WILHELM SZILASI
EINFÜHRUNG IN DIE PHÄNOMENOLOGIE EDMUND HUSSERLS
. ~· MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN
EINFÜHRUNG IN DIE PHÄNOMENOLOGIE EDMUND BUSSERLS VON
WILHELM SZILASI
MAX NIEMEYER VERLAG · TÜBINGEN 1959
Alle Rechte vorbehalten Copyright by Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1959 Printed in Germany Satz und Druck: Graphische Betriebe W. Büxenstein G. m. b. H., Berlin
INHALTSVERZEICHNIS Einleitung .................................... · · · · · · · · · · · ·
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I. Die deskriptive Phänomenologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § I Die Ausgangssituation S. 7 · § 2 Kritik an Kant S. 9 • § 3 Die nachkantische Aufgabe S. I3 · § 4 Unsere Aufgabe S. I3
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Das Problem der Intentionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Der erste Schritt der Darstellung S. I4. • § 6 Der zweite Schritt: Unterschiede im Erfassen des Wahrgenommenen S. I7 • § 7 Die Einheit der Vorfindlichkeit S. I8 · § 8 Der dritte Schritt: Unterschiede im "Gegenwärtig-Haben'' S. 20 · § 9 Leibhaft Wahrnehmen; Vorstellen; Leermeinen S. 21 · § IO Ergänzung zur Deutung der Intention S. 22 • § 11 Die Explication der Intentionalität im Hinblick auf die transzendentale Problematik. S. 23.
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2. Kategoriale Anschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § I2 Was verstehen wir darunter? S. 26 • § I3 Die Anschaulichkeit der Kategorien. Die Folgen S. 30 • § I4 Aufweis I: Die Erfüllung der kategorialen Anschauung in dem Sachverhalt S. 34 • § I5 Aufweis 2: Der "schlichte« Akt S. 35 • § I6 Der "fundierte« Akt S. 37 · § I7 Unterschiede in der Fundierung S. 39. 3· Anschaulichkeit des Apriori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § I8 Neue Deutung des Wesens des Apriori S. 42. • § I9 Empirische Anschauung des Apriori S. 44 · § ~o Was leistet die Anschauung des Apriori S. 47 · § 2I Das empirische Apriori und die theoretischen Wissenschaften S. 48.
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II. Die transzendentale Phänomenologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 22 Der Obergang zur transzendentalen Phänomenologie S. 5 I · § 23 Apodikzität und Evidenz S. 54 · § 24 Evidenz der transzendentalen Erfahrung S. 56 • § 25 Eine Zusammenfassung S. 59 · § 26 Übergang vom empirischen Ich zum transzendentalen Subjekt S. 6o • § 27 Richtungswechsel der Erfahrung: ReflexionS. 64 · § 28 Epoche und ReduktionS. 65 · § 29 Reduk-
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I.
42.
tion des individuellen Erlebnisstromes auf das reine Bewußtsein S. 66 • § 30 Illustratives Beispiel für das Verhältnis der beschreibenden und der transzendentalen Erfahrung. Die eine Deutung S. 67 • § 31 Die andere Deutung S. 69 · § 32 Stand der Untersuchung und die nächste Aufgabe S. 73 • § 33 Die Durchführung. Die zweite Reflexion S. 75 • § 34 Die dritte (die transzendental-eidetische) Reflexion S. 77 · § v; Noch eine Reinigung des reinen Bewußtsein3 S. So · § 36 Lebensgeschichtliche Elemente in den Retentionen und Protentionen S. 83 · § 37 Eine neue Reduktion führt zum reinen Ego S. 85 • § 38 Historische Hinweise erleichtern die Deutung des reinen Ego S. 89. III. Die Phänomenologie der transzendentalen Konstitution . . . . . . § 39 Verdeutlichung des reinen Ego und seiner l
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IV. Problem der Transzendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 46 Einleitende Bemerkungen S. 113 · § 47 Der transzendentale Posivismus H.'s S. 116 • § 48 Die neue Bedeutung des Terminus ••transzendent« S. 117 • § 49 Verwandtschaft mit der Monadolo· gie Leibniz' S. 120 · §50 Folgerungen aus dieser Verwandtschaft
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V. Wissenschafts-Philosophische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . §51 Die Idee der Wissenschaft S. 125 • §52 Stufengang des Wissens S. 127 • § 53 Das wissenschaftliche Wissen; Abgrenzung von regionalen Ontologien S. 129 • §54 Die Einteilung der Wissenschaften S. 131 • §55 Begründung der Wissenschaft: Umkehrung der Reduktionen; Einklammerung des nicht Transzendenten S. 133 • §56 Was bleibt außerhalb der Ausklammerung? Ausblick auf die Wissenschaftsbegründung S. 136.
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Abschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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s. 122.
VORBEMERKUNG
Das hier Veröffentlichte ist der Text der Vorlesung, die ich im Wintersemester 1958/s9 an der Freiburger Universität hielt. Das letzte Kapitel (V) wurde nicht gelesen; an seine Stelle trat der Versuch, die Beziehung zwischen den Gedanken Husserls und Heideggers zu behandeln. Diese Ausführungen werden an anderer Stelle erscheinen. -Obwohl in den folgenden Darstellungen vieles behandelt wird, was schon hinlänglich bekannt ist, scheint mir die Veröffentlichung auch dieser Teile dadurch legitimiert, daß sie zur Begründung dessen, was ich Neues hinzuzufügen habe, notwendig sind. Ich habe die Betonung auf das Problem der Transzendenz gelegt. Husserl hat im Zuge seiner wiederholten Anstrengungen in der Frage der Stellung der Erfahrung zum Transzendenten oft geschwankt. Ich versuchte, aus den verschiedensten Ausführungen denen den Vorzug zu geben, die nach meiner Interpretation am ehesten seinen tiefsten Absichten entsprechen. Ich versuchte, seine Konsequenzen schärfer zu ziehen und die Begründung eines konstitutiven Idealismus im Sinne eines transzendentalen Positivismus weiter zu entwickeln. Ich glaube nicht, daß ich mit Husserl in Widerspruch geraten bin; und ich glaube, daß ich mit der Freiheit, die ich mir nahm, sein Andenken am würdigsten ehre. Zitiert wird nach der Husscrliana {Hua.), sonst nach den Originalausgaben. Die Titelverkürzungen sind die üblichen. Die Unterstreichungen H.'s habe ich weggelassen. Was an Unterstreichungen vorkommt, stammt von mir, ebenfalls die eckigen Klammern. Die Busserl-Literatur ist öfters {nie ganz vollständig) zuzammengestellt. Das wichtigste Verzeichnis ist: J. Raes (Revue intern. de la Philosophie 1950) - ergänzt (wie ich erst nach Ablieferung meines Manuskripts sehe) von L. Ely (Zeitschrift für philos. Forschung Bd. XIII, No. 2. Dieses Heft enthält nur Aufsätze über Husserl zur Feier seines
Ioosten Geburtstages.)- Aus den vielen Veröffentlichungen möchte ich diejenige hervorheben, aus der ich, ohne die Konsequenzen zu teilen, das meiste gelernt habe: TH. W. Adorno: "Zur Metakritik der Erkennistheorie. - Studien über Husserl und die phänomenologischen Antinomien", Stuttgart 1956. Die kritischen Bemerkungen von E. Fink in "Sein, Wahrheit, Welt", Den Haag 1958, Kapitel 7 und 8 sind aufschlußreich. Von cin~m der ältesten Husserl-Schüler, W. Schapp, sind zwei für die Phänomenologie sehr lehrreiche Schriften erschienen: "In Geschichten verstrickt. Zum Sein von Ding und Mensch", Hainburg 1950, (Vgl. dazu die schöne kritische Besprechung: H. Lübbe: 11 Das Ende des phänmnenologischen Platonisn1us", Tijdschrift voor Philosophie, Jg. 16, Nr. 4, S. 619-666); und "Philosophie der Geschichte", Leer 1959, die ich erst jetzt, lange nach Abschluß meines Textes kcnnenlernte. Den kürzlich erschienenen 8. Band der Hua. (Zweiter Teil der Vorlesung: "Erste Philosophie (1923i24]") konnte ich leider auch nicht mehr benutzen. Im übrigen lernt man das meiste über Phänomenologie aus den Einleitungen und Nachlaß-Anordnungen dieser Ausgabe, besonders aber aus den Vorlesungen und Schriften M. Heideggers.
EINLEITUNG Am 8. April 1959 hat sich der GeburtstagE. Busserls zum I oo. Male gejährt. Solche Jahreszahlen sind an und für sich nicht von Belang, nur willkommene Gelegenheit der dankbaren Erinnerung. In unserem Falle ist sie aber von großer Wichtigkeit, weil sie eine zeitliche Nähe bekundet. H. ist vor 20 Jahren gestorben. So sind wir geistesgeschichtlich gesehen kaum von ihm entfernt. Die Probleme, deren Aufhellung er zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, haben eine epochale Wendung in der Philosophie eingeleitet. Ihre Macht spüren wir, die sie miterlebt hatten, am meisten. Es ist eine merkwürdige Situation, auf diese Weise Zeitgenosse und Schüler zu sein. Sie bedeutet größere Intimität, aber auch kleinere Distanz. Vielleicht wird man erst aus einer größeren Entfernung H.'s Bedeutung besser beurteilen können. Dazu kommt, daß seine Darstellungen, in den Einzelheiten unausgeführt, uns noch heute unmittelbar bewegende Fragen sind. Sie haben ihre Lebenskraft nicht verloren. Sie konnten noch gar nicht zu historischen Fragen werden, zu denen man mühsam originären Zugang suchen muß. Im Gegenteil, worüber wir heute auch sprechen, sprechen wir von der Philosophie in dem Sinne, wie sie ihm vorschwebte. Dem steht gegenüber, daß H. in gewisser Hinsicht in seiner großen Genialität und gewissenhaften ruhigen Sachlichkeit eine große Epoche der Philosophie, die mit Descartes und Leibniz beginnt und mit Kant, bzw. mit dem deutschen Idealismus ihren Höhepunkt erreicht, zu ihrem schon klassisch gewordenen Abschluß geführt und eine neue philosophische Epoche begonnen hat. Ein Zeichen dafür ist, daß er mit einer radikalen beschreibenden Phänomenologie beginnt und seine wissenschaftliche Arbeit mit der bis zu Ende geführten eigenen transzendentalen Philosophie abschließt. Wir können, wenn auch nicht ganz genau, drei Perioden in seinen Bemühungen unterscheiden. Die erste Periode ist mit den "Logischen Untersuchungen" 1901 abgeschlossen. Sie enthalten die Grundzüge der deskriptiven 3
Phän01nenologie. Die zweite Periode ist ausgefüllt mit der Ausarbeitung der Probleine der transzendentalen Phänomenologie. Ihr erster literarischer Niederschlag ist die Schrift: "Die Idee der Phänomenologie"; (Hua. 2) (1907). Die viele Möglichkeiten abtastende Durchführung nimmt ungefähr 15 anstrengende Jahre in Anspruch mit der Ausarbeitung der "Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie", (1913; jetzt Hua. 3). Schon während dieser Zeit wird das anfängliche Thema weiter überschritten. An Stelle der Ontologie des transzendentalen Bewußtseins tritt die Lehre vom reinen Ego, die transzendentale Egologie. Die hierauf bezüglichen Einsichten sind festgehalten in "Transzendentale und formale Logik" (1929) und den Schriften "Cartesische Meditationen" (1930), (deutsch erst 1950 in Hua. 1). Die letzte Arbeit, die H. teilweise noch selbst veröffentlicht hat, ist die "Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie" (Teil I und II erschienen 1930, alles, was sonst vorhanden ist, Hua. 6, 1954). In ihr ist das Lebenswerk mindestens in den Umrissen abgeschlossen und in die Geschichte des Denkens eingeordnet. Diese letzte Periode (wie wahrscheinlich auch diejenige vor der Veröffentlichung der L. U.) zieht sich ebenfalls über 15 Jahre hin. Wir können also drei Forschungsperioden von gleicher Länge festhalten. Die hinterlassenen Manuskripte geben Vorstellung von der Hingabe und Intensität, durch die die jeweils 15 Jahre erfüllt waren. Die Einschnitte zwischen deskriptiver, transzendentaler und egologischer Phänomenologie (auch genetische oder konstitutive Phänomenologie genannt) sind nicht scharf. In jedem Zeitraum ist das rastlose Prüfen, Abwägen, Abtasten, Um- und Umdrehen der Fragen so iln Fluß, daß sich das Kommende schon in unvollendeten Ansätzen, in terminologischen Versuchen und immer wieder durchgeführten Selbstprüfungen anmeldet. Umgekehrt wiederum bekommen die vorangegangenen Schriften von den folgenden die eigentliche Beleuchtung. Das macht das Studium der Werke 4
anstrengend, bewahrt aber die ursprüngliche lebendige Leidenschaft. Aus sachlichen Gründen hat es einen guten Sinn, die angegebene Dreiteilung in der Darstellung festzuhalten. Die wichtigsten Dokumente stehen uns erst heute durch die musterhafte Ausgabe der gesatn1nelten Schriften, die noch im Gange ist, zur Verfügung. Zu den Schriften, die erst durch die neue Ausgabe zum erstenmal zugänglich geworden sind, gehören der zweite und dritte Teil der "Ideen", die Vorlesungen "Zur Idee der Phänomenologie" (1907), alle mit allen Vorlesungsentwürfen H.'s. Sie geben ein intensiveres Bild von de1n Werdegang der Gedanken, auch von ihrem Tiefgang und Zusammenhang, als wir Schüler es hatten. Ich glaube, daß man jetzt die letzten Absichten H.'s ganz anders verstehen und würdigen lernt, als es vorher möglich war. Ich möchte aus diesen neu zugänglich gemachten Schätzen zuerst auf eine scheinbare Nebensächlichkeit hinweisen, die aber sehr ergreifend ist. Es handelt sich um eine Notizbuchaufzeichnung aus dem wichtigen Jahr (1906) des Überganges von dem Problem-Umkreis der L. U. zu demjenigen der "Ideen", die Walter Bie1nel in der Vorrede des 2. Bd. Hua. veröffentlicht hat. Die Notiz lautet: "An erster Stelle nenne ich die allgemeine Aufgabe, die ich für mich lösen muß, wenn ich mich soll einen Philosophen nennen können. Ich meine eine Kritik der Vernunft. Eine Kritik der logischen und der praktischen Vernunft, der wertenden überhaupt. Ohne in allgemeinen Zügen mir über Sinn, Wesen, Methoden Hauptgesichtspunkte einer Kritik der Vernunft ins Klare zu kommen, ohne einen allgemeinen Entwurf für sie ausgedacht, entworfen, festgestellt und begründet zu haben, kann ich wahr und wahrhaftig nicht leben. Die Qualen der Unklarlleit, des hin- und herschwankenden Zweifels habe ich ausreichend genossen. Ich muß zu einer inneren Festigkeit hinkommen. Ich weiß, daß große Genien daran gescheitert sind und wollt ich mich mit ihnen vergleichen, so müßt ich von vornherein verzweifeln." (Vom 25. 9· 1906.) 5
I DIE DESKRIPTIVE PHÄNOMENOLOGIE
§ r. Die Ausgangssituation. Unsere erste Aufgabe ist, H.'s philosophische Anfänge mit den großen Problemen der Geschichte der Philosophie in Verbindung zu bringen. Für die neuzeitliche Philosophie ist charakteristisch, daß sie in Abweichung von der Tradition und in Einschränkung der Philosophie als ihre wichtigste Aufgabe die Begründung der Wissenschaften betrachtet. Diese Zielsetzung ist schon für Aristoteles maßgebend, zum eigentlichen Durchbruch kommt sie aber seit demAnfang des XVII. Jahrhundertsmit Descartes, Leibniz und Kant. Dies Bestreben schließt in sich ein die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit des Er· kennens überhaupt. Zun1 Erkennen, Wissen, Wissenschaft gehört zweierlei, der Erkennende, der Wissenschaft betreibende Mensch, als Subjekt, und das Erkennbare, der Gegenstand oder das Objekt der Wissenschaft. Beide Pole geben uns eine Reihe schwerwiegender Probleme auf. Einerseits ist die Bestimmung des Seins des Subjekts die unmittelbare Aufgabe. Sie wurde bis Heidegger nie radikal in Angriff genommen. Andererseits obliegt der Philosophie die Klärung des Wesens des Gegenstandes oder Objekts. Da zeigt sich, daß wir beide Bezeichnungen nicht gleichwertig benützen dürfen. Gegenstand ist alles, was uns in der Welt begegnet. Wenn Gegenstände Erkenntnisobjekte der Wissenschaften werden sollen, 1nüssen sie zu diesein Zwecke präpariert, auseinandergenommen und wieder zusaminengesetzt werden. In diesem Sinne unterscheiden wir, wenn wir philosophisch sprechen, Gegenstände und Ob7
jekte. Die Objekte sind die Gegenstände, sofern sie entsprechend den Forderungen der Wissenschaft gestaltet sind. Es zeigt sich also, daß wir neben Subjekt - Objekt noch ein Drittes nennen müssen, die Forderungen der Wissenschaft, eigentlich das Wichtigste, das wir zu bedenken haben. Denn diese Forderungen, die ebenso aus der Weite der objektiven Welt, wie aus der Tiefe des Erkenntniswillens des Subjekts hervorgehen, unterscheiden das sorglose und unreflektierte naive Weltverneh1nen von dem wissenschaftlichen Wissen, das unser Hauptthema werden soll. Die zitierte Notiz H.'s bezeugt, wie leidenschaftlich, als lebensentscheidende Frage, ihn die unbezweifelbare, unumgängliche Erledigung der Aufgabe bewegt, durch Darstellung der menschlichen Fähigkeiten, die uns das Wissen ermöglichen, die Bedingungen eines zuversichtlich begründeten Wissens in allen Gebieten zu gewinnen. Dieses Bestreben führt ihn dazu, im Anfang seiner wissenschaftlichen Arbeit in den "L. U." durch Beschreibung der erkennenden Vorgänge ein sicheres Ausgangsfundament zu ge· winnen. In der ersten Annäherung betrifft eine solche Untersuchung das Subjekt des Wissens, unseren Verstand und unsere Vernunft. Insofern folgt H. der Tradition, die von Kant ausgeht. Eine solche Untersuchung nennen wir immanent, Wf!il der untersuchende Intellekt nur bei sich selbst verbleibt. Aber es ist klar, daß die Prüfung der immanenten Fähigkeiten ohne Rücksicht darauf, wofür sie dienen, undurchführbar ist. Wir können in keinem Bereiche der Analyse der menschlichen Fähigkeiten absehen von der Frage nach den1, was diese Fähigkeit herausfordert, das heißt Fähigkeit sein läßt. Was fordert unser Vermögen des Wissens heraus? Ganz allgemein antworten wir: die Welt mit allen ihren Fragen, in ihr seienden Erscheinungen, Beziehungen und Vorgängen. Was deren Gegenständlichkeit, ihr Sein als Gegenstände ausmacht, wissen wir noch nicht. Wir wissen nur, 8
daß sie Objekte des Wissens sind, befragt in Korrelation mit unseren Fähigkeiten des Wissens. Diese Objekte sind nicht wir, auch dann nicht, wenn das Wissen sich mit anderen Menschen und ihren Eigenschaften, oder mit Literatur und Kunst, die Produkte der menschlichen Tätigkeiten sind, beschäftigt. Die Befragung ihrer ~Objektivität kann keinesfalls reine Befragung der Erkenntnisfähigkeiteil bleiben. Die Fragen sind nicht immanent, sondern treten hinüber zu Seinsphänomenen, die dem Subjekt als Objekt gegenüberstehen und eben deswegen transzendente heißen. Die Philosophie, sofern sie das Wissen, das Erkennen und die Wissenschaft begründen ·will, findet sich sofort vor diese Gegensatzpaare: Subjekt - Objekt; ImmanentTranszendent gestellt. Die scheinbare Ubergangslosigkeit dieser Gegenüberstellungen hat die Philosophie seit Descartes zu beheben versucht. Wenn die Betonung auf die Fähigkeiten des Erkenntnisvermögens gelegt wird, als ob die Quelle der Wahrheit des Wissens nur im Subjekt und in seinen Produkten, den Ideen gefunden werden könnte, sind wir gewöhnt, von Idealismus zu sprechen. Sollten dagegen die Bedingungen des Wissens darin gefunden werden, daß das Transzendente unsere Fähigkeiten durch .eigene Machtvollkommenheit anleitet und zwingt, werden also die entscheidenden Gesichtspunkte von dem Transzendenten erwartet, dann sprechen wir von Realismus.
§ 2. Kritik an Kant. Auch Husserl gerät in dieses Dilemma von Idealismus und Realismus, sogar bei dem ersten Schritt, wenn er in seiner Gewissenhaftigkeit mit dem ersten Anfang beginnen will, bei einer, wie er sagt, beschreibenden Phänomenologie der Vorgänge, in welchen die ersten Weisen der menschlichen Erkenntnisnahme der Erscheinungen stattfindet. Der Name Phänomenologie bedeutet also zunüchst Zweifaches. Es sollen die subjektiven Erkenntnishandlungen - er nennt sie Akte - als Phänomene be9
schrieben werden, aber auch das zur Erkenntnis Genommene, das sich in der Erkenntnisnahme von sich aus darbietende, sich zeigende Phänomen. Die Unterscheidung immanent - transzendent spielt vorerst keine Rolle. Sie ist bereits dadurch überschritten, daß die Vorgänge der Kenntnisnahme in einem mit der Analyse des zur Kenntnis Genomn1enen beschrieben werden. Den elementaren Akt der Kenntnisnahn1e nennt H. intentionalen Akt. Die Bezeichnung soll ausdrücken, daß die phänomenologische Reschreihung gleicherweise Beschreibung der Weise der Kenntnisnahtue wie des actiquanten zur Kenntnis Genomn1cnen ist. Wir n1üssen zuerst die Deutung der Transzendental-Philosophie betrachten, die dieser Wendung zu Grunde liegt und fragen, wie H. den Begriff des transzendentalen Bewußtseins versteht. Der Begriff "transzendentales Bewußtsein 11 stammt von Kant, wenn er auch das neue Wort nicht gern benutzt. Kant versteht unter transzendentaler Forschung eine solche, die nicht die Daten der Erfahrung zum Thema der Philosophie macht, auch nicht die der Handlungen der Freiheit und der schöpferischen Vorgänge, sondern das menschliche Vermögen, das überhaupt die Möglichkeit hat, Erfahrungen zu machen und aus Freiheit zu handeln. Eine solche Forschung trachtet letzten Endes danach, das Bewußtsein als reines Vermögen in seiner Fülle und Verfassung zur Darstellung zu bringen. Nach Meinung H.'s ist Kant mit diesen Absichten auf halbem Wege stehengeblieben. Sein wirkliches Thema konnte schon deshalb nicht das reine Bewußtsein in seiner Totalität werden, weil er in seinem Forschungsgang zu eng an die traditionelle formale Logik gebunden blieb. Das zeigt sich in erster Linie an seiner Grundfrage: wie sind synthetische Urteileapriori möglich? Durch diese Problemstellung ist das Thema "Bewußtsein" auf das Vermögen des Urteilens eingeschränkt. Urteilen heißt Aufzeigen eines Sachverhaltes. Einem solchen Können muß schon eine ursprüng1ichere Fähigkeit des Bewußtseins vorangehen, denn zum AufIO
zeigen-Können gehört als Vorbedingung das Haben der Einsicht in den Sachverhalt, der aufgezeigt werden soll. Selbst das Problem als solches hat also vorangehende Tiefendimensionen, in die Kant nicht eindringt. Ganz abgesehen davon, daß die Einteilung des Bewußtseinsvermögens in Sinnlichkeit - Verstand - Vernunft ebenfalls in der traditionellen Logik vorgebildet ist, und diese nicht imstande ist, diese Vermögensteile zur Einheit zu verbinden, wird die eigentliche Macht des Bewußtseins in die Fähigkeit verlegt, Kategorien auszubilden und mit ihnen die bloßen sinnlichen Daten zur Erfahrung zu verbinden. Die Kategorien sind aber am Leitfaden einer Urteilstafel gewonnen. Somit ist gerade die Logik, die der transzendentalen Kritik nicht unterworfen wurde, Leitfaden für die transzendentale Untersuchung. Sie ist in ihrer naiven Geltung ungeprüft angenommen. Wenn auch bei Kant die betreffenden Ausführungen transzendentale Logik heißen, an die logischen Vorgänge selbst hat er nicht die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit gestellt. Er hat also im Vertrauen zu der apriorischen Idealität der logischen Gesetze sie der transzendentalen Prüfung nicht unterworfen. Die Begründung durch apriorische Positivitäten, wie sie in allen natürlichen Wissenschaften durch Definitionen, Axiome, sogar durch Hypothesen geschieht, ist keine Begründung aus den Möglichkeiten des reinen Bewußtseins. Im Gegenteil: sie macht die Notwendigkeit einer transzendentalen Begründung sichtbar. "Was wir in den Erfahrungswissenschaften an Kenntnissen haben, ist in den Handlungen des reinen Bewußtseins samt der dazugehörigen Logik mitkonstruiert". (Vgl. F. T. L. K. 7; L. U. Il/2, § 66; Hua 7, S. 377-406: Beilage XIX-XXI; nach d. Hrsg. wohl aus d. J. 1908.) Die Kant'sche Transzendental-Philosophie erfüllt ihre Absicht zweitens deswegen nicht, weil sie das Verhältnis Subjekt-Objekt nicht klärt. Die Fähigkeiten des reinen Bewußtseins werden nur in den Verbindungen verfolgt, in welchen es die Gegebenheiten einer "Außenwelt'' als RezepII
tionen verarbeitet. Sofern aber die Machtmomente des Bewußtseins nur in Bezug auf Sinnlichkeit gewonnen werden, handelt es sich nicht um reines Bewußtsein. Ein solcher Subjekt-Begriff, besonders wenn er das reine Bewußtsein näher bestitnmen soll, ist unvollständig. Leibniz hat darauf hingewiesen, daß Affektion nicht die notwendige Veranlassung der Perzeption ist. Der Titel "Subjekt" enthält mehr, als man im Sinne hat, wenn man ihn lediglich rnit Objekten konfrontiert. Subjektivität ist die Seinsweise eines besonderen Seienden, das wir gegensatzlos und nicht in Beziehung auf Objekte Subjekt nennen müssen, sondern mit Rücksicht auf seine Machtorganisation, die es erstmals es selbst in die entsprechende Verfassung bringt, und es dazu befähigt, erkennen, handeln und schaffen zu können, kurz, eine Welt zu haben, die es nach den eigenen Schen1en konstituiert. Zum eigentlichen Sinn der Transzendental-Philosophie gehört auch, das Bewußtsein, sofern es an die SubjektObjekt-Beziehung gebunden ist, zu transzendieren. Erst ein solcher überschritt führt in die Transzendental-Philosophie. Er macht es erst möglich, das reine Bewußtsein in seiner Eigenart zu erfassen, und es durch die phänomenologische Deskription in seiner geschlossenen Machtvollkornmenheit zur Darstellung zu bringen. Die Phänomenologie geht also über Kant dadurch hinaus, daß sie eigentliche transzendentale Bewußtseins-Ontologie ist. Sie bleibt nicht einmal bei der transzendentalen Beschreibung der Seinsweisen des reinen Bewußtseins stehen. Ihre wichtigste Aufgabe ist, aus der Seinsverfassung des Bewußtseins seine Leistungen zu begründen. Damit gibt sie erst für die Deutung der Wissenschaften einen absolut begründeten Anfang aus letzten Einsichten. "So war es durchaus nicht zufällig", sagt H., "daß die Phänomenologie selbst in ihrer Entstehung den Weg nahm von der Herausstellung der Idealität der logischen Gebilde zur Erforschung ihrer subjektiven Konstitution und von da aus erst zur Erfassung 12
der konstitutiven Problematik als einer universalen, nicht nur auf die logischen Gebilde bezogenen." (F. T. L. 235)
§ 3· Die nachkantische Aufgabe. Für die transzendentale Forschung seit Kant gibt es zwei Möglichkeiten. Es ist möglich, wie es Kant mit großer Schärfe durchgeführt hat, die transzendentalen Mmnente des Objekts rein als Produkte des subjektiven Vermögens abzuleiten und zu legitimieren. So unterscheidet Kant im Bereiche der Gegenstände überhaupt die Gegenstände als Erscheinungen und die Objekte, die keine konstitutiven Zutaten seitens des Subjekts erleiden, als "Ding an sich". (Transzendentaler Idealismus.) Die andere Möglichkeit der transzendentalen Betrachtung liegt darin, die Tätigkeit des Subjekts, durch welche es die transzendentalen Gegenstände zu Z\vecken des Erkennens durch verschiedene kategoriale Umbauarbeiten konstruiert, zwar festzuhalten, aber auch nachzuweisen, daß diese konstruktive Umbautätigkeit nicht subjektiven Gesetzen folgt, sondern solchen, die für die Gegenstände an sich gelten und von ihnen gefordert werden. Dieser Nachweis ist schwieriger. Der transzendentale Objektivismus muß die Vorgänge verfolgen, in welchen das Erkenntnisvermögen den vorgegebenen Gegenstand zu Zwecken des Erkennens gleichsam umkonstruiert, und dann nachweisen, daß die schließliehe Aneigung durch die Konstitution die Gegenstände in dem Erkenntnisvorgang so objektiviert, wie sie an sich sind. (Die Bezeichnung "transzendentaler Objektivismus" soll besagen, daß die Objekte der Welt und die Gegenstände des Erkennens zur Deckung kommen.) § 4· Unsere Aufgabe. Es ist nicht die Absicht meiner Darstellungen, alle Einzelheiten der Phänomenologie zu behandeln. Wir können zwar nicht darauf verzichten, die Hauptfragen der einzelnen Perioden kurz zu erörtern. Aber wir wollen unsere Aufmerksamkeit auf die Umrisse richten, die die einzelnen Perioden: die beschreibende, die transzendentale und die konstitutive Phänomenologie in 13
ll.'s Porsrhungcn gewonnen haben. Unsere Hauptaufgabe soll dabei sein, einerseits den Zusammenhang der drei Schichten für sich sprechen zu lassen, andererseits zu verstehen trachten, wodurch die Steigerung in den drei Forschungstendenzen motiviert ist, und zu beobachten, durch welche Nötigungen der Obergang zwischen den Bereichen gleichsam erzwungen ist. Das Verständnis der Obergänge führt uns dann vor das eigenartigste Problem: wie für unsere philosophische Orientierung der Umstand nutzbar zu tnachen ist, daß das Werk H.'s weder unter dem Titel transzendentaler Idealismus, noch unter den Leitsatz: Transzendentaler Objektivismus genau einzuordnen ist, sondern in einer merkwürdigen Unentschlossenheit, oder positiv gesagt in einer transzendentalen Indifferenz endet. Die Leitfragen der beschreibenden Phänomenologie lauten stichwortartig: die Ausarbeitung der Intentionalität, die kategoriale Anschauung und die Neufassung des alten Problems des a priori. Wir beginnen mit der Rekapitulation dessen, was wir von der Intentionalität der Bewußtseinsakte ständig behalten müssen, erstens, weil sie in der Tradition am ehesten vorbereitet war, zweitens, weil das Wesen der Intentionalität in den wissenschaftlichen Kreisen von damals die größten Schwierigkeiten des Verstehens verursachte und drittens, weil in gewisser Hinsicht die Intentionalität am ehesten geeignet ist, den Gang der H.'schen Forschung deutlich zu machen.
I.
DAs PROBLEM DER INTENTIONALITÄT.
§ 5· Der erste Schritt der Darstellung. Bei dem Versuch, die Intentionalität zu klären, das heißt, sie darin zu erfassen, was sie ist, dürfen wir nicht hoffen, daß er auf einen Schlag mit einer Nominaldefinition erledigt ist. Die Phänomenologie verlangt gegen jede Spekulation, sich an die Sachen zu halten. Das bedeutet aber eine umständliche Ar14
hei t, un1 bis zu den Sachen vorzudringen und sie sehen zu können. Das Wort Intentio bedeutet "sich richten auf". Jedes Erlebnis, jedes seelische Verhalten richtet sich auf etwas. Wahrnehmung als Wahrnehmung ist die "von etwas", ebenso Vorstellung, Erinnerung, Urteil, Vermutung, Erwartung, Hoffnung, Liebe. Sie sind alle bestimmte Verhaltensweisen, die sich auf etwas richten. Sie werden jetzt denken, was ist das für eine großartige Entdeckung, eine solche Trivialität, die ein jeder immer schon merkt. Doch gehen wir dieser Trivialität nach. Wir vergegenwärtigen uns eine exemplarische Verhaltungsweise, eine konkrete, natürliche Wahrnehmung, zum Beispiel die Wahrnehmung dieses Tisches hier. Ich nehme wahr, wie er hier steht, oder wie ich ihn, wenn ich in den Hörsaal trete, vorfinde und wie ich ihn vielleicht, weil er im Wege steht, wegschiebe. Dieses "Wegschieben" und die Rolle, welche dabei die Wahrnehmung spielt, ist besonders wichtig, weil es zeigt, daß es "Wahrnehmen{/ als bloßes Anstarren nicht gibt. Darum ist die isolierte Betrachtung von Wahrnehmungen, sei es in der Psychologie, sei es in der Physiologie, natürlich auch in der Phänomenologie, wie sie von den meisten Forschern, die sich ihrer bedienen, verstanden wird, ganz falsch. Die Wahrnehmung ist eingebettet in den Strom meines natürlichen Lebensverlaufs. Sie verläuft mit ihm und immer nur in ihm. Wahrnehmen ist kein eigenständiges Betrachten oder Studieren der Dinge, sondern ein dienendes und verbindendes Moment des Daseinsvollzuges. Ich mache W ahrnehtnungen, um mich zu orientieren, um meine Stelle zu finden, um mein Konzept auf die Hörer einzurichten. Während ich das hier sage, nehme ich die Bankreihe wahr, nehme ich Sie wahr, Ihre Gesichter, Ihre Aufmerksamkeit. Ich nehme sogar, ohne daß Sie ein Wort sprechen, wahr, ob Sie mich verstanden haben. Wenn wir also von Wahrnehmung sprechen, bezeichnen wir eine synthetische Kette von Verweisungen, wie wir sie
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eben durchgeführt haben. Wir werden diese synthetischen Ketten von Verweisungen erst später eingehender betrachten. Vorerst müssen wir das Charakteristische festhalten, daß das Etwas in der Aussage "Jede Wahrnehmung als solche ist Wahrnehmung von etwas" nicht Dinge meint, auf die wir hinschauen, sondern Sachverhalte, die wir zur Kenntnis nehmen. So nehme ich, während ich spreche, Ihre "Aufmerksamkeit", Ihr "Verständnis" wahr. Beide haben eine andere Seinsweise als der Stuhl da. Derjenige, der halluziniert, nimmt ebenfalls allerlei wahr, möglicherweise in einer strengen Verweisungssynthese, wie der normal wahrnehmende Mensch auch. Keineswegs ist aber diese Wahrnehmung auf reale Gegenstände außer mir gerichtet. Oder der Fall, den Plato im Philebos so großartig beschreibt. Ich nehme angstvoll nachts im dunklen Walde eine drohende Gestalt eines Menschen dort wahr, wo ein Strauch steht. Meine Angst (Vorerwartung) vollzieht eine Trugwahrnehmung. Ich nehme also wahr: I) reale Objekte, in der Fülle dessen, wie sie in meinem Lebensvollzug eine Rolle spielen. Gegenständliches und Objektives decken sich; 2) Gegenständliches, das nicht Objekt ist, wie z. B. Ihr Verständnis; 3) Gegenstände, die überhaupt nicht einmal sind, und 4) Objekte, die mich in ihrer Gegenständlichkeit irreführen, täuschen. Für alle ist aber gemeinsam, daß, sofern sie n1eine Wahrnehmungen sind, ein Etwas ihr Inhalt ist, das in den fortlaufenden synthetischen Hinweisen n1cincs Daseins eine Rolle spielt. Das gilt ebenso für Halluzinationen, wie für Sinnestäuschungen oder Täuschungen überhaupt. Wenn man sich den schlichten Sinn dieser Verhaltungsweisen ohne jede erkenntnistheoretische Voraussetzung vergegenwärtigt, sieht man, daß in dem Verhalten selbst das 11 Sich richten auf" liegt, nicht so, daß eine Wahrnehmung als psychisches Erlebnis erst nachträglich dadurch intentional wurde, daß ihr, einem psychischen Vorgang, ein reales Objekt entspricht. Die Wahrnehmung ist vielmehr in !6
sich selbst, von Haus aus Wahrnehmung von etwas. Am schärfsten sehen wir das bei der Trugwahrnehmung, der Wahrnehmung dessen, das realiter anderswie ist. Dieses Sich-betrügen ist nur möglich, weil jede Wahrnehmung dem eigenen Sinne nach schon bestimmt gerichtet ist. Wir müssen beachten: bei der Intentionalität ist weder von Innen noch von Außen die Rede. Die Frage Immanenz -Transzendenz taucht gar nicht auf. H.'s Stärke ist gerade die genaue Beschreibung der Bewußtseinsvorgänge. Mit ihr werden viele Fragen gegenstandslos. Es ist zunächst der einfache Tatbestand festzuhalten, daß die Struktur des Verhaltens selbst ein Sichrichten auf ... ist. Diese Bestimmung ist allerdings leer. Doch ist soviel schon deutlich, daß der Strukturzusammenhang selbst zuerst frei vergegenwärtigt werden tnuß, ohne daß schon realistische oder idealistische Theorien über das Bewußtsein im Hintergrund stünden. Die Beziehungen {Ding-Wahrnehmung) sind solche von Verhaltungsweisen, nicht von Dingkomplexionen, und sie haben intentionalen Charakter. Der ganze Zusammenhang des Lebens ist durch diese Strukturen bestimmt. Von hier aus können wir die terminologische Fixierung des Aktes verstehen, die in der Phänomenologie eine große Rolle spielt. Akt bezeichnet nicht bloße Handlung, Tätigkeit oder Vorgang, sondern die eigentliche intentionale Beziehung. Akte sind Bewußtseinsvorkomtnnisse, die den Charakter der Intentionalität haben. Wie können wir eine Anleitung finden, um diese Struktur inhaltlich zu sehen?
