle Freiheit zu fördern und sich entfalten zu lassen. Daher war das Bildungsprogramm weitgehend von Gedanken der Aufklärung bestimmt. Sicher war der Widerspruch, Offiziere und Beamten auszubilden und gleichzeitig humanistisches Gedankengut zu verbreiten, kaum zu überbrücken. Dennoch lässt sich dieses Ziel den bildungspolitischen Zielen Karl Eugens entnehmen, zumal er bemüht war, Künstler und Literaten aus Italien und Frankreich an seinen Hof zu holen.10 • Unter dem Gesichtspunkt „Läuterungsdrama, Legende und Läuterungsdrama, Legende und Geschichtstragödie Geschichtstragödie“ betrachtet 11 Benno von Wiese die Dramen des späten Schiller. Dabei geht es um die entgegengesetzten Antriebe in Schillers Tragödien: Die in der eigenen Brust herrschende dämonische Freiheit steht im Gegensatz zur geschichtlichen Welt, die von tragischen Spannungen durchzogen wird. Die Verbindung von Geschichte als Staatsaktion und als Legende führen zum Wendepunkt gerade bei Maria Stuart: „... das leidvolle Spiel des Lebens wird durch die Erlösung vom Irdischen und durch die Verklärung des Menschen in Gott gekrönt.“12 • Weniger unter dem Thema der Staatsräson als an dem der individuellen Repräsentanten der Macht sieht Kurt 10 vgl. Ueding, Gert, Schillers Rhetorik. Idealistische Wirkungsästhetik und rhetorische Tradition. Tübingen 1971, S. 20 11 Wiese, Benno von, Die deutsche Tragödie von Lessing bis Hebbel. Hamburg (Hoffmann und Campe), 5. Aufl., 1961, S. 236 ff. 12 ebd. S. 238 2. Textanalyse und -interpretation
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2.7 Interpretationsansätze Wölfel13 Schillers Drama. Nicht die noch so scharf formulierten und ausgewogenen Argumente der einzelnen Protagonisten, sondern deren charakterlicharakterliche Merkmale chen Merkmale seien das Entscheidende. So steht nicht die von Elisabeth vorgetragene Staatsnotwendigkeit, sondern ihre heuchlerische Fähigkeit im Mittelpunkt des Geschehens und die Frage, „wie man politisch handeln soll, um allgemein-menschlichen, überpolitischen Normen zu entsprechen ...“14 • Die Verlogenheit der Machtinhaber, zu denen nicht nur Elisabeth, sondern auch Leicester zu rechnen sind, zeigt Arthur Henkel in seinem Beitrag Wie Schiller Königinnen reden lässt. Zur Szene III, 4 in der Maria Stuart.15 • Das Verdienst, Schillers Bewusstsein um gefährdete und bedrohte Freiheit geprägt zu haben, erläutert Eike Wolgast in dem Beitrag Schiller und die Fürsten.16 Demzufolge hatte Schiller auf Anerkennung seiner nichtmedizinischen Leistungen durch Herzog Karl Eugen gehofft, musste sich aber seine Täuschung eingestehen. Wenn er diesen als „alten Herodes“17 bezeichnete und als denjenigen, der seine Kindheit gemordet hatte, braucht Schillers Abscheu nicht eigens dargelegt zu werden. • Auf die Perfektion der Dramenkonstruktion weist Helmut Koopmann mit seinem Beitrag Maria Stuart18 hin, wobei er aufzeigt, dass sich Schuld und Sühne auf einer inneren Ebene abspielen. Demnach gibt es Freiheit nur als innere Freiheit Freiheit nur als innere Freiheit, was 13 Wölfel, Kurt, Machiavellische Spuren in Schillers Dramatik. In: Schiller und die höfische Welt, hg. v. Achim Aurnhammer, Klaus Manger, Friedrich Strack. Tübingen, 1990, S. 318 ff. 14 ebd., S. 319 15 Henkel, Arthur, Wie Schiller Königinnen reden lässt. Zur Szene III, 4 in der Maria Stuart. In: Schiller und die höfische Welt, ebd., S. 398 ff. 16 Wolgast, Eike, Schiller und die Fürsten. In: Schiller und die höfische Welt, ebd., S. 6 ff. 17 ebd. S. 11 18 Koopmann, Helmut, Schiller. Eine Einführung. München und Zürich 1988, S. 94 f.
