Maßtheorie Carsten Sch¨ utt January 29, 2006
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Contents 1 Grundlagen 1.1 Das Axiomensystem von Zermelo-Fraenkel 1.2 Relation und Ordnung . . . . . . . . . . . 1.3 M¨achtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Ordinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Topologische und metrische R¨aume . . . . 1.6 Cantor Menge . . . . . . . . . . . . . . . .
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5 5 9 12 15 18 21
2 σ-Algebra und Maß 2.1 σ-Algebra . . . . . . . . . . . 2.2 Produkt σ-Algebra . . . . . . 2.3 Maße . . . . . . . . . . . . . . ¨ 2.4 Außere Maße . . . . . . . . . 2.5 Lebesgue-Stieltjes Maße auf R 2.6 Lebesgue Maß auf R . . . . . 2.7 Das Banach-Tarski Paradoxon
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31 31 35 38 42 48 58 70
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79 79 88 99 104
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107 111 115 126 131 144 148 167 173 177 187 194 197 211
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3 Messbare Funktion und Integral 3.1 Messbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Integration nichtnegativer Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Integration reeller Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ 3.4 Der Uberdeckungssatz von Vitali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Differenzierbarkeit monotoner Funktionen und Funktionen beschr¨ankter Variation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung . . . . . . . . . . . 3.7 Das Riemann-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Produktmaße und Lebesgue Maß auf dem Rn . . . . . . . . . . . . . . . 3.9 Des Satz von Fubini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10 Analytische Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.11 Der Transformationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.12 Konvergenz im Maß und der Raum L0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.13 Signierte Maße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.14 Der Satz von Radon-Nikodym . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.15 Differentiation auf dem Rn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.16 Funktionen Beschr¨ankter Variation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.17 Hausdorff Maße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.18 Unstetigkeitsmengen von Funktionen und ihren Ableitungen . . . . . . . 3
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CONTENTS 3.19 Normale Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3.20 Fragen und Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Chapter 1 Grundlagen 1.1
Das Axiomensystem von Zermelo-Fraenkel
Georg Cantor (1845-1918) hat Ende des 19. Jahrhunderts die Mengenlehre begr¨ undet. Er definiert eine Menge als eine Gesamtheit von wohlunterschiedenen Objekten des Denkens und der Wahrnehmung. Die Objekte werden als Elemente und die Gesamtheit als Menge bezeichnet. Falls x ein Element einer Menge M ist, so schreiben wir x∈M Cantor hat drei Axiome verwendet, ohne diese explizit aufzuf¨ uhren: (i) Zwei Mengen sind gleich, wenn sie dieselben Elemente besitzen. (ii) F¨ ur jede Eigenschaft gibt es eine Menge, deren Elemente genau diese Eigenschaft erf¨ ullen. Unter einer Eigenschaft verstehen wir eine Aussage der mathematischen Logik, die die Elemente betrifft. Wir schreiben auch f¨ ur die Menge {x|φ(x)} falls φ die fragliche Eigenschaft ist. (iii) Auswahlaxiom (dies wird sp¨ater definiert.) Die Vereinigung von zwei Mengen A und B ist A ∪ B = {x| x ∈ A ∨ x ∈ B} und von einer Menge von Mengen A ! A = {x|∃A ∈ A : x ∈ A} A∈A
Der Durchschnitt von zwei Mengen A und B ist A ∩ B = {x| x ∈ A ∧ x ∈ B} 5
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CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
und einer Familie von Mengen A "
A∈A
A = {x|∀A ∈ A : x ∈ A}
Das Komplement einer Teilmenge A einer Menge M ist / A} Ac = {x ∈ M | ¬(x ∈ A)} = {x ∈ M | x ∈ Bertrand Russell (1872-1970, mit vollem Namen:Bertrand Arthur William Russell, 3rd Earl Russell of Kingston Russell, Viscount Amberley of Amberley and of Ardsalla) wies mit einem einfachen Beispiel nach, dass das Axiom (ii) zu Widerspr¨ uchen f¨ uhrt. Er fand das folgende nach ihm benannte Paradoxon. Als Eigenschaft einer Menge M betrachten wir M ist nicht Element von sich selbst Gem¨ass (ii) m¨ usste es also eine Menge A geben, deren Elemente aus denjenigen Mengen M bestehen, die nicht Element von sich selbst sind. Dies f¨ uhrt sofort zu einem Widerspruch: Ist A Element von sich selbst? Falls A nicht Element von sich selbst ist, dann muss A gem¨ass der Eigenschaft Element von sich selbst sein. Umgekehrt, falls A Element von sich selbst ist, dann muss A die Eigenschaft erf¨ ullen, dass A nicht Element von sich selbst ist. Man kommt in jedem Fall zu einem Widerspruch. Eine vergleichbare Paradoxie ist der folgende Satz: Ich l¨ uge immer. Wenn ich immer l¨ uge, dann ist der Satz gelogen und ich sage manchmal die Wahrheit. Dies widerspricht dem Satz. Das Axiomensystem von Cantor ist weiterentwickelt worden, um solche Widerspr¨ uche auszuschliessen. Es gibt heute mehrere Systeme, die man als vern¨ unftig erachtet. Wir wollen hier das System von Zermelo-Fraenkel benutzen. Wie von Cantor eingef¨ uhrt, haben wir zwei bin¨are Verkn¨ upfungen ∈ und =. x∈M bedeutet, dass x ein Element, M eine Menge und x Element von M ist. Falls M und K zwei Mengen sind, bedeutet M =K dieselbe Menge sind. Es gelten die folgenden Axiome: (i) Falls zwei Mengen dieselben Elemente besitzen, dann sind sie gleich. (∀x : x ∈ M ⇔ x ∈ K) ⇒ M = K
(ii) Es gibt eine Menge, die keine Elemente enth¨alt. Wir bezeichnen diese Menge als Nullmenge ∅. (iii) Es gibt eine Menge M , so dass ∅ ∈ M und so dass f¨ ur alle x ∈ M auch {x} ∈ M gilt. Hierbei bezeichnet {x} die Menge, die nur aus dem Element x besteht.
(iv) (Potenzmenge) F¨ ur jede Menge M existiert die Menge P (M ), die aus allen Teilmengen von M besteht. Wir nennen P (M ) die Potenzmenge von M .
1.1. DAS AXIOMENSYSTEM VON ZERMELO-FRAENKEL
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(v) Es sei M#eine Menge, deren Elemente wiederum aus Mengen bestehen. Dann gibt es eine Menge M , die aus allen Elementen der Elemente von M besteht. Wir nennen diese Menge die Vereinigungsmenge. (vi) (Regularit¨at) Falls M eine nichtleere Menge ist, dann gibt es ein x ∈ M , so dass x∩M =∅ In Quantorenschreibweise M += ∅ =⇒ ∃x : x ∈ M ∧ (∀y : y ∈ x → y ∈ / M) (vii) Falls φ eine Eigenschaft ist und M eine Menge, dann gibt es eine Menge, die aus genau den x, x ∈ M , besteht, die die Eigeschaft φ erf¨ ullen. {x|x ∈ M ∧ φ(x)} (viii) (Ersetzung )Es sei φ eine Eigenschaft, die von zwei Mengen M und K abh¨angt. Wir nehmen an, dass es f¨ ur jedes x ∈ M genau ein y ∈ K gibt, so dass φ(x, y) gilt. Dann gibt es eine Menge {y|∃x ∈ M : φ(x, y)} (ix) (Auswahlaxiom) Es sei M eine Menge paarweise disjunkter, nichtleerer Mengen. Dann gibt es eine Menge A mit folgender Eigenschaft: Jedes Element von A ist Element einer der Mengen M und f¨ ur jedes M ∈ M gibt es genau ein x ∈ M mit x ∈ A. Wir nennen A die Auswahlmenge. Einige Bemerkungen zum Axiom (vi). Die Bedingung x ∩ M ist nicht mit {x} ∩ M zu verwechseln. Offenbar haben wir {x} ∩ M = {x}. Der Durchschnitt ist also nie leer. Falls es ein Element x ∈ M gibt, das selbst keine Menge ist, so folgt x ∩ M = ∅. Die Menge M = {1, 2, {1, 2}} liefert ein Beispiel daf¨ ur, dass es ein x ∈ M geben kann, so dass x ∩ M += ∅. Wir w¨ahlen x = {1, 2}. Wir erhalten dann x ∩ M = {1, 2} ∩ {1, 2{1, 2}} = {1, 2} Mit Hilfe von Axiom (vi) k¨onnen wir das folgende Lemma beweisen. Lemma 1 Es sei M eine Menge. Dann gilt M ∈ / M. Beweis. Wir nehmen an, dass M ∈ M gilt. Da M ∈ {M } gilt, folgt, dass M ∈ M ∩ {M } Das Axiom der Regularit¨at besagt, dass es ein x ∈ {M } gibt mit x ∩ {M } = ∅ Da {M } nur ein Element enth¨alt, n¨amlich M , folgt x = M . Somit gilt M ∩ {M } = ∅, was der Aussage M ∈ M ∩ {M } widerspricht. !
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CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
Die Frage, ob man das Auswahlaxiom zum Axiomensystem hinzuf¨ ugen soll oder nicht, ist sehr kontrovers dikutiert worden. Die Annahme des Auswahlaxioms ist sehr hilfreich und eine grosse Anzahl von mathematischen Aussagen beruht darauf. Andererseits erzeugt man dadurch auch solche bizarren Resultate wie das Banach-Tarski Paradoxon. G¨odel zeigte 1938, dass das Auswahlaxiom mit dem Axiomensytem von ZermeloFraenkel konsistent ist. Er zeigte, dass man jedes Paradoxon, das man aus dem Auswahlaxiom erh¨alt, so modifizieren kann, dass man es auch ohne das Auswahlaxiom erh¨alt. Cohen zeigte 1963, dass die Verneinung des Auswahlaxiomes ebenso konsistent mit dem Axiomensystem von Zermelo-Fraenkel ist. Um eine Auswahlmenge anzugeben, muss man durch eine Formel oder Vorschrift festlegen, welches Element man aus welcher Menge entnimmt. Dass man aus jeder einzelnen Menge jeweils ein Element ausw¨ahlen kann, reicht dazu nicht aus. In einigen F¨allen braucht man das Auswahlaxiom nicht, um die Existenz einer Auswahlmenge sicherzustellen. (a) Falls jedes M ∈ M nur ein einziges Element enth¨alt. (b) Falls M nur endlich viele M enth¨alt.
(c) Falls jedes M ∈ M eine endliche Menge reeller Zahlen ist. Dann w¨ahlen wir als x ∈ M das maximale Element.
Andererseits kann man zeigen, dass es eine Menge M gibt, so dass alle M ∈ M nur aus zwei Elementen bestehen, und so dass sich ohne das Auswahlaxiom nicht die Existenz einer Auswahlmenge herleiten liesse.
1.2. RELATION UND ORDNUNG
1.2
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Relation und Ordnung
Es seien M und K Mengen. Dann heisst die Menge der geordneten Paare M × K = {(x, y)|x ∈ M ∧ y ∈ K} das Cartesische Produkt von M und K. Eine Relation R auf M ist eine Teilmenge von M × M . Wir sagen, dass x in Relation zu y steht, wenn (x, y) ∈ R. Ein typisches Beispiel f¨ ur eine Relation ist die Relation ≤ auf den reellen Zahlen.
Wir sagen, dass (i) R reflexiv ist, falls f¨ ur alle x ∈ M gilt, dass xRx.
(ii) R symmetrisch ist, falls f¨ ur alle (x, y) ∈ M mit xRy auch yRx gilt.
(iii) R transitiv ist, falls f¨ ur alle x, y, z ∈ M mit xRy und yRz auch xRz gilt. ¨ Eine Relation heisst Aquivalenzrelation, falls sie reflexiv, symmetrisch und transitiv ¨ ist. Es sei M eine Menge mit der Aquivalenzrelation ∼. Die Mengen {x|x ∼ y} ¨ heissen Aquivalenzklassen. Eine Relation R heisst antisymmetrisch, falls f¨ ur alle (x, y) mit (x, y) ∈ R und (y, x) ∈ R folgt, dass x = y. Eine Funktion von einer Menge M in eine Menge K ist eine Teilmenge f von M × K, so dass f¨ ur alle x ∈ M genau ein y ∈ K existiert mit (x, y) ∈ f . Daf¨ ur schreiben wir auch f : M → K und f (x) = y. Wir sagen, dass eine Funktion surjektiv ist, falls f¨ ur alle y ∈ K ein x ∈ M mit f (x) = y existiert. Wir schreiben auch f (M ) = K. f ist injektiv, falls f¨ ur alle x, y ∈ M mit f (x) = f (y) gilt, dass x = y. f ist ein Isomorphismus, falls f injektiv und surjektiv ist. Eine Relation R auf M ist eine Halbordnung, falls sie reflexiv, antisymmetrisch und transitiv ist. Eine Halbordnung R ist eine Ordnung, falls f¨ ur alle x, y ∈ M gilt, dass (x, y) ∈ R
oder
x=y
oder
(y, x) ∈ R
Wir schreiben f¨ ur eine Menge mit einer Halbordnung oder Ordnung auch (M, ≤). Die Relation x < y gilt genau dann, wenn x ≤ y und x += y. Als Beispiel f¨ ur eine Menge mit einer Halbordnung, die keine Ordnung ist, l¨asst sich das folgende angeben. Wir betrachten die Menge aller Tupel reeller Zahlen {(s, t)|s, t ∈ R} mit der Halbordnung (s, t) ≤ (u, v)
falls s ≤ u und t ≤ v
10
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
Dies ist keine Ordnung, weil (1, 0) und (0, 1) nicht vergleichbar sind, d.h. das eine ist nicht kleiner als das andere und umgekehrt. K sei eine Teilmenge einer Menge mit einer Halbordnung. Wir sagen, dass x ∈ K ein minimales (maximales) Element von K ist, falls x ∈ K und f¨ ur alle y ∈ K gilt, dass y ≮ x (x ≮ y). Minimale und maximale Elemente sind nicht notwendig eindeutig. Ausserdem folgt aus x ≮ y nicht notwendig y ≤ x. x ist eine untere (obere) Schranke von K, falls f¨ ur alle y ∈ K gilt, dass x < y oder x = y
x > y oder x = y
Falls M eine Teilmenge K enth¨alt, die mit der Halbordnung von M eine geordnete Menge ist, dann nennen wir K eine Kette. Eine Wohlordnung ist eine Ordnung mit der Eigenschaft, dass jede nichtleere Teilmenge K von M ein kleinstes Element besitzt, d.h. es gibt ein x ∈ K, so dass f¨ ur alle y ∈ K gilt, dass x ≤ y. Dieses Element ist eindeutig. Eine Menge X heisst also wohlgeordnet, falls (i) Aus x ≤ y und y ≤ z folgt x ≤ z. (ii) Aus x ≤ y und y ≤ x folgt x = y. (iii) F¨ ur alle x ∈ X gilt x ≤ x. (iv) F¨ ur alle x, y ∈ X gilt x ≤ y oder y ≤ x. (v) Jede nichtleere Teilmenge A von X hat ein minimales Element xmin , d.h. f¨ ur alle x ∈ A mit x ≤ xmin folgt x = xmin . Die u ¨bliche ≤ Relation auf den reellen Zahlen ist eine Ordnung aber keine Wohlordnung. Dies liegt daran, dass die Mengen R oder auch {x ∈ R|0 < x} kein minimales Element besitzen. Lemma 2 Die folgenden Aussagen sind ¨aquivalent. (i) (Auswahlaxiom) Es sei M eine Menge paarweise disjunkter, nichtleerer Mengen. Dann gibt es eine Menge A mit folgender Eigenschaft: Jedes Element von A ist Element einer der Mengen M ∈ M und f¨ ur jedes M ∈ M gibt es ein x ∈ M mit x ∈ A. (ii) (Hausdorffs Maximum Prinzip) Jede Menge mit einer Halbordnung enth¨ alt eine maximale Kette (d.h. eine Kette, die in keiner echten Teilmenge einer anderen Kette enthalten ist). (iii) (Zorns Lemma) Jede nichtleere Menge mit einer Halbordnung, in der jede Kette eine obere Schranke hat, hat ein maximales Element. (iv) Man kann jede Menge wohlordnen. Die nat¨ urlichen Zahlen sind in ihrer nat¨ urlichen Ordnung wohlgeordnet, das gilt jedoch nicht f¨ ur die reellen Zahlen. Das Lemma versichert nur, dass es auf den reellen Zahlen eine Wohlordnung gibt, es liefert kein Konstruktionsverfahren f¨ ur eine solche Wohlordnung. Eine solche Wohlordnung ist sehr schwer vorstellbar. Beweis. (ii) ⇒ (iii) : Nach (ii) gibt es eine maximale Kette K in M . Nach Annahme von (iii) hat diese Kette eine obere Schranke s. Wir behaupten nun, dass s ein maximales Element von M ist. Falls dem nicht so w¨are, so gibt es ein s" mit s < s" . Damit ist aber K ∪ {s" }
1.2. RELATION UND ORDNUNG
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eine Kette, die K als echte Teilmenge enth¨alt. Also ist K nicht maximal. Dies ist ein Widerspruch. (iii) ⇒ (iv) : Es sei A die Menge aller Teilmengen A von M , die wir mit einer Wohlordnung ausstatten k¨onnen. Diese Menge A statten wir mit einer Halbordnung aus: Wir setzen A ≤ B, falls A ⊆ B und falls die Wohlordnung auf A mit der auf B u ¨bereinstimmt. Wir weisen nun nach, # dass jede Kette in A eine obere Schranke besitzt. Falls K eine Kette in A ist, so ist C∈K C eine obere Schranke. Nach (iii) besitzt A damit ein maximales Element Amax . Diese maximale Element muss aber M sein. Falls dem nicht so ist, das maximale Element Amax also eine echte Teilmenge von M ist, so gibt es ein Element x ∈ M \ Amax . Nun betrachten wir Amax ∪ {x} mit der Wohlordnung, die auf Amax erkl¨art ist und die wir dadurch erweitern, dass wir f¨ ur alle y ∈ Amax die Relation y ≤ x festsetzen. Dann ist Amax kein maximales Element. (iv) ⇒ (i) : Wir betrachten die Vereinigungsmenge ! M M ∈M
Diese Menge enth¨alt alle M ∈ M als Teilmengen. Nach (iv) k¨onnen wir die Menge # M ∈M M wohlordnen. Da jede Teilmenge ein kleinstes Element hat, hat insbesondere auch jedes M ∈ M ein kleinstes Element xM . Als Auswahlmenge nehmen wir nun {xM |M ∈ M} !
12
1.3
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
M¨ achtigkeit
Wir wollen den Begriff der Anzahl f¨ ur endliche und unendliche Mengen definie-ren. Es seien K und M zwei Mengen. Wir sagen, dass K und M dieselbe M¨ach-tigkeit oder Kardinalit¨at haben, wenn es einen Isomorphismus zwischen K und M gibt. Symbolisch schreiben wir dies als card(K) = card(M ) Allgemeiner sagen wir, dass die M¨achtigkeit von K kleiner oder gleich der von M ist, falls K isomorph zu einer Teilmenge von M ist. Anders formuliert, card(K) ≤ card(M ) falls es eine injektive Abbildung von K nach M gibt. Lemma 3 Es seien X und Y Mengen. Dann gelten (i) Es gibt eine injektive Abbildung von X nach Y oder von Y nach X. (ii) Es gibt genau dann eine injektive Abbildung von X nach Y , wenn es eine surjektive Abbildung von Y nach X gibt. (iii) (Schr¨ oder-Bernstein) Falls es eine injektive Abbildung von X nach Y und eine surjektive Abbildung von X nach Y gibt, dann gibt es einen Isomorphismus zwischen X und Y.