§ 6. Der zweite Schritt: Unterschiede im Erfassen des Wahrgenommenen. Kehren wir zurück zu unserer Ausgangsfrage, zu der Wahrnehmung eines Wahrgenommenen. Als Beispiel diene uns der Tisch da. Wir haben schon gesehen, was wir von ihm alles aussagen können, wenn wir unvoreingenommen nur der Richtung unseres eigenen Gerichtetseins auf den Tisch nachgehen. Außer dem, was schon ge2 Szilasi
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Zl'i~·.l
wurde, können wir in der natürlichen Wahrnehmung dL·s Tisches noch einiges aufweisen. "Dieser bestimmte Tisch", "in diesem Hörsaalu, "mit diesem Fleck(( oder "mit diesen defekten Stücken" usw ... Was sage ich damit? Ich erzähle nichts anderes, als die ganz bestin1n1te, wenn auch belanglose Geschichte des Tisches, in welcher er ständig, täglich hier gegenwärtig ist, hier beschmutzt, beschädigt, repariert wird us·w·. Das Wahrgenommene der vVahrnehmung bezeichnen wir in diesem Sinne als das Um w e 1t d in g: ein Ding der Welt, in der ich mich aufhalte. Dazu kommt aber noch ein neues Moment. Ich kann im Beachten des Tisches ganz von mir absehen. Dann kann ich in der Weiterbeschreibung sagen: der Tisch ist so und so schwer, hat diese oder jene Formen, besteht aus diesem oder jenem Stoff. In diesem Falle beschreibe ich den Tisch nicht als mein Umweltding, sondern als Weltding überhaupt. Oder in einer anderen Richtung kann ich von dem Tisch sagen: er ist zerlegbar; wenn er angezündet wird, verbrennt er, die Verbrennungsprodukte sind: Co, Co2 und Asche. Ich kann ihn in Säure auflösen, die Produkte sind Lignin und Zellulose. Jetzt habe ich dieses vorgegebene Umweltding beschrieben als Na turding. In der gewöhnlichen Rede von den Dingen halten wir uns nicht an diese Unterschiede. In derselben Beschreibung beschreiben wir diesen Tisch hier ohne Übergänge, sehr oft in demselben Gespräch als U1nweltding, Weltding überhaupt (Dinglichkeit) und Naturding.
§ 7· Die Einheit der Vorfindlichkeit. Haben wir danlit schon das gewonnen, was die Phänomenologie im strengen Sinne als das Wahrgenon1mene bezeichnet? Wie ist das Verhältnis zwischen den drei Dingstrukturen, die merkwürdigerweise zu dem Wahrgenommenen desselben Tisches gehören?
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Vorerst wollen wir das Umweltding- und Naturding-Verhältnis betrachten. Für diese Betrachtung sind die Übergänge zwischen Naturdinglichkeit und Umweltdinglichkeit lehrreich. Die Umweltdingcharaktere hängen mit meiner Geschichte und n1it der Rolle der Geschichte des Tisches in ihr zusammen. Naturdingcharaktere sind nicht unmittelbar gegeben, sondern auf dem Umweg über bestimmte Unlweltdingcharaktere: zum Beispiel Härte als Unbequemlichkeit. Wir können aber in den Beschreibungsmöglichkeiten noch weitergehen, und uns trotzdein noch in der Richtung auf das W alugenommene selbst bewegen. In einer geeigneten Betrachtungsart des Tisches können wir sagen, daß zu diesem in der Wahrnehmung gesehenen Ding so etwas, wie Materialität gehört und zur Materialität Ausgedehntheit. Weiter: daß jedes Ausgedehnte irgendwie gefärbt ist, und auch die Farbe eine Ausbreitung hat. Jetzt sprechen wir von der Dinglichkei t als solcher. Wir verfolgen die Strukturen, die die Dinglichkeit des Dinges ausmachen. (Ontologische Fragen). Dabei ist festzuhalten, daß die verschiedenen Strukturen, die ich herausgehoben habe, nicht Gesichtspunkte sind, die ich an den Tisch subjektiv heranbringe, sondern Strukturmomente des Dinges selbst, Sachhaltigkciten, die aus diesem Gegebenen herausgehoben werden. Umweltding, Naturding, Dinglichkeit (der Naturdinge und der lJn1weltdinge) sind die Bestimmungen, die ich aus dem einheitlich-einen Wahrgenommenen geschöpft habe. Es handelt sich um die Kenntnisnahme dessen, was ich an Wahrgenommenem selbst vorfinde und sehe. Wenn ich das Wort "sehen" benutze, meine ich Kenntnisnahme, und zwar schlichte Kenntnisnahme des Vorfindlichen. Wird an diesem Satz festgehalten, dann ist es nicht schwierig, den Satz, "ich sehe, daß dieser Tisch Fabrikware ist" als Wahrnehmungssatz zu verstehen. Ich mache keine Schlüsse dabei, keine Untersuchungen. Auf Befragen kann ich nur anworten: "Man sieht es ihm an." Das Feld dessen, 19
was in srhlichter Kenntnisnahme vorfindlieh ist, umfaßt viel mehr als das, was eine auf die bloße Sinnlichkeit
bezogene Wahrnehmungslehre feststellen kann. Damit ist aber der traditionellen Philosophie der Vernunft, die von der Rezeptivität ausgehend das Wahrgenommene konstituieren will, der Boden entzogen. All das, was wir aufgezählt haben, sogar die Dinglichkeit, Materialität, Ausdehnung usw. wird wahrgenommen, gehört zur Wahrnehmung des Wahrgenommenen, obwohl diese Momente nicht die Sinnlichkeit beeindrucken. Sie sind Zusan1menhänge zwischen allgemeinen Charakteren. Diese sind nicht erfunden, nicht spekulativ konstruiert, ich kann sie sehen, nicht im Sinne eines mystischen Aktes, sondern in schlichter Vergegenwärtigung von Strukturen, die sich am Gegebenen selbst ablesen lassen. § 8. Derdritte Schritt: Unterschiede im "Gegenwärtig-Haben." Wir müssen aber in der Prüfung dessen, inwiefern die sachlichen Zusammenhänge sich selbst in der Wahrnehmung geben, vorsichtig sein. Wir können uns diesen Tisch hier auch "vorstellen 11 • Dann sind wir ebenfalls auf die volle Sachlichkeit des Stoffes bezogen, aber nicht in seiner Wahrgenommenheit, sondern in seiner Vorgestelltheit. Diese Unterscheidung betrifft nicht das wahrgenommene Seiende in seinem Sachgehalt, sondern im Hinblick darauf, wie es vernommen wird. Damit deuten wir ganz neue Bestimmungen an, die nicht wie die bisherigen von diesein Tisch hier gewonnen sind, sondern die als verschiedene Möglichkeiten des Vernommenseins alles, was vernommen wird, entsprechend umwandeln. Diese Art Unterschiede gehören zur Intuition. Wir unterscheiden also in diesem weiteren Schritt: I. Das Seiende selbst als Umweltding oder Naturding, 2. die Dinglichkeit, 3. das Seiende in der Weise seines Intendiertseins. Diese Weisen sind ebenfalls vielfältig: Wahrgenommensein, Vorgestellt-sein, Geliebt-, Gehaßt-, Gewünscht-, Gemeint-, Gedacht-sein. 20
H. enthüllt aber noch weitere einfache Momente. Die Wahrgnommenheit des Wahrgenommenen kann den besonderen Charakter haben, daß das Wahrgenommene leibhaft gegeben ist . .~ 9.
Leibhaft Wahrnehmen; Vorstellen; Leermeinen. Leibhaft ist mehr als 11 es selbst 11 • Denken wir jetzt an das Freiburger Münster, dann haben wir es uns zwar vorgestellt, aber wir haben es nicht leibhaftig vor uns. Leibhaftigkeit ist ein ausgezeichneter Modus der Selbstgebung der Dinge. Ich kann mich aber auch auf das Münster so beziehen, daß ich es nicht einmal als es selbst, nicht in der Selbstgegebenheit vorstelle. Zum Beispiel, wenn wir jetzt in ein Gespräch kommen würden über die Baugeschichte des Münsters. Dabei wird uns das Münster nicht anschaulich gegenwärtig; ich stelle es mir nicht vor. Ich spreche über das Münster. Ich meine es, aber im Sinne des Leermein e n s. In dieser Art der Rede bewegt sich der größte Teil unserer natürlichen Kommunikation. Im Leermeinen ist das Gemeinte direkt, schlicht gemeint, aber ohne anschauliche Erfahrung. Leermeinung, bloße Vorstellung, leibhafte Wahrnehmung sind Strukturunterschiedc, die nicht zu den Dingen, nicht zu den Sachen, sondern zu der aktuellen, situationsgebundenen Intention gehören. Der Gegenstand (Münster) ist immer derselbe. Aber das dem Vernehn1en Gegenständliche ist verschieden, und zwar entsprechend der Modifikation der Intention. Es liegt in der Fähigkeit der Intention, daß sie die Möglichkeit hat, das Worauf des Gesichteten zu variieren; mal hat sie das Worauf des leiblichen Vor-sich-Habens, mal des Vorstellens, mal des Leermeinens, um nur die wichtigsten Variationen zu nennen. An dieser Aufzählungsfülle zeigt sich schon, wie reichhaltig das ist, was Bewußtsein genannt wird. Mit der einfachen Entdeckung der Intentionalität wird die Vielfalt der Möglichkeiten sichtbar, in welchen dasselbe Meinen, dasselbe Gerichtetsein sich variiert, sich u1nwandelt, die Aktrichtung (H. nennt sie Aktform) beim unveränderten Inhalt (H. nennt 21
thn /\ktm:1terk) entsprechend den1 verändertenAuffassungs~dtiiH~ Wl'chsdt. M:1n hat zunächst den Eindruck, daß dieser l~l·id1tum kaum auf übersichtliche Regeln zu bringen ist, obwohl :liHkrerscits die fundatnentalen Unterschiede, die wir :111 fgl':d h I t haben, einige Linien festhalten, die die Vielfalt sirhtb;Jr regulieren. Es tnug unter diesem Eindruck gefragt werden, ob die von H. gewonnene Deutung der Intention als Beziehung des Bewußtseinsaktes zu dem, worauf es gerichtet ist, ausreicht. Sicher nicht. Einige Ergänzungen müssen zugefügt werden . .~ 10.
Ergänzung zur Deutung der Intention.
Nicht das ist das Neue der Feststellungen H.'s, daß jede Bewußtseinshandlung bestin1mt gerichtet ist, sondern daß die Bestimmung jeweils aus einer konkreten Lebenssituation herstammt und sich mit der Wandlung der Situation wandelt. In diesem Sinne charakterisiert die Intentionalit~it die Einheit einer Bewußtseinshandlung mit detn, was in ihr geschaffen wird. Die übliche Bezeichnung "worauf sie gerichtet ist" bezeichnet die Sachlage ungenau, weil vor der Handlung nichts da ist, worauf sie sich richten könnte. Der Ausdruck "was in ihr geschaffen ist" bedarf ebenfalls einer weiteren Klärung. Es handelt sich nicht um eine Herstellung, wie zum Beispiel die Herstellung eines Tisches. In diesen1 Vorgang herrscht keine unauflösbare Einheit, in1 Gegenteil: der fertige Tisch hat mit seiner Herstellung weiter nichts zu tun, er wird verkauft und hat seine eigenen "Schicks.1le". Dagegen kann "Sehen 11 und "Gesehenes" nicht voneinander getrennt werden. "Ich habe gesehen, (daher) sehe ich", sagt Aristoteles. Ebenso können wir sagen: Ich habe gewünscht (einen Wunschakt vollzogen), daher wünsche ich. Deshalb ist Intention überhaupt nicht Beziehung, auch nicht Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, sondern Seinscharakter des Bewußtseins. Mit anderen Worten: Intentionalität charakterisiert und benennt die Seinsweise des Bewußtseins, ist sein Wesensmoment. Wir wissen nicht, was das Wesensmmnent der 22
Götter oder Pflanzen ist, also können wir das Bewußtsein auch nicht durch Unterscheidung oder Identifizierung n1it diesen bestimmen. Die Intentionalität charakterisiert das Bewußtsein weder subjektiv als Beziehung zu Objekten, noch objektiv als Haben, auch nicht als etwas Objektmäßiges in der Welt. H.lehnt die Descartes'schevVesensbestimmungdes Bewußtseins als cogitatio mit der Begründung ab, daß sie unvollständig ist, da die Bestimmung die Einheit von cogito und cogitatum sichtbar machen muß. Das soll besagen: nicht das cogito ist Wesensmerkmal des Bewußtseins, sondern die Intentionalität. Die Handlung des Bewußtseins ist intentio; das besagt Inbehalten des Produkts im produktiven Akt. Andererseits bezeichnet intentio das Gerichtetsein des Bewußtseins. Richtung ist gleichsam ein Hinausweisen. Intentionalität besagt also für das Bewußtsein auch, ständig aus sich heraus und bei dem zu sein, was gehandelt wurde, was Inhalt der Handlung ist. Das 11 ständig aus sich heraus sein" betrifft nicht die Handlung selbst, sondern das sie ermöglichende Vermögen. Das Vermögen, das die produktiven Handlungen des Bewußtseins ermöglicht, ist, daß es immer außer sich selbst ist. Auf Grund des Außersichseins ist die Aktivität des Bewußtseins Erkennen, Handeln, Beurteilen usw. Folglich darf die Intentionalität weder als dingliche Beziehung zwischen Dingen verstanden werden, noch als eine subjektimmanente Eigenschaft des Bewußtseins, wodurch es die Kluft zwischen sich und den Dingen überwindet. Wir sind auf Grund der Intentionalität so, daß wir von vornherein bei den Dingen sind, und von ihrem Zusammenhang 1nitgenommen werden. Erst die intentionale Verfassung des Bewußtseins erlaubt diesem, sich zu sich selbst transzendental zu verhalten. Sie ist die Bedingung der Möglichkeit der Transzendental-Philosophie, nicht umgekehrt.
Die Explikation der Intentionalität im Hinblick auf die transzendentale Problematik. Ohne Entdeckung der Inten-
§I
I.
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tlonalitilt und Erforschung ihrer Wesensstruktur war es unmOglidt die Naiviüit des natürlichen, des ·wissenschaftlichen und dL·s logischen Bewußtseins zu überwinden. Diese Naivititt hl'steht darin, daß die Möglichkeit der Wissenschaft, der Theorie und der Wahrheit ungeprüft als Voraussetzung stehen gelassen wird. Um diese Naivität vom Grund aus zu verstehen, genügt die Kritik des Vernunftvermögens nicht. I J. stellt sich die Aufgabe, eine Wissenschaftsbegründung aus absoluten, ersten Einsichten durchzuführen. Dazu ist es notwendig, auch die letzten Reste einer Naivität auszuschließen, was nur gelingen kann, wenn die transzendentale Problematik entschiedener expliziert wird als bis dahin. Die Explikation betrifft die Intentionalität, denn sie offenbart das Bewußtsein als die Transzendenz selbst, als den überstieg alles Dinglichen im Außersichselbstsein bei den Dingen.
Es lohnt sich, einiges darüber kurz zu sagen, worin die Naivität des natürlichen Vernehn1ens und Handeins besteht, auch die Naivität des wissenschaftlichen Vorgehens (hinsichtlich Theorie). Der natürliche .l\1ensch lebt in der Vertrautheit mit seiner Welt. Er hat keine anderen Fr~1gen als die des alltäglichen Lebens, seien es Fragen der versorgenden Orientierung, seien es solche der Verrichtungen. Solcher Art Fragen sind bei Aristoteles auf dem Zugangswege zu den Kategorien in einen1 sicheren überblick, n1it Recht ohne Ableitung, aufgezählt: was, wie beeigenschaftet, wie groß, wo, wo liegend, wann usw.... Sie sind in der natürlichen Vertrautheit (Intimität ist schon die transzenLknt~dc Stufe) mit der Lebenswelt gestellt. "Wann kommt der Zug?" "Wie spät ist es?" usw .... Es ist unnötig diese Aufz~ih Iu ng durchzuführen. Alle diese Fragen gründen schon in der l:raglosigkeit einer gegebenen Welt und des 11 Ins-Reinc-Kommens 11 mit ihr. Keine Philosophie kann diese Fraglosigkci t radikal erschüttern, höchstens fürs Moment erheben sich Zweifel. Aber selbst dann bleibt das Zweifeln noch in derselben Naivität. Ihre Klärung, Führung und Stütze ist die Logik, wie 24
sie die vorkantische Philosophie verstand, die Logik der Aus~agc und der Folgerungen, die Logik, die ebenfalls aus dem Grunde der Naivität die formale Logik heißt. Die formale Logik ist so sehr naives Mittel des naiven Weltvertrauens, daß wir uns in der Wissenschaft weit seltener auf sie berufen als in unseren alltäglichen Erlebnissen, zum Beispiel in Zwistigkeiten oder in der Politik. Da herrschen solcherart Ausdrücke, wie: er denkt nicht logisch, oder Aufforderungen: sei doch logisch. Sofern die Wissenschaften Rechenschaft über das geben, was sie tun, begnügen sie sich nicht mit logischen Konsequenzen und sind vorsichtig in dem Sinne, daß sie erst die Gründe prüfen, die den logischen Konsequenzen die Rechtsgrundlage geben. Ohne eine solche Vorsicht ist die formale Logik in den Wissenschaften schädlicher als in dem natürlichen Leben. Paradox könnte man sagen: zum Urteilen-Können gehören Vorurteile (im positiven Sinne). Solche Vorurteile gehören in die transzendentale Logik Es war von H. nicht abwegig, die Begründung einer vollen Transzendental-Philosophie in1 überschreiten der (allerdings in dieser Einseitigkeit verstandenen) fonnalen Logik durchführen zu wollen, und zwar zu einein Zeitpunkt, wo die Transzendental-Philosophie durch die Erforschung der Intentionalität in Id. I schon in großen Zügen durchgeführt war. Er sah aber, daß die Bedingung der Möglichkeit der Transzendental-Philosophie die Intentionalität ist und nicht umgekehrt. Das heißt: die Intentionalität vollzieht das eigentliche Transzendieren so der naiven Positivität, wie alles Dinglichen, das in ihr beschlossen ist. H. erwartete von einer neu verstandenen transzendentalen Logik die Darstellung der fortschreitenden Selbstbesinnung des Bewußtseins auf seine Leistungsinöglichkeiten in Einheit mit den1 Geleisteten, wie vor ihn1 Hegel. Die transzendentale Logik ist somit das System der Ontologie des Bewußtseins, sofern seine Seinsbestimmung, die Intentionalität, die Möglichkeit des Transzendierens begründet. 25
2. DIE KATEGORIALE ANSCHAUUNG
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Was verstellen wir darunter. Wir wollen zu der Behandlung der kategorialen Anschauung übergehen. Verständigen wir uns vor allem darüber, was H. unter "kategoriale Formen", "kategoriale Gebilde", d. h. "Kategorie" versteht. Zuerst ist es leichter zu sagen, was sie nicht sind. Sie sind nicht Elemente der Nennung eines Gegenstandes, sondern einer Aussage, die verschiedene Namen in verschiedenen Weisen verbindet. Worauf eine Aussage bezogen ist, nennen wir daher nicht Sache, sondern Sachverhalt. Jede Aussage ist Ausdruck eines Sachverhaltes. In ihr sind Elc1nente enthalten, die in keiner sinnlichen W ahrnehn1ung oder Anschauung Erfüllung finden. Wir können das sofort sehen, wenn wir eine Aussage mit einer bloß signifikativen Bezeichnung, wie es ein Nan1e ist, z. B. Freiburg, Freiburger Münster, Tisch, Tafel oder mit einem nmnin~len Tenninus wie Dreieck vergleichen. Der Nan1e ist zwar keine eigentliche Erkenntnisquelle. Aber er hat un1nittclbare Erfüllung in zugehörigen originären Wahrnehn1ungen. Der Name Freiburg hat eine signifikative Funktion, er erweckt eine Fülle, wenn auch unklarer Vorstellungen, die sich kaleidoskopartig austauschen und trotzden1 so lokaljsiert, bzw. orientiert sind, daß sie sich mit Berufung auf Wahrnehtnungen, die stattgefunden haben und wieder stattfinden können, anmelden. Trotz dieser Erfüllungsnähe gibt der Name keine Bedeutungseinheit für das Erkennen. Erkenntnisleistung wäre erst die Aussage: "Freiburg liegt mn Eingange des Schwarzwaldes", "Es ist von kleinen Hügeln umgehen", "Es ist Universitätsstadt'1, "Es versorgt die umgehenden Dörfer mit Industrieprodukten". Alle diese Sätze enthalten signifikative Elemente, wie Freiburg, Hügel, Stadt, Dorf, Industrieprodukt usw., die sich in sinnlichen Wahrnehn1ungen gleichsam erfüllen; aber auch eine Anzahl mitteilender Elemente, die in keiner sinnlichen Wahrnehmung verifizierbar, beziehungsweise erfüllbar sind, obwohl die Aussage als ·Ganzes klare Einsichten und Erkenntnisinhalte vcrn1ittelt.
Solcherart Einsichten benennt H. mit der lateinischen Bezeichnung: intuitio. Jede Intuition ist evident; sie geschieht im Gewinnen, im Haben der Einsicht. Wie ist es aber möglich, daß Inhalte, die nicht in Wahrnehmung erfüllbar sind, doch Evidenz haben? Wiederholen wir: DieAussage ist eine synthetische Funktion im Bereich der objektivierenden Akte, in welchen Erkenntnisobjekte konstruiert werden. Aber sie bezieht sich nicht auf einen Gegenstand, wie das sinnliche Wahrnehmen, sondern auf einen Sachverhalt. Gegenstände erfüllen sich in der Wahrnehmung. Der Ausdruck des Sachverhaltes hat Elemente, die sich in keiner Wahrnehmung erfüllen können, weil sie kategoriale Formen sind wie: ein, das, und, oder, wenn, so, alles, keines, etwas, nichts usw.; oder Kategorien wie: sein, haben, funktionieren, an eine bestimmte Stelle gehören, eine Aufgabe erfüllen, etwas repräsentieren usw. Farbe kann n1an sehen, Farbesein nicht. Wir vernehmen ein weißes Kleid oder ein rotes Kleid, aber nicht das "oder". Die Aussage: ich sehe nicht von Weitem, ob die Blume weiß oder mattrosa ist- erstreckt sich über die wahrnehmbaren und daher erfüllbaren Elemente wie Blun1e, weiß, rosa hinaus und enthält Ele1nente: ob, oder, nicht, ist, die alle Bedeutungsrollen tragen, aber nicht sinnlich wahrnehmbar und auf nichts Wahrnehmbares zurückzuführen sind. Keinesfalls entsprechen allen Teilen und Forlnen der Bedeutung auch Teile und Formen der Wahrnehmung. Wenn wir den Namen "Münster{/ hören, so meint der Eigenname in seiner Eigenbedeutung die Kirche unserer Stadt, so wie sie ist. "Die schlichte Wahrnehmung bringt hier ohne Hilfe weiterer auf sie gebauter Akte den Gegenstand in Erscheinung, welchen die Bedeutungsintention meint und wie sie ihn meint.u (L. U. Ilh, 131) \Venn wir aber von dem Nordportal sprechen, dann betreffen die Aussagen das Nordportal nicht "unmittelbar", auch nicht das Münster und auch nicht einen Teil an ihm, sondern doch den ganzen Gegenstand selbst, allerdings in anderer Weise als Wahrnehmen, Vorstellen oder Leermeinen. 27
Ein so und so gestaltetes Portal auf der nördlichen Seite zu haben, das Haben, beziehungsweise das Sein, die Zugehörigkeit zum Münster, und zwar nicht als Teil von ihm, sondern als konstitutives Moment seines "Münsterseins 11 , Stellen des Portals in der äußeren und inneren Raumgestaltung, seine architektonische Funktion: all das sind Elemente, die nicht unter der Erfüllungsleistung der sinnlichen Wahrnehmung stehen. Eine Analogie hilft uns weiter. "Wie der sinnliche Gegenstand zur sinnlichen Wahrnehmung, so verhält sich ... der Sachverhalt zu der Sachverhalt-Wahrnehmung" sagt H. (L. U. II/2, 140}. Elemente wie: hahcn, das und das, sein, Zugehörigkeit, Stelleneinnahn1c, funktionieren sind solche des Sachverhaltes, nicht des Gegenstandes, ohwoh 1 der Gegenstand nie anders als in der Fülle so gearteter Bestimmungen präsent ist. Sie n1üssen ihre eigene Erfü11ung in der Sachverhalt-Wahrnehmung, beziehungsweise Ansrh:nmng finden. Die Elemente sind Kategorien oder kategoria1e Formen. 11 Es muß ... ein Akt da sein, welcher den kategorialen Bedeutungselementen dieselben Dienste leistet, wie die hloße sinnliche Wahrnehmung den stofflichen." (1. c. S. r 42) Die Kategorien gehören also nicht zu den reinen, das heißt sinnlichkeitsfreien Produkten des reinen Verst~1ndcs. Sie sind nicht Formen des Denkens, sondern seine anschauliche Erfahrung in so weitem Maße, daß die Anrnessung des urteilenden Denkens an die kategorialen Akte, bezieh ungsweise an ihre Inhalte die Wahrheit oder Richtigkeit der Aussage bestimmt. Natürlich kann aus dieser Leistung die sinnliche Anschauung ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Wir müssen daher ganz allgemein in derselben Zuwendung zu den Gegenständen sinnliche und kategoriale Anschauung in Einheit feststellen. Die Kategorien sind nicht bloße Forn1en, sondern Inhalte. Die kategorialen Inhalte als materielle Momente der Gegenstandsbestimmtheit und die Kategorien selbst sind rezeptiv vernommen; ihr Ursprung liegt im Dingzusarnrnenhang. 28
Einen radikaleren Bruch mit der Tradition kann man sich kaum vorstellen, als den, der in diesen Feststellungen liegt. Sie behaupten, daß die Dinge selbst kategorial verfaßt sind, darum enthalten die Anschauungen nicht nur sinnliche Daten. Das sinnlich Wahrgenommene ist mit kategorial angeschauten Elementen durchwirkt. Nur die Analyse der Intentionen kann in der Rezeption das Sinnliche von dem Kategorialen unterscheiden. H. sagt mit Recht: 11 Erst durch die Auffassung der kategorialen Akte als Anschauungen wird das bisher von keiner Erkenntniskritik zu erträglicher Klarheit gebrachte Verhältnis zwischen Denken und Anschauen wirklich durchsichtig und son1it die Erkenntnis selbst in ihrem Wesen und in ihrer Leistung verständlich. 11 (Hua. 7, 146) Sinnlichkeit charakterisiert Kant als Rezeptivität, die Verstandeshandlungen als Spontaneität. Die Spontaneität des Verstehens ist das formende Prinzip eines empfangenen Stoffes. Man muß dagegen einsehen, daß die kategoriale Anschauung gegenstandgebend ist; daß es kategoriale Formen oder Formungsweisen nicht gibt, sondern nur Gegenstände, die in bestimmten Akten in eigentümlicher Weise unmittelbar sichtbar werden. Es gibt nicht kategoriale Formen, die von dem Subjekt gemacht und an sinnliche Daten herangebracht werden. (Es sind natürlich nicht die logischen Kategorien gemeint, die sich in Bedeutungskategorien und formal ontologische Kategorien unterscheiden. L. U. I. § 67, Hua. 3,28, Anm. 3}. Es ist nicht so, daß gewissermaßen durch eine Forn1ung das reale Seiende an sich modifiziert würde. Die kategoriale Anschauung zeigt eine neue Gegenständlichkeit. Das besagt intentional verstanden: Sie gibt die schlicht gegebene Sache eigentlich; sie verändert sie nicht, sie präsentiert ihr sogenanntes An-sich-Sein. Es handelt sich nicht um die Tätigkeit des Verstandes an Außendaten, am Empfindungsgemenge oder am Gewirr von Affektionen, die geordnet und in eine 11 Welt11 zusammengesetzt werden. Freilich begünstigt der Gebrauch der alten Ausdrücke: Stoff- Form - Verstand diese Mißverständnisse. Stoff, Stofflichkeit be-
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deutet aber nicht etwas, was gestaltet werden muß und ohne Gestalt nichts ist. Stoff ist eine vorgegebene Sache, die in den kategorialen Anschauungen expliziert wird. Allerdings ist die Herrschaft von solchen Begriffen wie Stoff und Form, die zu dem Hausrat der Philosophie gehören, so stark, daß sie H. nicht mit einem Griff beseitigen konnte. Vielleicht sind sie auch heute noch wirksame Begriffe. Aber es zeigt sich, wie viele Schwierigkeiten der Philosophie einfach verschwinden, wenn man sich unvoreingenommen nur an die Beschreibung der Bewußtseinsvorgänge hält.
§ 13. Die Anschaulichkeit der Kategorien. Der Vergleich n1it Kant (F. T. L. § IOO; Hua. 7, Beilage XX, zur 27. Vorlesung.) Was folgt aus der Entdeckung der kategorialen Anschauung? Das Problem ist am besten an einen1 Vergleich nüt Kant klar zu machen. Die Kategorien bei Kant sind Verstandesbegriffe. Das Bewußtsein ist so konstruiert, daß es "von außen" durch Dinge affiziert wird, daß diese Affektionen Empfindungen erwecken, die durch das Vern1ögcn der Sinnlichkeit in Raum und Zeit zu Anschauungen geordnet und mittels der Kategorien zu Erfahrungsdingen gestaltet werden. Alle diese formenden Funktionen haben ihre Gesetzmäßigkeiten, die wir an unseren Kenntnissen ablesen können. Es ist möglich, daß ein solcher Zusammenhang zu unserer Natur gehört, es ist auch möglich, daß diese formenden Handlungen das Subjektsein des Bewußtseins charakterisieren. Bewiesen ist es bei Kant nicht und kann auch nicht bewiesen werden. Vor allem kann nicht bewiesen werden, daß die Seienden, die nicht wir sind, sich uns nur mittels Sinneseindrücken, auf keine andere Weise anmelden. Viel eher kommen wir auf Grund der phänon1enologischen Beschreibung zu dem Ergebnis, daß wir isolierte Sinneseindrücke gerade niemals haben. Sinneseindrücke sind analytische Abstraktionen, und als solche gehören sie zur Psychologie, nicht zur Ontologie des Bewußtseins. Sie mögen auch eine nützliche Rolle in der Physiologie, besonders in der 30
Nervenphysiologie spielen. Aber auch die psychophysiologischen Feststellungen sind nur einzelwissenschaftliche und von fraglicher philosophischer Bedeutung; keineswegs können sie die erkennenden Leistungen des Bewußtseins und ihren Wahrheitswert je begründen. Kategoriale Funktionen, losgelöst von jeder Erfahrung, wurden ebenfalls nie beobachtet, nicht von Kant und nicht seither. Kant gewinnt ihre Tafel in merkwürdig formaler Weise am Leitfaden einer äußerlichen Einteilung der Urteilsformen, nicht an den faktischen Erkenntnistypen wie Locke oder Hume. Die Unterscheidung, die Kant auf diese Weise zwischen Ding an sich und Erscheinung festhält, ist bloße Konsequenz seiner Voraussetzungen. Wenn die Unterscheidung radikal als reale Trennung verstanden werden soll, bedeutet sie eine Grenzsetzung für das Erkennen. Dafür gibt es aber keine Begründung. Kant versucht sie auch gar nicht, sondern eher das Gegenteil: die Legitimierung der Anwendbarkeit der Kategorie als reiner Verstandesfunktion auf das Material der Anschauungen. Trotzdem benutzt er die Grenzsetzung zur Destruktion der Metaphysik. Sollte aber die Trennung Ding an sich - Erscheinung nicht radikal Grenzen ziehen, sondern nur besagen, daß Ding an sich Erscheinung ist, sofern es Erkenntnisgegenstand ist, d. h. es bloß einen funktionellen Zusammenhang bezeichnet, dann dürften aus dieser Charakterisierung keine weiterreichende Folgerungen gezogen werden. Vor allem ist es nicht ersichtlich, wieso es überhaupt Erkenntnis und Wissen nach dieser Trennung geben soll. "Wissen nicht bloß dessen, was im momentanen Phänomen sich abschließt, sondern, über unmittelbare Gegebenheiten hinaus intendierend, etwas trifft, was nicht selbst gegeben ist. Und somit - wie ist Wissenschaft überhaupt möglich, da Wissenschaft doch nicht bloß darin besteht, auf irgendein phänomenologisch Gegebenes den Finger zu legen, sondern darin, objektive, über das momentane Bewußtsein hin· ausgehende Feststellungen zu machen?" (Hua. 7, 380) 31
Die erste Beschreibung des einfachen intentionalen Aktes zeigt schon, daß keine isolierte Wahrnehmung oder Anschauung in unserem faktischen Lebensvollzug möglich ist. Es ist ungenau von Wahrnehmungsakt zu reden, da, wie wir bereits sehen, die Wahrnehmung z. B. des Tisches hier mit dem gleichen Akt in eine Reihe von Verweisungen und ebenso in eine geschlossene Reihe von Variationen übergeht. In dieser Beschreibung wurden keine Hypothesen gestellt, keine spekulativen Auslassungen befolgt, die Beschreibung erfaßt das Faktische des Bewußtseins. (Hua. 7, 390.) Wir stellten nicht einmal die Frage, wie diese Bewußtseinsleistungen möglich sind. Die Frage nach der Möglichkeit müßte im Rahmen einer solchen deskriptiven Fragestellung die faktische Fülle auflockern. Es wäre eine reine Spielerei, auch andere Möglichkeiten des Bewußtseins vorzustelleni es würde dadurch wiederum nur unnötigerweise isoliert, als ob es ein Sein isoliert für sich hätte und freie Auswahl. Solche scheinbaren Exaktheiten zerstören die Einsichtigkeit (Evidenz) dessen, was ist. Das Bewußtsein hat eine ungeheure Leistungsfülle, aber nur im Zusan11nenhang und in unauflösbaren Verflechtungen mit einer faktischenSituation und, inderErweiterung der Situationen: mit einer faktischen Welt. Es kann nicht vor einem Richterstuhl zitiert werden, nicht nur deswegen nicht, weil dieser auch es selbst wäre, sondern in der Hauptsache deswegen nicht, weil es grotesk w~irc, es als alleinigen Täter außerhalb der Weltgemeinschaft zur Verantwortung zu ziehen, wo doch alles, was ist, sein Komplize ist. Die Frage nach dem Ursprung von Erfahren, Wissen und Wissenschaft ist müßig. Die Beschreibung der Vorgänge des Erfahrens und letzten Endes des wissenschaftlichen und philosophischen Wissens soll diese als fundierend für eine Evidenz und Begründbarkeit sowohl der Handlungen selbst, als auch ihrer transzendentalen Geltung versüindlich machen. Ohne solche wären Wissenschaft, Moral, Kunst, Religion (lauter faktische Produkte eines produktiven Zusammenhanges) aufregende, vielleicht ermunternde, vielleicht deprimierende Spielerei. 32
Die deskriptive Phänomenologie will zunächst das Handwerk des menschlichen Bewußtseins kennen lernen. Das Handwerk, dasergonkann man als subjektive Tätigkeit bezeichnen, wenn auch die Bezeichnung nur eine Seite des Vorganges benennt. Die andere Seite, ohne die das handwerkliche Tun unverständlich bliebe, bezeichnet das Herzustellende und das Stoffliche, das zu bearbeiten ist. Nichts verbietet uns von "subjektiv" zu sprechen. Aber warum sollten wir es tun? Ist die Tätigkeit des Tischlers subjektiv? Ist sie nicht ebenso objektiv, da sie mit Holz arbeitet, an die Wesenheiten des Holzes gebunden ist, und was sie produziert, Objekt ist? Ist es nicht richtiger einfach von Produktivität zu reden, da die anderen .IVlerkmale indifferent sind? Wenn Subjektivität die Planung (Entwurf) bezeichnen soll, ist auch zu bedenken, daß das Geplante, dessen Stoff aus einem objektiven Zusammenhang geholt ist, in den objektiven Zusammenhang zurückkehren n1.uß. H. wollte in den wiederholten Versuchen mit steigendem Vertrauen alle Lei· stungen des Bewußtseins, die mit dem Universum der Seienden in Einklang sind, kennen lernen. Daher die oft wiederkehrende Betonung der Teleologie der Wissenschaften. Die folgende Feststellung (und man könnte deren mehrere zitieren), gibt H.'s Grundhaltung weitweisenden Ausdruck: Die Aufgabe der transzendentalen Phäno1nenologie . ist: 11 die Ursprünge der Objektivität [der transzendentalen Subjektivität] in der transzendentalen Subjektivitäe' aufzuzeigen. (Hua. 7, 382.) Anschließend dazu: Die Phänomenologie verdient den Namen ,transzendental', denn sie löst folgende Fragen: Aufklärung der Möglichkeit einer objektiv gültigen Erkenntnis, einer Erkenntnis, die als Erkenntnis ,subjektiv' ist, und die andererseits ein ,objektives' Sein trifft, ein Sein an sich und unabhängig von der Subjektivität. (Hua. 7, 386) In diesem Rahmen mußten wir zunächst festhalten, daß die intentionale Beschreibung des Wahrnehmungsaktes über eine isolierte Wahrnehmung, beziehungsweise Anschauung hinausweist. Es gibt, mit anderen Worten, keine isolierte 3
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Wahrnehn1ung. Es gibt aber auch keine reine sinnliche Wahrnehmung; sie ist immer in Einheit mit kategorialer Anschauung. Wir wissen zwar schon, daß dieses Einheitliche aus sinnlicher und kategorialer Anschauung auch nicht selbständig vorkommen kann, sondern entweder als Fundament oder als funktionaler Bestandteil der Aussage, der ersten selbständigen Erkenntnisleistung, verstanden werden muß. Trotzdem sind wir genötigt, diese Einheit für sich betrachtet zu klären. Ohne einige Wiederholungen geht das nicht. § I4. Die Erfüllung der kat. Anschauung in dem Sachverhalt. Wir haben die drei wichtigsten Weisen der Intention aufgezeigt: die leibliche, beziehungsweise originäre Wahrnehmung, die Vorstellung und die Leermeinung. Was hier genannt wurde, sind die verschiedenen Weisen der Erfüllung. Erfüllung als Terminus bedeutet, daß die Intention sich in einer Adäquatio mit dem Gegenstand legitin1iert. Die sinnlichen Daten üben eine Kontrolle aus. Letzte Instanz dieser Kontrolle ist das originäre Vernehmen des Sachverhaltes. Wenn wir vom Münster sprechen, es also in der Intention der Leermeinung erfassen, können wir im Falle, daß wir über den "Sachverhalt" nicht einig sind, hingehen und das Münster anschauen. Diese Beschreibung der Erfüllung zeigt aber, daß sie mit den sinnlich vernehmbaren Daten nicht auskon1n1t. Was wir auffrischen wollen, wenn wir zu dem Münster selbst hingehen, sind nicht die sinnlichen Eindrücke, sondern der Sachverhalt. Damit erscheint zum ersten Male eine klare Grundlage des Kategorialen selbst. Trotz der scheinbaren Schwierigkeiten, daß in der Aussage ein überschuß von Momenten ist, die die sinnliche Anschauung nicht deckt, können wir von einer adäquaten Erfüllung an der wahrgenommenen Sache sprechen. Das müssen wir im einzelnen nachweisen. (L. U. IIj2, § 45-52) Kehren wir zunächst zu der originären Erfassung der Sache in der Wahrnehmung zurück. Welches ist das Verhältnis der schlichten sinnlichen Wahrnehmung zu der kategorialen 34
Anschauung, die in demselben intentionalen Akt mit ihr zur Einheit des Gemeinten verbunden ist? Wir können die Klärung an einem besonderen Akt, an dem sogenannten fundierten Akt durchführen. Wir müssen zu diesem Zweck die Charakterisierung der sinnlichen Akte wieder vornehmen und fragen: Was bedeutet eigentlich die Bezeichnung der Akte der Wahrnehmung als schlicht? Die kategorialen Akte sind nicht schlichte Akte, sondern fundierte Akte. Mit der Klärung des Fundiertseins des Aktes sind wir in den Stand gesetzt, die Gegenständlichkeit sowohl der schlichten Wahrnehmung wie die der fundierten Akte als eine einheitliche Gegenständlichkeit zu verstehen. Und weil diese Einheitlichkeit vorherrscht, müssen wir auch sehen, wie schon die schlichte Wahrnehmung, die man gern als sinnliche Wahrnehmung bezeichnet, in sich mit kategorialer Anschauung durchsetzt ist; d. h. daß zwar die Intentionalität des wahrnehmungsmäßigen Erfassenseinfach und schlicht ist, daß aber die Einfachheit der Wahrnehmung eine hohe Kompliziertheit der Aktstruktur als solcher nicht ausschließt, wobei noch hinzuzufügen ist, daß der Akt kompliziert sein kann und der Gegenstand doch einfach.
