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ie Geschichte der Nabatäer ist die eines längst vergangenen arabischen Volkes, das in den Jahrhunderten vor und nach der Zeitenwende im biblischen Edom lebte, den profitablen Weihrauchhandel an sich riß und zeitweise von Damaskus bis zum Sinai herrschte. Wenn vitale Völker mit den Hochkulturen des Mittelmeerraumes zusammentrafen, wurden meist überraschende schöpferische Impulse freigesetzt. Auch die Nabatäer entwickelten im Kontakt mit Griechen und Römern und durch den Wechsel vom nomadischen zum seßhaften und städtischen Leben eine faszinierende Kultur, in der traditionelle orientalische Züge mit hellenistischen Einflüssen wetteifern. Politischer, kommerzieller und sakraler Mittelpunkt des nabatäischen Königreichs war Petra in den Bergen zwischen Totem und Rotem Meer. Hier bewundert der Besucher noch heute turmhohe Felsenmausoleen, Tempel, Heiligtümer, Grabfassaden, Wasserleitungen, Zisternen und die allenthalben von Menschenhand verfremdete Theaterkulisse eines vielfarbig getönten Felsenkessels. Typisch nabatäisch sind porzellandünne, manchmal bemalte Schalen, Becher und Krüge. Aufstieg und Niedergang der Nabatäer sind von frappanter Aktualität. Wie heute standen sich vor fast 2000 Jahren Araber und Juden im Bereich des heutigen Jordaniens gegenüber. Damals wurde der Ausgang der Kämpfe von Rom diktiert, das im Jahre 106 n. Chr. dem arabischen Königreich ein Ende machte. Aus der nabatäischen Schrift entwickelte sich die arabische. Nabatäische Kunstformen gingen ins Koptische und Omajjadische ein. Unter der Herrschaft von Rom und Byzanz verlagerte sich die Verwaltung nach Bosra. In Petra baute man noch zwei Kirchen. Mit dem Siegeszug des Islam im 7. Jahrhundert wurde Petra bedeutungslos. Die Kreuzfahrer bauten in der alten Königsstadt zwei Festungen. Nach Jahrhunderten betrat der erste Europäer wieder Petra. Mit ihm beginnt die Erforschung und Beschreibung der antiken Stadt. Schutzumschlag: Christoph Albrecht, Schmidham
Umseitig: Übersichtskarte der Alten Welt ʇ
PETRA und das Königreich der Nabatäer Lebensraum, Geschichte und Kultur eines arabischen Volkes der Antike
Herausgegeben von Dr. Dr. Manfred Lindner
6. Auflage
Delp
Erste Auflage als Band 35/1970 der Abhandlungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg e. V. veröffentlicht.
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Petra und das Königreich der Nabatäer: Lebensraum, Geschichte und Kultur eines arabischen Volkes der Antike/ hrsg. von Manfred Lindner. – 6., neubearb. Aufl. – München; Bad Windsheim: Delp, 1997 ISBN 3-7689-0116-5 NE: Lindner, Manfred [Hrsg.]
6. Auflage © 1970 by Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e. V., Delp'sche Verlagsbuchhandlung, München und Bad Windsheim Druck: Verlagsdruckerei Heinrich Delp GmbH, Bad Windsheim ISBN 3-7689-0116-5 Printed in Germany 1997
Inhaltsverzeichnis Manfred Lindner:
Petra – Entdecker, Reisende und Forscher ........................... Beschreibung der antiken Stadt ............................................. Die Geschichte der Nabatäer ..................................................
Fawzi Zayadine:
Die Götter der Nabatäer ........................................................... 113 Die Felsarchitektur Petras: Orientalische Traditionen und hellenistischer Einfluß ................................ 124
Michael Evenari:
Die Nabatäer im Negev ............................................................ 162
Peter J. Parr:
40 Jahre Ausgrabungen in Petra (1929–1969) ........................ 183
Muhammed Murshed A. Khadija:
16 Jahre Feldarchäologie in Petra ........................................... 195
Karl Schmitt-Korte:
Ingrid Künne und Margarete Wanke: Konrad Gauckler:
9 17 37
Die bemalte nabatäische Keramik: Verbreitung, Typologie und Chronologie ..................................................... 205 Die Entwicklung des Granatapfelmotivs in der nabatäischen Keramik ............................................................... 228
Petra: Landschaft und Pflanzenwelt .................................... 233 Die kostbarsten Drogen der Alten Welt: Weihrauch, Myrrhe, Balsam .................................................. 257
Neuere Ausgrabungen und Untersuchungen Manfred Lindner:
Ausgrabungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg in Petra ................................................................... Es-Selac: Eine antike Fliehburg 50 km nördlich von Petra ... Ein nabatäisches Klammheiligtum bei Petra ......................... Die Nordterrasse von Umm el-Biyara .................................. Ein christliches Pilgerzeichen auf Umm el-Biyara .............
261 271 286 293 304
John P. Zeitler:
Die Siedlungsabfolge am Fuß des el-Hubta-Massivs ......... 307
Elisabeth Gunsam:
Die nördliche Hubta-Wasserleitung in Petra ...................... 319
Vorwort Die Geschichte der antiken Randkulturen ist deshalb so faszinierend, weil beim Zusammentreffen weniger zivilisierter, aber vitaler Völker mit den Hochkulturen des Mittelmeerraumes von beiden Seiten her überraschend schöpferische Impulse freigesetzt werden. Die Geschichte der Nabatäer ist die eines längst versunkenen arabischen Volkes, das in den Jahrhunderten vor und nach der Zeitenwende in der Gegend des biblischen Edom lebte. Im Kontakt mit Griechen und Römern und durch den Wechsel vom nomadischen zum seßhaften und städtischen Leben entwickelten sie eine einzigartige Kultur. Politischer, kommerzieller und sakraler Mittelpunkt ihres Königreiches war Petra, eine Felsenstadt in den Bergen des heutigen Jordaniens, wo noch jetzt die Zeugnisse einer einzigartigen Felsenbaukunst bewundert werden und eine ganze antike City der Ausgrabung harrt. »Petra und das Königreich der Nabatäer« bot sich aus verschiedenen Gründen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg (gegr. 1801) als Gegenstand einer wissenschaftlichen Abhandlung an. Einmal hatten sich der Herausgeber und mehrere Mitglieder seit 1964 intensiv mit der Felsenstadt und ihrer Geschichte beschäftigt. Dann gelang es dem Herausgeber soviel von der einzigartigen nabatäischen Keramik zusammenzutragen, daß zusammen mit der Prähistorischen Staatssammlung, unter dem damaligen Direktor Dr. H.-J. Kellner, 1970 in München, Nürnberg und Tongeren (Belgien) – zum ersten Mal in der Welt derartig umfangreich – Ausstellungen über die Nabatäer, ihre Felsmonumente und ihre Keramik gezeigt werden konnten. Das Interesse an Petra und der nabatäischen Kultur ist seitdem und seit der 1. Auflage dieses Buches im Jahre 1970 beträchtlich gewachsen. Zusammen mit dem Department of
Antiquities of Jordan haben Mitglieder der Naturhistorischen Gesellschaft inzwischen mehrfach Ausgrabungen und Forschungen durchgeführt. Durch die Initiative von Karl Schmitt-Korte kam es zu weiteren Ausstellungen in Hannover, Frankfurt, Krefeld und Bonn. Eine naturhistorisch-archäologische Ausstellung über Petra bot die Naturhistorische Gesellschaft im Jahre 1977. Lyon, Köln und München waren weitere Stationen von Nabatäer-Ausstellungen. Neue Entdeckungen in Petra wurden in vielen archäologischen Fachzeitschriften und Katalogen, nicht zuletzt auch in den Jahresmitteilungen der Naturhistorischen Gesellschaft veröffentlicht. Die 6. Auflage dieses Buches wurde gegenüber den ersten Auflagen beträchtlich verbessert und um neue Beiträge erweitert. Neuen Grabungsergebnissen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Dagegen wurde wieder auf die wissenschaftliche Umschreibung der arabischen Ortsbezeichnungen und Personennamen verzichtet, um Nicht-Orientalisten die Lektüre und den an Zahl zunehmenden Touristen das Zurechtfinden zu erleichtern. Der Leser wird es begrüßen, daß die Beiträge im Buch sich nicht auf die antike Stadt beschränken, sondern die gesamte »PetraRegion« und den nabatäischen Negev einbeziehen. Die 6. Auflage wurde nur in einigen wichtigen Punkten verändert. Der Herausgeber dankt Prof. E. A. Knauf für wertvolle Anregungen. Möge das Buch – eine internationale Gemeinschaftsleistung ohne finanziellen Gewinn für die Mitarbeiter – auf diese Weise dazu beitragen, über das bloße, oft überhastete Betrachten der Nabatäerstadt hinaus den historischen und geographischen Hintergrund der nabatäischen Kultur zu erhellen und ihre archäologische Erforschung voranzutreiben. Dr. Dr. Manfred Lindner
Zum Geleit Manfred Lindner ist, zusammen mit Dakhilallah Qublan, unter den lebenden Peträern wohl derjenige, dem die Steine und Felsen der alten Nabatäerhauptstadt und ihres Umlandes am gründlichsten vertraut sind. Diese intime Kenntnis, die man sich nicht am Schreibtisch, sondern nur am Ort erwerben kann, macht dieses Petra-Buch so wertvoll im Vergleich zu zahlreichen anderen, die mit farbigeren Bildern oder einem aufwendigeren wissenschaftlichen Apparat versehen sind. Es handelt sich um den Bericht des letzten der Pioniere in der Nachfolge Gustav Dalmans und Alois Musils. Heute ist Petra ein internationales Touristen-Zentrum mit der zugehörigen Infrastruktur; wer noch Pionierarbeit leisten will, muß in die »Außenbezirke« gehen. Das Zentrum von Petra gehört jetzt den Grabungsarchäologen mit ihren Forschungsgeldern, Mitarbeiterstäben und Laser-Meßgeräten. Angenommen, es stiege ein Nabatäer vom Nabatäer-Himmel herab und sähe Petra nach 2000 Jahren wieder: wäre er entsetzt? Vielleicht nicht einmal so sehr; vielleicht würde er das Petra der Grabungs-Archäologen und der Tagestour-Touristen einfach ignorieren und sich an das halten, was ihm heilig war und heute noch heilig wäre: an die Felsen und die Felsaltäre, die Quellen und die Bäume. Wer sich in dieses – unbekannte – Petra vorwagen will, hat in diesem Buch nach wie vor einen ausgezeichneten Führer. Bis zur fünften Auflage wurden die Fortschritte in der archäologischen Erforschung Petras und in der historischen Erkenntnis der
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Nabatäer getreu nachgetragen. Das ist in der sechsten wegen der explosionsartigen Vermehrung Petra-bezogener Forschungen nicht mehr möglich. Die zweite Auflage von Robert Wennings »Die Nabatäer – Denkmäler und Geschichte« (1987), die gegenwärtig vorbereitet wird, soll eine um über 1000 Titel erweiterte Bibliographie enthalten. Den augenblicklichen Stand der Diskussion dokumentiert die Sondernummer der »Antiken Welt« zu »Petra und den Nabatäern«, die von Thomas Weber und Robert Wenning herausgegeben wird und zugleich mit dieser Auflage erscheinen soll. Die wichtigste Frage, die heute in der Nabatäer-Forschung verhandelt wird, betrifft den Zeitpunkt, zu dem sich der Herrschaftsbereich des BeduinenStammes der Nabatäer in einen Staat verwandelte; die Art und Weise, in der sich Petra von einem Kultzentrum in eine hellenistischrömische Stadt transformierte; kurz: das Verhältnis von Beduinentum und Hellenismus sowohl unter chronologischen wie soziologischen Gesichtspunkten. Manfred Lindner hat in seiner eigenen Forschung nicht nur den Stadtkern von Petra, sondern auch den nabatäischen Höhepunkt seiner Geschichte hinter sich gelassen und widmet sich heute – wieder als Pionier – den Edomitern des 1. Jahrtausends v. Chr. wie der bäuerlichen Bevölkerung in der Petra-Region um das Jahr 1100 n. Chr. Vielleicht wird in der siebten Auflage dieses Buches darüber mehr zu lesen sein.
Zumikon/ZH, im Dezember 1996 Ernst Axel Knauf
MANFRED LINDNER
Petra – Entdecker, Reisende und Forscher
Da während der Kreuzzüge in Petra zwei Burgen gebaut wurden, deren Reste heute noch zu besichtigen sind, kann man nur von einer Entdeckung der Stadt für die Neuzeit sprechen. Das Verdienst, Petra in diesem Sinne entdeckt und mit der in der Bibel und bei Flavius Josephus genannten Hauptstadt der Nabatäer identifiziert zu haben, gebührt dem Schweizer Johann Ludwig Burckhardt. Im Sommer 1812 reiste er über Damaskus und Amman auf der »Straße der Könige«, überquerte die zum Toten Meer führenden Wadis Wala, Modschib und Hesa, und stand schließlich, nachdem er durch Tafileh, Buseirah und Schobek gekommen war, vor den antiken Felsmonumenten von Petra. Obwohl er als Muslim mit dem Namen Scheik Ibrahim auftrat, machte er sich durch sein Interesse an den Gräbern und Tempeln bei den einheimischen Führern verdächtig. Der unerschütterliche Glaube der Liathne von Eidschi an vergrabene oder verzauberte Schätze wurde ihm beinahe zum Verhängnis; nur dadurch, daß er das Tal vorzeitig verließ, rettete er sein Leben (Abb. 1). Er starb vier Jahre später in Kairo, nachdem er 1813 als erster Europäer den Felsentempel Abu Simbel in Oberägypten erreicht hatte. Das Museum für Völkerkunde in Wien bewahrt noch heute volkskundlich interessante Keramik auf, die Burckhardt gesammelt hat.
Mangles. Sie gaben bereits 1818 in Briefen einen detaillierten Bericht über die antike Stadt. Vom Dschebel Harun aus sahen sie den Felsentempel ed-Der, konnten ihn jedoch wegen der feindseligen Haltung der Einheimischen nicht besuchen. Zehn Jahre später
Auf Burckhardt's Spuren Sein 1822 veröffentlichter Reisebericht erweckte allgemeines Interesse und reizte zur Nachahmung. Die ersten Reisenden, die nach ihm Petra besuchten, waren zwei Engländer, Charles Leonard Irby und James
Abb. 1: Johann Ludwig Burckhardt, der Wiederentdecker Petras, nach einer Bleistiftzeichnung von H. Salt, 1817.
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Abb. 2: Von dem französischen Grafen Leon de Laborde, einem der frühen Erforscher Petras, stammt diese Karte.
Abb. 3: Leon de Laborde reiste in der Tracht der beduinischen Araber seiner Zeit.
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verbrachte der französische Graf Leon de Laborde zusammen mit dem Zeichner Linant acht Tage in Petra, ohne bedroht oder angegriffen zu werden. 1830 publizierte er ein großformatiges Prachtwerk mit 30 ausgezeichneten Lithographien und Holzschnitten, an denen uns heute nur der ungenaue, da später hinzugefügte Hintergrund stört (Abb. 2, 3 und 4). Einer der wenigen Deutschen unter den Besuchern der nächsten 50 Jahre war der Geograph Gotthilf Heinrich v. Schubert, der im März 1837, begleitet von dem Landschaftsund Expeditionsmaler J. M. Bernatz, nach Petra kam. Die Bilder von dieser Reise erschienen im Verlag Breitkopf in Stuttgart. In den nächsten Jahren veröffentlichten Edward Robinson und David Roberts reiches Bildmaterial über Petra. Damit war die erste künstlerische Dokumentation abgeschlossen. Petra war schon damals für Orientreisende äußerst attraktiv. Wissenschaftliche Bedeutung kommt aber nur wenigen ihrer Berichte zu, darunter denen des Due de Luynes (1864–1866), von E. H. Palmer (1870) und Charles M. Doughty (1875).
Abb. 4: Die Darstellung des »Palastgrabes« durch Leon de Laborde bzw. seinen Zeichner Linant wird zwar der wirklichen Größe dieses peträischen Felsmonuments nicht gerecht, ist aber ein typisches Dokument der Illustrationstechnik des frühen 19. Jahrhunderts.
Die Gefühle, mit denen diese Besucher die Objekte ihrer Arbeit betrachteten, geht aus grotesk differierenden Urteilen hervor. Der Engländer Doughty, Reisender und Dichter, beschreibt seine Eindrücke mit den Worten: »Seltsam und furchtbar wie ein Abgrund in einer unmenschlichen Leblosigkeit der Natur ist dieser Ort, der Nabatäer Hauptstadt. Das Auge schreckt vor der gebirgigen Enge eiserner Klippen zurück, in der die geisterhaft verlassenen Monumente einer prunkvollen barbarischen Kunst schon beim ersten Blick das Aug' abstoßen.« Was die Landschaft und ihre Reize anlangt, so empfand Sir Alexander B. W. Kennedy 1923 völlig anders: »Der Anblick Petras von oberhalb des Dorfes Eldschi, besonders am Morgen, ehe die Strahlen der aufgehenden Sonne die Spitzen der Sandsteinsierra erreicht haben, ist von un-
endlicher, unbeschreiblicher Schönheit. Die weichen Farben der rosa getönten Felsbarriere vor uns werden sich später am Tag in grobe Umrisse von Licht und Schatten verhärten, aber zu dieser Stunde schweben sie unwirklich wie ein Schleier vor den Geheimnissen, denen man sich zu nähern gewagt hat. Wenige Schauspiele der Natur sind bessere Abbilder des Märchenlandes menschlicher Träume von Vollendung.« Den Archäologen H. S. Bliss bewegten ähnliche Gefühle beim Anblick der Khazne: »Mit einem Griff nach dem Herzen merkt man, daß dies einer der großen Augenblicke des Lebens ist. Denn dort, aus der gegenüberliegenden Wand der Querschlucht hervortretend und von sanftem Licht überflutet, ist ein köstlicher Tempel aus Sandstein gemeißelt. Die Oberfläche erinnert an eine Kamee, die Farbe 11
Abb. 5: Die Khazne Fara'un, das Mausoleum eines Nabatäerkönigs.
an die rosengetönte Morgenröte. Seine Proportionen sind edel, aber in diesem ersten erhabenen Augenblick kalkuliert man keine Maße, analysiert man keine Farbwerte, erwägt man keine Architekturprobleme. Hier, so weit von allem, was zu den Errungenschaften der Zivilisation gehört, öffnet man sein erstauntes, aber dankbar erfülltes Gemüt, um den Glanz dieses Erbes von Gott und Mensch in sich aufzunehmen« (Abb. 5).
Hartnäckige Forscher Vielen der früheren Besucher und Forscher eignete eine auffällige Hartnäckigkeit, wie wir sie schon bei Burckhardt kennengelernt haben. Der Deutsche Julius Euting hatte 1883 zusammen mit Charles Huber das einstige 12
Nabatäa bereist. Aus seinem Bericht ersieht man, mit welchen Schwierigkeiten der Forscher zu kämpfen hatte. Drei Tage hintereinander stand er auf einer aus Deutschland mitgebrachten (!) hölzernen Leiter, um in el-Hegr Inschriften an Gräbern »abzuklatschen«. Die dünnen Sprossen schnitten in seine nackten Fußsohlen, die Sonne brannte auf seinen nur durch Hemd und Kopftuch geschützten Körper. Der Wind entführte immer wieder die wichtigen Abklatschpapiere und vor einer Grabfassade mußte er unverrichteter Dinge wieder umkehren, weil seine auf acht Meter ausziehbare Leiter nicht bis zur Inschrift hinaufreichte. Sein Forscherkollege Huber wurde zur gleichen Zeit von einem Dutzend Beli-Beduinen überfallen und zehn Tage lang im Kastell von Medain Salih belagert. Euting, zufällig Gastfreund der Beli, konnte ihn damals noch befreien. Charles Huber hatte bereits 1878 bis 1882 den Süden des einstigen Nabatäerlandes durchzogen und darüber im »Bulletin de la Societé de Géographie« berichtet. Nach der Trennung von Euting erreichte er unter unsäglichen Mühen, Karten zeichnend, Inschriften suchend und Gesteine bestimmend, die Außenbezirke von Mekka und schließlich Dschiddah, den Hafen der Mekkapilger am Roten Meer. Seine Aufzeichnungen enden am 28. Juni 1884. Am 29. Juli 1884 fand ihn sein Diener Mohammed, der ihn für kurze Zeit verlassen hatte, erschossen am Boden liegen. Die Gier nach Geld und Waffen hatte zwei einheimische Führer zum Mord getrieben (Abb. 6).
Wissenschaft und Phantasie Als erste Orientalisten kamen 1896 die Dominikanerpatres M. J. Lagrange und H. Vincent von der Ecole Biblique de Jerusalem nach Petra, später folgten ihnen die Patres Jaussen, Germer-Durant und Savignac. Etwa gleichzeitig war auch das Interesse deutscher Orientforscher erwacht. 1897 und 1898 besuchten R. Brünnow, A. v. Domaszewski und J. Euting Petra und das Ostjordanland. Ihre »Provincia Arabia« erschien in drei um-
fangreichen Bänden 1904 und 1909 in Straßburg. Es war die größte, genaueste und vielseitigste Dokumentation über Petra und das nabatäische Arabien; die Verfasser beschrieben insgesamt 851 Gräber und Baureste (Abb. 7). Im Gegensatz dazu lieferte Alois Musil eher eine minuziöse Beschreibung seiner Reisen (1896 bis 1911) durch Moab und Edom. Ein weiteres bedeutsames Werk stammt von Gustaf Dalman, Vorstand des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft. Es fußt auf den Ergebnissen mehrerer Expeditionen in den Jahren 1896 bis 1907. Dalman setzt sich dabei kritisch mit den Forschungen Musils, Brünnows und v. Domaszewskis auseinander. Behandelt werden vor allem die sog. Felsheiligtümer, besonders Altäre, Kultplätze, Votivnischen, Triklinien und Idole (Abb. 8). Dieser wesentliche und sicher überwiegend nabatäische Teil der Felsarchitektur Petras wurde hier zum ersten Mal ausführlich beschrieben. Dalman war offensichtlich von den vielen Rätseln, die Petra hat – und heute noch bietet – besonders angetan: »Wer seine noch unerforschten Trümmer, seine Heiligtümer und Gräber durchwandert, hat oft die Empfindung, von einem reichen Leben, dessen Enträtselung den alten Orient sehr viel verständlicher machen würde, nur durch einen dünnen Schleier getrennt zu sein. Aber man bemüht sich vergeblich, ihn wegzuziehen.« Andere haben es versucht. Quatremere folgerte gefühlsbedingt, die Nabatäer müßten eine große Vergangenheit gehabt haben. Groteskerweise, denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, phantasierte er, sie seien der älteste Stamm der großen aramäischen Völkerfamilie, die Einwohner von Babylon vor den Chaldäern und die Erfinder der natürlichen und künstlichen Magie, der Astronomie, der Medizin und überhaupt der Wissenschaften gewesen. Dalman's Beitrag zur Petra-Forschung wurde durch die Untersuchungen von Theodor Wiegand, Walter Bachmann und Carl Watzinger ergänzt, die sie 1916/17 im Auftrag des Deutsch-Türkischen Denkmalschutz-
Abb. 6: Charles Huber, der bei der Erforschung des einstigen Nabatäerreiches und seiner Nachbarländer ermordet wurde.
Kommandos durchführten und 1921 veröffentlichten. Sie befaßten sich als erste ausführlicher mit der peträischen Profanarchitektur. Zwischen exakten Vermessungen und Untersuchungen – auch der Dschebel Harun wurde besucht – feierten sie in der Khazne ein makabres Weihnachtsfest, bei dem Wiegand als Aretas IV. mit Papierkrone auf einem Thron sitzend geehrt wurde.
Abb. 7: Schlangenmonument in der Nekropole es-Sugra südwestlich von Petra.
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Abb. 8: In dieser Weise dokumentierte Dalman unzählige Felsheiligtümer, hier das Heiligtum von el-Medras und seine Umgebung.
So wie Dalman ein halbes Leben dem Studium Petras widmete, beschäftigte sich sein französischer Kollege Clermont-Ganneau viele Jahre lang mit der Petra-Forschung. Der Recueil d'Archéologie Orientale (Paris 1888–1924) legt Zeugnis davon ab. Sir Alexander B. W. Kennedy fertigte 1925 ausgezeichnete Bilder von Petra an; sie wurden durch Luftaufnahmen der Royal Air Force ergänzt. Dadurch konnte die schwierige Topographie der Stadt geklärt werden. Die meisten Umrißlinien und Entfernungsangaben auf früheren Karten erwiesen sich als falsch. Daher wurde auch die Karte von Petra in diesem Buch nach den Luftbildern der RAF korrigiert. Die umfangreichste Zusammenstellung von Geschichte und zugehöriger Literatur, zusammen mit einer Sammlung von damals wertvollem Bildmaterial, veröffentlichte 1929/30 der Franzose A. Kammerer: Pétra et la Nabatène. 14
Eine Fundgrube von Beobachtungen und Interpretationen ist das Buch von G. L. Robinson (1930). Die deutschen Forscher vor ihm schätzte er hoch ein: „It is the Germans, anyway, who have really described Petra".
Funde und Ausgrabungen Die Publikationen von George Horsfield und seiner Frau Agnes sind die Ergebnisse wissenschaftlicher Ausgrabungen; beide heirateten während ihrer Forschungstätigkeit. Der Agnes Conway zu Ehren Conway-High Place genannte Platz im Norden der Stadt erwies sich jedoch als hellenistischer Wachtturm. Dagegen ist die von beiden Forschern geschriebene Abhandlung »Sela-Petra« noch heute lesenswert. Um die gleiche Zeit grub M. A. Murray »A Street in Petra« aus und zeigte in ihrem Buch »Petra. The Rock City of Edom« 1939, daß sie nicht bloß eine kritische Archäologin, sondern auch eine sensible Schriftstellerin war.
Eine enge Beziehung zum Nabatäerland entwickelte Nelson Glueck, der von 1932 bis 1963 als Einzelner viele edomitische und 1000 nabatäische Stätten entdeckte, wobei er sich vor allem auf Oberflächenfunde stützte. In hohem Alter veröffentlichte er ein umfangreiches Werk über die Nabatäer, dessen Titel »Deities and Dolphins« an seine Grabungen auf dem Berg Tannur im Wadi Hesa erinnert. Die politischen Verhältnisse erlaubten erst seit 1954 wieder Ausgrabungen in Petra. Diese jüngste Phase archäologischer Forschung ist mit den Archäologen Peter J. Parr, Philip C. Hammond, C. R. H. Wright, J. Starcky, Crystal-M. Bennett, Diana Kirkbride, Rolf A. Stucky, J. P. Zeitler, M. S. Joukowsky und N. Khairy sowie F. Zayadine vom Department of Antiquities of Jordan verbunden. Seit 1973 haben Mitglieder der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg zusammen mit dem Department Ausgrabungen und Forschungen in und um Petra durchgeführt. Inzwischen hat A. Negev von der hebräischen Universität Jerusalem in Avdat und Mampsis, den Nabatäerstädten des Negev, umfangreiche Grabungen unternommen. Die noch ausstehenden Veröffentlichungen von Hammond, Bennett, Parr, Negev und Zayadine werden unser Bild von Leben, Religion, Kunst und Geschichte der Nabatäer weiter vertiefen. Wesentliches davon enthält das vom Verfasser herausgegebene, leider vergriffene Buch »Petra – Neue Ausgrabungen und Entdeckungen« (Delp-Verlag München 1986). In den letzten Jahren hat sich der Verfasser mit den Edomitern beschäftigt, die vor den Nabatäern auch die Petra-Region bewohnten. Mit Gruppen der Naturhistorischen Gesellschaft gelang ihm die Entdeckung mehrerer edomitischer Bergfestungen.
Einzigartiges Petra Von seiner faszinierenden, rätselreichen Einzigartigkeit hat die Forschung dem antiken Petra bis heute nichts nehmen können. Es gilt immer noch (wenn auch etwas weniger pathetisch), was der in
Smyrna geborene J. William Burgon schrieb, der 1845 mit seinem Gedicht »Petra« den Newdigate-Preis der Oxford-University gewann. Er reihte die Felsenstadt unter die Weltwunder ein: ». . . O passing beautiful – in this wild spot Temples, and tombs, and dwellings, – all [forgot! One sea of sunlight far around them spread, And skies of sapphire mantling overhead. They seem no work of man's creative hand, Where Labour wrought as wayward Fancy [plann'd: But from the rock as if by magic grown, Eternal – silent – beautiful – alone! Not virgin white – like that old Doric shrine Where once Athena held her rites divine: Not saintly grey – like many a minster fane That crowns the hill, or sanctifies the plain: But rosy-red, – as if the blush of dawn Which first beheld them were not yet with[ drawn: The hues of youth upon a brow of woe, Which men call'd old two thousend years [ago! Match me such marvel, save in Eastern [clime, – A rose-red city – ,half as old as Time!' And this is Petra – this the lofty boast Of Edom's once unconquerable coast!«
Ausgewählte Literatur Bernatz, J. M.: Bilder aus dem Heiligen Lande, Stuttgart 1839; ders.: Palästina. Neues Album des Heiligen Landes, Stuttgart 1868. – Brünnow, R. und Domaszewski, A. von: Die Provincia Arabia, 3 Bde., Straßburg 1904– 1909. – Burckhardt, J. L.: Travels in Syria and the Holy Land, London 1822; deutsche Ausgabe: Gesenius, W.: Johann Ludwig Burckhardt's Reisen in Syrien, Palästina und der Gegend des Berges Sinai, 2 Bde., Weimar 1823/24. – Burgon J. William: Petra, a Prize Poem, Oxfort 1845. – Dalman, G.: Petra und seine Felsheiligtümer, Leipzig 1908; ders.: Neue Petra-Forschungen, Leipzig 1912. – Doughty, Ch. M.: Travels in Arabia Deserta, Cambridge 1888; Neudr. 2 Bde., London 1964. – Euting, ].-. Nabatäische Inschriften aus Arabien, Berlin 1885. – 50 Jahre Museum für Völkerkunde, Wien 1978. – Glueck, N.: Deities and Dolphins, New York 1965. – Hammond, Ph. C: The Excavation of the Main Theater at Petra, 1961–1962, Final Report, Londdn 1965. – Harding, G. L.: Auf biblischem Boden,
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Wiesbaden 1961. – Horsfield, G. and A.: Sela-Petra, The Rock of Edom and Nabatene. The Quarterly of the Department of Antiquities in Palestine VII und VIII, 3, London 1938; Vol. IX, 214, London 1941. – Huber, Ch.: Bull, de 1a Soc. de Géographie, III. trimestre 1884, 289–369 u. 468–531; ders.: Journal d'un voyage en Arabie (1883, 1884), Paris 1891, V– XII. – Irby, Ch. L. and Mangles, J.: Travels in Egypt and Nubia, Syria und Asia Minor, London 1823; diesselb.: Travels in Egypt and Nubia, Syria and the Holy Land, London 1844. – Kammerer, A.: Pétra et la Nabatène, 2 Bde., Paris 1929/30. – Kennedy, Sir Alexander: Petra, its History and Monuments, London 1925. – Laborde, Léon de et Linant: Voyage de l’Arabie Petrée, Paris 1830. – Lindner, M. (Hrsg.): Petra – Neue Ausgrabungen und Entdeckungen, München (Delp), 1986. – Luynes, Due de: Voyage d'Exploration à la Mer Morte, à Pétra et sur la Rive gauche du Jourdain, 4 Bde., Paris 1874. – Murray, M. A. and Ellis, J. C: A Street in Petra, London
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1940; Petra. The Rock City of Edom, London 1939. – Musil, A.: Arabia Petraea, Bd. II Edom, Wien 1907/1908. – Palmer, E. H.: The Desert of Exodus, London 1871. – Roberts, D.: The Holy Land, Syria, Idumea, Arabia, Egypt & Nubia, London 1842–1849. – Robinson, E.: Biblical Researches in Palestine and the Adjacent Regions, London 1841. – Robinson, G. L.: The Sarcophagus of an Ancient Civilization – Petra, Edom and the Edomites, New York 1930. – Quatremere, M.: Mémoire sur les Nabatéens, Journ., Asiat. 15, 1835, No. 85–87. – Scheck, F. R.: Jordanien, Köln (Dumont) 1985; Die Weihrauchstraße. Gustav Lübbe Verlag Bergisch Gladbach 1995. – Schubert, G. H. von: Reise in das Morgenland in den Jahren 1836 und 1837, Erlangen 1840. – Wenning, R.: Die Nabatäer – Denkmäler und Geschichte, Freiburg-Göttingen 1987. – Wiegand, Th.: Petra. Wissenschaftl. Veröffentlichungen des Deutsch-Türkischen Denkmalschutzkommandos, Heft 3, Berlin und Leipzig 1921.
MANFRED LINDNER
Beschreibung der antiken Stadt
Ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Toten Meer und dem Golf von Akaba liegt im heutigen Königreich Jordanien eine antike Stadt von besonderem Reiz: Petra. Wer auf der modernen Wüstenstraße von Amman 260 km nach Süden fährt, erblickt nach wenigen Stunden am Rande des edomitischen Hochlandes ein groteskes Gewirr von grauen, gelblichen und rötlichen Felskuppen. Ein weiter, fruchtbarer Kessel mit der Ortschaft Wadi Musa (früher: Eidschi) an der Stelle einer antiken Stadt schickt das Wasser
der dort entspringenden Mosesquelle und alle Niederschläge, die in winterlichen Unwettern erhebliche Ausmaße erreichen, auf ein kleines Tal zu, das sich später in eine Klamm mit fast senkrechten Wänden, den Sik, verengt.
Felsmonumente und Idolnischen Das moderne staatliche Rasthaus aus Beton und Glas am Anfang dieses Tales verbirgt und schützt zugleich das erste der vielen Felsmonumente Petras: el-Khan. Um ein altes
Abb. 1: Von el-Medras aus überblickt man die Felsenlandschaft Bab es-Sik mit Grabdenkmälern, Gräbern, Idolnischen und Felsenräumen. Im Hintergrund erheben sich über dem Dorf Wadi Musa die Schera-Berge.
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Abb. 2: Ed-Dschredda, wie die Einheimischen die Anlage nennen, besteht aus dem »Spitzpfeilergrab« und einem Mausoleum in »antikem Barock«.
Gast- oder Zollhaus, wie die Einheimischen sagen, handelt es sich nicht; was den Besucher heute beherbergt, war ursprünglich ein prächtiges sog. Dromosgrab mit zahlreichen Bestattungsnischen. Während man in diesen »loculi« bewirtet wird, warten neu ankommende Gäste im einstigen Säulenvorhof, der zur Hotelhalle umgebaut wurde. Kurz nach dem Rasthaus wird die Landschaft zum Troglodytenreich. In den gelblichen Sandsteinkuppen von Bab es-Sik (Abb. 1) öffnen sich türförmige Eingänge. Geglättete Steinwände sind in klassische Portale verwandelt, über denen sich, aus dem Felsen geschnitten, griechische Giebel und Attiken, ägyptische Hohlkehlen und assyrische Zinnen erheben. Beträchtliche Steinmassen waren wegzuschlagen, um mehrfach mannshohe, kubische Grabtürme entstehen zu lassen. Neben ihnen führte eine Wasserleitung über 5 Kilometer das Wasser der Mosesquelle in die Stadt. Hat man den Blick dafür 18
einmal geschärft, entdeckt man an den Felswänden beider Talseiten Nischen mit rechteckigen Götteridolen in Stein und Spitzpfeilerreliefs als symbolische Darstellungen von Toten. Kleine Wasserbecken und »Anbindlöcher« im Fels lassen an Gebet und Opfer vor den Nischen oder an verhüllende Vorhänge denken. Durch einen gebückt passierbaren Gang mit Spitzpfeilerreliefs kriechend findet man in einem Höhlenraum die Reliefs zweier Schlangen, die ein Tier fassen, und eines Pferdes, das ein Steinidol zu tragen scheint. Es gibt noch zwei andere Schlangendarstellungen in Petra; über einen dazugehörenden Kult ist nichts bekannt. Vermutlich handelt es sich um die magische Abwehr von Unheil. Wo das Bachbett zum Schluchteingang hin nach rechts abbiegt, sind am linken Ufer zwei Felsengräber übereinandergetürmt. Die Gegend ist unter dem Namen ed-Dschredda bekannt. Das obere »Spitzpfeilergrab« wird
von vier sich nach oben verjüngenden Pfeilern überragt. In der Nische über dem Eingang erkennt man die beschädigte Reliefdarstellung einer menschlichen Figur. Ein Stibadium vor dem Portal diente als Opferstelle oder zur Zubereitung des Totenmahles. Das darunter liegende Monument zeigt in der Fassade »barocken« Schwung und gebrochene Giebel. Zu beiden Seiten einer Totenmahlstätte mit rechteckiger, nach dem Eingang zu offener Steinbank (triclinium funebre) gelangt man in geräumige Grabkammern (Abb. 2). Am entgegengesetzten Wadiufer hat man vor nicht langer Zeit eine Reihe von Totenmalen entdeckt. Auf einem von ihnen ist der vermutlich ursprüngliche Name Petras »Reqem« erwähnt. Gleich hinter ed-Dschredda führt über neuerdings instandgesetzte und angepflanzte Terrassen ein alter Steig nach el-Medras.
Eine barbarische Prunkstraße Der Besucher findet heute, wie in der Antike, den Eingang zum Sik durch einen Damm versperrt. Die winterlichen Sturzbäche werden nach Norden durch einen Tunnel aus nabatäischer Zeit zu einem weiten Umweg in den Felsenkessel der Stadt gezwungen. Vor der Erneuerung des antiken Dammes im Jahre 1964 hatten sich die Reste eines kühn gemauerten Bogens im Stile der römischen Triumphbögen befremdlich hoch über dem Boden des Sik erhoben. Jetzt, da der Damm wieder wie eine Rampe weit in den Sikeingang hineinreicht, kann man sich in den Seitennischen Marmorskulpturen als würdigen Schmuck des einstigen Stadteingangs vorstellen. Ein Aquädukt, wie manche meinen, war der Bogen nie. Fast zwei Kilometer windet sich der Sik, stellenweise kaum drei Meter breit, zwischen turmhohen Felswänden hin, die teils von durchtosenden Wassermassen glatt geschliffen sind, teils die unverkennbaren Spuren menschlicher Bearbeitung ebenso zeigen wie die von oben zum Sik führenden Plateaus und Schluchten. Votivnischen und Inschriften erinnern an Nabatäer und Römer, die um
Abb. 3: Im Sik von Petra.
die Gunst der Götter baten oder für erwiesene Hilfe dankten. Nahe dem Eingang steht in einer Nische das Pfeiler-Idol des nabatäischen Hauptgottes Duschara. In anderen Nischen findet man zwei und mehr »Betyle« in Pfeilerform miteinander vereinigt, Darstellungen der Götter, die von den Nabatäern verehrt wurden. Einer der Betyle trägt ein abstrahiertes Gesicht und stellt vermutlich die weibliche Hauptgottheit al-Uzza dar. Im Geröll des einstigen Bachbettes hat man dicke, marmorähnliche Kalksteinplatten freigelegt, mit denen die ganze barbarische Prunkstraße im Altertum gepflastert war. Zwei verschiedene Wasserleitungen, eine als tiefe Rinne aus der linken Felswand geschlagen, die andere rechts in schlanken Tonröhren hoch über der Straße verlegt, setzen die vorhin beschriebene Wasserführung von Bab es-Sik fort. Unbegehbare Schluchten bringen Wasser von den Höhen, zwischen denen ein Naturereignis einst die gewaltige Spalte des Sik öffnete (Abb. 3). 19
Abb. 4: Der Grundriß der Khazne Fara'un enthüllt hinter der prächtigen Fassade einen meisterhaft gestalteten Innenraum. Von der Vorhalle (a) gelangt man geradewegs in einen fast quadratischen Hauptraum (e) mit einer Zentralnische (f) und zwei Seitennischen (g, h). Zu beiden Seiten des Vorraumes öffnen sich Portale in je eine Kammer (b, c). Eine Nische (d) in der rechten Kammer blieb unvollendet (nach G. Dalman).
schmuck aus anderem Material verloren gegangen ist. Wo sich der Sik nach dieser malerischen Unterbrechung in der ursprünglichen Richtung fortsetzt, passieren die meisten Besucher achtlos einen großen Felsenraum mit rechteckiger Steinbank, auf der über dreißig Feiernde bewirtet werden konnten. Vielleicht handelt es sich um das zur Khazne gehörende Totentriklinium. Gegenüber, neben einer großen, mit Rauten und Scheibenmetopen verzierten Nische, kann man durch eine schwer begehbare Schlucht ganz nahe an den Oberstock der Khazne heranklettern. Von hier aus hat man vermutlich den »Bau« begonnen. Verfolgt man den alten Weg weiter, wird der Blick von aufwendigen, hohen und großflächigen Gräberfassaden gefangen, die wie Häuser einer Großstadtstraße zuerst links, später auf der rechten Seite aneinandergereiht sind.
Die schönste skulptierte Felswand
Theater inmitten von Gräbern
In dem Augenblick, da diese Schlucht am engsten und bedrückendsten wird, leuchtet zwischen den Kulissen der beiden Felswände im Licht der Morgensonne die – wie viele meinen – schönste skulptierte Felswand der Welt auf. Mit jedem Schritt vorwärts offenbart sich mehr von dem zauberhaften Bauwerk, bis es schließlich in seiner ganzen Pracht vor dem Beschauer aufragt. Khazne Fara'un, das »Schatzhaus des Pharao«, aus einem besonders feinen, infolge seines Eisenoxidgehaltes rot aufleuchtenden Sandstein geschnitten, gilt als Mausoleum eines späten Nabatäerkönigs. Durch prunkvolle Portale betritt man fast kahle Innenräume mit hohen Nischen, in denen Sarkophage gestanden haben können (Abb. 4). Wenige Teile der 40 m hohen, zweistöckigen Fassade, z. B. die dritte Säule von links und die kunstvollen korinthischen Kapitelle, sind eingefügt. Alles andere ist mit unwahrscheinlicher Geschicklichkeit aus dem Felsen herausgearbeitet. Bei genauer Betrachtung des Reliefschmuckes scheint es allerdings, daß der Bau unvollendet blieb oder daß Fassaden-
Nach dem Ende des Sik wurden die Felswände zu beiden Seiten des sich erweiternden Bachbettes in regelrechte Gräberetagen verwandelt. Die meisten Gräber sind Kammern hinter häuserähnlichen Fassaden, einige sind aus der Felswand herausgerückt und gleichen aufgemauerten Gebäuden oder Türmen. In einem der Innenräume der rechten Seite sind zahlreiche Senkgräber vor einer zentralen Nische an der Rückwand angeordnet. Nabatäische Inschriften und in die Wand gemeißelte Spitzpfeiler (»nefesh«) erinnern an die Toten. Auf der gleichen Seite, aber eine Etage höher, befindet sich ein sehr gut erhaltenes, hohes Fassadengrab mit Triklinium, Zisterne und Nebenräumen, das wegen der dort gefundenen Inschriften und Grabbeigaben besonderes Interesse verdient. Zum Portal führt eine imposante Treppe, der Vorplatz war mit einer Säulenreihe geschmückt (S. 140). Zur Linken kann man vier Etagen der hausähnlichen Grabfassaden unterscheiden. Während die untersten gerade noch mit ihren Schmuckzinnen aus dem Schutt der Jahrtausende ragen, ist die oberste
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Etage erst geglättet und zur Anlage neuer Gräber hergerichtet. Manche halten die mit einer oder zwei Reihen von Zinnen geschmückten Fassaden für die ältesten Petras (Abb. 5). In die Gräberwand der linken Seite, am Abhang des Berges, auf dessen Höhe der Große Opferplatz von Petra (Zibb Atuf oder Madhbah) liegt, ist ein Stück weiter zur Stadt hin ein Theater griechisch-römischen Stils eingeschlagen. Dabei hat man frühere Grabkammern angeschnitten, die jetzt wie düstere Logen offenstehen. Vierzig Sitzreihen konnten – und können noch heute – 8000 Zuschauer fassen. 1961 durchgeführte Ausgrabungen haben den Beweis erbracht, daß die Anlage in vorrömischer Zeit begonnen und bis in spätrömischer Zeit benützt wurde (Abb. 6 und S. 86). Nach dem Theater weitet sich das Bachbett immer mehr zum Talkessel. Ringsum von
schwer übersteigbaren Bergen eingeschlossen und durch leicht zu verteidigende Schluchten geschützt, liegt zu beiden Seiten des Mosesbaches die versunkene Stadt. Versunken im eigentlichen Sinne des Wortes, denn kaum ein Stein ist seit dem Altertum von Petra weggeschleppt worden. Wo man den Spaten ansetzt, stößt man auf das nabatäische Pompeji.
Mausoleen der Könige Wir folgen vorerst der Steilwand von elHubta, dem mächtigen Felsmassiv im Osten der Stadt, in nördlicher Richtung. Hier reiht sich in immer neuen Formen und Farben ein Grab an das andere (Abb. 7). Der Entwurf einer überhöhten Tempelfront und das Schema eines Dromosgrabes ist beim »Urnengrab« (Abb. S. 85) besonders eindrucksvoll verwirklicht. Hier erhebt sich eine schlanke Fassade mit Architrav, Attika und urnenge-
Abb. 5: Diese »Zinnengräber« am Osthang des Theaterberges sind nach verbreiteter Auffassung die früheren Fassadengräber Petras. Vermutlich sind sie nach dem Vorbild eines orientalischen Bauwerks entworfen.
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Abb. 6: Wie eine Muschel öffnet sich das schon in vorrömischer Zeit unter den letzten Nabatäerkönigen begonnene Theater.
kröntem Giebel über hochaufragenden dorischen Halbsäulen. Drei Begräbnisnischen, die mittlere mit einem Porträtrelief verschlossen, erkennt man unterhalb des Architravs in schwer zugänglicher Höhe. Der riesige Vorplatz ist von Säulen eingerahmt und wird von gemauerten Gewölben gestützt. Im 5.
Jahrhundert wurde die Anlage als Kirche benützt. Eine griechische Inschrift an der Rückwand hat den Namen des Bischofs und seines Diakons überliefert. Ein Gerichtsgebäude, wie die Fremdenführer sagen, war das »Urnengrab« wohl nie. Das anschließende »Korinthische Grab«, we-
Abb. 7: Die Hauptachse des antiken Stadtzentrums verlief von el-Habis direkt auf die »Königsgräber« zu. Das dreiteilige Tor schloß das Temenos des Stadttempels gegen den profanen Teil der Straße ab.
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gen seiner Kapitelle so genannt, wirkt wie eine mißglückte Imitation der Khazne. Brüchigkeit des Gesteins, Erosion und Erdbeben haben die Fassade arg zerstört. Andere Großgräber von el-Hubta tragen als Krönung ihrer Fassade ein riesiges Stufenornament, das aus zwei halbierten Zinnenornamenten entstanden sein mag, die man vergrößerte und wie die Hörner eines Altars an die Längskanten der Grabfassade schob. Weiter nach Nordosten folgt, nur durch eine Windmauer getrennt, an der gleichen Felswand vor großen Innenräumen eine Fassade, die einem Palast nachgebildet scheint. Vier majestätische Portale öffnen sich unter einem gewaltigen Architrav, der seinerseits eine Reihe von achtzehn Säulen trägt. Rechteckige Höhlungen zwischen ihnen mögen – ursprünglich verschlossen – Bestattungen oder Grabbeigaben enthalten haben. Darüber erheben sich noch mehrere Attiken. Die obersten sind gemauert, weil der Fels nicht ausreichte. Einzelne Partien dieser Fas-
sade sind so ausgezeichnet erhalten, daß man sie für restauriert oder ergänzt halten könnte, andere sind von der Erosion durch Wind, Sand und Wasser beinahe abgeschliffen. Mit diesem »Palastgrab« ist die Reihe der vermutlichen Königsgräber Petras abgeschlossen (Abb. 8). Wo die Hangformation erneut die Anlage eines Grabes erlaubte, hat man so, daß die Abendsonne gerade noch die Fassade erreicht, aus einer vorspringenden Felszunge ein Grab modelliert, das in einer Hinsicht für Petra einzigartig ist: Es trägt eine lange lateinische Inschrift, die es als Mausoleum eines der ersten römischen Gouverneure der Provincia Arabia, Sextius Florentinus, ausweist (Abb. 9). Zwischen »Statthaltergrab« und dem vorhergehenden »Palastgrab« schlössen stadtmauerähnliche Verteidigungswerke an die Felswand von el-Hubta an. Das ältere, wohl hellenistische, umfaßte ein größeres, das spätere, vermutlich römisch-byzantinische, ein kleineres Stadtgebiet. In dieser Gegend
Abb. 8: Das sogenannte »Palastgrab« gilt als das Grabmal des letzten Nabatäer-Königs.
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Abb. 9: Das »Statthaltergrab« war für einen der ersten Gouverneure der Provincia Arabia bestimmt. Sextius Florentinus hatte vorher in Griechenland, Spanien und Frankreich gedient. Das auf Grund seines Testaments errichtete Mausoleum zeigt die bekannten peträischen Kapitelle.
endet auch eine zweite, technisch außerordentlich eindrucksvolle Wasserleitung, die das Wasser der Mosesquelle um den ganzen Bergstock el-Hubta herum in die Stadt brachte (s. S. 319).
Die antike Metropole Westlich der »Königsgräber« liegt die eigentliche antike Stadt zu beiden Seiten des Mosesbaches. Südlich von dem im Altertum kanalisierten Wasserlauf und parallel zu ihm verläuft der Cardo. Diese Hauptstraße war zugleich Forum, Markt und – in ihrem westlichen Teil – heiliger Bezirk (Temenos) des Tempels, der sie abschließt. Links ist die Straße von einer teilweise wieder aufgerichteten Säulenreihe, rechts von dem seit dem Altertum neu befestigten Ufer des Mosesbaches begrenzt. Die Reste eines Nymphäums werden von einer großen Terebinthpi24
stazie beschattet. Antikes Pflaster bedeckt noch einen Teil des Bodens. Nach beiden Seiten führen Freitreppen zu den Gebäuden auf der Höhe, die heute eingefallen und zu Schuttbergen geworden sind. Zur nördlichen Stadt gelangte man auf Brücken oder Übertunnelungen des Mosesbaches. Ein neuerdings von Hammond hier ausgegrabener Tempel bezeugt die Pracht der antiken Stadt; von den mehr als 40 Säulen trugen viele reich geschmückte, u. a. mit Löwen-Greifen verzierte Kapitelle. Das kunstvolle Bauwerk wurde 28 n. Chr. begonnen und im Jahre 363 durch ein Erdbeben zerstört. Während der ganzen Zeit war es religiöses und – dem Brauch des Landes entsprechend – juristisches Zentrum unter dem Schutz der Gottheit. Sonst ist von den Bauten noch wenig zu sehen. Von den Tempeln der Südstadt wird
einer gerade ausgegraben und teilweise rekonstruiert. Vorher lagen ganze Säulenreihen da, denen keine Trommel fehlte und die jederzeit wieder aufgestellt werden könnten. Der Cardo wird von einem dreiteiligen Tor abgeschlossen, das zugleich (wie in Palmyra) den Knick zum anschließenden Temenos vor dem »Kasr el-Bint Fara'un« verdeckt. Das »Schloß der Pharaonentochter«, um das die Beduinen ihre Märchen gerankt haben, ist in Wirklichkeit ein Antentempel von respektablen Ausmaßen mit einem großen gemauerten Brandaltar vor dem Eingang. In der hohen Cella muß man sich einen Idolstein oder das Standbild des Duschara vorstellen. Die Außenwände waren mit Marmor und Stuck verziert, die Metopen in Dachhöhe mit Rosetten und Reliefmedaillons geschmückt.
Teile der Marmortreppen und zwei der Innenräume wurden neuerdings freigelegt. Mit finanzieller Hilfe der UNESCO sollte der Tempel restauriert werden (Abb. 10). Bisher ist wenig daraus geworden. Nur an wenigen Stellen der Innenstadt ist bisher systematisch gegraben worden. Vernünftigerweise hat die jordanische Regierung mehr Mittel für den Schutz vor Hochwasser, für die Befestigung der Straße und die Kanalisierung des Mosesbaches verwendet. Südlich des Straßentores hat man jedoch elegante, stuckverzierte und bemalte Innenräume mit Säulen und Pfeilern, sowie einem großzügig gebauten Treppenhaus entdeckt. Dahinter glaubt man, in zwei hohen, überkuppelten Räumen – möglicherweise kultische – Badeanlagen vor sich zu haben (Abb. S. 200).
Abb. 10: Kasr el-Bint Fara'un, der im Suidas-Lexikon beschriebene Tempel des Theusares (Duschara), wurde von den Nabatäern um die Zeitenwende erbaut.
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Abb. 11: Unter el-Habis zeigt eine unvollendete Fassade vor einem Höhlenraum, wie die nabatäischen Steinmetzen von oben her und von außen nach innen zugleich Höhlenraum und Fassade schufen. (Nach einer Zeichnung von de Laborde).
Das Temenos endet mit einer Exedra abrupt vor der Felsmasse von el-Habis, der »Akropolis« von Petra, die dem Mosesbach an ihrer Nordseite lediglich eine schmale Öffnung zur Siyagh-Schlucht und damit ins Wadi Araba freigibt.
Kreuzfahrerburg auf der Akropolis Mit einiger Kletterei ist ein nabatäisches Heiligtum auf dem nördlichen und eine Festung aus der Kreuzfahrerzeit auf dem südlichen Gipfel zu erreichen. Nur wenige Spuren – bemalte Gefäßfragmente, Idolnischen, Zisternen und Felstreppen – erinnern an die nabatäische Zeit der Akropolis. Fränkische Erfahrung nutzte jede Felswand, befestigte jede Felsnadel, schloß jeden Kamin und ummauerte jedes Stockwerk des Berges, der auf diese Weise zu einer fast uneinnehmbaren Burg wurde (s. Abb. 55, S. 102 und Abb. 56 u. 57, S. 103). Die Abhänge von el-Habis wurden im Altertum vielfach verändert. Sie enthalten Kult-, Wohn- und Grabräume. Eine der früheren Wohnhöhlen beherbergte lange das Museum von Petra. Von Interesse sind ferner das »Columbarium«, ein Höhlenraum mit einer Vielzahl von kleinen, flachen Nischen, vielleicht zur Aufbewahrung der Asche von in 26
Petra verstorbenen Nicht-Nabatäern, und ein unvollendeter Höhlenraum mit Hörnerkapitellen auf Säulen und Pfeilern (Abb. 11). Hinter der Akropolis befindet sich eine große Grab- oder Kultanlage mit Felsräumen und einem gut erhaltenen Freitriklinium. Man muß sich vorstellen, daß hier Familien oder Kultgemeinschaften tafelten. Von el-Habis durch das tief eingeschnittene Wadi Khorrubat getrennt, erhebt sich als weitere westliche Abgrenzung des Talkessels der mächtige Bergstock von Umm el-Biyara. Nur an einer Stelle ist der Aufstieg möglich und hier konnten wenige Verteidiger ein ganzes Heer aufhalten. Diese imposante Fliehburg aus edomitischer und nabatäischer Zeit ist so eng mit der Geschichte Petras und der Nabatäer verbunden, daß sie in den Beiträgen »Geschichte der Nabatäer« und »Die Nordterrasse von Umm el-Biyara« ausführlich beschrieben wird.
Nach Sabra und zum Dschebel Harun Folgt man dem Wadi es-Sugra (eth-Thugra) nach Südwesten, passiert man auf dem alten Weg zum Dschebel Harun ein Felsengewirr aus weißgelbem Sandstein. Hier erhebt sich das »Schlangenmonument« über einem Grabturm zwischen Gräbern und Kulträumen. Den aufgerollten Schlangenleib auf einem rechteckigen Fundament scheint ein überhängender Fels zu beschützen (Abb. 7, S. 13). Von es-Sugra gelangt man in südlicher Richtung über eine Wasserscheide ins Wadi Sabra mit einem kleinen Theater neben einer kaum erforschten Ruinenstätte (Abb. 12). Pfeiler, Säulentrommeln, zerstörte Götterreliefs und viele bemalte Keramikfragmente deuten an, daß es sich hier nicht bloß um eine militärische Installation gehandelt hat. Neue Untersuchungen des Verfassers zeigen, daß über dem Theater auch eine ingeniöse Wasserleitung verlief, die das kostbare Element aus einem Stausee ins Wadi brachte. Im Westen zweigt von einem Karawanenweg zum Wadi Araba ein mäßig beschwerlicher Pfad ab, auf dem man den Dschebel Harun besteigt. Hier liegt nach christlicher und isla-
mischer Tradition Aaron begraben. Das kleine, überkuppelte Gebäude auf dem höheren der beiden Gipfel, das zwei schwarze Steine und einen Sarkophag enthält, wurde im Mittelalter aus Steinen und Säulentrommeln einer früheren byzantinischen Kirche errichtet (Abb. 13). Von dieser findet man ein Marmormosaik an ursprünglicher Stelle über dem Grab, Bruchstücke weißer Marmortafeln, zierliche Kapitelle und Glasmosaiksteinchen. Felstreppen, nabatäische Tonscherben, Inschriften und Architekturstücke sowie ein Pfeiler-Idol deuten ebenso wie die Reste einer Kultstätte zwischen Dschebel Harun und Dschebel el-Barra auf ein vorhergehendes nabatäisches Heiligtum. Das eigentliche Grab wird in einem Kellerraum hinter einer stuckierten, mit einem Vorhang bedeckten Wand verehrt.
Vom Dschebel en-Nmer zur Obodas-Kapelle Den Weg nach Sabra beherrscht der Dschebel en-Nmer, der wie der Bug eines gewaltigen Schiffes in den südlichen Teil des Kessels hineinragt. Man erreicht seinen Fuß durch das gleichnamige Wadi. Ein ausgewaschener, heute schwer passierbarer Treppenweg mit etwa 800 Stufen verband früher das Wadi mit dem kleinen Gipfelplateau. Heiligtümer unterhalb des Gipfels, eines mit einer nabatäischen Inschrift und einem – später eingeritzten – christlichen Kreuz sowie IdolNischen und eine Reliefdarstellung (Sol invictus?) kennzeichnen den Berg als heilig. Zugleich war er wohl ein wichtiger Auslugposten, von dem man den südlichen Zugang der Stadt kontrollierte. Auf dem Gipfelplateau stand ein kleiner Tempel, von dem der Verfasser noch ein Säulenfragment und Architravreste gefunden hat. Die Zisterne daneben, früher mit einem Tonnengewölbe bedeckt, ist heute trocken. Das Wadi en-Nmer hat seinen Ursprung in einem phantastischen Labyrinth von Felsen, Höhlen, Treppen, Zisternen und Heiligtümern, das man beim Abstieg vom Dschebel en-Nmer am besten überblickt. An diesem
Abb. 12: Zwei Stunden südlich von Petra liegt in einem Wadi, das auch um Ostern noch Wasser führt, ein kleines Theater. Auf der anderen Seite des Bachbettes zieht sich eine ausgedehnte Ruinenstätte den Hang hinauf, die noch nicht ausgegraben ist.
für unser Empfinden malerisch-romantischen Fleckchen hat man dem später vergöttlichten Nabatäerkönig Obodas III. ein Heiligtum errichtet. Der ursprünglich mit Säulen umstandene Höhlenraum enthielt an der Rückwand eine Nische, wohl für die Statue oder das Reliefbild des Königs. Auf einem herausgemeißelten Querbalken der Decke erinnert eine sehr sorgfältig gearbeitete nabatäische Inschrift an den König und an die Stifter. Große Idolnischen, eine Menge Scherben von bemalten Opferschalen und viele Votivinschriften in der Umgebung markieren die »Obodas-Kapelle« als wichtigen Kultplatz.
Der Große Opferplatz Die Hochfläche darüber trägt zwei Spitzpfeiler von 6 bis 7 Metern Höhe. Jenseits davon ragt eine aus mehreren kompakten Türmen 27
Abb. 13: Gipfelmoschee auf dem Dschebel Harun, die angeblich das Grab Aarons enthält.
Abb. 14: Auf dem Großen Opferplatz von Petra waren zwei Altäre aus dem anstehenden Fels gemeißelt, der mittlere könnte in der Mitte einen Idolpfeiler und an den Ecken metallene Hörner getragen haben.
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mit Zwischenmauern bestehende »Festung« auf. Sie dürfte aus den Steinen errichtet sein, bei deren Bruch man die Spitzpfeiler stehen ließ. Die Steine sind nicht in typisch nabatäischer Weise diagonal gebeilt, vielleicht handelt es sich um den Abschluß der südlichen Stadtmauer. »Eine derartige Befestigung muß«, schrieb Dalman 1912, »das alte Petra zu ihrer Voraussetzung gehabt haben.« Ein »Kreuzritterbau«, wie Hammond meint, war die Festung deshalb wohl nicht. Ja, es fragt sich, ob die Anlage überhaupt der Verteidigung diente oder ob es sich um die Propyläen für den dahinter liegenden Opferplatz handelt, wie E. A. Knauf vermutet. Hat man von den Spitzpfeilern aus eine künstlich vertiefte Schlucht und die Befestigungslinie selbst durchschritten, steht man nach wenigen Metern auf dem eingeebneten Gipfelplateau des Theaterberges. Hier auf Zibb Atuf, wie die ganze Anlage genannt
wird, haben wir den Großen Opferplatz von Petra vor uns. Über drei andere Wege, vom Sikausgang, sehr beschwerlich über den Nordhang des Theaterberges und bequem über das östliche Farasa-Tal, kann man die O p f e r s t ä t t e ( e n g l . h i g h p l a c e , ara b . madhbah) erreichen. Ein rechteckiger Hof ist von einem weiten, flachen Triklinium umgeben, dessen offene Seite ein rechteckiger Altar einnimmt. Drei Stufen führen zu ihm hinauf und ein Gang für den Opfernden umgibt ihn. Auf dem Altar könnte ein Idolstein gestanden haben, einzelne Einschnitte am oberen Rand deuten auf eine (metallene?) Verzierung hin. Südlich vom Hauptaltar steht ein zweiter Altar mit kreisrunder Vertiefung, zu dem wiederum Stufen führen. Eine Höhlung in seiner Basis enthielt ebenso Wasser wie eine Zisterne auf dem Weg zum Gipfel (Abb. 14). Eine kurze Strecke unterhalb der Opferstätte, auf dem »Nordweg« zur Stadt, ist
Abb. 15: Das große Triklinium gegenüber dem »Soldatengrab« mag zur Nekropole eines nabatäischen Königs oder »Edlen« gehört haben. Seit de Laborde's Tagen ist es vom Schutt der Jahrhunderte befreit.
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in der »Mondnische« ein Idolstein von zwei Säulen flankiert, die am oberen Ende Viertelmonde tragen. Ehe man weiter abwärts kletternd das Theater erreicht, findet man in einem geräumigen Felsenraum das über zwei Meter lange Relief einer apotropäischen Schlange über einem angedeuteten Altar. In zwei Nischen darüber könnten Götterbilder gestanden haben. Die Ähnlichkeit mit einem Lararium von Pompeji ist frappierend.
Eine fürstliche Grabanlage Beim steilen Abstieg nach Westen in die Farasa-Täler überrascht eine Reihe von Sehenswürdigkeiten. Nabatäische Inschriften und Steinmetzzeichen, ein (Duschara-) Idolstein mit einem Reliefmedaillon (Abb. 3, S. 115), ein Hörneraltar, in den spätere Jäger Tierbilder geritzt haben, und ein übermannshoher Löwe als Abschluß einer wohl kultisch ebenso wie technisch bedeutenden Wasserleitung sind aus den Felswänden gemeißelt. Für den kultischen Charakter der Anlage sprechen auch die hier häufigen nabatäischen Votivinschriften. Schließlich führt eine architektonisch kühne Felsentreppe hinunter zum östli-
chen Farasa-Tal. Hier stößt man auf eine antike Grabanlage von fürstlichen Ausmaßen. Gegenüber dem »Soldatengrab« mit drei Standbildern in ebensovielen Fensternischen öffnet sich die Felswand zum »Säulensaal«, einem Grabtriklinium mit feingearbeiteten, usprünglich stuckierten Nischen und Halbsäulen, denen die bunte Bänderung des Sandsteines heute einen besonderen Reiz verleiht (Abb. 15). Das »Gartengrab« unweit davon war wohl eine zu dem Komplex gehörende »Grabkapelle«. Über einer riesigen Zisterne befindet sich noch ein früher mit Gurtbögen überwölbter Raum unklarer Bedeutung (Abb. 16). Von diesem östlichen Farasa-Tal geht man – zuerst wadiabwärts bis zur Gabelung, dann wadiaufwärts – ins westliche Farasa-Tal mit weiteren großfassadigen Gräbern. Auf der kahlen Fläche zwischen den beiden Tälern – am besten vom Großen Opferplatz aus zu überblicken – können teilweise abgeschnittene Felsbuckel mit Stufen, Zisternen und Stibadien, möglicherweise im Zusammenhang mit den hier häufigen Senkgräbern, Opferplätze für verschiedene Klans oder Familien gewesen sein.
Abb. 16: Das »Gartengrab«, eine Art Kapelle, gehörte zu dem fürstlichen Grabkomplex des östlichen Farasa-Tales mit dem »Soldatengrab«, dem »Säulensaal« und einer riesigen Zisterne.
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Nach el-Medras und zur Kreuzfahrerburg Wejra Betrachten wir jetzt entgegen dem Uhrzeigersinn die Landschaft um den eigentlichen Stadtkern. Klettert man von der Khazne aus in südlicher Richtung steil hoch, kommt man auf der Trasse einer alten Wasserleitung zu einer kahlen Hochfläche (el-Kantara) mit einigen natürlichen Felskuppen, in die Treppen und (Kult-?)Räume eingeschlagen sind. Geht man parallel zum Sik nach Osten, erreicht man nach wenigen hundert Metern über eine Rampe die »Vorstadt« el-Medras. Neben Heiligtümern, Idolnischen, Inschriften, Zisternen und Treppenwegen findet man viele Höhlenräume, aber keine Gräber. Der »Große Saal« war nach einer von vielen nabatäischen Inschriften »Duschara, dem Gott von Medras« geweiht. Im »Nischenfelsen« sind viele Idolnischen aneinandergereiht. Zu einigen führen Treppen empor. Das eigentliche Heiligtum von el-Medras, der »Treppenfelsen«, besteht aus einem kubischen Altar mit Stufen, Wasserbecken, Zisterne und Biklinium unter dem überhängenden Felsen einer kühlen Schlucht. Ein schwieriger Treppenweg führt von der Hochfläche in den Zarnuk el-Hiremiye, eine finstere Schlucht mit einem zwar außen verstürzten, innen aber erstaunlich gut erhaltenen Triklinium. Von dem Abstieg zur Khazne Fara'un ist abzuraten. Dagegen verbindet ein langer, teilweise getreppter, leicht begehbarer Weg el-Medras mit Bab es-Sik. Von hier aus kann man nach Norden den Tunnel vor dem eigentlichen Sik-Eingang durchschreiten. Durch ein Seitental nach links kommt man in ein Tälchen mit der »Adlernische«, einem versteckten kleinen Heiligtum. Dahinter erhebt sich das Massiv von el-Hubta, an dessen Fuß im Westen die »Königsgräber« liegen. Ein Treppenpfad, weithin sichtbar, weist zur Höhe. Man besteigt el-Hubta aber leichter vom Stadtgebiet aus. Dagegen erreicht man ohne Schwierigkeiten etwa 1 Kilometer nördlich vom Rasthaus das
Gebiet der Kreuzfahrerfestung el-Wejra, die von Osten und Norden her unbesteigbar war. Von dem genannten Punkt aus findet man durch unwegsames, stark durchschnittenes Gelände, zuletzt einen steilen Hohlweg hinaufkletternd, den rückwärtigen Zugang zur vielleicht ursprünglich nabatäischen, dann fränkischen Festung. Der Plan der Anlage, zu der auch eine Kirche gehörte, ist eindrucksvoller als die Mauerreste. Auf der Westseite findet man Treppenanlagen, die man wohl den Nabatäern zuschreiben darf, und große Wassersammelbecken. In der zum Burggraben erweiterten Schlucht im Osten diente ein durchtunnelter Fels als Mittelpfeiler einer einziehbaren Bohlenbrücke. Neuerdings hat man hier eine Steinbrücke gebaut.
El-Hubta – Heiligtum und Wasserleitung Vom »Urnengrab« und »Statthaltergrab« aus führen drei Treppenwege in verschiedenem Erhaltungszustand, von denen zwei ohne alpinistische Hilfsmittel zu begehen sind, auf die Hochfläche von el-Hubta. In einem Labyrinth von Felskuppen mit dazwischen eingelagerten Weide- und Ackerflächen mit prähistorischen Überresten stößt man auf kaum beschriebene Idolnischen und Kult- oder Wohnhöhlen. Auf der abgesetzten Gipfelplatte erkennt man die Fundamente zweier Gebäude, vermutlich von Wachttürmen. Etwas tiefer wurde das Wasser gelegentlicher Wolkenbrüche in großen, verschließbaren Reservoiren gesammelt. Am eindruckvollsten ist das Große Heiligtum von el-Hubta, eine Opferstätte mit Idolstein (Abb. 17), Vorhof, Treppe und einer mächtigen, früher überwölbten Zisterne. Die Treppe des Heiligtums ist ebenso gegen Westen gerichtet wie auf Zibb Atuf. Beim Abstieg zum »Urnengrab« blickt man direkt in die weit geöffnete Muschel des Theaters. Von hier aus entdeckt man am Fuß der steilen Felswand ein Heiligtum mit Duscharastein sowie extrem langer Treppe als Zugang und die gerahmten Reliefbüsten oberhalb der Kapitelle des »Urnengrabes«. 31
Abb. 17: Die wenigsten Besucher Petras ersteigen die nabatäischen Felsheiligtümer rundum auf den Gipfeln. Das Heiligtum von el-Hubta, hoch über den »Königsgräbern«, besteht aus einem Idolpfeiler, verschiedenen Treppenanlagen und Kulträumen.
Unter den Felsräumen nordöstlich vom »Statthaltergrab« ist ein Kulttriklinium mit Ablegeplätzen für Opfergaben erwähnenswert. Am interessantesten ist jedoch die Kult- oder Wohnanlage des »DorotheosHauses« mit einer rechteckigen, zum Eingang
Abb. 18: Das »Löwengrab« ist in Wirklichkeit ein Triklinium mit reichgeschmückter Fassade, das zu einem Grabkomplex in einer westlichen Seitenschlucht des Wadi ed-Der gehört. Links neben dem Eingang ein Idolpfeiler in Relief.
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hin offenen Steinbank in einem großen, hohen Felsensaal, der durch Fenster Licht und Luft erhält. Der Name des Besitzers ist zweimal in griechischen Buchstaben auf der Liegebank verzeichnet. Zur Anlage gehören mehrere »Heiligtümer« mit Idolsteinen und eine sehr sorgfältig gearbeitete tiefe Zisterne. An der nach NO streichenden Wand von elHubta weiterwandernd, gelangt man gegenüber dem Hang von el-Metaha mit einem riesigen, früher außen gestuckten Hegra-Grab zum Eingang einer Schlucht mit vielen gut erhaltenen Idolnischen. Dieser Sidd el-Ma'adschin ist die Mündung des Wadi Modlem, das mit Mühe durchschritten werden kann. Zugleich war er der Mittelpunkt einer ganzen Kultzone und eines Wasserführungssystems. Wo die Wand von el-Hubta nach Osten abbiegt, findet man nämlich einen Aquädukt, der das aus der Mosesquelle stammende und in einem Kanal durch das Wadi Scheb Kes gebrachte Wasser über eine tiefe Schlucht zu einem Kanal an der Felswand von el-Hubta führte, wo es schließlich vor dem Palastgrab eine Riesenzisterne füllte (s. S. 328).
Fassadengräber und Heiligtümer im Norden der Stadt
kennzeichneten. Riesige Zisternen speicherten das Wasser für trockene Jahreszeiten.
Nach Überschreiten des Wadi el-Metaha sieht man den nördlichsten Punkt der äußeren Stadtmauer, einen mächtigen Mauerring oder Turm um einen Felsbuckel mit auffällig vielen nabatäischen Scherben. Es handelt sich aber nicht, wie Horsfield annahm, um einen Kultplatz, sondern um einen hellenisierenden Rundturm innerhalb der Mauerzüge. Weiter östlich steht man am Abhang der Hügel von en-Nasara, des »Christenviertels«. Nichts erinnert an späte christliche Bewohner. Was sich unübersehbar vor uns erhebt, sind aus dem Felsen modellierte Fassadengräber im Hegra-Stil, deren Sandstein in der Spätnachmittagssonne ockergelb aufleuchtet. Eines davon zeichnet sich durch einen Waffenfries unter dem Giebel aus. Man kann sich ausmalen, daß Schilde, Waffenrock und andere Werkzeuge des Kriegshandwerks das Mausoleum eines nabatäischen Heerführers
Jenseits des Wadis Umm Sehun liegt das Turkmaniye-Grab in dem gleichnamigen Wadi. Die Vorderwand mit dem Eingang ist abgebrochen. Die Fassade ist in ihrem oberen Teil stark erodiert und unansehnlich geworden. Dennoch ist dieses Grab wichtig. Es trägt als einziges in Petra eine nabatäische Inschrift auf der Fassade und obendrein die längste nabatäische Inschrift überhaupt. Der Text bedroht jeden, der die Ruhe der Toten stört und Tote ohne die notwendige Erlaubnis bestattet. Weiter westlich auf den Ausläufern des Dschebel el-Me'esara hat man vor fassadenverzierten Gräbern geräumige Höfe aus dem Felsen geschnitten. Dalman fand hier fünf Felsheiligtümer. Hoch über dem Wadi liegt ein Freitriklinium, wo Familien, Klane oder Kultgemeinschaften feierlich tranken oder schmausten. Wadi Umm Sehun und Wadi Turkmaniye
Abb. 19: Zwischen ed-Der und dem Säulenvorhof des gegenüberliegenden Heiligtums erkennt man eine ovale Anlage, die ebensogut ein Teich wie ein Opferplatz oder eine Versammlungsstätte gewesen sein kann.
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Wirklichkeit einem Grabtriklinium mit kunstvoller Fassade und einem Idol-Pfeiler in einer Nische (Abb. 18). In weiteren zwei Seitenschluchten nach rechts sammelt sich Sickerwasser in den Tropfheiligtümern Kattar ed-Der und elHammam. Die kultische Bedeutung dieser Anlagen wird durch Idolnischen und Inschriften gesichert. Wenn man schon die Urne des Tempels von ed-Der sieht, darf man nicht achtlos an einer versteckten Seitenschlucht auf der linken Seite vorübergehen. Hier, in der »Klausenschlucht«, wie sie Dalman genannt hat, ließen sich zeitweise christliche Eremiten nieder. Ein Idolstein mit Stufen, Stibadium, Wasserbecken, Zisterne und feingestuckte Höhlenräume auf einer zweiten Terrasse der Bergwand kennzeichnen ein früheres nabatäisches Heiligtum oder eine Grabanlage.
Ed-Der: Tempel oder Kenotaph?
Abb. 20 a u. b: Detail von ed-Der: Scheibenmetope, Triglyphe und Hörnerkapitell.
vereinigen sich und münden beim Antentempel (Kasr) unterhalb von el-Habis in den Mosesbach. Wir gehen an dieser Stelle zum Wadi ed-Der in nördlicher Richtung aufwärts und gelangen auf vielfach getreppten Wegen durch künstlich ausgehauene Schluchten und Korridore zuerst zum »Löwengrab«, in 34
Vorbei an Höhlenräumen am schmalen Absatz einer fast senkrechten Bergwand mit eingeritzten Krückenkreuzen späterer christlicher Eremiten führt ein neuerdings instandgesetzter Weg auf die Hochfläche. Ein fast 40 Meter hoher »Tempel« zur Rechten ist vom Fundament bis zur Spitze einer neun Meter hohen, krönenden Urne aus dem anstehenden Fels gehauen (Abb. 19). Ed-Der war niemals, wie der arabische Name andeutet, ein Kloster, sondern entweder ein nabatäischer Tempel für den Hauptgott Duschara oder ein Kenotaph für einen postum vergöttlichten König. Eine in der Nähe gefundene Inschrift erwähnt jedenfalls den »göttlichen« Obodas. Später mag das Monument für kurze Zeit Mittelpunkt einer christlichen Einsiedelei gewesen sein. Über einen für Schwindelfreie begehbaren Steig klettert man zum Dach der Tholos hinauf, auf der sich ein gigantisches peträisches Hörnerkapitell und darüber die Urne erhebt. Bei diesem Aufstieg kann man die Bildhauerarchitektur der nabatäischen Steinmetzen bewundern, die Säulen, Pfeiler, Kapitelle, Triglyphen und Scheibenmetopen sehr geschickt aus dem gelblichen
Sandstein herausgearbeitet haben (Abb. 20 a u. b). Der kahle Innenraum hinter dem acht Meter hohen Portal enthält lediglich eine große Zentralnische, in der ebensogut ein Idolpfeiler wie eine Statue als Mittelpunkt des Kultes gestanden haben kann. In den heute leeren Fensternischen der Außenfront muß man sich Statuen oder Reliefs, über den beiden Flanken Akroterien, in der Mittelnische über der Tür das Abbild des vergöttlichten Königs vorstellen. Vermutlich wurde das Monument aber nie vollendet. Gegenüber öffnet sich auf der Höhe ein großer Kultsaal, ebenfalls mit einer Mittelnische, dazu aber den Resten eines Säulenvorhofes. Nur die Basen stehen noch; die Säulen selbst hat vermutlich schon frühzeitig ein Erdbeben umgestürzt. Zwischen den beiden Heiligtümern vermutet man eine ausgedehnte ovale Sitzanlage oder ein Wassersammelbecken. Zisternen, Höhlenräume, Inschriften, eine Tempelruine, ein Kamelrelief und am äußersten Westrand des Plateaus ein Kulttriklinium, von dessen idolgeschmück-
Abb. 21: In heute nicht erreichbarer Höhe finden sich an den Wänden der Siyagh-Schlucht kultische Steinritzungen.
tem Eingang man ebenso wie von der Höhe des Der-Tempels den Gipfel des Dschebel Harun sieht, sind nur ein Teil dessen, was man auf ed-Der entdeckt. Könnte man von hier direkt nach Westen absteigen, würde man die Fortsetzung des Mosesbaches erreichen, der sich zwischen turmhohen Klammwänden zum Wadi Araba hindurchwindet. Diese Siyagh-Schlucht, wie der Mosesbach hinter el-Habis heißt, begeht man einfacher von der Rückseite von elHabis aus. Hier blüht der Oleander im Frühling als übermannshoher Gebüschwald. In den Felswänden der Nordseite sind unzählige Wohnhöhlen etagenweise übereinander an-
Abb. 22: Die schönste Fassade von Petra erhebt sich im Sik von el-Barid über niedrigen Gelassen.
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geordnet, vielleicht Zeugnisse der ersten Besiedelung Petras. In einem solchen Höhlenraum sind Wände und Decken in pompejanischer Manier bemalt. Man findet auch spätere Gräber und Idolnischen, unter denen die »Isisnischen« über der rechten Schluchtseite aus dem 1. Jh. v. Chr. besonders interessant sind. Nach der ersten Biegung sind die Wände als Steinbruch genutzt und fast senkrecht abgeschlagen worden. Inschriften und Steinmetzzeichen, letztere in unwahrscheinlicher Höhe angebracht, begleiten den Wanderer (Abb. 21). Nach kurzer Zeit sprudelt Quellwasser an die Oberfläche des Bachbettes. Noch eine kurze Strecke und das Wasser hat sich in einem runden Becken gesammelt. Hier wachsen Feigen, Obstbäume und ein paar Weinstöcke. Dann verliert sich der Wasserlauf in schwer passierbaren Tiefen. Durch eines der Nordwadis, z. B. das Wadi el-Me'esara wasta, kann man zu Fuß, Esel
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oder Pferd das Wadi Abu Ruqa, die Ausgrabungsstätte einer nach Radiocarbon-Daten fast 9000 Jahre alten neolithischen Siedlung (Seyl Aqlat), die Ebene el-Beda mit einer antiken Zisterne, sowie den Sik el-Barid mit der schönsten Fassade Petras (Abb. 22) und einem der beiden erhaltenen antiken Fresken der Gegend besuchen. Ein in der Hitze des Tages beschwerlicher Weg führt von hier in nordöstlicher Richtung nach Dib'diba mit einer neu gefaßten alten Quelle und zur Wohnsiedlung der peträischen Beduinen am Westhang des Dschebel Umm Sehun – hoch über el-Beda und dem Talkessel von Petra – vorbei an der Kreuzfahrerburg el-Wejra und der Ortschaft Wadi Musa zum Rasthaus in Bab es-Sik. Auf diesem Weg haben wir zuletzt links vor uns die Ausgrabungsstätte des edomitischen Tawilan, das nordwestlich von Wadi Musa am sanft geneigten Hang angelegt war.
MANFRED LINDNER
Die Geschichte der Nabatäer
1 Historischer Kontext Gegen Ende des 4. Jahrhunderts vor der Zeitenwende kommen die verschiedensten Völker in Kontakt mit den Hochkulturen des Mittelmeerraumes. Von den Kelten, Illyrern, Thrakern, Skythen, Juden und Arabern entwickeln die arabischen Nabatäer eine besonders interessante »Randkultur«. Aus dem Nebel einer vagen frühgeschichtlichen Existenz als Nomadenstamm auftauchend, wachsen sie im Kampf und im Zusammengehen mit dem unwiderstehlichen Hellenismus ihrer Zeit in ein Staatswesen hinein, das sich lange eine erstaunliche Selbständigkeit bewahrt.
Eine schlanke Pfeilspitze aus Bronze, die man im Schutt der Felsenstadt zwischen dem Toten und Roten Meer gefunden hat, gehört zu der Art, die von den Griechen um das 6. bis 3. vorchristliche Jahrhundert verwendet
Kurz nachdem die Nabatäer im Jahr 312 v. Chr. historisch gesichert in Erscheinung treten, verlieren die Etrusker ihren Freiheitskampf gegen die Römer. Keltische Heere brechen nach Thrakien und Kleinasien ein und Germanen vom Stamme der Vandalen machen sich als erste in Südeuropa heimisch. Während die erste Erwähnung der Nabatäer mit dem Diadochenstreit nach dem Tod Alexanders des Großen (Abb. 1) zusammentrifft, ist ihr weiteres Schicksal mit dem lang dauernden Kampf um die Vormachtstellung zwischen dem ägyptischen Ptolemäerreich und den Seleukiden verbunden. Rom, das die beiden Nachfolgestaaten des Alexanderreiches ablöst, nimmt schließlich die Nabatäer in seine Arme. 2 Dramatischer Auftakt Als die Nabatäer zum ersten Male ins Rampenlicht der Geschichte traten, geschah dies bereits im engsten Zusammenhang mit Petra.
Abb. 1: Bildniskopf Alexanders des Großen. Frühes 3. Jh. v. Chr. (Württembergisches Landesmuseum Stuttgart).
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wurde.1 Die unscheinbare Waffe könnte ein Überbleibsel der ersten überlieferten Auseinandersetzung der Nabatäer mit einer Großmacht sein. Nach dem Tod Alexanders des Großen stritten seine Generäle um das riesige Reich. Antigonos Monophthalmus, der einäugige Herrscher über Kleinasien und Syrien, wurde zuerst von seinen früheren Mitstreitern Seleukos und Ptolemaios aus Syrien verdrängt. Dann jedoch eroberte er Syrien zurück und vertrieb die ptolemäischen Truppen. Jetzt schickte er – wie man annimmt, um anschließend Ägypten anzugreifen2 – seinen Feldherrn und Freund Athenaios mit 4000 Fußsoldaten und 600 Reitern gegen die Nabatäer. Diodorus Siculus, griechischer Historiker aus Cäsars Zeit, zitiert den Augenzeugenbericht eines gewissen Hieronymos von Kardia, der minuziös erzählt, wie Athenaios im Jahre 312 v. Chr. Petra überfiel.3 Während die kampffähigen Männer »einen Markt aufsuchten«, nahm der Grieche »einen Berg, sehr schwer zu bezwingen, aber ohne Mauern«, wo die Nabatäer ihre wertvollen Besitztümer, sowie ihre Alten, Frauen und Kinder zurückgelassen hatten. Weihrauch und Myrrhe, die hauptsächlichen Handelsgüter der Nabatäer, und 500 Talente Silber fielen den Angreifern in die Hände. Der Triumph sollte nur von kurzer Dauer sein. In einem nächtlichen Überfall auf das nachlässig bewachte Lager des Feindes vernichteten die inzwischen zurückgekehrten Nabatäer das griechische Heer und holten ihren Besitz zurück. Nur 50 Reiter entkamen. In kluger Einschätzung der griechischen Übermacht boten die Nabatäer am nächsten Morgen brieflich einen Waffenstillstand an. Demetrios, des Antigonos Sohn, marschierte jedoch mit 4000 Fußsoldaten und mehr als 4000 Reitern erneut gegen Petra. Auch dieses Mal siegten die nunmehr wachsam gewordenen Nabatäer. Dann erkauften sie sich mit Geschenken den Frieden. Bei dem Angriff der Griechen soll der Asphalt eine wichtige Rolle gespielt haben. Dieses Erdpech stieg angeblich zu bestimm38
ten Zeiten aus den salzigen Tiefen des Toten Meeres auf, das man im Altertum Mare Asphaltitis nannte. Die Mischung aus Gestein und Bitumen, von der man noch heute große Lager an den Ufern findet, wurde von den Nabatäern mit Booten eingesammelt und vor allem nach Ägypten geliefert, wo man Asphalt zum Einbalsamieren, beim Schiffsbau und zur Herstellung von Arzneien verwendete. Antigonos hatte Hieronymos von Kardia, den Gewährsmann Diodors, beauftragt, die Nabatäer aus dem Asphaltgeschäft zu verdrängen. Auch hier kamen die Griechen nicht zum Ziel. In einer Art Seeschlacht auf dem Toten Meer wurde Hieronymos vertrieben. Antigonos mußte sein Vorhaben, die Nabatäer zu unterwerfen, aufgeben.4
3 Arabischer Ursprung Wer waren die Nabatäer und woher stammten sie? Diese Frage ist, so faszinierend auch die Antwort wäre, nie eindeutig beantwortet worden. Nur Indizien deuten ihren Ursprung an. Ihre erste »Note«, nämlich das Schreiben an Antigonos nach dem nächtlichen Überfall, war, so berichtet Diodor, in aramäischer Sprache abgefaßt.1 Auch auf ihren späteren Inschriften und Münzen bedienten sie sich dieser Verkehrssprache ihrer Zeit. Zeitgemäß war auch ihre Schrift; sie stammte – aus dem phönizischen Alphabet entwickelt – von der Kanzlei des Perserreiches.2 Arabisch sind jedoch die nabatäischen Namen, die uns überliefert sind. Diodor und Josephus, ihre Zeitgenossen, bezeichnen die Nabatäer wohl zu Recht schlechthin als »Araber«.3 Vermutlich sind sie irgendwann aus Süd- oder Mittelarabien nach Nordwesten vorgedrungen und haben dabei wie andere Nomaden vor und nach ihnen die Sprache der seßhaften Bevölkerung angenommen. Daß dieses Aramäisch nur für religiöse Zwecke, für Inschriften und Aufzeichnungen gebraucht wurde, während das Volk einen arabischen Dialekt sprach, ist unwahrscheinlich, wird aber neuerdings mit guten Gründen behauptet. Man kann sich schwer vorstellen, daß ein Volk innerhalb von 200 Jahren eine eigen-
ständige Kultur entwickelt, ohne schon vorher Spuren hinterlassen zu haben. Tatsächlich stoßen wir im Alten Testament auf eine frühe jüdische Überlieferung: »Und das sind die Namen der Kinder Ismaels, davon ihre Geschlechter genannt sind: der erstgeborene Sohn Ismaels Nebaioth; Kedar, Adbeel, Mibsam, Misma, Duma, Massa, Hadar, Thema, Jetur, Naphis und Kedma ... in ihren Höfen und Zeltdörfern, zwölf Fürsten und ihre Leute« (Gen. 25, 13–16). Ismael, Sohn Abrahams von der Hagar, gilt als die Verkörperung beduinischer Stämme. Die Kinder Ismaels sind zum größeren Teil als Kleinvieh- und später Kamelnomaden, aber auch als Händler und Räuber identifiziert worden, die später zwischen Ägypten und Mesopotamien am Rande der Zivilisation lebten. 4 Esau nimmt als eponymischer Vertreter der Jägerkultur im Sinne seines Vaters Isaak die Tochter Ismaels und Schwester Mahalath des Nebaioth zum Weib (1. Mose 28, 9). Kein Wunder, daß der Name Nebaioth ein zweites Mal auftaucht. Für den jüdischen Propheten Jesaja gehören die Nebaioth zu den Heiden, die nach der Verheißung dem rechtgläubigen Zion gehorchen sollen: »Alle Herden von Kedar sollen zu dir gebracht werden und die Widder Nebaioths sollen dir dienen« (Jes. 60, 7). Leider weiß niemand genau, ob diese biblischen Nebaioth (Nabaioth oder Nabuthaei) mit den Nabatäern identisch sind, die sich im Jahre 312 v. Chr. des einäugigen Antigonos zu erwehren haben5 und die bei den griechischen Schriftstellern Nabataioi oder Nabatenoi heißen. Die Assyrerkönige Tiglatpilesar III., Sargon II. und Sanherib (745–681) notierten unter den Stämmen der Wüste, die ihnen Tribute
leisteten, die Nabaiti (Na-ba-a-a-ti). Auch ihre Identität mit den späteren Nabatäern ist nicht gesichert. Dagegen können die von Assurbanipal (668 bis 627) als bestraft vermeldeten Nabatu oder Nabayti Vorfahren unserer Nabatäer gewesen sein. Als Nebukadnezar 587 v. Chr.
Jerusalem zerstörte und die Judäer nach Babylon verschleppte, haben diese Nabatu vielleicht im heutigen Hedschas gelebt.6 Von hier brauchten sie nur der Weihrauchstraße am Westrand der Arabischen Halbinsel zu folgen, um die Fruchttäler Edoms zu erreichen. Eine solche Wanderung wurde möglich, als Nebukadnezar das nördliche Arabien eroberte, den Handel an sich riß und damit zum Untergang anderer arabischer Stämme beitrug. Tatsächlich wurde der Perser Kambyses II. um 525 v. Chr. auf seinem Marsch nach Ägypten bereits von einem »Araberkönig« mit Kamelen und Wasser versorgt. Nur durch diese Hilfe konnte er das wasserlose Wegstück zwischen Palästina und Ägypten überwinden. Die Araber (Qedrener? Nabatäer?) waren »Freunde der Perser« und brachten dem Großkönig ein jährliches »Geschenk« von 1000 Talenten Weihrauch ein. An der Wende zum 5. Jahrhundert waren sie schon zu einem Küstenstreifen zwischen Gaza und Pelusion vorgestoßen, kontrollierten also eine der Endstationen der Weihrauchstraße. Leider läßt Herodot ihre Herkunft völlig im Dunkeln. Wir wissen aber, daß auch von späteren Schriftstellern unter »Arabern« oft die Nabatäer verstanden wurden.7 Sicherer ist ein anderer Hinweis. Bei der Eroberung der Stadt Gaza durch Alexander den Großen wurden die Gazäer von einem Manne namens Batis unterstützt, der ihnen, wie Plutarch überliefert, »arabische Hilfstruppen« zuführte. Da wir wissen, daß die Nabatäer im Jahre 312 bereits in Petra saßen, ist es durchaus möglich, daß die – übrigens erfolglosen – Verteidiger Gazas Nabatäer waren.8 Was immer man auch von der Identität der Stämme halten mag, deren Namen dem der historischen Nabatäer ähneln oder die lediglich als »Araber« bezeichnet wurden, am arabischen Ursprung der n b t, der »Leuchtenden« oder »Hervorsprießenden«, wird heute ebensowenig gezweifelt9 wie an ihrer Stammesverwandtschaft mit den übrigen 39
Völkern semitischer Sprache einschließlich der Juden.10 Von diesen letzteren waren sie allerdings zeitlich, geographisch, religiös und kulturell längst unüberbrückbar getrennt, als ihr Aufstieg begann.
4 Erben der Edomiter In ihrem neuen Wohngebiet zwischen Midian im Süden und Moab im Norden traten die Nabatäer das Erbe der Edomiter an, die im Zuge der aramäischen Wanderung um das 13. Jahrhundert die Horiter (auch: Hurriter)vertrieben haben sollen.1 Eine frühere bronzezeitliche Kultur vom 23. bis 18. Jahrhundert, die auch von ägyptischen Aufzeichnungen her bekannt ist, war zu dieser Zeit längst untergegangen. 2 Etwas reichere Spuren hinterließen die Edomiter, die vermutlich seit dem 13. Jahrhundert im Lande lebten, aber erst seit dem 8./7. Jahrhundert archäologisch faßbar sind. Der Niedergang Edoms hing mit dem jüdischen Brudervolk zusammen. Grund der Feindschaft zwischen beiden war aber nicht die später formulierte Überlieferung, Edom hätte den Juden den Durchzug ins »gelobte Land« verweigert. In Wirklichkeit war das damalige Einsickern der Juden wohl unmerklich erfolgt. Worum es wirklich ging, waren die Kupfer- und Eisenerzlager in den Randgebieten des Wadi Araba3 und die Karawanenstraßen vom Süden Arabiens nach dem Mittelmeer und nach Mesopotamien. Diese Handelswege sind uralt. Zwischen Petra und einer nördlichen Vorstadt el-Beda hat Diana Kirkbride in einer protoneolithischen, vorkeramischen Schicht Obsidiangeräte ausgegraben, die nur aus der Gegend von Catal Hüyük in Zentralanatolien stammen können.4 Sie müssen in der ersten Hälfte des 7. Jahrtausends von dort gebracht worden sein.5 Später, um 2000 v. Chr., wurden in Feinan, zwischen Petra und dem Toten Meer, von den Ägyptern Kupfererze abgebaut und geschmolzen.6 Noch später rühmte sich Tuthmosis III. (um 1500 v. Chr.), er habe Lapislazuli aus Persien auf dem Landweg beschafft. 40
Die spätere »Weihrauchstraße« der Nabatäer mit dem Hauptendpunkt Gaza existierte schon in voredomitischer Zeit. Ägypten bezog seit langem aus Südarabien Weihrauch und Myrrhe. Das kostbare Handelsgut kam zumeist auf dem Landweg entlang dem Roten Meer nach Norden. Die gleiche Route benützten später die Midianiter auf ihren berüchtigten Raubzügen mit Kamelreitern. Die »Straße der Könige«, einen bronzezeitlichen Verkehrsweg, bewachten die Edomiter gegen die Nomaden der Wüste (4. Mose 20, 17).7 Edom, das solche Wege zwischen der Arabischen Halbinsel, dem Mittelmeer und Ägypten beherrschte, war auch Nutznießer des Handels, der diesen Wegen folgte. Lange dauerte seine Blütezeit nicht. Nach einer schweren Niederlage, die es um 1000 v. Chr. von König David im »Salztal« hinnehmen mußte, hat es sich nie wieder zu überlegener Größe erhoben. Der mächtige Bezwinger der Seevölker machte Edom zu einer Provinz seines Reiches. Auch später konnte das kleine judäische Reich, das nach dem Tode Salomos durch die Abtrennung Israels entstanden war, Edom im Griff behalten.8 Im 8. Jahrhundert eroberte König Amazja von Juda »Sela«, erschlug 10 000 Edomiter und ließ 10 000 weitere von der Spitze eines Berges herunterstürzen. Die Götterbilder der Besiegten schleppte er nach Jerusalem, wo sie im Tempel neben Jahwe angebetet wurden (2. Kg. 14, 7; 2. Chron. 25, 11–14). Außer seinen Kriegern und Göttern verlor Edom auch seinen Rotmeerhafen beim heutigen Akaba; zumindest mußte es sich die Einrichtung einer judäischen Handelskolonie gefallen lassen (2. Kg. 14, 22). In dem für beide Parteien ungünstigen Streit wechselten Perioden der Auflehnung mit solchen der Unterwerfung unter judäische Statthalter. Als sich im Jahre 732 Juda und Israel angesichts der assyrischen Bedrohung entzweiten, verloren die Judäer ihren Rotmeerhafen wieder an die Edomiter. Zu dieser Zeit gab es bei diesen einen König namens Kausmalik. Der Göttername Kaus (Qos, Qaus) taucht später als Personenname bei den Nabatäern wieder
auf und erweist die Kontinuität Edoms als assyrisch-babylonischer Vasall9. 587 v. Chr. zerstörten die Babylonier Jerusalem. Nach dem Zusammenbruch Judas drangen die Edomiter in südjudäisches Gebiet ein, das später als »Idumäa« ihren Namen bewahrte. Die Judäer schürten den Haß. Wortführer der Kampagne wurde Obadja, der das Ende Edoms beredt prophezeite: Die in den Felsenklüften, in den hohen Schlössern wohnten, würden herunterstürzen, sollten sie auch in die Höhe fahren wie Adler und ihr Nest zwischen den Sternen machen! Maleachi läßt schließlich den Herrn sagen, daß er Esau haßt, sein Gebirge öde und sein Erbe den Schakalen zur Wüste gemacht hat. Scherbenfunde und Ausgrabungen beweisen, daß es mit Edom im 6. Jh. zu Ende ging. 10 Waren es die Babylonier, die Perser, der arabische Stamm Qedar, eine nordarabische Stammeskoalition oder die Nabatäer selbst, die Edom überfielen? Oder stürmten ganz einfach nomadische Stämme in das verlassene Edom ein? Wir wissen nur, daß schließlich nicht die Juden, sondern die Nabatäer vom Falle Edoms profitierten.11
5 Eine Stadt im Fels Vor ihrer Ankunft in Edom werden die Nabatäer auf den Straßen, die von Arabien zum Mittelmeer führen, geraubt, gehandelt, transportiert und Karawanen gegen Entgelt mehr oder weniger erpresserisch bewacht haben. Sie benützten bereits das einhöckerige Kamel oder Dromedar, das um 1000 v. Chr. den Esel als Last- und Reittier abgelöst hatte (Abb. 2). Erst dadurch war echtes Nomadentum in der Wüste, aber auch lukrativer Fernhandel durch die Wüste möglich geworden. Entlang der alten Handelswege wanderten sie – möglicherweise über das assyrische Duma (heute: Djof) und durch das Wadi Sirhan – in die fruchtbaren Länder Palästina-Syriens ein. Sie mußten zuerst Edom erobern, ehe sie eine Chance hatten, nach Kanaan vorzudringen. Im Gegensatz zu den Juden haben sie es nie erreicht. Der Schwerpunkt ihres Reiches blieb der gleiche wie der Edoms.1 Im Gebirge
Abb. 2: Tönerne Kamelfigurine, wahrscheinlich ein Votiv, aus Petra.
Se'ir, den Scherabergen, östlich des Wadi Araba hatten sich die edomitischen Städte Bosrah (heute Buseirah) und Tawilan (bibl.: Teiman, Theman oder Teman(?) 2 , sowie Sela C3 , der »Fels« erhoben. Buseirah liegt etwa 50 Kilometer nördlich von Petra nahe der alten »Straße der Könige« am Rande des edomitischen Hochlandes. Tawilan, eine umfangreiche Ruinenstätte nordöstlich von Eidschi (heute: Wadi Musa), ist durch Scherbenfunde identifiziert4 und 1969 ausgegraben worden. Was man an Vorratsgefäßen, Steinmühlen, Sicheln und Messern aus Eisen sowie an feiner Keramik bisher gefunden hat, paßt zum Bild eines vorwiegend Ackerbau treibenden Gemeinwesens. Über das biblische SelaC der Edomiter gehen die Meinungen auseinander. Vor allem weiß man nicht, ob es mit jenem »Berg, sehr schwer zu bezwingen, aber ohne Mauern« identisch ist, den die Nabatäer später als Fliehburg benützten. Es gibt in der Tat mindestens zwei Örtlichkeiten, die der Beschreibung Diodors entsprechen. 41
Abb. 3: Fliehburg es-SelaC bei Buseirah, vom jetzigen Dorf es-SelaC aus gesehen.
Abb. 4: Zisternenöffnung und Zuleitungskanal auf der Hochfläche von Umm el-Biyara.
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Acht Kilometer südwestlich von Tafileh, unweit Buseirah, sieht man von dem vermutlich auf antiken Fundamenten erbauten Dorf es-SelaC , das in seinem Namen die aramäische Bezeichnung für Fels (»SelaC«) bewahrt, in ein tiefes Tal hinunter, aus dem sich steil wie eine Burg ein zerklüfteter Fels erhebt (Abb. 3). 300 Meter klettert man in das Wadi el-Hirsh hinab und dann wieder 175 Meter in die Höhe, bis man das Gipfelplateau des Felsens erreicht. Die einzige Stelle, die den Aufstieg ohne alpinistische Ausrüstung erlaubt, ist eine versteckte Schlucht, die auf einem eindrucksvollen Treppenweg begangen werden kann. Wo dieser auf dem Gipfelplateau endet, konnte ein Tor geschlossen und mit starken Balken versperrt werden. Ein Felsturm, mit Mauerwerk verstärkt und mit einer Zisterne oder Vorratsgrube versehen, wachte über dem Eingang, der überdies von zwei im Winkel angelegten, aus dem Fels gehauenen Koridoren kontrolliert werden konnte. Auf der mit Felsbuckeln durchsetzten Gipfelfläche fand der Verfasser bei viermaliger
Abb. 5: 300 m erhebt sich der mächtige Bergstock Umm el-Biyara über dem Kessel von Petra. Er hat vielleicht der Stadt ihren Namen gegeben.
Inspektion mehr als 20 runde Zisternen mit gestuckten Wänden, zu denen ingeniös angelegte Wasserrinnen führen. »Felshäuser« sind z. T. aus dem Fels geschlagen, z. T. aus Steinen erbaut gewesen. Glueck, einer der drei oder vier Europäer, die den Berg früher besuchten, hat in einem der Häuser die Reste bunter Fresken gesehen.5 Die vorspringenden Felsbastionen mit bearbeiteten Rändern, von denen man den gegenüberliegenden Hang bis zur Höhe des heutigen Dorfes es-SelaC überblickt, könnten Wachttürme getragen haben. In einer Höhle befindet sich außerdem eine Art Steinthron, möglicherweise ein »Gottesthron« (s. S. 271–285). Nach den gefundenen Keramikfragmenten könnte der schon früher befestigte Berg esSelac auch in edomitischer oder frühnabatäischer Zeit als Fliehburg gedient haben. 6 Ebenso wie diese nur ein paar Kilometer vom antiken Bosrah (heute: Buseirah) entfernt lag, hatte auch das schwer zu verteidigende
Tawilan, am sanften Hang des Talkessels von Eidschi (heute: Wadi Musa) gelegen, in wenigen Kilometern Entfernung eine fast uneinnehmbare Zufluchtstätte. Diese zweite Örtlichkeit, die der Beschreibung Diodors entspricht, muß in oder bei Petra gesucht werden. Das Stadtgebiet selbst, d. h. der Felsenkessel, in dem später die glänzende Hauptstadt der Nabatäer entstand, ist kein »Berg, sehr schwer zu bezwingen«. Im Nordwesten der Einrahmung des Kessels erhebt sich jedoch ein Bergstock mit fast senkrechten Wänden, der heute Umm el-Biyara (»Mutter der Zisternen«) heißt, 300 m über das Stadtgebiet (Abb. 5). Von den etwas höheren Nachbarbergen aus erkennt man eine begrünte, nach der Stadt zu leicht abfallende Gipfelfläche. An einer einzigen, versteckten Stelle der mit vier Etagen von Gräbern gekennzeichneten Südostwand, führt eine enge, früher mit einem Tor verschlossene Schlucht zur Höhe. Von zwei 43
Abb. 6: Relief mit girlandenhaltenden Eroten und (im Hintergrund) großes Architekturstück auf der Hochfläche von Umm elBiyara oberhalb der antiken Stadt. Ähnliche Bauplastik hat man auch im Temenos, vielleicht im Zusammenhang mit Altar und Tor gefunden.
pfeilförmig auf das Ende des Aufstiegs zulaufenden Felskorridoren konnte der Zugang verteidigt werden. Die Mannschaften, die in Notzeiten für diesen Zweck bereitstanden, könnten in einem großen Höhlenraum auf der Nordterrasse gehaust haben. Hier gibt es jedoch beiderseits einer Zisterne Kulträume
Abb. 7: Am Westrand des Gipfelplateaus von Umm elBiyara befindet sich in einer versteckten Schlucht dieses nabatäische Heiligtum. Über den Idolnischen konnten mittels der »Anbindlöcher« Votivgaben befestigt werden. Die verwitterten Inschriften in Griechisch und Nabatäisch betreffen vermutlich Bitten um glückliche Reise und Wiederkehr.
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unbekannter Bedeutung, die durch aufwendige Vorbauten erweitert und verschönert waren. Ebenso wie Kulträume und Idolnischen auf zwei Südterrassen zeigen sie, daß in Petra die Berge dem Kult ebenso wie der Verteidigung dienten. Ein gewundener, mit vielen Treppen und einigen Idolnischen versehener Weg erreicht schließlich das Gipfelplateau. Schon die Menge der hier mühelos auflesbaren Scherben aus edomitischer und nabatäischer Zeit verrät die Bedeutung des Berges. Auf der tiefer gelegenen Ostseite des Plateaus sind sieben oder acht große, birnenförmige, gestuckte Zisternen, wie sie Diodor in dem Bericht über die Ereignisse von 312 v. Chr. beschreibt, so angeordnet, daß alles Regenwasser durch steinerne Rinnen in die Öffnungen floß. Einige der vier Meter tiefen Zisternen enthalten heute noch Wasser (Abb. 4). An der Nordostflanke des Berges findet man Säulentrommeln und die prächtig skulptierten Steine eines nabatäischen Tempels oder Palastes, dazu dralle Eroten im Relief, die Girlanden halten (Abb. 6). In einem Felsbuckel befindet sich eine Kultnische und in einer kleinen, sehr versteckten Schlucht am westlichen Rand unter einem gestürzten Felsen ein einzigartiges Heiligtum mit Idolnischen und nabatäischen und griechischen In-
Schriften einschließlich einer Widmung für Zeus-Duschara. Vermutlich sind es Bitten um glückliche Wiederkehr (Abb. 7). Wesentlicher für den geschichtlichen Zusammenhang sind die aus Steinen sorgfältig erbauten Häuser, die Crystal-M. Bennett in der Mitte des Gipfelplateaus ausgegraben hat. Die geborgenen Gefäße und ein Siegelabdruck des edomitischen Königs Qos-Gabr erlauben zweifelsfrei die Datierung in das 7. Jahrhundert. Keramik aus der Zeit Amazjas hat man allerdings nicht gefunden7 (Abb. 8). Im Gegensatz zu diesen Häusern konnte die Stadt Petra erst entstehen, als die winterlichen Sturzfluten des Mosesbaches vom Eingang des Sik, der Schlucht, durch die er in die Stadt kam, abgelenkt waren. Vorher konnte nur der Bereich um Umm el-Biyara, wohin man sich bei Überfällen zurückziehen konnte, die erste bleibende Ansiedlung sein. Den Anfang der Stadt hat man sich als einen befestigten Platz mit einer Quelle zwischen Umm el-Biyara, der Siyagh-Schlucht und el-Habis vorzustellen.8 Die Wohnhöhlen dieser Gegend, insbesondere die der nördlichen Siyagh-Wand, waren wohl die ersten »Häuser« Petras. Der leicht zu verteidigende Halte-, Lager- und Umschlagplatz am Schnittpunkt von Weihrauchstraße und »Straße der Könige« mußte jedem Volk, das diese Straßen beherrschte, Reichtum und Macht bringen. Tatsächlich haben die Nabatäer sehr frühzeitig die Handelsstraße Petra–Gaza–Rhinokolura (heute: el-Arish) kontrolliert und Petra zum Hauptumschlagplatz für südarabische Waren nach Syrien, Mesopotamien, Parthien und Ägypten ausgebaut. Weil ihre Konkurrenten, Gerrhäer, Sabäer und Minäer, die ptolemäischen Besitzungen in Syrien, Phönizien und Ägypten selbst belieferten, mußten die Nabatäer wohl oder übel mit den Seleukiden paktieren.9 Erst allmählich zogen sie – vielleicht begünstigt durch die Beschränkung des phönizischen Handels seit den Tagen Alexanders des Großen – den Handel zwischen den drei bekannten Erdteilen an sich. Gold, Kupfer, Eisen, Textilien, Elfenbein, Sklaven, Getreide, Gewürze, darunter be-
Abb. 8: Häuser aus edomitischer Zeit auf dem Gipfelplateau von Umm el-Biyara. Crystal Bennett hat hier das Siegel eines edomitischen »Königs« des 7. Jh. ausgegraben.
sonders Pfeffer, vor allem aber die Aromata Weihrauch, Myrrhe und Balsam gingen durch ihre Hände, bereicherten sie und brachten sie in Kontakt mit der zivilisierten Welt der Antike. 10 Vorher hatten die Eindringlinge vieles von den Edomitern und deren zeitweiligen Herren, den Judäern, übernommen, Bei den meisten Wachttürmen, Erzlagern, Schmelzanlagen und Zisternen der frühen Eisenzeit fanden sich neben edomitischen Scherben auch solche nabatäischer Produktion und nabatäische Münzen als Zeugnisse der Machtübernahme. Hatten die Nabatäer in der Metallverarbeitung und Töpferei manches von den Edomitern gelernt, so gerieten sie jetzt – im dritten vorchristlichen Jahrhundert – unter den Einfluß des seleukidischen Hellenismus. Vielleicht war es nur die Überheblichkeit des 45
DIE PETRÄISCHEN TRIKLINIEN Triklinien nannten die Römer nach den drei im offenen Rechteck stehenden Klinen (Sofas), auf denen sie »zu Tische lagen«, ihre Speisezimmer. In Pompeji hat man ein gemauertes Garten-Triklinium gefunden. Bezeichnung und Sitte stammten aus Griechenland. Ähnlich wie in einem Hypogäum in Alexandria und in römischen Mithräen schlugen die Peträer ihre Triklinien aus dem Felsen. Die Steinbank war nach dem Eingang zu offen und konnte beiderseits über Stufen bestiegen werden. Man bediente vom Innenraum her; an den drei Innenkanten ist immer eine besonders sorgfältig bearbeitete Leiste abgesetzt. Gelegentlich öffnet sich gegenüber dem Eingang eine Mittelnische, vermutlich für eine Darstellung des Gottes oder des Toten. Triklinien findet man in Petra bei Heiligtümern (Zibb Atuf), bei Gräbern (hinter el-Habis, neben der Khazne, im »Löwengrab«, in ed-Dschredda) sowie in oder bei Felswohnungen (»Dorotheos-Haus«). Hin und wieder fehlt die dritte Steinbank; man spricht dann von einem Biklinium (el-Medras). Zur Benutzung waren die Felsbänke natürlich mit Decken oder Fellen bedeckt. Es gibt Freitriklinien (auf el-Me'esara, hinter el-Habis, auf Zibb Atuf); die meisten sind aber in Höhlenräumen eingehauen. Über die Entstehungszeit der Triklinien Petras ist wenig bekannt. Keines ist exakt datierbar. Manchmal, z. B. bei Grab 813, hat man Triklinium und Gräber zu gleicher Zeit in einem Raum eingerichtet. Manfred Lindner
vielseitigen, aber bei den Nabatäern erfolglosen Hieronymos von Kardia, daß er sie als unzivilisierte Nomaden hinstellte. Im Gegensatz zu seiner Behauptung, sie befolgten das Gesetz, kein Korn zu säen, keinen Fruchtbaum zu pflanzen, keinen Wein zu trinken und kein Haus zu bauen, waren die Nabatäer jener Zeit keineswegs ohne Kultur. Die Ausgrabungen von G. und A. Horsfield in den dreißiger Jahren11 haben das ebenso bewiesen wie diejenigen von Parr12, der 1964 unter der Säulenstraße der späteren Stadt frühnabatäische Häuser aus dem Beginn oder der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. entdeckt hat. Die Höhe Zantur südlich der Stadtmitte war schon seit dem Ende des 4. Jahrhunderts besiedelt, und die erste Maueranlage aus hellenistischer Zeit muß nach Stärke und Umfang bereits eine volkreiche Stadt umschlossen haben. Die Bewohner Zanturs und der späteren Stadt haben einen großen Schutthügel (elKatute) hinterlassen, der den Archäologen noch manche Überraschung bieten wird. 46
Schon die wenigen Grabungen, die bisher möglich waren, brachten wichtige Hinweise. Man verwendete z. B. neben einheimischer Töpferware auch importiere rhodische Krüge und attische Schalen aus der Zeit um 300 v. Chr. Das beweist Handelsbeziehungen mit Hellas und ein langsames, wenig gestörtes Anwachsen nabatäischer Bedeutung seit der Mitte des 4. Jahrhunderts.