(iii) besagt, dass aus card(X) ≤ card(Y ) und card(X) ≤ card(Y ) folgt, dass card(X) = card(Y ) gilt. Beweis. (i) Es sei I die Menge aller Injektionen von einer Teilmenge von X in eine Teilmenge von Y . Wir f¨ uhren auf I eine Halbordnung ein: Wir setzen I ≤ J, falls Def(I) ⊆Def(J) und J|Def(I) = I. Wir # wenden das Lemma von Zorn an. Jede Kette K in I hat eine obere Schranke I0 : I∈K Def(I) → Y I0 (x) = I(x) falls x ∈ Def(I) Deshalb gibt es ein maximales Element Imax . Der Definitionsbereich Def(Imax ) ist gleich X oder der Bildbereich Bild(Imax ) ist gleich Y . Falls nicht, so gibt es x0 ∈ X \ Def(Imax ) Nun definieren wir I˜max (x) =
$
Imax y0
y0 ∈ Y \ Bild(Imax ) x ∈ Def(Imax ) x = x0
Also ist Imax kein maximales Element. (ii) Es sei I : X → Y eine Injektion und x0 ∈ X. Dann ist S : Y → X mit $ x I(x) = y S(y) = x0 y∈ / Bild(I)
¨ 1.3. MACHTIGKEIT
13
eine Surjektion. Es sei S : Y → X eine Surjektion. Wir betrachten das Mengensystem {y|S(y) = x}
x∈X
Nach dem Auswahlaxiom gibt es eine Auswahlmenge A = {yx |x ∈ X} Wir definieren nun die Injektion I : X → Y durch I(x) = yx . ! Lemma 4 (Cantor) Es sei M eine Menge. Dann gilt card(M ) < card(P(M ))
Beweis. Wir zeigen zun¨achst card(M ) ≤ card(P(M )) Wir geben dazu eine Injektion von M nach P(M ) an. j : M → P(M )
j(x) = {x}
Wir zeigen nun, dass card(M ) += card(P(M )) Wir nehmen an, dass es einen Isomorphismus i : M → P(M ) gibt. Wir betrachten die Menge ˜ = {x ∈ M |x ∈ M / i(x)} ˜ kann durchaus die leere Menge sein.) Da i ein Isomorphismus ist, gibt es ein x0 mit (M ˜ . Dazu betrachten wir zwei F¨alle. i(x0 ) = M ˜ , dann Falls x0 ∈ M ˜ = {x ∈ M |x ∈ / i(x)} x0 ∈ M ˜ , was ein Widerspruch ist. Es folgt, dass x0 ∈ / i(x0 ) = M ˜ / M , dann Falls x0 ∈ ˜ = {x ∈ M |x ∈ /M / i(x)} x0 ∈
˜ erf¨ ˜ , was / i(x0 ) = M ullt, also x0 ∈ M Dies bedeutet, dass x0 nicht die Bedingung x0 ∈ wiederum ein Widerspruch ist. Also gibt es keinen Isomorphismus. ! Beispiel 1 (i) card(N × N) = card(N) (ii) card(N) < card(P(N))
Wir bezeichnen card(N) auch mit ℵ0 . Die Kontinuumshypothese besagt, dass es keine Menge M gibt, so dass card(N) < card(M ) < card(P(N))
14
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
Die Kontinuumshypothese kann als weiteres Axiom dem Zermelo-Fraenkel Axiomensystem hinzugef¨ ugt werden. G¨odel zeigte, dass die Kontinuumshypothese konsistent mit den Axiomen der Mengenlehre ist. Cohen zeigte, dass auch die Verneinung der Kontinuumshypothese konsistent mit den Axiomen der Mengenlehre ist. ¨ Als Kardinalzahl einer Menge f¨ uhrt man die Aquivalenzklasse aller Mengen ein, die dieselbe M¨achtigkeit haben. Hierbei legen wir eine Universalmenge zugrunde. Anderenfalls w¨are dies Funktion auf der Menge aller Mengen definiert, also auf einer Menge, die es nicht gibt. Wenn wir u ¨berdies noch vorziehen, Kardinalzahlen als Mengen zu definieren, so m¨ ussen ¨ die Aquivalenzklassen durch einen jeweiligen Repr¨asentanten ersetzen.
1.4. ORDINALZAHLEN
1.4
15
Ordinalzahlen
Wir betrachten hier wohlgeordnete Mengen. Wir sagen, dass das Element y unmittelbarer Vorg¨anger von x ist, falls y < x gilt und falls es kein Element z mit y < z < x gibt. Im allgemeinen muss ein Element keinen unmittelbaren Vorg¨anger haben. Andererseits hat ein Element x immer einen unmittelbaren Nachfolger, wenn es u ¨berhaupt einen Nachfolger gibt. Um dies einzusehen, betrachtet man die Menge aller Nachfolger {y|x < y}. Wenn diese Menge nicht leer ist hat sie ein minimales Element, weil die hier betrachteten Mengen wohlgeordnet sind. Dieses minimale Element ist der unmittelbare Nachfolger von x. Die Menge Ix = {y ∈ X|y < x} heißt die Menge der Vorg¨anger von x. Eine Ordinalzahl ist eine wohlgeordnete Menge X, so dass f¨ ur alle x ∈ X x = Ix gilt. Damit lassen sich die nat¨ urlichen Zahlen als Ordinalzahlen ansehen. Man kann die nat¨ urliche Zahl n als die Menge ihrer Vorg¨anger einf¨ uhren n := {1, . . . , n − 1} Dann gilt gerade In = n. Ebenso folgt, dass die Menge aller nat¨ urlichen Zahlen N als Ordinalzahl aufgefasst werden kann. Man bezeichnet diese i.a. mit ω. Lemma 5 (Prinzip der transfiniten Induktion) Es sei X eine wohlgeordnete Menge und A sei eine Teilmenge von X ist, so dass f¨ ur alle x ∈ X mit Ix ⊆ A folgt, dass x ∈ A. Dann gilt A=X gilt.
Da X wohlgeordnet ist, hat X ein minimales Element xmin . Somit ist die leere Menge, die Menge der Vorg¨anger von xmin . Hieraus folgt, dass xmin immer Element einer solchen Teilmenge A sein muss. Das Prinzip der transfiniten Induktion ist eine Verallgemeinerung der Induktion. Es sei X = N. Dann impliziert {1, . . . , n − 1} = In ⊆ A, dass n ∈ A gilt. Beweis. Wir nehmen an, dass A += X. Dann hat X \ A ein minimales Element xmin . Dann gilt Ixmin ⊆ A urde, das in X \ A liegen w¨ urde, dann Falls es n¨amlich ein Element x in Ixmin geben w¨ h¨atten wir x < xmin und xmin ≤ x Dies kann nicht sein. Also gilt Ixmin ⊆ A. Laut Annahme folgt damit xmin ∈ A. !
16
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
ur alle Lemma 6 (i) Es gibt eine u ¨berabz¨ ahlbare, wohlgeordnete Menge Ω, so dass Ix f¨ x ∈ Ω abz¨ahlbar ist. (ii) F¨ ur je zwei Mengen Ω und Ω" mit der Eigenschaft (i) gilt, dass sie ordnungsisomorph sind. (iii) card(Ω) ≤ card(R) Eine solche Menge Ω wird Menge der abz¨ahlbaren Ordinalzahlen genannt. Beweis. (i) Wir betrachten eine beliebige u ¨berabz¨ahlbare Menge X, z.B. R. Diese Menge kann wohlgeordnet werden. Falls diese Menge mit der Wohlordnung die geforderte Eigenschaft besitzt, sind wir fertig. Falls dem nicht so ist, betrachten wir die Menge {x ∈ X|Ix ist u ¨berabz¨ahlbar} Diese Menge hat ein minimales Element xmin . (Falls diese Menge leer ist, sind wir fertig.) Wir w¨ahlen nun Ω = Ixmin (iii) Nach (ii) haben alle Mengen Ω dieselbe Kardinalit¨at. Unter (i) konnten wir zur Konstruktion dieser Menge die Menge R verwenden. Damit ergab sich, dass Ω Teilmenge von R ist. ! Lemma # 7 Es sei X eine wohlgeordnete Menge und A eine Teilmenge von X. Dann gilt X = x∈A Ix oder es gibt ein y ∈ X mit Iy =
!
Ix
x∈A
Beweis. Wir nehmen an, dass X +=
#
x∈A Ix .
X\
Dann hat
!
Ix
x∈A
ein minimales Element xmin . Wir behaupten, dass ! Ixmin = Ix x∈A
Wir zeigen, dass Ixmin ⊆
!
Ix
x∈A
x ∈ Ixmin gilt genau# dann, wenn x < xmin . Aus x < xmin folgt, dass x ∈ /X\ bedeutet, dass x ∈ x∈A Ix . Wir zeigen nun, dass Ixmin ⊇
!
x∈A
Ix
#
x∈A Ix .
Das
1.4. ORDINALZAHLEN
17
# Wir # nehmen an, dass dies nicht zutrifft. Dann gibt es ein y ∈ x∈A Ix mit y ≥ xmin . Weil y ∈ x∈A Ix gilt, gibt es ein x ∈ A mit y ∈ Ix , also y < x. Hieraus folgt x > xmin
xmin ∈ Ix
bzw.
Damit gilt
!
xmin ∈
Ix
x∈A
Dies ist ein Widerspruch. !
Lemma 8 Es sei Ω die Menge der abz¨ ahlbaren Ordinalzahlen. Jede abz¨ ahlbare Teilmenge A von Ω hat eine obere Schranke. Beweis. Da Ω die Menge der abz¨ahlbaren Ordinalzahlen ist, gilt f¨ ur alle x ∈ Ω Ix ist abz¨ahlbar. Deshalb ist auch
!
Ix
x∈A
abz¨ahlbar. Da Ω u ¨berabz¨ahlbar ist, gilt
Ω += Nach Lemma gibt es ein y ∈ Ω mit Iy =
!
Ix
!
Ix
x∈A
x∈A
Wir behaupten, dass y ist eine obere Schranke f¨ ur A ist. Dazu m¨ ussen wir zeigen, dass f¨ ur alle x ∈ A gilt, dass x ≤ y. Wir nehmen an, dass es ein x ∈ A gibt, so dass y < x. Dann folgt y ∈ Ix und damit y ∈ Iy , was falsch ist. !
18
1.5
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
Topologische und metrische R¨ aume
Einr Metrik auf einer Menge X ist eine Abbildung d : X × X → R mit (i) F¨ ur alle x, y ∈ X gilt d(x, y) ≥ 0. (ii) Es gilt genau dann d(x, y) = 0, wenn x = y. (iii) F¨ ur alle x, y ∈ X gilt d(x, y) = d(y, x). (iv) F¨ ur alle x, y, z ∈ X gilt d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y). Ein metrischer Raum (X, d) ist eine Menge X mit einer Metrik d. B(x, r) = y|d(x, y) < r} Eine Norm auf einem Vektorraum X u ¨ber einem K¨orper K ist eine Abbildung 5 5 : X → R mit (i) F¨ ur alle x ∈ X gilt 5x5 ≥ 0 (ii) Es gilt genau dann 5x5 = 0, wenn x = 0. (iii) F¨ ur alle x ∈ X und alle t ∈ K gilt 5tx5 = |t|5x5. (iv) F¨ ur alle x, y ∈ X gilt 5x + y5 ≤ 5x5 + 5y5. Ein normierter Raum ist ein Vektorraum mit einer Norm. Jeder normierte Raum kann als metrischer Raum aufgefasst werden. Als Metrik nimmt man d(x, y) = 5x − y5. Die Euklidische Norm auf dem Rn ist 5x5 =
% n & i=1
|xi |2
' 12
Weitere Normen auf dem Rn sind die ∞-Norm bzw. Maximumsnorm 5x5∞ = max |xi | 1≤i≤n
und die 1-Norm 5x51 =
n & i=1
|xi |
Lemma 9 Auf dem Rn sind alle Normen a¨quivalent. Ein metrischer Raum (X, d) heißT separabel, falls es eine abz¨ahlbare Teimenge Y von X gibt, die dicht in X ist, d.h. f¨ ur alle x ∈ X und alle $ > 0 gibt es ein y ∈ Y mit d(x, y) < $ Lemma 10 (i) Es sei (X,d) ein separabler, metrischer Raum. Dann ist jede offene Teilmenge abz¨ ahlbare Vereinigung offener Kugeln mit rationalem Radius. (ii) Im metrischen Raum der reellen Zahlen R mit der u ¨blichen Metrik l¨ asst sich jede offene Menge als abz¨ ahlbare Vereinigung disjunkter offener Intervalle schreiben.
¨ 1.5. TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RAUME
19
Beweis. (i) Es sei A eine offene Teilmenge von X. Falls A = X gilt, so haben wir f¨ ur ein beliebig gew¨ahltes x ! B(x, n). A=X= n∈N
Wir nehmen nun an, dass A += X gilt. M sei eine abz¨ahlbare Teilmenge von X mit ¯ = X. Wir setzen A˜ = A ∩ M . Dies ist die Menge der Kugelmittelpunkte. M Es gilt f¨ ur alle x ∈ A d(x, Ac ) = inf{d(x, y)|y ∈ Ac } > 0. ufen dies nach. Falls Da Ac eine abgeschlossene Menge ist, gilt d(x, Ac ) > 0. Wir pr¨ inf y∈Ac d(x, y) = 0, dann gibt es eine Folge yn ∈ Ac , n ∈ N, mit limn→∞ yn = x. Da Ac abgeschlossen ist, muss x ein Element von Ac sein. Dies ist nicht wahr. F¨ ur jedes x ∈ A˜ w¨ahlen wir eine rationale Zahl qx mit 12 d(x, Ac ) ≤ qx ≤ 23 d(x, Ac ). Wir behaupten nun, dass ! A= B(x, qx ) ˜ x∈A
gilt. Offensichtlich gilt B(x, qx ) ⊆ A und damit ! B(x, qx ). A⊇ ˜ x∈A
Es sei nun z ∈ A. Weil M in X dicht liegt, gibt es ein x ∈ M mit d(x, z) <
1 d(z, Ac ). 10
Mit der Dreiecksungleichung folgt d(x, Ac ) ≥ d(z, Ac ) − d(x, z) ≥
9 d(z, Ac ) > 0. 10
Also ist der Abstand von x zum Komplement von A positiv und somit muss x ∈ A gelten. ˜ Nun zeigen wir, dass z ∈ B(x, qx ). Ebenso folgt Deshalb gilt weiter x ∈ A. d(x, Ac ) ≥ und damit
9 d(z, Ac ) > 9d(x, z) 10
1 d(x, Ac ) > d(x, z). 9
Es folgt z ∈ B(x, 19 d(x, Ac )) ⊆ B(x, qx ).
(ii) Es sei A eine offene Teilmenge von R und x ∈ A. Es sei Fx die Familie aller offenen Intervalle I mit x ∈ I ⊆ A. Dann ist ! I Ax = I∈Fx
ein offenes Intervall. Ax ist eine offene Menge, weil Ax eine Vereinigung offener Mengen ist. Ax ist das gr¨oßte, offene Intervall, das in A enthalten ist und das x enth¨alt.
20
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
urde, Falls x, y ∈ A, dann gilt Ax = Ay oder Ax ∩ Ay = ∅. Falls dies nicht gelten w¨ dann w¨are Ax ∪ Ay ein offenes Intervall, das in A enthalten ist und das x enth¨alt. Dies kann aber nicht sein, weil Ax das gr¨oßte, offene Intervall ist, das in A enthalten ist und das x enth¨alt. Damit besteht die Familie Ax , x ∈ A, aus offenen Intervallen, deren Schnitte disjunkt sind, wenn sie nicht gleich sind. Es gilt ! A= Ax x∈A
Die Familie der verschiedenen Ax , x ∈ A, ist abz¨ahlbar. Dazu reicht es zu zeigen, dass es eine surjektive Abbildung von Q auf die Familie der verschiedenen Ax , x ∈ A, gibt. Wir definieren eine solche Abbildung I : Q → {Ax |x ∈ A}. Wir w¨ahlen ein x0 ∈ A und setzen I(q) = Ax0 falls q ∈ /A I(q) = Ax
falls q ∈ Ax
q wird auf Ax abgebildet, falls q ∈ Ax . Wir m¨ ussen zeigen, dass diese Abbildung wohldefiniert ist. Falls n¨amlich q ∈ Ax und q ∈ Ay , dann gilt Ax = Ay , weil anderenfalls Ax ∩ Ay = ∅, was nicht wahr ist. ! Da die Menge A˜ dicht in der Menge A liegt, k¨onnte man meinen, dass es keine Rolle spielt, wie groß man die Radien der Kugeln w¨ahlt. Dies ist nicht richtig, wie das n¨achste Beispiel belegt. Beispiel 2 Im Raum der reellen Zahlen R mit der Euklidischen Metrik gibt es eine Familie von Kugeln B(x, rx ) mit rx > 0, x ∈ Q, so dass ! B(x, rx ) += R x∈Q
Beweis. Es seien $ > 0 und xn , n ∈ N, sei eine Abz¨ahlung der rationalen Zahlen. Dann gilt ! $ R += B(xn , n ) 2 n∈N Dazu beobachten wir, dass die Summe der Intervalll¨angen von B(xn , 2!n ) kleiner als 2$ ist. Falls jedoch ! $ R= B(xn , n ) 2 n∈N dann kann die Summe der Intervalll¨angen nicht endlich sein. !
1.6. CANTOR MENGE
1.6
21
Cantor Menge
Die Cantor Menge C ist die Menge aller Zahlen ∞ & aj j=1
aj ∈ {0, 2}
3j
Es handelt sich also um alle Zahlen aus dem Intervall [0, 1], die eine triadische Darstellung besitzen, in der kein Koeffizient gleich 1 ist. Geometrisch l¨asst sich die Cantor Menge wie folgt veranschaulichen. Das Intervall [0, 1] wird gedrittelt und das mittlere Drittel ( 13 , 23 ) entfernt. Die verbleibenden Intervalle [0, 13 ] und [ 23 , 1] werden wiederum gedrittelt und die mittleren Intervalle ( 19 , 19 ) und ( 79 , 89 ) werden entfernt. Dieses Verfahren wird so fortgesetzt. So entsteht bei jedem Schritt eine Menge Cn , n = 1, . . . , die Vereinigung von 2n−1 abgeschlossenen Intervallen ( der L¨ange 3−n+1 ist. Die Cantor Menge ist dann der Durchschnitt dieser Mengen C = ∞ n=1 Cn . 0
1
0 0
1 3
1 9
2 9
1 3
2 3 2 3
1 7 9
8 9
1
Konstruktion der Cantor Menge
Raum {0, 1} sei mit der diskreten Topologie ausgestattet und ) Der zweielementige N N oomorph. n∈N {0, 1} = {0, 1} mit der Produkttopologie. Dann sind C und {0, 1} hom¨ Ein Satz von Alexandrov und Hausdorff besagt, dass jeder kompakte, metrische Raum stetiges Bild der Cantor-Menge ist [Ben]. Dieser Satz hat eine Reihe von u ¨berraschenden Anwendungen. Die Cantor Menge ist ein Fraktal. Benoit Mandelbrot hat 1975 den Begriff ”Fraktal” eingef¨ uhrt. Er schrieb dazu:”Wolken sind keine Kugeln, Berge keine Kegel, K¨ usten keine Kreise und die Baumrinde ist nicht glatt, noch w¨ahlt der Blitz eine gerade Linie.”[Man, p.1] Fraktale haben im Vergleich zu Fl¨achen und K¨orpern der klassischen Geometrie eine irregul¨are Struktur.Und wenn man diese Mengen durch ein Vergr¨oßerungsglas ansieht, dann treten weitere Irregularit¨aten hervor. Mandelbrot hat folgende Definition gegeben: Ein Fraktal ist eine Menge, deren HausdorffBesicovitch Dimension strikt gr¨osser als die topologische Dimension ist [Man, p.15]. Man 2 kann zeigen, dass die Hausdorff-Besicovitch Dimension der Cantor Menge gleich ln ist. ln 3 Die topologische Dimension ist 0 [Edg].
Satz 1 (Cantor Menge) Es sei C die Cantor Menge. Es gelten (i) C ⊂ [0, 1] (ii) C ist eine kompakte Menge. (iii) Es gilt C = 13 C ∪ ( 23 + 13 C). (Man sagt, dass C selbst¨ahnlich ist.) (iv) Wir setzen C1 = [0, 1] und f¨ ur n ∈ N Cn+1 = 13 Cn ∪ ( 23 + 13 Cn )
22
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
Dann gilt f¨ ur alle n ∈ N, dass Cn+1 ⊆ Cn und C=
∞ "
Cn .
n=1
(v) Die M¨achtigkeit der Cantor Menge ist gleich der des Kontinuums. (vi) C hat keine isolierten Punkte. (vii) F¨ ur alle x, y ∈ C existiert ein z ∈ / C, so dass x < z < y. (viii) F¨ ur die Menge C + C = {x + y|x, y ∈ C} gilt C + C = [0, 2] (ix) F¨ ur die Differenzmenge C − C = {x − y|x, y ∈ C} gilt C − C = [−1, 1] Aus der Aussage (iv) folgt auch die Abgeschlossenheit von C. Eine Menge heißt perfekt, wenn sie abgeschlossen ist und keine isolierten Punkte besitzt, d.h. wenn sie gleich der Menge ihrer H¨aufungspunkte ist. Wir sagen, dass eine Menge nirgends dicht ist, falls das Innere des Abschlusses die leere Menge ist. Die Cantor Menge ist nirgends dicht. Beweis. (i) Offensichtlich sind alle Zahlen in der Cantor Menge gr¨oßer oder gleich 0. Ausserdem sind alle Zahlen kleiner als * + ∞ & 1 2 =2 = 1. 1 −1 j 3 1 − 3 j=1 (ii) Wir m¨ ussen zeigen, dass die Cantor Menge abgeschlossen ist. Es sei xk =
∞ &
akj 3−j
akj ∈ {0, 2} k = 1, 2, . . .
j=1
ur den Grenzwert eine Folge in C, die in R konvergiert. (Da alle xk ∈ [0, 1], gilt dasselbe f¨ x.) Dann gibt es Zahlen aj , so dass f¨ ur alle j ∈ N lim akj = aj .
k→∞
Deshalb gilt f¨ ur alle j ∈ N, dass aj ∈ {0, 2}. Damit ist die Zahl ∞ &
aj 3−j
j=1
ein Element der Cantor Menge. Wir zeigen nun, dass f¨ ur alle j ∈ N die Folge {akj }k∈N eine Cauchy Folge ist.
1.6. CANTOR MENGE
23
Wir nehmen an, dass es ein j gibt, so dass {akj }k∈N keine Cauchy Folge ist. Es sei j0 die kleinste Zahl, f¨ ur die dies nicht wahr ist. Dann gibt es ein N , so dass f¨ ur alle k, m > N , , , , , , ∞ ∞ ,& , , ak − am , , ak − am , & akj − am , , j , j0 j , j0 , j , =, |xk − xm | ,≥, ,− , , j , , , 3j , , 3j , 3 j=j j=j0 +1 , , , , 0 ∞ , , ak − am , k m, & − a a 2 1 , j0 , j j , j0 , = − . ≥ , 0 j 0,− , , j , 3j , , 3j0 , 3 3 j=j +1 0
Da {a"j0 }"∈N keine Cauchy Folge ist, gibt es zu jedem N Zahlen k, m ∈ N mit k, m > N und |akj0 − am j0 | = 2.