§ I 5. Der "schlichte" Akt. Klären wir zunächst den Charakter der Schlichtheit. Wir haben gesehen, da.ß in der Beschreibung der Leibhaftigkeit der Wahrnehmung das leibhaft Präsente sich im Verlaufe des Wahrnehmungsaktes durchhält. Wenn ich um den Tisch herumgehe und ihn von den verschiedenen Seiten anschaue, habe ich eine kontinuierliche Reihe von Wahrnehmungs-Akten, aber ich sehe imn1er denselben Tisch. Die einzelnen Akte sind nicht nachträglich durch einen hinzutretenden Akt zusammengenommen, so daß ich den Tisch selbst gewissermaßen erst sehe, wenn ich schon um ihn herumgegangen bin und die einzelnen Anschauungsbilder zusammenkonstruiert habe. Das Eigentümliche ist, daß jede einzelne Wahrnehmungsphase innerhalb der Vollständigkeit der kontinuierlichen Folge des Wahrnehmens ihrerseits in sich selbst eine Wahrnehmung 3*
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des Dinges ist. In jedem Moment der Folge der vollen Wahrnehmungen kann ich den Folgenzusammenhang anhalten, und sehe doch den Tisch selbst, nichteinStückvonihm. Jede Wahrnehmungsphase ist schon eine volle Wahrnehmung. In jeder Phase ist das Dingleibhaft und als selbiges da. Wir vollziehen keine Synthesis der einzelnen Daten durch eine reine Verstandeshandlung der Verdinglichung, sondern die Folge hält sich in einer Stufe; alle Phasen haben den Charakter des schlichten Da-Habens des Vermeinten. 11 Schlicht" charakterisiert also die Wahrnehmung in Abweichung von der Tradition als ungebrochene Einheit der bloßen Sinnesdaten mit dem Vernehmen der Dingeinheit, so daß die gesamte Wahrnehmung in einer Aktstufe vollzogen ist, und daß jedes Moment, wie auch jede Phase, eine volle Wahrnehmung ist. Schlichtheit bezeichnet demnach Einshaftigkeit; das Fehlen von gestuften, erst nachträglich einheitstiftenden Akten. Ein schlichter Wahrnehmungsakt kann selbst kompliziert sein, trotzdem ist der gemeinte Gegenstand - dieser Tisch da- schlicht und einfach, ohne Synthese und ohne irgendwelche Umformungen erfaßt. Solche Gegenstände, die sich schlicht und einfaltig ausweisen, nennt H. reale Gegenstände. Eine merkwürdige, aber klare Fassung der Realität. Merkwürdig ist sie deshalb, weil trotz subjektiver Bedingungen des Aktvollzuges, trotzder Nötigung der Aneinanderfügung der verschiedenen Akte, der Gegenstand frei von jeder Subjektivität vernommen wird. Diese wichtige Ausgangsposition H.'s muß man festhalten, wenn er in der Weiterfolge die subjektive Bedingtheit zum Hauptproblem der transzendentalen Phänomenologie macht. Die "Ideen" sind noch schwankend. Aber schon in den Vorlesungen 11 Erste Philosophie" (1923j24), besonders in den ungemein wichtigen Beilagen (alles zum erstenmal als Hua. Bd. 7 publiziert) ist die entscheidende Wandlung vollzogen. Der in diesem Punkte waltende scheinbare Widerspruch wird in erster Linie geklärt werden müssen. Er hat bisher die Beurteilung der transzendentalen Phänomenologie weitgehend irregeleitet.
§ 16. Der fundierte Akt. Der Gegenstand der schlichten Wahrnehmung ist der reale Gegenstand. Im schlichten Erfassen, d. h. durch unmittelbare Wahrnehmung ist die Gegenstandsganzheit des wahrgenomn1enen Dinges in Leibhaftigkeit und Selbigkeit des Dinges präsent. Die Teile und die Momente, die durch die einzelnen Phasen gegeben sind, sind vorerst unabgehoben, nur implizit da. Sie sind aber in neuen Akten abhebbar. So kann eine schlichte Wahrnehmung, beziehungsweise das, was sie gibt, zum Fundament von neuen Akten werden, die sich auf ihr beziehungsweise auf ihrer Gegenständlichkeit aufbauen. Wir müssen nun fragen, was ist der Aufbauzusammenhang zwischen den schlichten, einstufigen und den gestuften Akten, oder korrelativ: Was ist das Aufbauverhältnis der realen Gegenständlichkeit zu der fundierten Gegenständlichkeit in den gestuften Akten? Zunächst ist das Kategoriale mitanschaulich. Aber wir können in neuen Akten aus der Ganzheit Kategoriales abheben. Denken wir zum Beispiel an eine Allee oder an einen Vogelzug. Wir vernehmen eine Ulmenallee in der Landschaft als schlichte Einheit eines realen Gegenstandes. Ebenso die Gestalt des herbstlichen Vogelzuges. \Vir sagen auch unmittelbar: Wir sehen da eine Allee, wir sehen den Vogelzug, wir sehen eine Häuserreihe (analog dem: Wir sehen Welt). Inwiefern ist diese einfache Wahrnehmung fundiert? In der schlichten Wahrnehmung sind die einzelnen Bäume einer Allee wahrgenommen, obwohl ich zum Zweck der Wahrnehmung der Allee nicht um jeden einzelnen Baum herumgehen muß. In derselben Weise ist die Möglichkeit gegeben, jeden einzelnen Baum für sich zu betrachten. Wir sehen aber nicht eine Anzahl Bäume, sondern etwas Neues, ein neues Gebilde, das sich nicht ergeben würde, wenn ich von Baum zu Baum ginge und sagte: Noch ein Baum und noch ein Baum usw. Ich sehe zwei geordnete Reihen von Bäumen in einer Zuordnung zueinander. Fundiert ist dieses Sehen in der erkennenden Wahrnehmung der Bäume, das Fundierte ist etwas Synthetisches, die Allee37
mäßigkeit. Dieser synthetische Akt ist die eine Weise der kategorialen Anschauung. Wir sprechen dabei mit vollem Recht von Anschauung, denn wir sehen dieses neue Phänomen genauso einfach, wie wir einen einzelnen Baum in der unfundierten, schlichten Wahrnehmung sehen. Doch ist etwas hinzugekommen, das Synthetische, das wir zwar anschauen, für dessen Anschauung wir aber keine Erfüllung in sinnlichen Daten haben. Eine andere Weise der kategorialen Anschauung heißt: Ideation. Wir sagen bei dem Anblick der Allee: das sind Bäume; beim Anblick des Vogelzuges: das sind Vögel. Kein Baum, kein Vogel ist mit dem anderen identisch. Wir achten nicht auf die Unterschiede. Wir sehen nicht das Individuelle, sondern das Allgemeine. Das Allgemeine wird nicht durch logische Akte gewonnen. Es ist zwar fundiert, aber uninittelbar gesehen. Dieselbe Weise der Verallgemeinerung, wie sie die fundierte Wahrnehmung einer Allee bezüglich der einzelnen Bäume zeigt, ist sichtbar auch dann, wenn nur ein einzelner Gegenstand vor uns steht. Ich sage: hier steht ein Tisch. Aber hier steht nicht irgendein Tisch, sondern ein ganz bestimmter Tisch. Es gibt eine sehr große Mannigfaltigkeit von verschiedenen Tischen. Wir kennen selbst viele, die miteinander kaum eine gemeinsame Eigenschaft haben. Wir schauen aber auf diesen und sagen: ein Tisch. Wir sehen das, was bei allen Tischen das Invariante ist. Wir erkennen jeden Tisch als solchen, weil wir das Invariante sehen. (L. U. II/r, zweite Untersuchung) Wenn wir also innerhalb der kategorialen Anschauung diese zwei Gruppen: die kategoriale Anschauung im Charakter der Synthesis und die kategoriale Anschauung des Allgemeinen, die Ideation, betrachten, sehen wir, daß beide Gruppen folgende gemeinsame Bestimmung haben: r. Sie sind fundierte Akte. Sie setzten etwas Vorgegebenes voraus und sind nur auf Grund der Vorerfassung eines Gegebenen möglich. 2. Die kategorialen Akte als Anschauungsakte sind gebende Akte; das heißt sie weisen neue anschauliche Gegenstände auf, die in den fundierenden Akten nicht enthal-
ten sind. 3· In den kategorialen Akten sind die fundierenden Gegenstände ieweils in verschiedener Weise mitgemeint. § IJ. Unterschiede in der Fundierung. Dagegen ist zu beachten, daß hinsichtlich der Art, wie die fundierenden Gegenstände mitge1neint sind, ein wesentlicher Unterschied zwischen den Akten der Synthesis und der Ideation besteht. Innerhalb der Akte der Synthesis unterscheiden wir: I. Die reale Beziehung, die sachverhaltmäßig in einer Aussage ausgesagt werden kann: wie z. B. a ist heller als b. 2. Die Nominalisierung der Beziehung: Größe, Helligkeit. Hier wird die Beziehung selbst thematischer Gegenstand, daß heißt es entsteht eine neue Art des Gegenstandes. 3· Das Konjungieren und Disjungieren des Und und des Oder. Die zusammengreifenden Akte geben hinsichtlich dessen, was sie meinen, den Boden für die Anschauung der Inbegriffenheit. Diese Funktion des Konjungierens haben wir bereits in dem figuralen Moment (Allee, Vogelzug) gesehen. Vom Akt der Synthesis hebt sich der Akt der Ideation dadurch ab, daß er zwar auf fundierenden Gegenständen aufbaut, aber diese gerade nicht meint. Der Akt der Ideation ist Anschauung des Allgemeinen. Als Anschauung ist er Gegenstand gebend. Was er gibt, bezeichnet man als Idee, idea, spezies. Die Akte der allgemeinen Anschauung geben gerade das, was man zunächst und schlicht an den Sachen sieht, die Spezies, das heißt das Allgemeine vor den Vereinzelungen. In einer Menge vereinzelter Rotfarben sehe ich ganz unmittelbar, daß sie alle "rot" sind. Das sehe ich sogar früher als das violette und bläuliche Rot, das Besondere überhaupt. Worauf ich im Vergleich der verschiedenen roten Oberflächen hinschaue, ist in seinem reinen Sachverhalt isoliert genommen. Der Sachverhalt "rot" ist dabei vollständig indifferent gegen jede bestimmte Vereinzelung. Es ist gleichgültig, an welchen konkreten Gegenständen, in welchen Nuancen das Rot in den individuellen Vereinzelungen realisiert ist. Die Spezies steht im Charakter der Beliebigkeit zu den möglichen Vereinzelungen. 39
Damit ist für den Sinn des Gegenstandes der kategorialen Anschauung im Typus der Ideation Vierfaches gewonnen. I. Die Ideation ist fundiert, sie bezieht sich auf eine einfache, gegenständliche Gegebenheit, die Etwas vorgibt. 2. Der Umkreis der konkreten Vereinzelungen ist beliebig. 3. Sogar der Bezug des Sachgehaltes der Idee auf den Inöglichcn Un1kreis ihrer Vereinzelungen ist sekundär. 4· Die ideale Einheit der Spezies ist eine solche der invarianten Identität. Damit dürfte die vorläufige Abhebung des Unterschiedes zwischen den schlichten Akten und den fundierten Akten deutlich geworden sein. Der volle Bestand der Intentionen der Aussage vollzieht sich anschaulich nur in einen1 fundierten, das heißt in einem mit kategorialer Anschauung durchsetzten Akt in sinnlicher Wahrnehmung. Das besagt: Die konkrete, ausdrückliche, Gegenstand gebende Anschauung ist nie eine einstufige, sondern immer eine gestufte. Und erst die konkrete Wahrnehmung als eine gestufte, kategorial bestimmte hat die n1ögliche Erfüllung für die Aussage, die das Wahrgenommene dieser Wahrnehmung aussagt. Man darf also, wenn man nach der Wahrheit einer solchen Aussage fragt, sich nicht isoliert auf das Erfassen der realen Dingmomente beschränken und alles übrige als subjektive Zutaten und Funktionsweisen des Verstandes interpretieren, sondern man muß sehen, wie in der Aussageintention selbst Gegenständliches ge1neint ist, das nicht neben den1. realen Gegenstand auf einem anderen Gegenstandsfeld steht, sondern das die eigentümliche Funktion hat, den schlicht gegebenen Gegenstand gerade ausdrücklich zu präsentieren. Andererseits betonen wir: kategoriale Akte sind fundierte Akte, das heißt alles Kategoriale beruht letztlich auf sinnlicher Anschauung. Denken ohne fundierende Sinnlichkeit ist ein Widersinn. Damit ist ein ganz neuer und ganz radikaler Ansatz der Kategorie-Frage durchgeführt. Die reine Vernunft als Quelle der Kategorien erweist sich als widersinniger Begriff. H. wird einen neuen Sinn für die 11 reine Vernunft" im reinen 40
transzendentalen Ego finden, das die transzendentale Frage in neuer Weise aufrollt. Dagegen hat der Begriff eines reinen kategorialen Aktes einen guten Sinn. Denn es gibt phänomenal erfaßbare, klar beschreibbare Bewußtseinsakte, die zwar auf der schlichten individuellen Anschauung beruhen, aber gerade nicht das im individuellen Meinen Vermeinte betreffen. Die Ideation konstituiert einen neuen Gegenstand. In der Konstitution gibt es verschiedene Stufen. Die Anschauung kann nicht nur alles Individuelle ausstoßen, sondern auch alles Sinnliche aus dem Gehalt des Gegenstandes ausschalten. Dann sprechen wir von reinen kategorialen Anschauungen. Ebenso gibt es vermischte kategoriale Anschauungen: das Heraussondern einer reinen sinnlichen Idee wie zum Beispiel der Idee des Farbigseins. Jeder geometrische Satz ist zwar kategorial, aber mit Hilfe der Sinnlichkeit (Räumlichkeit überhaupt) bestimmt. Reine kategoriale Anschauungen sind: Einheit, Mehrheit, Beziehung. Die reine Logik arbeitet mit reinen kategorialen Anschauungen. Wenn wir das in voller Inhaltlichkeit verstehen, gewinnen wir auch eine tiefere Deutung der Sinnlichkeit. Sie ist kein bloßer Sensualismus. Sinnlichkeit ist der Titel für den Gesamtbestand des Seienden, der in seiner Sachhaltigkeit vorgegeben ist. So gehört die Anschauung "Raum 11 zur Sinnlichkeit, auch die "Ausgedehntheie' (Vorder- und Hinterseite), obwohl alle Sinnesdaten für sie fehlen. Das Entscheidende der kategorialen Anschauung ist also: r. Es gibt Akte, in denen sich ideale Bestände an ihnen selbst zeigen. Diese idealen Bestände sind nicht Funktionen oder Gernächte des Subjekts. 2. Die Möglichkeit dieser aufgewiesenen Anschauungsart und des in diesen Anschauungen sich Präsentierenden gibt den Boden für die Klärung der Struktur der idealen Gegenstände ab, das heißt für die Ausarbeitung der Kategorien. Mit der Entdeckung der kategorialen Anschauung ist zum erstenmal der konkrete Weg für eine echte, ausweisende Kategorienforschung gewonnen. (Lask41
Scheler) 3. Die in den kategorialen Anschauungen sich gebende Gegenständlichkeit ist selbst eine gegenständliche Weise, in der die Realität im engen Sinne eigentlich gegenständlich wird. Das heißt mit dem Aufweis dieser kategorialen Strukturen ist die Idee der Objektivität erweitert. Die Objektivität ist aufweisbar in der Durchforschung der entsprechenden Anschauungen und ihrer Gehalte. In der damit durchbrechenden phänomenologischen Forschung ist die Forschungsart gewonnen, die die allgemeine Ontologie suchte. Wissenschaftliche Ontologie ist nichts anderes als Phänomenologie. Wir haben die Intentionalität auch deswegen zuerst behandelt, weil die kategoriale Anschauung ohne ihr Verständnis nicht darstellbar ist. Nun klärt aber rückwirkend das Verständnis der kategorialen Anschauung die Intentionalität. Dieser Zusammenhang führt uns zu der dritten Feststellung H.'s, zu der des materiellen (anschaulichen) A priori. 3· DIE ANSCHAULICHKEIT DES
APRIORI
§ 18. Neue Deutung des Wesens des Apriori. Die dritte Entdeckung, die Herausarbeitung des Apriori ist nur möglich auf Grund der Deutung der kategorialen Anschauung. Apriori bedeutet prius- das Frühere. Apriori ist also das, was schon vorher, von früher her schon ist. Das Apriori an Etwas ist das, was an ihm immer schon früher ist. Seit Kant, der Sache nach aber seit Descartes, spricht man diesen Titel zunächst und zumeist dem Erkennen zu. Apriorische Erkenntnis ist solche, die nicht auf empirisch induktive Verfahren zurückgeht, nicht auf Erkenntnis des Realen als begründete Instanz. Sie ist nach der Tradition die erfahrungsbedürftige Erkenntnis. Da nach Descartes vor jeder Erfahrung die Gewißheit des res cogitans ist, ist das erfahrungsbedürftige Wissen dasjenige, in welchem die res cogitans auf sich selbst bezogen ist bzw. bei sich bleibt. Die apriorische Erkenntnis ist also nach der Interpretation der
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Erkenntnis von Descartes eine solche, die einzig in1 Subjekt als solchem verfügbar ist, und die in der Reflexion des Subjekts auf sich selbst einsichtig wird. In jedem Erkennen des Realen, d. h. in jeder transzendentalen (aus dem Subjekt heraustretenden) Erkenntnis ist schon apriorische Erkenntnis mit einbeschlossen. Man kann diesen Begriff des Apriori erweitern und sagen: aprioriist jedes subjektive Verhalten als solches, mag es Erkennen oder irgendein anderes Verhalten sein, vor der Überschreitung der Grenze der Immanenz. Auch nach Kant ist a priori ein Charakter der subjektiven Sphäre. Aus ganz merkwürdigen Gründen lautet die kautisehe Ausgangsfrage: Wie sind synthetische Urteileapriori möglich. Denn nur die synthetischen Urteile erweitern das Wissen. Sie beruhen auf Erfahrung. Die Möglichkeit synthetischer Kenntnisse a priori kann sich also nur auf solche Einsichten gründen, die das reine Erkenntnisvermögen selbst betreffen, oder in ihm begründet und nicht auf die Erfahrung angewiesen sind. Für die Phänomenologie ist diese Deutung des Apriori sinnlos, weil das, was für sie Voraussetzung ist, eine Genesis der Erfahrung aus einzelnen Sinneseindrücken, die durch die Aktivität von Raum und Zeit zu isolierten Wahrnehmungen geformt und als solche durch die Aktivität der kategorialen Funktionen zu Dingvorstellungen verknüpft werden, in der unmittelbaren phänomenologischen Beschreibung keine Legitimierung findet. Kein Mensch hat noch je einen isolierten Sinneseindruck gehabt, ebenso je eine isolierte Wahrnehmung. Das Primäre, das die Beschreibung vorfindet, sind Sachverhalte. Unter diesen findet das Bewußtsein generelle Sachlagen, die in ihrer notwendigen Geltung .a priori sind. Eine solche Sachlage wie z. B. "2 < 3 11 , komnlt uns intuitiv zu voller Selbstgegebenheit. Obwohl"in dieser Sachlage nicht die leiseste Wirklichkeitssetzung irgendeines individuellen Faktums beschlossen ist", ist das Apriorische unmittelbar anschaulich und zwar als die Sachlage selbst; es ist also nicht in dem Vermögen zu suchen, das jedem Kennenlernen des Sachverhaltes vorangeht. (Hua. 7, 402) 43
Die phänomenologische Frage lautet: Was ist an dem Sachverhalt von vornherein als Inhalt des Sachverhaltes selbst schaubar? Wir verfügen für ihre Beantwortung über zwei gleichgerichtete Hinweise. Wir stellen erstens fest, daß apriorianschaubar an jedem Sachverhalt das Generelle ist, auf Grund dessen das Spezifische erfaßt wird. Zweitens zeigt sich die apriorische Erfahrung als eine solche, die sich auf generelle Essenzen richtet und ihre Geltung rein aus dem Wesen schöpft. (Hua. 2, 51; vgl. die ganze dritte Vorlesung) Wichtiger und klarer ist die erste Bestimmung. Die Phänomenologie 11 hat mit dem Apriori in der Sphäre der Ursprünge, der absoluten Gegebenheiten zu tun", und zwar 11 mit dem in generellem Schauen zu fassenden Spezies und mit den apriorischen Sachverhalten, die unmittelbar schaubar sich auf Grund derselben konstituieren". Die Hauptaufgabe ist 11 die Feststellung der selbst zu gebenden prinzipiellen Formen und Sachverhalte und mittels dieser Selbstgegebenheit die Realisierung, die Auswertung und Bewertung der mit de1n Anspruch auf prinzipielle Bedeutung auftretenden Begriffe und Gesetze der Logik, der Ethik und der Wertlehre". (Hua. 2, 52)
§ 19. Empirische Anschauung des Apriori. Diese schwierigen Feststellungen wollen wir auflockern. Wir n1üssen dabei immer die grundlegende Feststellung der Phänomenologie im Auge behalten, daß wir in der Erfahrung und somit auch in der Erkenntnis keine ursprünglichere Kenntnisnahme vorfinden als die des Sachverhaltes. Die auf den Sachverhalt gerichtete Intentio heißt Noesis, der der Noesis zugehörige Sachverhalt Noema. Niese neuen Ternüni haben große Bedeutung. Noesis ist der intentionale Akt, in wclchen1 auch die Anschauungen des apriorischen Rahn1ens mit vollzogen wird. Noema ist das entsprechende Produkt, d. h. der voll erfaßte konkrete Sachverhalt. Wir haben bei der Behandlung der Probleme der intentio und der kategorialen Anschauung gesehen, daß alle Momente der Erfahrung, auch solche, die wir Wahrnehmung nennen, in einer kontinuier-
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liehen Kette der Verweisungen miteinander verbunden sind. A1n charakteristischsten war dafür die Wahrnehmung z. B. dieses Tisches da mit der Aufforderung des Um-herumgehens, ein Hinweis auf die von einem Standpunkt her verdeckten Seiten. Die Aufforderung selbst (H. sprach gern von Einladung) ist nicht anders als das anschauliche Apriori. Die Aufforderung ist unmittelbar angeschaut. Vvenn wir diese Anschauung explizieren, beschreiben wir ein "System der endlosen Prozesse des kontinuierlichen Erscheinens" wie in unserem Falle das System der zusammenhängenden Anblicke des Tisches, oder wir beschreiben ein größeres Kontinuum, ein Feld des genannten Prozesses, "ein a priori bestimmtes Kontinuum von Erscheinungen mit verschiedenen, aber bestimmten Dimensionen, durchherrscht von fester Gesetzlichkeit". (Hua. 3, 351; Id. I 297) Ein solches Kontinuum von Erscheinungen ist zum Beispiel die Umgebung, in der dieser Tisch inmitten des Raumes steht, und zwar inmitten eines Hörsaales, wodurch er für jeden, der diesen Saal betritt, als Katheder erkennbar ist. H. nennt das die "adäquate Dinggegebenheit". Es erweist sich also, daß erst auf Grund eines anschaulichen Apriori die intentio der Wahrnehmung diesen Tisch in seiner Adäquatheit vernimmt. Es ist eine Reihe von einzelnen Sinneseindrücken, die sich so oder so zusammenbauen lassen. Das Vernehmen des Katheders geschieht mit einem Schlage, weil nicht nur die sinnlich-kategorialen Elemente nlit einem Blick vernommen werden, sondern auch das apriorianschaulich ist, das alle Verweisungen enthält, also einen unendlichen Prozeß von Erscheinungen systematisch verbindet. Diese faktische Unendlichkeit ist der Grund dafür, daß es heißen kann: "Es gibt prinzipiell nur inadäquat erscheinende (also auch inadäquat wahrnehmbare) Gegenstände", weil das angeforderte System der Prozesse faktisch nie abgeschlossen ist. Wenn wir an den Hörsaal denken und das Katheder sehen, ist diese Unabgeschlossenheit, beziehungsweise Unabschließbarkeit nicht überzeugend. Haben wir 45
aber eine solche Einheit wie "Natur" im Blick, in der jeder von uns in bestimmter Weise darinsteht, oder eine Einheit wie "Welt", die ebenfalls anschaulich apriorisch zu einer Zusammenbindung von kontinuierlich einander folgenden Erscheinungen auffordert, dann wird verständlich, daß es Gegenstände gibt- und "alle transzendenten Gegenstände, alle ,Realitäten', die der Titel Natur oder Welt umspannt, gehören hierher,- die in keinem abgeschlossenen Bewußtsein in vollständiger Bestimmtheit und in ebenso vollständiger Anschaulichkeit gegeben sein können." "Aber", heißt es, "als Idee (im kantischen Sinne) ist gleichwohl die vollkommene Gegebenheit vorgezeichnet." (Hua. 3, 351; Id. I 297) Idee ün kantischen Sinne ist anschauliches Bild des Ganzen. Die Inadäquatheit der Wahrnehmung ist allein die Unvollständigkeit, nicht eine Verfälschung oder Verdeckung des als wahr Genommenen. Es ist sichtbar, daß jetzt in ganz erweitertem Sinne von Wahrnehmung die Rede ist. Wahrnehmung heißt jetzt, so wie bei Hegel, das Vernehmen des Wahren. Gerade dieses Vernehmen wird aber von der Wahrnehmung geleistet, wenn wir auch ihre gesamten sinnlich und kategorial anschaubaren Momente im Auge haben. Wie weitgehend die Wahrnehmung dieses Tisches bzw. dieses Katheders auch in den Prozeß der kontinuierlichen Erscheinungen in dem anschaulichen Apriori einbezogen ist, ist er doch immer dieser einzelne Tisch hier und jetzt. Wir sprachen schon von der kategorial anschaulichen Ideation. Sie bedeutet, daß wir in der Wahrnehmung dieses Tisches die Tischhaftigkei t, das heißt das Wesen des Tisches mit wahrnehmen, sonst könnten wir ihn überhaupt nicht in den Bereich der Tische einordnen. Darüber hinaus muß nun aber gesehen werden, daß der Ideation ein anschauliches Apriori zugrunde liegt, die Anschauung des Generellen, auf Grund dessen ein Spezifisches eben Spezies des Generellen ist. Der Unterschied zwischen der Ideation und der Anschauung des Apriori des Generellen besteht darin, daß sich diese auf die unendliche
Kette des vollen Sachverhaltes richtet, nicht nur auf das Ding da als den Gegenstand der Wahrnehmung. In dem vollen Sachverhalt ist dieser Tisch nicht nur eine spezielle Gestaltung dessen, was zum Wesen des Tisches gehört, und was sich in der Wahrnehmung als Schau des Wesens präsentiert, er ist vielmehr Katheder; Katheder ist aber keine Spezifizierung des Wesens Tisch. Katheder Sein ist vielmehr eine Spezifizierung der Funktion des Tisches, nicht seiner Gestaltung. Die Bezeichnung für Gestaltung, das heißt dafür, was ein Ding als Gestaltetes zeigt, heißt eidos. Der Tisch kann verschiedentlich gestaltet sein. Er variiert insofern eidetisch. In diesem Sinne sprechen wir von 11 eidetischen Variationen". Die Ideation schaut das Invariante der eidetischen Variationen. Das anschauliche Apriori zeigt dagegen die generellen Funktionsmöglichkeiten dieses Tisches da (was er alles sein kann); nicht die eidetischen, sondern die noetischen Variationsmöglichkeiten. Erst die anschaulich apriorische Sichtbarkeit, wozu etwas dienen kann, was es leisten kann, was es sein kann, das Sehen des Bereiches dieses Könnens erlaubt zu erkennen, was es ist. Ohne Zweifel spielt hier die aristotelische Seinsunterscheidung von dynmnis und energeiaeine Rolle. Entscheidend ist aber, daß das anschauliche Apriori- seine Apriorität und seine Anschaulichkeit- die Wahrheit der Welt offenbart. Einschränkender können wir sagen: Die Anschauung des Apriori ist nicht an sinnliche Daten gebunden, sondern an die Wahrheit der Welt. § 20. Was leistet die Anschauung des Apriori. Diese großartigen Entdeckungen haben für die Begründung der Wissenschaften aus ersten, absolut einsichtigen Gründen eine entscheidende Bedeutung. Ebenso für die Bestimmung dessen, was die Wissenschaftlichkeit der Wissenschaft ausmacht. Schon in den L. U. (II. 2. § 65 und 66) stellt H. fest, daß wir nun vollkommen verstehen können, 11Warum der Gedanke, es könnte der Weltlauf die logischen Gesetze je verleugnen, nichts als Widersinn ist". Die logischen Gesetze sind trans-
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zendeute Gesetze. 11 Das von den großen Philosophen so ernsthaft und tiefsinnig behandelte Problem der 11 realen oder fonnalen Bedeutung des Logischen 11 ist ein widersinniges Problem. Es bedarf keiner metaphysischen oder sonstigen Theorien, um die Zusammenstimmung des Laufes der Natur und der dem "Verstande eingeborenen 11 Gesetzmäßigkeit zu erklären; statt der Erklärung bedarf es der bloßen phänomenologischen Aufklärung des Bedeutens, Denkens, Erkennens und der darin entspringenden Ideen und Gesetze. 11 (L. U. II. 2./199 f) Diese Sätze und ihre Erläuterungen sind die Bekräftigung dessen, daß die anschauliche Apriorität des Sachverhaltes die Wahrheit der Welt offenbart, eine Offenbarkeit, deren fundamentale, ontologische Bedingungen erst Heidegger vollkommen evident gemacht hat. Die hierzu gehörenden Fragen der Transzendenz werden uns noch in dem Schlußkapitel beschäftigen.
§ 21. Das empirische Apriori und die theoretischen Wissenschaften. Es ist aber nicht überflüssig, einiges über die Begründung der Wissenschaft schon hier zu vermerken. Die Anschauung des Apriori ist nicht an sinnliche Daten gebunden. Diese ist eine ungemein wichtige Feststellung. Die Geometrie gründet in der Anschauung des Apriori. Kant und der Neukantianisn1us folgerte daraus, daß die ganze Geometrie, und im Anschluß an sie die theoretische Phoronomie und Dynamik reine Vernunftleistungen seien, unabhängig von jedem Mitwirken der Erfahrung. Dadurch wurde ein unverständlicher Bruch in die Erfahrung gebracht. Die Neukantianer haben ihn radikal vertieft. Die beschreibende Phänomenologie entdeckte dagegen die gegenständliche Anschaulichkeit des Apriori im Unterschied zu der apriorischen Anschauung des Raumes und der Zeit. Sonlit ist die Geometrie keine reine Vernunftkonstruktion. Sehr bezeichnend hierfür sind die Ausführungen H.'s (Hua. 3, 350): 11 Die ungesehenen Bestin1mtheiten eines Dinges sind, das wissen wir in apodiktischer Evidenz, wie Dingbestimnltheiten über-
haupt, notwendig räumliche: das gibt eine gesetzmäßige Regel für 1nögliche räumliche Ergänzungsweisen der unsichtigen Seiten des erscheinenden Dinges; eine Regel, die vollentfaltet reine Geometrie heißt. Weitere dingliche Bestimmtheiten sind zeitliche, sind materielle: zu ihnen gehören neue Regeln für mögliche (also nicht frei-beliebige) Sinnesergänzungen und in weiterer Folge für mögliche thetische Anschauungen bzw. Erscheinungen. Von welchem Wesensgehalt diese sein können, unter welchen Normen ihre Stoffe, ihre möglichen noematischen (beziehungsweise noetischen) Anpassungscharaktere stehen, auch das ist a priori vorgezeichnet." Das anschauliche Apriori enthält nach dieser Beschreibung eine übersieht der Möglichkeiten. (Es ist nicht beschränkt auf Anschauung des Generellen als Vorschrift für die Variationsmöglichkeiten des Spezifischen, beziehungsweise Individuellen in dem Sachverhalt.) Die reine Geometrie ist das anschauliche Apriori der Regel der möglichen Bewegungen, als Bewegungen im Raume. H. setzt die Anschaulichkeit des Apriori als Geometrie in Parallele mit der in dem sinnlichen Vernehmen waltenden Regel der räumlichen Ergänzung der Dingwahrnehmung. Daraus ist ersichtlich, daß er Raum und Räumlichkeit als kategoriale Anschauung auf Grund der sinnlichen Daten deutet. Die Anschaulichkeit des Apriori begründet die sinnliche Vernehmbarkeit der apriorischen Regeln. Wir sind berechtigt in bezugauf die reine Geometrie und in bezug auf die reine Phoronomie vom sinnlichen Apriori zu sprechen. H. spricht von "apriorischen Sachverhalten, die unmittelbar schaubar sind, u. zw. gründen sie sich auf die in generellem Schauen zu fassende Spezies". (Hua. 2, 52) Das Wesen des anschaulichen Apriori wird wohl am besten durch eine Frage geklärt, die H. im Gespräch oft wiederholt hat: ob nämlich ein blind, taubstumm und ohne Tastgefühl Geborener Raumvorstellungen besitze. Diese Frage zielt daraufhin ab, ob dieses Monstrum ohne irgendwelche Sinnesdaten Geometrie ausbilden kann. H. hat zeitweise mit "ja" geantwortet. Die konsequente Antwort müßte "nein" lau4
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tcn, weil zur geometrischen Raumvorstellung das sinnliche Apriori mitgehört. Dieses ist nicht angeboren, sondern in dem Vernehmen des Apriori des Sachverhaltes gewonnen. Eine Anspielung auf diese Fangfrage finden wir Hua. 2, 38 "Aus bloß gewußten und nicht geschauten Existenzen deduzieren, das geht nicht". Wir können also provisorisch drei Leistungsbereiche der Anschaulichkeit eines in den Sachverhalten beschlossenen Apriori unterscheiden. Erstens: die anschauliche Vernehrnbarkeit des Generellen, das immer schon früher ist als das Erkennen des Speziellen und Individuellen. Diese Leistung ermöglicht die Erkennbarl<eit der Dinge, seien sie in der äußeren oder inneren Erfahrung gegeben. Zweitens die anschauliche Vernehmbarkeit der Regel der Verweisungen, die immer schon früher ist als die Vernehmbarkeit des Sachverhaltes. Diese Leistung ermöglicht zun1 Beispiel die reine Geometrie. Drittens die Anschaulichkeit eines Bereiches, der die möglichen, aber nicht beliebigen noematischen Variationen eines vernommenen Sachverhaltes umfaßt. Sie ermöglicht in erster Linie die Erfahrungen der theoretischen Physik.
II DIE TRANSZENDENT ALE PHÄNOMENOLOGIE
§ 22. Der Obergang zur transzendentalen Phänomenologie. Wir müssen nun, um den Übergang von der deskriptiven Phänomenologie zur transzendentalen Phänomenologie zu finden, die bis jetzt gewonnenen Einsichten neu überschauen. Wir haben die drei Hauptaufgaben der beschreibenden Phänomenologie behandelt: Intentionalität, kategoriale Anschauung, Wesen des anschaulichen Apriori. Es ist sichtbar, daß im ganzen Zusammenhang die Klärung der Intentionalität am wichtigsten ist, das heißt der intentionalen Akte mit dem zugehörigen Intentum. Wie es sich in diesem Zusammenhang gezeigt hat, sind die alten Gegensätze zwischen Subjekt-Objekt ebensowenig aufrechtzuerhalten wie diejenigen zwischen Transzendenz und Immanenz. Die in den intentionalen Akten konstituierten Gegenstände sind reale Objekte. Die kategoriale, beziehungsweise apriorische Konstitution ist nicht Leistung der reinen (vom Empirischen gereinigten) Vernunft. Die Konstitution gehört zum objektiven Sein der betreffenden Gegenstände. Die phänomenologische Beschreibung findet in den Fundierungsverhältnissen der Aktstrukturen dieselbe konstitutive Schichtung wie in den Gegenständen. Die Hinterseite des Tisches ist nicht meine Ergänzung. Die Alleemäßigkeit der beiden Baumaggregate, die Gelb-Grünheit des Tisches, die ich zuerst sehe, obwohl ich nicht sehe, inwiefern sie von anderen gelbgrünen Oberflächen absticht, sind nicht subjektive Erscheinungen. Wir halten uns an das Faktische, das wir in den Bewußtseinsphänomenen beschreibend dar4*
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stellten. Wir passen die Erfüllung der Aussage an das reale Ding d. h. an den Sachverhalt, der zu ihm zugehört, an. Somit ist die Identität der Struktur des Seienden und der Inhalt der Aussage evident. Das Problem der Evidenz behandelt H. in allen Schriften. Sie ist neben der Intentionalität Grundthema. Es ist klar, warum das so ist. Seit jeher sinddie beiden Fragen: wasmacht die Evidenz einer Einsicht aus? Und worin beruht die Wahrheit einer Aussage?, miteinander verbunden. Die klassische Annahme versieht die Wahrheit eines Satzes mit einem psychischen Index, das den Zwang bezeichnet, das argumentativ Eingesehene unausweichlich zu akzeptieren. Nicht einmal die Skepsis kann sich diesem Zwang entziehen. Auch sie appelliert an die Evidenz, um eine schon herrschende Evidenz zu entkräften. Selbst Descartes prüft die Wahrheit des Wissens mit einer letzten Evidenz, mit der Evidenz der klaren und distinkten Perceptio, um alle Setzungen auszuschließen, die dieser Grundevidenz nicht entsprechen. Daß in seinem Vorgehen eine Verbindung von Psychischem mit der Wahrheitstheorie vorliegt, merkt Descartes nicht. Er merkt vor allem nicht, daß der subjektiv-psychische Charakter der clara et perfecta perceptio keinerweise "eine objektive Gültigkeit verbürgen kann, ohne die es für uns doch keine Wahrheit gäbe 11 (F. T. L. 247). (Zu dieser und anderer Descartes-Kritik ist allerdings zu vermerken, daß H. von Descartes' "herrlichen Meditationen 11 spricht. Hua. 4; Id. II. 103.) Alle diese Gedankengänge beruhen auf der Forderung nach unveränderlicher absoluter Wahrheit. Sie sollen durch die in ihnen innewohnende Evidenz sich als unerschütterliche Grundlage des Wissens etablieren. Wenn wir aber einsehen, daß absolute, endgültig abgeschlossene Wahrheiten unmöglich sind (und die Forderung widersinnig), entfällt die Grundlage für die Verbindung von Evidenz und Wahrheit, beziehungsweise für die Auszeichnung bestimmter Urteile durch die Evidenz. Beweis dafür ist, daß Descartes die Evidenz in den wissenschaftlichen Einsichten lokalisiert, nicht aber in der Erfahrung, die eben verworren und unklar ist. Es ist aber 52
leicht einzusehen, daß gerade die Erfahrung die überhaupt größte Evidenz hat. Wenn ich einen Tisch sehe, diesen Tisch hier, dann ist es evident, daß ich ihn sehe, und daß er hier steht. "Ein Ding sehe ich, ich nehme es wahr. Ich sehe das Ding, nicht die Existenz des Dinges. Aber ich habe Evidenz davon, daß das Ding ist. 11 (Hua. 3; Beilage XXVII. S. 417) Eine größere Evidenz kann es überhaupt nicht geben. Das Descartes'sche Argument, daß ich halluzinieren kann, daß sich meine Sinne täuschen können, überhaupt die Berufung auf den Dämon, der mich eventuell irreführen will, führt zu nichts. "Es ist für jedermann, nur nicht für den verwirrten Philosophen absolut selbstverständlich, daß das in der Wahrnehmung wahrgenommene Ding das Ding selbst ist, in seinem selbsteigenen Dasein, und daß, wenn Wahrnehmungen täuschend sind, dies besagt, daß sie mit neuen Wahrnehmungen in Widerstreit sind, die in Ge,vißheit zeigen, was an Stelle des Illusionärens wirklich ist. 11 (F. T. L. 248) Betont ist also, daß jede originäre Wahrnehmung evident ist. Alle Wahrnehmungen sind evident, in denen die betreffenden Sachen und Sachverhalte als sie selbst gegenwärtig sind (C. M. 52). Die Bezeichnung "evident11 ist dementsprechend am besten mit "selbstverständlich 11 zu übersetzen. Das Evidente ist selbst als das Verständliche und zwar als Wirkliches, zweifellos Existentes. Daraus ist sichtbar, daß die Evidenz nicht an die Aussage gebunden ist. Sie "bezeichnet die intentionale Leistung der Selbstgebung 11 • "Genauer gesprochen ist sie die allgemeine ausgezeichnete Gestalt der ,Intentionalität', des ,Bewußtseins von Etwas' in der das in ihr bewußte Gegenständliche in der Weise des Selbsterfaßten, Selbstgesehenen, des bewußtseinsmäßigen ,Bei-ihm-selbstseins' bewußt ist. 11 (F. T. L. 141) In einem anderen Zusammenhang heißt es statt des dramatischen "Beim-ihm-selbst-sein11 : 11 Evidenz ist in einein allerweitesten Sinne eine Erfahrung von Seienden und Soseiendem, eben ein Es-selbst-geistig-zu-Gesicht-bekommen. 11 (C. M. 52) Das "Es-selbst-zu-Gesicht-bekommen" bedeutet,
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dag Jie Evidenz davon abhängt, inwiefern die Wirklichkeit der Sache bzw. des Sachverhaltes erfaßt ist. Es wird an diesem Faktischen nichts dadurch geändert, daß keine Erfahrung der Wirklichkeit der Sache oder des Sachverhaltes adäquat sein kann. Keine Erfahrung ist abgeschlossen: die erfahrene Wirklichkeit ist unadäquat erfahren. Es ist aber sichtbar, daß die verschiedenen Evidenzen in beschreibbarer Weise miteinander verflochten sind. Nicht nur so, daß die Evidenz einer Erfahrungsstufe in höheren Evidenzleistungen aufgeht, sondern auch so, daß sie mit 11 Nichtevidenzen" zusammenhängen und" wesensmäßige Abwandlungen beständig vonstatten gehen". (F. T. L. 255) Entscheidend ist, daß die 11 Wesensmäßig so geartete Erfahrung in Horizonten auf mögliche weitere bestätigende Erfahrungen vorweist, daß sie aber die Möglichkeit wesensmäßig auch offen läßt, daß widerstreitende Erfahrungen sich einstellen, die zu Korrekturen in Form von Andersbestimlnung oder von vollständiger Durchstreichung (Schein) führen" (F. T. L. 248). "Erfahrung, Evidenz gibt Seiendes und gibt es selbst, unvollkommen, wenn sie unvollkommene Erfahrung ist, vollkommener, wenn sie sich ... vervollkommnet, das ist, sich in der Synthesis der Einstimmigkeit erweitert." (1. c.)