6 Zwischen Seleukiden und Juden Über die nächsten 150 Jahre des nabatäischen Volkes schweigt die Geschichtschreibung. Man scheint sich mit den jeweiligen Machthabern arrangiert zu haben. Es ist, als ob eine schöpferische Ruhe die formative Periode der nabatäischen Kultur einleitet. Die stärkste Beeinflussung erfahren die Nabatäer von der hellenistischen Welt. Außer vielleicht den »Gerichtsstelen« erinnert wenig an Südarabien. Neo-Assyrische Einflüsse kann man höchstens beim Zinnenmotiv, ägyptische vielleicht bei der Hohlkehle der Grabfassaden, bei den Gedenkstelen für Verstorbene in
der Form von Spitzpfeilern, bei den IsisNischen hoch über der Siyagh-Schlucht, an der Khazne und beim Kultbild im Wadi Waqit annehmen. Eigentlich pharaonische Traditionen haben die Ptolemäer offenbar nicht exportiert.1 Um 280 v. Chr. wurde Iambulos, gebürtiger Nabatäer, durch eine phantastische Erzählung über den »Sonnenstaat« bekannt. Diodor berichtet über seine Abenteuer. Als Sohn eines Kaufmannes durchzog er ganz Arabien bis zum Weihrauchland, wurde nach Äthiopien verschleppt, nach Indien verschlagen und gelangte schließlich zu den »Inseln der Seligen«, zum Sitz des Sonnenstaates. Kurz darauf gelang es Ptolemaios II. Philadelphos, den Nabatäern den Seehandel im Roten Meer zu entreißen. Der Handel zu Land blieb jedoch unter ihrer Kontrolle.2 Das ganze dritte vorchristliche Jahrhundert hindurch kämpften Ptolemäer und Seleukiden um die Vorherrschaft im Vorderen Orient. Im Jahre 259 berichtete der ägyptische Agent Zenon über das Ansteigen der Getreidelieferungen im Zusammenhang mit den »Leuten des Rabel«. 3 Später hört man von »Arabern«, die nur Nabatäer gewesen sein können. Während des vierten Syrischen Krieges (219 bis 217) schlössen sich nämlich arabische Stämme dem Seleukiden Antiochos III. an und entrissen zuammen mit ihm Philadelphia, das einstige Rabbat Ammon (heute: Amman) den Ptolemäern. Auch die angeblich 10 000 »Araber«, die bei Kriegsende unter dem Kommando eines gewissen Zabdidelos dem seleukidischen Heer angehörten und in diesem Verbände Gaza, den Endpunkt der Weihrauchstraße erobern wollten, werden mindestens teilweise Nabatäer gewesen sein.4 Am Ende siegten die Seleukiden. Den Nabatäern brachte dieser Ausgang des langen Krieges reichen Gewinn. Als Antiochos III., der Große, im fünften Syrischen Krieg (201 bis 195) dem Ägypter Ptolemaios V. Epiphanes endgültig ganz Palästina-Syrien und erneut Gaza entriß, verloren die vorher Ägypten hörigen südarabischen Stämme an Be-
deutung. Der Handel mit Weihrauch und anderen Aromata wurde ein nabatäisches Monopol. Ziemlich genau 300 Jahre lang sollte von nun an der auf allen Altären der Mittelmeerländer verbrannte Weihrauch durch die Hände der Nabatäer gehen und dort goldene Spuren hinterlassen. In Petra hat Parr 1959 unter dem Pflaster des Cardo eine phönizische Münze aus dem 3. Jh. v. Chr. entdeckt. Eine zweite erwarb der Verfasser 1973 von einem Beduinen. Eine Münze des Seleukiden Antiochos III. hat man auf dem Berg Tannur südöstlich des Toten Meeres in einem der Triklinien gefunden, wo die Pilger das Opfermahl verzehrten – bescheidene Zeugnisse des einst blühenden Handels.5/6 Trotz dieses Aufschwunges hört man erst um 169 v. Chr. von einem Feind der Nabatäer, einem gewissen Hyrkan, Sohn des Tobiaden Joseph, der es mit Ägypten hielt. Er zog nach Transjordanien, lebte im Wadi Sir (Irak elAmir) bis zur Thronbesteigung von Antiochos IV. und gab sich dann selbst den Tod. Er sollte nicht der einzige Judäer sein, der über den Jordan floh. 169 v. Chr. bat der griechenfreundliche »Hohepriester Josua (Yehosu) in der Ammoniter Land« bei einem »König Aretas« um Schutz (2. Makk. 5,8). Der Judäer hatte mit dem Seleukiden Antiochos IV. Epiphanes »dem eigentlichen Vollstrecker des griechischen Machtwillens« (Kastein) sympathisiert und seit 174 als Jason in Jerusalem griechische Sportstätten eingerichtet. Durch den damit verbundenen Körperund Götterkult machte er sich beim orthodoxen Teil der Bevölkerung und bei der Priesterschaft verhaßt. Als er auch noch die Gunst des Seleukiden verlor und sein Versuch scheiterte, sich Jerusalems zu bemächtigen, floh er zu den Nabatäern, wurde aber »verklaget vor Aretas, der Araber König, daß er von einer Stadt in die andere fliehen mußte und nirgends sicher war«. Tatsächlich suchte er in Ägypten, bei den Feinden der Seleukiden, Zuflucht und starb in Sparta im Exil (2. Makk. 4 und 5). Es empfiehlt sich, an dieser Stelle die politische Lage zu überdenken. Nach dem Sieg des 47
DIE FELSHEILIGTÜMER PETRAS Die Felsheiligtümer Petras aus nabatäischer Zeit folgen einem Schema, das nach den örtlichen Umständen variiert wurde. Man findet Felsbuckel von einigen Metern Durchmesser, die lediglich durch eingeschlagene Stufen zum »Gottesthron« gemacht wurden. Diese vielleicht älteren Heiligtümer Petras sind landschaftlich so reizvoll gelegen, daß man glauben könnte, sie seien allein wegen der Schönheit der Ortlichkeit errichtet worden. Tatsächlich gehörte es aber zum Wesen der frühen arabischen Heiligtümer, »in der Wildnis«, d. h. in einem Stück unberührter und tabuierter Natur zu liegen. Felsheiligtümer waren Opferplätze. Bei den großen Opferplätzen auf und unterhalb von el-Hubta ist aus dem Felsen ein pfeilerförmiger Stein (Betyl) herausgearbeitet; auf Zibb Atuf ist daraus ein freistehender Altar geworden. Man kann einerseits verschiedene Formen von Felsheiligtümern unterscheiden, andererseits eine Entwicklung von primitiveren zu differenzierteren unterstellen. Stein oder Fels und Treppen gehörten auf jeden Fall dazu, ebenso offenbar ein Wasserbehälter. Häufige zusätzliche Einrichtungen sind Sitz- und Liegegelegenheiten für die Opfermahlzeit in Form von Triklinien und Biklinien, Kochstellen (Stibadien) und Ablageplätzen für Opfergaben. Über die vorislamischen Kulte der arabischen Völker ist wenig bekannt. Man darf jedoch annehmen, daß das Opfertier geschächtet und sein Blut über den heiligen Stein gegossen oder gestrichen wurde. Anschließend kochten und verzehrten die Teilnehmer der Opferhandlung gemeinsam das Fleisch. Wie noch heute bei der Kaaba in Mekka gehörten wahrscheinlich Umzüge oder »Umgänge« um das Heiligtum zur Kulthandlung (Abb. 9 und 10). Manfred Lindner
dritten Antiochos über die Ptolemäer bei Paneion (198 v. Chr.), wurden Syrien und Mesopotamien geeint. Schon glaubte man an die Wiederherstellung des Reiches Alexanders des Großen. Von der Hauptstadt Antiochia strahlte griechischer Einfluß in die umgebenden Länder und Völker aus. In Syrien stellten die Griechen die Führungsschicht und Griechisch war die Amtssprache. Die Angehörigen der obere Schichten lernten Griechisch, gaben sich griechisch und wurden Griechen, weil man den Barbaren nicht nach Herkunft und Hautfarbe sondern nach Bildung und Sitte bestimmte.7 So versteht man, daß auch Jason sich an der Spitze einer Griechenpartei als Vorkämpfer des neuen Geistes im Orient fühlte. Als die Hellenisierung bei den Juden auf Widerstand stieß, schlug Antiochos IV. Epiphanes, derselbe, der in Athen mit dem Bau des Olympieíons begann, schärfere Töne an. 48
Im Jahre 168 v. Chr. ließ er Jerusalem besetzen und oberhalb des Tempels eine Festung erbauen. Der Tempel selbst wurde wie in anderen Städten dem olympischen Zeus geweiht, seine Statue (mit den Gesichtszügen des Seleukiden) auf den Altar gestellt, ihm zu Ehren ein Schwein geopfert und ein griechisches Ritual eingerichtet, das die Verehrung des »Erschienenen Gottes« als Staatskult gebot. Schließlich wurde das Feiern des Sabbats, die Einhaltung der Speisevorschriften und die Beschneidung bei Todesstrafe verboten. Diese Maßnahmen lösten die Revolution aus. Ein Angehöriger des Priesteradels, der Hasmonäer Mattathias trat an ihre Spitze. Zusammen mit seinen fünf Söhnen, vor allem dem dritten Sohn Judas Makkabaios, dem »Hämmerer«, brachte er eine Volkserhebung zustande. Er befreite in einem »heiligen Krieg« ganz Palästina und erreichte, daß
Die Khazne Fara'un ist das Mausoleum eines nabatäischen Königs um die Zeitenwende. Die Fassade gehört zum Schönsten, was aus dem Altertum erhalten blieb.
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Zwischen der Khazne und der Öffnung des Kessels von Petra gibt es einige besonders eindrucksvolle Fassadengräber. Zinnengrab und Stufengrab stehen hier nebeneinander.
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der Tempel von Jerusalem (164) gereinigt und der Jahwekult wiederhergestellt wurde. Im gleichen Jahre starb Antiochos IV. während eines Feldzuges gegen die Parther. Zu dieser Zeit sympathisierten die Nabatäer mit den Nationalisten. Der von den Juden erbittert geführte Partisanenkrieg gegen die Seleukiden konnte den angrenzenden Nabatäern nur nützen. Die jüdischen Freiheitskämpfer profitierten ihrerseits von nabatäischen Informationen und von der Möglichkeit, auf nabatäischem Gebiet Zuflucht zu finden. Diese jüdisch-nabatäische Zusammenarbeit war jedoch nur von kurzer Dauer. Nach dem Tode seines Bruders Judas, der (160 v. Chr.) bei Elasa von dem seleukidischen Feldherrn Bacchides vernichtend geschlagen worden war, übernahm Jonathan das Kommando über die jüdische Aufstandsbewegung gegen die seleukidischen Herren Syriens. Seine Aussichten waren angesichts des Todes von Antiochos IV. (164 v. Chr.) und des Fehlens eines tatkräftigen Nachfolgers nicht schlecht. Um sich für die Guerillatätigkeit in den Salzsümpfen nördlich des Toten Meeres beweglicher zu machen, schickte er seinen Bruder Johannes mit dem Troß »zu seinen Freunden, den Nabatäern«. Die Rechnung ging jedoch nicht auf. Johannes entging zwar den Truppen des neuen seleukidischen Herrschers Demetrios I. Soter, wurde aber bei Madeba von den »Kindern Jambri« überfallen und umgebracht. Die überlebenden Brüder Jonathan und Simon rächten seinen Tod. Als die »Kinder Jambri« eine Hochzeit feierten und in großem Pomp die Braut abholten, überfielen die Juden den Hochzeitszug, »schlugen viele tot, daß die übrigen ins Gebirge fliehen mußten und raubten alle ihre Güter« (1. Makk. 9, 35-40). Wer die »Kinder Jambri« waren, hat der französische Orientalist Clermont-Ganneau in einer scharfsinnigen Untersuchung ans Tageslicht gebracht. Die Mörder des Johannes – bei Josephus die »Söhne des Amaraeus« – entpuppten sich als die »Beni Ya'amrou«, ein nabatäischer Stamm oder Klan in der Ge-
Abb. 9: Kleines Felsheiligtum auf dem Hubtaplateau mit Treppenzugang, Idolstein, Nische und Wasserbecken, das durch einen Kanal gefüllt wird.
Abb. 10: Heiligtum mit Idolstein, zu dem eine lange Treppenanlage führt. Im Hintergrund das Theater von Petra.
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gend von Madeba, der noch im Jahre 40 n. Chr. einen Strategen gleichen Namens hervorbrachte. Die Braut, die von »Gabatha« abgeholt werden sollte, muß die Tochter eines vornehmen Nabatäers, vielleicht aus Rabbath Ammon (heute: Amman), gewesen sein.8 Eines wird aus der verwickelten Geschichte klar: Nabatäische Klans beherrschten um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts bereits Moab. Man könnte spekulieren, ob der Angriff auf die jüdischen Partisanen in syrischem Auftrag geschehen oder einer der üblichen Raubüberfälle war. Tatsächlich waren die Nabatäer in jedem Falle die Benachteiligten. Jonathan nützte nämlich die Nachfolgeschwierigkeiten in Syrien zum Vorteil der Juden aus und wurde schließlich sogar eine Art Vasall der Syrer, bis ihn der Vormund des sechsten Antiochos, Tryphon, in seinem Lager ermorden ließ. Sein Bruder Simon erzwang später als Hohepriester die Kapitulation der syrischen Garnison von Jerusalem und (141 v. Chr.) die Unabhängigkeit Judäas. Kehren wir zurück zu den Nabatäern. Um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts beherrschen sie nicht nur wichtige Teile des Ostjordanlandes. Auch westlich und südwestlich des Toten Meeres, auf der SinaiHalbinsel und im Negev sind sie angesiedelt. Immer öfter hört man jetzt von ihnen. Unter der Führung eines Nabatäers z. B. eroberten bereits vor 150 v. Chr. die Lihyan die Karawanenstadt Dedan (heute: el-Ola) südöstlich von el-Hegr (Hegra), dem südlichsten Punkt des nabatäischen Teiles der Weihrauchstraße.9 Wenn Antiochos IV. Epiphanes 169 v. Chr. seinen Feldzug nach Ägypten nicht mit Schiffen von nordsyrischen Häfen aus durchführte, können ihm nur die Nabatäer geholfen haben, seine Truppen über die Küstenstraße oder durch den Negev zu bringen. Hier im Negev bei Khalasa (Elusa), auf der Karawanenstraße von Petra nach Gaza, kündet eine Inschrift, die vor dem Jahre 150 v. Chr. entstanden sein soll, von »Aretas, König der Nabatäer«. Man hat diesen Aretas, den Zeitgenossen des griechen52
freundlichen Jason – beide Namen sind gräzisiert: Jason war ursprünglich Josua (Yehosu), Aretas hieß in der Sprache seines Volkes Haretat – an die Spitze der nabatäischen Königsliste gesetzt.10 In der Bibel (2. Makk. 5, 8) heißt er »Aretas, Alleinherrscher (tyrannos) der Araber«. Das wird bedeuten, daß Nabataea bereits als unabhängig galt. Solche Eigenständigkeit zeigte sich auf einem anderen Gebiet. Um diese Zeit hatte sich nämlich die nabatäische Schrift schon von ihrem aramäischen Vorbild gelöst.
7 Die ersten Könige Aretas I. regierte zu einer Zeit, als die Nabatäer immer mehr vom Importbedürfnis der Mittelmeerwelt profitierten. Sie brachten außer den kostbaren Erzeugnissen Südarabiens auch die auf dem Seeweg ankommenden Waren Ostafrikas und Indiens zu den Häfen des Mittelmeeres. Während die arsakidischen Fürsten die Seidenstraße beherrschten, verlief der Haupthandelsweg zwischen Arabien und Mittelmeer durch nabatäisches Land. Über Gerrha, Teima und Tebuk kamen die Karawanen vom Persischen Golf 1 , über Mekka und el-Hegr vom Yemen und von Hadramaut. Von den Häfen Leuke Korne und Akaba gelangten auf dem Landweg diejenigen Güter nach Petra, die mit kleineren Schiffen auf dem Roten Meer dorthin transportiert werden konnten. Die Waren für Ägypten beförderte man durch den Negev nach Rhinokolura (heute: El-Arisch), Griechenland und Italien wurden über die Häfen von Gaza und Askalon beliefert. Syrien erreichte man über Rabbath Ammon, das Zweistromland über Bostra (heute: Bosra) und Palmyra 2 oder von Ma'an aus quer durch die Wüste. Ihre Handelswege haben die Nabatäer militärisch gesichert und geheimgehalten. Niemand konnte ihnen ihr Monopol streitig machen, solange sie nicht besiegt waren oder solange man nicht neue Verkehrswege erschlossen hatte. Trotzdem verdankten sie ihren Erfolg nicht allein eigener Kraft, son-
dem dem Verfall der Diadochenreiche in Ägypten und Syrien. Tragischerweise traf ihr Aufstieg mit der Expansion Roms zusammen, das die Querelen der vorderasiatischen Dynasten seit einiger Zeit nach Kräften unterstützte, aber schon um 190 v. Chr. dem Eroberungskrieg des seit Seleukos I. bedeutendsten Seleukiden Antiochos III. des Großen bei Magnesia im westlichen Kleinasien ein Ende machte. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts vor der Zeitwende schwächten sich Ptolemäer und Seleukiden schließlich so sehr, daß sie »durch die ewigen Kämpfe verbraucht, auch von ihren Nachbarn verachtet und zur Beute der vorher unkriegerischen Araber wurden«. Diese griffen, wie der Schriftsteller Trogus Pompeius zur Zeit des Augustus weiter berichtet, unter ihrem König Erotimus und seinen 700 Kriegern einmal Ägypten und einmal Syrien an und machten ihren Namen bei den ausgebluteten Nachbarn berühmt.3 Wer war dieser König Erotimus? Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde der Name Erotimus oder Herotymos aus Aretas bzw. der aramäisch-nabatäischen Fassung Haretat verballhornt. Gibt man dem vorhergehenden Aretas die Zahl I, muß dieser Erotimus als Aretas II. bezeichnet werden. Seine Raubzüge hat er dann um die Wende vom 2. zum 1. Jahrhundert ausgeführt. Seine Regierungszeit setzt man auf ca. 120 bis 96 v. Chr. an.4 Münzen im Stil üblichen Geldes des Nahen Ostens hat Aretas IL als erstes Zeichen von Unabhängigkeit prägen lassen. Aretas II. regierte nach dem Tod des letzten starken Königs auf dem Seleukidenthron, Antiochos VII. Sidetes. Danach gab es nur schwache, kurzlebige Herrscher und einen Thronstreit nach dem anderen. Nutznießer dieses Niedergangs waren nicht allein die Nabatäer; auch die Juden konnten aufatmen. Aus der Freiheitsbewegung des Judas Makkabaios war ein Expansionskrieg geworden. Hatte Simon Jerusalem befreit, so eroberte sein Sohn Johannes Hyrkan (I.) (135–104) die Hafenstadt Joppe (Jaffa). Er besiedelte sie mit Juden und annektierte dann Samaria und Skythopolis (heute: Beth Shean) südlich des
Sees Genezareth. Außerdem unterjochte er die Idumäer und zwang sie zur Bekehrung. Das gleiche glückte seinem Sohn Aristobul (I.) mit den Ituräern von Galiläa. Ihren Höhepunkt erreichte die Aktivität der Hasmonäer, wie man die Familie nach ihrem Ahnherrn Hasmon nannte, jedoch mit dem jüngeren Bruder, dem »griechisch gebildeten Weltmann, Despoten und Krieger« Alexander Jannaios. Die lange Regierungszeit (103–76) des später trunksüchtigen und gewalttätigen Königs war so sehr von Kriegen, Terror und Intrigen erfüllt, daß man ihm Größe, wenn auch besonderer Art, nicht absprechen kann. Den Nabatäern versetzte er den größten Schlag. Er entriß ihnen Landstriche östlich des Jordans und des Toten Meeres einschließlich Madebas und bemächtigte sich der Hafenstadt Gaza. Damit waren die Negev-Städte Oboda (heute: Avdat) und Khalasa (oder Elusa, heute: Chalutza) zusammen mit diesem Teil der Weihrauchstraße bedeutungslos geworden. Aretas IL hatte sich, um den Zugang zum Mittelmeer nicht zu verlieren, mit den Gazäern verbündet, konnte die Eroberung durch Alexander Jannaios (96) aber nicht verhindern. Das Königreich Judäa – Aristobul hatte sich als erster der Hasmonäerfamilie den Titel »König« zugelegt – war zu dieser Zeit stärkste Militärmacht und führende Nation im südlichen Syrien.5 Erst dem Sohn von Aretas II., Obodas I. (oder: Oboda, Abodat) gelang es (um 90 v. Chr.) den judäischen König zu schlagen. Zu dem Sieg südlich des Sees Genezareth sollen vor allem die nabatäischen Kamelreiter beigetragen haben. 6 Obodas I. eroberte auch die Städte im Negev und den Handelsweg nach Gaza zurück. Mit raffinierten Methoden der Wassergewinnung und Bewässerung, die heute wieder studiert werden, machten, wie Glueck meint, nabatäische Bauern und Viehzüchter aus der unfruchtbaren Gegend Ackerland und sicherten zugleich ihren wichtigsten Handelsweg ans Mittelmeer. Möglicherweise sind diese Vorgänge aber später zu datieren.7 Schließlich wurden auch der Hauran und das Dschebel-Druze-Gebiet nabatäisch. 53
In einem Triklinium vor dem Sik von Petra hat man eine Inschrift entziffert, die auf Obodas I. bezogen werden kann: ». . . dies ist der Saal, den Aslah, Sohn des Aslah, machte dem Duschara, Gott des Manbatu (?), für das Leben (oder: zu Lebzeiten) Obodas', Königs der Nabatäer, Sohnes des Haretat, Königs der Nabatäer, im 1. Jahr . . . « 8 Wie Josephus berichtet, wurde der Seleukide Antiochos XII. Dionysos im Kampf gegen einen »Araberkönig« getötet, als er der zurückweichenden nabatäischen Reiterei nachsetzte. Der Tod des Syrers entmutigte seine Truppen und schenkte den Nabatäern den Sieg. 9 War dieser Sieger Obodas? Wir erfahren dazu von Stephanus Byzantinus aus dem verlorenen Werk des Uranios, daß ein König der Araber namens Rabilos bei der Schlacht von Motho (oder: Mote) den »Makedonier Antigonos« getötet habe. Setzt man für Antigonos Antiochos, dann wäre ein Rabel (Rabilos) (I.) Obodas I. auf dem Thron gefolgt.10 Pater Germer-Durand hat 1898 in Petra unweit des Antentempels den Sockel einer Statue gefunden, die vermutlich Rabel I. gewidmet war. Die schwer zu lesende Inschrift bezeichnet Rabel als Sohn des Obodas (Abb. 11). 1 1
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Die Regierungszeit des ersten Rabel muß kurz und ereignislos gewesen sein. Mit seinem Bruder und Nachfolger Aretas III. (87–62) begann für Nabatäa (oder »Nabatene«) eine neue Ära. Aus den Wirren des untergehenden Seleukidenreiches waren in Palästina-Syrien drei Völker mit Expansionsgelüsten hervorgegangen: Judäer, Nabatäer und Ituräer. Letztere, im Libanon und Antilibanon beheimatete Araber, waren als Räuber ebenso gefürchtet wie als geschickte Bogenschützen gesucht. Eine ihrer Dynastien, Hohepriester von Heliopolis und Fürsten von Chalkis, hatte die Länder nördlich und südlich Damaskus unterworfen und die Stadt wirkungsvoll umzingelt.1 Von den letzten Seleukiden ungenügend unterstützt und selbst nicht in der Lage, sich zu verteidigen, beriefen die Damaszener (84 v. Chr.) den Nabatäerkönig zu ihrem Schutzherrn. Der Besitz von Damaskus (84–72 v. Chr.) und Coelesyrien bedeutete einen beträchtlichen Machtzuwachs. Aretas III. drang nach Judäa ein und schlug den alternden Alexander Jannaios bei Adida an der Mittelmeerküste. Nach dem Sieg verzichtete er auf weitere Eroberungen und schloß einen regelrechten Frieden. Wie es scheint, blieb jedoch die
Abb. 11: Inschrift auf dem Sockel einer Statue von Rabel I.
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Aretas III., »Freund der Griechen«
Grenzfestung Machaerus am Ostufer des Toten Meeres im Besitz des Hasmonäers.2 Aretas III. gab sich auf den Münzen, die er prägen ließ, den Beinamen »Freund der Griechen«. In griechischen Buchstaben liest man »Basileus Aretas Philhellenos«.3 Dieses erste eindeutig nabatäische Geld – frühere Münzen mit einem behelmten Kopf auf der Vorder- und einer Nike auf der Rückseite können nicht exakt datiert werden – stammte von den Syrern. Der König ließ, wie es scheint, die in Damaskus vorgefundenen Bronzemünzen des Seleukiden Demetrios III. Eukairos mit seinem Bild und Namen versehen. Auf der Rückseite war Tyche mit Palmzweig abgebildet.4 Sicher hat der »unwiderstehliche Hellenismus« seiner Zeit auch den nabatäischen Herrscher beeinflußt. Seine Münzen ahmen seleukidische und ptolemäische Vorbilder nach.5 In der Felsarchitektur Petras ist griechischer Einfluß nicht zu verkennen. Griechen, auch hellenisierte Orientalen, mögen als Künstler und Handelspartner mit den Nabatäern zusammengearbeitet haben. Im Krieg gegen die Judäer setzte Aretas statt aus dem Hinterhalt operierender Streitscharen bereits regelrechte Truppenkörper ein, die möglicherweise von Griechen geführt wurden.6 Freilich – der Beiname Philhellenos wurde auch formell verwendet, wenn orientalische Herrscher, z. B. Mithradates I . , über griechische oder hellenisierte Untertanen geboten. Für sie wird sich Aretas III. als Schutzherr empfohlen haben. Die Münzen mit nabatäischer Schrift tragen seinen Beinamen nicht. Unter Aretas III. erreichte Nabatäa bereits die größte Ausdehnung seiner Geschichte. Die Nabatäer kontrollierten ein Gebiet, das sich von Mittelarabien (el-Hegr – seit 65. v. Chr. –, Leuke Korne, Taima, el-Ola) bis nach Madeba und (zeitweilig) Damaskus im Norden und bis zu den Grenzen Ägyptens im Westen erstreckte. Neue Städte, wie Bostra (heute: Bosra) wurden gegründet, um die Verbindung Petra–Damaskus zu sichern.
Dabei setzten sich die Nabatäer endgültig im Hauran fest, wo sich eine besondere, von der peträischen etwas abweichende Kultur entwickelte. Als Alexander Jannaios durch erbitterte Aufstände in Judäa von weiteren Expansionen abgehalten wurde, verschob sich das Gleichgewicht bald zugunsten der Nabatäer, die ihre moabitischen und galaditischen Länder samt den Festungen zurückerhielten.7 In dieser Zeit wuchs Nabatäa zu einem Staat, mit dem auch seine überlegenen Nachbarn rechnen mußten. Einer dieser Nachbarn war Rom. Der Zusammenstoß mit Rom geschah, als man in Petra großzügige Baupläne verwirklichte. Bei der späteren Säulenstraße hat Parr eine mächtige Terrasse entdeckt, auf der sich die Südstadt erhob (Abb. 12). Sie stammt nach gefundenen Münzen und Gefäßen aus der Mitte des ersten Jahrhunderts vor der Zeitwende und könnte in den letzten Jahren von Aretas III. begonnen worden sein. 8 Um die gleiche Zeit fing man an, die dünne, feinbemalte Töpferware herzustellen, die für die kommenden Jahrhunderte der Nabatäer kennzeichnend wurde. Nur wenige, ursprünglich arabische Fähigkeiten entwickelten sich dabei. Vielmehr hat der Kontakt mit dem Seleukidenreich im Beginn des 1. vorchristlichen Jahrhunderts und mit dem römischen Syrien seit 64 v. Chr. zu einer stürmischen Hellenisierung geführt, die nicht nur Herstellung, Form und Bemalung der nabatäischen Keramik beeinflußte9, sondern vielleicht auch zu Planung und Bau des sog. Conway Tower beitrug. Im dritten Mithradatischen Krieg mußte Damaskus (um 72) von den Nabatäern geräumt werden, als Tigranes von Armenien, Freund und Bundesgenosse der Parther, Syrien angriff und besetzte. Sechs Jahre später griff Aretas III. zu einem, wie sich später herausstellte, sehr ungünstigen Zeitpunkt in den erbärmlichen Bruderstreit der Söhne des Alexander Jannaios und der Königin Alexandra ein. Der König von Judäa war 76/75 v. Chr. verstorben, nachdem er 27 Jahre regiert 55
Abb. 12: Südlich des Cardo führten Freitreppen zu den Gebäuden der eigentlichen Stadt, die sich auf einer stattlichen, gemauerten Terrasse erhob.
und seit Adida den Nabatäern schon wieder zwölf moabitische Städte und einige Häfen entrissen hatte.10 Seine Söhne waren durch Charakter und politische Position zur Feindschaft verurteilt. Der jüngere Aristobul (II.) hatte das heftige und herrschsüchtige Wesen des Vaters; der ältere Hyrkan war lahm und vielleicht schwachsinnig.11 Die Mutter Salome Alexandra war nicht schlecht beraten, als sie den schwächlichen Thronerben nur als Hohepriester einsetzte und selbst regierte, aber ihr unerwarteter Tod (69 v. Chr.) brachte dennoch beide Söhne an die Spitze des Staates. Jetzt betrat ein Mann die Bühne, von dem und dessen Nachkommen eine ungeheure, für die Nabatäer letztlich verderbliche Dynamik ausging. Antipater (oder: Antipatros, Antipas) stammte aus Idumäa. Schon sein Vater Antipas war als Statthalter Idumäas reich und einflußreich gewesen und hatte durch den Karawanenhandel enge Beziehun56
gen zu Nabatäern, Gazäern und Askalonitern.12 Antipater erbte außer diesen Vorteilen auch einen in der ursprünglich edomitischen Fürstenfamilie traditionellen Führungsanspruch. Obendrein war er mit Kypros (oder: Kypron) verheiratet, die aus einer edlen idumäischen oder nabatäischen Familie stammte. Vermutlich schmiedete er, obwohl oder weil Idumäer und damit Angehöriger eines Volkes, das erst zwei Generationen vorher mit brutaler Gewalt zum Judentum bekehrt worden war, ehrgeizige Pläne, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Herrschaft über ganz Judäa abzielten.13
9 Jerusalem und Rom Alexandra lag noch auf dem Sterbebett, da bemächtigte sich Aristobul des Oberbefehls, besiegte die Truppen seines unselbständigen Bruders, schloß ihn im Tempelgebiet von Jerusalem ein und zwang ihn zum Verzicht auf Krone und Hohepriesterschaft. Anti-
pater, der sich für seine Zwecke mehr davon versprach, den schwachen Thronerben in seinem Sinne zu beeinflussen, als von dem tatkräftigen Anwärter abhängig zu sein, überredete den unentschlossenen Hyrkan, sich die Hilfe des Nabatäerkönigs zu erkaufen und so den Thron von Judäa zu gewinnen. In der Nacht verließen beide heimlich Jerusalem, suchten Aretas III. in seiner Residenz Petra auf und boten ihm die Rückgabe der zwölf Städte an, die Alexander Jannaios zuletzt erobert hatte. Aretas III. nahm den Vorschlag an, zog zusammen mit den Truppen Hyrkans ins Feld und besiegte mit einem Heer von angeblich 50 000 Mann die Truppen Aristobuls. Im Frühling des Jahres 65 v. Chr. belagerte er ihn im befestigten Tempelbezirk von Jerusalem, wo kurz vorher Hyrkan eingeschlossen gewesen war.1 Die ehrgeizigen Pläne Antipaters schienen fast verwirklicht, als eine unerwartete Wendung eintrat. Inzwischen hatte nämlich Pompeius (106– 48), mit dem Oberkommando im ganzen Mittelmeer betraut, dem dortigen Seeräuberunwesen ein Ende bereitet, dann als Nachfolger Luculis Mithradates IV. besiegt und Tigranes von Armenien unterworfen. Aretas III. belagerte zusammen mit Hyrkan dessen Bruder Aristobul, als Pompeius nach Syrien zog. Noch ehe der römische Oberbefehlshaber nach Jerusalem kam, bestellte er als Rechtsnachfolger des Seleukidenreiches seinen Legaten M. A. Scaurus zum Schiedsrichter über die querulierenden Vasallen. Sowohl Aristobul wie Hyrkan baten um die Unterstützung ihrer Sache und schickten Geschenke. Scaurus entschied sich für den freigebigeren Aristobul, der sich bereits zum König gemacht hatte und im Besitz der Festung von Jerusalem war. Dem Nabatäerkönig befahl er abzuziehen, wenn er nicht zum Feinde Roms erklärt werden wollte.2 Jetzt wurde das wahre Größenverhältnis der streitenden Parteien offenbar. Aretas III. wich vor der bloßen Drohung zurück und marschierte mit seinen Truppen nach Philadelphia (heute: Amman). Die alte Haupt-
stadt der Ammoniter, Rabbath Ammon, muß lange unter nabatäischem Einfluß gestanden oder den Nabatäern gehört haben. Lankester Harding hat 1943 in Amman ein nabatäisches Grab und darin zwei porzellandünne nabatäische Schalen mit typischer Bemalung gefunden, die aus den Jahrzehnten vor oder nach der Zeitenwende stammen. 3 Des Scaurus Entscheidung mußte noch von Pompeius, der inzwischen (64/63) nach Damaskus gekommen war, bestätigt werden. Wieder schickten die streitenden Parteien Geschenke, wieder trat Antipater für Hyrkan ein. Aristobul benützte die Abwesenheit des Römers, um gegen Hyrkan und Aretas vorzugehen. Bei Papyron besiegte er (64) die Truppen seiner Gegner. 6000 ließ er niedermachen, darunter Phallion, den Bruder Antipaters. Vielleicht von Aristobul durch das Geschenk eines goldenen Weinstockes im Wert von 500 Talenten besänftigt, vielleicht auch auf die Eroberung Ägyptens bedacht, zögerte Pompeius die endgültige Entscheidung hinaus. Er wollte den Streit erst schlichten, wenn die Nabatäer für ihr Eingreifen in den judäischen Thronstreit bestraft waren. Aretas wich einem Kampf aus und hätte lieber verhandelt. 4 Scaurus befand sich aber schon auf dem Marsch nach Petra. Hyrkan und Antipater versorgten (63 v. Chr.) in strikter Loyalität die römischen Truppen, die nabatäische Felder verwüsteten, aber den Nabatäern keine entscheidende Niederlage beibringen konnten. Schließlich begann man zu verhandeln. Aretas III. erkaufte sich die Unabhängigkeit durch einen Tribut von 300 Talenten, für die ein Legat des Scaurus (Antipater?) in dessen Auftrag die Bürgschaft übernahm. Über das Ergebnis des Feldzuges sagt Josephus, Scaurus habe dem Krieg ein Ende gemacht, weniger weil Aretas dies wünschte, sondern weil er selbst danach verlangte.5 Vermutlich ging es den Römern damals auch weniger um die Eroberung einer abgelegenen Karawanenstadt als um einen vorzeigbaren Sieg und um kommerzielle Vorteile. Pompeius führte in seinem späteren Tri57
Abb. 13: M. A. Scaurus, Legat des Pompeius, rühmte sich nach der Annexion Syriens auch eines (niemals errungenen) Sieges über die Nabatäer. Auf einer Gedenkmünze ließ er Aretas III. neben einem Kamel knieend mit einem Olivenzweig als Zeichen seiner Friedfertigkeit abbilden. Die Umschrift lautet REX ARETAS, M. SCAUR. AED CUR. EX S. C.
umphzug Aristobul und dessen Sohn Antigonos in Ketten, Aretas aber lediglich im Abbild mit. Scaurus rühmte sich (58) auf einer Gedenkmünze seines Sieges über die Nabatäer. Aretas III. ist darauf kniend mit einem Olivenzweig als Zeichen seiner Friedfertigkeit neben einem Kamel abgebildet 6 (Abb. 13). Ein weiterer Grund für die schnelle Bereitschaft der Römer zu einer friedlichen Einigung mit Aretas war die Hartnäckigkeit Aristobuls, der in Judäa neue Kriegsvorbereitungen traf. Pompeius setzte die aus Nabatäa zurückgekehrten Truppen sofort gegen den ]udäer ein, der sich zuerst in Alexandrium verschanzte, dann aber in Jerusalem den Römern in die Hände fiel. Seine Anhänger verteidigten sich drei Monate lang in Jerusalem gegen die mit allen Mitteln römischer Kriegskunst geführte Belagerung. Im Herbst des Jahres 63 v. Chr. – an einem Sabbat – wurde die Tempelfestung im Sturm genommen. 12 000 Juden, darunter die Priester, die bis zuletzt unbeirrt ihre Pflicht getan hatten, sollen dabei umgebracht worden sein. Hyrkan wurde zum Hohepriester und Ethnarchen bestellt, die Krone wurde ihm genommen. Aristobul spielte nach seinem Auftreten im Triumphzug des Pompeius (61 v. Chr.) 7 noch eine abenteuerliche Rolle. Landesverweser wurde Antipater, der Idumäer, durch den Rom in Judäa herrschte. Im Zuge der Neuordnung Vorderasiens machte Pompeius das bisher von Unruhen und Thronstreitigkeiten erfüllte Syrien zur Pro58
vinz und übergab sie Scaurus. Der neue Bestandteil des römischen Reiches umfaßte die Länder vom Taurusgebirge und vom Euphrat bis zur arabischen Wüste und zu den Grenzen Ägyptens. Auch die ganze phönizisch-philistinische Küste gehörte zu ihr. Ausgeklammert waren Judäa, Idumäa und Nabatäa.8 Von den dreien verblieb den Nabatäern am meisten Unabhängigkeit. Judäa und Idumäa gehörten praktisch zu dem gleichen Protektorat, dem sich die kleinen Fürsten und Könige der Provinz zu unterwerfen hatten. Das galt auch für die von Scaurus »befreiten« hellenistischen Städte zwischen dem Hauran und dem Toten Meer, die sich unter römischer Oberhoheit zur sog. Dekapolis vereinigten, einem losen Bund von ursprünglich 10, später 12 Städten, zu denen Pella, Damaskus, Gerasa, Gadara, Philadelphia und Bostra gehörten. Auch die Küstenstädte Gabae, Dora, Apollonia, Gaza, die Alexander Jannaios, sowie Joppe und Jamnia, die seine Vorgänger an sich gerissen hatten, erhielten – unter römischer Oberhoheit – ihre Unabhängigkeit wieder. Hyrkan behielt lediglich den ländlichen Kern des ursprünglichen Königreiches Judäa. 9 Als Pompeius auf die Nachricht vom Selbstmord Mithradates' VI. Eupator von Pontus den Nahen Osten verließ, hatten die Nabatäer unter Aretas III. den römischen Sturm recht gut überstanden. Der nabatäische Handel wurde durch die neue Ordnung in Syrien vielleicht sogar gefördert. Von 51 in Gerasa (heute: Dscherasch) gefundenen Münzen aus
den Jahren 285 v. bis 117 n. Chr. waren 24 nabatäisch und 21 davon stammten aus der Regierungszeit von Aretas III. Außerdem beziehen sich mehrere Votivinschriften in dieser Stadt auf den »Arabischen Gott« Duschara. Auch in Petra selbst, genauer am Rande des Bachbettes vor dem Sik-Eingang, hat man neuerdings einen Hinweis auf Gerasa gefunden. Bei einigen Spitzpfeilern in Relief (»nefesh«), wie sie zur Erinnerung an Verstorbene üblich waren, berichtet eine Inschrift von einem Nabatäer, der in »Garschu«, d. h. in Gerasa gewesen war. Die Straße über Gerasa nach Damaskus und dem Hauran war übrigens nicht die einzige Verbindung nach Norden. Nabatäische Inschriften auf dem alten Karawanenweg durch das Wadi Sirhan in der arabischen Wüste zeigen, daß der nördliche Reichsteil von Mittelarabien auch auf diese Weise erreicht werden konnte.10 Anonym bleibt der nabatäische König der nächsten Jahre. Jedenfalls hören wir, daß die Nachfolger des Scaurus von 61 bis 48 v. Chr. sich nicht nur jüdischer Rebellionen sondern auch des Eindringens ihrer »arabischen Nachbarn« erwehren mußten. Für diese Zeit schiebt man einen Obodas II. ein, der ein Sohn des dritten Aretas gewesen sein müßte. Diese Thronfolge würde mit einem alten Gesetz der Namensgebung übereinstimmen, wonach der Erstgeborene den Namen des Großvaters erhielt. Münzen mit der erstmals nabatäischen Inschrift »Obodas, der König; König der Nabatäer« aus dem 2. bis 3. Regierungsjahr werden diesem Obodas IL11 zugeschrieben. Andere Forscher haben jedoch diesen zweiten Obodas wieder aus der Königsliste gestrichen, sodaß sich zwei Meinungen gegenüberstehen. A. Gabinius, als des Scaurus unmittelbarer Nachfolger Prokonsul von Syrien, hatte sich weiter mit Aristobul und seinen Söhnen herumzuschlagen. Der Ex-König von Judäa war in Rom zur Marionette der Parteien geworden. Mit Cäsars Hilfe entwich er und kehrte nach Palästina zurück. Dort wurde er von Gabinius besiegt und von Anhängern des Pompeius vergiftet. Seinen Sohn Alexander
Abb. 14: Nabatäische Münze mit dem hellenisierenden Bildnis des Königs Malichus I.
ließ der Statthalter des Pompeius später enthaupten.12 Der neue König der Nabatäer, Malichus I., in der Sprache des Landes »Maliku, König der Nabatu«, stand in bestem Einvernehmen mit Rom (Abb. 14). Er regierte von 62 bis 30 v. Chr. Der Umfang des Reiches blieb anfangs unverändert, seine Bedeutung als Handelspartner und Bundesgenosse Roms wuchs. Im Jahre 48 v. Chr. kämpften Nabatäer für Pompeius, als er bei Pharsalus besiegt wurde. Berittene Bogenschützen des Malichus unterstützten auch den überhasteten und beinahe katastrophalen Feldzug Cäsars nach Ägypten, in dessen Verlauf zusammen mit der ägyptischen Flotte die unersetzliche Bibliothek Alexandrias in Flammen aufging.13 Die diplomatischen Kontakte zu Rom besorgte der immer noch aktive und romtreue Antipater, der sich beim ägyptischen Feldzug als Helfer bewährt hatte und den Cäsar deshalb zum Verwalter (gr. Epitropos) Judäas ernannte. Die weiteren Auseinandersetzungen zwischen Nabatäern, Juden und Römern sind vor allem mit einem der Söhne Antipaters und Kyprons verknüpft.
10 Herodes der Große Dieser Sohn, Herodes, sollte später als »der Große« berühmt und berüchtigt werden. Nach der Niederlage des Pompeius hatte Cäsar Hyrkan und Antipater mit Privilegien überhäuft. Hyrkan war erblicher Ethnarch, Antipater – unabhängig von Hyrkan – Prokurator von Judäa geworden. 1 Von sei59
nen Söhnen ließ Antipater Herodes zum Strategen, d. h. Gouverneur von Galiläa, Phasael zum Gouverneur von Jerusalem machen.2 Damit waren die Voraussetzungen für eine neue Dynastie geschaffen. Nach der Ermordung Cäsars (44 v. Chr.) hatten sich die Völker des Vorderen Orients zu entscheiden, welche der streitenden Parteien sie unterstützen wollten. Malichus schickte seine Bogenschützen zu Cassius und Brutus und stand bei der Schlacht von Philippi (42 v. Chr.) auf der Verliererseite. Josephus kolportiert eine finstere Geschichte, wonach ein gewisser Malichus Antipater habe vergiften lassen.3 Es handelt sich jedoch nicht um den nabatäischen König. Im Jahre 40 v. Chr. wurde die von den Römern in Syrien geschaffene Ordnung durch einen Blitz aus heiterem Himmel gestört. Parthische Truppen des Königs Orodes drangen in Syrien ein und okkupierten die Provinz. Wie andere Unzufriedene sah auch Antigonos, der letzte lebende Sohn Aristobuls, die Gelegenheit gekommen, unter parthischem Schutz alte Rechte geltend zu machen. Tatsächlich brachte er mit großzügigen Versprechungen die Parther dazu, ihn unter seinem jüdischen Namen Mattathias als König von Judäa einzusetzen. Für das bisherige Regime bedeutete diese Ernennung höchste Gefahr. Phasael geriet in die Hände der Parther und beging Selbstmord. Hyrkan wurde, um ihn für alle Zeiten als Hohepriester untauglich zu machen, verstümmelt, indem man ihm die Ohren abschnitt, und ins Exil geschickt. Herodes entkam mit seiner Familie und 10 000 Mann aus Jerusalem. Auf der Festung Masada am Toten Meer ließ er unter dem Kommando seines Bruders Joseph 800 Soldaten zum Schutz seiner Angehörigen zurück. Er selbst machte sich auf den Weg nach Petra, um dort – wie es heißt – die 300 Talente zu beschaffen, die er den Parthern für die Befreiung seines Bruders Phasael anbieten wollte. Von der früheren Freundschaft der Nabatäer aus Antipaters Zeiten war aber nichts mehr zu spüren. Malichus ließ ihm 60
ausrichten, er solle sein Land schleunigst verlassen; die Parther hätten ihm verboten, ihn aufzunehmen. Josephus unterstellt zwar dem Nabatäer, er habe einen ihm von Antipater anvertrauten oder geliehenen Geldbetrag unterschlagen und Jones nimmt an, nabatäische Kaufleute hätten durch den Tod des Herodes Schulden loswerden wollen, die sie bei ihm hatten.4 Tatsächlich konnte es Malichus aber mit den Parthern ebensowenig verderben wie seinerzeit Aretas mit den Seleukiden. Vielleicht wollte er es auch nicht. Die westsemitischen Völker hatten schon lange davon geträumt, daß die Parther die verhaßten Römer vertreiben würden und iranisch-zoroastrische Vorstellungen waren bereits früher sogar in die jüdische Glaubenswelt eingedrungen. 5 Durch seine Entscheidung hatte Malichus aber die Freundschaft mit Rom aufs Spiel gesetzt. Dafür wurde er bestraft. Nach der Vertreibung der Parther kassierte der Sieger Ventidius Bassus eine hohe Kriegssteuer von ihm. Malichus mußte Land abtreten, behielt aber seinen Thron. Herodes war, nachdem ihn die Nabatäer abgewiesen hatten, über Alexandria nach Rom geflohen. Dort wurde er auf Betreiben des Antonius (40 v. Chr.) vom Senat zum König von Judäa und Idumäa ernannt. Man überließ es allerdings der bekannten Tüchtigkeit des »verbündeten« Königs, mit Antigonos fertig zu werden und sich zur Krone auch das Land zu erringen. Erst drei Jahre nach seiner Flucht gelang es Herodes, mit römischer Hilfe (37 v. Chr.) Jerusalem zu erobern und sich in ganz Palästina durchzusetzen. Von seinen jüdischen Untertanen, die ihn als Halbjuden und idumäischen Sklaven beschimpften, sollen dabei 100 000 gefallen sein. Antigonos wurde gefangen und enthauptet. In den dreißiger Jahren vor der Zeitwende hört man von Nabatäa in einem kuriosen Zusammenhang. Kleopatra, letzte Griechenherrscherin auf dem Pharaonenthron, hatte nichts Geringeres im Sinn, als das Ptolemäerreich in seinem alten Umfang wiederherzu-
stellen. Dabei war ihr Herodes ebenso im Wege wie der Nabatäerkönig. Antonius, damals römischer Beherrscher des Ostens, kam ihr soweit entgegen, daß er ihr besonders fette Brocken aus beiden Reichen schenkte, bzw. ihr die Einkünfte aus diesen Gebieten überließ. Der unfreiwillige Beitrag der Nabatäer scheint ein Gebiet am Ostufer des Toten Meeres gewesen zu sein. Wahrscheinlich ging es dabei wieder um den Asphalt, den die Nabatäer aus dem Toten Meer gewannen und für den sich einst Antigonos Monophthalmos interessiert hatte. Der Beitrag Judäas bestand aus den Palmgärten und Balsamhainen von Jericho.7 Auf dem Heimweg von Antiochia, wo sie Antonius getroffen hatte, verabredete sich Kleopatra mit Herodes in Jerusalem und machte das Geschäft perfekt. Um eine ägyptische Administration im südlichen Palästina–Syrien zu vermeiden, mußte Herodes Jericho von Kleopatra pachten, dafür den hohen Betrag von jährlich 200 Talenten zahlen und obendrein noch für die Einkünfte aus den Gebieten des Malichus in gleicher Höhe bürgen. Wie Kleopatra wohl erwartet hatte, gab es bald Auseinandersetzungen zwischen Herodes und dem Nabatäerkönig. Josephus hat geirrt, als er schrieb, Malichus sei auf Betreiben Kleopatras hingerichtet worden.8 In Wirklichkeit hat der Nabatäer noch im Jahre 31 v. Chr. Antonius mit Truppen für den Actischen Krieg unterstützt.9 Als Malichus nicht zahlte, griff ihn Herodes auf Betreiben von Antonius und Kleopatra an und schlug ihn bei Diospolis (Dion). Einen endgültigen Sieg konnte er aber nicht erringen. Kleopatra wollte zu diesem Zeitpunkt offenbar Nabatäa nicht vernichten und Herodes dadurch Macht gewinnen lassen. Die Vasallenkönige sollten sich vielmehr gegenseitig schwächen und in Schach halten. Die Ptolemäerin schickte daher, obwohl sie selbst Herodes zu der Strafexpedition veranlaßt hatte, den Nabatäern ihren Strategen Athenion zu Hilfe. Josephus überliefert zwar, Athenion habe aus eigener Machtvollkommenheit zu Gunsten der Nabatäer einge-
griffen, aber das klingt unwahrscheinlich. Jedenfalls wurde Herodes (32 v. Chr.) bei Kanatha (Kana) besiegt.10 Zu dieser Niederlage kam im Frühjahr des Jahres 31 v. Chr. ein gewaltiges Erdbeben, dem in Palästina angeblich 10 000 Menschen zum Opfer fielen. Nun hielten die Nabatäer die Zeit für gekommen, dem gründlich verhaßten Idumäer den Todesstoß zu versetzen. Sie brachten seine Gesandten um und bereiteten sich auf den Entscheidungskampf vor. Herodes versteckte sich aber keineswegs, wie man gehofft hatte, hinter den Mauern seiner Trutzburgen um das Tote Meer. Er ging im Gegenteil zum Angriff über und schlug (31 v. Chr.) auf nabatäischem Boden bei Philadelphia das von dem Strategen Elthemos geführte nabatäische Heer. Sein Sieg war überzeugend: 12 000 Nabatäer sollen gefallen, 4000 gefangen worden sein. Die Überlebenden erklärten Herodes zu ihrem Herrn.11 Herodes gewann doppelt. Außer seinem Sieg über die Nabatäer hatte er den Vorteil, daß er in die Schlacht von Actium (31 v. Chr.) nicht mehr einzugreifen brauchte. Malichus dagegen hatte schon vor der Auseinandersetzung mit Herodes dem Antonius Truppen zur Verfügung gestellt. Mit dem Ausgang der Schlacht hatte er die Gunst des Siegers Oktavian verloren. Er wird nochmals erwähnt, als er 30 v. Chr. dem von den Parthern verstümmelten Hyrkan, den Herodes losgekauft hatte, gegen den gleichen Herodes beistehen wollte. Herodes behauptete, Hyrkan habe gegen ihn intrigiert und sich dabei um die Hilfe des Nabatäerkönigs bemüht. Er benützte diese Tatsache oder – was wahrscheinlicher ist – diesen Vorwand, um sich seines vermeintlichen Konkurrenten zu entledigen. Ein gefälliges Synhedrion befahl die Hinrichtung. Inzwischen waren auch Aristobul III., die Schwiegermutter Alexandra und Mariamne liquidiert worden. Damit war die ganze Hasmonäerdynastie ausgerottet. 12 Herodes stand auf der Höhe seiner Macht. Als »königlicher Freund Roms« nahm er (30 v. Chr.) Jericho, Madeba, Gadara, Hippos, 61
Abb. 15: Mit einer im Wadi Abu Olleqa gefundenen Gußform hergestellter Teil eines weiblichen Kopfes, nach Murray möglicherweise der unbekannten Gemahlin des ersten Gottkönigs Obodas II.
Samaria, Gaza, Joppe und Anthedon in Besitz. Um diese Zeit mag er auch die Festung Machaerus am Ostufer des Toten Meeres übernommen und mit römischer Erlaubnis zu einer Palastfestung ausgebaut haben. Schließlich gründete der konsequente Parteigänger Roms zu Ehren seines neuen Herrn die Stadt Caesarea, die »Kaiserliche« und nannte das neu aufgebaute und prunkvoll geschmückte Samaria zu Ehren des Augustus – nach der griechischen Fassung des Namens – »Sebaste«. Von dem nabatäischen König Malichus hört man seit 30 v. Chr. nichts mehr. Zu seinen Lebzeiten war noch der Bau eines großen Tempels in Si'a (Hauran) begonnen worden. Zwei Inschriften erinnern an den König. Die 62
eine, aus seinem 11. Regierungsjahr, wurde in Bostra (heute: Bosra), die andere im italischen Puteoli (heute: Pozzuoli) gefunden. In diesem Hafen brachten die Seefahrer und Kaufleute des Orients Dankopfer dar und hier hatten die Nabatäer vermutlich ebenso wie auf Rhodos, Delos, Kos, in Milet, Priene, Dendera Handelskontore und Heiligtümer.13 Im Jahr 30 v. Chr. verbrannten die Nabatäer die von Kleopatra nach dem Roten Meer gebrachten Schiffe.14 Ihre Vorfahren hatten 100 Jahre früher dasselbe getan, als die »Könige von Alexandria« ihre Handelsschiffe ins Rote Meer schickten.15 Auch jetzt wollten die Nabatäer den Handel wieder über die Wüstenstraßen Arabiens nach Petra zwingen. Zu diesem Zweck unterwarfen sie ihre südlichen Nachbarn, die Lihyan, die bis dahin von den Ptolemäern gestützt worden waren. 16 Mit dem Untergang dieser Dynastie rückte Arabien in den Brennpunkt des römischen Interesses. Obodas II., Sohn Malichus' I., regierte von 30 bis 9 v. Chr. Der neue König kam unmündig auf den Thron. Eine nabatäische Inschrift datiert das Isisheiligtum oberhalb des Wadi Siyagh auf das 5. Regierungsjahr des Königs. Münzen aus den ersten Regierungsjahren zeigen die Büsten von Königin und König, spätere den Kopf des Königs vor der Büste der Königin. Der Name dieser Königin ist nicht bekannt, wir kennen aber vielleicht ihr Porträt. In den dreißiger Jahren grub Margaret Murray in einer Höhlenwohnung Petras die Gußform für einen weiblichen Kopf in Relief aus, den sie für das Abbild der Gemahlin Obodas' IL erklärte 17 (Abb. 15). Die Regierungszeit des zweiten Obodas ist durch weiteren Machtzuwachs Judäas und durch das Interesse der Römer an Arabien gekennzeichnet. Rom ging es um die arabischen Erzeugnisse, denen es keine entsprechende Produktion entgegensetzen konnte, besonders um den in allen Tempeln des Reiches verbrannten Weihrauch, ferner um die Seeherrschaft im Roten Meer und den seit
Das durch Erdbeben stark zerstörte »Korinthische Grab« ist eine barocke Version der Khazne aus dem 1. Jh. unserer Zeit, möglicherweise die letzte Ruhestätte Obodas' II. Das brüchige Gestein hat unter Erdbeben besonders gelitten.
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Die Zinnengräber (oben) dürften zwischen dem 2. Jh. v. und dem 1. Jh. n. Chr. entstanden sein. Das aufwendige, stilistisch hochinteressante Familiengrab (unten) ist besonders gut in die Felslandschaft eingepaßt.
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200 Jahren florierenden Handel mit Indien, das kurz zuvor eine Handelsdelegation an den Hof des Augustus geschickt hatte.18 Als dieser (24 v. Chr.) seinen Präfekten in Ägypten, Aelius Gallus, mit einer militärischen Expedition nach Südarabien beauftragte, boten sich als natürliche Verbündete die Nabatäer an, denen als Vasallen ohnehin der Schutz der Reichsgrenzen im Süden und Südosten oblag.19 Über Arabien und die aus Arabien kommenden Güter wußte man wenig Verläßliches. Ungunst des Klimas, Wassermangel, Fieber und die feindselige Haltung der Bewohner hatten seit urdenklichen Zeiten Arabia Felix von der Außenwelt abgeschlossen. Man kannte zwar die Namen der südarabischen Reiche Ausan, Qataban, Ma'in, Saba und Hadramaut unter diesen oder anderen Namen, aber es gab keine Augenzeugenberichte und was Plinius über Arabien berichtete, war ein einziges Märchen. 20 Weihrauch, Myrrhe und Balsam waren seit vielen Jahrhunderten die Hauptausfuhrgüter des Landes; vieles andere, was man aus Arabien bezog, z. B. Zimt, Pfeffer, Musselin, später auch Seide, war in Wirklichkeit aber Transitgut aus Ostafrika, Indien und China, das zu Schiff nach Südarabien und von da auf dem Landweg nach Norden gebracht wurde. Unbekannt wie die arabischen Länder waren ihre Handelswege. Auch die Nabatäer behielten ihre Handelsroute von Südarabien her geheim. 21 Lange Zeit hatte ihr Einfluß nur bis el-Hegr (heute: Medain Salih) gereicht. Hier liefen Karawanenstraßen von Mesopotamien, Südarabien und dem Rotmeerhafen Leuke Kome zusammen. Nach dem Sieg über die bis dahin von Ptolemäern unterstützten Lihyan hatten die Nabatäer ihre Position verbessert. Gleichzeitig gab es aber Umwälzungen im Südwesten Arabiens, wo die Himyariten die Macht an sich rissen.22 Vermutlich schien Augustus diese Unruhe in Arabien für seine Absichten günstig. Aelius Gallus erhielt jedenfalls den Auftrag, über das Rote Meer ins mittlere und südliche Ara-
bien vorzustoßen und auf der gegenüberliegenden Seite die von den Arabern unterworfene äthiopische Küste zu erforschen. Die Völker dieser Länder sollten, so erfuhr es Strabo (63 v. bis 19 n. Chr.) aus dem Munde des Feldherrn, »Freunde Roms« werden, wenn sie sich unterwarfen; jeglicher Widerstand war jedoch zu brechen.
11 Sylläus, nabatäischer Nationalist Damit lernen wir einen machthungrigen Mann kennen, dessen Lebenslauf sich wie ein erregender Roman liest: Sylläus oder Syllaios, nabatäisch Sullai, der sich selbst »Sohn des Taimu« nannte.1 Seine Stellung in Nabatäa wird klarer, wenn man nachliest, was Strabo als sein Zeitgenosse über die Regierungsweise der nabatäischen Könige berichtet: »Die Stadt (Petra) wird stets von einem Manne aus dem königlichen Geschlecht beherrscht und der König hat einen seiner Freunde, der sein .Bruder' heißt, als Stellvertreter. Ihre (der Nabatäer) Verfassung ist gut. Athenodoros, ein weltweiser, mir befreundeter Mann, der bei den Peträern war, erzählt voll Bewunderung, er habe viele Römer und andere Fremde dort vorgefunden. Die Fremden hätten unter sich und mit den Einheimischen prozessiert; er habe aber nie bemerkt, daß die Einheimischen sich gegenseitig verklagten. Alle hätten in vollkommenem Frieden miteinander gelebt.«2 Wenn Obodas IL unmündig auf den Thron kam, konnte er 24 v. Chr. noch kein erfahrener Monarch sein. Sylläus, »ein scharfsinniger und wohlgestalteter junger Mann« 3 , der in el-Hegr Besitzungen hatte und vielleicht mit der Königsfamilie verwandt war4, dürfte schon während der Regentschaft der Königinmutter als Kanzler oder Vezier (gr. epitropos) Macht gewonnen und die Entscheidungen des jungen Königs auch später beeinflußt haben. Der Verlauf des sog. Arabischen Feldzuges weist jedenfalls darauf hin. Die Nabatäer beteiligten sich daran unter dem Kommando ihres Premiers Sylläus mit 1000 Kamelreitern. Herodes schickte 500 65
Bogenschützen, ausgewählte Leute seiner Leibwache, zum Expeditionskorps. 5 Wie Strabo berichtet, wurde dem römischen Feldherrn von Sylläus weisgemacht, die Landroute von Ägypten nach Arabien sei für sein Vorhaben ungeeignet. Aelius Gallus wählte also den Seeweg. Zu diesem Zweck ließ er aus Teilen, die mühselig auf Kamelen vom Mittelmeer hergeschleppt werden mußten, bei Klysma oder Kleopatris 80 Kriegsschiffe und als sich diese unbrauchbar erwiesen, 130 Transportschiffe bauen. Erst dann konnte das Heer, insgesamt etwa 10 000 Mann, verladen werden. Von der Gegend des heutigen Suez erreichte der Geleitzug, angeblich von Sylläus falsch beraten, auf gefährlichen Umwegen den Hafen Leuke Korne, »einen wichtigen Handelsplatz auf nabatäischem Boden«. Hier mußten sich die von der Überfahrt strapazierten Truppen erst einmal einen Sommer und einen Winter lang erholen. Dann begann der eigentliche Feldzug. Das römische Heer sei von den Leuten des Sylläus, sagt Strabo, absichtlich irre geführt worden. Die Soldaten starben, heißt es, an Mundfäule und Beinlähmungen, an Entbehrungen und an der Hitze. Nach 70 Tagen befand man sich »im Lande eines Verwandten des Nabatäerkönigs«, vermutlich bei el-Hegr und im früheren Gebiet bei Lihyan. Von da an marschierte Aelius Gallus durch unfruchtbare, nur von Nomaden durchstreifte Gegenden nach Süden, ohne auf Widerstand zu stoßen. Erst als man sich dem eigentlichen »Glücklichen Arabien« näherte, gab es Gefechte. In einem davon töteten die Römer angeblich (und wenig glaubhaft) 10 000 Gegner bei nur zwei eigenen Verlusten. Mehrere »Städte« waren vom Gegner verlassen, als Aelius Gallus heranrückte. Schließlich stand man vor einer festen, zur Gegenwehr entschlossenen und fähigen Stadt, die Strabo Mariaba oder Marsiaba nennt und die schon 1843 und neuerdings als »Marib im Lande Saba«, die bedeutendste südarabische Stadt der Antike im heutigen Yemen, identifiziert worden ist.6 Der unerwartete Widerstand nach sechs Mo66
naten Marschierens entmutigte den Feldherrn. Zwei Tagesmärsche vom »Gewürzland« entfernt, wie Gefangene aussagten, wandte er sich mit seinem durch Hitze, Anstrengungen und Krankheiten dezimierten Heer zurück nach Norden. Innerhalb von 60 Tagen gelangte er auf direktem Weg zu den in Leuke Korne wartenden Schiffen, und fuhr nach Ägypten zurück. Wieviele Männer er bei der Expedition verlor, wagte sein Freund Strabo nicht anzugeben. Im Gegensatz zu diesem und späteren Interpreten hat man neuerdings behauptet, Sylläus sei zu Unrecht beschuldigt worden. Vielmehr habe ein enttäuschter und erfolgloser Feldherr lediglich einen Sündenbock gesucht und der Historiker habe ihm dabei geholfen.7 Stimmt das? Tatsächlich wurde Sylläus weder von Plinius noch von Dio beschuldigt. Er wurde auch entgegen der (zeitlich unbestimmten) Behauptung Strabos nach dem Feldzug nicht hingerichtet. Dennoch spricht alles für seine Schuld. Natürlich hätte es von Elat (heute: Eilat, bzw. Akaba) aus sogar zwei praktikable Landwege nach Südarabien gegeben, einen auf der Weihrauch- und späteren Pilgerstraße und einen zweiten entlang der Küste durch das damals ebenfalls von Nabatäern bewohnte Midian. Auf beiden Routen wurde ein regelmäßiger Karawanenhandel betrieben. Wenn Aelius Gallus schon den Seeweg wählte, so waren Kriegsschiffe im Roten Meer, wo es außer Seeräuberschiffen keine feindliche Flotte gab, überflüssig. Auch war es unsinnig, von Leuke Korne aus in weitem Bogen zuerst nach Osten und dann nach Süden zu marschieren, statt auf den erprobten Karawanenwegen zu bleiben. Noch richtiger wäre es freilich gewesen, weiter im Süden, etwa beim heutigen Aden zu landen und von dort aus zu operieren oder – modern ausgedrückt – in einer kombinierten Land-SeeAktion leicht bewegliche Kamelreiter von See her versorgen zu lassen. Für einen solchen Feldzug hätte Sylläus allerdings die Karawanenwege südlich von el-Hegr kennen
müssen. Gerade das ist aber wenig wahrscheinlich. Sowohl was Inschriften wie auch Baustil anlangt, stellt el-Hegr eine deutliche Grenze nach Süden dar.8 Demnach hat Sylläus, wenn er, wie Strabo immer wieder betont, die Informationen für die Planung des Feldzuges lieferte, dieses Unternehmen tatsächlich sabotiert. Der nabatäische Premier und seine arabischen Nachbarn im Süden mußten das gleiche Interesse daran haben, die Römer aus ihrem Gebiet und von ihren Handelswegen fernzuhalten. Das arabische Handelsmonopol beruhte auf der konsequenten Trennung von Erzeuger und Verbraucher. Ebenso wie man den indischen Handelskapitänen die Straße von Bab elMandeb sperrte, durfte die römische Schifffahrt das Rote Meer nicht beherrschen, den Indischen Ozean nicht erreichen und die Weihrauchstraße nicht kontrollieren. Was Strabo dem Nabatäer als Perfidie ankreidet, war in nicht-römischen Augen wohl eine nationale Tat. Eine Schuld des Sylläus am Mißlingen des Arabischen Feldzuges war im Anschluß daran offensichtlich nicht zu beweisen. Sylläus hat im Gegenteil weitere zwanzig Jahre lang eine wichtige und zeitweise dramatische Rolle gespielt. Noch zu Lebzeiten seines Königs, Obodas I I I . , bemühte er sich um die Hand der verwitweten Herodesschwester. Salome kam seinen Wünschen entgegen und »von da an konnte man bei den Mahlzeiten (am Hof des Herodes) Beweise ihrer gegenseitigen Zuneigung beobachten«. Die Verbindung hätte es den Römern erschwert, beide Vasallenstaaten gegeneinander auszuspielen und Sylläus der vermutlich angestrebten Krone nähergebracht. Die Verbindung soll nicht zustandegekommen sein, weil Sylläus sich weigerte, den jüdischen Glauben anzunehmen. Das Verhältnis dauerte aber, wenn Josephus richtig informiert war, länger an und endete erst mit der Verheiratung Salomes an einen gewissen Alexas.9 Die Beziehungen zwischen Sylläus und Herodes verschlechterten sich wegen Grenzstreitigkeiten, bei denen es um mehr als kleine
Reibereien ging. Die Trachoniter, Bewohner einer von den Lavamassen früherer Vulkane des Haurans zerklüfteten Gegend südlich von Damaskus, hatten sich (12 v. Chr.) – angeblich auf Betreiben des Sylläus – gegen Herodes erhoben. Nach ihren Aktionen zogen sie sich immer auf nabatäisches Gebiet zurück. Sylläus nahm vierzig ihrer Führer auf und wies ihnen Rhaepta (oder: Raipta), »einen festen Ort«, als Hauptquartier für ihre Partisanentätigkeit an. Von hier aus terrorisierten sie ungestraft den judäischen Teil Coelesyriens. Während man von den trachonitischen Partisanen nicht recht weiß, ob es ihnen mehr um ihre Freiheit oder um Gewinn ging, waren die Ziele von Herodes und Sylläus eindeutig politischer Natur. Herodes suchte seine Länder östlich des Sees von Genezareth zu schützen; Sylläus war um die Handelsstraße von Bostra nach Damaskus besorgt. Als Herodes den Trachonitern nicht beikam, ließ er ihre Angehörigen in der Heimat niedermachen. Verbittert verstärkten die Partisanen ihre Aktivität. Ihre Zahl wuchs auf 1000 an und aus ihren Überfällen wurden regelrechte Feldzüge. Nun brachte Herodes die Angelegenheit vor Saturnius und Volumnius, die römischen Statthalter Syriens, und verlangte die Auslieferung der Übeltäter. Außerdem forderte er die Rückzahlung von 60 Talenten, die er durch Vermittlung des Sylläus an König Obodas ausgeliehen hatte. Zu dieser Zeit soll, wie Josephus sagt, Sylläus seinen König in den Hintergrund gedrängt und praktisch allein regiert haben. Er leugnete die Anwesenheit der Partisanen in seinem Lande und zögerte die Rückzahlung des Darlehens hinaus. Daraufhin verurteilten ihn die Statthalter zur Zahlung innerhalb von dreißig Tagen und verlangten, daß beide Parteien alle Aufständischen gegenseitig austauschen sollten. Die Nabatäer hätten also die Trachoniter an Herodes ausliefern müssen. Statt den gesetzten Termin einzuhalten, fuhr Sylläus jedoch nach Rom. Diese Gelegenheit benützte wiederum Herodes, sich von Saturnius und Volumnius die Vollmacht 67
Abb. 16: Weihinschrift des Sylläus im Apollotempel von Milet.
für selbständiges Handeln zu verschaffen. In Eilmärschen erreichte er Rhaepta und nahm die Trachoniter fest. Er unterlag aber den Nabatäern, die ihm die Partisanen wieder abjagten. Dabei fanden fünfundzwanzig Nabatäer und ihr Hauptmann Nakeb den Tod.10 Entweder übertrieben nun die Boten, die von diesen Ereignissen in Rom berichteten oder – was wahrscheinlicher ist – Sylläus log, um sich in ein besseres Licht zu setzen. Jedenfalls legte er Trauerkleidung an und klagte vor dem Kaiser, Herodes habe sein Land mit Krieg überzogen, das Heer aufgerieben, die Äcker verwüstet, 2500 der vornehmsten Nabatäer samt ihrem Feldherrn niedergemacht und die in Rhaepta aufbewahrten Schätze geraubt. Der Kaiser war darüber so entrüstet, daß er Herodes schreiben ließ, er werde ihn hinfort nicht mehr als Freund sondern nur noch als Untertan behandeln. Nicht einmal seine Gesandten wurden mehr vorgelassen. Über den Ausgang der Intrige informiert, lieferten die Nabatäer weder Aufrührer noch Geld aus und besetzten außerdem Weideplätze, die sie auf judäischem Gebiet von Herodes gepachtet hatten. Als im Jahre 9 v. Chr. Obodas II. starb, konnte sich Sylläus am Ziel seiner ehrgeizigen Wünsche gesehen haben. Ein neuer nabatäischer König bedurfte der Bestätigung durch den Kaiser oder zumindest seines Einverständnisses. Sylläus hätte wie einst Herodes als designierter König in seine Heimat zu68
rückkehren können. Es kam aber anders. Ein gewisser Äneas, Sohn oder Enkel des verstorbenen Obodas, ließ sich ohne römische Zustimmung in Petra zum König der Nabatäer ausrufen. 11 Sylläus klagte sofort, der neue König habe sich gegen die Autorität Roms vergangen, aber Aneas beantwortete die Drohungen des Kaisers mit reichen Geschenken, darunter einer goldenen Krone von mehreren Talenten Gewicht. Zugleich beschuldigte er Sylläus des Giftmordes an König Obodas. War diese Anklage begründet? Tatsache ist, daß Sylläus auf seiner Seereise nach Rom im Delphinium von Milet eine nabatäisch-griechische Votivinschrift zu Ehren des Jupiter Dusares, des nabatäischen Duschara, für das Wohl seines Souveräns anbringen ließ. Die von Wiegand auf einem Steinblock in Milet gefundene und von Clermont-Ganneau entzifferte Inschrift betraf ein Dankopfer für die sichere Ankunft und lautete: »Sou (Hai), Bruder des Königs, Sohn des Taim (u.) Für das Wohl des Königs Obodas, im Monat T (ebet). (Syl) laios, Bruder des Königs, hat dem Jupiter Du (sares) geweiht . . , « 1 2 (Abb. 16). Eine zweite ähnliche Inschrift hat man auf Delos gefunden13 und auf diese Weise die Reiseroute des »Bruders des Königs« feststellen können. Wer will heute wissen, ob diese Widmungen ehrlich gemeint waren oder die
Loyalität des Stifters demonstrieren sollten, der in Wirklichkeit seinen König umbringen ließ? Herodes jedenfalls sah jetzt seine Stunde gekommen. Er brachte (8 v. Chr.) wieder den Prozeß wegen der Trachoniter in Gang und ließ seinen Kanzler und Hofgeschichtsschreiber Nikolaos von Damaskus die Klage vortragen. Leute des Sylläus sollen dazu Beweise für die Schuld ihres Herrn hinterbracht haben. In der Verhandlung wurde Sylläus beschuldigt, er habe König Obodas und viele Nabatäer ermorden lassen, Geld zum Aufruhr gegen Rom entliehen, in Rom und in Nabatäa Frauen geschändet und, was die Hauptsache war, den Kaiser betrogen, indem er über Herodes falsch aussagte. Dieser hingegen, plädierte Nikolaos, habe bei seinem Einfall in Nabatäa lediglich Pfänder beschlagnahmt, deren Einlösung Sylläus beim Leben des Kaisers beschworen, aber nicht durchgeführt hatte. Jetzt wendete sich das Blatt. Sylläus wurde vom Kaiser zum Tode verurteilt. Mit der erstaunlichen Auflage, vorher seine Schulden zu bezahlen und dann erst seine Strafe zu erleiden, konnte er noch einmal Rom verlassen. Augustus erkannte (7 v. Chr.) den neuen König unter dem dynastischen Namen Aretas (Aretas IV.) offiziell an. Sylläus befand sich jetzt in einer hoffnungslosen Lage. Als er, vielleicht resignierend, vielleicht in einem letzten, verzweifelten Versuch, das Ruder seines Schicksals herumreißen, nach Rom zurückfuhr, standen die Gesandten des Aretas und Antipater, Sohn des Herodes, gemeinsam als Ankläger gegen ihn auf. Man machte ihm wiederum den Prozeß und legte ihm neue Verbrechen zur Last.14 Er sollte einen Agenten des Kaisers, sowie einen nabatäischen Edlen namens Soemus ermordet, ein Komplott zur Ermordung des Herodes geschmiedet und die Vergiftung von Pheroras, eines Bruders des Herodes, veranlaßt haben. Die Mehrzahl dieser Anklagepunkte wurde durch Zeugenaussagen gestützt, die Aretas und Herodes auf der Folter erpreßt hatten. Zu guter Letzt gab man dem Angeklagten
noch die Schuld am Mißlingen des Arabischen Feldzuges vor 20 Jahren. Damit war Sylläus am Ende. Er wurde (6 v. Chr.) wegen Verrates am römischen Volke und wegen der Anschläge auf die Länder des Herodes erneut zum Tode verurteilt und auf Befehl des Augustus enthauptet.15 Zwei Jahre später starb als verbitterter und enttäuschter Mann sein siegreicher Widersacher Herodes, den Natur und Umstände zum mächtigsten König der Juden gemacht, zugleich aber in den Wahnsinn getrieben hatten. Das Bild, das Strabo, Nikolaos und Josephus von Sylläus überliefern, ist zweifellos verzeichnet. Er war sicher nicht brutaler als Herodes. Nichts wäre unsinniger, als ihn zu einem Kriminellen oder einem Beelzebub zu machen. Die Vielzahl der Beschuldigungen erinnert an einen Hexenprozeß. Manches von dem, was über ihn berichtet wird, kann anders geschehen sein, war anders gemeint oder wurde falsch berichtet. Wohl strebte er für sich nach der Krone und mit großer Wahrscheinlichkeit war er das, was wir heute einen arabischen Nationalisten nennen würden. Man hat Münzen gefunden, die Sylläus 9 v. Chr. vor oder nach dem Tod Obodas' III. geprägt haben soll. 16 Tatsächlich besaß der »Bruder des Königs« königliche Autorität. Er ist offensichtlich an der Macht, die ihn vieles wünschen und die viele zu seinen Feinden werden ließ, gescheitert. Zeit seines Lebens muß er einflußreiche Anhänger unter den Nabatäern und Freunde unter den Römern gehabt haben. Die Niederlage in einem innernabatäischen Parteien- oder Klanstreit und politische Ziele Roms werden ihn endgültig zu Fall gebracht haben. Das größte Grab in Hegra blieb unvollendet. Die Fassade beherrscht als Blickfang die gesamte Ebene und liegt am einzigen Zugang zur heiligen Opferstätte. A. Schmidt-Colinet, der diese Feststellungen auf Grund eigener Forschungen in el-Hegr macht, hat sicher recht, wenn er das Großgrab dem Sylläus zuschreibt. Es wurde wohl wegen seines vorzeitigen und unwürdigen Todes nicht fertiggestellt (Abb. 17 u. 18). 17 69
Abb. 17: Unvollendetes Felsgrab in Hegra (Nach Ch. M. Doughty).
Abb. 18: Dasselbe Grab, in scharfsinniger Deduktion von A. Schmidt-Colinet als unvollendetes Grab des Sylläus identifiziert.
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Abb. 19: Nabatäische Votivinschriften auf einer Felswand am Abstieg zur Obodas-Kapelle. (Wegen der Übersetzung siehe Abb. 20).
12 Obodas, König und Gott Der faszinierende Sylläus hat Obodas so in den Schatten gestellt, daß man den Eindruck gewinnen kann, der König sei weltfremd und unbedeutend gewesen. Umso erstaunlicher ist es, daß nach verschiedenen Überlieferungen ein König Obodas in der gleichnamigen Nabatäerstadt Oboda, dem späteren Eboda oder Abde (heute: Avdat), etwa 60 km nordwestlich von Petra im Negev begraben und als Gott verehrt worden sein soll.1 Entdeckungen der Dominikanerväter Jaussen, Savignac und Vincent von 1904 schienen den antiken Bericht zu bestätigen.2 Eine große Felsenkammer unterhalb eines vermeintlichen Opferplatzes – Starcky hielt ihn für ein Mausoleum3 – mit 22 Begräbnisnischen haben die Entdecker als »Grab des Obodas« bezeichnet, weil sie in der Nähe eine nabatäische Inschrift fanden, die den Namen des Gottkönigs enthält. Sicherer sind andere Hinweise auf den zum Gott gewordenen König. Stephanos von Byzanz erwähnt ausdrücklich einen zu Oboda begrabenen König, den die Nabatäer zum Gott gemacht hätten. Und »das ist die Statue Obodas' des Gottes, welche die Söhne des Honainu gemacht haben« heißt es in der Inschrift von en-Nmer im Süd-
Abb. 20: Nabatäische Votivvorschriften an einer Felswand auf dem Weg von Zibb Atuf zur Obodas-Kapelle. Nr. 355: Wahballahi der Sohn des Garmallahi. Gruß! Nr. 356: . . . llahi, der Sohn des Maliku Nr. 365: Wa'ilu der Sohn des Taimu.
westen des Talkessels von Petra aus dem Jahre 20 n. Chr. Sie ist in feinziselierten Buchstaben am zerbröckelnden Querbalken einer Felskapelle angebracht, die man steil abwärtskletternd vom Großen Opferplatz aus erreicht. Die Mittelnische mit der Porträtbüste des Königs ist heute leer. Aber Säulenreste, Votivnischen, Felsheiligtümer, Weihe- und Erinnerungsinschriften und die porzellandünnen Scherben von Opferschalen wiesen die Umgebung als heiligen Bezirk einer Kultgenossenschaft aus (Abb. 19/20). 71
Abb. 21: Ed-Der war vielleicht das Heiligtum eines vergöttlichten nabatäischen Königs.
Abb. 22 a und b: Bronzekopf eines Königs, möglicherweise des nabatäischen Gottkönigs Obodas II.
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In einem zweiten Kultbezirk Petras, auf der Höhe von ed-Der gegenüber dem großen, urnengekrönten Felsentempel, hat man die Votivinschrift einer Opfergesellschaft zu Ehren des göttlichen Obodas gefunden. Der deutsche Altertumsforscher Dalman gab zu bedenken, daß ed-Der mit seiner Urne zwar den Eindruck eines Grabmals erweckt, aber nie ein Grab enthielt. Vielleicht, meinte er, wurde hier der in Avdat begrabene Obodas verehrt (Abb. 21). Eine datierte Inschrift aus der Regierungszeit Obodas II. hat man bei einem Isisheiligtum hoch über dem Wadi Siyagh gefunden, zugleich – ebenso wie das Isisemblem auf dem Schmuckgiebel der Khazne – Hinweis auf den religiösen Einfluß Ägyptens in Petra.4 Obwohl es mehrere Könige mit dem Namen Obodas gab, ist nach allem, was man weiß, Obodas, der Gott, mit dem historischen Obodas II. identisch. Er wurde, nach ägyptisch-ptolemäischen und seleukidischem Vorbild postum von seinem Nachfolger deifiziert, um auch den lebenden König in den Augen der Untertanen zu erhöhen. Es war die gleiche Zeit, als man diese Sitte in Rom zu praktizieren begann. Damals könnte auf einem altarähnlichen Steinblock im Tempel ed-Der die Statue des vergöttlichten Königs gestanden haben.5 Es ist übrigens durchaus möglich, daß wir ein lebensgetreues Abbild des ersten Gottkönigs der Nabatäer besitzen. Als Georg VI. König von England war, schenkte ihm der Imam des Yemen den Kopf einer Bronzestatue, die heute im Britischen Museum aufbewahrt wird. Murray hat den Kopf für das Abbild eines nabatäischen Königs und zwar des zweiten Obodas erklärt, weil er eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Münzbild des Königs aufweist6 (Abb. 22 a, b). Mit der Ära Obodas-Sylläus hat sich das Gesicht Petras entscheidend verändert. Die aus dem bunten Sandstein gehauenen Gräber an den Berghängen wurden immer größer und aufwendiger, wie es ähnlich von Ägypten bekannt ist und wie es in Athen geschah, wo man schon 317 v. Chr. ein Gesetz gegen den Gräberluxus erlassen hatte. In Petra wurden
Abb. 23: Silberdrachme mit dem Abbild des nabatäischen Königs Obodas II.
jetzt die Grabfassaden mit griechischen Portalen und Giebelfronten verziert. Indem sich ältere orientalische Stilelemente mit neueren griechischen bereicherten, entstand »eine nur Petra und der von der Hauptstadt abhängigen Provinz eigentümliche Form der Grabfassade«7 als Sonderform des orientalischen Hellenismus.8 Daß sie sich vor der Annexion durch die Römer entwickelte, weiß man mit absoluter Sicherheit, weil die in diesem Stil errichteten Gräber von el-Hegr (im Gegensatz zu denen Petras) Inschriften tragen, durch die sie exakt datiert sind. Zeitlich ebenso genau bestimmt sind die unter Obodas II. erbauten oder vollendeten Tempel des Baal-Schamin und des Duschara in Si'a (Hauran). Es ist möglich und wahrscheinlich, daß der nabatäische Weihrauchund Gewürzhandel unter Obodas IL (Abb. 23) seinen Höhepunkt erreichte. Tempelbau, Gräberluxus und die Bedeutung des Sylläus sprechen gleichermaßen dafür. 9 Auf einigen von Obodas II. geschlagenen Münzen erscheint seine Gemahlin im Hintergrund. Ihr Name ist unbekannt. Da vor Obodas II. überhaupt keine Königin abgebildet oder auf Inschriften erwähnt wurde, dies aber unter Aretas IV. geschah, muß man eine Aufwertung der Königin innerhalb des Königshauses annehmen. 10 73
Abb. 24: Nabatäische Bronzemünze: Doppelporträt Aretas IV. (9. v. bis 40 n. Chr.) und Shaqilat. Rückseite: Gekreuzte Füllhörner.
13 Aretas, «der sein Volk liebt« Nach dem Tode von Sylläus und Obodas II. nennt sich der neue König Aretas (IV.) »Philodemos«, »Philopatris« oder – in seiner eigenen Sprache – Haretat Rahem Ammeh, d. h. »der sein Volk liebt« oder »liebender Beschützer seines Volkes«, wie andere übersetzt haben (Abb. 24). Er regiert von 9 v. Chr. bis 40 n. Chr. In dieser Zeit wird Jesus geboren und gekreuzigt. Römer kämpfen in Germanien und gegen die Parther. Die unter Tiberius erzielte Stabilität des römischen Reiches kommt auch dem Vasallenstaat an der südöstlichen Grenze zugute. Die Nabatäer durchleben unter Aretas IV. den warmen Sommer ihrer Geschichte. Ihre Karawanen befördern auf immer bekannter werdenden Wegen die vielbegehrten Waren Südarabiens und Indiens zu den Hafenstädten des Mittelmeers. Einige Schiffe kreuzen im Roten Meer und in der Ägäis. Zuhause haben sich die Nabatäer trotz des wachsenden römischen Einflusses viele Bräuche aus ihrer nomadischen Vergangenheit bewahrt. Der König, wenn auch göttlich nach seinem Tode, regiert zu Lebzeiten nach Art eines Stammesfürsten oder »obersten Scheichs«, der den üblichen semitischen Titel »melek« trägt. Das Leben wird mehr von ungeschriebenen Überlieferungen als von kodifizierten Gesetzen bestimmt. Familien, Stämme, Klans und Kultgemeinschaften treffen sich zu 74
regelmäßigen Festen und zu Erinnerungsmahlen für die Toten. Auf den heiligen Steinen fließt das Blut der geschlachteten Tiere, und in unzähligen Triklinien werden die Opfermahlzeiten verzehrt. Die Anlage der Heiligtümer spricht für eine echte Frömmigkeit, die des Prunkes nicht bedurfte, ihn aber in der Stadt selbst, wo es auch um Repräsentation ging, nicht verschmähte. Pflichtgemäß stellte Aretas dem römischen Statthalter Syriens Hilfstruppen, als die Juden gegen das romhörige Regime der Söhne des Herodes rebellierten. Es ist das Jahr 4 v. Chr. und der Statthalter heißt P. Quinctilius Varus. Er wird sich 13 Jahre später nach einer Niederlage im fernen Germanien mit dem Schwert durchbohren. Vorerst hatte er nur Schwierigkeiten mit seinen allzu beutelüsternen arabischen Truppen, die er gern wieder nach Hause schickte.1 Sonst verlief der überwiegende Teil der Regierungszeit des »volksliebenden« Aretas recht ruhig. Erst in seinen letzten Jahren mußte er sich wieder mit seinen Nachbarn befassen. Herodes Antipas (4 v. bis 39 n. Chr.), einer der überlebenden Herodessöhne, hatte als Tetrarch von Galiläa und Peräa eine Tochter des Nabatäerkönigs zur Frau genommen. Ihr Name wird nicht überliefert, doch könnte es sich um Saudat gehandelt haben, die von der Inschrift in en-Nmer bekannt ist.2 Durch die Heirat sollte wieder einmal der Frieden zwi-
sehen beiden Völkern gefestigt werden. Umso mehr mußte der alte Haß aufflammen, als Herodes Antipas die Nabatäerin verstieß, um Herodias zu heiraten, die zugleich seine Schwägerin und seine Nichte war.3 Die Verstoßene gelangte (32) über die herodianische Grenzfestung Machaerus mit Hilfe der nabatäischen Distriktkommandeure zu ihrem Vater nach Petra. War die Heirat ein Politikum gewesen, so wurde die Verstoßung zum Anlaß einer internationalen Krise. Als Antipas zwischen dem parthischen Großkönig Artebanus und dem römischen Legaten Geheimgespräche arrangierte, begann Aretas im Bereich der heutigen Golan-Höhen kriegerische Aktionen. Vier Jahre später kam es zu einer Entscheidungsschlacht, in der Antipas von Aretas besiegt wurde. Im gleichen Jahr (36) wurde Pontius Pilatus, von dem eine in Caesarea Maritima entdeckte Inschrift kündet, aus Judäa abberufen. Wieder einmal hatten die Nabatäer gegen das Gesetz Roms verstoßen und das Gleichgewicht im Vorderen Orient zu ihren Gunsten verschoben. Nach 46 Jahren friedlicher Koexistenz nahm Tiberius den Machtzuwachs zum Anlaß einer drastischen Maßnahme. Wie andere vor ihm marschierte sein Legat Vitellius nach Süden, um Petra zu unterwerfen. Bilderfeindliche Juden zwangen ihn dabei zu einem Umweg, als sie ihn anflehten, keine römischen Feldzeichen durch ihr Land zu tragen. Der Römer hatte zwei Legionen bei sich und sollte den Nabatäerkönig lebend oder tot herbeischaffen. Aretas befragte, so will es die anekdotische, aber glaubhafte Überlieferung, ein Orakel. Durch die Vogelschau erfuhr er, daß »in Kürze ein Führer sterben und der Römer Petra nie erreichen werde«.4 Stadt und Reich der Nabatäer wurden noch einmal gerettet, wenn auch weder durch Tapferkeit noch durch List. Vitellius mußte vielmehr auf die Nachricht vom Tode seines Kaisers unverrichteter Dinge umkehren, weil sein Auftrag nicht mehr gültig war. Die Glückssträhne der Nabatäer riß damit nicht
ab. Der neue Kaiser Caligula verzieh Aretas. Kurze Zeit später floh Paulus aus Damaskus, das nach der biblischen Überlieferung5 einem Statthalter oder Ethnarchen des Aretas unterstand. Vielleicht hatte Caligula die Stadt den Nabatäern überlassen. Er liebte solche Gunstbezeigungen. Damaszenische Münzen mit Bildern römischer Kaiser aus den Jahren 34 bis 63 hat man nicht gefunden. Dennoch muß Damaskus während des Paulus Flucht nicht nabatäisch gewesen sein. Bei dem nabatäischen Ethnarchen kann es sich auch um einen Gesandten des Aretas gehandelt haben.6 Nach seiner Bekehrung hatte sich Paulus, wie aus dem Galaterbrief hervorgeht, in »Arabien« aufgehalten.7 In der Redeweise seiner Zeit ist damit das peträische bzw. nabatäische Arabien gemeint. Paulus kann also durchaus in Petra gelebt haben, ehe ihn die Nabatäer als »Judäer« oder lediglich als Unruhestifter verfolgten. Mit den später von Christen bewohnten Klausnerhöhlen von ed-Der, mit en-Nasara und mit den eingravierten Kreuzen, die man da und dort in Petra sieht, hat er aber sicher nichts zu tun. Aus der Regierungszeit von Aretas IV. stammen die meisten nabatäischen Münzen, die man gefunden hat, die schönsten keramischen Erzeugnisse (Abb. 25) und die meisten Inschriften. In Sidon widmet ein nabatäischer Stratege im 5. Regierungsjahr eine Inschrift8 und in Puteoli (heute: Pozzuoli) wird ein unter Malichus I. errichtetes Heiligtum restauriert. 9 Allein in El-Hegr (heute: Medain Salih) und in el-Ola an der Weihrauchstraße sind mehr als 20 Inschriften nach seiner Ära datiert. In diesem kommerziellen und militärischen Außenposten Nabatäas heißt Aretas »Haretat, König der Nabatu, der sein Volk liebt«. Immer ist Aretas IV. gemeint; kein anderer König gleichen Namens hat ein 48. Regierungsjahr erreicht. Lange hat man vermutet, daß unter Aretas IV. der antike Stadtkern von Petra erbaut worden ist. Watzinger hat diese Auffassung sehr bestimmt vertreten: »Nach einheitlichem Plan und in einheitlichem Stil wurden 75
Abb. 25: Nabatäisches Lämpchen.
Tempel, Märkte, Thermen, Palast und Gymnasion, gewiß auch el-chazne (Khazne), das Grabmonument des Stadtgründers am Ausgang der zur Neustadt führenden Schlucht des sik erbaut.« Die Ausgrabungen Peter J. Parr's von 1958–64 haben diese Vermutung, was die Terrasse hinter der südlichen Kolonnade anlangt, zur Gewißheit werden lassen, und Hammond datiert sowohl den Baubeginn des Theaters wie des Löwen-GreifenTempels in der Nordstadt, die er beide ausgrub, in die Regierungszeit von Aretas IV.10 Mindestens seit diesem König, wahrscheinlich aber schon früher, muß es eine »Baubehörde« gegeben haben. Ihre »Richtlinien« erkennt man sowohl in Petra wie in entlegenen Tälern, z. B. in Sabra, Abu Khusheiba, EsSadeh und Humeimah. Das Petra der Zeitenwende bot nichts von der Romantik des Zerfalls, die ihm heute anhaftet. Es lag in einem landwirtschaftlich gut genutzten Gebiet. Das heutige Wadi Musa, d. h. der Talkessel von Eidschi, gehörte und gehört zu den fruchtbarsten Tälern Südjordaniens. Die Landschaft um Eidschi (heute: Wadi Musa) hatte schon in edomitischer Zeit 76
Tawilan mit ihren Produkten versorgt; später bezog Petra seine Lebensmittel von dort. Die antiken Terrassierungen der Gegend sind der Beweis dafür. Überhaupt wurde von den Nabatäern jeder Tropfen Wasser sorgfältig aufgefangen und in Zisternen oder hinter Wadisperrmauern bewahrt. Wasserleitungen führten über weite Strecken von den umgebenden Höhen und von den Quellen zur Stadt. Auf den Höhen standen Tempel und Wachttürme. Ihre Grundmauern findet man auf enNmer, el-Hubta und Umm el-Biyara. Die Zugänge zur Stadt führten durch Siedlungen, die zugleich dem Karawanenhandel und dem Schutz der Stadt dienten. Bir Madhkur, Abu Khusheiba und et-Taiyibeh blockierten die Wadis zur Araba.11 Hoch über dem unteren Wadi Musa war Sleysel ein fester Platz der Nabatäer. Die Siyagh-Schlucht war in ihrem weiteren Verlauf schwer begehbar, zumindest leicht zu verteidigen. Burgen bei D'bel und Ain Emun zwischen el-Medras und Sabra bewachten den Westhang der Schera-Berge und – wenn es eine war – die Festung auf Zibb Atuf alle Wege südlich des Sik. 12 ElWejra war lange, ehe es die Kreuzritter zu einer Burg erweiterten, eine kleine nabatäische Festung an der Straße nach El-Beda oder, wie Knauf meint, ein heiliger Bezirk mit Felsaltären an der Straße nach el-Beda. Ed-Der war – zumindest in späterer Zeit – gegen Angriffe aus dem Wadi Mirwan befestigt und die Stadt selbst von einem respektablen Verteidigungssystem geschützt, das sich an die Höhen von el-Hubta, den Theaterberg und el-Habis anlehnte.13 Ein Felseinschnitt an der Ostwand von Umm elBiyara bildete, möglicherweise in Verbindung mit der südlichen Stadtbefestigung, das Widerlager für eine massive Wadisperrmauer. 14 Umm el-Biyara, etwas außerhalb des Mauerrings gelegen, war zugleich Fliehburg und »heiliger Berg« mit Idolnischen und einer prächtigen Tempelanlage. Riesige Zisternen, möglicherweise aus edomitischer Zeit, konnten in Notzeiten viele Menschen versorgen. Auch el-Hubta mag für eine solche Aufgabe vorgesehen gewesen sein. Da-
gegen stammen die Befestigungen des Südgipfels von el-Habis von den Kreuzfahrern. Was wissen wir von den Wohnungen der Nabatäer? Nicht alle können in gebauten Häusern beiderseits des Mosesbaches gelebt haben. Der größere Teil der Stadtbevölkerung hat vermutlich in Häusern beiderseits des Wadi Metaha und in Höhlen am Südhang des Dschebel el-Me'esara gewohnt. Der Schweizer Archäologe Rolf A. Stucky hat auf dem Südhang des Beckens von Petra außer spätrömischen auch Häuser der nabatäischen Zeit ausgegraben. Über ähnliche Wohnanlagen berichtet J. P. Zeitler in diesem Buch (S. 307 ff.). Wohnhöhlen gab es außerdem im Bereich des Wadi en-Nmer und in der vorderen Siyagh-Schlucht. Horsfield, damals Chief Curator of Antiquities für die transjordanische Regierung, hat außerdem auf den Terrassen von el-Habis Wohnhöhlen entdeckt, die durch gemauerte Vorbauten in mehrstöckige Wohnhäuser verwandelt worden waren.15 Auf der Südostflanke von el-Habis und auf der Südseite der beginnenden SiyaghSchlucht sieht man auf halber Höhe gestuckte Rückwände solcher antiker »cliff dwellings« (Abb. 26). Eine Straße von Wohnhöhlen mit Vorbauten hat Murray in elMe'esara entdeckt und ausgegraben.16 Manche der von Dalman in Bausch und Bogen als »Felsheiligtümer« deklarierten Höhlenräume werden von anderen als komfortable Wohnanlagen angesehen. Das »Haus des Dorotheos« bildete demnach einen Teil der extramuralen Vorstadt von en-Nasara.17 Der Name des Besitzers ist auf dem riesigen Triklinium zweimal in griechischen Buchstaben zu lesen. Freilich wird es nicht allen Nabatäern so gut gegangen sein. Viele dürften, darauf weist Hammond hin, wie ihre Vorfahren in Nomadenzelten gelebt haben. Das Problem bleibt aber ungelöst. Es ist immer noch möglich, daß z. B. der ganze Hang von el-Hubta Gräbern und Kultstätten vorbehalten war, während man anderswo wohnte und daß diese Trennung aufrechterhalten blieb. In die Regierungszeit von Aretas IV. datiert Hammond die Anlage der Wasserleitung
Abb. 26: Die Ostwand von el-Habis ist im Lauf der nabatäischen Geschichte stark verändert worden. Heute entdeckt man auf halber Höhe feinst gestuckte Rückwände von Höhlenräumen, deren Vorderwände heruntergefallen sind oder abgeschlagen wurden, um Platz für neue Anlagen zu schaffen. Manche nehmen auch an, es habe aufgemauerte, mehrstöckige Vorbauten gegeben.
durch den Sik. 18 Der Grund ist klar: Ohne die Absperrung des Sikeingangs mit einem Damm und ohne eine reichliche Wasserversorgung mitten in die Stadt hinein konnte ein so umfangreiches Gemeinwesen nicht aufgebaut und lebensfähig erhalten werden. Wie wichtig der später zerstörte Damm war, erfuhr man 1962, als eine Gruppe französischer Touristen im Sik von einem Wolkenbruch überrascht wurde. In kürzester Zeit bildete sich eine mehrere Meter hohe Flutwelle, die durch die Klamm brauste, alles mit sich riß und die Leichen der ertrunkenen Opfer durch die ganze Stadt bis in die Siyagh-Schlucht und ins Wadi Araba trug. Der damalige Direktor der U. S. Water Control Mission, Oli77
Abb. 27: Querschnitt der Rinnenleitung im Sik.
Ineinandergesteckte Tonröhren der Wasserleitung im Sik: 45 cm lang, 15 cm innerer Durchmesser. (Aus: Dalman, Neue PetraForschungen, Leipzig 1912, 18).
ver Fulsom, brauchte nur das nabatäische Kontrollsystem zu erneuern, um für alle Zeiten die Sicherheit der Touristen und Einheimischen zu garantieren. Die Zeichnungen dazu hatte der Deutsche Bachmann, der mit Wiegand Petra besuchte, bereits 1917 im Rahmen einer archäologischen Studie angefertigt. Die beiden Wasserleitungen durch den Sik, die jedem Touristen gezeigt werden, sind nie exakt beschrieben worden. Selbst Hammond hielt anfangs den Triumphbogen über dem Sik-Eingang für einen Aqädukt. Immerhin kann er, da er Druckleitungen aus Tonröhren auch in dem von ihm ausgegrabenen Theater gefunden hat, die Tonröhrenleitung in die vorrömische Zeit datieren 1 9 (Abb. 27). Kaum beschrieben wurden auch die großen 78
Zisternen auf el-Hubta, die vermauert oder mit Schiebern verschlossen waren und deren Abfluß nach Bedarf geregelt werden konnte. Erst 1978 haben Mitglieder der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg eine Wasserleitung genau untersucht, die von der Mosesquelle kommend um die Nordostseite von elHubta herum das Stadtzentrum erreichte. Weitere Leitungen führten von Dibdiba und Braq Wasser in die Stadt. Diese Wasseranlagen sind – ebenso wie die sog. Felsheiligtümer – zum großen Teil als nabatäisch anzusehen, weil nur ausreichende Zufuhr und kluge Regulierung des Wassers das Leben in der Stadt ermöglichten. Ein anderes gutes Beispiel ist das östliche Farasa-Tal, wo im Zusammenhang mit einer fürstlichen Grabanlage Wadisperrmauern, Schluchtverbauungen, Zisternen und gelenkte Wasserfälle angelegt waren. Die pittoresken Grabfassaden Petras haben früher anders ausgesehen als heute. Manche waren gestuckt und möglicherweise bemalt. Freilich was sich jetzt da und dort als dünnes Blatt vom bearbeiteten Sandstein löst, ist nur Produkt der Verwitterung. Jedenfalls schlössen aber Tore und Türen die heute dunkel gähnenden Öffnungen und raffiniert bewässerte Gärten gehörten als geheiligter Bestandteil zur Grabanlage. Bei besonders prunkvollen Gräbern (»Soldatengrab«, »Urnengrab«, »el-Khan«, Grab 813 usw.) waren die Vorplätze von Säulen umgeben. Wie die Stadt selbst aussah, die sich inmitten dieser phantastisch verfremdeten Felslandschaft zu beiden Seiten des Mosesbaches erhob, ist schwer vorstellbar. Vor allem ist noch nicht genug bekannt, wie viel von dem »semitischen Pompeji« 20 aus Marmor, Granit, Alabaster und gestücktem und bemaltem Sandstein, die Traumstadt für jeden Besucher aus Wüste und Zivilisation, mit ihren Vorstädten elMedras, el-Beda, Khirbet Brak und Sabra vor oder nach der römischen Annexion erbaut wurde. Untersuchungen darüber sind gerade jetzt im Gange. Grabungen müssen darüber Aufschluß geben, wo rein stilkritische Untersuchungen bisher versagt haben.
Leicht datierbar sind nur die nabatäischen Münzen mit den Bildern der Könige und Königinnen. Dagegen hapert es noch mit der genauen zeitlichen Eindordnung der unvergleichlichen nabatäischen Keramik, die sich durch porzellanähnliche Dünnheit und – besonders bei flachen Schalen – durch eine exquisite Bemalung auszeichnet. Schmitt-Korte hat die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen zusammengefaßt und eigene Funde mit früher publizierten verglichen.21 Danach schien die bemalte Ware im 1. Jahrhundert v. Chr. zu beginnen und noch in das 3. nachchristliche Jahrhundert hineinzureichen. Über die neuesten Ergebnisse der Forschung berichtet Schmitt-Korte in seinen Beiträgen zu diesem Buch. Ziemlich genau unterrichtet sind wir seit Aretas IV. über die Königinnen der Nabatäer. Münzen aus seinem 1. bis 26. Regierungsjahr zeigen den König mit Huldu (Huldo), spätere mit Shaqilat (Abb. 24). Huldu war vielleicht seine Mutter oder Schwester, Shaqilat möglicherweise seine Schwägerin.22 Auf der schon erwähnten Inschrift von enNmer ist die Statue des vergöttlichten Obotas II. dem Aretas, König der Nabatäer, »der sein Volk liebt«, gewidmet, bzw. im 29. Jahr seiner Ära errichtet worden. Es ist also Aretas IV., dessen ganze Familie anschließend aufgezählt wird: ». . . Shaqilat, seine Schwester, Königin der Nabatäer; Maliku, Obodas, Rabel, (P[h]asael), Saudat und Hagiru (oder: Haguru), seine Kinder; Haretat, Sohn der Hagiru . . .«23 Die drei erstgenannten Söhne und designierten Thronfolger tragen die dynastischen Namen der nabatäischen Könige; der Enkel hat wieder den Namen des Großvaters.
14 Beginn des Niedergangs Während Cajus Claudius Nero Caesar Germanicus, von seinen Soldaten mit dem Spitznamen Caligula bedacht, den römischen Staatsschatz verschwendet, zugleich aber die römischen Befestigungen an die Donau vorschiebt, stirbt Aretas IV. und wird von sei-
nem Sohn Malichus ersetzt. Malichus I I . , Maliku (oder: Malik) in der Sprache seines Landes, regiert von 40 bis 71. Vier Jahre nach seiner Krönung erlebt er, wie das einst von David, dann von den Hasmonäern und schließlich von der Herodesfamilie beherrschte Nachbarland jetzt zur »prokuratorischen« Provinz Judäa wird, möglicherweise weil der Sohn des verstorbenen Königs Herodes Agrippa noch zu jung ist, die Regierung zu übernehmen. Im Hauran, zwischen Damaskus und Bosra hat man eine Inschrift gefunden, die aus einem Tempel der nabatäischen Göttin Allat stammt und ins Jahr 17 des »Maliku, Königs der Nabatäer, Sohnes des Haretat, Königs der Nabatäer, der sein Volk liebt« datiert ist. 3 Ähnliche Zeugnisse seiner Regierungszeit stammen aus el-Hegr, das letzte vom 21. Regierungsjahr, sowie aus Oboda (heute: Avdat) im Negev.4 Als loyaler Gefolgsmann Roms schickt Malichus II. (67) 1000 Reiter und 500 Bogenschützen zum Heere Vespasians1, der sich in der neuen Provinz erbitterter Aufstände der Zeloten, eines radikalen Flügels der jüdischen Pharisäerfraktion, erwehren muß. Auf dem Höhepunkt dieses Krieges stirbt Nero, der Souverän Vespasians, und dieser selbst wird von seinen Legionen auf den Thron erhoben. Der neue Kaiser überläßt den Abschluß der Kämpfe in Judäa seinem Sohn Titus. Als dieser im Jahr 70 endlich Jerusalem einnimmt, beteiligen sich neben Agrippa IL, dem Großenkel des Herodes, auch Nabatäer am Gemetzel. Sie trugen damit, wie Josephus schreibt, zwar zur Vernichtung ihrer feindlichen Brüder, aber auch zur Stärkung jener Macht bei, die ihnen selbst zum Henker werden sollte. Josephus steht in dieser Sache ein Urteil zu. Er hatte zuerst auf Seiten der Aufständischen gekämpft, sich dann aber 67 mit der jüdischen Aristokratie von den Zeloten getrennt. Von Vespasian begnadigt, nahm er aus Dankbarkeit den Namen des Kaiserhauses »Flavius« an.2 Auch bei Malichus II. kennt man die Koni79
gin. In et-Telah, auf dem Weg nach Ain elHosb, wo die nabatäischen Karawanen von Petra den Westrand des Wadi Araba erreichten, fand Glueck eine Münze mit dem Namen Shaqilat. 5 Shaqilat II. (auch Sekilath oder Suqailat), wahrscheinlich Tochter der vorhergehenden Königin gleichen Namens, wird zum ersten Mal offiziell als »Schwester des Königs« bezeichnet. Wie die Ptolemäer, heirateten die letzten nabatäischen Könige vielleicht ihre Schwestern oder Halbschwestern, um das Blut der Dynastie rein zu erhalten. Das Bild der Königin auf den Münzen zeigt jedenfalls ihre Ebenbürtigkeit an. Die Bedeutung der königlichen Abstammung ersieht man aus einer anderen Tatsache. Hoch über dem »Kolumbarium«, einem Höhlenraum unklaren Zweckes von el-Habis, sind einige Inschriften Pasael, Königin von Nabatäa, gewidmet. Sie war eine Tochter von Aretas IV. und trug den Titel unter der Regierung von Malichus II. 6 Um die Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts überfielen nomadische Stämme die Negev-Städte Avdat, Nessana und Kurnub und zerstörten sie. Die Nabatäer traten jetzt in den Herbst ihrer Geschichte ein. Ihr Landhandel ging zurück. Man hat zwar in der Oase Dumat (heute: el-Djof) am Weg von Petra zum Persischen Golf eine Weihinschrift für ein Duschara-Heiligtum gefunden, die das 5. Regierungsjahr des Malichus erwähnt, aber die Karawanen von Südarabien über Petra nach Gaza wurden weniger. Die arabische Landroute verteuerte die Waren in unerträglichem Maße. Zahllose Steuern, Gebühren, Zölle, Bestechungsgelder und »Trinkgelder« mußten bezahlt werden. Mehr als 65mal wurden Weihrauch, Myrrhe und Balsam umgeladen, ehe sie das Mittelmeer erreichten7 Obwohl der einst von Necho begonnene und später von Dareios erneuerte Kanal zwischen Nil und Rotem Meer nicht offen gehalten werden konnte, gewann doch der Handel von Südarabien über das Rote Meer und den Nil nach Alexandria für Rom immer mehr an Bedeutung. Man hatte inzwischen gelernt, trotz der heftigen Nordwestwinde im Golf von Suez 80
und im Norden des Roten Meeres mit größeren Segelschiffen zu navigieren. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Straßen zwischen den römisch-ägyptischen Rotmeerhäfen Myos Hormos und Berenike einerseits und Koptos am Nil andererseits ausgebaut und als Transportwege für arabische und indische Güter benützt. Von Leuke Korne, schrieb Strabon, nach Petra und von da nach dem phönizischen Rhinokolura nahe Ägypten wurden (früher) die Waren gebracht; jetzt kommen sie aber meist auf dem Nil nach Alexandria.8 Der nabatäische Hafen Leuke Korne gegenüber Myos Hormos war zusammen mit dem landeinwärts gelegenen el-Hegr lange Zeit »einer der Knotenpunkte des orientalisch-okzidentalischen Handels« (Mommsen). Als die südarabischen und indischen Güter den neuen Weg nahmen, verlor zuerst el-Hegr, später auch Leuke Korne an Bedeutung. Dagegen bewahrte Adana (heute: Aden) seine wichtige Stellung im Handel der Antike bis in die Kaiserzeit hinein und wurde zur eigentlichen Ursache, daß man vom »Glücklichen Arabien« sprach. Unter Augustus oder Nero wurde Aden angeblich von einer römischen Flotte zerstört. Fuß fassen wollten – oder konnten – die Römer in Südarabien nie. Schließlich genügte es, wenn der einträgliche Handel den von ihnen kontrollierten Wegen folgte. Die Zahl der Familienmausoleen von el-Hegr, die in peträischer Manier aus den Felsen geschnitten waren, illustriert den Rückgang des nabatäischen Handels auf der Weihrauchstraße. Wurden unter dem »volksliebenden« Aretas zwanzig Gräber angelegt, so waren es unter Malichus II. acht und unter seinem Nachfolger nur noch drei. Das letzte stammt aus dem Jahre 75. Um diese Zeit haben die Nabatäer entweder die Herrschaft über el-Hegr verloren oder keinen Grund mehr gehabt, dort zu wohnen und ihre Toten zu bestatten (Abb. 28).
15 Rabel, letzter König Als es (70) dem jüngeren Titus Flavius Vespasianus gelungen war, nach langer Aushungerung das fanatisch verteidigte Jerusa-
Abb. 28: Nabatäisches Grab von el-Hegr (heute: Medain Salih) an der Weihrauchstraße. Gräber gleichen Typs in Petra werden Hegra-Gräber genannt.
lern im Sturm zu nehme n, zählte ma n 120 000 Juden, die dabei umgekommen waren. Die Überlebenden hatte man – sicher auch über nabatäische Handelsplätze – in die Sklaverei verkauft oder im Zirkus umbringen lassen. Daß Jerusalem vernichtet und sein Tempel verbrannt wurde, war eine deutliche Warnung für den jungen Rabel, der nach dem Tode seines Vaters Malichus im Jahre 70/71 die Regierung übernahm. Rabel II. kam unmündig auf den Thron. Die Münzen aus den ersten fünf Jahren zeigen ihn zusammen mit seiner Mutter Shaqilat II. 1 Unter ihrem Oberbefehl standen also die nabatäischen Truppen, die den römischen Statthalter Flavius Silva bei der Rückeroberung der Festung Masada im Jahre 73 unterstützten. In den Lagern der Römer und auf der Höhe des eroberten Felsens fanden die Ausgräber neben erschütternden Zeugnissen des jüdischen Widerstandes feinbemalte nabatäische Keramik, die auf diese Weise eindeutig datiert werden konnte.2 Auch Shaqilat's Premier ist bekannt. In einem der großen Felsengräber am Westhang von el-Hubta, wo sich der Sik zum Stadtge-
biet öffnet, hat Gray Hill 1896 eine Inschrift entziffert, die einen »Bruder der Königin« namens Onaiso (oder Uneishu, Onaichu) erwähnt (Abb. 29). Lange hat man geglaubt, der – inzwischen verlorene – Stein mit der Inschrift stamme aus Grab 808, das man deshalb auch das Onaiso-Grab nannte. 1973 fand der Autor jedoch in Grab 813 einen Grabdeckstein, der ebenfalls eine Inschrift trug. F. Zayadine, der Leiter der Ausgrabungen, konnte nachweisen, daß beide Inschriften demselben Grab, nämlich 813, zugehören, wobei auch auf Stuck gemalte nabatäische Schriften mit dem Namen Shaqilat entdeckt wurden.3 Im Jahre 75 erscheint Rabel II. zusammen mit »Gamilat, seiner Schwester, Königin der Nabatäer« auf den Münzvorderseiten (Abb. 30). Wie der König aussah, lassen die stilisierten Porträts kaum erkennen. Der Herkunft nach muß Rabel klein und schlank gewesen sein. In der Öffentlichkeit wird er über einem griechischen Chiton als Schmuck einen gedrehten Goldring nach parthisch-skythischem Vorbild getragen haben. In dieser Weise war die männliche Gottheit in dem Tempel auf 81
Abb. 29: Gräberwand an der Öffnung des Sik zum Kessel von Petra. In der Mitte oben das »königliche« Grab 813 mit großem, ursprünglich säulenumstandenen Vorplatz und Eingang zu einem Grabtriklinium.
dem Dschebel Tannur geschmückt.4 Den gelockten aus der griechischen Welt stammenden Bart des dortigen Gottes Qaus vermißt man auf den Münzporträts, aber das Haupthaar fällt hier wie dort in gebändigten Locken herab. Wir dürfen uns auch den nabatäischen König so vorstellen. Nach den erhaltenen Inschriften, sowie den Keramik- und Münzfunden hat Rabel II. noch ein beträchtliches Gebiet kontrolliert. Ohne die (85) verlorenen lihyanischen Besitzungen reichte es von D'mer nordöstlich von Damaskus bis nach Akaba und von el-Hegr bis zur Sinaihalbinsel.5 Damaskus selbst gehörte nicht mehr dazu, aber »für das Leben unseres Herrn Rabel, des Königs« wurde zu seiner Regierungszeit in Gerasa (heute Dscherasch) eine Statue seines Großvaters Aretas IV. errichtet. 1964 entdeckte man gegenüber dem Sik-Eingang zwölf in Stein ge82
ritzte Spitzpfeiler (»nefesh«). In den Inschriften findet man u. a. die Namen Abdmaliku und Abdurabbel neben Abdusares. Um die Mitte des 1. Jh. n. Chr. nannten sich Nabatäer also »Diener des Maliku«, »Diener des Rabel« und »Diener des Duschara«. Von einem Toten heißt es, daß er aus Petra stammte und in Dscherasch (Gerasa) gewesen war. Dabei wird der aramäische Name der Stadt »requem« (»reqmu«) im Gegensatz zu dem griechischen »Petra« erwähnt.6 Noch vor Akaba führen Pisten und Straßen zu einer archäologisch interessanten Örtlichkeit, die mit Rabel II. in Verbindung zu bringen ist. Es handelt sich um den Felsenkessel von Ramm (engl.: Rum) in dem gleichnamigen etwa 18 km langen Wadi, das in antiken Inschriften Iram heißt. Ramm liegt etwa 1000 m hoch inmitten farbreicher kambrischer und ordovizischer Sandsteinberge, die
Abb. 30: Bronzemünze mit Doppelporträt des Nabatäerkönigs Rabel II. und Gamilat, seiner Schwester und Gemahlin. Rückseite: Gekreuzte Füllhörner mit der Inschrift Rabel-Gamilat.
von Wasser und Wind in Jahrmillionen zersägt wurden und nun steil emporragen. Sie geben der Landschaft ein besonderes Gepräge, das man nicht vergißt. Durch diese Gegend verliefen alte minäische und später nabatäische Handelswege zwischen dem südlichen Arabien und PalästinaSyrien. Kamelkarawanen fanden in dem Steppenland zwischen den wasserreichen Bergen ausreichende Nahrung. Eine der Quellen oberhalb des antiken Iram muß über lange Zeit besondere Verehrung genossen haben, nämlich Ain Shellaleh. Kommt man nach holpriger Fahrt durch Sandwolken in Ramm an, findet man zuerst am Fuße des 1754 m hohen Dschebel Ramm die Ruinen eines Tempels. Das Heiligtum verdankt seine Entstehung offensichtlich der wichtigen, etwa 1 km entfernten Quelle. Die von Savignac, Horsfield, Kirkbride und Carswell seit 1934 durchgeführten Ausgrabungen und Untersuchungen hatten folgendes Ergebnis: Wo die ersten Entdecker gerade einen Teil mit einigen Säulentrümmern unterscheiden konnten, zeigte sich nach der Ausgrabung ein regelrechter Tempel. Mehrere Bauperioden sind zu unterscheiden. Der erste Tempel war ein viereckiger Peripteros auf einem Podium mit 18 freistehenden Säulen. Hinsichtlich Zeit und Gegend bedeutet das ein Unikum. Der Bau entstand wohl unter Rabel II., zwischen 70 und 106 n. Chr., vermutlich in
der zweiten Hälfte seiner Regierungszeit. Seine zweite Gemahlin Hagiru (seit etwa 102/3 n. Chr.) ist in der »Widmungsinschrift« bei der »Ain Shellaleh« erwähnt. In einer zweiten Bauperiode baute man die stuckkannelierten Säulen an drei Seiten in eine Mauer ein, die sorgfältig stuckiert und bemalt wurde. Damit war, vermutlich bereits nach der Annexion Nabatäas, das Schema des nabatäischen Tempels, wie es von Petra und dem Hauran her bekannt ist, hergestellt. In einer dritten Periode errichtete man schließlich eine feste Mauer um den Tempel, die viereckige Räume an den Seiten und Treppen zum Dach einschloß. Hier haben später Nomaden gewohnt und ihre Graffiti an die Wände gekritzelt. Zur Quelle führt ein alter Weg schräg oberhalb des Tempels in eine weite Schlucht, die sich durch reicheren Bewuchs und durch das Nebeneinander verschiedener Gesteinsarten auszeichnet. Bläulicher Basalt ist ebenso zu finden wie verwitterter Granit und feiner Sandstein. Auf halber Höhe liegt ein gut bearbeiteter Stein mit einer im Querschnitt rechteckigen Rinne über der ganzen Länge, sichtbarer Rest einer Wasserleitung zum Tempel im Tal, wo man neuerdings auch Badeanlagen ausgegraben hat. Die Quelle ist jetzt gefaßt und vermauert. Man sieht aber noch alte Bassins und darüber, ebenso wie in der Umgebung, viele nabatäische, außerdem 83
minäische und thamudische Inschriften, die von Steinmetzten, Priestern, Maurern, einfachen Arbeitern und Nomaden stammen. Die Handwerker sind wohl die gleichen, die den Tempel im Tal gebaut haben. Eine Inschrift stammt aus dem Jahre 17 der Regierungszeit Rabeis II. (88 n. Chr.). Zwei aus der Felswand herausgemeißelte Plaketten sind verwittert und mit arabischen Namen beschmiert. Savignac hat 1934 bei genauer Untersuchung je zwei abstrahierte Augen und eine strichförmige Nase entdeckt. Durch Bauten, Skulpturen und Inschriften belegt ist die zur Zeit Rabeis zunehmende Bedeutung von Bostra (heute: Bosra) im Hauran. Aretas III. hatte die Stadt ursprünglich als Wachtstation auf dem Karawanenweg nach Damaskus angelegt. Später wurde sie von den Nabatäern mit Mauern umgeben. 6 Weil zuerst keine typische, bemalte Keramik gefunden wurde, nahm Glueck an, daß die Nabatäer hier nur als Oberschicht regierten und sich wie Kolonialherren der einheimischen Töpferware bedienten.7 Neue Ausgrabungen haben inzwischen auch in Bosra nabatäische Keramik ans Tageslicht gebracht. Offensichtlich war die Beziehung zu Bostra sogar so intensiv, daß Rabel IL, ebenso wie sein Vater Malichus, die Stadt zeitweise als Residenz benutzte. Man hat geglaubt, die beiden Könige hätten das komfortablere Leben in Bostra dem härteren in Petra vorgezogen. Wahrscheinlicher ist, daß durch den direkten römischen Handelsverkehr mit Indien Petra seine Bedeutung als Umschlagplatz allmählich verlor und daß die Römer die Anwesenheit des Köngis am bedrohteren Teil der Reichsgrenze verlangten.8 Rabel II. wird mehrmals ausdrücklich mit einem Gott in Verbindung gebracht, der in Bostra verehrt und an Duschara angeglichen wurde. Eine Inschrift von el-Hegr nennt einen »Altar für A'arra, der in Bostra ist, den Gott des Rabel« und eine andere von Itam im südlichen Hauran widmet einen Altar »für Dusares (Duschara) und A'arra, den Gott unseres Herrn, der in Bostra ist«. Diese letz84
tere Widmung stammt aus dem 23. Regierungsjahr des Königs, also vom Jahr 94.9 Rabel II. gab sich einen kennzeichnenden Beinamen: »Der sein Volk wiederbelebt und errettet (oder befreit) hat«. Es fragt sich, ob er wirklich im Anfang seiner Regierungszeit die Nabatäer aus einer großen Gefahr errettet hat oder ob sein Beiname, gelegentlich als »Erlöser« (gr. soter) übersetzt, wie bei anderen Herrschern des Altertums nur prahlerische Geste war. Manche glaubten, er habe sich durch regelmäßige Lebensmittelschenkungen an die Armen ausgezeichnet.10 Es bietet sich eine andere Erklärung an. Bei neuen Ausgrabungen in der Stadt Oboda (heute: Avdat) im Negev ließ sich die Geschichte dieses wichtigen Ortes in der Karawanenstraße von Petra nach Gaza und Ägypten genau rekonstruieren.11 Im Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. richteten die Nabatäer entlang ihren Krawanenstraßen Stationen ein. Das heutige Avdat wurde auf diese Weise gegründet und durch die Anlage von mehr als zwanzig großen Zisternen und einer Festung zu einer Oase in der Wüste gemacht. Um 100 v. Chr. vertrieb der Hasmonäer Alexander Jannaios die Nabatäer aus ihren Negevstädten. Diese blieben unbewohnt, bis Aretas IV. (9 v. Chr.) König wurde. Unter seiner Regierung wurden die Städte Kurnub (Mampsis), Khalasa (Elusa) und Oboda (Avdat) wieder besiedelt. Festungen mit nabatäischen Kamelreitern beschützten die Städte ebenso wie die Karawanenstraßen. Zu dieser Zeit erreichte der Handelsverkehr durch den Negev seinen Höhepunkt. Mit dem Tod von Aretas IV. und mit dem Beginn der römischen Schiffahrt im Roten Meer verfielen die Negevstädte. Um die Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts finden sich keine Spuren einer Besiedelung mehr. Grabungen in Avdat und Kurnub haben das eindeutig ergeben. Auch entlang der lebenswichtigen Handelsstraße von Petra nach Gaza hat man keine Keramik gefunden, die in diese Zeit datiert werden kann. Die Besiedelungslücke endet in den achtziger Jah-
ren, nachdem Rabel (70 n. Chr.) König der Nabatäer geworden war. Inschriften aus dem 18. bis 28. Regierungsjahr Rabeis dokumentieren die wiedergewonnene Bedeutung der Negev-Stadt Oboda. Gute Gründe sprechen dafür, daß nach dem Tode des vierten Aretas nomadische Thamudäer und Safaiten die Städte im Negev zerstört haben. Ob Rabel 12 seinen Ehrentitel wegen des Sieges über die Nomaden, wegen des Wiederaufbaues der Negev-Städte, wegen der damit verbundenen Verbesserung von Ackerbau und Wasserversorgung13, wegen einer arabischen Reformation oder wegen der Neubelebung des Handels angenommen hat, konnte man bisher nicht mit Sicherheit sagen. Fest steht jedoch, daß es unter Rabel II. mit dem Negev aufwärts ging. Der Name des letzten Nabatäerkönigs taucht noch in einem anderen Zusammenhang auf. Erst vor kurzem wurden in einer Höhle am Westufer des Toten Meeres Papyri gefunden, die ersten nabatäischen übrigens, die das Zeitgeschehen trefflich beleuchten. Eines der Dokumente weist einen Judäer namens Shimon (oder Simeon) als Eigentümer eines Palmgartens in der Gegend von Zoar am Südende des Toten Meeres aus. Der nabatäische Angrenzer, namentlich festgelegt, war kein geringerer als Rabel II., König der Nabatäer.14 Zwischen Statthaltergrab und Palastgrab, der mutmaßlichen Begräbnisstätte Rabeis IL, fand Pater Dr. Karge 1909 eine Steintafel mit einer dreizehnzeiligen Inschrift, die beinahe die ganze Familie des letzten Königs aufzählt: « . . . für das Leben (oder: zu Lebzeiten) Rabels, Königs der Nabatäer, der sein Volk wiederbelebt (oder: leben ließ) und errettet hat; und der Gamilat und der Hagiru, seiner Schwestern, Königinnen der Nabatäer, Kinder von Maliku, König der Nabatäer, Sohn von Haretat, König der Nabatäer, der sein Volk liebt; und des Basama (oder: Qasma), Sohnes der Saudat, seiner Schwester, Königin der Nabatäer; und . . . des Maliku, Kinder des Rabel und der Gamilat; der Hagiru im Jahre . . . Rabels, König der Nabatäer, der
Abb. 31: Am Fuß von el-Hubta auf einem Stein gefundene Inschrift mit Angaben über die Familie des letzten Königs Rabel II. (Aus: Dalman, Neue Petra-Forschungen).
wiederbelebt und errettet hat (sein Volk)«15 (Abb. 31). Bei den Kindern Rabeis sind einige Namen unleserlich. Gerade der Name des Erstgeborenen wird aber aus einer anderen Quelle bekannt. In einem der bei Engedi am Toten Meer gefundenen Verträge aus dem Jahre 98 wird als Sohn Rabeis ein Obodas genannt, der wohl der Erstgeborene und damit der »Kronprinz« gewesen ist. 16 Dieser »Kronprinz« kam nie zu königlichen Ehren. Rabel II. war nach allem, was bekannt geworden ist, der letzte nabatäische König und wurde von keinem Nachfolger zum Gott erhöht. An der Karawanenstraße zwischen Tebuk und Teima fanden die Patres Jaussen und Savignac eine Votivinschrift aus dem 36., dem letzten, Regierungsjahr des Königs Rabel.17 Wenige Monate später, im März des Jahres 106, machte Aulus Cornelius Palma, der Statthalter von Syrien, das »zu Petra gehörige Arabien« zu einer römischen Provinz.18 Das geschah folgerichtig unter Kaiser Trajan, der Dakien eroberte, den Parthern Mesopotamien entriß, 90 n. Chr. die Provincia Arabia gründete, indem er die Dekapolis einverleibte und dem Römerreich die größte Ausdehnung seiner Geschichte gab. Mit der Liquidierung Nabatäas rundete er das Impe85
Abb. 32: Kaiser Traian (98–117).
rium im Südosten zur geeigneten Zeit mit geringer Anstrengung ab (Abb. 32). Über den Verlauf der Annexion gibt es keine zuverlässigen Nachrichten. Nur Hammond weiß von einem Marsch Cornelius Palmas nach Petra. Zwei safaitische Inschriften aus den Jahren 105 und 108 erwähnen einen »nabatäischen Krieg«, möglicherweise auch nur beduinische Streifzüge.1' Von Dio Cassius erfährt man lediglich, daß Palma das arabische (nabatäische) Land um Petra »unterwerfen« mußte. 20 In Petra hat man jedoch keine sicheren Spuren einer Eroberung gefunden. Die Zerstörung Avdats im Negev um 126 n. Chr. ist kriegerischen Nomaden safaitischer und thamudischer Sprache zuzuschreiben. Hunderte von Felszeichnungen
Abb. 33: Symbolgestalt der besiegten Arabia (106 n. Chr.).