Damit folgt aber |xk − xm | ≥ 3−j0 und die Folge {xn }n∈N ist keine Cauchy Folge. Damit folgt, dass f¨ ur alle j ∈ N die Folge {akj }k∈N eine Cauchy Folge ist und damit eine konvergente Folge. Es gibt also Zahlen aj ∈ {0, 2}, so dass lim akj = aj .
k→∞
Wir behaupten, dass die Folge xk gegen das Element x=
∞ & aj j=1
3j
konvergiert. Es gibt zu jedem J ∈ N ein kJ , so dass f¨ ur alle j mit 1 ≤ j ≤ J und alle k mit k ≥ kJ gilt, dass akj = aj . Weiter folgt f¨ ur alle k mit k ≥ kJ , , , , ∞ ∞ ∞ ,& aj − akj ,, ,,& aj − akj ,, & 2 , |x − xk | = , = 3−J . ,=, ,≤ j j , , , , 3 3 3j j=1
j=J
j=J
(iii) Wir zeigen zuerst, dass
Es sei x ∈ C, also x =
Also gilt
x 3
/∞
C ⊇ 13 C ∪
aj j=1 3j
-2 3
+ 13 C
.
mit aj ∈ {0, 2}. Dann gilt ∞
x & aj = 3 3j+1 j=1
∈ C. Weiter gilt ∞
∞
& bj 2 & aj 2 x = + = + 3 3 3 j=1 3j+1 3j j=1 mit b1 = 2 und bj = aj−1 f¨ ur j = 2, 3, . . . . Also gilt auch Wir zeigen nun, dass . C ⊆ 13 C ∪ 23 + 12 C
2 3
+
x 3
∈ C.
24
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN /∞
aj j=1 3j
Es sei x ∈ C, also x =
mit aj ∈ {0, 2}. Falls a1 = 0, dann
x=
∞ & aj j=2
∞
1 & aj 1 = ∈ C j j−1 3 3 j=2 3 3
Falls a1 = 2, dann gilt x=
∞ & aj j=1
=
3j
∞
∞
2 & aj 2 1 & aj 2 1 = ∈ + + + C 3 j=2 3j 3 3 j=2 3j−1 3 3
ur (iv) Wir zeigen hier zun¨achst, dass Cn+1 ⊆ Cn . Dies zeigen wir durch Induktion. F¨ n = 1 gilt C1 = [0, 1] ⊃ [0, 13 ] ∪ [ 23 , 1] = 13 C1 ∪ ( 23 + 13 C1 ) = C2 Wir nehmen nun an, dass Cn−1 ⊃ Cn . Nach Definition gilt Cn+1 = 13 Cn ∪ ( 23 + 13 Cn ) Aus der Induktionsannahme Cn−1 ⊃ Cn folgt 1 C 3 n−1
⊃ 13 Cn
+ 13 Cn−1 ⊃
2 3
2 3
+ 13 Cn
Hieraus folgt Cn = 13 Cn−1 ∪ ( 23 + 13 Cn−1 ) ⊃ 13 Cn ∪ ( 23 + 13 Cn ) = Cn+1 Nun zeigen wir, dass C⊆
∞ "
Cn
n=1
Hierzu zeigen wir durch Induktion, dass f¨ ur alle n ∈ N gilt, dass C ⊆ Cn . Es gilt C1 = [0, 1] ⊃ C Wir nehmen nun an, dass C ⊂ Cn . Dann folgt Cn+1 = 13 Cn ∪ ( 23 + 13 Cn ) ⊃ 13 C ∪ ( 23 + 13 C) = C Wir zeigen, dass C⊇ Dazu zeigen wir zuerst, dass ∞ "
n=1
Es gilt (man beachte, dass i.a. ∞ "
Cn
=
n=1
⊇
∞ "
n=1 ∞ "
(∞
n=1
∞ " -
n=1
-1
Cn
n=1
Cn ∪
%
n=1 An ∪ Bn +=
Cn+1 =
i,j=1
1 3
Cn =
∞ "
∞ "
1 C 3 n
2 3
+
(∞
1 3
∞ "
Cn .
n=1
n=1 An ∪
. ∪ ( 23 + 13 Cn )
. 2 1 C ∪ ( + C ) = i j 3 3 3
'
%
1 3
∞ "
i=1
Ci
(∞
'
n=1
∪
%
Bn )
2 3
+
1 3
∞ "
j=1
Cj
'
.
1.6. CANTOR MENGE Andererseits gilt % ∞ " 1 3
Ci
i=1
⊇ =
'
∞ "
∪
i,j=1 ∞ "
25
%
2 3
+
(∞
n=1
Cj
j=1
-1
C ∪ 3 max{i,j}
Cn+1 =
n=1
Es sei nun x ∈
1 3
∞ "
∞ "
'
( 23
∞ " -1
=
+
i,j=1
. 2 1 C ∪ ( + C ) i j 3 3 3 .
1 C ) 3 max{i,j}
=
∞ " -
1 C 3 n
n=1
. ∪ ( 23 + 13 Cn )
Cn .
n=1
Cn aber x ∈ / C. Da x ∈ [0, 1] gilt, gibt es eine 3-adische Darstellung x=
∞ & aj j=1
aj ∈ {0, 1, 2}
3j
wobei es ein i0 mit ai0 = 1 gibt, weil x ∈ / C. Wir betrachten den kleinsten Index i0 , f¨ ur den der Koeffizient gleich 1 ist. Wir betrachten den Fall, dass i0 = 1, also a1 = 1. Dann folgt x ∈ [ 13 , 23 ]. Es kann nicht sein, dass x = 23 , weil 23 ∈ C. Es kann auch nicht sein, dass x = 13 , weil x=
∞
1 & 2 ∈C = j 3 3 j=2
Wir hatten aber angenommen, dass x ∈ / C. Insgesamt erhalten wir, dass x ∈ ( 13 , 23 ). Damit gilt x ∈ / C2 , im Widerspruch zu unserer Annahme. Nun betrachten wir den Fall, dass i0 > 1. Wir konstuieren ein ∞ ∞ & " bj y= ∈ Cn 3j n=1 j=1
y∈ /C
und
mit bi0 −1 = 1. Wir k¨onnen also i0 um 1 reduzieren. Dasselbe Argument wenden wir i0 − 1 mal an, so dass wir den Fall i0 = 1 erhalten. Wegen % ∞ ' % ' ∞ ∞ " " " Cn = 13 Cn ∪ 22 + 13 Cn n=1
gilt x∈
1 3
bzw. 3x ∈
n=1
∞ "
Cn
oder
n=1 ∞ "
n=1
Cn
oder
n=1
x∈
2 3
+
3x − 2 ∈
1 3
∞ "
Cn
n=1 ∞ "
Cn .
n=1
Wir betrachten den ersten Fall. Dann gilt 3x ∈ / C, weil sonst x ∈ C folgen w¨ urde, im Gegensatz zu unserer Annahme. Dann w¨ahlen wir y = 3x und es gilt bi0 −1 = 1. Der zweite
26
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
Fall geht genauso: Wir w¨ahlen y = 3x − 2. Es gilt y = 3x − 2 ∈ / C, weil anderenfalls 2 1 x ∈ 3 + 3 C und damit x ∈ C. Da 3x − 2 ∈ C1 = [0, 1], folgt, dass 23 ≤ x. Also ∞
2 & aj x= + 3 j=2 3j und deshalb
∞ ∞ & & aj aj+1 y = 3x − 2 = = . j−1 3 3j j=2 j=2
(vii) Die Abbildung f : C → [0, 1] ' %∞ ∞ aj & aj & 2 = f j j 3 2 j=1 j=1
ist surjektiv. Wir u ¨berlegen uns zuerst, dass diese Abbildung wohldefiniert ist. Ein Element x ∈ R hat entweder genau eine 3-adische Darstellung oder genau zwei 3-adische Darstellungen. Wir m¨ ussen den Fall betrachten, dass x genau zwei 3-adische Darstellungen hat. Falls x genau zwei 3-adische Darstellungen hat und x ist ein Element der Cantor Menge, dann hat nur eine Darstellung die Eigenschaft, dass die Koeffizienten entweder 0 oder 2 sind. Wir u ¨berlegen uns dies. Wenn eine Zahl zwei 3-adische Darstellungen besitzt, dann sind in einer der Darstellungen fast alle Koeffizienten gleich 2. Wenn s¨amtliche Koeffizienten gleich 2 sind, dann handelt es sich um die Zahl 1, deren andere 3-adische Darstellung 310 ist. Falls es einen Koeffizienten gibt, der von 2 verschieden ist, so muss es 0 sein. Deshalb hat die andere 3-adische Darstellung dieser Zahl eine 1 als Koeffizienten. Nun u ¨berlegen wir uns, dass die Abbildung surjektiv ist. Da wir s¨amtliche Koefa fizientenfolgen {aj }j∈N mit aj ∈ {0, 2} zulassen, handelt es sich bei { 2j }j∈N um s¨amtliche Folgen, der Glieder aus 0 oder 1 bestehen. Deshalb erhalten wir im Bild alle dyadischen Darstellungen von Zahlen aus dem Intervall [0, 1]. (ix) [Nym] Wir verwenden die Darstellung , $ ∞ 0 & 2cn ,, C= , cn ∈ {0, 1} 3n , n=1
Die C + C2 = [0, 2] ist a¨quivalent zu 12 C + 12 C = [0, 1]. , 1 /∞Gleichung cn , n=1 3n cn ∈ {0, 1} . Deshalb , $ ∞ 0 & cn + dn ,, 1 C + 12 C = , cn , dn ∈ {0, 1} 2 3n , n=1 , $ ∞ 0 & bn ,, = , bn ∈ {0, 1, 2} = [0, 1] 3n , n=1
Es gilt
1 C 2
=
In [Pav] wird eine geometrische Konstruktion verwendet, um dieses Ergebnis zu erzielen. Ausserdem wird sowohl in [Nym] als auch [Pav] berechnet, auf wie viele verschiedene
1.6. CANTOR MENGE
27
Weisen man ein Element aus dem Intervall [0, 2] als Summe von zwei Elementen aus C darstellen kann. Die Formel in [Pav] ist leider falsch, sie wurde in [Nym] korrigiert. (x) Man kann das Ergebnis (ix) benutzen, / um (x) zu beweisen. Es gilt C = 1 − C = 2 {1 − x|x ∈ C}. Hierzu beachte man, dass 1 = ∞ n=1 3n . Somit gilt 1−C
, 0 ∞ , & an , = 1− , an ∈ {0, 2} 3n , n=1 , , $ ∞ 0 $ ∞ 0 & 2 − an ,, & an ,, = , an ∈ {0, 2} = , an ∈ {0, 2} 3n , 3n , n=1 n=1 $
Deshalb gilt weiter C +C = C +(1−C) = 1+(C −C), also C −C = 1−(C +C) = [−1, 1].
Wir wollen aber noch ein geometrische Argument angeben. Wir wollen zeigen, dass es zu jedem a ∈ [−1, 1] Elemente x, y ∈ C gibt so dass a = y − x. Dies kann man auch so formulieren: Hat die Gerade y = x + a mit C × C einen nichtleeren Schnitt. Wir wollen ( hier die Darstellung der Cantor Menge als Schnitt der Mengen Cn verwenden, also C = ∞ n=1 Cn . Deshalb C ×C =
%
∞ "
n=1
Cn
'
×
%
∞ "
n=1
Cn
'
=
∞ "
n,k=1
Cn × Ck =
∞ "
n=1
Cn × Cn
In den Skizzen sind zwei dieser Mengen dargestellt.
Konstruktion des Produktes der Cantor Menge mit sich selbst
Konstruktion des Produktes der Cantor Menge mit sich selbst
Wir betrachten nun den Schnitt einer Geraden y = x + a, a ∈ [−1, 1], mit den Mengen Cn × Cn , n = 0, 1, . . . . Eine solche Gerade hat mit jeder Menge Cn × Cn einen nichtleeren Schnitt. Wegen Kompaktheit hat damit auch C × C mit einer solchen Geraden einen nichtleeren Schnitt.
28
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
y=x+a
! Beispiel 3 Die Cantor Funktion φ : [0, 1] → [0, 1] ist durch 0 $∞ a , ∞ & j ,, & a j 2 und f¨ ur alle j ∈ N gilt aj ∈ {0, 2} φ(x) = sup ,x≥ j j , 2 3 j=1 j=1
definiert. Es gelten (i) Die Cantor Funktion ist eine stetige, wachsende Funktion. (ii) Die Cantor Funktion ist in allen Punkten von C nicht differenzierbar und sie ist in allen Punkten, die nicht in C liegen differenzierbar. Die Ableitung ist in allen diesen Punkten gleich 0. (iii) F¨ ur alle x, y ∈ [0, 1] gilt ln 2
|φ(x) − φ(y)| ≤ 2|x − y| ln 3 . Siehe [Jon] und [Els]. (iv) φ(x) + φ(1 − x) = 1 Falls x ∈ C, dann wird das Supremum von φ(x) f¨ ur die triadische Entwicklung von x angenommen. Die Cantor Funktion wird auch Teufelstreppe genannt. Wenn man den Graphen der Cantor Funktion als Treppe ansieht und auf ihr nach oben steigt, dann gewinnt man nur auf einer Menge vom Lebesgue Maß 0 an H¨ohe. Beweis. Man beachte, dass φ wohldefiniert ist, weil es zu jeder reellen Zahl h¨ochstens eine triadische Darstellung angeben l¨asst, in der kein Koeffizient gleich 1 ist. (i) Es ist offensichtlich, dass φ wachsend ist. Wir weisen die Stetigkeit von φ nach. Wir betrachten zwei F¨alle, x ∈ C und x ∈ / C. Zun¨achst der Fall x ∈ / C. Da C kompakt ist ist das Komplement von C offen. Also gibt es ein Intervall (x − $, x + $), das im Komplement von C enthalten ist. Da in diesem
1.6. CANTOR MENGE
29
Intervall kein Element aus C enthalten ist, folgt 0 $ ∞ a , ∞ & j ,, & a j 2 und f¨ ur alle j ∈ N gilt aj ∈ {0, 2} φ(x + $) = sup , x+$≥ j, j 2 3 j=1 j=1 $ ∞ a , 0 ∞ , j & , & a j 2 = sup und f¨ ur alle j ∈ N gilt aj ∈ {0, 2} , x−$≥ j, 2 3j j=1 j=1 = φ(x − $)
Damit ist φ in einer Umgebung von x konstant, also stetig. Wir nehmen nun an, dass x ∈ C. Damit gibt es Koeffizienten aj , so dass x=
∞ & aj j=1
mit
3j
aj ∈ {0, 2}
Wir zeigen, dass zu jedem $ > 0 ein δ > 0 existiert, so dass f¨ ur alle z mit |x − z| < δ die Ungleichung |φ(x) − φ(z)| < $ gilt. Wir betrachten zwei F¨alle. Zum einen, dass zu jedem $ > 0 ein δ > 0 existiert, so dass f¨ ur alle z mit |x − z| < δ die Ungleichung φ(x) < φ(z) + $ gilt und zum anderen den entsprechende Fall. Da φ wachsend ist, reicht es im ersten Fall zu zeigen: Zu jedem $ > 0 existiert ein δ > 0, so dass f¨ ur alle z mit x < z < x + δ die Ungleichung φ(x) < φ(z) + $ gilt. Zu gegebenen $ w¨ahlen wir j0 so groß, dass 2−j0 +1 < $ ur ein y ∈ C mit |x − y| < δ gibt es eine Darstellung und wir w¨ahlen δ < 3−j0 . F¨ ∞ & bj y= 3j j=1
und es gilt
mit
bj ∈ {0, 2}
, ,∞ ,& a − b , , j j, , < δ. , , 3j , j=1
Es sei j1 die kleinste Zahl, so dass aj += bj . Dann gilt |aj1 − bj1 | = 2 und somit −j0
3
∞ ∞ & & |aj1 − bj1 | 2 |aj − bj | >δ> − ≥ j1 − 2 3−j = 3−j1 j 3j1 3 3 j=j +1 j=j +1 1
1
Deshalb gilt j0 < j1 und f¨ ur alle z mit |z − x| < δ gilt 4 3 /∞ bj /∞ b2j ,, ur alle j ∈ N gilt bj ∈ {0, 2} φ(z) = sup j=1 2j , z ≥ j=1 3j und f¨ /∞ / 0 aj −j + ≤ φ(x) + 2−j0 < φ(x) + $. ≤ jj=1 j+1 j=j0 +1 2 2
Die Ungleichung φ(x) ≤ φ(z) + $ wird a¨hnlich bewiesen. (ii) Die Differenzierbarkeit in den Punkten x ∈ / C wird genauso wie die Stetigkeit nachgewiesen: f ist auf einer Umgebung konstant. Damit ist die Ableitung dort 0.
30
CHAPTER 1. GRUNDLAGEN
Nun zeigen wir, dass φ in den Punkten x ∈ C nicht differenzierbar ist. Es sei also x∈C ∞ & ai ai ∈ {0, 2} x= i 3 i=1
und wir betrachten zuerst den Fall, dass die 3-adische Entwicklung von x unendlich viele Koeffizienten besitzt, die gleich 2 sind. Es sei io so gew¨ahlt, dass ai0 = 2 gilt. Dann w¨ahlen wir $ ∞ & falls i += i0 ai bi y= mit b = i 3i 0 falls i = i0 i=1 F¨ ur den Differenzenquotienten erhalten wir
φ(x) − φ(y) = x−y
1 2i0 2 3i0
=
3i0 2i0 +1
Da wir i0 beliebig groß w¨ahlen k¨onnen, ist der Differenzquotient nicht beschr¨ankt. (Die linksseitige Steigung in x ist unendlich.) Nun betrachten wir den Fall, dass die 3-adische Entwicklung von x unendlich viele Koeffizienten besitzt, die gleich 0 sind. Es sei i0 so gew¨ahlt, dass ai0 = 0. Nun w¨ahlen wir $ ∞ & ai falls i += i0 ci mit c = z= i 3i 2 falls i = i0 i=1 Wir erhalten hier das analoge Ergebnis, die rechtsseitige Steigung ist unendlich. !
Chapter 2 σ-Algebra und Maß 2.1
σ-Algebra
Es sei X eine nicht-leere Menge. Eine Mengenalgebra A von X ist eine nichtleere Familie von Teilmengen von X, so dass gelten: (i) F¨ ur alle n ∈ N und alle Ai ∈ A, i = 1, . . . , n, folgt n !
i=1
Ai ∈ A
(ii) Falls A ∈ A, so ist auch Ac ∈ A. Hieraus folgt sofort, dass ∅ ∈ A und X ∈ A. Da es mindestens eine Teilmenge A von X in A gibt, ist auch A ∪ Ac ein Element der Mengenalgebra. Lemma 11 Es sei A eine Mengenalgebra. Dann gilt f¨ ur alle A1 , . . . , An ∈ A n "
i=1
Beweis.
%
n "
Ai
i=1
!
Ai ∈ A
'c
=
n !
Aci
i=1
Eine σ-Algebra A ist eine Mengenalgebra, so dass f¨ ur alle Folgen Ai ∈ A, i ∈ N gilt ∞ !
i=1
Ai ∈ A
31
32
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Lemma 12 (i) Es sei A eine σ-Algebra. Dann gilt f¨ ur alle Folgen Ai ∈ A, i ∈ N ∞ "
i=1
Ai ∈ A
(ii) Eine Mengenalgebra, die unter abz¨ ahlbaren Vereinigungen disjunkter Mengen abgeschlossen ist, ist eine σ-Algebra. Beweis. (i)
%∞ "
Ai
i=1
'c
=
∞ !
Aci
i=1
(ii) Es seien Ai , i ∈ N, Elemente von A. Wir zeigen, dass deren Vereinigung ein Element von A ist. Dazu definieren wir B1 = A1 und $k−1 0 ! k = 2, 3, . . . Bk = Ak \ Ai i=1
Wir zeigen, dass f¨ ur & < k gilt, dass B" ∩ Bk = ∅. 5 5# 5# 66 5 66 "−1 k−1 ∩ Ak \ B" ∩ Bk = A" \ i=1 Ai i=1 Ai 6c 6 5 6c 6 5# 5# 5 "−1 k−1 ∩ A A ∩ A = A" ∩ k i i=1 i i=1 5# 6c k−1 ⊆ A" ∩ Ac" = ∅. ⊆ A" ∩ i=1 Ai
Es gilt f¨ ur alle n ∈ N
n !
Ai =
i=1
n !
Bk
k=1
Wir zeigen dies mit Induktion. Es gilt B1 = A1 . Nun schliessen wir von n auf n + 1. 0 $ n+1 n n n n+1 ! ! ! ! ! Bk = Bn+1 ∪ Bk = An+1 \ Ai ∪ Ak = Ai k=1
Damit folgt
i=1
k=1
∞ !
Ai =
i=1
∞ !
k=1
i=1
Bk
k=1
Es gilt f¨ ur # alle k ∈ N, dass Bk ∈ A. # Wir pr¨ ufen dies nach. Da f¨ ur alle i ∈ N Ai ∈ A gilt, n−1 c folgt, dass n−1 A ∈ A und damit ( A ) ∈ A. Mit (i) folgt f¨ ur alle n ∈ N i i i=1 i=1 %n−1 'c ! Bn = An ∩ Ai ∈ A i=1
Laut Annahme gilt
∞ !
k=1
Bk ∈ A
2.1. σ-ALGEBRA Also gilt
33
∞ !
i=1
!
Ai =
∞ ! n !
Ai =
n=1 i=1
∞ ! n !