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2. Textanalyse und -interpretation
2.7 Interpretationsansätze als Antwort Schillers auf die Französische Revolution gesehen werden kann. Nachdem Maria im Sinne der Anklage bereits verurteilt ist, kann sich das Drama nur in zwei Richtungen bewegen: einmal voran, also zum Vollzug des Urteils, zum anderen analytisch, indem die Vorgeschichte der Verurteilung enthüllt wird. Schiller hat beide Richtungen verknüpft, wobei er einen zusätzlichen dramatischen Punkt in der „Begegnungsszene“ geschaffen hat.
2. Textanalyse und -interpretation
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3. Themen und Aufgaben
3.
Themen und Aufgaben
Anm.: Die kursiv ausgewiesenen Ziffern beziehen sich auf Seitenangaben, die zu Lösungsmöglichkeiten in dem vorliegenden Text der „Königs Erläuterungen“ anregen können. Die in normaler Schrift ausgewiesenen Ziffern beziehen sich auf die Zeilenangaben der Lösungsmöglichkeiten, die der Textvorlage, RUB 64, entnommen werden können. Unabhängig davon lassen sich der Textvorlage auch andere Lösungsmöglichkeiten entnehmen. Die möglichen Antworten sollen über die vorliegenden Erläuterungen hinausführen. 3.1 Zu Maria
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Maria fühlt sich über ihre Schwester moralisch erhaben. Nennen Sie dafür drei Begründungen.
Lösungstipp: 695–706; 2378– 81; 2447–51 S. 34 f.
Nennen Sie die wichtigsten moralisch und politisch begründeten Anklagepunkte, die zur Verurteilung Marias führen.
Lösungstipp: 57 und 64–84 und 98–115 S. 30
Mit welchen Argumenten versucht Hanna Kennedy, die Schuld Marias zu entkräften?
Lösungstipp: 356–78 S. 32
Wie begründet Maria ihre Hoffnung, dass das Urteil nicht vollzogen wird?
Lösungstipp: 600–01 und 603– 05 und 2347–48 S. 34, 48 3. Themen und Aufgaben
3. Themen und Aufgaben
Von wem erhofft Maria allein ihre Rettung?
Lösungstipp: 671 und 3819–26 S. 33/34
Mit welchen Argumenten wird Marias Wunsch, vor einem katholischen Priester beichten zu können, als nebensächlich zurückgewiesen?
Lösungstipp: 3596–3600 und 3625–31 S. 63/64
Welche Bitten äußert Maria in ihrem Testament?
Lösungstipp: 3773–86 S. 64/65
Wodurch gelingt es Maria, auf ihrem Weg zum Schafott Leicester zu beschämen?
Lösungstipp: 3819–38 S. 65
Welche Wirkung verursacht Marias auf Leicester?
der
Tod
Lösungstipp: 3839–69 S. 65/66
Welche Wirkung verursacht Marias auf Elisabeth?
der
Tod
Lösungstipp: 3880–3900 S. 66
Im Gegensatz zu Maria tritt Elisabeth spät auf. In welcher Weise versucht sie dabei, sich mit Bescheidenheit vor dem französischen Gesandten in ein günstiges Licht zu stellen?
Lösungstipp: 1116–29 S. 38
3.2 Zu Elisabeth
3. Themen und Aufgaben
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3. Themen und Aufgaben
Das Urteil über Maria scheint die Freude Elisabeths trotz ihres sichtbaren politischen Erfolges zu trüben. Wie begründet sie dies?
Lösungstipp: 1146–52 S. 38
Mit welchen Argumenten lehnt Elisabeth Lösungstipp: die eheliche Verbindung mit einem „könig- 1201–04; 1210–14 lichen Sohne Frankreichs“ ab? S. 38 Elisabeth ahnt hinter dem Werben des Grafen Aubespine eine List. Wie wehrt sie sich dagegen?
Lösungstipp: 1232–36 S. 38
Wie begründet Burleigh den Vollzug des Urteils gegen Maria?
Lösungstipp: 1254–94 S. 39
Wie begründet Talbot die Aussetzung des Lösungstipp: Urteils gegen Maria? 1315–19; 1323–47; 1351–73; 1388–97; 1543–49 S. 39/40
Mit welchem Argument weist Elisabeth die Warnung vor der Vollstreckung des Urteils zurück?