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und Inschriften zeugen von ihrer Aktivität21, die jedoch nicht sofort nach dem Ende des Königreiches einsetzte. Nabatäische Inschriften von 107 und 119, bereits nach der neuen römischen Zeitrechnung datiert, beweisen, daß die Annexion anfangs wenig an den Verhältnissen im Lande änderte.22 Von den Römern wurde die Annexion als Sieg verherrlicht. Auf Gedenkmünzen aus Gold, Silber und Bronze stellt eine Frauengestalt mit einem Zweig in der Hand und einem Kamel zur Seite das eroberte Arabien dar. Darunter hieß es lakonisch »Arabia adquisita«, Arabien sei hinzugewonnen, d. h. dem Imperium einverleibt worden (Abb. 33). Die Formulierung bedeutet einen feinen Unterschied gegenüber dem 36 Jahre vorher eroberten Judäa, das auf ähnlichen Münzen als »besiegt und gefangen« bezeichnet wurde. 400 Jahre lang behaupteten sich die Nabatäer zwischen Ptolemäern, Seleukiden, Juden, Parthern, stammesverwandten Arabern und volksfremden Römern. Sie bewährten sich als Viehzüchter, Händler und Unternehmer. Ihr »Karawanenstaat« war in seiner Art wohl geordnet und ihre Hauptstadt Petra seit 312 v. Chr. von keinem Feind erobert worden. Die Nabatäer müssen ausgezeichnete Soldaten, Steinmetze, Baumeister, Künstler, Rechtskundige, Landwirtschafts- und Bewässerungsexperten hervorgebracht oder angeworben haben. Ihr Land war von Straßen durchzogen, mit Tempeln geschmückt, von Wachttürmen und Festungen beschützt, mit Wasserleitungen und Zisternen versehen. Militärbeamte waren für Sicherheit und Recht in den einzelnen Distrikten verantwortlich. Die Zahl der Gebildeten muß groß gewesen sein. Mehr als 3000 Inschriften wurden in Felswände und Steintafeln eingeschlagen oder geritzt oder – wie 1973 vom Verfasser entdeckt – mit Farbe auf Stuck gemalt.23 Über 2½ Jahrhunderte regierten Könige in Petra, wo als fast unvergängliche Zeugnisse einer einmaligen Baukunst Gräber, Tempel, Heiligtümer und Wohnanlagen aus dem Sandstein herausgearbeitet oder kunstvoll
gemauert wurden. Der regenarmen Landschaft trotzten nabatäische Bauern Erträge ab, indem sie jeden Tropfen Regen- und Quellwassers, ja selbst den Tau, auffingen, speicherten und zur rechten Zeit ihren Feldern zuführten. Gewiegte Politiker, wie der von den Römern und Josephus verständlicherweise geschmähte Sylläus, schalteten sich in die Weltpolitik ein. Grundlage dieses phänomenalen Aufstieges eines arabischen Nomadenstammes war die Vermittlung des Handels von Südarabien zu den Ländern des Mittelmeeres und der Kontakt mit der Welt des Hellenismus. Mit militärischen Mitteln allein hätten die Nabatäer schwerlich so lange ihre Unabhängigkeit bewahren können. Was ihnen half, war ihr Handelsmonopol, das sie eifersüchtig hüteten und die Abgelegenheit ihres leicht zu verteidigenden Landes, insbesondere ihrer Hauptstadt Petra. Entscheidend freilich war ihr diplomatisches Geschick. Die damit verbundene Neigung zu Verrat und Intrige und »ihre Gewohnheit, allen Herren zu dienen, sich aber keinem zu verpflichten« mußte auf die Dauer die Römer beunruhigen und zur Annexion veranlassen.24 Zwischen den Großreichen des Ostens und dem Imperium durfte es keine wankelmütigen Satelliten geben, die aus der Wüste anbrandenden Nomaden mußten in Schach gehalten werden und die Handelswege nach Südarabien und Indien sollten in römischer Hand sein. Was das Schicksal des letzten Königs anlangt, so kann man nur annehmen, daß sein natürlicher oder gewaltsamer Tod zum Signal für die Annexion wurde. Die königliche Familie mag in Bostra niedergemetzelt worden sein oder in einer Villa bei Rom einen friedlichen Lebensabend genossen haben. Beide Annahmen sind reine Spekulation.
16 Provincia Arabia Die neue römische Provinz Arabia entsprach ihrem Umfang nach dem bisherigen Königreich der Nabatäer. Ihre Hauptstadt war vermutlich zuerst noch Petra im Süden, später – vielleicht nur als Verwaltungszentrum Bo-
Abb. 34: Die uralte »Straße der Könige« östlich des Toten Meeres war später die Trasse der Römerstraße. Die Setzung des ersten römischen Meilensteines bedeutete das Ende des Nabatäer-Reiches.
stra im Norden. Mit dem 22. März 106 begann die neue Zeitrechnung. Die Jahre wurden nicht mehr nach dem Regierungsjahr des Königs, sondern nach der Ära der Provinz gezählt. 1 Die Befehlsgewalt lag bei einem kaiserlichen Legaten. Ein Kommandant im Range eines Senators befehligte die Dritte römische Legion (Cyrenaica) mit dem Sitz in Bostra, das dadurch weiter an Bedeutung gewann. Teile der Vierten Legion (Martia) wurden später im Süden des Landes, bei Ladschun in der Nähe von Kerak und in Udruh bei Petra, stationiert.2 Von Bostra aus konnten die Römer ihre Truppen leichter einsetzen und ihre Handelsstraßen besser überwachen. Auf alten Routen führten Straßen nach Adraa (heute: Dera), Damaskus, Sidon, Salkhad und zur Oase Azraq, dem letzten Stützpunkt in der Wüste, wo sich die Karawanenwege nach 87
Abb. 35: Im Jahre 131 suchte der reiselustige Kaiser Hadrian Petra auf. Er nannte sich »Restitutor Arabiae«. Zu seiner Ehrung wurden Münzen mit der Inschrift »Petra des Hadrian« geschlagen. (Staatliche Münzsammlung München).
Südarabien und dem unteren Mesopotamien teilten. 3 Aus der alten Handelsstraße von Bostra zum Roten Meer wurde (114) die nach Trajan benannte »via nova a finibus Syriae usque ad Mare Rubrum«. Sie war, wie man bei Madeba nachmessen kann, sechs Meter breit, größtenteils gepflastert und mit vielen Brücken versehen. Von Madeba über Diban nach Schobek folgte sie der alten »Straße der Könige«, von Ma'an bis Akaba verlief sie östlich der Randberge des Wadi Araba. Auf der Strecke findet man heute noch Meilensteine aus römischer Zeit (Abb. 34). Römische Spuren entdeckte man auch auf der Weihrauchstraße im mittleren Arabien. Zwischen el-Hegr und Dedan verewigten sich an Felswänden die letzten Legionäre, die den Karawanen Schutz gaben, und in el-Hegr selbst errichtete ein Handwerker der Dritten Legion (Cyrenaia) eine Stele zur Ehre der Tyche von Bostra. 4 Ein Verteidigungssystem von Wachttürmen, Stützpunkten und Lagern, der Limes Arabicus, markierte die Grenze der Provinz und des Weltreiches. Von hier aus wurden die Nomaden kontrolliert, damit die seßhafte Bevölkerung vor Überfällen sicher war. Die Römer konnten sich dabei auf die Vorarbeit der Nabatäer verlassen. Über ein halbes Jahrtausend lang sollte dieser arabische Limes die 88
Pax Romana für die Völker Palästinas und des nördlichen Arabiens sicherstellen. 5 Zusammen mit der neuen Straße von Bostra zum Roten Meer errichtete man in Petra einen Triumphbogen für Kaiser Hadrian (Abb. 35).6 Nicht ohne Grund; denn durch den Bau von Straßen, Befestigungen und sakralen Gebäuden wurde der Wohlstand ebenso gemehrt wie durch das Militär, das Geld ins Land brachte. Im Jahre 130 suchte der reiselustige Hadrian die Stadt Petra auf. Er nannte sich »Restitutor Arabiae«. Zur Erinnerung schlug man in der neuen »Metropolis« Münzen mit der Inschrift »Petra des Hadrian«.7 Der Bogen, dessen Widerlager und Nischen man am Sik-Eingang sieht, könnte, – wie in Gerasa – aus seinen Tagen stammen. Pracht und Bedeutung des römischen Petra, aber auch die Kontinuität nabatäischer Tradition in der Fassadengestaltung bezeugt das Grab des zweiten oder dritten Legaten für die Provincia Arabia, eines Sextius oder Sextus Florentinus, der im Jahre 127 noch im Amte war und drei Jahre später in Petra verstarb. Dieses »Statthaltergrab« trägt eine lateinische Inschrift, die es schon den ersten Besuchern der Neuzeit kenntlich machte. 1936 fand Horsfield in der mittleren Grabnische Fragmente von Alabastervasen8, die zum ursprünglichen Begräbnis gehörten (Abb. S. 24). Die Lage dieses Grabes läßt einige interessante Schlüsse zu. Es befindet sich so nahe am größten peträischen Grab, dem »Palastgrab«, wie es die Hangformation erlaubte.9 Unterstellt man, daß am anderen Ende der Großgräberreihe von el-Hubta Onaiso, »Bruder« und Kanzler der Königin Suqailat, bestattet wurde, dann müßten die dazwischen liegenden Mausoleen die Ruhestätten für die Großen des nabatäischen Reiches und die größten von ihnen die der Könige gewesen sein. Stimmt das, so löst sich das Rätsel der peträischen Großgräber etwa in folgender Weise: Im mächtigen »Urnengrab« (Abb. 36) war Aretas IV, im »Korinthischen Grab« – als erster Nachahmung der Khazne – Obodas IL beigesetzt, und das »Palastgrab« war für Malichus IL und seine
Abb. 36: »Urnengrab«.
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Abb. 37: Das Theater in Petra.
Abb. 38: Büste in der Mittelnische des Urnengrabes, möglicherweise den hier beigesetzten König darstellend.
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Familie bestimmt (Abb. 31 und Abb. S. 23). Auch exakte stilistische Untersuchungen der Felsfassaden durch J. McKenzie und A. Phippen weisen auf die Entstehung der Großgräber in nabatäischer Zeit, also vor 106 n. Chr. hin.10 Diese weder durch Grabungsfunde noch durch Inschriften gesicherte Deutung schien zeitweise unhaltbar. Ähnlich wie Dalman neigte Parr früher dazu, Stadttempel und Großgräber einer späteren römischen Zeit zuzuschreiben. Der Verdacht, die Großgräber Petras könnten statt der nabatäischen Könige römische Provinzialbeamte oder arrivierte Kaufleute beherbergt haben11, ist aber heute nicht mehr aktuell. Neue Ausgrabungen und Funde machen es sicher, daß die wesentlichen Monumente Petras in nabatäischer Zeit entstanden sind. Die erste Überraschung in diesem Zusammenhang bot ein Bauwerk, von dem man am selbstverständlichsten angenommen hatte, daß es aus römischer Zeit stammen müßte. Ausgrabungen des Theaters, die Ph. Ham-
mond unter strengster Berücksichtigung der Stratigraphie 1961 und 1962 durchführte12, haben zweifelsfrei ergeben, daß die umfangreiche Anlage für 8000 Zuschauer nach römischem Vorbild, aber von örtlichen Architekten und Steinmetzen etwa um die Zeitenwende, also unter Aretas IV., begonnen wurde (Abb. 37). Für nabatäischen Ursprung der wichtigsten Monumente sprechen andere Indizien. 1962 erkletterte der Bergsteiger Joe Brown die scheinbar unzugänglichen Nischen hoch über dem Eingang des »Urnengrabes«. Er fand in der Fassade drei Grabioculi, von denen der mittlere mit dem Reliefbrustbild einer männlichen Figur verschlossen war. Die loculi waren leer, vermutlich längst ausgeraubt. Die Mühe, die auf die monumentale Fassade verwendet wurde und die Einzigartigkeit der Lage der Begräbnisnischen lassen hier ein Königsgrab vermuten. Das Relief würde dann wohl Aretas IV. oder seinen Nachfolger Malichus II. darstellen, der von 40–71 n. Chr. regierte.13 Es darf vermutet werden, daß, genau wie am Urnengrab, auch andere Nischen im Bereich von Grabanlagen Reliefbilder der Beigesetzten enthielten (Abb. 38). Die gerahmten Reliefbüsten oberhalb der Kapitelle des Urnengrabes sind eher Götterbilder. Noch erstaunlicher waren die Ergebnisse von Grabungen im Bereich des Stadttempels und des davor liegenden Temenos. Parr und Wright hatten bis 1965 die Meinung vertreten, der Stadttempel (Kasr el-Bint Fara'un) stamme ebenso wie Temenos und Straßentor aus der Regierungszeit der Antoninen oder Severer, sei also zwischen 138 n. Chr. und der Wende zum dritten Jahrhundert entstanden.14 Nun wurde in den Jahren 1963 und 1964 zuerst einmal in der Einfassungsmauer des Tempelbezirkes ein Steinblock gefunden, der nach der gut erhaltenen Inschrift als Sockel für eine Statue Aretas' IV. gedient hat (Abb. 39). Eine solche Inschrift in dieser Gegend wäre an sich interessant genug gewesen. Der Block war aber obendrein in situ und zwar in einer Weise, daß angenommen werden muß, er sei ursprünglich beim Bau der Umfassungsmauer eingesetzt worden.
Abb. 39: Inschrift zu Ehren von König Aretas IV. in der Temenosbegrenzung.
Bedenken wir weiter, daß an der Stelle des jetzigen Stadttempels (Kasr) und des großen Altars zuvor kein Heiligtum gestanden hatte und daß man hier und beim jetzigen Straßentor, das möglicherweise nach 106 n. Chr. errichtet wurde, Architekturstücke mit feinsten Skulpturen entdeckte, die u. a. mit Krieger-Panzern späthellenistischen Typs geschmückt (Abb. 40) von einem früheren Prunktor aus der Zeit des deifizierten Obodas II. stammen dürften, dann ergibt sich
Abb. 40: In der Nähe des Straßentores gefundenes Architekturstück mit der Darstellung eines Waffenrocks.
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Abb. 41: Detail vom Stadttempel mit Triglyphen, Rosetten und Medaillon-Metopen.
für Temenos und Stadttempel eine Entstehungszeit um den Beginn unserer Zeitrechnung, also in der Regierungszeit von Obodas II. oder Aretas IV. Die Medaillon-Metopen zwischen den Triglyphen des Frieses stellten freilich keinen dieser Könige sondern wohl den Hauptgott Duschara z. B. als HeliosBa'al al-Shamin dar, der inzwischen auch in menschlicher Form abgebildet werden durfte (Abb. 41). In die gleiche Zeit datiert man neuerdings das »Spitzpfeiler-Grab« vor dem Sik-Eingang, wo jeder Spitzpfeiler als »nefesh« einen Toten repräsentiert (Abb. S. 18).15 Unter diesen Umständen wird man gezwungen sein, auch den feingliedrigen Bau der Khazne, die in seltener Perfektion von Lage, Material, Entwurf und Ausführung aus dem rötlichen Sandstein des Sik gemeißelt wurde, statt der römischen der nabatäischen Zeit Petras zuzuschreiben. Am ehesten möchte man in ihr einen der weiblichen Hauptgottheit 92
der Nabatäer geweihten Grabtempel zu Ehren und zum Begräbnis des Stadterbauers Aretas III. sehen. In den Nischen des Mittelraumes wird man sich Sarkophage vorstellen müssen. Unverständlich bleibt, daß der Bau in feineren Einzelheiten unvollendet geblieben ist. Die Seitenportale der Vorhalle tragen Tafeln, die zur Aufnahme von Inschriften vorbereitet sind. Daß die Einmeißelung unterblieb, muß einen besonderen Grund gehabt haben. Ähnlich rätselhaft bleibt vorerst noch der majestätische Felsentempel auf dem Plateau von ed-Der, der alle Eigentümlichkeiten eines Großgrabes, aber kein Grab aufweist (Abb. S. 33). Nach bisheriger Auffassung handelt es sich um einen dem Duschara geweihten Grabtempel für den vergöttlichten und möglicherweise in Oboda (heute: Avdat) begrabenen Obodas II. Stimmt das, dann kann er nicht in römischer Zeit entstanden sein. Die Verehrung einer gestürzten,
wenn auch göttlichen Dynastie ist schwer vorstellbar, es sei denn, die Römer hätten sich nicht so sehr als Besieger, sondern eher als „Erben" der Nabatäer verstanden. Dann könnte der Tempel auch dem letzten König gewidmet gewesen sein. Außer dem jetzigen Straßentor gibt es allerdings noch andere, eindeutig aus römischer Zeit stammende Monumente, z. B. drei Altäre, die in der Nähe des Straßentores aufgestellt und inzwischen verschüttet waren. Ein früherer Legat für das obere Germanien, Aiacius Modestus, ließ sie für das Heil seines Souveräns Septimius Severus dem Gott Liber Pater errichten, als er von 204 bis 208 Gouverneur der Provinz war.16 Ein anderer Altar trägt die Widmung der Metropolis und Metrocolonia Petra für Valerius Julianus, den kaiserlichen Finanzprokurator der Provinz Arabien aus der Mitte des 3. Jh. n. Chr. (Abb. 42). Petra war zu dieser Zeit offenbar mehr denn je eine höchst eindrucksvolle Stadt. Zu beiden Seiten des kanalisierten Mosesbaches zogen sich prächtige Bauten empor, Tempel
Abb. 42: Eine in Griechisch geschriebene Widmung der Metropolis und Metrocolonia (Petra) für den kaiserlichen Prokurator der Provinz Arabia aus der Mitte des 3. Jh. im Temenos des Kasr-el-Bint-Tempels.
standen an den Hängen, Markthallen und Wohnhäuser oberhalb der Säulenstraße. Erst 1954 entedeckte ein Beduine tief in der Siyagh-Schlucht, wohin sie von den Wassermassen verschwemmt worden war, die fast lebensgroße Bronzestatue einer Amazone. Da und dort wurden in Petra Köpfe von Göt-
Abb. 43: Im Gelände von Petra gefundene Reliefbüste, vermutlich Melpomene, die Muse der Tragödie, oder Tualeia, die Göttin der neuen Komödie, darstellend.
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Abb. 44: Der Herausgeber zusammen mit Bdul-Beduinen vor der von ihm zuerst beschriebenen Idolnische unterhalb des des Gipfels des Dschebel Nebi Harun, unweit Petra, wo nach der Legende Aaron begraben ist.
Abb. 45: Spätrömisches Öllämpchen aus Petra.
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terstatuen, Kapitelle und Reliefbüsten gefunden, die auch als Fragmente verraten, wie exquisit die Gebäude waren, von denen sie stammen. Immer wieder wurden Reliefs entdeckt, die dem Bildersturm nach der Christianisierung oder der islamischen Eroberung entgangen sind (Abb. 43). Da man aus der Stadt, vom weißen Marmor abgesehen, den man zu Baukalk brannte oder den frommer Sinn zur Ausschmückung des christlichen Heiligtums bis auf den Dschebel Harun entführt hat, kaum Steine fortschleppte und auch keine neuen Häuser errichtete, könnten viele Bauwerke wieder aufgerichtet werden. Die Säulentrommeln des neben dem Stadttempel offenbar bedeutendsten Tempels der Südstadt liegen heute noch so, wie ein Erdbeben sie einst umgeworfen hat. Bei den Kreuzfahrerfestungen auf el-Habis und el-Wejra erkennt man die im Winkel von 45° gebeilten nabatäischen Bausteine,
die hier eine neue Verwendung erfuhren. Auf dem Dschebel Harun sind solche Steine zusammen mit Felstreppen, einem bisher anscheinend noch nicht beschriebenen Duschara-Idol, Zisterne und nabatäischen Tonscherben und Inschriften ein Hinweis, daß hier ein nabatäisches Heiligtum stand, ehe Juden, Christen und Mohammedaner die angebliche Begräbnisstätte Aarons verehrten (Abb. 44). Was wurde nach der Annexion aus den Nabatäern? Völkermord lag den Römern, außer bei zwingender Notwendigkeit, nicht. Die römischen Provinzialbeamten und Kaufleute werden auf die Dienste der Einheimischen, von denen manche schon vorher Sprache und Sitte der Römer angenommen hatten, nicht verzichtet haben. Das Grabmal des Römers Florentinus folgt peträischer Tradition in Lage und Stil und zeigt noch gute nabatäische Steinmetzarbeit. Steinmetzen und Arbeiter, aber auch Dolmetscher, Töpfer, Hirten, Bauern, Soldaten und Kameltreiber wurden weiterhin gebraucht. Sie werden noch lange das Leben in Nabatäa bestimmt haben (Abb. 45).
Neue Götter hat man den Nabatäern, wenn man vom traditionellen Kaiserkult absieht, kaum aufgezwungen. Ihre Tempel und Gräber wurden nicht zerstört, ihre Heiligtümer nicht geschleift. Im hellenistisch-römischen Synkretismus wurden die alten an die neuen Götter angeglichen, mit ihnen verschmolzen und weiterhin angebetet. P. Parr hat kaum Zweifel, daß die Besetzung Petras durch die Römer sogar eine kulturelle Renaissance ausgelöst hat. 17 Zwar waren neue Altäre den – außer Liber Pater – abstrakten Gottheiten Pax, Spes und Temperantia18 gewidmet, aber die Nabatäer werden bei ihren Gebeten und Opfern noch lange an Duschara, al-Uzza und Allat gedacht haben. Der »LöwenGreifen-Tempel« blieb bis zu seiner Zerstörung im Jahre 363 religiöses Zentrum. Sogar neue Tempel wurden noch gebaut: Das Heiligtum auf dem Berg Tannur im Wadi Hesa wurde in einer dritten Bauperiode nach 106 zu einem glänzenden Pantheon der nabatäischen Götter erweitert19 (Abb. 46). Hier und in Petra war man freilich schon vor 106 dazu übergegangen, die Götter nicht nur in Form von Steinidolen sondern auch in an-
Abb. 46: Bruchstücke eines Architravs auf der Plattform des Tempels et-Tannur hoch über dem Wadi Hesa.
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Abb. 47: Göttin Atargatis von Khirbet Tannur.
thropomorpher Darstellung zu verehren (Abb. 47 u. 48). Betyle mit abstrahierten Gesichtern mögen den Übergang erleichtert haben, falls sie nicht einer vor-hellenistischen, arabischnabatäischen Tradition entsprachen. Die Verschiebung des politischen und wirt-
Abb. 48: Tyche, die Schutzgöttin der Städte, mit der Mauerkrone und umgeben von den Tierkreiszeichen, aus dem nabatäischen Tempelheiligtum et-Tannur.
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schaftlichen Schwerpunktes von Petra nach Bostra zeigt sich in der Münzprägung. Unter den Kaisern Hadrian, Antoninus Pius, Aurelian und Septimius Severus wurde in Petra noch Geld geprägt. Und Elagabal ließ um 221 Münzen herstellen, auf denen die Erneuerung Petras zur colonia verzeichnet ist. 20 Nach neuerdings aufgefundenen Inschriften blieb der Sik von Petra auch in römischer Zeit eine »Heilige Straße« und Petra selbst ein militärisches, kultisches und Verwaltungszentrum. 21 Aber nicht in der Felsenstadt, sondern vor den steil in den Himmel steigenden Basalträngen des bald nach der Annexion erbauten Theaters in Bostra trug man die »Actia Dusaria« aus (Abb. 49). Diese Spiele erinnerten an den nabatäischen Duschara und an die Schlacht von Actium, in der Antonius besiegt und die Einheit des römischen Reiches wiederhergestellt wurde. Die »Actia Dusaria« werden auf Gedenkmünzen erwähnt, die unter Caracalla, Philippus Arabs, Philippus Saturninus (Traianus) Decius, Herennius und Hostilianus (Decius) von 200 bis 250 geprägt wurden. Urne und Lorbeerkranz waren die Symbole der Spiele, eine Kelter oder ein Tisch mit Steinidolen deutete den Kult des inzwischen mit Dionysos identifizierten Nabatäergottes an22 (Abb. 50). Die Ablösung der alten Götter war aber lediglich eine Frage der Zeit. Bereits in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts trafen sich christliche Bischöfe der arabischen Diözesen in Bostra23, das unter Severus Alexander sogar Hauptstadt einer »Colonia« wurde. Offenbar hat diese Hauptstadt viele Nabatäer angezogen. Vor den neuesten Ausgrabungen fand man in einem »nabatäischen Viertel« Häuser aus Basalt, Säulen mit peträischen Kapitellen und eine Fülle von nabatäischen Inschriften. Wie in Umm il-Jemal und Azraq wurde zwar immer wieder umgebaut, so daß kaum einer der dauerhaften Steine noch am selben Platz lag; die Inschriften waren jedoch erhalten und konnten gelesen werden, wenn man sich nicht scheute, in Hinterhöfen herumzukriechen, auf Dächer zu klettern und in den Wohnungen um Ein-
Abb. 49: Vor den steilen Basalträngen des Theaters von Bostra fanden lange nach dem Ende des Nabatäerreiches die Actia Dusaria zu Ehren des nabatäischen Gottes Duschara und zur Erinnerung an die Schlacht von Aktium (30 v. Chr.) statt.
laß zu bitten. Die späteste nabatäische Inschrift in Bostra stammt aus dem Jahre 148 n. Chr. und damit aus römischer Zeit. Das majestätische Osttor wurde schon unter Rabel II. für die zweite dynastische Hauptstadt erbaut. Ausgrabungen beim »nabatäischen Torbogen« von Bostra haben gezeigt, daß als bewußte kultisch-politische Demonstration das peträische Hörnerkapitell und die bemalte Keramik ebenso in die zweite Hauptstadt verpflanzt wurden, wie die straffe Gliederung nach Straßen und Vierteln.24 (Abb. 51). Von Bostra werden viele Nabatäer nach Palmyra weitergezogen sein, das rege Handelsbeziehungen zum Hauran unterhielt. Sogar eine regelrechte »Emigration in die neue Handelsoase« wird für möglich gehalten.25 Seit der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. gelangten nämlich immer mehr Güter des Ostens und Südens durch den Persischen
Golf und am Euphrat entlang über Palmyra nach Damaskus und zu den syrischen Mittelmeerhäfen. Außerdem wurde die chinesische Seide über Palmyra in die Mittelmeerländer gebracht. Dabei entwickelte sich die mit Hilfe der neupersischen Sassaniden von Arabern geschaffene uralte Oase in der nordsyrischen Wüste
Abb. 50: Münze aus Bostra (heute: Bosra) unter Traian und seinen Nachfolgern. Die Rückseite zeigt den Altar des Duschara mit Betylen und Opferbroten. (Dussaud, Notes Myth. Syr., Fig. 39).
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Abb. 51: Nabatäischer Mauerzug mit peträischem Kapitell, später in der Kathedrale von Bostra wiederverwendet (Foto: J.-M. Dentzer).
zu einem neuen arabischen Machtzentrum. Unter ihrer Königin Zenobia griffen die Palmyrener sogar Ägypten an. Auch das früher nabatäische Arabien werden sie erobert haben. Jedenfalls bricht die Reihe der römischen Gouverneure der Provincia Arabia für mehrere Jahre ab, um sich erst 274, zwei Jahre nach der Niederwerfung Palmyras durch Aurelian, wieder fortzusetzen.26 Unter Diocletian (284–305) wurde die inzwischen nach Norden vergrößerte Provinz geteilt und das frühere Nabatäa als Provincia Arabia Petraea bezeichnet. Die schriftlichen Zeugnisse der Nabatäer werden seit der Annexion immer weniger. Nabatäische Inschriften im Sinai dürften von nabatäischen Bergleuten stammen, die in römischen Diensten Kupfer aus alten ägyptischen Mienen förderten. Einmal taucht ihr Name in einem Zusammenhang auf, der fast unglaublich ist. In Südarabien ist eine Inschrift angeblich auf das Jahr 316 »der naba98
täischen Ära« datiert. 27 Nirgend sonstwo weiß man etwas von einer solchen durchlaufenden Zeitrechnung. Immer liest man vor 106 nur von dem oder jenem Regierungsjahr des Königs. Die interessante Frage, wann diese nabatäische Ära begonnen wurde, haben Altheim und Stiehl zu beantworten versucht. Sie errechneten das Jahr 31 v. Chr., als nach der Schlacht von Actium Nabatäa ein römischer Klientelstaat war und Obodas III. König wurde. Vermutlich haben nabatäische Flüchtlinge in ihrer einstigen Heimat Zuflucht gesucht, ihre Zeitrechnung mit dem Datum der Flucht begonnen und 285 n. Chr. die Inschrift angebracht. Sie wären damit einer weitverbreiteten »Actischen Ära« als Jahreszählung gefolgt. Späte nabatäische Inschriften im einst nabatäischen Gebiet haben Jaussen und Savignac in el-Hegr und Dedan gefunden. Sie stammen aus den Jahren 267 und 307.28 Die Regierungszeit Konstantins markiert etwa das Ende der nabatäischen Epigraphie, aber eine Inschrift aus Nemara aus dem Jahr 328 ist noch jünger. Von 106 bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts wird das frühere Nabatäa als römische Provinz viele nabatäische Eigentümlichkeiten beibehalten haben. 29 Später wurde es mit dem südlichen Teil Palästinas zur Provincia Palaestina Tertia oder Salutaris vereinigt und stand nur unter römischer bzw. oströmischer Herrschaft, wenn die jeweiligen Kaiser die Macht dazu hatten. 30 Aus dieser Zeit kann die zweite Stadtmauer im Norden Petras stammen. Unter ihr, einer typischen Militärbefestigung, in die man benutzte Steine, Säulentrommeln, Kapitelle und andere Spolien verbaute, wurden Häuser begraben, die noch nach 106 bewohnt gewesen waren. 31 Ähnlich wie in Palmyra hat man auch in Petra in Notzeiten ein kleineres, besser zu verteidigendes Areal befestigt.32 Unter der Herrschaft von Byzanz wurden die Nabatäer christianisiert. »Das Christentum untergrub schließlich die Bedeutung von Petra als Mittelpunkt einer nationalen Reli-
gion und damit wohl den letzten Halt des nabatäischen Volkes, das seine politische Selbständigkeit und den Beruf, mit dem es groß geworden war, schon vorher verloren hatte.«33 Die christianisierten Nachkommen knüpften jedoch an die Erfolge ihrer Vorfahren an und führten alte nabatäische Städte wie Avdat, Isbeita und Madeba zu neuer Blüte. Unzählige Kirchen, prächtige Mosaikfußböden und neue Wachttürme an den Karawanenstraßen bezeugen den wirtschaftlichen Aufschwung unter byzantinischer Herrschaft. 34 Auch in Petra selbst wurden zwei Kirchen, davon eine mit prächtigen Mosaiken, errichtet, die man in den neunziger Jahren ausgrub. Die dabei entdeckten Schriftrollen aus byzantinischer Zeit werden wertvolle Aufschlüsse über das Leben im damaligen Petra liefern. In Petra merkte man davon nur wenig. Mit nabatäischen Bauwerken war es vorbei. Nur Spuren nabatäischer Kunstformen gingen da und dort in byzantinische, omayadische und koptische Erzeugnisse ein. Nach einem schweren Erdbeben im Mai 363 nisteten sich armselige Ladenhäuschen auf der Prunkstraße ein35, um die Bedürfnisse der Bewohner, der Soldaten und der Nomaden zu befriedigen. Der Nah- und Fernhandel ging andere Wege und durch andere Hände. In den Ruinen der Stadt und in bewohnbaren Höhlen lebten christliche Einsiedler und eine kleine christliche Gemeinde. Aus ihrer Zeit dürften die Kreuze in verschiedenen Höhlenräumen, an der steilen Felswand unter ed-Der, in Kattar ed-Der, im Sik el-Barid, auf el-Hubta und auf dem Weg zu den Gipfeln von Dschebel en-Nmer und Harun stammen (Abb. 52). Bei einer von der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg 1973 initiierten Grabungskampagne unter Beteiligung des Verfassers wurde am Hang von el-Hubta eine Wohnhöhle der frühen byzantinischen Zeit ausgegraben. Sie war vielleicht während des gleichen Erdbebens verschüttet und verlassen worden, das auch das Theater und den von Hammond ausgegrabenen Tempel auf der nördlichen Stadtseite beschädigte. Hammond
Abb. 52: Nabatäisches Heiligtum beim Aufstieg zum Dschebel en-Nmer mit später eingeritztem christlichem Kreuz.
hat dafür das exakte Datum 19. Mai 363 um die 6. und 9. Stunde der Nacht herausgefunden. Ein in der Wohnhöhle neben byzantinischen Tongefäßen gefundenes nabatäisches Idol – ein abstrahiertes Gesicht auf einem Alabaster-Betyl – zeigt übrigens, wie langsam das Christentum in Petra Eingang fand.36 Von 340 bis etwa 530 werden die Namen von Bischöfen »aus Petra« erwähnt, die an den Konzilien teilnahmen, darunter der eines Nicht-Arabers Germanus. 37 446 wurde schließlich, wie eine griechische Inschrift im Inneren besagt, das »Urnengrab« am Westhang von el-Hubta von einem Bischof Jason und seinem Diakon Julian zur Kirche geweiht. Die Sarkophagnischen der Rückwände hatte man vorher in drei Apsiden umgewandelt38 (Abb. 53). Die Datierung der über Gewölben erweiterten Plattform vor dem Grab wird noch diskutiert.
17 Vergessen und wiederentdeckt Eine Eroberung Petras durch muslimische Streitkräfte wird von keinem Geschichtsschreiber verzeichnet. Vielleicht gab es auch gar nichts mehr zu erobern. Jedenfalls hat man bisher keine eindrucksvollen Spuren früher mohammedanischer Bewohner gefunden. Von den arabischen Inschriften auf dem sog. 4. Heiligtum von el-Kantara wird eine spät in das 190. Jahr der Hedschra datiert. Hinsichtlich 99
Abb. 53: Der Innenraum des »Urnengrabes« mit seinen Sarkophag-Nischen ist so groß, daß er im Jahre 446 als Kirche verwendet werden konnte. Die Nischen der Rückwand wurden in Apsiden verwandelt.
der peträischen Großgräber von el-Hegr erklärt Mohammed seinen Anhängern, die thamudischen Bauherrn seien bestraft worden, weil sie den Propheten Salih (Medain Salih = Stadt des Salih) verspottet hätten. 1 Während die Heiligtümer der Göttinnen Allat, al-Uzza und Manat (oder Manathu) vernichtet werden, bleiben die Monumente Petras wegen ihrer Größe erhalten, soweit sie nicht durch ein zweites, viel stärkeres Beben von 746/48 zerstört wurden. Lediglich die Menschenund Götterdarstellungen fallen, soweit sie gut sichtbar und erreichbar sind, dem ikonoklastischen Fanatismus von Muslimen und Christen zum Opfer. 2 Die Beduinen, die von nun an sich und ihre Habe in den Gräbern, Tempeln, Ruinen und Höhlen Petras versteckten, konnten sich frühere arabische Stammesbrüder nicht als die Schöpfer der großartigen Bauwerke vorstellen. Nach alttestamentlicher Tradition hatte in ihren Augen ein zauberkräftiger Pharao das »Schatzhaus« (Khazne Fara'un) geschaf100
fen und den Stadttempel (Kasr el-Bint Fara'un) für seine Tochter erbaut. Moses schlug Ain Musa, das biblische »Haderwasser« aus dem Felsen, öffnete den Sik mit seinem Stab und ließ Aaron auf dem heiligen Berg begraben, wohin ihn die Engel des Herrn getragen hatten. Keine Erinnerung verband die späteren Bewohner mit den großen arabischen Königen Haretat, Maliku, Obodas und Rabel, die einst in Petra residiert und von hier aus ihr Reich regiert hatten. Als „ar-Raqim" ist Petra im Koran (Sure 18, 9) und bei einem arabischen Geographen erwähnt. Geographische Abgeschiedenheit und mangelndes Interesse ließen Petra in Vergessenheit versinken, obwohl der Name bekannt blieb und man ungefähr wußte, wo es zu suchen war. Sogar auf den ersten Globen war es halbwegs richtig eingezeichnet. Zum ersten Mal wiederentdeckt wurde Petra während der Kreuzzüge. Vor oder kurz nach seiner Krönung zum König von Jerusalem zog der Lothringer Balduin (I.) im Jahre 1100
am Westufer des Toten Meeres entlang nach Süden. Dort fand er »ein an Früchten jeder Art reiches Tal, dasselbe, wo Moses, von Gott erleuchtet, mit seinem Stab zweimal an einen Felsen klopfte und sogleich Wasser hervorfließen ließ . . .« Von den Monumenten Petras erwähnt der Berichterstatter Fulcher von Chartres nichts, aber »auf dem Gipfel eines Berges befand sich ein Kloster, bekannt unter dem Namen Kloster des heiligen Aaron . . .«3 Wenige Monate später überfiel der König das Lager eines reichen arabischen Stammes auf der Reise durch Transjordanien 4 und 1107 zog er wegen eines damaszenischen Heerhaufens, den einheimische Beduinen nach Wadi Musa eingeladen hatten, in die Gegend von Petra. Nach dem Rückzug der Damaszener bestrafte Balduin die Beduinen, indem er sie aus Felsenhöhlen ausräucherte und ihre Herden wegtrieb. 1115 kam er nach Schobek, wo er auf dem steilen Hügel zwischen den fruchtbaren Feldern die Festung »Le Krak de Montreal« erbauen ließ. 5 Ein Jahr später (1116) dehnte er seine Herrschaft nach Süden aus, um die leicht verwundbare Flanke am Roten Meer gegen Ägypten abzusichern und zugleich die nord-südliche Karawanenstraße
in die Hand zu bekommen. In Akaba befestigte er die Stadt mit einer Zitadelle und baute oder benutzte die Burg Aila auf der von den Franken Ile de Graye genannten Insel Dschesirat Fara'un. Mit diesen Festungen konnte man die Verbindungswege zwischen Damaskus, Arabien und Ägypten kontrollieren und die Karawanen ungestört ausplündern oder zu Abgaben zwingen.9 An der Stelle eines alten nabatäischen Forts im Felsenlabyrinth nordöstlich Petras ließ Balduin II. (1118–1131) die heute el-Wejra genannte Festung »Li Vaux Moyse« (oder: Vallis Moysi) errichten.6 Durch einen ausgehöhlten Felspfeiler mitten in einer zum Burggraben erweiterten Schlucht konnte man von der Straße Schobeck-Eldschi her die Burg nur betreten, wenn man Bohlen in die Aussparungen zu beiden Seiten schob. Ebenso leicht wie dieser Zugang war eine versteckte Ausfallpforte auf der Gegenseite zu verteidigen. Trotzdem dürfte es den »Ungläubigen« gelungen sein, die Besatzung zu überraschen; denn unter Balduin III. (1143 bis 1162) mußte die Festung 1144 zurückerobert werden. Erst auf die Drohung, alle Ölbäume der Gegend auszurotten, ergaben sich 1144 die Muslime 7 (Abb. 54).
Abb. 54: Kreuzfahrerfestung el-Wejra über der Straße Petra-Schobek.
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Abb. 55: Hoch über Petra erhob sich die Kreuzfahrerburg mit Donjon, Mauern, Schießscharten, Kasematten und Zisternen.
Die ab 1142 erbaute riesige Burg Kerak (»Le Krak«) schloß auf einem nach allen Seiten steil abfallenden Felsplateau eine ganze Stadt ein. In Petra wurde von den Kreuzfahrern – vielleicht um 1116 – zusätzlich zu el-Wejra auf dem Südgipfel von el-Habis (990 m) eine zweite, kleinere Burg Sel(a) angelegt (Abb. 55). Nach Horsfield's – allerdings nur seiner – Meinung hat sie den edomitischen Namen für Umm el-Biyara bewahrt. Im Gegensatz zu Kennedy, der auf el-Habis nichts fand, was einer Aussage würdig wäre, hält sie Hammond, der die Burg bisher am genauesten untersucht hat, für eine Neuschöpfung der Kreuzfahrer. Er ist überzeugt, daß die Südseite des Felsens von ihnen senkrecht abgeschnitten wurde. Der Bauplan folgt jedenfalls byzantinischen und normannischen Vorbildern. Der Hauptturm, auf dem höch102
sten Punkt des Felsens, als Auslug oder Signalstation brauchbar, war von einem tieferliegenden Mauerring umgeben, der den oberen Burghof mit Gebäuden einschloß und einen besonderen Zugang hatte. Unterhalb und ziemlich nahe diesem Zugang lag eine sehr große mit gemauerten Gewölben gedeckte Zisterne. Die Ringmauer brauchte nicht fortlaufend zu sein, weil an vielen Stellen die steil abfallende Felswand eine Bewehrung unnötig machte (Abb. 56). Sie schloß einen unteren bzw. äußeren Burghof ein, zu dem auf der senkrecht abgeschnittenen Südseite von einem Vorhof aus Felstreppen und ein leicht zu verteidigendes Tor führten (Abb. 57). Der Zugang war so angelegt, daß der Angreifer die rechte, vom Schild nicht geschützte Seite dem Verteidiger zuwenden mußte und damit lange dessen Schüssen ausgesetzt war.
Abb. 56: Blick von Umm el-Biyara auf die Kreuzfahrerburg und die antike Stadt.
Erst der letzte Teil des Aufganges brachte den Angreifer in die entgegengesetzte Position; aber hier konnte er von drei Seiten her beschossen werden. Die von Ph. Hammond nur ganz kurz erwähnte große Zisterne von el-Habis wurde vom Verfasser und seinem Team 1976 genauer untersucht. Die Burgbesatzung hatte günstigenfalls 30 000 l Wasser zur Verfügung.8 Hammond erwähnt nichts von einer zweiten, heute mit Steinen verfüllten Zisterne, die an Reservoire von esSelac erinnert, wo Scherbenfunde edomitische und nabatäische Nutzung belegen. Ein Heiligtum mit Idolnische und ein nabatäisches Gebäude wurden vom Verfasser 1988 im Nordosten der Festung entdeckt. Die Bedeutung der Burg el-Habis läßt sich aus ihrer Lage unschwer ablesen. El-Wejra war zwar eine praktisch uneinnehmbare Festung. Sie konnte jedoch umgangen werden. Wie zuvor bei den Nabatäern deckten sich auch bei den Kreuzfahrern militärische und kommerzielle Interessen. So verhinderte elHabis, daß sich im alten Stadtgebiet von Petra Feinde niederlassen und el-Wejra ge-
Abb. 57: Blick vom zerfallenen Bergfried auf den oberen Burghof von el-Habis. Von hier aus waren die westlichen Zugänge zur Stadt und nach el-Wejra leicht zu kontrollieren.
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fährden konnten. Zugleich wurde es den Karawanen und Pilgerzügen unmöglich, unbemerkt um el-Wejra herumzuziehen. Das Lateinische Königreich war finanziell auf ihre Zölle und Abgaben angewiesen, soweit man nicht einfach plünderte.9 Ein interessanter Aspekt bei den Exkursionen in und um Petra sind die Spuren christlicher Vergangenheit. Sie lassen sich zeitlich gut eingrenzen. Das Königreich Nabatäa wurde 106 n. Chr. unter Kaiser Trajan von den Römern annektiert, Petra blieb aber noch geraume Zeit eine bedeutende Metropole. Kaufleute, Beamte, Missionare und Soldaten, die irgendwo im römischen Imperium Christen geworden waren, können zu einer in Petra bestehenden Gemeinde gestoßen sein oder eine solche gebildet haben. Auch Nabatäer, wie der in Carnuntum, beim heutigen Wien, begrabene Proculus, Sohn eines Rabilus aus Philadelphia, dem heutigen Amman – sein auf das Jahr 69 n. Chr. datierter Grabstein ist in Carnuntum gefunden worden –, waren im Kriegsdienst christlichen Einflüssen ausgesetzt und der eine oder andere mag als Christ nach Petra zurückgekehrt sein. Daß Paulus in Petra war, ist Legende. Als um die Mitte des 4. nachchristlichen Jahrhunderts das Christentum Staatsreligion des Römischen Reiches wurde, war Petra unbedeutender Teil einer entlegenen oströmi-
Abb. 58: Hoch über dem Aufstieg zum Dschebel ed-Der weisen Krückenkreuze an einer steilen Felswand auf nabatäische Höhlenräume hin, die später von christlichen Einsiedlern benützt wurden. An einer Innenwand findet man über einem Wasserbecken die Zeichnung eines Fisches, daneben die griechischen Initialen von »Jesous Christos« und auf der anderen Seite ein griechisches Kreuz.
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sehen Provinz. Unter der Herrschaft von Byzanz blühte jedoch mit dem Christentum auch das frühere Nabatäa wieder auf. Es ist daher kein Wunder, daß die Beduinen in Petra immer wieder byzantinische Münzen finden. Erste christliche Spuren können aus dem 1. bis 7. Jahrhundert kommen, wenn man alle Möglichkeiten einkalkuliert. Man sieht eingeritzte »griechische« Kreuze an »heidnischen« Kultstätten auf dem Dschebel en-Nmer unter einer nabatäischen Inschrift, im Sik el-Barid gegenüber dem »gemalten Haus«, beim Aufstieg zum Dschebel Harun und in einem Heiligtum oberhalb der »Nischenklamm«. Weiter ist in einem versteckten nabatäischen Quell- oder Tropfheiligtum unterhalb von ed-Der in ein PfeilerIdol ein Dreibalkenkreuz eingemeißelt, wie es seit dem 6./7. Jh. im Osten bekannt wurde. Die Krückenkreuze über dem Weg zum Felsentempel ed-Der können zu den Einsiedlerklausen gehören, die man über einen versteckten Pfad rechts vom Aufstieg nach edDer erreicht. Der sicher ursprünglich nabatäische Auslug zum Zugang zu ed-Der und hinunter ins Wadi Siyagh besteht aus drei ineinandergehenden Höhlenräumen, von denen zwei miteinander verbunden sind. Davor befindet sich eine große Plattform, deren Zugang leicht zu verteidigen war. An einer Innenwand findet man die sicher frühe Zeichnung eines Fisches über einem Wasserbecken, daneben die griechischen Initialen von »Jesous Christos«, auf der anderen Seite ein griechisches Kreuz (Abb. 58) und an einer weiteren Stelle ein Kreuz, das in einen Kreis eingeschrieben ist. Dieses letztere Kreuz erinnert an ein anderes, das in eine Stele eingemeißelt vor vielen Jahren im Farasa-Tal gefunden wurde und später verschollen ist. Es paßt eher in die zweite christliche Epoche Petras, nämlich die der Kreuzfahrer, die unter Balduin I. um 1100 zuerst nach Petra kamen.10 Im Jahre 1187 vernichtete Saladin bei Hattin (Hittim) am Westufer des Sees Genezareth das Heer der Kreuzfahrer. Nach dieser ent-
scheidenden Schlacht gingen die südjordanischen Burgen allesamt und für immer verloren. 11 Von 1188 bis ins 20. Jahrhundert hinein kamen europäische Reisende nur unter großen Schwierigkeiten in das einstige Kernland der Nabatäer. Die Felsenstadt Petra wurde von Beduinenstämmen und Siedlern der Umgebung besonders ängstlich gehütet. Einmal wollte man die ideale Zufluchtsstätte nicht verlieren; dann hatte man das Heiligtum auf dem Berg Aarons vor Ungläubigen zu schützen; schließlich vermutete man in den geheimnisvollen Höhlenbauwerken die Schätze der Pharaonen, die man mit niemand zu teilen bereit war. Einer der unerschrockenen Besucher Petras im Mittelalter war Magister Thetmarus, der auf seiner abenteuerlichen Wanderung durch das Heilige Land 1217 nach Petra gelangte.12 Auf dem Berg Hor, dem Aaronsberg (Dschebel Harun), traf er zwei griechische Mönche, ein Beweis, daß zu jener Zeit die Muslime noch keinen Alleinanspruch auf das Heiligtum angemeldet hatten. In der Stadt selbst stieß er auf keinen Menschen: »Die herrlichen, aus dem Felsen geschlagenen Wohnungen waren verlassen und unbe-
wohnt.« Als Sultan Baibars 1276 auf einem Eilmarsch durch die Ruinen Petras zog, war weder von einem Kloster noch von Bewohnern die Rede.13 Ähnliches passierte auch späteren Besuchern, die Petra durchforschten, wenn die nomadischen und halbnomadischen Stämme ihre Zelte gerade anderswo aufgeschlagen hatten. Dieses Glück hatte der Schweizer Reisende und Geograph Johann Ludwig Burckhardt nicht, als er im Jahre 1812 die »Stadt im Fels« für die Neuzeit wiederentdeckte und die einzigartigen Zeugnisse einer arabisch-hellenistischen Randkultur der Vergessenheit entriß.14 Von Geldgier und Mißtrauen der Einheimischen verfolgt, konnte er sich nur mit Mühe in der versunkenen Stadt umsehen. Er identifizierte sie aber korrekt als das antike Petra und sah auch die weitere Entwicklung richtig voraus. Künftige Reisende, meinte er, könnten vielleicht die Gegend unter dem Schutze einer bewaffneten Macht besuchen; die Einwohner würden sich mehr an die Nachforschungen der Fremden gewöhnen und dann werde sich finden, daß die Altertümer Petras zu den merkwürdigsten Überresten alter Kunst gehören.
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DATEN DER NABATÄISCHEN GESCHICHTE Vorchristliche Periode 312
Erfolgloser Versuch von Antigonos Monophthalmos, Petra zu erobern. Erste historische Erwähnung der Nabatäer.1
ca. 169
Der jüdische Hohepriester Jason sucht Zuflucht bei einem »König Aretas«2 Älteste nabatäische Inschrift aus Khalasa (Negev) erwähnt »Aretas, König der Nabatäer«. Archaische Schriftform.3 König Aretas III. Philhellenos,
87–62 84–72
Aretas III. beherrscht Damaskus, Beginn der nabatäischen Münzprägung (Beschriftung griechisch).1
75/54
Nabatäische Weiheinschrift aus Tell es Shugafiyeh (Nildelta) für die Göttin al-Kubta4 Aretas III. sichert seinem Reich auf dem Verhandlungswege die Unabhängigkeit von den Römern, die Syrien-Palästina unterwerfen, muß aber römische Oberherrschaft anerkennen. Römische »Siegesmünze« mit Aufschrift REX ARETAS M(ARCUS) SCAUR(US) AED(ILIS) CUR(ULIS) EX S(ENATUS) C(ONSULTO).1 Nabatäische Inschrift aus Si (Hauran) für »Malikat . . . der für oder 2 Baal Shamin den Tempel baute . . . vom Jahre 280 bis zum Jahre 300« (oder 311?) – gerechnet nach seleukidischer Ära, die 312 v. Chr. begann.5
62–58
33–13
Zeitenwende und nachchristliche Periode 9 v.–40 n. Chr.
König Aretas IV. Philopatris oder Philodemos. Unter seiner fast 50jährigen Regierungszeit größte Blüte des Nabatäerreiches. Datierte nabatäische Inschriften auf den Gräbern von Hegra (Medain Salih). Von insgesamt 26 Gräbern entfallen 19 auf diese Periode, davon die meisten (nämlich 8) in die Dekade 30–40 n. Chr.6
40–71
König Malichus II.1 5 Grabinschriften in Hegra fallen in diese Periode.6
71–106
König Rabel II. Soter. 3 Grabinschriften in Hegra stammen aus seiner Regierungszeit,6 Letzte Grabinschrift in Hegra.6 Nabatäische Bauinschriften aus Oboda (Negev), erstrecken sich bis 126 n. Chr.8
75 ab 89 93–99
106
Datierte nabatäische Papyri vom Archiv der Babata aus dem Nachal Hever am Toten Meer. Das Archiv enthält außerdem griechische Papyri (110–132 n. Chr.), darunter eines aus dem Jahre 130 mit Zusatz in Nabatäisch.9
94/95
106
107/8 und 126
131
148
190 und 211
ca. 250
267/268 328
Nabatäische Stele aus D'mer in der Nähe von Damaskus, doppelt datiert in das 24. Jahr des Königs Rabel und das Jahr 405 (seleukidische Ära).10 Annexion des Nabatäerreiches durch die Römer auf Befehl von Kaiser Trajan und Umwandlung in die »Provincia Arabia«.1 Römische Siegesmünzen mit der Aufschrift ARAB(IA) ADQVIS(ITA). Zwei Bauinschriften aus Oboda vom »Jahr 2 (bzw. 20) der Eparchie« (d. h. Ära von Bosra, die am 22. März 106 n. Chr. begann).3 Hadrian-Münzen mit griechischer Aufschrift »ADRIANE Petra METROPOLIS« zu Ehren des Kaiserbesuches in Petra11 (später erfolgte die Verlegung der Hauptstadt nach Bosra in Syrien). Nabatäische Inschrift aus Bosra (Hauran) zu Ehren des Gottes Duschara aus dem »Jahre 43 der Eparchie«, spätestes direktes epigraphisches Zeugnis der Nabatäer.12 Zwei nabatäische Inschriften aus dem Wadi Mukatteb (Sinai) aus dem »Jahre 85 der Eparchie, in welchem die Araber das Land verwüsteten« und dem »Jahre 106, welches gleich ist dem Jahre der drei Kaiser«13 Grabinschrift aus Umm ed-Dschimal (Hauran) für »Fihr ... den Erzieher von Gadhimat, dem König von Tanukh«, geschrieben in nabatäischen Lettern eines späten Typus.11 Späteste datierbare Inschrift aus dem Sinai-Gebiet.12 Grabinschrift in en-Nemara (Gebiet von Damaskus) für »Imru alQais, den König aller Araber«, einen römischen Vasallenherrscher. Geschrieben in nabatäischen Lettern, die bereits deutlich den Übergang zur arabischen Schrift zeigen. Spätestes Zeugnis von nabatäischem Einfluß.15 KARL SCHMITT-KORTE
L i t e r a t u r : 1 Bekanntes historisches Ereignis. – 2 Altes Testament, 2. Makk. 5. – 3 WooleyLawrence, The Wilderness of Zin. PEF Annual 1914–1915, 145–147. – 4 J. Starcky, Petra et la Nabatene. Dictionnaire de la Bible. Suppl. VII (Paris 1966) Sp. 929. – 5 H. C. Butler, Publications of the Princeton Univ. Archaeol. Expedition to Syria in 1904–1905 and 1909. Div. IV Semitic Inscriptions, Section A Nabataean Inscriptions. Herausg. Enno Littman (Leyden 1914), Inschrift Nr. 100. – 6 J. Euting, Nabatäische Inschriften aus Arabien (Berlin 1885) 21. – 7 wie 5, Inschrift Nr. 101. – 8 A. Negev, Nabataean Inscriptions from Avdat (Oboda) IEJ. 11 (1961) 127–138 und IEJ. 13 (1963) 113-124. – » Y. Yadin, The Expedition to the Judean Desert 1961, IEJ. 12 (1962) 227-257 und 258–262. – Y. Yadin, The Nabataean Kingdom, Provincia Arabia, Petra and En-Geddi in the Documents from Nahal Hever. Jaarbericht »Ex Oriente Lux« 17 (1964) 227–241. – 10 CIS II, 161. – 11 Bekanntes historisches Ereignis. Bisherige Datierung »um 130« verbessert durch Yadin, vgl. 9. – 12 A. Negev, New Dated Nabataean Graffiti from the Sinai. IEJ. 17 (1967) 250–255. – 13 J. Euting, Sinaitische Inschriften (Berlin 1891) Nr. 463 und Nr. 457. – 14 wie 5, Nr. 41. – 15 Dussaud-Macler, Rapport sur une mission scientifique dans les regions desertiques de la Syrie Moyenne, (Paris 1902) 116–724.
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DIE NABATÄISCHEN KÖNIGE Aretas I.
»Tyrann (Fürst) der Araber«
um 168 v. Chr.
(Haretat, Haritat, al-Harith) Aretas II.
(Erotimos)
Obodas I.
(Obodat, Abadat) Sohn von Aretas II.
Kabel I.
(Rabbel, Rabilos, Rabb'il) Genealogie unklar
Aretas III.
Philhellenos »Griechenfreund«
ca. 115–96 v. Chr. ca. 96–85 v. Chr. um 85 v. Chr. 84 (?)–62 v. Chr.
Sohn von Obodas I. Obodas II. (?) Sohn von Aretas III. Malichus I.
(Malchos, Maliku, Manku) Sohn von Obodas II. (?)
Obodas III.
Sohn von Malichus I. Reg. mit Sylläus (Syllaios, Shullay) als Reichskanzler (Großwesir)
Aretas IV.
Philodemos, Philopatris Rahem ammeh »Der sein Volk liebt« Nicht von königl. Geblüt (Hochadel?) (Koregentschaft mit Sylläus 1. Königin: Huldu 2. Königin: Shaqilat I.
Malichus II.
Sohn von Aretas IV. Königin: Shaqilat II.
Rabel II.
»Der seinem Volk Leben und Errettung (Befreiung) brachte« bzw. »Soter« 1. Königin: Gamilat (Djamilat) 2. Königin: Hagaru (Hagiru)
62–60 v. Chr. 60–30 v. Chr. 30–9 v. Chr.
9 v.–40 n. Chr. 9–6 v. Chr.)
40–70 n. Chr. 70–106 n. Chr.
Chronologie wesentlich nach Wenning und Starcky. Einordnung von Rabel I. problematisch. Die Existenz von Obodas II. wird (wohl zu Unrecht) von manchen Forschern bezweifelt. Die o. a. Regierungsjahre berücksichtigen die neueste numismatische Forschung. KARL SCHMITT-KORTE J. Starcky, Supplem. au Dictionnaire de la Bible VII (Paris, 1966). R. Wenning, Eine neuerstellte Liste der nabatäischen Dynastie, BOREAS – Münstersche Beiträge zur Archäologie 16 (1993) Y. Meshorer, Nabatean Coins, QEDEM – Monographs of the Institute of Archaeology (Jerusalem, 1975) K. Schmitt-Korte et. al., Nabataean Coinage I–III, The Numismatic Chronicle 1989, 1990, 1994
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Literatur und Anmerkungen
Strab. Geogr. 16, 2, 34; Buhl, a. O., 33 ff., 79; Kammerer, A.: Pétra et la Nabatène, Paris 1929, 112; Knauf, E. A.: Ismael, Abh. d. Deutschen Palästinavereins, 1984, 53–60.
1) Historischer Kontext
5) Eine Stadt im Fels Schürer, E.: Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, Leipzig 1890, 372; Buhl, F.: Geschichte der Edomiter, Leipzig 1893, 20. – 2 Arnos 1, 12; Jer. 49, 20–22; Ezech. 25, 13; Obadja 9; Hab. 3, 3; Jes. 34, 6. – 3 Rieht. 1, 36; 2. Kg. 14, 7; Meyer, Israeliten, 357. – 4 Glueck, N., AASOR XV, 1935, 74; XIV, 69. - 5 Glueck, N., AASOR XVIII–XIX, 1937–39, 29. - 6 Glueck, N. a. O. 32; Pal. Etbl. Quarl. 98, 1966, 125–126. – 7 Kennedy, Sir Alexander B. W.: Petra, London 1925; Glueck, N., AASOR XV, 1935, 49; XIV, 77; Horsfield, G. and A.: Sela-Petra, QDAP VII, 1938, 13; Bennett, Chr.-M.: Archaeology XV, 1962, 277–279; dieselbe: Fouilles d'Umm el-Biyara, Rev. Bibl. 1966, 372 ff. – 8 Horsfield, G. and A.: Sela-Petra. QDAP VII (1938). – 9 Altheim-Stiehl, Araber I, 73. – 10 Strab. Geogr. 16, 4; Diodor. 2, 48; Glueck, N.: Deities and Dolphins, New York 1965, 209. – » Horsfield, G. and A., QDAP VII/VIII, 1938, 6; ders.: Geograph. Journal LXXVI (Nov. 1930) 369. – n Parr, P. ]., Rev. Bibl. 1965, 253; ders.: A Sequence of Pottery from Petra, in: Near Eastern Archaeology in the Twentieth Century, Hrsg. J. A. Sanders, New York 1970.
2) Dramatischer Auftakt 1 Horsfield, G. and A.: Sela-Petra, QDAP X (1941). – 2 Altheim, F. und R. Stiehl: Die Araber in der alten Welt 1, Berlin 1964, 175. – 3 Diodor. 2, 48; 19, 94–100; Plut. Demetr. 7. – 4 Jos. Bell. Jud. 4, 8, 4; Hammond, Ph. C: The Nabataean Bitumen Industry at the Dead Sea, Bibl. Arch. XXII, 1959, 40–48. 3) Arabischer Ursprung Diodor. 19, 94 ff.; Strab. Geogr. 16, 779; Jos. Ant. 1, 12, 4. – 2 Diet. Bibl. col. 926. – 3 Die Bezeichnungen Araber, Nabatäer, Idumäer sind oft synonym verwendet worden. – 4 Abel, F. M.: Geographie de la Palestine I (1933) 294. – 5 Starcky, J.: The Nabataeans: A Historical Sketch, Bibl. Arch. XVIII (1955) 84–106; ders. in Diet. Bibl., Paris 1966, col. 894; Schiffmann, I.: The Nabataean State and its Culture (russ.), Moskau 1976, 159. –6 Meyer, E.: Die Israeliten und ihre Nachbarstämme, Halle 1906, 267; Szcepanski, L.: Nach Petra und dem Sinai, Regensburg-Rom-New York 1908; Mittmann, S.: Die Küste Palästinas bei Herodot, ZDPV, 1983, 130-140. – 7 Xenophon Anab. 1, 5, 1; Herodot 2, 12, 3 und 4; Altheim-Stiehl, Araber, I, 165–170. – 8 Plut. Alex. 25; Arrian, Anab. 2, 25, 4; 27, 1. – 9 Scott, A. P.; The History of the Nabataeans, in: Robinson, G. L.: The Sarcophagus of an Ancient Civilization, New York 1930, 376; Starcky, J.: The Nabataeans. – 10 Buhl, F.: Das Leben Muhammeds, 3. Aufl. Darmstadt 1961, 2; Moscati, S.: Geschichte und Kultur der semitischen Völker, Zürich–Köln 1961, 13. 1
4) Erben der Edomiter Gen. 14, 6; 36, 20; Deut. 2, 12; 22. – 2 Glueck, N., AASOR XV, 1935, 138. – 3 Glueck, N. AASOR XV, 1935, 49; ders. BASOR 68, 1936; Frank, F., ZDPV 57, 1934, 191 ff.; Rothenburg, B.: Timna (1973). – 4 Mellaart, )., Pal. Expl. Quart. 1960, 136; ders., Rev. Bibl. 1964, 246; ders., Umschau in Wissenschaft und Technik 20/21 (1965). – 5 Kirkbride, D.: Excavation of the PrePottery Neolithic Village at Seyl Aqlat, Beidha, ADAJ VI/VII, 1962, 7-12. - 6 Glueck, N., AASOR XV, 1935, 34; BHHW »Pinon«, 1475. – 7 Buhl, F.: Geschichte der Edomiter, Leipzig 1893, 21; Glueck, N., AASOR XV, 1935, 3. – 8 Meyer, E.: Die Israeliten, 384. - 9 Gen. 36, 31–39; Meyer, Israeliten, 385; Buhl, F.: Geschichte der Edomiter, Leipzig 1893, 48; Glueck, N., AASOR, 72, 1938, 12; Canaan, T.: Studies in the Topography and Folklore of Petra. Journ. Pal. Orient. Soc, 1930, 179-180. – 10 Glueck, N., [AASOR XIV (1934), 77;] XV (1935), 82; ders.: The Other Side of the Jordan, New Haven, 1952, 127; Bibl. Arch. 1956, 26. – 11 1
1
6) Zwischen Seleukiden und Juden 1 Kammerer, Petra, 127. – 2 Diodor. 2, 55–59, 3, 43; Altheim-Stiehl, Araber I, 4; I, 80–93. – 3 Edgar. C. C: Cat. du Musee du Caire, Zeon, Papyri I (1925), 59004. – 4 Polyb. 5, 70–86; Bouche-Leclerq, A.: Histoire des Seleucides (1913); Altheim-Stiehl I, 74. – 5 Parr, P. J.: Petra (Communication), Rev. Bibl. 1960, 241; ders., Pal. Explor. Quart. 1960, 124–135. – 6 Glueck, Deities, 183. – 7 Jones, A. H. M.: The Herods of Judaea, Oxford 1967, 5. – 8 Jos. Ant. 13, 204; ClermontGanneau, Ch.: Recueil d'Archeologie Orientale, (RAO), Paris 1888–1924, II, 206; V, 267. – 9 Caskel, W.: Das altarabische Königreich Lihyan, Krefeld 1950. – 10 2. Makk. 5, 8; Cowley, A., Pal. Expl. Fund Ann. 1914/15, 145–147; Diet. Bibl., col. 904. 7) Die ersten Könige 1 Strab. Geogr. 14, 4, 18. – 2 Cantineau, J.: Le Nabateen, Paris 1930/32, 2. – 3 Justin. Hist. 39, 5. - 4 Kammerer, Petra, 146; Cantineau, a. O. 2; Altheim-Stiehl, Araber I, 291. – 5 Jos. Ant. 13, 3; 14, 1; Jones, The Herods, 9–10; Glueck, Deities, 40. – 6 Jos. Ant. 13, 5; Bell. Jud. 1, 4, 4; Schürer, E.: Geschichte des jüdischen Volkes I (1890) 732. – 7 Glueck, N.i Rivers in the Desert, New York 1959, 197. – 8 Dalman, G.: Neue Petra-Forschungen, Leipzig 1912, 57 und 99–101; CIS II, 349. – ' Jos. Ant. 13, 15, 1; Bell. Jud. 1, 4, 7; Kammerer, Petra, 172. – 10 Vailhe, S.: Echos D'Orient, Paris 1898, 103. – U RAO II (1898) 233 und 405; CIS II, 439.
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8) Aretas III., »Freund der Griechen« Jones, The Herods, 10; Exaktere Literaturangaben s. Schmitt, G.: ZDPV98, 1922, 110f. – 2 Jos. Ant. 13, 15, 2; Bell. Jud. 1, 4, 7–8; Strobel, A., ADAJ XIX, 1974, 104. – 3 De Vogüé, Rev. Numism. NS XIII; Dussaud, R., Journ. Asiatique 1904, 189–238. – 4 Robinson, E. S. G. Numismat. Chron. 1936, 290; Parr, P. J.: The Beginnings of Hellenisation at Petra, in: Huitième Congr. Int. d'Archéologie Classique, Paris 1965, 527–533; Kellner, H.-J. (Hrsg.): Die Nabatäer, Katalog Nr. 13 der Prähistorischen Staatssammlung, München 1970, 38. – 5 Glueck, Deities, 10. – 6 Sydenham, E. A., The Coinage of the Roman Republic, London 1952, Nr. 912–914. Altheim-Stiehl, Araber I, 299. – 7 Jos. Ant. 13, 13, 2. - 8 Parr, a. O. 529. – 9 Parr, a. O. 531; ders.: A Sequence of Pottery, 370. – 10 Jos. Ant. 13, 15, 3–5; Bell. Jud. 1, 4, 8. – " Jones, The Herods, 14. – n Jos. Ant. 14, 1, 3; Bell. Jud. 1, 6, 2.; Flavius Josephus: The Great Roman-Jewish War, New York 1960, 325. – 13 Jos. Ant. 14, 7, 3; Bell. Jud. 1, 8, 9; Strab. Geogr. 16, 760; Altheim-Stiehl, Araber I, 301; Jones, The Herods, 16. 1
9) Zwischen Jerusalem und Rom Jos. Ant. 14, 2, 1; Bell. Jud. 1, 6, 2. – 2 Jos. Ant. 14, 2, 3; Bell. Jud. 1, 6, 2. – 3 Harding, L.: A Nabataean Tomb at Amman, QDAP XII, 1946, 58–62. – 4 Jos. Ant. 14, 3, 1; Dio Cass. 37, 15, 1–2; App. Mithr. 106; Pomp. 41. – 5 Jos. Ant, 14, 5, 1; Bell. Jud. 1, 8, 1; Burrows, M.: Die Schriftrollen vom Toten Meer, München 1960. – 6 Morgan, J. de: Manuel de Numism. orient. II (1924) 257 (Abb. 308); Eckhel DNVV, 131; Schürer, E.; Geschichte des jüdischen Volkes I, 615. – 7 Jos. Ant. 14, 4, 1–5; Bell. Jud., 1, 7, 1–6; Kastein, J.: Eine Geschichte der Juden, Wien 1935, 155. – 8 Kammerer, Petra, 164. – 9 Jones, The Herods, 22–23. – Io Euting, J.: Nabatäische Inschriften aus Arabien, Berlin 1885; Kraeling, C. H.: Gerasa, New Haven, Con. 1938. Starcky, J., ADAJ X, 1965, 43–49. – " Dussaud, R., Journ. Asiatique 1904, 189–209; Dalman, G.: Neue Petraforschungen, Leipzig 1912, 99; RAO II, 376; Kammerer, Petra, 174; Diet. Bibl. col., 909, 911; Meshorer, Y.: Nabataean Coins, Jerusalem 1975, 17. – u Jos. Ant. 14, 7, 4. – 13 Caes. Bell. Alex. 1, 1; Jos. Ant. 14, 8, 1; Altheim-Stiehl, Araber I, 301. 1
10) Herodes der Große Jos. Ant. 14, 8, 3. – 2 Jos. Ant. 14, 9, 2. – 3 Jos. Ant. 14, 11, 4. – 4 Jos. Ant. 14, 14, 1; Bell. Jud. 1, 13; 1, 14, 1; Jones, The Herods, 41. – 5 Von der Osten, H. H.: Die Welt der Perser, Stuttgart 1962, 112. – 6 Dio Cass. 40, 80; 48, 41; Plut. Ant. 36, 3. – 7 Dio Cass. 49, 32; Plut. Ant. 36; Jos. Ant. 15, 4, 1–2; Bell. Jud. 1, 18, 4–5; 8, 2; Strab. Geogr. 16, 2. – 8 Jos. Bell. Jud. 1, 22, 3. - 9 Plut. Ant. 61. – 10 Jos. Ant. 15, 5, 1; Bell. Jud. 1, 19, 2. – n Jos. Ant. 15, 5, 1–5; Bell. Jud. 1, 19, 1–4. – 12 Jos. Ant. 15, 6, 2; Kastein, Geschichte der Juden, 163. – 13 Dio Cass. 52, 36; Gildemeister, J., ZDMG 23, 150; Altheim-Stiehl, Araber I, 191.,– 14 Plut. Ant. 61, 69; Dio Cass. 51, 7; De Vogüé: Syrie centrale. Inscrip1
110
tions semitiques, 103. – 15 Diodor n. Agatharchides s. Diet. Bibl., col. 905. – 16 Altheim-Stiehl, Araber I, 106. – 17 Murray, M. A.: A Street in Petra, London 1940, 30. – 18 Plin. Nat. hist., 6, 19; Wheeler, M.: Rome beyond the Imperial Frontiers, London 1953. – 19 Strab. Geogr. 16, 780; Dio Cass. 53, 29, 3–8. – 20 Plin. Nat. hist. 6, 32; Diodor. 2, 49–53. – 21 Meyer, Israeliten, 327. – 22 Winnett, F. V., BASOR 73, 1939, 8; Buhl, F.: Das Leben Muhammeds, Darmstadt 1961, 8. 11) Sylläus, nabatäischer Nationalist 1 Altheim-Stiehl, Araber I, 287. – 2 Strab. Geogr. 16, 779. – 3 Jos. Ant. 16, 7, 6. – 4 Strab. Geogr. 16, 779. — 5 Strab. Geogr. 16, 6; Plin. Nat. hist. 6, 28; Jos. Ant. 16; Krüger, H.: Der Feldzug des Aelius Gallus nach dem glücklichen Arabien unter Kaiser Augustus, Wismar-Erlangen 1862. – 6 Strab. Geogr. 16; Dio Cass. 53, 29; Fresnel, Journ. Asiat. 1845, 224 ff.; Pirenne, J.: Le Royaume Sud-Arabe de Qataban et sa Datation (1961) 105. — 7 Pirenne, a. O. 122. – 8 Kammerer, Pétra, 198. Van Beek, G.: Frankincense and Myrrh, Bibl. Arch. XXIII (1960). – 9 Jos. Ant. 16, 7, 6; Bell. Jud. 1, 24, 6; Nie. Damasc. in: Müller, Fragm. Hist. Graec. III, 350; Strab. Geogr. 5, 4; 7, 1. – 10 Jos. Ant. 16, 4, 6; 16, 9, 1 ff. - » Jos. Ant. 16, 9, 4. – 12 RAO III, 305 ff. – 13 Diet. Bibl., col. 913; RAO VIII, 144. – 14 Jos. Ant. 16, 10, 8 ff.; Bell. Jud. 1, 29, 3; Strab. Geogr. 16, 779; Nie. Damasc. s. Müller, Fragm. Hist. Graec. III, 351. – 15 Strab. Geogr. 16, 4; Jos. Ant. 17, 3, 2; Bell. Jud. 1, 29, 3; RAO VII, 305 ff. – 16 Saulcy, F. de: Melanges de Numism. III (1882) 196. Meshorer, Y.: Nabataean Coins, Qedem 3, 1975, 36–40. – 17 Schmidt-Colinet, A.: Zur nabatäischen Felsmetropole von Hegra/Madain Salih in Saudi-Arabien. Antike Welt, 18, 4, 1987, 29–42. 12) Obodas, der Gott Uranios s. Müller, Fragm. Hist. Graec. IV, 525; RAO I, 39. – 2 Rev. Bibl. 1904, 403; 1905, 74 und 235. -3 Starcky, The Nabateans, 84, 106; Glueck, N., Rivers in the Desert, New York 1959, 272. – 4 Steph. Byzant. s. Uranios (Arabica V); Dalman, Neue Petra-Forschungen, 57; J. T. Milik u. J. Starcky, ADAJ XX, 1975, 120. 5 Dalman, Neue Petra-Forschungen, 52, 57 und 92–94. – 6 Rathjens, C: Sabaica II (1955) 245; Murray, M. A.: A Street in Petra, London 1940, 31–32. – 7 Watzinger, C: Denkmäler Palästinas, Leipzig 1935, 76. – 8 Diet. Bibl., col. 941. – 9 Negev A.: Die Nabatäer, Antike Welt, 1976, 6. – 10 Meshorer, Y.: Nabataean Coins. QEDEM 3, 1975, 33–34. Die Doppel-Münzbildnisse mit Füllhörnern auf der Rückseite sind Nachahmungen älterer ptolemäischer Vorbilder. 1
13) Aretas, »der sein Volk liebt« 1 Jos. Ant. 17, 10, 9; Bell. Jud. 2, 5, 1. – 2 CIS II, 354; RAO II, 200 und 378; Dalman:, Neue Petra-Forschungen, 107. – 3 Jos. Ant. 18, 5, 1; Matth. 14, 3; Diet. Bibl., col. 914. – 4 Jos. Ant. 18, 5, 1–3. – 5 2. Kor. 11, 32. – 6 Saulcy, F. de: Numismatique de la Terre Sainte (1874) 36; Hammond, P. C: The Nabataeans, 109;
Knauf, E. A.: Z. f. d. Neutest. Wiss. 74, 1983, 145-147. - 7 Galat. 1, 17. - 8 CIS II, 160. - 9 CIS II, 158. – 10 Watzinger, C: Denkmäler Palästinas, Leipzig 1935, 76; Parr, P. ).-. A Sequence of Pottery, 362; ders. Syria 45, 1968, 1–66; Hammond, P. C: Survey and Excavation at Petra 1973–74, ADAJ XX (1975). – 11 Glueck, N. AASOR XV (1935), 37. - 12 Musil, A.: Arabia Petraea II, 1, Wien 1907, 128. – 13 Parr, P. J.: The Beginnings of Hellenisation at Petra. – 14 Horsfield, G. u. A.: Sela Petra, QDAP VII, 1938, 4. – 15 Horsfield, G. u. A.: Sela-Petra, QDAP VII, 1938, 10, 15, 31. – 16 Murray, M.: A Street in Petra, London 1940. – 17 Horsfield G. u. A.: Sela-Petra, QDAP VII, 1938, 33; Dalman: Petra 1908, 316; Hammond, P. C: The Nabataeans, 54. – '8 Hammond P. C: Desert Waterworks of the Ancient Nabataeans, Natural History LXXVI (1967) Nr. 6, 36–43. – 19 Bachmann, W.: Der Zugang zum Wadi es-Sik, in: Wissensch. Veröffentl. des Deutsch-Türk. Denkmalschutz-Kommandos. Hrsg. Theodor Wiegand, H. 3 »Petra«, Berlin und Leipzig 1921, 4–7; Hammond, P. C: The Nabataeans, 53. – 20 Horsfield, G. u. A.: Sela-Petra, QDAP VII, 1938, 16. – 21 Schmitt-Korte, K.: Beitrag zur nabatäischen Keramik, Archäol. Anzeiger 3, 1968, 496–519. – 21 Dalman, G.: Neue Petra-Forschungen, 106. – 23 De Vogüe, Journ.: Asiatique 1897, 518; Dalman, G.: Neue PetraForschungen, Leipzig 1912, 107; Parker.S. Th., ADAJ XXI, 1976, 19. 14) Beginn des Niedergangs ]os. Bell. Jud. 3, 4, 2; Tacit. Hist. 5, 10–13; Dio Cass. 66, 4–7. – 2 Schopen, E.: Geschichte des Judentums, Bern 1960, 104. – 3 De Vogüe: Syrie central. Inscriptions semitiques, 107; CIS II, 182; CIS II, 354. – 4 CIS II, 218; Diet. Bibl., col. 917. – 5 Glueck, N., AASOR XV, 1935, 16. – 6 Dalman: Neue Petra-Forschungen, 106; Milik J. T. und J. Starcky: Inscriptions recemment decouvertes ä Petra, ADAJ XX (1975). – 7 Plin. Nat. hist. 12, 14 und 65; Starcky, J.: The Nabataeans; Diet. Bibl., col. 917; Rev. Bibl. 1957, 215; P. C. Hammond hält es für möglich, daß der Feldzug des Aelius Gallus die nabatäischen Handeslverbindungen vernichtete, Geogr. Journ. 76, 1930, 371. – 8 Strab. Geogr. 16, 4, 23; A. Schmidt-Colinet hat herausgefunden, daß eine einzige Steinmetzenfamilie aus Petra die Grabmonumente von el-Hegr schuf: Berytus, 31, 1983, 95–102. l
15) Rabel, letzter König 1 Dussaud, R.: Monnaies nabat., Rev. Numism. 1905, 170. – 2 Yadin, Y.: Masada, Hamburg 1967, 179 u. 225. - 3 CIS, 351. – 4 Glueck, Deities, 208. – 5 Euting, J.: Nabatäische Inschriften aus Arabien, Berlin 1885, Nr. 21–26; De Vogüe; Syrie central. Inscriptions semitiques Nr. 33a, 39; Dussaud u. Macler: Voyage Archeologique au Safe et dans 1e Djebel-ed-Druze, Paris 1901; RAO I (1888) 73; Kraeling, C. H.: Gerasa, 38; Abriß der Geschichte antiker Randkulturen, München 1961, 175. – 6 Starcky, J.: ADAJ X, 1965, 43–49. – 7 Altheim-Stiehl,
Araber I, 300. – 8 Glueck, Deities, 227. – 9 Kammerer: Petra, 258; Starcky', J.: The Nabataeans. – 10 Meyer, E.: Israeliten, 454. – n RAO IV (1901) 170; 187; 289. – 12 Negev, A.: Avdat – a Caravan Halt in the Negev, Archaeology 14 (1961) 122, 130. – 13 CIS, 83; Negev, A.: Cities of the Desert, Tel-Aviv 1966, 12–21; ders.: The Chronology of the Middle Nabataean Period, Pal. Explor. Quart. (1969) 10–14. - "* Eissfeldt, O.: Neue Belege f. nabat. Kultgenossenschaften, Mitt. d. Inst. f. Orientforschung XV (1969) 217–227. – 15 Glueck, Deities; Yadin, Y., Isr. Explor. Journ. (1962) 235; ders. Jaarber ExOrLux, 17, 1964, 277–241. – 16 Dalman, G.: Neue Petra-Forschungen, Leipzig 1912, 101. – 17 Yadin, Y.: Jaarber ExOrLux. – 18 Jaussen u. Savignac: Mission archeol. en Arabie II, 1 (Paris 1914) 217; Kammerer, Petra, 257. – W Dio Cass. 68, 14; Festus: De Significatione verborum 14, 3; Amien., Rerum gestarum Hbri 32, 14. – 20 RAO VII, 216; Littmann, E.: Nabataean Inscriptions Nr. 45. Publ. of the Princeton Univ. Archaeol. Exped. to Syria. IV A, Leyden 1914; Hammond, P. C: The Nabataeans, 55. – 21 Dio Cass. 68, 14. – 22 Gluck, Deities, 527; Diet. Bibl., col. 920; Negev, A.: Pal. Expl. Quart. 98, 1966, 95. – 23 Negev, A.: Cities of the Desert, Tel-Aviv 1966, 21; Lindner, M.: Eine archaeologische Expedition nach Jordanien, JMitt NHG Nürnberg, 1973. – 24 Kammerer: Pétra, 263. 16) Provincia Arabia Petraea Starcky J.: The Nabataeans, 104. - 2 Vincent, R. P., Rev. Bibl. 1898, 445; Briinnow, R. und A. v. Domaszewski, Arabia Petraea (1904), 443. – 3 Dussaud, R.: Les Arabes en Syrie avant L'Islam, Paris 1907. – 4 Archaeology 22, 1969, 139; Caskel, W.: Das altarabische Königreich Lihyan, Krefeld 1950, 18. – 5 Dussaud, R.: Les Arabes en Syrie. – 6 Kirkbride, D.: A Short Account of the Excavations at Petra in 1955–56, ADAJ IV/V, 1960, 120. – 7 Negev, A.: JNG 1971; Metcalf, W. E.: The Tell Kalak Hoard and Trajan's Arabian Mint, The Am. Numism. Soc. Mus. Notes 20 (1975); Mionnet: Description de médailles V, 387; Schürer, E.: Geschichte des jüdischen Volkes, 569. – 8 Brünnow, R. und A. v. Domaszewski, Arabia Petraea I (1904), 382; Horsfield G. u. A.: Sela-Petra, 94. – " Horsfield, G. u. A.: a. O., 94. – 10 Persönl. Mitteilung von E. A. Knauf. Über das Ergebnis der stilistischen Untersuchungen s. Mckenzie J. and Phippen, A.: Chronology of the principal monuments at Petra, LEVANT XIX (1987) 145–165. – n Lindner, M.: Die Könige von Petra, Ludwigsburg 1968, 84. – 12 Hammond, Pn. C: The Excavation of the Main Theater at Petra, 1961–1962, London 1965, 62–65. – 13 Parr, P.: The Investigation of Some »Inaccessible« Rock-Cut Chambers at Petra, Pal. Expl. Quart. 1968; Brown, J.: The Hard Years, London 1967. – 14 Parr, P. J.: The Beginnings of Hellenisation at Petra, 530; ders.: Rev. Bibl. 1960, 241 und 1965, 253; Wright, G., Pal. Expl. Quart. 1961, 29. – 15 Rev. Bibl. 1966, 236–247. Parr, P. J.: Découvertes récentes au sanctuaire du Qasr à Pétra, Syria XLV, 1968; Zayadine, 1
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F.,A New Commemorative Stele at Petra, Perspective 1971. – 16 Starcky, J. u. C.-M. Bennett: Les Inscriptions du Temenos, in: Syria XLV (1968) 41–48. – 17 Parr, P.: Recent Discoveries at Petra, PEQ 88/89, 1956/57, 15. – 18 ebd. – " Glueck, Deities, 138. – 20 Ben-Dor, S., in: Berytus IX (1948/49). – 21 Zayadine, F. u. Fiema, Z. T.: Roman Incriptions from the Siq of Petra, ADA] 30, 1986, 199–205. – 22 Publ. Princetown Univ. II., A, 4, p. 275; RAO IV (1901), 298; Saulcy, F. de: Numismatique de la Terre Sainte. – 23 Euseb. Hist. eccl. 6, 33, 37.– 24 Dentzer, J.-M.: Les sondages de Tare nabateen et l'urbanisme de Bosra, Academie d. inscr. et belles-lettres, 1986, 56–83. – 25 Kammerer, Petra; Publ. Princetown Univ. II, A, 4, p. 243. – 26 AltheimStiehl, Araber I, 71. – 27 Altheim-Stiehl, Araber I, 308. – 2S Jaussen, A. u. Savignac, R.: Mission archeolog. en Arabie I (Paris 1909) 172, No. 17; II, 1 (Paris 1914) 232, No. 386; Parr, P. J.: The Last Days of Petra, Proceed of the Symposium on Bilad al-Sham, 1983, Amann 1986, 192. – 2g Briinnow, R. und A. v. Domaszewski: Die Provincia Arabia III, 273. – 30 Buhl, F.: Das Leben Muhammeds, Darmstadt 1961, 4. – 31 Parr, P. J . , Rev. Bibl. 1965, 256. – 32 Parr, P. ].: Le »Conway High Place« ä Petra, Rev. Bibl. 1962, 77; Parr, P. J. u. a. ADAJ XX, 1975, 44. – 33 Dalman, Petra, 1912, 47. – 34 Glueck, N.: The Negev, Bibl. Arch. XXII (1959) 82; ders: Deities, 71 und 527. – 35 Hammond, Ph. C: The Excavation of the Main Theater at Petra 1961–1962, London 1965, 15; ADAJ 20, 1975, 5–30. – Kirkbride, D.: A Short Account, 121. – 36 Zayadine, F.: Excavations at Petra (1973–1974) ADAJ XIX (1974); Lindner, M.: Eine archäologische Expedition nach Jordanien (1973): in: JMitt NHG Nürnberg 1973; Zayadine, F.: Ausgrabung in Petra – April 1973, JMitt NHG Nürnberg 1974; Hammond, Ph. C: The Crusader Fort on elHabis at Petra. Its Survey and Interpretation, Research Monograph Nr. 2, Middle East Center, Univ. of Utah, Salt Lake City, Utah 1970; ders.: Survey and Exavations at Petra 1973–1974, ADAJ XX (1975); Horsfield, G. u. A.: Sela-Petra, 87; ADAJ XXII (1977/78); Hammond, Ph. C.i BASOR 238, 1980, 67. – 37 Le Quien: Oriens christ. Ill, 13 (1740), 667–726. – 38 Wegen weiterer Hinweise auf »die letzten Tage von Petra« s. Parr, P. J. Fußnote 28, Kap. 16. 17) Vergessen und wiederentdeckt Koran Sure 7, 74–79; 9, 71; Euting, J.: Nabatäische Inschriften, 16. Dalman, Petra, 1908, 143, 112, 57. – 2 Wellhausen, J.: Reste arabischen Heidentums, Berlin 1897; Hammond P. C: Survey and Excavation at Petra 1973–1974, ADAJ XX (1975). - 3 Fulcher von Chartres, in: Pernoud, R.: Die Kreuzzüge in Augenzeugenberichten, Düsseldorf 1961, 120; Runciman, St.: Geschichte der Kreuzzüge, München 1968, 382. – 4 Albertus Aquensis: Hist. Hierosolymit., in: Recueil d'Hist. d. Crois. (Hist. Occid. I) Paris 1879, 693; Runciman, a. O., 382. – 5 Willermus Tyrensis: Hist, rerum in partibus transmarinis gest., Rec. Hist. d. Crois. (Hist. Occid. I) 1
112
Paris 1841, 14; Runciman, a. O., 408, 409. – 6 Savignac, R. P.: Rev. Bibl. 1913, 115; Runciman, a. 0., 408-409; Maxwell, G., Jordan IV, 1 (1972). -7 Willermus Tyrensis: Hist, rerum, 17, 6; Musil, A.: Arabia Petraea II, 1 Wien 1907. – 8 Lindner, M.: JMitt NHG, 1976, 86–87 m. Abb. – 9 Imad ed-Din Ausg. Landsberg, 111; Rec. d'Hist. des Croisades Orient. VI, 303, 382, I, 734; Dalman, 1912, 14; Horsfield, G. u. A,: SelaPetra, 5; Quatremere: Memoirs sur les Nabataeans, 1835; Kennedy, A.: Petra, London 1925, 37; Hammond, P. C: The Crusader Fort on El-Habis, Research Monograph No. 2, Univ. of Utah 1970. – Lindner, M., JMitt NHG 1978, 89–90 m. Abb. – 10 BrünnowDomaszewski: Prov. Arabia I, 275. – u Runciman, a. O., 409; Savignac, R. P.: Rev. Bibl. 1913, 588, 592; 1936, 257; Fedden, R. und J. Thomson: Kreuzfahrerburgen im Heiligen Land, Wiesbaden 1959, 22. – 12 Magistri Thetmari Iter in Terram Sanctam anno 1217, ed. Tobler St. Galli 1851; ders. Perigrinatio 15, 10. – Zayadine, F.: Caravan Routes between Egypt and Nabataea and the Voyage of Sultan Baibars to Petra in 1276. SHAJ 2 (1985): 159–174.14 Gesenius, W. (Hrsg.): Johann Ludwig Burckhardt's Reisen in Syrien, Palästina und in der Gegend des Berges Sinai. Aus dem Engl., Weimar 1823/24, 704.
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FAWZI ZAYADINE
Die Götter der Nabatäer Die Übersetzung aus dem Englischen besorgte der Herausgeber.
Wißbegierigen Besuchern Petras fallen immer wieder rechteckige, erhaben in die Felswände des Sik gehauene Reliefpfeiler auf. Die örtlichen Führer nennen sie »Duschara«. Diese Betyle (Baityloi) stehen meist in Nischen, die wie Miniaturausgaben des Adytons oder des Allerheiligsten eines orientalischen Tempels aussehen. Bestimmte Betyle stellen eine stilisierte menschliche Gestalt dar (Abb. 1 u. 2); die meisten sind aber einfache Stelen. Nach semitischer Tradition bedeuten sie die Gegenwart der Gottheit, genauso wie die »nefesh« als Spitzpfeiler die Seele des Toten verkörpern. Welche Götter verbergen sich
nun hinter der Anonymität dieser aufrecht stehenden Steine? Die Fachleute haben im nabatäischen Pantheon dasjenige Zentralarabiens und besonders des Hedschas vor dem Islam erkannt. Unser Wissen von dieser Götterwelt stammt aus Quellen des Altertums, insbesondere der assyrischen Annalen. 1 Im Zusammenhang mit den Kriegen gegen die Araber der Wüste überliefern uns die Könige Sanherib, Assarhadon und Assurbanipal im 8. und 7. Jh. v. Chr. die Namen der Götter, deren Kultbilder aus Adumata (Dumat al-Jandal) weggeschleppt wurden. An ihrer Spitze erscheint
Abb. 1 u. 2: Zwei neuentdeckte Betyle im Sik von Petra.
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Atarsamain, das männliche Äquivalent der Göttin Ishtar, der mesopotamischen Venus. Dieser ursprüngliche Kult der arabischen Beduinen hängt seinem Wesen nach mit den Sternen zusammen. Durch den Kontakt mit den umliegenden Kulturen wurde die »Wüstenreligion« mit Elementen der Seßhaftigkeit und des Ackerbaus vermischt. So erwähnt im 5. Jh. v. Chr. Herodot2 in seinem Bericht über die Kriegszüge der persischen Könige gegen die arabischen Stämme (die Edomiter) zwei ihrer Gottheiten, Alilat und Orotal, die er mit der Urania-Aphrodite und Dionysos vergleicht. Aus späthellenistischer Zeit erhalten wir von anderen Autoren wie Didorus Siculus3 und Strabo 4 spärliche Informationen über den Kult der Sinai-Beduinen und des nabatäischen Reiches. Ausführlicher sind die byzantinischen Autoren, die das im 4. und 5. Jh. noch lebendige Heidentum der Araber gekannt haben. Der heilige Epiphanius lebte nach seinen Studien in Alexandria 30 Jahre lang als Mönch im Süden Palästinas, ehe er Bischof von Zypern wurde. Auch dem heiligen Hieronymus, seinem Zeitgenossen, waren Palästina und Nabatäa vertraut. Obwohl ihre Schriften vor allem der Verteidigung des Christentums gegen das Heidentum galten, sind ihre Informationen für uns doch zeitgeschichtlich sehr wertvoll. Nicht weniger interessant sind die Berichte der arabischen Geschichtsschreiber, die nach dem Triumph des Korans über das vorislamische Heidentum geschrieben haben. Das berühmteste Werk stammt von Hisham Ibn el-Kalbi, einem traditionsbewußten Mann aus dem Bagdad des 8. Jahrhunderts. Sein »UtKih von den Götzen« wurde bereits von dtem berühmten deutschen Orientalisten J. Wellhausen in seinem Buch »Reste arabischen Heidentums« meisterhaft gewürdigt, das 1887 erschien, also noch vor der Entdeckung des vollständigen Textes im Jahre 1924. Ibn el-Kalbi wollte vor allem die Irrtümer und Lächerlichkeiten des arabischen Heidentums vor dem Triumph des Propheten Moham114
med über die »associateurs« aufzeigen, die Gott so viele Götzen zur Seite gestellt hatten. Die Zerstörung ihrer Kultstätten wird detailliert in epischer Breite geschildert. Wegen seiner fundierten Kenntnis der arabischen Stämme und ihrer Kultstätten blieb das »Buch von den Götzen« ein Standardwerk und wurde oft von späteren Autoren wie Azraqi (10. Jh.) und Yaqut (12. Jh.) nachgeahmt und zitiert.
Die männlichen Götter Allah und Hubal Nach muslimischer Überlieferung verehrten die Araber in Mekka Allah, den alleinigen Gott Abrahams und Ismaels. Etwa im 4. Jh. veränderte aber Amr Ibn Luhayy, vom Stamme der Azd, der aus Südarabien kam, den rechten Glauben, indem er Allah Götter aus den Nachbarländern zur Seite stellte. 365 von ihnen standen als Steine oder Statuen rund um die Kaaba. Allah bewahrte ihnen gegenüber jedoch seinen Vorrang. Die Nabatäer kannten ihn. Im Heiligtum von Ruwafah6 erwähnt eine nabatäische Inschrift, allerdings von Thamudäern stammend, einen Tempel des Haha. Die nabatäischen Namen mit der Endung »Ilahay« sind häufig. Unmittelbar vor der Hedschra war in Mekka jedoch das wichtigste Götterbild das des Hubal. Es handelte sich um eine Statue aus Karneol, die Khuzeima vom Stamme der Mudar im Innern der Kaaba beim Brunnen Akhshaf aufgestellt hatte. Die Priester wahrsagten vor dieser Statue, wobei sie Wurfpfeile oder Schalen benützten. Auf nabatäischem Gebiet wird Hubal nur zweimal erwähnt, in Hegra auf einer Grabinschrift vom Beginn unserer Zeitrechnung (CIS II, 198) und in Puteoli auf einer Weihinschrift aus dem Jahr 11 n. Chr. (CIS II, 158 cf. ADAJ 20, 1975, 122). Darüber hinaus haben wir den Namen Barhubal (Sohn des Hubal) in der Votivinschrift an Isis im Wadi esSiyagh (siehe Isis) in Petra und den Namen Binhubal (auch Sohn des Hubal) in der erwähnten Inschrift von Puteoli. Eine besonde-
re Bedeutung innerhalb des nabatäischen Pantheons hatte der Gott offenbar nicht. Die Hypothese Wellhausens 7 , nach der Hubal mit Allah gleichzusetzen sei, ist durch keine gewichtigen Beweise untermauert. Nach Ibn el-Kalbi hatte Hubal nämlich die Form einer Statue, der die linke Hand abgeschnitten war. Von Allah dagegen sind keine anthropomorphen Darstellungen bekannt.
Dhusharâ Dhusharâ, (Duschara) griechisch Dusares, ist der höchste Gott der Nabatäer. Im Arabischen bedeutet sein Name »Herr des sharay«, d. h. einer Örtlichkeit mit üppiger Vegetation und viel Wild und Raubtieren. Durch das unverletzliche Temenos (hima) fließt ein Wasserlauf für rituelle Waschungen. In diesem Fall ist sharay vielleicht ein Ortsname. Diese Deutung wird durch die Sarat al-Azd genannten Berge zwischen Yemen und dem Hedschas und den Dschebel esh-Sharat von Petra bestätigt. Deshalb erscheint Dhusharâ auch zuerst als Lokalgottheit. So hat ein gewisser Aslah8 vor dem Sik von Petra zu Ehren des Dhusharâ, des Gottes von Manbato, einen Festsaal aus dem Felsen gehauen, der wahrscheinlich aus der Zeit Obodas' I. (96–87 v. Chr.) stammt. Ein Beiname nennt ihn den »Gott von Medrasa« (CIS II, 443), während Inschriften von Dumat und in Avdat ihn als Gott von Gaia, also des heutigen Dorfes Wadi Musa, östlich von Petra bezeichnen. Demnach braucht man, denke ich, nach einem Namen für ihn nicht zu suchen. Wie der phönizische Baal verbindet er sich mit einem bestimmten Ort oder gar der herrschenden Dynastie. Einige Inschriften nennen ihn etwa »Gott unseren Herrn« (des Königs) oder »Gott des Rabel« (II.).
Der mit Blut gesalbte Gott Inschriften von Hegra, Bosra, Imtan und Umm ed-Dschamal im Hauran geben Dhusharâ den Beinamen Aara.9 Im Arabischen bedeutet das »gesalbt ohnegleichen« (aghra). Tatsächlich beschreibt das byzantinische Lexikon der Suda (10. Jh.) Dhusharâ als einen
Abb. 3: Betyl und Portraitmedaillon des Dusares-Dionysos auf dem Weg zum Großen Opferplatz.
schwarzen, auf einem goldenen Sockel ruhenden Stein, den man mit Blut besprengt. Der Brauch, Betyle mit Blut zu besprengen, wird im »Buch von den Götzen« bezeugt und al-Mundhir, arabischer König von Hira in Mesopotamien (4. Jh. n. Chr.), opferte Menschen bei zwei für al-'Uzza errichteten Stelen, die man »al-Ghariän« nannte. J. T. Milik hält Aara für den »eigentlichen Namen des Betyls, so wie man ihn im Tempel von Bosra verehrte«. Diese Hypothese, nach der sich der Betyl gegenüber dem Gott verselbständigt, wird in Petra auf dem Weg zum Großen Opferplatz (el-Madhbah) veranschaulicht. Hier wird der mit Weinlaub oder Lorbeer gekrönte Gott, wahrscheinlich Dusares, zugleich – darunter – als Betyl dargestellt (Abb. 3). 115
Dusares, Gott der Rebe Der Dionysoskult war in hellenistischer Zeit in Syrien und Ägypten sehr populär geworden. Ein Edikt von Ptolemaios (221–205) mußte den Kultvereinigungen des Gottes feste Regeln geben. In Petra ist der Dionysoskult durch die Entdeckung eines Reliefs (Abb. 4) bezeugt, das einen mit Weinranken bekränzten jugendlichen Gott darstellt. Noch beweiskräftiger sind die zahlreichen Triklinien in Petra, wo sich in manchen Fällen die von Strabo beschriebenen 13 Mitglieder des Thiasos-Rituals trafen. (S. Strabo, Geogr. und ADAJ 21, 1976, 139–142.) Wie schon erwähnt, identifiziert Herodot den Gott der Araber mit Dionysos und später schreibt der byzantinische Schriftsteller Hesychios (5. Jh.) »Dusares ist der Dionysos bei den Nabatäern«. Diese Gleichsetzung ist deshalb so erstaunlich, weil Diodorus berichtet, der Weingenuß sei bei den Nabatäern unbekannt. Man muß allerdings daran denken, daß der Schriftsteller Petra zu einer Zeit beschrieben hat, als seine Einwohner noch Nomaden waren. Wie wir sehen werden, wurde das Verbot, Wein zu trinken, von den Beduinen weiterhin befolgt.
Dusares, oberster Gott Dusares, der Hauptgott von Petra, wird auch mit Zeus gleichgesetzt und zwar in einer
Abb. 4: In Petra gefundene Reliefdarstellung des Dionysos.
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Votivinschrift des nabatäischen Kanzlers Sylläus (Syllaios) in Milet (RES 675 und 1100) um 10 v. Chr., auf einem Altar in Petra (PEQ 1957, 13 ff.) und in einer Höhle von Umm el-Biyara, des Berges, der Petra beherrscht. (J. T. Milik veröffentlichte die Inschriften in der Arbeit von Mrs. C. Bennett über die Ausgrabungen der edomitischen Siedlung.) In den letzten beiden Fällen handelt es sich um Zeus Hagios.
Dusares, Sohn der Jungfrau Um die Heiden davon zu überzeugen, daß die jungfräuliche Geburt Christi nichts Außergewöhnliches sei, versichert der heilige Epiphanius11, die Geburt Aions durch die Jungfrau Kore werde in Alexandria ebenso gefeiert wie die Geburt des Dusares durch die Jungfrau Chaamu in Petra und zwar am 6. Januar, dem Tag, an dem die Ostkirche noch heute Weihnachten begeht. Das Wort Chaamu, wahrscheinlich Ka'abu, dürfte von dem arabischen ka'eb, junge Frau, kommen. Interessanterweise wurde die Kaaba von Mekka in der vorislamischen arabischen Dichtung »Jungfrau« genannt.12 Wahrscheinlich wurde das Bauwerk mit der dort verehrten Göttin identifiziert, d. h. mit al-'Uzza (siehe unten), der die Quraish von Mekka einen besonderen Kult widmeten.
Shai' el-Qaum, Gegenspieler des Dionysos Er ist in erster Linie Begleiter und Beschützer der Wüstenreisenden und wird besonders von den safaitischen Stämmen Syriens verehrt. So ruft ihn etwa Shami, Sohn des Tasur13 an, ehe er seine Tournee mit einer Kithara-Spielerin beginnt. In Teil Ghariyeh im nabatäischen Hauran setzt ein gewisser Arwado dem Gott im Jahr 26 des Königs Rabel II. (96 n. Chr.) ein Denkmal. Indessen erscheint der Kult des Shai'el-Qaum vor allem als Reaktion auf den Mißbrauch der dionysischen Thiasoi. So stiftet ein nabatäischer Reiter aus der römischen Garnison von Palmyra 14 dem Shai' el-Qaum, »der keinen Wein trinkt«, einen Altar.
Das Verbot, Wein zu trinken, bestand schon vor dem Islam und mehrere Gottheiten lehnten Trankopfer mit Wein ab (E. Littmann, Journal Asiatique 2, 1901, 381–390). In Petra scheint diese Art von Göttern nicht besonders beliebt gewesen zu sein. Hier ist man dem Namen Shai' el-Qaum bisher nicht begegnet, in Hegra erscheint er ein einziges Mal neben einer Nische mit einem Betyl.
Lykurg Auch die griechische Mythologie kannte einen allem Bacchischem feindlichen Heros, nämlich den Thrakerkönig Lykurg, der Dionysos und seine Bacchanten aus seinem Lande vertrieb. Er wurde deshalb mit Blindheit geschlagen und starb, wie Homer berichtet, von allen gehaßt. Der Kampf zwischen Dionysos und Lykurg wurde gegen Ende der römischen Zeit von dem alexandrischen Dichter Nonnos von Panoplis besungen. Die Schlußszene des Dramas läßt er in Arabien spielen. Erstaunlicherweise hat die Kunst den Mythos von Lykurg in Antiochia, Apamea, Baalbek, und in zahlreichen Orten des Hauran, des Landes des Rebbaues, gefeiert. Man darf daher mit gutem Grund einen syrischen Ursprung des Lykurg-Kultes annehmen. Miteinander verwechselt werden dürfen Lykurg und Shai' el-Qaum nicht.15 Man findet Votivinschriften an beide Götter in ein und derselben Gegend.
Al-Kutba Als Gott der Schreibkunst und der Weissagung besitzt er die Attribute des Nabu der Assyro-Babylonier ebenso wie des Merkur und des Apollo der Römer. In Zentralarabien soll der Kult des Nabu durch den spätbabylonischen König Nabonid während seines zehnjährigen Asyls in Teima und den anderen Oasen der Wüste verbreitet worden sein. Als han-Aktab erscheint er in den Graffiti von Dedan. Von hier gelangte er in das nabatäische Pantheon. In Hegra steht sein Name neben einer Kultnische. Im Heiligtum von cAin esh-Shellaleh im Wadi Ramm steht der Betyl des Gottes mit den sternenförmigen
Abb. 5: Betyle von al-Kutba (re.) und al-Uzza (li.) bei der Quelle esh-Shellaleh im Wadi Ramm (n. M. R. Savinac).
Augen neben dem al-'Uzza's (Abb. 5). Die Inschrift unter dem Betyl lautet: »al-Kutba von Gaia«. Die Verbindung von al-Kutba mit al-'Uzza läßt J. Starcky 16 an das von Herodot erwähnte Götterpaar Orotal und Alilat denken. Orotal ist der gleiche Name wie Ruldaiu von Dumat (assyrische Chroniken) und wie Ruda, der einer safaitischen und thamudischen Gottheit gilt. In Palmyra wird Ruda zu Arsu und ist mit Azizu, dem Morgenstern, in Verbindung gebracht. Die philologische Gleichsetzung der Namen ist nicht schwierig. Der Name des Gottes erscheint in Petra nur ein einziges Mal und zwar im Stibadium des Wadi es-Siyagh (Dalman, Petra 398, I. T. Milik, BASOR 163, 1961, 23). J. Starcky und F. Zayadine gelang es aber 1973 den Eigennamen Taim al-Kutba (Diener des al-Kutba) gleich viermal in Graffiti auf dem Weg zum Heiligtum von Medras aufzufinden. Könnte also al-Kutba der wirkliche Name des Dhusharâ sein? Beide werden als Götter von Gaia bezeichnet. Das könnte diese Annahme J. Starcky's 17 stützen. Bisher fehlen aber schlüssige Beweise für einen astralen Charakter des Dhusharâ. In einem Fluch gegen den Grabräuber wird in Hegra derjenige angerufen, »der Tag und Nacht voneinander scheidet«. Damit könnte Dhusharâ gemeint 117
Abb. 6: Die Göttin Derketo von Tannur.
sein. Der Hinweis reicht aber für eine Gleichsetzung von al-Kutba und Dhusharâ nicht aus. Wie bereits gesagt, muß Dhusharâ nicht unbedingt andere Namen haben.
Qaus Von den Edomitern übernahmen die Nabatäer ihren Nationalgott Qaus. Durch die edomitischen Königsnamen Qaus-Malak (Qaus ist König) und Qaus-Gabor (Qaus ist mächtig) ist er schon seit dem 8. Jh. v. Chr. bekannt. Einen Siegelabdruck des letzteren Königs hat man bei den Ausgrabungen von Umm el-Biyara oberhalb Petras gefunden. Als Gott des Sturmes und des Blitzes wird Qaus dem aramäischen Hadad und dem griechischen Zeus gleichgesetzt. Seine Gemahlin war wahrscheinlich Derketo18, deren Name »Herrschaft« bedeutet und deren Symbol der Fisch war. 118
Zu Beginn der Regierungszeit Aretas' IV. wurde dem Gott Qaus auf dem kahlen Gipfel von Tannur im Tale Hesa gegenüber einem vulkanischen Berg ein Tempel errichtet. 19 Der Stifter Netir'el, Sohn des Zaid'el war »Hüter der Quelle von La'ban«. Eine andere Widmung lautet »Qaus-Malak, für Qaus, Gott von Horawa«, wobei Horawa wohl ein Ortsname ist. Eine dritte Inschrift nennt »Horawi«.20 In Tannur wird Qaus auf seinem Thron sitzend und von zwei Stieren flankiert dargestellt. In der Hand hält er den Blitz. Neben ihm saß seine Gemahlin auf einem Löwenthron. Als Fischgöttin war sie auf einem Relief dargestellt, das sich heute im Museum von Amman befindet (Abb. 6). In den übrigen nabatäischen Orten ist Qaus wenig bezeugt. Ein Anhänger aus Bosra21 opfert ihm im 2. Jh. n. Chr. einen Adler,
Symbol seiner himmlischen Eigenschaften. Für J. Wellhausen ist er auch mit Qaus Quzah (Bogen des Quzah), dem Genius des Regenbogens bei den Arabern identisch.
Die Göttinnen Vor dem Islam verehrten die Araber in Mekka vor allem die drei Göttinnen Allat, al-'Uzza und Manat, die sie »Die Töchter Allahs« nannten und zu deren Ehre sie singend um die Kaaba herumzogen: »Bei Allat, Al-'Uzza und Manat, der dritten der Gruppe! Dies sind die erhabenen Frauen, um deren Fürsprache wir bitten!«22 Der Ausdruck »Töchter Allahs«, den der Koran heftig bekämpft hat, ist nicht leicht zu deuten und entstammt vielleicht einem Gestirnkult. Bei den Assyro-Babyloniern war Ishtar tatsächlich die Tochter des Gottes Sin.