Bi =
n=1 i=1
∞ !
i=1
Bi ∈ A
Falls E eine Familie von Teilmengen von X ist, so nennen wir die kleinste σ-Algebra S(E), die die Familie E umfasst, die von E erzeugte σ-Algebra. Wir wollen uns davon u ¨berzeugen, dass es immer eine solche σ-Algebra gibt. Lemma 13 Es sei X eine Menge und E eine Teilfamilie von der Potenzmenge P(X). Dann gibt es eine kleinste σ-Algebra S(E), die E enth¨alt (d.h. jede σ-Algebra, die E enth¨alt, enth¨alt auch S(E)). Wir sagen auch, dass E die σ-Algebra S(E) erzeugt. Beweis. Es sei F die Familie s¨amtlicher σ-Algebren, die E enthalten. Wir definieren nun " S(E) = A = {A|∀A ∈ F : A ∈ A}. A∈F
Wir m¨ ussen nachweisen, dass dies eine σ-Algebra ist. Da die Potenzmenge P(X) eine σ-Algebra ist, existiert S(E). F¨ ur alle i ∈ N gelte Ai ∈ S(E). Dann gilt ∀i ∈ N∀A ∈ F : Ai ∈ A Es folgt ∀A ∈ F∀i ∈ N : Ai ∈ A und damit ∀A ∈ F :
∞ !
i=1
Ai ∈ A
# Also ∞ i=1 Ai ∈ S(E). Genauso verfahren wir, dass das Komplement einer Menge wieder in S(E) enthalten ist. ! Beispiel 4 Es sei X eine unendliche Menge. A sei die Familie aller Teilmengen von X, die abz¨ahlbar sind oder deren Komplemente abz¨ ahlbar sind. Dies ist eine σ-Algebra. Beispiel 5 Es sei X ein metrischer Raum. Die σ-Algebra, die von der Familie aller offenen Mengen erzeugt wird, heißt Borel σ-Algebra BX . Ihre Elemente heißen Borelmengen. BX enth¨alt neben allen offenen Mengen auch alle abgeschlossenen Mengen. Dar¨ uber hinaus enth¨ alt BX alle abz¨ ahlbaren Durchschnitte offener Mengen, sogenannte Gδ -Mengen, und alle abz¨ahlbaren Vereinigungen abgeschlossener Mengen, sogenannte Fσ -Mengen. In Verallgemeinerung dieser Bezeichnungsweise spricht man von Gδσ -Mengen, Gδσδ -Mengen und so weiter.
34
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Lemma 14 Die Borel σ-Algebra BR der reellen Zahlen wird von den folgenden Familien erzeugt: Die Familie der offenen Intervalle {(a, b)|a < b}, die Familie der abgeschlossenen Intervalle {[a, b]|a < b}, die Familien der halboffenen Intervalle {(a, b]|a < b} und {[a, b)|a < b}, die Familien der unendlichen, offenen Intervalle {(a, ∞)|a ∈ R} und {(∞, b)|b ∈ R}, die Familien der unendlichen, abgeschlossenen Intervalle {[a, ∞)|a ∈ R} und {(∞, b]|b ∈ R}. Beweis. Wir betrachten hier nur den Fall der offenen Intervalle. Die anderen F¨alle werden analog behandelt. Nach Lemma ist jede offene Teilmenge von R eine abz¨ahlbare Vereinigung offener Intervalle. Also muss die von den offenen Intervallen erzeugte σAlgebra alle offenen Mengen enthalten. !
2.2. PRODUKT σ-ALGEBRA
2.2
35
Produkt σ-Algebra
Es seien Xι , ι ∈ I, nichtleere Mengen, X =
)
ι∈I
Xι und πι : X → Xι
πι (x) = xι die Koordinatenabbildungen. Es seien Aι σ-Algebren von Xι . Die Produkt σ-Algebra ist die σ-Algebra, die von , $ 0 7 ,, {πι−1 (Eι )|ι ∈ I und Eι ∈ Aι } = Aι , Aι ∈ Aι und ∃ι0 ∈ I∀ι += ι0 : Aι = Xι , ι∈I
erzeugt wird und wird mit ⊗ι∈I Aι bezeichnet.
Lemma 15 Es seien I eine abz¨ahlbare Menge und Xι , ι ∈ I, nichtleere Mengen. Es seien Aι σ-Algebren von Xι . Dann wird ⊗ι∈I Aι von , 0 $ 7 ,, Eι , Eι ∈ Aι , ι∈I
erzeugt.
Beweis. Offensichtlich ist die σ-Algebra ⊗ι∈I Aι in der von σ-Algebra enthalten. Wegen " 7 πι−1 (Eι ) = Eι ι∈I
1)
, 2 , Eι ∈ Aι erzeugten E ι ι∈I
ι∈I
herrscht aber Gleichheit. !
Lemma 16 Es seien I eine Menge und Aι , ι ∈ I, σ-Algebren auf den Mengen Xι . Es seien Eι Familien, die die σ-Algebren Aι erzeugen. Dann gelten (i) ⊗ι∈I Aι wird von {πι−1 (Eι )|ι ∈ I und Eι ∈ Eι } ) erzeugt. (ii) Falls I abz¨ahlbar ist, dann wird ⊗ι∈I Aι von { ι∈I Eι |Eι ∈ Eι } erzeugt. Beweis. (i) Es sei E die von {πι−1 (Eι )|ι ∈ I und Eι ∈ Eι } erzeugte σ-Algebra. Da {πι−1 (Eι )|Eι ∈ Eι } ⊂ {πι−1 (Eι )|Eι ∈ Aι } gilt, folgt
! ι∈I
{πι−1 (Eι )|Eι ∈ Eι } ⊂
! ι∈I
{πι−1 (Eι )|Eι ∈ Aι }
Also gilt E ⊆ ⊗ι∈I Aι . Wir zeigen nun die umgekehrte Inklusion. Dazu beobachten wir, dass {Eι ⊆ Xι |πι−1 (Eι ) ∈ E}
eine σ-Algebra auf Xι ist. Wir pr¨ ufen dies nach. Da E eine σ-Algebra ist, folgt aus −1 −1 c πι (Eι ) ∈ E, dass (πι (Eι )) ∈ E. Deshalb gilt πι−1 (Eιc ) = (πι−1 (Eι ))c ∈ E.
36
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Falls πι−1 (Eιk ) ∈ E, k ∈ N, dann auch %∞ ' ∞ ! ! Eιk = πι−1 (Eιk ) ∈ E. πι−1 k=1
k=1
ur alle Eι ∈ Aι Da diese σ-Algebra Eι enth¨alt, umfasst sie auch Aι . Deshalb gilt f¨ πι−1 (Eι ) ∈ E Also gilt
! ι∈I
{πι−1 (Eι )|Eι ∈ Aι } ⊆ E
Hieraus folgt sofort ⊗ι∈I Aι ⊆ E. ! Lemma 17 Es seien (X1 , d1 ), . . . , (Xn , dn ) metrische R¨ aume und X = der Produktmetrik d = max1≤i≤n di ausgestattet. Dann gilt
)n
i=1
Xi sei mit
⊗ni=1 BXi ⊆ BX Falls dar¨ uber hinaus s¨ amtliche metrischen R¨ aume separabel sind, so gilt ⊗ni=1 BXi = BX Beweis. Die offenen Mengen von Xi erzeugen die Borel σ-Algebra BXi , i = 1, . . . , n. Deshalb wird ⊗ni=1 BXi nach Lemma (i) von der Menge aller πi−1 (Ui ) = X1 × · · · × Xi−1 × Ui × Xi+1 × · · · × Xn erzeugt, wobei Ui eine offene Menge in Xi ist. Diese Produktmengen sind offene Mengen in (X, d). Wir u ¨berpr¨ ufen dies. Es sei x = (x1 , . . . , xn ) ∈ πi−1 (Ui ). Dann gilt xi ∈ Ui und xi ist innerer Punkt von Ui . Somit gibt es eine Kugel B(xi , r) in Xi mit B(xi , r) ⊆ Ui . Damit gilt weiter B(x, r) = B(x1 , r) × · · · × B(xn , r) ⊆ X1 × · · · × Xi−1 × Ui × Xi+1 × · · · × Xn Damit ist x innerer Punkt von X1 × · · · × Xi−1 × Ui × Xi+1 × · · · × Xn . Da dies eine offene Menge in X ist, ist sie auch in BX enthalten. Da ⊗ni=1 BXi die kleinste σ-Algebra ist, die alle diese Mengen enth¨alt, gilt ⊗ni=1 BXi ⊆ BX . Die σ-Algebra, die von den offenen Kugeln xi ∈ Xi und r ∈ R
B(x, r) = B(x1 , r) × · · · × B(xn , r) erzeugt wird, ist in ⊗ni=1 BXi enthalten, weil 1
n
B(x , r) × · · · × B(x , r) =
n "
i=1
πi−1 (B(xi , r))
2.2. PRODUKT σ-ALGEBRA
37
Der metrische Raum (X, d) ist separabel: Es seien xik , k ∈ N, Folgen, die in Xi dicht liegen. Dann ist (x1k1 , . . . , xnkn ) k1 , . . . , kn = 1, 2, 3, . . . eine dichte Folge in X. Nach Lemma ist jede offene Teilmenge abz¨ahlbare Vereinigung von Kugeln mit rationalem Radius. Also ist jede offene Teilmenge von X1 × · · · × Xn in ⊗ni=1 BXi enthalten und folglich ⊗ni=1 BXi ⊇ BX . ! Es sei X eine Menge und C eine Familie von Teilmengen von X. Wir sagen, dass C die Punkte von X trennt, ween es zu allen Punkten x, y ∈ X eine Menge C ∈ C mit x ∈ C und y ∈ / C gibt. Lemma 18 Es sei X eine Menge und A eine σ-Algebra auf X. Dann sind ¨aquivalent: (i) Es gibt eine abz¨ahlbare Teilmenge von A, die die Punkte von X trennt. (ii) {(x, x)|x ∈ X} ∈ A ⊗ A (iii) Es gibt eine σ-Algebra C, die von abz¨ahlbar vielen Mengen erzeugt wird, die in A enthalten ist und die alle einelementigen Mengen {x} enth¨alt Korollar 1 Es sei X eine Menge und A eine σ-Algebra auf X. Dann gilt: (i) Falls {(x, x)|x ∈ X} ∈ A ⊗ A, dann gilt card(X) ≤ card(R). (ii) Es sei (X, d) ein metrischer Raum mit card(X) > card(R). Dann gilt f¨ ur die Borel σ-Algebren BX ⊗ BX += BX×X . Beweis. (i) Wegen Lemma ?? gibt es eine abz¨ahlbare Teilmenge von A, die die Punkte von X trennt. Hieraus folgt, dass die Kardinalit¨at von X nicht gr¨oßer als die von R ist. (ii) Nach (i) gilt {(x, x)|x ∈ X} ∈ / BX ⊗ BX . Andererseits ist {(x, x)|x ∈ X} eine abgeschlossene Menge in X × X und damit ein Element der Borel σ-Algebra von X × X. !
38
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
2.3
Maße
Es sei X eine Menge und A eine σ-Algebra von X. Ein Maß auf A ist eine Abbildung µ : A → [0, ∞], so dass (i) µ(∅) = 0 (ii) F¨ ur alle Folgen paarweise disjunkter Mengen Ai ∈ A, i ∈ N, gilt µ
%∞ !
Ai
i=1
'
=
∞ &
µ(Ai )
i=1
Falls A eine σ-Algebra auf X und µ ein Maß auf A ist, so nennen wir das Tripel (X, A, µ) einen Maßraum. Wir sagen, dass der Maßraum endlich ist, falls µ(X) < ∞ gilt. Der Maßraum wird σ-endlich genannt, falls es eine Folge Ai ∈ A, i ∈ N, mit µ(Ai ) < ∞ gibt, so dass ∞ ! X= Ai i=1
Eine Menge heißt Nullmenge, wenn das Maß dieser Menge null ist. Wir sagen, dass ein Maß vollst¨andig ist, falls jede Teilmenge einer Nullmenge zur σ-Algebra geh¨ort. Beispiel 6 Das Tripel (N, P(N), µ) ist ein Maßraum, wobei µ das Z¨ahlmaß ist, d.h. µ(A) ist gleich der Anzahl der Elemente von A.
Beweis. Die Potenzmenge P(N) ist trivialerweise eine σ-Algebra und µ(∅) = 0. Wir m¨ ussen die σ-Additivit¨at nachweisen. ! Satz 2 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. (i) Falls A, B ∈ A und A ⊆ B, dann gilt µ(A) ≤ µ(B). (ii) Falls Aj ∈ A, j ∈ N, dann gilt µ
%∞ !
Aj
j=1
'
≤
∞ &
µ(Aj )
j=1
(iii) Falls Aj ∈ A, j ∈ N, und Aj ⊆ Aj+1 f¨ ur j ∈ N, dann gilt µ
%∞ !
Aj
j=1
'
= lim µ(Aj ) j→∞
ur j ∈ N und falls µ(A1 ) < ∞, dann gilt (iv) Falls Aj ∈ A, j ∈ N, Aj ⊇ Aj+1 f¨ µ
%∞ "
j=1
Aj
'
= lim µ(Aj ) j→∞
2.3. MASSE
39
Beweis. (i) Es gilt B = A ∪ (B \ A). Hiermit folgt µ(B) = µ(A) + µ(B \ A) ≥ µ(A) (ii) Wir setzen B1 = A1 und Bk = Ak \
k−1 !
Ai
k = 2, 3, . . .
i=1
# #∞ Die Mengen Bk , k ∈ N, sind disjunkt und ∞ k=1 Ak = k=1 Bk . Mit (i) folgt ' %∞ ' %∞ ∞ ∞ ! ! & & Ak = µ Bk = µ(Bk ) ≤ µ(Ak ). µ k=1
k=1
k=1
k=1
(iii) Wir 0 = ∅. Dann sind die Mengen Ak \ Ak−1 , k ∈ N, paarweise disjunkt und #n setzen A# An = k=1 Ak = nk=1 (Ak \ Ak−1 ). Wir pr¨ ufen dies nach. Es sei j < k. Dann gilt (Aj \ Aj−1 ) ∩ (Ak \ Ak−1 ) ⊆ Aj ∩ (Ak \ Ak−1 )
Weil #n Aj ⊆ #Ank−1 ist die letztere Menge die leere #n Menge.#nWir weisen nun nach, dass k=1 Ak = k=1 (Ak \ Ak−1 ). Offensichtlich gilt k=1 Ak ⊇ k=1 (Ak \ Ak−1 ). Wir verwenden nun Induktion. A1 = A1 \ ∅ = A1 \ A0 . Nun machen wir den Induktionsschritt. Weil An ⊆ An+1 n+1 ! k=1
Ak = An+1 ∪
n !
k=1
Ak = (An+1 \ An ) ∪
Deshalb folgt mit der σ-Additivit¨at des Maßes %∞ ' %∞ ' ! ! µ Ak Ak \ Ak−1 =µ k=1
n !
Ak =
k=1
n !
k=1
(Ak \ Ak−1 )
k=1
=
∞ & k=1
µ(Ak \ Ak−1 ) = lim
n→∞
n &
µ(Ak \ Ak−1 ) = lim µ(An ) n→∞
k=1
(iv) µ(A1 )
%
= µ A1 ∩ =µ
%∞ "
j=1
∞ "
j=1
Aj
'
Aj
'
%
+ µ A1 ∩
%
+ µ A1 ∩
∞ !
%∞ "
Acj
j=1
Aj
j=1
'
=µ
'c '
%∞ "
j=1
Aj
'
+µ
Da A1 ∩ Acj ⊆ A1 ∩ Acj+1 gilt, k¨onnen wir (iii) anwenden. %∞ ' " . µ(A1 ) =µ Aj + lim µ A1 ∩ Acj j→∞
j=1
=µ
%∞ "
j=1
Aj
'
+ lim µ (A1 \ Aj ) j→∞
%∞ !
j=1
A1 ∩ Acj
'
40
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Es folgt µ
%∞ "
j=1
Aj
'
= µ(A1 ) − lim µ (A1 \ Aj ) = lim (µ(A1 ) − µ (A1 \ Aj )) j→∞
j→∞
Weil Aj ⊆ A1 , gilt A1 = (A1 \ Aj ) ∪ Aj und damit µ(A1 ) = µ(A1 \ Aj ) + µ(Aj ). Deshalb %∞ ' " µ Aj = lim µ (Aj ) j=1
j→∞
! Die Bedingung in (iv), die fordert, dass µ(A1 ) < ∞ , ist notwendig. Um dies einzusec hen, (∞ betrachten wir die Mengen Ak = [−k, k] = (∞, −k) ∪ (k, ∞) in R. Dann gilt ater werden wir sehen, dass f¨ ur das Lebesguemaß auf R k=1 Ak = ∅. Sp¨ λ(Ak ) = ∞
und
λ(∅) = 0
gelten. Ein#weiteres Beispiel konstuieren wir in N mit dem Z¨ahlmaß. F¨ ur An = {k|n ≤ k} ∞ gelten n=1 An = ∅ und µ(An ) = ∞. Falls eine Aussage u ¨ber Punkte eines Maßraumes f¨ ur alle Punkte des Maßraumes mit Ausnahme einer Nullmenge gilt, so sagen wir, sie gilt fast u ¨berall. Falls A, B ∈ A mit A ⊆ B und µ(B) = 0, dann gilt auch µ(A) = 0. Im allgemeinen folgt aus B ∈ A, µ(B) = 0 und A ⊆ B nicht, dass A ∈ A. Beispiel 7 Der Maßraum (X, A, µ) sei durch A = {∅, X} und µ(∅) = µ(X) = 0. gegeben. Lemma 19 Es seien (X, A, µ) ein Maßraum und N = {A ∈ A|µ(A) = 0}. Dann ist ¯ = {A ∪ B|A ∈ A und B ⊆ C f¨ A ur ein C ∈ N} ¯ und µ eine σ-Algebra und es gibt eine eindeutige Erweiterung µ ¯ des Maßes µ auf A ¯ ist ein vollst¨andiges Maß. ¯ eine σ-Algebra ist. Offensichtlich ∅ ∈ A. ¯ Wir zeigen, dass Beweis. Wir zeigen, dass A ¯ ¯ das Komplement einer Menge in A wieder in A ist. Es seien A ∈ A und B sei Teilmenge einer Nullmenge C. Es gilt B c = C c ∪ (B c \ C c ) und deshalb (A ∪ B)c = Ac ∩ B c = (Ac ∩ C c ) ∪ (Ac ∩ (B c \ C c )) Es gilt Ac ∩ C c ∈ A und Ac ∩ (B c \ C c ) ist wegen Ac ∩ (B c \ C c ) ⊆ B c \ C c ⊆ C Teilmenge einer Nullmenge. Wir zeigen nun, dass eine abz¨ahlbare Vereinigung von Men¯ wieder in A ¯ ist. gen in A ∞ ∞ ∞ ! ! ! (Ai ∪ Bi ) = Ai ∪ Bi i=1
i=1
i=1
2.3. MASSE
41
#∞ #∞ # Es gilt ∞ i=1 Ai ∈ A und i=1 Bi ist in der Nullmenge i=1 Ci enthalten. Wir definieren µ ¯(A ∪ B) = µ(A). Wir weisen nach, dass µ ¯ wohldefiniert ist. Es gelte A1 ∪ B1 = A2 ∪ B2 , wobei B1 ⊆ C1 , B2 ⊆ C2 und die Mengen C1 und C2 Nullmengen sind. Es folgt A1 ⊆ A1 ∪ B1 = A2 ∪ B2 ⊆ A2 ∪ C2 und somit µ(A1 ) ≤ µ(A2 ). Genauso zeigen wir die inverse Ungleichung, also µ(A1 ) = µ(A2 ). Wir zeigen die σ-Additivit¨at. %∞ ' %∞ ' ∞ ! ! ! µ ¯ (Ai ∪ Bi ) =µ ¯ Ai ∪ Bi i=1
=µ
%i=1 ∞ ! i=1
Ai
'
i=1
=
∞ & i=1
µ (Ai ) =
∞ & i=1
µ ¯ (Ai ∪ Bi )
Wir zeigen die Vollst¨andigkeit von µ ¯. Falls µ ¯(A ∪ B) = 0, dann gilt µ(A) = 0 und A∪B ⊆ A∪C. Die letztere Menge ist eine Nullmenge. Damit geh¨ort auch jede Teilmenge ¯ ! von A ∪ C zu A.
42
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
2.4
¨ Außere Maße
Es sei X eine nicht-leere Menge. Eine Abbildung µ∗ : P(X) → [0, ∞] heißt a¨ußeres Maß, falls (i) µ∗ (∅) = 0 (ii) F¨ ur alle Teilmengen A und B von X mit A ⊆ B gilt µ∗ (A) ≤ µ∗ (B).
(iii) F¨ ur alle Folgen Ai , i ∈ N, von Teilmengen von X gilt %∞ ' ∞ ! & ∗ Ai ≤ µ∗ (Ai ). µ i=1
i=1
Lemma 20 Es sei E ⊆ P(X) mit ∅ ∈ E und X ∈ E und ρ : E → [0, ∞] erf¨ ulle ρ(∅) = 0. Dann ist µ∗ : P(X) → [0, ∞] , $∞ 0 ∞ , & ! , ρ(Ek ) ,Ek ∈ E und A ⊆ Ek µ∗ (A) = inf , k=1
k=1
ein ¨ außeres Maß.
Beweis. µ∗ ist wohldefiniert, weil X ∈ E. Wegen ρ(∅) = 0 gilt auch µ∗ (∅) = 0. ¨ Falls A ⊆ B, dann gilt µ∗ (A) ≤ µ∗ (B). Dies ist trivial, da jede Uberdeckung von B auch eine von A ist. Wir weisen nun Eigenschaft (iii) nach. Es sei Aj , j ∈ N, eine Folge von Teilmengen von X. Falls es ein Aj mit µ∗ (Aj ) = ∞ gibt, dann ist die Absch¨atzung offensichtlich richtig. Wir k¨onnen also annehmen, dass f¨ ur alle j ∈ N die Zahlen µ∗ (Aj ) endlich sind. k Dann gibt es f¨ ur jedes Aj Teilmengen Ej , k ∈ N, in E, so dass Aj ⊆
∞ !