§ 23. Apodikzität und Evidenz. Was heißt also Evidenz? Worin besteht ihre Leistung, wenn sie nicht die Wahrheit garantiert? Antwort finden wir nur in der Wesensbefragung der Erfahrungen selbst. Dann zeigt sich, daß Evidenz keine zusätzliche Überzeugung oder Einsicht ist, die zu dem Erfahrungsinhalt hinzutritt, sondern Evidentsein und Erfahrensein identische Bezeichnungen sind. Was erfahren ist, ist eo ipso evident, Einsicht in das, was an dem Erfahrenen gesehen ist, das heißt von ihm aus einleuchtet. Evidenz ist danach Funktion des Erfahrens, und sie reichtgenauso weit, wie die leitenden Hinweise der verschieden gestuften Erfahrungsintentionen in ihren offenen Horizonten reichen. Erfahrung ist sogar die grundlegende Evidenz für alle in ihr enthalte54
nen Evidcnzcn. Wenn wir ständig die Unerläßlichkeit der Erfahrung in der Wissenschaft betonen, meinen wir, daß nur sie in entscheidendem Sinne evident ist. (F. T. L. 144) Es heißt zur Erklärung: Die Evidenzen sind Funktionen. (F. T. L. 254). Für dieses Fungieren n1ag ein Beispiel genügen. Jedwede Gegenständlichkeit ist in ihrer intentionalen Vermeintheit evident. Die Evidenz birgt in sich eine Fülle von Motiven, die in einer untergeordneten Intention erfaßbar sind, weil die ursprüngliche Intention der Wahrnehmung des Gegenstandes auf sie hinleitet. Jeder Gegenstand präsentiert sich zum Beispiel perspektivisch; mit bestimnlter Farbe und Farbnuance; in einer bestimmten und ihn bestimmenden Umgebung. Die Funktion der Evidenz ist die Bestimmung des Bestimmbaren, in erster Reihe des Individuellen. Denn ursprünglich "ist das Ding das erste, das affiziert und erst in einer reflektiven Ablenkung davon, sekundär" die für ihn fungierenden Evidenzen (1. c. 2 54). Die Funktion bedeutet, daß die Evidenzen in verschiedenen Gradualitäten der Klarheit zusammenwirken in der Herstellung der Einsichtigkeit des an dem Sichselbstgebenden Sichtbargewordenen. In diesem Sinne sind die untergeordneten Evidenzen Selbstauslegungen einer ursprünglichen intentionalen Sicherheit, des sicheren Habens dessen, was in dem intentionalen Akt und in seinen Hinweisen enthalten ist. Somit ist es verständlich, wenn wir sagen: "Evidenz ist die Einheit einer Vernunftsetzung mit dem sie wesensmäßig Motivirenden" (Hua. 3, 336; Id. I. 284). Dadurch steht als leibhaft bewußt nicht nur ein einseitiges, unvollkommen Erscheinendes da, sondern einfach dieses Ding selbst. (1. c. und C. M. 54) Die Aussage ist evident, wenn Sachlage und Aussage sich decken. Die Sache ist evident, wenn sie wirklich ist: das heißt in ihr alles das enthalten ist, was von ihr hergenommen wird, bzw. alles von ihr hergenommen wird, was in ihr enthalten ist. In dieser Unterscheidung ist schon die Nötigung beschlossen, die Probleme, die in der Evidenz -Erfahrung liegen, in die Richtung der Transzendentalphilosophie weiter zu entwickeln. 55
Die Nötigung hängt, wie ich schon kurz angedeutet habe, damit zusammen, daß durch die beschreibende Phänomenologie die Sicherung der Gewißheit des cogitatum nicht möglich ist. Da wir aber mit dem Wort Evidenz die Tatsache verstehen, daß in dem natürlichen Vollzuge des Daseins die Wirklichkeit der Sache und die Wahrheit der Aussage gleicherweise ohne Störung überzeugend und unproblematisch feststeht, muß die Philosophie diese Evidenz sichern. Die beiden in der Evidenz liegenden Fragen betreffen dasselbe wie die Descartes'sche Zweifel-Forderung. Die Sicherung der natürlichen Evidenz durch eine philosophische Grundlegung ist schon die Descartes'sche Aufgabe. H.s Anliegen ist Wissenschaftsbegründung wie bei Descartes und Leibniz. Die Evidenzfrage besagt: unter welchen Bedingun-· genist das Sein der Wahrheit und das Sein der Wirklichkeit absolut sicher. In Abweichung von Descartes lautet H.s Antwort: Nicht nur das ego cogito ist evident, sondern so das Ego wie das cogito für sich. In erster Linie ist aber das cogitatum evident. Denn sofern wir die Anweisungen der beschreibenden Phänomenologie befolgen, ist immer das intentum gewiß, während die intentio nicht zum Vorschein kommt, noch weniger das Ego.
§ 24. Evidenz der transzendentalen Erfahrung. Da H. von der Intention ausgeht, ist die Evidenzfrage doppelt gerichtet: auf den Akt und auf das Intentum (Akt-Korrelat). Die Evidenz Descartes' ist die Gewißheit des Ego cogito. Descartes schließt die unmittelbare Gewißheit des cogitatum aus. Ob alle cogitata gewiß sind, kann nicht gesagt werden. Solche aber, die ich sicher und klar einsehe, sind durch Gottes Fügung, wie durch seine Güte gewiß. Für H. ist das cogitatu1n am wichtigsten. Wie kann man aber die Zuverlässigkeit des cogitatum rechtfertigen, wenn Klarheit und Distinktheit nicht ausreichen und wir nicht auf den Willen Gottes rekurieren können? Die Gewißheitsfrage, das Streben nach einem fundarneuturn inconcussum muß sich auf das cogitatum richten. 11 Un-
tcr welchen Bedingungen habe ich die Sicherheit, daß die gedachte (das heißt die gemeinte) Sache wirklich ist? 11 Folgendes ist zu beachten: r. Die Wirklichkeit der Sache hängt von denselben Bedingungen ab wie die Wahrheit der Aussage. Diese Verflechtung ist zwar nicht ausreichend, denn die Wahrheit der Aussage reicht unter Umständen weiter als die Wirklichkeit des in der Aussage Gemeinten. Aber für die Aufgabe der Wissenschaftsbegründung reicht die Gleichsetzung aus. - 2. Wenn diese Identität der Bedingungen eingesehen ist, haben wir zwei Möglichkeiten des weiteren Vorgehens: a) entweder die Bedingungen der Möglichkeit der wahren Aussage zu prüfen, oder b) die Bedingungen det Möglichkeit der Wirklichkeit der Dinge. H. wählt den zweiten, schwierigeren Weg. 3· Als Leitfaden für die Bearbeitung dieses ungeheuren Feldes dient die Einsicht von der Identität der Bedingungen, so der Wirklichkeit der Dinge, wie der Wahrheit der Aussage und dessen, was diese Einsicht begründet: der Gewißheit des ego cogito, sofern cogito als intentionaler Akt verstanden ist und somit die Wirklichkeit des cogitatum einschließt. Es ist klar, daß wir damit die bloße, an und für sich evidente Beschreibung des Bewußtseinsaktes verlassen müssen. Jede Frage nach der Gewißheit des Seins der Seienden ist eine t r anszenden t a 1e Frage. In noch viel höherem Maße ist sie dies, wenn die Gewißheit primär nicht in dem Erkenntnisvermögen gesucht werden soll, sondern in der Seinsverfassung der Seienden. 4· Die Verbindung der transzendental subjektiven Aussage mit dem transzendental objektiven Sachverhalt und ihre gemeinsame Wurzel im intentionalen Akt bestimmt den ersten Schritt der phänomenologischen Forschung: die Betrachtung aller cogitata unter dem Gesichtspunkt, daß sie uns zunächst als intentionale Inhalte von intentionalen Akten begegnen. 5. Daher ist die Evidenz-Prüfung als Kriterium zu benützen, ob die intentionalen Inhalte dem Sachverhalt entsprechen. Ob zum Beispiel Wahrnehmung nicht weniger oder 57
nH:hr cntlüilt als dctn Wahrnehmungsakt in dem Sachverhalt vorgegeben ist. Vor H. wurde dieses im Wahrnehniungsakt Erfaßtc zu eng gedeutet. Es zeigt sich, daß die Kategorien und das Apriori zu der intendierten Sache oder zu de1n im vernommenen Sachverhalt Gegebenen hinzugehören, beziehungsweise die Gegenständlichkeit des Intentuln in der Weise der Fundierung mitkonstituieren. Es ist also am wichtigsten zu sehen, daß die intentionalen Akte k o n s t i tut i v e Akte sind. Das ist nicht so zu verstehen, als ob das Bewußtsein in seinen Erkenntnisfunktionen eigenmächtig wäre. Die Konstitution geht der Schichtung nach, die in dem Sachverhalt selbst gegeben ist. Dieses Nachgehen ist in der kategorialen Anschauung gleichsam prädisponiert durch die Struktur des Seins. Die Verbindung der intentionalen Akte folgt den sachlichen Hinweisen. Heidegger hat in "Sein und Zeie' in bestimmter Hinsicht an der Phänomenologie kritisch vermerkt, daß die Seinsweise der Intentionalität bei H. nie geklärt werde; so bliebe auch das Sein des Bewußtseins, überhaupt das Sein des "Daseins" verdeckt. Keine der Bestimmungen, die H. dem Sein des Menschen gibt, wäre entsprechend. Sie seien teils naturalistisch, teils theoretisch. Somit steht die ganze Phänomenologie auf schwacher Grundlage. Diese Kritik ist gerechtfertigt, aber unangemessen. Zu der Aufgabe, die H. sich stellte, gehört nichts anderes als die Beschreibung des Bewußtseins in der Totalität seiner wis· senbeschaffenden Tätigkeit und die Aufdeckung der tran· szendentalen Leistungsbereiche der beschriebenen Tätigkeiten. Nicht die Seinsweise des Bewußtseins ist das Thema, sondern die Sicherung der Leistung seiner Aktivität. Die ontologische Frage H.'s betrifft nicht die Seinsweise des menschlichen Daseins. Sie ist auf die objektive Realität gerichtet wie die Ontologie des Aristoteles. Die Frage ist, wie bei Descartes, diejenige nach dem wahren, das heißt gewissen "es ist". Wann und unter welchen Bedingungen können wir sagen, daß wir das Sein eines Seienden unbezweifelbar erfahren haben, um von der Gewißheit dieser
Erfahrung weitere Gewißheitsbegründungen für die Sieheru ng der Wissenschaften zu beziehen.
§ 25. Eine Zusammenfassung. Wir müssen ständig festhalten, daß es sich in der beschreibenden Phänomenologie um das empirische Bewußtsein handelt. Dieses ist in erster Linie dadurch charakterisiert, daß es Erfahrungen in natürlicher Einstellung macht und sie nach bestimmten Regeln zu wissenschaftlichen Erkenntnissen verarbeitet. Die Erforschung der Intentionalität zeigt, daß das empirische Bewußtsein durchgehend mit intentionalen Akten und mit ihren Implikationen arbeitet. Sie zeigt weiter als einzig Evidentes das konstitutive Sein der Erfahrung. Nicht die Unbezweifelbarkeit des ego cogito ist das Thema, sondern eben das Ego in seinem unendlichen Reichtum von konstitutiven Akten. Die in den Akten gehandelte Handlung ist gewiß. Die in diesen Handlungen konstituierte Welt ist wahr. Nun zeigt sich aber, daß das empirische Ich mit allen seinen Handlungen nur weltliche Beschreibungsfülle erlaubt, jedoch nicht ausreicht, um die Gewißheit des cogitatum zu garantieren, und damit die empirischen Handlungen des empirischen Ich zu begründen. Um das konstituierende Ego zu gewinnen, ist das Ausschließen aller realen Setzungen, auch des Ich als realen notwendig. Behalten werden soll nur der Aktivitätsbereich des konstituierenden, des reinen Ego. Daher ist für H. nicht das Dasein das ontologische Problem, wie Heidegger es von ihm verlangt, sondern das cogitatum. Cogitatum ist auch das eigene Dasein. Nur als solches steht es in Frage. Es ist notwendig hier programmatisch etwas vorzugreifen. Für das Verständnis der phänomenologischen Absichten im ganzen ist es entscheidend, sehen zu lernen, daß an dem Ich als Zentralphänomen drei Schichten zu betrachten sind. Das Thema der beschreibenden Phänomenologie ist das empirische Ich, der Pol der natürlichen Erfahrungen, an dem wir uns als Phänomenologen orientieren. Die zweite Schicht ist die des transzendentalen Ich oder wie es abwechselnd 59
heil\t: des transzendentalen Subjekts oder des transzendent:Jien Egos. Seine Handlungen machen die Legitimität der empirischen Erfahrungsvorgänge verständlich. Diese erste Unterscheidung der zwei Ichschichten hat schon die Kritik der reinen Vernunft klargemacht. Das Neue bei H. ist die Entdeckung der dritten Schicht, die des reinen Ego. Die transzendentale Subjektivität wird in der transzendentalen Phänomenologie freigelegt und ihre Leistung verständlich gemacht. In ihr geschieht auch die Freilegung der reinen Egologie. Zu ihr müssen wir einen zweiten Übergang vollziehen. Trotz der Rede von Schichten und von Übergängen kann davor nicht genug gewarnt werden, drei verschiedene Ich zu dogmatisieren. Es handelt sich immer um ein einheitliches Ich, jedoch mit einer komplizierten Seinsverfassung, die sich in den fundierenden, beziehungsweise fundierten Aktivitäten manifestiert.
Es handelt sich nicht einmal um das Ich allein, sondern um die totale Wirklichkeit, in welcher das Ich nur als ein Pol bezeichnet wird. Es ist abwegig daraus zu folgern, daß H. die schon abgelehnte Trennung: Subjekt-Objekt nun wieder einführt. Er spricht nur vom Ich-Pol und Ding-Pol, nicht von getrennten Bereichen; er weist also bloß auf markierte Stellen einer Einheit hin und das auch nur zu Zwekken der Beschreibung, nicht für die Begründung. Nach einem schönen Wort H.'s gehört zu den empirischen "objektiven Wissenschaften ... auch eine Wissenschaft von der Subjektivität, aber von der objektiven, der Welt zugehörigen Subjektivität." (C. M. 68)
§ 26. Ubergang vom empirischen Ich zum transzendentalen Subjekt. Wir wollen nun den ersten Übergang betrachten: vom empirischen Ich zu dem transzendentalen Subjekt. Was das empirische Ich anlangt, können wir uns auf das bereits in der deskriptiven Phänomenologie Geklärte beziehen. Es muß zunächst gelingen, die verschiedenen Fundierungsschichten, die das transzendentale Ich verdecken, ab-
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zubauen. Die Methode dafür ist gekennzeichnet durch die Titel: Epoche, Einklammerung, Reflexion, Reduktion. Beachten wir dazu Folgendes: Das empirische Ich findet cn1pirische Dinge, empirische Sachverhalte, empirische, geistige Phänomene vor. Diese zeigen weder in der Seinsweise, noch in der Vernehmungsweise Unterschiede von den weltlichen Dingen überhaupt, wie Häuser, Bäume, Sterne usw. Dasselbe gilt bezüglich der intentionalen Akte. Sie sind Vorkommnisse derselben natürlichen Welt, wie die materiellen Dinge auch. Die Gesamtheit eines solchen Vorkommniszusammenhanges heißt der individuelle Erkenntnisstrom. Im Erkenntnisstrom finden sich die Wahrnehmungen von realen Gegenständen, die in der Welt vorkommen, inklusive des Ich und der anderen Menschen zusammen. Wir verharren in der natürlichen Einstellung, vollständiger gesagt: wir vollziehen Erfahrungen in der natürlichen Einstellung, sofern wir uns direkt auf diese Gegenstände richten. Wir sind dabei auf die Erlebnisse eingestellt, auf den Erlebniszusammenhang, u. zw. auf unseren eigenen, wie er realiter abläuft. Wenn wir die neue Richtung einschlagen und nicht weiter unmittelbar in den natürlichen Erlebnissen leben, ist das Sichrichten ein neuer Akt; er heißt Re f 1e x i o n. In dem Akt der Reflexion finden wir Gegenständliches, das selbst den Charakter von Erlebnissen, des "Bewußtseins von etwas" hat. "Wir gehen zunächst direkt aufweisend vor, da das aufzuweisende Sein nichts anderes ist, als was wir aus wesentlichen Gründen als ,reine Erlebnisse, ,reines Bewußtsein' mit seinen reinen Bewußtseinkorrelaten, und andererseits seinem ,reinen Ich' bezeichnen werden, von dem Ich, von dem Bewußtsein, den Erlebnissen aus, die uns in der natürlichen Einstellung gegeben sind." (Hua. 3, 70; Id. I, 58) In der Reflexion, in der wir vollzogene Akte erfahren, können wir diese beschreiben, wie wir vorher Wahrnehmungsinhalt, Bildvorstellung, Leermeinung beschrieben haben. Jedoch besteht ein wichtiger Unterschied. Wenn wir Akte der Reflexion vollziehen, sind wir auf Akte gerichtet, 6r
nid1t aber auf Dinge. Dabei machen ·wir eine besondere Beobachtung: Akt und das Worauf des Aktes gehören in dieselbe Seinssphäre. Die Beobachtung des Aktes und der Akt selbst fließen ineinander, sie sind real ineinander enthalten, sie gehören zu demselben Erlebnisstrom. Diese reale Einbeschlossenheit des intendierten Gegenstandes in der Erfassung selbst, und zwar in der Einheit derselben Realität, von derselben Seinsweise nennen wir Immanenz. Damit gewinnt die Bezeichnung, die wir schon im allgemeinen Sinne verwendet haben, eine eingeschränkte genaue Bedeutung: sie hat den Sinn des realen Zusammenseins von Reflexion und Reflektiertem. In diesem Falle bilden Bewußtsein und seine Inhalte, das heißt Reflexion und Akt als Gegenstand der Reflexion, eine individuelle, rein durch Erlebnis hergestellte Einheit. Es ist offenbar, daß der Sachverhalt ein anderer ist als bei den Wahrnehmungen, zum Beispiel eines materiellen Dinges. Die Wahrnehmung des Tisch-Dinges enthält das wahrgenommene Ding nicht in sich. In diesem Akt gehört das wahrgenommene Seiende nicht zum reellen Bestand des Wahrnehmens. Das Ding da, der Tisch, schwimmt gleichsam nicht realiter im Erlebnisstrome mit, sondern ist außer aller wesentlichen Einheit mit dem Erlebnis. Erlebnis kann also nur mit Erlebnissen zu einer Einheit verbunden sein. Das Gesamtwesen dieser Einheit umschließt die eigenen Wesen: Reflexion, Akt, Wahrnehmungsakt. Das Gesamtwesen ist jeweils in dem einzelnen fundiert. Die Ganzheit eines Erlebnisstromes ist also eine in sich geschlossene und allein durch die eigenen Inhalte der Erlebnisse bestimmt. Aus dieser Ganzheit des Erlebnisstromes als einer in sich geschlossenen ist jedes transzendente Ding, jeder reale Gegenstand, also zunächst die ganze materielle Welt, ausgeschlossen. Die materielle Welt ist gegenüber der Region der Erlebnisse das Fremde, das Andere. Wir haben durch diese Beobachtung zweierlei gewonnen. Einmal zeigt sich, daß der Erlebnisstrom als reales Vor62
kon1n1nis mit der realen Welt zu einer realen Einheit verknüpft ist. So zum Beispiel mit dem Körper (Leib) in der Einheit der psychophysischen Verfassung. Zum anderen wird sichtbar, daß zwischen Bewußtsein als Erlebnisregion und dem Ding eine Kluft besteht. Einmal ist das Erlebnisganze (Erlebnisstrom) mit der Welt realiter eins in der Konkretion des faktischen Lebewesens Mensch. Zugleich ist es aber von ihr durch eine Kluft getrennt, wie es jede Dingwahrnehmung zeigt. Wir müssen demnach Immanenz und Transzendenz jetzt anders als bisher in einer neuen Beschreibungseinheit sehen. Diese mit Immanenz und Transzendenz, bezeichnete Scheidung der Seinssphären, ist dadurch merkwürdig, daß die Sphäre der Immanenz, die Erlebnissphäre, die Möglichkeit bestimmt, innerhalb deren die durch eine Kluft getrennte transzendente Welt gegenständlich werden kann. Wir Menschen erfahren uns selbst in einer doppelten Verflechtung, einmal als Lebewesen in derjenigen der realen Einheit der Natur, beziehungsweise der Welt, und dann innerhalb dieser Verflechtung in der Bezugseinheit von Immanenz und Transzendenz trotz der realen Kluft. Angesichts dieser doppelten Verflechtung ist zu fragen, wie es möglich ist, daß die Region der Erlebnisse, also die Region "Bewußtsein" aus der kontinuierlichen Einheit als etwas in sich Abgeschlossenes herausgehoben werden kann? Wir haben schon im Anfang gesehen, daß die Erlebnisregion charakterisiert ist durch die Intentionalität. In den Erlebnissen ist auf Grund ihrer Intentionalität die transzendente Welt in gewisser Weise da. Dieses GegenständlichSein der transzendenten Welt muß nicht notwendig als Erfaßt-Sein verstanden werden. Das erkenntnismäßige Vernehmen ist nur ein bestimmter Aktmodus. Andere Aktmodi sind zum Beispiel die Akte des Sichfreuens, der Liebe und so weiter. Das Geliebte ist nicht Gegenstand im Sinne des erkannten Gegenstandesi um das zu präsentieren, bedarf es einer neuen Modifikation der Intention. Um den Begriff der Intentionalität nicht einzuengen, muß immer
beachtet werden, daß das Erkennen nicht die einzige, nicht einmal bevorzugte Weise des Sichrichtensauf ... ist, sondern nur ein besonderer, gar nicht notwendig vorherrschender Modus des Intendierens. § 27. Die Reß_exion. Durch die Reflexion auf ein bestimmtes Erlebnis im Ablauf des kontinuierlichen Erlebnisstromes, also auf einen bestimmten Akt, z. B. auf die Dingwahrnehmung, bin ich thematisch nicht auf das Wahn~e~ nommene gerichtet, sondern auf die Wahrnehmung, allerdings auf die Wahrnehmung dieses bestimmten Wahrgenommenen. Die Beziehung auf das Transzendente kann nicht ganz verschwinden; sie bestiln1nt die Besonderheit des Aktes. H. sagt kurz: "Die Beziehung auf Transzendentes hat etwas im reinen Phänomen faßbares" (Hua. 2, 46) obwohl ich das WesenderErkenntnis nur zurKlarheitbringen kann, wenn ich sie mir selbst ansehe, und wenn sie mir im Schauen selbst gegeben ist, wie sie ist. So wird für die Reflexion der Unterschied: immanent - transzendent mehr oder weniger irrelevant. Keinesfalls ist aber der reflektive Akt transzendente Erfassung des Dinges selbst. In der Reflexion mache ich die konkrete Wahrnehmung nicht mit, ich lebe nicht in der Wahrnehmung des Tisches, sondern in der immanenten reflektiven Erfassung der Tischwahrnehmung. Ich mache die thematische Setzung des erfaßten Tisches nicht mit. Dieses Nicht-Mitmachen der Setzung der materiellen Welt ist der Sinn der Epoche. Die transzendental-phänomenologische Reflexion betrachtet den Akt so, daß sie ihn nicht mitmacht, seiner thematischen Richtung nicht folgt, sondern ihn selbst zum Thema erhebt. In der Epoche figuriert der Gegenstand des primären Aktes weiter mit, aber nur im Hinblick auf sein Intendiertsein, also im Hinblick darauf, wie mein beobachteter Akt (z. B. Wahrnehmungsakt) sein Intendiertes innehat (z. B. in der Weise des Wahrgenommenseins). Das Wahrgenommene ist nicht mehr inhaltlich vernommen, sondern im Wie seines Seins. Diese Modifikation besagt, daß der Sachverhalt ein g e-
k 1a m m er t ist. Die Einklammerung der Sachverhalte bedeutet nicht die Annahme, daß sie nicht sind; die Umschaltung des Blickes hat vielmehr den Sinn, gerade den Seinscharakter des Seienden klar zu machen. Diese Ausschaltung der transzendenten Thesis (das heißt der Thesis des Transzendenten), hat gerade die Funktion, das Seiende hinsichtlich seines Seins präsent zu machen. 11 Man muß erst die Welt durch Epoche verlieren", sagt H., 11 Um sie in universaler Selbstbesinnung wiederzugewinnen." (Hua. I, 39; 183)
§ 28. Epoche und Reduktion. Die Epoche kann grundsätzlich bezüglich aller möglichen Bewußtseinsverhaltungen vollzogen werden. Durch die Epoche kann ich mir das Bewußtsein so vergegenwärtigen, daß ich nur die Akte selbst sehe, die das Bewußtsein ausmachen, nicht die inhaltlichen Gegenstände der Akte; ich betrachte die Seinsweisen, die das Bewußtsein unterscheidet; d. h. die durch die Verweisungen der verschiedenen Akte vorgezeichnete Aktsphäre. Die Gewinnung der Aktsphäre und der Gegenstände in der Bestimmtheit dieser Sphäre nennt H. Reduktion. Ich reduziere in ihr den konkreten Erlebniszusammenhang meines Lebens auf die immanenten Momente meines Erlebnisstromes. Ich habe nach der Reduktion immer noch den konkreten Erlebniszusammenhang, der der meine ist, aber so, daß ich nicht mehr in der Welt aufgehe, nicht der gegenständlichen Richtung der Akte folge, sondern die Bewußtseinsakte als Aktstrukturen präsent halte. Auch nach der transzendentalen Reduktion ist das reduzierte Feld das Feld einer Einmaligkeit, das heißt meines Bewußtseinsstromes. Wir müssen an dieser Stelle wiederholt an Kant erinnern. Auch er nennt die Akte des Bewußtseinsvermögens transzendental und alles, was in ihnen ausgeschlossen ist, das Transzendente. Doch ist der große Unterschied im Vorgehen H.'s offensichtlich. Das Transzendentale ist nicht die Bezeichnung des Bewußtseinsvermögens. "Transzendental" heißt das Bewußtsein in Absehen 5 SzDasi
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von den mundaneu Inhalten seiner Akte. "Transzendent" heißt das in den primären intentionalen Akten intendierte Gegenständliche, das nur deswegen eingeklammert wird, damit sich die Bewußtseinsakte in ihrer Eigentümlichkeit präsentieren. § 29. Redukjon des individuellen Erlebnisstromes auf das reine Bewußtsein. Das Feld des eigenen Erlebnisstromes wird aber noch einer zweiten Reduktion unterworfen. Diese heißt die eidetische. Die Akte und Aktgegenstände werden in ihr nicht als konkrete Vereinzelungen von meinen1 eigenen konkreten Sein als Erlebnisstrom untersucht, sondern die Einheit des Erlebnisstromes wird jetzt ideativ betrachtet. Ich schalte jedes Moment aus, das dieses Individuelle als individuelles bestimmt. Es wird mit anderen Worten an den konkreten Erlebnissen nur die Struktur herausgesehen, die zum Beispiel zu Wahrnehmung, Vorstellung, Urteil als solches gehört, abgesehen davon, ob das Wahrnehmen, Vorstellen oder Verstehen das meinige ist und sich in meiner konkreten einzigen Situation vollzieht. In dieser zweiten Reduktion wird aus der zunächst vernommenen individuellen Vereinzelung eines persönlichen Erlebnisstromes heraus das reine Feld des Bewußtseins sichtbar gemacht. Wir haben schon in der Abgrenzung der Realität des Dinges gegenüber der Realität des Erlebnisstromes gezeigt, daß die transzendente Weltrealität nicht zum realen Ganzen des Erlebnisstromes gehört. Der Tisch ist kein Erlebnisding, sondern nach seiner Seinsart verschieden von der Seinsart des Erlebnisses. Andererseits ist der intentionale Inhalt der reflektiven Wahrnehmung von derselben Seinsart wie der Wahrnehmungsakt. Darin liegt, daß der Gegenstand des zweiten reflektiven Aktes absolut gegeben ist. Der Erlebnisstrom ist eine Seinsregion, die einen1 absoluten Vernehmen zugänglich ist. Der transzendente Anteil der vVahrnehmung erfaßt das Wahrgenmnmene in seiner Leibhaftigkeit, aber es besteht jederzeit die Möglichkeit, daß
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dieses Erfaßte faktisch nicht ist, während in der immanenten Erlebniserfassung das Erlebnis in seinem absoluten Selbst seiend gegeben ist. Die Reflexion auf die Wahrnehmung findet immer Seiendes, das prinzipiell nicht negierbar ist. Oder, wie H. sagt: "Alles leibhaft gegebene Dingliche kann auch nicht sein, kein leibhaft Gegebenes kann auch nicht sein." So zeigt sich, daß die Sphäre der Immanenz ausgezeichnet ist durch die absolute Gegebenheitsart. Unter "absolut" verstehen wir die Losgelöstheit von jedweder Bedingung oder vorangehender Bindung. Die Sphäre des Bewußtseins, die wir durch die doppelte Reduktion, - der transzendentalen und der eidetischen - gewinnen, ist eine solche, die ausgezeichnet ist durch den Charakter: absolut gegeben. Das in der zweifachen Reduktion erfahrbar gemachte reine" Bewußtsein ist die Sphäre des absoluten Seins. 11
§ 30. Illustratives Beispiel für das Verhältnis der beschreibenden und der transzendentalen Erfahrung. Wir müssen diese programmatischen Sätze verdeutlichen. Zur Erklän1ng der transzendentalen Erfahrung möchte ich eine Analogie zum Bedenken geben, ein Beispiel, das H.'s Grundkonzeption nahezubringen vermag, sofern wir es nicht für die Sache eintreten lassen und die Aufmerksamkeit nicht von den behandelten Grundfragen ablenken.
Es handelt sich um den Begriff des Eisenbahnwesens. Ich möchte ihn jetzt in zwei Varianten zur Betrachtung vorlegen. Nehmen wir zunächst an, jemand sitzt einige Wochen täglich a1n Freiburger Bahnhof. Was wird er in natürlicher Einstellung unmittelbar wahrnehmen? Daß die Züge mit der gleichen Bestimmung immer zu derselben Zeit ankommen und abfahren. Diese Wahrnehmung ist eine originäre, eine erfüllte und insofern evidente._ Wir wollen jetzt nicht die Verweisungszusammenhänge verfolgen. Wie weit sie auch in der natürlichen Einstellung verfolgt werden, wird das Phänomen der mit gleicher Bestimmung zu der s•
gleichen Zeit ankommenden Züge nicht erklärt. Der Fundierungszusammenhang fehlt. Wir bemerken noch weitere Fehlmomente. Der Beobachter wird nicht jahraus, jahrein am Bahnhof sitzen können. Er wird also durch Erfahrung nie die Sicherheit haben, ob Züge immer zu derselben Zeit ankommen und abfahren, auch sanntags oder an Festtagen, im Somme:f. wie im Winter. Wir wissen, daß das gar nicht der Fall ist. Aber es läßt sich nicht aus einzelnen zufälligen Beobachtungen oder durch eine induktive Folgerung feststellen. Außerdem hätte der Beobachter auch die Überraschung, daß plötzlich die Züge nicht in der vorgeschriebenen Zeit ankommen. Er wird dann wohl nach den Gründen fragen. Aus den bis dahin gewonnenen Daten wird sich aber keine Motivierung ergeben. Erst wenn wir die beschriebene Erfahrung, wie es in unserer Macht steht, überschreiten und das Eisenbahnsystem, bzw. das Prinzip des Fahrplans und die Art und Weise der Fahrplaneinrichtung kennenlernen, verändert sich die Situation. Wir wissen dann, warum die Züge jeden Tag mit gleicher Bestimmung zur seihen Zeit ankommen, bzw. wegfahren; wir wissen, wie dieses Phänomen begründet ist. Erstkraft der Einsicht in die im Prinzip des Eisenbahnsystems einbeschlossenen Möglichkeiten können wir angeben, welche Ursachen für eine Verspätung in Betracht kommen und die aktuell wirkende Ursache erfahren. Wenn wir jetzt das Beispiel dazu benutzen, daß wir die erste Erfahrung des Bahnbeobachters an Stelle der natürlichen Erfahrung setzen und die zweite an Stelle der reduzierten, transzendentalen Erfahrung, ist es leichter zu verstehen, wie H. den Zusammenhang zwischen den beiden Erfahrungen deutet. Wir sprachen von den Handlungen {Aktivitäten, Akten) des Bewußtseins. Da ist es nicht nötig, uns zu einer fremden Informationsstelle zu wenden. Das Bewußtsein bleibt bei sich selbst, bleibt immanent. Mit Vollzug der Reduktion an den natürlichen, unmittelbaren Erfahrungen werden die immanent verbleibenden transzendentalen Grundverhältnisse sichtbar, die die sinnlich wahr68
nclnnbaren Sachverhalte begründen. Ihre Darstellung ist die Aufgabe, die mit der Reduktion verfolgt werden soll. Bedenken wir nun, was im Büro geschieht, wo das Verkehrssysten1 entworfen wird. Dort werden auch die realen Einzelheiten überlegt, nicht nur ein Verkehrsschema konstruiert; ob elektrische Traktion notwendig ist, ob leichte oder schwere Wagen am Platz sind, ob Schlafwagen benötigt werden usw. Es ist unbezweifelbar, daß das reine Bewußtsein im Hinblick auf Eisenbahn-Erfahrungtrotz seiner Reinheit auf die dinglich erfahrbaren Einzelheiten bezogen ist.