Allat Nach der Zahl der Inschriften und Graffiti, die an sie erinnern, ist Allat die am meisten verehrte Göttin in Arabien. Ihr Name wird als Zusammenziehung von al-Ilahat erklärt, der Göttin, die man in Herodots Alilat wiederzufinden glaubt. Aber diese Ableitung ist nicht die der alten arabischen Schriftsteller. Ibn el-Kalbi leitet ihren Namen vom Zeitwort latta (Mehlkneten) ab. Obwohl nicht fundiert, nähert sich diese Ableitung safaitischen und thamudischen Namensformen Lat oder Hat an. Allat wird oft angerufen, um den Reisenden zu begleiten, das Vieh zusammenzutreiben, Reichtum und Beute zu gewinnen oder den mit Blindheit zu schlagen, der die Inschriften zerstört. Sie ist sehr vielseitig, denn sie wird von Herodot mit Aphrodite gleichgesetzt und in römischer Zeit trägt sie die Attribute der Athene. Im nabatäischen Königreich erscheint sie nur einmal in Hegra. Die in Petra bekannten Inschriften erwähnen sie nicht, obwohl im Temenos von Qasr el-Bint ein Relief entdeckt worden ist, das Athene darstellt (Abb. 7). Dagegen besaß sie einen Tempel im Wadi
Abb. 7: Reliefdarstellung von Allat-Athene beim Straßentor in Petra.
Ramm aus der Zeit Rabels II. und mehrere Inschriften bei der benachbarten Quelle »Ain esh-Shellaleh« erinnern an sie. Ihr Betyl steht in einer eingerahmten Nische. Er hat die Form einer schematisierten menschlichen Gestalt, die aus einer Mondsichel auftaucht. Die nabatäische Inschrift lautet: Dies ist die Göttin Allat von Bosra. Demnach könnte ihr Kult von Bosra, der Hauptstadt Rabels II. ins Wadi Ramm gelangt sein. Ein weiterer Tempel war ihr im 1. Jh. v. Chr. in Salkhad errichtet worden. Im Hedschas war Allat zur Zeit Mohammeds die Göttin der Thaqif, eines den Qureish feindlichen Stammes mit dem Sitz in Taif. In ihrem Heiligtum war sie als weißer rechteckiger Stein dargestellt. Ein Jude pflegte in der Nähe ihres Betyls Gerstenmehl zu kneten, wohl um die Kuchen herzustellen, die man der Göttin opferte.
Al-'Uzza Über ihren männlichen Gegenpart Atarsamain wurde al-'Uzza mindestens seit dem 9. Jh. in Arabien verehrt 23: Die assyrischen Annalen stellen, wie erwähnt, Atarsamein an die Spitze der Götter von Dumat und verwechseln ihn übrigens mit Ishtar. Erst um das 4. und 3. Jh. v. Chr. überliefern uns die lihyanitischen Graffiti Widmungen an 'Uzzai oder han-'Uzzai. Wieder erscheint Dedan als 119
einmal mit »al-Kutba von Gaia« (siehe oben), ein anderes Mal mit dem »Herrn des Tempels« in Verbindung. Ihre Stele hat jedesmal die Form einer schematisierten menschlichen Figur (Abb. 8). Im Gegensatz zu Allat ist al-'Uzza im nabatäischen Hauran wenig vertreten. Nur einmal erscheint ihr Name in Bosra. Wahrscheinlich gab es keinen Unterschied zwischen beiden Göttinnen. Nach dem Fall des nabatäischen Königreiches setzte sich der al-'Uzza-Aphrodite-Kult in Petra fort. In einem in Nahal Hever26 nahe beim Toten Meer gefundenen Vertrag aus dem Jahre 124 n. Chr. wird ausdrücklich betont, daß er im Aphrodiseion der Stadt ausgestellt worden sei. Dieser Tempel kann der Kasr el-Bint oder der kürzlich von Ph. Hammond freigelegte Tempel gewesen sein, wo eine Stele mit einem schematisierten Gesicht ähnlich der in Hegra und Dedan gefundenen entdeckt wurde (Abb. 9).
Abb. 8: Neuentdeckte Darstellung einer Göttin im Löwen-Greifen-Tempel von Petra.
die Hauptquelle des nabatäischen Pantheons. Seit dem 1. Jh. n. Chr. verbreitet sich der Kult der Göttin in Nabatäa und auf der Sinai-Halbinsel. Sogar die Ägäis erreicht er. Eine nabatäisch-griechische Votivinschrift auf der Insel Kos aus dem Jahre 9. n. Chr. nennt al-'Uzza bzw. Aphrodite. 24 Diese so fern von der Heimat gefundene Inschrift bezeugt ihre große Popularität. Tatsächlich führten neue epigraphische Forschungen in Petra zur Entdeckung mehrerer Votivinschriften, die sich unter die schon bekannten einreihen lassen. Zusammen mit dem »Herrn des Tempels« wird ihrer auf dem Weg zum Opferplatz von Khubtha (el-Hubta) gedacht. Zwei neue Inschriften25, entziffert von J. T. Milik und J. Starcky, nennen ihren Namen im Wadi Siyagh und im Sidd el-Ma'adschin. Im Heiligtum von 'Ain esh-Shellaleh steht sie 120
Abb. 9: In Hegra (el-Hegr) gefundene Stele mit schematisiertem Gesicht.
Bis zum Beginn der byzantinischen Zeit verehrten die Beduinen der Wüste al-'Uzza in ihrer Eigenschaft als Morgenstern. Der heilige Hieronymus hat uns die Beschreibung eines Festes in Elusa im Negev27 zu Ehren al-'Uzzas, des Morgensterns, hinterlassen. Die Beschreibung des gleichen Festes in Petra haben wir nach dem heiligen Epiphanius zitiert. Der Vorrang ihres Kultes läßt sich ziemlich lange verfolgen. Die Abschwörungstexte der griechischen Kirche28 aus dem 9. Jh.29 bestätigen, daß eine Stele der Aphrodite im Heiligtum von Mekka aufgestellt war. Trotz ihrer Polemik sind diese Texte der Nachhall der islamischen Überlieferung, von der Ibn el-Kalbi berichtet. Nach diesem Autor war al-'Uzza, »die sehr mächtige«, die am meisten verehrte Göttin im vorislamischen Mekka. Mohammed gesteht, er habe ihr ein weißes Schaf geopfert, als er noch Heide war. Ihr Heiligtum Hurad im Nakhla-Tal lag im Schatten von drei Aka-
zien. Bei ihrem Betyl gab es einen Opferplatz. In ihrem Temenos befragte man das Orakel. Bei der Eroberung Mekkas ließ der Prophet Chalid ibn el-Walid das Heiligtum eilends zerstören und die Bäume fällen. Als er die dritte Akazie fällte, sah er eine Abessinierin mit wirren Haaren auftauchen, die er mit dem Schwert tötete. Der Prophet sagte dazu: »Das war al-'Uzza. Nach ihr wird es für die Araber keine Uzza mehr geben«.
Manat Manat war wie die griechische Tyche oder Nemesis die Schicksalsgöttin. Die arabische Überlieferung sieht in ihr die älteste der Trias. Sie war die Göttin der Aus und Chazrag und besaß ein Standbild in Qudeid an der Küste zwischen Medina und Mekka. In Hegra wird Manat (geschrieben Manawät) achtmal in Grabinschriften zusammen mit ihrem Qaishah, d. h. ihrem Maß oder der
Abb. 10: Die Isisnischen oberhalb des Wadi Siyagh aus dem Jahre 25 v. Chr. mit einer Widmung an die Göttin in nabatäischer Schrift.
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auf der Tholoswand abgebildet ist. Zwei Heiligtümer – im Wadi Abu 'Olleqa31 (Wadi Waqit) und am Eingang des Wadi es-Siyagh32 (Abb. 10, 11) – sind ihr geweiht. In beiden Fällen ist die Göttin auf einem Thron sitzend dargestellt. Im Wadi es-Siyagh ist ihr in einer benachbarten Nische dargestellter Betyl kegelförmig. Die Widmung für die thronende Göttin nennt das Jahr 5 der Regierung von Obodas III, also das Jahr 25 v. Chr. Andere Becken daneben dienten für kultische Waschungen. Später hat man am Fuß der heiligen Terrasse ein Grab ausgehauen. Neuerdings hat man die Göttin auch in Form kleiner Terrakottafigurinen entdeckt. (Abb. 12).
Abb. 11: Isis auf einem Thron sitzend dargestellt.
Elle30, als Symbol für das Schicksal aufgeführt. Daher garantierte sie die Einhaltung von Verträgen und wachte darüber, daß die testamentarischen Bestimmungen hinsichtlich der Grabstätten eingehalten wurden. In den Inschriften von Petra wird Manat nicht erwähnt.
Isis in Petra Die Mysterien der ägyptischen Göttin sind in hellenistischer und römischer Zeit sowohl im Orient wie im Okzident sehr populär gewesen. Die Gattin des Osiris wurde mit Demeter gleichgesetzt und herrschte über Leben und Tod. Ihr Symbol, die von Hörnern und Ähren umgebene Sonnenscheibe, ziert den Mittelakroter der Khazneh, während die Göttin selbst als Isis-Tyche darüber im Relief 122
Abb. 12: In Petra gefundene Tonfigurine der trauernden Isis aus dem 2. Jh. n. Chr.
Nachtrag des Herausgebers Zwei weitere Zeugnisse der al-'Uzza-Verehrung aus Petra wurden während der Forschungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg gefunden. 1986 entdeckte der Herausgeber am Hang des Hügels ez-Zantur eine Stele mit dem schematisierten Gesicht von al-'Uzza. Im Gegensatz zu anderen Idolen der Göttin ist diese Stele jedoch von einem Blattkranz mit der Isis-Krone abgeschlossen, was einem Amalgam der beiden Gottheiten und einer Gleichsetzung im Kultus entspricht. Auch das Hubta-Massiv ist um ein Zeugnis der al-'Uzza reicher: 1983 entdeckten Mitglieder der Naturhistorischen Gesellschaft ein Felsheiligtum mit reliefierten Idolen von Duschara (Dusares) und al-'Uzza neben Reliefs gedrungener Rechtecke mit sattelförmiger oberer Begrenzung. (s. ZDPV, 104, 1989).
Anmerkungen J. B. Pritchard, Ancient Near Eastern Texts, Princeton 1950, 291. - 2 Historien III, 8. - 3 Hist. Bibliothek III, 42 ff. – 4 Geographie XVI, 4, 18. – 5 Edition Ahmad Zaki, Kairo (1924). – 6 J. T. Milik, Bull, of the Institute of Archaeology of London 10, 1972, 57 ff. – 7 Reste, 75 1
und R. Dussaud, Penetration des Arabes en Syrie, Paris 1955, 143 f. – * J, Cantineau, Le Nabateen II, Paris 1930, 2 f. – 9 D. Sourdel, Les cultes du Hauran ä l'epoque romaine, Paris 1952, 59 ff. – 10 Syria 35, 1958, 235. — « Contra Haer. LI, 22, 9-12. – I2 Aghani, 21, 95, 1. T. Fahd, Pantheon de 1' Arabie Centrale ä 1a veille de l'Hegire, Paris 1968, 171. – 13 J. T. Milik, Dedicaces faites par des dieux, Paris 1972, 57 f. – 14 D. Sourdel, op. cit. 81. – 15 Ibid, 83. – 16 J. Starcky, Diet, de la Bible, Supp. 7 (1964) 995. - " Ibid. 995 f. - 18 J. T. Milik, Syria 35, 1958, 238, Anm. 6 – 19 N. Glueck, Deities and Dolphins, New York 1965. – 20 J. T. Milik, Syria 35, 1958, 238. – 21 Ibid. 235. – 22 Ibn el-Kalbi, op. cit. 19. — 23 H. Seyrig, Syria 32, 1955, 42. – 24 G. Levi della Vida, Clara Rhodos 9, 1938, 139 ff.; F. Rosenthal, Die aramäische Forschung, Leiden 1939, 91, Anm. 4. – 25 ADAJ 20, 1975, 124 ff. Die Inschrift von Sidd el Ma'ajin ist noch nicht veröffentlicht. – 26 Y. Yadin, Jahresbericht ex Oriente Lux 17, 1963, 234 ff. – 27 J. Starcky, Bible et Terre Sainte 164, 1974, 19 f. – 28 R. Montet, Revue d'Histoire des Religions 53, 1906, 146 ff. – 29 A. Abel, Studia Islamica 19, 1963, 5 ff. – 30 ]. Starcky, Diet, de la Bible, Supp. 7 (1964) 1001. – 3I J. P. Parr, ADAJ 6–7, 1962, 21 ff.; M. Lindner, in diesem Buch S. 286–292. – 32 J. T. Milik, ADAJ 20, 1975, 120 ff.
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FAWZI ZAYADINE
Die Felsarchitektur Petras Orientalische Traditionen und hellenistischer Einfluß Die Übersetzung besorgte der Herausgeber.
Bis zum Jahre 1812 war über die einmaligen Höhlenbauwerke der nabatäischen Metropole fast nichts bekannt. Erst nach der Wiederentdeckung Petras durch Burckhardt wurde im vergangenen Jahrhundert die Felsarchitektur der antiken Stadt von vielen Forschern untersucht. Auf den Spuren abenteuerlicher Expeditionen früherer Reisender veröffentlichten die deutschen Wissenschaftler Brünnow und von Domaszewski (in der Folge: B. u. D.) eine erschöpfende Beschreibung der Ruinen Petras als Teil einer umfassenden historischen Landesaufnahme der Provincia Arabia in den Jahren 1897–98. Die Monographie von etwa 300 Seiten, reich illustriert mit groben topographischen Karten, Skizzen, Zeichnungen und Fotos wurde von den damaligen Gelehrten 1 sehr gepriesen. Man begrüßte das Werk als die umfassendste Untersuchung der Örtlichkeit, die bis dahin publiziert worden war. Dennoch konnten die beiden Pioniere der sehr genauen Kritik von G. Dalman 2 nicht entgehen, der viele Fehldeutungen und Irrtümer 3 des Buches aufzeigte, das allerdings unter ungenügenden wissenschaftlichen Bedingungen entstanden war. Eine Menge nachfolgender Veröffentlichungen brachte keinerlei Fortschritt hinsichtlich der Identifizierung und Datierung der herausragenden Monumente. Das Fehlen von Inschriften und von vergleichbarer Architektur war der Grund für diese Unsicherheit. In den Jahren 1909 und 1914 gelang den Franzosen Jaussen und Savignac4 jedoch eine ausgezeichnete Studie der Felsmonumente der nabatäischen Karawanenstation Hegra (elHegr, Medain Salih). Obwohl nicht weniger 124
als 30 von ihnen durch Inschriften genau datiert waren, warfen sie doch direkt kein Licht auf die Gräber von Petra: Eine wichtige Gruppe, nämlich »Tempelgrab« und »Giebelgrab« nach B. u. D. fehlen in Hegra, und da die späteste Fassade »primitiven« Schmuck zeigte, kann keine chronologische Entwicklung der Typen aufgezeigt werden. Nur Ausgrabungen konnten eine endgültige archäologische Lösung bringen. Die erste Grabung wurde 1929 von G. und A. Horsfield5 sowohl in der Nekropole wie in der Stadt durchgeführt, um eine chronologische Schichtenfolge aufzustellen. Die Ausräumung der Hauptmonumente erbrachte wenig datierbare Gegenstände, weil diese Gräber in der Antike und in moderner Zeit ausgeraubt worden waren. Die Schachtgräber waren dagegen ergiebiger. Sie enthielten reichlich Funde aus dem 3. Jh. v. Chr. bis hinein ins 5. Jh. n. Chr. Die folgende kurze Abhandlung über die Felsarchitektur fußt auf einer Bestandsaufnahme der antiken Überreste Petras von 1974 während der Vorbereitung einer Konturkarte und einer photogrammetrischen Aufzeichnung6 der bemerkenswertesten Fassaden, sowie auf neueren Ausgrabungen einiger Felsengräber. Der Verfasser besuchte auch Hegra in Saudi-Arabien, um dort neues Vergleichsmaterial zu sammeln.
Lage der peträischen Monumente Die in einem tiefen Becken gelegene Karawanenstadt wird von steilen Felswänden überragt, in die Gräber und Heiligtümer wabenartig eingelassen sind. Ein Blick aus der Vogelschau mag dem Leser helfen, die Beschrei-
bung und Erörterung der repräsentativen Typen zu verstehen. A) Am Eingang zur Stadt, in der Gegend von Bab es-Sik, haben frühere Autoren einige freistehende Monumente als »Pylonen« oder »Sahrig«-Gräber bezeichnet (Abb. 1). Man sollte sie jedoch nicht als eigene Kategorie betrachten, denn die Fassaden sind nur die zweidimensionale Version der turmähnlichen Gräber. In dieser Nekropole ist das beachtenswerteste Felsengrab das Spitzpfeilergrab und das Triklinium (s. Abb. 2, S. 18). Gegenüber der Anlage stammt eine neuerdings veröffentlichte Grabinschrift aus der Regierungszeit von Malichus II. (40–71 n. Chr.). Ein darüber von einem gewissen Aslah ausgehauenes Triklinium ist der Zeit Obodas' I. zuzuschreiben. Es weist anschaulich auf die frühe nabatäische Besiedlung der Gegend hin.
B) Wo sich der Sik ausweitet, ist die Khazne kein alleinstehendes Mausoleum. Zwei Turmgräber und ein Triklinium in der gegenüberliegenden Felswand erinnern an nabatäische Bestattungsbräuche. C) Im »Äußeren Sik« lassen hohe Türme in nabatäischem Stil den Besucher einen orientalischen Einfluß spüren, wie er ihn bei der Khazne auf keinen Fall wahrnimmt. Dieses Gefühl wird in der Theaternekropole verstärkt. Hier werden übereinandergestellte Reihen bescheidener Fassaden zu den ältesten Petras gerechnet (s. Abb. 6, S. 22). Die Lage des Theaters mitten unter Grabmonumenten ist ungewöhnlich und konnte den Gedanken aufkommen lassen, sie hätte das Vergnügen an den Darbietungen beeinträchtigt (s. Abb. 37, S. 86). Man hat erklärt, das Theater sei möglicherweise »ein Ort von Begräbnisritualen« gewesen.7 Viel wahrscheinlicher ist,
Abb. 1: Die drei Turmgräber von Bab es-Sik, links im Vordergrund Grab 9.
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daß die Bestattungen nach Westen und in das Wadi Farasa verlegt wurden. Jedenfalls erleichtert das Theater aus dem Beginn des 1. Jh. v. Chr. die Datierung der Gräber, die durch die Aushöhlung der cavea teilweise zerstört wurden. D) Zu den verschiedenartigen eindrucksvollen Mausoleen in der Felswand von el-Hubta gehört das Grab des Premiers Uneishu (Nr. 813), das kürzlich ausgegraben worden ist (s. Abb. 15, S. 140). Weiter an der Westwand erheben sich das riesige Urnengrab, das Korinthische und das Palastgrab (s. Abb. 4, S. 11). Am Ende dieser Gruppe wurde das Grab des römischen Gouverneurs der Provincia Arabia, Sextius Florentinus, ausgehauen, der zur Zeit Hadrians (117 bis 138 n. Chr.) im Amt war (s. Abb. 9, S. 24). E) Eine Eigentümlichkeit des Nasara-Bezirks im Norden von el-Hubta ist ein Schacht im Dach der Gräber zusätzlich zu dem gewöhnlichen Eingang in der Fassade. Diese Besonderheit ist als eine Veränderung der Bestattungsbräuche erklärt worden; sie kann aber auch als eine Weiterentwicklung der Grabarchitektur interpretiert werden. F) Eine große Zahl verschiedener Fassadentypen findet man in den östlichen und westlichen Me'esara-Bergen, wo 64 von ihnen Zinnengräber und 16 mit einem Bogen verziert sind. Im Wadi et-Turkmaniye kann die Inschrift eines Grabes auf Grund der Schrifteigentümlichkeiten in das Ende des 1, Jhs. n. Chr. datiert werden.
Stilistische Einteilung Vor einer Beschäftigung mit den Felsmonumenten – wenn nicht besonders gekennzeichnet, folgt die Numerierung der B. u. D.Publikation – muß man notwendigerweise kennzeichnende Gruppen herausgreifen, die eine Analyse und bei dem Fehlen exakter Datierung Vergleiche ermöglichen. Nach welchem Kriterium kann man eine solche Typologie aufstellen? Eine chronologische Abfolge wäre die vernünftigste Einteilung. Sie würde die Entwicklung der Architektur aufzeigen. G. Dalman8 hat eine solche Typolo126
gie vorgeschlagen. Er stellte drei Perioden heraus: 1. Rein nabatäisch, charakterisiert durch die Gestaltung der »Zinnenfassaden« (3. bis 2, Jh. v. Chr.), 2. Hellenistisch (1. Jh. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr., als die nabatäische Hauptstadt mit verschiedenartigem architektonischem Schmuck aufgebaut wurde), und 3. Römisch (nach 106 n. Chr.) mit der Verwendung des Giebels. Diese sehr einfache Einteilung unterschlägt die archäologischen Tatsachen Petras. Es gibt keine Inschrift, die eine solche Reihenfolge belegt und in Hegra ist das späteste Grab von 74 n. Chr. mit einer einzigen Zinnenreihe verziert. Andererseits war der Ziergiebel vor der Annexion des Nabatäerreiches durch Trajan bekannt und ist keineswegs typisch für die römische Baukunst. In dieser Analyse wird daher eine rein stilistische Typologie benützt, um irreführende Thesen zu vermeiden. Zugleich wird die Wiederverwendung von Gräbern, die örtliche und strukturelle Lage der Monumente und ihr Zusammenhang betont, um die Diskussion der relativen Datierung auf eine festere Grundlage zu stellen. Dementsprechend können acht Typen von Gräbern unterschieden werden: I) Senkgräber sind rechteckige Einsenkungen im Freien, wie man sie überall in den Sandsteinfelsen findet. II) Schachtgräber sind unterirdische Kammern mit loculi (Begräbnisnischen) ausgestattet und durch senkrechte Schächte erreichbar. III) Dromos-Gräber werden durch einen horizontalen Korridor betreten. IV) Spitzpfeiler und Pyramidenstelen, nabatäisch »nefesh« (nefshâ), sind Denkmäler, die gewöhnlich nahe oder über den Gräbern aus dem Fels gehauen sind. Ihr Gebrauch in Petra und in Nabatäa wirft interessante religiöse und architektonische Probleme auf und rechtfertigt eine eigene Erörterung. V) Zinnengeschmückte turmartige Grabmonumente sind Überbleibsel einer alten orien-
talischen Bauweise mit einer oder zwei Reihen von Zinnen, einem Ornament, das von mesopotamischen Baumethoden übernommen wurde. VI) Eine Abwandlung des Typus zeigt Halbzinnen in der Gestalt entgegengestellter Treppen. Ein ägyptischer Cavettosims mit Eckpfeilern erscheint unter den Stufen (ProtoHegra-Typus). Eine Attika kann zwischen Zinnen und Pilastern eingeschoben sein. Diese Art wird nach der berühmten Stätte im nördlichen Hedschas, wo er am meisten verbreitet ist, Hegra-Grab genannt. VII) Kleine Bogenfassaden stellen eine Vermischung orientalischer und hellenistischer Traditionen dar. Sie können vom Tempelbau her beeinflußt sein. VIII) Zu den klassizierenden Monumenten gehören die Ziergiebel und die Stockwerkfassaden. Es gibt verhältnismäßig wenige, alles in allem nur 34, gegenüber der großen Zahl orintalisierender Gräber. Wenn sie römischen Einfluß darstellen, wie einige Experten meinen, dann muß dieser Einfluß in der Hauptsache Ausdruck der späten hellenistischen Kultur des Ostens sein.
I Das Senkgrab
Abb. 2: Senkgrab mit vertieftem Rand für Deckplatten im Stadtgebiet von Petra.
Das Senkgrab ist eine primitive Grabstätte (Abb. 2) Es besteht aus einer senkrechten flachen Einsenkung von 2 m mal 0,60 m Größe und etwa 0,70 cm Tiefe und einer abgesetzten Leiste an den Längsseiten für die Decksteine. Dieser Grabtypus ist in Petra weit verbreitet, vor allem in der Gegend von Bab es-Sik, wo sich ein weißlicher Felsbuckel über dem Damm erhebt.9 10 Stufen führen zu dem gerundeten »Gipfel« mit 17 eingehauenen Gräbern. Nahe der Tunnelöffnung sind über der mit reqmu (s. Abb. 7) beschrifteten Stele andere Senkgräber zu erkennen, die ursprünglich durch den Stützpfeiler der Brücke geschützt waren. Ähnliche Gräber sind von den Horsfields10 am el-Habis-Felsen ausgegraben worden. Eines von ihnen enthielt einen Becher aus dem 1. Jh. v. bis n. Chr., aber das andere eine Lampe aus dem 4. Jh. n. Chr.
In der Regel wird das Senkgrab als eine Einzelbestattung betrachtet, wie sie in Palästina seit der Frühen und Intermediären Bronzezeit (EB-MB-Periode 2300–1900) bekannt ist. Es ist verbreitet in Bab edh-Dhra11 an der Ostküste des Toten Meeres. Dort liegt es stratigraphisch über den Schachtgräbern und Beinhäusern der Frühen Bronzezeit (3100–2300). In der Form steht das nabatäische Senkgrab aber den persischen Gräbern näher. In der Gegend von Fars12 hat man viele rechteckige Gruben entdeckt. Man sah in ihnen Aussetzungsplätze für Tote. Um Strabos13 Hinweis zu interpretieren, daß die Nabatäer »sogar ihre Könige neben Misthaufen begraben«, hat G. R. Wright14, ein Kenner der nabatäischen Architektur, die Hypothese zur Diskussion gestellt, die Opferplätze Petras seien Aussetzungsplattformen 127
sen eine solche Überzeugung annehmen. Das Beweismaterial ist allerdings nicht zwingend, denn es gibt in vielen Fällen auch Gemeinschaftsgräber.
II
Abb. 3: Schachtgrab in Grabungsplatz Bl. Grundriß und Schnitt.
gewesen. Hätte es eine solche Aussetzung von Toten in Petra jemals gegeben, dann hätten sich Senkgräber dafür besser geeignet. Einzelgräber der persischen Zeit sind in Teil el Far'ah15 in Südpalästina entdeckt worden. Sie bilden einen deutlichen Gegensatz zu den Kollektivgräbern der Bronze- und Eisenzeiten. Derselbe Grabtypus wurde an der phönizischen Küste bei Amrit16 und bei Athlit17 in Palästina verwendet. Folgt man M. Dunand18, dem Ausgräber von Byblos, dann wurde diese Entwicklung der Bestattungsbräuche durch den Mazdaismus in Persien beeinflußt, eine Religionsgemeinschaft, die an die Vergeltung im Jenseits glaubte. Im Palästina des 1. Jhs., war der Glaube an die Auferstehung unter den Pharisäern allgemein verbreitet. Es ist nicht sicher, inwieweit die Nabatäer diesen Glauben teilten, aber Einzelbegräbnisse und Erinnerungsstelen las128
Das Schachtgrab
Am Abhang westlich des Urnengrabes (s. Abb. 1, S. 262) haben Ausgrabungen des Department of Antiquities und der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg im Grabungsplatz 2 einen Wohnkomplex aus dem 1. Jh. n. Chr. ans Tageslicht gebracht.19 Eingemeißelt in den Felsfußboden des Hauses war ein rechteckiger Schacht von 2,50 mal 0,72 m mit einem eingesenkten Rand. Er führte mittels Trittlöchern in den Längsseiten zu einer Grabkammer. Acht Senkgräber waren in den Boden der Kammer eingelassen. Über Grab 1 (Abb. 3) waren 4 von 6 Decksteinen in situ. Ein verwestes Skelett, von dem ein eingedrückter Schädel und wenige lange Knochen geborgen wurden, lag über den verbliebenen Decksteinen. Um den Schädel herum fanden sich sechs Bronzeglöckchen, zwei goldene Ohrringe und eine Silberdrachme von Obodas III. (30–9 v. Chr.). Im Grab selbst lagen Fragmente eines Oberschenkelknochens und eines Beckens verstreut, dazu Glöckchen, Eisennägel und viele Stücke bemalten Stuckes, der vermutlich bei der Zerstörung der darüberliegenden Bauten herunterfiel (s. Abb. 3, 4, S. 263). In Grab 2 wurden keine Knochen gefunden, dafür aber ein Kochtopf, eine Alabasterpyxis und ein Unguentarium zusammen mit Nägeln und Perlen. Ein komplettes Skelett befand sich in loculus 7 über einem Bett von Stuck. Zusammen mit ihm wurden nach Westen zu ein Schädel, vermutlich von einem anderen Begräbnis, dazu Lampen vom hellenistischen und sog. herodianischen Typus (Abb. 4) in loculus 6 gefunden. Südöstlich von 2 in Grabungsplatz 3 wurde ein weiteres Schachtgrab ausgeräumt. Die Kammer enthielt vier noch mit Decksteinen verschlossene Senkgräber. In Grab 1 wurden die Überreste von zwei Skeletten geborgen. In diesem Grab befand sich nur eine zerbro-
chene Spindelflasche aus dem 1. Jh. v. Chr., die anderen Gräber waren leer. Auf dem Me'esera-Kamm sind von den Horsfields zwei Schachtgräber ausgegraben worden. Sie enthielten Material, das die Ausgräber in das 3. bis 2. Jh. v. Chr. datierten.20 Nördlich von Petra, im Lande Moab, wurde vom Verfasser bei Dhat-Ras21 an der nördlichen Krümmung des Wadi Hesa gegenüber dem nabatäischen Heiligtum von Khirbet etTannur ein Schachtgrab mit drei Kammern ausgegraben. Die Ausgräber hatten das Glück, im zentralen Grab der Vorhalle eine Goldmünze von Tiberius aufzufinden, die in die Zeit 16–21 n. Chr. zu datieren ist. Tonlämpchen, Krüglein, ein Unguentarium und ein schöner Kelch wurden geborgen. In der südöstlichen Kammer waren drei loculi ursprünglich mit Mauern abgeschlossen gewesen. Einige befanden sich noch in situ. Eine in die Mauer eingelassene Inschrift lautet: »Hier (wurde begraben) Hayat, Tochter des Anaxidamos, Sohn des Amrat.« Der Name des Vaters ist griechisch und das ist in Petra nicht einzigartig. Diese Entdeckung fügt sich zu den anderen Inschriften, die beim Uneishu-Grab (s. Abb. 13) entdeckt wurden und läßt vermuten, daß loculi ursprünglich von Mauern verschlossen waren, die eine Grabwidmung enthielten. Dieser Brauch mag das Fehlen von Inschriften an den Großgräbern erklären. In der Nekropole von en-Nasara ist, wie erwähnt, die Einfügung eines Schachtes in ein Turmgrab eine verbreitete Erscheinung. Da die dazugehörigen Kulte nicht bekannt sind, wird man sie am besten als zeitliche Entwicklung verstehen. Schachtgräber waren eine verbreitete Art der Bestattung in den frühen Tagen Petras. Das geht aus den Funden des 3. bis 2. Jhs. hervor. Wahrscheinlich betrifft der erwähnte Hinweis Strabos diese Grabform, noch ehe die monumentalen Königsgräber entstanden waren. Der Ursprung des loculus wird verschieden erklärt. Einige Autoren wie H. Thiersch22 halten ihn für ägyptisch, Watzinger23 für alexandrinisch, während Th. Schreiber24
Abb. 4: Zwei Lämpchen vom hellenistischen und sog. herodianischen Typus.
einen phönizisch-palästinischen Ursprung vorzieht. Diese letztere Meinung kann heute durch die Ausgrabungen von Bab edh-Dhrä gestützt werden. In diesem großen Begräbnisplatz der Frühen Bronzezeit (3100–2300 v. Chr.) sind viele Schachtgräber mit loculi ausgestattet. Diese waren jedoch Kollektivgräber. Als Einzelgräber sind die peträischen mit den persischen Prototypen verwandt, die in den frühhellenistischen loculi von Sidon25 in Phönizien und Marissa26 in Südpalästina nachgeahmt wurden.
III
Dromos-Gräber
Einige Grabkammern in Petra werden durch einen Dromos erreicht, einen horizontal verlaufenden Korridor, der als leichterer Zugang den senkrechten Schacht ersetzt. Eine solche Kammer findet sich nordöstlich des modernen Rasthauses (Nr. 3).27 Zu ihr führt ein L-förmiger Gang, der anfangs etwa 1,50 m weit ist, um sich dann bis auf 2,50 m am Ende zu verbreitern. Links von der bogenförmig ausgehauenen Türöffnung sieht man einen Spitzpfeilernefesh in Flachrelief. Fünf flache Löcher über dem Eingang hatten wahrscheinlich einen Stucksims zu halten. In der Kammer sind zwei loculi eingehauen, einer auf der linken Seite, der andere gegenüber der Türöffnung. Dalman berichtete von zwei Sarkophagen beiderseits der Zentralnische, aber bei einem kürzlichen Besuch waren in der Kammer keine Spuren davon zu sehen. 129
Abb. 5: Apotropäisches Relief in einer Grabhöhle (D 47) in Bab es-Sik mit zwei Schlangen, die ein Tier packen und einem Betyl auf einem Pferd.
Ein anderes Dromos-Grab ist in Bab es-Sik gegenüber den drei freistehenden Turmgräbern (Dalman Nr. 47) 28 zu besichtigen. Der nur einen Meter breite Dromos ist rechts mit zwei nefesh versehen. Nahe der Spitze des ersteren sind zwei Anbindlöcher. Sie dienten vermutlich zum Aufhängen eines Schleiers, wie es Votivstelen in Palmyra vermuten lassen, die mit einer menschlichen Büste verziert sind. Ein rechteckiger Vorraum hinter der Türöffnung ist zum Himmel hin offen. Er war ursprünglich die Öffnung eines Schachtes mit Trittlöchern an den Längsseiten. Der zweite Eingang läßt darauf schließen, daß es sich ursprünglich um ein Schachtgrab handelte, das später in ein Dromos-Grab verwandelt wurde. In der Westecke ist ein Senkgrab mit einem eindrucksvollen Flachrelief in der Felswand darüber eingehauen. Es besteht aus zwei Gruppen von Darstellungen (Abb. 5). Auf der rechten Seite greifen zwei Schlangen 130
ein Tier, vermutlich einen Schakal, an. Links sieht man ein Pferd herankommen, das einen rechteckigen Block trägt. Die Deutung der Figur beruht auf Mutmaßungen. Dalman betrachtet die zwei Schlangen als apotropäisch. Diese Erklärung ist wahrscheinlich, denn in Hegra sind zwei Schlangen auf Grab B 7 eingemeißelt, das in die Jahre 35–36 n. Chr. datiert wird (Abb. 6). Eine geringelte Schlange auf einem Kubus über einem Grab von es-Sugra (s. Abb. 7, S. 13) südwestlich von Petra wurde von Ph. Hammond als ein Symbol des Dusares interpretiert.29 Es gibt aber keinen Hinweis auf eine solche Gleichsetzung des Hauptgottes der Nabatäer mit einer chthonischen Gottheit. Die Schlange bewacht gewöhnlich die Gräber in der hellenistischen und römischen Bilderwelt. Das Pferd mit dem »Reiter« hielt Dalman für die Darstellung des Dusares-Helios, aber die Gleichsetzung von Dusares mit dem Sonnengott hat keine Parallele in der nabatäischen
Abb. 6: Nabatäische Gräber von el-Hegr (Hegra, Medain Salih) aus den Jahren 27 n. Chr. (B 5), 1 v. Chr. (B 6), 35– 36 n. Chr. (B 7), letzteres mit eingemeißelten Schlangen auf der Fassade.
Religion. In Kleinasien30 ist das Pferd, das auf vielen Totendenkmälern erscheint, ein Sinnbild des Heros. Aber in unserem Zusammenhang ist es wahrscheinlicher, daß Pferd und Betyl ebenfalls eine Unheil abwehrende Funktion hatten. Dagegen sind in den Beth She'arim-Gräbern Pferd und Reiter vermutlich ein heroisches Symbol.
IV
Grabstelen und Stelengräber
Am Eingang der Dromos-Gräber 3 und D 47 wurden vorhin zwei kleine, in den Fels eingeritzte Spitzpfeiler oder Pyramiden beschrieben. Diese schematischen Figuren heißen im Nabatäischen nefshâ. Sie kommen alleinstehend in Gräbern oder als großer Obelisk über einer Grabkammer vor. Vielfach sind sie von Inschriften begleitet, die ihre besondere Rolle in der Grabarchitektur Petras und innerhalb der syro-phönizischen Welt aufhellen. 1964 wurde in Bab es-Siq eine Reihe von 12 Stelen im Flachrelief nahe bei der Mündung des Tunnels gefunden, als man den Ableitungsdamm wieder herstellte.31 Ein Damm und eine Brücke, die an dieser Stelle
Abb. 7: Spitzpfeiler (nefesh) mit dem antiken Namen Petras: Reqmu (Reqem).
131
das Wadibett überspannte, hatten sie ausgezeichnet erhalten. Die wichtigste Stele ist eine Pyramide von etwa 80 mal 40 cm auf einem kubischen Podest mit zwei vorstehenden Simsen (Abb. 7). Eine fünfzeilige nabatäische Inschrift besagt: »Dies ist der nefesh des Petraios, Sohn des Threptos; er wurde geehrt, weil er in garshu (Geras a), Dscherasch) starb, der ein Bewohner von reqmu ist. (Diese Stele) wurde für ihn von Taimu, seinem Adoptivvater, gefertigt.« 32 Die Widmung macht deutlich, daß der nefesh ein persönliches Weihedenkmal und unabhängig vom Grab ist; denn Petraios wurde in Dscherasch begraben. Sein Adoptivvater erinnerte jedoch an ihn in seiner Heimatstadt Petra, die hier zum ersten Mal unter ihrem semitischen Namen »reqmu«33 erwähnt wird. Bekannt ist der Name aus den Schriften des Josephus. Ein gutes Beispiel für das individuelle auf einem Grab errichtete Denkmal liefert eine
andere Inschrift aus Madeba34, die sich heute im Louvre befindet. Sie besagt, daß ein gewisser 'Abd'obodat auf dem Grab seines Vaters und Sohnes im Jahre 37 n. Chr. zwei Pyramiden errichtete. Die Weihestele ist nicht notwendigerweise mit einem Begräbnis verbunden. Auf dem Weg zum Großen Opferplatz (arab. madhbah) von Petra ist ein paar Meter vor dem Löwenbrunnen eine Pyramide35 von 43 cm Höhe und gekrönt von einer Vase oder »capitalis« mittels eines spitzen Werkzeugs in die Felswand geritzt. Die Inschrift kann übersetzt werden: »Möge man sich des Qaimat erinnern, Sohn des 'Amrat, im Guten.« Die Stele bedeutet ein Erinnerungsmal, weil sie am Prozessionsweg zum Opferplatz eingeritzt wurde, um die Aufmerksamkeit der Pilger auf sich zu ziehen. Die einzigartige und eindrucksvolle Einfügung des nefesh in ein Monument ist beim Spitzpfeilergrab zu beobachten. Es überrascht
Abb. 8: Reihe von nefesh-Spitzpfeilern in Relief mit Inschriften in Bab es-Sik.
132
den Besucher, wenn er das Wadi Musa zum Sik hinuntergeht (s. Abb. 2, S. 18). Ausgewogene einfache Linien beherrschen die barocke Fassade des darunterliegenden Speisetrikliniums. Das Grab wird von vier freistehenden Spitzpfeilern überragt. Sie sind etwa 7 m hoch und ruhten ursprünglich auf quadratischen Podesten. Zwischen den beiden mittleren Spitzpfeilern sieht man im Schutz einer von Pfeilern flankierten und mit einem dorischen Fries gekrönten Nische die Statue eines aufrecht stehenden Mannes. Er ist nach griechischer Art gekleidet, die rechte Hand ist gegen die Brust erhoben. Diese Grabstatue hat viele Parallelen in der hellenistischen Skulptur. Ein halbrundes Stibadium (Kochstelle) für die Mahlzeiten auf der schmalen Plattform vor dem Eingang ist leider in späterer Zeit durch die Anlage eines Wassertanks, vermutlich für das darunterliegende Triklinium, beschädigt worden. Das Tor der Grabkammer ist zurückgesetzt und von den gleichen Pfeilern und dem Fries mit Triglyphen und Scheibenmetopen umrahmt wie die Nische. Innen findet man fünf loculi ausgehauen, der wichtigste gegenüber dem Eingang hat die Form eines arcosolium (Bogennische) und ist mit seitlichen Pfeilern geschmückt. Links davon wurde bei der kürzlichen Ausräumung ein Senkgrab entdeckt. Die vier Spitzpfeiler mit der Zentralstatue stehen für die fünf in den loculi Bestatteten. Es überrascht nicht, die vier nefesh zusammen mit der hellenistischen Skulptur vorzufinden. Die Mischung der Kunst des Ostens und Westens ist charakteristisch für den nabatäischen Eklektizismus.
Betyle und nefesh Rechteckige Pfeiler, seltener schematisch mit Nase und Augen verziert (s. Abb. 1, S. 113), sind in Petra häufige Denkmäler. Manche von ihnen sind auch halbrund. In Nischen untergebracht repräsentieren sie die nabatäischen Götteridole (s. »Die Götter der Nabatäer«, S. 113). Man muß sie von den Grabstelen, den Spitzpfeilern, unterscheiden, die
kleine Pyramiden darstellen (Abb. 8). Außerhalb von Petra in der Karawanenstadt Umm ed-Dschamal (Um el Jemal)36 im nördlichen Jordanien sind viereckige nefesh entdeckt worden, die den in Südarabien allgemein gebräuchlichen gleichen.
Das linguistische Problem des nefesh In den semitischen Sprachen hat nefesh viele verschiedene Bedeutungen. Im biblischen Hebräisch bedeutet das Wort Seele, Leben, Person. Es könnte auch als »Lebensprinzip« oder »Gefühlsleben« übersetzt werden und zwar im Gegensatz zu »ruah«, dem reinen Geist. Denselben feinen Unterschied gibt es im Koran. Das Wort erscheint jedoch vor dem heiligen Buch des Islam schon im 5. bis 6. Jh. v. Chr. in der arabischen Oase Tema 37 in arabischen Inschriften. In der Gegend des südarabischen Hasa wird die Stele als »nafs« oder »wagr« bezeichnet. Die Gleichsetzung der Seele und einer Stele resultiert aus einem synkretistischen, in den alten religiösen Praktiken verbreiteten Prozeß. Im Buche Genesis soll der von Jakob nach seinem wunderlichen Traum errichtete Stein an den heiligen Platz der Vision erinnern: ». . . und Jakob stand des Morgens frühe auf, und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Mal, und goß Öl oben drauf, und hieß die Stätte BethEl.« Im folgenden Vers, der eine andere Überlieferung verkörpert, tut Jakob ein Gelübde: ». . . und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe zu einem Mal, soll ein Gotteshaus werden« (Gen. 28, 18–22). Aus einem Erinnerungsmal wurde die Stele ein Haus Gottes. In derselben Weise wurde die Pyramide, die im Alten Ägypten ein Platz für die Seele ist, in Arabien mit dem Toten selbst identifiziert. In der Grabarchitektur erschien die Pyramide im 2. Jh. v. Chr. bei Modin in Palästina, wo der Makkabäer Simon, wie Josephus berichtet, sieben Pyramiden auf dem Familienmausoleum errichtete. Der aramäische Text (Peshitta) des apokryphischen 1. Buches der Makkabäer (13, 28) beschreibt die 133
Pyramiden als nefesh. Hier ist die Gleichsetzung von Stele und Seele gut ausgedrückt. Die Tradition setzte sich bis in die Zeit Christi fort. Das Grabmal der Beni Hezir im Kidrontal wird in der Inschrift »nefesh« genannt. 38 Es ist aber kein Einzeldenkmal mehr, sondern erinnert an über sechs Personen zu gleicher Zeit. Der Gebrauch des nefesh wurde in der Nekropole Beth She'arim39 im nördlichen Palästina bis ins 3. Jh. fortgeführt. Die Inschriften an den loculi sind »nefesh« oder »Beth nefesh« (Haus der Seele) mit der griechischen Übersetzung »mnemeion« oder »psyche«.
Architektonische Entwicklung des nefesh oder des Spitzpfeilers Die Grabpyramide mit einer soliden quadratischen Basis und dem pyramidalen Abschluß wurde in Petra unter ausländischem, vermutlich ägyptischem Einfluß entwickelt. In der Nekropole von Theben 40 aus dem Neuen Reich (16.–11. Jh. v. Chr.) waren Pyramiden auf Podesten über den Gräbern sehr verbreitet. Manchmal befindet sich eine Statue in einer Nische des oberen Teils der Pyramide. Eine weniger großartige Form dieser pharaonischen Architektur wurde im hellenistischen Alexandria als kleiner »naos« (kapellenartiger Schrein) auf einem Podest entwickelt, wobei eine Stufenpyramide den Naos ersetzen konnte. Größere Stelen treten in Tripolitanien, im heutigen Libyen, einer alten Provinz Alexandrias, auf. In Sabratha hat A. Di Vita41 ein ungewöhnliches Denkmal ausgegraben. Es stand einst auf einer dreieckigen getreppten Basis. Der Unterteil wird von ionischen Säulen getragen, denen im Obergeschoß Löwen und Kuroi entsprechen. Den Abschluß bildet eine Pyramide. Das Übermaß dekorativer Elemente bringt dieses Denkmal in Zusammenhang mit der barocken Architektur der hellenistischen Zeit um 300 v. Chr., die sich über ganz Nordafrika verbreitete. In Dougga42 (Tunesien) und in Algerien sind ähnliche Monumente wohlbekannt. Sie erreichten Kleinasien, vor allem in Diocaesarea (Uzunca134
burc)43, wo ein hellenistisches Mausoleum mit einer Pyramide als oberem Abschluß untersucht wurde. Ähnliche Denkmäler wurden bei Aquileja44 in Norditalien und in Gallien gefunden. Im Moseltal gehört der Pfeiler von Igel45 zur gleichen Familie. Die nabatäischen und palästinensischen Beispiele stehen in engem Zusammenhang mit denen der phönizischen Küste. In Amrit46 nahe bei Tarsus enthält die Nekropole verschiedene Arten monolithischer Stelen des 4.-5. Jhs. v. Chr. Denkmal C besteht aus zwei Podesten, die mit einem Sims geschmückt und von einer Pyramide bekrönt sind. Keine hellenistischen Ornamente erscheinen in dieser Gruppe. Aber in Hermel47 nördlich von Baalbek ist eine einfache Pyramide mit Pfeilern, Simsen und einer Jagdszene verziert. Sie war vermutlich die Stele eines örtlichen Prinzen der späteren hellenistischen Zeit. In die gleiche Periode gehören wahrscheinlich das sog. Grab des Zacharias und »Absaloms Grab« im Kidrontal von Jerusalem.48
Datierung Der von Widmungen begleitete nefesh kann aus epigraphischen Gründen in die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datiert werden. Es ist schwieriger, das Spitzpfeilergrab zu datieren, bei dem nichts auf die Zeitstellung hinweist. Dennoch wurde vermutet49, daß es ins 2. oder 1. Jh. v. Chr. gehören könnte. Diese frühe Datierung ist aber zweifelhaft. Das Monument ist das Ergebnis einer Entwicklung. Die isolierte Pyramide ist hier in einen architektonischen Komplex eingebunden. Außerdem erscheinen Stilmischungen und Scheibenmetopen am Löwentriklinium auf dem Weg nach ed-Der, am Korinthischen und Soldatengrab und bei ed-Der, die zeitlich an das Ende des nabatäischen Königreiches gesetzt werden. Insofern sind dies gute Hinweise auf die Entstehung des Spitzpfeilergrabes in der ersten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. oder sogar später. In diesem Falle besteht keine wesentliche Zäsur zwischen dem Spitzpfeilergrab und dem darunterliegenden
Triklinium. Eine neuerdings entzifferte50 nabatäisch-griechische Inschrift an einem Felsen jenseits des Wadis bezieht sich auf ein von Abdomanchos für sich und seine Nachkommen hergerichtetes Grab in der Zeit des Königs Maliku (Malichus) (40–60 n. Chr.). Da es in der Nachbarschaft kein Familienmausoleum gibt, wurde die Widmung vermutlich für das Triklinium mit den Grabkammern zu beiden Seiten eingraviert. Fassen wir zusammen: Der Grabstein der Semiten wurde unter ägyptischen und syro-phönizischem Einfluß in eine monumentale schlanke Pyramide (»Spitzpfeiler«) verwandelt, die man auf eine kleine Reliefstele reduzierte. Die monolithischen Stelen von Amrit waren wahrscheinlich die Prototypen des nabatäischen nefesh.
V Die Zinnengräber Turmgräber, die isoliert oder in aufsteigenden Stockwerken wie Ortschaften auf Terrassen an den steilen Klippen von Petra und
Hegra stehen, verstärken den orientalischen Eindruck der beiden Karawanenstädte. Das charakteristische Merkmal dieser Gruppe ist ein Ornament von einer oder zwei Zinnenreihen über dem Rundstab oder »Schürzenband«. Da dieser Grabtyp assyrische und persische Traditionen wieder aufleben läßt, konkurriert er in hohem Maße mit dem westlichen Einfluß in Arabien und nimmt nur sehr beschränkt griechisch-römische Elemente in sich auf. Deshalb ist es nicht leicht, aus dem Zinnenschmuck allein eine Einteilung zu versuchen. Da mehr Wert auf die Portale gelegt wurde, sollen diese angesichts des Fehlens sicherer Beweise als Hinweise auf die Datierung angesehen werden. Die Entwicklung des Grabtyps mit zwei Zinnenreihen bedeutet jedoch die Hinzufügung eines oberen Stockwerks und damit neuer interessanter Probleme hinsichtlich der Deutung der ganzen Kategorie. So können zwei Haupttypen unterschieden werden:
Abb. 9: Felsengräber an der Steilwand des Theaterberges.
135
1. Gräber mit einer einzigen Zinnenreihe, 2. Gräber mit einer Doppelreihe von Zinnen.
Abb. 10: Schema des Zinnengrabes 131 in der Theaternekropole.
1. Die Gräber mit einer Zinnenreihe sind in Petra sehr verbreitet. Von den 156 Monumenten stehen 53 in den Me'esara-Bergen und 25 an der Wand des Theaterberges. In Hegra ist der Grabtyp weniger häufig. Die 19 Monumente dort stellen etwa ein Viertel aller Gräber dar. Diese Zahl ist von einiger Bedeutung für die zeitliche Folge, die nach der Beschreibung der verschiedenen Variationen erörtert werden soll. In dem untersten Stockwerk der Theaternekropole besitzt Grab 107 (Abb. 9) eine bescheidene, von einer Zinnenreihe bekrönte, 4,50 m hohe Fassade. Über der Türöffnung befindet sich eine Nut zur Aufnahme eines Stucksimses, eine Besonderheit der »Theaterwand«. Bei einer kürzlich durchgeführten Freilegung der Türschwelle zeigte sich ein flaches Bassin mit einem Ablauf für Trankop-
Abb. 11: Doppelzinnengräber 101, 102, 130 auf getreppten Basen im unteren Stockwerk der Theaternekropole.
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fer. Die Grabkammer enthält an der Rückwand drei noch nicht ausgegrabene loculi. Eine reichere Türumrahmung tritt in den o b e r e n S t o c k w e r k e n a u f . B e i N r . 13 1 (Abb. 10) ist über der Tür ein Sims gemeißelt, vier parallel dazu angebrachte Höhlungen dienten wahrscheinlich zur Befestigung von Schmuckelementen. Eine bemerkenswerte Entwicklung zeigt sich bei dem nächsten Beispiel. Hier ist der Sims aus dem Stein gearbeitet und eine viereckige Leiste umrahmt den Eingang. Es kann dem Grab 535 von Me'esara zur Seite gestellt werden, bei dem »Zwergpfeiler« mehr den griechisch-römischen Einfluß ankündigen, der diese orientalische Domäne nur sehr zögernd eroberte. Nur in einem Fall schmücken von einem Architrav überspannte Pfeiler den Eingang und können so mit datierten Monumenten von Hegra verglichen werden (E 14, 72 n. Chr.; E 16, 62 n. Chr.).51 2. Die 81 Gräber mit zwei Zinnenreihen entsprechen ihrer Zahl nach nicht der ersten Gruppe von Zinnengräbern. Einige stehen ganz oder zu drei Vierteln frei. Man ersieht daraus, daß die Fassaden nach dem ursprünglichen Entwurf frei aus den Felswänden heraustreten sollten, später aber zu einem zweidimensionalen Monument reduziert wurden, um Zeit und Geld zu sparen. In ein paar Fällen weist ein getrepptes Podium jedoch auf den Einfluß hellenistischer Grabarchitektur52 hin. Ein gutes Beispiel eines freistehenden Grabes beherrscht die Öffnung des Ableitungstunnels von Petra. Der zurückgesetzte Eingang der Kammer öffnet sich auf ein getrepptes Podium hin. Nur eine Zinnenreihe ist sichtbar. Die zweite Reihe wurde ebenso aufgemauert wie bei Grab 824 im »Äußeren Sik«, das noch einige wenige Zinnen über dem Dach zeigt. Den schmucklosen Eingang sieht man nach der kürzlich durchgeführten Freilegung auf der Ostseite. Im unteren Stockwerk der Theater-Nekropole sind einige Doppelzinnengräber auf getreppten Basen wegen des Türschmucks bemerkenswert. Nr. 101 zeigt die gewöhnliche
Abb. 12: Grab 134 an der Wand des Theaterberges mit einem wohlerhaltenen dorischen Türrahmen.
Nut dieser Nekropole, Nr. 102 wird schon von einem Sims überdacht. Außerdem kann man Reste eines dorischen Gebälks erkennen. Sein ursprüngliches Aussehen kann man durch den Vergleich mit dem wohlerhaltenen Türrahmen von Grab 134 im oberen Stockwerk der »Theaterwand« erkennen, wo sich im Rahmen der benachbarten Fassade Pfeiler und ein Giebel entwickeln (Abb. 11 und 12).
Datierung In Hegra sind sieben Zinnengräber von 1 v. Chr. bis 60 n. Chr. datiert. Das Grab Qamqam53 ist die früheste Fassade, zeigt aber kunstvollen Schmuck von Eckpfeilern und eine Umrahmung von Pfeilern, die einen niedrigen Bogen tragen. Im Gegensatz dazu sind die letzten Beispiele von 72 und 74 n. Chr. (E 16 und E 14) 54 , was die Schmuckele137
v. Chr. und in Pompeji allgemein verbreitet ist, erscheint nur im Theatergebiet und kann als früher Datierungshinweis für das 1. Jh. v. Chr. angesehen werden. Ein späteres Datum ist jedoch für Nr. 536 zu fordern. Dieses Grab kann in die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. gehören.
VI
Abb. 13: Grab 122 im Theatergebiet. Unter den Halbzinnen fehlt die sonst übliche Hohlkehle.
mente anlangt, die ärmlichsten, obwohl beide Eck- und Türpfeiler besitzen. Man ersieht aus diesen Beispielen, daß aus dem architektonischen Schmuck nicht auf die Zeitstellung geschlossen werden kann. Die nabatäischen Karawanenhändler entlehnten ihre Felsarchitektur von den Nachbarländern. Dennoch kann die Türumrahmung dazu beitragen, ein paar Schlüsse zu ziehen: Fassaden mit einer Nut über der Tür oder einem dorischen Rahmen gibt es im Theatergebiet. Wenn diese Anlage, wie Ph. Hammond55 feststellt, aus der früheren Regierungszeit von Aretas IV. stammt, muß die teilweise von der cavea zerstörte »Theaterwand«Nekropole viel früher entstanden sein. So kann Grab Nr. 107 mit seinem primitiven Schmuck, der in Hegra keine Parallele hat, mindestens in das 2. Jh. v. Chr. datiert werden. Die dorische Gebälk-Umrahmung, die in der Nekropole von Alexandria 56 im 3. Jh. 138
Halbzinnengräber
An den Ecken der Zinnengräber sind Halbzinnen vorherrschend. Die Verminderung oder das Weglassen des Dazwischenliegenden betont die Eckzinnen und vermittelt durch deren Vergrößerung den Eindruck zweier entgegengesetzter Treppen, die zur Terrasse aufsteigen. Der neue Grabtyp erlebt sowohl in Petra wie in Hegra einen großen Aufschwung und erwies sich äußerlichen Einflüssen zugänglicher als der vorherige Typ. Dementsprechend sind Halbzinnengräber sehr verschiedenartig. Da es in Petra keine datierten Gräber gibt, bleibt die architektonische Entwicklung der Fassaden rein theoretisch. Mit der Hilfe von Grabungen und mittels des Vergleichs mit datierten Gräbern in Hegra können sich jedoch einige Hinweise ergeben: 1. Eine Übergangsphase beginnt mit einer am Fuß des Isis-Heiligtums im Wadi Siyagh eingemeißelten Grabfassade, wobei der Zugang zur Plattform zerstört wurde (s. S. 122). Bei diesem Monument ist eine einzige von zwei Halbzinnen flankierte Zinne erhalten. Eine rechteckige Nut ist zusammen mit einem Sims über dem Eingang zu erkennen. 2. Die zweite Phase kann man in der Mitte der Theaterwand (Nr. 122, Abb. 13) erkennen. Die mittlere Zinne ist verschwunden. Es gibt keine Hohlkehle unterhalb des Rundstabes, wie von B. u. D. Abb. 147 dargestellt und die angeblich fehlende Türöffnung erkennt man jetzt am Fuß der Fassade. 3. Eine große Neuerung wurde durch die Hinzufügung einer Hohlkehle unterhalb der Halbzinnen eingeführt. Das neue Element soll nach allgemeinem Glauben aus Ägypten stammen, wo es die verschiedensten Bauwerke krönt. Aber das Profil der ägyptischen
Hohlkehle ist von anderer Art. Es ist ausgedehnter und krümmt sich wie die Zweige einer Palme. In Petra zeigte die Hohlkehle die Form eines Viertelkreises. Eine neue Grabart wurde zwar gestaltet, aber nur für kurze Zeit. Die Proto-Hegra genannte Abwandlung mit Eckpfeilern kündet bereits den monumentalen Hegra-Typ mit Eckpfeilern und einer schmucklosen Attika an, die Halbzinnen und Gebälk über den Säulen trennt.
Der Hegra-Typ Dieser Grabtyp erhielt seinen Namen von der berühmten Karawanenstation in Zentralarabien bei Dedan, wo es das verbreitetste Grab ist. In Petra gibt es davon 75, 20 allein am Abhang von el-Hubta. Das völlig freistehende Grab Nr. 9 in Bab es-Sik ist schon wegen seiner ursprünglich von Kapitellen gekrönten Halbsäulen und -pfeilern an den vier Seiten bemerkenswert. Ein über der Attika in einen Einschnitt eingeklemmter Sims deutet auf ein oberes Stockwerk hin. Wenn man die Rampe an der nördlich davon liegenden Felswand hochklettert, entdeckt man ein Senkgrab auf der Terrasse des Monuments (Abb. 14). Das reizte unwiderstehlich zu einer Untersuchung. Im Winter 1978/79 wurde mittels starker Seile eine Leiter von der Rampe zum Monument gelegt und ein furchtloser Beduine kletterte triumphierend über diese Brücke. Schnell folgte ihm das Grabungsteam. Der 2 m tiefe Schacht von 2,20 mal 1,20 m war mit Flugsand gefüllt. Nur an den Schmalstellen war eine Leiste von 10 cm eingeschlagen. Außer zerbrochenen Röhren von etwa 15 cm Durchmesser wurden keine Gegenstände gefunden. Die Röhren waren vermutlich von den Leuten deponiert worden, die die Wasserleitung am Fuß der Felswand bauten. Wie man sieht, deutet nichts auf ein Begräbnis in der Einsenkung hin und sein Zweck bleibt unklar. Das Monument wird von den örtlichen Beduinen sahrig oder Wassertank genannt, aber eine Wasseransammlung in dem Schacht ist fraglich. Ein ähnliches, freistehendes Monument, Nr.
Abb. 14: Das turmartige Grab 9 in Bab es-Sik, das der Verfasser im Winter 1978/79 von der darunterliegenden Rampe aus untersuchte.
70, im Äußeren Sik, ist ein einmaliges Beispiel. Es wird von einer Hohlkehle und einer aufgemauerten Zinnenreihe gekrönt. Zwei Fassaden sind mit applizierten Pseudoportalen und mit einem von Pfeilern getragenen Giebel versehen. Die Eckpfeiler an der östlichen Fassade sind mit einer umgekehrten Volute geschmückt wie auf den Kapitellen von Alexandria.57 Wahrscheinlich sind die sog. nabatäischen Kapitelle ursprünglich korinthisch und haben lediglich ihren Blumenschmuck verloren. Das Monument schien keinen Eingang zu haben, bis sich der Verfasser im Januar 1979 entschloß, die Nordfassade freizulegen. Nach dem Abtragen des Schuttes zeigte sich eine Türöffnung von etwa 2,30 m Höhe. In ihrem oberen Teil unterhalb des Querbalkens wurde eine etwa 50 cm hohe Mauer aus grob behauenen Steinen entdeckt. Wegen eines gefährlich aussehenden Risses im Monument schien es gefährlich, die Kammer auszugraben. Der Architekt des Departments teilte jedoch unsere Befürchtungen nicht und riet zur weiteren Ausgrabung. Überraschen139
Ein Königsgrab
Abb. 15: Das Hegra-Grab 813 am Westhang von elHubta nahe beim Sik-Eingang war höchstwahrscheinlich ein Königsgrab. Links von der Fassade befindet sich der Eingang des Trikliniums, rechts unterhalb des Vorplatzes der verwitterte Obelisk.
derweise erwies sich die seltsame Mauer als ein Wasserkanal, der die Kammer von einer Ecke zur andern überquerte. Die Grabung verlief ohne Hindernis. Es wurden sechs komplette Skelette in ebensovielen Gräbern gefunden. Fünf davon waren aus unregelmäßigen Steinen gebaut, nur eines war in der Nordostecke in den Felsboden eingehauen. Es enthielt die Reste eines Kinderskeletts. Außer spätrömischen Scherben in den gebauten Gräbern und nabatäischen Fragmenten im Senkgrab wurden zusammen mit den Skeletten keine Beigaben gefunden. Der Bau eines Aquädukts über einem Grab ist nicht einzigartig. Über die obere Attika von Grab 825 an der gegenüberliegenden Felswand lief Wasser in einem Kanal. Dieser Brauch läßt vermuten, daß Römer und Byzantiner die nabatäische Nekropole wiederbenützten. 140
Am Westhang von el-Hubta, nahe beim Sikausgang und gegenüber dem Theater beherrscht Grab 813 (Abb. 15) eine Reihe von Zinnenfassaden. Der Zugang vom Wadi führte über einen Treppenweg, der teils aus dem Felsen gehauen, teils – im oberen Abschnitt – aus Steinen gemauert war. Der Treppenweg endet auf einem freien Platz, wo ein Kanal Regenwasser in eine links von der Rampe angelegte Zisterne führt. Ein ursprünglich auf zwei Seiten mit Portikos geschmückter viereckiger Hof erstreckt sich vor der Fassade des Grabes. An der Nordecke wurde ein Triklinium ausgemeißelt. Nach Süden hin erhebt sich ein verwitterter Obelisk auf einem getrepptem Podium. Klettert man zum Dach des Monuments empor, entdeckt man in der Schlucht dahinter einen teilweise erhaltenen Damm für ein Wasserreservoir. Einiges vom Grabzubehör wird in der nabatäischen Inschrift des TurkmaniyeGrabes erwähnt (Abb. 18). Das Portal, zu dem drei Stufen führen, ist doppelt umrahmt. Der äußere Rahmen besteht aus Pfeilern, die mit Halbsäulen verbunden und vor einem Giebel überdeckt sind. Die innere Umrahmung besteht aus Pfeilern, über denen sich Architrav und Fries erheben. Bei den Gräbern E 18, A 5 (datiert 31 n. Chr.) und F 4 (datiert 64 n. Chr.) (Abb. 16) von Hegra, aber auch bei vielen peträischen Gräbern ist ein solch kunstvoller Eingang zu sehen (Abb. 17). Man kann ihn mit einem Pfeiler von Alexandria58 vergleichen. Im Jahre 1896 betrat der britische Forscher Gray Hill59 ein Grab in dieser Gegend und kopierte eine nabatäische Inschrift von einem frisch ausgeraubten loculus an der Rückwand. Nach einer Untersuchung der Gegend war ich überzeugt, daß Grab Nr. 813 und nicht wie B. u. D. I, S. 400, 403 angedeutet haben, Nr. 808 der Beschreibung von Gray Hill entspricht und entschloß mich, die loculi auszugraben, obwohl sie schon geöffnet waren. Die Kampagne des Jahres 1973 60 wurde mit der finanziellen Hilfe der Naturhistorischen
Gesellschaft Nürnberg begonnen und erwies sich als sehr lohnend; denn sie brachte eine Inschrift zutage (s. S. 265). Außerdem wurden bei einer späteren Grabung Goldgegenstände und eine Stuckinschrift in loculus 9 gefunden. Die Grabung von 1978 ergab ein Steinfragment (29 x 25 x 8 cm) mit der eingeritzten Inschrift MLKT (NBT)W, Königin der Nabatäer. Zusammen mit der von Gray Hill gefundenen Inschrift »Uneishu, Bruder61 von Shaqilat«, einem Epitaph des Premiers der Königin (70 bis 75 n. Chr.), war erwiesen, daß man eines der Königsgräber von Petra entdeckt hatte und daß andere Mausoleen der nabatäischen Dynastie an der gleichen Wand von el-Hubta existieren können, wo hervorragende Monumente ausgemeißelt sind. Die Bürger von Petra bevorzugten individuelle Epitaphe über den loculi, obwohl Bronze- oder Stuckplatten an einigen Fassaden befestigt gewesen sein können.62
Zwergpfeiler in der Attika
Abb. 16: Grab F 4 (64 n. Chr.) von Hegra mit einem kunstvoll ausgearbeiteten Portal.
In den Gräbern vom Hegra-Typ lud die einfache Attika zwischen dem Gebälk und der Hohlkehle den Architekten ein, den leeren Raum mit neuen Elementen zu füllen. Er kam darauf, die Eckpfeiler mit zwei komprimierten Pfeilern zu verlängern, die auf einem kleinen Podest ruhten und mit nabatäischen Kapitellen bekrönt waren. Ein anderes Beispiel am westlichen Hang von el-Hubta ist das »Bunte Grab« 770 (Abb. 19). Es zeigt eine mit vier Halbsäulen geschmückte Fassade, bei der die Säulen durch vier Zwergpfeiler in der Attika verlängert sind. Ein verwitterter Fries, Überrest einer Balustrade, verbindet die Mitte der Zwergpfeiler. Ähnlich gestaltet ist das Turkmaniye-Grab mit der Inschrift. Hier ruhen die Zwergpfeiler auf Sockeln. Das letzte interessante Beispiel dieser Gruppe liegt in Nasara (Grab 649, Abb. 20). Es zeigt vier Zwergpfeiler, die nicht den vier Säulen der Fassade entsprechen. Ein Fries mit Waffen und Schilden im Bas-Relief ist zwischen den Zwergpfeilern eingemeißelt (Abb. 20/21).
Abb. 17: Doppelt umrahmtes Portal von Grab 813.
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Abb. 18: Plan der Grabanlage 813.
Der Ursprung der Zwergpfeiler geht zurück bis zur alten orientalischen Architektur. In Teil Agrab63 in Mesopotamien wurde ein Gebäude mit einem Sonnenschutz auf einer in die frühe Dynastie (3. Jahrtausend v. Chr.) datierten Plakette dargestellt. Auch auf den assyrischen Bas-Reliefs64 sind Balkone mit Zwergpfeilern eingraviert. Die nabatäischen Beispiele haben gute Vorbilder in der hellenistischen Architektur Italiens und Kleinasiens. Die Porta Marzia65 von Perugia aus dem 3. Jh. v. Chr. ist mit einer Loggia geschmückt, auf der Skulpturen stehen (Abb. 22). Am selben Ort wurde beim Augustustor66 die Loggia zu einem Fries von Zwergpfeilern und Metopen verändert. In Kleinasien zeigt der Torbau des Athenatempels von Pergamon67 aus dem 2. Jh. v. Chr. einen Balkon, dessen Balustrade wie das Grab 649 von Nasara mit Schilden und Waffen geschmückt ist. Wahrscheinlich arbeiteten die nabatäischen Künstler unter späthellenistischem Einfluß.
Architektonischer Ursprung und Bedeutung der Zinnengräber
Abb. 19: »Buntes Grab«, ein Halbzinnengrab am Westhang von el-Hubta.
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Die mit Zinnen bewehrten Turmgräber Syriens und Arabiens stellen in der späthellenistischen Periode bauliche Traditionen der alten nahöstlichen Länder dar. Die Zinne
Abb. 20: Zwei monumentale Halbzinnengräber auf der Höhe von en-Nasara. Grab 649 links mit einem Waffenfries zwischen den Zwergpfeilern.
Abb. 21: Waffenfries des Grabes 849.
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Abb. 22: Die Porta Marzia in Perugia (Italien) aus dem 3. Jh. v. Chr. mit einer Loggia, in der Statuen zwischen Zwergpfeilern stehen.
als ein beherrschendes Schmuckmotiv dieser Kategorie war eine Schöpfung der Lehmziegelbaumeister Mesopotamiens und zwar schon in der proto-dynastischen Periode 68 des 3. Jahrtausends v. Chr. Man hat die Zinne als Symbol des Zikkurat69 interpretieren wollen. In Wirklichkeit aber hat sie eine Funktion, da sie als Balustrade um die Lehmterrasse des Daches diente. Von der assyrischen gelangte sie zur persischen Baukunst, wo sie in Persepolis und bei dem Felsgrab von Da-u-Dukhtar 7 0 reichlich Verwendung fand. Die phönizische Stadt Byblos71 übernahm sie in der assyrischen Periode und weiter nördlich erreichte sie die Nekropole von ’Amrit 72 gegen Ende des 5. Jhs. v. Chr. In die gleichen Perioden gehört die Entstehung der Halbzinnen an den Ecken, die ein bronzener Miniaturturm 73 des 8. Jhs. zeigt. 144
Er wurde in Toprak Kale am Vansee gefunden und befindet sich jetzt im Britischen Museum (Abb. 23). Die gleiche Eckzinne findet man häufig auf persischen Siegeln mit den Abbildern von Feueraltären. Der Ursprung der doppelten Zinnenreihe ist nicht leicht zu erklären. Nach Watzinger74 muß die untere Reihe als Portikus gesehen werden, der auf die Fassade projiziert wurde. Diese Hypothese ist archäologisch nicht begründet. Ein assyrisches Bas-Relief75 mit der Abbildung einer Stadtmauer zeigt die erste Reihe als eine Basis eines darüberliegenden Stockwerks mit Fenstern. Das Heiligtum von Amrit (Abb. 24) ist ein weiterer Beweis, denn die Zinnenreihe läuft um die Basis des Naos. Betrachtet man jedoch die Doppelzinnengräber von Petra, dann kann die Funktion des oberen Stockwerks nicht erklärt werden. In seiner wertvollen Analyse der hellenistischen
Abb. 24: Heiligtum von Amrit mit einer Zinnenreihe um die Basis des Naos.
Abb. 23: Miniaturturm aus Bronze (8. Jh. v. Chr.) aus Toprak Kale am Vansee mit Halbzinnen an den Ecken (Britisches Museum).
Monumente von Delos hat Vallois gemeint, die entgegengesetzten Stufen des ProtoHegra-Typs seien der Aufgang zu einem Altar wie bei den Feueraltären Persiens. Aber solche Altäre für den Feuerkult gibt es nicht in Petra. Kulttürme in Verbindung mit einem Heiligtum hat man im Libanon bei Baalbek76 und Qal'at Faqra77 entdeckt. Obwohl außen eine Felstreppe zum Dach des Grabes 813 (Abb. 18) führt, hat man doch keine Spuren religiöser Verrichtungen auf dem Dach von Gräbern finden können. A. Negev78 hat im nabatäischen Negev die Forscher auf die vielen Treppentürme von Avdat und Mampsis
aufmerksam gemacht. Einige von ihnen können zu einem Heiligtum, zu einer Karawanserei oder einem Palast gehört haben. Mit den Turmgräbern von Petra sind sie nicht zu vergleichen. Die Turmgräber des Hauran im südlichen Syrien sind noch erstaunlicher. E. Will hat in einer umfassenden Untersuchung der syrischen Beispiele darauf hingewiesen, daß griechische Inschriften aus der byzantinischen Zeit diese Monumente als »Taubenschläge« bezeichnen. Der Brauch, die Toten außerhalb der Stadtmauern in »Grabgärten« zu bestatten, hätte, so vermutete er, dazu beitragen können, den Taubenschlag in ein Grabhaus zu verwandeln. In Palmyra mag der Karawanenwachtturm eine entscheidende Rolle dabei gespielt haben, daß die Bewohner gern Treppenhaustürme über den Gräbern errichteten. Diese Erklärung ist annehmbar für den Hauran und Palmyra, aber für Petra könnte eine andere Lösung gefunden werden. Die zweisprachige Inschrift von Bab es-Sik vor Petra bezeichnet das Grab im Griechischen als mnemeion, d. h. ein Erinnerungsmal. In der semitischen Welt war die Errichtung eines aufrechtstehenden Steines über dem Grab allgemein verbreitet. Wie oben beschrieben, gehört der nefesh zur selben Tradition. Die monolithischen Monumente von Amrit (Abb. 25) sind riesige Stelen, welche die Funktion des aufgestellten Steines als 145
auf denselben Fassaden ist absurd. Dieses architektonische Mißverständnis taucht zuerst in Phönizien auf, wo in der persischen Zeit eine eklektische Kunst floriert. In diesem Land stellt die Hohlkehle einen Viertelkreis dar und kann mit dem eher gestreckten Profil der ägyptischen Hohlkehle nicht verglichen werden. In Petra, Hegra und Palmyra ist der Schnitt durch die Hohlkehle identisch. Daraus kann geschlossen werden, daß das Motiv syro-phönizischen Ursprunges ist.
Datierung
Abb. 25: Monolithisches Monument von Amrit. Der aufrechtstehende Stein über dem Grab ist ein Denkoder Erinnerungsmal.
Denkmal noch verstärken. In Petra gehören die Fassaden zur gleichen Gruppe. Ihre Planer, die in den Inschriften von Hegra »Steinmetzen« heißen, waren versucht, ohne Überlegung beim gleichen Monument verschiedene Motive des Ostens und Griechenlands zu häufen. Der Ursprung dieser Elemente findet sich in der häuslichen oder religiösen Architektur. Dennoch spielten die Fassadengräber eine ähnlich religiöse Rolle wie das Mausoleum in der griechisch-römischen Grabarchitektur. Sie lassen sich leicht mit Altären vergleichen, wie man sie in der Nekropole von Alexandria 79 gefunden hat. Man sollte sie der Kunst Syriens und Phöniziens zuordnen. Die Art der Hohlkehle des Proto-Hegra- und Hegragrabes unterstützt diesen Schluß. Bekanntlich dienen sowohl Hohlkehle wie Zinne als Simse orientalischer Monumente. Das gleichzeitige Auftreten beider Motive 146
Da keines der peträischen Monumente datiert ist, kann eine chronologische Betrachtung der Gruppe nur versucht werden. Relative Datierung kann mit Hilfe von Grabungen und durch deren Vergleich mit datierten Gräbern von Hegra vorgeschlagen werden. Die kürzlich durchgeführten Ausgrabungen beweisen, daß Grab 813 in die Regierungszeit von Maliku II. und seiner Gemahlin Shaqilat (40–76 n. Chr.) zu datieren ist. Sein Portal mit der doppelten Umrahmung kann mit dem von F 4 von Hegra verglichen werden, das auf 63–64 n. Chr. datiert ist. Ähnliche Umrahmungen aus Pfeilern, kombiniert mit Viertelsäulen, erscheinen nicht vor 31 n. Chr. (Gräber B 1 und A 5 in Hegra).80 Dieser komplizierte Eingang kann als gutes Kriterium für andere peträische Gräber angesehen werden. Grab 9 (Abb. 14) zeigt die gleichen eingebundenen Säulen und Pfeiler und kann in dieselbe Periode gesetzt werden. Die Inschrift von Grab 633 im Wadi et-Turkmaniye mit Zwergpfeilern in der Attika (Abb. 26) paßt wegen der Schrifteigentümlichkeit in die Regierungszeit von Maliku II.81 Das Nasara-Grab 649 mit seinem Waffenfries kann derselben Zeit angehören, während das »Bunte Grab« 770 ohne Türrahmen und mit einer harmonischen Verlängerung der vier Säulen durch Zwergpfeiler aus der ersten Hälfte des 1. Jhs. stammen könnte. In die frühe Regierungszeit von Aretas IV. kann das Übergangsgrab 70 gehören, das ein Vorläufer des Hegra-Grabes ist und mit einer
alexandrinischen Volute verziert ist. Die Theatergruppe ist wahrscheinlich älter, denn das erste Auftreten des Proto-Hegra-Typs82 stammt aus dem Jahr 36–37 n. Chr. So kann ein Datum im 1. Jh. v. Chr. für 164 postuliert werden, das Grab, das durch die Ausmeißelung des Theaterauditoriums teilweise zerstört wurde. Das Übergangsgrab 122 ohne Türrahmen ist wahrscheinlich ein Jahrhundert älter. Bei den letzten Ausgrabungen in diesem Gebiet wurde keine Keramik gefunden, die älter war als 1. Jh. v. und n. Chr., aber eine genauere Untersuchung ist notwendig, um zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen.
VII Bogengräber Hier handelt es sich um kleine Fassaden, die nicht höher werden als 4 m und die man in allen Nekropolen Petras, außer bei el-Hubta und in en-Nasara findet. Es gibt davon 36, 16 im Me'esara-Gebiet und fünf beim Theater. Zwei Gruppen können unterschieden werden:
Abb. 26: Grab 633 im Wadi Turkmaniye mit Zwergpfeilern in der Attika und einer langen nabatäischen Inschrift zwischen den Halbsäulen.
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Abb. 27: Bogengrab 439 und 440 im Wadi ed-Der mit einem bzw. zwei Rahmen.
147
Abb. 28: Bogengrab 154 auf der vierten Etage des Theaterberges. Die erste Umrahmung trägt hier keinen Bogen.
a) Fassade mit einem Rahmen, b) Fassade mit zwei Rahmen. In der ersten Gruppe (a) besteht der Schmuck aus zwei Pilastern, die eine Tür flankieren. Darüber spannt sich ein Kreisbogen. Das Tympanon ist manchmal mit einem runden Schild geschmückt. Die zweite Gruppe (b) hat eine von Pilastern flankierte Tür, darüber einen Bogen, der von einem zweiten Bogen eingeschlossen wird, der seinerseits von Pilastern getragen wird (Abb. 27). Es kommt vor, daß, wie bei Nr. 154, der erste Rahmen keinen Bogen besitzt (Abb. 28).
Ursprung der Bogengräber Die Bezeichnung »Syrisches Grab«, die von Domaszewski dieser Gruppe gab, weist auf den Gebrauch des Rundbogens auf den kleinen Monumenten hin. Aber wir haben hier 148
keinen richtigen syrischen Bogen vor uns. Dieser ist definiert als ein Volutenbogen, der die Verlängerung eines Architravs über einer Fassade darstellt. Dieser Bogentyp erscheint auf den assyrischen Bronzen83 des 9. Jhs. v. Chr. und die Fachleute glauben, daß er nach Nordsyrien gehört. Dieses Land kannte übrigens das Gewölbe seit dem 3. Jahrtausend v. Chr., wie die Grabungen am Teil Atchana84 gezeigt haben. Aber man hat nach meiner Kenntnis kein Beispiel eines Bogens, der von einem Architrav gestützt ist. Diese Art Bogen sieht man auf den Felsgräbern Phrygiens85 aus dem 6. Jh. v. Chr. Eines der Monumente der Nekropole von Ayazin86 ist in zwei Ebenen verziert: Der äußere Rahmen besteht aus zwei Säulen, die einen Ziergiebel tragen; das Tympanon schmückt eine Scheibe. Der innere Rahmen, über dem äußeren zurückgesetzt, ist eine Türumrahmung mit einer vorspringenden Leiste und darüber einem mit Sägezähnen verzierten Bogen. Aber dieser Bogen fällt außerhalb des Architravs ab und schwebt vielleicht aufgrund eigenwilliger Gestaltung des Architekten frei. Möglicherweise stellen die Bogengräber Petras mit zwei Rahmen hintereinandergestellte Fassaden dar. Brown87 hält es für möglich, daß der von einem Architrav unterstützte Bogen eine unechte und okzidentale Version des syrischen Bogens ist. Seine Beispiele sind aus hellenistischer und römischer, also späterer Zeit. Das Grab von Ayazin beweist, daß es diesen Bogen im Orient schon in früher Zeit gab. Sein häufiger Gebrauch in der byzantinischen Architektur Nordsyriens beweist, daß dieses Land mit der Entwicklung dieses Bogens zu tun hatte, auch wenn die Beispiele, die wir haben, spät sind. In der hellenistischen Zeit Kleinasiens sieht man diesen Bogentyp auf einer Grabstele von Smyrna88 und aus römischer Zeit im Stadion von Milet. Das älteste Beispiel in Syrien stammt vom Baalshamin-Tempel in Si'a89 im Hauran, der in den Jahren 31–1 v. Chr. gebaut wurde. Über dem Haupteingang erhebt sich ein Bo-
Abb. 29 a u. b: Grundriß des Qasr und Rekonstruktion der Nordfassade (Fr. Lärche).
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Abb. 30: Stuckdekoration der Südwand des Qasr el-Bint (Fr. Lärche).
gen, der mit Laubwerk und einem Götterhaupt im Strahlenkranz geschmückt ist. Die Verzierungen des Volutenbogens erinnern an diejenigen unserer Nr. 154. In Tannur, in Transjordanien, ist der Tempel des Gottes Qos von einem Hof umgeben, dessen Portal mit einem Bogen gleichen Typs wie in Si'a verziert ist. Die Pforte dürfte aus dem 1. Jh. n. Chr. stammen, wenn wir J. Starcky, aus dem 2. Jh. n. Chr., wenn wir N. Glueck folgen. Das Vorbild dieser Fassaden mit Bögen muß demnach eher in der Sakralarchitektur gesucht werden. Außerdem haben wir schon festgestellt, daß Betyle oder Götteridole oft in Nischen stehen, die mit Bögen versehen sind.
Datierung Das Grab B 1990 von Medain Salih mit dem Bogen über der Tür stammt aus dem ersten Jahr vor oder nach Chr. Der Bogen ist platt und ähnelt wenig unseren Bögen in Petra. Es handelt sich aber trotzdem um den gleichen Bogentyp. Aus Gründen, die mit der Datierung der Theaternekropole zusammenhängen, müssen wir annehmen, daß die Bogenfassaden in Petra älter sind. Auf der dritten Terrasse erscheinen die Gräber 124, 141 und 182. Das 2. Jh. v. Chr. erscheint demnach 150
nicht unvereinbar mit der Entstehung des Typs. Nr. 154 erscheint auf der vierten Terrasse und muß weiter entwickelt sein als die drei der vorhergehenden. Es kann gut aus dem 1. Jh. v. Chr. stammen. Man kann also vermuten, daß sich der Typ lange gehalten hat, da wir den Bogen über dem Architrav am Grab des Sextius Florentinus (s. Abb. 9, S. 24) aus römischer Zeit wiederfinden.
VIII Die hellenisierenden Monumente Was die Datierung anlangt, hat eine begrenzte Gruppe klassizierender Felsenfassaden, 35 an der Zahl, über Generationen von Gelehrten hinweg immer neue Widersprüche hervorgerufen. Die Verfasser der »Provincia Arabia« stellten die Khazne und die anderen mit Giebeln versehenen Monumente in die römische Zeit nach der Annexion durch Trajan. Ebenso dachten Jaussen und Savignac, die Erforscher von Hegra. Sie bemerkten das Fehlen dieser Kategorie in der Nekropole der nabatäischen Karawanenstation aus der Zeit von 1 v. Chr. bis 75 n. Chr., obwohl manche der klassischen Elemente auf den Zinnengräbern beschrieben wurden. Ihrer Meinung schlössen sich Wiegand und seine Mitarbeiter nicht an, sie fanden aber Unterstützung in neuerer Zeit. Man braucht nicht zu betonen, daß die früheren chronologischen Einschät-
zungen auf stilistischen Vergleichen beruhten, noch ehe irgendwelche Ausgrabungen vorgenommen worden waren. Nach den vom Department of Antiquities, der British School und der Utah University durchgeführten Untersuchungen muß das ganze Problem jetzt auf einer festeren Grundlage neu betrachtet werden. Ein wesentliches Element dieser interessanten Diskussion ist der frei gebaute Tempel Kasr el-Bint, der heute noch am Ende der Säulenstraße steht (s. Abb. 10, S. 25). Er wird von einer Mauer eingefriedet, in der man die Widmung für eine Statue Aretas' IV. entdeckte. Das Heiligtum Kasr el-Bint ist quadratisch in seinem Grundriß und erhebt sich auf einem Podium mit einer Marmortreppe (Abb. 29 AB). Säulenbasen und Schächte waren mit weißem Marmor verkleidet, die Vorhalle und die dreigeteilte Zella stuckiert und bemalt. Ost- und Südseite hatte man mit architektonischem Stuck belegt, der auf ersterer eine Portikus darstellte, auf letzterer eine Scheinfassade mit Segment- und Bruchgiebeln (Abb. 30). Diese Wände wurden in der ausführlichen Untersuchung von H. Pohl beschrieben und gezeichnet. Der Autor meinte: »Das Wertvollste des ganzen Bauwerkes ist für uns die Stuckdekoration«.91 Er bemerkte bereits die Ähnlichkeit zwischen dem Stuck der Südwand und dem Korinthischen und dem Palast-Grab. Durch das Zeugnis der Aretas-Inschrift kann der Tempel in das erste Jahrhundert v. Chr. gestellt und als Hinweis auf die späthellenistische Entstehung der peträischen Felsarchitektur betrachtet werden. Hier sind zwei Hauptkategorien zu untersuchen: 1. Die einstöckigen Monumente, 2. Die Stockwerkfassaden.
teren Teil Spuren eines Stucküberzuges. Zwei aus dem Felsen geschlagene Stufen führen in die Grabkammer mit drei ausgehauenen loculi ohne Spuren einer Bestattung. In die erste Stufe sind sieben flache Höhlungen eingeschlagen. Während der kürzlich erfolgten Ausräumung des Eingangs wurde der obere Teil eines rötlichen Krügleins des 1. Jhs. n. Chr. gefunden. Weitere Scherben waren in der nördlichen Ecke angesammelt. Einige von ihnen sind bemalt und können in die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datiert werden. Offensichtlich wurden die Scherben hereingespült, denn ein kleiner Wasserkanal läuft die Fassade entlang in eine Zisterne. Der Fassadenschmuck enthält keine eingebundenen Viertelsäulen wie bei den besser ausgearbeiteten Grabtypen. Andererseits läßt dieses kleine Grab im Theatergebiet und die Stuckverkleidung ein frühes Datum, wahrscheinlich gegen Ende des 1. Jhs. v. Chr., vermuten. Das Löwen-Triklinium in einer engen Schlucht auf dem Weg nach ed-Der zeigt einen komplizierten architektonischen Schmuck (s. Abb. 18, S. 32). Der zurückgesetzte Eingang unter einem runden Fenster wird von kombinierten Pfeilern und Halbsäulen mit Blütenkapitellen flankiert; ein Fries von Masken, Triglyphen und Metopen über dem Architrav kann mit dem Schmuck
Die einstöckigen Monumente Grab 148 in der oberen Reihe der Theaterwand von Petra kann als das einfachste Grab der ganzen Gruppe angesehen werden. Es ist nur 4,20 m hoch und von Eckpfeilern flankiert, die einen Giebel mit Akroter tragen. Die Pfeiler des Eingangs haben in ihrem un-
Abb. 31: Löwen-Brunnen von Irak el-Emir bei Amman (2. Jh. v. Chr.).
151
Abb. 32: Grabtriklinium 455 im Wadi Kharrubat. Es erinnert an das Löwen-Triklinium auf dem Weg nach elDer, läßt aber dessen reichen Schmuck vermissen.
von Grab B 7 von Hegra aus dem Jahre 35 bis 36 n. Chr. verglichen werden. Ein Rankenwerk füllt das Tympanon. Aber das Ungewöhnliche der Fassade sind zwei Löwen beiderseits der Tür, die ihre Vorderpfote ausstrecken, während das Gesicht nach vorn blickt. Sie sind mit dem Löwenbrunnen von Irak el-Emir zu vergleichen, der aus dem frühen 2. Jh. v. Chr. stammt (Abb. 31). Das Löwen-Triklinium ist sicher später entstanden und gehört vermutlich in die spätere Regierungszeit von Aretas IV. Es wurde nachgeahmt im Wadi Kharruba, einem Zufluß des Wadi ed-Der, beim GrabTriklinium Nr. 455 (Abb. 32). Hier fehlt allerdings der pflanzliche und tierische Schmuck. Aber nabatäische Inschriften einer Thiasos-Vereinigung sind an der Außenseite 152
eingraviert und können in die 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datiert werden. Wer als interessierter Beobachter den Aufstieg zum Großen Opferplatz (Zibb Atuf) durch das Wadi Farasa I nicht scheut, wird durch den Anblick einer Gruppe bemerkenswerter hellenistischer Monumente belohnt. Grab 229 am Westhang des Theaterberges zeigt drei zurückweichende Ebenen. Die mit Viertelsäulen verbundenen Eckpfeiler tragen Gebälk, Giebel, Akroter und Urne. In der zweiten Ebene überspannt ein gebrochener Bogen mit drei Urnen sog. Zwergpfeiler. In der letzten Ebene ist die Tür von Pfeilern mit Gebälk eingerahmt. Puchstein92 hat die Ähnlichkeit zwischen dieser Zusammenstellung und den oben beschriebenen Bogenfassaden bemerkt. Diese Feststellung wird noch illustriert durch das Grab 154 der vierten Reihe der Theaternekropole. Dieses kann als Prototyp dieser Schmuckkomposition betrachtet werden. Da die Gräber des Wadi Farasa weiter entwickelt sind, sind sie wohl Nachfolger der durch den Theaterbau zerstörten Monumente. In diesem Falle ist Grab 229 in das Ende des 1. Jhs. oder Anfang des 2. Jhs. n. Chr. zu datieren (Abb. 33).
Dreigeteilte Fassaden In Medain Salih93 ist das el-Farid genannte Hegra-Grab, wie sein Name andeutet, das einzige Monument mit einer dreigeteilten Fassade und vier Pfeilern. Es trägt keine Inschrift, aber Jaussen konnte es in die 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datieren. Der Typ ist in Petra verbreitet und kann im Wadi Farasa I durch das Grab 228 belegt werden, das einen von Pfeilern und Viertelsäulen getragenen gebrochenen Giebel besitzt. Das beste Beispiel der dreigeteilten Fassade in diesem Gebiet ist zweifellos das »Soldatengrab«, dem eine Säulenterrasse vorgelagert war und das a uf ein prächti ges, ursprünglich mit Stuck verziertes Triklinium blickt. Interessanterweise haben die kannelierten Säulen dieser Banketthalle pseudojonische Kapitelle ähnlich denen der Fassade
von ed-Der (s. Abb. 19, S. 33). Die drei Abschnitte der Grabfassade enthalten Nischen vielleicht mit den Statuen eines Centurios (?) in der Mitte und je eines Soldaten (?) seitlich davon. Diese Figuren müssen nicht unbedingt römisch sein, wie viele Autoren behauptet haben. M. Lyttleton94 datiert das Monument auf etwa 40 n. Chr. Wenn wir aber den Fries von Triglyphen und glatten Metopen über dem Eingang, die drei Nischen im oberen Stockwerk von ed-Der und die pseudojonischen Kapitelle des erwähnten Trikliniums beachten, dann sollte die Datierung bis in die Regierung von Rabel II. hinaufgesetzt werden. Ein von Horsfield in der Grabkammer entdecktes Sarkophag-Fragment deutet auf ein späteres Datum, andererseits ist das Grab ebenso wie 813 an der Wand von el-Hubta Teil eines Grabkomplexes und könnte für einen nabatäischen Militärkommandeur bestimmt gewesen sein. Ein anderes eindrucksvolles Monument der Westwand von el-Hubta ist das Urnengrab 772, dem zwei dorische Portiken vorgelagert waren (s. Abb. 36, S. 85). Die bemerkenswert hohe Anlage besteht aus einem unteren Stockwerk, das in drei Buchten geteilt ist. In den Zwischensäulenräumen sind drei Nischen geschnitten, von denen die mittlere von einer in eine Toga gekleideten, männlichen Büste besetzt ist. Hier handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Grabskulptur, und P. Parr95, der die anderen Nischen mit Hilfe des berühmten Himalaya-Bergsteigers J. Brown untersuchen konnte, führt andere Beispiele aus Palmyra, Dura-Europos und in der Cyrenaika an. Eine beachtenswerte Entdeckung der Forscher war ein skulptierter Fries von Büsten in der Attika. Wegen der Zepter (Attribute?) hinter ihren Schultern läßt sich vermuten, daß sie Gottheiten darstellten. Das obere Stockwerk ist mit Zwergpilastern in der Attika versehen, die den skulpierten Giebel tragen. Die Urne, zugleich Akroterion, gab dem Monument seinen Namen. Ein zentraler, von Säulen, die einen Fries aus Triglyphen und Metopen unter einem Giebel
Abb. 33: Grab 229 im Wadi Farasa, ein bemerkenswertes hellenistisches Monument.
tragen, eingerahmter Eingang führt in die Halle. Die loculi des Grabes ließ ein Bischof Jason im Jahre 447 in die Apsiden einer Kathedrale umwandeln, wie eine gemalte griechische Inschrift besagt (s. Abb. 53, S. 96). Sehr wahrscheinlich ließ der Bischof auch die schmale Felstreppe rechts neben der Fassade durch einen Treppenaufgang ersetzen. Auf Gewölbe gebaut, sollte sie ihm und dem Klerus einen großartigen Zugang zu dem Gotteshaus bieten. Gleichzeitig kam man dem Bedürfnis der orientalischen Kirche nach einem freien Platz für die Zeremonien dadurch entgegen, daß man den ursprünglichen Vorplatz des Grabes erweiterte. Das Ende des Portikus am Rande des Felsenhofes ist ein weiterer Hinweis dafür, daß der Treppenaufgang später errichtet wurde. Eine byzantini153
sehe Münze Justinians (527–565), die vom Department of Antiquities am nördlichen Fuß der Treppe gefunden wurde, bestätigt deren späte Errichtung. Eigentlich würde man für dieses monumentale Grab, das möglicherweise der nabatäischen Königsfamilie zugehörte, ein Triklinium erwarten. An der Südseite der Gewölbe ist zwar eine Zisterne angelegt, aber eine eindeutige Festhalle mit Bänken ist in den Höhlen hinter dem Treppenaufgang nicht auffindbar. Für die absolute Datierung des Grabes gibt es keine Hinweise. Man vermutete, daß es die Begräbnisstätte Malichus' II. war und P. Parr96 hält es, da es nicht nachgeahmt wurde, für »eines der letzten Monumente Petras«. Den architektonischen Elementen nach ist eine Datierung ins Ende des 1. bzw. Anfang des 2. Jhs. n. Chr. angemessen. Eines der tatsächlich letzten Grabmonumente ist das des Sextius Florentinus, des Gouverneurs der Provincia Arabia um das Jahr 127. Die Fassade mit vier Säulen am Nordende der Hubta-Wand besteht aus einer unteren Ordnung auf einem Podium, die ein mit Bogen versehener und mit einem Adler
bekrönter Giebel von der oberen Ordnung trennt. Im Tympanon ist eine »Rankenfrau« eingemeißelt, ähnlich derjenigen im unteren Giebel der Khazne und der »Atargatis« von Tannur (s. Abb. 34). Zwergpfeiler tragen die obere Ordnung, die von einem freien Giebel mit einer Urne auf der Spitze begrenzt wird. Die lateinische Inschrift ist seltsamerweise in den Fries der unteren Ordnung eingemeißelt. Das weist darauf hin, daß letztere zu einem früheren Monument gehört. Aber dieses Grab kann nicht ein Jahrhundert älter als die Inschrift sein.97 Der Aufbau der Fassade zeigt Parallelen zum Urnengrab, aber auch Verbindungen zum Tempel des Hadrian in Ephesus mit einer »Rankenfrau« im Bogen-Giebel über dem Eingang. Da der Aufbau des Monuments an den Hegra-Typ erinnert, hat der Sohn des römischen Gouverneurs wohl einen nabatäischen Baumeister mit der Errichtung des Mausoleums für seinen Vater beauftragt.
Mehrstöckige Monumente Am Ende des engen, düsteren Sik hat das plötzliche Auftauchen der Khazne, des
Abb. 34: Rankenfrau oder -göttin im Tympanon des Florentinusgrabes.
154
»Schatzhauses des Pharao«, seit jeher eine faszinierende Wirkung auf die Erforscher Petras ausgeübt (Abb. 35). Die Überraschung rührt größtenteils von dem perfekten Erhaltungszustand der 39,40 m hohen, rötlichen Sandsteinfassade her und von ihrer unerwarteten architektonischen Komposition. In der unteren Sechssäulenordnung stehen an beiden Seiten eingebundene Säulen. Die ungewöhnlichen korinthischen Kapitelle mit einer doppelten Reihe dünner Akanthusblätter tragen ein feines Geflecht von Blumenranken, die in einem zentralen Pinienzapfen endigen. Man hat sie mit hellenistischen Kapitellen von Alexandria98 verglichen, aber das zentrale, verflochtene Rankenwerk ähnelt dem Blütenblattwerk des südlichen Thalamos des Bel-Tempels in Palmyra." Ein verkröpftes Säulengebälk aus einem Architrav und einem mit Blumen und Bechern zwischen einander gegenüberstehenden Greifen verzierter Fries ruht auf den Säulen. Dasselbe Motiv findet man als Hausschmuck in Pompeji100 und Herculaneum.101 Im skulptierten Giebel ist eine »Rankenfrau« zwischen Kuhhörnern und Kornähren mit der Sonnenscheibe, Symbolen der ägyptischen Göttin Isis, gekrönt. Das Wesentliche der oberen Anordnung ist eine von einer Portikus umgebene Tholos. Die Portikus steht zwischen zwei Pavillons mit gebrochenen Giebeln. Die Kapitelle von einem unorthodoxen, korinthischen Typ haben eine einzige Reihe von Akanthusblättern und s-förmige Voluten. Zwischen Girlanden verläuft ein Maskenfries über die Pavillons und die Tholos, die auf ihrer Spitze ein Kapitell als Basis für eine Graburne trägt. Die Gewehrkugeln von Goldsuchern haben sie ziemlich beschädigt (siehe Farbtafel, Seite 49). Reiche mythologische Darstellungen beleben und ergänzen die Harmonie des Monuments. Eingerahmt von den eingebundenen Säulen bewegen sich im unteren Stockwerk die Dioskuren in entgegengesetzte Richtungen. Sie halten die Zügel ihrer Pferde und sollten wohl die Toten zu den elysäischen Feldern tragen. In den oberen Pavillons vollführen
Abb. 35: Ursprung und zeitliche Einordnung der Khazne sind noch problematisch. Man darf sie sich jedoch als Mausoleum eines nabatäischen Königs um die Zeitenwende vorstellen.
Abb. 36: Oenochoe mit dem Bild der Berenike (2. Jh. v. Chr.), eines der Vorbilder der Isis-Tyche auf der Tholos des Khazne.
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Amazonen einen frenetischen Tanz. In der einen Hand schwingen sie die Doppelaxt, in der anderen den Schild. Zwei besser erhaltene Figuren stehen an der Innenseite der Portikus, dazu Siegesgöttinnen, mit einem Ehrenkranz, in den Nischen. Sie umrahmen die Hauptfigur auf der Tholos, ein Relief von Isis-Tyche mit einem Füllhorn in der Linken und einer Schale in der Rechten. Ihr Vorbild kann man auf einer Oenochoe mit dem Bild der Berenike102 aus dem 2. Jh. v. Chr. beobachten (Abb. 36). Die Grabsymbolik der skulptierten Bildwerke wird durch die Gestaltung der zentralen Kammer verstärkt, in der drei loculi für Sarkophage ausgehauen sind. In einer der Seitenkammern ist ebenfalls ein loculus ausgemeißelt, die andere diente vermutlich als Vorratsraum. Über den Ursprung dieser Architektur ist man sich nicht einig. In seiner Analyse der Stuckverzierung des Kasr el-Bint neigte Kohl
dazu, die Khazne und ähnliche aus dem Fels gehauene Monumente als Zierarchitektur zu betrachten, die mit der Wandmalerei des zweiten Stils in Pompeji verwandt sei. Wahrscheinlicher ist es jedoch, daß diese Fresken wirkliche Architektur alexandrischen Ursprungs imitieren. Pagenstecher formulierte eine vernünftige Lösung: »Die Malerei kopiert doch reale Architekturen oder nimmt von ihnen wenigstens ihren Ausgangspunkt. Konnte der peträische Architekt nicht die gleiche Absicht haben, ohne den Weg über die Malerei zu nehmen?«103 Was die reale Architektur anlangt, die Petras Künstler inspirierte, so ist sie in Alexandria verschwunden. Sie überlebte aber in anderen Städten. In Sabratha, einer Provinz der ägyptischen Stadt, in Nordafrika, zeigt der Palazzo delle colonne eine mehrstöckige Fassade mit Säulen und Pavillons unter Halbgiebeln. Der Kasr elAbd-Palast in Irak el-Emir in Jordanien,
Abb. 37: Das „Korinthische Garb" ist vermutlich in der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. entstanden. Es ist eine barocke Version der Khazne.
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Abb. 38: Die stark verwitterte Tholos des „Korinthischen Grabes" mit einem Fries aus Triglyphen und Scheibenmetopen.
westlich von Amman, aus dem 2. Jh. v. Chr. war ein gutes Beispiel für einen mehrstöckigen Aufbau mit vergleichbaren korinthischen Kapitellen. Im Bel-Tempel in Palmyra, der 30 n. Chr. eingeweiht wurde, gibt es einen südlichen Thalamos bzw. eine Kapelle, die mit einem vergleichbaren Überbau restauriert werden konnte. Die zeitliche Einordnung der Khazne ist noch problematisch. Seit Brünnow und von Domaszewski haben die Vertreter einer Datierung in die römische Kaiserzeit104, trotz der Beweise jüngster Ausgrabungen in Petra, nicht aufgegeben. Tatsächlich liegt die Khazne aber an der Hauptachse der Stadt, die am Theater vorbeiführt und mit dem Straßentor und dem Kasr el-Bint-Tempel endet. Dieser wurde vom Ausgräber105 jedoch ins 1. Jh. v. Chr. datiert. Die Ähnlichkeit der Kapitelle bei beiden Monumenten und die Verwandtschaft der Stuckornamente deuten darauf hin, daß die Khazne demselben Ab-
schnitt der späthellenistischen Zeit angehört. Angesichts seiner Funktion als Mausoleum war sie das Grab eines nabatäischen Königs, vermutlich Obodas' III. oder Aretas' IV. Errichtet wurde es vermutlich am Ende des 1. Jhs. v. Chr. Eine barocke Version der Khazne an der Westwand von el-Hubta ist eine Synthese aus drei Anordnungen: die untere Acht-Säulen-Ordnung auf einem Podium erinnert an den Plan von ed-Der. Die Kapitelle haben jedoch eine Reihe von Akanthusblättern und sförmige Voluten wie die oberen Kapitelle der Khazne. Ein an der Südseite erhaltenes Zwischengesims läßt an eine gedeckte Portikus denken. Diese Zwischenordnung ist eine perfekte Kopie des Trikliniums von Bab esSik. Umgeben von einer Portikus und von Pavillons ist im oberen Stockwerk eine stark verwitterte Tholos mit einem Fries aus Triglyphen106 und Metopen anstelle der Girlanden und Masken der Khazne verziert. Das 157
Abb. 39: Rekonstruktionszeichnung des Qasr el'Abd in Iraq el-Amir (Fr. Lärche).
»Korinthische Grab« ist vermutlich um die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. entstanden (Abb. 37, 38). Die letzte Nachahmung der Khazne, ed-Der, liegt weit entfernt von der Stadt auf einem abgelegenen Plateau. Es ist über einen künstlichen Aufgang zu erreichen. Die acht eingebundenen Säulen der unteren Ordnung werden von pseudojonischen Kapitellen gekrönt. Über zwei Nischen für Statuen spannen sich Bogengiebel (s. Abb. 21, S. 68). Die Einbuchtung des Eingangs wird durch die Ausbuchtung der Tholos im oberen Stockwerk ausgeglichen. Das erinnert an das Heiligtum der Fortuna Primigenia in Palestrina. Im Aufbau steht ed-Der aber der Bibliothek des Celsus in Ephesus näher, die um 110 n. Chr. erbaut wurde. Die Kammer, vor der wahrscheinlich eine Flucht gebauter Stufen lag, zeigt als einmalige Besonderheit an der Rückwand eine Plattform mit zwei seitlichen Stufen. Man kann sie mit der erst kürzlich entdeckten 158
Plattform im Löwen-Greifen-Tempel nördlich des Straßentores vergleichen. Eine nabatäische Inschrift datiert diesen Tempel ins ausgehende 1. Jh. n. Chr. In der Kammer gibt es keine loculi. In der Nähe erinnert eine Inschrift an die Sakralgemeinschaft (Thiasos) Obodas' des Gottes. Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um den im Negev bestatteten Obodas III. EdDer dürfte zu seinem Gedächntis als Heiligtum unter Rabel II. errichtet worden sein. Das Palastgrab nahe dem Korinthischen Grab ist eine eindrucksvolle geradlinige Konstruktion mit drei Stockwerken. Im unteren wird man durch die abwechselnden Kreisbogen- und Dreiecksgiebel über den vier Eingängen an die Porta dei Borsari in Verona107 aus der Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts erinnert. Den nabatäischen Kapitellen der unteren Ordnung entsprechen die pseudojonischen Kapitelle des zweiten Stockwerks. J. Brown untersuchte die sechs Nischen verschiedener Größen zwischen den Säulen. Sie sollten wohl Grabskulpturen
oder -reliefs aufnehmen. Das letzte Stockwerk, das stark unter der Verwitterung gelitten hat, war zum Teil aus Steinen aufgebaut (s. Abb. 8, S. 23). Das Palastgrab imitierte eine aristokratische Residenz des hellenistischen Ostens. Diese Vermutung legt das westliche Peristyl des Palastes von Assur in Messopotamien108 nahe, der von deutschen Ausgräbern restauriert wurde. Er bestand aus drei übereinanderliegenden Stockwerken aus Halbsäulen unter Bögen und Nischen. Das erwähnte Gebäude Kasr el-Abd in Iraq el-Amir ist der Vorläufer dieser späthellenistischen Architektur: die untere Ordnung großer, von sieben Fenstern durchbrochener Orthostaten trägt eine Galerie korinthischer Halbsäulen. Reliefierte Löwen und Löwinnen beleben die Loggien (Abb. 39). Eine einfache Attika ist mit einem Fries von Triglyphen und Metopen vertiert. Ein hinzugefügtes oberes Stockwerk des Palastgrabes fehlt unglücklicherweise, aber ein Fries von Triglyhen oder Zwergpilastern konnte wiederhergestellt werden109. Die Aufrisse des Palastgrabes und des Kasr el-Abd erinnern an den Aufbau des Grabes von Levcadia in Makedonien110, das aus dem 3. Jh. v. Chr. stammt (Abb. 40).
Ergebnis In dieser Untersuchung der gesamten Felsmonumente von Petra sind wir zu der Feststellung gekommen, daß es zwei Gruppen von Fassaden gibt, die trotz aller Verwandtschaft nicht verwechselt werden dürfen. Einmal haben wir eine Gruppe von orientalischen Gräbern kennengelernt, die bei weitem am zahlreichsten sind und kompakte Ansammlungen bilden. Dann haben wir Gräber an uns vorüberziehen lassen, wo der okzidentale Einfluß bedeutend ist. An diese Grabmonumente muß man die sakralen und öffentlichen Bauten der Stadt anschließen, wie Tempel, Theater, Thermen und Gymnasien. Es hat also in Petra zur selben Zeit und Seite an Seite eine traditionelle orientalische Kunst
Abb. 40: An die Stuckfassade des Grabes von Levcadia in Mazedonien (3. Jh. v. Chr.) erinnert das Palastgrab von Petra.
und eine hellenistische Kunst gegeben, die der okzidentalen Welt näher stand. Wie soll man das erklären? Der Unterschied zwischen einem Zinnengrab und der Khazne ist in erster Linie ein Unterschied des Vermögens und damit des Standes. Während das erstere den Armen oder dem Mittelstand gehört, verrät das zweite königliche Willensäußerung oder wenigstens die eines Prominenten, dessen Mittel und Wünsche sicher von denen seiner Untergebenen verschieden waren. Wir kommen also dazu, zwischen einer monarchischen, hellenisierenden und einer volkstümlichen, traditionellen Kunst zu unterscheiden. Deshalb halte ich es für unvernünftig, wie es Herzfeld getan hat111, von einem tiefen Einschnitt in der Kunstgeschichte des Orients nach der Eroberung durch Alexander zu sprechen. Wenn man die monarchische Kunst Petras und Syriens ins Auge faßt, ist dieses Urteil richtig. Wir aber haben die Möglichkeit, an den Hängen der nabatäischen Hauptstadt die erhaltengebliebenen Monumente zu sehen, die dem Hellenismus nichts verdanken und die ihm sogar deutlich Widerstand leisteten. 159
Diese Monumente dürfen sicher in der orientalischen Welt nicht isoliert gesehen werden. So müssen uns die Monumente Petras ebenso als lebende Zeugen einer verlorenen orientalischen wie einer kontinuierlichen syro-phönizischen Kunst interessieren – trotz aller politischen Mißgeschicke.
Literatur und Anmerkungen 1 Cf. Ch. Clermont-Ganneau, RAO VI (1905) 318–337. – 2 Petra und seine Felsheiligtümer, Leipzig 1908 u. Neue Petra-Forschungen, Leipzig 1912. – 3 Die Verfasser übersahen die Reliefstatue über dem Eingang des Spitzpfeilers. – _4 Mission en Arabie, I–II (1909–14). - 5 QDAP, VII (1938), VIII (1939) und IX (1941). – 6 M. Gory, ADAJ XXI (1976) 79–91; F. Zayadine, Ph. Hottier, idem, 87–104. – 7 A. Negev, The Nabataeans and the Provinica Arabia, in: Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt II, 8 (1977), 601. – 8 Petra, 47 ff. - 9 A. Musil, Arabia Petraea II, Wien 1907, 50 u. Abb. 14. - 10 QDAP VIII (1939) 97. – " P. Lapp, Rer. Bibl. 73, 1966, 556; Dhar Mirzbaneh Tombs, New Haven 1966. – u D. Stronach, JENS, 25 (1966) 217 ff. – 13 Geor. XVI, 4, 26. – 14 PEQ 1969, 113–116. – I5 Fl. Petrie, Beth-Pelet I, London 1930, Cemetery 600. – 16 M. Dunand, AAS, 4–5, 1954–55, 200. – 17 C. N. Johns, QDAP 2, 1932–33, 41 ff. – 18 B. M. B., 18 (1965) 10. – 19 F. Zayadine, ADAJ, 1974, 139–141. – 20 QDAP VII (1938) 95 ff. u. 102 ff.; tombs E 3, E 4. – 21 Syria 47, 1970, 117–135. – 22 JDAI 25, 1910, 63. - 23 In: TH. Wiegand, Palmyra (1932) 79; Denkmäler Palästinas II, 19. – 24 Die Nekropole von Kom esch-Schukäfa, Exp. Sieglin, Leipzig 1908, 203 ff. – 25 Hamdy Bey, Une necropole royale à Sidon, Paris 1892. – 26 J. P. Peters and H. Thiersch, Painted Tombs in the Necropolis of Marissa, London 1905. – 27 P. A. I., p. 195; Dalman, Petra, 103 ff. – 28 Dalman, Petra, 1095. – 29 The Nabataeans, Their History and Archaeology, Lund 1973, 51. – 30 E. Pfuhl, JDAI 20, 1905, 126 u. Abb. 21. – 31 J. Starcky, ADAJ X (1965) 43–49 u. Taf. 21; Rev. Bibl. 72, 1965, 95–7. – 32 Eine neue Interpretation stammt von J. T. Milik, ADAJ, XXI (1976) 150, Anm. 15. – 33 F. M. Abel, Géographie de 1a Palestine II (1967) 436. – 34 Clermont-Ganneau, RAO VII, 241–47; CIS II, 196. – 35 F. Zayadine, Perspective XII (1971) 57–73. – 36 C. H. Butler, Princeton Exp. to Syria, IIA, Leyden 1907, 205 u. Abb. 186. – 37 J. Pirenne, RES VIII s. v. nafs. – 38 N. Avigad, Ancient Monuments in the Kidron Valley, Jerusalem 1954, hebr. 27. – 39 B. Mazar, Beth She'arim, Jerusalem 1957, 137 Nr. 12. – 40 B. Bruyere, Deir el Medina (1930) VIII, 3, Taf. 32. – 41 Melanges Ecole Fr. de Rome, 80, 1968, 16 ff. – 42 C. Poinssot, Les ruines de Dougga, Tunis 1958, 58 f. und Taf. 16–17. – 43 Keil, Mon. Asiae Min. Ant. Ill, PI. I. – 44 G. Brusin, Gli Scavi di Aquileia, Udine 1934,197 f. –
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H. Schoppa, Die Kunst der Römerzeit in Gallien, Germanien und Britannien (1957) Taf. 69. – 46 E. Renan, Mission, Paris, 1864, 73; M. Dunand, AAS (1954-55) 200. – 47 P. Perdrizet, Syria 15, 1938, 7–71. - 48 N. Avigad, op. cit. 79 f. – 49 J. Starcky, Diet, de la Bible, Sup. VII (1964) col. 952. - 50 J. T. Milik, ADAJ XXI (1976) 143–151. – 51 Jaussen et Savignac, Mission 1,196; 199, Abb. 117. – 52 Besonders in Kleinasien, cf. Will, Syria 26, 1949, 275–77. – 53 Jaussen et Savignac, Mission I, 321, Abb. 137–38. – 54 Cf. Anm. 51. - 55 The Excavation of the Main Theater at Petra, London 1965. – 56 Cf. z. B., A. Adriani, Annuaire du Musé Grécoromain (1935–39) Abb. 3–4 etc. – 57 E. Breccia, La nécropole de Sciatbi, Le Caire 1912, Taf. XIX, 21. - 58 A. Adriani, Annuaire (1933–35) Abb. 85. - 59 PEFQS (1897) 136 f. – 60 ADAJ XIX (1974) 135–150. - 61 Besonders nach Strabo, Geogr. XVI, 21 wurde der Premier des nabatäischen Königs als sein Bruder bezeichnet. – 62 P. Parr, PEQ (1968) 12. – 63 H. Heinrich, Bauwerke in der alten sumerischen Bildkunst, Wiesbaden 1957, 89 u. Fig. 529. – 64 M. Mallona, Nimrud II, London 1966, 103 u. Abb. 91. – 6S L. Crema, Enc. Classica II (1959) 103 u. Abb. 91. – 66 G. Lugli, Tecnica edilizia romana I–II, Rom 1977, 177 u. n. 612. – 67 R. Bohn, AvP. II (1885) 49 f. u. Taf. XXXI. – 68 Cylinder-seal of Tell Agrab, P. Amiet, La Glyptique mesopotamienne, Paris 1960, Taf. 48, 681. – 69 R. Ronzevalle, Mél. Beyrouth 15, 1930, 142 f. – 70 E. Herzfeld, Iran, New York 1941, 213, Abb. 323 u. Taf. 41. – 71 E. Renan, Mission en Phénicie, 200 u. Taf. 22, 11. – 72 Ibid. 72 und Taf. 13; Dunand, AAS, IV–V (1954–55) p. 202 f. – 73 R. Naumann, Architectur Kleinasiens, Tübingen 1955, Abb. 381a. – 74 In: Wiegand, Petra, Berlin (1921) 12 f. und Abb. 11–12. – 75 B. Hrouda, Die Kulturgeschichte des Assyrischen Flachbildes, Bonn 1965, Abb. 10, 6. – 76 p Collart Coupel, Le petit autel de Baalbek, Paris 1977. – 77 Restauriert von H. Kalayan, BMB 17, 1964, 109 u. Taf. II, 1; J. B. Ward-Perkins, Proceedings of the British Academy 51, 1965, 194–95 u. Taf. 59. – 78 RB, 80 (1973) 364–82. – 79 A. Adriani, Repertorio dell' Egitto greco-romano, I–II (1966) Taf. 39, Abb. 145. 80 Jaussen/Savignac, Mission, p. 376, Abb. 187 und Taf. 37; p. 357, Abb. 171. – 81 J. Starcky, Diet, de la Bible Suppl. VII (1964) col. 960. – 82 Mission I, 335, Abb. 153–54. – 83 D. F. Brown, American Journal of Archaeology 46, 1942, 398 ff. u. Abb. 2–3. – 84 R. Naumann, Architektur Kleinasiens, Tübingen 1955, 116. – 85 E. Akurgal, Phrygische Kunst, 1955, 87 ff. – 86 Perrot et Chipiez, Histoire de l'Art dans l'Antiquité V, p. 138 ff. u. Abb. 92. - 87 AJA 46, 1942, 394. – 88 E. Pfuhl, JDAI 20, 1905, 126 und Abb. 21. – 89 H. C. Butler, Princeton Exp. to Syria, IIA, p. 374, p. 374 ff. und Abb. 329, 332. – 90 Mission en Arabie I, p. 321 u. Abb. 137–38. – 91 Kasr Firaun in Petra, Leipzig 1910, 26 u. Abb. 16. – 92 AA 1910, col. 29 f. – 93 Jaussen/Savignac, Mission I, p. 382 f. u. Taf. 39. – 94 Baroque Architecture in Classical Antiquities, London 1974, 62. – 95 PEQ 1968, p. 8. – 96 Ibid. p. 10. – 97 A. Negev, in: Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt II, 8 45
(1977) 598. – 98 D. Schlumberger, Syria 1933, 200. – 99 H. Seyrig, R. Amy, E. Will, Le Temple de Bei, Paris 1968, 201 f., Taf. 79. – 10° K. Schefold, Pompeji, Taf. 8. – 101 B. Andreae, L'Art de l'ancienne Rome, Paris 1973, 392, Abb. 369. – 102 P. Demargne, Fouilles de Xanthos I, Les piliers funeraires, Paris 1958, 54 f. und Taf. 14, Vase 707. – 103 R. Pagenstecher, Alexandrinische Studien, Heidelberg 1917, cf. G. H. Wright, ADAJ, VI–VII, 1962, p. 35. - 104 Ibid. p. 36 f. A. Boethius & J. B. Ward-Perkins, Etruscan and Roman Architecture (1970) 432. – l05 J. P. Parr, Jaarber. Ex Or. Lux 19, 1965–66, 555 f. – 106 Es sind nicht Biglyphen, wie A. Negev meint, ANRW II, 8, p. 596. – 107 L. Crema, Enciclopedia Classica, Sec. Ill, Rom, 1959, 304 u. M. Lyttleton, Baroque Architecture, p. 69 u. Taf. 11. – 108 D. Abb. 40. - 109 See Ernest Will, ADAJ, 23 (1979) p. 139 –149; Studies in the History and Archaeology of Jordan, I, Dept. of Antiquities, Amman, 1982, p. 197– 200; Nancy Lapp et alii, The Excavations at Araq el-
Amir, Annual ASOR, 47, 1983, p. 133–154. – "° Ph. Petsas, La Tombe de Levcadia, Athenes, 1966. Weiteres über neu Ausgrabungen u. Restaurierungen, R. de Vaux, Les institutions de l'Ancien Testament, Paris, 1960, p. 93–113; F. Zayadine, 'Les sanctuaires nabateens', in La Jordanie de l'Age de la Pierre ä l'epoque byzantine, Rencontres de l'Ecole du Louvre, Paris, 1960, p. 93-95. Glueck, Deities and Dolphins, New York, 1965, p. 73 ff. J-M. Dentzer u. A., Damaszener Mitteilungen, 2 (1985), p. 65–75. Restoration durch H. Kalayan, Bul. Mus. Beyrouth, 17 (1964) p. 105–110. ADAJ, 29 (1985) p. 239–249. F. Zayadine, Studies . . ., Ill, Amman, 1987, p. 135–136 and Figs. 13–14. Ph. Hammond, ADAJ, 22 (1977–78) p. 81–101; ders. in Petra, Neue Ausgrabungen und Entdeckungen, M. Lindner Hrsg., München, 1986, p. 16–30; Ph. Hammond, D. Johnson and R. Jones, BASOR, J. Starcky, 'Le temple nabatéen de Khirbet Tannur', Rev. Bib., 75, (1968) p. 206–235.