Ejk
und
k=1
∞
& $ µ (Aj ) + j ≥ ρ(Ejk ). 2 k=1 ∗
Hieraus folgt ∞ & j=1
∗
µ (Aj ) + $ ≥
Die letzte Ungleichung gilt, weil
∞ & ∞ & j=1 k=1
A⊆ !
ρ(Ejk )
∞ !
≥µ
∗
%∞ !
j=1
Aj
'
.
Ejk .
j,k=1
ur alle Teilmengen E von X Eine Teilmenge A von X heißt µ∗ -messbar, wenn f¨ µ∗ (E) = µ∗ (A ∩ E) + µ∗ (Ac ∩ E) gilt. Die Ungleichung µ∗ (E) ≤ µ∗ (A ∩ E) + µ∗ (Ac ∩ E)
¨ 2.4. AUSSERE MASSE
43
ist immer erf¨ ullt, weil µ∗ ein ¨außeres Maß ist. Außerdem k¨onnen wir annehmen, dass µ∗ (E) < ∞ gilt, denn f¨ ur µ∗ (E) = ∞ ist die Ungleichung µ∗ (E) ≥ µ∗ (A ∩ E) + µ∗ (Ac ∩ E) trivialerweise erf¨ ullt. Lemma 21 (Caratheodory) Es sei µ∗ ein a¨ußeres Maß auf der Menge X. Dann ist die Familie A aller µ∗ -messbarer Mengen eine σ-Algebra und die Einschr¨ ankung von µ∗ auf A ein vollst¨andiges Maß. Beweis. Wir zeigen, dass A eine σ-Algebra ist. A ∈ A bedeutet, dass f¨ ur alle E ∈ P(X) µ∗ (E) = µ∗ (A ∩ E) + µ∗ (Ac ∩ E) gilt. Diese Gleichung bedeutet auch Ac ∈ A. Es folgt auch sofort, dass ∅ ∈ A und X ∈ A. Wir zeigen nun, dass mit A ∈ A und B ∈ A auch A ∪ B ∈ A gilt. Weil B ∈ A gilt, so erhalten wir f¨ ur alle Mengen E µ∗ (A ∩ E) µ∗ (Ac ∩ E)
= µ∗ (E ∩ A ∩ B) + µ∗ (E ∩ A ∩ B c ) = µ∗ (E ∩ Ac ∩ B) + µ∗ (E ∩ Ac ∩ B c ).
Wegen A ∈ A µ∗ (E)
= µ∗ (A ∩ E) + µ∗ (Ac ∩ E) = µ∗ (E ∩ A ∩ B) + µ∗ (E ∩ A ∩ B c ) + µ∗ (E ∩ Ac ∩ B) + µ∗ (E ∩ Ac ∩ B c ).
Mit (A ∩ B) ∪ (A ∩ B c ) ∪ (Ac ∩ B) = A ∪ B erhalten wir µ∗ (E) ≥ µ∗ (E ∩ (A ∪ B)) + µ∗ (E ∩ Ac ∩ B c ) und mit Ac ∩ B c = (A ∪ B)c erhalten wir µ∗ (E) ≥ µ∗ (E ∩ (A ∪ B)) + µ∗ (E ∩ (A ∪ B)c ). Also gilt µ∗ (E) = µ∗ (E ∩ (A ∪ B)) + µ∗ (E ∩ (A ∪ B)c )
und A ∪ B ∈ A. Durch Induktion erhalten wir, dass die Vereinigung von endlich vielen Mengen aus A auch wieder in A liegt. # Es seien Aj ∈ A, j ∈ N. Wir wollen zeigen, dass dann ∞ j=1 Aj ∈ A. Nach Lemma reicht es, dies f¨ ur paarweise disjunkte Mengen Aj , j ∈ N, zu zeigen. Da An ∈ A, folgt f¨ ur alle E ∈ P(X) % %n '' % %n ' ' % %n ' ' ! ! ! µ∗ E ∩ = µ∗ E ∩ Aj Aj ∩ A n + µ ∗ E ∩ Aj ∩ Acn . j=1
j=1
j=1
ur alle n ∈ N Da die Mengen Aj , j ∈ N, paarweise disjunkt sind, ergibt sich f¨ % ' % ' n n−1 ! ! µ∗ E ∩ Aj = µ∗ (E ∩ An ) + µ∗ E ∩ Aj . j=1
j=1
44
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Durch Induktion erhalten wir f¨ ur alle n ∈ N % ' n n ! & Aj = µ∗ (E ∩ Aj ) µ∗ E ∩ j=1
j=1
Wie wir oben #neingesehen haben, sind endliche Vereinigungen von Mengen in A wieder in A. Also ist j=1 Aj ∈ A und es gilt % ' % %n 'c ' n ! ! Aj + µ∗ E ∩ Aj . µ∗ (E) = µ∗ E ∩ j=1
8
Da µ∗ E ∩
#n
9
j=1 Aj =
/n
j=1
∗ j=1 µ (E ∩ Aj ) und
∗
µ (E) ≥
n & j=1
∗
#n
µ (E ∩ Aj ) + µ
∗
Da dies f¨ ur alle n ∈ N gilt, erhalten wir µ∗ (E) ≥
∞ & j=1
#∞
j=1 Aj ⊆
µ∗ (E ∩ Aj ) + µ∗
%
%∞ !
%
%∞ !
E∩
E∩
Aj
j=1
Aj
'c '
.
Aj
'c '
.
j=1
j=1
Weil µ∗ ein ¨außeres Maß ist, folgt ' %∞ % %∞ 'c ' ! ! ≥ µ∗ (E ∩ Aj ) + µ∗ E ∩ Aj µ∗ (E) = µ∗
%
#∞
j=1
E∩
∞ !
Aj
j=1
'
+ µ∗
j=1
%
E∩
%∞ !
Aj
j=1
'c '
.
Also gilt j=1 Aj ∈ A. Wenn wir in der Ungleichung µ∗ (E) ≥ E=
#∞
j=1
∞ & j=1
µ∗ (E ∩ Aj ) + µ∗
%
E∩
%∞ !
Aj
j=1
'c '
Aj einsetzen, erhalten wir %∞ ' ∞ ! & µ∗ Aj = µ∗ (Aj ). j=1
j=1
Es bleibt noch zu zeigen, dass µ∗ vollst¨andig ist. Es sei A ∈ A mit µ∗ (A) = 0 und B ⊆ A. Da µ∗ ein ¨außeres Maß ist, folgt sofort, dass µ∗ (B) = 0. F¨ ur jede Teilmenge E von X gilt µ∗ (E) ≤ µ∗ (E ∩ B) + µ∗ (E ∩ B c ). Wegen 0 = µ∗ (B) ≥ µ∗ (E ∩ B) folgt weiter µ∗ (E) ≤ µ∗ (E ∩ B c ) ≤ µ∗ (E)
¨ 2.4. AUSSERE MASSE
45
Hieraus folgt bzw. B ∈ A. !
µ∗ (E) = µ∗ (E ∩ B) + µ∗ (E ∩ B c )
Es sei A eine Mengenalgebra der Menge X. Eine Funktion µ : A → [0, ∞] heißt Pr¨amaß, falls (i) µ(∅) = 0 # (ii) f¨ ur alle Folgen disjunkter Mengen Ai , i ∈ N, in A mit ∞ i=1 Ai ∈ A gilt %∞ ' ∞ & ! µ(Ai ) = µ Ai i=1
i=1
Lemma 22 Es sei µ ein Pr¨ amaß auf einer Mengenalgebra A und µ∗ sei das von µ erzeugte a¨ußere Maß. Dann gilt (i) µ∗|A = µ (ii) Jede Menge in A ist µ∗ -messbar. Beweis. (i) Es gilt f¨ ur alle Teilmengen A von X , $∞ 0 ∞ , & ! , µ(Aj ) ,Aj ∈ A und A ⊆ Aj µ∗ (A) = inf , j=1
j=1
Hieraus ergibt sich sofort f¨ ur alle A ∈ A
µ∗ (A) ≤ µ(A) Wir zeigen nun die umgekehrte Ungleichung. Es seien Ai ∈ A, i ∈ N mit A ⊆ Wir setzen B1 = A ∩ A1 % ' n−1 ! Bn = A ∩ An \ Ai n = 2, 3, . . . i=1
Bn sind paarweise disjunkte Mengen in A mit A=
∞ !
Bn
n=1
Da µ ein Pr¨amaß ist und Bn ⊆ An gilt, folgt µ(A) =
∞ & n=1
µ(Bn ) ≤
∞ &
µ(An )
n=1
Also µ(A) ≤ µ∗ (A). (ii) Es sei A ∈ A. Wir zeigen, dass f¨ ur alle Teilmengen E von X µ∗ (E) ≥ µ∗ (E ∩ A) + µ∗ (E ∩ Ac )
#∞
i=1
Ai .
46
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
gilt. Es sei $ > 0. Dann gibt es eine Folge Aj ∈ A, j ∈ N, mit E ⊆ ∞ & j=1
µ(Aj ) ≤ µ∗ (E) + $.
#∞
j=1
Aj und
Da A, Aj ∈ A gilt, folgt µ(Aj ) = µ(Aj ∩ A) + µ(Aj ∩ Ac ). Deshalb gilt ∞ & j=1
Wegen E ∩ A ⊆
#∞
{µ(Aj ∩ A) + µ(Aj ∩ Ac )} ≤ µ∗ (E) + $.
c j=1 (A ∩ Aj ) und E ∩ A ⊆
#∞
j=1 (A
c
∩ Aj ) folgt
µ∗ (E ∩ A) + µ∗ (E ∩ Ac ) ≤ µ∗ (E) + $.
Da dies f¨ ur alle $ gilt, folgt, dass A µ∗ -messbar ist. ! Lemma 23 Es seien A eine Mengenalgebra der Menge X, µ ein Pr¨amaß auf der Mengenalgebra A und S die von A erzeugte σ- Algebra. Dann gelten (i) Die Einschr¨ankung des ¨außeren Maßes µ∗ , das von µ erzeugt wird, auf S ist ein Maß auf S. µ∗|S stimmt auf A mit µ u ¨berein. (ii) Falls es ein weiteres Maß ν auf S gibt, das mit µ auf A u ¨bereinstimmt, dann gilt f¨ ur alle A ∈ S ν(A) ≤ µ∗ (A)
Es gilt ν(A) = µ∗ (A) f¨ ur alle A ∈ S mit µ∗ (A) < ∞. # (iii) Falls es eine Folge Aj ∈ A, j ∈ N, mit µ(Aj ) < ∞ und X = ∞ j=1 Aj gibt, dann ist ∗ µ|S die eindeutige Fortsetzung von µ auf S.
Beweis. (i) Nach dem Lemma von Caratheodory ist die Einschr¨ankung von µ∗ auf die σ-Algebra T aller µ∗ -messbaren Mengen ein vollst¨andiges Mass. Nach Lemma (ii) gilt, dass A ⊆ T. Also gilt S ⊆ T und die Einschr¨ankung von µ∗ auf S ist ein Maß. Nach Lemma ?? (i) stimmt µ mit µ∗A u ¨berein. # (ii) Es sei A ∈ S und Aj ∈ A, j ∈ N, mit A ⊆ ∞ j=1 Aj . Dann gilt wegen der Subadditivit¨at des Maßes ν ν(A) ≤
∞ & j=1
ν(Aj ) =
∞ &
µ(Aj ).
j=1
Die Gleichheit gilt, weil ν und µ auf A u ¨bereinstimmen. Wenn wir nun das Infimum u ¨ber alle Folgen Aj , j ∈ N, bilden, erhalten wir ν(A) ≤ µ∗ (A). Wir zeigen nun, dass wir sogar Gleichheit haben, falls µ∗ (A) < ∞. F¨ ur alle $ > 0 gibt es #∞ eine Folge Aj ∈ A, j ∈ N, mit A ⊆ j=1 Aj und ∞ & j=1
µ(Aj ) < µ∗ (A) + $.
¨ 2.4. AUSSERE MASSE Hieraus folgt µ∗
47
%∞ !
Aj
j=1
'
≤
∞ &
µ∗ (Aj ) =
j=1
∞ &
µ(Aj ) < µ∗ (A) + $.
j=1
Weil µ∗ auf S ein Maß ist und weil µ∗ (A) < ∞, folgt weiter %∞ ' %∞ ' ! ! µ∗ Aj \ A = µ∗ Aj − µ∗ (A) < $. j=1
j=1
Weil ν und µ∗ auf S Maße sind und weil ν und µ auf A u ¨bereinstimmen, gilt %∞ %n %n ' ' ' ! ! ! ν Aj = lim ν Aj Aj = lim µ j=1
n→∞
n→∞
j=1
= lim µ∗ n→∞
j=1
%
n !
Aj
j=1
'
= µ∗
%∞ !
Aj
j=1
'
.
Hiermit erhalten wir ∗
µ (A) ≤ µ
∗
%∞ !
j=1
Aj
'
=ν
%∞ !
Aj
j=1
'
= ν(A) + ν
%∞ !
j=1
'
Aj \ A .
Da wir bereits gezeigt haben, dass ν ≤ µ∗ gilt, folgt ' %∞ ! µ∗ (A) ≤ ν(A) + µ∗ Aj \ A ≤ ν(A) + $. j=1
Also gilt ν(A) = µ∗ (A). (iii) Es sei ν eine weitere Fortsetzung von µ. Wir k¨onnen annehmen, dass die Mengen Aj , j ∈ N, paarweise disjunkt sind. Es sei A ∈ S. Da µ∗ auf S ein Maß ist, gilt ∗
µ (A) =
∞ & j=1
Mit (ii) folgt µ∗ (A) =
µ∗ (A ∩ Aj ).
∞ & j=1
ν(A ∩ Aj ).
Da ν ein Mass ist folgt weiter µ∗ (A) = ν(A). !
48
2.5
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Lebesgue-Stieltjes Maße auf R
Es sei F : R → R eine wachsende, rechtsseitig stetige Funktion. Das Maß µF ((a, b]) eines links offenen, rechts abgeschlossenen Intervalls definieren wir zu F (b) − F (a). Dadurch erhalten wir auf der Mengenalgebra aller endlichen Vereinigungen von disjunkten, links offenen und rechts abgeschlossenen Intervallen ein Pr¨amaß. Diese Pr¨amaß liefert uns ein ¨außeres Maß, das wir dann auf die σ-Algebra aller Mengen einschr¨anken, die bzgl. des ¨außeren Maßes messbar sind. Das Maß ist vollst¨andig und wir nennen es das LebesgueStieltjes Maß zur Funktion F . Die σ-Algebra aller Mengen , die bzgl. des a¨ußeren Maßes messbar sind, heisst Lebesgue-Stieltjes σ-Algebra. Wir k¨onnen die Lebesgue-Stieltjes σ-Algebra auch auf eine andere Weise konstruieren. Die Borelsche σ-Algebra wird von der Mengenalgebra aller endlichen Vereinigungen von disjunkten, links offenen und rechts abgeschlossenen Intervallen erzeugt. Die LebesgueStieltjes σ-Algebra erhalten wir, indem wir zu der Borelschen σ-Algebra alle Teilmengen von Borel-Nullmengen hinzuf¨ ugen. Das bedeutet, dass sich die Lebesgue-Stieltjes σ-Algebra und die Borel σ-Algebra nur um Borel-Nullmengen unterscheiden. Es ist nicht richtig, dass sich die Familie aller offenen Mengen und die Borel σ-Algebra nur um Borel-Nullmengen unterscheiden. Wir konstruieren eine Fσ -Menge A, die in [0, 1] enthalten ist und die f¨ ur alle offenen Teilmengen U von [0, 1] die Ungleichungen λ(A ∩ U ) > 0 und λ(Ac ∩ U ) > 0 erf¨ ullen. Allerdings ist richtig, dass sich die Familie der Gδ -Mengen und die Borel σ-Algebra nur um Borel-Nullmengen unterscheiden. Lemma 24 A bezeichne die Familie aller endlichen Vereinigungen von disjunkten, links offenen und rechts abgeschlossenen Intervallen der Form (a, b] mit −∞ < a ≤ b < ∞, (−∞, a] oder (b, ∞). A ist eine Mengenalgebra. Beweis. Eine endlich Vereinigung von endlichen Vereinigungen von Intervallen der oben angegeben Art ist offensichtlich wieder eine endliche Vereinigung von solchen Intervallen. Wir zeigen nun, dass das Komplement einer Menge in A wieder in A liegt. Wir wollen hier den Fall betrachten,# dass A eine Vereinigung von endlich vielen beschr¨ankten Intervallen ist. Dann gilt A = ni=1 (ai , bi ], wobei die Intervalle paarweise disjunkt sind. Deshalb k¨onnen wir annehmen, dass a1 ≤ b1 ≤ a2 ≤ b2 ≤ · · · ≤ an ≤ bn Dann gilt !
Ac = (−∞, a1 ] ∪ (b1 , a2 ] ∪ · · · ∪ (bn−1 , an ] ∪ (bn , ∞)
Wegen Lemma ?? erzeugt A die Borel σ-Algebra BR . F : R → R sei eine wachsende Funktion. Damit hat F links- und rechtsseitige Grenzwerte in jedem Punkt. F (a+ ) = lim+ F (x) = inf F (x) x→a
−
x>a
F (a ) = lim− F (x) = sup F (x) x→a
x
2.5. LEBESGUE-STIELTJES MASSE AUF R
49
Wir definieren F (∞) = sup F (x)
F (−∞) = inf F (x) x∈R
x∈R
Wir lassen F (∞) = ∞ und F (−∞) = −∞ zu. Wir sagen, dass F in a rechtsseitig stetig ist, falls F (a) = F (a+ ) gilt. Lemma 25 Es sei F : R → R eine wachsende und rechtsseitig stetige Funktion. Wir definieren = F (b) − F (a) µF ((a, ∞)) = F (∞) − F (a) =0
µF ((a, b]) µF ((−∞, b]) = F (b) − F (−∞) µF (∅)
F¨ ur eine Folge von disjunkten Intervallen dieser Art definieren wir %n ' n ! & Ij = µF (Ij ) µF j=1
j=1
Dann ist µF ein Pr¨ amaß auf der Algebra A aller halboffenen Intervalle. Beweis. Wir zeigen, dass µF wohldefiniert ist. Wir betrachten zun¨achst den Fall, dass (a, b] =
n !
(aj , bj ]
j=1
wobei die Intervalle (aj , bj ], j ∈ N, disjunkte Intervalle sind. Wir k¨onnen annehmen, dass a1 < b1 ≤ a2 < b2 ≤ · · · ≤ an < bn . Somit folgt a1 < b1 = a2 < b2 = · · · = an < bn . Dann gilt ' %n n & ! (F (bj ) − F (aj )) = µF (aj , bj ] µF ((a, b]) = F (b) − F (a) = j=1
j=1
Im allgemeinen haben wir zwei Folgen disjunkter, halboffener Intervalle Ii , 1 ≤ i ≤ n, und Jj , 1 ≤ j ≤ m, so dass n m ! ! Ii = Jj i=1
Dann gilt
µF
%
n !
i=1
Es gilt Ii = Jj =
m !
j=1 n !
i=1
Ii
j=1
'
=
n &
µF (Ii )
i=1
Ii ∩ Jj
i = 1, . . . , n
Ii ∩ Jj
j = 1, . . . , m
50
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Hieraus folgt µF
%
n !
Ii
i=1
'
n & m &
=
i=1 j=1
µF (Ii ∩ Jj ) =
m &
µF (Jj ) = µF
j=1
%
m !
j=1
Jj
'
Also ist µF wohldefiniert. Es gilt f¨ ur alle paarweise disjunkten Mengen Ai ∈ A, i = 1, . . . , n %n ' n ! & µF Ai = µF (Ai ) i=1
i=1
# i i i Wir weisen dies nach. Es gilt Ai = m k=1 Ik wobei die Intervalle Ik paarweise disjunkt sind. Es gilt per Definition %n ' mi n & n ! & & i µF Ai = µF (Ik ) = µF (Ai ). i=1
i=1 k=1
i=1
Nun zeigen wir, # dass µF ein Pr¨amaß ist. Es seien Ai ∈ A, i ∈ N, paarweise disjunkte Mengen mit ∞ i=1 Ai ∈ A. Wir zeigen, dass dann %∞ ' ∞ ! & Ai = µF (Ai ) µF i=1
Da die Mengen
#n
i=1
Ai und
#∞
Damit folgt µF
µF
i=1
#n
Ai sind disjunkt und es gilt %∞ ' ∞ n n ! ! ! ! Ai = Ai ∪ Ai \ Ai . i=1
i=1
%∞ !
Ai \
i=1
%∞ !
Ai
i=1
Ai
'
=
i=1
i=1
'
n &
= µF
i=1
%
n !
Ai
i=1
µF (Ai ) + µF
i=1
Da dies f¨ ur alle n ∈ N gilt, folgt µF
'
+ µF
%∞ !
i=1
%∞ !
i=1
Ai
'
≥
i=1
∞ &
%∞ !
i=1
Ai \
n !