§ 3 r. Die andere Deutung. Ich sagte aber, daß wir das Beispiel auch in anderer Richtung verwenden können. Wir können fragen: Woher weiß der obige Beobachter, daß diese merkwürdig konstruierten Massen Eisenbahnwagen sind. Selbstverständlich auf Grund seiner mundanen Erfahrung, die problemlos evident ist. Unmittelbar sieht er aber nur, daß ein Mann in blauem Rock mit roter Kappe einen Stab hebt, worauf einige hundert Tonnen in Bewegung geraten. Warum glaubt er nicht an ein Wunder, wie es ein Primitiver wahrscheinlich tun würde? Er sieht das Apriori des transzendentalen, das unmittelbar Ersichtliche übersteigenden Schemas, alles was dieses System mitkonstruiert. Er wird zwischen Erscheinung und Ding an sich unterscheiden. Der Mann im blauen Rock mit roter Kappe, der einen Stab hebt, und damit die Masse in Bewegung setzt, ist Erscheinung. Das Ding an sich ist der Sachverhalt, daß nicht der gehobene Stab die Riesenmasse in Bewegung setzt, sondern der zuströmende Dampf in der Lokomotive, und der blauberockte, rothernützte Mann dem Lokomotivführer bloß das Zeichen für das Anlassen des Dampfes gibt. Wenn wir das Beispiel so interpretieren und an die Stelle des supponierten Vernehmens der Erscheinung die sinnliche Anschauung, an die Stelle des Ding an sich - Verstehens die sie verbindende und damit sie in ihrem objektiven Gehalt bestimmende transzendentale Erfahrung setzen, dann
sehen wir in Grundzügen das einheitliche Funktionieren der beschreibenden und der transzendentalen Erfahrung. Hüten wir uns aber vor den geläufigen Mißverständnissen. Die beschreibende Erfahrung darf nicht zu begrenzt verstanden werden. Die oft kritisierte Unn~ittelbarkeit bedeutet, daß die Anschauung durch keine andere, noch direktere, 1nehr selbstverständliche Erfahrung vermittelt wird, und daß die durch die Reduktion enthüllte transzendentale Schicht auch keine vermittelnde Rolle hat. Die Uninittelbarkeit der Anschauung ist nicht beeinträchtigt durch ihre Begründbadzeit aus transzendentalen Schichten. Vermittlung und Begründung sind verschiedene Bewußtseinsschichten. Die Wahrnehmung des Waggondinges, Stationdinges, Verkehrsbeamtendinges und so weiter als Ding ist nicht zurückführbar auf die Wahrneh1nung eines neutralen, gleichsam logisch-nackten Dinges, das es nicht gibt. Die von H. genannten hyletischen Daten sind die Kriterien dafür, daß das wahrnehmende Ding in denselben Zusammenhang gehört, wie das wahrgenommene Ding. Eisenbahnzug ist nicht weniger unmittelbar anschaulich erfahrenes Ding als materielle Menge, nur der Zusammenhang des Wahrnehmenden mit dem Wahrgenommenen ist ein anderer, entsprechend der Verschiedenheit der Intentionen. Daß die Wahrnehmung eines Dinges nicht durch sinnliche Eindrücke fundiert ist, wie es aus der kantischen Darstellung folgt, haben wir schon gesehen. Die intenta der intentionalen Wahrnehmungsakte sind lauter reale Elemente eines realen Weltstückes wie die Wahrnehmungsakte auch. Es ist evident unwahr, daß die aus Bausteinen n~osaikartig zusammengebaute Erfahrungdiejenige ist, die wir kennen. Ebenso ist:eine nackte Ern pirie eine unnötige und den Sachverhalt verfälschende Abstraktion von (wie H. sagte) verwirrten Philosophen. Die beschreibende Erfahrung geht immer schon in eins mit der transzendentalen Erfahrung. Nur in dem phänomenologischen Vorgehen liegt für das Verständnis getrennt auf der einen Seite die ganze konkrete Fülle des anschaulich Vernommenen und auf der anderen
Seite die durch die Reduktion zugänglich gemachte transzendentale fundierende Schicht. In der natürlichen Einstellung ist diese Schicht nicht sichtbar. Erst die transzendentale Phänomenologie bringt sie zur Evidenz. Daraus zu folgern, daß sie nicht immer schon am Werk war, ist widersinnig. Auch bei der Beschreibung sprachen wir ja von Tisch\Vahrnehmung, nicht von Wahrnehmung eines Indifferenten, Bedeutungslosen, das erst durch das Subjekt Bedeutung erhält. Die Beschreibung blieb klärungsbedürftig, weil das Verständnis "Tischsein" (ebenso wie jedes andere beliebige Verständnis) nur durch eine transzendental erfahrungsInäßige Begründung "zum Verständnis" kommt. Die Bezeichnung Noesis - Noema charakterisiert im eigentlichen Sinne die Intentionalität der transzendentalen Handlungen, sofern sie in Einheit gesehen sind mit den durch sie begründeten naiv-selbstverständlichen Erfahrungshandlungen. In den späteren Schriften wird noesis - noema oft auch dann verwendet, wenn intentio und irrtenturn adäquater wäre. Es ist unleugbar, daß die wechselnde Benutzung beider Benennenspaare mit Recht manches Mißverständnis bewirkt hat. Doch muß klar sein, daß, obwohl H. von den kantischen Leitprinzipien ausgeht, die phänomenologische Deutung der transzendentalen Erfahrung eine so grundsätzlich andere ist, daß durch sie der spezifische phänomenologische Idealismus die ersten Anweisungen erhält. Die Explikationen gehen weiter. Denken wir statt der Handlungen und Geschehnisse des Eisenbahnwesens die natürlichen Handlungen des Bewußtseins, in denen die natürliche Erfahrung stattfindet. Diese Handlungen im ganzen: die Wahrnehmung, die Verbindung, die Ideation und so weiter, sie alle müssen in der Reduktion ebenso transzendiert werden, wie die ganze natürliche Welt mit mir als natürlichem Menschen, mit den anderen Menschen als weltlichen Naturwesen, die ganze Mannigfaltigkeit der in den Bewußtseinshandlungen gesetzten Inhalte. Die natürlichen unmittelbaren Handlungen des Bewußtseins und die 71
dazugehörigen intentionalen Inhalte müssen in dem reduktiven Vorgehen die sie fundierenden transzendentalen Handlungen in ihrem Funktionieren zeigen. Um in der Sprache unseres Gleichnisses zu bleiben: die beschreibenden Bewußtseinsakte wollen wir uns behelfsmäßig so vorstellen, als ob sie die Rolle erfüllten, die das volle anschauliche Vernehmen des Eisenbahnbetriebes in der Wahrnehmung des Beobachters spielt. Die transzendentale Erfahrung gibt das Wesen des Eisenbahnsystems kund. Die nun aktuellen Aufgaben zwingen uns dazu, das Gewonnene kurz zusammenzufassen und uns auf unseren jetzigen Stand zu besinnen. Wir haben das ungemein wichtige Vorhaben kennen gelernt, an dem H. in seinem ganzen arbeitsreichen Leben festhält: eine unerschütterliche, absolute Begründung alles menschlichen Wissens und aller Wissenschaften zu gewinnen. Das Vorhaben ist nicht neu. Seit Aristoteles sieht eine ganze Reihe großer Philosophen in diesem Vorhaben die einzige Aufgabe der Philosophie. H. will die produktiven Fragen dieser Geschichte in die neue Besinnung mit einbeziehen. Sie betrafen seit jeher die Struktur des menschlichen Bewußtseins. Am radikalsten bei Descartes, Leibniz und Kant. Das Neue und Revolutionäre von H. besteht darin, daß er nicht der Seinsverfassung des Bewußtseins nachgeht, sondern seiner Aktivität und in der Folge: der Deutung der Leistung der beschriebenen Aktivitäten. Diese Absicht fordert eine veränderte Einstellung zu der alten Position der Philosophie: zum wissenschaftstheoretischen Idealismus bzw. Realismus, zur Transzendentalphilosophie und zu ihrer Negierung, dem Positivismus. Sie entspringt aus einer radikalen Selbstbesinnung und zwingt zu einer beschreibenden Darstellung der Bewußtseinsaktivitäten, mit der Absicht, den Vollzug der einzelnen Bewußtseinsakte und den Zusammenhang, den sie unter sich bilden, streng als Leitfaden zu benutzen, um ohne voreingenommene Spekulation nur das zu beschreiben, was diese Akte und Aktzusammenhänge als Phänomene von sich aus zeigen.
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So haben wir die drei großen Bereiche der Bewußtseinsaktivitäten beschreibend kennengelernt, die intentionalen Akte, die kategoriale Anschauung und die Erfahrungsweisen des empirischen {anschaulichen) Apriori und damit ein großes Stück des einfachen Lebens des Bewußtseins. Die so gewonnenen naturgemäßen Seinszusammenhänge erwiesen sich aber nur wieder als nicht befriedigende Antwort auf die ursprünglichen Wünsche einer strengen Begründung. Die deskriptiven Kenntnisse zeigten gerade auf ihrer höchsten Stufe, wie unbefriedigend sie sind und wie sehr sie nur das Bedürfnis steigern, Antwort auf die Frage zu finden, wie unsere Fähigkeiten es vermögen, die Welt kennen zu lernen und Wissenschaften auszubilden. § 32. Stand der Untersuchung und die nächste Aufgabe. Aus H.'s Tagebuchnotizen haben wir entnommen, 1nit welcher inneren Leidenschaft er sich an Ordnung und N eubegründung der Philosophie wendet. Nichts geringeres schwebt ihm vor, als aus evidenten Anfängen eine scientia prima aufzubauen, die in jeder Zukunft allen Wissenschaften als sichere Grundlage dienen soll, und die eben dadurch dem Menschen Einsicht für die moralischen Handlungen und schöpferischen Tätigkeiten gibt. Der Weg, den er einschlägt, ist durch die Transzendental-Philosophie vorgezeichnet, die sich mit ausgebildetem Problembewußtsein für die Quelle der produktiven Handlungen des Geistes an die reinen Bewußtseinshandlungen wendet, in ausschließlicher Betrachtung des Vernunftvermögens, sei es Erkenntnisvermögen, moralisches Vermögen oder Gemütsvermögen. H.'s Orginalität besteht darin, daß er zuerst in der empirischen Phänomenologie die Erfahrungen beschreibt, dann erst die sie in ihrer ganzen Fülle bedingenden transzendentalen Vermögen aufsucht, indem er dasBewußtseinsvermögen rein an ihnen selbst, ohne Hinblick auf die Produkte, aber nicht durch deren Ausschaltung, sondern durch ihre bloße Einklammerung in der Enthaltung {Epoche) verfolgt. Die bloße Einklammerung an Stelle der Ausschaltung kennzeichnet 73
den produktivsten Schritt H.'s. Denn es ist unmöglich, zu beschreiben, worin etwa das Vermögen besteht, gut Klavier zu spielen, ohne auf die Durchführung zu achten. Dies n1acht die Schwierigkeit bei Kant und Fichte aus. H. löst sie, wie wir gesehen haben, mit einem genialen Griff. Zuerst hält er mit der Charakterisierung Intentionalität den empirischen Verlauf der Bewußtseinshandlungen deskriptiv fest. Die intentionalen Strukturen und ihre Implikationengeben einen Leitfaden ab, der es ermöglicht, in die scheinbar unübersehbare Fülle der Bewußtseinsvorgänge Ordnung zu bringen. Ich erinnere nur an die Ordnung der thetischen und synthetischen, der fundierenden und fundierten Akte, die uns schon beschäftigten und uns noch weiterhin beschäftigen werden. Erst nachdem diese In1plikationsfüllc beschrieben ist und die Scheinen charakterisiert sind, in denen sich die Akte in Befolgung der Verweisungen weiter aufbauen können, wird für H. die Erforschung der zugehörigen transzendentalen Grundlagen aktuell. Die Reduktion reduziert die ganze Fülle der empirischen Vollzüge auf das entsprechende transzendentale Vermögen derart, daß seine Beziehungen zu den empirischen Vorgängen nicht weggelassen, sondern nur eingeklammert sind. "Das faktische Bewußtsein 11 (das wir gewinnen}, "ist ein bestimmter Bewußtseinsverlauf in phänomenologischer Reduktion" (Hua. 7, 390) Dadurch ist das Besondere des Vermögens, womit es das Produkt vorwegnimmt, bewahrt. Diese Art Bestimmung der transzendentalen Subjektivität ist ohne Beispiel in der Geschichte der Philosophie. Es liegt nahe, sich auf Kant zu berufen. Keinesfalls ist aber aus der Planzeichnung des Vernunftvermägen-Zusammenhanges der Reichtum dessen sichtbar, was das Bewußtsein in ungeheuerer Fülle vermag. Die Phänomenologie hat ganz andere Absichten. "Sie läßt sich 11 , wie H. sagt, 11 mittels der Reduktionen ein unendliches, in sich abgeschlossenes, absolut eigenständiges Reich der Seienden sich eröffnen, daß der reinen oder transzendentalen Subjektivität. Darin sind alle ihm vordem in natürlicher Ein74
stcllung zugänglichen weltlichen Vorkon1mnisse vertreten durch entsprechende reine oder transzendentale Phänonlene." (Nachwort zu Id. I. Hua. 5, 145) Wir werden auf diese Charakterisierung der transzendentalen Phänomenologie noch zurückkommen. Aber auch jetzt schon ist ersichtlich, daß H. diejenige transzendental begründende Dimension entdeckt, die alle faktischen Implikationen des empirischen Bewußtseins in seiner natürlichen Tätigkeit innerhalb der natürlichen Welt mit dem Reichtum seiner Erfahrungen, von welcher Stufe auch, einzeln und in seiner Explikation begründet. Darum ist es möglich, daß die einmal entdeckte Bewußtseinsschicht nicht nur den gegenwärtigen Handlungen des Bewußtseins in der gegenwärtigen Ausbildung der Wissenschaften, den gegenwärtigen Formen des sittlichen, beziehungsweise gesellschaftlichen Zusammenlebens und der Gemütsgestaltung in Religion, Kunst und Literatur die Legimitation gibt, sondern den Bewußtseinshandlungen überhaupt ohne zeitliche Fixierung. Darum ist es mit Recht anzunehmen, daß sie dieselben Leistungen auch in der Ausbildung der künftigen Wissenschaften, künftigen sittlich-gesellschaftlichen Bildungen und künftigen Gemütsschöpfungen vollziehen werden.
§ 33· Die Durchfiihrun~. Die zweite Reflexion. Entsprechend diesen progran1matischen Ausblicken haben wir folgende zwei Aufgaben: I. Wir müssen in einein exemplarischen Falle vormachen, wie die Reduktion, Epocht\ Einklammerung durchzuführen ist, 2. zeigen, was als Gewinn nach der vollzogenen Reduktion bleibt. Wir wählen als exemplarischen Bewußtseinsakt die Reflexion. Für sie ist charakteristisch, daß so die Intention wie das Intentum demselben Bewußtseinsstrom angehört. Wenn ich auf die Wahrnehtnung des Tisches reflektiere, beschäftige ich mich nicht weiter mit dem Tisch, sondern mit der Wahrnehmung, allerdings mit der Wahrnehmung eines Dinges, seiner Ausgedehntheit, seiner Materialität, seiner Schwere und anderes mehr. Ich kann mich auch mit der Wahrneh75
mung beschäftigen als Wahrnehmen von Idealität wie Farbe, Gleichheit und anderes mehr. Die Reflexion auf das Wahrnehmen sagt mir dann: Wahrnehmen ist bezogen auf Dinglichkeit, Materialität, Naturdinglichkeit und anderes mehr. Die Reflexion sagt mir auch, daß das Wahrnehmen eine Dimension hat, die sich von dem Hinweis auf "dieses da" bis zum Wahrnehmen: was es ist und wie es ist, erstreckt. Weiter: zum Wahrnehmen gehört, daß es an Sinnesdaten gebunden ist, daß diese im Rahmen der Wahrnehmungsleistung jedoch neben der hin- und vorweisenden Synthesis, der kategorialen Anschauung und dem Vernehn1en des anschaulichen (materiellen) Apriori die geringste Rolle spielen. Weiter: Wahrnehmungsakte sind entweder monothetische oder synthetische Akte. Die synthetischen Akte, die die Totalität erst im "Umhergehen" geben, können sich wieder umwandeln in monothetische Akte. All das und noch vieles mehr zeigt die transzendentale Reflexion, einen ganzen U n1kreis von Erfahrungen, die transzendental heißen n1üssen, weil sie Vorgänge des Bewußtseins zeigen, nicht Gegenstände. Wenn wir aber diese von dem transzendentalen Subjekt gesiebten Erfahrungen näher betrachten, sehen wir, daß sie keinesfalls von mundaneu Elementen frei sind; mindestens nicht in1 radikalen Sinne. Schon die Nennung von Sinnesdaten, die Anforderung des Umhergehensund so weiter, verweisen auf lauter mundane Momente. Bei der Durchführung unserer Reflexion treffen wir zuerst auf eine transzendental-mundane Schicht, die für die transzendentale Erfahrung zwar viele Daten liefert, aber solche, die für die transzendentale Begründung unbrauchbar sind. Wir müssen also die in der Reflexion eingeschlossene Reihe 1nundaner Elemente einklammern. Was geschieht aber, wenn wir die Reduktion auch auf die mundan verunreinigte Reflexion selbst anwenden? Wir vollziehen dann eine Reflexion über die Reflexion. Wir werden feststellen: die Reflexion auf die Wahrnehmung zeigt verschiedene Möglichkeiten in der Intentionalität des Wahrnehmenkönnens. Beachten wir, was wir jetzt tun. Mit der
Reflexion auf die Reflexion, nach Vollzug der Epoche von allen mundanen Elementen der ersten Reflexion, gewinnen wir den Umkreis der Möglichkeit des Wahrnehmens. Wir sind nicht mehr an ein wirkliches Wahrnehmen gebunden, von welchem Typus es auch sei. Wir beziehen uns auf keines seiner real-gegenständlichen Momente, zu denen a) der physische Verlauf, b) das Wahrgenommene in seiner Hier-Jetzt-Bestimmtheit gehören. Wir haben einen offenen Horizont gewonnen, den Horizont des Möglichen. Wenn wir uns in diesen Horizont hineinbewegen, führen wir eine andere Bewegung durch als es die des die Welt natürlich erfahrenden oder sonstwie einfach erlebenden Lebens ist. Diese ist ständig an der Welt interessiert. Die Bewegung im Raum des freigelegten Horizontes, aber innerhalb dessen die ganze Weltlichkeit eingeklammert ist, ist dadurch ausgezeichnet, daß sie eine "Ich-Spaltung" vollzieht. Sie etabliert über das naiv interessierte Subjekt hinaus das transzendente Subjekt, welches an den mundanen Bestimmungen uninteressiert ist. Die eidetische Reflexion geht zurück zu den Möglichkeiten der Variationen, denen jedes vennerkte Intentun1 unterworfen ist. Die Seinsmöglichkeiten eines Tisches, einer Wahrnehmung, eines Gefühls und so weiter sind jeweils Variationsmöglichkeiten eines Identischen. Das Identische ist das Wesen, die Variationen sind die eidetischen Abwandlungen. Der Bereich, der die eidetisch einklammernde, reduzierende Reflexion eröffnet, ist die Schau der reinen Wesenheiten. "Die Ideenschau ist selbst ein Analogon der schlichten Erfahrung, insofern als sie ein freilich höheres und aktiv erzeugendes Bewußtsein ist, in dem eine neuartige Gegenständlichkeit... zur Selbstgebung kommt." (Erf. u. Urt. 435/6) § 34· Die dritte (die transzendental-eidetische) Reflexion. Um unsere Ausführungen nicht unnötig zu komplizieren, wollen wir hier am Eingang zu neuen Tiefen der Untersuchungen unsere Termini gleichsam katalogisieren.
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In der Kette der immer neu geübten Reduktionen klärten wir bisher drei reduktive Handlungen. Die erste Reduktion betraf die naive, natürliche Erfahrungs-Einstellung. Die Einklammerung aller mundanen Gegenstände ist die transzendentale. Die transzendentale Reduktion deckt die reinen Bewußtseinshandlungen auf, die die intentionalen Akte der natürlichen Wahrnehmung, der Anschauung und ihrer Aufbaustruktur, entsprechend der realen Verweisungen, die das Intentum jeder einfachen Intentio enthält, begründen. Das gewonnene thematische Feld heißt transzendentale Subjektivität. Die Bezeichnung "transzendental" zeigt die Einheit der Bewußtseinsakte dieser Region mit den intentionalen Akten der ersten Region an. Die transzendentale Subjektivität ist die jeweils meinige. Dieses mundane Moment des individuellen Eigentums klammert eine neue, die dritte Reduktion ein und deckt (ähnlich einem Archälogen, wie H. in Vorlesungen gern sagte) die nicht individuelle Verfassung der transzendentalen Bewußtseinshandlungen auf. Wir müssen auch die im Fortgang der totalen Erfahrungsvorgänge ständig ausgeübten Reflexionen in Augenschein nehmen. Wir kennen bereits den Unterschied zwischen immanent Transzendentem (Gegenstände der Reflexion, die die gleiche Seinsweise haben wie der Erlebnisstrom) und transzendent Transzendentem (Gegenstände, die nicht in dem Erlebnisstrom mitschwimmen, was bedeutet, daß sie noch mundane Elemente enthalten). Die dritte Reduktion ist die erste, die auf die Reflexion gerichtet ist. Sie reduziert sie auf die immanent-transzendenten Gegenstände und klammert die transzendent-transzendenten Elemente ein. Die anschließende vierte, die an der schon einmal reduzierten Reflexion ausgeübte zweite Reduktion, deckt die immer schon in jedem totalen Bewußtseinsakt latente Wesensschau auf. Dieser noch nicht abgeschlossene Katalog soll nur als solcher verstanden werden, ohne tiefere Bedeutung, die zu versponnenen Ausschmückungen verleitet. Er ist Wegweiser in den Schichtstrukturen eines einzigen Baus, genannt Be-
wußtsein, zugleich Hinweis auf die unterschiedenen Problemgebiete, die jeweils eigene Methoden der Forschung erfordern, aber auch die Kraft der Zusammenschau des einheitlichen Ganzen, das immer schon seine Leistungswege begeht. Kehren wir zurück zu unserem Gedankengang. Wenn wir durch die zweite Reduktion der Reflexion nun alles was Bewußtsein weltlich interessiert, ausgeschaltet, und das von den Interessen gereinigte transzendentale Bewußtsein gewonnen haben, müssen wir festhalten, daß dieses im phänomenologischen Sinne noch nicht rein ist. Wir müssen die immanent-transzendentalen Momente von den transzendent-transzendentalen Momenten trennen und letztere einklan~mern. Durch die Einklammerung reduzieren wir das gemischte transzendentale Bewußtsein auf das reine. Genau so, wie ün Vernehmen der individuellen (einzelnen) Gegenstände der Unterschied von immanent-transzendent vom transzendent-transzendent sich aufdrängt, so auch im Hinblick auf die entsprechenden Wesen. Es sind also "Ding", 11 Raumgestalt", "Person", "Charaktereigenschaft" und dergleichen transzendente Wesen (das heißt sie sind fremde Bestände im ·Lebensstron1, sie n1üssen konstituiert werden). In die rein deskriptive Wesenslehre gehört "keines der transzendenten Wesen, deren logischer Ort wäre vielmehr in der Wesenslehre der betreffenden transzendenten Gegenständlichkeiten, in ihrer Ontologie" (Hua. 3, I43; Id. I, II4). "Transzendent-eidetische Regionen und Disziplinen können für eine Phänomenologie, die sich wirklich an die reine Erlebnisregion binden will, prinzipiell keine Prämissen beisteuern. Da nun die Phänomenologie gerade in dieser Reinheit zu begründen, unser Ziel ist ... und da an der voll bewußten Durchführung in dieser Reinheit auch größte philosophische Interessen hängen, so vollziehen wir ausdrücklich eine Erweiterung der ursprünglichen Reduktion 79
auf alle transzendent-eidetischen Gebiete und die ihnen zugehörigen Ontologien" (Hua. 3, I43; Id. I, 114). Die transzendental-eidetische Reduktion führt zwar zu einer im traditionellen Sinne reinen Region; wir sehen aber, daß diese Region noch immer ein Gemisch ist von immanent-transzendenten Beständen, wie die der Handlungen des reinen Ich, und von transzendent-transzendenten Beständen wie die der Wesensbeziehungen. In der Intention auf Wesensbeziehung ist das Intentum nicht zu demselben Erlebnisstrom gehörig wie die Intention zum Beispiel der Vergegenwärtigung, der Retention und der Protention. So sind die kantischen reinen Verstandesbegriffe, die Kategorien, zwar transzendentale Begriffe, doch ist festzustellen, daß zum Beispiel zur Kausalität und Substantialität wesentlich andere, nicht in der Bewußtseinshandlung immanente Ordnungsunterschiede gehören, z. B. Vorher und Nachher zur Kausalität, Beständiges, Gegenwärtiges zu der Substanz; lauter transzendente Momente der eidetisch reduzierten (reflektiven) Bewußtseinsakte. § 35· Noch eine Reinigung des reinen Bewußtseins. Wir sind nun zu dem schwierigsten Problem der phänomenologischen Methode gelangt: den Vollzug der ineinandergreifenden Epochen, beziehungsweise Einklammerungen, ihre Reihenfolge und ihre succestiven Leistungen klar zu machen. Sie beziehen sich immer wieder auf die Bestände, die noch nach der Durchführung einer Reduktion verblieben sind als solche, die nicht aus den eigenen produktiven Leistungen des Bewußtseins stammen. Sie ermöglichen immer wieder, eine faktische Bewußtseinsstufe zur größeren Reinheit zu reduzieren. Was den Zeitgenossen die größten Schwierigkeiten des Verständnisses machte, tnuß damit klargeworden sein, daß H. in demselben transzendentalen Zusammenhang von transzendenten und immanenten Momenten sprechen konnte, obwohl man doch gewohnt war, unter Transzendentem das der Erfahrung und detn Wissen prinzipiell Verschlossene, Unerkennbare zu verstehen (Got8o
lcs Sein und vVescn, Unsterblichkeit der Seele, Endlichkeit
oder Unendlichkeit des Kosn1os). Kurz, alles, was dem menschlichen Vermögen so unaufhebbar unzugänglich ist, Jag Kant die unauflösbare Problematik des menschlichen Dcnkens gerade im Stellen und Beantwortungsstreben von dieser Art Fragen begründet sah. \IVir sehen wohl ein, daß das größte Interesse der Philosophie in der Gewinnung der Reinheit dessen liegt, was reine Vernunft oder reiner Verstand, oder im ganzen reines Bewußtsein heißt. Aber vras ist noch an der reinen Subjektivität zu reinigen? Sie bezeichnet ja in der ganzen Tradition schon die höchste Reinheit. Inwiefern ist die Reduktion auf alle transzendent-eidetischen Bereiche noch einmal anzuwenden, wo doch gerade diese Bereiche die gesuchte reine Subjektivität sind? Wie können wir in diesem reinen Bereich poch Elemente finden, die einzuklammern sind? Es ist darauf zu achten, daß H. von Erlebnisregion spricht. Die Erlebnisregion charakterisiert er als Erlebnisstrom. Diese Charakterisierung ist von großer Wichtigkeit. Versteht doch die Tradition unter Bewußtsein gewissermaßen das Hauptwort eines Satzes, wie Tisch oder Lebewesen, also etwas Umgrenztes. H. dagegen n1eint nichts Stabiles, nichts Bestehendes, nichts nüt einein Nan1en Festgelegtes. Auch nicht bloße Einheit von Erlebnissen, wie 1nan irrtümlich deutete, um auf Grund dieser Deutung n1it großer Eindringlichkeit und scheinbarem Erfolg H. und Dilthey einander anzunähern. H. meint die faktische, strömende Einheit des Bewußtseins, ein ständiges Bewegtsein, in welchen1 das Mitherangeschwemmte bloß durch die Strömung mit anderem verbunden ist. In diesem lebendigen Strö1nen fliegen konjunktive Elemente mit, das heißt solche, die "konsequent" zueinander gehören und disjunktive, die in der faktischen Bindung der Strömung zufallsmäßig mitschwimrnen. Ich kann jetzt Kopfschmerzen haben oder von Geräuschen gestört werden, die Laute der Straße hören, durch Aufmerksamkeit der Hörer gefördert, durch ihre Zerstreutheit behindert werden. Alle Momente des Schn1erzes oder 6
Szilasi
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des Wohlbehagens, der Ablenkung oder Förderung, aber auch unerwartete Einfälle gehen in den Fluß des ständigen Erlebnisstromes in einer beinahe unübersehbaren Mannigfaltigkeit der einander begleitenden Elemente oder sich miteinander verflechtenden Momente ein. Imn1er aber zeigen sich Konjunktionen und Disjunktionen, die sachlich bedingt sind; sie als solche zu fassen, ist die eminente phänomenologische Aufgabe. Die gesuchte und immer angestrebte Reinheit des Bewußtseins hängt davon ab, inwieweit es gelingt, die konjunktive Aktivität des reinen Bewußtseinsstromes von der disjunktiven zu unterscheiden. Sie zu trennen ist unnötig. Denn zur Faktizität gerade des reinen, transzendentalen Bewußtseins gehört die spezifische Struktur der disjungierend-konjungierend konkreten Einheitlichkeit der realen, subjektiven Bewußtseinsströmung. Die Einheit ist das Lebendige. Die einzelnen Elemente schatten sich gegenseitig ab, das heißt, sie werfen jeweils ihre Bedeutungsschatten aufeinander. Es gilt also, gerade im Hinblick auf das reine, transzendentale Subjekt, die Grenze des Konjunktiven und Disjunktiven zu überschreiten. Dazu kommt noch ein anderes. Bewußtseinsstrom ist immer mein jeweilig persönlich eigener. So wenig es ein allgemeines, bestehendes, nicht subjektmäßiges, transzendentales Bewußtsein gibt, sondern nur einen ständig strömenden Erlebnisstrom als Bewußtsein, so wenig gibt es ein reines Bewußtsein, das niemandem gehört. Es ist immer ein Eigenes und darüber hinaus jeweils ein Jetziges, hier und jetzt, hic et nunc, unverwechselbar mit jedem anderen individuellen Bewußtsein, unverwechselbar auch in seinem Status als persönlich-eigener, jetzig-hiesiger Bewußtseinszustand. Wir sehen also, daß wir noch nicht die letzte erreichbare Reinheit des Bewußtseins haben. Es hängt nicht allein von der Produktivität des Bewußtseins ab, daß es an die Verflechtung von Konjunktivitäten und Disjunktivitäten gebunden ist und einer aktuellen hic-et-nunc-Bestimmtheit unterliegt.
Wie kann eine noch zu vollziehende Reduktion diese konkreten Bindungen und ihre Herkunft fassen und einklammern? § 36. Lebensgeschichtliche Elemente in den Retentionen und Protentionen. Betrachten wir näher, welche die im Vollzug z. B. des Denkstromes nicht eigenst geschaffenen Bindungen sind. In jedem Denkvorgang liegt in erster Linie eine Präsentation, ein Imblickhaben des Themas, von dem ich gerade spreche. Was ich gerade zuletzt sagte, ist mir das gerade Präsente gewesen. Alles, was ich vorher sagte, was zu dem jetzt Gesagten wesentlich dazu gehört, muß ich im Blick behalten haben, sonst wäre kein verständiger und vorstellbarer Gedankengang möglich. Es besteht also eine Retention. Aber ich weiß auch schon im vorhinein, was ich im Moment als Nächstes sagen will, also schon im Blick vorhabe. Dieses Phänomen nennt H. Protention. Ich darf keine Minute in der Präsentation die Retentionen und Protentionen verlieren. Sonst können wir nicht von einem denkenden Bewußtsein sprechen. Präsentation, Protention und Retention gehören in1mer in einer Einheit zusammen.