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Ich widme diesen Artikel meinem Mentor und Freund Prof. Dr. Otto Stocker zu seinem 90. Geburtstag
MICHAEL EVENARI
Die Nabatäer im Negev Lage und Klima Der Negev hat die Form eines gleichseitigen Dreiecks, dessen Basis im Norden von einem Punkt in der Nähe von Gaza an der Küste des Mittelmeers bis zu einem Punkt am Toten Meer verläuft. Die Seiten des Dreiecks sind etwa 200 km lang und laufen von diesen
Abb. 1: Karte des Negev. I Nördlicher Negev, II Negev hochland
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beiden Punkten nach Süden, wo sie sich in Elat am Golf von Akaba treffen. Die Hauptstadt des Negevs ist Beer Sheba, eine Stadt, die schon in der Bibel erwähnt wird. Dimona, Jerukham, Mitzpe Ramon und Elat sind moderne Städte und erst nach 1948 entstanden. Außerdem gibt es im Negev eine große Zahl moderner landwirtschaftlicher Siedlungen, die im nördlichen Negev, im Negevhochland und in der Araba konzentriert sind (Abb. 1). Die 12 500 qkm große Fläche des Negevs ist klimatisch, physiographisch und biologisch voll von Kontrasten, da der Küstenstreifen, die flache nördliche Steppenregion, die Steppen-Wüsten der Bergregion des Negevhochlandes, die Wüste des südlichen Negevs und der unter Meeresniveau liegende Grabenbruch der Araba voneinander sehr verschieden sind. Diese Unterschiede zeigen sich u. a. in den durchschnittlichen Regenmengen, die im Negev von Norden nach Süden und von Westen nach Osten von 250 mm bis auf weniger als 25 mm fallen (Abb. 2). Der Steppen-Wüstencharakter des Negevs drückt sich am besten darin aus, daß die über längere Zeiträume gemessenen und errechneten Durchschnittszahlen der jährlichen Regenmengen biologisch gesehen wenig aussagen, da der Regen seiner quantitativen, zeitlichen und räumlichen Dimension nach völlig irregulär, unsicher und höchst variabel ist. Hier seien nur Beispiele zitiert. In unserer Wüstenstation in Avdat im Negevhochland, das eine über 17 Jahre gemessene, durchschnittliche jährliche Regenmenge von 787 mm hat, maßen wir in der Regensaison 1962/63 25,6 mm Regen, das absolute
Minimum dieser Zeitspanne, und in der folgenden Saison das Maximum von 152,7 mm. 1961/62 fiel der erste Regen im Oktober und 1962/63 im Januar. Der letzte Regen fiel 1960/61 im Februar und 1962/63 im Mai. Nach einem Regenfall sah ich einmal die Straße bei Avdat der Länge nach halb naß, halb trocken. Bei einem Regenfall am 1. März 1960 maß ein Regenmesser 7,3 mm Regen und ein anderer in einer Entfernung von weniger als 200 m 2,2 mm. Ich betone die völlig unvorhersagbare Natur des Regens im Negev – und in allen Wüsten – deshalb, weil damit gesagt ist, daß alle Lebewesen, die unter diesen Bedingungen leben, Mittel finden müssen, um diesem Unsicherheitsfaktor, von dem ihre Wasserversorgung und damit ihr Leben abhängt, gerecht zu werden. Das betrifft die Zivilisationen und Kulturen, die im Negev gelebt haben, wie z. B. die der Nabatäer, und die heute im Negev leben nicht weniger als Pflanze und Tier. Frühe Bewohner Die ersten Spuren der Anwesenheit von Menschen im Negev gehen auf das Palaeolithikum zurück. An vielen Stellen findet man Feuersteinwerkzeuge aus dieser Zeit. Wir besitzen z. B. eine Sammlung von mehr als 300 der schönsten paläolithischen Faustkeile, die auf einer Fläche mit einem Radius von etwa 2–3 km um Avdat herum gesammelt wurden (Abb. 3). Auch im Mesolithikum (ca. 14 000–8000 v. Chr.) und im Neolithikum (ca. 8000–4000 v. Chr.) lebten Menschen im Negev, wie die von ihnen angefertigten Feuersteinwerkzeuge beweisen. Während die Menschen des Paläo- und Mesolithikums Jäger und Nahrungssammler waren, könnten die Neolithiker des Negevs schon Landwirte gewesen sein, doch haben wir keine Beweise dafür. Im Chalkolithikum (ca. 4000–3000 v. Chr.) waren nur der nördliche Negev und der Küstenstreifen besiedelt, während die Spuren der Bewohner der Mittleren Bronzezeit I (ca. 2100–1900 v. Chr.) überall im Negevhochland zu finden sind. Da bei den Aus-
Abb. 2: Regenkarte des Negevs. Die Linien sind Isohyeten, d. h. Linien gleicher Niederschlagsmengen (mm).
grabungen ihrer Siedlungen landwirtschaftliche Werkzeuge gefunden wurden, können wir annehmen, daß sie Landwirtschaft trieben. Wir wissen auch, daß zu ihrer Zeit das 163
Abb. 3: Paläolithische Faustkeile aus der Umgebung von Avdat.
Klima des Negevs mehr oder weniger dem von heute ähnelte. Im Gegensatz dazu war in den Steinzeiten der Negev sicherlich keine Wüste wie heute. Für die der Bronzezeit folgenden 900 Jahre sind keine Spuren menschlicher Besiedlung im Negev zu finden. Etwa im 10. Jahrhundert v. Chr. erscheinen die Israeliten und zwar nicht mehr als Nomaden, sondern als Soldaten und Bauern im Negev. Zu dieser Zeit gab es im Negev einige wichtige Straßen wie z. B. die von Jerusalem nach Etzion Geber (Elat), einen Hafen, von dem aus König Salomon (ca. 970–930 v. Chr.) Handel mit Afrika, Arabien und Indien trieb. Zum Schutz des Straßennetzes wurden von landwirtschaftlichen Siedlungen umgebene Befestigungen gebaut. Wir haben eine solche Siedlung und eine ganze Farm mit ihren Feldern und Zisternen ausgegraben. Wir wissen, daß diese Israeliten Sturzwasser164
landwirtschaft betrieben und Sturzwasser in ihren Zisternen sammelten, um Trinkwasser für sich und ihr Vieh zu haben. Auch die Bibel gibt uns davon Zeugnis, denn sie berichtet u. a. von König Ussia (779–738 v. Chr.) »Er baute Elat aus . . . auch in der Wüste baute er Türme und grub viele Zisternen . . . denn er schätzte den Ackerbau sehr«. (2. Chronik 26, 1 und 10.) Diese israelitische Blütenperiode des Negevs endete irgendwann im 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr. und für die folgenden Jahrhunderte gibt es keine Zeugnisse menschlicher Besiedlung. Im 5. bis 4. Jh. v. Chr. erscheinen die Nabatäer im Negev, den sie von da mit kurzen Unterbrechungen während einiger Jahrhunderte beherrschen. Den Forschungen von A. Negev, der Städte und Siedlungen der Nabatäer im Negev ausgrub, in der Hauptsache folgend, können wir die Geschichte der Nabatäer im Negev in vier Perioden einteilen. 1. Frühe nabatäische Periode (ca. 5.–4. Jh. v. Chr. bis 100 v. Chr.), 2. Mittlere nabatäische Periode (30 v. Chr. bis 50/70 n. Chr.), 3. Späte nabatäische Periode (ca. 80 bis 300 n. Chr.), 4. Nabatäisch-byzantinische Periode (300 bis 637/641 n. Chr.).
Die frühe nabatäische Periode Das Gebiet, das die Nabatäer wahrscheinlich in ihrer frühen Periode im Negev einnahmen, ist auf der Karte (Abb. 4) eingezeichnet. In dieser Zeit waren sie Nomaden oder Halbnomaden mit Schaf-, Ziegen- und Kamelherden. Sie unterschieden sich allerdings in zwei Beziehungen von den anderen Nomaden: Sie betrieben Gewürzhandel und waren Meister im Auffinden und Speichern von Trinkwasser für Mensch und Vieh. Entlang der Wege ihres Handels hatten sie feste Haltestellen für ihre Karawanen, u. a. schon an drei Stellen (Avdat am Kreuzweg von Petra und Elat nach Gaza, Khalutza und Nitzana) (Abb. 5), wo sie später Städte bauten. Die Ausgrabungen haben gezeigt, daß die Nabatäer in ihrer Frühzeit an diesen Haltestellen keine Häuser
Abb. 4: Karte des nabatäischen Reiches in der frühen nabatäischen Periode. (Nach A. Negev)
bauten, sondern offenbar wie alle Nomaden in Zelten wohnten und auch noch keine Keramik herstellten. Wie andere Nomaden plünderten und raubten sie, wenn sich die Gelegenheit bot. Ihre landwirtschaftliche Tätigkeit beschränkte sich wie die der heutigen Beduinen wohl darauf, daß sie hie und da ein Stück Land bebauten, was die Engländer auf ihren Karten des Negevs in bezug auf die heutigen Nomaden, die Beduinen, mit »cultivation in patches« bezeichneten. Die Nabatäer gruben Brunnen und Zisternen, die sie zweifellos mit Sturzwasser füll-
ten. Da sie somit die Methoden der Sturzwassernutzung kannten, könnten auch ihre Felder so bewässert gewesen sein. Beweise dafür finden wir bei Ausgrabungen und in den Büchern des Diodorus Siculus (1. Jh. v. Chr.), der sich in seinen Aussagen über die Nabatäer auf ältere Berichte des Hieronymus von Cardia stützt, eines Zeitgenossen von Alexander dem Großen. Wir zitieren die relevanten Stellen des Diodorus: »Die Nabatäer . . . beweiden ein Land, das teils Wüste und teils wasserlos ist, doch ist ein kleiner Teil fruchtbar. Und sie führen ein 165
Abb. 5: Karte der nabatäischen Handelswege im Negev. (Nach A. Negev).
räuberisches Leben« (II, 48, 1–2). »Es ist ihr Brauch weder zu säen noch Fruchtbäume anzupflanzen, noch Wein zu benutzen, noch Häuser zu bauen« (XIX, 94, 3). »Siebenutzen als Nahrung Fleisch und Milch und diejenigen Pflanzen, die aus dem Boden wachsen und als Lebensmittel tauglich sind. Unter ihnen kultivieren sie Pfeffer und viel von dem sogenannten wilden Baumhonig, den sie mit Wasser gemischt trinken« (XIX, 94, 10). Mit »Baumhonig« ist wohl sicher Dattelhonig gemeint, der aus Datteln gewonnen wird, so daß aus diesem Zitat hervorgeht, daß die Nabatäer ebenso wie die heutigen Beduinen (z. B. im Sinai) Dattelpalmen zogen. »Einige von ihnen ziehen Kamele, andere Schafe groß und weiden sie in der Wüste . . . nicht wenige von ihnen führen zum Meere hinab Weihrauch und Myrrhe und die wertvollsten Arten von Gewürzen, die sie von denen empfangen, die sie von dem sogenannten glücklichen Arabien bringen« (XIX, 94, 4–5). Die Nabatäer »haben unterirdische Reservoire vorbereitet. . . . Da die Erde an einigen Stel166
len lehmig ist und an anderen aus weichem Fels besteht, heben sie große Gruben aus, deren Öffnungen sehr schmal sind . . . Nachdem sie sie mit Regenwasser füllen, schließen sie ihre Öffnungen« (XIX, 94, 6–8). Das ist die Beschreibung des Anlegens von Zisternen, die ohne Zweifel mit Sturzwasser gefüllt wurden. »Denn in der wasserlosen Gegend haben sie Brunnen (das hier benutzte griechische Wort kann auch Zisternen bedeuten) in passenden Abständen gegraben, deren Kenntnis sie vor allen anderen Völkern geheim halten . . . Da sie selbst die Plätze des verborgenen Wassers kennen und sie öffnen, haben sie reichlich Trinkwasser« (II, 48, 2–3).
Die mittlere nabatäische Periode In der mittleren nabatäischen Periode änderte sich viel in der Lebensweise der Nabatäer. Strabo (geb. ca. 63 v. Chr.), Plinius der Ältere (ca. 23–79 n. Chr.) und Josephus Flavius (ca. 37–95 n. Chr.) geben uns Kunde über die Nabatäer in dieser Zeit. ». . . ihre
Städte sind nicht mit Mauern umgeben . . . ihr Land produziert keine Pferde, Kamele leisten statt ihrer Dienste« (Strabo, Geographica XVI, 4, 26). »Sie waren sehr reich und verkaufen Gewürze . . .« (Strabo, XVI, 4, 22). »Sie sind Krämer und Kaufleute . . . und Kamelhändler reisen von Petra zu diesem Ort (Leuke Korne) hin und zurück . . .« (Strabo, XVI, 4, 23). »Die Gewürzlasten werden von Leuke Korne nach Petra und von da nach Rhinokolura gebracht . . . aber jetzt werden sie meistens auf dem Nil nach Alexandria transportiert; und sie werden von Arabien und Indien im Hafen von Myos gelandet.« (Strabo XVI, 4, 22–24). »Sie bewohnen eine Stadt namens Petra« (Plinius, Nast.hist. VI, 143). Wir hören in diesen Berichten zum ersten Mal von nicht befestigten Städten einschließlich Petra und wieder vom Gewürzhandel, der die Nabatäer reich machte. Wir werden auch über die alten Handelswege un-
terrichtet und, deren Änderung, die zur Zeit Strabos stattgefunden hat. Die Ausgrabungen im Negev haben das von den alten Autoren Berichtete bestätigt. Denn aus den Anfängen der mittleren nabatäischen Periode stammen die ersten Gebäude in den früheren Karawanenhaltestellen Avdat, Khalutza und Nitzana. In Avdat (Oboda, Eboda, Abde) das nach dem nabatäischen König Obodas II. (62–56 v. Chr.) benannt ist, wurde während der Regierung von Aretas IV. (9 v. Chr.–40 n. Chr.) von den Nabatäern ein prächtiger Tempel errichtet, dazu die Akropolis und ein Militärlager für ein Kamelkorps. Auch Töpferwerkstätten stammen aus dieser Zeit (Abb. 6). Das rechteckige Militärlager ist von einer starken Mauer mit ebenfalls rechteckigen Ecktürmen umgeben und hat zwei Tore. Am Osttor endet die von Petra kommende Straße, das Südtor öffnet sich nach der Stadt zu.
Abb. 6: Luftphoto der Stadt Avdat. Links auf dem Vorsprung des Hügels die Akropolis, rechts das nabatäische Militärlager.
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Abb. 7: Die nabatäische Töpferwerkstatt in Avdat. Der Eingang des Brennofens ist deutlich sichtbar. Im Hintergrund die Rückseite der Akropolis.
Im Lager verlaufen zwei sich kreuzende Hauptstraßen und zwei Reihen von Baracken. Die ausgegrabene und bisher einzig bekannte Töpferwerkstatt des Negevs bestand aus einem Brennofen, einem Steinpodium für die Töpferscheibe und einem Becken für die Zubereitung des Tons (Abb. 7). Von dem ursprünglichen nabatäischen Tempel und der Akropolis sind nur noch wenige Reste erhalten, z. B. ein Treppenturm. Es gibt auch einige trommeiförmige Steine, aus denen einst die Säulen des Tempels zusammengesetzt waren. Sie tragen nabatäische Steinmetzzeichen, Zahlen und Buchstaben, wobei die Zahlen die Anordnung der Steine in den Säulen kennzeichneten. Es steht auch noch ein Portal mit typisch nabatäischen Kapitellen (Abb. 8). Das Bruchstück einer nabatäischen Inschrift bezieht sich vielleicht auf einen Teil dieses
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Tempels. Sie sagt: »Sain der Sohn von . . . widmete dieses Portal für das Leben (während der Lebenszeit?) von Haretat, König der Nabatäer, der sein Volk liebt und von Shuquilat, seiner Schwester, Königin der Nabatäer«. Der erwähnte König ist Aretas IV. (9 v. Chr.–40 n. Chr.) (Abb. 9). Unsere Kenntnisse über die beiden anderen nabatäischen Städte, die in der mittleren nabatäischen Periode zu festen Wohnsitzen mit Häusern wurden, sind im Vergleich zu Avdat viel unvollkommener. In Khalutza (Elusa) sind bisher nur Probegrabungen durchgeführt worden. Doch wurde dort eine der ältesten nabatäischen Inschriften gefunden. Sie sagt: »Dies ist der heilige Platz (?), den Nuthairu machte während der Lebenszeit von Aretas, König der Nabatäer.« (Abb. 10). Paläographische Untersuchungen zeigen, daß der erwähnte König Aretas I. (um 169 v. Chr.) ist. Zu seiner Zeit hat es also hier schon eine Siedlung gegeben. Die in Khalutza reichlich gefundene typisch nabatäische Keramik beweist, daß zur Zeit von Aretas IV. und seinen direkten Vorgängern Khalutza eine Stadt war. Denn nach den Forschungen von A. Negev wurde diese nabatäische Keramik im Negev nur von etwa 20 v. Chr. bis 50 n. Chr. hergestellt. In Nitzana ist das älteste Gebäude eine Festung mit runden Türmen. Zum Ende der mittleren nabatäischen Periode (erste Hälfte des 1. Jh. n. Chr.) gründeten die Nabatäer drei weitere Städte: Shivta, Rukheiba und Kurnub. Shivta (Subeita, Sobota), auf dem Weg, der Avdat mit Nitzana verbindet, wurde wahrscheinlich unter der Herrschaft von Aretas IV. gegründet. Der Name bedeutet vielleicht im Semitisch-Nabatäischen »kleiner Stamm«. Die Stadt Rukheiba (Rehovoth Ha-Negev), die auf dem Weg von Khalutza–Nitzana nach dem Sinai liegt, stammt aus derselben Zeit. Der Name Rehovoth wird darauf zurückgeführt, daß dies die Stelle sein soll, an der Isaak einen Brunnen grub, dem er den Namen Rehovoth gab (Gen. 26: 22). Ihr alter nabatäischer Name ist uns nicht bekannt.
Abb. 8: Nabatäisches Portal der Akropolis mit Säulen des nabatäischen Tempels.
Y. Zafrir vermutet, die Stadt könnte »Betomolachon« (das Haus des Molochon) geheißen haben, wobei mit »Molochon« der nabatäische König Malichus II. (56–30 v. Chr.) gemeint sei. Wir wissen sehr wenig über die Stadt, da sie mit Ausnahme von Probegrabungen nicht ausgegraben worden ist. Auch die Stadt Kurnub (Mampsis, Mamshit), über die wir durch Ausgrabungen von A. Negev gut unterrichtet sind, stammt aus derselben Zeit. Sie ist die östlichste der nabatäischen Städte im Negev. Die Stadt liegt auf einem Hügel dicht über dem steilen, tief in die Landschaft eingeschnittenen Kanyon des
Abb. 9: Nabatäische Inschrift aus Avdat.
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Abb. 10: Nabatäische Inschrift aus Khalutza.
Wadi Kurnub. Sie überwachte zur Zeit ihrer Gründung eine zweitrangige Straße, die von Petra in den Negev führte. Das änderte sich später.
Spätnabatäische und nabatäischbyzantinische Periode Während der späten nabatäischen und nabatäisch-byzantinischen Periode, die wir zusammen behandeln werden, bestanden alle sechs Städte weiter und erreichten Höhepunkte ihrer Entwicklung, wenn auch unter stark veränderten Verhältnissen. Die wesentlichsten Ereignisse, die diese Veränderungen herbeiführten, waren im Negev der Einfall thamudischer und safaitischer Nomadenstämme zwischen der zweiten Hälfte des ersten und der ersten Hälfte des zweiten Jh. n. Chr., die Eroberung des nabatäischen Rei170
ches durch die Römer (105/106 n. Chr.) und die Christianisierung, nachdem der Negev im 4. Jh. zu einer Grenzprovinz des byzantinischen Reiches geworden war. Zeugnisse der Anwesenheit der einfallenden semitischen Nomaden sind noch heute im Negev zu sehen, wo eine große Zahl ihrer Graffiti vorhanden ist. Außerdem haben die Ausgrabungen gezeigt, daß um diese Zeit zumindest Avdat und Kurnub zerstört wurden, wie Aschenschichten beweisen, eine Zerstörung, die wohl auf die Safaiten und Thamudäer zurückgeht (Abb. 11). Die Annektierung des nabatäischen Reiches durch die Römer und seine Umwandlung in die »Provincia Arabia« fand im Jahre 105/ 106 durch Palma, den Statthalter von Syrien statt. Die Nabatäer, die schon vorher den Römern Vasallendienste geleistet hatten, wehrten sich nicht und dieses einschneidende Ereignis ging friedlich vonstatten. Die Nabatäer und ihre Götter wurden romanisiert. Die Nabatäer blieben aber als Bevölkerung erhalten. Die uns aus dieser Zeit überlieferten Namen sind nabatäisch. So sind in Avdat in den dem Zeus Obodas (sie!) und der Aphrodite gewidmeten Tempeln die Namen »Raisos Sohn von Abdalga« und »Abdomaios und Soaidos« in griechischer Schrift zu finden. Auch später, als sie unter der Herrschaft von Byzanz zu Christen wurden, eine sicher viel tiefergreifendere Umwandlung als die Assimilation ihrer Gottheiten an die der Römer, blieb die Bevölkerung der Herkunft nach nabatäisch, wenn sicher auch mit griechischen und arabischen Elementen vermischt. Das können wir daraus ersehen, daß viele der Namen, die uns aus dieser Zeit in Inschriften und Dokumenten erhalten sind, einwandfrei nabatäisch sind. So kommen in den NitzanaPapyri, die 400–500 Jahre nach der Okkupation des nabatäischen Reiches durch die Römer geschrieben wurden, Namen wie »Tarn Obodas« (Dokument aus dem Jahre 562) und »Tarn al Ga« (Dokument aus dem Jahre 566/67) vor, und in Graffiti aus der byzantinischen Zeit in Rukheiba findet sich der Name »Abadalgor«. Die Namen zeigen, daß
die alten Götter zumindest noch im Bewußtsein der nabatäischen Bevölkerung lebten. Überhaupt kann man sagen, daß trotz der überragenden Rolle der Kirche es ihr nicht gelungen war, die alten Götter und GottKönige völlig zu vertreiben. Der Kirchenvater Hieronymus (4. Jh. n. Chr.) berichtet aus Khalutza in seinem Buch »Das Leben des hl. Hilarion« daß es dort zwar eine christliche Gemeinde gab, aber auch noch einen der Venus geweihten Tempel, wobei daran erinnert sei, daß die nabatäische Göttin »Allat« schon zur römischen Zeit mit der Göttin Venus verschmolzen war. All das gibt uns das Recht, unter dem Titel »Die Nabatäer im Negev« auch die byzantinische Periode zu behandeln; denn die Nabatäer verschwinden erst mit der arabischen Eroberung (637/641) endgültig aus der Geschichte. Am besten kann man die Geschichte der Städte während der spätnabatäischen und nabatäisch-byzantinischen Periode in Avdat und Kurnub verfolgen. Nachdem unter Malichus II. (40–71 n. Chr.) ein deutlicher Niedergang des nabatäischen Reiches erfolgte, erlebten die Städte unter Rabel II. (71–106 n. Chr.), dem letzten nabatäischen König, eine neue Blütezeit, wie in Avdat sichtbar ist. A. Negev erklärt das so, daß Rabel II. die nabatäische Wasser- und Landwirtschaft zu ihrer höchsten Höhe entwickelt habe. Wir werden zwar wegen ihrer besonderen Bedeutung die Wasser- und Landwirtschaft der Nabatäer gesondert behandeln, müssen aber hier den Argumenten von A. Negev nachgeben. Er fand in situ in der Nähe von Avdat in landwirtschaftlichen Anlagen, die wir später als Ableitungssysteme beschreiben werden, zwei große Steintröge, die wahrscheinlich als Trankopferaltäre dienten. Die nabatäischen Inschriften auf ihnen lauteten: »Dies ist der Damm (oder das Dammsystem), den Garmo und seine Freunde bauten im 18. Jahr unseres Herrn Rabel, der Leben und Befreiung (seinem Volke) brachte.« »Dieser Damm (der gebaut wurde) von . . . den Söhnen (und seinen Genossen) den Söhnen von Saruta für das Darbringen von Opfern an Duschara,
Abb. 11: Thamudisches Graffito aus der Nähe von Avdat. Der Text: Said sah nicht Sud.
den Gott von Gaia im Jahre 18 (?) des Königs Rabel, König der Nabatäer, der Leben und Befreiung brachte seinem Volke« (Abb. 12). Der König ist Rabel IL und das Jahr 88/89 n. Chr. Diese Inschriften und die Orte, wo sie gefunden wurden, sind ein klarer Beweis – zusätzlich zu allen anderen, die wir besitzen –, daß die Nabatäer Wüstenlandwirtschaft betrieben. Aus dem ungewöhnlichen Beinamen Rabels II. »der Leben und Befrei-
Abb. 12: Opfertrog mit nabatäischer Inschrift. Daneben stehend A. Negev.
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Abb. 13: Vogelfries aus Avdat.
ung brachte seinem Volke« in Zusammenhang mit dem Objekt, auf dem die Inschrift gefunden wurde und der Lage der Opfertröge schließt A. Negev, daß der König durch die Entwicklung der Sturzwasserlandwirtschaft seinem Volke eine neue Existenzgrundlage gab. Diese war nötig, weil die bis dahin für die Nabatäer so einträglichen Handelswege zu dieser Zeit in den Händen von Rom und Palmyra waren. Nach der Zerstörung von Avdat durch die Thamudäer und Safaiten, die etwa im ersten Quartal des 2. Jh. n. Chr. stattfand, lag die Stadt einige Zeit brach, bis sie in der Mitte des 2. Jh. wieder aufgebaut wurde.
Neuer Höhepunkt der Entwicklung Aus dieser Zeit stammt ein dem Zeus Obodas und ein der Aphrodite geweihter Tempel, die beide auf der Akropolis – wahrscheinlich an der Stelle des alten nabatäischen Tempels – errichtet wurden. Ein neues römisches Wohnviertel entstand im Süden der Akropolis, während das alte nabatäische Wohnviertel auf dem Plateau östlich von der Akropolis gelegen war. Als Avdat am Anfang der nabatäisch-byzantinischen Periode von einem Erdbeben heimgesucht worden war, erreichte es nun wie alle anderen nabatäischen Städte des Negevs einen Höhepunkt seiner Entwicklung (Abb. 13). Ein Grund dafür ist darin zu sehen, daß der Negev eine Grenzprovinz des byzantinischen Reiches war, was die ständige Anwe172
senheit von Militär erforderte. Das Militär bestand aus normalen Armee-Einheiten und aus einer lokalen Miliz, den »limitanei«. Der Hauptgrund aber für diese Entwicklung ist darin zu suchen, daß Palästina als Wiege des Christentums unter byzantinischer Herrschaft zum »Heiligen Lande« wurde. Die Kirche spielte nun eine zentrale Rolle. Man errichtete überall, und so auch im Negev, prächtige Kirchen und Klöster, deren Zahl, Größe und Pracht in keinem Verhältnis zu der Einwohnerzahl standen, wie es deutlich in den Negevstädten zu sehen ist (Abb. 14). Im Sinai entstanden unzählige Eremitenbehausungen und das Katharinenkloster am Fuße des Berges Sinai, auf dem Moses die 10 Gebote gegeben worden waren. Berg und Kloster wurden zum heiligen Wallfahrtsort. Die vielen Wallfahrer mußten durch den Negev ziehen, wo sie in den Städten Unterkunft, sowie ein warmes Bad (siehe die Thermen in den Städten) und Speise und Trank vorfanden. Das war für die Einwohner der Städte sicher eine gute Einkunftsquelle. So ist es kein Wunder, daß zu dieser Zeit die Wüstenlandwirtschaft und die Wasserwirtschaft im Negev den Zenith ihrer Entwicklung erreichten, denn sie mußten Einwohner und Pilger mit Wasser und Nahrung versorgen. In Avdat entstanden auf der westlichen Seite der Akropolis zwei große Kirchen und ein Kloster, bei deren Bau viele Steine des alten nabatäischen und des nabatäisch-römischen Tempels verwendet wurden. Die östliche Seite der Akropolis wurde zu einer Festung umgebaut. Ein großes neues Wohnviertel wurde in drei bis vier Etagen am Hang des Hügels unterhalb der Akropolis angelegt. Jede Wohnung bestand aus einer geräumigen, in den Fels gehauenen, Höhle vor der ein aus Steinen gebautes Haus lag. Die Höhle, die im heißesten Sommer kühl und im kältesten Winter warm ist, diente als Aufbewahrungsort für Lebensmittel, wie Getreide und Wein. Solche Wohnungen sind hervorragend an das Wüstenklima angepaßt und zeigen, wie man durch geschickte Ausnutzung der Topographie und des vorhandenen Baumaterials
auch ohne Klimaanlagen in der Wüste komfortabel leben kann. Aus derselben Zeit stammt auch ein am Fuße des Hügels gelegenes Badehaus, das sein Wasser von dem neben dem Badehaus gelegenen, 60 m tiefen Grundwasserbrunnen empfing. Das Badehaus ist mit seiner Heizeinrichtung nach dem bekannten Muster römischer Thermen angelegt. Die Regierung von Justinian I. (518–565) war die Glanzzeit des byzantinischen Reiches und auch des Negevs und seiner Städte. Danach begann der Niedergang. Unter dem Kaiser Heracleus (610–641) fielen die Perser in den Negev ein und plünderten etwa im Jahre 619/620 Avdat. Danach wurde in Avdat noch im Jahre 636 eine Kapelle gebaut. Kurz darauf eroberten die Araber den Negev. Die Städte wurden zwar nicht zerstört und existierten noch einige Zeit, doch wurden sie allmählich von ihrer Bevölkerung verlassen, da diese nun keinen Grund mehr
hatte, in der Wüste zu leben. Die Glanzgeschichte des Negev war vorbei. Er wurde während der nächsten 1300 Jahre Weidegrund der Beduinen, bis er in moderner Zeit wieder zu neuem Leben erwachte. Nachdem Kurnub ebenso wie Avdat von den einfallenden Thamudäern und Saifaiten zerstört worden war, erlebte auch diese Stadt in der spätnabatäischen und nabatäisch-byzantinischen Periode seine Blütezeit. Das hing wohl damit zusammen, daß von der neuen in Jordanien erstellten via nova Traiana eine wichtige Hauptabzweigung durch das Wadi Araba nach Kurnub und von da durch den Negev zum Mittelmeer führte. Diese Straße war ein kühnes Meisterwerk. Sie stieg vom Wadi Araba von 100 m unter dem Meeresspiegel auf 500 m über dem Meeresspiegel, wobei sie an einer Stelle, dem Skorpionenpaß, auf einer Strecke von etwa 1 km in steilen wohlgebauten Kehren von 50 m auf 300 m anstieg.
Abb. 14: Apsis der Nordkirche von Shivta.
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Aus dieser Zeit stammt in Kurnub eine Anzahl großer und solide gebauter Gebäude. Da ihre Steinmauern 60–70 cm dick waren, waren sie wohltemperiert. Den Gebäuden waren Pferdeställe angeschlossen. A. Negev, der Kurnub (und auch Avdat) ausgegraben und z. T. restauriert hat, schließt daraus, daß die Nabatäer zu dieser Zeit Pferdezüchter waren. Jedenfalls zeigen die Pferdeställe, daß die Nabatäer, im Gegensatz zu ihrer Frühzeit für die Strabo ausdrücklich konstatiert, daß sie keine Pferde besaßen, nun Pferde hatten. Das kann als ein Beweis gelten, daß sich die soziale Struktur der nabatäi-
Abb. 15: Grundriß einer Weinkelter vor den Toren von Shivta. A Boden auf dem die Trauben getreten wurden. B Öffnung, durch die der Traubensaft durch das Rohr C in das Absetzbecken D floß und von da durch ein Rohr in das Sammelbecken E. F Aufbewahrungszellen der Trauben. H Querschnitt in Richtung I–I und II–II.
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sehen Gesellschaft geändert hatte, was auch daraus hervorgeht, daß sie nun Wein anbauten, wie die vielen Weinkeltern aus dieser Zeit bezeugen (Abb. 15). Außer den Gebäuden ist ein großer Schatz von 10 500 SilberTetradrachmen Zeugnis für den Reichtum der Stadt Kurnub in dieser Periode. Er wurde in einem Bronzegefäß in einem Hause gefunden, das wohl einem reichen Kaufmann gehörte. Dieser Schatz läßt sich gut datieren, da die späteste Münze unter dem Kaiser Elagabalus (218–222) geprägt wurde. Die Stadt besaß auch Thermen. Am Ende der spätnabatäischen Periode wurde Kurnub mit einer Stadtmauer mit Türmen umgeben, ein Zeichen ihrer strategischen Bedeutung. Kurnub florierte auch im 5. Jahrhundert. Es wurden zwei Kirchen gebaut und die alte Stadtmauer verstärkt (Abb. 16). Hinsichtlich der vier anderen Negevstädte bzw. ihrer Geschichte zu dieser Zeit können wir uns kurz fassen, da sie im wesentlichen ähnlich verlief wie in Avdat und Kurnub. Shivta enthielt in der spätnabatäischen und nabatäisch-byzantinischen Zeit eine große Zahl gut gebauter Häuser mit breiten Straßen und öffentlichen Plätzen. Die Byzantiner bauten drei große Kirchen und ein Kloster. Nitzana erlebt einen Niedergang, während des 2. bis 4. Jhs., als der Handelsweg von der Elat-Gaza-Route auf die via nova Traiana umgeleitet wurde. Im 5. Jh. wurde in Nitzana auf dem Hügel ein großes Fort gebaut, das die »sehr loyalen Theodosier«, ein Kamelkorps, beherbergte. Später wurde anschließend an das Fort eine Kirche gebaut, der am Anfang des 7. Jh. eine zweite Kirche folgte. In diesen Kirchen wurden die Nitzana-Papyri gefunden. Die Stadt erlebte am Anfang des 7. Jhs. eine Renaissance, wie die vielen neuen Gebäude der Stadt, die am Fuß des Hügels mit Kirchen und Fort liegt, bezeugen. Das hängt wohl damit zusammen, daß zur selben Zeit der Handelsweg Elat-Gaza wieder eröffnet wurde. Khalutza war im 3.–4. Jh. die größte und wichtigste Stadt des Negevs und die Hauptstadt des westlichen Teils der Provincia Ära-
bia. Die Stadt hatte zu dieser Zeit ein Theater. Zur nabatäisch-byzantinischen Zeit war Khalutza der Sitz eines Bischofs. Auch Rukheiba war im 4.–7. Jh. eine große blühende Stadt mit vier Kirchen.
Wasserwirtschaft und Wüstenlandwirtschaft Die Herrschaft der Nabatäer im Negev zeichnet sich, abgesehen von ihrem ureigenen Stil in der Architektur, vor allem durch zwei Dinge aus: Ihre völlig einzigartige, zauberhaft schöne Keramik und ihre ungewöhnliche Vervollkommnung der Wasserwirtschaft und der Wüstenlandwirtschaft, die sie wahrscheinlich über einen Zeitraum von 600 bis 700 Jahren im Negev praktizierten. Sie waren praktische Hydrologen großer Perfektion und darin, sowie im Bau ihrer Wohnungen zeigte sich, wie gut sie es verstanden, sich den Wüstenbedingungen anzupassen.
Abb. 16: Luftfoto von Kurnub im Negev. Die Stadt mit Häusern, Straßen und Stadtmauern mit Toren und Ecktürmen auf der Anhöhe im Vordergrund. Im Hintergrund die Schlucht des Wadi Kurnub. Rechts von der Stadt in der Schlucht zwei Dämme und das durch sie gebildete Staubecken.
Grundwasserbrunnen
mele verwendet werden und diente teilweise zur Bewässerung salzresistenter Kulturpflanzen, z. B. von Dattelpalmen.
Die Trinkwasserversorgung der Städte und des Viehes auf dem Felde war durch drei verschiedene Installationen garantiert: Brunnen, Zisternen und Reservoire. Keine dieser Einrichtungen war nabatäische Erfindung. Sie sind alle aus früheren Perioden bekannt. Zisternen z. B. waren schon im Chalkolithikum in Gebrauch. Doch pefektionierten die Nabatäer die für sie in der Wüste lebenswichtige Technik der Trinkwasserversorgung. Tiefe Brunnen gab und gibt es in Avdat, Nitzana, Khalutza und Rukheiba. Die Brunnen reichen bis auf den Grundwasserspiegel hinunter, von dem sie ihr Wasser beziehen. Sie sind ziemlich produktiv. So produziert z. B. der Brunnen von Nitzana auch heute noch 300–500 cbm Wasser pro Tag. Doch ist das Wasser aller dieser Brunnen mit 500–700 mg Chlor pro Liter recht salzhaltig, eine Tatsache, die zeigt, daß in Anwesenheit besserer Wasserquellen das Brunnenwasser außer in Notfällen wohl kaum als Trinkwasser für Menschen benutzt wurde. Doch lieferten die Brunnen sicher das Wasser für Thermen, es konnte als Trinkwasser für Ziegen und Ka-
Zisternen wurden mit Sturzwasser gefüllt. Sturzwasser ist praktisch salzfrei und deshalb ist das Zisternenwasser das beste Trinkwasser. Da gab es erst einmal die Haus- und Stadtzisternen. In jedem Haus war mindestens eine Zisterne. Wie sie funktionierte, kann man am besten noch heute in Shivta sehen. Die Häuser dort hatten einen offenen Hof, den man durch ein Eingangstor betrat. Die Zisterne lag unter der Pflasterung des Hofes mit einer schmalen Öffnung, durch die das Wasser geschöpft werden konnte. Röhren leiteten das Ablaufwasser vom flachen Dach in die Zisterne. In manchen Häusern gab es auch einen zusätzlichen Kanal, durch den Ablaufwasser von der Straße in die Zisterne floß. Jede Kirche und wohl auch jeder Tempel hatte ebenfalls mindestens eine, doch meistens zwei bis drei Zisternen. Das öffentliche doppelte Stadtreservoir in Shivta (und wahrscheinlich auch in den anderen Städten) wurde ebenfalls direkt und indirekt durch Ablaufwasser gefüllt. Neben
Zisternen und Reservoire
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der Hauptstraße gab es einen Doppelkanal, von dem der eine das Ablaufwasser von Straßen und Plätzen direkt in das Reservoir leitete, während der andere zu zwei Zisternen führte. Diese Zisternen waren durch Kanäle ihrerseits mit dem Reservoir verbunden, so daß Überlaufwasser aus den Zisternen in das Reservoir fließen konnte (Abb. 17). Das ist ein gutes Beispiel, mit welcher Sorgfalt jeder Tropfen Wasser von den Nabatäern gesammelt wurde. Ein anderes Beispiel ist an der Mauer der Akropolis von Avdat zu finden. Selbst das Ablaufwasser, das von der Mauer herunterfloß, wurde durch einen Kanal am Fuß der Mauer gesammelt, der es dann durch eine Öffnung in der Mauer in eine Zisterne leitet. Außer Haus- und Stadtzisternen gab es hunderte von Zisternen außerhalb der Städte im freien Gelände. Als einziges Beispiel nenne ich die 13 in den Fels gehauenen Zisternen, die im Wadi Avdat am Fuß eines Berges liegen, auf dem ein nabatäisches Dorf gelegen ist (Abb. 18). Die Zisternen wurden und werden auch heute noch durch eine Anzahl von kilometerlangen Kanälen mit Ablaufwasser gefüllt (Abb. 19). Sie haben zusammen ein Wasserfassungsvermögen von 1000–2000 cbm. Es ist interessant, zu wissen, daß Bau und Reinigung der Zisternen eine Pflicht aller Bürger war. Ein als Quittung geschriebenes und in Shivta gefundenes Ostrakon bezeugt das. Der griechische Text lautet: »An Flavius Gormos Sohn von Zacharias. Du hast eine
Corve (Arbeitsdienst) beendet für das Reservoir. Geschrieben im 25. Monat des Dios in der 9. Indikation«. Die Zeit ist 600 n. Chr. Die Wasserversorgung von Kurnub verdient besondere Erwähnung. Dort gab es zwar Zisternen, doch keinen Brunnen. Die Wasserversorgung war dadurch gesichert, daß direkt unterhalb der Stadt in der steilen Schlucht des Wadi Kurnub drei solide Dämme zwei Staubecken bildeten, in denen das Sturzwasser des Wadi gespeichert wurde. Das Wasserfassungsvermögen der Staubecken beträgt ungefähr 10 000 cbm. Der Nachteil dieses Systems bestand darin, daß das Wasser aus dem Becken auf einem steilen Pfad in die Stadt herauf transportiert werden mußte, wo es wahrscheinlich zusätzlich zum Ablaufwasser von Dächern und Straßen in das dort vorhandene öffentliche Reservoir geschüttet wurde.
Sturzwasserlandwirtschaft Die Sturzwasserlandwirtschaft der Nabatäer, die eine Fortsetzung derselben Art von Landwirtschaft der alten Israeliten war, beruhte auf drei verschiedenen Methoden, die wir als die der terrassierten Wadis, der Farmeinheiten und der Ableitungssysteme klassifiziert haben. Bevor wir diese Systeme beschreiben können, müssen wir kurz erklären, was Sturzwasser ist und wie es sich bildet. Sturzwasserlandwirtschaft in Wüsten kann nur betrieben werden, wenn Löß oder lößähnlicher Boden vorhanden ist. Löß ist
Abb. 17: Grundriß des Wasserreservoirs in Shivta, a) Stadtplan, b) Plan des Doppelreservoirs und seiner Kanäle, c) Querschnitte. A Zentrales Doppelreservoir. B Mittlere Kirche. C Nordkirche. D Kanäle. E Zisternen.
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Abb. 18: Luftfoto der 13 Zisternen im Wadi Avdat. Die Zisternen liegen am Fuß des Hügels (Im Schatten). Die Kanäle, die von links und rechts Ablaufwasser in die Zisternen leiten, sind deutlich sichtbar. Auf dem Hügel ein nabatäisches Dorf.
Abb. 19: Eine der Zisternen, aus denen eine Beduinin Wasser schöpft.
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gefallen ist. Was passiert, kann man stark vereinfacht so beschreiben: Das erste Regenwasser infiltriert in den Boden mit einer Rate von ungefähr 18 mm pro Stunde. Nach kurzer Zeit bildet der Löß an seiner Oberfläche seine Kruste. Da diese für Wasser nur wenig durchlässig ist, sickert nun nur noch wenig Regenwasser in den Boden, denn die Infiltrationsrate ist nun auf etwa 2 mm/Stunde gesunken. Das bedeutet, daß von nun an jeder Regen, der mit mehr als 2 mm/Std. Intensität fällt, nicht einsickert, sondern über der Kruste abläuft und Sturzwasser bildet, das dann die Hänge hinunter in die Wadis läuft und dort Sturzfluten verursacht, falls es nicht Zisternen und Kanäle füllt oder für die Landwirtschaft verwendet wird. Die Ablaufrate ist wegen der Krustenbildung sehr hoch und beträgt je nach den Umständen im Durchschnitt 10–30 % der jährlichen Regenmenge.
Terrassierte Wadis
Abb. 20: Luftfoto terrassierter Wadis.
äolischer Herkunft, d. h. der Wind bringt in Staubstürmen große Mengen feiner Bodenpartikel mit sich, die er über große Entfernungen transportiert und dann deponiert. Im Negev wird so noch heute Löß gebildet, eine Tatsache, von der man sich bei jedem der häufigen Staubstürme überzeugen kann. Die Staubpartikel, aus denen der Negevlöß besteht, stammen aus dem Sinai und den Wüsten Nordafrikas. Der Löß ist aus sehr feinen Partikeln zusammengesetzt. Zwei Eigenschaften machen ihn ideal für Wüsten-Sturzwasserlandwirtschaft geeignet: Er bildet an seiner Oberfläche nach Befeuchtung durch Regen eine beinahe wasserundurchlässige Kruste und er besitzt ein hohes Wasserhaltungsvermögen, das 18–20 % seines Trokkengewichtes beträgt, d. h. jedes kg Löß kann 180–200 Liter Wasser speichern. Die dünne, 1 mm dicke Kruste bildet sich, wenn Regen einer bestimmten Minimalintensität 178
Die primitivste von den alten Wüstenlandwirten benutzte Methode der Sturzwassernutzung sind die terrassierten Wadis. Von der Luft aus sehen die terrassierten Wadis wie in Stufen aufgeteilt aus. Jede dieser Stufen ist eine Terrasse mit einer Steinmauer, die das Wadi von Ufer zu Ufer durchquert. Die Terrassen sind etwa 12–15 m breit. Die Terrassenmauern überragen den Terrassenboden um etwa 10–20 cm. Nach einem Regen entsprechender Dauer und Intensität fließt Ablaufwasser die Hänge herunter in das Wadi und verursacht dort eine Sturzflut. Jede Terrassenmauer staut je nach ihrer Höhe einen Teil des Flutwassers, das dann in den Lößboden der Terrasse einsinkt und so den Anbau von Kulturpflanzen ermöglicht. Das übrige Flutwasser strömt dann über die Terrassenmauer auf die nächste tiefer gelegene Terrasse usw. (Abb. 20).
Die Farmeinheiten Die Farmeinheiten waren kompliziertere Systeme. Jede Farmeinheit bestand aus zwei Teilen: Den von einer Mauer umgebenen ter-
rassierten Feldern, auf denen landwirtschaftliche Nutzpflanzen gezogen wurden, und dem umgebenden Gelände, dem Wassereinzugsgebiet, von dem das Sturzwasser durch Kanäle auf die Felder geleitet wurde. Die terrassierten Felder lagen immer in Depressionen oder schmalen Wadis und das zu den Feldern gehörige Wassereinzugsgebiet waren die Abhänge der umgebenden Hügel. Wie lebensnotwendig das Wassereinzugsgebiet für jede Farm war, kann man aus zwei Tatsachen ersehen. Wo immer zwei Farmeinheiten aneinander grenzten, war die Wasserscheide zwischen beiden, d. h., die Grenze des Wassereinzugsgebiets jeder Farmeinheit durch Mauern oder Steine markiert. Außerdem geht aus den Nitzana-Papyri klar hervor, daß das Wasserrecht jeder Farmeinheit, ohne das die Farm wertlos war, nur mit der Farm vererbbar war (Abb. 21). Ein anderes wesentliches Merkmal der Farmeinheiten war, daß die Größenproportion zwischen dem landwirtschaftlich genutzten
Teil einer Farmeinheit und dem dazugehörigen Wassereinzugsgebiet mit 1:20–1:30 konstant war. Jeder Hektar der eigentlichen Felder erhielt Sturzwasser von 20–30 Hektar des Wassereinzugsgebietes. Die Bedeutung dieser Tatsache illustriert ein einfaches Rechenexempel. Nehmen wir an, daß in einer bestimmten Regensaison 100 mm Regen fallen und daß 20 mm dieser Regenmenge nicht infiltrieren sondern ablaufen und durch Kanäle auf das bepflanzte Gebiet einer Farm fließen. Nehmen wir an, daß diese Felder 1 Hektar groß seien und die Größe des dazugehörigen Wassereinzugsgebiets 25 Hektar sei. Dann würden die Felder der Farm 25x20 mm = 500 mm Ablaufwasser erhalten und zusammen mit dem direkten Regen 600 mm Wasser zur Verfügung haben. Das ist reichlich Wasser für jede Landwirtschaft und erklärt, wieso mit einem Regenfall von nur 100 mm Wüstenlandwirtschaft möglich ist. Dazu kommt noch ein weiterer wichtiger Faktor. Das Ablaufwasser strömte durch die
Abb. 21: Luftfoto einiger Farmeinheiten. Die von einer Mauer umgebenen terrassierten Felder und die Kanäle, die Sturzwasser aus den Einzugsgebieten auf die Felder leiten, sind deutlich sichtbar.
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Kanäle in die Felder, deren Terrassenmauern nur etwa 30 cm den Boden der Terrassen überragten. Sie hielten also nur 30 cm Wasser auf den Terrassen zurück, das dann 1–2 Tage auf den Terrassen stehen blieb und während dieser Zeit in den Lößboden einsickerte. Wenn die Flut mehr als 30 cm pro Terrasse brachte, strömte der Überschuß durch treppenförmig gebaute Sohlstufen (Kanalwehre) zur nächsten Terrasse hinunter. Die Funktion dieser Wehre war es, das Wasser von Terrasse zu Terrasse fließen zu lassen und dabei Erosion zu vermeiden. Unsere Messungen haben gezeigt, daß 30 cm Wasser 3 m Lößboden bis zur völligen Wasserhaltungskapazität auffüllten und 3 m ist ungefähr die Tiefe der Lößböden auf den Terrassen. Nachdem das Wasser in den Boden eingedrungen ist, bildet sich an der Berührungsfläche Boden – Atmosphäre wieder die Kruste, die nun die Verdunstung des Wassers aus dem Boden beinahe völlig unterbindet. So verliert der feuchte Boden im Jahr nicht mehr als 8–10 mm Wasser durch Verdunstung und das unter Klimabedingungen, unter denen von einer offenen Wasserfläche 2,5–3 m Wasser im Jahr verdunsten. Mit anderen Worten: Das Sturzwasser wird im Lößboden, dem beinahe idealen Wasserreservoir gespeichert und die Wurzeln der Kulturpflanzen können das Wasser langsam das Jahr über aus dem Boden aufnehmen.
Ableitungssysteme In Ableitungssystemen hat die Wasserbaukunst der alten Wüstenfarmer ihren Höhepunkt erreicht. Es sind bei weitem die größten und kompliziertesten Systeme der antiken Wüstenlandwirtschaft; denn die bebauten Felder eines Ableitungssystems können einige hundert Hektar groß sein und ihre Wassereinzugsgebiete erstrecken sich auf viele Quadratkilometer. Als Beispiel eines Abteilungssystems nehmen wir dasjenige, das in der Nähe von Kurnub liegt, dort wo das Wadi Kurnub aus der engen und steilen Schlucht sich in eine Flutebene ergießt. Da die Strömung in dem
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Wadi, wenn es Wasser führt, so reißend ist, daß sie jede Struktur einer Farm wegreißen würde – das Wassereinzugsgebiet des Wadi ist 27 qkm groß – gibt es im Wadi keine Terrassen oder Farmen. Doch an der Stelle, an der das Wadi aus der Schlucht in die Flutebene tritt, hatten die alten Wüstenfarmer ein Einlaßwehr in das Wadi gebaut, das einen Teil des Flutwassers in einen Kanal ableitete. Dieser Ableitungskanal ist im Gegensatz zu den nur in die Erde gegrabenen Kanälen der Farmen aus fest ineinandergefügten Steinen gebaut, 5–9 m breit, 1–1 , 5 m tief und 400 m lang. Er leitete das Flutwasser zu einer Reihe von terrassierten Feldern, deren Terrassenmauern 150–200 m lang waren und nicht nur 10–20 m wie die Terrassen der Farmen. Das Ableitungssystem bei Kurnub ist eines der kleinsten, das wir kennen. Die Dimensionen anderer, wie z. B. die des im Wadi Abiad bei Shivta gelegenen, sind erheblich größer (Abb. 22 a). Wir konnten in Kurnub auch die Geschichte dieser Ableitungssysteme verfolgen. In der frühesten Phase I hatte sich Wadi Kurnub noch nicht in die Flutebene einerodiert und seine Flutwässer strömten frei auf die Flutebene, die durch primitive lange Erdwälle terrassiert war. Die Bauern dieser Phase hatten aber nicht damit gerechnet, daß das Flutwasser des Wadis die mitgeführten großen Sedimentmassen auf der Flutebene ablagerten. Dadurch konnte System I nicht mehr funktionieren. Phase II ist die Phase, die oben beschrieben wurde. Nachdem Phase II ebenfalls ein Opfer des Erosions- und Depositionszyklus geworden war, konnte auch dieses System nicht mehr benutzt werden. In Phase III bauten die alten Farmer den unteren Teil des Systems II in eine Sturzwasserfarm um, die ihr Wasser nun nicht mehr vom Wadi Kurnub empfing, sondern von Sturzwasserkanälen der seitlichen Hügel, die auf Zeichnung 22 b durch breite Pfeile gekennzeichnet sind. Während terrassierte Wadis und Farmen Familienbetriebe waren, wie auch die oft in Farmeinheiten gelegenen Farmhäuser bezeu-
Abb. 22 a: Luftfoto des Ableitungssystems von Kurnub.
gen, indizieren die Dimensionen der Ableitungssysteme, daß sie nur von einer zentralen Organisation betrieben werden konnten. Wir dürfen deshalb vielleicht annehmen, daß sie später entstanden als die beiden anderen, einfacheren Landwirtschaftssysteme und in die spätnabatäische und nabatäisch-byzantinische Periode gehören.
ren, um zu sehen, ob sie auch heute funktionieren würden und ob die Methode von praktischer Bedeutung für Wüstengebiete sein könnte. Wir pflanzten in den rekonstruierten Farmen verschiedene Obstbäume (Pfir-
Rekonstruktion antiker Farmen Unser Team erforschte Jahre hindurch die Wüstenlandwirtschaft der Israeliten und der Nabatäer. Auf Grund unserer Untersuchungen, der Tatache, daß überall große nabatäische Weinkeltern zu finden waren, auf Grund der Ernteziffern, die für Weizen und Gerste in den Nitzana-Papyri angegeben werden, vermuteten wir, daß die antike Sturzwassermethode auch heute von Nutzen sein könnte. So beschlossen wir im Jahre 1959, zwei alte nabatäische Farmen, eine bei Avdat und die andere bei Shivta, mit all ihren Terrassen und Kanälen zu rekonstruie-
Abb 22 b: Grundriß des Ableitungssystems. Der Ableitungskanal ist die ausgezogene Linie mit Pfeilen.
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wie sich nicht nur im Negev gezeigt hat, sondern auch in den Entwicklungsländern Afghanistan, Botswana, Niger u. a. (Abb. 23 a u, b). So gibt es zwar heute keine Nabatäer mehr, doch haben sie uns mehr als nur großartige Ruinen hinterlassen. Ihr Erbe wurde in den Wüsten wieder zum Leben erweckt – einer der seltenen Fälle in der menschlichen Geschichte, wo die Vergangenheit ein Wegweiser für Gegenwart und Zukunft ist.
Literatur
Abb. 23 a: Luftfoto der rekonstruierten Avdat-Farm. Im Vordergrund 4 alte nicht rekonstruierte Terrasen. Im Hintergrund ist ein Teil der Kanäle sichtbar. Rechts auf dem Hügel das moderne Farmhaus.
siehe, Aprikosen, Äpfel, Mandeln, Pistazien, Weinstöcke), Feldfrüchte (Weizen, Gerste, Sonnenblumen usw.) und Weidepflanzen. Nach 20 Jahren dürfen wir sagen, daß Sturzwasserlandwirtschaft auch heute gewisse Teile der Wüsten produktiv machen kann,
Dieses ist keine vollständige Literaturliste. Die hier angeführten Bücher und Artikel enthalten aber vollständige Literaturlisten über die relevanten Gebiete. – Evenari, M., L. Shanan und N. Tadmor: The Negev – The Challenge of a Desert, Harvard University Press, 2. erweiterte Aufl., 1982 – Evenari, M.: »Gibt es eine Zukunft in der Vergangenheit?«, Natur und Museum 116/1986, 365–384. – Evenari, M., U. Nessler, A. Rogel und O. Schenk: Felder und Weiden in Wüsten, Heubach 1976. – Evenari, M.: Ökologisch-landwirtschaftliche Forschungen im Negev, Techn. Hochschule Darmstadt 1982. – Negev, A.: Mampsis-a Town of the Eastern Negev, Journ. of Art Hist, and Archaeol. 7, 1967, 67–87. – Negev, A.: Die Nabatäer, Antike Welt, 7, Sondernummer 1967. – Negev, A.: The Nabataens and the Provincia Arabia, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Bd. II, 8, 1977, 521–686. – Reifenberg, A.: The Struggle between the Desert and the Sown, Publ. Dpt. Jewish Agency, Jerusaleum 1955. – Tsafrir, Y.: Rehovot (Kh. Ruheibek), Rev. Bibl. 84, 1977, 422–426.
Abb. 23 b: Rekonstruierte Avdat-Farm. Links Obstbäume, rechts zwei Terrassen mit Zwiebeln und Sonnenblumen. Im Hintergrund auf dem Hügel die Ruinen von Avdat.
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PETER J. PARR, LONDON
Vierzig Jahre Ausgrabungen in Petra (1929 bis 1969) Aus dem Englischen übersetzt vom Herausgeber.
Politische und archäologische Glücksfälle sind im Nahen Osten oft miteinander verknüpft. Die Geschichte der Erforschung Petras macht dabei keine Ausnahme. Unter den neuen Bedingungen von Gesetz und Ordnung, die dem Ende des türkischen Reiches und der Errichtung des britischen Mandats in Palästina folgten, ergaben sich reichlich Gelegenheiten, durch intensive Bemühungen einige der Probleme der nabatäischen Geschichte und Kultur zu lösen. Früher war die Forschung beinahe ausschließlich auf die Untersuchung der sichtbaren Monumente nabatäischer Kunst und Architektur beschränkt gewesen. Für Petra gründete sie auf den epochemachenden Arbeiten der deutschen Gelehrten Brünnow, von Domaszewski, Dalman, Wiegand, Bachmann und ihrer Kollegen. Unter der britischen Verwaltung wurde die archäologische Aufnahme fortgesetzt; das Interesse galt nun vorwiegend den Wohnstätten. In diesem Zusammenhang muß festgestellt werden, daß während dieser Zeit der Archäologe Nelson Glueck den größten Einzelbeitrag zum Studium der Nabatäer lieferte.
Die ersten Ausgräber In Petra selbst nahm die Forschung eine andere Richtung. Schon 1925 plädierte Sir Alexander Kennedy in einem der besten Gesamtwerke, das je über Petra geschrieben worden ist1, für den Beginn tatsächlicher Ausgrabungen im Bereich der Hauptstadt. Es wäre interessant zu erfahren, zu welchem Ergebnis die Nabatäer-Forschung gekommen wäre, wenn Kennedy – wie er hoffte – den äußerst erfolgreichen Ausgräber von
Mykene2, den britischen Archäologen Alan Wace, für die Arbeit in Petra gewonnen hätte. Schließlich betätigte sich weder Wace noch Kennedy mit dem »Spaten« des Archäologen in Petra, sondern George Horsfield, der archäologische Berater bei der Regierung von Transjordanien. Ihm gebührt das Verdienst, dieses neue und erfolgreiche Kapitel in der Geschichte der Nahostforschung aufgeschlagen zu haben. George Horsfields Arbeit in Petra begann im Frühjahr 1929 und wurde von 1932 bis 1936 fortgesetzt.3 Anfangs unterstützte und finanzierte Lord Melchett die Tätigkeit, später die Regierung von Transjordanien. Horsfields Begleiter und Assistenten waren Fachleute, von denen einige eigene Forschungsprojekte verfolgten, die seitdem klassische Arbeiten der Petra-Kunde geworden sind. So sind Tawfik Canaan's »Studies in the Topography and Folklore of Petra«4 die einzige Abhandlung über diese faszinierenden Aspekte der Stadt geblieben, während Ditlef Nielsen's »Mountain Sanctuaries in Petra«5 in würdiger Weise die von Dalman so leidenschaftlich durchgeführten Untersuchungen fortsetzt. Bei den Ausgrabungen war Miss Agnes Conway Assistentin (und bald darauf Ehefrau) Horsfields. 1934 leitete W. F. Albright von der American School in Jerusalem einen wichtigen Arbeitsbereich.
Stratigraphische Anhaltspunkte 1929 wandten die Horsfields ihre Aufmerksamkeit zuerst dem südlichen Teil des Stadtgebietes zu, wo sie zwischen den Felsmassiven von el-Habis im Westen und Zibb Atuf im 183
Abb. 1: Westseite von »Cut A« mit Bastion und Felsböschung aus QDAP VIII, Nr. 3 (1938).
Osten etwas entdeckten, was sie als zwei hintereinanderliegende Mauerzüge deuteten. 6 Diese Mauern waren an verschiedenen Punkten ihres Verlaufes von alten Schuttablagerungen überdeckt. Guten archäologischen Grundregeln entsprechend kamen die Ausgräber zu der Überlegung, daß sie hier am ehesten stratigraphische Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der peträischen Geschichte finden würden. Man zog einige Gräben in die weichen sandigen Ablagerungen und einer davon (»Cut A« in dem als el-Katute bezeichneten Teil von Petra), der an die Innenwand einer der vermuteten Stadtmauern anstieß, enthüllte, was die Horsfields für drei übereinanderliegende archäologische Strata hielten. Die ältesten datierbaren Ge-
genstände aus dem untersten Stratum (III) waren importierte griechische Gefäße von etwa 300 v. Chr. und gestempelte (ebenfalls importierte) Amphorenhenkel von etwa 200 v. Chr. Aus dem obersten Stratum (1) dagegen kamen Münzen des 1. und Töpferware des 2. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Die Stadtmauer – die frühere der zwei von Horsfield aufgefundenen Befestigungslinien – und ein zugehöriger Turm oder eine Bastion wurden von den Ausgräbern dem obersten Stratum (I) zugeschrieben und in den Beginn der christlichen Ära datiert. Die gleiche allgemeine Abfolge fand sich auch in anderen Gräben, z. B. »Cut F«, wo jedoch die spätesten Gegenstände Lampen aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. waren. Das stratigraphi-
Abb. 2: »Cut A«. Querschnittzeichnune aus QDAP VIII, Nr. 3 (1938).
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sehe und chronologische Bild, das sich herauskristallisiert hatte, wurde für die Horsfields der Maßstab für Deutung und Datierung, aller nachfolgenden Entdeckungen.
Fragwürdige Schlußfolgerungen Die bei diesen Ausgrabungen gewonnenen datierbaren Gegenstände – importierte Töpferware, gestempelte Henkel und Münzen – gaben zum ersten Mal die ungefähren zeitlichen Grenzen der Besiedlung von Petra, nämlich vom späten 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. an. Dies ist das wichtigste Ergebnis ihrer Ausgrabungen. Ein anderer Erfolg war die Identifizierung der einzigartigen und prächtig bemalten nabatäischen Keramik, die eine große Rolle bei der Oberflächenerforschung nabatäischen Gebietes durch Nelson Glueck ab 1932 spielen sollte. In jeder anderen Hinsicht aber haben die Ergebnisse dieser ersten Ausgrabungen in Petra sehr enttäuscht. Obwohl die Horsfields mit aller Vorsicht eine echte Schichtenfolge gewinnen wollten, wurde die Grabung in einer Weise durchgeführt und anschließend veröffentlicht, die man nur als ungenügend beschreiben kann. Ein Blick auf das veröffentlichte Foto und den Querschnitt von »Cut A«7, die einzigen Grundlagen für die Chronologie der Horsfields, zeigt, daß die drei von den Ausgräbern postulierten Strata keinerlei Beziehungen zur tatsächlichen Schichtenfolge haben. Die starr waagrechten Strata der Zeichnung sind unvereinbar mit den scharf gekippten Furchungen und Oberflächen (»sharply, tilted, striations and surfaces«), die man im wirklichen Grabenprofil sieht. Man kann sich daher weder auf die Zuordnung von Keramik und anderen Gegenständen zu dem einen oder anderen der drei angeblichen Strata, noch auf die Datierung der aufgedeckten Strukturen verlassen. Die Deutung und Datierung von Relikten durch Überlegungen der Horsfields, die auf den Ergebnissen von »Cut A« basieren, müssen daher als wertlos betrachtet werden (Abb. 1 und 2).
Falsche Deutung Während späterer Arbeitsperioden in Petra scheinen die Horsfields ihre Tätigkeit auf das Studium von Grabkammern, Gräbern und Felswohnungen beschränkt zu haben. Die Pläne, die sie dabei zeichneten und ihre Diskussion der aufgeworfenen architektonischen Probleme erweiterten unser Wissen über Petra. 8 Die eigentliche Grabungsarbeit wurde auf Einladung der Horsfields von W. F. Albright aufgenommen, der 1934 das Bauwerk untersuchte, das zu Ehren von Mrs. Horsfield, der Entdeckerin, »Conway High Place« genannt worden war. Dieses Bauwerk liegt an der äußersten Nordwest-Grenze des Stadtgebietes und besteht im wesentlichen aus einem massiven Mauerring, etwa 25 Meter im Durchmesser, der eine hohe natürliche Felsbildung umgibt. Durch seine Lage beherrscht es sowohl das Stadtgebiet nach Süden, wie die von Norden durch Wadis nach Petra führenden Wege (Abb. 3). Eine vorläufige Mitteilung über diese Grabungen wurde schon 1935 veröffentlicht9, aber erst 1960 erschien der von Dr. R. L. Cleveland zusammengestellte endgültige Bericht.10 Bereits 1929 hatten die Horsfields angenommen, das Bauwerk sei, zumindest ursprünglich, ein primitives Heiligtum gewesen. Die amerikanischen Ausgräber schlössen sich der Ansicht an und erklärten die Überreste als die einer kreisförmigen Stützmauer, die einen Prozessionsweg um einen heiligen Felsen zu tragen hatte. Es wurde viel Vergleichsmaterial zusammengetragen, um den prä-islamischen arabischen Brauch der Ritualprozession zu illustrieren und Albright benützte eifrig das Bauwerk, um die Bedeutung des Opferplatzes (High Place) in der frühsemitischen Religion zu diskutieren. Der Verfasser hat an anderer Stelle seine Gründe11 für die Vermutung dargelegt, daß Albright und Cleveland diesen Bau falsch deuteten. Sie können hier nicht wiederholt werden. Es möge der Hinweis genügen, daß die Ringmauer zweifellos ein militärischer Bau ist, ein Turm an der verletzlichsten Stelle im Verteidigungsgürtel von Petra und daß 185
Abb. 3: Der »Conway Tower«, nach anfänglicher Mißdeutung als Teil der Stadtbefestigung von Petra erkannt.
er die wichtigen Wege aus dem Norden bewachte. Die Horsfields waren dieser Erkanntnis nahegekommen; denn 1936 – d. h. nach Albrights Grabung – hatten sie selbst ein Stück der Stadtmauer freigelegt, die sich an den Rundturm anschloß.12 Die von den Amerikanern als kultische Treppen und Fußsteige gedeuteten Überreste können leicht als in die Felsen geschnittene Gräben und als Fundamente der massiven Turmmauern erklärt werden. Der »Conway-Turm« – so sollte er jetzt bezeichnet werden – ist tatsächlich ein höchst eindrucksvolles und wichtiges Bauwerk; denn es ist eines der wenigen Zeugnisse hellenistischer oder früher römischer Festungsbaukunst im Nahen Osten. Die von den Horsfields inspirierte Arbeit ging 1936 zu Ende, doch schon nach einem Jahr waren wieder Ausgräber in Petra. Diesmal war es die British School of Archaeology in Egypt, die das Werk förderte und die ehrwürdige Schülerin von Sir Flinders Petrie, 186
Miss Margaret Murray, die es leitete. Allerdings war Miss Murray schon in den Siebzigern und schwerlich in einem Alter, um sich aktiv an den Grabungen zu beteiligen. Diese blieben in der Hauptsache ihren Assistenten J. A. Saunders und J. C. Ellis überlassen, wobei letzterer auch weitgehend verantwortlich für den Bericht war, der 1940 veröffentlicht wurde.13 Für die Grabung war nur eine kurze Zeitspanne vorgesehen und dafür erschien die Freilegung von Höhlen als das geeignetste Vorgehen. In gewisser Hinsicht war das ein Rückschritt, da in der nabatäischen Hauptstadt nur Grabungen unter den Gebäuderesten des Stadtzentrums neue Erkenntnisse bringen konnten. Dort waren – wie die Horsfields erkannt hatten – tiefe Schichtfolgen zu finden. Doch war die Arbeit der Horsfields, wie gesagt, größtenteils verfehlt gewesen. So war es vielleicht das Beste, daß sich die Ausgräber bei der Begrenztheit von Zeit und Mitteln nur ein bescheidenes Programm vornahmen.
Miss Murrays Höhlenwohnungen Für die Freilegung wurden Höhlen auf Felsterrassen ausgewählt, die das Wadi Abu Olleqa am Nordwestrand des Stadtgebietes überblickten. Das Gebiet ist in der Nähe der Quelle gleichen Namens, die als einzige im Kessel von Petra das ganze Jahr über Wasser spendet. Die Nordhöhle bestand aus einer einfachen Felsenkammer natürlichen Ursprungs mit künstlichen Erweiterungen, vor der ein kleiner Hof aus dem Fels geschnitten war. Kammer und Hof waren durch eine Steinmauer getrennt. Die Überreste einer Türöffnung und andere Einzelheiten zeigten, daß die Anlage als Wohnhaus geplant und ausgeführt war. Die südliche Anlage war komplizierter. Sie umfaßte einige Höhlen und Kammern, die auf mehreren Terrassen von verschiedener Höhe angeordnet und mit Felstreppen verbunden waren. Ein Grab und ein Altar gehörten dazu. Die Ausgräber hielten diese Kammern für eine Straße von Häusern, die entlang des Wadiufers aus dem Felsen gehauen waren oder frei standen. Anlaß zu dieser Vermutung war das frühere Vorhandensein von Holztüren, gestuckten Wänden und geebneten Felsböden, die mit gestampfter Erde bedeckt, vielleicht früher mit Teppichen belegt waren und verhältnismäßig komfortable Wohnungen darstellten. Alle diese Einzelheiten wurden sorgfältig festgehalten und publiziert. Obwohl bedauerlicherweise die Stratigraphie der Wohnungen nicht besser beachtet wurde und ihre Datierung deshalb unsicher bleibt, haben die Grabungen Margaret Murrays in Petra dennoch das Wissen umd die Topographie und die dortigen Lebensbedingungen sehr bereichert. Die jüngsten Grabungen des Verfassers in dem gleichen Gebiet haben übrigens das Vorhandensein von Häuserterrassen bestätigt und vermuten lassen, daß sie zumindest ins 1. Jahrhundert v. Chr. zurückreichen.
Archäologische Verstecke Der Anstoß, den die Horsfields, Albright und Murray der »Spatenforschung« in Petra
gaben, hätte in .den folgenden Jahren zu großen archäologischen Unternehmungen führen können, wären nicht Krieg und politischer Umschwung dazwischen gekommen. Erst 1954 fand die nabatäische Hauptstadt wieder die Aufmerksamkeit der Archäologen. In diesem Jahr wurde vom Department of Antiquities of Jordan ein Dreijahres-Programm zur Konservierung und Ausgrabung begonnen, um – wie der damalige Direktor des Departments, Dr. Lankaster Harding sagte – »das Interesse der Besucher an Petra zu vermehren und gleichzeitig zu versuchen, die noch recht unklare Stadtgeschichte aufzuhellen« , 1 4 Zurecht wurde anfangs die Konservierung betont. Die Wasserfluten, die jeden Winter im Bett des Mosesbaches durch Petra rasten, hatten die Ruinen zu beiden Seiten des Wadis erheblich beschädigt, und eines der noch am besten erhaltenen Bauwerke, das Straßentor, war in Gefahr, unterspült zu werden. Die wichtigste Aufgabe war es daher, die antike Ufermauer an der Südseite des Wasserlaufes wiederherzustellen. Die Verantwortung dafür übertrugen die jordanischen Behörden dem Verfasser. Obwohl Grabungen zu diesem Zeitpunkt nicht Hauptzweck der Operation waren, mußte natürlich eine gewisse Menge Erde bewegt werden; und immer wenn Erde an einem archäologischen Fundort bewegt wird, gibt es archäologische Entdeckungen (Abb. 4). Tatsächlich wurden im Schutt längs des Wadi und um den Fuß des Straßentores ausgezeichnete Skulpturen gefunden, die neues Licht auf die künstlerischen Leistungen der Nabatäer werfen. Zugleich wurde die Gelegenheit genützt, ein Versteck von Skulpturen und Architekturfragmenten nachzuuntersuchen, welche die Horsfields 20 Jahre vorher gesammelt und zur Sicherheit vergraben hatten.15
Bemalte Keramik Nachdem die Ruinen längs des Wadi Musa durch eine neue Ufermauer geschützt waren, konnte die eigentliche Grabungsarbeit beginnen. Ende 1955 und im Frühjahr 1956 legte 187
Abb. 4: Das Straßentor nach Abschluß der Konservierungsarbeiten. Im Hintergrund die verschüttete Stadt.
Miss Diana Kirkbride (jetzt Mrs. Hans Helbaek) die gepflasterte Säulenstraße frei. Es war bekannt gewesen, daß sie im Süden an das Wadi angrenzte und die Hauptstraße der antiken Stadt bildete.16 Spuren des Pflasters dieser Straße hatte man immer gesehen; ihre vollständige Freilegung veränderte das Bild des Stadtzentrums gründlich und verbesserte seine Wirkung auf die Besucher. Außer der Straße selbst und ihrer von Säulen begleiteten Gehwege wurde auf der Nordseite eine Anzahl von Räumen ausgegraben, die wahrscheinlich älter sind als die Straße und aus denen in großer Zahl Bruchstücke der fein bemalten nabatäischen Töpferware geborgen werden konnten. Die Bruchstücke ergaben schließlich mehr als ein Dutzend beinahe vollständiger Gefäße – die größte an einem Ort gefundene Kollektion solcher Gefäße, die bisher entdeckt worden ist und eine wichtige Ergänzung der Sammlung. In den gleichen Räumen fanden sich auch die ersten na188
batäischen Ostraka, d. h. Scherben mit kurzen, in Tinte geschriebenen Texten in einer Kursivform der nabatäischen Schrift, die sich von allem unterscheidet, was bisher bekannt war und dem frühen Arabisch nahe kommt.
Zeichen des Niedergangs Auf der anderen Straßenseite wurden wichtige Belege für die spätere Stadtgeschichte gefunden. Auf den Gehwegen hatten sich in byzantinischer Zeit kleine Läden und Häuser eingenistet, die zwischen den Säulen der früheren Kolonnaden errichtet waren und bei denen man Säulentrommeln als Bausteine benützt hatte. Hier waren zum ersten Mal Zeichen des Niedergangs und die Verschlechterung der Stadtorganisation im letzten Abschnitt der peträischen Geschichte wahrzunehmen. Das Bild hätte noch viel vollständiger und genauer sein können, wäre nicht – ohne Schuld der Ausgräberin – der größte
Teil des stratigraphisch gesicherten Materials aus dieser Grabung verlorengegangen. So bleibt die zeitliche Einordnung der entdeckten Bauten unsicher, obwohl die Tatsache, daß zwei Drittel der von Miss Kirkbride gefundenen Münzen dem 4. Jahrhundert n. Chr. angehören, ihre Ansicht sehr stützen, die Läden seien zu dieser Zeit in der verfallenen Kolonnade erbaut worden. Was die Straße selbst anlangt, so beweisen Plan und Proportionen den römischen Einfluß. Als einziger Beleg für die Datierung hat Miss Kirkbride eine bruchstückhafte griechische Inschrift veröffentlicht. Diese war anscheinend von einem Denkmalsbogen gefallen, der die Straße überspannte und mit größter Wahrscheinlichkeit der gleichen oder einer etwas späteren Zeit angehörte. Die Inschrift läßt sich präzis auf das Jahr 114 n. Chr. datieren; die Straße kann demzufolge nicht später erbaut worden sein. Neuere Forschungen haben gezeigt, daß der frühestmögliche Zeitpunkt für den Bau dieser Straße in Petra das Jahr 76 n. Chr. ist. Das Problem, ob sie im Auftrag des letzten nabatäischen Königs oder des ersten römischen Statthalters gebaut wurde, bleibt trotzdem ungelöst.
erodiert sind, gibt es nur eine begrenzte Zahl von Plätzen, wo archäologische Ablagerungen bis in eine gewisse Tiefe ungestört erhalten blieben. Die Horsfields hatten in einer solchen Anhäufung gegraben, aber diese bestand großenteils aus Schutt mit nur wenigen bestimmbaren Siedlungsschichten. Die Arbeit der Jahre 1954 und 1955–1956 im Stadtzentrum hatte jedoch gezeigt, daß unter der gepflasterten Straße und den anliegenden Fußgängersteigen eine beträchtliche Tiefe gut geschichteten Materials vorhanden war. Sie versprach eine datierbare Schichtenfolge von Bauten und Gegenständen. Hier wurden die ersten Gräben gezogen. Die Hoffnung wurde reichlich erfüllt. 1964 war die architektonische Entwicklung des Stadtzentrums von der Gründung im 3. Jahrhundert v. Chr. bis nach der römischen Besetzung in allen Einzelheiten geklärt. Dazu kam eine komplette Folge nabatäischer und anderer Töpferware, die den gleichen Zeitraum umfaßte.17 Die Bedeutung dieses Ergebnisses für das Verständnis von Petra und für die Arbeit an anderen Siedlungsplätzen der Nabatäer ist augenscheinlich.
Die Entwicklung Petras
Die Tätigkeit der britischen Expedition blieb nicht auf diese eine Stelle beschränkt. Zwischen 1958 und 1965 wurden andere Teile der Stadt untersucht. Hier kann nur eine kurze Zusammenfassung einiger Ergebnisse gegeben werden, insbesondere auch deshalb, weil viele Einzelheiten noch nicht gedeutet und analysiert sind. Einer der großartigsten Erfolge war die zusammen mit der Jordanischen Regierung durchgeführte Ausgrabung des heiligen Bezirks am Westende der Säulenstraße mit Kasr el-Bint Fara'un, Temenos und Straßentor. Tempel und Tor sind bei verschiedenen Gelegenheiten in der Vergangenheit von Bachmann, Kohl u. a. untersucht worden, aber die neue Grabung hat gezeigt, daß diese Untersuchungen, so ausgezeichnet sie auch gewesen sein mögen, sich nur auf eine unvollkommene Kenntnis der tatsächlichen Bauwerke stützen konnten. So
Der wertvollste Beitrag Miss Kirkbrides zur Erhellung der Geschichte Petras war die Aufdeckung der Verhältnisse in der römischen und byzantinischen Periode. Die nabatäische Epoche der Stadt blieb jedoch weiterhin im wesentlichen unbekannt. Ihre Untersuchung war das Hauptziel der Grabung, die 1958 unter der Oberaufsicht der British School of Archaeology in Jerusalem und unter der Leitung des Verfassers begann. Was in erster Linie benötigt wurde, war – wie 1929, als die Horsfields mit ihrer Arbeit begannen – die Ausgrabung einer geschichtlichen Folge von Bauwerken und Töpferwaren, die möglichst den ganzen Bereich der Besiedlungsgeschichte Petras, aber vor allem die frühen Phasen umfaßte. In einem Gebiet wie Petra, wo große Teile der früheren Stadt durch Wind und Regen bis zum gewachsenen Fels herab
Neue Funde und Interpretationen
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Abb. 5: Sicherung und Rekonstruktion des Straßentores unter der Leitung des Verfassers.
sieht man z. B. den Kasr el-Bint jetzt auf einem marmorverkleideten Podium stehen, eine Eigentümlichkeit, die bei keiner früheren Rekonstruktion vorhanden ist, während die Ausgrabungen des Straßentores an seiner Ostseite vier freistehende Säulen auf Sockeln ans Licht brachte (Abb. 5). Solch wichtige neue Erkenntnisse über den Bauplan dieser Monumente verlangen drastische Änderungen in der Interpretation ihrer Funktion und ihrer Datierung. Sie werden im endgültigen Grabungsbericht ausführlich behandelt werden. Die Freilegung des Temenos durch das Jordanische Department of Antiquities während der Jahre 1962–64 hat nicht nur den Lageplan dieses Stadtteils erkennen lassen, sondern auch bemerkenswerte Bauskulptur an den Tag gebracht. Sie zeigt einen ganz anderen Stil als die vom Verfasser 1954 gefundene und wird möglicherweise nach ihrer Publikation unsere Vorstellung über nabatäische Kunst vollständig ändern. Die wichtigste Entdeckung in diesem Stadtteil überhaupt war jedoch die einer kurzen nabatäischen Inschrift auf einem Stein in der Südmauer des Temenos, nicht weit vom Kasr. Die Inschrift stammt ziemlich sicher aus dem Anfang der christlichen Ära und da die Mauer gewiß etwas später als der Tempel erbaut wurde, stammt er offensichtlich aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., ein Datum, das durch Keramikfunde aus seinen Fundamenten unterstützt wird.18 Dies ist das erste Mal, daß ein Monumentalbau in Petra durch archäologisches Beweismaterial sicher datiert werden konnte (Abb. 6).
Hypothetische Stadtmauern
Abb. 6: Stadttempel, von den Beduinen »Schloß der Pharaonentochter« genannt, Straßentor und Hauptstraße des römischen Petra, gesehen von der Kreuzfahrerburg auf el-Habis.
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Ein anderer wichtiger Teil der kürzlichen Ausgrabungen war die Untersuchung der Stadtmauern. Dalman scheint der erste Erforscher Petras zu sein, der diese Mauern, wenn auch sehr ungenau, auf seinem Stadtplan vermerkte. Die Horsfields zeigten mehr Einzelheiten und zogen, wie wir gesehen haben, Gräben entlang ihres Verlaufs. Die Betrachtung an Ort und Stelle offenbarte jedoch, daß die Karte der Horsfields weit-
gehend hypothetisch war. Eine ins einzelne gehende Inspektion aller Spuren der Mauern hat 1964 erwiesen, daß im Gegensatz zu der halbwegs exakten Aufzeichnung der inneren Mauer, die äußere ganz falsch wiedergegeben ist. Diese neue Aufnahme des Verteidigungswerkes machte auch eine neue topographische Aufnahme der ganzen Gegend notwendig, da sonst nicht beurteilt werden konnte, wie die nabatäischen Militärbaumeister ihre Festungswerke den natürlichen Umrissen des Geländes anpaßten. Die einzige vorher veröffentlichte Karte, die genau ist, haben die Horsfields als Pause von den Luftaufnahmen abgenommen, die für Sir Alexander Kennedy gemacht wurden, die aber keine Konturen aufweisen. Alle anderen publizierten Karten sind reine Skizzen. Deshalb erlaubte die Jordanische Regierung 1965 dem Verfasser neue Luftaufnahmen für eine exakte Konturkarte des Kessels von Petra. Diese wurde in Zusammenarbeit mit dem Department of Photogrammetry of University College London fertiggestellt.
Neue Datierungsbeweise Es wurde schon begründet, warum der Wert der Schlußfolgerungen bezweifelt werden muß, welche die Horsfields aus ihren Grabungen längs der Stadtmauern gezogen haben. Unsere eigenen Ausgrabungen haben nicht nur Datierungsbeweise für die meisten geschichtlichen Abschnitte der Mauern erbracht, sondern auch Details der Planung und Bauausführung dieser Festungsbaukunst enthüllt (Abb. 7). Die gleichen Grabungen haben uns neues Anschauungsmaterial zum Thema des nabatäischen Hausbaus vermittelt. Im südlichen Teil des Geländes, nahe bei »Cut A« der Horsfields kam in einem Graben, der die Stadtmauer freilegen sollte, ein großes Atriumhaus aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. zum Vorschein. Es war aus feinem Mauerwerk errichtet und stellenweise bis zu einer Höhe von 3 Metern erhalten. Töpferware, bemalter Stuck und zahlreiche Figurinen fanden sich in diesem Haus. Die Gegenstände ließen sich alle exakt durch Münzen
Abb. 7: Ausgrabung der Stadtmauer von Petra.
datieren. Im Norden der Stadt stellte sich heraus, daß die Verteidigungsmauer über den Resten früherer Häuser erbaut war, die den von Miss Murray entdeckten sehr ähnlich waren (Abb. 8). Auf Terrassen angelegt standen sie zum Teil frei oder waren aus dem Felsen gehauen. Es ist vielleicht nicht übertrieben zu sagen, daß eines der bedeutendsten Ergebnisse all dieser Ausgrabungen in Petra, unserer eigenen und derer unserer Vorgänger, folgendes ist: Sie haben das Gleichgewicht zwischen monumentaler und Hausarchitektur hergestellt und wir wissen jetzt beinahe ebensoviel von den Häusern der Nabatäer wie von ihren Tempeln und Gräbern.
Hammonds Ausgrabungen Die Anwesenheit der britischen archäologischen Expedition in Petra seit 1958 scheint den Anreiz für weitere archäologische Aktivitäten gebildet zu haben. Schon 1959 kam zu dem britischen Team eine amerikanische Gruppe, die sich an der Ausgrabung des na191
Abb. 8: Die Verteidigungsmauer im Norden der Stadt war über Resten früherer Häuser erbaut.
batäischen Hauses im Süden der Stadt beteiligte und auch die Kreuzfahrerfestung auf dem Gipfel von el-Habis studierte und aufnahm.19 Diese amerikanische Gruppe wurde von Dr. Ph. C. Hammond geführt, der 1961 und 1962 eine andere amerikanische Expedition leitete, die damals eines der eindrucksvollsten Felsmonumente ausgrub: das Theater von Petra. Dieses Projekt erbrachte viel Material zum Studium der nabatäischen Architektur und ergänzte, was vom Kasr el-Bint und vom Straßentor bekannt war. Außerdem war diese Grabung ein wichtiger Beitrag zum Studium der Theaterbauplanung in der antiken Welt.20 Unterdessen hatte das Department of Antiqities of Jordan neben seiner Mitarbeit bei vielen der bisher genannten Untersuchungen, z. B. bei der Grabungsarbeit rings um den Kasr el-Bint und bei der Freilegung des Theaters, auch eigene Arbeiten durchgeführt. Man befaßte sich von jener Seite hauptsächlich mit Konservierung 192
und Rekonstruktion, aber auch mit Ausgrabungen. So war das Straßentor verstärkt und teilweise restauriert worden, während einige Säulen entlang der gepflasterten Straße neu aufgestellt wurden. Inzwischen haben die jordanischen Behörden das Thermengebäude unmittelbar südlich des Straßentores ausgegraben, ein großartiges und wichtiges Unterfangen.
Eine 9000 Jahre alte Siedlung Dieser Überblick über archäologische Arbeiten in Petra von 1929 bis 1969 kann nicht abgeschlossen werden, ohne daß zwei Grabungen erwähnt werden, die zwar nicht direkt mit der Nabatäerstadt zu tun haben, die aber dennoch der Faszination zu verdanken sind, die Petra für Archäologen hat. Wir meinen an erster Stelle die Grabungsarbeit an dem präkeramischen neolithischen Dorf Seyl Aqlat in der Gegend von el-Beda, ein paar Kilometer nördlich von
Das »Spitzpfeilergrab« und das darunterliegende »barocke« Grab sind im 1. Jh. n. Chr. entstanden (oben). Eines der gewaltigen Halbzinnengräber von en-Nasara zeigt Waffenschmuck in Relief (unten).
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Der Große Opferplatz von Petra (oben) mit dem Blick auf den Gipfel des Dschebel Harun. Eindrucksvolles Fassadengrab in el-Beda nördlich von Petra (unten).
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Petra, die seit 1958 von Miss Diana Kirkbride durchgeführt worden ist (Abb. 9). Sie hatte die Stelle während ihrer Grabungen in Petra in den Jahren 1955 bis 1956 entdeckt. Dieses Dorf stammt aus dem 7. Jahrtausend v. Chr., vielleicht ist es sogar älter. Es hat einen wichtigen Platz auf der kurzen Liste von Siedlungsstellen dieses Alters im Vorderen Orient und seine weitere Ausgrabung wird von den Prähistorikern mit dem größten Interesse verfolgt. Doch ist dieses Dorf nicht die früheste Ansiedlung in der Gegend von Petra gewesen, denn Miss Kirkbride hat im selben Gebiet eine Felsunterkunft aus dem oberen Paläolithikum entdeckt und ausgegraben.
Edomitische Siedlung auf Umm el-Biyara Zweitens müssen wir die Arbeit Mrs. Crystal M. Bennetts erwähnen, die zwischen 1962 und 1964 auf dem Gipfel von Umm el-Biyara Ausgrabungen durchführte. Das ist jener Berg mit dem Gipfelplateau, der sich 300 Meter über dem Westen des Stadtgebietes erhebt und sich am auffälligsten gegen den Himmel Petras abzeichnet. Die Horsfields und Glueck waren die ersten, die archäologische Reste, nämlich eisenzeitliche Scherben, auf Umm el-Biyara fanden. Glueck, gefolgt von anderen Gelehrten, hatte die Stelle zuversichtlich mit dem biblischen Sela, dem »Felsen« der Edomiter, identifiziert. Mrs. Bennetts Grabungen haben gezeigt, daß auf dem Gipfel zwar tatsächlich eine edomitische Siedlung bestand; ihre Datierung für das 7. bis 5. Jahrhundert v. Chr. ist aber nicht mit (dem edomitischen) Sela vereinbar. Die Entdeckung von eisenzeitlichen Gebäuden an dieser Stelle – dem ersten edomitischen Dorf, das bisher ausgegraben wurde – interessiert trotzdem nicht nur die biblischen Archäologen, sondern ist für alle wichtig, die sich mit nabatäischer Geschichte befassen. Diese Entdeckung wirft nämlich Licht auf die Lebensbedingungen und Ereignisse in Petra am Vorabend der nabatäischen Okkupation und macht die Wahl dieses Ortes für ihre Hauptstadt verstehbarer.
Abb. 9: Mauern und Reibschalen der präkeramisch-neolithischen Siedlung Seyl Aqlat.
Wenn unser Wissen um die nabatäische Geschichte und Kultur heute größer ist als 1929, als George Horsfield zum ersten Mal in Petra grub, ist es in sehr großem Umfang das Ergebnis der geschilderten Arbeiten. Es wäre jedoch ein großer Fehler, anzunehmen, daß unsere Kenntnisse heute schon sehr detailliert oder tiefgehend seien. Tatsächlich ist sehr wenig über die Nabatäer bekannt und noch weniger über ihre Hauptstadt. Petra bleibt eine beinahe jungfräuliche Stätte. Es wird noch einmal 40 Jahre intensiver archäologischer Anstrengung bedürfen, ehe eine lückenlose Geschichte Petras geschrieben werden kann. Nachtrag des Herausgebers Seit der Entstehung des Artikels sind beinahe zwei Jahrzehnte intensiver archäologischer Forschung ins Land gegangen. Neben anderen Faktoren haben die vom Herausgeber und Dr. H.-J. Kellner (Prähistorische Staats-
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Sammlung München) 1970 initiierten ersten NabatäerAusstellungen in München und Nürnberg sowie das vorliegende in der 5. Auflage erscheinende Buch das touristische ebenso wie das wissenschaftliche Interesse an Petra und den Nabatäern beträchtlich anwachsen lassen. Über Fortschritte in der Nabatäerforschung wird in neuen und verbesserten Kapiteln dieses Buches sowie in dem Buch von Manfred Lindner (Hrsg.): Petra – Neue Ausgrabungen und Entdeckungen, Delp Verlag München 1986, berichtet. Weitere Einzelheiten über die archäologischen Aktivitäten der letzten 20 Jahre findet der interessierte Leser in den Bänden des »Annual of the Department of Antiquities of Jordan«, in den »Studies in the History and Archaeology of Jordan« (Department of Antiquities of Jordan), in dem Katalog »Der Königsweg« – 9000 Jahre Kunst und Kultur in Jordanien und Palästina«, Verlag Philipp von Zabern Mainz 1987, bei Robert Wenning »Die Nabatäer – Denkmäler und Geschichte«, Göttingen und Freiburg (Schweiz) 1987, in dem DuMont Kunst-Reiseführer »Jordanien« von F. R. Scheck, Köln 1985, in den Jahresmitteilungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg sowie in vielen wissenschaftlichen Zeitschriften deutscher, französischer und englischer Sprache. Von P. J. Parr wird man in absehbarer Zeit eine Zusammenfassung seiner PetraForschungen erwarten dürfen.
Literatur 1
Kennedy, Sir Alexander: Petra. Its History and Monu-
196
ments, London 1925. – 2 Ibid, p. VI. – 3 Siehe: Quarterly of the Department of Antiquities of Palestine VII, 42 ff; VIII, 87 ff; IX, 105 ff. – 4 Journal of the Palestine Oriental Society IX, 136–218, and X, 178–180. - 5 Ibid., XI, 222–236, and XIII, 185–208. - 6 QDAP VII, 6–7; VIII, 87 ff. Nach neueren Untersuchungen durch Verf. gibt es hier wohl nur eine Mauer. – 7 QDAP VIII, 90, Abb. 2 und Taf. 46, 1. – 8 QDAP VII, 15–42; VIII, 93–115. – g In: Bulletin of the American Schools of Oriental Research, No. 57 (February, 1935). – 10 Annual of the American Schools of Oriental Research XXXIV–XXXV, 1960, 57 ff. – » Rev. Bibl. 1962, 64–79. – 12 QDAP VII, 7. – 13 A Street in Petra (British School of Archaeology in Egypt, London, 1940). – 14 G. Lankester Harding, Palestine Exploration Quarterly, 1958, 12. – 15 Näheres siehe: P. J. Parr in PEQ 1957, 5–16. – 16 Siehe dazu: Harding, op. cit., and Kirkbride, Annual of the Department of Antiquities of Jordan IV–V, 1960, 117–122. –17 Siehe besonders: P. J. Parr, »The Beginnings of Hellenisation in Petra«, in Le Rayonnement des Civilisations Grecque et Romaine sur les Cultures Périphériques (VIIIe Congres International d'Archéologie Classique, Paris 1965), 527–533; und P. J. Parr, »A Sequence of Pottery from Petra«, in Near Eastern Archaeology in the Twentieth Century (Essays in Honour of Nelson Glueck), ed. J. A. Saunders 1970, 348–381. – 18 Siehe den vorläufigen Bericht in Syria 45, 1968, 1 ff. – 19 P. C. Hammond, American Journal of Archaeology 65, 1961, 189. – 20 P. C. Hammond, Excavations at Petra: The Main Theatre, London 1967.
MUHAMMED MURSHED A. KHADIJA
16 Jahre Feldarchäologie in Petra 1961–1977 Die deutsche Übersetzung besorgte der Herausgeber
Von Reisenden, Schriftstellern und Archäologen sind viele Bücher über die einzigartige und berühmte Metropole der Nabatäer geschrieben worden. Ich bin länger dort gewesen als irgendeiner von ihnen. Lassen Sie mich über die Zeit, die ich in Petra verbrachte, kurz berichten. Es ist zugleich die Geschichte von 16 Jahren Feldarchäologie von 1961–1977.
Ein nabatäisches Theater Ich war gerade 20 Jahre alt, als mich 1961 der damalige Direktor des Department of Antiquities, Dr. Awni Dajani aufforderte, eine amerikanische Expedition zu begleiten. Der amerikanische Archäologe Dr. Philipp C. Hammond hat seither mehrere Grabungsprojekte durchgeführt. Die beiden ersten betrafen das Theater. Freudig übernahm ich die Verantwortung, das Department bei den Ausgrabungen zu vertreten. Wir arbeiteten zwei Monate. Dr. Hammond ging es vor allem um die Datierung der einzelnen Bauabschnitte und um die Frage, ob das Theater vor oder nach der römischen Okkupation errichtet wurde. Er konnte beweisen, daß es sich um nabatäische Bauarbeit in nabatäischer Zeit handelte. Unter meiner Leitung wurde 1962 das Projekt fortgesetzt. Wir befreiten das Halbrund vom Schutt und restaurierten Teile der Bühne. Die Restauration ist noch nicht abgeschlossen, aber dabei konnte man sehen, daß in späteren Zeiten das Theater als Wasserreservoir benutzt wurde.
Tempel aus nabatäischer Zeit Ich hatte damals ein Team von acht Steinmetzen, vier Maurern, zwei Schreinern und
etwa 250 Arbeitern. Wir arbeiteten in vier Gruppen. Eine war am Theater, eine zweite am Stadttempel (Kasr el-Bint). Hier bauten wir die von Erdbeben zerstörte Süd-Ost-Ecke wieder auf. Dabei benützten wir soweit wie möglich die ursprünglichen Quadern. Die beiden übrigen Gruppen räumten den Schutt weg, der sich im Lauf der Jahrhunderte über der Hauptstraße (Cardo) angesammelt hatte. Darunter erschien ein gut erhaltenes Pflaster, vermutlich aus römischer Zeit. Am Rande wurden zwei Inschriften von großem wissenschaftlichem Wert gefunden. Eine enthält den Namen von Malichus (Maliku) (IL), dem König der Nabatäer und seiner Gemahlin Shaqilat auf einem kleinen Marmorblock. Die zweite steht auf zwei Steinen, die innerhalb der Mauer östlich des Kasr el-Bint zu sehen sind und den Namen von Aretas IV. tragen. Diese Inschriften haben die ursprüngliche Meinung, der Tempel stamme aus späterer, römischer Zeit, hinfällig gemacht. Dr. Peter J. Parr, der den Bereich vor dem Tempel untersuchte, datierte ihn entgegen seiner eigenen früheren Auffassung in das 1. Jh. v. Christus.
Höhlenmuseum und Wohnhöhlen Fragmente von Statuen, einige griechische Inschriften aus römischer Zeit und prächtige Kapitelle waren weitere Ergebnisse unserer Tätigkeit. Ein Teil der Funde wurde in dem Museum ausgestellt, das wir in einem Komplex von Höhlenräumen am Fuß der Ostwand von el-Habis einrichteten. In einer anderen Höhle gleich daneben, die sich wie das Museum durch eine außerordentliche Vielfalt der Farben im Fels auszeichnet, habe ich 197
Abb. 1: Die Ausgräberin Mrs. Kirkbride mit dem damaligen Direktor des Department of Antiquities Dr. Dajani und dem Verfasser in el-Beda (1963).
mit Unterbrechungen mehr als sechs Jahre lang gewohnt. Auch meine jetzige Wohnung als Leiter des Petra-Projekts, von dem noch die Rede sein wird, ist eine Höhle in der gleichen Felswand. Diese Tatsache und meine Gesundheit beweisen, daß es sich in diesen Höhlen gut leben läßt. Sie werden auch heute noch von den Beamten und Angestellten des Department benützt.
Spuren einer steinzeitlichen Bevölkerung Im folgenden Jahr 1963 hatte ich mit den Spuren einer älteren Bevölkerung zu tun. Die Gegend von el-Beda, etwa eine Gehstunde nördlich von Petra, wurde vor 9000 Jahren von neolithischen Menschen bewohnt, die noch keine Keramik benützten, aber eine bereits stadtähnliche Siedlung erbauten. Die Geschichte ihrer Entdeckung geht bis 1956 zurück. Damals grub Miss Diana Kirkbride, jetzige Mrs. Halbaek, an der Hauptstraße von Petra, als ihr ein Bdul-Beduine ein paar Flint198
werkzeuge brachte, die er bei el-Beda gefunden hatte. Miss Kirkbride begann ihre Grabungen im Jahre 1960 und kehrte bis 1967 jedes Jahr für zwei oder drei Monate zurück. 1963 nahm ich als Vertreter des Department an den Ausgrabungen teil (Abb. 1). Von den hauptsächlichen Schichten, die sie identifizierte, war Schicht I teilweise erodiert und von den Nabatäern zerstört, die für den Feldbau Terrassen angelegt hatten. Die Häuser waren hier klein, rechteckig und mit gestuckten Fußböden versehen. Schichten II und III (etwa 6600 v. Chr.) enthielten die Reste von gleich großen Häusern mit 1 Meter hohen Mauern, gestuckten Fußböden und Herdstellen in der Mitte. Lediglich ein Haus in Schicht II enthielt einen einzigen Raum von 9x7 Metern, der über drei herabführende Stufen betreten wurde. Lange rechteckige Gebäude, mit mörtellosen, dicken Mauern und durch Korridore in 6 Räume geteilt, wurden im Süden und Westen gefunden. Werkzeuge lassen vermuten, daß es sich hier eher um Werkstätten als um Wohnhäuser handelte. Offensichtlich hatte man sich bereits spezialisiert. Ein Raum enthielt eine Vielfalt schwerer Werkzeuge wie Mahlsteine, Poliersteine, Beile und Handmühlen, ein anderer eine ovale Holzkiste mit 114 ausgewählt schönen Flintwerkzeugen. Vielleicht gab es Wohnungen oberhalb dieser Räume. Es fanden sich aber keine Herdstellen. Das große Haus war vermutlich der Eß- und Versammlungsraum der Handwerker.
Die frühesten neolithischen Häuser Schicht IV (etwa 6780 v. Chr.) zeigte die besten Baumethoden aller Schichten. Hier gab es vollständig runde Häuser neben rechteckigen mit leicht gebogenen Mauern und abgerundeten Ecken. Ein großes Haus hatte Pfostenlöcher innerhalb der Mauern. Böden und Wände waren stuckiert, dazu gab es kleine Feuerherde. Schicht V (etwa 6690) wurde lediglich durch eine Sondierung entdeckt. Sie war durch spätere Baumaßnahmen sehr gestört. Die Bauten bestanden hier aus runden Mauern mit Eingängen. Wände und Böden
waren ähnlich stuckiert wie die aus der vorkeramischen neolithischen Schicht A von Jericho. Schicht VI (etwa 7000 v. Chr.) enthält die frühesten neolithischen Häuser, die man bisher gefunden hat. Sie sind einmalig. Bei einem runden Grundriß waren starke Pfostenlöcher im Abstand von 30–50 cm in den Boden gerammt und mittels Sparren mit einem starken Mittelpfosten verbunden. Um dieses Gerüst war eine dicke Steinmauer errichtet, wobei kurze Abschnitte ihrer Innenwand die Pfosten festhielten. Wände, Böden und Decken waren stuckiert. Die Dachsparren aus Reisig oder Schilf waren im rechten Winkel gelegt und trugen ein dickes Lehmdach, das vermutlich jedes Jahr einen frischen Überzug aus Schlamm erhielt. Drei solcher Rundhäuser wurden ausgegraben. Eines von ihnen war durch ein schweres Feuer zerstört worden. Unter Schicht VI erschien eine Lehmziegelmauer mit gebogener Innenwand und Stuckoberfläche. Diese ergab rein mesolithische (Natufian) Artefakte. Möglicherweise
wurden die neolithischen Neuankömmlinge in el-Beda vom Anblick eines kleinen Teil mit abgewaschenen Lehmziegelmauern auf dem Gipfel angezogen, der von einladendem, bebaubarem Land umgeben war. Jede Siedlung dieser sechs Schichten scheint durchschnittlich 75 Jahre bewohnt worden zu sein. Die Bestattungsbräuche ähnelten denen von Jericho, Hacilar und Catal Hüyük. Erwachsene wurden unter Fußböden begraben. Man fand aber auch einen Friedhof außerhalb der Siedlung. Im Osten davon gab es ein Heiligtum, das 1967 ausgegraben wurde. Seine Architektur unterscheidet sich von derjenigen der Hauptschichten. Die Böden waren mit kleinen Steinen gepflastert und in einem der Räume wurden Reste von Nahrung und Feuer gefunden. Die Besiedelung von elBeda bzw. Seyl Aqlat, wie die Stelle genau heißt, wurde um 6500 v. Chr. aufgegeben (Abb. 2).
Eine edomitische Bergsiedlung Die nächstälteste Grabungsstelle lag auf dem steil aufragenden Felsen Umm el-Biyara süd-
Abb. 2: Die Ausgrabungen von Seyl Aqlat in el-Beda (1969).
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westlich vom Stadtmittelpunkt. Mrs. Crystal Bennett grub dort in den Jahren 1964 und 1965. Im zweiten Jahr nahm ich an den Ausgrabungen teil. Es wurde eine wohlgeplante Gruppe von eng aneinanderliegenden Häusern aus Steinplatten der Umgebung gefunden. Es gab mit Platten bedeckte Fußböden, Stützpfeiler und zwei Wasserbecken. Eine dicke Aschenlage zeugte von einer Zerstörung durch Feuer. An Gegenständen wurden Schüsseln, Lampen, Krüge, Oliven, Saatgut, Tierknochen, eine Säge, bronzene Pfeilspitzen, Webstuhlgewichte und Webmaterial gefunden, außerdem eine Alabasterfigur mit Löchern als oder für Haar. Von dieser Art sind nur zwei ähnliche in Amman bekannt. Unter anderen interessanten Funden befand sich das Fragment eines Vorratsgefäßes mit phönizischen Buchstaben in schwarzer Tinte. Das erste Wort bedeutet Fett. Es ist die erste
in Jordanien bekanntgewordene edomitische Inschrift. Außerdem wurde der Siegelabdruck eines Königs von Edom entdeckt. Er zeigt eine geflügelte Sphinx mit zwei Zeilen phönizischer Schrift und erwähnt den edomitischen König Qaus Gabor im ersten Jahr der Regierung Assurbanipals von Assyrien (etwa 688 v. Chr.). Durch die Grabung sollte herausgefunden werden, ob Umm el-Biyara mit dem biblischen Sela identisch sei. Das wurde nicht erwiesen, weil die gefundene Keramik mindestens 100 Jahre später als die im Alten Testament verzeichnete Eroberung von »Sela« durch den judäischen König ist. Dagegen war es ein wichtiges Ergebnis, daß sich auf dem Berg während des 8. bis 6. Jhs. eine bedeutende edomitische Siedlung befand. Eine meiner Aufgaben bei diesen Grabungen war der Einsatz der Arbeiter. Diese waren alle, mit Ausnahme der Steinmetzen und Maurer (Flüchtlinge aus Palästina), Angehörige der Beduinenstämme, die in und um Petra wohnen. An erster Stelle wurden die Bdul angestellt. Ihnen gehört das Land. Sie wohnen teils in Höhlen, teils in Zelten. Sie führen ein einfaches Leben, aber sie haben seit geraumer Zeit eine Schule, eine Krankenstation für Kinder, ein Postamt und genügend Wasser. Im Gegensatz zu dem, was frühere Reisende über die Bewohner Petras erzählten, sind sie ehrliche und freigebige Menschen. Niemand kennt ihre Herkunft. Es gibt jedoch einen anderen Stamm in el-Kuwahra zwischen Ma'an und Akaba, der sich Bdul Hisma nennt und mit den Bdul von Petra verwandt ist.
Prächtige Badeanlagen
Abb. 3: Mohammed Murshed in den Thermen von Petra.
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Von 1965 bis 1966 hatte ich die Aufsicht über das ganze Gebiet von Petra und das Museum. Von 1968 bis 1969 war ich Inspektor für den Ma'an-Distrikt und Petra war das Hauptbüro. Zu dieser Zeit war ich an der Ausgrabung der Thermenanlagen beteiligt. Diese Räume waren mit herabgefallenem Schutt angefüllt. Bemalter Stuck hatte sich von den Decken gelöst. Gegenstände in den
Abb. 4: Bei neuen Ausgrabungen südlich des Straßentores wurden aufwendige, mit Säulen und Stuck geschmückte Räume gefunden – ein Bruchteil dessen, was unter der Oberfläche auf den Spaten der Ausgräber wartet.
Baderäumen stammen zum größeren Teil aus dem 1. Jh. n. Chr., einige aus dem 3. Jahrhundert. Der bemalte Stuck ähnelt dem des Qasr el-Bint-Tempels und des »Bemalten Hauses« im Sik von el-Barid. Die Kapitelle sind rein nabatäisch (Abb. 3). Der ausgegrabene Teil der Thermenanlagen zeigt zwei verschiedene Baupläne. Der nördliche Raum ist rund und hat ein Kuppeldach mit einer Öffnung in der Mitte. In den Wän-
den sind Nischen und beiderseits der Nischen Säulen mit nabatäischen Kapitellen, wie man sie an der Khazne findet. Zum südlichen Bad führt eine Türe. Dieser Baderaum ist quadratisch. Oberhalb davon wurden ein Wasserbehälter und ein Wasserkanal gefunden, die vermutlich beide Bäder mit Wasser versorgten. Erstaunlich ist die Höhe dieser Räume. Sie messen 7 Meter vom Dach bis zum Fußboden, der damit auf gleicher Höhe mit dem 201
Abb. 5: In situ gefundenes Vorratsgefäß von der Grabung in Tawilan (1969).
Temenos liegt. Eine Öffnung im Boden ließ das Wasser zu den Kanälen unter dem Temenospflaster ablaufen. Außerhalb der Thermen zeigte sich unter dem Schutt ein sehr aufwendig gebautes Treppenhaus von zwei Stockwerken mit gemalten Stuckwänden, sehr gutem Mauerwerk und Säulen. Zugemauerte Türöffnungen weisen auf eine spätere Wiederverwendung hin (Abb. 4).
nahm ich an den Grabungen teil, bei denen insgesamt eine Fläche von 1250 qm freigelegt wurde. Grabungsstelle I enthüllte eine Reihe von Häusern, deren Mauern ohne Mörtel gefügt und mit Lehm gedeckt waren. Einige enthielten Gruben und Vorratsgefäße aus dem späten 8. Jh. v. Christus. Grabungsstelle II war ein Friedhof vom 2. Jh. unserer Zeit. Ein ungewöhnlich kleiner, einhenkeliger Kochtopf aus derselben Zeit wurde gefunden, dazu sah man Räume und Gruben wie in Grabungsstelle I in einem Gebäude, über dem später anscheinend ein Turm errichtet war. Grabungsstelle III enthielt an einer Stelle, von der man Petra und Eidschi, heute Wadi Musa, überblicken konnte, ein zweifellos wichtiges Gebäude, dessen Mauern mehrere hohe Steinlagen aufwiesen. Stufen bis zu einem zweiten Stockwerk befanden sich noch in situ (Abb. 5). Von dieser Grabungsstelle III kamen die schönsten bemalten Keramikstücke. Ein weiterer Fund war ein Skarabäus mit dem Bild eines hausförmigen Altars zwischen zwei Standarten. Über Bändern erhebt sich ein Halbmond, das Symbol des Mondgottes und darüber ein Stern, das Symbol der Aschtar, vielleicht die erste bisher gefundene Gottesdarstellung der Edomiter. Weitere Funde waren Fragmente von Schminkpaletten. Elfen-
Tawilan – das biblische Teiman? 1969 und 1970 war ich an der Ausgrabung einer zweiten edomitischen Siedlung in der Nähe von Petra beteiligt. Nach Oberflächenfunden hatte Nelson Glueck die Stelle 1 km nördlich der Mosesquelle mit dem biblischen Teiman identifiziert und in die Zeit vom 13. bis zum 6. Jh. vor Chr. datiert. Mrs. Chrystal Bennett begann hier 1968 mit ausgedehnten Grabungen, die sich über die zwei folgenden Jahre erstreckten. Während dieser Zeit 202
Abb. 6: Vertreter des Department of Antiquities beim Besuch der Grabung in Tawilan mit Mrs. Bennett und dem Verfasser.
beingegenstände, Nadeln und Spateln aus Knochen; Nadeln, Nähnadeln und Fibeln aus Bronze, ein Steinaltar, Schüsseln und viele landwirtschaftliche Geräte. Komplett erhaltene Tongefäße stammten aus dem 8. bis 6. Jh. v. Chr., vor allem aus dem 7. Jahrhundert. Eine Besiedelung von Tawilan vor 800 v. Chr. konnte nicht erwiesen werden, aber die Stätte war im 7. Jh. in voller Blüte. Während ihrer Zeit erreichten die Edomiter eine große Geschicklichkeit in der Töpferei und obwohl sie vorwiegend Landwirtschaft betrieben, hatten sie doch engen Kontakt mit Syrien und Ägypten, wie die Verzierungen einiger kleiner Gegenstände beweisen. Das Department of Antiquities, in dessen Diensten ich stand, zeigte großes Interesse an der Ausgrabung (Abb. 6).
Deutsches Interesse an Petra Deutsche Wissenschaftler und Schriftsteller waren vor dem Ersten Weltkrieg und kurioserweise auch während desselben sehr an Petra interessiert. In jüngster Zeit gelang es Dr. Lindner, dem Herausgeber dieses Buches, 1973, 1976 und 1978 drei kurzdauernde Grabungsunternehmen zu organisieren. Hauptziel dieser in Zusammenarbeit mit dem Department durchgeführten Ausgrabungen waren das Studium und die Datierung einiger Gräber und Wohnhäuser am Westhang von el-Hubta. Drei Grabungsstellen und das Großgrab 813 wurden genauer untersucht. Die Ergebnisse waren vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sehr bedeutsam. Insbesondere Grabungsstelle 2 zeigte eine Benutzung vom 2. Jh. v. Chr. bis in die byzantinische Zeit mit entsprechenden Funden (Abb. 7).