Lösungstipp: 1348–50
Wie argumentiert Leicester gegen die VollLösungstipp: streckung des Urteils? 1404–36; 1438–54 S. 39
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3. Themen und Aufgaben
3. Themen und Aufgaben
Elisabeth versucht, die Folgen der Urteilsvollstreckung ihren Beratern anzulasten. Welche Argumente verwendet sie dabei?
Lösungstipp: 3963–88; 3997– 98; 4002–15 S. 67
Wodurch wird deutlich, dass die Berater Lösungstipp: die Vollstreckung des Urteils für verfehlt 4023–25; 4033–34 halten? S. 68
3.3 Zu Mortimer und Melvil Wodurch gelingt es Mortimer, das Vertrauen Marias zu gewinnen?
Lösungstipp: 1. Aufzug, 6. Auftritt S. 33/34
Wodurch gelingt es Mortimer, auch das Lösungstipp: Vertrauen Elisabeths zu gewinnen? 2. Aufzug, 4. Auftritt; 2. Aufzug, 5. Auftritt; 2. Aufzug, 6. Auftritt S. 40 S. 41 S. 42
Mortimer wirft Leicester vor, nichts für die Rettung Marias getan zu haben. Wie verteidigt Leicester sein Verhalten Maria gegenüber?
3. Themen und Aufgaben
Lösungstipp: 1805–1822; 1831–1840 S. 43
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3. Themen und Aufgaben
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Mit welchem Argument verteidigt Leicester seine halbherzige Haltung Maria gegenüber?
Lösungstipp: 1863–65 S. 43
Mortimer wirft Leicester vor, sich nicht für die Befreiung Marias eingesetzt zu haben. Bestätigt sich dies während Marias Weg zum Schafott?
Lösungstipp: 3816–37 S. 65
Wie begründet Mortimer seinen Selbstmord?
Lösungstipp: 2817–20 S. 52/53
Maria beklagt zwar, ohne Beistand eines katholischen Priesters zu sein, mit welchen Worten schränkt sie jedoch ihre Klage ein?
Lösungstipp: 3635–42 S. 63/64
Melvil offenbart sich Maria gegenüber als katholischer Priester und nimmt ihre Beichte ab. Warum zweifelt er an dem Schuldbekenntnis Marias?
Lösungstipp: 3711–15 S. 63/64
Mit welchem Argument erteilt Melvil Maria die Absolution?
Lösungstipp: 3740 S. 63/64
Melvil mahnt Maria, Bitterkeit und Hass abzulegen. Warum erscheint ihm dies besonders notwendig?
Lösungstipp: 3763–64 S. 63/64
Wie begründet Maria vor sich ihre Hinrichtung?
Lösungstipp: 3735–36 S. 63/64
3. Themen und Aufgaben
3. Themen und Aufgaben
3.4 Zur Aktualisierung des Dramas Maria erhofft sich durch das Gespräch mit Elisabeth die Befreiung aus ihrer Haft. Suchen Sie im 4. Auftritt des 3. Aufzuges die Textstellen, die dafür neu gestaltet werden müssten, damit sich diese Hoffnung erfüllen könnte. Mortimer schwört mit dem Ausspruch „Eh ich dir entsage,/ Eh nahe sich das Ende aller Tage.“ (2532–33) Treue und zugleich Hilfe. Gestalten Sie den 6. Auftritt des 3. Aufzuges so um, dass Maria Mortimer bedrängt, sie zu befreien. Gestalten Sie den o. a. Auftritt so um, dass Maria Mortimer einen fertigen Plan zur Befreiung ohne Hilfe anderer vorlegt. Maria darf vor ihrer Hinrichtung letzte Wünsche äußern (3769). Stellen Sie sich vor, dass sie um ein vertrauliches Zwiegespräch mit Leicester bittet. Gestalten Sie dieses einmal als Anklage, ein anderes Mal als ihren Beitrag zur Versöhnung mit ihm. Gestalten Sie den letzten Auftritt des 5. Aufzuges so um, dass es Elisabeth nach ihrer Information über die Falschaussage Kurls gelingt, Maria vor dem Schafott zu retten.
3. Themen und Aufgaben
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4. Rezeptionsgeschichte
4.