Ai \ Ai
i=1
'
n !
i=1
≥
Ai
'
n &
µF (Ai )
i=1
µF (Ai ).
i=1
# Es bleibt, die umgekehrte Ungleichung zu zeigen. Im allgemeinen ist ∞ i=1 Ai eine endliche Vereinigung halboffener Intervalle. Wir nehmen hier an, dass es sich um nur ein einziges Intervall handelt. # Das Argument l¨asst sich leicht auf den allgemeinen Fall erweitern. Es seien (a, b] = ∞ i=1 Ai und Ai = (ai , bi ], i ∈ N. Die Intervalle Ai sind disjunkt. Da F rechtsseitig stetig ist, finden wir f¨ ur jedes $ > 0 und jedes a ein δ > 0, so dass F (a + δ) − F (a) < $
2.5. LEBESGUE-STIELTJES MASSE AUF R
51
gilt, und wir finden f¨ ur alle bi , i ∈ N, ein δi , so dass F (bi + δi ) − F (bi ) < Es gilt [a + δ, b] ⊆
∞ !
$ . 2i
(ai , bi + δi ).
i=1
Da [a + δ, b] eine kompakte Menge ist, gibt es eine endliche Teil¨ uberdeckung. Nach einer Neuindizierung gilt N ! [a + δ, b] ⊆ (ai , bi + δi ) i=1
Wir k¨onnen annehmen, dass
a1 < a2 < · · · < aN und ai+1 < bi + δi < bi+1 + δi+1 Wir u ¨berpr¨ ufen dies. Zun¨achst k¨onnen wir die Intervalle so anordnen, dass a1 < a2 < · · · < aN . Falls es ein i0 mit bi0 + δi0 ≥ bi0 +1 + δi0 +1 gibt, dann gilt (ai0 +1 , bi0 +1 + δi0 +1 ) ⊆ ¨ (ai0 , bi0 + δi0 ). Somit k¨onnen wir eine neue Uberdeckung w¨ahlen, in der das i0 -te Intervall nicht mehr auftritt. Falls es ein i0 gibt, so dass ai0 +1 ≥ bi0 + δi0 , dann wird das Intervall [bi0 + δi0 , ai0 +1 ] nicht u ¨berdeckt. Da F (a + δ) − F (a) < $ %∞ ' ! µF Ai = F (b) − F (a) ≤ F (b) − F (a + δ) + $. i=1
Weil F wachsend ist %∞ ' ! Ai µF i=1
≤ F (bN + δN ) − F (a1 ) + $ = F (bN + δN ) − F (aN ) +
N −1 & i=1
(F (ai+1 ) − F (ai )) + $.
Da F wachsend ist und ai+1 < bi + δi , folgt weiter %∞ ' ! / ≤ N Ai µF i=1 (F (bi + δi ) − F (ai )) + $ i=1
≤
Da dies f¨ ur alle $ > 0 gilt, folgt µF
/N
! i=1 ((F (bi ) − F (ai )) + 2i ) /N ≤ i=1 µF ((ai , bi ]) + 2$.
%∞ !
i=1
Ai
'
≤
∞ & i=1
µF (Ai ).
+$
52
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
! Es sei F : R → R eine wachsende und rechtsseitig stetige Funktion und µF das zugeh¨orige Pr¨amaß auf der Mengenalgebra aller links offenen und rechts abgeschlossenen Intervalle. µ∗F sei das von µF erzeugte a¨ußere Maß. Wir bezeichnen die σ-Algebra aller µ∗F -messbaren Mengen als Lebesgue-Stieltjes σ-Algebra und die Einschr¨ankung von µ∗F auf diese σ-Algebra als das Lebesgue-Stieltjes Maß. Falls F (x) = x, dann sprechen wir von der Lebesgue σ-Algebra und vom LebesgueMaß. S¨amtliche Lebesgue-Stieltjes Maße sind auch auf der Borel σ-Algebra erkl¨art. Satz 3 F¨ ur jede wachsende, rechtsseitig stetige Funktion F : R → R gibt es ein eindeutiges Maß µF auf BR , so dass f¨ ur alle a, b ∈ R mit a < b µF ((a, b]) = F (b) − F (a) gilt. Falls G eine weitere Funktion dieser Art ist und falls µF = µG gilt, dann ist F − G eine konstante Funktion. Falls µ ein Maß auf BR ist, das auf allen beschr¨ ankten Borelmengen endlich ist, dann ist x>0 µ((0, x]) x=0 F (x) = 0 − µ((x, 0]) x < 0 eine wachsende, rechtsseitig stetige Funktion.
Beispiel 8 (i) F¨ ur F (x) = x erhalten wir das Lebesgue-Maß λ. Es gilt λ((a, b]) = b − a. (ii) F¨ ur $ −1 x<0 F (x) = 0 x≥0 erhalten wir das Dirac-Maß δ. Es gilt
δ((a, b]) =
$
1 0
0 ∈ (a, b]
0∈ / (a, b]
Beweis. Nach Lemma ?? gibt es ein Pr¨ amaß mit µ((a, b]) = F (b) − F (a) auf der Algebra der halboffenen Intervalle. Nach Lemma wird BR von dieser Algebra erzeugt. Wegen Satz gibt es ein Maß µF auf BR , das auf der Algebra der halboffenen Intervalle mit µ u ¨bereinstimmt. Wegen Lemma (iii) ist µF eindeutig. Es gilt genau dann µF = µG , wenn F (x) − F (a) = G(x) − G(a). Hieraus folgt, dass F (x) − G(x) eine Konstante ist. Es sei nun ein Maß µ gegeben. Dann ist offensichtlich, dass F wachsend ist. Wir zeigen, dass F rechtsseitig stetig ist. Wir betrachten zuerst den Fall 0 < x. Es sei xn , n(∈ N, eine monton fallende Folge mit limn→∞ xn = x0 . Dann gilt (0, xn ] ⊇ (0, xn+1 ], n ∈ N, und (0, x] = n∈N (0, xn ]. Weil µ ein Maß ist, folgt mit Lemma weiter F (x) = µ((0, x]) = lim µ((0, xn ]) = lim F (xn ) n→∞
n→∞
Die F¨ alle x = 0 und x < 0 werden genauso behandelt. !
Falls µ ein endliches Maß auf BR ist, dann nennnen wir F (x) = µ((−∞, x]) die Verteilungsfunktion von µ.
2.5. LEBESGUE-STIELTJES MASSE AUF R
53
Lemma 26 Es sei µF ein Lebesgue-Stieltjes Maß und A die σ-Algebra aller Mengen, die bzgl. des ¨außeren Maßes µ∗ messbar sind. Dann gilt f¨ ur alle A ∈ A , $∞ 0 ∞ , & ! , µF (A) = inf µ((ai , bi )) ,A ⊆ (ai , bi ) . , i=1
i=1
Beweis. Nach Lemma gilt f¨ ur alle A ∈ A , $∞ 0 ∞ , & ! , µ((ai , bi ]) ,A ⊆ (ai , bi ] . µF (A) = inf , i=1
i=1
ur ist Man beachte, dass im allgemeinen nicht µF ((a, b)) = µF ((a, b]) gilt. Ein Beispiel daf¨ das Dirac Maß. Da µF ein Maß ist, gilt die Subadditivit¨at. Also haben wir µF (A) ≤ µF (
∞ !
i=1
Somit gilt µF (A) ≤ inf
$∞ & i=1
(ai , bi )) ≤
∞ &
µF ((ai , bi )).
i=1
, 0 ∞ , ! , µF ((ai , bi )) ,A ⊆ (ai , bi ) . , i=1
Andererseits finden wir f¨ ur alle $ > 0 Intervalle (ai , bi ], i ∈ N, mit A ⊆ µF (A) + $ ≥
∞ &
µF ((ai , bi ]).
#∞
i=1 (ai , bi ]
und
i=1
Außerdem finden wir f¨ ur jedes i ein δi > 0 mit F (bi + δi ) − F (bi ) <
$ . 2i
Hiermit erhalten wir ∞ &
≤
µF ((ai , bi + δi ))
i=1
∞ &
∞ &
µF ((ai , bi + δi ]) =
i=1
∞ & i=1
F (bi + δi ) − F (ai ) ∞
& $ ≤ (F (bi ) − F (ai )) + i = $ + (F (bi ) − F (ai )) ≤ µF (A) + 2$. 2 i=1 i=1
Hiermit folgt µF (A) ≥ inf !
$∞ & i=1
, 0 ∞ , ! , µ((ai , bi )) ,A ⊆ (ai , bi ) . , i=1
Satz 4 Es sei µ ein Lebesgue-Stieltjes Maß und A die σ-Algebra aller Mengen, die bzgl. des ¨außeren Maßes µ∗ messbar sind. Dann gilt f¨ ur alle A ∈ A µ(A)
= inf{µ(U )|A ⊆ U und U ist offen} = sup{µ(K)|A ⊇ K und K ist kompakt}
54
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS Man sagt auch, dass die Menge bzw. das Maß von außen und innen regul¨ar ist.
Beweis. Da µ ein Maß ist, folgt sofort sup{µ(K)|A ⊇ K und K ist kompakt} ≤ µ(A) ≤ inf{µ(U )|A ⊆ U und U ist offen}. Mit Lemma ?? folgt µ(A)
, 0 ∞ , ! , µ((ai , bi )) ,A ⊆ (ai , bi ) = inf , i=1 $ i=1 %∞ ', 0 ∞ , ! ! , ≥ inf µ (ai , bi ) ,A ⊆ (ai , bi ) , $∞ &
i=1
i=1
≥ inf{µ(U )|A ⊆ U }. Also gilt
µ(A) = inf{µ(U )|A ⊆ U }. Wir zeigen nun die zweite Gleichung. Dabei nehmen wir zun¨achst an, dass die Menge ¯ < ∞. Falls A u A beschr¨ankt ist. Dies bedeutet, dass µ(A) ¨berdies abgeschlossen ist, so ist A kompakt und die Gleichung folgt sofort. Wir k¨onnen also annehmen, dass A nicht abgeschlossen ist. Wie wir bereits gezeigt haben, gibt es f¨ ur jedes $ > 0 eine offene Menge U mit A¯ \ A ⊆ U und µ(U ) − µ(A¯ \ A) < $.
¯ < ∞ gilt.) Wir w¨ahlen (Hierbei benutzen wir, dass µ(A) K = A¯ \ U = A¯ ∩ U c .
Insbesondere gilt K ⊆ A und K ist kompakt, weil K abgeschlossen und beschr¨ankt ist. Weiter gilt K = A \ U . Wir u ¨berpr¨ ufen dies. Wegen A¯ ∩ Ac = A¯ \ A ⊆ U gilt U c ⊆ (A¯ ∩ Ac )c = A ∪ A¯c . Deshalb A¯ ∩ U c ⊆ A¯ ∩ (A ∪ A¯c ) ⊆ A und somit A¯ ∩ U c ⊆ A ∩ U c = A \ U . Es gilt µ(K) = µ(A) − µ(A ∩ U )
= µ(A) − (µ(U ) − µ(U \ A)) ≥ µ(A) − µ(U ) + µ(A¯ \ A) ≥ µ(A) − $.
Falls A unbeschr¨ankt ist, dann wenden wir das Argument auf die Mengen Ai = A∩(i, i+1], i ∈ Z an. F¨ ur alle $ > 0 gibt es kompakte Mengen Ki , i ∈ Z mit Ki ⊆ Ai und µ(Ki ) ≥ µ(Ai ) − Die Mengen !
#n
i=1
$ . 2i
Ki sind als endliche Vereinigung kompakter Mengen wieder kompakt.
2.5. LEBESGUE-STIELTJES MASSE AUF R
55
Das vorangehende Theorem stellt fest, dass in jeder messbaren Menge eine kompakte enthalten ist, die fast das gleiche Maß besitzt. Wir wollen dazu ein Beispiel betrachte: das Lebesgue-Maß und die Menge [0, 1] \ Q. Wie sieht nun eine kompakte Teilmenge aus, die in [0, 1] \ Q enthalten ist und fast das gleiche Maß besitzt? Im vorangehenden Beweis haben wir dazu eine offene Menge U gew¨ahlt, genauer, wir stellten fest, dass es f¨ ur jedes $ > 0 eine offene Menge U mit [0, 1] ∩ Q ⊆ U und µ(U ) ≤ $ gibt. Wir betrachten eine Abz¨ahlung xi , i ∈ N, der rationalen Zahlen in [0,1]. Dann setzen wir ∞ !
U=
i=1
(xi −
$ $ , xi + i ) i 2 2
und K = [0, 1] \ U . Satz 5 Es sei µ ein Lebesgue-Stieltjes Maß und A die σ-Algebra aller Mengen, die bzgl. des ¨außeren Maßes µ∗ messbar sind. F¨ ur alle Teilmengen A von R sind ¨aquivalent (i) A ∈ A (ii) Es gibt eine Gδ -Menge U und eine Menge N mit µ(N ) = 0, so dass A = U \ N . (iii) Es gibt eine Fσ -Menge V und eine Menge M mit µ(M ) = 0, so dass A = V ∪ M . Beweis. Da µ vollst¨andig ist, folgt aus (ii) die Aussage (i) und aus (iii) die Aussage (i). Wir zeigen zun¨achst das Argument f¨ ur Mengen A mit µ(A) < ∞, weil es in diesem Fall klarer ist. Nach Theorem gibt es kompakte Mengen Ki und offene Mengen Ui , i ∈ N, mit ⊆ A ⊆ Ui µ(A) ≤ µ(Ki ) + 2−i
Ki µ(Ui ) − 2 ≤ −i
Es folgen ∞ !
i=1
Wir setzen
Ki ⊆ A ⊆
∞ "
Ui
µ(A) = µ
i=1
U=
V =
Ki
i=1
∞ "
∞ !
'
Ui
N =U \A
Ki
M =A\V
i=1
und
%∞ !
i=1
=µ
%∞ "
Ui
i=1
'
Falls µ(A) = ∞ gilt, so betrachten wir die Mengen An = A ∩ ((−n, −n + 1] ∪ (n − 1, n])
n∈N
Nach Theorem gibt es offene Mengen Uin mit An ⊆ Uin
und
µ(Uin \ An ) <
1 2i+n
i, n = 1, 2, . . .
# n Dann erhalten wir, dass ∞ n=1 Ui eine offene Menge ist, die A umfasst. Es folgt ' %∞ ∞ ∞ ! & & 1 n n Ui \ A ≤ µ(Ui \ A) ≤ = 2−i µ i+n 2 n=1 n=1 n=1
56
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Hiermit folgt f¨ ur alle j = 1, 2, . . . µ
%∞ ∞ "!
Uin
i=1 n=1
Also gilt µ
%∞ ∞ "!
U=
∞ ! ∞ "
\A
Uin \ A
i=1 n=1
Wir setzen
'
'
Uin
=0
N =U \A
i=1 n=1
U ist eine Gδ -Menge !
≤ 2−j
Beispiel 9 F¨ ur das Dirac Maß δ gilt (i) Die zugeh¨orige σ-Algebra ist die Potenzmenge von R. (ii) δ(A) = 0 genau dann, wenn 0 ∈ / A. A:B = (A ∪ B) \ (A ∩ B) = (A \ B) ∪ (B \ A) heißt symmetrische Differenz von A und B. Satz 6 Es sei µ ein Lebesgue-Stieltjes Maß und A die σ-Algebra aller Mengen, die bzgl. des ¨außeren Maßes µ∗ messbar sind. Es sei A ∈ A mit µ(A) < ∞. Dann gibt es f¨ ur jedes $ > 0 eine Menge E, die endliche Vereinigung offener Intervalle ist und f¨ ur die µ(A:E) < $. Auf die Annahme µ(A) < ∞ kann ur ist das # man nicht verzichten. Ein Beispiel hierf¨ Lebesgue-Maß mit der Menge A = ∞ (2n − 1, n). n=1
Beweis. Da µ(A) # < ∞ gibt es nach Lemma zu jedem $ > 0 offene Intervalle (ai , bi ), i ∈ N, so dass A ⊆ ∞ i=1 (ai , bi ) und µ(A) + $ ≥
∞ &
µ((ai , bi )).
i=1
Wir k¨onnen N so groß w¨ahlen, dass ∞ &
µ((ai , bi )) < $.
i=N +1
Wir zeigen nun, dass
%
µ A: Es gilt A:
N !
i=1
(ai , bi ) =
N !
i=1
%N !
i=1
'
(ai , bi )
(ai , bi ) \ A
'
< 2$.
∪
%
A\
N !
i=1
'
(ai , bi )
2.5. LEBESGUE-STIELTJES MASSE AUF R und µ
%N !
i=1
Weiter gilt
(ai , bi ) \ A
A\
N !
i=1
'
≤µ
57
%∞ !
(ai , bi ) ⊆
i=1
'
(ai , bi ) \ A
∞ !
< $.
(ai , bi ).
i=N +1
# Wir pr¨ ufen dies nach. Es gilt A ⊆ ∞ i=1 (ai , bi ). Deshalb 'c %N 'c %N ∞ ∞ ! ! ! ! (ai , bi ) ⊆ (ai , bi ) ∩ (ai , bi ) ⊆ (ai , bi ) A∩ i=1
Somit
%
µ A∩ !
i=1
%N !
i=1
i=1
'c '
(ai , bi )
≤µ
%
i=N +1
∞ !
'
(ai , bi )
i=N +1
<$
Satz 7 Wir erhalten die Lebesgue-Stieltjes σ-Algbra, indem wir zur Borelschen σ-Algebra alle Teilmengen von Borel-Nullmengen hinzuf¨ ugen. Beweis. Nach Satz gibt es zu jeder Menge A, die in der Lebesgue-Stieltjes σ-Algebra enthalten ist, eine Gδ -Menge U und eine Fσ -Menge V , so dass V ⊆ A ⊆ U und µ(U \ A) = µ(A \ V ) = 0 Hieraus folgt, dass U \ V eine Borelmenge mit µ(U \ V ) = 0 ist. Also unterscheidet sich U von A nur durch eine Teilmenge einer Borel-Nullmenge. !
58
2.6
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Lebesgue Maß auf R
Es gibt eine Lebesgue-messbare Menge A, so dass f¨ ur alle offenen Mengen U die Ungleichung λ(U :A) > 0 gilt. Es sind also die Lebesgue-messbaren Mengen nicht bis auf Nullmengen die offenen Mengen. Siehe dazu das Beispiel. Satz 8 Es sei λ das Lebesgue Maß und L die Lebesgue σ-Algebra. Dann gilt f¨ ur alle r, s ∈ R und A ∈ L (i) s + A ∈ L und rA ∈ L (ii) λ(s + A) = λ(A) und λ(rA) = |r|λ(A) Beweis. (i) Es bezeichne λ∗ das zu λ geh¨orige a¨ußere Maß. F¨ ur eine Teilmenge B der reellen Zahlen gilt λ∗ (B) = λ∗ (s + B) und λ∗ (rB) = |r|λ∗ (B). Wir weisen dies nach. , $ ∞ 0 ∞ , & ! , ∗ λ (B) = inf λ((ai , bi ]), B ⊆ (ai , bi ] , i=1 i=1 , $ ∞ 0 ∞ , & ! , = inf λ((s + ai , s + bi ]), s + B ⊆ (s + ai , s + bi ] = λ∗ (s + B) , i=1
i=1
Eine Menge A ist genau dann Lebesgue messbar, wenn f¨ ur alle Teilmengen E von R λ∗ (E) = λ∗ (E ∩ A) + λ∗ (E ∩ Ac ) gilt. Diese Gleichung ist a¨quivalent zu λ∗ (s + E)
= λ∗ (s + (E ∩ A)) + λ∗ (s + (E ∩ Ac )) = λ∗ ((s + E) ∩ (s + A)) + λ∗ ((s + E) ∩ (s + Ac )).
Weil s + Ac = (s + A)c λ∗ (s + E) = λ∗ ((s + E) ∩ (s + A)) + λ∗ ((s + E) ∩ (s + A)c ). (ii) folgt, weil diese Eigenschaften bereits f¨ ur das a¨ußere Maß gelten. ! Beispiel 10 (i) Jede abz¨ahlbare Teilmenge der reellen Zahlen hat das Lebesgue Maß 0. (ii) Es gibt eine Teilmenge der reellen Zahlen, die nicht Lebesgue messbar ist. (iii) Es sei A eine Lebesgue messbare Teilmenge mit λ(A) > 0. Dann gibt es eine Teilmenge von A, die nicht Lebesgue messbar ist.