Abb. 7: In situ gefundener Topf aus nabatäischer Zeit im Grabungsgebiet unterhalb des Urnengrabes.
gebene Tempel enthielt im Innern einen großen, ebenfalls von Säulen umstandenen Altar. Die Wände waren stuckiert und rot und weiß bemalt. Die Kapitelle waren mit Löwen-Greifen verziert. Dr. Hammond glaubt, einen Tempel der Göttin Atargatis vor sich zu haben. Grabung und Restauration sind noch nicht abgeschlossen. Ein Gesichtsbetyl mit nabatäischer Schrift war eines der Glanz-
Tempel der Atargatis? An weiteren neuen Ausgrabungen, deren Fortgang ich verfolgen konnte, sind vor allem die von Dr. Hammond zu nennen. Er hat in den letzten Jahren nördlich des Haupttores die Ruinen eines nabatäischen Tempels und von Häusern aus nabatäischer Zeit freigelegt. Der von Säulen mit Marmorbasen um-
Abb. 8: Vertreter der World Bank, Dr. Zayadine, Dr. Lindner und der Verfasser bei der Besichtigung einer Grabungsstelle der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg.
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stücke von Nabatäer-Ausstellungen in Hannover und Bonn.
Tourism Development Project für Petra Natürlich war ich noch an vielen anderen Grabungen und Explorationen beteiligt, z. B. in Hisban, Sahab, Amman, Madeba, Dscherasch, Tafile, Salt, Der cAlla und im Jordantal. Es zog mich aber immer wieder nach Petra zurück. Seit 1977 war ich Beauftragter des Department für das sog. Petra-Projekt. Das Jordanische Ministerium für Touristik und Altertümer hatte in Zusammenarbeit mit UNESCO und der World Bank für die antiken Städte Dscherasch und Petra ein Entwicklungsprojekt mit einem Etat von 12 Millionen Dollar beschlossen, der zur Hälfte von der Jordanischen Regierung und zur Hälfte von der World Bank aufgebracht wurde. Mit diesen Mitteln sollten die Altertümer erhalten und geschützt, die Möglichkeiten für Touristen erweitert und ihr Service verbessert werden. Außerdem sollten durch das Projekt auch soziale und landwirtschaftliche Probleme gelöst werden (Abb. 8). In Petra wird das Projekt die bereits begonnene Restaurierung des Urnengrabes, des Kasr el-Bint-Tempels, der Straße und des Sik umfassen. Am Urnengrab wird schon seit geraumer Zeit unter meiner Aufsicht gearbeitet. Der Tempel soll gesichert und insoweit wieder aufgebaut werden, daß der ursprüngliche Eindruck gewahrt bleibt. Die Straße (Cardo) muß mit Schutzwällen vor den winterlichen Wasserfluten geschützt werden. Die Straße selbst und die dortigen Monumente werden restauriert. Der Sik wird vom Schutt befreit und für Fußgänger und Pferdefuhrwerke hergerichtet. Die zum Sik führenden Schluchten werden mit Dämmen abgesichert. Wo es möglich ist, wird das antike Pflaster und der ebenfalls antike Wasserleitungskanal freigelegt. Neben dem staatlichen Rasthaus in Bab esSik sollte ein modernes Hotel mit 80 Zimmern und allem Komfort, sowie Unterkunft für Regierungsangestellte entstehen. Nazzal's Camp im Herzen der antiken Stadt wird man 204
abreißen und ein neues Haus errichten, wo sich die Wadis Musa, ed-Der und Turkmaniye vereinigen. Dort wird es auch ein Forschungszentrum, ein Labor für Archäologen und Ausgräber, einen Imbißraum für 120 Personen und eine Informations- und Erste-Hilfe-Station geben. Petra wird zur Zeit von 450 Bdul-Beduinen – etwa 95 Familien – bewohnt, die in alten, teilweise vermauerten Höhlen hausen. Sie leben vom Verkauf von Wolle, Fellen, kleinen Töpferwaren, Erfrischungen und einem geringen Ackerbau. Einige arbeiten als Handwerker, Steinmetzen und Schreiber für das Department. Wenn möglich, werden sie bei Ausgrabungen angestellt. Ihre soziale, gesundheitliche und materielle Lage war immer eine Sorge der Regierung. Andererseits dürfen die antiken Denkmäler Petras nicht durch die Erfordernisse des täglichen Lebens zerstört werden. Deshalb schließt das PetraProjekt auch die Errichtung eines neuen Dorfes für die Bdul-Beduinen ein und zwar in Umm Sehun. An dieser Stelle im Nordosten von Petra werden die bisherigen Höhlenbewohner der antiken Stadt Häuser, ein Elektrizitätswerk, eine Schule, ein Krankenhaus und eine gute Wasserversorgung haben und dann ein besseres Leben führen können als bisher. Nachtrag des Herausgebers: Der Autor lebt und studiert seit mehreren Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo er sich augenblicklich auf sein Doktorat in Archäologie vorbereitet. Von den geschilderten Projekten sind die Ausgrabungen des Kasr el-Bint-Tempels, die Räumung des Sik, die Sicherung der Straße, die Errichtung des Hotels und der Bau des Beduinendorfes verwirklicht worden. Nazzal's Camp dient jetzt als Unterkunft für Ausgräber. Der Herausgeber hat seitdem mehrfach die Gastfreundschaft des Department of Antiquities in der traditionsreichen Unterkunft genossen. Die Bdul wohnen inzwischen zum größten Teil in den neuen Steinhäusern. Der Übergang war nicht allzu schwierig. Innerhalb von fünf Generationen waren die Bdul ohnehin vom Zelt in geräumige Höhlenwohnungen gekommen, die sie eher nach Art von Seßhaften als von Semi-Nomaden bewohnten.* * Siehe: Ohannessian-Charpin, A.: L'utilisation actuelle par les Bedouins des grottes archaeologiques de Petra, ADAJ 30, 1986, 385–395.
KARL SCHMITT-KORTE
Die bemalte nabatäische Keramik: Verbreitung, Typologie und Chronologie Fast 100 Jahre lang seit der Wiederentdekkung von Petra durch Johann Ludwig Burckhardt hat kein Reisender, der die Felsenstadt besuchte, auf die vielen feinen Keramikscherben hingewiesen, die dort zutage treten, bzw. daraus archäologische Schlußfolgerungen gezogen. Lediglich Gustaf Dalman gab in seinen beiden Petra-Büchern 1908 und 1912 einige – schlechte – Abbildungen und einige allgemeine Bemerkungen über die für Petra typisch rote Tonware. 1 Er ging jedoch bei seinen häufigen Besuchen in der Felsenstadt der Frage, was es geschichtlich mit dieser Tonware auf sich hat, nicht nach und gab auch keine entsprechende Anregung weiter. 1929 untersuchten die Engländer George Horsfield und Agnes Conway (später Mrs. Horsfield) die Schutthaufen der antiken Stadt und gruben die Wasserbecken am Altar des Großen Opferplatzes aus. Dabei stießen sie auf Bruchstücke einer sehr feinen, schön bemalten ziegelroten Tonware, von der sie vorsichtig angaben, sie zeige einen »ausgeprägt orientalischen Charakter«. Miss Conway sprach als erste aus, daß diese Keramik auf die Nabatäer zurückgehe.2 Das war für die Erforschung der nabatäischen Kultur von ausschlaggebender Bedeutung, da sich durch Scherbenfunde nun die Hinterlassenschaft dieses arabischen Volkes von der der Römer unterscheiden ließ.
Die geographische Verbreitung Nelson Glueck, einst Direktor der American Schools of Oriental Research in Jerusalem, erforschte in den Jahren 1932–47 archäologische Stätten im Ostjordanland und bestimmte mehrere hundert Fundstätten nach
ihrer Keramik als nabatäisch. Er stellte fest, daß die Tonware nur im südlichen Teil des Reiches vorkommt. Die Grenze bildet eine Linie, die sich etwa von der Nordspitze des Toten Meeres über Madeba bis zur Wüste ziehen läßt.3 Diese Linie stimmt nach unserem heutigen Wissen mit der Nordgrenze des nabatäischen Stammlandes überein. In den weiter nördlich gelegenen Bereichen von Südsyrien, die unter nabatäischer Herrschaft standen, fand man die charakteristische rote Ware erst sehr spät und nur ganz vereinzelt, offenbar weil die nabatäischen Herren auf die dort bereits vorhandenen Töpfererzeugnisse zurückgriffen. In den Gebieten dazwischen – Amman, Dscherasch, Jerusalem – sind Streufunde gemacht worden, die jedoch zu den Tausenden von Fragmenten in dem regulären Fundgebiet in keiner Relation stehen. Westlich reicht die Ware etwa bis Beer-Scheba und Gaza. In der Negev-Wüste sind die Funde häufig und erstrecken sich hin bis in entlegene Teile der Sinai-Halbinsel. So wurde in Kassarwit in der Gegend von Pelusium ein nabatäischer Tempel ausgegraben, dessen Keramik aber noch nicht veröffentlicht ist. Der südlichste Ort, wo Glueck selbst nabatäische Keramik fand, liegt bei Akaba am Roten Meer. Er vermutete jedoch, daß sie sich bis zum südlichsten Punkt des Nabatäer-Reiches, Hegra (el-Chijr, el-Hegr, Medain Salih), erstrecken könnte. Diese Annahme ist 1970 durch eine kanadische Expedition bestätigt worden.4 Danach ist es wahrscheinlich, daß die Nabatäer ihre Tonware in dem ganzen Wüsten-Gebiet des nördlichen Hedschas benutzten. Neueste Funde in Saudi-Arabien bestätigen dies im Prinzip. In 205
Ostrichtung fand Glueck die entferntesten Scherben in der Oase Bayir. Das Nabatäer-Reich hatte nur dort klare Grenzen, wo es an das Kulturland anderer Völker anstieß, z. B. Madeba, Gaza, Medain Salih und die Nordregion im Hauran. In den anderen Gebieten verläuft sich die »Grenze« im Sand der weiten Wüste. Es ist richtiger, hier nur von einem Einflußgebiet zu sprechen. Ausgehend von der Verbreitung der Keramik- und Inschriftenfunde läßt sich ein ungefähres Bild von der Ausdehnung des Nabatäer-Reiches geben (Abb. 1, Karte). Die erste nabatäische Töpferei wurde 1959 in Oboda (Avdat) gefunden. 5 Die Scherbenvorkommen an anderen Orten des Reiches – insbesondere in Petra – sind so umfangreich, daß die Belieferung aus nur einer zentralen Werkstatt im Negev völlig unwahrscheinlich erschien. Mit der Entdeckung einer Töpferei in Petra, die 1979 erfolgte53, war deshalb zu rechnen, zumal dort die drei Grundvoraussetzungen – Tonvorkommen, Wasser und Heizmaterial – durchaus erfüllt sind.
Die Ware Die Drehspuren auf der Rückseite der Gefäße zeigen, daß die häufigste Form der nabatäischen Keramik – flache Schalen – mit der Hand über einem Formkern gedreht wurde. Der Ton ist ziegelfarbig, manchmal besonders hell, in anderen Fällen bräunlich. Hervorstechend ist die Feinheit der Gefäße. Wandstärken von nur 1–4 mm bei Durchmessern bis zu 30 cm sind die Regel, weshalb die Ware in der englischen Literatur häufig als »egg-shell thin« bezeichnet wird (Abb. 2a und b). Der Ton ist meist gut durchgebrannt und in der klassischen Ware »metallhart«. Die frühe Ware ist deutlich weicher und poröser, die späte Ware recht grob und oft mit Einschlüssen versehen.
Formen und Bemalung Die Skala der bisher bekannten grundsätzlichen Formen ist verhältnismäßig eng; jedoch finden sich im Detail zahlreiche Varianten: Flache Schalen, Tassen, Becher, Töpfe, 206
kleine Krüge und Unguentarien, große Krüge, Öllampen. Die flachen Schalen von etwa 17–25 cm Durchmesser sind am häufigsten. Abb. 3 zeigt die typischen Formen. Andere Gefäßarten mit Bemalung sind recht selten, z. T. nur in wenigen Fundstücken bekannt. Die Bemalung ist zum weitaus überwiegenden Teil an die flache Schalenform gebunden, wo sie nur auf der Innenseite vorkommt. Bemalte Becher, Tassen und Krüge wurden bislang nur in wenigen Exemplaren gefunden. Die Tönung der Muster geht von rosa über rotbraun bis schwarz. Andere Farben kommen nicht vor. Die bisher umfangreichste Veröffentlichung über nabatäische Keramik ist immer noch der Grabungsbericht von George und Agnes Horsfield6 mit Beschreibung, Abbildung und Rekonstruktion der Fundstücke. Sie haben jedoch die Absicht einer wissenschaftlichen Bearbeitung der von ihnen entdeckten Keramik nicht mehr verwirklicht. Die Pionierarbeit auf diesem Gebiet ist die unveröffentlichte Dissertation des amerikanischen Archäologen Philip C. Hammond 7 aus dem Jahr 1956/57, in der Formen, Muster, Randprofile, technische Beschaffenheit sowie geographische Verbreitung der Keramik systematisch untersucht werden. Teile der Arbeit wurden von Hammond danach separat veröffentlicht, insbesondere eine Klassifikation der Motive auf der bemalten Ware.8 Hier analysiert und gruppiert er die Ornamente. Die Schwierigkeit seiner Klassifikation besteht in einer sehr weitgehenden Zergliederung der Muster in Einzelkomponenten, so daß der Gesamteindruck der Gefäße großenteils verlorengeht. Hinzu kommt, daß sich der Bestand an nabatäischer Keramik seit Erscheinen seiner Studie hauptsächlich durch die Grabungen in Petra und Oboda vervielfacht hat. Außer den Arbeiten von Horsfield und Hammond sind zur Vervollständigung des Bildes noch die Keramikabbildungen bei Murray', Harding10, Glueck11, Schmitt-Korte12, Parr12a und Negev16, 16a zu erwähnen.
Es-Sugra ist eine nabatäische Nekropole auf dem Weg zum Dschebel Harun (oben). Das Theater von Sabra gehört zu einer noch wenig erforschten Ruinenstätte südwestlich von Petra (unten).
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Unbemalte nabatäische Keramik aus Petra (oben). Bemalte nabatäische Keramik aus Petra (unten).
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Abb. 2a u. b: Nabatäische Schale mit leicht eingezogenem Oberteil (Ø 17 cm, Ansicht von oben). Im Zentrum ein Wirbelornament, umgeben von einem stark stilisierten Dekor, daneben Trauben. Am Oberteil außen Kerbschnitt. Griff ergänzt.
Seitenansicht der oben gezeigten nabatäischen Schale.
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Die Muster Die vorliegende Arbeit soil die typologisch wichtige Studie von Hammond durch ein Schema des Dekoraufbaues ergänzen, das vom Gesamtbild des Gefäßes ausgeht. Der erste Schritt der Untersuchung war eine möglichst eingehende Sichtung des heute vorliegenden Materials. Hierbei zeigte sich zweierlei: 1. Die Motivpalette der bemalten Keramik ist sehr klein und wird von Darstellungen aus dem Pflanzenreich beherrscht, die mehr oder weniger stark stilisiert sind. Daneben kommen geometrische Zierelemente vor. Tierabbildungen haben sich bislang nur in wenigen Fällen gefunden und szenische Darstellungen ähnlich der griechischen Vasenmalerei fehlen trotz des starken hellenistischen Einflusses, dem die Nabatäer ausgesetzt waren, völlig. 2. Die Nabatäer bevorzugten bestimmte geometrische Anordnungen für ihre Dekors. Der nächste Schritt bestand darin, diese Anordnungen auf das jeweilige geometrische Grundschema zurückzuführen und mit den Motivkomponenten in Relation zu bringen. Insgesamt wurden 7 Muster-Anordnungen gefunden (s. Tabelle 1, vertikale Leiste). Die Unterteilung der Grundmotive wurde auf 5 Hauptgruppen beschränkt (s. Tabelle 1, horizontale Leiste). Eine detailliertere Unterteilung erschien für den hier vorliegenden Zweck nicht ratsam, weil dadurch die Zahl der Überschneidungen sprunghaft ansteigen würde. Tabelle 1 gibt eine Übersicht, in welchem Dekorschema sich welche Motivgruppen finden. Die darin angegebenen Nummern beziehen sich auf die nachfolgenden Typentafeln. Von insgesamt 35 möglichen Kombinationen sind 20 sicher belegt. Die naturalistischen Blattranken und die Zierlinien der Motivgruppe I sowie ihre Kombination bilden den typologisch frühesten Stil. Danach folgen Muster, die stilisiert sind, und zwar teilweise so stark, daß eine Deutung oft schwerfällt (II–V). Die Nadelmuster (II) lehnen sich in künstlerischer Hinsicht eng an die Blattranken an. Bei beiden ist
Abb. 3: Die hauptsächlichsten Formen der nabatäischen Keramik a–g.
der Blattgrund nur ganz zart aufgemalt und die Blattrippe mit einem anschließenden Pinselstrich nochmals hervorgehoben. Diese Art der Betonung findet sich generell in den Motivgrupen I/II, und es ist anzunehmen, daß die hieran ablesbare zeitliche Motiventwicklung durch die Schichtenfolge bei Grabungen belegt werden kann. Ganz vereinzelt kommt diese Maltechnik allerdings auch bei anderen Ornamenten vor. Die Komponenten von II und IV sind antagonistische Motivgruppen, die fast nie zusammen auftreten. Anders ist es mit den dazwischen liegenden geometrischen Zierelementen der Gruppe III, die sowohl für sich als auch mit den beiden Nachbargruppen kombiniert vorkommen. Als besonders geschlossene Gruppe treten 211
Tabelle 1: Motivgruppen und Dekorschemata der bemalten nabatäischen Keramik.
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die Palmetten praktisch nur in zwei DekorAnordnungen auf, nämlich diagonal und dreifach, wovon das Diagonal-Dekor sich durch meist dunkle Farbe und häufig groben Ton als Vertreter einer relativ späten Periode zu erkennen gibt. Die Palmetten sind das häufigste aller nabatäischen Keramikmuster. V ist als Sammelgruppe naturgemäß heterogen. Sie umfaßt insbesondere stilisierte Früchte und Pflanzen, aber auch geometrische Elemente und fällt wohl größtenteils in die »klassische« Zeit der nabatäischen Keramikerzeugung. Hierunter finden sich einige der künstlerisch ausdrucksvollsten Gefäße überhaupt. Auch wenn die Keramik-Ornamente der Nabatäer sich jetzt in recht klare Gruppen fassen lassen, so herrscht doch überall in der Einzelgestaltung große Individualität, und zwei bis ins Detail gleiche Schalen wurden bisher nicht gefunden. Wir haben hier den Beginn jener Kunstauffassung vorliegen, die einige Jahrhunderte später mit der Schöpfung der Arabeske ihren Höhepunkt erreichte. Der Aufbau der Keramikmuster ist nachfolgend an 38 Beispielen verdeutlicht, die in der Reihenfolge des Dekor-Schemas geordnet sind. Zu den Typentafeln ist folgendes vorauszuschicken: 1) Die Auswahl der Gefäße richtete sich danach, repräsentativ zu sein und dabei möglichst weitgehend auf das vorhandene Material zurückzugreifen. 2) Es wurde großer Wert darauf gelegt, möglichst vollständig erhaltene Gefäße abzubilden. Nur wenn unumgänglich, wurde auf Rekonstruktionen zurückgegriffen. Der rekonstruierte Teil der Bemalung ist – entgegen den sonst üblichen Regeln – zeichnerisch nicht kenntlich gemacht, da dies das Gesamtbild hier zu stark stören würde. Tabelle 2 gibt jedoch Auskunft über den Erhaltungsgrad der einzelnen Gefäße. 3) Alle Gefäße sind gleichgroß gezeichnet. Die wirklichen Maße finden sich in Tabelle 2. 4) Im Hinblick auf den stark verkleinerten Maßstab der Zeichnungen (1:2 bis 1:8) wur-
den zum Teil. kleine Füllornamente, insbesondere Pünktchen und Schraffuren, fortgelassen. Bei Schalen mit zylindrischem Rand wurde die Bemalung, die sich in diesem Rand befindet, nicht mit abgebildet. 5) in den Motivgruppen II und IV findet sich häufig als Randmuster eine Girlande. Dieses Ornament tritt völlig unabhängig von der geometrischen Anordnung des Innenteiles auf und muß daher für die Einreihung in das Dekorschema außer Acht gelassen werden. In Zweifelsfällen ist für die Eingruppierung der geometrische Gesamteindruck der Bemalung maßgebend.
Dekor-Schemata Diagonal-Dekor: Die Aufteilung in zwei Felder ist das einfachste Schema der nabatäischen Keramik. Das jeweilige Motiv kann auf den beiden Schalenhälften ein- oder mehrreihig vorkommen (Abb. 4). 1 und 2 zeigen Nadelmuster, wobei in das Motiv der letzten Schale eine zweite unterbrochene Diagonale eingefügt ist. 3 und 4 beruhen auf den Elementen der Motivgruppe III und 5–7 sind Palmetten-Darstellungen. Das Randmotiv von 3 kommt häufiger vor (vergl. 35); es symbolisiert möglicherweise Ähren. 8 ist ein einfaches Strichmuster. Dreifach-Dekor: Diese Y-förmige Aufteilung in drei Felder ist das bezeichnendste Dekorschema der nabatäischen Keramik. 9 gehört zu den sehr einfachen, fast primitiven Zierlinien des früheren Stils (vergl. auch 20), zu denen die Blattranken 10 und 11, die derselben Periode angehören, in wohltuendem Kontrast stehen. 12 ist ein besonders elegantes Ornament innerhalb der Nadelmuster, das an Akazienblätter erinnert. Hauptvertreter des Dreifach-Dekors sind Schalen mit dem Palmettenmuster. Die dreifache Palmette bildet hierbei eine Art Rahmenaufbau, in dessen Zwischenräumen nun verschiedenartige Motive eingefügt werden, nämlich Doppeldreiecke (13), Granatäpfel (14), Feigen und Oliven (15), abstrahierte Granatäpfel (16) oder Sterne (17). Die Außenform dieser »Sterne« läßt an eine Narzisse denken, 213
Abb. 4: Dekorschemata.
die nicht zu Unrecht auch Sternblume heißt und der gekräuselte Innenteil könnte – wenn diese Deutung akzeptiert wird – die Blüte darstellen. Als Symbol der Lebensfülle und Fruchtbarkeit fand der Granatapfel in der Kunst des Alten Orients vielfache Verwendung. Das Vorhandensein einer Schale (14), die dieses Symbol in stilisierter aber deutlich erkennbarer Form zeigt, ist ein wichtiger Beweis für die Ableitung nabatäi214
scher Muster aus dem Pflanzenreich. Schwer deutbar sind die Motive von 18 und 19, die wohl auch dem Pflanzenreich entstammen. Die Existenz eines nächsthöheren homologen Dekors, nämlich einer vierfachen bzw. kreuzförmigen Anordnung, ist inzwischen gesichert, jedoch ist dieses Schema überaus selten, deshalb wurde auf eine Aufnahme dieses Dekors in die vorliegende Arbeit verzichtet. Wenn auch 2 eine in gewissem Sinne
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kreuzförmige Musterorientierung andeutet, so ist doch der diagonale Motivcharakter vorherrschend. Radial-Dekor: Das Merkmal dieses Schemas ist das strahlen- oder sternförmige Auseinanderstreben des Musters. Er zeichnet sich durch eine besonders klare Feldaufteilung aus, die häufig als doppelte Punktreihe ausdrücklich eingezeichnet ist. Die Wellenlinien von 20 könnten als sternförmig oder auch als doppelte Dreifach-Anordnung aufgefaßt werden. 21 liegt an der Grenze zwischen pflanzlichem und geometrischem Ornament, bei dem die radiale Anordnung unverkennbar ist. Ein besonders interessantes Stück ist 22, das durch die ungleichmäßige Ausfüllung der Felder eine gewisse Unsicherheit des Malers erkennen läßt. Eine wesentlich bessere Aufteilung spricht aus den besonders schönen Pflanzenornamenten von 23 und 24. (Nr. 24 weist im Gegensatz zur Zeichnung nur 8 Felder auf, wie sich erst bei der Restauration der Schale ergab.)
Konzentrischer Dekor: Die hier abgebildeten Exemplare (25–29) zeigen eine bemerkenswert feine Bemalung. Das Nadelmuster von 25–27 nimmt in der nabatäischen Keramik einen breiten Raum ein und findet sich oft auf den feinsten und dünnsten Gefäßen. Den Schalen ist in vielen Fällen eine geknickte Form eigen, die nur mit diesem Ornament auftritt. 28 ist eine Schale mit zylindrischem Rand, deren Zentralmotiv in der Form an Mandeln erinnert. 29 hat motivlich starke Ähnlichkeit mit 22 und besticht durch die präzise Bemalung und vollendete Raumaufteilung.
Wirbelartiger Dekor: Dieser Dekor ist dem vorangegangenen eng verwandt. 30 und 31 sind Beispiele des frühen Stils für eine Abwandlung des Dreifachdekors. Während bei 30 die Dreifach-Anordnung des Musters noch deutlich ist, tritt bei 31 bereits die wirbelartige Gestaltung ganz in den Vordergrund. Bei 32 ist der wirbelartige Charakter des Musters besonders deutlich. Das Motiv ist eigentlich eine Abart des Nadelmusters (vergl. 12). Es handelt sich hierbei um eine 218
Rekonstruktion von Horsfield, die auf einem Gefäß beruht, von dem nur etwa 10 Prozent der Scherben gefunden wurden. Ein vollständigeres Exemplart ist inzwischen bekannt geworden und bestätigt sehr gut die damalige Rekonstruktion. 33 und 34 sind kleine Schälchen, für die allein schon aus Platzgründen die vergleichbaren, aber wesentlich aufwendigeren Muster von 26 bzw. 18 vereinfacht werden mußten.
Asymmetrischer Dekor: Während die Bemalung der bisher aufgeführten Gefäße bestimmten Symmetrie-Gedanken folgte, haben sich auch Schalen gefunden, die eindeutig nabatäisch sind, aber dieses Prinzip verlassen. Um hier das Risiko einer Fehlinterpretation auszuschalten, wurden nur zwei gut erhaltene Gefäße ausgewählt. 35 ist eine Schale mit zylindrischem Rand und zwei Henkeln, die nahezu vollständig erhalten ist. Sie zeigt geometrische Elemente der Motivgruppe III (Gittermutter, »Augen« und Punkte) als Rahmenmotiv zusammen mit »Ähren« (vergl. auch 3) und »Granatäpfeln« als Zentralmotiv. Mit 32 cm Durchmesser ist 36 eine besonders große nabatäische Schale. Hier findet sich eine höchst seltene Darstellung aus dem Tierreich (Taube), die im Original zwar nicht ganz vollständig erhalten ist, deren Rekonstruktion aber außer Zweifel steht. Das Objekt unter der Palmette ist ebenfalls unvollständig erhalten. Es wurde verschiedenartig rekonstruiert bzw. interpretiert, z. B. als Steinbock mit nach hinten gewandtem Kopf. Um dieser Unsicherheit zu entgegen, ist hier nur der wirklich vorhandene Teil abgebildet. Die asymmetrische Anordnung des gesamten Bildes tritt deutlich hervor. Flächenmuster: Es sind einige Gefäße gefunden worden, deren Bemalung aus besonders kleinen Mustern besteht, die keine Symmetrieachse erkennen lassen. Sie bilden eine eigenständige Gruppe neben den anderen Dekors, für die die Bezeichnung »Flächenmuster« gewählt wird. Das eine Beispiel zeigt geometrische (37) das andere pflanzliche Elemente (38).
Zusammenhänge zwischen Ware, Form und Farbe Fragen der Tonbeschaffenheit lassen sich nur beantworten, wenn man Keramik verschiedener Herkunft (zeitlich und örtlich) selbst in die Hand genommen, betrachtet und betastet hat. Physikalische und chemische Untersuchungen sind wissenschaftliche Mittel, um solche Beobachtungen zu vertiefen und neue Informationen zu gewinnen. Hier soll auf dieses bedeutsame wie schwierige Thema nur insoweit eingegangen werden, als es dazu dient, einen Überblick zu geben. Von der Tonqualität her lassen sich bei der bemalten Keramik 3 Warengruppen unterscheiden: (A) Frühe Ware: Der Ton fühlt sich glatt und weich an, ist matt und von rosa-cremiger Farbe. An der Rückseite sind häufig helle weiße bis gelbliche Einschlüsse zu erkennen. Es kommen Absplitterungen am Ton vor. Die Ware ist porös und nimmt merklich Wasser auf. Waschen in verdünnter Zitronensäure führt zu einer Bildung von Gasbläschen durch Zersetzung von Carbonaten. (B) Mittlere Ware: Ton härter, macht einen »metallischen« Eindruck. Rückseite erscheint poliert, außer im Bereich des Randprofils (Nachbearbeitung); diese Zone ist rückseitig abgesetzt und deutlich erkennbar (1–5 cm breit). Die Ware ist besonders dünn, der Ton meist ziegelrot. (C) Späte Ware: Insgesamt gröber, dickwandiger, ebenfalls hart; Ton meist bräunlicher, häufig mit Einschlüssen (Sandkörner). Rückseitige Beschaffenheit wie (B), aber stärker ausgeprägte Drehrillen infolge dieser Einschlüsse. Im allgemeinen schlechter gebrannt und meist dicker. Mit diesen technischen Merkmalen zusammen treten bei der bemalten Ware noch andere Kennzeichen auf: Ware (A): Farbe der Bemalung rosa bis helles rotbraun. Motive nur naturalistische Blattranken und Zierlinien (Motivgruppe I). Formen a und b. Ansatz der Randprofile gerade. Ware (B): Farbe der Bemalung rotbraun in
unterschiedlicher Tönung. Größte Motivskala: Gruppe II (Nadelmuster), III (Gitter, Augen und Punkte), IV (Palmetten nur in Dreifach-Anordnung) und V (sonstige Muster, vorwiegend stilisierte Pflanzen bzw. Früchte). Formen c–g. Ansatz der Randprofile nach innen gezogen, Profile unterschiedlich hoch. Die Relation von Form und Bemalung läßt sich hier noch weiter unterteilen: Form c: kommt ausschließlich mit dem Nadelmuster II vor. d: häufigste aller Formen. Durchmesser von 17 bis 25 cm. Motive II–V, davon II selten, IV besonders häufig. e: unterscheidet sich von d praktisch nur durch die Größe. Durchmesser »genormt« ca. 10 cm. Form ist deutlich sehender als d. f: seltene Form. Bisher nur mit Motivgruppe III bekannt. Aus dem allgemeinen typologischen Aufbau ist zu vermuten, daß Motive II und V hier ebenfalls auftreten. Palmetten (IV) wären bei dieser Form eine große Überraschung. g: kleinere Variante von f, jedoch ohne Henkel. Bisher mit Motiven V bekannt. Ware (C): Farbe der Bemalung dunkles rotbraun, schwarzbraun und schwarz. Sehr enge Motivskala, kommt praktisch nur mit Palmetten (IV) vor, überwiegend im Diagonal-Dekor mit zwei Dreifach-Dreiecken (vgl. Nr. 7), seltener auch zwei gegenüberliegende Palmetten ohne Dreiecke (vgl. Nr. 5). Formen d und e. Randprofile wie d, aber oft größer. Weiterhin ist noch anzumerken, daß sich auf der Außenseite der Randprofile bei allen 3 Waren oft ein matter Überzug in weißlicher, gelblicher oder bräunlicher Farbe befindet (Engoben). Mehrere bemalte Gefäß typen kommen vereinzelt auch mit Standringen, Ringboden oder Standfuß vor, z. B. Motivgruppe I/ Ware (A)/Form a und b sowie Motivgruppe IV/Ware (C) /Form d. Murray machte bereits 1940 darauf aufmerksam, daß die bemalte Keramik im allgemeinen keinen Standring aufweist. Aus heutiger Sicht ist 219
hier besonders anzuführen, daß die sonst so häufige Form d mit Standring äußerst selten ist. Merkwürdigerweise tritt die unbemalte Ware im Gegensatz dazu sehr viel, ja vorwiegend, damit auf. Tassen der Form g gibt es mit Ringboden unbemalt zu hunderten, bemalt ist kein einziges Exemplar bekannt. Die Gründe für die ungleiche Häufigkeit der verschiedenen Kombinationen sind noch ungeklärt; die Verwendung der Keramik – teils für profane, teils für kultische Zwecke – dürfte dabei die entscheidende Rolle spielen (s. auch Farbbilder S. 208).
Chronologie Die nabatäische Keramik ist technisch und künstlerisch eine eigenständige Gruppe innerhalb der Töpferwaren des Orients und kann daher nicht durch direkten Vergleich mit anderer antiker Keramik datiert werden. Eine Gesamt-Chronologie der nabatäischen Ware ist bislang noch nicht publiziert. Sie wird – wenn sie erarbeitet und allgemein anerkannt ist – den wichtigsten archäologischen Schlüssel zur Datierung nabatäischer Stätten darstellen.
Ausgrabungen in Petra 1958–1965 führte Peter J. Parr (Archäologisches Institut der Universität London) in Petra Ausgrabungen durch. In Israel geht die Ausgrabung nabatäischer Stätten auf das Wirken von Avraham Negev (Archäologisches Institut der Hebräischen Universität Jerusalem) zurück. Er legte 1958–1960 die Akropolis von Oboda (Avdat) frei und entdeckte dort die erste nabatäische Töpferwerkstatt mit umfangreichem Keramik-Material. 1965–1967 folgten Ausgrabungen in Mampsis (Kurnub) mit interessanten Keramikfunden in einem nabatäischen Friedhof. In einer Reihe von Zwischenberichten stellen die Ausgräber etwa folgendes Bild von der zeitlichen Entwicklung der Keramik dar. Petra: Einen Überblick über die Ausgrabungen in Petra und ihre Ergebnisse gibt Peter J. Parr in diesem Band. Die bisherigen Grabungen haben sich wegen der Größe des Terrains 220
vorwiegend auf die öffentlichen Gebäude konzentriert, die umfangreichen Wohngebiete, die unter dem Sand liegen, wurden nur stellenweise ausgegraben. Dadurch sind Wohnhäuser und auch Grabstätten, die beiden hauptsächlichen Verwendungsbereiche der Keramik, noch nicht ausreichend untersucht. Die Arbeiten im Bereich der öffentlichen Gebäude ergaben jedoch bereits umfangreiche Keramikfunde, nach denen Parr und Bennett in früheren Mitteilungen13 drei Phasen unterscheiden. In Petra tritt hiernach als Phase I die bemalte nabatäische Keramik erstmals im 1. Jhdt. v. Chr. auf, und zwar meistens zusammen mit »Eastern Sigillata A«, die in Palästina im 2. Viertel des 1. Jhdts. v. Chr. eingeführt wurde. Mit anderen Worten: Die bemalte nabatäische Keramik beginnt in Petra ungefähr 75 v. Chr., d. h. zur Zeit von Aretas III. Die Formen erinnern an die gleichzeitige hellenistische Ware, die Bemalung stellt jedoch etwas gänzlich Neues dar. Die Blumen- und Blattmuster sind überaus fein und in einer hellbraunen Farbe auf den rötlichen Ton gemalt. Die II. Phase umfaßt den größten Teil des 1. und einen Teil des 2. Jhdts. n. Chr. Die Muster werden weniger naturalistisch und stärker stilisiert; die Farbe ist dunkler, der Ton dünner. Die letzte Periode, Phase III, erstreckt sich vermutlich über das 3. Jhdt. n. Chr. Die Bemalung ist nahezu schwarz, die Muster monoton und schwerfällig, die Keramik insgesamt gröber. Dieses Bild hat der Archäologe durch eine kürzlich publizierte relative Keramik-Chronologie anhand des Grabungsbefundes an einem Abschnitt im Stadtzentrum von Petra weiter untermauert.14 Die Entdeckung eines Töpferei-Komplexes in Zurrabeh in der Nähe des Rasthauses bei Petra im Jahre 1979 und die systematische Ausgrabung durch F. Zayadine in den folgenden Jahren ergab Funde von der nabatäischen Zeit (1. Jhdt. v. Chr.) bis in die byzan-
tinische Periode (6. Jhdt. n. Chr.).14a Die Hoffnung, anhand dieses wunderbaren Fundes eine detaillierte Chronologie der nabatäischen Keramik ableiten zu können, hat sich jedoch (noch) nicht erfüllt.
Ausgrabungen im Negev In der Negev-Wüste befinden sich 6 Städte, deren umfangreichste Ruinen aus der byzantinischen Blütezeit stammen Oboda (Avdat, Abde) Mampsis (Mamshit, Kurnub) Elusa (Chalutza, Khalasa) Nessana (Nitzana, el-Audja) Sobata (Shivta, Isbeita) Rehoboth (Rehovot ba-Negev, Ruheibeh) Die ersten 5 Städte wurden bereits von den Nabatäern gegründet, bei Rehoboth ist der Befund unsicher. Im Laufe der fast 500jährigen nabatäischen Epoche von etwa 300 v. Chr. bis 150 n. Chr. waren sie zu unterschiedlichen Perioden besiedelt; es sind zwischendurch auch Zerstörungen erfolgt. Frühere Oberflächenuntersuchungen und neuere Grabungen erbrachten entsprechende Funde von Inschriften, Gebäuden, Architekturteilen, Gräbern, Keramik, Münzen und Schmuck. Oboda war die Hauptstadt des nabatäischen Negev als Knotenpunkt der Karawanenwege von Petra nach Gaza und von Elath nach Jerusalem. Über die Erforschung der Negev-Städte ist eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Artikeln erschienen.15 Für die Chronologie der bemalten nabatäischen Keramik bedeutsame Funde erfolgten an zwei Orten, nämlich in Oboda im Bereich der Töpferei und in Mampsis im Bereich eines Friedhofs. Hiernach unterscheidet A. Negev jetzt bei der Keramik 3 Phasen.16/17 Bei der Kombination des Befundes von Oboda und Mampsis ergibt sich daraus folgendes Bild: Phase I Letztes Viertel des 1. Jhdts. v. Chr. bis etwa zur Mitte des 1. Jhdts. n. Chr. (d. h. etwa 15 v. Chr. bis 50 n. Chr.), also im wesentlichen die Regierungszeit von König Aretas IV.
In Oboda und Mampsis findet sich hier die klassische bemalte Ware, vorherrschend Nadelmuster in höchst reizvollen Variationen, daneben Gittermuster und sonstige stilisierte Pflanzmotive.18719 Die Tätigkeit der Töpferei von Oboda fällt gänzlich in diese Zeitspanne. Phase II Letztes Viertel des 1. Jhdts. n. Chr. (d. h. etwa ab 80 n. Chr.) bis 150/200 n. Chr. In Mampsis treten nun Palmettenmuster auf, grob und monoton in zwei- und dreifacher Anordnung.20 In Oboda wurden kleine Funde aus dieser Zeit gemacht. Phase III 3. Jhdt. n. Chr. In Mampsis erfolgte eine Fortführung der bemalten Ware mit groben Palmettenmustern21, die aufgrund jüngster Funde nun auch in Oboda belegt sind.22 Es kommen sowohl in Oboda als auch in Mampsis daneben unbemalte nabatäische Gefäße, nabatäische und römische Öllampen und ein größeres Repertoire an importierter römischer Terra Sigillata westlicher und östlicher Provenienz vor. Aus den Veröffentlichungen entsteht der Eindruck, daß in den Phasen II und III der Anteil an bemalter Ware immer seltener wird, während sich die unbemalten Gefäße stärker ändern. Schließlich haben die Nabatäer auch eine eigenständige Abart der Terra Sigillata produziert, die an einem schokoladenbraunen Glanztonüberzug kenntlich ist23 und vorläufig dem 1. Jhdt. n. Chr. zugeordnet wird. Verschiedentlich wurden an nabatäischen Stätten auch Fragmente einer Reliefkeramik gefunden (z. B. in Petra und Oboda), von der der Verfasser annimmt, daß sie ebenfalls von den Nabatäern stammt.24'25 So ist, insgesamt gesehen, das Bild der nabatäischen Keramik noch verwirrend, hat sich aber gegenüber der vorangehenden Zusammenfassung26 in einem entscheidenden Punkt geklärt. Während P. J. Parr die nabatäische Keramik als Ganzes einem Zeitraum von 300 bis 400 Jahren zuordnet, konnte A. Negev aufgrund seiner früheren Funde nur einen 221
Zeitraum von 150 Jahren belegen. Die neueren Funde von Oboda und Mampsis haben diese Lücke geschlossen und den Befund der Negev-Städte mit dem von Petra im Prinzip in Einklang gebracht. Eine besondere Problematik in der Erforschung der Keramik bei den Nabatäern liegt darin, daß die Zeiträume ihrer politischen Herrschaft einerseits und ihrer typischen Tonwarenproduktion andererseits nicht übereinstimmen. Im 3. und 2. Jhdt. v. Chr. fehlt jede eigenständige Keramik, sie setzt erst im Laufe des 1. Jhdts. v. Chr. ein, als das nabatäische Reich durch die Herrschaft über Damaskus bereits zu politischer Bedeutung gelangt war. Der Höhepunkt der Keramik fällt in die Blütezeit des Reiches, d. h. ins 1. Jhdt. v. Chr. und 1. Jhdt. n. Chr. Nach der Eroberung durch die Römer im Jahre 106 n. Chr. hat sich das eigenständige Kulturschaffen der Nabatäer nur noch 1–2 Generationen lang gehalten und sich dann gänzlich dem römischen Habitus angepaßt. Nur im religiösen Bereich, wo offenbar der Schwerpunkt für den Gebrauch der bemalten Keramik lag, hielten sich die Sitten und Gebräuche länger, wahrscheinlich bis zum Beginn der byzantinischen Ära (ca. 330 n. Chr.), als offenbar auch die Nabatäer das Christentum annahmen und ihre letzten alten Friedhöfe aufgaben.17 Eine kritische Zusammenfassung über die verschiedenen Arten der nabatäischen Keramik und ihren zeitlichen Rahmen gab der Verfasser 1979 in Riyadh.28 Danach findet sich diese Keramik in eine Zeitspanne vom 1. Jhdt. v. Chr. bis zum Ende des 3. Jhdts. n. Chr. eingebettet, wobei eine detaillierte Unterscheidung nach Typen und Gefäßarten noch nicht möglich ist. A. Negev sieht die besonders schöne feine bemalte klassische Ware fast ausschließlich als das Produkt von nur ein oder zwei Generationen um die 1. Hälfte des 1. Jhdts. n. Chr. an.
Die Entwicklung Horsfield6 datierte die Mehrzahl seiner Fund222
stücke versuchsweise zwischen das 1. Jhdt. v. Chr. und das 2. Jhdt. n. Chr. Murray9 enthielt sich bei den meisten Funden einer Datierung. Nach 1946 schrieb Harding über die Zeitstellung der nabatäischen Keramik ganz zurecht10: »Es ist absonderlich, daß Keramik der mittleren oder späteren Bronzezeit, jedenfalls in Palästina, durch den Fundzusammenhang mit ziemlicher Genauigkeit auf 25 oder 50 Jahre datiert werden kann. Demgegenüber scheinen hier, wo die geschichtlich weitaus besser bekannte römische Zeit erreicht ist, einige Jahrhunderte die engste Zeitspanne zu sein, auf die man hoffen kann.« Hammond hat 1956/57 in seiner unpublizierten Studie7 bereits auf Zusammenhänge zwischen Ware und Form hingewiesen, konnte aber nicht auf chronologische Fragen eingehen.
Tönung und Zeitstellung Im Jahre 1962 berichtete C. Bennett, die mit Parr in Petra gegraben hatte, erstmals von einem Zusammenhang zwischen der Tönung der Bemalung und der relativen Zeitstellung.13 Diese grundsätzliche Beobachtung, von der nicht gesagt wurde, ob sie eine Frage der Rohstoffzusammensetzung oder des Brandes ist, wurde seitdem allgemein akzeptiert und als willkommene Orientierung in dem noch zu unbekannten Gebiet der Datierung bemalter nabatäischer Keramik benutzt. A. Negev widmet sich dem Studium der Keramik seit der Entdeckung der Töpferei von Oboda im Jahre 1959 und hat mit einer Reihe von Artikeln Einblick in seine Forschungsergebnisse gegeben. Der abschließende Grabungsbericht über die Keramik von Oboda liegt inzwischen vor.27 Der jordanische Archäologe N. Khairy verfaßte aufgrund der Funde von Petra eine Dissertation über die unbemalte nabatäische Keramik, deren Ergebnisse leider nicht publiziert sind. So besteht noch keine detaillierte Chronologie. Eine Zuordnung der wichtigsten Ty-
pen in Vierteljahrhunderte ist damit noch ein Fernziel und ob später einmal eine Aufteilung in Dekaden bei der nabatäischen Keramik möglich sein wird, erscheint noch zweifelhaft. Das Studium der nabatäischen Keramik wurde seit jeher von der attraktiven bemalten Ware dominiert, die Erforschung der anderen Tonwaren ist dadurch meist zu kurz gekommen. Bei den Nabatäern lassen sich etwa 10 verschiedene Arten der Keramik unterscheiden, die sich zeitlich zwischen dem 1. Jhdt. v. Chr. und dem 3./4. Jhdt. n. Chr. bewegen. Ein Versuch zu ihrer typologischen und chronologischen Einordnung wurde von K. Schmitt-Korte unternommen.29 Bisher wurde bei chronologischen Überlegungen dem allgemeinen historischen Hintergrund der nabatäischen Kultur zu wenig Beachtung geschenkt und die Frage nicht beleuchtet, wann eine eigenständige nabatäische Keramik überhaupt erwartet werden kann.
Die früheste bemalte Keramik Der früheste Typ der bemalten Keramik (Blattranken und Zierlinien) ist eine vollkommen in sich geschlossene Gruppe. Die Motive bestehen nur aus vier Elementen, die allein vorkommen oder in unterschiedlicher Weise miteinander kombiniert sind. Schon früher wurde darauf hingewiesen, daß bei den verschiedenen Motivgruppen kaum Zwischenstufen gefunden werden konnten. 12 Dies gilt in besonderem Maße für den frühen Typ, bei dem jegliche Vorstufe zu fehlen scheint. Das Auftreten einer derartigen Keramik ohne erkennbare Vorentwicklung legt den Gedanken an eine geplante Initiative, die bewußte Aufnahme einer eigenen Keramikherstellung für das Nabatäerreich nahe. Ein Blick auf die »Fixpunkte« der nabatäischen Chronologie zeigt, daß die Münzprägung unter Aretas III. Philhellenos (87 bis 62 v. Chr.) begann. Es würde ausgezeichnet in das Gesamtbild passen, wenn die Schöpfung einer eigenständigen Keramik gerade in eine Zeitspanne fällt, in der ein aufgeschlossener Herrscher eine aktive Politik betrieb. Der Umstand, daß die früheste Ware künstlerisch
besonders einfach ist und geometrische Zierelemente mit Pflanzenmustern in ganz naturalistischer Gestaltung zeigt, fügt sich harmonisch in das Bild einer gerade erst begonnenen Entwicklung ein. Daß der Keramiktyp, der hier als »früher Stil« bzw. »frühe Ware« bezeichnet wird, tatsächlich am Anfang der relativen Chronologie steht, belegt die archäologische Schichtenfolge aus Petra, die Parr mitgeteilt hat.14 Sie bestätigt auch, daß die Nadelmuster in die Anfangsphase der Motivskala fallen.
Stilisierte Motive Es entspricht dem natürlichen Gang der Entwicklung, wenn die stilisierten Motive auf die naturalistischen folgen. Aber auch hier fällt ein Mangel an Übergangsformen auf. Stilisierte Motive, deren Anlehnung an die natürlichen Vorbilder noch erkennbar ist – wie z. B. die Granatäpfel (vgl. 14) – finden sich neben solchen, die in hohem Maße abstrahiert sind (z. B. 13 und 16). Als bisher einziges Motiv konnte die Entwicklung des Granatapfels »entschlüsselt« werden (vgl. Beitrag in diesem Band). Es kann nicht belegt werden, wie die einzelnen Stile der bemalten Ware einander abgelöst haben; vielmehr ist zumindest ein Nebeneinander der Motivgruppen II, III und V anzunehmen. Es liegen übrigens keine Anzeichen vor, daß die unbemalte Ware in einen besonderen Zeitabschnitt fällt; sie bestand parallel zur bemalten, diente aber wahrscheinlich anderen Zwecken. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß um die Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. das Kulturschaffen, das sich direkt auf die Nabatäer zurückführen läßt, innerhalb kurzer Zeit zum Erliegen kam. Die Bautätigkeit ging zu diesem Zeitpunkt offenbar gänzlich auf die Römer über, nabatäische Bauinschriften, Kapitelle oder Steinmetzzeichen treten nicht mehr auf. Der politischen Romanisierung folgt die Angleichung im kulturellen Bereich. Offenbar haben sich lediglich die religiösen Sitten und Bräuche noch bis zum Beginn der byzantinischen Zeit (ca. 330 n. Chr.) erhalten. 223
Abb. 5 u. 6: Fragmente eines weiten Bechers, Höhe 10 cm, 0 14 cm, innen mit Gitter, Punkten und Ähren bemalt.
Fragment eines schlanken Bechers, Höhe 10, 5 cm, 0 9 cm, innen fein mit stilisierten Früchten bemalt.
Das längere Nachleben der nabatäischen Schrift darf nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Die betreffenden epigraphischen Zeugnisse, die die Tafel mit den »Fixpunkten« nach 150 n. Chr. aufweist, sollten nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Nabatäer praktisch ihre kulturelle Identität ein halbes Jahrhundert nach dem Ende der peträischen Dynastie aufgegeben haben. Daß aber die 224
Keramik noch bis ins 3. Jhdt. fortgelebt hat, ist nun wohl sicher. Die hier beschriebenen Dekor-Schemata sind von der Bemalung auf flachen Schalen abgeleitet und sollen streng genommen auch nur für diese gelten. An tieferen Gefäßen mit Außenbemalung wie Krügen, Töpfen und Tassen sowie Bechern mit Innenbemalung ist zu wenig gefunden (Abb. 5 und 6), um Endgültiges zu sagen. Die bisherige Sichtung zeigt jedoch an, daß dort im Prinzip dieselben Grundmotive vorkommen, die wir bei den Schalen antreffen. Im übrigen deutet alles darauf hin, daß die Bemalung der Keramik, wie sie an verschiedenen Orten des Nabatäerreiches gefunden (oder erzeugt) wurde, einheitlichen Regeln folgte. Dennoch ist die nabatäische Keramik ein Erzeugnis orientalischer Handwerkerkunst, bei dem die Freude an der Variation eines gegebenen Themas sowie die rein manuelle Ausführung nachträglich Regeln ausschließen, die frei von Ausnahmen und Überschneidungen sind. Fälle, wo ein Gefäß zwei verschiedenen oder keiner der aufgeführten Gruppe zuge-
teilt werden könnte, sind nicht zu vermeiden und die Entscheidung ist im Zweifelsfalle eine Frage der Übereinkunft (Abb. 7). In diesem Sinne könnte das vorliegende Schema bereits als zufriedenstellend angesehen werden, wenn es nur 75 Prozent der vorkommenden Fälle umfaßte. In Wirklichkeit liegt dieser Satz aber über 90 Prozent.
Schlußbetrachtung Was die Orientierung der nabatäischen Kunst im allgemeinen betrifft, so sind hellenistische Einflüsse in der Felsarchitektur, parthische Reminiszenzen in der Skulptur, klassische Vorbilder bei der Münzprägung und eine starke Anlehnung an römische Ware bei den Öllampen nicht zu verkennen. Von allen Erzeugnissen der Nabatäer ist die feine Keramik mit ihren abstrakten Mustern die eigenständigste Schöpfung dieser arabischen Kultur. Der Zusammenhang zwischen Art und Anordnung der Motive ist nicht nur für das Verständnis, sondern auch für die Rekonstruktion der nabatäischen Keramikmuster von Bedeutung. Über die Chronologie werden die Ausgräber das letzte Wort sagen.
Abb. 7: Nabatäische Schale, früh, 0 20 cm, Wandst. 1,5 cm. Palmettendekor mit Doppeldreiecken und Trauben in weicher ockerfarbener Tönung mit Schraffur. Feine Arbeit.
Literatur und Anmerkungen Dalman, G.: Petra und seine Felsheiligtümer (Leipzig 1908) 354–360; Dalman, G.: Neue Petra-Forschungen (Leipzig 1912) 27–28, bes. Abb. 15b. – 2 Conway, A.: Exploring »A City of Mystery«. Illustrated London News (Feb. 1, 1930) 160–162 und 192; Horsfield, G./ Conway, A.: Historical and Topographical Notes on Edom with an Account of the First Excavations at Petra. Geogr. Journal 76 (Nov. 1930) 369–390. – 3 Glueck, N.: Explorations in Eastern Palestine. I–IV. AASOR 14 (1934); 15 (1935); 18/19 (1939); 25/28 (1951); bes. AASOR 25/28, 13–18. – 4 Winnett, F. V./Reed, W. L.: Ancient Records from North Arabia (Toronto 1970) 178-180 u. Taf. 81. – 5 Negev, A.: Avdat – A Caravan Halt in the Negev. Archaeology 14 (1961) 122– 130. – 5a F. Zayadine, Recent Excavations at Petra (1979–81), ADAJ 26, 1982, 365–393. – 6 Horsfield, G. u. A.: Sela-Petra, The Rock of Edom and Nabatene. QDAP IX, 2/4 (1941) 105–204, Taf. 5a–49b. – 7 Hammond, Ph. C: A Study of Nabataean Pottery (Yale 1957). Als Mikrofilm erhältl. von University Microfilms, Ann Arbor, Michigan USA (Doctoral Dissertation Series no. 67–9216). – 8 Hammond, Ph. C: 1
Nabatäische Schale (0 15,5 cm), geknickte Form. Mit feinem Nadelmuster in kreisförmiger Anordnung bemalt.
Nabatäische Schale, spät, G) 22 cm, Bemalung schwarz-braun: Palmetten-Dekor mit Sternen (Narzissenblüten?).
225
Am. Journ. of Archaeol. 63 (1959) 371–382; 66 (1962) 169–180; 68 (1964) 259–268. – 9 Murray, M. A./ Ellis, J. C: A Street in Petra (London 1940). – 10 Harding, G. L.: A Nabataean Tomb in Amman. QDAP XII (1946) 58–62; Harding, G. L: Auf Biblischem Boden – Die Altertümer in Jordanien (Wiesbaden 1961) Taf. 18. – II Glueck, N.: Deities and Dolphins (New York 1965) Taf. 73–82. – u Schmitt-Korte, K.: Beitrag zur nabatäischen Keramik. Archäolog. Anz. (1968) 496–519. – 1 2 a P. J. Parr, Pottery, People and Politics in: K. Kenyon, Archaeology in the Levant. Essays for Kathleen Kenyon. Ed. by R. Moorey and P. Parr (Warminster 1978) 202–209. – 13 C. M. Bennett, The Nabataeans in Petra, Archaeology 1962, 277–279; P. J. Parr, The Beginnings of Hellenisation at Petra, 8e Congrès Int. d'Arch. Classique (Paris 1965) 527–533 u. Taf. 131–132. – 14 Parr, P. J.: A Sequence of Pottery from Petra in: Saunders, J. A., Near Eastern Archaeology in the Twentieth Century (New York 1970) 348–381. – 15 Übersichtlichste Zusammenfassung in Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Ed. M. Avi-Yonah, Bd. 1–4 (Jerusalem 1975–1978) Artikel Edoba (Oboda), Kurnub (Mampsis), Elusa, Nessana,
Subeita (Sobata). Siehe auch A. Negev, Die Nabatäer, Antike Welt, Sonderheft (Feldmeilen 1976), mit Bibliographie. – 16 A. Negev, The Nabatean Potter's Workshop at Oboda (Bonn 1974). – 17 A. Negev, R. Sivan, The Pottery of the Nabatean Necropolis at Mampsis in: REI CRETARIAE ROMANAE FAVTORVM, Acta 17/18, 10. Congress, Kaiser-Augst 1977. – 18 wie (17), No. 1–41. – W wie (17), No. 1–15. – 20 wie (17), No. 51 und 62. – 21 wie (17). – 22 Noch nicht veröffentlicht; persönliche Mitteilungen von A. Negev im Sept. 1978. – 2i A. Negev, Nabatean Sigillata, Revue Biblique 79 (1972) 381–398. – 24 K. Schmitt-Korte, Die Nabatäer – Spuren einer arabischen Kultur der Antike, Ausst.-Katalog, Dt.-Jordan. Ges. (Hannover 1976) 56. – 25 R. Sivan, Notes on Some Nabatean Pottery Vessels, IEJ 27 (1977) 138–144, vgl. No. 11. – » vgl. die Beiträge in der 1. Aufl. dieses Buches (1970) 47–50 und in der 2. Aufl. (1974) 70–93. – 27 A. Negev, The Late Hellenistic and Early Roman Pottery of Nabatean Oboda, Final Report, Qedem 22 (Jerusalem 1986). – 28 K. Schmitt-Korte, Nabataean Pottery; A Typological and Chronological Framework, in: A. T. al-Ansary (Hrsg.), Pre-Islamic Arabia II (Riadh 1984) 7–40.
Tabelle 2 Lfd. Nr. Gefäß- Durchmesser Erhaltungs(Zeichnung) form cm grad %
226
1
d
16,5
100
2 3 4
d d d
19 17,5 18
ca. 30 ca. 30 ca. 87
5
e
9,5
100
6
d
7 8 9 10 11
d g a a a
12 13
a d
18 19
ca. 35 ca. 75
14
d
17,5
ca. 55
15
d
18
ca. 55
22 ca. 21 8 17,5 19 17
ca. 80 ca. 40 75 ca. 60 ca. 60 ca. 80
Referenzen
H. Dunscombe Colt, Washington; N. Glueck, Deities and Dolphins (1965), PI. 73 b SK 90 (nicht veröffentlicht) SK 77 (nicht veröffentlicht) Petra Excavation Fund; N. Glueck, Deities and Dolphins (1965), PL 76 d Dr. O. Monod, Paris (nicht veröffentlicht) Prähistorische Staatssammlung München, Katalog Nr. 13 (1970), Abb. 27 SK 86 (nicht veröffentlicht) SK 35, Archäol. Anzeiger 1968, S. 510 SK 71 (nicht veröffentlicht) SK 70 (nicht veröffentlicht) Petra Excavation Fund, Ser. Nr. 1870; N. Glueck, Deities and Dolphins (1965) PL 76 a SK 84 (nicht veröffentlicht) Dr. M. Lindner, Nürnberg (nicht veröffentlicht) N. Glueck, Deities and Dolphins (1965), PL 73 a und 74 a SK 91 (nicht veröffentlicht)
Lfd. Nr. Gefäß- Durchmesser Erhaltungs(Zeichnung) form cm grad % 16 17 18 19
d d f d
21 22 17 25
20
b
13,5
21
g
8
ca. 75
22 23
d d
22,5 18,5
ca. 95 98
24 25
d c oder d
26 27 28 29
c c f d
15,5 10,5 15 20
ca. 80 99 ca. 40 ca. 93
30 31
a a
22 22
ca. 50 ca. 50
32
d (?)
ca. 21
ca. 20
33
e
10
ca. 75
34 35 36
e f d
10 15 32
ca. 92 98 ca. 65
37
d
16
ca. 50
38
d
19
ca. 25
25 ca. 23
ca. ca. ca. ca.
20 40 80 25
97
ca. 35 ca. 12
Referenzen
SK 102 (nicht veröffentlicht) SK 75 SK 58 University Museum, Cambridge; Horsfield, QDAP IX, 2/4 (1941), S. 147, Fig. 16 Dr. M. Lindner, Nürnberg (nicht veröffentlicht) Petra Excavation Fund, Ser. Nr. 1055 (nicht veröffentlicht) SK 57 (nicht veröffentlicht) G. L. Harding/Department of Antiquities, Amman; N. Glueck, Deities and Dolphins (1965), PL 77 b SK 76 (nicht veröffentlicht) University Museum, Cambridge; Horsfield, QDAP IX, 2/4 (1941), S. 184, Fig. 44 SK 61 SK 59 (nicht veröffentlicht) SK 82 SK 56 Kataloge der Prähistorischen Staatssammlung München, Nr. 13 (1970) Abb. 27 SK 72 (nicht veröffentlicht) Dr. M. Lindner, Nürnberg (nicht veröffentlicht) University Museum, Cambridge; Horsfield, QDAP IX, 2/4 (1941), S. 188, Fig. 50 Prähistorische Staatssammlung München, Katalog Nr. 13 (1970) Abb. 27 SK 36, AA 1968, 510 SK 38, AA 1968, 512 Dr. M. A. Murray/Palestine Archaeological Museum, Jerusalem; Horsfield, QDAP IX, 2/4 (1941), S. 172 a, Fig. 27 Petra Excavation Fund, Ser. Nr. 1630 (nicht veröffentlicht) SK 69 (nicht veröffentlicht)
Der Verfasser dankt Dr. Parr, London, für die Gelegenheit zur Einsichtnahme in die noch unpublizierten Funde der Petra-Ausgrabungen. Die Wiedergabe der Zeichungen 1, 4, 5, 6, 11, 13, 14, 19, 20, 21, 23, 25, 31, 32, 33, 36 und 37 erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Besitzer. Die Buchstaben SK bezeichnen die Nummern aus der Sammlung des Verfassers.
227
KARL SCHMITT-KORTE
Die Entwicklung des Granatapfel-Motivs in der nabatäischen Keramik Die einzigartige bemalte Keramik der Nabatäer gehört zu den interessantesten Hinterlassenschaften dieses arabischen Volksstammes, der um die Zeit Alexanders des Großen von einem Nomadendasein durch Karawanenhandel zu beachtlicher Zivilisation und Blüte emporstieg. Das Königreich währte bis zur Eroberung durch die Römer unter Kaiser Trajan im Jahre 106 n. Chr. Die Keramik wurde hauptsächlich in beiden Jahrhunderten vor und nach Christus hergestellt und ist im südlichen Jordanien (ScheraGebiet) und Palästina (Negevwüste) am weitesten verbreitet. Die Metropole des Nabatäerstaates war Petra, die geheimnisvolle Felsenstadt zwischen dem Toten und dem Roten Meer. Dort wurde am meisten Keramik gefunden. Ein Abriß der Keramik wird an anderer Stelle in diesem Band gegeben.
Die bemalte Keramik Die bemalten Gefäße wurden im kultischen Bereich, z. B. bei Totenfeiern, benutzt. Inwieweit sie auch als Haushaltsware dienten, ist noch unklar. Die Bemalung wird von Motiven aus dem Pflanzenreich beherrscht, die zumeist stark stilisiert, ja manchmal kaum noch zu erkennen sind. Einige typische Muster sind Palmetten, Blattranken, Oliven, Efeu- und Weinblätter, Feigen und Ähren. Es gibt eine kleinere Anzahl rätselhafter Muster, deren Stilisierung fast bis zur Unkenntlichkeit getrieben wurde, wahrscheinlich das Produkt einer handwerklichen Tradition über einige Generationen. Ein derartiges Muster soll hier behandelt werden. Es sieht aus wie ein bumerangartiges Gebilde oder ein v e r g r ö b e r t e s B l ü t e n b l a t t d e s A ho r n s (Abb. 1). Das andere Beispiel könnte einen phantasievollen Betrachter an den Kopf eines Insekts denken lassen (Abb. 6). Die Ableitung eines solchen Motives aus dem Pflanzenreich erscheint auf den ersten Blick als kühne Spekulation. Durch einen neuen Fund (Abb. 2) ist es erstmals möglich, eine derartige Motiventwicklung typologisch zu verfolgen und auf Pflanzenornamente zurückzuführen.
Der Granatapfel im Orient Vorkommen und Verwendung
Abb. 1: Nabatäische Schale aus Petra (ergänzt), 1. Jh. v./n. Chr.
228
Der Granatapfel (punica granatum oder malum punicum) wird im Orient seit über 5000 Jahren kultiviert. Er findet sich schon auf Darstellungen im alten Ägypten und Assyrien. In der Bibel gehört er zu den Früchten des Gelobten Landes (Deut. 8,8) und figu-
rierte hundertfach als Ornament an den ehernen Säulen des Tempels von Salomon (1. Kön. 7,18). Überreste tatsächlicher Granatäpfel aus alter Zeit fanden sich bei archäologischen Grabungen am Toten Meer, und Kerne der Frucht kamen in den Gewölben einer byzantinischen Kirche in der Negevwüste ans Tageslicht. Daß der Granatapfelbaum auch unter Wüstenbedingungen, wie sie im Land der Nabatäer herrschten, und bei nur gelegentlichem natürlichem Niederschlag gedeihen kann, hat Evenari auf einer Versuchsfarm in Shivta (Sobata) im Negev nachgewiesen, wo antike Bewässerungsmethoden wieder erprobt werden.1 Der Granatapfelbaum und seine Frucht wurden in verschiedener Weise genutzt. Aus Rinde und Wurzel wird Tannin zum Gerben von Leder und auch ein Mittel gegen Wurmkrankheiten gewonnen. Die herrlich leuchtende Blüte liefert einen roten Farbstoff. Die Frucht selbst wird gegessen oder zu Saft gepreßt, der ein erfrischendes Getränk ergibt oder zu Wein vergoren werden kann. Die Granatapfelernte hat heute mit mehreren tausend Tonnen jährlich in Palästina erhebliche wirtschaftliche Bedeutung.
Symbolik Gerade die zahlreichen Kerne sind der Ausgangspunkt einer vielfältigen symbolischen Bedeutung. Der Granatapfel ist seit alters her Sinnbild der Fruchtbarkeit und Lebensfülle, er ist Götterzeichen und Totenemblem. In der Furchtbarkeitssymbolik des Alten Orients spielt er besonders im religiösen Bereich eine große Rolle.2 Von hier drang er in die griechische Sagenwelt ein (Nana, Side, Persephone, Rhoio u. a.) und eroberte sich auch einen Platz in der Symbolik bei den Römern. Die bereits erwähnte Darstellung an den ehernen Säulen des Tempels von Salomon wird noch ergänzt durch die Schmuckborte am Gewand des Hohenpriesters (Ex. 28, 33). Die jüdischen Silberschekel aus der Zeit des Krieges gegen die Römer (66–70 n. Chr.) zeigen Granatäpfel, und zwar dreifach. Auch
Abb. 2: Fragment einer flachen Schale. Ziegelroter Ton, rotbraun bemalt. Foto: Schmitt-Korte
auf dem Mosaikfußboden der Synagoge von Beth Alpha (Galiläa) und auf einem Steinfries der Synagoge von Kapernaum finden sich Granatäpfel, wiederum dreifach. Diese Zahl ist übrigens kein Zufall. Im Jahre 1937 wurde auf einem Berg im Wadi Hesa zwischen Amman und Petra der nabatäische Tempel von Khirbet et-Tannur ausgegraben. Das Portal trug ein halbkreisförmiges Feld mit einer großen Büste der Fruchtbarkeitsgöttin Atargatis vor einem Hintergrund von Blüten und Früchten. Hier findet sich auch der Granatapfel, und ein bereits stärker verwittertes Kalksteinrelief in Petra zeigt einen Eros, der diese Früchte pflückt. Dadurch ist das Symbol auch bei den Nabatäern belegt.3
Die Dreiheit Der Granatapfel erscheint auch als Symbol der Dreiheit des Lebens – Heiligkeit, Fruchtbarkeit und Überfluß. Im semitischen Raum hat die Dreiheit als solche weitreichende Bedeutung. Die heidnischen Götter zeigen sich oft als Trias, z. B. Sonne, Mond und Morgenstern. Bei den Nabatäern ist die Dreiheit im kultischen Bereich ebenfalls anzutreffen. Die architektonische Gliederung der Cella im großen Tempel von Petra (Kasr el-Bint Faraun) mit der Einfügung eines dreigeteilten »Adytons« und der mächtige Tempel zu Kasr Rabba sind Beispiele. Vielleicht können auch 229
Die Belegstücke
Abb. 3: Bruchstück einer Schale aus dem Tempel von Khirbet et-Tannur: Granatäpfel zwischen Palmetten. Foto: American School of Oriental Research, New Haven. Darunter: Rekonstruktionszeichnung.
die drei Figuren am »Soldatengrab« oder »Statuengrab« im Wadi Farasa von Petra 5 hierzu gerechnet werden, obwohl unklar ist, ob sie sakralen oder sepulchralen Zweck hatten. Der Dreiheitsgedanke im nabatäischen Kult ist auch an den beiden bedeutendsten Felsmonumenten in Petra ausgedrückt: der Tempel ed-Der in der Gliederung der Außenfassade und die »Khazne Fara'un« (Schatzhaus) in der Anordnung der Innenkammern – insgesamt drei Felsenkammern, wovon die mittlere nochmals drei Seitennischen aufweist.6 Diese Dreiheit im religiösen Bereich hat im Orient deutliche Ausstrahlung auf die Kunst im allgemeinen gehabt, wodurch eine motivliche Dreiergruppierung als ganz natürlich angesehen wird. In der nabatäischen Keramik spielt die Dreiheit in der Motivgestaltung eine sehr große Rolle. Ob es sich hierbei um eine bewußte religiöse Symbolik oder nur um eine unbewußte künstlerische Harmonieauffassung handelt, sei ausdrücklich dahingestellt. 230
Bei der Ausgrabung des Tempels von Khirbet et-Tannur fand Nelson Glueck Bruchstücke einer halben bemalten Schale, auf der zwischen Palmetten eine Frucht zu sehen ist (Abb. 3). Es fällt nicht schwer, durch den Vergleich mit der wirklichen Frucht (Abb. 4) darin einen Granatapfel zu erkennen, dessen charakteristisches Merkmal die Kelchblätter sind. In der künstlerischen Darstellung wird die Frucht bald hängend, wie am Baume mit den Kelchblättern nach unten, bald umgekehrt gezeigt, wie sie auf dem Tisch liegt. Der Granatapfel hat vier oder sechs Kelchblätter, wovon bei stilisierter Darstellung und je nach Perspektive zwei, drei oder höchstens vier abgebildet werden. Bei der Schale aus Tannur sind zwei davon deutlich zu sehen, ein drittes ist flüchtig angedeutet. Eine Scherbe, die vermutlich von einem großen Krug stammt, zeigt eine ähnliche Darstellung, jedoch mit vier Kelchblättern, von denen eines nur schwach ausgeprägt ist (Abb. 5, links). Daneben findet sich ein zapfenartiges Gebilde. Drei einander ähnliche Gebilde, in gerader Linie angeordnet, sind auf einem großen Bruchstück einer flachen Schale zu sehen. Sie kommt ebenso wie das vorerwähnte Stück und die nachfolgend beschriebenen Belege aus Petra. Hier trägt nur das mittlere Objekt Kelchblätter (Abb. 6, links). Darunter befindet sich wiederum ein Zapfen, dessen Bedeutung unklar ist. Beim nächsten Beispiel sind die drei Gebilde winklig zueinander angeordnet und füllen das Feld weitgehend aus (Abb. 5, Mitte). Auf zwei weiteren Scherben ist der mittlere Teil zu einem kleinen Dreieck reduziert, die Kelchblätter sind noch stärker schematisiert (Abb. 5, rechts, und Abb. 6, rechts). Einen weiteren Schritt in der Stilisierung des Motivs zeigt eine Schale, auf der zwei flügelartige Gebilde aneinander liegen. An ihrer gemeinsamen Spitze tragen sie wiederum die charakteristischen Kelchblätter in der gleichen Art wie die vorangegangenen Beispiele (Abb. 2).
Die Palmette, die bei den anderen Stücken das Hauptmotiv flankierte, ist hier kranzartig am Rand der Schale angeordnet. Auch der bereits beobachtete Zapfen tritt erneut auf, aber in einer gänzlich anderen und nicht gerade gefälligen Form. Eine Henkelschale mit zylindrischem Rand trägt ein ähnliches Motiv, jedoch sind nunmehr die Kelchblätter gänzlich fortgefallen. Die dreifache Gesamtanordnung des Musters erinnert nur noch entfernt an die vorangehende Darstellung. Den Mittelpunkt bildet eine Rosette (Abb. 1).
Abb. 4: Granatapfel aus Palästina (Größe 8 cm). Die charakteristischen Kelchblätter sind deutlich sichtbar. Foto: Schmitt-Korte
Die Entwicklung Die hier beschriebenen Belegstücke erlauben die Ableitung einer typologischen Motiventwicklung (Abb. 7). Von der wirklichen Frucht des Granatbaumes im schematisierten Querschnitt (A) ausgehend, wurde eine Stilisierung für den Gebrauch auf der Keramik vorgenommen (B). Das Motiv erscheint dreimal zwischen den Palmetten (vgl. Abb. 3, Rekonstruktion). Es
füllt – man könnte fast sagen, überfüllt – das Motivfeld. Die Anordnung spiegelt den Dreiheitsgedanken wider. Die ungefällige Form mag dazu geführt haben, daß das Motiv künstlerisch variiert wurde. Der Grundgedanke der Dreiheit erfuhr hierbei eine Verstärkung durch das Einsetzen von jeweils drei Granatäpfeln pro Feld, die zusammengefaßt sind (C). Dieses
Abb. 5
Belegstücke für das Granatapfel-Motiv auf Fragmenten nabatäischer Keramik.
Abb. 6 Fotos: Schmitt-Korte
231
Abb. 7: Typologisches Entwicklungsschema des Granatapfel-Motivs in der nabatäischen Keramik. (Die Form C ist hypothetisch.) Zeichnung: Schmitt-Korte
Zwischenstadium ist hypothetisch. Es machte einer stärker integrierten Gestaltung Platz (D), wobei die Kelchblätter nur noch auf der mittleren Frucht erscheinen. Als nächstes schrumpft dieser Mittelteil zu einem Dreieck zusammen (E), die Kelchblätter sind durch den geraden Zug des unteren Paares noch weiter schematisiert. Jetzt werden die beiden äußeren Früchte ganz zusammengezogen und flügelartig vereinigt (F). Die Kelchblätter bleiben zunächst noch unverändert, fallen aber schließlich auch noch fort (G). Dadurch erhält das Motiv die letzte belegbare Gestalt. Diese Folge ist nicht streng chronologisch zu verstehen. Die nabatäische Keramik ist noch zu wenig erforscht, um sie etwa nach Dekaden einteilen zu können; ob dies überhaupt je möglich sein wird, ist zu bezweifeln. Das Fragment aus dem Tempel von Tannur stammt nach Gluecks Angabe wahrscheinlich aus der Zeit um 20 v. Chr. oder etwas früher, also vor der Regierung von Aretas IV. (9 v. Chr. bis 40 n. Chr.). Es wurde in der Trennschicht zwischen Niveau I und II gefunden. 7 Ausgrabungen von Parr in Petra zeigen, daß die Schalen mit Palmettendarstellungen aus der Zeit von Aretas IV. oder später stammen (Phase XI).8 Wenn sich chronologisch auch nichts Genaueres sagen läßt, so zeigt sich doch, daß das naturalistische Bild aus Tannur zeitlich früher ist als die stärker stilisierten Ausführungen – eine Aussage, welche das Konzept von der Entwicklung ausgezeichnet ergänzt. Nach dem heutigen Stand des Wissens 232
stammt das hier erörterte Material geschlossen aus dem 1. Jahrhundert vor/nach Chr., wahrscheinlich aus dem Zeitraum 50 v. Chr. bis 50 n. Chr. Dies war die klassische Epoche der nabatäischen Keramikherstellung unter König Aretas IV., dem bedeutendsten Herrscher in Petra. Sämtliche Stücke, außer dem Krugfragment (Abb. 5, links), sind von flachen Schalen und tragen die Merkmale der Ware aus der Blütezeit dieser Keramik, nämlich sehr fein geschlämmten Ton, geringe Wandstärke (1,5 bis 4 mm), ziegelroten Tonbrand und rotbraune Bemalung. Da die Schalen bei den Nabaätern nicht, wie z. B. die römischen Terra sigillata, serienmäßig in Formen gepreßt wurden, sondern jedes Stück einzeln von Hand verziert wurde, sind individuelle Faktoren bei der Bemalung ausgeprägt. Die weitaus meisten bemalten Schalen sind Einzelstücke, und selbst bei den häufiger auftretenden Mustern sind zwei bis ins Detail gleiche Stücke bisher nicht gefunden worden. Die hier aufgezeigte typologische Folge soll anzeigen, wie ein Motiv künstlerisch bzw. handwerklich verschieden aufgefaßt wurde und in unterschiedlich starker Stilisierung neben- oder nacheinander vorkam. Das Auffinden der Übergangsform F (Abb. 2) hat die Entschlüsselung des Granatapfelmotivs ermöglicht und berechtigt zu der Annahme, daß auch andere bisher nicht deutbare Muster dieser Keramik aus der semitisch-hellenistischen Symbolwelt der Nabatäer zu verstehen sind.
Literatur Evenari, M., Shanan L., Tadmor, N.: The Negev – The Challenge of a Desert (Cambridge, Mass. 1971) 207, 208, 221. – 2 Muthmann, F.: Der Granatapfel, Symbol des Lebens in der Alten Welt (Bern 1982). – 3 Glueck, N.: Deities and Dolphins (New York 1965) Taf. 31 (rechts außen), Taf. 171b. – 4 Brünnow, R. E., v. Domaszewski, A.: Die Provincia Arabia I (Straßburg, 1904) 176, 309k, 48. – 5 Brünnow-Domaszewski: op. cit. 160, 274. – 6 Brünnow-Domaszewski: op. cit. 222, 223, 225 und Frontispiz. – 7 Glueck, N.: op. cit. 101, 138, 139. – 8 Parr, P. J.: A Sequence of Pottery from Petra, in J. A. Sanders (Hrsg.): Near Eastern Archaeology in the Twentieth Century – Essays in Honor of Nelson Glueck (New York 1970) 365, 366, 370. 1
INGRID KÜNNE UND MARGARETE WANKE
Petra: Landschaft und Pflanzenwelt
Lage und Gliederung
Geologie
Jordanien liegt im nordwestlichen Teil der arabischen Halbinsel und zwar im Bereich der Landbrücke zwischen Kleinasien und Nordafrika. Im Gegensatz zum Innern dieser morphologisch sehr gleichförmigen Halbinsel hat Jordanien, besonders sein westlicher Teil, sehr mannigfaltige Oberflächenformen. Durch die beide Kontinente verbindende Landbrücke verläuft in NNO-Richtung der Senkungsgraben Wadi Araba – Totes Meer – Jordangraben – See Tiberias. Seine östliche Randscholle, das Ostjordanische Bergland, steigt vom Graben aus steil an und fällt nach Osten allmählich zu den zentralen Wüstengebieten Ost Jordaniens ab. Diese stellen im wesentlichen ein im Verwitterungsschutt ertrunkenes Schichtstufenland dar. Den steilen Anstieg von der Grabensohle veranschaulichen folgende Zahlen: Als höchster Berg liegt der Dschebel Mubrak mit 1727 m kaum 25 km vom Wadi Araba entfernt, das in der Wasserscheide beim Dschebel er-Risha 240 m hoch ist. Die Berge südlich der Stadt Kerak weisen eine Höhe von ungefähr 1300 m auf, und nur 13 km weiter liegt das Tote Meer, mit 392 m unter dem Meeresspiegel die tiefste Festlandsdepression der Erde. Dieser stark ausgeprägten vertikalen Gliederung entspricht eine ebenfalls reiche horizontale Unterteilung in einzelne Gebirgsstöcke, deren wichtigster die Schera-Berge (Dschebel esch-Schera) sind. In ihrem Bereich befinden sich auch die höchsten Erhebungen des Ostjordanischen Berglandes. In diesem Gebirge entstand in einer von der Natur mit besonderen Vorteilen ausgestatteten Lage die antike Stadt Petra.
Den Sockel des Ostjordanischen Berglandes bildet ein kristallines Grundgebirge, über dessen Entstehung noch nichts Endgültiges ausgesagt werden kann. Darüber liegen Schichten des Kambriums, die frühere Autoren unzutreffenderweise als Nubischen Sandstein bezeichnet haben. So stammen aus dem Unterkambrium gebankte Arkosesandsteine (= feldspathaltige Sandsteine) und Konglomerate, beide kontinentaler Entstehung. Darüber folgen in Südjordanien massige, braun verwitternde, ebenfalls kontinentale Sandsteine, im mittleren Wadi Araba-Gebiet marine, weiße Feinsandsteine. An der Wende zum Mittelkambrium war es wiederholt zur Ingression der paläozoischen Tethys von Nordwesten und Westen nach Südosten gekommen. Das Ergebnis sind die Feinsandsteine. Die »Nubischen Sandsteine« sind vorwiegend braun, rotbraun, gelblich oder auch intensiv rotviolett. Die Farbschichtung kann schräg, quer oder auch ganz unregelmäßig zur Gesteinsschichtung verlaufen und erinnert an Moire-Seide oder an die Maserung von Holz. Verschiedene Einlagerungen von Grobkies-, Feinkies- und Milchquarzgeröllen deuten auf eine küstennahe Sedimentation hin. Im Gebiet von Petra (Wadi Musa) ist die Verzahnung der braun verwitternden Sandsteine mit den weißen Feinsandsteinen besonders gut zu beobachten. Im Ostjordanischen Bergland gibt es vom Wadi Abu Barka an nordwärts eine Reihe stockartiger Massen und Gänge aus Quarzporphyr, die in den unteren kambrischen Sandsteinen zwischengelagert sind, z. B. im 233
Abb. 1: Felsgräber im Gebiet von en-Nasara an der Grenze zweier geologischer Formationen. Im Vordergrund brauner Sandstein des Kambrium, im Hintergrund der sanft ansteigende Hang des Berges Dib'diba, aufgebaut aus weißen Sandsteinen des Unterordovizium.
Wadi Retam, das vom Wadi Musa nach Süden abzweigt, oder im Wadi Siyagh. Diese Massen sind das Ergebnis von Vulkanausbrüchen an der Wende Oberalgonkium/Unterkambrium. Physikalische Altersbestimmungen, die an diesem Gestein an einigen Orten vorgenommen wurden, ergaben Werte von 530 (± 50) Millionen Jahren. Die Bergstöcke heben sich durch ihre dunkelbraune und grüne Färbung und ihre abweichende Verwitterung – die Oberfläche weist senkrecht verlaufende Leisten und Rinnen auf – von den umgebenden Sandsteinen deutlich ab. Die auf das Kambrium folgenden Sandsteinschichten des Ordoviziums sind teils kontinentaler, teils mariner Entstehung. Für den Raum um Petra haben nur die Sandsteine des Unterordoviziums Bedeutung. Es handelt sich um weiße bis blaßbeige schräggeschichtete Mittel- und Grobsandsteine mit eingelagerten Kiesgeröllen und 234
auffallend runden Verwitterungsformen. Formationen des Silurs stehen im Gebiet von Wadi Musa nicht an; Ablagerungen aus dem Devon, Karbon und Perm konnten in Jordanien bisher nicht nachgewiesen werden (Abb. 1). Auf den Schichten des Paläozoikums lagern diskordant die der Kreide. Sie stammen von der weitreichenden Transgression des mesozoischen Tethysmeeres und weisen in den einzelnen Stufen unterschiedliche Fazies, wie tonige Sandsteine, Kalksandsteine, Tone, Mergel und Dolomite auf. Außerhalb des Stadtgebietes von Petra liegt der Ort Wadi Musa (Eidschi) im Bereich der Schichten des Cenoman, die Mosesquelle (Ain Musa) selbst in der Maastricht-Campan-Serie. Die Formationen der Kreide erstrecken sich weit ostwärts und bilden einen Teil des nach Osten einfallenden Schichtstufenlandes. Die Grenze zwischen den Schichten des Paläo-
zoikums und Mesozoikums tritt im Landschaftsbild deutlich hervor. Westlich der Straße Wadi Musa – Ma'an erheben sich schroff die dunkelgelben und braunen Sandsteine des Kambriums. Östlich davon liegen die sanft gerundeten, hellfarbigen Rücken der Kalksandsteine aus der Kreidezeit, die von manchen älteren Autoren Edomitisches Tafelland genannt wurden. Während östlich der Stadt die Formationen des Kambriums, Ordoviziums und der Kreide ein nahezu gleichmäßiges Nord-Süd-Streichen erkennen lassen, ist die Anordnung der Schichten im Westen schwer sichtbar. In diesem Gebiet vollzog sich – im Obereozän/Oligozän beginnend – der Einbruch des Grabens und die Heraushebung des Ostjordanischen Berglandes. Hier verlaufen zahlreiche meist nordsüd-streichende Störungslinien, die für die Zerstückelung der Schichtpakete verantwortlich sind. Im Wadi Araba selbst stehen an der Oberfläche die Wadiablagerungen und Verwitterungsmassen des Quartärs – der geologischen Gegenwart – an. Dieser Versuch einer Deutung der paläogeographischen und stratigraphischen Verhältnisse im Räume der Nabatäerstadt Petra erfolgt in Anlehnung an die »Geologie von Jordanien« von F. Bender (1968), die auf den Arbeiten der Deutschen Geologischen Mission fußt. Das Werk bringt erstmals eine zeitliche Gliederung der paläozoischen und mesozoischen Sandsteine Südjordaniens und ersetzt die ungenaue Bezeichnung »Nubische Sandsteine« durch eindeutig definierte Zeitund Faziesbegriffe. Bereits 1847 wurde der Name »Nubische Sandsteine« durch Russegger eingeführt; eine genauere Bestimmung war damals nicht möglich. 1914 kam Blankenhorn zur Auffassung, daß der untere Teil dieser Sandsteine dem Kambrium angehört. Andere wiederum zählten die Nubischen Sandsteine zur Kreideformation. Diese widersprüchlichen Anschauungen dürften durch Bender geklärt worden sein.
Morphologie Petra liegt in einem Süd-Nord orientierten
Kessel mit einer Länge von etwa 1 km und einer maximalen Breite von etwa 0,8 km. Die Höhe über dem Meeresspiegel beträgt zwischen 875 und 925 m. Der Kessel selbst wird durch den Mosesbach zweigeteilt, wobei der südliche Abschnitt größer als der nördliche ist. Die Hügel zu beiden Seiten des Baches bergen die von Erosionsschutt bedeckten Ruinen der antiken Stadt. Das Verwitterungsmaterial wurde seit dem Untergang der Stadt durch die heftigen, allwinterlichen Regengüsse von den umliegenden Bergen heruntergespült, die im Osten, Westen und Nordwesten den Kessel nahezu lückenlos wie eine Mauer umschließen. Im Süden, Norden und Nordosten dagegen sind die Randhöhen niedriger und durchgängiger (etwa 1000– 1100 m). Über sie hinweg führen seit altersher wichtige Karawanenwege, die den Verkehr aus Südarabien bis zum Mittelmeer leiteten. Beim Betrachten der Felsumrahmung des Kessels fällt auf, daß ein Unterschied zwischen der Ost- und Westkette besteht. Der Osten zeigt sanft gerundete Kuppen, wie elHubta (1100 m) oder lange Rücken, wie Umm es-Sehun (1200 m) und im äußersten Nordosten Dib'diba (1280 m). Diese Höhen bestehen aus den massigen, weiß verwitternden Sandsteinen des Unterordoviziums, die sich im Norden bis gegen el-Beda und elBarid erstrecken und im Südosten im Gebiet von Sik und el-Medras allmählich gegen den braunen Sandstein auskeilen. Die Oberfläche ist im Gegensatz zu den abgeflachten Gipfeln der Westkette kuppelförmig. An manchen Stellen sind kleinere Kuppen dicht nebeneinander oder an Abhängen untereinander angeordnet. In ihnen finden sich häufig Mulden, Löcher und Höhlenbildungen, die bei entsprechender Größe frühzeitig als Unterschlupf benützt wurden und zur Entwicklung einer besonderen Höhlen- und Fassadenarchitektur anregten. Der größere Teil der Umrahmungen des Kessels, nämlich von el-Kantara und el-Farasa im Süden über Umm el-Biyara im Westen, ed-Der im Nordwesten und el-Me'esara im 235
Abb. 2: Der nördliche Teil des Stadtgebietes von Petra wird im W und NW von braunen kambrischen Sandsteinen umrahmt. Im Vordergrund links das Bett des Mosesbaches.
Norden wird von den braunen Sandsteinen des mittleren Kambriums aufgebaut. Sie machen durch ihre Buntheit und Mannigfaltigkeit der Verwitterungsformen den Reiz dieser Landschaft aus. Die Farben durchziehen in Bändern oder Schlieren das Gestein. Die Ursache ist der wechselnde Gehalt an Eisenund Manganverbindungen. Die Farbbänder stehen aber nicht in Zusammenhang mit der primären Schichtung. Vielmehr ist der Sandstein vorwiegend massig, nur gelegentlich gebankt. Die ausgeprägte Klüftung ermöglicht die Entstehung besonders bizarrer Verwitterungsformen, wie senkrechter Wände, Pfeiler und ähnlichem. Am eindruckvollsten sind die Felsen in der Siyagh-Schlucht und im edDer-Massiv (Abb. 2). Ein weiteres Merkmal dieses kambrischen Sandsteins sind isoliert stehende Bergstöcke mit nach allen Seiten senkrecht abfallenden Wänden und einem Gipfelplateau. Dazu gehören der Dschebel en-Nmer im el-Farasa236
Gebiet, der wie ein Schiffsbug aus dem Wadi en-Nmer emporragt, der Dschebel el-Barra und als besonders eindrucksvolle Gestalt Umm el-Biyara (1260 m). Dieser Berg ist nur von der Südost-Seite zu besteigen. Sein sanft geneigtes Gipfelplateau bietet sich geradezu an, auf ihm in Kriegszeiten Zuflucht zu suchen. Dicht neben ihm liegt – ähnlich gestaltet, aber mit 990 m wesentlich niedriger – der Felshügel el-Habis; auch er diente einst der Verteidigung. Zwischen beiden und den Felswänden, die schon zum ed-Der-Massiv gehören, durchbricht die Siyagh-Schlucht die Bergumrahmung und stellt gleichzeitig die Fortsetzung des Wadi Musa nach Westen dar, das dann weiter mit dem Wadi Abu Ruqa den Anschluß zum Wadi Araba findet. Der höchste Berg der Westkette ist der Dschebel (Nebi) Harun (1320 m), der vom Stadtgebiet aus nicht unmittelbar zu sehen ist. Auch er hebt sich deutlich von seinen Nachbarn ab, obwohl er nicht so steile Flan-
ken besitzt wie Umm el-Biyara. Besonders kennzeichnend ist sein Gipfel, der kein Plateau besitzt, sondern in einem höheren Teil als abgestumpfter Kegel emporragt. Zwischen ihm und dem südwestlich gelegenen niedrigeren Zweitgipfel erstreckt sich eine kleine Ebene mit den Grundmauern früherer Unterkünfte (Abb. 3). Bei der Siyagh-Schlucht beginnend umrahmt der westliche Sandsteinzug mit dem ed-DerMassiv und dem Gebiet von el-Me'esara den Kessel von Petra in seiner Nordwestecke bis zum Wadi Abu Olleqa. Hier, wo die Felsmassen sehr dicht beisammenstehen und von keinem breiten Wadi getrennt werden, zeigen sie überaus mannigfaltige Verwitterungsformen. In der Umgebung des Grabtempels von ed-Der sind die steilen Wände mit einem Netz von Leisten härteren Gesteins überzogen, die zahlreiche Aushöhlungen und Vertiefungen einschließen. Im benachbarten el-
Me'esaera erinnern die sehr unregelmäßig gestalteten Felsen an die wollsackähnlichen Granitblöcke auf den Gipfeln deutscher Mittelgebirge. Völlig verschieden davon ist die Südost-Ecke des Kessels. Hier bildet den Eingang zur Stadt die unter dem Namen »Sik« berühmt gewordene Felsenschlucht. Der Sik beginnt im Osten zwischen den Massiven er-Ramla und el-Medras mit Bab es-Sik, dem Tor zur Schlucht. Er stellt eine Klamm dar, die sich in einer Länge von 2,5 km zwischen senkrecht abfallenden Felswänden aus rotbraunem Sandst ein hindurchwindet. Die Schlucht ist zwischen 3 und 4 Metern breit, sie wirkt aber noch schmäler, da die bis 80 m hohen Felsen gelegentlich überhängen und selten einmal das Sonnenlicht hereinlassen. Eine solche Stelle befindet sich unmittelbar vor der Khazne, dem »Schatzhaus«, wo von Norden und Süden zwei größere Neben-
Abb. 3: Der Dschebel Harun (1510 m) mit seinem Doppelgipfel.
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Abb. 4: Sandiger Verwitterungsschutt im oberen Wadi Sabra.
bis zur Wasserscheide beim Dschebel Mansir an. Danach senkt sich das Wadi Sabra von einem querliegenden Felsriegel aus rasch gegen Südwesten. Unterhalb des Felsriegels liegen an seinem Anfang ungeheure Massen von sandigem Verwitterungsschutt, den die Regengüsse von den Bergen herabgespült haben. Diese Schuttfächer sind miteinander verzahnt und infolge der rückschreitenden Erosion von tiefen Rinnen und Furchen durchzogen. Aus diesen Ablagerungen waschen die Sturzbäche das feine Material heraus und lagern es im Wadi als feinen Sand ab, der dann nur eine wüstenhafte Vegetation gedeihen läßt (Abb. 4). Im weiteren Verlauf wird das Wadi breit und bot in der Antike bei etwa 770 m über dem Meer Raum für die Anlage der Stadt Sabra mit ihrem Theater am Fuße des Dschebel elJathum (ca. 1150 m). Etwa 5 km hinter dem Theater fällt das Wadi Sabra nach einem kurzen Anstieg auf 820 m in einer Steilstufe auf ca. 680 m, um dann allmählich auf der Höhe von 600 m in vielen Windungen auf das Wadi Araba hinzuführen.
Klima Schluchten in den Sik münden und ihn kesselartig erweitern. Am Vormittag tritt der Besucher Petras aus dem Dunkel der Schlucht ganz unvermutet in die von Licht erfüllte Weitung und sieht vor sich das von der Sonne beleuchtete Mausoleum. Nur hier, an der einzigen Stelle von ganz Petra, leuchtet der sonst rot oder gelbbraun gefärbte Sandstein bei Sonnenbestrahlung wirklich rosenrot auf. Nach der Khazne verengt sich der Sik nochmals, um sich dann ins Stadtgebiet zu erweitern. Allein durch die Tätigkeit des Wassers kann der Sik nicht entstanden sein. Sicher haben auch tektonische Aktivitäten eine Rolle gespielt. Geomorphologisch interessant ist schließlich das Wadi Sabra, das im Südwesten den Anschluß zum Wadi Araba herstellt. Am Fuße von Umm el-Biyara, am Felslabyrinth von es-Sugra und an der Hochebene von el-Barra vorbei steigt das Wadi es-Sugra allmählich 238
Die Stadt Petra mit ihrer Umgebung liegt im Bereich einer Übergangszone zwischen den Gebieten mit Mittelmeerklima im Norden und Nordwesten und dem vollariden Klima der östlichen und südlichen Wüsten. Diese Zoneneinteilung erfolgt nach dem langjährigen Mittel der Jahresniederschläge. In der gesamten semiariden (halbtrockenen) Zone wurden Werte von 100–300 mm gemessen bzw. errechnet. Für das Gebiet der Schera-Berge gibt eine Karte der Niederschlagsverteilung 200–300 mm Jahresniederschlag an (Meteorologischer Dienst im Jordanischen Verkehrsministerium für den Zeitraum von 1941-1965). In Wadi Musa, also unmittelbar östlich von Petra, werden nur noch 181 mm Niederschlag gemessen (min. 88 mm, max. 310 mm, Daten bei Holzapfel 1985). Die größte Menge des Niederschlags fällt während der Winterzeit. Die mittleren Jahreshöchsttemperaturen liegen
bei +40°C, die mittleren Jahrestiefsttemperaturen bei –1,6° C; es sind also in extremen Wintern kurzfristige Schneelagen möglich (Meteorolog. Dienst im Jordan. Verkehrsministerium).
Hydrologische Verhältnisse Daß auch der Felsenkessel von Petra, wie gefundene Steinwerkzeuge beweisen, als Siedlungsgebiet schon in der Vorzeit begehrt war, hängt ebenso mit den morphologischen Gegebenheiten wie mit den günstigen Wasserverhältnissen zusammen. In der Stadt und ihrer Umgebung gibt es eine Reihe von Quellen. Die größte ist Ain Musa, die Mosesquelle beim Dorfe Eidschi, heute Wadi Musa, außerhalb des Stadtgebietes. Sie war so ergiebig, daß die Nabatäer in großzügig angelegten Leitungen das Wasser in die Stadt führen konnten. Eine führte am Südabfall des el-Hubta-Massivs durch den Sik in die Stadt, die andere um den Nordabhang von el-Hubta über den einzig erhalten gebliebenen Aquädukt Petras das Wadi Metaha entlang und speiste die große Zisterne neben dem Palastgrab (s. Gunsam, E.: »Die nördliche Hubta-Wasserleitung in Petra«, S. 319). Beide Wassersysteme sind heute zerstört. Die Wasser der Mosesquelle flössen als »Mosesbach« in einem gefaßten Bett durch die Stadt in die Siyagh-Schlucht. Dort vereinigten sie sich mit den Wassern der Siyagh-Quelle und rannen weiter ins Wadi Araba. Während der Blütezeit von Petra war der Durchfluß durch die Stadt sicherlich reguliert. Seit dem Verfall der Anlagen war die Wasserführung je nach Jahreszeit sehr unterschiedlich. Während der sommerlichen Trockenperiode floß nur ein spärliches Rinnsal, das aber bald völlig versickerte und keine Spur von Feuchtigkeit im Stadtgebiet zurückließ. Im Winter dagegen schwoll der Bach infolge starker Regengüsse an und wurde zum reißenden Gewässer. Die winterlichen Sturzbäche werden heute, wie in der Antike, durch einen Damm vom Sik ferngehalten und in die nördlich von Bab es-Sik gelegenen Schluchten geleitet.
Die Sohle des engen, von steil aufragenden Felswänden begleiteten Wadi Siyagh, dessen stadtnahe Bereiche heutzutage die längste Zeit des Jahres trocken sind, ist dicht mit Oleanderbüschen besetzt. Dieser reiche Bewuchs zeigt an, daß nahe der Oberfläche ein Grundwasserstrom hinzieht. Dieser speist die Quelle, die schon im ersten Drittel des Wadis, auf der linken Seite am Fuß einer Felswand, sprudelt. Sie ist die »Wasserzapfstelle« für die Beduinen der Umgebung. Von hier wird das Wasser durch eine Pumpstation in das Stadtgebiet geleitet, wo es bis vor kurzem die Teestube von Dakhilallah Qublan und das ehemalige »Nazzals Camp«, das jetzt nur noch wissenschaftlichen Gruppen als Unterkunft dient, versorgte. Kurz nach der Quellfassung fließt ein Bach ganzjährig in Richtung Westen durch das Wadi. Dort, wo er nach Norden umbiegt, wird die Talsohle breiter; diese Gunst der Lage haben die Beduinen zur Anlage von Gärten ausgenützt, die über Kanäle mit Wasser versorgt werden und daher üppiges Wachstum zeigen. Größere Wasservorkommen gibt es im Stadtgebiet nicht mehr. Auf dem Weg nach ed-Der trifft man auf zwei alte Tropfheiligtümer, deren Wasser vom Felsen in kleine Becken heruntersickert, in denen sich während des Frühlings Wasserlinsen ansiedeln können. Im Herbst sind die Stellen meist trocken. Im Wadi Abu-Olleqa ist ein kleines, natürliches Wasserbecken unter einem überhängenden Fels zu finden. Auch hier ruft die Feuchtigkeit einen reichen Bewuchs von Moosen hervor. Im Wadi Sabra gibt es ebenfalls eine Quelle; sie entspringt unterhalb eines von Menschenhand geschaffenen Wasserführungssystems nördlich des Theaters und ermöglicht das Wachstum von Tamarisken, Oleander, Seidelbast-Büschen, Schilf und Binsen – sogar eine Dattelpalme hat sich dort angesiedelt. Die Beduinen nutzen das dünn laufende Rinnsal hauptsächlich zum Tränken ihrer Dromedare und Esel. Im Herbst allerdings ist an der Wadioberfläche kaum noch Wasser 239
Abb. 5: Vegetationskarte des einstigen Nabatäer-Reiches (Aus Gradmann-Gauckler, 1934)
zu finden. Dann müssen Löcher in das WadiBett gegraben werden, um an das begehrte Naß zu kommen. In den letzten Jahren wurde das Wasserleitungsystem über dem Theater erforscht und dabei etwa 100 m oberhalb des Wadis im Dschebel el-Jathum-Massiv eine 17 m lange, 4,3 m hohe und 5,30 m dicke Staumauer aus sorgfältig behauenen Quadern entdeckt, die ein langgezogenes Hochtal mit einem stellenweise tief eingeschnittenen 240
Bachbett abschließt, das wohl nur im Frühjahr Wasser führt (Lindner 1986).
Feldbau Die Nabatäer haben in ihrer Stadt, in den angrenzenden Wadis, aber auch auf den Hochflächen (z. B. el-Hubta) jede geeignete Fläche zur Anlage von Feldern und Gärten verwendet, um die Ernährung ihrer Bevölkerung sicherzustellen, die zur Blütezeit etwa 30 000
Einwohner betrug (Browning 1982). Heute noch kann man in flach geneigten Wadis verfallene antike Mauerabsperrungen zur Rückhaltung und Verlangsamung des winterlichen Sturzwassers sehen. Die heutigen Bewohner der Scheraberge, die seßhaften Liathne und die seßhaft gewordenen Bdul, betreiben einen z. T. recht primitiven Ackerbau, Den hohen Stand der antiken Bewässerungskultur haben sie nicht annähernd wieder erreicht (s. Evenari, M.: »Die Nabatäer im Negev«, S. 162 f.). So gilt heute noch, was Gradmann 1934 über die Steppen des Morgenlandes in ihrer Bedeutung für die Geschichte der »menschlichen Gesittung« geschrieben hat: »Das Klima Palästinas und Syriens war im Altertum nicht feuchter als in der Gegenwart, aber die Erträge der Landwirtschaft haben seitdem abgenommen; Verkarstung, Schrumpfung des Ackerbodens, Entblößung des Kalksteins und Verödung der Terrassen sind die Ursachen. Die Äcker werden nicht mehr gedüngt, die Bewässerungsanlagen sind zerstört. Die Beduinen betreiben den Ackerbau so einfach wie möglich. Petra, Gerasa, Palmyra am Rande der Wüste konnten ihre Bevölkerung im Altertum nur infolge ihrer Bewässerungsanlagen ernähren, die jederzeit wieder hergestellt werden könnten« (Abb. 5). Die Richtigkeit dieser Aussagen beweisen einzelne Beispiele: Im Wadi Abu-Olleqa, an dessen Westseite durch Anschwemmungen im Laufe der Zeit größere ebene Flächen entstanden sind, hat ein einfallsreicher Mann eine Anzahl Felder mittels Steinmauern abgegrenzt. Ein Brunnen mit einfacher Pumpanlage und ein Wasserbecken gehören auch dazu und ermöglichen es, die nebenund übereinanderliegenden Felder zu bewässern. Sogar im sehr trockenen Frühjahr 1973 konnten hier Kartoffeln, Tomaten, verschiedene Küchenkräuter und Gerste gedeihen. 1978 war nur Getreide angesät, dafür standen entlang der Mauern Weinstöcke, junge Olivenbäume, japanische Mispeln, Mandelund Pfirsichbäumchen. 1987 waren bereits auf größerer Fläche Zitrusbäume, Palmen,
Granatäpfel hinzugekommen. Von den gärtnerischen Fähigkeiten des B'dul-Beduinen liefern auch einige Zierbäume und Sträucher,
wie Parkinsonia aculeata, Acacia cyanophylla und der Pfefferbaum Schinus molle eindeutige Beweise. Die Hauptanbaugebiete für Getreide befinden sich auf den Hochflächen südlich und nördlich von Petra, wo tiefergründige Böden und höhere Luftfeuchtigkeit genügend Ertrag gewährleisten. In wasserführenden Wadis (Wadi Abu-Olleqa, Wadi Siyagh) findet man Ölbaum- und Obstgärten. Im Wadi Siyagh sind sie wegen des beengten Raumes übereinander als Terrassen angelegt. Am Rande dieser »hängenden Gärten« wächst sogar noch die Färberröte Rubia tinctorum, ein Krappgewächs, das früher im Nahen Osten vielfach auf besonderen Beeten oder in Olivenhainen angebaut wurde. Man gewann aus den Wurzeln einen roten Farbstoff, das Alizarin. Seit der Verwendung synthetischer Farbstoffe ist jedoch der Anbau stark zurückgegangen. Im Wadi Sabra nimmt der Wüstencharakter immer mehr zu. Hier kann ohne Bewässerung kein Feldbau mehr betrieben werden. In den Hochtälern des Dschebel el-Jathum ist dies jedoch möglich. 1987 wurde bei einer Erkundung hinter der bereits beschriebenen Staumauer ein unbestelltes Feld entdeckt, das noch einige Exemplare des Bauerntabaks Nicotiana rustica (arab.: hishi) trug. Der Anbau von Bauerntabak hat Tradition im Vorderen Orient (Hegi 1906 ff.). Dabei werden im Gegensatz zu anderen Tabaksorten die ganzen Pflanzen und nicht nur die Blätter geerntet.
Die Pflanzenwelt Petras und seiner Umgebung Geschichte der botanischen Forschungen in Petra Nach der Wiederentdeckung Petras durch J. L. Burckhardt im Jahre 1812 (Burckhardt 1823) ist das Gebiet wiederholt von Botanikern, zum Teil noch unter großen Schwierigkeiten, besucht worden. 241
Abb. 6: Florenregionen in Palästina (nach Zohary & Feinbrun 1966)
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Nach P. E. Boissier (Boissier 1867–1888) und G. E. Post (Post 1932/33), deren Floren Fundortsangaben von Pflanzen aus dem Gebiet um Petra enthalten, ist vor allen Dingen H. C. Hart zu nennen, der sich im Dezember 1883 in der Stadt und am Dschebel Harun aufhielt und eine Schilderung der Pflanzenwelt niederschrieb (Hart 1891). Ihm folgten 1905 A. Aaronsohn (Oppenheimer 1931) und 1931 H. R. Oppenheimer (ders. 1931). 1933 bereisten die deutschen Pflanzengeographen und Botaniker R. Gradmann und K. Gauckler von der Universität Erlangen Jordanien und veröffentlichten 1934 eine Vegetationskarte von Palästina und den Nachbarländern (Gradmann 1934). Bereits vor dem 2. Weltkrieg und vor allem danach wurde Palästina von israelischen Botanikern erforscht. So wird Petra und das Edomitische Bergland in den Werken von M. Zohary erwähnt (Zohary 1962, 1973). Zohary brachte zusammen mit N. Feinbrun eine große, vierbändige, bebilderte »Flora Palaestina« heraus (Zohary & Feinbrun 1966–1986). Sie wurde zur Bestimmung des diesem Aufsatz zugrundeliegenden Pflanzenmaterials verwendet. Auch in der Nomenklatur wird ihr gefolgt. In jüngster Zeit sind neben M. Wanke, die das Tal von Petra zwischen 1969 und 1978 viermal jeweils zur Osterzeit besuchte (Wanke 1973, u. Wanke in Lindner 1986), Anfang der achtziger Jahre J. M. Starck (Gebel & Starck 1985 und K. H. Holzapfel (Holzapfel 1985) in diesem Gebiet tätig geworden. Von ersterem existiert eine kurzgefaßte Pflanzenliste. Holzapfel hat eine sehr aufschlußreiche, kleine Flora von Petra mit pflanzensoziologischen und arealkundlichen Erläuterungen verfaßt, die wert wäre, vervollständigt zu werden. 1987 und 1988 wurde von I. Künne umfangreiches Herbarmaterial sowohl im Frühjahr als auch im Herbst gesammelt und eine Liste von 240 Pflanzenarten zusammengestellt. Diese Liste, die Zusammenstellung von Starck sowie die Erkenntnisse von Holzapfel bilden die Grundlage für die folgenden Erläuterungen zur Pflanzenwelt Petras.
Areal- und vegetationskundliche Aspekte In Palästina, dem Gebiet der heutigen Staaten Israel und Jordanien, treffen vier verschiedene Florenbereiche zusammen (Abb. 6). Zohary 1973 spricht von — einer mediterranen Region, die auf den Höhen der ostjordanischen Bergkette weit nach Süden vorstößt. Nach Gradmann 1934 wäre dies der Bereich der immergrünen, mediterranen Wälder (M); — einer irano-turanischen Region, die vom Nordosten herkommend, im Negev-Hochland weit nach Süden reicht und hier eine Übergangszone zur saharo-arabischen Region darstellt. Sie wäre der von Gradmann beschriebenen Steppenzone gleichzusetzen (IT); — einer saharo-arabischen Zone, die sich im Gegenzug im Bereich des Grabenbruchsystems Jordan-Graben/Wadi Araba in einem schmalen Streifen bis auf die Höhe des Toten Meeres hinzieht und jenseits des Edomitischen Berglandes die weiten Wüstenbereiche im Osten Richtung SaudiArabien umfaßt. Gradmann spricht hier von der »Wüstenzone« (SA); — einer sudanischen Region mit tropischen Vertretern, die vom Wadi Araba über das Tote Meer bis hinauf in den Jordangraben dringt (SUD). Petra liegt in einem Bereich, in dem Pflanzen dieser vier Zonen aufeinandertreffen. Deshalb ist es sicher interessant, die Arealzugehörigkeit der aufgefundenen Arten besonders herauszustellen.* Bäume und Sträucher Durch die jahrtausendelange Brennholz-, Feld- und Weidewirtschaft sind nur wenige Bäume im Stadtbereich erhalten. Sofort ins Auge sticht dem Besucher eine große Terebinthe, Pistacia palaestina (O.M), die den Händlern und Touristen am Nymphaeum * Erläuterung weiterer Abkürzungen: ES = eurosibirisch; O., S., und W. vor der Arealbezeichnung = Ost, West, Süd; in Klammern werden nur randlich zum Areal einer Art gehörige Florenregionen genannt.
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Abb. 7: Juniperus phoenicea (nach Zohary-Feinbrun 1966–1986)
Schatten spendet. Wenn man etwas Zeit hat, kann man im Wadi Siyagh zwei nahe Verwandte besichtigen: Pistacia atlantica (IT [M]) und die in ihrem Vorkommen auf Petra und einen kleinen Bereich im Sinai beschränkte, seltene Pistacia khinjuk (IT). Sowohl die Atlantische als auch die Palästinensische Terebinthe können große Bäume werden und ein hohes Alter erreichen. Bei der Untersuchung des Qasr el-Bint Fara'un wurde u. a. ein Holzbalken gefunden, der zur Mauerverstärkung diente. Eine Untersuchung dieses Holzes durch das Institut für Holzforschung, München, (Grosser, brieflich) hat ergeben, daß es sich um Pistacia, mit hoher Wahrscheinlichkeit um P. atlantica, handelt. Terebinthenhaine waren früher 244
Orte des Kultes, sie dienten als Grabstätten für geliebte und geschätzte Tote. Die angesprochenen Arten haben zwei- oder mehrpaarige Fiederblättchen, die im Winter abgeworfen werden. Die Bäume sind diözisch, d. h. männliche und weibliche Blüten kommen auf unterschiedlichen Bäumen vor. Die reifen Früchte können entweder gekocht oder roh nach Entfernen der Schale gegessen werden. Beim Betreten des Stadtgebietes erblickt man an der Nord- und Nordostseite des Kessels die sanft gerundeten, im hellen Licht fast weiß erscheinenden Scheraberge, die mit dunklen Flecken förmlich übersät sind. Diese Flecken erweisen sich als Phoenizischer Wacholder Juniperus phoenicea (M) (Abb. 7). Er kommt in Jordanien nur hier im Edomitischen Hochland vor, ist aber, an Wadihängen und auf den Höhen stockend, die häufigste Baumart. Zohary wertet das Vorkommen in SüdEdom, NW-Arabien und im Sinai sowie die Abwesenheit in anderen Teilen von Palästina, Libanon und Syrien als Ausdruck des Reliktcharakters dieser Art im ostmediterranen Raum (Zohary & Feinbrun 1966–1986). Die Bäume können über 800 Jahre alt werden (Danin 1983). Das größte Exemplar im Gebiet steht südlich der Hochebene von elBarra an der Kreuzung zweier Karawanenwege in der Nähe des Wadi Sabra. Jener Baum ist ca. 10 m hoch und hat einen Stammdurchmesser von etwa 1,80 m. Quercus calliprinos, eine nahe, ostmediterrane Verwandte der im Mittelmeergebiet heimischen Kermeseiche, die man auf der Fahrt von Amman nach Petra kurz hinter Shobek in der Nähe der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in lichten Hainen sehen kann, kommt im unmittelbaren Stadtbereich von Petra nicht vor. Erst 5 km nördlich, hinter elBeda im Wadi Umm el-Hiran und seinen Nebentälern, stocken durch Beweidung stark degradierte, lichte Bestände dieser Eichenart zusammen mit Pistacia palaestina und Juniperus phoenicea. Wie der Phoenizische Wacholder ist auch Quercus caUiprinos hier an der südöstlichen Grenze ihrer Verbreitung.
Einzelne große Exemplare des Johannisbrotbaumes Ceratonia siliqua (M), eines Hülsenfrüchtlers, wachsen vor allem in ehemaligen Zisternen, so in einem riesigen ehemaligen Wasserreservoir über dem »Gartengrab« am Hang des Zibb Atuf über dem Farasa-Tal, in einer großen ehemaligen Zisternenanlage an der Straße nach el-Beda hinter Umm Sehun und in einem ehemaligen Wasserbecken über dem Theater von Sabra. Im Wadi Siyagh steht dort, wo der Bach einen Wasserfall bildet, ebenfalls ein Exemplar. Der Johannisbrotbaum – seit altersher kultiviert – ist ein mittelgroßer, immergrüner, diözischer Baum mit ganzrandigen Fiederblättern. Die Früchte, die direkt aus den Ästen wachsen (Kauliflorie), sind braune, ca. 10–20 cm lange Hülsen von ledriger Beschaffenheit. Sie enthalten zahlreiche, rundliche, gleichmäßig große Samen, die früher im Orient als Gewichtseinheit verwendet wurden. Die für Gold, Diamanten und Perlen gebrauchte Gewichtsbezeichnung »Karat« (etwa 0,2 g) geht vermutlich auf die Benennung für diese Samen zurück. Das süße Fruchtfleisch, aus dem die Araber einen Sirup, »Dibs« genannt, gewinnen, enthält bis zu 50 % Zucker. An der Straße nach el-Beda stehen auch einige Exemplare des Weißdorns Crataegus aronia (O.M, W.IT). In sandigen, wasserführenden Wadis (Wadi Abu-Olleqa, Wadi Sabra) sind Tamarisken (meist Tamarix nilotica, SA) vergesellschaftet mit Oleander zu finden. Nur im Wadi Siyagh gibt es an einer Stelle am Bach einen großen Weidenbestand (Salix acmophylla, O.M, IT). Die Dattelpalme Phoenix dactylifera ist in alten Exemplaren nicht mehr vertreten, obwohl sie zu nabatäischer Zeit sicherlich vorhanden war, worauf eine alte Ritzzeichnung an einer Felswand im Wadi Siyagh hinweist. Dattelpalmen werden seit einigen Jahren im Wadi Abu-Olleqa von einem Beduinen im Garten kultiviert. Wild ist in Petra nur ein einziges Exemplar in einem Felsspalt vor einer ehemaligen Wohnhöhle hinter el-Habis zu finden. Im Wadi Sabra stockt mitten im Wadi-Bett auf der Höhe des Theaters eine große, alte
Abb. 8: Dattelpalme (Phoenix dactylifera) im Wadi Sabra mit reifen Früchten.