Rezeptionsgeschichte
An mehreren Beispielen lässt sich die unterschiedliche Bewertung des Werkes kurz nach seiner Entstehung darlegen: Nach der Uraufführung des Dramas am 14. Juni 1800 findet sich dessen Besprechung in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift Journal des Luxus und der Moden. Ob diese von Karl August Böttiger verfasst wurde, ist nicht gesichert. Aufschlussreich sind darin jedoch zwei Passagen: „Man hat sehr viel und vieles anders, als man erwartet hatte, gefunden. Darüber kann aber nur eine Stimme sein, dass auch durch dies langsam gereifte Werk eines anerkannten Meisters, unsere vaterländische Literatur um ein vorzügliches Stück reicher geworden ist. ... Gewaltig verschlingt und entwickelt sich alles in dem kühn geknüpften und gelösten Knoten, der Zusammenkunft der beiden Königinnen im Schlossgarten zu Fotheringhay, wo der Dichter es wagte, die geschichtliche Wirklichkeit höheren Forderungen der dramatischen Kunst aufzuopfern. ...“19 Wie nachhaltig die Wirkung des Dramas war, beweist ein Gedicht von Johann Bernhard Vermehren (1784–1803). Maria tritt darin als unschuldige Bittstellerin auf: „... So bittet die erhabne Königin (!),/In ihrer Unschuld edlem Hochgefühl./ Doch nichts erweicht die Brust Elisabeths,/Die Stahl und Eisen leicht besiegt; ...“20 Eine kritische Stimme fand sich 1802 in der Zeitschrift Neue Allgemeine Deutsche Bibliothek, worin es u. a. heißt: „... Man darf Täuschungen und Wirkung verfehlen, wenn man 19 Grawe, Christian, ebd., S. 112 f. 20 Vermehren, Johann Bernhard, Über Schillers Maria Stuart. Ein Gedicht. Jena: Stahl 1800, S. 18–24, zit. nach Grawe, Christian, ebd., S. 121 f.
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4. Rezeptionsgeschichte
4. Rezeptionsgeschichte nur sagt, es geschehe aus genialischer Kraft. Das allerneueste Genie achtet keine Regeln. Es verwirft sie entweder ganz, oder schafft sich solche, die so gut sind, wie keine. ...“21 Die hohe Qualität des Werkes, vor allem wegen seiner Wirkung auf der Bühne, ist in allen Rezensionen, die nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen sind, unumstritten: Gert Sautermeister fasst die unterschiedlichen Vorgänge der Maria Stuart exemplarisch für Schillers Dramenkunst zusammen: „... Wenn Schillers Trauerspiel seelische und geschichtliche, private und öffentliche Vorgänge an zwei Hauptgestalten darstellt und in symmetrisch ausgeführter Gegensätzlichkeit zuspitzt, so markiert es einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der MariaStuart-Dramen: Es fasst sie wie in einem Brennpunkt zusammen, vereinigt die Einseitigkeiten, verschränkt den politisierenden mit dem individualisierenden, den spannungserzeugenden mit dem argumentierenden, den konfliktreichen mit dem psychologisierenden Tragödientypus. ...“22 Adolf Beck hebt die dramatische Technik des Werkes hervor: „Wer ein Meister- und Schulstück dramatischer Technik und Schiller‘scher Tragik wie ‚Maria Stuart’ nach Stoff und Form, Gehalt und Stil systematisch interpretieren und rundum gleichmäßig ablichten wollte, der trüge wohl Eulen nach Athen.“ 23 Becks Betrachtung untersucht das Werk nach drei Richtungen: I. Der „poetische Kampf mit dem historischen Stoff“ und dessen „tragische Qualität“, II. „Der Augenblick“, III. „Das Leben“. 21 ebd., S. 131 22 Sautermeister, Gert, Ästhetik, Seelenkunde, historisch-gesellschaftlicher Ort. In: Schillers Dramen: Neue Interpretationen, hrsg. von Walter Hinderer, Stuttgart, 1979, S. 282 f. 23 Beck, Adolf. Schiller. Maria Stuart. In: Das deutsche Drama. Vom Barock bis zur Gegenwart, hrsg. v. Benno von Wiese, Düsseldorf, 1964, S. 307 ff. 4. Rezeptionsgeschichte
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4. Rezeptionsgeschichte Helmut Koopmann24 weist in seinem Maria-Stuart-Kapitel auf die Perfektion der Dramenkonstruktion hin und darauf, dass sich Schuld und Sühne auf einer inneren Ebene abspielen.
24 Koopmann, Helmut, Schiller. Eine Einführung, ebd., S. 99
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4. Rezeptionsgeschichte
5. Materialien
5.