Eigentlich zeigen wir im Beweis von (ii) mehr. Wir zeigen, dass wir das Lebesgue-Maß nicht erweitern k¨onnen, indem wir es f¨ ur die angegebene Menge sinnvoll definieren. Beweis. (i) Die einelementigen Teilmengen von R sind in der Lebesgue σ-Algebra enthalten, weil sie abgeschlossene Mengen sind. F¨ ur jede einelementige Menge {x} gilt
2.6. LEBESGUE MASS AUF R
59
λ({x}) = 0, weil λ({x}) ≤ λ((x − $, x]) = $. Es sei {xi |i ∈ N} eine abz¨ahlbare Menge. Dann gilt ∞ & λ({xi |i ∈ N}) ≤ λ({xi }) = 0 i=1
(ii) Es seien x, y ∈ R und wir sagen, dass x und y ¨aquivalent sind x∼y
¨ ¨ falls x − y ∈ Q. √ Diese Aquivalenzrelation teilt die Menge R in Aquivalenzklassen ein. So ¨ sind z.B. [π], [ 2] und [e] solche Aquivalenzklassen. Jede dieser Klassen enth¨alt abz¨ahlbar ¨ viele Elemente. Z sei eine Teilmenge von [0, 1], so dass sich zu jeder Aquivalenzklasse ein ¨ Element der Menge Z finden l¨asst, das in dieser Aquivalenzklasse enthalten ist, und so ¨ dass f¨ ur jede Aquivalenzklasse h¨ochstens ein Element existiert, das in dieser Klasse liegt. Wegen des Auswahlaxioms existiert eine solche Menge. Die Menge Z ist nicht Lebesguemessbar. Es gilt ! R= (q + Z) q∈Q
und f¨ ur alle q, p ∈ Q mit q += p
(q + Z) ∩ (p + Z) = ∅ Wir weisen die erste Gleichung nach. ! ! ! (q + Z) = {q + z|z ∈ Z} = {q + z|z ∈ Z und q ∈ Q} = {q + z|q ∈ Q} = R q∈Q
z∈Z
q∈Q
¨ Die letzte Gleichung gilt, weil die Vereinigung u ¨ber alle Aquivalenzklassen die Menge R ergibt. Falls (q + Z) ∩ (p + Z) += ∅, dann gibt es z, v ∈ Z mit z += v und z + p = v + q. Also gilt z ∼ v. Damit gibt es in Z zwei ¨aquivalente Elemente. In Z finden wir aber nur jeweils ¨ ein Element aus jeder Aquivalenzklasse. Wir zeigen, dass λ(Z) > 0 gilt. Wir nehmen an, dass λ(Z) = 0. Wegen λ(Z) = λ(q + Z) % ' & ! 0= λ(q + Z) = λ (q + Z) = λ(R) q∈Q
Das ist ein Widerspruch. Weil Z ⊆ [0, 1] !
q∈Q∩[0,1]
q∈Q
(q + Z) ⊆
Es folgt
!
q∈Q∩[0,1]
2 = λ([0, 2]) ≥ λ
(q + [0, 1]) ⊆ [0, 2]
!
q∈Q∩[0,1]
(q + Z)
Da die Mengen q + Z paarweise disjunkt sind, folgt & & λ(q + Z) = λ(Z) = ∞ 2≥ q∈Q∩[0,1]
q∈Q∩[0,1]
60
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
(iii) Es sei Z wie unter (ii) gew¨ahlt. Wir zeigen, dass eine der Mengen A ∩ (q + Z), q ∈ Q, nicht messbar ist. Dazu nehmen wir an, dass alle diese Mengen messbar sind. Dann gilt ! A ∩ (q + Z) A= q∈Q
und wegen der Disjunktheit 0 < λ(A) =
& q∈Q
λ(A ∩ (q + Z))
Also gibt es ein q0 , so dass λ(A ∩ (q0 + Z)) > 0. Die Mengen q∈Q
q + (A ∩ (q0 + Z))
ur alle sind paarweise disjunkt, weil die Mengen q + q0 + Z paarweise disjunkt sind. Weil f¨ q ∈ Q die Gleichung λ(A ∩ (q0 + Z)) = λ(q + (A ∩ (q0 + Z))) gilt, folgt & λ(q + (A ∩ (q0 + Z))) ∞ = q∈Q∩[0,1]
= λ
q∈Q∩[0,1]
≤ λ
!
!
≤ λ
!
q∈Q∩[0,1]
!
q∈Q∩[0,1]
q + (A ∩ (q0 + Z))
q + (q0 + Z)
q + q0 + [0, 1]) ≤ λ(q0 + [0, 2]) = 2
Beispiel 11 (Cantor Menge) Es sei C die Cantor Menge. Dann gilt (i) Das Lebesgue-Maß von C ist 0. B1 (ii) Der Riemannsche Inhalt von C ist 0, d.h. das Riemann-Integral 0 χC dx ist gleich 0. Wir sagen, dass eine Menge nirgends dicht ist, falls das Innere des Abschlusses die leere Menge ist. Die Cantor Menge ist nirgends dicht. Nach Satz ?? (ix) gilt C − C = [−1, 1]. Dies zeigt, dass das Maß einer Differenzmenge von Nullmengen nicht notwendig 0 ist. Beweis. (i) Nach Satz ?? gilt Somit gilt und
C = 13 C ∪ ( 23 + 13 C) λ(C) = λ( 13 C ∪ ( 23 + 13 C)) λ(C) ≤ λ( 13 C) + λ(( 23 + 13 C)) = 23 λ(C)
Da C ⊆ [0, 1] gilt λ(C) ≤ 1 und wir schließen, dass λ(C) = 0. (ii) Da χC eine nichtnegative Funktion ist, gilt f¨ ur alle Partitionen P und alle Untersummen US P (χC ) 0 ≤ US P (χC )
2.6. LEBESGUE MASS AUF R
61
Die Menge Cn ist eine disjunkte Vereinigung von 2n−1 abgeschlossenen Intervallen der L¨ ange 3−n+1 , die alle in [0, 1] enthalten sind. Dies folgt mit Induktion aus (iv). C1 = [0, 1] erf¨ ullt die Aussage. Falls Cn die Aussage erf¨ ullt, dann ist 13 Cn eine disjunkte Vereinigung von 2n−1 abgeschlossenen Intervallen der L¨ ange 3n , die in [0, 13 ] enthalten sind. Ausserdem ist 23 + 13 Cn eine disjunkte Vereinigung von 2n−1 abgeschlossenen Intervallen der L¨ ange 3−n , die in [ 23 , 1] enthalten sind. Deshalb besteht Cn+1 = ( 13 Cn ) ∪ 2 1 n ( 3 + 3 Cn ) aus 2 disjunkten, abgeschlossenen Intervallen der L¨ ange 3−n . n−1 Somit gibt es Zahlen ak , bk , k = 1, . . . , 2 , mit 0 = a1 < b1 < a2 < b2 < a3 < · · · < a2n−1 < b2n−1 = 1 und n−1 2! Cn = [ak , bk ] k=1
Nun w¨ ahlen wir als Partition
P = {a1 , b1 + $, a2 − $, b2 + $, a3 − $, . . . , b2n−1 −1 + $, a2n−1 − $, b2n−1 } Weil C ⊆ Cn gilt, folgt sup x∈[ak −!,bk +!]
Damit folgt f¨ ur die Obersumme
χC (x) ≤ 1
sup
χC (x) = 0
x∈[bk +!,ak −!]
OS P (χC ) ≤ 2n−1 (3−n+1 + 2$)
Da wir $ < 12 3−n+1 w¨ahlen k¨ onnen, folgt
OS P (χC ) ≤ 2
* +n−1 2 3
!
Beispiel 12 Zu jedem $ > 0 gibt es eine Teilmenge A von [0, 1], die nirgends dicht und perfekt ist und die λ(A) > 1 − $ erf¨ ullt. Es ist sehr einfach, eine Teilmenge A von [0, 1] zu konstruieren, die nirgends dicht und abgeschlossen ist und die λ(A) > 1 − $ erf¨ ullt. Dies sind auch die Eigenschaften, die wir sp¨ater in den Anwendungen benutzen. Wir betrachten eine Abz¨ahlung xn , n ∈ N, der rationalen Zahlen in [0, 1]. Wir setzen B=
∞ 8 !
n=1
xn −
$ $9 , x + n 2n 2n
und dann ist die gesuchte Menge A = [0, 1] ∩ B c . Beweis. Dieselbe Konstruktion wie der Cantormenge. ! Beispiel 13 (i) Es sei A eine Lebesgue messbare Menge mit λ(A) > 0. Dann gibt es f¨ ur jedes $ > 0 ein offenes Interval I, so dass λ(A ∩ I) ≥ (1 − $)λ(I) (ii) Es sei A eine Lebesgue messbare Menge. Es existiere eine Konstante c > 0, so dass f¨ ur alle Intervalle I die Absch¨ atzung λ(A ∩ I) ≥ cλ(I) gilt. Dann ist Ac eine Nullmenge. (iii) Es sei A eine Lebesgue messbare Menge mit λ(A) > 0. Dann gibt es ein offenes Intervall, das 0 enth¨alt und das in der Differenzmenge A − A enthalten ist.
62
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Beweis. (i) Falls λ(A) = ∞, dann w¨ahlen wir I = R. Wir betrachten nun den Fall λ(A) < ∞. Außerdem k¨onnen wir annehmen, dass $ ≤ 1. Nach Satz ?? gibt es zu jedem δ Intervalle Ii , i = 1, . . . , n, so dass % ' n ! λ A: Ii < δ. i=1
Außerdem k¨onnen wir annehmen, dass die Intervalle disjunkt sind. Wir w¨ahlen δ = 1 $λ(A). Damit folgt 4 1 $λ(A) 4
%
> λ A:
n !
Ii
i=1
und, weil $ ≤ 1, λ
%
n !
Ii
i=1
'
'
≥ λ(A) − λ
%
n !
Ii
i=1
'
≥ 34 λ(A)
Da die Intervalle paarweise disjunkt sind, folgt % ' % ' % ' n n n n n & ! ! ! & λ(A ∩ Ii ) = λ A ∩ Ii = λ A ∪ Ii − λ A: Ii ≥ λ(Ii ) − δ. i=1
i=1
i=1
i=1
i=1
Falls es ein i mit λ(A ∩ Ii ) ≥ (1 − $)λ(Ii ), dann sind wir fertig. Falls f¨ ur alle i = 1, . . . , n die Ungleichung λ(A ∩ Ii ) ≤ (1 − $)λ(Ii ) gilt, so erhalten wir (1 − $)
n & i=1
λ(Ii ) ≥
n & i=1
bzw. δ≥$ Damit erhalten wir λ
%
n !
i=1
Ii
'
=
λ(A ∩ Ii ) ≥
n &
n & i=1
λ(Ii ) − δ
λ(Ii )
i=1
n & i=1
λ(Ii ) ≤ 14 λ(A)
was nicht sein kann. (ii) Falls Ac keine Nullmenge ist, so gibt es nach (i) zu jedem $ > 0 ein Intervall I mit λ(Ac ∩ I) ≥ (1 − $)λ(I). Es folgt, dass λ(A ∩ I) ≤ $λ(I). (iii) Es gilt x ∈ A − A, falls A ∩ (x + A) += ∅. Da wir mit A selbst schlecht rechnen k¨onnen, ”approximieren” wir einen Teil von A durch ein Intervall. Nach (i) gibt es ein Intervall I mit λ(A ∩ I) ≥ (1 − $)λ(I). Weiter gilt λ((A ∩ I) ∪ (x + (A ∩ I))) = λ(A ∩ I) + λ(x + (A ∩ I)) − λ((A ∩ I) ∩ (x + (A ∩ I))) bzw. λ((A ∩ I) ∩ (x + (A ∩ I))) = λ(A ∩ I) + λ(x + (A ∩ I)) − λ((A ∩ I) ∪ (x + (A ∩ I))).
2.6. LEBESGUE MASS AUF R
63
Hieraus folgt λ(A ∩ (x + A))
≥ λ((A ∩ I) ∩ (x + (A ∩ I))) ≥ 2(1 − $)λ(I) − λ(I ∪ (x + I)).
Da λ(I ∪ (x + I)) ≤ λ(I) + |x| folgt λ(A ∩ (x + A)) ≥ 2(1 − $)λ(I) − λ(I) − |x| = (1 − 2$)λ(I) − |x|. Dies bedeutet, dass δ ∈ A − A gilt, falls |x| < (1 − 2$)λ(I). ! Beispiel 14 Es sei B eine algebraische Basis des Vektorraumes der reellen Zahlen R u ¨ber dem K¨ orper Q. Die Menge B sei Lebesgue-messbar. Dann ist B eine Nullmenge. Im Beweis zu Beispiel 17 sehen wir, dass es eine algebraische Basis von R gibt, deren Lebesguemaß 0 ist. Es gibt auch Hamel-Basen von R, die nicht Lebesgue-messbar sind. Beweis. Wir nehmen an, dass B keine Nullmenge ist, also λ(B) > 0. Dann gilt nach Lemma, dass die Menge B − B ein Intervall (−$, $) enth¨alt. Wir betrachten ein b1 ∈ B und w¨ahlen einen Koeffizienten β1 ∈ Q mit β1 += 0 und β1 += 1, so dass β1 b1 ∈ (−$, $). Deshalb gibt es b2 und b3 von B, so dass b2 − b3 = β1 b1 , bzw. β1 b1 − b2 + b3 = 0. Damit sind b1 , b2 und b3 linear abh¨angig. Wir wissen wegen b2 − b3 = β1 b1 , dass b2 += b3 . Es kann nicht sein, dass b1 von b2 und b3 verschieden ist, weil die drei Vektoren linear abh¨angig sind. Nehmen wir also an, dass b1 = b2 . Dann gilt (β1 − 1)b2 + b3 = 0. Da β1 += 1, folgt b2 = b3 , was nicht wahr ist. ! Beispiel 15 Es sei B eine algebraische Basis des Vektorraumes der reellen Zahlen R u ¨ber dem K¨ orper Q. Dann ist jede Hyperebene, d.h. jeder Teilraum von R mit der Kodimension 1 nicht Lebesgue-messbar. Beweis. Es sei H ein Teilraum der Kodimension 1. Dann gibt es einen Vektor x, so dass ! R = {qx + H|q ∈ Q} = (qx + H). q∈Q
Die Mengen qx + H, q ∈ Q, sind paarweise disjunkt. Falls es n¨amlich ein y ∈ R mit y = q1 x + h1 = q2 x + h2 gibt, dann (q2 − q1 )x = h1 − h2 . Falls q1 += q2 , dann gilt x ∈ H, was nicht wahr ist.
64
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS Da die Mengen qx + H paarweise disjunkt sind, folgt & λ (qx + H) . ∞ = λ(R) = q∈Q
Nach Lemma gilt f¨ ur alle y ∈ R die Gleichung λ(H) = λ(y + H). Deshalb muss λ(H) > 0 gelten. Nach Lemma gibt es ein Intervall (−$, $), das in H − H enthalten ist. Wegen H − H = H folgt (−$, $) ⊆ H. Deshalb finden wir ein q += 0, so dass qx ∈ H. Dies widerspricht der linearen Unab¨angigkeit. ! Beispiel 16 Es sei B eine algebraische Basis des Vektorraumes der reellen Zahlen R u ¨ber dem K¨ orper Q. Dann ist die Menge B keine analytische Menge und insbesondere keine Borel-Menge.
Beweis. Es sei B eine Basis und B " die Menge, die wir erhalten, wenn wir einen bestimmten Basisvektor entfernen. B " ist also Basis f¨ ur einen Teilraum von R mit der Codimension 1. Wir nehmen nun an, dass B eine analytische Menge ist. Dann ist auch B " eine analytische Menge. Es sei Bk die Menge aller ri ∈ Q, ri += 0, bi ∈ B"
r1 b 1 + · · · + r k b k
# Es gilt B1 = r∈Q,r*=0 rB" und diese Menge ist auch analytisch. Es folgt weiter, dass auch Bi analytische Mengen sind. Weiter folgt, dass ! Bi i∈N
analytisch ist. Diese Menge ist aber ein Teilraum von R mit der Codimension 1. Nach Lemma ?? ist eine solche Menge nicht Lebesgue-messbar, also insbesondere nicht analytisch. ! Im Beweis des folgenden Beispiel weisen wir auch nach, dass es eine Hamel-Basis von R gibt, die das Lebesgue-Maß 0 hat. Beispiel 17 Es gibt eine Lebesgue messbare Teilmenge A der reellen Zahlen, so dass die Differenzmenge A − A nicht Lebesgue messbar ist. Beweis. Es sei B eine algebraische Basis des Vektorraumes der reellen Zahlen R u ¨ber dem K¨orper Q. Wir fordern ausserdem, dass B als Menge in der Cantor Menge enthalten ist. Damit gilt insbesondere λ(B) = 0. Wir weisen nach, dass es eine solche Basis gibt. Wir w¨ahlen in C eine maximale, linear unabh¨angige Teilmenge B. Nach dem Auswahlaxiom bzw. dem Lemma von Zorn existiert eine solche Menge. Jedes Element der Menge C l¨asst sich als endliche Linearkombination von Vektoren aus B darstellen. Wir pr¨ ufen dies nach. Wir nehmen an, dies sei nicht so. Dann gibt es eine Zahl c ∈ C, die sich nicht als Linearkombination von Vektoren aus B schreiben l¨asst.
2.6. LEBESGUE MASS AUF R
65
Dann ist die Menge {c} ∪ B linear unabh¨angig, was der Maximalit¨at von B widerspricht. Es gelte n & qk b k = 0 q0 c + k=1
Falls q0 = 0, dann sind auch die anderen Koeffizienten gleich 0, weil B linear unabh¨angig ist. Falls q0 += 0, dann gilt n 1 & qk b k c=− q0 k=1
im Widerspruch zur Annahme. Da aber nach Lemma C − C = [−1, 1] gilt, kann man auch jede Zahl in [−1, 1] als Linearkombination von Elementen aus B darstellen. Hieraus folgt, dass man jede Zahl in R als Linearkombination von Vektoren in B darstellen kann. Wir definieren ! S= qB q∈Q
Es gilt λ(S) = 0, weil λ(B) = 0. λ(B) = 0, weil B ⊂ C. Ausserdem gilt S = −S. Wir setzen nun S1 = S und Sn+1 = Sn + Sn Man leicht sieht, dass Sn aus allen Vektoren der Form n−1 2&
qk b k
k=1
qk ∈ Q b k ∈ B
besteht. Insbesondere gilt Sn = −Sn . Wir zeigen, dass eine der Mengen Sn nicht messbar ist. Wir nehmen dazu an, dass dies nicht so sei. Dann gibt es ein n0 , so dass λ(Sn0 ) > 0. Wir pr¨ ufen dies nach. Es gilt ∞ ! R= Sn n=1
weil B eine Basis von R u ¨ber dem K¨orper Q ist. Weiter gilt ' %∞ ∞ ! & Sn ≤ λ(Sn ) ∞ = λ(R) = λ n=1
n=1
Also muss es ein n0 geben, so dass λ(Sn0 ) > 0. Damit enth¨alt Sn0 +1 = Sn0 +Sn0 = Sn0 −Sn0 nach Beispiel ein offenes Intervall (−$, $). Wir w¨ahlen nun N0 > 2n0 und qk ∈ Q
mit
$ $ ≤ qk < 2N0 N0
k = 1, 2, . . .
Es seien bk , k = 1, . . . , N0 , Basisvektoren der Basis B. Da B ⊂ C gilt, folgt ,N , N0 0 ,& , & , , qk b k , ≤ |qk bk | < $ , , , k=1
k=1
66
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Daraus folgt N0 & k=1
qk bk ∈ (−$, $) ⊂ Sn0 +1
Da andererseits N0 > 2n0 gilt und f¨ ur alle k = 1, . . . , N0 die Ungleichung qk += 0 gilt, folgt N0 & k=1
qk b k ∈ / Sn0 +1
Es folgt, dass nicht alle Mengen Sn messbar sind. Wir w¨ahlen das kleinste n, so dass Sn nicht messbar ist. Da S1 messbar ist, gilt n > 1. ! ur alle Beispiel 18 Es gibt eine Teilmenge A von [0, 1], die Fσ -Menge ist, und so dass f¨ offenen Teilmengen U von [0, 1] die Ungleichungen λ(A ∩ U ) > 0
λ(Ac ∩ U ) > 0
und
gelten. Beweis. Es sei In , n ∈ N, eine Abz¨ahlung der abgeschlossenen Intervalle, die in [0, 1] enthalten sind, deren Endpunkte rationale Zahlen sind und die nicht nur aus einem Punkt bestehen. Wir w¨ahlen eine nirgends dichte, perfekte Teilmenge A1 von I1 , die positives Maß hat (Beispiel). Nun w¨ahlen wir eine Teilmenge B1 von I1 \ A1 , die nirgends dicht, perfekt ist und die positives Maß hat. Wenn wir A1 , . . . , An , B1 , . . . , Bn gew¨ahlt haben, dann w¨ahlen wir An+1 und Bn+1 wie folgt. Die Menge In \ (A1 ∪ · · · ∪ An ∪ B1 ∪ · · · ∪ Bn ) enth¨alt ein Intervall: Die Menge A1 ∪ · · · ∪ An ∪ B1 ∪ · · · ∪ Bn ist endliche Vereinigung von abgesclossenen Mengen und damit abgeschlossen. Außerdem enth¨alt diese Menge keine inneren Punkte. Deshalb gibt es einen Punkt x ∈ In , der nicht in A1 ∪· · ·∪An ∪B1 ∪· · ·∪Bn enthalten ist. Da die Menge A1 ∪ · · · ∪ An ∪ B1 ∪ · · · ∪ Bn abgeschlossen ist gibt es eine Umgebung [x − δ, x + δ] von x, die einen leeren Schnitt mit dieser Menge hat. Deshalb finden wir eine Teilmenge An+1 von [x − δ, x + δ], die in dieser Menge enthalten ist, die nirgends dicht, perfekt ist und die positives Maß hat. Ebenso finden wir in In \ (A1 ∪ · · · ∪ An+1 ∪ B1 ∪ · · · ∪ Bn ) eine solche Teilmenge Bn+1 . Die gesuchte Menge ist A=
∞ !
An .
n=1
λ(U ∩ A) > 0, weil U ein Intervall mit rationalen Endpunkten enth¨alt und in diesem eine der Mengen An enthalten ist. λ(U ∩ Ac ) > 0, weil U ein Intervall mit rationalen Endpunkten enth¨alt und in diesem eine der Mengen Bn enthalten ist. !
2.6. LEBESGUE MASS AUF R
67
Die von einer Familie E von Mengen erzeugte σ-Algebra hatten wir als den Durchschnitt aller σ-Algebren eingef¨ uhrt, die E enthalten. Das folgende Lemma liefert eine andere Sicht einer erzeugten σ-Algebra. Es liefert den Konstruktionsplan einer solchen σ-Algebra. Wir gehen schrittweise vor. Zu der von E erzeugten σ-Algebra geh¨oren alle Komplemente von Mengen in E. Diese nehmen wir hinzu und nennen die neue Familie E1 . Dann nehmen wir alle abz¨ahlbaren Vereinigungen von Mengen in E1 und deren Komplemente. Die neue Familie nennen wir E2 . Diesen Prozess iterieren wir. Die Frage ist, wie h¨aufig m¨ ussen wir iterieren? Lemma 27 Es sei Ω die Menge der abz¨ ahlbaren Ordinalzahlen und X eine Menge. E sei eine Familie von Teilmengen von X. Wir setzen E1 = E ∪ {E c |E ∈ E} und f¨ ur α ∈ Ω (i) ist Eα die Familie der abz¨ ahlbaren Vereinigungen von Mengen in Eβ und Komplemente dieser Mengen, falls β der unmittelbare Vorg¨ anger von α ist. (ii) ! Eα = Eβ β<α
falls α keinen unmittelbaren Vorg¨ anger hat. Dann ist !