Palme, die im Herbst 3 cm lange Früchte trägt (Abb. 8). Südwestlich von Sabra, weiter in Richtung Wadi Araba, wo man jedoch nur mit Regierungserlaubnis und kundigem Führer forschen darf, sind an Quellaustritten in den Wadis Bestände von Populus euphratica, der Euphratpappel (IT, SA), zu finden. Sie kann etwa 8 m hoch werden und bringt zwei Arten von Blättern hervor: die an den jungen Trieben sind ähnlich wie Weidenblätter geformt, während die Blätter an den älteren Zweigen oval bis rautenförmig sind und denen von Pappeln gleichen. Vier Straucharten, die sich durch ihre Erscheinungsform deutlich voneinander unterscheiden, fallen beim Betreten des Stadtgebietes sofort auf: Nerium oleander (M [W.IT, SA]), ein Hundsgiftgewächs, findet sich vor allem in den Wadis und am Mosesbach. Besonders gut gedeiht der Oleander im Wadi Siyagh, wo er bis zu 4 m hoch werden kann. Daphne linearifolia (O.M), ein Seidelbastgewächs, ist in Edom endemisch, wurde aber erst 1891 von Hart als neu entdeckte, seltene Art beschrieben (Abb. 9). Der bis zu 2 m hohe Strauch mit wehenden grünen Zweigen trägt im Sommer kleine, weiße Blüten, aus de245
Abb. 9: Daphne linearifolia (nach Zohary-Feinbrun 1966–1986)
nen sich rote, einsamige Steinfrüchte entwikkeln. Retama raetam, ein Schmetterlingsblütler der saharo-arabischen Florenregion, der mit seiner Verbreitung sowohl in irano-turanische als auch in mediterrane Bereiche hineinstrahlt, ist der am meisten verbreitete Wüstenstrauch. Diese Ginsterart wächst in Petra hauptsächlich in den sandigen Wadis, oft zusammen mit Oleander. In der Wüste kommt der Strauch meist auf sandigen Böden und in und an kurzlebigen Wasserläufen vor. An die ungünstigen Standorte ist er sehr 246
gut angepaßt. Seine Wurzeln sind sehr lang und reichen bis zum Grundwasser hinab, so daß er selbst in den trockensten Monaten und in aufeinander folgenden Trockenjahren überleben kann. Von den Beduinen wird der Ginster sehr geschätzt: er ist ein willkommener Schattenspender, seine trockenen Zweige und Wurzeln liefern ein hervorragendes Brennmaterial, seine frisch entfalteten Blüten enthalten reichlich süßen Blütensaft; sie werden daher gerne von den Zweigen abgestreift und gegessen. Thymelaea hirsuta (M, SA), der Vogelkopf, bietet einen ganz anderen Anblick. Mit den übrigen Seidelbastgewächsen weist dieser Strauch – oberflächlich betrachtet – kaum Ähnlichkeit auf. Er ist mit seinen kleinen, schuppenförmigen, fleischigen Blättern gut an trockene Standorte angepaßt und kommt daher in Petra recht häufig vor. Die Rindenfasern werden zur Herstellung von festen Seilen verwendet. Man sollte vermeiden, diese Fasern in den Mund zu nehmen, denn sie enthalten schädliche Substanzen. Vermutlich wird Thymelaea deshalb auch nicht von Weidetieren gefressen. Sogar die schwarze Ziege, vor der sonst kaum eine Pflanze sicher ist, verschmäht den Strauch. Weniger häufig, aber im Frühjahr durch gelbe Schmetterlingsblüten, im Sommer durch blasig aufgetriebene Hülsen ins Auge fallend, ist der Blasenstrauch Colutea istria (SA, IT), der, an nordexponierten Felswänden hängend, hauptsächlich im Wadi Siyagh vorkommt, aber auch im Wadi ed-Der und Wadi el-Me'esara wasta zu finden ist. Gomphocarpus sinaicus (O.SA), ein Seidenpflanzengewächs, fällt durch seine bestachelten Balgfrüchte auf. Sie öffnen sich nur an einer Seite und entlassen zahlreiche Samen, deren seidige Haare der Verbreitung dienen. Die leeren Fruchthüllen sitzen sogar noch im darauffolgenden Jahr an den Zweigen. Wie alle Seidenpflanzen enthält auch Gomphocarpus sinaicus in all seinen Teilen einen weißen, klebrigen Milchsaft. Am westexponierten Hang des Wadi Siyagh wächst an einigen Stellen das Resedengewächs Ochradenus
Im Herbst 1988 wurde im Theater von Sabra ein unbekannter Strauch entdeckt. Er ist bisher wohl deshalb übersehen worden, weil er im vegetativen Zustand bei oberflächlicher Betrachtung Rhamnus disperma ähnelt, der an der gleichen Stelle wurzelt. Es handelt sich um das Kreuzdorngewächs Sageretia thea (= S. brandrethiana), dessen nächste Fundpunkte in Kleinasien, im südlichen Sinai und im Jemen anzutreffen sind. Da der Strauch weder bei Zohary & Feinbrun 1966–1986 noch bei Al-Eisawi 1982 erwähnt wird, kann man ihn als eine für Palästina neue Art bezeichnen. Systematik und Arealzugehörigkeit dieser Art werden noch diskutiert (Davis 1967) (Abb. 10). Sowohl in Petra im Wadi Abu-Olleqa als auch im Wadi Sabra ist das dornige Zweiggewirr von Asparagus stipularis (M), einem strauchförmigen Spargel, zu finden. Seine dicken, aufgeblasenen Wurzeln vermögen viel Wasser zu speichern, er ist daher hervorragend an trockene Standorte angepaßt. Flora einzelner Teilgebiete Abb. 10: Sageretia thea (Zeichnung v. I. Künne)
Vom Rasthaus zum Theater
baccatus (SUD), ein grüner, sparriger Rutenstrauch, der bis zu 3 m hoch werden kann. Die Enden der Zweige tragen unscheinbare, gelbe Blüten, woraus sich zur Fruchtzeit die weißen, 4–6 mm großen Beeren entwickeln, die ihrer Süße wegen gerne von den Dromedaren verspeist werden. An den Felsen im Stadtgebiet und an den Felswänden in den Wadis sieht man ab und zu blaugrüne Kapernsträucher (Capparis spinosa var. aegyptia, M [IT]) herabhängen. An jedem Blattstielgrund befinden sich zwei Nebenblattdornen. Die großen, weißen Blüten erscheinen sowohl im Frühjahr als auch im Herbst und zeigen ihre zahllosen, zarten, langen Staubgefäße. Die bis 4 cm lange Beere hängt an einem rechtwinklig abgeknickten Stiel. In Öl, Essig oder Salzwasser eingelegt ergeben die Knospen ein pikantes Gewürz. An schattigen Wadi-Wänden (Wadi elModlem, Wadi Siyagh, Dschebel el-JathumMassiv) wächst hin und wieder aus Spalten der meist sehr verbissene, sommergrüne Kreuzdorn Rhamnus disperma (O.SA).
Heutzutage ist es nicht mehr möglich, durch den Sik in das Stadtgebiet von Petra zu wandern und in aller Ruhe botanische Studien zu betreiben. Am Eingangstor erwarten den Besucher viele geschäftstüchtige Beduinen mit ihren Pferden, die ihn durch den Sik nach Petra tragen sollen. Lärm und Staub erfüllen die Schlucht. Im Staubschleier sind hin und wieder Kapernsträucher (Capparis spinosa var. aegyptia) und Feigenbäume (Ficus pseudosycomorus) an den Wänden und in Spalten zu entdecken. Am Boden selbst wächst kaum noch etwas. Dies ist außer auf den unaufhörlichen Touristenstrom auch auf die verschiedenen Grabungen im Sik-Bereich zurückzuführen. Öffnet sich die Eingangsschlucht zu dem berühmten Blick auf die rosenfarbene Khazne, so sieht man am Rande des Felskessels die ersten Oleandersträucher stehen, die ab Mitte April ihre großen, rosaroten Blüten öffnen und bis in den Spätsommer hinein blühen. Sie bringen dann einen Farbkontrast in das eintönige Grau und Braun der Landschaft. 247
Das Stadtgebiet Durch die frühe Siedlungstätigkeit im Gebiet von Petra ist die natürliche Vegetation stark verändert worden. Die heute im »Archäologischen Nationalpark Petra« zwar verbotene, aber trotzdem immer noch praktizierte starke Beweidung, der überaus lebhafte Tourismus und nicht zuletzt die rege Ausgrabungstätigkeit haben zum Verschwinden selbst naturnaher Reste beigetragen. Leider konnte das Gebiet von uns noch nie im Februar/März besucht werden. Nach Berichten von Beduinen und Mitgliedern der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg schmücken viele Frühlingsgeophyten zu dieser Zeit mit bunten Blüten die Landschaft: die rote Tulipa systola (W.IT), Milchstern, Gelbstern und Traubenhyazinten. Im April sieht man meist nur noch die gelben, vertrockneten Blätter. Kommt man später um die Osterzeit nach Petra, überrascht dennoch das viele Grün in der Landschaft. Es stammt im wesentlichen von dem Liliengewächs Urginea maritima (M), der Meerzwiebel, die in zahllosen Exemplaren besonders üppig auf den unterirdischen Mauerzügen der antiken Stadt wächst und deren Strukturen nachzeichnet. Sie kann sich deshalb so sehr ausbreiten, weil sie wegen ihrer bitteren Inhaltsstoffe von keinem Weidetier gefressen wird. Der etwa 1 m hohe, aus vielen weißen Glöckchen bestehende Blütenstand erscheint erst im Herbst, wenn die grünen Blätter verschwunden sind. Die Pflanze hat also einen ähnlichen Lebensrhythmus wie unsere Herbstzeitlose. Zur gleichen Zeit leuchten die gelben, vielfach auch rot und violett gestreiften Schmetterlingsblüten der Gelben Hauhechel Ononis natrix (M [SA]), die über und über mit drüsigen Härchen besetzt ist. Dieser Zwergstrauch ist nicht nur im Stadtbereich, sondern im gesamten Gebiet weit verbreitet. Ein im Frühjahr sich buschig grün, im Sommer gelblich-braun darbietendes Jochblattgewächs ist das weißblühende Harmelkraut Peganum harmala (IT, SA [M, S.ES]), dessen Samen in der Medizin (Semen harmalae) wegen harntreibender Wirkung und als Brech248
mittel verwendet wird. Ein weiterer Vertreter dieser Familie ist Fagonia mollis (O.SA). Dieser Halbstrauch, dessen Nebenblätter zu Dornen umgewandelt sind, erfreut im Frühjahr mit seinen 5-zähligen, violetten Blüten das Auge. Nicht zu übersehen ist zu dieser Zeit auch der ruderal wachsende Lippenblütler Marrubium vulgare (M, IT), der Andorn, dessen unscheinbare, weiße Blüten quirlförmig in Etagen um den Stengel stehen. Zu der Gesellschaft der Ruderalpflanzen, die um den Stadttempel herum wachsen, gehören außerdem noch Hyoscyamus aureus (O.M, W.IT), das Goldbilsenkraut, und Malva sylvestris (M, ES[IT]), die Wilde Malve, mit rosafarbenen Blüten. Auf den Schuttflächen blühen im Frühjahr Malva parviflora (M, IT), Geranium molle (ES, M), ein Storchenschnabel, Biscutella didyma (M, W.IT), ein Kreuzblütler, und die mit weißen Härchen pelzig besetzte Salvia lanigera (S.M, SA), ein blauviolett blühender Salbei. Besonders interessante Funde waren der Petra-Endemit Lycium petraeum (W.IT), ein am Hang unterhalb der Schulhausruine am Anfang des Wadi Abu-Olleqa wachsender Bocksdorn, sowie die nur für Edom angegebene Psoralea flaccida (O.M), ein am Grund verholzter Schmetterlingsblütler mit fahlen, blauvioletten Blütenköpfen, der am Fels in der Nähe des Schlangenmonuments wuchs. Ebenfalls am Fels hängend wurde die Kreuzblume Polygala negevensis (IT) im Norden unterhalb Umm Sehun und kurz vor dem Schlangenmonument im Süden entdeckt. Sie hat dornige, grünliche Zweige und grünviolett geäderte, helle Blüten. Im Herbst erscheint um den Stadttempel auf zusammengefallenen Mauerresten das Wolfsmilchgewächs Chrozophora obliqua (SO.M, IT), dessen weißfilzige Blätter mit Sternhaaren besetzt sind. Kleine, gelbliche Blüten entwickeln sich später zu grünlichblauen, hellgepunkteten Kapselfrüchten. Die Wadis Das Wadi Siyagh beherbergt die größte Artenvielfalt an Pflanzen des gesamten Gebie-
tes. Von 240 im Bereich von Petra gefundenen Arten wachsen allein 90 hier. Um diesen Reichtum zu erhalten und auch die dort von den Beduinen angelegten Gärten zu schonen, sollte es von Touristen möglichst wenig frequentiert werden. Die Artenvielfalt ist in den unterschiedlichen Standortsverhältnissen begründet, die hier herrschen: der das ganze Jahr hindurch fließende Bach mit seinen feuchten, sandigen Terrassen; Hänge jeglicher Exposition, bedingt durch den abgeknickten Wadiverlauf; unterschiedliches Gestein wie Sandstein und Quarzporphyr. Man findet hier Pflanzen gegensätzlicher Standorte oft nahe beieinander. So wächst am steilen Fels unter einem Wasserkanälchen eine Quellflur mit dem Venushaarfarn Adiantum capillus-veneris (M, IT, ES), nicht weit davon am heißen, südexponierten Hang steht an einer Stelle die weiße Gliedermelde Hammada salicornisa (O.SUD), eine Pflanze der heißen Wüsten. Üppige, von den Beduinen angelegte Obstgärten steigen, von Feldmauern eingefaßt, die Hänge hoch. Auf den Terrassen wuchern Weinstöcke über Laubengestellen. Wo das Wadi etwas breiter ist, sind kleine Getreidefelder angelegt. Gleich am Wadi-Eingang ziehen sich rechterhand stattliche Bestände von Aloe vera, einem Liliengewächs, etagenförmig die Felswände hoch. Da im Altertum Aloe vielfach kultiviert wurde, ist es durchaus möglich, daß es diese Pflanzen hier schon zur Zeit der Nabatäer gegeben hat. Das aus den Blättern gewonnene Öl fand in der Antike als Parfüm und Heilmittel Verwendung. Die alten Ägypter benutzten es auch als Ersatzmittel bei Einbalsamierungen. Auch dem Leichnam Jesu wurde eine Mischung aus Myrrhe und Aloe in die Grabtücher beigegeben. Auf den Felssimsen unter el-Habis stehen mannshohe Exemplare von Ferula communis (M), einem Doldenblütler, dessen Stengel mit einem leicht entzündlichen Mark gefüllt ist, das nur langsam, ohne daß die äußere Rinde verbrennt, vom Feuer verzehrt wird. Prometheus soll der Sage nach mit Hilfe dieser Stengel das Feuer aus Hephaistos'
Schmiede für die Menschen gestohlen haben. Am gleichen Standort zeigt im Frühjahr die Kugeldistel Echinops glaberrimus (O. SA) ihre runden, blauen Köpfe. Auf sonnenbeschienenem Sandsteinfels wächst der Korbblütler Chiliadenus (= Varthemia) montanus (O.SA). Seine Blüten erscheinen im Herbst. Chiliadenus montanus ist auch im Umland von Petra oft an den Felshängen zu finden. Die Beduinen bereiten aus der Pflanze einen Tee gegen Durchfall. Im mittleren Teil des Wadis stockt am nordexponierten Hang auch ein Exemplar von Lonicera etrusca (M), einem Geißblattgewächs. Polster des graufilzigen Krappgewächses Galium canum (O.M, W.IT) und das im Gebiet häufig anzutreffende Rauhblattgewächs Podonosma galalensis (O.SA) hängen hier an den Felsen, und auf höher gelegenen, unzugänglichen Etagen weht das Gras Piptatherum miliaceum var. thomasii (SA, W.IT). An sonnigen Plätzen des hier noch trockenen Bachbettes reckt Astragalus spinosus (IT), der Blasentragant, seine bedrohlichen, 2 cm langen Dornen, die eigentlich umgewandelte Blattstiele sind. Im Frühjahr zeigen sich kleine, rosaweißliche Schmetterlingsblüten, deren Kelche nach dem Verblühen stark aufgeblasen sind. An sonnenbeschienenen Hängen über dem Bach hängt fast 3 m lang Atriplex halimus (M, SA), ein Gänsefußgewächs, herunter, dessen junge Blätter von den Beduinen gern als Salat verspeist werden. Im unteren Teil der steilen Südhänge findet man auch Steppenarten wie die aromatisch duftende Artemisia herba-alba (IT), eine Wermut verwandte. Zu jeder Jahreszeit halb vertrocknet und dornig sieht das Gänsefußgewächs Noaea mucronata (IT, M) aus. Auch der kleine Strauch Gymnocarpos decandrum (SA), ein Nelkengewächs, kommt hier vor. In Bachnähe im noch feuchten Bereich gedeiht unter den Weiden in größeren Gruppen die Minze Mentha longifolia, mit deren Blättern die Beduinen ihren Tee würzen. An ähnlichen Standorten wachsen auch der Schachtelhalm Equisetum ramosissimum und Polygonum equisetiforme (M, W.IT). 249
im Stadtgebiet: in trockenen Wadis, wie z. B. im Wadi Metaha, findet man hauptsächlich Retama raetam zusammen mit Daphne linearifolia, Thymelaea hirsuta und beigemischtem Oleander, in Wadis mit hohem Grundwasserstand oder ständig vorhandenem Oberflächenwasser siedelt vor allem Oleander mit der Tamariske, wobei die Feuchtigkeit noch die Ausbildung von Schilfröhrichten mit Phragmites australis (= Ph. communis), Typha domingensis (O.M, IT)), Arundo donax (M, IT) und Juncus arabicus ermöglicht. Dies ist vor allem im Wadi Siyagh, Wadi Abu-Olleqa und (außerhalb des Stadtgebietes) im Wadi Sabra der Fall. Die Berghöhen um Petra
Abb. 11: Artemisia herba alba (aus Zohary 1962)
An versteckten Plätzen im Fels in Bachnähe siedelt Umbilicus intermedins (O.M, W.IT), der Venusnabel, ein Dickblattgewächs. Seine fleischigen, runden und in der Mitte vertieften Blätter haben ihm zu dem poetischen Namen verholfen. Weiter hinten im Wadi, wo ein Quarzporphyrstock aus dem Sandstein emporsteigt, hängt in den Wänden ein verholztes Krappgewächs Rubia tenuifolia (M). Den gleichen Standort besiedelt die prächtig gelbblühende Phlomis platystegia (W.IT), ein Brandkraut. Dieser Name weist auf die Verwendung der fleischigen Blätter als Lampendochte in der Antike hin. Es gibt zwei Aspekte der Wadi-Vegetation 250
Die Hochfläche von Umm el-Biyara wirkt bei erster Betrachtung mit ihrem einheitlichen Bewuchs zwar nicht besonders auffallend und interessant, lohnt aber dennoch eine eingehende Untersuchung. Hier findet sich nämlich ein Rest der wahrscheinlich ursprünglichen Steppenvegetation. Vor allem wächst auf der schwach geneigten Hochfläche Artemisia herba-alba, die charakteristische Art der irano-turanischen Steppe (Abb. 11). Nur wenige Phoenizische Wacholder und ein einziges kleines Exemplar der endemischen Pistacia khinjuk (W.IT), das im Schutze eines Wachholder hochkommt, haben sich angesiedelt. Relativ häufig sieht man den Zwergstrauch Globularia arabica (O.SA [O.M]), eine im Frühjahr blaublühende Kugelblume. Andere Arten wie Astragalus spinosus (W.IT [SA]), Biscutella didyma (M., W.IT), Ballota undulata (O.M [O.SA, W.IT]), Salvia lanigera (S. M, SA) und Erodium hirtum (SA) sind nur geringfügig beigemischt. Mehrere Grasarten konnten beim Aufstieg und auf der Höhe gefunden werden, wie Aristida adsensionis (SA), Pennisetum ciliare (SA [SUD, M]), Piptatherum miliaceum var. miliaceum (M [SA, W.IT]) und das Federgras Stipa capensis (IT, SA [M]). Dem Wanderer ist zu raten, die Höhe von Zibb Atuf vom Farasa-Tal aus zu besteigen. Dort findet man viele archäologische Sehens-
würdigkeiten, die man beim langsamen Aufstieg eingehend betrachten kann. Die Vegetation der Hochfläche selbst ist durch den häufigen Begang von Touristen und auch durch Beweidung so gestört, daß man kaum gutes Bestimmungsmaterial findet. Umso lohnender ist der herrliche Rundblick, der vom Dschebel Harun über ed-Der nach el-Hubta und Wadi Musa vor dem Hintergrund der hellen Schera-Berge reicht. Der Abstieg durch die enge Schlucht auf das Theater zu ist schon interessanter. Weiß blüht am Fels im Frühjahr der Salbei Salvia palaestina (O.M, W.IT) mit aromatisch nach Zitrone riechenden Blättern, am schattigen Boden leuchten zur gleichen Zeit die blauen Blüten von Brunnera orientalis (W.IT), einer nahen Verwandten unseres Vergißmeinnichts, die große, ovale, rauhe Blätter besitzt. Schatten und Feuchtigkeit in der engen Schlucht sind die besten Voraussetzungen für das üppige Wachstum von Arum elongatum (O.M, W.IT), einem Aronstabgewächs. Beim Aufstieg nach ed-Der fallen dem Wanderer besonders die rutenförmigen Sträucher des Meerträubelgewächses Ephedra campylopoda (E.M.) auf. Diese entwicklungsgeschichtlich interessante Holzpflanze gehört einer alten Reliktfamilie der Nacktsamer an. Silene arabica, ein Nelkengewächs, und Pituranthos triradiatus, ein rutenförmiger Doldenblütler, beides saharo-arabische Arten, sowie der für Edom endemische Tragant Astragalus aaronii (W.IT) wachsen längs des Weges. Etwas abseits des Wegs, unterhalb eines ehemaligen Tropfheiligtums, hängt wieder Adiantum capillus-veneris. Auf der Höhe angelangt, kann man die schöne Distel Picnomon acarna (M, W.IT) und in der Nähe einer Zisterne den Lippenblütler Scutellaria subvelutina (O.M) finden. Die Braunwurzgewächse Kickxia petrana und Verbascum petrae, beide endemisch für das Edomitische Bergland, wachsen zusammen mit dem Günsel Ajuga chia (O.M, W.IT) am Felsgrund am Rande der Hochfläche. Ansonsten gilt auch hier das von Zibb Atuf Gesagte: Starke Be-
weidung und reger Touristenverkehr beeinträchtigen, ja zerstören die natürliche Vegetation. Die außerordentlich starke Beweidung ist auch der Grund, weshalb eine Untersuchung von el-Hubta unterblieb. Der Dschebel Harun als höchster Berg der Umgebung hat schon seit der Antike für den Menschen im Umland von Petra besondere kultische Bedeutung gehabt (s. M. Lindner: »Ein nabatäisches Klammheiligtum bei Petra«, S. 286 f.). Er war das Ziel der Pilger, die das Grab des Aaron auf seinem Gipfel besuchten. Man kann daher mit Sicherheit annehmen, daß die Vegetation dieses Berges schon sehr früh nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand verharren konnte, sondern durch menschliche Aktivitäten laufend verändert worden ist. Beim Aufstieg findet man an den Hängen mediterrane Arten wie Juniperus phoenicea, Ononis natrix, Ballota undulata, das Nelkengewächs Paronychia argentea, das Gras Bromus fasciculatus, irano-turanische Elemente wie Artemisia herba-alba, Astragalus spinosus, A. aaronii, Helianthemum vesicarium, saharo-arabische Arten wie Retama raetam, Globularia arabica, Zilla spinosa, Moricandia nitens, Helianthemum ventosum und Fagonia mollis. Die Hochflächen von el-Beda und el-Barra Sowohl im Norden als auch im Süden des Talkessels von Petra befinden sich Hochebenen, auf denen durch die besseren Bodenbedingungen (ebene Lage, weniger Bodenabschwemmung) Feldbau betrieben werden kann. Durch die Verteilung der wildwachsenden Arten im Gelände läßt sich sehr schön eine Einteilung in verschiedene Florenregionen vornehmen. Zwar sind auf der im Norden gelegenen Hochebene von el-Beda auch Arten mit Verbreitungsschwerpunkt im Saharo-Arabischen wie Retama raetam, Gymnocarpos decandrum, das Cistrosengewächs Helianthemum sancti-antonii oder der Rutenstrauch Pituranthos tortuosus, ein Doldenblütler, vertreten, doch weist die höhere Arten- und Individuenzahl der Steppenarten die Gegend 251
Abb. 12: Quercus calliprinos (nach Zohary-Feinbrun 1966-1986)
mehr dem irano-turanischen Florenbereich zu. Artemisia herba-alba ist auf naturnahen Flächen am stärksten vertreten, dazu kommen das prächtig rosa blühende Helianthemum vesicarium, die dornige Noaea mucronata, die Korbblütler Achillea santolina und Centaurea eryngioides. Auch die Segge Carex pachystylis (= C. stenophylla) wächst auf kleinen Flächen zusammen mit der im Frühjahr blaublühenden Iris sisyrinchium (M, IT). Man findet den großen Doldenblütler Zosima absinthifolia, dessen fleischige Wurzeln und Blätter wegen ihres aromatischen Geschmacks als Küchenkraut verwendet werden, und das Distelgewächs Gundelia tournefortii, aus dessen jungen Köpfen ein schmackhaftes Gericht bereitet werden kann und deren nußartige Früchte bei hohem Fettgehalt genießbar und angenehm im Geschmack sind, sowie die gelbblühende Schwarzwurzel Scorzonera judaica, deren unterirdische Knollen eßbar sind. Auch Ackerwildkräuter wie das blaublühende 252
Narzissengewächs lxiolirion tataricum, die rosablühende Scorzonera papposa, das Nelkengewächs Minuartia picta sowie Brunnera orientalis gehören zu den Steppenpflanzen. Leopoldia comosa, die Schopfige Traubenhyazinthe, die Mohngewächse Glaucium corniculatum, Roemeria hybrida und Papaver argemone und die Gräser Bromus tectorum und Hordeum bulbosum gehören sowohl dem irano-turanischen als auch dem mediterranen Florenbereich an. Kommt man näher an el-Beda heran, so treten an Felsgruppen, die von den Äckern umgeben sind, auch mediterrane und ostmediterrane Arten auf wie Alkanna tuberculata (= A. tinctoria), ein Rauhblattgewächs, die Winde Convolvulus althaeoides, die Zaunrübe Bryonia cretica, der leuchtend rote Hahnenfuß Ranunculus asiaticus var. tenuilobus, der Lauch Allium neapolitanum und die mit unserer Schachbrettblume verwandelte Fritillaria persica (O.M, W.IT), ein etwa 80 cm hohes Narzissengewächs. Auch die Baumflur im Wadi Umm el-Hiran mit Quercus calliprinos, Pistacia palaestina und Juniperus phoenicea unterstreicht den mehr mediterran geprägten Charakter der Landschaft (Abb. 12). Wandert man von Petra in südlicher Richtung, gelangt man zur Hochebene von elBarra, ebenfalls einem Getreideanbaugebiet. Hier kommen vermehrt neben den Steppenarten Artemisia herba-alba und Noaea mucronata die Gehölze Retama raetam, Thymelaea hirsuta, Gymnocarpos decandrum und Gomphocarpus sinaicus vor, die an naturnahen Standorten zwischen den Feldern eine lockere Strauchvegetation bilden. Im sandigen Boden entdeckt man viele saharo-arabische Arten, deren Vorkommen wohl durch die Nähe der Wüste bedingt ist. Es sind dies der kleine Zwergstrauch Echiochilon fruticosum, ein Rauhblattgewächs mit bläulichen, z. T. ins Rosa spielenden Blüten, die dornige Zilla spinosa, ein ausdauernder Kreuzblütler, der bis zu 1 m hoch und breit werden kann, das Cistrosengewächs Helianthemum lippii, dann Fagonia mollis et gluti-
nosa, beides Jochblattgewächse, der violette Reiherschnabel Erodium hirtum und schließlich verschiedene Korbblütler wie Leysera (= Asteropterus) leyseroides, Gymnarrhenia micrantha, Koelpinia linearis (SA, W.IT), und Senecio glaucus (SA, W.IT). Der aufmerksame Beobachter kann am Rande und auf den Feldern hin und wieder als Besonderheit Hyoscyamus reticulatus (W.IT), ein Bilsenkraut, zur Familie der Nachtschattengewächse gehörend, und drei Doldenblütler, die rutenartigen Pituranthos tortuosus et trimdiatus (Beide O.SA) und Eryngium glomeratum (O.M, W.IT), eine Mannstreuart, finden. Geht man von hier aus weiter in Richtung Wadi Sabra, sieht man bereits auf der Hochfläche in und neben den Feldern vereinzelt junge Exemplare von Acacia raddiana (SUD), der Schirmakazie, einem typischen Wüstenvertreter. Wadi Sabra Etwa eineinhalb Stunden von Petra entfernt in südlicher Richtung beginnt der Abstieg ins Wadi Sabra. Entlang des Weges sind hier noch die oben erwähnten Zwergsträucher zu sehen, aber zwischen Felsgestein entdeckt man eine Pflanze von ganz anderem Aussehen. Es handelt sich um Caralluma europaea var. judaica (O.M.), die in Gestalt von mehreren, 20 cm hohen, dicht stehenden Säulen ganz den Charakter einer Sukkulenten hat. Caralluma gehört zur Familie der Seidenpflanzengewächse. Im Herbst erscheinen an den Säulen kleine, violette Blüten, aus denen sich Balgfrüchte entwickeln, die wie zwei Büffelhörner hochstehen. Bei der Reife springen sie auf einer Seite der Länge nach auf und entlassen die weißseidig behaarten Samen. Im Wadi angekommen, wandert man mühsam durch Sand an den Oleanderbüschen vorbei. Bald darauf lädt ein eindrucksvoller alter Baum zur Rast ein, der einzige, der am Rande des Wadibettes hier wächst, es ist Acacia raddiana, ein Mimosengewächs (Abb. 13). Am Wadi-Rand und an den unteren steinigen Hängen der Felswände entdecken wir ein
Abb. 13: Acacia raddiana (aus Zohary 1962)
Gänsefußgewächs, das wir schon im Wadi Siyagh gesehen hatten. Es ist die ostsudanische Wüstenpflanze Hammada salicornica, deren Blätter zu länglichen, sukkulenten Segmenten reduziert sind. Die kleinen Früchte sind von silbrigen Flügeln umgeben. Einige Forscher glauben, daß die süße Ausscheidung an den Zweigen von Hammada salicornica das biblische Manna ist. Die Beduinen nennen die weißliche Masse »man rimth« und verwenden sie als Süßstoff. Hammada salicornica wird als Lieferant von Kalium zur Seifenherstellung verwendet und daher auf den Märkten im Orient zum Verkauf angeboten. Am sandigen Wadiboden findet man hier über größere Flächen ausgebreitet Citrullus colocynthis (SA), die Coloquinte, ein Gurkengewächs, vor dessen Genuß 253
Abb. 14: Zygophyllum dumosum (nach Zohary-Feinbrun 1966–1986)
schon in der Bibel gewarnt wird (2. Könige, 39–41: ». . . o Mann Gottes, der Tod ist im Topf. . .«). Heute werden die Früchte in großer Zahl weltweit in der pharmazeutischen Industrie verwendet. Im Sandsteinfels der oberen Hänge sieht man vereinzelt auch wieder Juniperus phoenicea. Beim Theater von Sabra wachsen Tamarisken (Tamarix nilotica, SA [SUD, IT]) neben den hohen Oleanderbüschen. Auch Daphne linearifolia steht da und dort im Wadibett. Hier fließt besonders im Frühling Wasser, ja sogar im Herbst sind noch Wasserlöcher anzutreffen. Im feuchten Wadisand wachsen das Schilf Phragmites australis, Rohrkolben Typha domingensis und in Herden Juncus arabicus (SA, W.IT), eine Binse, die zur Herstellung von Gebetsmatten verwendet wird. Inula viscosa (M), ein im Herbst gelbblühender Alant, begrenzt den Wasserlauf. 254
Wegen seines strengen Geruchs verwendete man ihn früher als Räuchermittel, um wilde Tiere und Mücken zu vertreiben. Weiter wadiabwärts wachsen auf einer ca. 2 m hohen Terrasse über dem Wadibett viele Exemplare eines etwa 1 m hohen, stark verbissenen Strauches: der Bocksdorn Lycium shawii (SA, SUD), ein Nachtschattengewächs. Geht man von hier aus in kleine Nebentälchen, so gerät man in eine wirklich wüstenhafte Umgebung. Das Jochblattgewächs Zygophyllum dumosum (O.SA), ein etwa 1 m hoher Strauch, ist hier der Hauptvertreter der Pflanzengesellschaft. Es gehört zu jenen eigentümlichen Wüstenpflanzen, die mehrere Jahre hintereinander ohne Regen leben können. Sie verlieren dabei zwar kräftig an Substanz, da sie Blätter und Nebenäste abwerfen, doch bei Regen erholen sie sich schnell und treiben neu aus. Der Strauch kann überdies ein hohes Alter erreichen. Man fand Exemplare, deren Stämme über 300 Jahresringe aufweisen, nicht gerechnet die Trockenjahre, in denen sie wegen des fehlenden Regens keine Ringe bilden konnten (Zohary 1983). Zygophyllum dumosum charakterisiert eine Pflanzengesellschaft, die von der Steppe zur Wüste überleitet (Abb. 14). Es ist daher nicht verwunderlich, daß die hier vorkommenden Arten meist nicht eindeutig zuzuordnen sind. Steppenarten wie Astragalus spinosus und Noaea mucronata sind selten. Reaumuria hirtella var. palaestina, eine Tamariskenverwandte, das Kardengewächs Scabiosa porphyroneura sowie das Akanthusgewächs Blepharis attenuata (O.SA, W.IT) sind genauso vertreten wie die saharoarabischen Arten Fagonia mollis und Gymnocarpos decandrum. Die Zwergsträucher Farsetia aegyptiaca, ein Kreuzblütler, HeHanthemum lippii und das Resedengewächs Caylusea hexagyna sind sowohl im Saharoarabischen als auch im Sudanischen vertreten, während die Sträucher Ochradenus baccatus und Hammada salicornica ganz im sudanischen Bereich stehen. Erstaunlich ist, daß Urginea maritima als mediterrane
Art auch in diesen Beständen vorkommt. Etwa 4 km weiter südwestlich fällt das Wadi Sabra in Stufen von 820 auf etwa 700 m NN. Bereits im oberen Bereich des Abfalls herrschen Wüstenvertreter vor: Gänsefußgewächse mit zu sukkulenten Stammgliedern reduzierten Blättern wie Anabasis articulata (SA [IT]), A. setifera (O.SA [W.IT, SUD]), Hammada salicornica (O.SUD) oder solche mit kleinen, fleischigen Blättern wie Salsola volkensii (O.SA) und Halogeton alopecuroides (SA) (Abb. 15). Seltene sudanische Vertreter im Gebiet sind die verholzte Liane Cocculus pendulus, ein Mondsamengewächs (Wadi Abu Kusheibe), sowie Moringa peregrina, die Bennuß. Dieser kleine Baum mit rutenartigen, blaugrünen Zweigen, weißen Blüten und 10 cm langen, schotenartigen Früchten, den man von weitem fast mit Retama raetam verwechseln kann, wächst im Wadi es-Sadeh. Zusammenfassung Landschaft und Pflanzenwelt Petras wurden beschrieben. Es konnte festgestellt werden, daß im Edomitischen Bergland um Petra in Abhängigkeit von Höhe und Himmelsrichtung Pflanzengesellschaften existieren, die unterschiedlichen Florenregionen angehören. Bei etwa 1000–1100 m NN befinden sich sowohl im Süden als auch im Norden von Petra Hochflächen, deren natürliche Pflanzenwelt dem Steppenbereich zuzurechnen ist. Sie zeichnen sich durch die Leitart der iranoturanischen Steppengesellschaften, Artemisia herba-alba, aus, die an der Bodenschicht mit hohem Deckungsgrad beteiligt ist. Hier auf den Hochflächen liegen auch die wenigen größeren Getreideanbauflächen im Gebiet. Weiter nach Norden nehmen die mediterranen Elemente zu. Besonders die Baumflur mit Quercus calliprinos hinter el-Beda unterstreicht diesen Charakter. Solch lichter »mediterraner Steppenwald« würde wohl ohne menschlichen Einfluß auf den Hochflächen im Norden größeren Raum einnehmen. Im Süden von Petra trifft man im Wadi Sabra auf 820 m NN eine Pflanzengesellschaft, die
Abb. 15: Anabasis articulata (nach Zohary-Feinbrun 1966–1986)
von der Steppe zur Wüste überleitet. Hauptvertreter ist hier das ostsaharo-arabische Zygophyllum dumosum. Noch weiter südwestlich am Steilabfall des Wadi Sabra bis 700 m NN erscheint eine Wüstenflora mit saharo-arabischer Ausprägung. Vorherrschende Art ist Anabasis articulata. Bedingt durch die Nähe zum Wadi Araba ist bereits im Wadi Sabra eine Zunahme der sudanischen Arten zu verzeichnen. Auf die Einteilung des Stadtgebietes mit den umliegenden Höhen nach Florenregionen wurde wegen der stark veränderten Flora infolge des jahrtausendelangen menschlichen Einflusses verzichtet. Das Plateau von Umm el-Biyara könnte man jedoch zum iranoturanischen Bereich zählen. Archäologische Ausgrabungen im Gebiet von Petra haben ergeben, daß die Nabatäer die Siedlungstradition der neolithischen und edomitischen Zeit fortsetzten. Damit zeigt sich erneut, daß die vorgeschichtlichen Menschen im ostmediterranen Raum gerade die Übergangsbereiche zwischen mediterraner Waldzone einerseits und Steppen- sowie Wüstenzone andererseits für ihre Niederlassungen bevorzugten. 255
Literatur Al-Eisawi, D.: List of Jordan Vascular Plants. Mitt. Bot. München 18, 79–182. München 1982. – Baumann, H.: Die griechische Pflanzenwelt in Mythos, Kunst und Literatur. München 1982. – Bender, F.: Geologie von Jordanien. Berlin/Stuttgart 1968. – Boissier, P. E.: Flora Orientalis. 5 Vols. & Suppl. Basel-Geneva-Lyon 1867– 1888. – Browning, I.: Petra. London 1982. – Burckhardt, J. L.: Reisen in Syrien, Palästina und der Gegend des Berges Sinai. Weimar 1823. – Danin, A.: Desert Vegetation of Israel and Sinai. Jerusalem 1983. – Davis, P. H.: Flora of Turkey and the East Aegean Islands. Vol. 2. Edinburgh 1967. – Gebel, H. G. & J. M. Starck: Investigations into the Stone Age of Petra Area (Early Holocene Research). A Preliminary Report on the 1984 Campaigns, ADAJ XXIX. 1985. Genaust, H.: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 2. Auflage. Basel-Boston-Stuttgart 1983. – Gradmann, R.: Die Steppen des Morgenlandes in ihrer Bedeutung für die Geschichte der menschlichen Gesittung. Geogr. Abhandl. 3, Heft 6, 1–66. Stuttgart 1934. – Hart, H. C: Some Account of the Fauna and Flora of Sinai, Petra and Wady Arabah. London 1891. – Hegi, G.: Illustrierte Flora von MittelEuropa. V. Band, 4. Teil. München 1906. – Holzapfel,
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KONRAD G AUCKLER †
Die kostbarsten Drogen der Alten Welt: Weihrauch, Myrrhe, Balsam Den würzigen duftenden Rauch verbrennender Edelharze und das feine Aroma ätherischer Pflanzenöle hat der Mensch seit undenklichen Zeiten bei seinen kultischen Handlungen benutzt. Balsamhaltige, desinfizierende Wundsalben für die Lebenden und konservierende Balsame für die Toten waren hochgeschätzt. Welches sind die Gewächse, die sie hervorbringen und aus welchen Wirkstoffen bestehen diese Drogen? Was sagt dazu der Botaniker, der Chemiker und der Pharmakognost von heute? Die nüchternen Tatsachen sind folgende:
Schmelzen ist ein feiner Wohlgeruch wahrzunehmen. Durch Wasserdampfdestillation erhält man ein farbloses, nach Zitronen duftendes ätherisches Öl, das 5 bis 10 % der Droge ausmacht. Zurück bleiben rund 60 % Harze und Harzsäuren, 25 % Gummi, ferner Bitterstoff. Verwendung findet Weihrauch heute großenteils als Räuchermittel für kirchliche Zwecke. Kleinere Mengen dienten früher zum Herstellen von blutstillenden Salben und für Zahnpasten. Selten ist heute die innerliche Anwendung bei Verdauungsstörungen.
Weihrauch Weihrauch oder Olibanum ist das Ausscheidungsprodukt des Arabischen Weihrauchbaumes Boswellia carteri aus der Familie der Balsamgewächse oder Burseraceae. Er wächst als ein bis 6 m hohes Bäumchen oder als großer Strauch im südarabischen Hadramautgebirge, sowie im Ahlgebirge des ostafrikanischen Somalilandes. Seine Laubblätter sind ähnlich wie die unseres Vogelbeerbaumes gefiedert, jedoch beiderseits blaßgelb filzig behaart (Abb. 1). Die weißen Blüten sind in Rispen angeordnet und bilden runde Steinfrüchte. Aus Einschnitten in die Äste fließt ein milchweißer Saft, der an der Luft in Tropfen- oder Tränenfom zum Weihrauch des Handels erstarrt. Dementsprechend besteht die Merkantilware aus rundlichen, meist tränenförmigen Körnern, die oft zusammengeklumpt und von blaßgelber bis rötlich-gelber Farbe sind. Beim Kauen zerfallen sie im Mund und werden weich. Der Geschmack ist bitter aromatisch. Beim
Abb. 1: Weihrauchbaum (Boswellia carteri).
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Myrrhe Echte Myrrhe oder Arabische Myrrha ist ein Balsamharz, das als halbflüssige Masse aus den verwundeten Stämmen und Ästen des Echten Myrrhebaumes Commiphora abessynica ausgeschwitzt wird. Diese Pflanze, die ebenfalls der Familie der Balsamgewächse angehört, ist ein dorniges Bäumchen, an dessen dreizähligen Laubblättern die Seitenblättchen meist kleiner sind als das mittlere oder sogar fehlen. Die Heimat des Myrrhenbaumes sind die Bergländer Südarabiens. Verwandte Arten wachsen in Nordabessinien und Erythräa bei einer Höhenlage von 300–2000 m über dem Roten Meer. Die Eingeborenen gewinnen die Droge, indem sie die Stämme einschneiden. Der ausfließende gelblich-milchige Saft trocknet bald zur Harzmasse ein. Die gesammelte Ware wird zu den Ausfuhrhäfen (z. B. Aden) gebracht,
Abb. 3: Arabischer Balsamstrauch (Commiphora opobalsamum).
wo meist verschiedene Myrrhensorten gemischt werden, so daß die Myrrha des Handels selten einheitlich ist. Sie besteht aus rotgelben bis rotbraunen Stücken von verschiedener Größe und Form. Der Geruch ist eigenartig aromatisch und tritt beim Erwärmen stärker hervor. Die Inhaltsstoffe sind alkohollösliche Harze (25–40 %), alkoholunlösliche, gummiartige Verbindungen (50 bis 60 %), die sich zum Teil in Wasser lösen, und ätherisches Myrrhenöl (3–10 %). Nach neueren Untersuchungen von Bolton wurde außerdem ein besonderer Stoff, genannt Burseracin, gefunden, der heilend auf Wunden wirkt. Verwendet wurde und wird Myrrhe meist äußerlich in Form weingeistiger Lösungen (»Myrrhentinktur«), neuerdings auch in Gestalt wässeriger Burseracin-Präparate, bei Zahnfleischentzündungen sowie in der Kosmetik als Grundsubstanz für Mund- und Zahnpflegemittel (Abb. 2).
Der Arabische Balsam
Abb. 2: Myrrhenbaum (Commiphora abessynica).
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Arabischer Balsam oder Mekkabalsam stammt von dem Arabischen Balsamstrauch Commiphora opobalsamum, der früher Balsamodendron gileadense genannt wurde.
Diese Pflanze ist ein 5 bis 6 m hoher Strauch mit rutenförmigen Ästen, die während der Regenperiode gefiederte bis dreizählige Blätter tragen, zur Trockenzeit aber blattlos sind. Das ursprüngliche Vorkommen umfaßt die Gebirge auf beiden Seiten des Roten Meeres, das südliche Arabien und das ostafrikanische Somaliland. Nach zahlreichen Zeugnissen antiker Schriftsteller wurde der Balsamstrauch einst auch in Palästina und Ägypten kultiviert (Abb. 3). Die Balsamgärten gehörten zu den Weltwundern. Im 2. nachchristlichen Jahrhundert reiste der berühmte Arzt Galenus allein ihretwegen nach Palästina, wo er einen Garten in Jericho, den anderen in Engedi westlich vom Toten Meer besichtigte. Es waren die Balsamgärten, deren Einkünfte Antonius seiner Geliebten, der Ptolemäerkönigin Kleopatra, schenkte. Nach der Eroberung Palästinas führte der siegreiche Vespasian ein Exemplar des Balsambaumes in seinem Triumphzug durch Rom. Nach der Zerstörung Jerusalems durch Titus mußten die Römer die Balsamgärten vor den Juden schützen, die sie ebenso vernichten wollten wie ihr eigenes Leben.
Dies gelang der römischen Besatzungsmacht, und die Pflege der Balsamsträucher hat sich noch viele Jahrhunderte in Palästina gehalten. Um 725 brachte Bischof Willibald von Eichstätt von seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land Balsam mit. Auch während der Kreuzritterzeit erhielt sich die Balsamkultur in Jericho, verfiel aber, als arabische Beduinenstämme die Christen aus dem Jordantal vertrieben.
Vernichtete Gärten Der Verfasser dieser Zeilen suchte bei seinen botanischen Forschungsreisen durch Westarabien zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg in der aufgelassenen Oase Engedi und im Bereich der anderen ehemaligen Pflanzenstätten vergeblich nach möglicherweise verwilderten Restbeständen der Balsamsträucher. Im 1. nachchristlichen Jahrhundert wurde die Kultur des Balsamstrauches auch in Ägypten eingeführt, wo man in Matarea, dem alten Heliopolis (unweit Kairo), einen berühmten Balsamgarten anlegte. Gefangene Christen mußten dort später die Pflanzungen
Abb. 4: An den Felswänden von el-Hegr (lat. Hegra, heute Medain Salih) und den nabatäischen Fassadengräbern zogen die Karawanen mit den kostbarsten Drogen der Alten Welt vorbei.
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Abb. 5: Die »Weihrauchstraße«, deren Verlauf sich ungefähr verfolgen läßt, war keine »Straße«. Zu verschiedenen Zeiten, unter wechselnden politischen Verhältnissen und entsprechend der Marktlage wurden jeweils andere Routen und Abzweigungen benützt. Das Verhältnis zu dem immer auch durchgeführten Seetransport hing von den Machthabern der Region ab. (Zeichnung: H. Zech.)
pflegen. Bis zum 17. Jahrhundert bestanden die ägyptischen Balsamodendron-Gärten und lieferten lange Zeit das Salböl der christlichen Kirche. Die Rinde der Sträucher wurde zu bestimmten Zeiten angeschnitten. Der Balsam träufelte aus der Wunde und wurde aufgefangen. Er ist dickflüssig, honigartig, wachsgelb bis rotbraun, sehr wohlduftend und besteht aus ätherischen Ölen mit darin gelösten Harzen. Bei den Orientalen stand und steht der Mekkabalsam in hohem Ansehen. Er wurde von ihnen als wundheilendes, schweiß- und harntreibendes Mittel benutzt, ferner gegen Schlangenbisse und Skorpionstiche. Besonders verwendet wurde 260
er zu Salbungen. Die römische Kirche hat diesen Brauch übernommen, erlaubt aber seit 1571 an Stelle des Arabischen Balsams zur Bereitung des Salböls den nach Vanille duftenden Perubalsam Zentralamerikas. Nach einer Information der Drogenfirma Gehe ist gegenwärtig der echte Mekkabalsam ganz aus dem Handel verschwunden. Die antike »Weihrauchstraße« wird nicht mehr benützt (Abb. 4 und 5).
Literatur Berger, F.: Handbuch der Drogenkunde VI, Wien 1964. – Warburg, O.: Die Pflanzenwelt II, Leipzig 1923.
M ANFRED L INDNER
Neuere Ausgrabungen und Untersuchungen Ausgrabungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg in Petra Die aufwendigen und imponierenden Fassadengräber der nabatäischen Metropole haben zwar seit 1812 die Aufmerksamkeit von Reisenden, Orientalisten und Archäologen immer wieder auf sich gezogen, aber gerade durch ihre Attraktivität nüchternes Forschen und Ausgraben in den Hintergrund gedrängt. Die jahrhundertealte Abneigung der einheimischen Liathne und Bdul gegen Fremde und erst recht gegen – wie man glaubte, nach Schätzen suchende – Wissenschaftler mag dazu beigetragen haben, daß erst 1929 mit G. Horsfield1 wissenschaftlich fundierte Ausgrabungen begannen. In der Folgezeit gruben in Petra W. F. Albright von der American School in Jerusalem, M. A. Murray mit ihren Assistenten J. A. Saunders und J. C. Ellis 2 , P. J. Parr von der Universität London3, Diana Kirkbride-Helbaek, P. C. Hammond 4 , Crystal M. Bennett, N. Khairy und Beamte des Department of Antiquities von Jordanien. Minuziöse Beschreibungen Der deutsche Beitrag zur Erforschung Petras war von Anfang an bedeutend gewesen. 1837 veröffentlichte der Geograph Heinrich von Schubert zusammen mit dem Expeditionsmaler J. M. Bernatz5 Bilder von seiner Reise nach Petra. Ungleich umfassender und bereits in der besten Tradition deutscher Gründlichkeit untersuchten 1897 und 1898 R. Brünnow, A. v. Domaszewski und J. Euting Petra und das Ostjordanland. Ihre »Provincia Arabia«, in drei umfangreichen Bänden 1904 und 1909 in Straßburg gedruckt, ist heute noch die größte, genaueste und vielseitigste Dokumentation über Petra und das na-
batäische Arabien. Ebenso minuziös beschrieb Gustav Dalman, Vorstand des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft, 1908 und 1912 die nabatäischen Kultstätten, also Felsheiligtümer, Altäre, Triklinien und Idole.6 1910 verfaßte Heinrich Kohl eine ausgezeichnete Studie über den großen Stadttempel. Dieser deutsche Beitrag zur Petra-Forschung wurde fortgeführt und abgeschlossen durch die Untersuchungen von Theodor Wiegand, Carl Watzinger und Walter Bachmann7, die unter sehr ungünstigen Umständen während des 1. Weltkrieges im Auftrag des DeutschTürkischen Denkmalschutz-Kommandos vor allem die Profanbauten der Stadt untersuchten und aufnahmen. Eigentliche Ausgrabungen hat es bei all diesen Forschungen nicht gegeben. Nur Dalman berichtet, er habe einmal gegen Abend im Innern des »Schatzhauses« den Boden aufgegraben, um zu erfahren, ob hier Gräber seien. Er wurde enttäuscht. In dem gleichen Raum feierten die erwähnten Denkmalschützer 1916 ein makabres Weihnachtsfest.8 Es hatte sich inzwischen herausgestellt, daß in dem vielleicht unvollendeten Mausoleum die hohen Nischen für Sarkophage vorgesehen waren. Interessen und Beziehungen Für deutsche Ausgrabungen in Petra gab es somit weder eine Tradition, an die man hätte anknüpfen, noch etwa Ausgrabungen, die man weiter- oder zu Ende hätte führen können. Wie kam es dann überhaupt zu Grabungen? Die guten Beziehungen zur königlichjordanischen Regierung, insbesondere zum Department of Antiquities in Amman hatten 261
Abb. 1: Die Grabungsplätze der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg unterhalb des Urnengrabes in Petra.
in München, Nürnberg und Tongeren geführt hatte. Im Zuge dieser Entwicklung fanden sich bald andere Interessierte zu einer Gruppe zusammen, die der Verfasser in der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg e. V., einer traditionsreichen, bereits 1801 gegründeten Bildungsgesellchaft, sammeln konnte. Waren die ersten Veröffentlichungen noch seine Privatangelegenheit, so wurden die Ausstellungen und das 1970 als wissenschaftliche Abhandlung der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg edierte Buch »Petra und das Königreich der Nabatäer«10 zunehmend Gemeinschaftsleistungen, an deren Zustandekommen sich Autodidakten, wie der engagierte Sammler und Kenner nabatäischer Keramik K. Schmitt-Korte 11 und Facharchäologen, wie Dr. H.-J. Kellner, München12, und Dr. P. J. Parr, London, beteiligten. Aufgrund solcher Vorarbeiten und Vorleistungen und mit der gar nicht hoch genug zu schätzenden Hilfe von Dr. F. Zayadine und Muhammed Murshed Khadija vom Department of Antiquities erhielten der Verfasser und Mitglieder der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg 1973 die Erlaubnis, zusammen mit dem Department in der antiken Stadt Petra auszugraben (Abb. 1). Die Kosten trugen die Teilnehmer selbst, großzügige Zuschüsse stammten von Georg Kerscher, Nürnberg.
Eine verschüttete Wohnhöhle
Abb. 2: Bei der Grabung wurde diese Wohnhöhle aus byzantinischer Zeit freigelegt.
ihren Ursprung in dem Interesse des Verfassers an Petra, das zu mehreren Reisen dorthin, zu Veröffentlichungen9 .und 1970/71 zu ersten Ausstellungen nabatäischer Keramik 262
Die beschränkt zur Verfügung stehende Zeit der sämtlich berufstätigen Grabungsteilnehmer machte die Auswahl kleinräumiger Projekte erforderlich. 13 Grabungsplatz 1 war eine verschüttete Höhle am Hang von elHubta unterhalb des Urnengrabes. Hier befindet sich eine ausgedehnte Nekropole vorwiegend von Schachtgräbern, deren Nähe zu den »Königsgräbern« kaum zufällig ist. Die untersuchte Höhle war jedoch zumindest zum Zeitpunkt der Aufgabe kein Grab, sondern eine Wohnhöhle mit teilweise überdecktem Vorhof, einer Treppe zum Dach, Türpfosten und Anbindloch an der Decke, vermutlich für eine Öllampe (Abb. 2). Nach den
verstürzten Mauersteinen des Vorhofes und den offenbar in Eile zurückgelassenen Haushaltsgefäßen (großer Weinkrug, kleiner Mörser mit Basaltstößel, Glasflasche) (Abb. 3) kann man eine plötzliche Zerstörung der Wohnung, vielleicht im 4. Jahrhundert, annehmen. Aufgrund anderer Hinweise ist bekannt, daß damals ein Erdbeben in Petra viel Schaden angerichtet hat. Das Christentum scheint zu dieser Zeit noch nicht völlig Fuß gefaßt zu haben. Im Schutt vor der Höhle fand sich eine Alabasterplatte mit dem kunstvoll eingearbeiteten Schema eines mundlosen Gesichts. Ähnliche Darstellungen, teils isoliert, teils als Relief-Betyle, sind aus Petra und dem Wadi Ramm bekannt, wurden neuerdings im Sik und in dem von Hammond ausgegrabenen Tempel gefunden, vom Verfasser 1977 in einem versteckten Wadi nordwestlich von Petra und neuerdings am Hügel Zantur entdeckt. Es scheint sich um die Darstellung einer weiblichen Gottheit zu handeln, vermutlich der Gefährtin des lokalen Duschara (Abb. 4).
Kammergrab unter dem Fußboden Grabungsplatz 2 brachte eine Überraschung. Unter den Resten eines rechteckigen Hausfundaments auf einem Felsvorsprung über dem Wadi Musa fanden sich außer einer später angelegten Wasserleitung Kochgefäße und eine bemalte nabatäische Schale. Ziemlich genau in der Mitte des Fundaments senkte sich ein rechteckiger Schacht 2,05 x 0,72 m mit seitlichen Trittlöchern in die Tiefe und erweiterte sich nach etwa 2 m zu einem Kammergrab mit insgesamt 8 in den Felsen geschlagenen Senkgräbern. Diese Gräber waren offenbar frühzeitig geplündert worden, enthielten aber noch eine ganze Reihe aufschlußreicher Beigaben. Zwei goldene Ohrringe und eine Silberdrachme von König Obodas III. (30–9 v. Chr.) datieren die früheste Bestattung zusammen mit Fragmenten bemalter nabatäischer Schalen ebenso in das 1. vorchristliche Jahrhundert wie Kochtopf und Unguentarium eines weiteren Grabes. Die gefundenen Bronzeglöckchen können so-
Abb. 3/4: Im Schutt vor der Wohnhöhle wurde eine Alabasterplatte mit einem schematisierten Gesicht und im Innern eine Ansammlung von Gefäßen und ein Mörser gefunden.
wohl zur Kleidung wie zum Schmuck der Leiche gehört haben. Eisennägel deuten darauf hin, daß man die Toten in – längst vergangenen – Holzsärgen beisetzte (Abb. 5). In Grabungsplatz 3 fand sich ein Schachtgrab mit vier Senkgräbern. Neben dem weitgehend vergangenen Skeletten lag lediglich eine zerbrochene Spindelflasche als Beigabe. Sie datiert das Schachtgrab in das 1. Jh. v. Chr. 263
Abb. 5: Grabungsplatz 5 während der Ausgrabung. Das geöffnete Schachtgrab ist im Hintergrund zu sehen.
Abb. 6: Das Hegra-Grab 813 war vermutlich das Mausoleum eines nabatäischen Königs oder »Edlen«.
264
Inschrift in einem «fürstlichen« Grab Ein Großgrab vom Hegra-Typ an der Ostwand von el-Hubta, also am Ende der Reihe von vermutlichen Königs- und »Fürsten«Gräbern, war der dritte Grabungsplatz. 14 Diese aufwendigen Felsgräber haben etwa 16 m hohe Fassaden, sind sehr sorgfältig gearbeitet und auch durch vorspringende Wände gegen Windschliff gesichert. Über der von Pfeilern flankierten Vorderseite türmen sich bei Grab 813 (Brünnow) Simse, Zwischengeschosse, Hohlkehle und ein vier Meter hohes Halbzinnen- oder Stufenornament. Die drei Meter hohe Türöffnung ist ihrerseits von Pfeilern mit nabatäischen Hörnerkapitellen eingefaßt. Mehrere Attiken und Simse und ein darüber gesetzter Ziergiebel bringen das Portal allein auf eine Höhe von sechs Metern (Abb. 6). Gräber gleichen Stils hat man in elHegr gefunden, das späteste stammt aus dem Jahre 75 n. Chr., also vom Beginn der Regierungszeit des letzten Nabatäerkönigs Rabel II. Schon am ersten Grabungstag kam der Zufall zu Hilfe. Im Schutt des Innenraumes von über 25 qm entdeckte der Verfasser das Fragment einer dicken Sandsteinplatte mit eingeritzten nabatäischen Schriftzeichen. F. Zayadine entzifferte M . . . N B T, das Ende einer Widmung, die mit dem Namen eines Nabatäerköniju^ abschließt. Es könnte sich um »Malichos, König der Nabatäer« handeln, aber der Königsname läßt sich nicht exakt beweisen. Der Fund war eine Wiederentdeckung, wie sich später herausstellte.15 1896 hatte der Österreicher Musil angeblich in dem benachbarten Grab 808 (Brünnow) ebenfalls eine Sandsteinplatte gefunden, deren Inschrift sich auf Oneiso (Uneishu), Bruder der Shaquilat (Shuqailat) bezog. In einer scharfsinnigen Deduktion konnte F. Zayadine es später wahrscheinlich machen, daß diese – inzwischen verloren gegangene – Oneiso-Inschrift aus dem gleichen Grab 813 stammen müsse wie die vom Verfasser gefundene.
Grabinschriften und Goldschmuck Obwohl die 11 Senkgräber in den schrank-
Abb. 7: Dr. Zayadine, E. Gunsam und J. P. Zeitler beim Vermessen der Grabanlage 813.
hohen loculi rund um den Zentralraum schon alle ausgeplündert waren, gab es außer der Inschrift bedeutsame Funde. Im sorgfältig gesiebten Schutt fanden sich weiße Stuckfragmente mit rot gemalten nabatäischen Buchstaben, vermutlich von Stuckverkleidungen der Begräbnisnischen. Es sind die ersten derartigen Schriftreste. F. Zayadine entzifferte H und R und meinte, die Schrift ließe sich zu H R TT (Haretat – Aretas) ergänzen. Ein weiteres Fragment ließ tet, shin und qof erkennen und den Namen Shaqilat (Shuqailat) vermuten. Mehrere der in Grab 813 gefundenen Bestattungen waren mit ungelöschtem Kalk vorgenommen worden, ein interessanter, aber hinsichtlich der Bedeutung noch unklarer Hinweis auf nabatäische Begräbnisbräuche. Bei einer Nachgrabung im Oktober 1974 entdeckte F. Zayadine schließlich in einem loculus zusammen mit den Bruchstücken eines Schädels Glasperlen, dazu kleine goldene 265
Schmuckstücke, und zwar einen Skorpion und einen Halbmond, also ein apotropäisches Amulett und ein Gottessymbol, wie es angesichts des astralen Charakters der nabatäischen Götter in Petra zu erwarten ist.
Hinweise auf antiken Totenkult Da die Grabungen von 1973 im Rahmen einer archäologischen Exkursion durchgeführt wurden, schenkte man auch der Umgebung der Grabungsstellen Aufmerksamkeit (Abb. 7). Grab 813 erwies sich dabei in der Tat als eine »fürstliche« Grabanlage mit Vorrats- und Kulträumen, einem großen, mit Senkgräbern ausgestattetem Triklinium (Abb. 8) und einer Schachtöffnung fraglicher Bedeutung rechts von der Fassade. Im Schutt gefundene Säulentrommeln und Aussparungen für viereckige Säulenbasen beweisen, daß der Vorplatz mit einer Säulenreihe abgeschlossen und geschmückt war. Eine große Menge von nabatäischen Keramikfragmenten, vor al-
lem rechts vor dem Grab, kann nicht in neuerer Zeit dorthin gebracht worden sein. Mit größter Wahrscheinlichkeit handelt es sich um die Scherben von Gefäßen, die aus kultischen Gründen, etwa bei Totenfeiern, benützt und niedergelegt worden sind. Die gefundene Keramik, darunter ein mit Metallringen reparierter grober flacher Topf, ebenso wie feinste bemalte Ware, könnte aus den letzten Dezennien des Nabatäerreiches stammen (Abb. 9).
Wohnliches Haus über geplünderten Gräbern Die zweite Grabungskampagne der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg von 197616 war der Fortführung der 1973 begonnenen Arbeiten gewidmet. In erster Linie wurde das Schacht-Kammergrab unterhalb des Urnengrabes gründlich revidiert und jeder noch nicht geöffnete loculus inspiziert. Viele mit bunten Farben bemalte Stuckreste zeigten,
Abb. 8: Begräbnisnischen mit Senkgräbern im Grabtriklinium neben Grab 813 – eine in Petra seltene Kombination.
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wie wohnlich das über dem Grab erbaute Haus ausgesehen haben muß. Ein wichtiger, noch nicht analysierter Fund war eine Keramikscherbe mit 15 nabatäischen Schriftzeichen, eine weitere Gefäßscherbe mit der Reliefabbildung einer Göttin, die einen Kalathos auf dem Kopf trägt und einen Cupido neben sich hat. Bronzeglöckchen, Eisennägel und Tonlämpchen bestätigten die Begräbnisbräuche, wie sie bei der ersten Grabung deduziert werden konnten (Abb. 10). Offenbar schmückte man die Toten mit Bronzeglöckchen, legte sie in Holzsärge, gab ihnen ihren Lieblingsschmuck und als Symbol oder als echtes Ausrüstungsstück eine Öllampe mit. Gefäße finden sich im allgemeinen außerhalb der Gräber. Inwieweit sie von den Begräbniszeremonien oder von später wiederholten Totenmählern stammen oder von beiden, muß offen bleiben. Ein weiterer Grabungsplatz unterhalb der 1973 entdeckten späten Höhlenwohnung erbrachte die Freilegung einer rundbogigen, relativ flachen Nische mit Anbindloch und einer Art Trog. Der Vorplatz mit einem Napfloch senkte sich auf eine weitere Höhlung zu.
Abb. 9: Nabatäisches Lämpchen von Grabungsplatz 813.
testen aus frühnabatäischer Zeit. Hier wurde ein runder Backofen freigelegt, wie er da und dort im Orient und in Nordafrika noch heute benützt wird (Abb. 11). Man erbaute das erste Haus über dem Eingang eines Schachtgrabes, aber bestattete man später in den Ruinen des Nebenhauses? Wer wird mitten in diesem »Friedhof der Reichen« von Petra gelebt haben? Oder sollte es sich herausstellen, daß der Friedhof längst aufgegeben war, als man hier siedelte?
Letzte Entdeckungen Inzwischen war die dritte Grabungskampagne der Naturhistorischen Gesellschaft in Petra Ende März 1978 zu Ende gegangen.17 Das Napfloch von Grabungsplatz 1 hatte schon darauf hingewiesen, daß es zu einem Grab gehörte und Totenopfern diente. Man findet diese Löcher oder Mulden beinahe regelmäßig neben Senkgräbern, übrigens auch vor den Toren der Großgräber, z. B. der Khazne und des Grabes 813. Tatsächlich wurde in der erwähnten Höhlung unter Beigabe- oder Ritualgefäßen eine Skelettbestattung vor zwei möglicherweise ungestörten Nischen freigelegt, die in das 1, Jh. v. Chr. datiert werden konnte.18 Grabungsplatz 2 wurde nach zwei Seiten hin erweitert. Es ergaben sich neue Hinweise auf die Besiedelungsabfolge unterhalb der »Königsgräber« . Von vier übereinanderliegenden Fußböden und Mauerzügen stammen die äl-
Abb. 10: Grabungsplatz 2 wurde über das Schachtgrab hinaus erweitert – Voraussetzungen für spätere Grabungskampagnen.
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Abb. 11: Im Grabungsplatz 2 gefundener Backofen.
Wie gedrängt die Nekropole unterhalb des Urnengrabes war, erwies sich bei der Fortführung der Grabungen im Jahre 1980, als österreichische Mitglieder der Naturhistorischen Gesellschaft den Grabschacht öffneten und die Reste von drei Bestattungen fanden.19 Eisennägel, Beschläge und ringartige Griffe deuteten vergangene Holzsärge an, Kupferglöckchen und stark oxydierte Überbleibsel eines Schwertes oder Gürtels waren wohl als Ausstattung oder Beigabe anzusehen (Abb. 12). Die Tonfigurine einer männlichen Gottheit wurde zusammen mit bemalter nabatäischer Keramik gefunden, die jetzt ziemlich exakt datiert werden kann und damit auch zur Datierung sowohl der Figurine wie der Bestattungen beiträgt. An der weiteren Freilegung des »fürstlichen« Grabes 813 war die Naturhistorische Gesellschaft nur finanziell beteiligt. Der neuerliche Fund einer beschrifteten Steinplatte, eines
Abb. 12: Grabungsplatz 1 unterhalb des Urnengraben von Petra mit dem Fortschritt der Grabungsarbeiten in den Kampagnen von 1976, 1978 und 1980.
Abb. 13: Ausgrabung eines von Säulen umstandenen Gebäudes in Sabra, möglicherweise eines Tempels.
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Goldreifes und einer Silbermünze in ein und demselben lokulus macht dieses Grab immer bedeutsamer. Von F. Zayadine wird man eine Monographie darüber erwarten können. 20 Außerdem wird es nach seiner völligen Ausräumung für den Besuch von Touristen eingerichtet, die auf diese Weise eine gute Vorstellung von nabatäischen Mausoleen bekommen.
Beurteilung und Ausblick Wie F. Zayadine vom Department of Antiquities in seinem Urteil über die gemeinsamen Grabungen bestätigt, »können auch bei kurzen Grabungskampagnen durch sorgfältige Grabausräumung wichtige Informationen gewonnen werden«. Diese Informationen gewinnen an Wert, wenn sie durch intime Kenntnis des Landes, der Literatur und der Keramik in einen größeren Zusammenhang gestellt werden. Exkursionen und Be-
Abb. 14: Torso einer marmornen Aphrodite-Statuette aus geringer Tiefe bei der Ausgrabung in Sabra.
Abb. 15: Arcosolium-Höhle an der Steilwand des Dschebel el-Jathum gegenüber den Ruinen von Sabra. Die Ausgrabung erbrachte Lämpchen, Münzen und Keramik des 3. nachchristlichen Jahrhunderts.
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sichtigungen archäologischer Stätten in ganz Jordanien waren deshalb auch jedes Mal ein wichtiger Teil der Grabungskampagnen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg. Zu Ausgrabungen kam es trotz der guten Erfolge erst wieder 1982 und 1984, aber nicht im Stadtgebiet, sondern in Sabra. Unterhalb der Akropolis wurden Teile eines tempelähnlichen, jedenfalls säulenumstandenen Gebäudes aufgedeckt (Abb. 13). Der Torso einer marmornen Aphrodite-Anadyomene-Statuette war ein Einzelfund in geringer Tiefe (Abb. 14). Zwei Öllämpchen auf dem Plattenboden waren spätrömische Ware und stammten somit aus der gleichen Zeit wie die in einer Arcosolium-Höhle geborgenen Lämpchen und Münzen gegenüber dem Stadtgebiet von Sabra21 (Abb. 15). Erst 1987 konnten die Grabungen unterhalb des Urnengrabes wieder aufgenommen werden. Über das Ergebnis wird John F. Zeitler in diesem Buch berichten. Nicht um Petra und nicht um die Nabatäer handelte es sich bei einer Ausgrabung, die unter Leitung des Verfassers zwischen Wadi Musa und Taiyiba von 1991 bis 1995 durchgeführt wurde. Das große Ruinenfeld erwies sich als ein spätislamisches Dorf auf den Resten einer edomitischen Festung aus dem 7.1b. Jh. vor Christus.
Literatur Horsfield, G. an A.: Sela-Petra, The Rock of Edom and Nabatene, QDAP VII, VIII (1938). - 2 Murray, M. A. und J. C. Ellis: A Street in Petra, London 1940. – 3 Parr, P. J.: Vierzig Jahre Ausgrabungen in Petra, in: Lindner, M. (Hrsg.) »Petra und das Königreich der Nabatäer«, 4. Aufl., München 1983. – 4 Hammond, Ph. C: The Excavation of the Main Theater at Petra, London 1965. – 5 Bernatz, J. M.: Bilder aus dem Heiligen Lande, Stuttg. 1839. – 6 Dalman, G.: Petra und seine 1
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Felsheiligtümer, Leipz. 1908; ders.: Neue Petra-Forschungen, Leipz. 1912. – 7 Wiegand, Th.: Petra. Wiss. Veröf. d. Deutsch-Türkischen Denkmalschutz-Kommandos, Heft 3, Berlin und Leipzig 1921. – 8 Wiegand, Th.: Halbmond im letzten Viertel, Mchn. 1970. – 9 Lindner, M.: Die Könige von Petra, Ludwigsburg 1968 (vergr.). – 10 Lindner, M. (Hrsg.): Petra und das Königreich der Nabatäer, München 1970 (vergr.). – JMitt NHG 1970, 18–19. – n Schmitt-Korte, K.: Die bemalte nabatäische Keramik, Verbreitung, Typologie und Chronologie (in diesem Buch). – u S. Ausstellungskatalog »Die Nabatäer«, Prähistorische Staatssammlung, München 1970 (vergr.). – 13 Zayadine, F.: ADAJ 23, 1979, 185-191; ders. JMitt NHG 1974, 39–50; ders. Rev. Bibl. 86, 1979, 133–136; ders. in: Lindner, M. (Hrsg.): Petra Neue Ausgrabungen und Entdeckungen, Delp München 1986, 248–258. – Lindner M.: JMitt NHG 1973, 23–26. – 14 S. Anm. 13. – 15 Die Geschichte des Fundes ist nicht ohne Reiz. Während eines Besuches von Petra im Jahre 1912 fand Warren J. Moulton zwei Bruchstücke einer nabatäischen Inschrift auf Sandstein in einem der »imposing tombs« beim Sik-Ausgang. Er las »nabatu« auf dem kleineren Fragment und meinte später, er habe es im Grab 808 (Brünnow) entdeckt. Jedenfalls versteckte er es wieder im Grab (AASOR 1, 1919– 20, 90–91). Das zweite von ihm entdeckte Fragment las er als »haretat«. Auch dieses wurde von ihm wieder versteckt, allerdings, wie es scheint, ohne Erfolg. F. M. Alt hat es nämlich später im Museum des Benediktinerklosters auf dem Berg Zion aufgefunden und kopiert (Rev. Bibl. 29, 1920, 125–126). L. H. Vincent kannte zwar die Publikation Moultons nicht, identifizierte das angeblich aus dem Negev stammende Bruchstück aber als »peträisch«. Nach seiner Meinung war es von Händlern auf den Antikenmarkt von Jerusalem gebracht worden (Rev. Bibl. 29, 1920). Den Hinweis auf das Schicksal der Inschriftensteine verdanke ich dem ausgezeichneten Kenner der entsprechenden Veröffentlichungen Robert Wenning. – 16 Müller, W. und Göbel, K.: JMitt NHG 1976, 97–101. – 17 Müller, W. und Schmid, A.: JMitt NHG 1978, 99–104; Lindner, M.: JMitt NHG 1978, 81–86. – 18 S. Anm. 17. – 19 Schmid, A.: JMitt NHG 1980 25–26. – 20 Zayadine, F. in: Lindner, M. (Hrsg.): Petra – Neue Ausgrabungen und Entdeckungen (1986) 229–237. – 21 Lindner, M. in: Petra – Neue Ausgrabungen und Entdeckungen (1986) 151–154.
M ANFRED L INDNER
Es-Selac: Eine antike Fliehburg 50 km nördlich von Petra Südlich von Tafileh und nur wenige Kilometer von Buseirah, dem antiken Bosra, entfernt, erhebt sich zwischen dem Wadi Hirsh und dem Wadi Dschamal eine nach allen Seiten steil abfallende Felsformation aus kambrischen Sandstein. Ihr von SW nach NO streichendes ovales Plateau wird von den Bergen im Süden, Osten und Norden überragt. Am Rand der Hochfläche im Südosten liegt das Dorf es-Sela c (1100 m) mit einer stark schüttenden Quelle über einem seit
dem Altertum terrassierten und neuerdings wieder ansehnlich bebauten Hang. Unweit davon verläuft die alte und neue Straße Kerak-Tannur-Tafileh-Buseirah-Schobek, die als »King's Highway« und als »Route du Sultan« bekannt ist. Die obengenannten Wadis entwässern in das größere Wadi Khuneizirah, das etwa 10 km südlich vom Toten Meer das Wadi Araba erreicht. Bei Buseirah zweigt von der Route du Sultan der alte Karawanenweg nach Nordwesten ab. Er führt
Abb. 1: Es-Selac – eine nach allen Seiten steil abfallende Felsformation, von der gegenüberliegenden Höhe beim Dorf es-Selac gesehen.
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Abb. 2: Lageskizze von es-Selac und Umgebung. (Zeichung: H. Zech).
über Ain Hosb nach Kurnub, Bersheba und Gaza und war ein Teil der Karawanenwege, die man als »Weihrauchstraße« bezeichnet. Eine natürliche, aber obendrein befestigte Zufluchtsstätte inmitten dieses verhältnismäßig fruchtbaren Landes und in militärisch wie kommerziell günstiger Lage mußte große Vorteile bieten. Tatsächlich ist die beschriebene Felsformation, die den gleichen Namen wie das südöstlich von ihr gelegene Dorf – nämlich es-Selac – trägt, im Prinzip mit Masada, Umm el-Biyara und Kerak zu vergleichen (Abb. 1).
Entdeckung Die bisherigen Beschreibungen von es-Sela c 272
sind auffallend dürftig. Als erster europäischer Forscher scheint Musil 1900 in der Gegend gewesen zu sein. Auf seinem Ritt von Tafileh nach Buseirah und Schobek betrat er die »Wasserscheide des sejl Fêfe und sejl Hanejzîr«, letzteres wohl identisch mit dem erwähnten Wadi Khuneizirah. Rechts von ihm »öffnete sich von N nach S eine tiefe Schlucht, namens es-Selac, deren linker Abhang eine Terrasse bildete, die durch künstliche Bewässerung in einen Garten verwandelt worden war« (Abb. 2). Im SSO von diesem kultivierten Fleckchen Erde bemerkte er »uralte Olivenbäume und über ihnen auf einem Vorsprunge der Hochebene die Ruinen des Ksêr es-Sel«. Von der
»Sultani-Straße« aus, der er in südlicher Richtung folgte, sah er später noch einmal es-Sel, »hoch über der Vereinigung des w. esSel, mit dem sejl el-Ma'tan«. Da kein ortskundiger Führer zur Stelle war, mußte ein Besuch der Ruinen es-Sel unterbleiben. Musil hielt diesen Punkt für strategisch trefflich gelegen: »Er beherrscht nicht nur die SultaniStraße und die Pässe nakb Umruk und nakb ed-Dahal sondern auch den fruchtbaren Kessel von el-Gbal und die Senkung von Busejra.«1 Dieser Bericht wurde nicht immer exakt interpretiert. So behauptete Dalman, Musil habe in dem nördlich von »bsera« gelegenen esSel den gleichnamigen festen Platz der Franken wiedergefunden haben wollen. Musil hat das expressis verbi jedoch nicht behauptet. Dalman ist auch mit der von Musil versuchten Interpretation der strategischen Lage nicht einverstanden: »Aber die dortige hirbet es-sel, deren Lage mir wohl bekannt ist, beherrschte keinen Paß und keine Straße und konnte also kein Platz von weitreichender Bedeutung sein.« Dalman bezeichnete an anderer Stelle hirbet es-Sel als »unbedeutende Hangsiedlung«, die nichts als ihre eigenen Gärten zu beherrschen vermochte.2 Man wird also nicht – wie zuletzt Starcky – in dem Österreicher Musil den Entdecker der Fliehburg es-Sel sehen dürfen. Was Musil beschrieb, kann nichts anderes als die »Hangsiedlung«, das heutige Dorf es-Selac sein, und Dalman hatte recht, wenn er dieser Ortschaft jeden strategischen Wert absprach. Musil hatte auch nicht, wie man Starckys Hinweis entnehmen könnte, einen Berg von stumpfer Kegelform (»un mont en forme de cone tronque«) 3 , sondern »uralte Olivenbäume und über ihnen auf einem Vorsprunge der Hochebene die Ruinen des kser es-Sel« beschrieben.4 Der europäische Entdecker der Fliehburg esSela c war demnach weder Musil noch Dalman sondern der Kommandeur der Arabishcen Legion in Transjordanien, Colonel F. G. Peake. Wie Glueck 1936 und 1939 aussagte, hatte »Peake Pasha« zuerst es-Selac be-
Abb. 3: Ein schmaler Treppenweg (Khandaq) führt zu einem engen Felskorridor und von hier zum Gipfelplateau.
sucht, fotografiert, ihn dann auf die Stelle aufmerksam gemacht und ihm den Squadron Leader Traill als Begleiter mitgegeben. Seine Eindrücke nach dem Besuch faßte Glueck 1936 vorläufig mit den Worten zusammen »The site is a miniature Petra«.5
Erste Beschreibung 1939 beschreibt Glueck den Berg es-Selac ausführlicher. Er findet die Spuren eines Treppenweges vom Dorf es-Sela c hinunter ins Wadi Hirsh, unten im Tal eine Zisterne mit gemauerter und stuckierter Rückwand und den schmalen Treppenweg, der den steilen Südosthang bis zum Gipfel begehbar macht (Abb. 3). Die Stufen dieses »Khandaq« füh273
Abb. 4: »Felshaus«, d. h. zum Teil aus dem Felsen gehauenes und ursprünglich mit Mauerwerk vervollständigtes Gebäude am Rand von es-Selac.
Abb. 5: »Gottesthron« in einer Felshöhle auf dem Plateau von es-Selac.
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ren ihn zum »Sik«, also einem engen Felskorridor, den er den einzigen Zugang zum antiken es-Selac nennt. Unmittelbar vor dem Eingang nach es-Selac konnte der Treppenweg mittels einer Tür und einem dahinter eingeschobenen Riegel verschlossen werden. Auf dem unebenen Gipfelplateau entdeckt Glueck Wasserbecken, Zisternen und einige Häuser, die zum größten Teil aus dem Sandstein gehauen sind. Das Plateau wird von einem kleinen, aufragenden Felskegel beherrscht, in dessen Mitte eine tiefe Zisterne eingehauen ist. Umgeben war dieser Kegel von einem Mauerwerk aus wohlbehauenen Steinen. Glueck vermutet, daß es zur Sammlung und Ableitung von Regenwasser in die
genannte Zisterne diente. Südöstlich von dem Felskegel sieht Glueck die Ruinen einer Zisterne (birkeh), die teils ausgehauen, teils ursprünglich gemauert war. In einem der Häuser mit einem Bogendach entdeckt er leuchtend farbig bemalten Stuck in Form von grünen, blauen und roten Bändern (Abb. 4). Am Südostrand der Hochfläche beschreibt er eine Höhle mit einem Steinthron im Innern, den er für einen »Duschara-Thron« hält (Abb. 5). Morgens sollen die Sonnenstrahlen genau den Thron treffen. Glueck erwähnt schließlich noch, man könne zahlreiche »Duschara-Nischen« sehen und es gäbe nabatäische, eindeutig eisenzeitliche und einige wenige byzantinische Gefäßfragmente. Später haben nur wenige Europäer den Berg es-Selac besucht, so R. P. de Vaux mit P. Parr 1961 und Mrs. Bennett 1962, die ihre Beobachtungen J. Starcky mitgeteilt haben. 6 Dar-
über hinaus gibt.es m. W. bis 1980 keine Veröffentlichungen. Das ist verständlich, weil der Besuch anstrengt und die Hochfläche nicht zum Übernachten einlädt.
Eigene Untersuchungen Durch das Entgegenkommen des Department of Antiquities konnte der Verfasser zweimal in Begleitung von Mohammed Murshed Khadija (1969 und 1976), einmal zusammen mit Dr. Fawzi Zayadine (1973), einmal mit Soliman Salim, einem Bewohner des Dorfes es-Sela c (1977) und schließlich 1980 die Fliehburg besuchen und bei einem Mal auch dort übernachten. Einzelne Beobachtungen über es-Sela c wurden in den beiden ersten Auflagen des Buches »Petra und das Königreich der Nabatäer«, sowie in den Jahresmitteilungen der Naturhistorischen Gesellschaft »Natur und Mensch«
Abb. 6: Hat man nach der Felstreppe des Khandaq die begradigte Schlucht des Sik hinter sich gelassen, steht man vor dem ursprünglich mit Mauersteinen vervollständigten, aus dem Felsen gehauenen Torbau.
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Abb. 7: Nach dem Durchschreiten des Sik erhebt sich über dem »Torbau« ein konischer Fels mit Mauerwerk und einer birnenförmigen Höhlung auf dem Gipfelplateau – der »Bergfried« der Fliehburg.
1973 veröffentlicht.7 Auch bei dem letzten Besuch galt es, die knappe Beschreibung Gluecks und die Ausführungen Starckys zu ergänzen. Außerdem wurden auf der Oberfläche liegende Tonscherben gesammelt und F. Zayadine vom Department of Antiquities of Jordan zur Bestimmung übergeben. Das Dorf es-Sela c (1100 m), von dem Musil und Dalman sprachen, als sie kser es-Sel c sahen, ist heute auf guter Straße leicht zu erreichen. Seit 1969 hat sich der Zustand der Häuser und der unterhalb des Dorfes gelegenen Anbauterrassen mit Oliven, Wein, Obstund Getreide ständig verbessert. Im Gegensatz zu den in der Gegend lebenden Beni Hamida-Beduinen spricht das Temperament der Jugendlichen, das die Untersuchung des Berges nur erschwert, für späte Zuwanderer oder von anderswo Vertriebene, vielleicht aus der türkischen Zeit Jordaniens. Der Berg es-Selac liegt wie ein riesiges gekentertes Schiff zwischen den auf drei Seiten höher 276
aufragenden und ziemlich steil abfallenden Bergzügen im Norden, Osten und Süden. Der kiellose »Boden« des Schiffes ist zu Hunderten von Kissen, Polstern und Kegeln mit dazwischen liegenden Schluchten, Gräben und Gassen erodiert. Vom Dorf es-Selac aus ist weder der Treppenweg noch die Torbefestigung oder der Felskegel darüber auszumachen. Man muß zuerst auf einem sicher alten, aber immer sehr begangenen Weg in nördlicher Richtung 300 m bis zur »Wasserscheide« (800 m) der Wadis Hirsh und Dschamal absteigen. Unterhalb der bebauten und terrassierten Hänge kommt man zu einer mit Mauern geschlossenen Zisterne in einer Schlucht und kurz danach zu einem Wasserloch vor einer kleinen Höhle. Durch Schluchten, die leicht verteidigt werden konnten, gelangt man in einen natürlichen »Vorhof«, wo der Aufstieg und etwas später der eigentliche Treppenweg beginnt. Während des Aufsteigens konnte ein Angreifer jederzeit von höheren Positionen,
insbesondere von einem bearbeiteten Felsturm aus beobachtet und angegriffen werden. Die wild herumspringenden Jugendlichen des Dorfes haben das sehr augenfällig demonstriert.
Auf dem Plateau Der Aufstieg endet nach etwa 175 m Höhenunterschied in einer begradigten Schlucht und in einem aus dem Felsen gehauenen Torbau. Lücken im Fels und zwischen den Felsnadeln waren ursprünglich mit Mauersteinen verbaut. Außerdem konnten Öffnungen mit Türen oder Balken verschlossen werden (Abb. 6). Über dem Torbau erhebt sich auf der dem Dorf es-Sela c abgewandten Seite ein konischer Fels mit einer birnenförmigen Höhlung direkt auf dem winzigen Gipfelplateau von ca. 975 m. Es könnte sich um einen Getreidespeicher handeln. Von jenseits eines künstlich veränderten »Grabens« aus sieht man jedoch deutlich, daß der Fels auf seiner Talseite in Absätzen niedriger wurde und daß diese Absätze ursprünglich – vermutlich bis zur Gipfelhöhe – aufgemauert waren. Dennoch ist es undenkbar, daß eine auf diese Weise vergrößerte Gipfelfläche Wasser sammelte und in die rechteckige Öffnung laufen ließ (Abb. 7). In der Umgebung dieses »Bergfrieds« findet sich ziemlich am Rande des Plateaus und so, daß man von ihnen aus den Norden und Osten überblicken konnte, eine Reihe von »Felshäusern«. Aus dem leicht zu bearbeitenden Sandstein wurden Böden und bis zu einer wechselnden Höhe auch Wände, dazu in einem Falle Treppen und in einem anderen geräumige Zisternen gemeißelt (Abb. 8). Aus Spuren erkennt man, daß der Rest oder doch höhere Wände auf gemauert waren. In einer dieser Wände ist eine fast quadratische Nische eingeschlagen. In dem eindrucksvollsten »Felshaus« dürfte Glueck die von ihm erwähnten bemalten Stuckreste gefunden haben. Sie sind heute sehr blaß. 1977 fand der Verfasser unterhalb des Plateaus ebenfalls bemalte Stuckfragmente. Die Farben waren
Taubenblau, Flaschengrün mit purpurrotem Rand und Rotbraun mit weißen Punkten. Die anderen Felsfundamente wirken, wenn man es-Selac als Burg und den konischen Felsen als »Bergfried« betrachtet, wie Mauertürme, die östlich des »Grabens« zusammen mit dem »Bergfried« die Hauptburg bilden.
Fragliche Kultanlagen Überschreitet man diesen Graben, dann steht man nach kaum 100 m vor zwei aus Felskuppen ausgehauenen Höhlen, deren Eingänge sich nach dem Ort es-Sela c hin öffnen und von dort aus auch sichtbar sind. Während die erste keine Besonderheiten aufweist, außer daß sie zum Übernachten und zum Wohnen geeignet ist, wurde in der zweiten ein mannshohes thronähnliches Gebilde belas-
Abb. 8: Auf der Höhe des winzigen Gipfelplateaus senkt sich unter einer quadratischen Öffnung eine birnenförmige Höhlung in die Tiefe. Dahinter sieht man die Felsfundamente früherer Häuser oder Türme am Rande des Plateaus und gegenüber die seit antiker Zeit terrassierten Hänge unterhalb des Dorfes.
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Abb. 9: »Gottesthron« oder Pfeileridol beim DorotheosHaus in Petra.
sen. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu bestimmten Zeiten des Jahres von der aufgehenden Sonne beschienen. Glueck erlebte das am Morgen des 17. November 1937. An Ostern 1977 war das jedoch nicht der Fall. Glueck dachte an einen Gottesthron und erinnerte an 2. Mose 33, 21–23 und 1. Könige 19, 8–13, wo von Felsen und Höhlen im Zusammenhang mit dem unsichtbaren Gott die Rede ist. Der mögliche Einwand, die Steinmetzen hätten beim Aushauen der Höhle ganz einfach ihre Arbeit vorzeitig eingestellt, ist freilich nicht zu entkräften. Über wirkliche Parallelen ist mir nichts bekannt. Lediglich in Petra gibt es beim »Dorotheos-Haus« eine von Pilastern flankierte Concha über einem thronähnlichen Gebilde, das Dalman allerdings als Pfeiler über einem altarähnlichen Stein gedeutet hat8 (Abb. 9). Ein zweiter möglicherweise kultischer Platz ist ein über zwei Meter hoher Felsen in der Mitte des Plateaus. Zwölf Stufen führen nach oben, um dort im Nichts zu enden. An der Felswand daneben sind Spuren von
Abb. 10: Wahrscheinliche Kultanlage (Altarfelsen?) auf der Hochfläche von es-Selac.
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Steinmetzarbeiten zu sehen. So ist die Deutung als »Altarfelsen« wohl zu vertreten (Abb. 10).
Wasserversorgung Westlich der beiden Höhlen ist im Zusammenhang mit der Wasserversorgung viel Steinmetzarbeit geleistet worden. Auf dem stark zerschnittenen Gelände wurden vorhandene Felslöcher in Zisternen verwandelt und andererseits neue Zisternen an günstigen Stellen angelegt. Viele der mehr als 25 inspizierten, meist birnenförmigen Zisternen, enthalten Mörtelreste (Abb. 11). In einem Falle finden sich an der türähnlichen Öffnung beiderseits Balkenlöcher, wie sie an der zweiten Zisterne von el-Habis (Petra) zu sehen sind, die vermutlich aus nabatäischer Zeit stammt. Eine Zisterne wurde vermessen. Sie ist 6 m lang, 4 m breit und mehr als 3 m tief. Keine Zisterne enthielt mehr Wasser, aber in einer wuchs eine üppige Judenkirsche (Physalis
alkekengi). Die Füllung der Zisternen während der win-
Abb. 11: Stuckierte Zisterne in einem kuppelförmigen Felsen aus es-Selac.
Abb. 12: Zweimal gewendelte Felstreppe oberhalb einer großen Zisterne.
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terlichen Regenfälle hing von der Wasserzuleitung ab. Hier offenbart sich die Geschicklichkeit der Erbauer besonders deutlich. Jede Möglichkeit, das Regenwasser den Zisternen zuzuleiten, wurde ausgenutzt. Man findet kaum einen Felsbuckel ohne einen Sims, ein Kanälchen, einen Wasserkanal oder ein paar Stufen zur Lenkung und Zusammenführung des Regenwassers. Daß Felsstufen zur Wasserführung dienen können, erklärt – nicht nur auf es-Selac, sondern beispielsweise auch in Petra – manche Mühe, die sich die Wasserbauexperten des Altertums in gebirgigem Gelände gemacht haben. Westlich der beiden Felshöhlen findet man zuerst die bereits erwähnte Zisterne mit den Balkenlöchern zu beiden Seiten der türähnlichen Öffnung. Etwa 100 Meter weiter hat man einen flachen Hügel vor sich, der an einem gesichtsähnlichen Felsklotz leicht zu erkennen ist. Unterhalb davon führt eine zweimal gewendelte Felstreppe von vierzehn Stu-
fen zu der rechteckigen Öffnung einer großen Zisterne hinunter. Oberhalb dieser Zisterne sind auch die Felswände so bearbeitet, daß das Regenwasser von beiden Seiten her in die Öffnung fließen mußte (Abb. 12).
Ein antiker Opferplatz? Ob die jetzt zu beschreibende Anlage im Südwesten des Plateaus nahe seinem Rand allein zum Sammeln von Regenwasser oder noch einem anderen Zweck diente, sollte im Jahre 1977 endgültig geklärt werden. Über eine ebenfalls gewendelte Treppe gelang man nämlich zu einer ebenen Fläche mit zwei etwa 3,5 bis 4 m tiefen, birnenförmigen, stuckierten Zisternen (Abb. 13). Eingeschnittene Seilrinnen bei einer von ihnen deuten auf lange Benützung hin. Zwei Löcher im Fels zeigen, daß man sie mit einem Deckel verschließen konnte. Vor einer senkrecht abgeschnittenen Felswand betritt man dann eine etwa 8 x 3 m große Plattform mit ge-
Abb. 13: Erster Teil der gewendelten Treppe, die zu der senkrecht abgeschnittenen Felswand führt.
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Abb. 14: Von der Plattform unterhalb der senkrecht abgeschnittenen Felswand führen drei Stufen zu einer höheren Plattform. Nach links gelangt man dann über zwei sorgfältig gearbeitete Treppenstufen zu einer etwa 2 m2 großen Platte.
ebnetem Boden. Gleich rechts davon gehört ein schmaler Kanal zu einer weiteren birnenförmigen Zisterne. Drei Stufen führen zu einer höheren Plattform und schließlich gelangt man über zwei sehr sorgfältig gearbeitete Treppenstufen zu einer etwa 15 cm hoch herausgearbeiteten Platte von etwa 2 qm (Abb. 14). In Verlängerung des bisher beschriebenen Weges findet sich eine weitere vermörtelte Zisterne, die wie die anderen von dem Regenwasser gespeist wurde, das auf den Felsen und die ebenen Flächen der beschriebenen Anlage niederfiel (Abb. 15). In der Umgebung haben Jugendliche des Dorfes es-Selac gegraben, allerdings, wie sie versicherten, ohne etwas gefunden zu haben. Natürlich wäre es reizvoll gewesen, hier auf dem bisher kaum untersuchten Berg einen Opferplatz etwa von der Art des Großen Opferplatzes von Petra zu entdecken. Diese Frage kann aber auch nach der eingehenden Untersuchung von 1977 nicht beantwortet werden. Einige Überlegungen mögen das Problem zumindest formulieren: Sicher diente die Anlage der Sammlung und Führung von Regenwasser für die darunter angelegten Zisternen. Dazu hätte aber eine weni-
Abb. 15: Blick auf die Anlage von es-Selac mit den beschriebenen drei Steinstufen und einer großen birnenförmigen Zisterne. Dahinter sieht man auf der jenseitigen Talseite die Fruchtgärten und ganz oben rechts die Häuser der Ortschaft es-Selac.
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ger symmetrisch und mit weniger ordentlichen Treppen versehene Anordnung genügt. Andererseits ist weiter nördlich eine ähnliche, jedoch viel einfachere Anlage aus dem Sandstein gehauen, die man nicht für einen Opferplatz halten möchte. Daß es sich um Fundamente von »Felshäusern« handelte, ist unwahrscheinlich. Dafür sind die Grundflächen zu groß. Völlig ausschließen läßt sich diese Möglichkeit aber nicht (Abb. 16). 4000 Jahre Fliehburg und Siedlung Faßt man zusammen, was bisher über den Berg es-Sela c bekannt ist, dann handelt es sich um eine Bergsiedlung oder eine Fliehburg. Dabei können beide Nutzungen ineinander übergegangen sein. In kürzeren Notzeiten wird man sich nur vorübergehend, in längeren dauernd auf dem Berg niedergelassen haben. Als Anbaufläche oder Weideland war das Plateau von es-Selac wenig ergiebig. Die große Zahl von Zisternen und Wasserzuführungen spricht andererseits für eine be-
trächtliche Zahl von Menschen und Tieren, die auf dem Berg zu versorgen waren. So wird man sich am besten einen wiederholten Nutzungswechsel vorstellen, der von der militärischen Leistungsfähigkeit der Bewohner und der jeweiligen Sicherheit der Gegend abhing. Die Zeitspanne, in der es-Selac benutzt oder besiedelt war, ist sehr groß. F. Zayadine vom Department of Antiquities of Jordan hat mir freundlicherweise gestattet, hier das Ergebnis seiner Untersuchung der ihm übergebenen Oberflächenfunde von Keramik zu veröffentlichen. Er stellt fest: »Die von Dr. Dr. M. Lindner auf der Hochfläche von es-Selac gesammelte Keramik ist höchst interessant. Sie repräsentiert eine vollständige Besiedlungsfolge von der Frühen Bronzezeit I (3. Jahrtausend v. Chr.) bis zur Mameluckenzeit (14./15. Jh. n. Chr.). Eine Scherbe gehört der späten Bronzezeit an, die im Süden sonst schlecht vertreten ist und bei den Grabungen in Buseirah fehlte. Auch die Eisenzeit II (10. bis 6. Jh.) ist vertre-
Abb. 16: Die zweite Anlage unklaren Zweckes am NW-Rand des Plateaus von es-Selac.
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ten. Ein interessanter Teil der Sammlung stammt aus der hellenistischen Zeit (2./1. Jh. v. Chr.). Dagegen gibt es wenig nabatäische Keramik, was schon de Vaux und Bennett bemerkt haben.9 Vergleicht man die Besiedlung von es-Selac mit der von Umm el-Biyara bei Petra, dann ist es-Selac nach dem gefundenen Scherbenmaterial viel bedeutender. Andererseits war die nabatäische Besiedlung des Berges Umm el-Biyara entschieden umfangreicher« (Abb. 17 a u. b). Natürlich ist damit und mit der Beschreibung der von Menschenhand geschaffenen Anlage noch nichts über deren Zeitstellung ausgesagt. Es läge nahe, Treppenaufgang, Torbefestigung, »Bergfried«, »Mauertürme« und Zisternen als Teile eines einzigen Projektes, nämlich einer befestigten Bergsiedlung oder einer Fliehburg für die umliegenden Dörfer, vor allem für die mit der stark schüttenden Quelle bevorzugten heutigen Ortschaft es-
Selac, zu sehen.. Dennoch ist es unwahrscheinlich, daß alle Teile der Anlage zu gleicher Zeit entstanden sind. Immer wenn Menschen sich hierher zurückzogen, werden sie Verteidigungsanlagen und Wasserversorgung verbessert haben. Die Zeit, aus der die meisten Keramikfragmente stammen, war jedoch mit Wahrscheinlichkeit auch die Zeit der hauptsächlichen Nutzung und vielleicht des eigentlichen Ausbaues als Festung.
Kein »Petra im kleinen« Vielleicht können auch negative Befunde zur Datierung der hauptsächlichen Nutzung beitragen. So spielt nabatäische Keramik bei den Oberflächenfunden eine sehr geringe Rolle. Nabatäische Inschriften fehlen. Es wurden keine Felsgravierungen gefunden. Die möglicherweise kultischen Stätten sind keineswegs typisch nabatäisch oder gar peträisch. Von einem »Petra im kleinen«, wie
Abb. 17 a u. b: Gefäßfragmente und ein halber Spinnwirtel von dem Plateau der Fliehburg es-Selac.
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Wäre es-Selac – und nicht Umm el-Biyara, wie andere meinen–die von Diodorus Siculus überlieferte Fliehburg des Jahres 312 v. Chr., dann würde das Fehlen von Inschriften, Betylen, bemalter Keramik und nabatäischer Beilung nicht überraschen. Andererseits muß man sich fragen, warum die Nabatäer die zweifellos wichtige Festung später so wenig genutzt, bzw. dort so wenig Spuren hinterlassen haben. Eine Opferstätte
Abb. 18: Die einzige eindeutige Nische auf es-Selac wurde in einem Fels am SO-Rand gefunden. Sie ist fast quadratisch und hat nichts Nabatäisch-Peträisches an sich.
Glueck meinte, kann keine Rede sein. Auch die einzige eindeutige Nische im Felshaus am Südostrand des Plateaus hat nichts Nabatäisch-Peträisches an sich. Sie ist beinahe quadratisch und zeigt keine Spuren eines vielleicht früher vorhandenen Idols (Abb. 18). Ein vom Verfasser gefundenes Fragment eines Spinnwirteis ähnelt in Art und Verzierung den von Bennett auf Umm el-Biyara ergrabenen edomitischen Stücken aus dem 7. Jahrhundert.10 Können diese bisherigen Befunde zur Klärung der Frage beitragen, ob es-Selac mit dem Berg, sehr schwer zu bezwingen, aber ohne Mauern« des Diodorus Siculus identisch ist?11 Dieser erste historische Bericht betrifft das Jahr 312 v. Chr. und damit eine Zeit, in der die Nabatäer noch weit von ihrem späteren kulturellen Höhepunkt entfernt waren. 284
Daß wiederholte und eingehendere Untersuchungen immer neue Entdeckungen mit sich bringen, zeigte sich bei einer erneuten Begehung im Jahre 1980. Auf der »Lehne« des »Gottesthrones« wurde das Arrangement von 12 runden Näpfchen um einen größeren Napf in der Mitte entdeckt. Offenbar wurden hier Weihgaben niedergelegt. Ob die Opfereinrichtung von etwa Tellergröße zeitgleich mit dem »Gottesthron« ist, bleibt unsicher. Sehr wahrscheinlich werden auf Grund der neuerlichen Untersuchung der kultische Charakter und die besondere Bedeutung der Gegend um den »Altarfelsen«. Nischenartige Ausmeißelungen und ebenfalls ausgemeißelte Böden und Rückwände von Häusern wurden vorher nicht genügend beachtet. So konnte die sich über die Jahre 1969, 1973, 1976, 1977 und 1980 hinziehende, freilich immer kurze Untersuchung des Berges es-Selac eine bessere Beschreibung der antiken Stätte erbringen, ihre Besiedelung bzw. Nutzung als Fliehburg über mehr als vier Jahrtausende erweisen und die Notwendigkeit einer intensiveren Exploration mit Sondierungen und Grabungen deutlich werden lassen. Immerhin konnte der Verfasser bei einem internationalen Kolloquium in Liverpool die edomitische Okkupation von esSela' darstellen. Summary:
Es-Selac: An Ancient Castle of Refuge 50 km North of Petra The mountain fortress es-Selac, situated opposite the village of the same name, was described by Glueck for the first time but has hardly ever been explored since
then. During several visits there, the author learned that it is no »miniature Petra« as Glueck assumed but a much more complex antique site. The only entrance which can be used without hard climbing is a path over rock steps and through a ravine which could easily be defended. It leads on one side to a »castle« above which rises a »Bergfried« of rock and masonry, and which is protected by rock towers and rock houses – as far as terms of later fortress architecture should be used here. In most buildings hewn rock was completed with masonry. Close by the rock houses, pieces of painted stucco are to be found. The plateau on the other side of the ravine is full of cisterns with a considerable capacity. It seems that many people and cattle had to take refuge here in war times. A new discovery is a bowl with 12 smaller bowls around, hollowed out of a »Dushara throne« in a cave. A rock altar surrounded by the back walls of houses and possible idol niches has to be interpreted as the centre of a place of worship. The author cannot make up his mind, however, if an arrangement of worked rock on the edge of the plateau is actually a place of sacrifice such as the Nabataean or pre-Nabataean high places. The chronological classification of the various monuments is difficult, because finds of pottery encompass the immensely long period from the Early Bronce Age (about 3000 B. C.) to the Mamluk Era (1300–1400 A. D.), including Iron Age II ware. Nabataean fragments are only a rather small part of it.
Literatur 1 Musil, A.: Arabia Petraea II Edom 1. T., Wien 1907, 318/319. – 2 Zeitschrift d. Deutschen Palästina-Vereins (ZDPV) 1909, 169, und Dalman, G.: Neue Petra-Forschungen, Leipzig 1912, 14. – 3 Starcky, J.: Diet, de la Bible, Suppl. 7 (1966), 888. – 4 Musil, A.: a. a. O., 318. – 5 Glueck, N.: Bulletin of the American Schools of Oriental Research (BASOR) 65 (1937), 28; ders.: Annual of the American Schools of Oriental Research (AASOR) XVIII–XIX (1939), S. XXI, 26-32. - 6 Starcky, J.: PEQ 98, 1966, 125 – 126; ders. a. a. O. 886–892. – 7 Lindner, M.: Jahresmitteilungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg 1973. – 8 Dalman, G.: Petra und seine Felsheiligtümer, Leipz. 1908, 318 (Nr. 694. Abb. 281). – 9 Starcky, J.: a. a. O. 888. – 10 Bennett, C.-M.: Fouilles d'Umm el-Biyara, in: Rev. Bibl. 1966, 384, Taf. XXV b. – 11 Diod. Sic. 2, 48; 19, 94–100; Plut. Demetr. 7. – Zayadine, F.: Rev. Arch. 2, 1975, 334. – Obwohl die von Diodorus angegebenen Entfernungen zwischen dem »Berg« und der Stelle, wo Athenaios von den Nabatäern eingeholt wurde, besser zu der Gegend um Buseirah und Selac als zu Wadi Musa und Petra zu passen scheinen, möchte J. Starcky angesichts der wüstenhaften Umgebung Petras und des eher edomitischen Charakters von Selac doch den »Berg« des Diodorus mit dem späteren Petra identifizieren. (Persönliche Mitteilung 1983.)
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Ein nabatäisches Klammheiligtum bei Petra
Es gibt in und um Petra eine Reihe von Schluchten, die mit Idolnischen und anderen »Heiligtümern« in einer Weise markiert sind, daß ihnen eine gewisse »Heiligkeit« und den Nabatäern das Bedürfnis nach einem göttlichen Schutz dieser Örtlichkeiten zugeschrieben werden muß. Angesichts der bekannten Komplexität religiöser Gefühle brauchen sich beide Motive keineswegs auszuschließen. So finden wir etwa eine Konzentration von Idol-
nischen im Sidd Ma'adschin (el-Ma'ajin), wo das Flutwasser von Bab es-Sik nach Durchströmen des nabatäischen Tunnels und des Wadi el-Modlem das Massiv von el-Hubta verläßt und wo im Zusammenhang mit einer Wasserleitung ein ganzes Kultensemble existiert. Bekannt sind auch die vielen Idolnischen im Sik, dem offiziellen Zugang zur antiken und heutigen Stadt. »Heiligtümer« in Schluchten findet man weiter im Zarnuk el-Hiremiye mit einem schwer erreichbaren, fast unversehrten, sorgfältig stuckierten Triklinium im engsten Teil. Idolnischen und Inschriften gibt es im Wadi Sche'b Kes – auch hier im Zusammenhang mit dem erwähnten Wasserleitungssystem – und in den Quell- und Tropfheiligtümern nördlich des Wadi ed-Der. Auch die neuerdings entdeckten Isisnischen liegen oberhalb einer engen Seitenschlucht des Wadi Siyagh. Es überraschte also keineswegs, daß P. J. Parr 1962 über ein kurz zuvor entdecktes »Heiligtum« im Wadi Wigheit unterhalb des Dschebel Harun berichtete, das in Zusammenhang mit einer wasserführenden Klamm stand.1 Nach zwei eigenen Untersuchungen in den Jahren 1977 und 1978 läßt sich die genannte Publikation jetzt in aufschlußreicher Weise ergänzen.
Die Lage
Abb. 1: Wadi Abu Olleqa bachaufwärts gesehen. Links unten ein mit Wasser gefülltes Becken kurz vor dem Absturz in die Tiefe.
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Wie in einem mündlichen Bericht von Henri Seyrig an andere Autoren bereits richtiggestellt wurde2, handelt es sich nicht um ein Wadi »Wigheit«, sondern um einen Zufluß zum Wadi Waqit, den die heutigen Bewohner Wadi Abu Olleqa nennen, obwohl sie
sich bewußt sind, daß ein gleichnamiges Wadi im Norden von Petra existiert. Der von Parr Dschebel Ma'iz genannte Berg oberhalb des Wadis wurde mir als Dschebel Umm Mayet bezeichnet. Der bisherigen Beschreibung ist hinzuzufügen, daß unser Wadi Abu Olleqa etwa von Süd-West nach Nord-Ost verläuft. Der obere Teil des hier beschriebenen Abschnitts ist anfangs am Grund einige Meter breit, dann verengt sich die Schlucht sehr schnell und schneidet nach kurzer Zeit tiefer ein. Es folgt ein fast senkrechter Absturz von 15 m. Die Wassermassen der Regenzeit haben unterhalb des Absturzes eine tiefe Mulde ausgeschliffen. Hinter ihr hat sich Geröll soweit aufgehäuft, daß vom Winter eine größere Menge Wasser zurückbleibt. Das Wadi verläuft weiterhin zwischen steilen, 15–20 m hohen Wänden, die von den Sturzbächen des Winters ausgeschliffen und ausgehobelt sind (Abb. 1).
Götterbild und Inschriften
Abb. 2: Vom gegenüberliegenden Wadiufer unterhalb des Dschebel Harun sieht man die Skulptur der Göttin und davor Reste eines antiken Bauwerks.
Der natürliche und nächstgelegene Zugang zum »Heiligtum« führt an einem Reliefbild vorbei. Man erreicht die Terrasse vor dem Steilabsturz des Dschebel um-Mayet ganz leicht von dem jetzigen Saumpfad zum Dschebel Harun, wenn man aus Petra kommend den Absturz des Dschebel el-Barra und den modernen Friedhof westlich davon hinter sich gelassen hat (Abb. 2). Das Relief im oberen Teil des Wadis ist von Parr ausführlich beschrieben und im Bild gezeigt worden. Auf der Terrasse davor finden sich z. T. sehr fein behauene und nach nabatäischer Art gebeilte Steine – offenbar Überreste eines Gebäudes von Atriumcharakter und/oder eines Pertistyls. Jedenfalls kann man sich ein Architravfragment und eine stuckierte Säulentrommel nur in einem solchen Zusammenhang vorstellen. Fragmente feiner, auch früher nabatäischer Keramik gehören wie überall in Petra zum Kultort. Das Relief stellt eine Göttin dar, deren Kopf ausgetilgt wurde. 3 Parr kannte 1962 die in der Zwischenzeit entdeckten und beschriebenen Isis-Nischen
Abb. 3: Die Göttin von Wadi Abu Olleqa.
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Abb. 4: Nabatäische Inschriften an der rechts abbiegenden Felswand zwischen dem Götterbild un der Wadiverengung.
oberhalb des Wadi Siyagh4 noch nicht, obwohl er von ihnen gehört hatte. Er hätte sonst den »Isisknoten« auf der Brust der Göttin sicher als solchen erkannt. Unter den tönernen Votivfiguren aus Petra, über die in absehbarer Zeit berichtet werden soll, finden sich einige, die en miniature vermutlich dieselbe Isis darstellen – allmählich sich mehrende Hinweise auf den religiösen Einfluß Ägyptens in der Felsenstadt (Abb. 3). Vor dem Götterbild ist vor kurzem mit primitiven Mitteln gegraben worden. In seiner unmittelbaren Nähe gibt es keine Inschriften. Bewegt man sich aber auf der Terrasse wadiabwärts, dann findet man wenige Meter weiter mehr als 15 lesbare Inschriften auf einer rechts abbiegenden Wand, die sich wie anderswo in Petra durch ihre Patina für das Einritzen und Einhämmern von Schriftzeichen besonders eignet. Alle Texte sind kurz und von verschiedener Deutlichkeit (Abb. 4). Weitere Inschriften begegnen an der Wand der Terrasse und auf den stufenartigen Platten, die von Wasser und Geröll glattgescheuert zur Schlucht hinunterführen. Hier gesellen sich Tierbilder und eingehämmerte Fußumrisse – beide übrigens auch auf der anderen Schluchtseite – zu den Inschriften, wobei sich die »Füße« in keiner Weise von solchen am Aufstieg zum Dschebel Harun unterscheiden (Abb. 5 und 6). An einer Stelle befindet sich neben den »Füßen« das eingeritzte Abbild einer Schlange. Am rechten Rand der Klamm gibt es Inschriften bis zu der Stelle, wo infolge des Absturzes ein Weitergehen unmöglich ist. Hier ist auf der rechten Seite ein Becken ausgehauen, zu dem ein kleiner Wasserkanal führt. Im März 1978 war dieses Becken noch mit Wasser gefüllt. Schon gefährlich vorgeneigt, entdeckten zwei meiner Begleiter von dieser Stelle aus in der Tiefe der Schlucht den Horst eines Raubvogels.
Idolnischen in der Tiefe Abb. 5/6: Nabatäische Inschriften und Fußumrisse, vermutlich Votivinschriften von Pilgern auf den Felsplatten unterhalb des Götterbildes.
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Um diese Schlucht, die Fortsetzung des Wadis, zu untersuchen, umgeht oder überschreitet man den Dschebel um-Mayet und erreicht
auf diese Weise etwa 100 Meter wadiabwärts über eine beinahe senkrechte Wand wieder den Boden des Bachbettes. Einige Wacholderbäume markieren die Stelle des Abstiegs. Von hier aus sieht man unten auf der gegenüberliegenden Wadi-Wand eine Idolnische mit einem großen Betyl und einem winzigen (Wasser-?) Becken. Parr hat diese Nische zwar gesehen und beschrieben, aber offenbar nicht erreicht (Abb. 7). Tatsächlich enthält die Idolnische einen für Petra typischen Betyl von 68 cm Höhe, der an der Basis 30 cm, oben 28 cm breit und 9 cm tief ist. Links von ihm ist jedoch ausgehauener Raum für einen zweiten, kleineren Idolstein, der 35 cm hoch, an der Basis 17 cm und oben 15 cm breit gewesen sein muß. Vielleicht bestand er aus Marmor oder Alabaster, vielleicht trug er auch ein abstrahiertes Gesicht. Der Grund für diese Annahme ist eine Neuentdeckung im Wadi Abu Olleqa. Überwindet man nämlich von der beschriebenen Idolnische und einem gegenüberliegenden, als Ruheplatz geeigneten Abri nach links, also wadiaufwärts gehend, ein Oleanderdickicht mit armdicken Stämmen, dann erreicht man mit etwas Mühe etwa 16 m vor dem vorhin beschriebenen Steilabfall eine Ausbuchtung der Klamm mit sehr interessanten Spuren menschlicher Bearbeitung. Umgeben von vielen Inschriften, einigen Tierbildern (Abb. 8) und fast nur zu ahnenden Kreuzen, findet man eine auffällige Gruppe von Idolnischen. Links erkennt man eine Bogennische. Weiter nach rechts, auf der in die Klamm vorspringenden Felswand, enthält eine andere Nische zwei Betyle in Relief. Der rechte ist einer der für Petra typischen Pfeiler. Er ist 26 cm hoch und unten 14 cm, oben 13,5 cm breit. Der kleinere Betyl links davon ist 19 cm hoch, unten 10, oben 9 cm breit. Er trägt ein abstrahiertes Gesicht, das aus zwei runden Augen und einem oben abgerundeten Nasenstrich besteht (Abb. 9 u. 10). »Gesichtsbetyle« wurden schon von Glueck gezeigt5, andere im Quellheiligtum des Wadi Ramm entdeckt. 6 Einen fand man 1973 bei Ausgrabun-
Abb. 7: Idol-Nische mit großem Betyl und Aussparung für einen zweiten kleineren Idolpfeiler.
Abb. 8: Nabatäische Inschriften und Petroglyphen an der Klammwand oberhalb der Idol-Nischen.
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Abb. 9/10: »Gesichtsbetyl« neben einem der üblichen peträischen Pfeileridole an der tiefsten Stelle der Klamm des Wadi Abu Olleqa.
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gen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg7, ein weiterer kam kürzlich bei der Freilegung einer Idolnische im Sik zu Tage. Einen sehr interessanten Betyl mit einem weniger abstrahierten Gesicht, das auch einen Mund aufweist, entdeckte Hammond im LöwenGreifen-Tempel am Nordufer des Wadi Musa inmitten von Petra. Ein ebenfalls abstrahiertes Gesicht entdeckte der Verfasser auf einem nabatäischen Haus- oder Votiv-Altärchen aus Petra und – neuerdings – auf einer Stele, hier zusammen mit einem Isisemblem. Nach nabatäischen Inschriften an einigen »Gesichtsbetylen« und ihrer Zusammenstellung mit größeren – gesichtslosen – Betylen dürfte es sich um die Darstellung der weiblichen Gottheit al-Uzza handeln. F. R. Scheck hat kürzlich im Klammheiligtum einen weiteren „Gesichtsbetyl“ neben einem gleichgroßen „einfachen“ Idol entdeckt. An der vorspringenden Felswand befinden sich zwei Einschnitte von menschlicher Hand. Am ehesten könnte man die Widerlager einer Wadi-Sperrmauer denken. Auf der anderen Seite lassen sich keine Bearbeitungsspuren erkennen, aber gerade hier
haben winterliche Sturzfluten die Felswand besonders stark abgeschliffen. Man kann sich gut vorstellen, daß die Klamm zeitweise gesperrt wurde, um mehr Wasser zu speichern, als sich in den tiefen Strudellöchern des Wadis ohnehin sammelte. Die Untersuchung endet mit einer Überraschung. Wandert man nämlich wadiabwärts durch die sich erweiternde Schlucht, deren Wände immer flacher werden, dann findet man dort, wo sich die Wasser zur Regenzeit ins Wadi Waqit ergießen, um schließlich dem Wadi Araba zuzuströmen, zwischen Dschebel Harun und Dschebel el-Barra einen völlig bequemen Ausgang, der natürlich auch als leichter Zugang zu dem beschriebenen zweiten Teil des Wadi Abu Olleqa dienen kann.