Materialien
Für Maria Stuart kann das Ende ihres Lebens, äußerlich betrachtet, als tragisch angesehen werden. Eine Entsprechung dazu findet sich in Schillers Drama Die Jungfrau von Orleans. Eine romantische Tragödie, vor allem hinsichtlich der Gestaltung des Endes der Schlussszene: „Und bin ich wirklich unter meinem Volk/Und bin nicht mehr verachtet und verstoßen?/Man flucht mir nicht, man sieht mich gütig an?/Ja, jetzt erkenn ich deutlich alles wieder!/Das ist mein König! Das sind Frankreichs Fahnen!/Doch meine Fahne seh ich nicht – Wo ist sie?/Nicht ohne meine Fahne darf ich kommen,/Von meinem Meister ward sie mir vertraut,/Vor seinem Thron muss ich sie niederlegen,/Ich darf sie zeigen, denn ich trug sie treu ... Seht ihr den Regenbogen in der Luft?/Der Himmel öffnet seine goldnen Tore,/Im Chor der Engel steht sie glänzend da,/Sie hält den ew’gen Sohn an ihrer Brust,/Die Arme streckt sie lächelnd mir entgegen./ Wie wird mir – Leichte Wolken heben mich – /Der schwere Panzer wird zum Flügelkleide./Hinauf – hinauf – Die Erde flieht zurück – /Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude!“25
Benno von Wiese richtet seinen Blick auf das Menschliche: „Diese leidenschaftliche, unkluge und oft von Illusionen verführte Seele weckt die großen Passionen. Ihr Liebreiz, ihre Wehrlosigkeit, ihre sündige Vergangenheit und ihre königliche Haltung strahlen einen geheimnisvollen Zauber aus ... so dass wieder einmal das Recht auf die Seite des Unrechts, das Unrecht auf die Seite des Rechtes hinüberwandert.“ 26 25 Schillers Werke in fünf Bänden, Band 3, ebd., S. 280 f. 26 Wiese, Benno von, Die deutsche Tragödie von Lessing bis Hebbel, Hamburg, 5. Aufl., 1961, S. 242 f. 5. Materialien
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5. Materialien Helmut Koopmann betont die Freiheit von der Geschichte, ohne den historischen Faden loszulassen: „Die neue Freiheit von der Geschichte, die Schiller hier gewonnen hatte, ohne auf die Geschichte zu verzichten, äußerte sich in einer strengen Konstruktion, wie sie kein anderes Schiller‘sches Drama zeigt: Es entsprach dem Stilwillen des Klassikers Schiller, hier jene Ausgewogenheit der Akte und Szenen zu erreichen, die damals als Zeichen echter Kunst galt. Die Poetisierung der Geschichte bot ihm Gelegenheit, Vorgänge zu stilisieren, Aktionen und Gegenaktionen einander gegenüberzustellen, um so die Geschichte mit etwas auszustatten, was sie von sich aus nicht hatte: innere Folgerichtigkeit, Notwendigkeit, Zwangsläufigkeit. ... Die Befreiung, die Maria sucht und die sie auch findet, ist anderer Art: Sie überwindet gewissermaßen das ‚physische Wesen’ in sich, und sie vermag einen Zustand zu erreichen, den Schiller mit dem Begriff ‚erhaben’ umschrieben hat. Es ist oft diskutiert worden, wo diese Wandlung anzusetzen sei – ob im Gespräch der Königinnen im dritten Akt, nach der missglückten Befreiung oder kurz vor ihrem physischen Ende. ... Entscheidend ist, dass sie sich mit Freiheit in die Notwendigkeit fügt: in die Notwendigkeit ihres Todes, an dem sie nichts ändern, zu dem sie aber doch eine Haltung gewinnen kann, die diesen Tod nicht als blinde Notwendigkeit erscheinen lässt, sondern als eine Handlung, in die sie sich als freie, als innerlich autonome und befreite Person fügt.“ 27
Ilse Graham sieht in den beiden Königinnen keineswegs getrennte Personen: „Genauer gesagt ist Maria die greifbare dramatische Verkörperung der geheimen erotischen Triebe ihrer ‚Schwester’. Diese Ver27 Koopmann, Helmut, ebd., S. 95 ff.