Das bedeutet aber, daß die klare Präsentation hier und jetzt mit einem unbestin1n1ten Horizont der Retention und mit einem ebenso unbcstimn1ten Horizont der Protention verbunden ist. "Unbestimmtheit" ist unspezifische Bezeichnung. Im nachdenkenden Sprechen ist das Retentierte schon unformuliert, undeutlich artikuliert, das Protentierte noch unformuliert und unartikuliert. Was in meinem Gedankengang schon Rctentives geworden ist, ist unbestimmt, zerfließt schon in der Unartikuliertheit, es ist Habe, aber keine ausdrücklich vollzogene Präsentation. H. nennt sehr richtig die ganze Fülle des von wann her auch Retentierten meines Denkstromes Habitus: die gesamte Habe. Daß diese Habe eines ganzen Lebens auch meinen denkerischen Habitus, meine Eigenart, mein Gehabe ausmacht, kommt in den beiden Bedeutungen des Wortes gut zum Ausdruck. 6*
Noch unbestimmter ist der Horizont der Protention. Während sich mein Denken jetzt und hier vollzieht, kenne ich schon den Umkreis dessen, wohin meine Gedanken vorstoßen, wohin sie weiterführen. Dieser Horizont ist aber unbestimmt. Im Denken bewegt sich mein Denken hin und her in kleinen Zick-Zack-Bewegungen, wie das Fliegen einer Fliege, immer in schon vorgedachtem Vorstoß, der aber erst Erfüllung gewinnen wird, wenn ich meine Gedanken formuliert habe. Dann gehören sie schon in den Horizont der Retention. Der Hörer hat einen noch unbestimmteren, noch weniger erfüllten Protention-Horizont als der Redner. Er gehört zu seinem Verstehensvorgang, sogar im 1\1odus der unerfüllten Unbestimmtheit. Er hat ihn in dem Grade, wie er die Vorlesung versteht. Er kann die Konldusionen oder die Pointen schon haben, wenn auch unexpliziert, nicht in Worten auflösbar und ausdrückbar, bevor sie ausgesprochen sind. Es soll nun nachgewiesen werden, daß diese einheitlich fließende Verbindung der drei I-Iorizonte nicht von der immanenten Produktivität des Denkenkönnens abhängt. Der Nachweis ist einfach. Wir müssen an alle Inhalte der reinen Subjektivität die Forderung der Apodiktizität und der Evidenz stellen. Beide, Apodiktizität wie Evidenz, fehlen aber in den drei Horizonten. Es ist ja unmöglich zu sagen, daß das retentiv Gehabte in voller Evidenz vor 1nir steht. Es ist nicht mehr präsent, was zu einem evidenten Inhalt wesensmäßig hinzugehört. Unter Evidenz verstehen wir doch die Deckung des Gemeinten und Gehabten. Das Retentierte haben wir so wenig evident zur Verfügung, daß wir uns an den Wortlaut nur schlecht erinnern können. Wir haben möglicherweise den Gedanken ganz verloren. Und wenn nicht, wenn wir uns auch erinnern, ist unter Umständen eine äquivalente Wiederholung unmöglich. Man sagt sich, ich kann eine so gute Formulierung nicht mehr finden; meine Formulierung ist mir entfallen. Und noch schwieriger steht es mit der Protention. Meine Erwartung kann sehr oft getäuscht werden. Es gelingt mir nicht, den
unbestimmten Horizont so zu erfüllen, wie es mir noch "gerade" vorschwebte. (Vgl. Hua. 6, 267 /8) Bedenken wir, was wir damit sagen. Wir sprechen vom reinen, transzendentalen Subjekt, das sich erinnern, das vergessen, das sich täuschen kann. Solche Aussagen sind, wenn wir streng im Sinne Kants denken, doch vollkommen sinnlos. Was würde Kant zu einem solchen transzendentalen reinen Subjekt sagen? Und doch liegt Vergessen, Enttäuschung in den Möglichkeiten des reinen Subjekts, 'venn H. richtig verstanden ist. H. sagt: 11 Es regen sich sofort Zweifel. Gehört zum Beispiel zu der transzendentalen Subjektivität nicht untrennbar ihre jeweilige Vergangenheit, die bloß durch Erinnerung zugänglich ist? Kann aber für diese eine apodiktische Evidenz beansprucht werden?" (C. M. 6I) "Wie weit kann das transzendentale Ich sich über sich selbst täuschen und wie weit reichen die absolut zweifellosen Beständetrotz dieser möglichen Täuschung?" (C. !VL 62) § 37· Eine neue Reduktion führt zum reinen Ego. Für diese Frage kann nur eine neue Reduktion den Boden vorbereiten. Sie ist anders geartet als diejenigen, die bisher ausgeübt wurden. Das Vergessen, das Sicherinnern, das Sichtäuschen, die zu der transzendentalen Subjektivität gehören, beeinträchtigen ihre Reinheit. Sie sind lebensgeschichtlich fixierte konkrete Mmnente, die mit dem transzendentalen Ich weder die gleiche Apodikzität noch die gleiche Evidenz teilen. Es ist überhaupt wichtig zu bemerken, daß die Beschreibung des transzendentalen Ichs in seinem ganzen Reichtum undurchführbar ist ohne Heranziehung von Beschreibungen, die die größte Verwandschaft mit der Beschreibung der seelischen Leistungen haben. Auch wenn wir die entsprechenden Beschreibungen von einer noch zu leistenden phänomenologischen Psychologie gewännen, also von einer Psychologie, die die Reduktionsschritte durchgeführt hat, würde sie immer noch zeitliche Fixierungen und sonstige für das phänomenal-psychische Ich charakteristische 85
Momente enthalten. Die Wesenslehre der transzendentalen Subjektivität hat dadurch, daß "das transzendentale Ich dasselbe ist, das in der Weltlichkeit n1enschliches Ich ise', notwendigerweise weltliche Elen1ente. (Hua. 6, 268) "Demnach bedarf es gegenüber den1 ersten Ansatz der Epoche eines zweiten, beziehungsweise einer bewußten Umgestaltung derselben durch Reduktion auf das absolute Ego als das letztlich einzige Funktionszentnun aller Konstitution" (Hua. 6, 190). Es handelt sich gleichsan1 um eine interne Reduktion innerhalb der transzendentalen Subjektivität, um alle Elemente einzuklammern, die irgendwelche Hinweise auf das weltliche Ich, beziehungsweise auf das Ich der menschlichen Gemeinschaft haben, wo ich nur als ein transzendentales Ich unter den anderen fungiere. Ebenso sind alle lebensgeschichtlichen zeitlichen Fixierungen außer Geltung zu setzen. Wie entschieden diese Forderung motiviert ist, ist leicht einzusehen. Bedenken wir nur, daß zum Wiedererinnerten, zum Vergangenen (das den Seinssinn einer vergangeneu Gegenwart hat} auch ein vergangenes Ich jener Gegenwart gehört, während das originäre Ich 11 das der aktuellen Präsenz ist" und 11 Sich als durch ,seine' Vergangenheiten hindurchdauerndes in Selbstzeitigung konstituiert." (Hua. 6, 189) Erst durch die Einklammerung aller dieser Momente können wir das reine Ego erfassen, das nur durch Äquivokation transzendentales Ich heißt. "Es ist eigentlich das Ur-ich, das Ego meiner Epoche, das seine Einzigkeit und persönliche Undeklinierbarkeit nie verlieren kann" (Hua. 6, 188), und das von sich aus innerhalb der transzendentalen Subjektivität das weltliche Ich, die weltliche Gemeinschaft und die Objektivität der Welt konstituiert. ,,Ich bin nicht ein Ich, das immer noch sein Du und sein Wir und seine Allgemeinschaft von Mitsubjekten in natürlicher Geltung hat. Die ganze Menschheit und die ganze Scheidung und Ordnung der Personalprono1nina ist in 1neiner Epoche zum Phänomen geworden, mitsamt dem Vorzug des Ich-Mensch unter anderen Menschen." {Hua. 6, 188)
Es ist sicher nicht leicht, diesen letzten Reduktionsschritt durchzuführen. Das Ur-Ich, das reine Ego, ist in seinen konstitutiven Handlungen leichter zu beobachten, als es innerhalb der transzendentalen Subjektivität abzuheben. Erhöht wird die Schwierigkeit dadurch, daß H. selbst iln Wortgebrauch nicht konsequent ist; oft nennt er auch das transzendentale Subjekt "reines Ego"; oft schreibt er nur Ego oder "reines Ich", wo das reine Ego gemeint ist und auch Ego für das weltliche Ich. Wir wollen versuchen, durch einige Überlegungen diese Unterschiede evident zu machen. Das reine Ego ist bloßes Funktionszentrum ohne irgendwelche Selbstauslegung, gleichsam stumm. Die Selbstauslegung erfolgt in der Breite und in den Verflechtungen der transzendentalen Subjektivität. "Das [reine] Ego kann sich selbst ins Unendliche und systematisch [nur] durch transzendentale Erfahrung auslegen" (C. M. 70). Diese "ist ein unendliches, in sich abgeschlossenes, absolut eigenständiges Reich des Seienden .... Darin sind alle vordem in natürlicher Einstellung zugänglichen weltlichen Vorkommnisse vertreten durch entsprechende reine oder transzendentale Phänomene." (Hua. 5, 145/6 Nachwort) Am Beispiel des Eisenbahnsystems haben wir ein Gleichnis dieser Art von Vertretung kennengelernt. Wir wollen zunächst einmal die Berufstätigkeit derjenigen festhalten, die das Eisenbahnsystem als solches ausdachten. Sie konstituieren, wenn es richtig geschieht, eine künftige Menschheit mit bestimmt verteilten Tätigkeiten und Austauschbedürfnissen: Menschen als Verkehrssubjekte, Waren als Verkehrsobjekte, Städtebildungen, Umgruppierungen von Siedlungen und Ähnliches mehr. Sie selbst, die die so beschaffeneu Systeme der menschlichen Lebenswelt und der Intersubjektivität aufbauen, sind in dem konstituierten Zusamn1enhang nicht inbegriffen. Insofern sind sie reine Egos. Verallgemeinert auf die Welt muß es dann heißen: "Ich stehe über dem natürlichen Dasein, das für mich Sinn hat, und bin Ich-Pol des jeweils transzendentalen Lebens, worin zunächst Welt
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rein als Welt für n1ich Sinn hat." (Hua. 6, 188) Die Planer des Eisenbahnsystems konstituieren etwas, was noch nicht ist, was erst mit der Konstitution wird, aber dan1it auch schon in eine vorhandene Wirklichkeit eintritt. Sie sind mit den konkreten weltlichen Elementen nur insofern behaftet, daß sie sie verständlich machen. Von dem derart neu konstituierten System stammen die Direktiven für diejenigen, die den Aufbau der Gesamtordnung, die Verwirklichung der Verkehrsbauten und Verkehrsregelungen durchführen. Sie müssen schon mit Elementen rechnen, die nicht in ihrer Macht liegen, also ihrer Tätigkeit gegenüber transzendent sind. Solche Elemente sind zum Beispiel die Flußrichtungen, Bodenbeschaffenheiten, Oberflächenformationen der Erde und ähnliches mehr. Alle diese Elemente behandeln die Bauingenieure als immanente Werkstücke, indifferent gegen die Unterscheidung immanent- transzendent. Man könnte auch die Beziehung zwischen de1n Erfinden eines neuen chemischen Verfahrens und dem Entwurf der notwendigen Fabrikbauten als Illustration des Charakters des reinen Ego in Abhebung gegen die transzendentale Subjektivität erwähnen. Jede solche Illustration kann aber irreführen. H. charakterisiert die beiden Stufen in den C. M. (2-te Med. besonders § 12 u. 18). In der ersten Stufe muß das ungeheure Reich der transzendentalen Selbsterfahrung, das heißt die Erfahrung des transzendentalen Subjekts in der phänomenologischen Reduktion durch-wandert werden. 11 Zunächst in bloßer Hingabe an die ihr im einstimmigem Verlauf innewohnende Evidenz, also unter Zurückstellung der Fragen einer letzten, auf apodiktische Prinzipien bedachten Kritik. 11 11 Die zweite Stufe phänomenologischer Forschung beträfe dann eben die Kritik der transzendentalen Erfahrung, und daraufhin der transzendentalen Erkenntnis überhaupt." (C. M. 68) Die Kritik bedeutet im ursprünglichen Sinne die Ausscheidung, Aussonderung aller der transzendentalen Erfahrung fremden, das heißt transzendenten Elemente. H. nennt die Leistung des reinen 88
Ego auch "Stellungnahme" (Hua. 4,
I 12) in bezug auf die Adäqua thei tder transzendentalen Erfahrungen mit den in ihr gemeinten Zusammenhängen. Wie erinnerlich, heißt "transzendental" für H. "die Rückfrage nach der letzten Quelle aller Erkenntnisbildungen, des Sichbesinnens des Erkennenden auf sich selbst und sein erkennendes Leben, in welchem alle ihm geltenden wissenschaftlichen Gebilde zwecktätig geschehen, als Erwerbe aufbewahrt und frei verfügbar geworden sind." (Hua, 6, 100)
§ 38. Historische Hinweise erleichtern die Deutung des reinen Ego. Wir können in der Interpretation noch einen Schritt weitergehen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß H. das reine Ego mit der Monade von Leibniz in Zusammenhang bringt. Dieser Zusammenhang geht nicht bis zur letzten Konsequenz der Monadenlehre, nur so weit, daß H. das reine Ego parallel setzt mit Seele in der psychologischen Betrachtung. Damit ist die Beseeltheitsontologie von Leibniz immerhin angedeutet. Es i st aber nicht im Sinne von Leibniz, wenn H. von der "Monade in uns" spricht. Das reine Ego in uns ist die richtige Bezeichnung und bringt zutn Ausdruck, daß wir die gesamte Seinsverfassung des Bewußtseins als Monade ün Blick haben. Demzufolge haben die durchgeführten Reduktionen, Reflexionen und Reduktionen von Reflexionen nur die Aufgabe, das Bewußtsein als "Ganzes" in Blick zu bringen und nach Beschreibung seiner Leistungen, diese zu begründen. Die letzte Begründung aller Leistungen soll in den Handlungen des reinen Ego gefunden werden. Es ist gleichsam die Seele des Bewußtseins, so daß das reine Ego, um aristotelisch zu sprechen, die Entelechie der organisierten Bewußtseinsfak~ toren ist. Insofern können wir sagen, daß das reine Ego unterwegs zu seiner eigenen Vollendung die Organisation des Bewußtseins in Gang setzt. Das reine Ego beseelt das Bewußtsein zu dem, wozu es eigentlich bestimmt ist, zum Erkennen der Welt und zur Begründung der Evidenz des Erkannten. Von Entelechie dürfen wir auch in dem Sinne
sprechen, dag das Erkennen zwar nie eine Vollendung erreicht, doch einen fortsetzbaren Vollendungsweg nicht verlM~t. So besteht ständig eine Unadäquatheit, die aber nur in der Unvollständigkeit liegt und ununterbrochen in der Richtung der Adäquatheit vollständiger wird. Die kritische Leistung des reinen Ego richtet sich demnach auf die Herstellung einer "unadäquaten 11 Adäquatio. Sie bezieht sich in erster Linie auf die transzendentale Subjektivität. In welcher Weise können wir von einer solchen Adäquatheit sprechen, beziehungsweise was sind die Erfüllungsmöglichkeiten der transzendentalen Handlungen? Denken wir an die Streitfrage zwischen Leibniz und Locke. Die radikale Feststellung von Locke lautet, daß im Bewußtsein nichts einbegriffen ist, das nicht aus sinnlichen Daten stammt. Die Antwort von Leibniz lautet: nisi intellectus ipse, außer dem Intellekt selbst. Mit anderen Worten: das Bewußtsein mit seiner Innerlichkeits-Verfassung gehört sich selbst vor jeder Affektion. Diese Feststellung könnte H. akzeptieren. Das Bewußtsein bestim1nt seine Handlungen entsprechend seiner Eigenart; seine Eigentümlichkeiten gestalten das ihm Zugängliche. Entsprechend betrachtet H. die Intentionalität {das heißt die Handlungen des Bewußtseins) und die eidetische Intuition, {die der Eigenart des Bewußtseins angemessene Gestaltungen ans Licht bringt), als die Hauptprobleme der Phän01nenologie. Betrachten wir weiter die Bestimmung der Seele von Locke als tabula rasa. Die Einwände von Leibniz sind bekannt. Es handelt sich keineswegs um eine Tafel, auf die man Beliebiges aufschreiben kann. Die Tafel ist widerspenstig. Sie nimmt nur solche Schriftzeichen auf, die ihre eigene Seinsverfassung zuläßt. Die Tafel führt eine aktive Auslese durch. Es werden durch sie nur Zeichen angenommen, die ihrer Empfangsbereitschaft angemessen sind. Um weiter gleichnishaft zu sprechen, stellen wir uns vor, daß chinesische Texte, für die die Tafel unempfänglich ist, aufgeschrieben werden sollten. Die Tafel würde dann nur die Zeichenelemente aufnehmen, die Elemente der griechischen 90
oder lateinischen Schrift sind. Auch in diesem Falle würde die Tafel das Empfangene nicht willkürlich umwandeln. Aber es ergäbe sich kein lesbarer Text. Doch unser Bewußtsein hat immer einen lesbaren, kontinuierlichen Text der Erfahrung, einen zusammenhängenden Text, in welchem es die Welt, die weltlichen Zusammenhänge und sich selbst lesen kann. Die kritische Tätigkeit des reinen Ego sorgt erstens dafür, daß die Texte der transzendentalen Subjektivität überhaupt lesbar sind; zweitens dafür, daß sich die Wirklichkeit der Welt in immer wachsender Annäherung der Adäquatio zeigt. Auf diese Weise beseelt das reine Ego das Be·w·ußtsein und bildet die einzelnen Faktoren zu Organen aus. Als kritische Instanz sorgt es für die Dis z i p 1in der transzendentalen Subjektivität, das heißt dafür, daß es sich auf "lesbare11 Texte beschränkt. Die Aussonderungsprinzipien sind adäquat diesen Beschränkungen im Aussondern alles Transzendenten, beziehungsweise in der Konstituierung seiner Immanenz. Möglicherweise hat das reine Ego innerhalb der transzendentalen Subjektivität noch eine weitere Funktion: die Erweiterung der E m p f ä n g 1ich k e i t. Diese zeigt sich in den immer besser ausgebildeten Schematismen, durch die die empirische Wirklichkeit und die zunehmende Evidenz begründet werden. Die Herstellung der Lesbarkeit der Welttexte entspricht dem, was H. mit Konstitution im eigentlichen Sinne bezeichnet. Ihre Leistung ist, daß alles zunächst Transzendente immanenterfaßt wird. Wir können also von Subjektivität nur im grammatikalischen Sinne sprechen, sofern wir das Subjekt einer Handlung im Auge haben. Keinesfalls aber im Gegensatz zur Wirklichkeit der Welt.
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111 DIE PHÄNOMENOLOGIE DER TRANSZENDENTALEN KONSTITUTION
§ 39. Verdeutlichung des reinen Ego und seiner konstitutiven Erfahrungsleistung. Wir stehen vor unserer abschließenden Aufgabe. In den vorangehenden Ausführungen haben wir die volle Seinsverfassung des Bewußtseins einsichtig gemacht, seine Leistungsmöglichkeit des Kennen.:. lernens der Wirklichkeit der Welt expliziert und ihre Evidenz begründet. 1etzt müssen wir zurückkehren zu unserer Anfangssituation, zu der Beschreibung der Handlungen des empirischen Bewußtseins in dem Umkreis der präsumptiv angenommenen empirischen Handlungswelt. Wir müssen beschreiben, in welcher Weise das nun in seiner Totalität erfaßte Bewußtsein in bezug auf die empirische Welt bzw. innerhalb ihrer - tätig ist. Wir müssen also wieder eine beschreibende Phänomenologie durchführen. Aber sie ist jetzt nicht dieselbe, wie sie am Anfang war. Sie ist nicht mehr naiv. Die Beschreibung ist jetzt durch das Wissen um das Bewußtsein zu einer umfassenden Sicht ermächtigt und nicht daran gebunden, am Leitfaden der einzelnen intentionalen Akte vorzugehen. Die neue Beschreibung ist umfassend. Sie beschreibt die Handlungen des Bewußtseins samt seiner transzendentalen Funktion. a) Das reine Ego, bzw. seine Erfahrungsweise, die konstitutive Erfahrung, ist am schwierigsten sichtbar zu machen. Sie ist nicht in eine steigende Skala mit der deskriptiven Erfahrung und der transzendentalen Erfahrung einzuordnen. Sie bezieht sich auf beide. Das reine Ego konstituiert die Einheit des weltlich-empirischen Ichs mit de1n transzen-
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dentalen Ich, so wie die konstitutive Erfahrung die Einheit der weltlich-empirischen und der transzendentalen Erfahrung beschafft. Unter der Bezeichnung "Konstitution" ist ständig beides zu verstehen: Konstitution der Einheit des Ichs und konstitutive Erfahrung der einheitlichen Welt. Im Grunde würde es genügen, von konstitutiver Erfahrung zu reden, da die Einheit des Ichs sich ebenfalls in dieser besonderen Erfahrung zeigt. Ich behalte trotz Doppeldeutigkeit den Wortgebrauch H.'s, um nicht von seinen Texten abzuweichen. Ich benütze zur Klärung der konstitutiven Erfahrung und ihres Subjekts, des reinen Ego, wieder mein wiederholt verwandtes Beispiel des Eisenbahnwesens. Die bisherigen Interpretationen haben ein wesentliches Stück außer Acht gelassen. Um das Eisenbahnwesen ganz zu verstehen, genügt es nicht, die beschreibbaren Phäno·mene mit der transzendentalen Begründung zu verbinden. Die Männer, die sich über die Einrichtung des Bahnsystems beraten haben, haben sich auch über die bestmöglichste Einrichtung beraten. Die Notwendigkeit der Beratung darüber, welche Einrichtungen die besten (d. h. die entsprechendsten) sind, betreffen ebenso die totale Planung, wie die empirischen Einzelheiten; die zentrale Organisation, die Linienführung, Sicherungsanordnungen, Fahrplangestaltung ebenso, wie die Auswahl der besten (d. h. entsprechendsten) Materialien für die Durchführung, die entsprechendste Anordnung der einzelnen Einrichtungsgegenstände in dem Ganzen, die Gestaltung und Auswahl des Zugehörigen, die bis zu der Entscheidung über die Beleuchtungskörper, Heizkörper, Sitzbezüge, aber auch Unterführungen, Wartesäle, Bahnhofsrestaurants usw. gehen. Alle diese Beratungen betreffen das Zweckmäßige. Die zentrale Planung ist die Beratung über die Möglichkeiten, die empirische Entscheidung betrifft die Durchführung. Die konstitutive Diskussion bewegt sich in der Prüfung des 11 Besten", d. h. des Zweckmäßigsten. 93
Ist es aber richtig, daß die Beratung über die zwecknüißigste Konstitution des Eisenbahn-Universums ebenso die zentrale Planung wie die Durchführung der empirischen Einzelheiten betrifft? Ist dieses "ebenso" nicht übertrieben? Das Aufsuchen des Zweckmäßigsten bezieht sich in erster Linie auf die zentrale Planung, d. h. auf den transzendentalen Entwurf. Es ist eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Möglichkeiten. Erst durch das transzendental Erfahrene hindurch richtet sich die Diskussion auf die empirischen Einzelheiten. Da müssen wir wieder nachdenklich werden. Stimmt das? Sofern die zweckmäßigste Lösung gesucht wird, muß man nicht in erster Reihe die empirischen Gegebenheiten im Auge haben und von deren Zweckmäßigkeit her die entsprechenden Planordnungen suchen? Es scheint eine Reziprozität zu herrschen, die eine Adäquation, eine Zusammenstimmung beider Bereiche fordert. Bezüglich der Erfahrung, die sich auf das von sich aus Vorliegende, nicht auf das von mir Hergestellte bezieht, bedeutet sie die Adäquation der transzendentalen Erfahrung mit der empirischen. Um unser Beispiel auswerten zu können, müssen wir uns fragen, was bedeutet dieses ominöse Wort: Zweckmäßigkeit. Der Gesichtspunkt Zweckmäßigkeit in der Deutung des Natur- und Geschichtszusammenhanges ist besonders durch und seit Kant der am meisten verpönte. Kant sieht in ihm ein Gemütsbedürfnis des Denkens, um zu verIneiden, daß das wissenschaftliche Verstehen im Vergleich mit der naiv-natürlichen Welterfahrung ein "Verlustgeschäft" sei. Zum großen Teil beruht die Abneigung gegen die Erklärung nach Zweckmäßigkeit auf einem Mißverständnis. Die übliche Deutung, wonach die Geschehnisse einem außer ihrem Zusammenhang liegenden Ziel nachstreben, oder Zwecke, die außerhalb ihres Zusammenhangs liegen, verwirklichen, verfehlt die Bedeutung dessen, was gemeint ist. Worüber beraten sich die Männer, von denen wir sprechen, wenn sie die beste, entsprechendste, zweckmäßigste Lösung 94
suchen? Doch nur darüber, in welcher Anordnung sich die notwendigen Einrichtungen am besten ergänzen, d. h. vertragen. Die philosophische Bezeichnung dafür heißt Kompossibilität. Sie hat die große philosophische Bedeutung bei Leibniz erhalten. Die bestmöglichste Anordnung ist die kompossible. Man kann den Satz auch umkehren: Kompossibilität bedeutet die bestmöglichste Anordnung. Damit ist schon gesagt, daß nur eine Anordnung möglich ist, die faktisch wirkliche, nämlich diejenige, in der alle Elemente sich vertragen, einander Platz lassen. Ein Element, das mit dem andern nicht kampossibei ist, scheidet aus, es wird vernichtet. In demselben Sinne spricht Leibniz von der besten aller möglichen Welten, wie wir von den entsprechendstell Einrichtungen des Eisenbahnsystems sprechen. Es ist so wenig von Zweck und Ziel die Rede, daß wir in die Kompossibilität sogar die Einrichtungsspesen und die Erhaltungs- bzw. Betriebskosten mit einrechnen. Ebensowenig spricht das Wort "beste" eine Bewertung aus, nur die Feststellung des Grundes der faktischen Anordnung als der einzigen seinsmöglichen. Durch diese Verbildlichung muß folgendes klar werden: Die Erfahrung ist glcichsmn Spiegelbild der herstellenden Beratung. Die Subjekte der Empirie, der Entwurf-Planung und der Zweckmäßigkeits-Beratung sind Spiegelbilder des empirischen Ich, des transzendentalen Subjekts und des reinen Ego. Die konstitutive Erfahrung ist das nachträgliche Verständlichn1achen der ständig auf das Zweckmäßige, bzw. auf die Kompossibilität gerichteten Adäquation und der Einigung der empirisch-weltlichen mit der transzendentalen Erfahrung. In diesem Verständlichmachen der Einheitlichkeit der Erfahrung wird durch die Konstitution die Widersprüchlichkeit zwischen Immanentem und Transzendentem aufgehoben. Die Erfahrung der konstitutiven Einheit ist die konstitutive (mit anderer Bezeichnung die "genetische") Erfahrung. Ihr vollziehendes Subjekt ist das reine Ego. Die Leistung des reinen Ego ist die Konstituierung des totalen Ich und 95
darnit der Adäquation der einheitlichen Erfahrung an die einheitliche Seinsverfassung der realen Welt. Mit anderen Worten: das reine Ego erfährt das, was durch die empirische und durch die transzendentale Erfahrung nicht erfaßbar ist: die Einheit der drei Schichten des Ich, die Einheit der dreistufigen Erfahrung und in ihr die Einheit des realen Weltzusmnmenhanges an sich. Damit ist die Adäquation des immanent Erfahrenen mit dem erfahrbaren Transzendenten erreicht. b) Das reine Ego ist das eigentliche Bewußtseins-Ich. Aber in den bisherigen Ausführungen ist es niemands Ich. Nur mir, dem Individuum gehörig, hat das reine Ego Leben. Nur als Leben ist das reine Ego mächtig, eine eigene Welt aufzubauen. Wir nennen damit die wichtigste Konstitutionsfrage: die Frage der Konstitution des I\1ir gehörigen Ich durch das reine Ego und in einen1 damit die Frage der Konstitution der Mir eigenen empirischen \Velt. Formal können wir sagen, daß wir das Ego, das cogito und das cogitatum behandelt haben. Das 11 SUm 11 blieb unbeachtet. Das reine Ego ist erst dann das konkrete Ego, wenn ich als Lebendiger es Mir-gehörig erfahre; Mir angehörig und meine Eigenheit, als Ich-Selbst. Damit ist die Aufgabe gestellt, das empirische Menschen-Ich zu beschreiben. Wir sprechen jetzt wieder vom empirischen Ich, von der mir eigenen empirischen Welt, jetzt aber konstituiert durch das reine Ego (in mir selbst). H. ist der erste, der diese Aufgabe des konkreten Aufbaus sah und als Phänomenologie der Konstitution in großer Breite durchforschte. Der zweite und dritte Band der Ideen beschäftigen sich mit der Beschreibung der Konstitutionen, ebenso die 4te und ste Meditation der C. M. und große Teile der 11 Krisis 11 • Der deutsche Idealisn1us wehrte sich nicht gegen die Unklarheit, die dadurch entstand, daß er nicht unterschied zwischen einem abstrakten ,Jch bin", bzw. der abstrakten Möglichkeit, 11 ich bin 11 zu sagen (Fichte), und dem konkreten "Ich bin 11 , das allein Ich selbst als be-
stiinn1 tcr Einzelner in voller Konkretion von mir sagen kann. Das Bewußtsein, das die mir eigene Welt aufbaut, ist schon das Mir-eigene, und es wird immer tiefer das Mireigentümliche, je ausführlicher meine eigene vVelt aufgebaut ist. Die Aufbautätigkeit des in dem mir zugeeigneten Bewußtsein wirkenden reinen Egos konstituiert nicht aus dem Nichts. Es ist kein absolutes Ich, losgelöst von jeder mundanen Aktivität, sondern gerade eins mit ihr. Nur ist das Feld seiner Aktivität nicht identisch mit der gesamten, ungemein erfüllten, gemeinsamen Erfahrungswel t, sondern ein "abgedecktes", wie durch eine Matrize (die ich selbst bin) konstituiertes, aus einer undeutlichen Zeichnung "herausgehobenes11 Bild. Wir vollziehen eine merkwürdige neue Reduktion, gleichsam in umgekehrter Richtung zu den bisherigen, durch welche nicht das empirische Ich zu dem transzendenten Subjekt reduziert wird und nicht dieses zum reinen Ego, sondern die empirisch-mögliche Welt zu der transzendenten eigens konstituierten als der Mir eigenen. Die Reduktion ist hier in ganz wörtlichem Sinne gemeint. Die mir eigene Welt ist viel ärmer, als es die weltbildenden Möglichkeiten in ihrer Universalität sind. Daher müssen wir nicht nur bei den verschiedenen Menschheitstypen, entsprechend ihrem geschichtlich bedingten Dasein, nicht nur in den verschiedenen Berufen von Umwelt oder Berufswelt sprechen, sondern in gewissem Sinne auch bei den Tieren. Es ist klar, daß dabei das reine Ego sein Eigenwesen in den ihm entsprechenden sachlich reifenden Intentionen spielen läßt. Es ist nicht Aufgabe der transzendental beschreibenden Phänomenologie die möglichen Typen der Gestaltung der eigenen Lebenswelt aufzuzeigen. Diese Aufgabe fällt Wissenschaften wie Geschichte, Literatur- und Kunstgeschichte zu; aber auch der Biologie, Anthropologie, Psychologie und Psychiatrie (allerdings, wie gezeigt werden wird, erst auf Grund der transzendentalen Intersubjektivität). Sie erfüllen 7
Szilasi
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nur dann die Forderung der Wissenschaftlichkeit und erreichen nur dann eine adäquate Evidenz, wenn sie Begriffe ausbilden, die den transzendentalen Regeln der Konstitution entsprechen. Das Thema wird uns noch beschäftigen. § 40. Die Forderung der lntersubjektivität. Wir wollen nicht vorgreifen. Es handelt sich hier zunächst um die Beschreibung der ersten Stufe der Konstitution. Ihre Bedeutung besteht darin, daß sie eine neue Weise des Transzendenten offenbart. Die mir eigene Lebenswelt, das heißt diejenige, die ich selbst als Bewußtsein unter Anleitung des reinen Ego in mir und für mich schon a priori aufgebaut habe und mit jeder Wandlung meines Selbst, das heißt meiner seelischen Verfassung schon im vorhinein umgewandelt habe, enthält eine Reihe transzendenter Elemente. Was nicht die Seinsweise meines eigenen Seelenlebens, seines Lebensstromes und der in ihm liegenden Motivationen hat, ist für das Bewußtsein das Transzendente. Dazu gehört sogar mein psychophysisches Ich, meine leibliche Organisation und alle sinnlichen Konfigurationen des Zusammenspiels der Sinne. All das ist nicht Moment an dem Aktivitätsstrom des konstituierenden Ego. Selbst die eigene Lebensgeschichte ist für die Selbstbeobachtung transzendenti nicht nur inhaltlich, sondern allein schon dadurch, daß sie Geschichte ist. Anfang und Ende und der kontinuierliche Fluß, der mit allerlei mundaneu Elementen verflochten ist, ist nicht allein meine konstitutive Handlung, sondern auch das Mir-Fremde, das durch die Konstitution des Mir-Eigenen in meine Welt eintritt. (Die Rede von "Erlebnissen11 in der Literaturgeschichte wäre nicht so vieldeutig und irreführend, wenn diese phänomenal transzendentalen Zusamlnenhänge beachtet würden.) Es ist Schritt für Schritt beschreibbar, wie das jeweilige Transzendente im kontinuierlichen Fluß der Lebensgeschichte immanent wird. Die immanente Transzendenz nennt H. die primordinale Leistung der Konstitution. Der Aufbau der Mir-eigenen Welt, das heißt der Welt meines Lebens (Lebenswelt} ist ein Vorgang
ständigen Erfaßtwerdens durch lauter transzendente Momente. Auf Grund der immanenten Transzendenz hat jedes Ich seine eigene primordinale Welt (primordinale Transzendenz), auch der pathologische Mensch (zum Beispiel der Melancholiker), indem er die Weltfülle der Aktivität seines reinen Ego entsprechend auf die ihm eigene Lebenswelt reduziert. Es wäre für die Konstitutions-Phänomenologie eine lehrreiche Aufgabe, diese Reduktionsschritte zu verfolgen. (Die Welt ist in doppelter Weise inadäquat. Erstens durch die Unvollständigkeit der Adäquatio, zum anderen durch die jeweilig eigene Reduktion der Welt-Fülle auf die Lebenswelt.) Für jeden ist seine Lebenswelt die objektive Welt, die andere Welt ist das sekundär Transzendente. Die Mireigene objektive Welt vermag nur auf Grund der allgemeinen Verständigung, das heißt auf Grund der Inters u b j e k t i v i t ä t allgemeine Geltung zu gewinnen. Dazu muß die eigene Lebenswelt mit allen ihren Immanenzen und Transzendenzen transzendiert werden können. Wem dieser überschritt nicht gelingt, hat keinen Zugang zur Welt des Anderen. Seine Lebenswelt bleibt unvergleichbar mit der Lebenswelt des Anderen. (Davon weiß die Psychiatrie zu sagen. Die Aufhebung der Unvergleichbarkeit hat sich die daseins-analytische Psychiatrie Binswangers eigens zur Aufgabe gemacht.) Wenn wir nur auf die immanente Transzendenz der jeweilig Mir-eigenen Lebenswelt achten, hat jedes Individuum den Charakter einer Monade mit seiner eigenen Perzeptionsfülle. H. nannte das reine Ego die Monade in mir. Jetzt bezeichnet Monade das transzendental-psychische Ich. Nicht ohne Recht. Das psychische Ich ist das verweltlichte, mit der Mir-Gehörigkeitausgezeichnete reine Ego. Als solches ist es durch die Fülle der Perzeptionen besser charakterisiert als die Monade bei Leibniz. Die Perzeptionen sind hier die apriorischen Erfassungsweisen der Mir-Gehörigkeit. Die unzähligen Monaden unterscheiden sich in Reichtum und
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Klarheit der immanent transzendenten Inhalte. Die MirGehörigkeit ist das erste faktisch Erfaßbare. Die Konstitution des Ich in meinem "bin" durch das reine Ego gibt ein großes und bedeutendes Forschungsthema vor. Die deskriptive Psychologie wird erst mit Erforschung dieser Konstitution eine echte Wissenschaft, gleicherweise die Psychiatrie. § 41. Forderung der uns allen gemeinsamen Welt. Die geschilderte Problematik führt zu einer neuen. Die immanente Transzendenz, die eigene Lebenswelt ist nicht allgemein objektiv. Sie wird dazu durch die allgemeine Verständlichkeit und allgemeine Evidenz. Ich habe die faktische Ordnung für die Darstellung umgekehrt. Eigentlich baut sich meine eigene Lebenswelt auf Grund der objektiv transzendenten Welt auf. Die Forderung der Reduktion bezieht sich auf das Material der objektiv immanenttranszendenten Welt. Nach H.'s Feststellung ist sie die sekundär transzendente, die sich auf die primordinale aufbaut. Die objektive immanente Transzendenz der Welt verlangt die K o n s t i t u t i o n d e r I n t e r s u b j e k t i v i t ä t. Durch sie ist erst die erfahrbare Welt aufgebaut, beziehungsweise ihre Erfahrung möglich. Denn zu dieser gehören auch die anderen l'vlenschen und die Kommunikation mit ihnen. Der Aufbau konstituiert die Gemeinschaft der einzelnen Monaden, eine Monaden -Gemeinschaft. In dieser wirken reine Egos zusammen in der Konstitution einer gemeinsam erfahrbaren Welt. Die Welt ist eine Kollektivleistung aller Monaden, so muß also auch H. wie schon Leibniz eine apriorische Hannonie der Monaden-Gemeinschaft setzen. Bevor wir aber der Beschreibung der Konstitution dieser Harmonie nachgehen, müssen wir den Weg fortsetzen, den die transzendental-deskriptive Phänomenologie vorschreibt, und die weltbauenden (konstitutiven} Handlungen des mir eigenen Egos beschreiben, in welchen der Mir-Fremde als der andere, aber als Ego, als Alterego konstituiert wird. "So muß anschließend die Frage gestellt werden, wie mein 100
Ego innerhalb seiner Eigenheit unter dem Titel Fremderfahrung eben Fremdes konstituieren kann." (Hua. r, 126) Eine großartige Leistung zeichnet sich hier ab. Ihr Höhe~ punkt ist die ste Meditation der C. M. H. sagt zwar: "Die Aufgabe ist nicht, transzendentes Sein zu erschließen, son· dern es als Vorkommnis in der transzendentalen Subjek· tivität durch Enthüllung der Konstitution zu verstehen." (C. M. 192.) Trotzdem geschieht eine Erschließung des transzendenten Seins. Konsequenterweise wird ihre Möglichkeit und Durchführungsweise für das Ich der Lebenswelt nachgewiesen. Die naive Erfahrung weiß davon. Sie läßt sich durch die philosophische Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung nicht einschüchtern (vgl. Hua. 3, 214; Id. I, 177). Sie erfährt gleichsam an der eigenen Haut, wie das ihr Fremde, die "Geheimnisse" des ganzen Universums das Menschen-Ich umfassen und sich in ihm ausdrücken. Im gleichen Gedankengang klärt Leibniz mit der Bezeichnung "Ausdruck 11 das, was er Spiegelung der Monade nennt. Spiegelung ist Ausdruck; in allen Spiegelungen, das heißt in dem verschiedenen Ansichtigwerden von verschiedenen Standpunkten, in verschiedenen Projektionen wird dasselbe Invariante ausgedrückt, "dasselbe 11 als das ganze Universum. Die objektiv-immanente Transzendenz, das heißt das Transzendente in seiner objektiven Immanenz ist unsere natürliche Umgebung, die natürlichste Erfahrungs-Gegend, in welcher das Erfahrbare begegnet. Das Geh~imnisvolle an der Welt ist, daß sie unsere Erfahrungsgegend ist. Sie ist eher zu eng als zu weit für die ungeheure Breite unserer Erfahrungsleistung. Denn die Immanenz des Transzendenten gibt offene Horizonte frei. Die Welt ist gleicherweise die transzendent begegnende wie die immanent konstituierte. Beide Aspekte kommen zur Dekkung. § 42. Die Konstitution (konstitutive Erfahrung) des Alterego. Die Konstitution der Mir-eigenen Welt umfaßt die Konstitution der anderen, die in meiner Eigenwelt transzendent IOI
enthalten sind. Sie sind sogar die am meisten transzendenten Erlebnisinhalte, da der andere in seiner eigenen Lebenswelt ebenfalls ein reines Ego ist, dem die ihm gehörigen Transzendenzen primordinal konstituiert sind, darunter auch ich als der andere für ihn. So ist das in meiner Welt mitkonstituierte Alterego in doppelter Weise transzendent für die phänomenologische Konstitution. Die Beschreibung der Konstitution soll nachweisen, in welchen intentionalen Akten und Aktsynthesen dieses Transzendente eine immanente Transzendenz gewinnt. Es gibt keinen anderen Zugang zu dem anderen als die Auslegung des Mir-Eigentlichen. Wenn also für mich ein körperliches Ding die Bedeutung eines anderen Ego hat, hat es das nur auf Grund der systematischen Sinndeutung des Mir-Eigenen im Zusammenhang der intentionalen Verweisungen. Zuerst müssen wir auf den intentionalen Charakter der Selbstwahrnehmung meines Ich innerhalb der Mir-eigenen Welt hinweisen. Ich bin mir nie präsent als reines Ich in der inhaltlosen Abstraktion, wie das transzendentale Ich im deutschen Idealismus gedacht war. Erstens ist das reine Ego von vornherein in seiner konkreten Mir-Eigenheit in der Fülle der mir-eigenen Lebenswelt präsent, räumlich und zeitlich organisiert. Ich betonte schon, welche großartige Leistung darin liegt, daß die Phänomenologie das transzendentale Ich von Anfang an mit einer solchen Fülle ansetzt. Sogar die Psychologie bis Dilthey behandelte das konkrete Seelenleben, als ob es mosaikartig aus konstanten Elementen aufgebaut wäre und nicht durch die systematische Einheit von Intentionen. H. führt die Erforschung der Konstitution weiter. Das Ich ist nie leiblos. Es muß in den konstitutiven Akten evident werden, daß es sich auf allen Stufen der Selbstbeobachtung gepaart mit psychophysischen Elementen vorfindet. Das neue Wort 11 Paarung" ist die Übersetzung der Be· zeichnung "Assoziation". Seine Bedeutung hat sich aber modifiziert. "Sie ist eine Urform derjenigen passiven SynI02
thesis, die wir gegenüber der passiven Synthesis der Identifikation als Assoziation bezeichnen 11 (C. M. 142). Die passive Synthesis der Assoziationen ist die Verbindung des analogisch Mitpräsentierten mit der originären Präsentation. Es ist einer der großen Triumphe der Phänomenologie, daß sie die Leiblichkeit in Einheit mit allen intentionalen Akten für die theoretische Philosophie zugänglich machte. In der intentional systematischen Einheit des Mir-eigenen Lebensstromes ist das Leibliche in allen Akten der Erfahrung mitpräsentiert als das Transzendente schlechthin. Unter dem Eindruck dieser Transzendenz wurde seit jeher Seele und Leib gegen alle Erfahrung getrennt. Ich kann mir das Psychophysische meines Organismus weder originär noch in irgendeiner anderen Weise einsichtig machen. Aber meine Kopfschmerzen, meine Nervosität, meine Krankheiten überhaupt, vor allem die Geisteskrankheiten schließen sich meinem reinen Ich in der Konsti tution meines Zustandes an, sowohl in einer bestimmten Aktualität wie in der Konstitution der ganzen Lebensgeschichte. Die egotisch-psycho-physiologische Vergesellschaftung ist in allen intentionalen Akten der Selbstbeobachtung mit gegenwärtig. Die fehlende Begründung und clamit jedwede Evidenz der so bezeichneten psycho-physischen Betrachtung, zum Beispiel in der psycho-physischen Medizin, stammt daher, daß sie das Egotische außer Acht läßt und nicht die volle Paarung in der geschilderten Konstitution des Mir-Eigentlichen im Auge behält. "Paarung11 heißt nicht Begründungszusammenhang, der überhaupt nicht zu leisten wäre. Sie bezeichnet eine unlösbare Vergesellschaftung. In den Formen der Selbstbeobachtung (beziehungsweise Selbsterfahrung) sind immer schon Produkte der nicht durch originäre Anschauung, sondern durch die Paarung motivierten intentionalen Akte. Das Ego ist sich innerhalb der Eigenwelt primordinal präsent. Mitpräsent ist, und zwar assoziativ die psychophysische, das heißt leibliche Konstitution. Der andere dagegen ist zunächst als Körperding präsent. Appräsent ist seine Kon103