Kultischer Bezug? Die Wadis Waqit und Abu Olleqa liegen, wie Parr betont, in der Tat sehr nahe der alten Straße ins Wadi Araba und von hier zum Negev, nach Gaza und nach Ägypten. Dem Verfasser fiel auf, daß die beschriebene Terrasse mit dem Götterbild und den vielen Gravierungen außerdem den Blick zum Gipfel des Dschebel Harun lenkt, der ohnehin mit anderen nabatäischen Heiligtümern, wie edDer, el-Hubta, dem Großen Opferplatz und – wie neuerdings entdeckt – mit dem Heiligtum von Es-Sadeh – in Sichtverbindung steht. Jedenfalls führt vom Reliefbild über das Wadi hinweg ein alter, mit nabatäischen Inschriften versehener Weg in die Richtung des Aaronsberges. Diese schriftlichen Erinnerungen sind – ebenso wie auf dem Weg vom Götterbild zur Schlucht – so angebracht, daß man von ihnen oder dem Schreiber aus sowohl den Gipfel des Dschebel Harun wie das Götterbild bzw. den davor zu vermutenden Tempel sehen konnte. Die Ritzungen erstrecken sich hinunter bis zum Wadi Abu Olleqa. Hier auf den glatten Sandsteinplatten des dem Götterbild gegenüberliegenden Ufers sieht man in etwas größerer Zahl Fußumrisse und Reiterbilder eingeschlagen (Abb. 11). Einige befinden sich in der Nähe einer bikliniumähnlichen Liegeanordnung.
Abb. 11: Reiterbilder und Fußumrisse auf einer Felsplatte auf dem Weg zum Dschebel Harun.
Abb. 12: Zwei nabatäische Inschriften links von dem alten Pilgerweg unmittelbar unterhalb des Plateaus zwischen den beiden Gipfeln.
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Die dritte Beziehung zur Umgebung wird dadurch hergestellt, daß die flacheren Hänge des Dschebel Harun mit umfangreichem Mauerwerk terrassiert sind und wie viele Gebiete südlich und südwestlich von Petra offenbar schon im Altertum landwirtschaftlich intensiv genutzt und auch bewohnt wurden. Parr ließ Zweifeln Raum, ob die Anlage im Wadi Abu Olleqa überhaupt ein Heiligtum oder – könnte man ergänzen – nur ein Rastplatz für Reisende gewesen sei. Nach dem Gesagten handelt es sich mit Sicherheit um ein Klammheiligtum im Zusammenhang mit einem wertvollen Wasserreservoir auch in der heißesten Jahreszeit. Darüber hinaus sollte man überlegen, ob hier nicht einst nabatäische Pilger rasteten, deren Ziel oder deren Objekt der Verehrung ein Heiligtum auf dem Dschebel Harun war. 8 Die Ausrichtung so verschiedener nabatäischer Kultanlagen wie des Tempels auf ed-Der, des Reliefs im Wadi Abu Olleqa, des Altars auf dem Theaterberg und des Heiligtums von el-Hubta auf den Gipfel des Dschebel Harun deuten darauf hin, selbst wenn man noch keine absolut sicheren Spuren eines vorchristlichen Heiligtums gefunden hat. Nabatäische Inschriften beim Aufstieg auf das Plateau, zwei Felstreppenanlagen, die Architektur der Zisterne, ein Pfeiler-Idol über dem Rastplatz und nabatäische Scherben sind allerdings gravierende Hinweise9 (Abb. 12 und S. 96, Abb. 44). Summary:
A Nabataean Isis-Sanctuary in a Ravine near Petra The »sanctuary« in the ravine of a Wadi Wigheit below Jebel Harun described by Parr in 1962 for the first time was again explored by the author in 1977 and 1978. Actually the sanctuary is situated in an affluent to the
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Wadi Waqit, which is called »Wadi Abu Olleqa« by the Bedouin. The usual entrance to the ravine passes a relief in the rock showing the goddes Isis. In front of her, there must have been a peristyl or a small temple. Fragments of delicately painted Nabataean pottery, a great number of graffiti – inscriptions and pictures – help to ascertain the chronology of the place. An idol niche contains the usual larger block and enough room for a smaller one. A second rectangular niche with a face idol beside a larger undecorated block of stone in the deepest part of the ravine is newly described. The abstract face consists of two round eyes and a line as a nose. The author noticed that the terrace with the Isis relief looks toward Jebel Harun like several other sanctuaries of Petra. An old path leads from the statue to the summit. Parr's idea that the ancient site could have been just a halting place for travellers is too cautious. There is ervery reason to call it a sanctuary, and it is to be supposed that pilgrims on the way from Petra to the Jebel Harun prayed and sacrificed here before they did the same on top of the Holy Mountain. In this context the author was lucky to find Nabataean inscriptions below the summit. With its rock steps, the architecture of its cistern, an idol niche and Nabataean pottery fragments the Jebel Harun reveals substantial traces of a Nabataean past before the Roman-Byzantine and Islamic occupation.
Literatur Parr, P. J.: A Nabataean Sanctuary Near Petra: A Preliminary Note, in: Annual of the Department of Antiquities of Jordan VI–VII (1962) 21–23. – 2 Milik, J. T./J. Starcky: Inscriptions recemment decouvertes ä Petra, in: ADAJ XX, 1975, 123. – 3 Parr, P. J.: The Investigation of »Inaccesible« Chambers at Petra. PEQ, 1968, 11. – 4 Siehe2 S. 120–124. – 5 Glueck, N.: Deities and Dolphins, New York 1965, 441 und 516. – 6 Savignac, M. R.: Le Sanctuaire d'Allat à Iram, in: Rev. Bibl. 1934, 572–589. – 7 Zayadine, F.: Excavations at Petra (1973–1974) in: ADAJ XIX, 1974, 135-150; ders.: Ausgrabungen in Petra, April 1973, in: Jahresmitt. der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg 1974. – 8 Siehe ähnliche Überlegungen von S. Crawford »The Attitude of the Present Day Arab to the Shrine of ,Mt. Hor'«, in: Robinson, G. L.: The Sarcophagus of an Ancient Civilization, New York 1930, 285–300. – 9 Lindner, M.: Die 3. archäologische Expedition der Nat.-Hist. Gesellschaft Nürnberg in Jordanien, in: JMitt NHG Nürnberg 1978. 1
M ANFRED L INDNER
Die »Nordterrasse« von Umm el-Biyara
Trotz der vielen Touristen, die Petra zumindest im Frühling besuchen, der jordanischen Schüler, die hier Anschauungsunterricht in Geschichte genießen und der Archäologen, die sich meist auf ihr jeweiliges Forschungsziel beschränken, sind viele Stellen der antiken Nabatäerstadt noch nicht völlig oder ungenügend beschrieben. Bei drei Aufenthalten 1973, 1976 und 1977 wurde deshalb die »Nordterrasse« von Umm el-Biyara eingehend untersucht (Abb. 1).
Bisherige Beschreibungen Der von allen Seiten etwa 300 m hoch emporragende Bergstock im Südwesten der antiken Stadt, den die Beduinen Umm elBiyara, d. h. Mutter der Zisternen, nennen, ist von Brünnow und Domaszewski (1904) völlig vernachlässigt worden.1 Musil (1907) fand keinen Aufstieg. 2 Auch Dalman (1908 und 1912) scheint den Gipfel nicht erstiegen zu haben. Dagegen beschrieb er ziemlich eingehend »Heiligtümer« rechts und links des
Abb. 1: Im Südwesten der antiken Stadt erhebt sich etwa 300 m hoch der Bergstock Umm el-Biyara. Links von dem Stufengrab in der Bildmitte führte der einzige Zugang zur Höhe. Oberhalb des Grabes erkennt man die »Nordterrasse« .
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Abb. 2: Untere linke Terrasse mit Aufstiegsschlucht im Vordergrund.
eindrucksvollen Aufstiegs zu den unteren Terrassen.3 Kennedy (1925) zeigte zwar die Nordterrasse von weitem im Bild und aus der Nähe einen Teil des Felsenkorridors, hat aber offenbar die Terrasse selbst nicht betreten und auch bei Dalman nicht nachgelesen, wenn er schreibt: ». . . apart from the existence of a large cave in the rock face, this feature (d. h. die Nordterrasse) does not show any sign of ever been utilised in any way by the human occupants of Petra; there would certainly seem to be no feasable track leading from it to the summit.«4 Auf der Karte bei Kammerer (Nr. III) steht für Umm el-Biyara »el-Habis«, während elHabis als »Citadelle« und »Acropole« bezeichnet wird.5 G. und A. Horsfield erkannten zwar einen Festungscharakter von Umm el-Biyara, ließen aber wiederum die »Heiligtümer« Dalmans unerwähnt, und verglichen den Bergstock mit Buseira, Kerak, Amman und Massada. 6 M. Murray warnte 1939 lediglich die 294
Besucher, der Gipfel von Umm el-Biyara sollte nur von einem guten Kletterer bestiegen werden. 7 Für Browning (1973) schließlich ist der Aufgang zu Umm el-Biyara »offensichtlich ebenso wegen des Prunks wie aus praktischen Gründen geschaffen worden« . Er erkannte nur einen korridorähnlichen Aufstieg und übersah, daß auch rechts ein Felskorridor eben geradewegs zur Nordterrasse führt. Verständlich, daß er einen religiösen Ursprung des Aufstiegs für vordergründig hielt.8 So blieb eigentlich nur eines übrig, nämlich auf den Spuren des minuziösen Beobachters Dalman Aufstieg und Nordterrasse noch einmal zu untersuchen und seine Interpretation zu überprüfen.
Auf den Spuren Dalmans Verläßt man den üblichen Aufstieg nach Umm el-Biyara und überwindet man links davon einige kleinere Steigungen, dann ge-
langt man ohne Schwierigkeiten zur unteren linken Terrasse. Hier entdeckt man neben einer großen schmucklosen Halle eine fast erodierte (Grab-?)Fassade und Idolnischen (Abb. 2). Nach ein paar Schritten erreicht man den eigentlichen, unter dem Schutt wohl getreppten Aufstieg unterhalb des gemauerten Tores. Was heute wie ein bescheidener gemauerter Türrahmen aussieht, war ursprünglich wohl ein nach oben weiterreichender Mauerverschluß der ganzen Schlucht, den ein im Ansatz noch erkennbarer Bogen trug. Das Mauerwerk erinnert hinsichtlich Steingröße und Mörtel an die Befestigung von Zibb Atuf und an den Mauervorbau oberhalb des Anfanges der Kolonnadenstraße. Die Steine sind z. T. nabatäisch, d. h. diagonal gebeilt. Der wiederum getreppte Aufstieg vom Tor aus endet an einem steilen, unüberschreitbaren Querriegel. Links vom Aufstieg ist eine Rampe in die Schluchtwand geschnitten, die mehr als einen Meter breit ist und am vorderen Ende von einer Mauer gesichert war, wo sie über das Tor unter ihr hinausreicht. Geht man davon aus, daß die Toranlage der Verteidigung diente, dann wird der Sinn dieser Rampe klar: Man konnte nämlich Angreifer, die bereits unmittelbar vor dem Tor standen, beschießen und dieses damit sichern. Abgesehen von dieser Rampe teilt sich unterhalb des erwähnten Querriegels der Weg nach beiden Seiten. Nach links – alle Seitenangaben sind vom Aufstieg her gesehen – öffnet sich ein von unten uneinsehbarer Felskorridor von etwa 3,5 m Breite nach oben, also wieder zur Vorderseite des Berges zurück. Man erreicht hier die Höhe über der zuerst beschriebenen unteren linken Terrasse (Abb. 3). Auf einer Plattform in einer Art Hof sind von einer Nische oder Nischengruppe nur noch Reste zu sehen. Die Wand ist hier stark erodiert. Ein Wasserbecken enthält jedoch trinkbares Wasser und rechts von den Nischen sammelt sich in einem winzigen Becken Wasser, das von oben durchsickert (Abb. 4). Über die leicht abschüssige Terras-
Abb. 3: Nach oben führender Felskorridor neben der mit einer Rampe gesicherten Aufstiegsschlucht.
Abb. 4: Stark verwitterte Nischengruppe mit Wasserbecken auf der oberen linken Terrasse.
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Abb. 5: Von Pfeilern flankierter Eingang zu dem großen Höhlenraum auf der linken oberen Terrasse.
Abb. 6: Aufstiegsschlucht zur Nordterrasse.
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se weitergehend kommt man zu einem kleinen Felsstock. Hier öffnen sich nach dem Farasa-Tal zu zwei Türen. Die rechte ist gröber, die linke feiner gearbeitet und mit einem Ausschnitt für einen Sturz versehen. Der rechte Raum ist unexakt ausgehauen, relativ niedrig, etwa 3x4 m groß und ohne Besonderheiten. Der linke Raum mit der schöneren Türöffnung ist ebenfalls unregelmäßig bearbeitet. Links und rechts befindet sich jedoch je ein Senkgrab. Für weitere Gräber scheinen Plätze an der Rückwand vorgezeichnet. In der linken Ecke des Raumes führt eine Türöffnung in einen Raum von 8,5x4 m Größe und 4 bis 5 m Höhe. Der eigentliche Zugang zu diesem nicht sehr sorgfältig ausgehauenem Raum, der aber wegen des Durchzuges angenehm kühl ist, befindet sich innerhalb eines Vorhofes auf der Südseite. Diese Türe wird von zwei, etwa 4 m hohen Pfeilern flankiert, die von Kapitellen gekrönt waren. Jetzt sind nur noch links Reste davon zu erkennen. Über dem einstigen Türsturz gab eine große Öffnung dem Raum Licht und Luft.
Der Vorhof, aus dem anstehenden Fels gehauen, erinnert eher an eine Terrasse mit Geländer und erlaubte den Blick zu den Königsgräbern und den Farasa-Tälern. Die ganze Front einschließlich der Pfeiler ist sehr sorgfältig gebeilt (Abb. 5). Dalman, der nur ein einziges Grab notiert hat, ist dadurch in Schwierigkeiten gekommen. Mit einem »Heiligtum« war es jetzt nicht mehr soweit her: »Besser redet man von einem Grabe mit den dazugehörigen Apparitorien« – also mit dem, was dazugehört. Es gibt aber hier keine der in Petra üblichen Grabfassaden, und Eingang wie Beilung des Inneren erinnert mehr an die sicher nicht sepulkralen Höhlenräume im Sik el-Barid und beiderseits des Karawanensammelplatzes von el-Beda. Kehren wir zu dem Querriegel oberhalb des Tores zurück, wo nach links der bisher beschriebene Felskorridor nach oben führte. Wendet man sich jetzt nach rechts, dann erreicht man einen zweiten tief in die Felswand eingeschnittenen Korridor, der wie auf der
Abb. 7: Verschüttete Kammer mit darüberliegendem Höhlenraum am Anfang der Nordterrasse.
Abb. 8: Der zweite nicht erreichbare Höhlenraum mit den Resten eines gemauerten Vorbaues links von der großen Zisterne auf der Nordterrasse.
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anderen Seite von unten nicht einsehbar zur Vorderseite der Bergwand führt. Nachdem man unter einem gestürzten Felsbrocken durchgekrochen ist, gelangt man auf die umfängliche Nordterrasse (Abb. 6).
Auf der »Nordterrasse« Nach dem gestürzten Felsblock gibt es zuerst eine zu beiden Seiten mit viereckigen Nischen geschmückte, sonst aber kunstlose Kammer, deren tiefer gelegener, niedriger Eingang darauf hinweist, daß hier viel Schutt den ursprünglichen Boden der Terrasse bedeckt. Es folgen zwei auch für die Beduinen unerreichbare Höhlenräume etwa 8 m über dem Boden. Einer davon trägt eine Ausmeißelung für eine (Metall-?)Tafel und Einschnitte, wie sie entstehen konnten, wenn man die Steinmetzen in ihrer Arbeit unterbrach. Die Türöffnung des Höhlenraumes in der Höhe hat wieder einen Ausschnitt für einen (steinernen?) Querbalken. Zugleich deuten große viereckige und rechteckige Einschnitte mit Mörtel- und Steinresten beiderseits der Öffnung auf einen gemauerten Vorbau, von dem auch noch einige Quader in si-
tu liegen. Fehlende Patina des jetzigen Hintergrundes deutet darauf hin, daß der Platz für diesen Höhlenraum regelrecht aus dem Felsen gebrochen wurde (Abb. 7 und 8). Zwischen der Felsenwand mit diesen unerreichbaren Felsräumen und der weiteren Anlage hat man eine natürliche Schlucht zu einer großen Zisterne gestaltet, in der sich heute noch so viel Wasser sammelt, daß im Innern ein Weidenbaum und andere Pflanzen wachsen, wie man sie in den peträischen Tropfheiligtümern findet. Die Vorderwand, zu der Stufen führen, ist – soweit erhalten – aus dem Felsen geschnitten. Ein ursprünglicher Maueraufbau darüber ist aber wahrscheinlich. Vermutlich führte von dieser Mauer der Weg zu dem zweiten Höhlenraum hinauf, zugleich Fortsetzung einer Rampe, die von rechts die Zisterne erreichen läßt. An deren Rückwand sieht man einige kurze arabische Inschriften.
Die große Halle Nach einem Knick in der Felswand öffnen sich in dieser in südöstlicher Richtung sieben Höhlenräume sehr unterschiedlicher Größe
Abb. 9: Höhlenräume I–VI mit dem darüberliegenden »Fenster« auf der Nordterrasse.
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Abb. 10: Aufriß der Felsenräume auf der Nordterrasse von Umm el-Biyara. (Zeichnung: J. Zeitler).
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und Ausstattung. Der erste, die »Große Halle« (I) von 14x18 m Größe, hatte ursprünglich – nicht unbedingt bei der Errichtung der Anlage – gemauerte Vorbauten. Die fast viereckigen Einschnitte für hier einzumörtelnde Quadersteine an drei Stellen sind deutlich zu sehen. Sie reichen so hoch hinauf, daß ein architektonischer Zusammenhang mit einem rechteckigen Einschnitt links in der überhängenden Felswand und mit einem rechteckigen »Fenster« unbekannter Tiefe etwa 8 bis 10 Meter über dem Boden – gegenüber dem Eingang etwas nach rechts verschoben – angenommen werden kann. Diese Öffnung im Fels – in der Größe und Höhe mit ähnlichen Höhlungen wie bei Grab 813 und im Farasa-Tal zu vergleichen – wurde vor Jahren untersucht, ohne daß Wichtiges gefunden worden wäre. Jedenfalls enthielt sie, soweit ich weiß, kein Senkgrab. Überall liegen Fragmente eines brüchigen gelbrotgeflammten Sandsteines herum, der von den Vorbauten stammen muß (Abb. 9/10). Der Eingang zur »Großen Halle« ist in einer Breite von drei Metern außen herum mit etwa 15 Dübellöchern versehen, von denen in manchen noch Holz steckt. Vermutlich war die Türöffnung mit einem edleren Gestein verkleidet. Ein fossilreicher heller Kalkstein, von dem sich eine zerbrochene Platte weiter unten im Schutt fand, könnte hier benutzt worden sein. Über der Tür war die Felswand mindestens 4 m hoch rechteckig ausgeschlagen. Die vor dem Tor und in der Halle liegenden Steine sind zum größeren Teil sorgfältig gearbeitet umd im Winkel von 45 Grad gebeilt. Im Innern liegt eine schon 1969 von mir gesehene, große, sorgfältig nabatäisch gebeilte Handmühle aus hellem Sandstein, wie sie in gleicher Form Murray 9 in der Nordhöhle des Wadi Abu Olleqa ausgegraben hat und wie ich sie 1976 im oberen Burghof der Kreuzfahrerfestung von el-Habis gefunden habe.10 In der mehr als 3 m hohen Decke befinden sich etwa 2½ Meter nach dem Eingang zwei 300
große Anbindlöcher, vielleicht für Lampen, für einen Vorhang, oder zum Hochziehen von Steinen, ein Verwendungszweck, der mir an verschiedenen Stellen, z. B. bei Grab 813, als wahrscheinlich aufgefallen ist. Im Innern liegen Steine herum, die sicher von außen gebracht wurden. Andere sind – auf der linken Seite – in einer Länge von 3 m und in 5 Lagen zum Teil mit Mörtel gemauert. An den Wänden finden sich noch einige Anbindlöcher und einige senkrechte Einschnitte unklarer Bedeutung. Die Wände sind sorgfältig ausgehauen, aber nicht diagonal gebeilt und ohne Stuckreste. Unterhalb des Einganges liegt eine weitere Steinmühle. In ihrem oberen Rand ist ein Loch durchgeschlagen. Vielleicht wollte man das schwere Gerät transportieren.
Felsenräume unklaren Zweckes Nach rechts folgt auf die große Halle ein relativ schmaler Felsenraum II von 2 m Breite und 4 m Tiefe. Die Deckenhöhe beträgt wieder 3 m. Die rechte Wand ist eingebrochen, nachdem ein vieltonnenschwerer Felsbrocken herunterfiel, der jetzt etwas vor dem Eingang zu II liegt. Man erkennt deutlich den oben fehlenden rechten Teil der Türumrahmung an dem gefallenen Fels. Das Innere ist unauffällig bis auf ein paar Löcher an den Seiten, vermutlich für (spätere?) Balken. Vor einem Höhlenraum liegt eine Säulentrommel. Mit dem gefallenen Felsblock ist auch der Vorderteil des nächsten Höhlenraumes III heruntergebrochen. Der Innenraum ist quer in zwei Hälften geteilt und zwar auf der linken Seite durch eine natürliche aus dem Felsen gehauene Zwischenwand. Die rechte Seite war aufgemauert. In der Mitte befindet sich eine Türöffnung. Der Raum einschließlich der Decke ist sehr sorgfältig im Winkel von 45 Grad gebeilt. Im Innern findet man zwei halbe Säulentrommeln und etliche nabatäisch gebeilte Steine. Der nächste Raum IV ist ohne Unterteilung und geht nur soweit in die Tiefe wie der Vorraum des vorhergehenden. Er ist 4 m tief und
niedriger als die vorhergehenden Räume. In der Eingangslinie sieht man einen Mauerzug, der ursprünglich sein könnte. Die Wand über dem Eingang von Raum V ist herabgestürzt. Sie hat einen Teil der Decke mitgenommen und liegt jetzt vor dem Eingang. Zwei Meter darüber war eine relativ hohe Platte eingemauert, deren Einschnitte und Dübellöcher man deutlich sieht. Überhaupt sind in die ganze Vorderfront auffällig große Dübellöcher eingeschlagen, die etwa gleiche Höhe aufweisen und schwere Platten getragen haben können. Wegen des gestürzten Blockes erreicht man Raum V nur durch eine kleine niedrige Türöffnung (1,55 m hoch, 1 m breit) von Raum VI aus. Der Raum V ist 3,5 m breit, etwa 4 m hoch und völlig stuckiert. Dieser graue Stuck überzieht auch die Türöffnung, die fast die Hälfte der Raumbreite eingenommen hat. An den Wänden sieht man drei Balkenlöcher und auf dem Stuck eine rezente Zeichnung. Eine rechteckige, etwa 0,5x0,5 m große Vertiefung in der Mitte des Raumes war mit Steinen zugeschüttet. Einige wurden entfernt. Mit 15–20 cm Tiefe kann es sich nicht um ein Grab handeln. Vielleicht wollten spätere Bewohner ein Senkgrab eintiefen, besannen sich dann aber anders. Der erwähnte Raum VI liegt in der direkten Verlängerung von Raum V. Auch er ist etwa 4 m hoch, aber nur 2 m breit. Die Wände sind wieder sorgfältig diagonal gebeilt, jedoch ohne jeden Stuck. Bei diesem Raum beginnt bereits eine kleine Biegung der Felswand bzw. der Anlage nach vorn zu. Raum VII liegt bereits beinahe im rechten Winkel zur Flucht der anderen Höhlenräume. Er ist 1,75 m breit, etwa 4 m hoch und etwa 4 m tief. An der Vorderfront sind kleine viereckige (Dübel-?)Löcher. Über einer sehr sorgfältigen Beilung sieht man oben noch Reste einer Stuckverkleidung. Unterhalb der Überdachung – denn alle Eingänge der Höhlenräume sind ja unterhalb der überstehenden Felswand – befindet sich in einer ursprünglich gestuckten Vorhalle ein halbrunder, nach außen geöffneter Mauerzug von
Abb. 11: Großes Architekturstück unklaren Zwecks mit einer Hohlkehle auf der Längsseite.
2–4 Steinlagen, die mit Mörtel verbunden sind. Diese Mauer erstreckt sich von der rechten Seite des Raumes VII, über seine ganze Öffnung und noch über die Vorhalle von Raum VI, wo er etwa in der Mitte endet. Einige dieser Steine zeigen innen noch Stuckoder Mörtelreste. Davor ist eine sicher spätere Mauer grob aufgeschichtet. Links davor liegt ein sorgfältig behauenes Architekturstück aus feinem weißem Sandstein, vermutlich Teil eines Architravs, wie ich ihn ähnlich neben der Gipfelzisterne des Dschebel enNmer fotografiert habe. Außerdem findet man hier ein großes Architekturstück mit einer Hohlkehle auf der Längsseite (Abb. 11). Ein weit prächtigeres Stück, nämlich Teil eines sehr fein gearbeiteten Architravs, liegt am Anfang der Nordterrasse auf der Platt-
Abb. 12: Sehr fein gearbeitetes Gebälkfragment vom Anfang der Nordterrasse.
301
Abb. 13: Reliefverziertes Architekturstück vom Anfang der Nordterrasse.
Abb. 14: Fragment einer schlanken kannelierten Säule mit Kapitell im Schutt unterhalb der Nordterrasse.
form vor dem unerreichbaren Felsenraum. Weitere behauene Steine und Säulentrommeln findet man unterhalb der Terrasse. Der obere Teil einer schlanken, kannelierten Säule mit Kapitell fällt besonders ins Auge (Abb. 12, 13, 14).
Eine einmalige Anlage Was sagen alle diese Beobachtungen über den ursprünglichen Zweck der Anlage auf der Nordterrasse aus? Auf jeden Fall gibt es nichts Vergleichbares in Petra. Weiter steht 302
fest, daß die Nordterrasse einerseits nur über einen festungstorartigen Zugang zu erreichen, andererseits aber mit vorgesetzten Platten, Säulen und Architraven reich geschmückt war. Sollte es sich um eine Grabanlage gehandelt haben? Zwar findet sich auf der unteren linken Terrasse eine fast völlig erodierte Fassade für ein nie vollendetes Grab von der Art, wie wir sie am Fuß des Berges sehen. Die Nordterrasse bietet aber nichts, was irgendwie in das Schema der peträischen Grabanlagen passen würde, die F. Zayadine in diesem Buch so gut beschreibt. Lediglich die rechteckige Öffnung hoch oben in der Felswand erinnert etwas an ähnliche Öffnungen, wie wir sie in oder bei Gräbern kennen, vor allem bei Grab 813, im Farasa-Tal, an der Fassade des »Palastgrabes« und anderen. Man könnte denken, daß diese Öffnungen wie am »Urnengrab«, am »Soldatengrab« und am »Spitzpfeilergrab« Reliefdarstellungen der Toten enthalten haben oder erhalten sollten. Auch ließen sich in den Kammern Grabbeigaben oder sogar Sarkophage vorstellen, aber warum sind sie dann so verschieden groß? Bei einer rein theoretischen Aufzählung der möglichen Zwecke der Anlage darf die Verwendung als zeitweiliger oder für Zeiten der Not vorgesehener Aufenthaltsort nicht übergangen werden. Noch weiß man nicht mit Sicherheit, wo die nabatäischen Könige in Petra gewohnt haben. Einzelne Kammern hinter einem Säulenvorbau – ein im Hochsommer kühler Aufenthaltsort – mit einer großen Zisterne und einer für Mannschaften ebenso wie für Vorräte oder Schätze geeigneten großen Halle könnten einer hervorragenden Persönlichkeit in der nabatäischen Hierarchie als zeitweilige Wohnung gedient haben. Sehr wahrscheinlich ist diese Deutung freilich nicht. Übrig bleibt die Interpretation der Anlage als ein »Heiligtum«. Auch als solches ist es freilich durchaus einmalig. Was hat Dalman nicht alles als »Heiligtümer« bezeichnet! Kleine Felsbuckel mit Treppen, Felsaltäre,
Idolnischen, Fundamente auf Berghöhen, die kleine Tempel gewesen sein können, Höhlenräume mit Nischen, um nur einige Hinweise zu geben. Tatsächlich waren in Petra offenbar kleine Idolnischen ebenso Stätten religiöser Verehrung wie ansehnliche Tempel und große Opferplätze. Die Anlagen der Nordterrasse passen weder in das Schema intimer Devotion noch in das des Stadttempels oder des Großen Opferplatzes. Am ehesten wäre noch an eine kultische Weihestätte, etwa zu Ehren eines vergöttlichten Königs zu denken. So folgte die grottenartige Höhle in en-Nmer zu Ehren des göttlichen Obodas nicht den bisherigen Vorbildern, und so wurde der Tempel von ed-Der zwar nach dem Schema tempelartiger Großgräber geschaffen, enthielt aber kein Grab und war somit eine ebenfalls einzigartige Kultstätte. Das Kriterium der Einzigartigkeit wäre demnach das einzige, das bei der Nordterrasse für ein Heiligtum spricht, was immer man unter Heiligtum verstehen will. Damit bleibt auch diese Deutung höchst unbefriedigend.
Summary:
The Northern Terrace of Umm el-Biyara The terrace on the north side of the impressive massif of Umm el-Biyara has been neglected by most visitors and explorers of Petra. A precise examination showed that the approach – stairs hewn from the rock with hidden ramps on either side – was designed so as to facilitate defence. One of the ramps leads to the northern terrace. It is obvious, however, that this terrace was of no military importance, but it is not a necropolis either. In the author's opinion the whole comprises a group of dwellings, cult rooms, perhaps also store rooms carved out from live rock. Fragments of elaborate architecture are the remains of front structures as they are well known from other rock-carved monuments at Petra. A large cistern was built by blocking a gorge. It is still a mystery for what purpose the more or less spacious rooms deep in the rock of the terrace were used. The whole arrangement cannot be compared to anything else in Petra. With its magnificent front structures and its defensible approach it could have served as a summer residence of a Nabataean »nobleman« or king. Perhaps treasures were stored here when the city itself was not considered safe. As a sanctuary the terrace would be unprecedented as well. It fits neither into the scheme of private devotion nor into that of a temple or a sacrificial place. It may have been a place of worship for a deified Nabataean king.
Ein prunkvolles Ensemble Wir wissen lediglich, daß die große Höhle in der Felswand von Umm el-Biyara, von der Kennedy nicht glauben konnte, daß sie jemals von den Menschen Petras benützt worden sei, Bestandteil eines prunkvollen Ensembles von Höhlenräumen und Vorbauten war. Ausgrabungen an dieser relativ leicht zugänglichen Stelle könnten Licht auf die Geschichte der Nabatäer werfen und zugleich die Bedeutung des Berges Umm el-Biyara aufklären, der ja außer den beschriebenen unteren Terrassen auf seiner Höhe ebenfalls prunkvolle Gebäude getragen hat, die bisher nur ganz oberflächlich untersucht worden sind.11 Immerhin könnten die beschriebenen Architekturstücke, von denen keines in situ gefunden wurde, von oben herabgefallen sein.
Literatur Brünnow, R. und A. von Domaszewski: Die Provincia Arabia, 3 Bde., Straßburg 1904–1909. – 2 Musil, A.: Arabia Petraea II Edom, Wien 1907/1908, 118. – 3 Dalman, G.: Petra und seine Felsheiligtümer, Leipzig 1908; ders.: Neue Petra-Forschungen, Leipzig 1912. – 4 Kennedy, Sir Alexander: Petra, its History and Monuments, London 1925. – 5 Kammerer, A.: Pétra et la Nabatène, 2 Bde., Paris 1929/30. – 6 Horsfield, G. and A.: Sela-Petra. The Rock of Edom and Nabatene, QDAP VII–VIII (1938). – 7 Murray, M. A.: Petra. The Rock City of Edom, London 1939, 51, 63. – 8 Browning, I.: Petra, London 1973, 172–178. – 9 Murray, M. A. und J. C. Ellis: A Street in Petra, London 1940, Taf. 15. – 10 JMitt NHG Nürnberg 1976, 86. – » Morton, W. H.: Umm el-Biyara, in: The Biblical Archaeologist XIX, 1956, 2, 26–36. 1
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M ANFRED L INDNER
Ein christliches Pilgerzeichen auf Umm el-Biyara Bei einer Begehung des Gipfelplateaus von Umm el-Biyara und seiner südwestlichen Steilhänge konnte der Verfasser 1978 auf einer von der Nachmittagssonne hell beschienenen Sandsteinplatte eine Felsritzung erkennen, die bei schlechterer Beleuchtung anderen Besuchern möglicherweise entgangen ist. Es handelt sich um zwei Fuß- oder Sandalenumrisse vor einem mit einem Kreuz ausgefüllten Viereck. Zwischen den »Füßen« ist eine Schlange eingeritzt. Über den Außenrand des rechten Fußumrisses läuft eine Reihe von Buchstaben, die mit einem einfa-
chen Kreuz endet. Die Ritzung befindet sich auf einer wenig vorspringenden Platte, unter der eine weitere Terrasse direkt über einem gähnenden Abgrund jeden Abstieg unmöglich macht. Man kann jedoch von hier aus in der Ferne den Gipfel des Dschebel Harun sehen (Abb. 1 und 2). Auf der Höhe von Umm el-Biyara sind von Morton1 verschiedene Felsritzungen beschrieben worden, darunter Steinböcke (Ibex), eine vermutliche Vogel- und Falkenjagd, Kamele, ein Pferd mit Reiter, eine Schlange, ein (neuzeitliches) beduinisches
Abb. 1: Südwestlicher Steilabfall vom Umm el-Biyara bei Petra. Im Hintergrund ed-Der und el-Habis. Rechts im Vordergrund auf sonnenbeschienener Sandsteinplatte das Pilgerzeichen.
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Stammeszeichen, ein Pfau und drei sog. Spiele. Pfau und Spiele sind an einem strategischen Punkt auf der Hochfläche eingehämmert, wo – so meint Morton – Späher den Zugang von der Siyagh-Schlucht her überwachen konnten. Eingeritzte oder punzierte Fußumrisse findet man u. a. unterhalb des Gipfelplateaus des Dschebel Harun und vor dem Klammheiligtum im Wadi Waqit bzw. Wadi Abu Ollega2, in beiden Fällen dort, wo Pilger sich auf dem Weg zum Gipfelheiligtum des Dschebel Harun befanden. Auch dort ist den »Füßen« eine Schlange als Abwehrzauber beigefügt. Fußumrisse allein geben allerdings keinen Hinweis auf die Religionszugehörigkeit derer, die sich auf diese Weise verewigten. Der Verfasser hat sie als Votiv- oder Erinnerungszeichen – anscheinend ohne jede Verbindung zu einem lokalen Kult – sogar in Auenat, der entferntesten Oase der Libyschen Wüste gesehen. Das doppelte Vorkommen des Kreuzzeichens, einmal als Einschreibung im Viereck und einmal am Ende der nicht entzifferten Buchstabenreihe läßt allerdings am Glaubensbekenntnis dieses Verewigten und an seiner Eigenschaft als Pilger kaum Zweifel aufkommen. Fraglich bleibt die Zeit der Entstehung. Theoretisch kommt eine Spanne vom 4. Jh. bis zum 13. Jh. in Frage. Reste einer christlichen Wallfahrtskirche aus byzantinischer Zeit auf dem Dschebel Harun hat Wiegand3 ausführlich beschrieben. Der von ihm skizzierte Zentralbau ist in Spuren zu sehen, der von ihm gefundene byzantinische Marmormosaikboden liegt heute noch unter den Teppichen der Gipfelmoschee verborgen. Der Verfasser hat sich davon überzeugt. Die christliche Kirche dürfte noch gestanden haben, als Bohemund I. von Tarent im 12. Jh. hier betete 4 , während sein Heer aus dem »Haderwasser: trank, wie man die Mosesquelle damals nannte. Schließlich traf der Schweizer Magister Thetmarus noch 1217 auf dem »Berg Hör« zwei griechische Mönche5, die wohl kaum in einem mohammedanischen Heiligtum lebten.
Abb. 2: Das christliche Pilgerzeichen mit einer Reihe von Buchstaben, einer Schlange, dem in einem Viereck eingeschriebenen Kreuz und einem weiteren im Zusammenhang mit den Buchstaben.
Zwei arabische Inschriften, eine oberhalb des Eingangs der Grabmoschee verbaut und eine auf der Stirnseite des Sarkophags im Innern, stammen aus dem 14. Jahrhundert und beziehen sich auf den Bau und die Restaurierung des offensichtlich islamischen »Grabgebäudes« durch Mohammed, Sohn des Sultans Kalaun.6 In der Zwischenzeit war der christliche Bau vermutlich durch ein Erdbeben zerstört worden. Die Lage der Felsritzung läßt verschiedene spekulative Schlüsse zu. So könnte sich ein Pilger im Angesicht des zu dieser Zeit christlichen Heiligtums verewigt haben, weil er es selbst nicht erreichte. Man denke dabei an Johann Ludwig Burckhardt, dem viel später ebenfalls der Zugang verwehrt wurde. Das Pilgerzeichen liegt aber keineswegs an einem Weg zum Dschebel Harun, und der westliche Steilabfall von Umm el-Biyara hatte sicher keine kultische Bedeutung. Wahrscheinlicher ist, daß ein Späher oder Wachtposten die 305
Zeit dazu benützte, sich als Besucher der Wallfahrtsstätte zu verewigen, die er als Viereck mit eingeschriebenem Kreuz andeutete, während er sich durch das Kreuzzeichen selbst als Pilger oder Kreuzfahrer zu erkennen gab. In der Kette der Kreuzritterfestungen mit el-Wejra und el-Habis kam Umm elBiyara jedenfalls eine strategische Bedeutung zu, auch wenn hier bisher keine weiteren Spuren aus dieser Zeit gefunden worden sind. Summary
A Christian Petroglyph on Umm el-Biyara During an exploration of the plateau of Umm el-Biyara
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in 1978 the author discovered a deep engraving in the rock of the steep SW slope opposite the summit of Jebel Harun. It shows a rectangle with a cross in it. The outlines of two feet, a snake and an unreadable character with a small cross at the end are incised below. The double use of the cross lets us think of a Christian pilgrim who did not reach the sanctuary on the summit of Jebel Harun, and therefore engraved markings and name within sight of the holy place.
Literatur Morton, W. H.: Umm el-Biyara, in: Bibl. Arch. XIX, 1956, 2, 26–36. – 2 S. »Ein nabatäisches Klammheiligtum« (S. 286–292). – 3 Wiegand, Th. »Sinai«, Berlin und Leipzig 1920. – 4 Dalman, G.: Neue Petra-Forschungen, Leipzig 1912. – 5 Magistri Thetmari Iter in Terram Sanctam anno 1217, ed. St. Galli 1851; ders. Perigrinatio 15, 10. – 6 Clermont-Ganneau, Ch.: RAO II, 1898, 362–366; VIII, 1924, 141–142. – Lindner, M: JMitt NHG Nürnberg 1973, 30–34. 1
J OHN P. Z EITLER
Die Siedlungsabfolge am Fuße des el-Hubta-Massivs von Petra Siedlungsarchäologische Ergebnisse der Grabungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg Die Frage nach den Wohn- und Siedlungsgewohnheiten der Nabatäer spielte in den vergangenen Jahrzehnten in der archäologischen Erforschung Petras nur eine untergeordnete Rolle. Ursächlich dafür ist ein weitgehendes wissenschaftliches Desinteresse an der Alltagswelt der Nabatäer und ein Überbetonen architektonischer Fragestellungen in der Forschung. Der daraus resultierende Quellenmangel hat an verschiedenen Stellen dazu geführt, die Nabatäer als bis in provinzialrömische Zeit zeltbewohnende Nomaden anzusehen, deren Hauptstadt Petra ausschließlich als religiöses Zentrum und dem
Bestattungsritus diente. 1 Die wenigen Grabungen, die zur Freilegung von Siedlungsstrukturen führten, sind bisher noch nicht abschließend vorgelegt.2 Ganz in dieser Tradition konzentrierten sich die anfangs unter der Obhut F. Zayadines stehenden archäologischen Aktivitäten der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg e. V. in Petra zunächst auf das Freilegen von Gräbern. Auch bei der Auswahl einer Grabungsfläche unterhalb des Urnengrabes (B. D. Nr. 772) in den frühen siebziger Jahren war die Frage nach dem zeitlichen Verhältnis der dortigen Schachtgräber zu den reichen Fassadengräbern an der nahe-
Abb. 1: Grabungsarbeiten auf der Fläche während der Kampagne 1989.
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Abb. 2: Topographie der Grabungsfläche und deren unmittelbarer Umgebung (Kartierung: G. Herbst).
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gelegenen Westwand des el-Hubta-Massivs das ausschlaggebende Kriterium. Siedlungsarchäologische Ergebnisse dieser Grabungen blieben sekundär.3 Die Geschichte dieser frühen Forschungen ist in diesem Band ausführlich dargestellt (vgl. S. 261–270). 1987 wurden die Arbeiten an gleicher Stelle unter Leitung des Autors wieder aufgenommenen (Abb. 1). Weitere Kampagnen folgten 1989 und 1992. Sie brachten eine Siedlungsabfolge vom 1. vorchristlichen Jahrhundert bis zum 5. nachchristlichen Jahrhundert zum Vorschein, die hier in aller Kürze vorgestellt werden soll. Der besondere Dank des Autors gilt an dieser Stelle neben Adnan Hadidi, Ghazi Bisheh und Safwan Teil als den jeweiligen Generaldirektoren des Departments of Antiquities den ausschließlich ehrenamtlich tätigen Mitausgräbern der Abteilung für Archäologie des Auslandes, die ihre Kenntnisse, ihre Zeit und auch die jeweiligen Reisekosten zur Verfügung stellten, um die Erforschung der
Lebensweise der Nabatäer ein Stück voranzubringen. Topographie Die bereits 1973 ausgewählte Grabungsfläche liegt in unmittelbarer Nähe des Urnengrabes auf einer Felsterrasse oberhalb des Wadi Musa am Fuße des Petra nach Osten abschließenden el-Hubta-Massivs (vgl. Abb. 2). Die unmittelbare Umgebung der Grabungsfläche wird durch eine Anzahl freiliegender Schachtgräber gekennzeichnet, die im Altertum wie in der Neuzeit beraubt wurden. Nach Westen und Norden begrenzt der ca. 14 m tiefe Steilabfall zum Wadi Musa die Siedlungsfläche, nach Osten hin wird sie durch einen Steilanstieg des Felsens begrenzt. Dem jeweiligen Grabungsfortschritt entsprechend wurde die insgesamt 600 m2 große Grabungsfläche in mit B1 bis B8 bezeichnete Abschnitte unterteilt. Die Grabungen in den Abschnitten B1, B2, B3, B4 und B5 sind zum
Abb. 3: Schachtgräber und Baufunde in ihrem zeitlichen Verhältnis zueinander.
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Zeitpunkt der Abfassung dieses Aufsatzes abgeschlossen, in den übrigen Abschnitten sind kleinere Flächen noch nicht untersucht. Insgesamt wurden in der Fläche drei Schachtgräber und die Mauerreste von fünf Gebäuden freigelegt (vgl. Abb. 3). Die frühe Nekropole Wenngleich das zeitliche Verhältnis zwischen Gräbern und Wohnhäusern der Nabatäer in jüngster Zeit erneut Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion wurde, sprechen die Funde und Befunde unserer Grabungsfläche eher für ein zeitliches Nacheinander als ein zeitliches Miteinander von Gräbern und Häusern. So waren zwei Schachtgräber ab dem frühen ersten Jahrhundert von großflächigen Häusern überbaut, und auch die aus Schachtgrab l4 geborgenen Funde zeigen zwar zeitliche Berührungspunkte mit den Funden aus der ersten Siedlungsphase, jedoch keine weitgehenden Überlappungen, die bei einer Zeitgleichheit von Gräbern und nahegelegenen Wohnhäusern zu erwarten wäre. Ein weiteres Schachtgrab (Abb. 4) lag außerhalb der später überbauten Fläche. Der jüngste Fund aus den Gräbern ist eine Bronzemünze Obodas II.5, die eine Nutzung der Nekropole bis in das letzte Viertel des ersten vorchristlichen Jahrhunderts belegt. Bei den Bestattungen handelt es sich um Körperbestattungen in Holzsärgen, wobei Untersuchungen in Abschnitt B4 Holzreste zu Tage brachten, die als Wacholder (Juniperus sp.) identifiziert werden konnten.
Abb. 4: Grab 4, oberste Lage.
Das älteste Gebäude Bereits bei den Grabungen 1976 waren beim Abtragen des Fußbodens eines jüngeren Hauses (= Haus 2) stratigraphisch tiefer liegende Mauerzüge aufgefallen, die sich nicht als Fundamente erklären ließen. Erst bei den Grabungen ab 1987 wurde klar, daß es sich hierbei um die Mauern eines kleinen Hauses handelt, das aus unbehauenen Wadigeröllen im Lehmverband errichtet war (vgl. Abb. 5). Die Grundfläche war mit 2,8 x 2,6 m Innenraum bescheiden. Das Haus diente 310
Abb. 5: Die aus Geröllsteinen errichteten Mauern des Hauses 1.
Abb. 6: Reste des Backofens mit Geröllunterlage im Innern.
mit Sicherheit seinen Bewohnern nur zum Schlafen und zur Nahrungszubereitung. Die Mauern waren zum Teil noch bis auf eine Höhe von 1,3 m erhalten. An der Südseite befand sich eine schmale Türöffnung, Fenster fehlten an dieser Seite. An der Nordseite deuten zwei beim Bau des Hauses 2 zugemauerte Öffnungen auf Fenster hin. In der Südwestecke fanden sich Reste eines aus Lehm gebauten Backofens (Abb. 6), der ehemals eine Höhe von ca. 60–80 cm hatte. Eine kleine Aschengrube an der Seite war direkt in den unbefestigten Fußboden eingetieft worden. Das Äußere des Hauses dürfte sich in antiker Zeit sehr schmucklos präsentiert haben. Das Dach war vermutlich aus Zweigen, Palmblättern und Lehmestrich gefertigt und bot als Flachdach im Sommer zusätzliche Wohn- bzw. Schlaf fläche (Abb. 7). Die Keramik der Hausbewohner liefert die
entscheidenden Hinweise auf den Zeitraum seiner Benutzung. Einige wenige Terra Sigillata-Scherben stammen von importierten Gefäßen (vgl. Abb. 8, 3–5). Ansonsten sind die Gefäße aus einheimischer Produktion, wobei kleine Schälchen, sog. Fisch teller (Abb. 8, 1,2) und Kochtöpfe (Abb. 8, 8–10, 14–17) dominieren. Die Keramik läßt sich nur grob in das erste vorchristliche Jahrhundert datieren.6 Vergleiche mit der von G. Schmid anhand der Grabungen der Universität Basel unter Leitung von R. Stucky entwickelten Chronologie bestätigen diese Datierung.7 Die zu Haus 1 gehörige unbemalte Keramik entspricht Schmids Phase 1, die von ca. 150–25 v. Chr. angesetzt wird. Eine bemalte Scherbe (Abb. 8, 20) gehört bereits Schmidts Phase 2 der bemalten Keramik an, die um ca. 25 v. Chr. einsetzt. 311
Abb. 7: Zeichnerische Rekonstruktion des Hauses 1 von Südosten.
Die nabatäischen Villen Die geringmächtige Schicht über dem Fußboden des Hauses 1 deutete bei der Grabung bereits an, daß dieses Gebäude schon bald durch ein neues Haus ersetzt wurde. Das unmittelbar darüber errichtete Wohnhaus hatte eine Grundfläche von 13,5 x 11 m und nahm die gesamte Nordwestecke der Felsterrasse ein (vgl. Abb. 9). Wegen des dort vorhandenen starken Gefälles erstreckte es sich versetzt über zwei Stockwerke (vgl. Abb. 10). Im unteren Geschoß befand sich eine 3,4 x 2,7 x 2,7 m messende, damit 25 m 3 fassende Zisterne, welche die Wasserversorgung des Hauses sicherte. Die Zisterne war überdeckt, so daß die darüberliegende Fläche zugleich als Hof räum diente. Daneben lag ein von diesem Hof aus über eine Treppe erreichbarer Gewerberaum mit einfachem Stampflehmfußboden, in dem das Widerlager und das Bruchstück eines Pressensteines einer Ölpresse gefunden wurden. In der hangaufwärts gelegenen Etage befanden sich die Wohnräume des Hauses. Hier312
von war der westlichste Raum durch ein späteres Erdbeben so stark zerstört, daß über sein Aussehen keine Aussagen mehr möglich sind. Etwa in der Mitte seiner völlig abgegangenen Nordmauer befand sich eine Türe, die zum Hof des Hauses mit der Zisterne öffnete. Auf diese Türe weist nur noch das in den Felsen geschlagene Lager der Türangel hin. Bereits während der Errichtung des Hauses hatte man unter dem Raum eine Abwasserleitung in den planierten Boden eingetieft, die auch in der Zeit nach dem Erdbeben noch funktionstüchtig war (Abb. 11). Der mittlere Raum war nach dem Erdbeben, das anhand der in den Zerstörungsschichten geborgenen Funde mit dem historisch überlieferten Erdbeben von 363 n. Chr. identisch sein dürfte,8 umgebaut worden, so daß über sein ursprüngliches Aussehen ebenfalls keine Aussagen mehr zu treffen sind. Den östlichsten Raum weist ein vor der ca. 1,4 m tief im Boden befindlichen Fundamentmauer gelegener, 1,4 x 0,7 m messender Schwellstein als Eingangsraum des Hauses aus. Er hatte einen Steinplattenfußboden, der samt einer Erneu-
Abb. 8: Auswahl an Keramikfunden aus Haus 1.
313
Abb 9.: Grundriß des Hauses 2.
erungsschicht aus Steinplatten in der Südostecke des Raumes noch erhalten war. Das aufgehende Mauerwerk war nur noch in einer Schichtlage erhalten. Es zeigt eine in ihrer Funktion unklare schmale Wandnische.
Mit einiger Sicherheit zu dem Gebäude gehören Stuckreste, die im Vorhof in Schichten gefunden wurden, die nach dem Erdbeben vor der Lage eines neuen Lehmfußbodens aufgefüllt wurden. Die meisten zeigen eine
Abb. 10: Zeichnerische Rekonstruktion der aufgehenden Mauern des Hauses 2.
Abb. 11: Blick auf den Abwasserkanal unter dem westlichen Raum des Hauses 2.
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fein geglättete, weiß gehaltene Oberfläche und sind als Verputz der Außenwände anzusprechen. Dazwischen befinden sich aber auch kleinere Stückchen Stuck mit gelber, roter und dunkelblauer streifenartiger Bemalung, die in ihrem allerdings nur fragmentarisch überkommenem Musterschatz ganz den Motiven aus in den Felsen geschlagenen, bemalten Räumen im Wadi es-Siyagh gleichen.9 Sämtliche erhaltenen Mauerzüge des Hauses sind aus regelmäßig behauenen Sandsteinquadern ausgeführt, wobei in den Fundamenten auch kleinere Bruchstücke zum Auszwickeln von Fugen verwendet wurden. Die Mauern weisen eine Stärke von 0,7 m auf. Über die Konstruktion des Aufgehenden lassen sich nur Vermutungen anstellen. Zu rechnen ist mit einem flachen Dach, das – da es wohl traditionsgemäß als weitere Wohnfläche diente – mit einer Absturzsicherung versehen sein mußte. Möglicherweise glich es in seinem Aussehen damit den allseits be-
kannten Fassadendarstellungen der nabatäischen Felsgräber, für die bereits K. Wulzinger annahm, daß es sich um gedrängte Darstellungen nabatäischer Hausfassaden handele.10 Speziell von Haus 2 und seinem südlich anschließenden Vorhof stammt eine Vielzahl von Funden. Die bemalte Keramik zeigt in den Auffüllschichten aus der Zeit der Errichtung des Gebäudes noch konzentrische Blattwedel- und sog. Augenmuster (Abb. 15,2), in den älteren Nutzungsschichten des Vorhofes kommen dann zunächst großflächige (Abb. 15, 9–12), in den jüngeren kleinflächige Palmettenmuster (Abb. 15, 13) vor. Die Abfolge der Auffüll- und älteren Nutzungsschichten entspricht damit den Phasen 2 und 3 der Gliederung durch S. G. Schmid.11 Unmittelbar im Anschluß nach Osten befand sich ein weiteres Gebäude (vgl. Abb. 12), das durch unsere Grabungen ebenfalls weitgehend
Abb. 12: Blick auf die Reste des Hauses 3.
315
Abb. 13: Der Küchenraum des Hauses 3 während der Freilegung mit umgestürzten Mahlsteinen.
untersucht werden konnte. Es zeigt einen etwas anders gearteten Grundriß, der eine Längsachse des Hauses in Nord-Süd-Richtung erkennen läßt. Dieses Gebäude wurde bei dem Erdbeben von 363 n. Chr. vollständig zerstört. Im ehemaligen Küchenraum fanden sich neben zahlreichen Rippen- und Gliedmaßenknochen eines Rindes auch verschiedene Mahlsteine und zwei Öllampen (vgl. Abb. 13), deren Dochtlöcher noch Rußschwärzung zeigten. Die gesamte Struktur war unter einem ca. 1 m mächtigen Versturz verschüttet, der das aufgehende Mauerwerk bis auf die gleiche Höhe konservierte.
Wohnraum nutzbar. Letzterer wurde mit Stützmauern aus kleinstückigen Spolien verstärkt (vgl. Phase 4 in Abb. 3), zugleich wurde dabei die Fläche des Raumes verkleinert. Offensichtlich war in diesem Bereich die zum Hof hin abgrenzende Nordmauer so stark zerstört, daß sie abgetragen wurde. Der Hof wurde mit einem System von kleinen Kanälchen versehen, die aus dem anstehenden
Byzantinischer Wiederaufbau Das Erdbeben von 363 n. Chr. hatte zwar den beiden bei unseren Ausgrabungen untersuchten großzügig angelegten nabatäischen Wohnhäusern schwere Schäden zugefügt, das Alltagsleben in dem zugehörigen Wohnviertel normalisierte sich jedoch offensichtlich wieder. Von Haus 1 war nur noch der südöstliche Raum und der angrenzende mittlere 316
Abb. 14: Kanalartige Rinnen in der Fläche nördlich des Hauses 2.
Abb. 15: Keramik aus der Schichtenfolge des Hauses 3 und des zugehörigen Vorhofes. Die Stücke Nrn. 1–3 stammen aus den Planierungsschichten unter dem ersten Hausfußboden.
317
Sandsteinfelsen geschlagen wurden (vgl. Abb. 14). Diese nehmen in ihrem Verlauf Rücksicht auf die nach dem Erdbeben angefügte Stützmauer, nicht jedoch auf die ursprünglich ca. 1,4 m weiter nördlich als diese verlaufende ursprüngliche Nordmauer des Gebäudes. Im Gefälle führen die Rinnen nicht etwa an die im Norden direkt angrenzende, nach den archäologischen Funden zu dieser Zeit noch benutzte Zisterne hin, sondern von dieser weg. Sie können deshalb nur als Kanäle zum Bewässern der Fläche gedeutet werden, so daß die 4 x 3,4 m messende bewässerte Fläche einen nach 363 n. Chr. angelegten Garten darstellt. Haus 3 wurde als solches nicht mehr aufgebaut. In seiner westlichen Hälfte errichtete man jedoch auf den planierten Trümmern aus Spolien zwei kleine, einräumige Häuser (vgl. Phase 4 in Abb. 3). Deutlich wird sowohl bei Haus 2 als auch bei Haus 3 die deutlich verkleinerte Grundfläche und somit ein verminderter Wohnkomfort. Wie die Keramik- und Münzfunde belegen, bricht die Besiedlung der Fläche im Verlauf des 5. oder spätestens im frühen 6. Jh. n. Chr. ab. Einsturzmerkmale an den Mauern und eine sich über die gesamte Fläche ziehende Brandschicht belegen, daß es sich nicht um eine geplante Aufgabe der Fläche handelte, sondern offensichtlich erneut ein Erdbeben die Häuser zerstörte, die diesmal jedoch nicht wieder aufgebaut wurden. Münzen, Lampen und Gefäße Aus den mehr als 200 Schichten innerhalb und außerhalb der Häuser stammen über 100 Münzen, mehrere zehntausend Scherben, über 170 Öllampen und -bruchstücke sowie einige in antiker Zeit verlorene Schmuckgegenstände. Die vollständige Auswertung dieser Funde ist noch im Gang. Deutlich wird
318
jedoch schon jetzt die Möglichkeit, schichtgenau eine Verknüpfung der Öllampen, Münzen und Keramikformen zu erstellen und so einen wichtigen Beitrag zur Frage zu liefern, wie sich der Sachbesitz der Nabatäer durch die Jahrhunderte wandelte, aber dennoch eigenständig Nabatäisches von der Zeit der nabatäischen Könige im ersten Jahrhundert v. Chr. über die römische Provincia Arabia bis in die byzantinische Epoche erhalten blieb. Literatur So z. B. A. Negev, Nabataean Archaeology today. New York, 1986, 29 ff. – 2 P. J. Parr, A sequence of pottery from Petra. In: J. A. Sanders (Hrg.), Near Eastern Archaeology in the Twentieth Century. New York, 1970, 348 ff; N. Khairy, The 1981 Petra Excavations. Abhandl. des Deutschen Palästinavereins 13, 1989; zu den Grabungen der Universität Basel übersichtlich die Einzelbeiträge in R. A. Stucky (Hrg.), Petra und die Weihrauchstraße. Ausstellungskat. Basel 1993; Zusammenstellung älterer Forschungen in diesem Band (s. S. 83 ff). – 3 F. Zayandine, Excavations at Petra 1973 – 74, AAJ 19, 1974, 135 ff sowie ders., Tempel, Gräber, Töpferöfen, in: M. Lindner (Hrsg.), Petra. Neue Ausgrabungen und Entdeckungen, München, 1986, 248 ff. – 4 Ausführlicher zu den Gräbern B. Stoll und U. Schmidt, Senkgräber und Schachtgräber in und um Petra. In: M. Lindner und J. P. Zeitler (Hrg.), Petra. Königin der Weihrauchstraße. Fürth, 1991, 83–88. – 5 F. Zayadine, Ausgrabungen in Petra, April 1973, Natur und Mensch. Jahresmitt. Naturhist. Ges. Nürnberg 1974, 44. – 6 J. P. Zeitler, A Private Building from the First Century B. C. in Petra, ARAM 2: 1 & 2, 1990, 385 ff. – 7 S. G. Schmid, Die Feinkeramik der Nabatäer, in: R. A. Stucky (Hrsg.), Petra und die Weihrauchstraße. Ausstellungskat. Basel, 1993, 55 ff. – 8 K. Russell, The Earthquake of May 12, A. D. 363. BASOR 238, 1980. – 9 Hierzu und zu anderen Wandmalereien aus Petra F. Zayadine, Decorative Stucco at Petra and other Hellenistic Sites. In: A. Hadidi (Hrsg.), Studies in the History and Archaeology of Jordan III, Amman, 1987, 131–142, bes. Abb. 22, 23. – 10 R. Brünnow und A. v. Domaszewski, Die Provincia Arabia I. Straßburg, 1904, 137 bzw. W. Bachmann, C. Watzinger und Th. Wiegand, Petra. Wiss. Veröff. des Deutsch-Türkischen Denkmalschutzkommandos 3, Berlin und Leipzig 1921, 12 ff. – 11 S. G. Schmid a. a. O. (wie Anm. 8) Abb. 113. 1
E LISABETH G UNSAM
Die nördliche Hubta-Wasserleitung in Petra
Wenn nomadische Stämme seßhaft werden, brauchen sie in ihrem Siedlungsort vor allem Wasser in ausreichender Menge für Mensch, Tier und Ackerbau. Als sich – vermutlich im 4. Jh. v. Chr. – die Nabatäer im Bereich der Scheraberge des heutigen Jordaniens niederließen, wo sie später Petra zum Mittelpunkt eines Königreichs machten, standen sie vor derselben Notwendigkeit. In seiner Blütezeit während der Jahrhunderte um die Zeitwende kann Petra 10 000 Einwohner gezählt haben. Immerhin hatte die Stadt ein Theater mit 8000 Sitzplätzen, das im 1. Jh. v. Chr. erbaut wurde. Der Wasserbedarf eines solchen Gemeinwesens war groß. Zwei Hauptwasserleitungen für die antike Stadt Im eigentlichen Stadtgebiet von Petra gab und gibt es nur wenige Quellen von unterschiedlicher Ergiebigkeit. Eine davon liegt eher außerhalb und tiefer als die Stadt selbst in der Siyagh-Schlucht. Ihr Wasser rinnt ins Wadi Araba. Eine im NW bei der ehemaligen Stadtmauer im Wadi Abu OUeqa gelegene Quelle soll heute die einzige innerhalb der Stadt sein, die das ganze Jahr – nach Dalman allerdings untrinkbares 1 – Wasser spendet. Diese Quellwässer reichten für die Versorgung einer größeren Siedlung oder gar einer Stadt nicht aus. Was taten die Nabatäer, um in Petra seßhaft zu werden und seßhaft bleiben zu können? Die am stärksten schüttende »Mosesquelle« in der Umgebung von Petra liegt 1100 m hoch und in etwa 6 km Luftlinie Entfernung beim Dorf Wadi Musa (früher: Eidschi), das sie noch heute mit Wasser versorgt. Der bi-
blische Name erinnert an die frühe Bedeutung der Quelle. Ihr Wasser galt es, in die antike Stadt zu bringen. Dabei war das Gebirgsmassiv el-Hubta zu überwinden bzw. zu nutzen, das mit steilen Wänden zu den Wadis Metaha und Musa und zum Sik hin abfällt. Am Fuß dieser Steilwände sind die vermutlichen Königsgräber eingeschnitten. Das Gipfelplateau aus grauweißem Sandstein besteht aus Kuppen, Schluchten und Becken. Gegenüber dem Dschebel Harun gibt es ein Heiligtum mit einem großen Betyl. Um dieses Hubta-Massiv herum bauten die Nabatäer zwei Hauptwasserleitungen: eine davon entlang des Südabfalls durch den Sik, die andere um den Nordabhang von elHubta bis zu ihrer Stadt. Nur die letztere, um den Nordabhang gelegte Wasserleitung, soll hier beschrieben werden. Denn die durch den Sik geführte Leitung liegt stellenweise unter dem jetzigen Niveau. Deshalb wären dort umfangreichere Grabungen und Vermessungen notwendig, als bisher durchgeführt wurden. Frühere Beschreibungen Während von Domaszewski über der langen Reihe von Heiligtümern an der »Nordostwand« nur tiefe Rinnen sah, die in den Fels gehauen das bei Gewitterregen in Kaskaden niederrauschende Wasser auffangen und in die tiefer liegenden Bauten leiten sollten 2 , war Musil sehr viel genauer. Nach seinen Beobachtungen führte ein offener Kanal aus dem Sejl ez-Zerâba den Behältern Wasser zu (el-Birke). Er fand die stellenweise gemauerte Wasserleitung des Se'ib el-Ke'js und den Aquädukt, der die 20 m tiefe Schlucht 319
el-W'ejra überspannte und der der Stadt Petra das Trinkwasser lieferte.3 Dalman hat 1908 einen »Mühlkanal« vom Wadi ez-Zeraba bis zu zwei »Teichen« oder Wasserreservoiren auf dem Rücken von elKerara verfolgt. Als Fortsetzung hielt er eine Leitung für möglich, die über er-Ramle in NO-Richtung nach Scheb Kes, über eine Brücke (Aquädukt) zum Wadi el-Metaha und über die Klamm »Sidd el-Ma'gin« bis kurz vor das »Etagengrab« führte. Er nannte sie die auf höchstem Niveau endende Wasserleitung in Petra, »geeignet allen Teilen der Nordhälfte der Stadt Wasser zuzuführen« .4 1912 kamen ihm allerdings Zweifel. Da er keine Spuren eines Aquädukts über der Klamm Sidd el-Ma'ajin fand, ließ er die Frage offen, ob nicht die Zisterne Nr. 549 das Ende der Quellwasserleitung gewesen sei und die weitere Leitung – ähnlich wie vorher v. Domaszewski geglaubt hatte – nur dem Sturzwasser von el-Hubta gegolten habe. 5 In den 20er Jahren fand Kennedy Grund zu der Annahme, daß »der Wasserbehälter (al-
Birke) gelegentlich benützt wurde, um den Wasservorrat der Stadt mittels eines kunstvollen Systems von Aquädukten durch die Stadt von Sha'ib al Qais aufzufüllen.«6 Bei den Grabungen und Untersuchungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg in den Jahren 1973 und 1976 war schon daran gedacht worden, die nördliche Hubta-Wasserleitung zu erforschen. 1978 wurde unter der Leitung von M. Lindner die im Plan eingetragene Leitung begangen, fotografisch dokumentiert und teilweise vermessen.
Andere antike Wasserleitungen Bei diesen Untersuchungen lag der Vergleich mit anderen antiken Wasserleitungen nahe, wie sie in letzter Zeit genau beschrieben und ausgegraben worden sind. Auch hier war Wasser von einer außerhalb gelegenen Quelle in die Stadt zu bringen. Die Wasserleitung von Pergamon besticht durch ihre Länge. Die »Königsstadt« lag auf dem Burgberg. Die Quelle befand sich 42 km entfernt in 1230 m Höhe im Madragag-Gebirge, 900
Skizze 1: Plan von Petra mit der nördlichen Hubta-Wasserleitung.
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Abb. 1: Einmündung der von der Mosesquelle kommenden Wasserleitung in das teilweise gemauerte Reservoir (Birke) mit den Resten einer türkischen Mühle (oben Mitte).
m über dem höchsten Punkt des Burgberges. Das dazwischenliegende Gelände ist zerklüftet und zerrissen. Um 300 v. Chr. verlegte man eine dreisträngige Wasserleitung aus Tonröhren von 75–100 cm Länge und schmiegte sie ohne Aquädukt in vielfachen Windungen dem Gelände an. Die Röhren wurden mit Wolle, Harz und Fett bzw. einer Mischung aus Sand, Schluff und Ton gedichtet, so daß es kaum zu einem Wasserverlust kam. Ein tiefer Geländeeinschnitt wurde mit einer Druckleitung aus Bleiröhren überwunden, die mit Ankerplatten im Fels verankert waren. Die Leitung endete in der Zisterne am Burgberg.7-9 Die Wasserleitung auf Samos, unter Polykrates von einem gewissen Eupalinos erbaut, war ein Meisterwerk des Tunnelbaus. Die Quelle lag durch einen Berg getrennt außerhalb der schützenden Stadtmauer. Um auch bei Belagerungen genügend Wasser zu haben, legte Eupalinos die Leitung nicht offen
um den Berg herum, sondern trieb einen Kanal durch den Berg. Die Arbeiten wurden von zwei Seiten her begonnen. Dadurch verkürzte sich die Bauzeit des schließlich 1040 m langen Tunnels auf 12–15 Jahre. Pro Tag wurde der Tunnel von 180x180 cm Querschnitt um je 12 cm vorangetrieben. Von der Quelle weg führt zuerst eine 840 m lange Leitung als abgedeckter Kanal. Die letzten 150 m davon läuft die Leitung unter einem Hügel hindurch, der unterirdisch mit Steigschächten getunnelt und bis zu 14 m tief ist. Der nordseitige Tunneleingang wurde aus dem Felsen gehauen und mit Hilfe einer Wasserwaage horizontal zum Südeingang übertragen. Die beiden Eingänge liegen auf einer Höhe. In einem zweiten Arbeitsgang wurde eine Rinne von etwa 5 m Gefälle auf 1040 m Länge aus der Tunnelsohle geschlagen. Die Terrassenführung wurde mit Fluchtstangen an der Oberfläche festgelegt und durch Lichteinfall ins Innere übertragen. Aus Angst vor 321
Ungenauigkeiten wurde ein Suchstollen angelegt, der sich jedoch als unnötig erwies; die Tunnels hätten sich genau getroffen. In den tiefer geschachteten Wasserkanal legte man Tonröhren. Nach dem Austritt aus dem Tunnel wurde das Wasser zu einer Zisterne im Stadtgebiet geführt.10-15
Beschreibung der nördlichen Hubta-Wasserleitung Im Osten des Stadtgebietes von Petra, jenseits von el-Hubta finden sich nahe beim heutigen Rasthaus, dem einstigen Grab elKhan, über dem Wadi Musa zwei riesige, zum Teil aus dem Felsen gehauene Wasserbehälter (Abb. 1). Sie wurden zweifellos von der Mosesquelle im heutigen Dorf Wadi Musa aus gefüllt. Von diesem ersten Abschnitt der antiken Wasserleitung konnte nur der Felsenkanal von einigen Metern Länge verfolgt werden. Es ist jedoch anzunehmen,
Abb. 2: Ursprünglich aufgemauerter Leitungsabschnitt zwischen Wasserbehälter und Scheb Kes.
322
daß in den Tagen von Brünnow-v. Domaszewski16 und Dalman17 reichlichere Spuren dieses Abschnittes festzustellen waren. Von den Wasserbehältern an ist die nördliche Hubta-Wasserleitung jedoch lückenlos, wenn auch stellenweise beschädigt, vorhanden und kann leicht verfolgt werden. Der Verlauf wurde in einer schematischen Zeichnung (Skizze 2, siehe Ausklappblatt am Ende des Buches) niedergelegt. Die markanten Punkte und die wichtigsten, die Leitung begleitenden Heiligtümer wurden mit vom Palastgrab ausgehenden Nummern versehen. Nach dem Verlassen der Wasserbehälter – Dalman fand den Beginn am nördlichen Behälter – verläuft die Leitung im hügeligen Sandstein von er-Ramla in vielfachen Windungen (Abb. 2) und einem Steilabfall dem Gelände hervorragend angepaßt in Richtung Scheb Kes, also in der Hauptsache nach Norden. Der Querschnitt der erstaunlich gut erhaltenen Leitung beträgt 30 x 30 bis 40 x 40 cm. Die offenen Abschnitte sind häufig mit Sand gefüllt, in dem die hier überall verbreitete Meerzwiebel wächst. In der engen Schlucht Scheb Kes wurde die Wasserleitung an der östlichen Felswand geführt. Ein abgestürzter Felsblock enthält mehrere Nischen, auf der entgegengesetzten Felswand sieht man eine sehr gut erhaltene nabatäische Inschrift, die an einen Baumeister namens Nahastab, möglicherweise den Erbauer der Wasserleitung18 erinnert. So können Nischen wie Inschrift in Zusammenhang mit der Wasserführung stehen. Zu diesem »Heiligtum« führt ein eigener Ablaufkanal (Abb. 3). Der aus dem Felsen gehauenen und Mörtel überzogenen Leitung fehlt an vielen Stellen die äußere Begrenzungswand. Fielen hier aufgemauerte Steine herab, erodierte die Außenwand oder man hat sie absichtlich abgeschlagen, um den Wasserzufluß unmöglich zu machen? Ein Stück weiter überquert die Wasserleitung auf dem einzigen erhaltenen Aquädukt Petras eine schmale, tiefe Nebenschlucht von Scheb Kes. Die Brücke besteht aus sorgfältig bearbeiteten Quadern. Der Kanal ist hier
Abb. 3: Heiligtum Scheb Kes mit Wasserleitung, Ablaufkanal und Idolnischen.
Abb. 4: Aquädukt der von Scheb Kes kommenden Wasserleitung.
Abb. 5: Widerlager des ehemaligen Aquäduktes über das Wadi Modlem, daneben Treppen zur Wasserleitung.
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aufgemauert (Abb. 4). Dann wird ein großes nach dem Dschebel Harun ausgerichtetes Triklinium und eine senkrecht aus dem Fels gehauene Zisterne von 100 m 3 passiert (Punkt 11 in Skizze 2). Das nachfolgende Wadi Modlem war mit einem Aquädukt überbrückt, die Widerlager sind noch sehr gut sichtbar. Dalman hat sie offenbar übersehen. Damit die Leitung gewartet werden konnte, hat man an vielen Stellen Treppen im Fels angelegt (Abb. 5). Unter der einstigen Wadiüberbrückung liegt (Punkt 10 in Skizze 2) der Sidd el-Maadschin (el-Ma'ajin), ein sehr eindrucksvolles Heiligtum (Skizze 3). Mit ihren über 90 Idolnischen und einer nabatäischen Weihinschrift gehört die »Nischenklamm« (Dalman) zu den Hauptsehenswürdigkeit von Petra (Abb. 6). An den beiden Wänden finden sich außer der erwähnten Inschrift zahlreiche Idolnischen mit z. T. feingearbeiteten Giebeln und Betylen oder Idolen eigenartiger Form, u. a. mit 324
Höhlungen in der Vorderseite. Die Klamm erweitert sich bald zu einem höhlenartigen Raum mit weiteren gedrängt neben- und übereinander ausgemeißelten Idolnischen. Ein Zusammenhang mit der Wasserführung von el-Hubta ist kaum auszuschließen. Wie es scheint, stellt der Sidd el-Maadschin das Ende des Wadi Modlem dar. Jedenfalls gibt es von beiden Seiten einen schwer passierbaren Durchgang. Wohl steht aber im Sidd elMaadschin immer Wasser und in der Regenzeit wird hier das vom Sik-Eingang durch Rampe und Tunnel abgelenkte Regenwasser oft genug das Stadtgebiet erreicht haben. Den Einheimischen ist das Gebiet unheimlich. Bei einem Versuch, vom Wadi elModlem her den Sidd el-Maadschin zu erreichen, überraschte uns die Dunkelheit. Der uns begleitende Bdul-Beduine war verschwunden, noch ehe wir selbst den eiligen Rückzug durch das zerklüftete Wadi antreten konnten.
Der Zusammenhang zwischen Wasserführung und Idolnischen bleibt im weiteren Verlauf bestehen. Unter der Wasserleitung sieht man (Abb. 7, Punkt 9) ein Heiligtum mit Idolnischen und einem Betyl, daneben eine Treppe zum Instandhalten und zugleich zum Wasserableiten. Bei solchen senkrechten Ableitungen wird man Schieber verwendet haben, doch wurde nichts derartiges gefunden. Wenn sie aus Holz bestanden, können sie nicht mehr vorhanden sein. Die Leitung folgt weiterhin den Konturen der Felswand von el-Hubta. Unter ihr sind Triklinien, Höhlenräume unklaren Zweckes, Heiligtümer und Zisternen aus dem Felsen geschlagen (Abb. 8). Nachdem die Leitung direkt über dem Giebel einer – unvollendeten – Grabfassade geführt ist, entdeckt man die einzige noch erhaltene Untermauerung (Abb. 9). Zur Überwindung eines tiefen Einschnittes wurde ein »angelehnter Aquädukt« gebaut. Man darf solche gemauerten Strecken auch dort vermuten, wo heute der Wasserkanal unterbrochen ist. Vor der erwähnten Grabfassade gibt es eine Art aufgemauerter Terrasse. Von hier führt ein sorgfältig gemauerter Leitungskanal in die Richtung des Wadi Metaha, das er offenbar früher überquert hat. Die Höhen von en-Nasara, die unterhalb der großen Felsengräber reich besiedelt waren, hat dieses Wasser freilich nicht erreicht, vielleicht aber Zisternen am Fuß der Anhöhe. Weiter in Richtung Palastgrab wurde ein Geländeeinschnitt durch eine einseitige Abmauerung zu einer Talsperre ausgebaut (Abb. 10, Punkt 3) und dadurch als Wasserreservoir nutzbar gemacht. Die innen vermörtelte Abmauerung faßte ca. 300 m3 Wasser. Das Bassin wurde durch die darüberliegende Quellwasserleitung und durch Oberflächenwasser gefüllt. Hier standen die nabatäischen Wasserbauexperten vor der Aufgabe, das im Gegensatz zum Wadi el-Modlem weitaus breitere Wadi el-Hubta zu überqueren. Dalman spricht in diesem Zusammenhang lediglich von einer »Umkreisung« des Grundes von
Abb. 6: Weihinschrift in der Nischenklamm.
Abb. 7: Kleines Heiligtum mit Nischen und Treppenaufgang zur Wasserleitung und zum Wasserabfluß.
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Abb. 8: Wasserleitung an der Wand von el-Hubta oberhalb von Kulträumen und Zisternen.
Abb. 9: »Angelehnter Aquädukt«
326
Abb. 10: Talsperre vor dem Wadi el-Hubta.
Wadi el-Hubta. Tatsächlich sehen wir aber (Abb. 11) die Wasserleitung in der Höhe ankommen und enden. Darunter befindet sich das Widerlager eines einstigen großen Aquäduktes und eine umfangreiche Wadisperrmauer. Diese Verbauung war notwendig, um das in dem breiten Wadi herabstürzende Regenwasser abzubremsen, vielleicht auch um den Aquädukt zu schützen. Senkrecht dazu kommt aus der Höhe eine in die Steilwand geschlagene Wasserleitung herunter, die das Oberflächenwasser von el-Hubta mit sich führt. Sie hat den enormen Querschnitt von ca. 60–80 x 50–60 cm (Abb. 12). Abzweigungen waren offenbar mit Schiebern zu regulieren. Damit ist ein deutlicher Zusammenhang mit der aufwendigen Wasserführung vom Plateau des Hubta-Massivs etabliert, die an vielen Stellen bereits in die Quellwasserversorgung integriert ist, aber ihrerseits eine besondere Untersuchung verdient. Die Leitung endet schließlich, soweit man das heute überblicken kann, neben dem Palastgrab. Das Wasser stürzte aus einer Höhe von ca. 10 m über eine senkrecht behauene Felswand in eine Zisterne von etwa 300 m3 Inhalt (Abb. 13, Punkt 1). Wenn die antike Stadtmauer an dieser Stelle an die Felswand stieß (Skizze 1), sollte sie möglicherweise die Wasserentnahme in Kriegszeiten sichern. Andererseits wäre es dem Feind, der hier aufgehalten wurde, ein leichtes gewesen, die Wasserführung weiter oben zu unterbrechen.
Abb. 11: Wadi el-Hubta: Wasserleitung mit Widerlager eines Aquädukts und Wadiverbauung.
Würdigung der technischen Leistung Die technischen Anforderungen beim Bau der nördlichen Hubta-Wasserleitung waren nicht übermäßig groß, wenn man bedenkt, daß der Höhenunterschied zwischen der Mosesquelle in Wadi Musa und der Stadt Petra immerhin 200–300 m betrug. Die Leistung der nabatäischen Erbauer bestand vor allem in der konsequenten Planung und Durchführung. Die Leitung besaß ein sehr geringes Gefälle und damit eine sehr geringe Fließgeschwindigkeit. Hindernisse wurden jeweils auf die angemessene Art überwunden. Klu-
Abb. 12: Wasserleitung aus Wadi el-Hubta.
327
Abb. 13: Zisterne beim Palastgrab: Ende der Wasserleitung.
gerweise projektierte man die Leitung so, daß der Abfluß in die Endzisterne nicht fixiert werden mußte. Bemerkenswert und fast einzigartig ist die Kombination von Quell-
Skizze 4
328
wasserführung, Sturzwasserlenkung und Wassersammlung. Das ganze Hubta-Massiv war eine einzige Wassersammeifläche. In Rinnen, Furchen, Kanälen, Zisternen19 und großen Becken wurde alles Regenwasser an der Oberfläche gesammelt, der Hauptwasserleitung zugeführt und schließlich in einer Unzahl von Zisternen gespeichert. Die Zisternen im unmittelbaren Zusammenhang mit der nördlichen Hubta-Wasserleitung fassen grob geschätzt 1 , 5 Mill. Liter Wasser. Nur mit einem solchen einmaligen Wasserleitungssystem konnte die lange Trockenheit überbrückt werden und deswegen kann man die nördliche Hubta-Wasserleitung den Leitungen von Samos und Pergamon durchaus zur Seite stellen. Der Zusammenhang von Wasserführung und Kultstätten drängt sich bei der nördlichen Hubta-Wasserleitung ebenso wie sonst in Petra auf. Wasser dürfte bei den peträischen Heiligtümern ebenso wie in anderen
Kulturen und in anderen Zeiten aus religiösen Gründen, etwa zur Reinigung, notwendig gewesen sein. Zugleich wird man den Eindruck nicht los, daß die Wasser »heilig«, dem Numinosen zugehörig waren und sowohl wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr wie ihrem Nutzen dem Schutz der Götter empfohlen wurden. Auf Skizze 4 (Punkt 4) ist ein solcher inniger topischer Zusammenhang von Wasserführung und »Heiligtümern« dargestellt. Bedenkt man schließlich, daß die nördliche Hubta-Wasserleitung nur ein, wenn auch wichtiger Teil der Gesamtversorgung Petras mit Wasser war, dann ahnt man etwas von der Vitalität des nabatäischen Volkes, das solche Projekte verwirklichte. Inwieweit dabei griechische und später römische Ingenieure »Entwicklungshilfe« leisteten, wird nicht leicht zu entscheiden sein. Stählin, zeitweise Vorstand der Abteilung für Vor- und Frühgeschichte der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg, hat in seiner Beschreibung der Wasserleitungssysteme von Pagasai und Demetrias die aus dem Fels geschnittene Wasserleitung als die ältere, »altgriechische« bezeichnet, während andere Abschnitte späterer Zeit entstammen.20 In Petra spricht der innige Zusammenhang der nördlichen Hubta-Wasserleitung mit der Blütezeit der Stadt und mit den nabatäischen Kultstätten bzw. »Heiligtümern« für ihre Entstehung in nabatäischer Zeit.
Summary: The Northern (el-Hubta) Water Supply System of Petra Descriptions of the two principal water supply systems of ancient Petra have been unsatisfactory up to now. The precise examination of the conduits through the Sik was impossible on account of a layer of debris, which was removed only a short time ago, whereas, in 1978, the channels round the mountain range of el-Hubta could be explored thoroughly. The Moses spring above the village of Wadi Musa supplied this conduit with
plenty of water. It was collected in two big reservoirs near the present rest house. The walls were formed partly by live rock carved out in convenient shape and completed by stone walls. From here the water was conducted in rock-carved channels along the Wadi Sheb Kes and farther on to the Wadi Metaha over an aqueduct which is still in existence. The remains of another aqueduct spanning the Wadi Modlem excaped Dalman's notice. Stairs leading up to the channel were meant to facilitate maintenance. They were, however, accompanied by idol niches. Obviously the waters were sacred and the channels recommended to the protection of the gods on account of their usefulness as well as of the danger they presented in case of floods. A cut in the mountain slope was barred with a wall so as to form a reservoir of a capacity of 300 m3. One more aqueduct arched over the Wadi Hubta. In order to protect it from the waters sweeping down the Wadi and from those rushing down from el-Hubta in a channel, a stone-built dam had been erected. The channel from el-Hubta is an astonishing 60 to 80 cm wide and 50 to 60 cm deep. Branches could be regulated with slides. Beside the Palace Tomb, eventually, the water fell down from a hight of 10 m into a cistern holding 300 m3. The capacity of all the cisterns connected with the entire supply system amounted to 1.5 million litres. Even though its construction is simpler, the system may be compared with those of Samos and Pergamon in regard to efficiency.
Literatur Dalman, G.: Petra und seine Felsheiligtümer, Leipzig 1908, 37. – 2 Briinnow, R. und A. v. Domaszewski: Die Provincia Arabia Petraea I, Straßburg 1904, 174. – 3 Musil, A.: Arabia Petraea II, 1 (Edom), Wien 1907, 44, 71. – 4 Dalman: Petra, 37–40. – 5 Dalman, G.: Neue Petra-Forschungen, Leipzig 1912, 16. – 6 Kennedy, A.: Petra. London 1925, 14. – 7 Gräber, Fr.: Die Wasserleitung von Pergamon, Berlin 1888. – 8 Garbrecht, G. – Holtorff, G.: Wasserwirtschaftliche Anlagen des antiken Pergamon, Mitt. d. Inst. f. Wasserbau d. TU Braunschweig 37 (1973). – 9 Garbrecht, G.: Die MadragagWasserleitung von Pergamon, Ant. Welt 9, 1978 Nr. 4, 40–49. – 10 Tolle, R.: Die antike Stadt Samos (1969). — 11 Walter, H.: Das Heraion von Samos (1976). – 12 Kastenbein, W.: AA 1960, 178–198, 1966, 26–36. — 13 Fabricius, E.: Athen. Mitt. 9, 1884. – 14 Jantzen, U. u. a. AA 1973 und 1975. – 15 Kienast, H.: Der Tunnel d. Eupalinos auf Samos, Architectura, 1977, 97–116. – 16 Brünnow v. Domaszewski, Arabia Petraea I, 431. – 17 Dalman, Petra, 37. – 18 Milik, J. T. u. Starcky, J. ADAJ XX, 1975, 127. – 19 Lindner, M.: JMitt NGH Nürnberg 1976, 88. – 20 Stählin, F., Meyer, E. und A. Heidner: Pagasai und Demetrias, Berlin u. Leipzig 1934, 150. 1
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Abkürzungen Arrian. Anab Dio Cass. Diodor. Euseb. Hist. Eccl. Jos. Ant.
– – – – –
Jos. Bell. Jud.
–
Plin. Nat. hist.
–
Plut. Strab. Geogr. Tacit. Hist. AA AASOR
– – – – –
ADAJ
–
AfO AJA
– –
BASOR
–
BHHW
–
Bibl. Arch. (=BA)
–
330
Arrianus Flavius: Anabasis Dio Cassius Diodorus Siculus Eusebios: Historia Ecclesiastica Flavius Josephus: Antiquitatum Judaicarum libri XX, hrsg. v. H. Clementz, Berlin-Wien 1923 Flavius Josephus: De bello Judaico libri VII, ebd. Plinius der Ältere: Naturalis historia. Übers, v. Wittstein 1880–82 Plutarch: Vitae Parallelae Strabo: Geographica Tacitus Cornelius: Historiae Archäologischer Anzeiger The Anual of the American Schools of Oriental Research Annual of the Department of Antiquities of Jordan Archiv für Orientforschung American Journal of Archaeology Bulletin of the American Schools of Oriental Research Biblisch-Historisches Handwörterbuch. Göttingen 1962 The Biblical Archaeologist
CIS
– Corpus Inscriptionum Semiticarum Diet. Bibl. – Dictionaire de la Bible. Supplement Band VII. Paris 1966. Stichwort »Petra et 1a Nabatene« (J. Starcky) JDAI – Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts JMitt NHG – Jahresmitteilungen der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg JNG – Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte LA – Liber Annuus Pal. Expl. Quart. – Palestine Exploration ( = PEQ) Quarterly Publ. of the – Publications of the Princeton Princeton Univ. University, Archaeological Expeditions to Syria in 1904– 1905 and 1909. Leyden 1913 QDAP – The Quarterly of the Department of Antiquities in Palestine RAO – Clermont-Ganneau, Ch.: Recueil d'Archeologie Orientale. Paris 1888–1912 Rev. Bibl. – Revue Biblique ZDMG – Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft ZDPV – Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins
Anschriften der Verfasser
Verzeichnis der Abbildungen
Prof. Dr. Michael Evenari † 1989 Prof. Dr. Konrad Gauckler † 1983 Baumeister-Ing. Elisabeth Gunsam, Friedensstraße 10, A-5020 Salzburg Muhammed Murshed A. Kadija, c/o Dept. of Antiquities, Amman, Jordanien Ingrid Kühne, Oberappersdorf, D-85406 Zolling Dr. Dr. Manfred Lindner, Labenwolfstraße 5, D-90409 Nürnberg Prof. Peter J. Parr, University of London, Institute of Archaeology, London Dr. h. c. Dipl.-Ing. Karl Schmitt-Korte, Dielmannstraße 60, D-63069 Offenbach Dr. Fawzi Zayadine, Dept. of Antiquities, P. O. Box 88, Amman, Jordanien John P. Zeitler, M. A. c/o Nat. Hist. Ges. Nürnberg, Gewerbemuseumsplatz 4, D-90402 Nürnberg
Michael Evenari: 162–182 Hermann Fröhling: 32, 140, 266, 268 ob., 278 ob. Rudolf Gmelin: 278 unt. Elisabeth Gunsam: 17, 21, 132, 192, 268, 323, 325, 326, 327 H. K. Künne: 267 ob. Ingrid Künne: 247 Fr. Lärche: 149, 150, 158 Muhammed Murshed A. Khadija: 203 P. J. Parr: 184, 188, 190 ob. Prähistorische Staatssammlung München: 86, 88 Ute Schmidt: 41, 76, 94 A. Schmidt-Colinet: 70 unt.
Reproduktionen Die Reproduktionen stammen, soweit nicht besonders angegeben, aus den Veröffentlichungen von G. Dalman, A. Kammerer, Leon de Laborde, M. Murray u. a., sowie aus dem Ausstellungskatalog ,,Die Nabatäer“, München, Prähistorische Staatssamlung.
J.-M. Dentzer: 98
Karl Schmitt-Korte: 73, S. 205–232 Württ. Landesmuseum Stuttgart: 37 Fawzi Zayadine bzw. Dept. of Antiquities Amman: 81, 113, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 125, 128, 129, 130, 131, 135, 136, 137, 138, 139, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 151, 152, 153, 155, 198, 199, 202 J. P. Zeitler: 299, S. 307–318 Manfred Lindner: alle übrigen Fotos
331
Schlagwortverzeichnis A Aara (A'arra) 84, 115 Aaron 27, 95, 100, 101, 105 Ableitungssysteme 176, 180 f Abu Khusheiba 76 Ackerbau 241 Aden 66, 80, 258 Adlernische 31 Aelius Gallus 65, 66 Äneas 68 Ain el-Hosb 80 Ain Emun 76 Ain esh-Shellaleh 83 ff, 117, 119, 120 Ain Musa (s. Mosesquelle) 100, 239 Akaba 17, 40, 52, 66, 82, 88, 101, 200, 205 Aktium (Aktischer Krieg) 61, 96 Akropolis 26 Alabasterfigur 200 Alexander der Große 37 ff, 45, 48, 228 Alexander Jannaios 53, 54, 55, 57, 58, 84 Alexandra 55, 56, 61, 62 Alexandria 46, 59, 62, 80, 116, 134, 138, 140, 146, 155, 167 Alexandrium 58 al-Kutba 117, 118, 120 Allah 114 Allat 79, 95, 100, 119, 171 Altäre 93 Altarfelsen 279, 284 al-'Uzza 19, 95, 100, 115, 116, 117, 119 ff, 290 Amazja 40 Amazone (-Bronzestatue) 93, 156 Amman 9, 17, 47, 52, 57, 200, 205 Amrit 128, 134, 144, 145 Antigonos Monophthalmos 38, 39, 61 Antigonos, Antigonus 58, 60 Antiochia 48, 61, 117 Antiochos 47, 48, 51, 52, 53, 54 Antipas 56, 75
332
Antipater 56 f, 58, 59, 60, 69 Antonius 60, 96, 259 Aphrodite Anadyomene 270 Aquädukt 19, 32, 78, 239, 319 f, 324, 325, 327 Aquileja 134 Arabia Felix 65, 80 Aretas 47, 52 ff, 69 ff, 80, 118, 138, 151, 157, 167, 168, 197, 223 Aristobul 53, 56, 57, 58, 61 Artebanus 75 Aschtar 202 Askalon 52 Asphalt 38, 61 Assurbanipal 39, 113, 200 Atargatis 96, 154, 203, 229 Athenaios 38 Athenion 61 Athlit 128 Atriumhaus 191 Augustus 65, 69 Ausstellungen 262 Avdat (Oboda, Eboda, Abde) 15, 71, 73, 79, 80, 84, 86, 93, 99, 115, 145, 162 f, 164, 167, 170, 171, 172, 173, 176, 181, 206, 220 Ayazin 148 B Baalbek 117, 145 Baal-Schamin 73, 92, 148 Bab el-Mandeb 67 Bab edh-Dhra 127, 129 Bab es-Sik 17, 18, 19, 31, 36, 125, 127, 130, 131, 139, 145, 204, 237 Backofen 311 f, 314 Badeanlagen 25 Bäume 243 ff Balsam 45, 65, 80, 258– 260 Basama (Qasma) 85 Bdul (B'dul) 94, 200, 204, 241, 261, 324 Beer Sheba 162, 205
Beni Ya'amrou 51 f Berenike-Oenochoe 56 Beth Alpha 229 Beth Sche'arim 131, 134, Betyl 19, 48, 96, 99, 113, 115, 117, 120, 122, 130 f, 133, 289, 319, 324, 325 Bewässerungsanlagen 241 Biklinium 31, 46, 48, 291 Bir Madhkur 76 Bogengräber 147 ff Bosrah, Buseirah 9, 41, 43, 118, 119, 271 Bostra 52, 55, 58, 62, 67, 84, 87, 88, 96, 115 Brandaltar 25 Burckhardt, Johann Ludwig 9, 105, 305 Buntes Grab 141, 146 Buseirah 9, 42, 271, 272 C Cäsar 59, 60 Caesarea 62, 75 Caligula 75, 79 Cardo 24, 25, 47, 204 Catal Hüyük 40, 199 Christen 33, 75, 98 f, 100 ff, 171 Coelesyrien 54, 67 Columbarium 26 »Conway High Place« (Conway-Turm) 14, 185, 186 D Damaskus 9, 54 ff, 67, 75, 82, 84, 221 Da-u-Dukhtar 144 David 40 D'bel 76 Dedan 52, 88, 98, 117, 119, 120 Dekapolis 58, 85 Delos 68, 145 Demetrios 38, 51 Department of Antiquities 7, 15, 262, 275, 309 Derketo 118
Deutsch-Türkisches Denkmalschutzkommando 13, 261 Dhat-Ras 129 Diban 88 Dib'diba 36, 235 Diodorus Siculus 38, 41, 43, 44, 47, 65, 84, 114, 116 Dionysoskult 95 f, 116 Dioskuren 155 Diospolis (Dion) 61 D'mer 82 Dorotheos-Haus 32, 46, 77, 278 Dougga 134 Drehspuren (Keramische) 206 Dromos-Grab 18, 21, 126, 129 ff Dschebel-Druze 53 Dschebel el-Barra 27, 236, 287, 291 Dschebel el-Me'esara 33 Dschebel en-Nmer 27, 104, 236 Dschebel Harun 9, 13, 26 ff, 35, 94, 95, 99, 104, 105, 236, 251, 287, 288, 291, 292, 324 Dschebel Mansir 238 Dschebel um-Mayet 287, 288 Dscherasch (Gerasa) 58, 82, 132, 204, 205 Dschiddah 12 Dumat(t) 41, 80, 113, 115, 117 Duschara (Dusares, Dhusharâ) 19, 25, 31 ff, 54, 59, 68, 73, 80, 82, 84, 92 ff, 95, 96, 113 ff, 115 f, 123, 130, 171 E ed-Der 9, 33 ff, 73, 75, 76, 92, 99, 104, 153, 158, 230, 235, 236, 245, 251, 291, 303 ed-Dschredda 18, 19, 46 Edomiter 7, 13, 39, 40, 41, 45, 114, 118, 195, 200, 203
Edomitisches Hoch(Tafel)land 17, 235, 255 Elat (Eilat) 66, 162, 164 el-Arish 45, 52 el-Barid 35, 78, 99, 104, 201 el-Barra 252 f el-Beda 36, 40, 76, 192, 198 ff, 251 f el-Birke 319, 320 el-Hammam 34 el-Habis 22, 26, 34, 35, 45, 46, 76, 77, 94, 102, 103, 183, 192, 236, 294, 300, 306 el-Hegr (Hegra) 12, 52 ff, 65 ff, 73, 75, 79 ff, 88, 100, 124, 265 el-Hubta 21, 23, 31, 48, 76, 77, 78, 81, 85, 88, 99, 120, 123, 125, 141, 203, 235, 262, 291, 292, 307, 309, 319, 325 el-Kantara 31, 99, 235 el-Katute 46, 184 el-Khan 17, 78, 322 el-Medras 14, 17, 19, 31 ff, 46, 76, 78, 235 el-Me'esara 33, 46, 77, 235, 237 el-Metaha 32 el-Ola 52, 55, 75 el-Wejra 31, 36, 76, 94, 101, 103 f, 163, 306, 320 Eldchi 9, 11, 17, 76, 78, 202, 239, 319 Elthemos 61 Elusa 52, 120, 168, 221 Engedi 85, 259 en-Nasara 33, 75, 77, 129, 325 en-Nmer (Dschebel en-Nmer) 71, 74, 76, 79, 99, 303 Entwicklungsländer 182 Ephesus 154 Eroten 44, 229 er-Ramle 320, 322 es-Sadeh 291 es-Sela 42, 43, 271 ff es-Sugra 13, 26, 207 Etagengrab (Palastgrab) 320 et-Taiyibeh 76 et-Telah 80 Eupalinos 321
F Farasa-Tal 30, 78 Farm(einheiten) 178, 180, 181 f Fars 127 Feinan 40 Feldbau 240 f Felshäuser 43, 277 Felsheiligtümer 13, 33, 48, 104 Felsritzungen 304 f Feuersteinwerkzeuge 163 Figurinen 191 Fischteller 314, 317 Fliehburg 76, 271 ff Flintwerkzeuge 198 Florentinus-Grab 95, 126 Fußumrisse 288, 291, 304 f G Gabinius 59 Gadara 58, 61 Galaterbrief 75 Galenus 259 Gamilat 81, 85 Gartengrab 30 Gaza 39, 40, 45, 47, 52, 53, 58, 62, 80, 84, 205, 206 Gerasa 58, 59, 82, 88, 132, 241 Gerrha (Gerrhäer) 45, 52 Gesichtsbetyle 203, 263, 289 f Gesichtsstelen 46 Gewürzhandel 164, 167 »Götzenbuch« 114 Golan-Höhen 75 Gottesthron 43, 48, 126, 145, 146, 203, 265, 266, 267, 268, 278, 284, 300, 302, 307 Grab 813: 46, 78, 81 Grab-Statue (-Büste) 133, 153 Grabstelen 131 ff Granatapfel(-motiv) 213 f, 218, 223, 228 ff Große Halle 298 ff Großer Opferplatz 21, 29, 30, 71, 152, 205, 281, 291 H Hadramaut 52, 65 Hadrian 88, 126
Hagiru (Hagaru) 79,. 83, 85 Halbzinnengräber 138 f Handmühlen 300 Haretat 52, 53, 54, 74, 79, 100, 168, 265 Hasmonäer 53, 61, 79 Hauran 53, 55, 58, 62, 67, 73, 79, 145, 206 Hedschas 39, 113, 127, 205 Hegra 69, 114, 115, 117, 119, 120, 121, 124, 126, 130, 135, 137, 138, 146, 150, 205 Hegra-Grab (Hegra- Typ) 32, 33, 126, 130, 137, 139 f, 152, 265 Heiligtümer 286, 293 f, 302 f, 325, 328 f hellenisierende Monumente 150 ff Herculaneum 155 Hermel 134 Herodes 59, 60, 61, 65 ff, 74, 79 Herodes Antipas 74 f Herodias 75 Herodot 39, 113, 116, 117, 119 Hieronymos von Kardia 38, 46, 165 Himyariten 65 Höhlen-, Felsenräume 297 f, 300 ff Höhlenwohnung 187, 197 f, 198 f, 267 Hörnerkapitelle 26, 34, 97, 265 Hohlkehle 138 f, 146, 301 Horiter 40 Hubal 114 f Hubta-Wasserleitung, nördliche 322 ff Huldu (Huldo) 79 Hyrkan 47 I Iambulos 47 Ibn el-Kalbi 114, 115, 119, 120 Idolnischen 26, 27, 31, 32, 34, 36, 44, 76, 103, 284, 286, 288 ff, 295, 303, 324 f Idolpfeiler 34, 35, 99
Idumäa 41, 56, 58, 60 Igel 134 Imtan 115 Inschriften 19, 23, 27, 30, 33, 34, 44 f, 52, 54, 59, 62, 71, 75, 79, 81, 82, 83, 84, 86, 88, 91, 95, 98, 114, 115, 118, 119, 125, 126, 129, 132, 135, 141, 145, 146, 153, 154, 168, 171, 189, 190, 197, 200, 223, 265, 288, 305, 322, 324 Iraq el-Emir 47, 152, 156, 159 Isaak 168 Isbeita 99 Isis (Reliefbild) 287 f Isisnischen (Isisheiligtum) 36, 47, 62, 73, 138, 286, 287 f Isis-Tyche 122, 156 Itam 84 Ituräer 53, 54 J Jason (Josua) 47, 48, 52 Jericho 61, 199, 259 Jerusalem 39, 41, 47, 48, 51, 52, 56, 57, 58, 60, 61, 79, 80 f, 205 Johannes Hyrkan I 53, 56 ff Jonathan 51, 52 Joppe 53, 58, 62 Jordangraben 233 Josephus (Flavius) 9, 38, 54, 57, 60 ff, 67, 69, 79, 132, 166 Judäa 55, 58, 60, 75, 79, 86 Judas Makkabaios 48, 51, 53 Jusitinian 154, 173 K Kaaba 48, 114, 116 Kairo 9 Kalk (-Bestattung) 265 Kalathos 267 Kambyses 39 Kamel-relief, -figurine 35, 41 Kammergrab 263 Kanatha (Kana) 61
3339
Kapernaum 229 Karawanenstraßen 59, 84, 85, 101, 235 Kasr el-Bint Fara'un 25, 91, 151 ff, 156, 157, 189 f, 197, 204, 229 Kasr Rabba 229 Kassarwit 205 Kattar ed-Der 34, 99 Kausmalik 40 f Kenotaph 34 Kerak 87, 102, 272 Keramikfunde 282 f, 314 ff Keramikmuster 211 ff Keramik (nabatäische) 205 ff Khalasa (Elusa, Chalutza, Khalutza) 52, 53, 68, 71, 84, 174 f Khazne (Khazneh) 11, 12, 13, 19 ff, 31, 46, 47, 73, 76, 92, 100, 122, 125, 150, 154 f, 156 f, 159, 201, 230, 237 f, 246, 267 Khirbet Brak 78 Khirbet et-Tannur 229, 230 Kidrontal 134 Kirchen 22, 27, 31, 172, 174 f, 229, 305 Klammheiligtum 286 ff, 292, 305 Klausnerhöhlen 75 Klausenschlucht 34 Kleopatra 60, 259 Kleopatris (Klysma) 66 Klima 238 f, 241 Kolumbarium 26, 80 Königsgräber 24, 31, 141 Korinthisches Grab 22, 88, 126, 134, 157 f Kreuze 27, 99, 104, 289, 304 ff Kreuzfahrer (-festung) 26, 31, 76, 94, 102 ff, 192, 252, 300 Kreuzzüge 9 Krückenkreuze 34, 104 Kumub 80, 84, 168, 169, 170, 171, 173, 174, 176, 180 Kypron (Kypros) 56, 59
334
L Laborde, Leon de 10, 11, 26 Ladschun 87 Leuke Korne 52, 55, 65 ff, 80 Levcadia 159 Liathne 9, 241, 261 Lihyan 52, 62, 65 Limes Arabicus 88 Loculus 18, 91, 129, 137, 156, 265, 266 Löß 176, 178 Löwe 30, 152 Löwengrab 32, 34, 46 Löwen-Greifen-Tempel 24, 76, 95, 158, 203, 290, 314 Löwen-Triklinium 134, 151, 152 Lykurg 117 M Ma'an 52, 88, 200 Machaerus 55, 62, 75 Madeba 51, 53, 55, 63, 88, 99, 132, 205, 260 Malichus (Maliku) 59 ff, 75, 79 ff, 84, 88, 91, 100, 146, 154, 169, 171, 197, 265 Mampsis 15, 145, 220 Manat 100, 119, 121 ff Mariamne 61 Marib 66 Marissa 129 Masada 60, 81, 272 Mattathias 48, 60 Medain Salih 12, 65, 75, 100, 150, 152, 206 Me'esara 126, 129, 137, 147 Midian (Midianiter) 40, 66 Mekka 12, 48, 52 Milet 68, 116, 148 Minäer 45 Mithradates 55, 57, 58 Moab 13, 40, 52 Modestus, Aiacius 93, 95 Modin 133 Mondnische 30 Mosaik 27, 305 Mosesbach 21, 24, 25, 26, 34, 35, 45, 93, 187, 235, 239 Mosesquelle 17, 18, 24,
32, 78, 100, 202, 234, 239, 305, 319, 322, 327 Münzen 45, 47, 53, 55, 58 f, 62, 69, 73, 75, 79, 80, 81, f, 86, 88, 96, 129, 154, 158, 174, 184, 189, 191, 229, 263, 270 Münzschatz 174 Myrrhe 38, 40, 45, 65, 80, 166, 249, 258 N Nabatäa 12, 52, 55, 58, 85, 98, 104 Nabatu 39 Nakeb 68 Nasara 126, 141, 146 Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg 7, 15, 78, 99, 123, 128, 140 f, 196, 262, 266 ff, 290, 307, 320, 329 Nebajoth 39 Nefesh 20, 59, 82, 92, 113, 126, 129, 132, 133 ff Negev 7, 15, 52, 53, 71, 85, 158, 162 ff, 206, 221, 228, 229 Nessana 80, 221 Nikolaos (von Damaskus) 69 Nitzana (-Papyri) 68, 170, 174, 179, 181 Nischenklamm 324 Nordterrasse 26, 44, 93 ff Nordweg 29 Nubischer Sandstein 233, 235 Nymphäum 24 O Oboda (Avdat) 53, 68, 71, 84, 93, 206, 220, 221, 222 Obodas 27, 34, 53, 54, 59, 62 ff, 91, 92, 93, 98, 100, 157, 158, 167, 263, 303 Obodas-Kapelle 27 Oktavian 61 Olibanum 257 Onaiso (Uneishu, Onaichu) 81, 88, 265
Opferplatz 21, 27, 29, 48, 280, 281 Orodes 60 Orotal 114, 117 Ostjordanisches Bergland 233, 235 Ostrakon 176, 188 P Pagasai 329 Palästina 48, 228, 259 Palastgrab 11, 23 ff, 88, 126, 158 f, 302, 322, 325, 327 Palestrina 158 Palma, Aul. Corn. 85 f, 170 Palmetten 213, 219, 228, 231, 232 Palmyra 25, 52, 97, 116, 145, 153, 155, 157, 172, 241, 244 Paneion 48 Papageienfisch 314 Papyri 85 Papyron 57 Pasael 80 Paulus 75, 104 Pella 58, 312 Pergamon 142, 320, 328 Petroglyphen 289 Pflanzenwelt 241 ff Pfeiler-Idol 19, 27, 104, 289, 292 Phasael 60, 79 Pheroras 69 Philadelphia 47, 57, 58, 61 Philippi 60 Pilgerzeichen 304 ff Plinius 65, 66, 166 Pompeji 30, 138, 155, 156 Pompeius 57, 58, 59 Pontius Pilatus 75 Porta Marzia 142 Proculus 104 Prometheus 249 Proto-Hegra-Typ 139, 145, 147 Provincia Arabia 23, 85, 87 f, 98, 124, 170, 174 f Ptolemaios 38, 47, 116 Puteoli 62, 75, 114 Q Qal'at Faqra 145
Qamqam-Grab 137 Qasr el-Bint (Fara'un) 119, 120, 201, 244 Qaus (Qos) 40, 45, 82, 118 f, 150, 200 Qos-Gabr 45 Quinctilius Varus 74 R Rabbath Ammon 47, 52, 57 Rabel 47, 54, 79, 80 ff, 88, 97, 100, 158, 171, 265 Rampe 295 Rankenfrau 154 Rankenwerk 152 Rehoboth 221 Reiterbilder 291 Reliefkeramik 221 Reqem (Reqmu) 19, 82, 132 Rhaepta (Raipta) 67, 68 Rhinokolura 45, 52, 80 Roberts, D. 10 Rukheiba 168, 170, 175 Ruwafah 114 S Sabäer, Saba 45, 65 Sabra 26, 27, 76, 78, 207, 238, 270 Sabratha 82, 126, 134, 156 Safaiten 85, 172, 173 Sahrig-Gräber 125, 139 Saladin 104 Salkhad 119 Salome 67 Salomon (Tempel) 229 Samaria 53, 62, 314 Samos 321, 328 Säulensaal 30 Saudat 74, 79, 85 Saudi-Arabien 205 Scaurus 57, 58, 59 Schachtgräber 124, 126, 128 f, 216, 262, 266, 307, 309 Scheb Kes 320, 322 Scheibenmetopen 134 Schera-Berge 41, 76, 228, 233, 238, 244, 319 Schichtenffolge) 185, 189 Schlange 18, 30, 130, 288, 304, 305 Schlangen-Monument 13, 26
Schobek 9, 88, 101, 271, 272 Sebaste 62, 314 See Tiberias 233 Sela (Sela') 40, 41, 42, 102, 195, 200 Seleukos 38 Senkgrab 20, 30, 126, 127 f, 133, 139 f, 263, 265, 296, 309 Sextius Florentinus 23, 88, 126, 150, 154 Seyl Aqlat 36, 192, 195, 199 ff Shai' el-Qaum 116, 117 Shaqilat 79, 80, 81, 88, 146, 168, 197, 265 Shivta 168, 175, 181, 229 Si'a 62, 73, 148 Sidd el-Ma'adschin 32, 120, 286, 320, 324 Siedlungsarchäologie 307 ff Sidon 75, 129 Sik 17, 19, 20, 31, 41, 45, 54, 59, 76, 77, 78, 81, 88, 92, 96, 125, 133, 137, 139, 204, 235, 237, 239, 274, 319 Simon 51, 52, 133 Sik el-Barid 36, 99, 297 Sinai (-Halbinsel) 52, 98, 172, 205 Siyagh-Schlucht 26, 35, 45, 47, 77, 93, 236, 239, 305, 319 Sleysel 76 Smyrna 148 Sobata 221 Soemus 69 Soldatengrab 30, 78, 134, 152, 230 Spitzpfeiler 18, 20, 27, 29, 47, 126, 131 Spitzpfeilergrab 18, 92, 125, 132, 134, 213 Statthaltergrab 23, 24, 31, 88 Stadtmauer 33, 98, 184, 190 f, 327 Stadttempel 22, 90, 91, 92, 100, 197, 261 Statuengrab (=Soldatengrab) 230 Steinmetzzeichen 30, 36, 168
Stelengräber 131 ff Stephanos v. Byzanz 71 Stibadium 19, 34, 48, 133 Strabon (Strabo) 65 ff, 80, 114, 127, 129, 167, 174 Straßentor 25, 91, 187, 189, 190, 192, 201 Stufenornament 23 Sturzwasserwirtschaft 164 ff, 172, 175, 176, 178 ff Sylläus (Syllaios) 65 ff, 87, 116 T Tafileh 9, 42, 271, 272 Tannur 15, 47, 82, 95, 118, 150, 230, 232 Tawilan 36, 41, 43, 76, 202 f Teima (Taima, Tema) 41, 52, 55, 85, 117, 133 Teiman 202 Tebuk 52, 85 Teil el-Far'ah 128 Temenos 22 ff, 91, 92, 115, 119, 120, 189, 190 Tempel (am Dschebel Ramm) 83 f Terra Sigillata 221, 314 Thamudäer 85, 172, 173 Theater 21, 22, 26, 27, 29, 31, 76, 90, 99, 125 f, 192, 211, 319 Theaterberg 29, 136 ff, 152, 292 Theater-Nekropole 125, 136, 137 Theben 134 Thiasos 116, 152, 158 Thermen 17, 192, 173, 174, 200 f Tierknochen 314 Tigranes 55, 57 Tiberius 74, 75, 129 Titus 79, 80, 259 Tonfigurine 268 Toprak Kaie 144 Töpferei 168, 206, 220 Totenfeiern 228, 266 Totenmahl 19 Totes Meer 17, 38, 40, 53, 55, 58, 61, 62, 127, 205, 229, 233 Trachoniter 67, 68, 69
Trajan 46, 85, 88, 104, 126, 150, 228 Triklinium 19, 20, 26, 29, 31, 33, 35, 46, 47, 48, 74, 77, 116, 125, 135, 140, 152, 266, 286, 324, 325 Triumphbogen 78, 88 Tropfheiligtum 34, 104, 239, 286, 298 Tunnel 9, 131, 324 Turkmaniye-Grab 33, 140, 141, 231 Turmgräber 125, 129, 130, 135, 145 Tyche 55, 88, 121 U Udruh 87 Umm ed-Dschamal 115, 133 Umm el-Biyara 26, 43, 45, 76, 102, 116, 118, 195, 199 f, 236, 250, 272, 283, 284, 293 ff, 304 Um es-Sehun 33, 36, 204, 235 Umengrab 21, 22, 31, 77, 78, 88 ff, 99, 126, 128, 153, 154, 204, 262, 307 V Ventidius Bassus 60 Verona 158 Vespasian 79, 259 Via nova Traiana 173, 174 Votivinschrift(en) 30, 68, 85, 116, 120 W Wadi Abiad 180 Wadi Abu Olleqa 122, 187, 239, 241, 286, 287, 289, 291, 292, 305, 319 Wadi Abu Ruqa 36 Wadi Araba 26, 35, 42, 88, 233, 235, 243, 291, 319 Wadi Avdat 176 Wadi ed-Der 32, 34, 204, 286 Wadi el-Hirsh 42, 276 Wadi el-Hubta 325, 327 Wadi el-Me'esara 36
335
Wadi el-Metaha 33, 250, 320, 325 Wadi el-Modlem 32, 286, 324, 325 Wadi en-Nmer 27 Wadi es-Siyaqh 62, 73, 93, 114, 117, 122, 138, 234, 239, 241, 244, 248 f, 286, 288 Wadi es-Sugra 26, 238 Wadi et-Turkmaniye 126, 146, 204 Wadi ez-Zeraba 320 Wadi Farasa 30, 126, 152, 230 Wadi Hesa 9, 15, 95, 129
336
Wadi Khorrubat 26, 152 Wadi Kurnub 176, 180 Wadi Modschib 9 Wadi Musa 17, 36, 41, 43, 76, 101, 115, 133, 202, 204, 233, 234, 239, 311, 319, 322, 327 Wadi Ramm 82 f, 119, 289 Wadi Retam 234 Wadi Sabra 26, 27, 238, 239, 241, 253 ff Wadi Scheb Kes 32, 286 Wadi Sirhan 41, 59 Wadi Umm Sehun 33 Wadi Wala 9 Wadi Waqit 47, 286, 291
Waffenfries 33, 146 Wasserleitung 18, 19, 24, 26, 31, 76, 77, 78, 239 f, 263, 286, 319 ff Wasserversorgung 175 ff, 239 f, 279 f, 319 f Weihrauch 38, 39, 40, 45, 65, 80, 166, 257 Weihrauchstraße 39, 40, 45, 47, 52, 53, 66, 67, 75, 88, 260, 272 Windschliff 265 Wohnhöhle 26, 31, 35, 45, 77, 99, 262 f, 309 Y Yemen 52, 66, 73
Z Zantur 46, 123, 317 Zarnuk el-Hiremiye 31, 286 Zeloten 79 Zenobia 98 Zeus 48, 116, 118, 170, 172 Zibb Atuf 29, 31, 46, 48, 71, 76, 183, 250 f Zibb Fara'un 25 Zikkurat 144 Zinnengräber 21, 126, 135 ff, 142 ff, 159 Zurrabeh 220 f Zwergpfeiler 141 f, 152, 154
PRESSESTIMMEN Für alle, die Petra besuchten und dem Ort eine mit Fragezeichen erfüllte Erinnerung bewahren, und ebenso für alle, die das fesselnde »Vorkommen« auf ihrem Reiseplan stehen haben, entstand damit eine Information von wissenschaftlich zuverlässiger, zugleich überaus fesselnder Art. Werner Helwig in »Frankfurter Allgemeine« So ist diese Monographie ein Buch in einer langen Reihe und dennoch kommt ihr sicher ein besonderer Rang zu, da sie weit über eine einfache Beschreibung und Erörterung des Ortes hinausgeht. Nicht weniger als elf verschiedene Autoren unterschiedlicher Disziplinen nähern sich dem Thema von ihrer Seite, so daß ein umfassendes Bild der Stadt und ihres historischen Hintergrundes entsteht. Neben der Beschreibung der Stadt und ihrer Felsarchitektur, der Auffindungs- und Ausgrabungsgeschichte wird ausführlich und in diversen Kapiteln das Umfeld des Nabatäerreiches beschrieben. Thieme A scholarly vade mecum for the determined Petra tourist. A well documented introduction from which those many biblical scholars with only a passing knowledge of the Nabataeans will learn much. J. R. Bartlett Das vorliegende Buch ist eine ausgezeichnete Studie über einen hochinteressanten Abschnitt antiker Geschichte. »Aachener Volkszeitung« Das sorgfältig ausgestattete, dabei preiswerte Buch beweist, was bei uns gelegentlich nötig scheint, daß nämlich Wissenschaft nicht bloß auf dem Elfenbeinturm gedeiht, sondern gerade in dessen Vorgärten gutes Erdreich und fleißige Pflege findet. Die Beharrlichkeit des Herausgebers ist bewunderswert. Helmut Söngen in »Der Präparator« ʉ Umseitig: Das Nabatäerreich in seiner größten Ausdehnung