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5. Materialien
5. Materialien bindung ist auf mehreren Ebenen und mit einer Fülle verbaler Verknüpfungen durchgeführt. ... Dieselbe Begierde, die in Maria hell und sichtbar brennt, schwelt also, ihrem bewussten Willen verborgen und unerreichbar, auch in Elisabeth. Die schottische Königin ist in ihrem Gefängnis gewissermaßen eine Teilansicht der geheimen Erotik ihrer Rivalin, aber auf die richtige Dimension vergrößert und offen auf eine Riesenleinwand projiziert. ...“ 28
Wie im Jahre 1956 in der ehemaligen DDR Schillers Maria Stuart von Jugendlichen aufgenommen wurde, ist in der Tageszeitung Badisches Tageblatt vom 14. April 1956 dokumentiert: „Eine Aufführung von Schillers ‚Maria Stuart’ im Rostocker Volkstheater musste wegen rüpelhaften Benehmens jugendlicher Zuschauer abgebrochen werden. Nach einem Bericht der ‚OstseeZeitung’ haben 14 Jahre alte Jugendliche die Liebesszene zwischen Mortimer und Maria mit anfeuernden Zurufen wie ... ‚na los, geh’ ran’ kommentiert. Intendant Hanns Anselm Perten habe daraufhin keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als die Vorstellung abzubrechen. ...“29
28 Graham, Ilse, Schiller’s Drama. Talent and Integrity. London: Methuen 1974. Übersetzung, zit. nach Grawe, Christian, ebd., S. 196 f. 29 zit. n. Grawe, Christian, ebd., S. 196 5. Materialien
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Literatur
Literatur Ausgaben: Friedrich Schiller: Maria Stuart, durchgesehene Ausgabe, Stuttgart (RUB Nr. 64), 2001. (Nach dieser Ausgabe wird zitiert entsprechend der Randziffern.) Schillers Werke in fünf Bänden. Bibliothek Deutscher Klassiker. Hrsg. von den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar, Berlin und Weimar, 15. Aufl., 1978. Schillers Werke. Nationalausgabe. Begr. von Julius Petersen. Hrsg. von Lieselotte Blumenthal und Benno von Wiese. Weimar, 1943 ff. Sekundärliteratur Das deutsche Drama. Vom Barock bis zur Gegenwart. Hrsg. von Benno von Wiese, Düsseldorf, o. J. Das Neue Testament. Übersetzt und erläutert von Konstantin Rösch, Paderborn, 1951. Deutsche Dramen von Gryphius bis Brecht. Interpretationen. Hrsg. von Jost Schillemeit. Band II, Frankfurt (FischerBücherei), 1965. Die deutsche Literatur. Ein Abriss in Text und Darstellung. Band 7: Klassik. Hrsg. von Gabriele Wirsich-Irwin. Stuttgart (RUB Nr. 9625), 1974. Grawe, Christian: Friedrich Schiller. Maria Stuart. Erläuterungen und Dokumente. Bibliografisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart (RUB Nr. 8143), 1999. Koopmann, Helmut: Schiller-Kommentar. Band I, München, 1969.
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Literatur
Literatur Koopmann, Helmut: Schiller. Eine Einführung. Artemis Einführungen, Band 37, München und Zürich, 1988. Schiller und die höfische Welt. Hrsg. von Achim Aurnhammer, Klaus Manger, Friedrich Strack. Tübingen, 1990. Schillers Dramen. Hrsg. von Walter Hinderer. Stuttgart (RUB Nr. 8807), 1992. Ueding, Gert: Schillers Rhetorik. Idealistische Wirkungsästhetik und rhetorische Tradition, Tübingen, 1971. Wiese, Benno von: Die deutsche Tragödie von Lessing bis Hebbel, Hamburg (5. Aufl.), 1961.
Literatur
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Literatur Maria Stuart – Verfilmungen (Auswahl): Maria Stuart. Deutschland 1927. Stummfilm. Regie: Friedrich Feher, Leopold Jessner. Maria Stuart. Österreich 1959. Regie: Alfred Stöger. Maria Stuart. BRD (Verfilmung für das Fernsehen/ARD/BR) 1963. Regie: Hans Lietzau. Maria Stuart, Königin von Schottland. GB 1971. Regie: Charles Jarrott. Maria Stuart. BRD (Verfilmung für das Fernsehen/ARD/BR) 1986. Regie: Heinz Schirk. Maria Stuart. BRD (Verfilmung für das Fernsehen) 1988. Regie: Petr Weigl.
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Literatur