stituierheit als Leiblichkeit. Motiviert ist die assoziative Mitpräsentatio durch die Erfahrung seines präsentierbaren Äußeren, seiner Bewegungen, seiner Tätigkeiten, seiner Heiterkeit oder seiner Zornausbrüche. Diese Mitpräsentation eines Konstituierten gilt auch für die Tiere. In bezug auf sie bin ich der Normalfall, sie für mich das Unternormale. Was wir ihre Umwelt nennen, darf nur verstanden werden als meine mir innerweltliche Konstitution einer psycho-physischen Einheit ohne Zugänglichkeit ihres mir transzendenten Ego. In bezugauf die anderen Egos bin ich für mich die Urkonstitution. Auf eine einfache Formel gebracht soll das besagen: ich bin mir präsent als reines Ich. Mitpräsentiert ist mir meine psychophysische Bestimmtheit. Der andere ist mir in dieser Bestimmtheit präsent. Mitpräsentiert ist mir sein Ich-Charakter. Im Medium der nlir-eigenen Selbstkonstitution ist seine Konstituiertheit als Selbstkonstitution mitpräsent. Umgekehrt, da ich den anderen als Selbst-Ich erfasse, habe ich mich für ihn als das Alterego konstituiert. Diese Umkehrung bewirkt, daß das, was der andere für mich dort ist, ich für ihn hier bin. Was ich für mich (in einer Selbigkeit) dort bin, ist er für mich hier. So leistet die Selbsterfahrung meines konkreten Egos und das durch das appräsentativ in der neuen assoziativen Erscheinungsweise erfahrene Alterego die dem anderen zugeeignete Sphäre. In dieser bin ich das Alterego und so Jedermann für Jedermann. Die zwischenmonadische Gemeinschaft besteht zwischen mir, der für mich promordinalen Monade und der in mir als fremd und somit als für sich seiend, mir nur appräsentativ ausweisbaren konstituierten Monade. § 43. Konstitution (konstitutive Erfahrung) der uns allen gemeinsamen objektiven Welt. Auf den ersten Blick wirkt die Art und Weise dieser Erklärung der IntersTibjektivität etwas grotesk. Es ist doch das Selbstverständlichste, daß ich meine Mitmenschen, meine Mutter, meine Frau ohne so komplizierte Konstitutionen kenne. Jede naive Welterfahrung muß sich schockiert fühlen, wenn ihr gesagt wird, daß 104
uie Philosophie diese Bekanntschaft beweisen zu müssen glaubt. Und das auf die Weise, daß ich über Körper, Leib unu assoziative Erfahrung diese Beweise beschaffen muß, als ob ich überhaupt je einen anderen Menschen primordinal als Körperding in meine eigene Lebenswelt einordnete und dieses Körperding erst sekundärkraftder konstitutiven Erfahrung durch Hinzufügen besonderer intentionaler Elemente zu einem psycho-physischen beseelten Wesen aufbaue, wodurch ich es als anderes Ego zur Kenntnis nehme. Diese allgemeine Selbstverständlichkeit ist der stärkste Beweis für den Sachverhalt, den H. zeigen will. Die Selbstverständlichkeit soll verstanden werden. Wenn es evident würde, daß der andere für mich in irgendeinem Sinne das Fremde, das Transzendente ist, dann müßte der allgemeine Widerwille gegen die Beschreibung einer Konstitution der stärkste Beweis dafür sein, daß d a s T r a n s z e n d e n t e mittels der Konstitution immanent zu erfahren ist. Die Aufbauschritte H.'s sollen also zunächst daraufhin gedeutet werden, daß gerade in ihnen und durch sie die Transzendenz (die Frcn1dheit) der anderen sichtbar wird. Wenn das gelingt, und die Transzendenz gezeigt ist, dann genügt der allgemeine Widerwille gegen die Darstellungsweise, um den gewünschten Beweis zu liefern. Allerdings sind folgende Momente zu beachten. Die ganze phänomenologische Forschung beruht auf der Befragung der BeWußtseinshandlung bezüglich ihrer Leistungen. Es ist schon ein großer Fortschritt, daß das leistenden Bewußtsein (beziehungsweise das reine Ego) nicht in der Anonymität des "überhaupt" gelassen wird, sondern sich als das MirEigene konstituiert. Somit bleibt die Aufgabe, die Isolierung zu durchbrechen, möglichst auf dem schon begonnenen Weg der Konstitution des immanent Transzendenten überhaupt. Auf dem Wege der Beschreibung also, wie sich das Ich das Mir-Nicht-Eigene aneignet. Dadurch wird methodisch das einzelne Ego auch als Lebens-Ich isoliert. 105-
Aus dem gleichen Grunde unternimmt es Leibniz,· zu erklären, wieso es möglich ist, daß die einzelnen Monaden miteinander Kontakt haben. Seine Antwort nennt die gegenseitige Spiegelung. Ihre Möglichkeit setzt voraus, daß die einzelnen Monaden alle von gleicher Seinsverfassung sind, unterschieden allein nach dem Reichtum der Perzeptionen. Von derselben Seinsverfassung, das besagt in der Sprache H.'s, daß sie alle reine Egos sind. Trotzdem bleibt es fraglich, wie die Kommunikation zwischen ihnen möglich ist, da sie jede für sich, unaffizierbar, das heißt jeder fremden Wirkung unzugänglich sind. Sie bleiben das auch innerhalb der Monaden-Gemeinschaft. Keine der Monaden erleidet Einflüsse, jede übt nur eine Aktivität aus, sie spiegelt die anderen; und jede andere jede andere. Alle sind spiegelungsfähig und spiegelbar. Eine solche Antwort kann uns aber nichts nützen. Auch die Voraussetzung nicht, daß die anderen Menschen ebenfalls reine Egos (Monaden) sind, und ich als die Urmonade sie eben deswegen zum Ausdruck bringen kann. Die Methode der Phänomenologie geht umgekehrt vor. Mein "sie zum Ausdruck bringen können(/ m1.~ß sich bewähren, und zwar dadurch, daß ich sie als ebenfalls reine Egos (als Monadenwesen) erfasse. (Der Spiegelung muß meine konstitutive Leistung vorangehen.) Vom Standpunkt der Ontologie antwortet die Frage nach der Intersubjektivität (beziehungsweise nach dem Zwischenmonadischen) mit einer Spiegelung solcher Art. Für die Phänomenologie handelt es sich aber um viel mehr. Sie hat die Aufgabe, das volle Bewußtsein in seinem innerweltlichen Leben als Handlungseinheit aufzuzeigen. Das innerweltliche Leben ist Leistung der Konstitution. Das innerweltliche Leben ist unvollständig ohne Kommunikation mit den anderen. Dazu gehört ihre Konstitution als die Mir-nicht-Eigentliche, also Fremde, und dazu ihre Umwandlung zum immanent Transzendenten für und in meiner Lebenswelt. Die Konstitution erweist die Fremdheit, sogar das Trans· 106
zendeutsein der einzelnen Egos in dem eigens konstituierten eigenen Erfahrungszusammenhang des anderen und umgekehrt. Unausgewicsen ist, wie sie Kontakt miteinander konstituieren. Die konsti tu ti ven Schritte beweisen, daß die anderen die gleichen Monaden sind wie ich. Das genügt aber nicht, um die gegenseitige Fremdheit, die gegenseitige Transzendenz in der eigenen Lebenswelt des anderen aufzuheben, nicht einmal um zu erreichen, daß sich einem die Lebenswelt des anderen in der ihm gehörigen Eigentlichkeit eröffnet. Das, was mir immanent ist, sind meine Wahrnehmungen, meine kategorialen Anschauungen und die Anschauungen des Apriori. Meine Wahrnehmungen sind nicht die der anderen, ihre Wahrnehmungen nicht die meinen. Sie können in den beiden Bewußtseinsströmen nicht ausgewechselt werden. Auch die apriorische, intentionale Psychologie ihres Seelenlebens kann das nicht leisten. Aber es kommt auch nicht darauf an. Die Schwierigkeiten der Auseinandersetzung mit der eigenen Erfahrung für die restlose Aneignung des anderen sind nicht zu beheben. Sie kennzeichnen nur die nie erreichbare vollständige Adäquatheit des Vernehmens, eine Grenze, die wir schon kennen, und die auf Grund der Konstitution dessen, welchen Sinn die anderen für mich haben, das heißt auf Grund der Konstitution des immanent Transzendenten des Miteinanderseins, noch verschärft wird. Was die neu fällige Konstitution zu leisten hat, ist die Objektivität der Welt, das heißt die konstitutive Gemeinsamkeit innerhalb der verschiedenen immer anderen, jeweilig Mir-eigenen Lebenswelten. Die gemeinsame Eigenwelt kann mein Ego allein nicht leisten. Es kann innerhalb der Mir-eigenen Welt die Konstitution des Alterego vollziehen, eines in seiner Im1nanenz unheimlichen Transzendenten. Die Konstitution der objektiven Welt ist die Leistung der Monaden-Gemeinschaft, der Gemeinschaft der reinen Egos. Für Leibniz war die notwen dige Bildung der Monaden-Gemeinschaft in den Wesen der einzelnen Monaden, als alle anderen spiegelnde, ersieht4
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lieh. Die Spiegelung ist der Ausdruck der allein gemeinsamen invarianten Welt. Sie übernimmt die Aufgabe der Konstitution der gemeinsamen Welt, eine einfache Leistung, weil die verschiedenen, jeder einzelnen Monade eigenen Welten nur durch die Projektionsweise von der gemeinsamen abweichen. Wie gern sich auch H. auf die Monadologie beruft, die Phänomenologie der Konstitution kann sich mit diesen Verfahren nicht begnügen. Wir müssen darstellen können, wie mein eigenes Ego auf dem Wege der Konstitution des Alteregos die uns gen1einsame Welt (vollständiger gesagt, die objektiv immanente Transzendenz als Welt} konstituiert. § 44· Neuer Ansatz der Auslegung. Die Konstitution der gemeinsamen Welt wird auch durch die Handlung der Appräsentation geleistet. Die Handlung ist fundiert in der schlichten Präsentation mit der ihr zugehörigen Retention und Prätention. Wir müssen also beschreibend verfolgen, wie mein Ego innerhalb der Konstitution der nur Mir-eigenen Lebenswelt zu den intentionalen Präsentationen diejenigen Appräsentationen hinzufügt, in welchen sich die Objektivität der gemeinsamen Welt konstituiert. Die Appräsentation erfolgt entsprechend den intentionalen Hinweisen, und zwar in evidenten Folgezusammenhängen. Betrachten wir einige solcher Zusammenhänge. Mir ist jetzt, während ich lese, das Blatt Papier, auf welchem ich meine Aufzeichnungen machte, 11 leibhaft" präsent. Während ich auf das Papier schrieb, war appräsent seine Qualität, das Geschäft, wo ich es kaufte, auch ein Vergleich mit Blättern, die ich anderswoher bezogen hatte. Mir ist mein Feuerzeug präsent, während ich meine Pfeife anzünde; appräsentiert ist der Freund, von dem ich es als Geschenk erhielt. Der Stuhl an meinem Tisch ist sein Platz. Das Blatt Papier, das Feuerzeug, sogar der leere Stuhl sind mir in der Weise präsent, daß sie mir die anderen (andere Alteregos) appräsentieren. Die intentionalen Verweisungen, die zu der 108
Appräsentation führen, sind einerseits sachlicher, andererseits lebensgeschichtlicher Art. Die Präsentationen gehören in meinen Lebensstrom zusammen mit ihren immanent transzendenten Elementen. Das Appräsentierte ist in einem teilweisen übersteigen meines Lebensstromes zugänglich. Jedenfalls konstituiert mein Ego durch das Appräsentierte ein Stück gemeinsame Welt. Noch klarer wird diese Konstitution mit dem folgenden Beispiel. Ich als Lebens-Ich bin mir in allen Bewußtseinshandlungen präsent. Ich kann mir aber (und das ist oft der Fall) von Appräsentationen begleitet präsent sein. Zum Beispiel bin ich mir jetzt präsent zusammen mit der Appräsentation Lehrer der Philosophie, der eine Vorlesung hält. Ich bin für Sie als Hörer zwar in anderer Weise präsent als ich es mir selbst bin, aber in derselben Appräsentation, nämlich als einer, der eine Vorlesung hält. Wir haben Verschiedenes präsent, aber von derselben Appräsentation begleitet. Das identisch Appräsentierte durch Sie, die Sie für mich fremde Alteregos sind, und durch mich, der ich für Sie ein fremdes Alterego bin, ist das Gemeinsame, das die gemeinsame objektive Welt (das objektiv Transzendente) mit konstituiert, bzw. durch die konstitutive Erfahrung zugänglich macht. Während Sie sich auf den Inhalt der Vorlesung konzentrieren, ist er für Sie The1na Ihres aktuellen Nachdenkens. Ihnen ist also präsent, konstituiert in mannigfachen Retentionen und Protentionen die Ihnen-eigene Welt in Ihrem Ihnen-eigenen Lebensstrome. Dabei sind Sie für sich selbst appräsent als Hörer, als Studierende. Als dieselben sind Sie auch mir appräsent (nicht präsent als eigene Egos, da mir Ihr Seelenleben unzugänglich ist). Wenn sich nachträglich herausstellen sollte, daß hier bloß Wachspuppen aufgestellt waren, zu denen ich sprach, wäre ich Opfer einer Sinnestäuschung, wie man es naiverweise sagt, oder einer Halluziation. Um dieses Phänomen in wissenschaftlicher Brauchbarkeit zu beschreiben, müssen wir ,sagen: meine Präsentation war nicht evident ausweisbar, 109
also nicht real. Die anschließende Appräsentation war ohne Substrat; sie gehörte nirgends hin; sie hing in der Luft. Was man dabei sehen muß, ist Folgendes. Erstens: Die sogenannte Sinnestäuschung betrifft nicht die Sinne, sie ist nicht durch eine angenommene Unverläßlichkeit der Sinnesdaten motiviert. Die zur Präsentation gehörige Prätention, meine Erwartung, hier Hörer vorzufinden, war durch das Appräsentierte motiviert, nicht durch die Evidenz der Verweisungen der Präsentation. Der Fall zeigt die übermacht der naturgemäß anschließenden Appräsentation. Zweitens: Die halluzinierte Welt kann nicht als Argument benützt werden für die skeptische Entw·ertung der unmittelbaren Erfahrungskenntnisse, wie es zum Beispiel Descartes mit dem Hinweis auf den Täuschungsdämon tut. Auf das Präsente hat sich eine sekundäre transzendente Schicht aufgebaut, die der objektiven Welt, hervorgegangen aus den uns gemeinsamen, das heißt objektiven Bestimmungen der Umgebung der Aktualität. Wenn mir in den Ferien so ein Bild, wie wartende oder zuhörende Studenten, präsent wäre, oder noch eindrücklicher, an einer neutralen Stelle, die mit der Universität nichts zu tun hat, dann wären die habituellen Appräsentationen mächtiger als das Präsente. Ich hätte statt meiner Ich-Präsentation die Appräsentation des Lehrers, der eine Vorlesung halten will. Demzufolge wäre das mir aktuell Präsente verdeckt durch Appräsentation auf Vorlesung wartender Studenten. In der Halluzination unterdrückt die schon habituell gewordene Appräsentation die immer neu zu vollziehende aktuelle Präsentation. Die "objektive, gemeinsame Welt" ist konstituiert durch die gemeinsamen Appräsentationen. Ihre Habitualität ist Grund der Halluzinationen. Träume sind in diesem Sinne mehr "objektiv", weil der Träuntende nichts Präsentes hat und nur habituellen Appräsentationen nachgeht. Die Phantasmen, Phantome und die Traumbilder sind ebenfalls keine Trugbilder. Ihre Wirklichkeit, beziehungsweise Wahrheit muß in der geschilderten Weise der apriorischen, die Intentionen isolierenden Phänomenologie der KonstiIIO
tutioncn erforscht werden. (Die Intention ist isoliert, weil ich nicht den in dem Präsenten enthaltenen Verweisungen folge.) Alles andere ist willkürlich und sinnlos. Das Beispiel zeigt für unsere aktuelle Betrachtung, daß die objektive Welt (das objektiv Transzendente), obwohl das Ego sie mittels der Appräsentationen konstituiert, die unsere eigenen lebensweltlichen Präsentationen in eigenweltlichen Motivationen begleiten, so ungeheure Evidenz gewinnt, daß die primordinal konstituierte, Mir-eigentliche Lebenswelt ihre fundierende Evidenz trotz Originärität kaum durchsetzen kann. Durch diese übermacht der habituellen Appräsentationen hat niemand eine eigene Welt, weder die Wachen, noch die Schlafenden. Ich möchte noch ein drittes Phänomen beschreiben. Wenn ich beim Hereinkommen in den Hörsaal auf dem Pult ein Heft finde, das nicht das meine ist, appräsentiert mir das präsente Heft den Anderen in der Weise seiner Angewiesenheit darauf, Notizen zu machen, weil er vergeßlich ist wie ich. Wir können zahlreiche gleichgeartete Phänomene aufweisen. Sie zeigen, daß unser Ego nicht nur eine gemeinsame objektive Welt konstitutiv erfährt, sondern auch ein gemeinsames Ego, so daß jedermann mit jedem ebenso konstituierten Alterego austauschbar ist (vgl. F. T. L. 210). Die objektive Welt ist die durch jedermann konstituierte. Sie ist verarmt im Vergleich mit der Mir-eigenen Lebenswelt und zwar in dem Maße, wie mir die Tür vor der Ihnen eigenen Lebenswelt verschlossen ist (unadäquat zugänglich). Die von allen Egos in der gemeinsamen Konstitution zugängliche Natur, die objektive Natur jedermanns, das Forschungsfeld der Naturwissenschaften, ist noch mehr verarmt. Die entsprechenden Stufen lassen sich verfolgen und sie müssen auch verfolgt werden, um die Intimität mit der mir-eigenen lebensweltlichen (lebensweltlich immanenten) Natur als primordinale Schicht im Auge zu behalten und die entzogenen Momente zu verstehen, damit die Wahrheitsund Wirklichkeitsgeltung der "abstrakten 11 Natur der Naturwissenschaften evident bleibt. III
.~ 45.
Zusan1nwn!assung. Erinnern wir uns an die Worte H.'s, die ich schon zitiert habe: 11 Der phänomenologische Idcalis1nus leugnet nicht die wirkliche Existenz der realen Welt (und zunächst der Natur) als ob er meinte, daß sie ein Schein wäre, dem das natürliche und das positiv wissenschaftlicheDenken, obschon unvermerkt, unterläge. Seine einzige Aufgabe und Leistung ist es, den Sinn dieser Welt, genau den Sinn, in welchem sie jedermann als wirklich seiend gilt und mit wirklichem Recht gilt, aufzuklären. Daß die Welt existiert, daß sie in der kontinuierlichen immerfort zu universaler Einstimmigkeit zusammengehenden Erfahrung als seiendes Universum gegeben ist, ist vollkommen zweifellos." (Nachwort zu Id. I, 1930, Hua. 5, 152.) Ich hoffe, daß die Zweifellosigkeit verstanden und die Aufklärung ihrer Begründung einsichtig geworden ist. Dazu diente einmal die phänomenologische Enthüllung des reinen Ego in der Fülle der Konstitution des transzendentalen Ichselbst (konkret in meinem eigenen Bewußtseinsleben), zum anderen die Enthüllung der in meinem immanent-transzendental ausweisenden (das heißt in ihrer Transzendenz erfaßbaren) Mitsubjekte in der sich mitausweisenden WirGemeinschaft. ·Wir demonstrierten die Leistungsweise der transzendentalen konstitutiven Handlungen des reinen Ego und beantworteten die fällige Frage: Wie ist phänomenologisch die Konstitution der gemeinsamen objektiven Welt darstellbar, so daß ihre \Virklichkeit evident wird? Wir haben damit den ganzen Umkreis der Bewußtseinsleistungen in ihrer systematischen Einheit dargestellt. Bewußtseinsleistung bedeutet nicht, daß durch sie die Transzendenz erfunden oder gemacht wird. Auch nicht, daß das Transzendente in ewiger Verdecktheit ihr entgegensteht. Das Transzendente kann in keiner Weise in den Bewußtseinsleistungen aufgehen. Aber alles Seiende ist, als was es ist, in meinen Bewußtseinsleistungen in einer solchen Weise verständlich, daß dadurch jedes Wissen und alle Wissenschaften ihre Leitung, ihre Evidenz und ihre erste absolute Begründung erhalten. 112
IV PROBLEM DER TRANSZENDENZ
§ 46. Einleitende Bemerkungen. Ich habe in meinen Darstellungen immer wieder darauf hingewiesen, daß H. in der Frage der Transzendenz eine fundamental neue Position gewinnt. Da wir in großen Zügen die Phänomenologie des Bewußtseins in seiner Totalität kennengelernt haben und auch die Hinweise auf die Leistungen, die es in seiner Aktivität envirkt, ist es jetzt möglich, die Stellung des Bewußtseins zu allem Transzendenten im Zusammenhang darzustellen. Wir können dabei nicht die verschiedenen, wechselnden oder sich langsam auskristallisierenden Standpunkte H.'s betrachten. Entscheidend sind die Stellen, wo die Konsequenzen der Forschung zur Klarheit kommen; besonders aber die Endphase der C. M. Es scheint mir, daß H. mit diesem Werk seinen Höhepunkt erreicht und in der klarsten übersieht das Ergebnis seines langen Forschungsweges in einer sonst nie erreichten Vollständigkeit zusammengefaßt hat. Die "Krisis"-Abhandlung hat eine andere Aufgabe: sie ist Geschichte des Geistes im Hinblick darauf, wie er in zunehmendem Selbstverständnis in nnd durch sich selbst zu letzten Klarheiten kommt. Es ist nicht meine Absicht die weitgesteckten Ansprüche zu verfolgen, die besonders Fink noch über H.'s Intentionen hinaus betont hat. Es scheint mir, daß eine "konstitutive Weltinterpretation" oder eine Fundamentalwissenschaft vom "Ursprung der Welt", in der Bemühung "ewige Menschheitsfragen von Anbeginn" in neuem Ansatz zu lösen in der faktischen Arbeit und Arbeitsweise H.'s keine Legitimation 8 Szilasi
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findet. Es wäre vielleicht möglich, das von aller Faktizität befreite Bewußtsein als ein neugeborenes in einen vorgeschichtlichen Zustand zu versetzen und neu beginnen zu lassen. H. tat das nicht, er hat aber die Geschichtlichkeit des Bewußtseins nicht aufgegeben. Die geltenden Wissenschaften, die historisch gewordenen Sozialstrukturen der Menschheit, ihre nationalen Fixierungen und innerhalb dieser ihre Kulturleistungen sind bloß eingeklamn1ert, nicht durchgestrichen. Auch die höchst gesteigerten Ambitionen H.'s wollten nicht mehr, als diese Bildungen echt begründen und von Grund aus verständlich machen. Diese nüchternen Absichten, besonders die Absicht, den Wissenschaften eine solide Grundlage zu geben, hat seit seinem Tod durch die Entwicklung der Naturwissenschaften und durch ihre Begründungsbedürfnisse an Dringlichkeit nur gewonnen. Meine Ausführungen sollen dazu dnen Beitrag leisten. Ich wollte Sie in den Stand setzen, den seit einiger Zeit abgerissenen Faden der phänomenologischen Forschung neu aufzunehmen. Für die Wissenschaftsbegründung ist das Problem entscheidend, auf welche Weise es möglich ist, die Gegenstände der Wissenschaften so zu erkennen, wie sie sind. Die historisch auf die einfachste und am wenigsten praejudizierende Formulierung gebrachte Frage lautet: wie sind die erkennenden Eigenheiten des Bewußtseins beschaffen, und wie sind auf Grund seiner Seinsverfassung die Bewußtseinshandlungen geeignet, das thematische Seiende, das ihnen fremd ist, in einer Adäquatheit mit seiner objektiven Wirklichkeit zu erkennen? Die das Bewußtsein nach seinen Leistungsmöglichkeiten betreffenden Fragen heißen transzendental, das Fremde, das in seinem Sein erfaßt werden soll, heißt das Transzendente. Das Problem der Transzendenz lautet also: wie ermöglichen die transzendentalen Handlungen und Potentialitäten des Bewußtseins das Transzendente in seiner objektiven Realität kennenzulernen? H. selbst charakterisiert dementsprechend seine Transzendentalphiloso· 114
phie als "transzendentale Theorie der transzen.; denten Erkenntnis 11 • {F. T. L. 223) Wenn die weiter gesteckten Ziele der Phänomenologie überhaupt erreichbar sind, so nur auf diesem gesicherten Fundament. Ich gehe von der Benennung aus, die H. zur Bezeichnung seiner Position oft benutzt: phänomenologischer Idealismus. Diese Bezeichnung weckt falsche Erwartungen. Der Name "Idealismus 11 stammt aus historischen Assoziationen. Er wäre legitim, wenn wir uns an das Wort Schellings halten wollten: transzendentaler Idealismus ist der wahre Realismus. Zu der historischen Ausbildung des Idealismus gehört in erster Linie die Betonung der Spontaneität des Bewußtseins. Die Rezeptivität hat untergeordnete Bedeutung; sie reicht nicht einmal zur Klärung der Erfahrung aus. H.'s Hauptthema ist die Intentionalität. Da sie Akte, Aktualitäten, Handlungen des Bewußtseins bezeichnet, herrscht im Anfang auch bei H. der Eindruck, daß für die Phänomenologie die Einheit der Spontaneitäten des Bewußtseins und ihre Motivation das Thema ist. Damit beginnen schon die möglichen Mißdeutungen. Die durch die Phänomenologie beschriebenen Handlungen: Intention, kategoriale Anschauung des Apriori, die Konstitutionsweisen sind alle rezeptiv. Allerdings, und das ist das Merkwürdige, transzendental rezeptiv, nicht im Sinne der Passivität. Es werden zwar auch passiv rezeptive Vorgänge beschrieben, wie die Appräsentation in der Fremdwahrnehmung. Aber was das Bewußtsein eigentlich charakterisiert, ist seine aktive (wie H. sagt 11 11 Spontane ) Rezeptivität. Die Verbindung von so entgegengesetzten Bestimmungen kann nichts anderes bedeuten, als daß das Bewußtsein sich spontan das aussucht, was ihm rezeptionswürdig erscheint. Transzendental heißt diese Rezeption, weil von dem Leistungsvermögen des Bewußtseins abhängt, was für es rezipierbar ist. Mit demselben Recht spricht H. auch von transzendenter Erfahrung. Diese ist die Rezeptivität für transzendente Objekte. Die Erkenntnis8*
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kritik will dahin gelangen, "die Möglichkeit der transzendenten Objektivität der Erkenntnis" übersehen zu können. (Hua. 2,38) Das ist nicht "durch transzendente Suppositionen und wissenschaftliche Schlußfolgerungen" zu erreichen. Ich muß schauen können. "Aus bloß gewußten und nicht geschauten Existenzen deduzieren, das geht niche'. (1. c.) Hier an diesem tiefsten Punkt ist auch von "Schau" die Rede, von einer Weise der Rezeptivität, die alle spontanen Begründungsoperationen ausschließt. Diese transzendentale Rezeptivität bezeichnet die Erfahrungsmöglichkeit der transzendenten Gestaltung der Erkenntnis, sofern sie an den transzendentalen Bezügen des Erkenntnisvermögens selbst immanent erfaßbar ist. Es handelt sich also um eine vermittelte Rezeptivität, um das Erfassungsvermögen der transzendenten Hinweise in den eigenen transzendentalen Handlungen.
§ 47 Der transzendentale Positivismus H.'s. Diese Situation zwingt uns dazu, alle Termini der Tradition für die Phänomenologie umzudenken. Es wurde schon öfters in kritischer Absicht vermerkt, daß die Phänomenologie eigentlich extremer Positivismus ist. Entscheidend ist die Feststellung H.'s: "Sagt Positivismus soviel wie absolut vorurteilsfreie Gründung aller Wissenschaften auf das ,Positive, d. i. originär zu Erfassende, dann sind wir die echten Positivisten." (Id. r, 38 Hua. 3, 46). Wir müssen allerdings unters~heiden. Der historisch ausgebildete naive Positivismus ist durch die unkritische Voraussetzung geleitet, daß die Welt mit Ausschluß der Transzendenzfrage so ist, wie sie der naiven Zuwendung erscheint. Diesen naiven Positivismus meint H. nicht. Er kritisiert ihn leidenschaftlich, besonders seine Ausbildung in den psychologischen Naivitäten der betreffenden Wissenschaften. Der psychologische Positivismus ist für ihn die Quelle aller naiven Weltsetzungen und, in einem damit der naturalistischen Weltdeutung. H.'s Positivismus betrifft die durch die Reduktion durchgegangenen transzendentalen Ich-Strukturen und die In116
halte des reinen Ego. Er ist transzendentaler Positivismus. Das besagt, daß die Philosophie sich auf etwas Positives bezieht, aber nicht auf ein naiv Gesetztes, sondern auf das in den Reduktionen erhaltene Positive, auf das transzendente Objekt, das das Bewußtsein zum rezipierbaren Gegenstand gereinigt hat. Wir finden also wieder die Verbindung von extrem gegensätzlichen Charakteren. Wie oben zwischen Spontaneität und Rezeptivität, ist nun auch die Einheit zwischen Positivismus und Transzendentalphilosophie hergestellt. Dadurch sind in der transzendentalen Phänomenologie sämtliche Bewußtseinshandlungen solcherart, daß sie das Transzendente erfassen. Das Wort "erfassen" fand, weil es zu bildhaft ist, ebenfalls Kritik. Gemeint ist mit ihm die transzendente Rezeption, das heißt die Weise des Vernehmens der Seienden an sich, wozu sich das Bewußtsein in seinen Handlungen geeignet macht. Die transzendente Rezeption bereitet das Bewußtseinsfremde zum Bewußtseinseigenen zu und faßt es in dieser Zubereitung auf. Jede "subjektive" Auffassung im Sinne der Relativierung ist ausgeschieden. § 48. Die neue Bedeutung des Terminus "transzendent". Damit verliert die Bezeichnung "transzendent" ihre ursprüngliche Bedeutung. Das Transzendente ist nicht das überhaupt nicht erfahrbare, sondern das nicht unmittelbar Erfahrbare. Die originäre leibliche Wahrnehmung ist allein unmittelbar. Alle anderen Weisen des Vernehmens sind "fundiert". Diese Bezeichnung unterliegt ebenfalls Mißverständnissen. Fundiert heißt die Folge der Bewußtseinshandlungen, in welcher das in wachsender Weise mit transzendenten Elementen Verflochtene bis zum rein Transzendentem entsprechend seiner sachlichen Struktur als das Vernehmbare konstituiert wird. Die Fundierung auf je höherer Stufe vervollkommnet die Möglichkeit der Erfahrung des Transzendenten. Die Vervollkommnung, die Entelechie ist die II7
tiefste Eigenheit des Bewußtseins, sie ist seine Seinsweise, {wie auch für Leibniz). I-Iicrher gehört die Sinnwandlung der Unterscheidung zwischen immanent und transzendent. Sie ist relativiert. Wir sind dem Ausdruck begegnet: immanent-transzendent. Vollständiger sollte es heißen: immanenterweise transzendent und als Parallele: transzendenterweise transzendent. Am klarsten zeigt der Zusammenhang beider Bestimmungen ihre Verbindung mit der Konstitution. In der F. T. L. 222 heißt es: "Die Welt mit allen ihren Realitäten, darunter auch mit meinem menschlichen realen Sein, ist ein Universum konstituierter Transzendenzen." Daran, daß die Konstitution Transzendenzen erfaßt, wied nichts geändert du,rch den Zusatz, daß das reine Ego als die letztkonstituierende {d. h. konstitutiv erfahrende) Subjektivität dieser konstituierten Welt vorangeht. Das ist selbstverständlich. Noch überraschender ist die Verbindung solcher Gegensätze wie rational und irrational. H. will nicht die übliche Unterscheidung gelten lassen, wonach nur die Ratio die klare und einsichtige Evidenz leisten kann, nicht mehr noch die Intuition, die auf Beweise verzichtet. Im Gegenteil: die Quelle jeder Evidenz lokalisiert er in der einfachen Schau. Sie wird nicht in logischen Folgerungen weitergebildet, sondern in Befolgung der Verweisungen, die in ihr liegen und die ebenfalls nur durch Schau erfahrbar sind. Die Schau ist keine rationale Handlung und sie wird nicht rational ausgelegt, sondern wiederum nur durch Schau. Ein irrationaler Zug geht auch durch die ganze Konstitutionsdarstellung des Bewußtseins, das sich im Konstituieren von Transzendenzen, also des ihm am meisten Fremden, verwirklicht, und zwar durch "spontane Rezeptivität" wie H. sagt. Das Transzendieren ist so radikal, daß das Bewußtsein sich selbst gleichsam übersteigt. Der Phänomenologe findet sich auf dem Wege der Befolgung der konstitutiven Schritte plötzlich außerhalb des Bewußtseins als ein zweites Bewußtsein, ein zweites beobachtendes Ich. Der 118
neue Beobachter ist nicht mit einem neuen traus-ichliehen Bewußtsein begabt. Er konstituiert sich unterwegs dadurch, daß er überhaupt alles, was dem Bewußtsein im Wege steht, übersteigt. Man kann H.'s letzte Intentionen am ehesten aus der wagemütigen Verbindung aller gegensätzlichen Bestimmungen, die vorher zu den Orientierungsgrenzen der philosophischen Tradition gehörten, verstehen. Er fühlte sein Tun als radikalen Neubeginn, unbeeinflußt von allem, was die philosophische Spekulation vor ihm dogmatisiert hat. Er gab diesem Gefühl oft, manchmal allzu pathosgeladen Ausdruck. Aber das Gefühl hat ihn nicht getäuscht. Seine Leidenschaft für das unvoreingenommene Denken war die Indifferenz gegen die fundamentalen Unterscheidungen, die, wie er meinte, der Philosophie verwehrt haben, strenge Wissenschaft zu sein. Darunter verstand er nicht eine Wissenschaft neben den andern, sondern die Kontrolle der Einstimmigkeit, die für alle Denker verpflichtend sein soll. Seine Haltung ist mit transzendentaler Indifferenz charakterisierbar, seine Leistung mit transzendentalem Positivismus, wenn die extremen Gegensätze benannt werden, die er mit bewunderungswürdiger Konsequenz verbunden hat. Auch darin war er im Recht, daß er ein weites Feld der Forschung eröffnet hat, zu weit, um es alleine durchackern zu können. Es ist eine großartige Dialektik in der Vereinigung der Gegensätze. Es gelang ihm nicht, diese latente Dialektik darzustellen. H. fühlte zwar die Nötigung dazu, aber seine Abneigung gegen Deduktion hat ihn von der Durchführung zurückgehalten. Er hatte im allgemeinen zu den formalen Denkgesetzen kein Vertrauen. Seine größte Begabung war die Beschreibung, auch ein transzendentalpositivistischer Zug, der mit der natürlichen Empirie ebensowenig zu tun hat wie die Beschreibungen selbst, und auch vieles sonst. Die Darstellung der Dialektik wartet auf künftige Forscher. Ich möchte darüber noch einiges sagen, besonders im Hinblick auf die Begründung der wissen119
schaftliehen Forschung. Zuvor ist aber erst eine andere Aufgabe in Angriff zu nehmen.
§ 49· Verwandschaft mit der Monadologie Leibniz'. Wir wollen H.'s Hinweise auf die Leibniz'sche Monadologie zur Deutung seines Transzendenzbegriffes zu verwerten versuchen. Ich muß zum besseren Verständnis auf schon Behandeltes zurückgreifen. Wir sahen, in welchem Sinne die Phänomenologie der Konstitutionen genetische Phänomenologie ist. Dazu ist folgendes zu bedenken. Trotz aller Äquivokationen H.'s müssen wir eine sinngemäße strenge Terminologie festhalten. Die erste Schicht-Abhebung be· trifft das empirische Ich. Es ist Faktun1, und zwar Faktum als mein eigenes Leben, als ein besonderer individueller Typus, ein Strom, in welchem alle Elemente motiviert einander in einer Portenwicklung folgen, die innerhalb meiner Lebenszusammenhänge verschiedene Typen zeigt. Meine Kindheit ist ein genetischer Zusammenhang mit zu ihr gehörigen typischen Einzelheiten, mein wissenschaftliches Leben ist ein strömender Zusammenhang von andern Typen, zu dem sich mein Kindheitsleben fortentwickelt hat, ohne daß in seinem Zusammenhang dieselben Motivationen konstitutiv gewesen wären, wie in meinem wissenschaftlichen Leben. All diese transzendental-empirischen Fakta kehren in der höheren Stufe des transzendentalen Ichs zurück. H. meint sogar, daß es dieselben Inhalte sind. Einschränkend ist zu sagen, daß es dieselben Möglichkeiten sind. Die Reduktion hat alle faktischen Geschehen und faktischen Motivationszusammenhang außer Geltung gesetzt. Dadurch werden die Wesensgesetze der Kompossibilität sichtbar, die Regeln des Miteinanderzugleichseins, des Einanderfolgendseins, des Mi teinanderzugleichseinskönnens und des Einanderfolgendseinkönnens. Der genetische Reichtum, in welchem mein eigenes Leben konstituiert ist, ist in der Region der transzendentalen Subjektivität reduziert auf das Universum der Regelzusammenhänge, in welchen einerseits die empirischen Lebenskonkretionen nach Typen 120
und Zusammenseinsmöglichkeiten der Typen, andererseits auch die Fortentwicklung des einem aus dem anderen mit allen Bildungen der Habitualitäten ihre formale Gesetzmäßigkeit haben. Der reale Seinsgehalt des transzendentalen Ich ist die kompossible universale Einheitsform des Strömens, in welche alle Einzelheiten sich selbst als darin strömende einordnen. Mit der Reduktion gewinnen wir die formale Gesetzmäßigkeit einer universalen Genesis. Innerhalb dieser Form verläuft das Leben. Die tiefste Stufe, die sich der Reduktion enthüllt, ist das reine Ego. Es ist insofern vom transzendentalen Subjekt, vom Ich oder vom Ego abhebbar, als es das eidos Ego gegenüber der empirischen Faktizität meines transzendentalen Ichs festzuhalten erlaubt. Beide sind identisch, wenn wir nur darauf achten, daß jedes transzendentale Bewußtsein faktisch einen bestimmten Typus aus einer möglichen Auswahl von möglichen Variationen verwirklicht. Durch Selbstvariation meines transzendentalen Ich gewinne ich das eidos Ego und kann eine rein eidetische Phänomenologie durchführen. So ist zu verstehen, daß Reduktion und eidetische Intuition die wichtigsten Werkzeuge der Phänomenologie sind. Das reine Ego als eidos ist Ausdruck für den Einheitsgrund aller möglichen, zu jedem transzendentalen Ich in einer bestimmten Weise zugehörigen Variationen. Das reine Ego bezeichnet also nicht mein transzendentales Ich, sondern enthüllt dieses und macht es verständlich als Bestimmtes nach den Regeln der Variationsmöglichkeiten. "Ist auch mein eigentliches Interesse nach der transzendentalen Reduktion auf mein reines Ego, auf seine, dieses faktischen Ego, Enthüllung, so kann diese Enthüllung zu einer echt wissenschaftlichen nur werden unter Rekurs auf die ihr ... zugehörigen apodiktischen Prinzipien, auf die Wesensallgemeinheiten und Notwendigkeiten, mittels deren das Faktum [sc. des transzendentalen Subjekts] auf seine rationalen Gründe ... zurückbezogen und damit verwissenschaftlicht wird. 11 (C. M., ro6.) Rückblickend von dem reinen Ego über das transzendenI2I
talc Subjekt auf das empirische Lebensich, ist es evident, daß die Quelle der Regeln der Konstitution das reine Ego ist. Von ihm her ist die volle Konstitution des Ich als Monade verständlich. "Ich bin für mich selbst und mir immerfort durch Erfahrungsevidenz ... selbst gegeben. Das gilt für das transzendentale Ego, und in jedem Sinn für Ego, [also auch für das psychologische Ego, das heißt für das empirische Ich]. Da das monadische konkrete Ego [gemeint ist das empirische Ich] das gesamte wirkliche und potentielle Bewußtseinsleben mit befaßt, so ist es klar, daß das Problem der phänomenologischen Auslegung dieses monadischen Ego, [das heißt] das Problem seiner Konstitution für sich selbst, alle konstitutiven Probleme überhaupt in sich befassen muß. In weiterer Folge ergiebt sich die Deckung der Phänomenologie dieser Selbstkonstitution mit der Phänomenologie überhaupt". (C. M. § 33, S. 102) Diese Ausführungen sind in höchstem Maße aufklärend. Wir müssen nun auf das hinweisen, was aus ihnen folgt.
§ so. Folgerungen aus dieser Verwandschaft. Die Betrachtung hat das Bewußtsein in seiner Einheit im Blicke. Die Schichtungsunterschiede haben nur genetisch-funktionelle Bedeutung. Das Bewußtsein in seiner Einheit geschichtlicher Geschehnisse hat Residuen, nicht verschwindende Folgen; sie erstarren nicht, sondern nehmen an jedem Geschehen weiter teil. Was wir empirisch kennen, ist von Individuum zu Individuum geschichtlich verschieden. Die jedem Individuum nur für es selbst eigentliche Bestimmtheit motiviert, daß H. im Leibnizischen Sinne von Monaden sprechen muß. Die jedem monadischen Erlebnisstrom eigene Spezifität ist durch die besondere Konstitution der Monade bewirkt. Sogar innerhalb ihrer einheitlichen Konstitution sondern sich Eigenströme ab, die durch neue Konstitutionsregeln verbunden sind. Das reine Ego als eidos enthüllt aber, daß die verschieden konstituierten Gestaltungen typenmäßige Variationen sind, die zu einem invarianten eidos gehören und von ihm her verständlich sind. Die Ver122
wandtschaft mit der Monadenlehre manifestiert sich darin, daß jedes empirische Ich-Universum nur begreifbar ist als ein Typus "desselben", wie jede Leibnizsche einfache Monade von ihrem Standpunkt her dasselbe ausdrückt. Dieses Selbe bestimmt für jede Monade das ihr absolut Eigene dadurch, daß es sie an ihre Stelle in der universellen Stellenanordnung einweist. Dieses 11 Selbe" vereinigt in sich alle konstitutiven Möglichkeiten. Die Berufung H.'s auf die Monadenlehre gew·innt aber erst dann ihre Schärfe, wenn wir bedenken, daß es nach Leibniz keine andere Realität gibt als das Universum der Monaden. Wenn auch für jede einzelne die andere Monade, bzw. alle anderen und umgekehrt, transzendente Realitäten sind, so ist ihre gegenseitige Transzendenz vollkommen konsumiert in der gegenseitigen Spiegelung, bzw. in dem Ausdruck "desselben". Die Transzendenz der Anderen ist jeder Einzelnen immanent. Jede spiegelt das An sich, denn jede spiegelt die Monaden, die sie selbst spiegeln. Die Philosophiegeschichte bezeichnet dementsprechend (allerdings ungenau), die Leibnizsche Position als transzendentalen Realismus. Für H. aber ist noch ein weiteres Moment in dem Hinweis auf die Monadologie ungemein wichtig. Jede Monade ist für sich nicht nur einfache Substanz, sondern auch das einfache Subjekt ihrer Aktivitäten. Die gegenseitige Spiegelung und die durch sie festgehaltene Position der einzelnen einfachen Monaden ist die grundlegende, noch undingliche, ungegenständliche Konstitution der Perspektiven. Die Konstitution der Monaden-Aggregate, in welcher Leib -Seele, psychophysische Einheit und in weiterem Natur und Naturvorgänge konstituiert werden, (Brief an Des Bosses vom 19. VIII. 1715; Gerh. phil. II, 294) ist verständlich aus den Konstitutionsregeln, die in den einfachen Monaden wirksam sind. Die Einsicht in dieselben eidetischen Verhältnisse begründet die zitierte Feststellung H.'s: es sei klar, "daß das Problem der phänomenologischen Auslegung dieses monadi123
sehen Ego" (das Problem seiner Konstitution für sich selbst, mit anderm Wort: seine Selbstkonstitution) 11 alle konstitutiven Probleme überhaupt in sich befassen muß". Sofern H. auf das reine Ego schaut und in ihm die Urstiftung der Konstitutionen sieht, ist er berechtigt (was er in diesem Zusammenhang in der vierten Cartesianischen Meditation am ehesten tut), seine Betrachtungsweise phänomenologischen Idealismus zu nennen. Dieser Idealismus ist dadurch merkwürdig, daß er keinen Gegensatz hat. Er hat den transzendentalen Positivismus in sich aufgenommen; seine Auseinandersetzung setzt diesen ins. Werk.
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V WISSENSCHAFTS-PHILOSOPHISCHE GRUNDLEGUNG
§ 5 r. Die Idee der Wissenschaft. Es heißt in der vierten Meditation(§ 34) im besonderen Bezug auf das eidos "Ego": 11 Das Eidos selbst ist ein erschautes, bzw. erschaubares Allgemeines, ein reines, unbedingtes, nämlich durch kein Faktum bedingt . . . Es liegt vor allen Begriffen im Sinne von Wortbedeutungen, die vielmehr als reine Begriffe ihm angepaßt zu bilden sind." {S. ros.) In diesem Zusammenhang wird das Wort "Verwissenschaftlichung" genannt (C. M. ros/ ro6). Gemeint ist der Rekurs auf die apodiktischen Prinzipien des im eidos Ego enthaltenen Regelsystems der Konstitutionen. Jetzt heißt es noch zusätzlich, daß die Begriffe dem eidos Ego angepaßt zu bilden sind. Welche Art Wissenschaftsidee liegt hier zugrunde? Verbleiben wir im Rahmen der Monadologie. Aus ihr folgt eine radikale Wissenschaftsbegründung, die von den Seinsbestimmungen der Monade ausgeht und die Möglichheit der immanenten Aneignung des Transzendenten zum Leitfaden hat. Am deutlichsten ist sie verfolgbar in der Begründung der wissenschaftlichen Biologie. Die Naturwissenschaft hat für Leibniz nicht die Aufgabe, meßbare Zusammenhänge zwischen meßbaren Größen festzustellen; die Wissenschaft ist in erster Linie konstruktiv. Für die konstruktive Erfahrung müssen eigene mathematische Mittel gefunden werden, wie es in der "Characteristica magna" geplant war. Die Konstitutionen der Erfahrung passen sich der Konstruktion des Ansichseins des Monadenzusammenhanges an. 125
N~1ch den sehr oft mit großer Emphase geäußerten Absichten H.'s soll die Phänomenologie alle Wissenschaften aus letzten Evidenzen begründen. Die zusammenhängende Exetnplifizierung der neuen Grundlegung fehlt aber. Wir sind auf spärliche Ausblicke angewiesen, wenn nicht die durchgeführte Wesenslehre des transzendental gereinigten Bewußtseins unexplizit die Begründungsvorschriften in sich enthalten und sie für die wissenschaftliche Praxis der Zukunft, ähnlich wie die Kritik der reinen Vernunft für bald 200 Jahre, freigeben soll. Allein die Grundlegung einer phänomenologischen Psychologie ist ausführlich dargestellt; auch das in erster Linie mit der Absicht H.'s, Psychologie und Phänomenologie voneinander zu unterscheiden. Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Frage und im Hinblick darauf, daß heute die Fundierung der sich stürmisch entfaltenden Wissenschaften in schmerzlicher Weise fehlt, will ich versuchen, einige Grundzüge einer Wissenschaftsbegründung im Geiste der Phänomenologie darzustellen. Es braucht nicht ausdrücklich betont zu werden, daß für die nun zu leistende Arbeit die transzendentale Bewußtseinslehre sowohl in ihrem ganzen Umfang als auch in den einzelnen Schritten präsent gehalten werden muß. H. sagt: "Die Phänomenologie ... als Wissenschaft vom transzendentalen Bewußtsein imRahmen unmittelbarer Wesensintuition ist das große Organon transzendentaler Erkenntnis überhaupt, ... jeder Erkenntnis überhaupt, welche über unnüttelbar Erschaubares hinaus für das transzendentale Bewußtsein Wahrheiten ausspricht, oder dogmatische Wissenschaftsbestände oder ganze Wissenschaften, wie physische Naturwissenschaften und Psychologie in faktische und wesensmäßige Regelungen des transzendentalen Bewußtseins auflöst." (Hua. 5, 78 ) Unter "dogmatisch" müssen wir dem Wortlaut entsprechend das verstehen, was schon zur tradierten Lehre der Wissenschaft geworden ist. Was die "Auflösung" meint, soll in den folgenden Ausführungen geklärt werden.
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§52. Stufengang des Wissens. Einiges müssen wir allerdings vorausschicken. Es wurde schon dargestellt, was mit "transzendental objektiver Realität" zu verstehen ist. Die wissenschaftliche Beschäftigung hat die Aufgabe, "objektiv gültige Realitätsurteile" zu gewinnen. Wir haben schon gesehen, daß diese Aufgaben-Bezeichnung für H. andere Bedeutung hat als in der Tradition. Zunächst folgt H. allerdings mit dem Schen1a der Genesis der Wissenschaft der von Aristoteles stammenden Vorstellung. Jedes Wissen geht aus dem Erfahrungswissen aus i alle Wissenschaften sind auf Erfahrung angewiesen. Die weitere Stufenordnung stellt Aristoteles nach der zunehmenden Theoretisierung auf. Sie lautet: Erfahrung, technisches Sichauskennen, Sichauskennen in menschlichen Angelegenheiten, Theorie, Wissenschaft, Philosophie. Als höchste Stufe gilt für Aristoteles der Nous, die geistige Einsicht, die für H. als noetische Intuition ebenfalls eine große Rolle spielt. Wie für Aristoteles ist auch für H. selbstverständlich, daß die Philosophie die Begründung des Wissenschaftscharaktersdes Wissen leistet. Die Deutungsweise des Seins der Seienden bestimmt die entsprechende Theorie dafür, wie die einzelnen Wissensstrebungen ihr thematisches Feld definieren, und wie sie der Definition adäquate Grundbegriffe, bzw. Grundaxiome ausbilden. Aus den theoretischen Einsichten folgen notwendigerweise die methodischen Vorschriften. Das Schema der Wissenschaftsbegründung verbindet also Ontologie, Theorie des Sachgebietes, Grundgebung durch Grundbegriffe und Axiome, sowie die Ausarbeitung der entsprechenden Methoden. Es muß aber auch rückwirkend festgehalten werden, daß die durch die Philosophie modellierte Art und Weise des Wissens in jedem Stadium der Entwicklung neue Forderungen an die Erfahrung stellt. H. hält sich an dieses Schema der Übergänge. So wie die Metaphysik des A ristoteles macht das System der Phänomenologie die Schritte verständlich, in welchen das naiv· natürliche Vernehmen, bei H. allerdings am Leitfaden der 127
Reduktionen und Reflexionen, bis zu den reinen philosophischen Einsichten geführt wird. Diese Genesis müssen wir für unsere Aufgabe umkehren. Wir müssen die ausgebildete transzendental konstitutive Erfahrung im Blick behaltend zurückschauen auf die natürliche wissenschaftliche und auf die technisch-wissenschaftliche Erfahrung. Dabei ist es notwendig den Zusatz "wissenschaftlich" innerhalb der Phänomenologie beizubehalten, obwohl er scheinbar eine Vorwegnahme dessen ist, was geklärt werden soll. Ist doch die natürliche Erfahrung, wie sie der Wissenschaft dient, im Vergleich mit der natürlichen "naiven" Erfahrung schon dadurch modifiziert, daß sie von der Voraussetzung einer gegebenen Welt frei ist, aber an einem Kontinuum des Erfahrungsfeldes festhält, das durch die in den Intentionalitäten liegenden Verweisungen konstituiert ist. So ist die natürliche Erfahrung von Anfang an zwar naiv, aber methodisch. Diese Unterscheidung ist bei keiner anderen philosophischen Wissenschaftsbegründung bemerkt worden, weil der Blick für die intentionale Struktur der natürlichen Erfahrung für ihre Verweisungen und Fundierungsverhältnissen fehlte. Das methodische Vorgehen der von H. gedeuteten natürlichen Erfahrung schafft sich schon immer ein kontinuierliches Feld. Sie enthält gleichfalls apriorische Verweisungsmerkmale, zunächst auf naiv gesonderte Gebiete der Erfahrung, in weiterem auf vorwissenschaftlich gesonderten Wissensgebieten, die erst eine nachträgliche Reflexion als Wissenschaftsgebiete bestimmt. Es ist notwendig, zu jedem, in den intentionalen Verweisungen von vornherein konstituierten Wissensgebiet eine besondere methodische na türliehe Erfahrung zuzuordnen, auch dann, wenn die originäre Erfahrung naiv ist, also ohne Reflexion auf die Besonderheiten, die erst eine Theorie der betreffenden Wissenschaften deuten kann. Solche methodisch geregelte natürliche Erfahrung waltet ohne Zweifel in jedem Berufsleben, auch wenn wir von jedem über die unmittelbare Erfahrung hinausgehenden Wissenselement absehen. Sogar wenn wir die Artikulie128
rungen des Berufslebens nicht beachten, entdecken wir dieselbe methodische Vorbedingung doch daran, wie ein Mensch zum Beispiel psychologisierend über einen anderen Menschen spricht oder über politische Fragen seiner Gemeinschafti in beiden Fällen ohne wissenschaftliche Einsicht, aber auf Grund geordneter Erfahrungen. Prüfen wir weitergehend die Erfahrungsfundamente, die die transzendentale konstitutive Phänomenologie als solche klärt, und die der Wissenschaftler als Erfahrungsfeld unmittelbar vorfindet, so müssen wir folgendes feststellen: Die Erfahrung, auf die jede Wissenschaft angewiesen ist, bezieht sich schon von vornherein auf den in der Konstitution gebildeten Erfahrungsboden. Die Kontinuität dieses Bodens ist durch ein naives Kausalitätsbedürfnis einerseits, durch ein naives Teleologiebedürfnis andererseits gebildet und begrenzt. Die Kontinuität ist vollkommen homogen. An jeder Stelle sind Indizes angebbar, funktionale Indizes, die die Stelle als bestimmt verursacht, bestimmt verursachend, bestimmt dienend, und bestimmt in Dienst nehmend markieren. Wohlgemerkt: diese homogenen Verbindungsweisen eines Kontinuums gehören zur Konstitution des bestin1mten natürlichen Erfahrungsfeldes, mit dem sich die betreffende Wissenschaft beschäftigt. Die von der Wissenschaft geforderte Erfahrung ist nicht identisch mit der naiven Erfahrung jedermanns. Dazu gehört noch, daß sie sich in jeder Spezialwissenschaft in verschieden reduzierten Schemen vollzieht.
§ 53. Das wissenschaftliche Wissen; Abgrenzung von regionalen Ontologien. Wir wollen die Stufe des technischen Wissens überspringen. Entscheidend ist die Charakterisierung, durch die sich das von der konstitutiven Phänomenologie her betrachtete wissenschaftliche Wissen von den natürlichen Erfahrungsweisen unterscheidet. Vor allem dürfen wir nicht von Wissenschaft überhaupt sprechen. Die totale Erfahrung, die die wissenschaftliche Arbeit leistet, sondert 9
Szilasi
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schon im Vorgang der Konstitution einzelne Wissenschaftsgebiete voneinander ab. Die Teilung selbst, die Einteilung der Wissenschaften leistet erst die transzendentale Phänomenologie. Jede Wissenschaft beschäftigt sich thematisch mit anderen Seienden oder nimmt, sofern eine Beziehung von verschiedenen Seiten auf dasselbe stattfindet, dasselbe von verschiedenen Konstitutionsbereichen her in Blick. Mit Rücksicht auf diese Determiniertheit und Beweglichkeit in einem nennt H. die verschiedenen durch spezifische konstitutive Theorien und von ihnen abhängenden Methoden gesonderte Wissenschaften regionale Ontologien. Die Bezeichnung legitimiert sich dadurch, daß es sich um gesonderte (konstitutiv festgelegte) Gebiete der Seienden (der Onta) handelt und deshalb alles, was schon in der Differenzierung der Konstitutionen über sie ausgemacht ist, in einer Gebietsontologie für die Theorie und Methode der Wissenschaft verständlich gemacht werden muß. H. sagt: "Alles, was uns die Wissenschaften von der Onta, die rationalen und empirischen Wissenschaften (im erweiterten Sinne können sie alle Ontologien heißen, sofern es sich zeigt, daß sie auf Einheiten der Konstitution gehen) darbieten, löst sich im Phänomenologischen auf. 11 (Hua. 5, 78.) Damit ist folgendes gesagt: Jede Wissenschaft ist eine besondere Gebietsontologie. Ihre gegenseitige Trennung ist nicht zufällig. Allerdings sind die Zufallseinteilungen der Wissenschaften, wenn die phänomenologische Besinnung fehlt, nicht zu vermeiden. Die transzendental-konstitutive Phänomenologie muß aufzeigen, daß die Gebietsontologicn gleichsam sich selbst trennen und durch die wissenschaftliche Vernunft in ihrer eigenen Festumgrenztheit im Grunde bloß erfaßt werden müssen. Allgemein gesagt: die Sonderung der einzelnen Wissenschaften "entspricht genau der Fundierung der betreffenden Realitäten" (Hua. 5, 19). Diese sind uns schon als Leistungen des reinen Ego, wie sie durch die Konstitutionsphänomenologie aufgedeckt wurden, bekannt.
§ 54· Die Einteilung der Wissenschaften. Wir haben solche aufeinander fundierte Realitätskategorien bereits angeführt, wie zum Beispiel die Fundierungsreihe: Materie, Körper, Leib, psychophysische Einheit, Seele, seelisches Ich. Jede dieser Realitätskategorien ist Gebietskategorie einer Regionalontologie, das heißt einer besonderen Wissenschaft. Es gibt weder eine einzige Theorie (theoretisches Begründungsdenken) für alle Wissenschaften, wie auch nicht eine einzige Methode. "Welche Methoden erforderlich sind, um objektiv gültige Realitätsurteile zu gewinnen (und welche Bedingungen der Möglichkeit solcher Urteile im Wesen der Erfahrung selbst vorgezeichnet sein müssen}, das zu erörtern ist ein eigenes Thema." (Hua. 5, 5.} Die erste und größte Schwierigkeit ist die evidente Einteilung der Wissenschaften, das heißt die Gewinnung der Totalität der Gebietsontologien. Man kann sie durch keine Deduktion, sei sie auch die transzendentale, gewinnen. Die einzige Möglichkeit, Wesensgebiete zu ordnen, besteht darin, den phänomenologischen Fundierungsverhältnissen nachzugehen. Mit neuen Fundierungen erwachsen neue Grundarten gebender Anschauungen. Jede Fundierung geht zurück auf originär gebende Bewußtseinsakte. In ihrem Wesen gründen kardinale Scheidungen nach Grundarten, die systematisch verfolgt werden können. Jeder solcher Grundart entspricht offenbar ein regionaler Begriff (der die Sinnesform der gebenden Anschauung umgrenzt} und entspricht in weiterer Folge eine Gegenstandregion. Die bisherigen Scheidungen der einzelnen Fachwissenschaften sind auf Grund von logischem Zusammenhang der entsprechenden Begriffe durchgeführt worden. Diese Systematisierung des "logischen Denkens" ergab nach Genus und Spezies artikulierte Gemeinbegriffe. Der logischen Forderung ist genug getan, wenn die Gemeinbegriffe nur solche Komponenten enthalten, die als "reiner Ausdruck einer Komponente des anschaulich gegebenen Noema sich anpassen" (Hua. 5, 26}. Die Komponenten ermöglichen eine Einteilung jeweils nach ihrem Umfang. 9•
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Diese logische Gültigkeit ist nicht zu verwechseln mit der Scinsgültigkeit. Sie hat der Begriff erst, "wenn aktuelle Erfahrung, das ist originär gebende und unbestreitbar gebende Anschauung, individuelle Wirklichkeit setzt'1 (1. c.). Abgesehen davon, daß die ganze logische Begriffssysthematik als nicht durch originär gebende Anschauung fundierte der Epoche verfällt, läßt sie trotz aller Strenge Willkür der Anfangssetzung zu. Beweise dafür sind leicht zu finden in allen, oft auftretenden und ziemlich verbreiteten Systembauten, die die lebendige Wissenschaft als nicht wissenschaftliche abstößt: in der großen Reihe von Pseudowissenschaften, deren Aufbau und Konsequenzen gewöhnlich strenger sind als die der strengen Wissenschaften. Es ist lehrreich, diese Art des willkürlichen Aufbaus der Scheinwissenschaften zu studieren. Charakteristisch ist für sie, daß sie einige sich in originärer Anschauung ausweisende Komponente in der freien Phantasie variieren und sie auf diesem Wege zur logischen Vollständigkeit führen, ohne die Elemente in der originären Erfahrung aufzusuchen und sie in ihrer Voll· ständigkeit als eine Grundart der Erfahrung so zu umgrenzen, daß der Bereich alle besonderen Bestimmungen in ursprünglichen Verweisungen in sich enthält (vgl. Hua. 5, 33). Unsere herrschenden Einteilungen der Wissenschaften beginnen mit verallgemeinerten besonderen Bestimmungen, benutzen also die Mannigfaltigkeiten, aus denen sich die Realitäten als Einheiten konstituieren. Da dieses Verfahren a posteriori ist, gibt es keine Garantie dafür, daß nicht zufällige Sonderungen zur Grundlage der Systematik benutzt werden. A priori notwendig sind nur die in der Fundierung verständlich gemachten Realitäten, die ihre Notwendigkeit und apodiktische Evidenz von dem Erfassen des objektiv Transzendenten her haben. Die Scheidungen, die wir mit den verschiedenen Gebietskategorien festhalten, müssen in der transzendentalen Konstitution gefunden werden. 132
§ 55. Begründung der Wissenschaft: Umkel1rung der Reduktionen; Einklammerung des nicht Tr,Jnszendenten. Eine solche neue Landkarte des menschlichen Wissens ist Zukunftsaufgabe. Wir können sie nur vorläufig konkretisieren, indem wir unsere Aufmerksamkeit bezüglich der Wissenschaftsbegründung jetzt wieder auf den Verlauf der transzendental-phänomenologischen Konstitution richten. Die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, sind die bekannten: Epoche, Reduktion, Reflexion. Nur ist ihr Leistungssinn jetzt verändert. H. sagt: "Epoche kann zwei Richtungen haben: es kann ein Transzendentes [also alles, was nicht selbst Erlebnis oder Erlebniskorrelat ist] gesetzt werden und dann die Setzung jederlei Stellungnahme eingeklammert sein." Diese Richtung kommt für die Wissenschaftsbegründung in Frage; zu ihr gehören alle Ontologien. Wenn sich dagegen "die Reflexion auf das Erlebnis selbst und auf das erlebende Ich richtet, dann findet sie psychisches Subjekt und psychische Zustände" (5, 76). Diese verfallen der Reduktion. Es handelt sich um einen glänzenden Kunstgriff. In der Beschreibung des Bewußtseins haben wir Schritt für Schritt die im Erlebnisstrom transzendenten l'vlomente eingeklammert, um die reinen Bewußtseinsaktivitäten zur Sicht zu bringen. Wir erhielten sie durch die Epoche rein, aber Transzendenz-bezogen, da die Einklammerung die Verbindungsfäden nicht abreißt; sonst wäre keine noematische Beziehung verständlich. Für die Deutung der wissenschaftlichen Praxis des empirischen Ichs müssen wir umgekehrt vorgehen, das heißt die Betonung verlagern. Jetzt beschäftigt uns gerade das, was früher eingeklammert war, das Transzendente. Wir werden also vorübergehend alles rein Bewußtseinsmäßige einklammern, aber nicht streichen. Im Noematischen (im vermeinten transzendenten Objekt) bleiben die Hinweise auf die Bewußtseinsaktivitäten sichtbar, sonst wäre keine noetische Beziehung verständlich; wir könnten die Wissenschaften als totale menschliche Leistung, an der das ganze Bewußt-
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sein (nicht nur einzelne Kräfte) das physische, psycho-physische, seelische, geistige Ich, das transzendentale Subjekt und das reine Ego, zusammen beteiligt sind, überhaupt nicht deuten. Es muß eingesehen werden, daß Wissenschaft keine isolierte Aktivität ist, nicht Anschauung, Identifikation, Konjunktion, Disjunktion, aber auch nicht nur die Stufen der Reduktionen mit den zugehörigen Reflexionen, sondern alle in Einheit, samt transzendentaler Grundlegung und reiner egologischer Kritik. In diesem ganzen Bereich soll also das N oetische eingeklammert werden. Um die Grundlegung der vVissenschaften zu verstehen, fassen wir für die Epoche alle Bewußtseinsstrukturell als noetische, oder, um uns der naiven Bezeichnung zu bedienen, als subjektive Momente zusammen und klammern sie ein. Wir behalten das Noematische, und zwar mit allen Schichten, die die verschiedenen Schichten der nun eingeklammerten Aktivitäten an ihm konstituiert haben. Wir gehen aus dem vollen Objekt-Noema aus, das wir in der Schrittfolge der immer mehr gereinigten noetischen Seite gewonnen haben und bauen es schichtweise ab. Dieser Abbau heißt Analyse. Wir führen eine analytische Behandlung der noematischen Objekte durch. Der Weg führt also von den Vorstellungsbildern, in welchen vom Transzendenten alles, was transzendental verständlich gemacht wurde, immanent erfaßt ist, zurück zu den rein Transzendenten, die noch als Fremdkörper in denBewußtseinsintentionen enthalten sind, um den noematischen Aufbau der Wissenschaftsobjekte zu verfolgen. Dadurch können wir die absolute Begründung, die von der transzendental-konstitutiven Phänon1enologie ausgeht, einsichtig machen. Die Phänomenologie entäußert sich im ersten Schritt aller Ontologien, um sie dann wieder nach vollendeter Synthese der zunächst analytisch gesonderten Schichten des noematischen Gegenstandes in sich aufzunehmen. 134
Diese Verfahrensmöglichkeit hat kaum absehbare, groge Vorteile. Alle, die menschliche Erkenntnisstrebung dauernd erschütternden großen Dilemmen: ob kausale Erklärung oder teleologische Deutung uns der Naturwahrheit näherbringt, verfallen der vorläufigen Epoche. Beide sind, um sie bloß summarisch zu benennen, subjektive Momente der natürlichen Erfahrung. Beide, Kausalität wie Teleologie sind Gesichtspunkte der menschlichen Aktivität. Trotz theologischer Weihe (Gottschöpfer, Gottplaner, Gottherrscher) haben sie nur Pseudoobjektivität gewonnen. (Anders dort, wo sie die Kompossibilität begründen.) Der subjektiven Epoche (Einklammerung des Bewußtseinsimmanenten in bezug auf das Transzendente) verfällt jede Systematisierung, die das Denken als Logisierung, man könnte auch sagen Rationalisierung, durchführt. Jedes naiv gesetztes System beruht auf logischen Deduktionen. Die Abgrenzungen sind mehr oder weniger zufällig, wie z. B. die Systema tisierung der Naturwissenschaften als organische und anorganische. Zufällig ist die morphologische Systematisierung in den Biologien, zufällig ist die Systematisierung nach Substanzbegriff und Attributen. Selbst in den Ontologien, die die Phänomenologie freigibt, sind noetisch-subjektive Elemente aufzudecken und der Epoche zu unterwerfen. Das am nacktestenreale Objektive können wir paradoxerweise das der Sache Immanente nennen, da die nun angewandte Reduktion gerade die bewußtseinsimmanenten Elemente als den realen Objekten fremde einklammert. Zum Beispiel: das Wahrgenommensein ist gegenüber dem Lichtsein fremd. Wenn wir nun das Wahrnehmen an dem wahrgenommenen Phänomen einklammern, erfassen wir es in seiner Reinheit, allerdings in seiner konstitutiven Reinheit, sofern wir die Reduktionskette verfolgen und darauf achten, daß sie zur Einklammerung des "Subjektiven" dient. Das Wahrnehmen als Noesis müssen wir als das Fremde an dem "Wahrgenommenen" betrachten, so das deskriptive Vorgehen an den "beschriebenen Tatbestän-
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den", die Konstituierung der Sachverhalte an den "konstituierten Sachverhalten". Wir müssen alle diese Bezeichnungen in Anführungszeichen setzen, weil wir keine Namen für die aus den Bewußtseinsleistungen ausgelösten "Gegenstände für das Bewußtsein 11 haben. "In der Ontologie vollziehen wir dagegen aktuelle Setzungen, die statt auf die Korrelate und Gegenstände in Anführungszeichen auf die Gegenstände schlechthin gerichtet sind." (Hua. 5, 88.)
§ 56. Was bleibt außerhalb der Einklammerung? Ausblick auf die Wissenschaftsbegründung. Was bleibt bei diesen Einklammerungen, die wir von der vollendeten Stufe der transzendentalen Phänomenologie aus zu den am meisten mit transzendenten Momenten belasteten Akt-Vollzügen verfolgen, außerhalb der Einklammerung? Hinweise geben die ontologischen Gebietstitel, wie vor allem "Ding11 • "Ding 11 heißt jetzt nicht das vermeinte Ding, "Wesen" nicht das vermeinte Wesen. Ding ist die Bezeichnung des Transzendenten in der reinsten Aussonderung. "Dinge aktuell setzen, ist nicht Dingvermeintes setzen, ist nicht Dinggesetztes als solches setzen. Ebenso: Wesen aktuell setzen ist nicht Wesenvermeintes als solches setzen 11 (5, 88). Daher ist "res 11 Titel bei Descartes für den totalen ontologischen Bereich. Daher ist die Grenzsetzung für die transzendentale Leistung bei Kant das "Ding an sich". Wir dürfen aber nicht bei dieser ontologischen Charakterisierung stehen bleiben. Unsere Ontologien dürfen nur im ganzen Umfange der transzendentalen Phänomenologie betrachtet werden. Wir müssen in1mer beachten, daß das, was wir Ding nennen, seine transzendentalreale Objekthaftigkeit in der Epoche zeigt, die die immanenten Bewußtseinselemente einklammert. Wir müssen also, wie wir es in der ursprünglichen Richtung taten, auf die Epoche die entsprechende Reflexion ausüben. Ding in dieser Reflexion ist nicht Gebietskategorie, sondern das absolut Selbständige, so, daß alle seine Momente den Abbau zur immanenten Explikation in den Wissenschaften möglich machen. "Ding"
ist in der Perzeption-Fülle der einzelnen Monade Gespiegeltes, weder Materielles, noch Beseeltes. Diese scheinbar entscheidende wissenschaftliche Unterscheidung verschwindet durch die Wirkung der Phänomenologie ebenso wie die ganze Reihe anderer traditioneller Unterscheidungen auch. Bereits Leibniz hebt sie im Gegensatz zu Descartes auf.- Es ist sehr verlockend, das Beispiel von Leibniz heranzuziehen und "Ding" in Analogie zu setzen mit einem vollen Fischteich. Das Wasser des Teiches "zwischen den Fischen" ist zwar nicht beseelt, aber in einheitlicher Beseeltheitsbeziehung zu den Fischen, indem es innerhalb des organischen Ganzen "dient". "Ding" ist in diesem Sinne Bezeichnung des selbständigen Beziehungskomplexes des Dienens und des Indienstnehmens. "Ding" kann aber auch andere Beziehungskomplexe bezeichnen, jeweils entsprechend dem Typus der Konkretion, des einheitlichen Zusammenwachseng der begrifflich geschiedenen Bestimmungen. Wenn wir daran festhalten, dann können wir noch einen Schritt weitergehen. In dieser Wissenschaftsbegründung vom Noema her sind die einzelnen Fachwissenschaften vorerst nicht gesondert, wie auch Beseeltes, Unbeseeltes in der Monadologie von Leibniz nicht gesondert ist. Das ganze Universum ist verstanden als Gestaltkomplexitäten von verschiedenen selbst schon gestalteten Komplexitäten. Die gestalteten Zusammenhänge von qualitativ gestalteten Einheiten darzustellen, muß eine neue Art Mathesis, eine qualitativ charakterisierende Characteristica universalis ausgearbeitet werden. Die modernen Naturwissenschaften lassen sie schon ahnen. Wir wollen aber diese vage Konsequenz hier nicht verfolgen. Es genügt zu sagen, daß Ding keine Substanz ist, vor allem nicht gesonderte Substanz, und somit auch nicht Unterlage für Attribute. Ding heißt, sofern wir auf die Epoche von den subjektiven Erkenntnishandlungen reflektieren (das heißt auf die nicht abgerissenen, aber außer Wirkung gesetzten Fäden der Noesis in der transzendentalen Phänomenologie) das sich selbst Objektivierende. Im 137
Selbstobjektivieren haben wir einen Leitfaden dafür, wie das Ding als Klärung und Verdeutlichungsfaktor für die strenge Wissenschaftsbegründung in Anspruch genommen werden muß (vgl. Hua. 5, 25). Es handelt sich um alle "gegenständlichen regionalen Begriffe". Sie können nicht abgeleitet werden ,,in dem Sinne einer transzendentalen Deduktion aus irgendeinem Postulat ... und doch nach einem einleuchtenden transzendentalen Leitfaden, dem folgend wir sie nicht deduzieren, sondern selbst finden und Schritt für Schritt selbst schauend erfassen können. 11 Der Leitfaden der Handlungen der in der Selbständigkeit gehaltenen Verobjektivierung führt zu Wesensbestimmungen wie Ausdehnung, Raumbildung, Raumstelle, Ort, Ortswechsel, Bewegung, Bestrebung (appetitio), lauter Gebietskategorien. Jedes mit dieser Bezeichnung bezeichnete Wesensmoment ist absolute Begründung einer bestimmten Wissenschaft. Die Gebietskategorien sind die Titel für verschiedene Gebietsontologien, frei von den Zufälligkeiten, denen die üblichen Einteilungen der Wissenschaften unterliegen. Es wird eine mühsame Arbeit sein, diese Gebietsontologien auszubilden; besonders, wenn wir beachten, daß zu ihrer Ausbildung der Weg der transzendentalen Phänomenologie von der originär gebenden Erfahrung bis zu den konstitutiven Leistungen des reinen Ego hinzugehört. Aufgabe ist mit andern Worten, diese Begründungen der realen Objekte in den Fundierungszusammenhängen zu verfolgen, die eine Parallele zu den noetischen Fundierungszusammenhängen bilden. Analoge Fragen stellen sich ein hinsichtlich der Geisteswissenschaften und der zu ihnen gehörigen Ontologien. Das Wichtigste aber, das man nie vergessen darf, ist, daß alle Ontologien schließlich im Rückgang auf das konstituierende Bewußtsein in der konstitutiven Phänomenologie aufgelöst werden. "Die Phänomenologie in unserem Sinne ist die Wissenschaft der ,Ursprünge', der ,Mütter' aller Erkenntnis, und sie ist der Mutterboden aller
philosophischer Methode ... " Sofern ndie Grundbegriffe aller Wissenschaften [sc. der dogmatischen] einer ,Klärung' bedürfen, einer Zurückführung auf ihre Ursprünge, so findet überall, was hier als Mangel empfunden wird, seine letzte Erfüllung in der Phänomenologie, und die fragliche Begriffserklärung ist nur ein Schritt zur phänon1enologischen Klärung und phänomenologisch fortführenden Wesensuntersuchung im Rahmen der Probleme phänomenologischer Konstitution." (Hua. 5. So f.)
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ABSCHLUSS
Ich wollte in meinen Ausführungen Folgendes festhalten:· H.'s Untersuchungsgang ist nur in seiner Geschlossenheit verstehbar. Er will ausschließlich die konsequente und bei jedem Schritt ausweisbare Tätigkeit des Erkenntnisvermögens verfolgen. Es liegt im realen Zusammenhange, daß die anderen, ebenso wichtigen Aktivitäten des Bewußtseins den gleichen Gang haben. Die Methode, diesen Gang zu verfolgen geht aus von der immer schon herrschenden naivweltlichen Erfahrung und untersucht ihre Bedingungen in der transzendentalen Erfahrung, die selbst Archeforschung ist. (H. benutzte gern im Gespräch den Ausdruck Archelogie.) Und mit der Kenntnis der Bedingungen kehrt sie zurück zu dem Ausgang. In dieser Rückkehr wird die natürliche Erfahrung durch ihre Verflechtung mit der konstitutiven Erfahrung in ganz anderer Weise verstehbar und evident als vor der Arbeit der Reduktionen und Reflexionen, die die Legitimierung der "Anwendung" der transzendentalen Erfahrung innerhalb der weltlichen sichtbar machen. Die Tätigkeit des Erkenntnisvermögens wird uns vertraut, wir übersehen seine Funktionen in dem Zusammenhang, den die Erfahrung selbst bildet. In dieser Vertrautheit verstehen wir erst die objektive Leistung des Erkennens, und zwar im Sinne der transzendentalen Positivität. Erst in dieser Selbstlegitimierung wird die Frage nach der Wahrheit stellbar. Wir dürfen also nicht von einem vorgefaßten Wahrheitsbegriff ausgehen, um die Erkenntnisfunktionen an ihm zu messen, ebensowenig aus formalen Diskussionen verschiedenen Ursprungs. Wir gewinnen die Wahrheitskriterien unmittelbar von den sich legitimierenden Erkenntnisfunktionen selbst: von dem geschlossenen Kosmos her der in sich zurückkehrenden Bewußtseinsleistungen, die, indem sie sich selbst erfassen, auch die Möglichkeiten der Beurteilung nach autonomen Kriterien mit erfassen. 140
Keine von außen her herangebrachten Argumente können etwas daran ändern. Weder die Fragen der Tradition, noch einer freizügigen Spekulation sind fähig, die Geschlossenheit zu durchstoßen. Wenn eine tiefere Meditation neue Grundlegungs-Möglichkeiten für die Beantwortung der Wissensfrage finden sollte, würde damit dem H.schen Bewußtseinsglobus nichts angetan. Solche neuen Fragen könnten auch auf der von ihm gelegten Grundlage behandelt werden. Diese geschlossene Aktivitätseinheit des Bewußtseins ist wie die eines elementaren Lebewesens. Man kann alle Fragen, die in dem Nachvollzug ihrer Umrisse nicht enthalten sind, an sie heranführen. Sie wird sie in seiner Organisation organisch aufnehmen. H. hatte mit seiner Selbstdeutung Recht. Die transzendentale Phänomenologie konstituiert ein Lebendiges, das sich in allen neuen Aufgaben neu bewähren kann, indem sie sie aneignet. Die Kritik kann gleichsam nur eine biologische sein; ob und wie die Organisationsstellen getroffen sind, die die Aneignung vollziehen, ob und wie, in welchen Zwischenstadien und in welchen Umformungen die Aneignung geschieht. Nur die so verstandenen Prüfungen sind adäquate kritische Fragen. Die in der transzendentalen Phänomenologie, wenn auch nur skizzenhaft, durchgeführte Urstiftung wird dabei nicht zunichte gemacht, sondern im neuen Medium an neue Fragen her angeführt, für die ihre Organisation schon vorgebildet ist. Es ist wahrscheinlich, daß damit alle künftigen Fragen vereinfacht werden, um assimiliert werden zu können. Auf diesen möglichen Einwand wäre vom Standpunkt der transzendentalen Phänomenologie zweierlei zu antworten. Erstens, daß eine Vereinfachung der in der gegenwärtigen Literatur durch lauter Entsimplifizierung verschwommen gewordenen Bewußtseinsmomente nur Gewinn ist für die Forschung. Zweitens, daß sich die für vielfältige Aktivität ermächtigte Bewußtseinseinheit bereichern wird ohne Beeinträchtigung ihrer Verfassung, bzw. sich erweitern können wird entsprechend der Echtheit der Fragen, die 14I
sich an sie herantragen. Echtheit besagt aber die Entsprechung der Fragen der Grundstruktur der geschlossenen Einheit der sich gegenseitig begründenden Vollzugsmotive des Bewußtseins. Es ist denkbar, daß die ganze Konzeption als allzu naturalistisch angesprochen wird. Dazu ist zu sagen, daß die transzendentale Phänomenologie in ihrer Erhellung der Erfahrungs-, bzw. Bewußtseinsstruktur jeden Schritt als notwendige Folge des vorangegangenen Schrittes ausweist. Ihre Sicherheit wäre nur erschüttert, wenn der Notwendigkeit der beanspruchte Nachweis fehlte und als fehlender nachgewiesen werden könnte. Auch in solchen Fällen könnte sich die Phänomenologie selbst kontrollieren und die Fehlbildungsstellen ohne Schädigung der Verfassungseinheit umorganisieren. Diese, wie sie die transzendentale Phänomenologie nachzeichnet, ist ja so sehr nur Kern, daß sie die Eignung für eine entelechien1äßige Zunahme hat. Sicher ist dieser Kern ein unentfalteter, noch ohne große Differenziertheit an Merkmalen, aber ein fester Kern, unzersetzbar. Es kann auch eingewandt werden, daß das Bewußtsein in diesem Eigenumriß ungeschichtlich zu sein erscheint. Darauf ist zu erwidern: es muß seine Geschichte selbst machen, es ist von sich aus veranlagt dazu. Daß diese Geschichte dialektisch ist, und zwar nicht nur in der historischen Folge, sondern auch dem eigenen faktischen Geschehen nach, ist dadurch bedingt, daß nicht das Denken widersprüchlich ist, sondern die Dinge, so wie sie in ihrer Vieldeutigkeit als Folge ihrer Undeutlichkeit dem Bewußtsein begegnen. Gerade dies, daß das Denken dieser vieldeutigen Undeutlichkeit gewachsen ist, zeigt seine transzendente Eignung an. Das Medium ihrer Bewährung ist die Lebensgeschichte des Bewußtseins, das heißt die Geschichte des in der Erfahrung Erfahrenen, des hn Denken Gedachten.
ERRATA S. 45, Z. 15
s.
49,
z.
V. 0.
12 v. o.
Wesengesetzlichkeit statt Gesetzlichkeit Auffassung
statt Anpassung