Eα
α∈Ω
die von E erzeugte σ-Algebra.
Beweis. Es bezeichne A die von E erzeugte σ-Algebra. Wir zeigen, dass f¨ ur alle α ∈ Ω Eα ⊆ A gilt. Dies zeigen wir mit transfiniter Induktion. Es sei J die Teilmenge aller α von Ω, so dass Eα ⊆ A. Weiter sei Iβ = {α ∈ Ω|α < β} ⊆ J. Offensichtlich gilt E1 ⊆ A. Falls β keinen unmittelbaren Vorg¨anger hat, so folgt sofort ! Eβ = Eα ⊆ A α<β
Falls β einen unmittelbaren Vorg¨anger β − 1 hat, so sind abz¨ahlbare Vereinigungen von Mengen in Eβ−1 in der σ-Algebra A enthalten. Ebenso deren Komplemente. Also gilt Eβ ⊆ A bzw. β ∈ J. Mit dem Prinzip der transfiniten Induktion folgt f¨ ur alle α ∈ Ω, dass Eα ⊆ A, bzw. ! Eα ⊆ A #
α∈Ω
Wir weisen nun nach, dass α∈Ω Eα eine σ-Algebra ist. Falls A ∈ α0 ∈ Ω mit A ∈ Eα0 . Dann gilt Ac ∈ Eα0 und damit ! Eα Ac ∈
#
α∈Ω
Eα , so gibt es ein
α∈Ω
Nun sei Aj ∈ j ∈ N, so dass
#
α∈Ω
Eα , j ∈ N, eine Folge von Mengen. Dann gibt es eine Folge αj ∈ Ω, Aj ∈ Eαj
j∈N
68
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Nach Lemma hat jede abz¨ahlbare Teilmenge von Ω eine obere Schranke. Also hat die ur alle j ∈ N Folge αj , j ∈ N, eine obere Schranke β. Also gilt f¨ Aj ∈ Eβ Hieraus folgt
∞ !
j=1
Aj ∈ Eβ+1
wobei β + 1 den unmittelbaren Nachfolger von β bezeichnen soll. Ein solcher Nachfolger existiert immer, es ist das minimale Element der Menge {x|x > β}. Die Menge {x|x > β} kann nicht leer sein, weil Ω u ¨berabz¨ahlbar ist. ! Korollar 2 (i) Die M¨achtigkeit der Borel σ-Algebra BR ist gleich der des Kontinu- ums. (ii) Die M¨achtigkeit der Lebesgue σ-Algebra L ist gleich der M¨ achtigkeit der Potenzmenge des Kontinuums. Beweis. (i) Da die Intervalle (0, x) in BR enthalten sind, ist die M¨achtigkeit gr¨oßer oder gleich der des Kontinuums. Wir wollen nun zeigen, dass die M¨achtigkeit von BR kleiner oder gleich der von R ist. Nach Lemma gilt ! Eα BR = α∈Ω
wobei wir als E1 die Menge aller offenen Intervalle und ihrer Komplemente w¨ahlen. Damit gilt card(E1 ) = card(R). Wir zeigen nun mit transfiniter Induktion, dass f¨ ur alle α ∈ Ω card(Eα ) = card(R) gilt. Es sei J die Menge aller α, so dass card(Eα ) = card(R) und Iβ ⊆ J. Falls β keinen unmittelbaren Vorg¨anger hat, gilt ! Eα Eβ = α<β
Da Ω die Menge der abz¨ahlbaren Ordinalzahlen ist, ist die Menge {α|α < β} abz¨ahlbar. Die Kardinalit¨at der Mengen Eα , α < β, ist gleich der von R. Deshalb gibt es surjektive Abbildungen φ von N nach {α|α < β} und ψα von R nach Eα . Die Abbildung von N × R # nach α<β Eα , die einem Element (n, x) das Element ψφ(n) (x) zuordnet, ist surjektiv. Somit card(Eβ ) = card(R) Also gilt β ∈ J. Falls β einen unmittelbaren Vorg¨anger β − 1 hat, so gilt card(Eβ−1 ) = card(R). Da Eβ aus allen Mengen besteht, die abz¨ahlbare Vereinigung von Mengen in Eβ−1 oder deren Komplemente sind, so folgt card(Eβ ) = card(R)
2.6. LEBESGUE MASS AUF R
69
Insgesamt erhalten wir, dass β ∈ J. Nach dem Prinzip der transfiniten Induktion folgt damit J = Ω. Da card(Ω) ≤ card(R) gilt, gibt es eine surjektive Abbildung von R2 nach # α∈Ω Eα . Es folgt % ' ! Eα ≤ card(R2 ) = card(R) card(BR ) = card α∈Ω
(ii) Da die Cantor Menge eine Nullmenge ist, ist auch jede Teilmenge eine Nullmenge, also insbesondere Lebesgue messbar. Die M¨achtigkeit der Cantor Menge ist gleich der des Kontinuums. Also ist die M¨achtigkeit aller Teilmengen der Cantor Menge gleich der der Potenzmenge des Kontinuums. ! Beispiel 19 Siehe die Konstruktion in [Dud] einer nicht Lebesgue-messbaren Menge.
70
2.7
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Das Banach-Tarski Paradoxon
Das Banach-Tarski Paradoxon besagt, dass man die Euklidische Einheitskugel im R3 so in endliche viele Teile zerlegen kann, dass sich die Teile nach geeigneter Rotation zu zwei Kugeln desselben Radius zusammensetzen lassen. Dies erscheint uns paradox, weil Rotationen volumenerhaltend sind, wir aber letztlich das Volumen verdoppeln. Dieses ist nur m¨oglich, wenn die ausgew¨ahlten Teile der Kugel nicht messbar sind. Insofern ist es auch nicht u ¨berraschend, dass wir entscheidend das Auswahlaxiom bei der Konstruktion verwenden. Außerdem benutzen wir bei der Konstruktion des Paradoxons, dass SO3 eine freie, nichtabelsche Untergruppe vom Rang 2 enth¨alt. Da SO1 und SO2 keine solche Untergruppe besitzen, l¨asst sich diese Konstruktion nicht in R oder R2 durchf¨ uhren. Es seien X eine Menge und G eine Gruppe von Abbildungen von X nach X. Wir sagen, dass G auf X operiert, falls f¨ ur alle g, h ∈ G und alle x ∈ X g(h(x)) 1(x)
= (gh)(x) =x
gelten, wobei 1 das Einselement der Gruppe G bezeichnet. Eine Teilmenge E einer Menge X, auf der eine Gruppe G operiert, heisst G-paradox, falls es n, m ∈ N und Teilmengen A1 , . . . , An und B1 , . . . , Bm von E und g1 , . . . , gn ∈ G und h1 , . . . , hm ∈ G gibt, so dass E=
n !
gi (Ai )
i=1
A i ∩ A" Bj ∩ Bk Ai ∩ Bj
=
m !
hj (Bj )
j=1
=∅ =∅ =∅
i += & j += k 1≤i≤n 1≤j≤m
gilt. Falls X ein metrischer Raum ist und G die Gruppe der Isometrien auf X, dann sagen wir, dass E paradox ist. Diese Definition zielt genau auf das Banach-Tarski Paradoxon. Man stelle sich vor, dass X = E = B23 und G die Gruppe der Drehungen sei. Es sei M eine (endliche) Menge. Ein Wort ist eine endliche Folge von Elementen aus M . Das leere Wort e soll die Folge sein, sie kein Element enth¨alt. Als Verkn¨ upfung zwischen zwei Worten definieren wir (σ1 . . . σn )(τ1 . . . τm ) = (σ1 . . . σn τ1 . . . τm ) e(σ1 . . . σn ) = (σ1 . . . σn )e = (σ1 . . . σn ) Zu einer Menge M assoziieren wir eine Menge M −1 , die genauso viele Elemente besitzt wie M , wir ordnen jedem Element σ von M genau ein Element von M −1 zu, das wir mit σ −1 bezeichnen und das zu σ inverse Element nennen. Wir betrachten nun alle Worte der Menge M = M ∪ M −1 . Wir sagen, dass wir ein Wort reduzieren, wenn wir zwei unmittelbar benachbarte Folgenelemente streichen, die zu einander invers sind. Wir sagen, dass ein Wort reduziert ist, wenn wir es nicht weiter reduzieren k¨onnen.
2.7. DAS BANACH-TARSKI PARADOXON
71
Lemma 28 Jedes Wort hat genau eine reduzierte Form. Beweis. Wir benutzen Induktion nach der L¨ange n des Wortes. Das einzige Wort der L¨ange 0 ist das leere Wort und es idt in reduzierter Form. Ebenso sind alle Worte der L¨ange 1 in reduzierter Form. Wir machen nun den Induktionsschritt und nehmen an, dass alle Worte der L¨ange n eine eindeutige reduzierte Form haben. Es sei w ein Wort der L¨ange n + 1. Falls w in reduzierter Form ist, dann ist diese offenbar eindeutig. Es sei w nicht in reduzierter Form. Dann gibt es zwei Elemente φ und φ−1 , die unmittelbar aufeinander folgen, also w = . . . φφ−1 . . . oder w = . . . φ−1 φ . . . . Wir wollen nun zeigen, dass wir jede reduzierte Form von w erhalten k¨onnen, wenn wir φφ−1 bzw. φ−1 φ zuerst streichen. Nach dem Streichen ist w aber auf die L¨ange n − 1 reduziert und besitzt nach Induktionsvoraussetzung eine eindeutige reduzierte Form. Es folgt das w nur eine einzige reduzierte Form besitzt. Falls wir eine reduzierte Form von w dadurch erhalten, dass wir das Paar φφ−1 bzw. φ−1 φ streichen, dann k¨onnen wir es auch als erstes Paar streichen. Falls das Paar φφ−1 bzw. φ−1 φ nicht gestrichen wird, dann muss w = . . . φφ−1 φ . . .
oder
w = . . . φ−1 φφ−1 . . .
gelten und es wird beim Reduzieren ein Paar gestrichen, dem ein Element des urspr¨ unglichen Paares angeh¨ort. Tats¨achlich spielt es keine Rolle, welches Paar wir streichen, das Ergebnis ist dasselbe. Somit k¨onnen wir annehmen, das wir im Laufe des Reduzierens unser urspr¨ ungliches Paar streichen. Diesen Fall hatten wir aber bereits behandelt. ! Wir sagen, dass zwei Worte a¨quivalent sind, wenn sie dieselbe reduzierte Form besitzen. ¨ Dies ist eine Aquivalenzrelation. Lemma 29 Produkte von a¨quivalenten Worten sind a¨quivalent. Beweis. Es seien w und w" ¨aquivalent und v und v " ¨aquivalent. Ausserdem sei w0 die reduzierte Form von w und w" und v0 die von v und v " . Dann k¨onnen wir das Produkt von wv so reduzieren, dass wir w0 v0 erhalten. Genauso reduzieren wir w" v " auf w0 v0 . Weiteres Reduzieren liefert in beiden F¨allen dieselbe reduzierte Form. ! ¨ Als Verkn¨ upfung zwischen zwei Aquivalenzklassen von Worten definieren wir [(σ1 . . . σn )][(τ1 . . . τm )] = [(σ1 . . . σn τ1 . . . τm )] [e][(σ1 . . . σn )] = [(σ1 . . . σn )][e] = [(σ1 . . . σn )] ¨ Lemma 30 Die Menge F der Aquivalenzklassen von Worten mit der induzierten Verkn¨ upfung ist eine Gruppe. Wir nennen dies Gruppe eine freie Gruppe. Ihr Rang ist die Anzahl der Elemente der Ausgangsmenge M . Lemma 31 Es sei F eine freie Gruppe vom Rang 2, die auf sich selbst durch Linksmultiplikation operiert. Dann ist F F -paradox.
72
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
In diesem Lemma stellen wir sicher, dass es in freien Gruppen vom Rang 2 genau eine solche Zerlegung gibt, die wir suchen. Ein weiteres Lemma wird zeigen, dass es in SO3 eine Untergruppe gibt, die eine freie Gruppe vom Rang 2 ist. Beweis. Es seien σ und τ Erzeuger von F . Es sei ρ ∈ {σ, σ −1 , τ, τ −1 } und W (ρ) sei die Menge der Worte, deren Darstellung durch σ, σ −1 , τ, τ −1 links mit ρ beginnt. Dann gilt F = {1} ∪ W (σ) ∪ W (σ −1 ) ∪ W (τ ) ∪ W (τ −1 ) Alle diese Mengen sind paarweise disjunkt und es gilt F = W (σ) ∪ σ(W (σ −1 ))
F = W (τ ) ∪ τ (W (τ −1 ))
und
σ(W (σ −1 )) enth¨alt alle Folgen, die links mit σ −1 , τ oder τ −1 anfangen. ! Lemma 32 Es sei X eine Menge und G eine Gruppe, die auf X operiert. G sei Gparadox und jedes g ∈ G, das von der Identit¨ at verschieden ist, besitze keinen Fixpunkt. Dann ist X G-paradox. Insbesondere ist X F -paradox, falls F eine freie Gruppe vom Rang 2 ohne nichttrivialen Fixpunkt ist.
Dieses Lemma zeigt, dass die Kugel paradox zerlegbar ist, falls wir die Gruppe der Drehungen paradox zerlegen k¨onnen. Im folgenden Beweis wird eine Menge M konstruiert. Wir verfahren dabei genauso wie bei der Konstruktion einer nicht Lebesgue messbaren Menge. Beweis. Es seien A1 , . . . , An , B1 , . . . , Bm ⊆ G und g1 , . . . , gn , h1 , . . . , hm ∈ G, so dass G=
n !
gi (Ai ) =
i=1
m !
hj (Bj )
j=1
Wir sagen, dass x und y ¨aquivalent sind x ∼ y, falls es ein g ∈ G mit x = g(y) gibt. Es ¨ liegt eine Aquivalenzrelation vor, weil G eine Gruppe ist. Nach dem Auswahlaxiom gibt ¨ es eine Menge M , die aus jeder Aquivalenzklasse genau ein Element enth¨alt. Damit gilt ! X = g(M ) g∈G
g(M ) ∩ h(M )
=∅
falls g += h
¨ Die erste Gleichung gilt, da sich in M je ein Element aus jeder Aquivalenzklasse befindet. Wir pr¨ ufen nun die Disjunktheit nach. Wir nehmen an, dass es x, y ∈ M gibt, so dass g(x) = h(y). Hieraus folgt, dass h−1 g(x) = y Damit gilt x ∼ y. Dies kann nur sein, falls x = y gilt, weil M nur genau ein Element aus ¨ jeder Aquivalenzklasse enth¨alt. Falls x = y, dann gilt h−1 g(x) = x und x ist ein Fixpunkt −1 der Abbildung h g, die verschieden von der Identit¨at ist.
2.7. DAS BANACH-TARSKI PARADOXON
73
Nun setzen wir # A∗i = g∈Ai g(M ) # Bj∗ = g∈Bj g(M )
Es gelten
i = 1, 2, . . . , n j = 1, 2, . . . , m
A∗i ∩ A∗" = ∅ i += & ∗ ∗ Bj ∩ Bk = ∅ j += k ∗ ∗ Ai ∩ Bj = ∅ n m ! ! ∗ gi (Ai ) = hj (Bj∗ )
X=
i=1
j=1
Aus g(M ) ∩ h(M ) = ∅ f¨ ur g += h, folgt sofort ! ! g(M ) ∩ h(M ) = ∅ g∈Ai
falls Ai ∩ A" = ∅
h∈A!
Die anderen F¨alle der Disjunktheit werden genauso nachgewiesen. ' % n n n ! ! ! ! ! ∗ gi (Ai ) = gi g(M ) = gi g(M ) i=1
i=1
i=1 g∈Ai
g∈Ai
=
n !
i=1
!
!
g∈gi (Ai )
g(M ) =
!
g(M ) = X
g∈G
Lemma 33 Es seien
φ=
1 3 √
2 2 3
0
√ −232 0 1 0 3 0 1
1 0 ψ= 0
0 1 3 √
2 2 3
0√
−232 1 3
In der Gruppe SO3 aller orthonalen 3 × 3-Matrizen mit Determinante 1 erzeugen φ und ψ eine freie Gruppe vom Rang 2. Beweis.
φ−1 =
1 3√ −232
0
√ 2 2 3 1 3
0
0 0 1
ψ −1
1 0 1 0 = 3√ 0 −232
0
√
2 2 3 1 3
Wir wollen nun zeigen, dass von φ und ψ eine freie Gruppe erzeugt wird. Die Abbildung, ¨ die einer Aquivalenzklasse von Folgen die Matrix zuordnet, die das Produkt der Matrizen ergibt, ist bijektiv. Man sieht leicht, dass die Abbildung wohldefiniert ist. Hierzu ist zu zeigen, dass zwei Produkte a1 · · · an und b1 · · · bm , die in reduzierter Form sind, nur dann dieselbe Matrix darstellen, wenn sie gleich sind. Wir nehmen an, dies sei nicht so.
74
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Dann gilt a1 · · · an = b1 · · · bm . Wir k¨onnen annehmen, dass a1 += b1 . Falls sie gleich sind, so multiplizeren wir beide Produkte von links mit a−1 onnen wir so lange 1 . Dies k¨ wiederholen, bis wir zwei Elemente erreichen, die verschieden sind. Zwei solche Elemente muss es geben, weil wir angenommen hatten, dass die Produkte verschieden sind. Damit ist −1 b−1 m · · · b 1 a1 · · · a n = e in reduzierter Form. Es reicht also zu zeigen, dass ein Element nur dann gleich der Identit¨at ist, wenn die reduzierte Form die leere Folge ist. Dies wollen wir nun nachweisen. Wir nehmen an, dass es ein Produkt w gibt, das in reduzierter Form ist, ungleich der leeren Folge ist und die identische Matrix darstellt. Wir u ¨berlegen uns, dass wir annehmen −1 k¨onnen, dass w rechts mit φ oder φ endet. Falls es rechts mit ψ oder ψ −1 endet, dann multiplizieren wir w von rechts mit φ und von links mit φ−1 . Da die urspr¨ ungliche Matrix die Identit¨at war ist, die Matrix nach der Multiplikation immer noch die Identit¨at. Wir k¨onnen also annehmen, dass w rechts mit φ oder φ−1 endet. Wir zeigen nun, dass es f¨ ur ein Element w der L¨ange n, das rechts mit φ oder φ−1 endet, Zahlen k, &, m ∈ Z gibt, so dass & nicht durch 3 teilbar ist und √ w((1, 0, 0)) = 3−n (k, & 2, m). √ Hieraus folgt sofort, dass w nicht die Identit¨at sein kann, weil & 2 += 0. Wir weisen nun die Behauptung nach. Dies geschieht durch Induktion u ¨ber die L¨ange ur w((1, 0, 0)) von w. Falls die L¨ange 1 ist, so gilt w = φ oder w = φ−1 und wir erhalten f¨ √ √ 1 1 (1, 2 2, 0) oder (1, −2 2, 0) 3 3 Der Fall n = 2 wird genauso behandelt. Wir nehmen nun an, dass w die L¨ange n + 1 besitzt, also von der Form w = φw" , w = φ−1 w" , w = ψw" oder w = ψ −1 w" ist, wobei w" die L¨ange n hat und rechts mit φ oder φ−1 endet. Deshalb gibt es Zahlen k " , &" , m" ∈ Z, so dass &" nicht durch 3 teilbar ist und √ w" ((1, 0, 0)) = 3−n (k " , &" 2, m" ) Falls w = φw"
√ k√" k " − 4l" √ −232 0 √ 1 1 1 0 n &" 2 = n+1 k " 2 2 + &" 2 3 3 3 m" 3m" 0 1
1 3 √
2 2 3
0
und falls w = ψw"
1 0 0
0 1 3 √
2 2 3
0√
−232 1 3
" k√" 3k √ √ 1 &" 2 = 1 &" 2 − m" 2 2 n n+1 3 3 m" 4&" + m"
Die anderen beiden F¨alle werden genauso behandelt. Wir zeigen jetzt, dass & nicht durch 3 teilbar ist. Wir k¨onnen w wie folgt darstellen: φψv, φψ −1 v, φ−1 ψv, φ−1 ψ −1 v, ψφv, ψφ−1 v, ψ −1 φv, ψ −1 φ−1 v, φφv, φ−1 φ−1 v, ψψv und
2.7. DAS BANACH-TARSKI PARADOXON
75
ψ −1 ψ −1 v, wobei v rechts mit φ oder φ−1 endet. Dann gibt es Zahlen k "" , &"" , m"" ∈ Z, so dass &"" nicht durch 3 teilbar ist und √ 1 v((1, 0, 0)) = n−1 (k "" , &"" 2, m"" ) 3 F¨ ur den Fall w = φψv ergibt sich dann. √ 1 2 2 "" 1 0 0√ k − 0 3 3 √ √ 1 0 1 − 2 2 1 &"" 2 2 2 0 3 3 n−1 √ 3 3 3 1 m"" 0 0 1 0 232 3 √ 1 3k "" √ −232 0 3 √ √ 1 1 = 232 0 n &"" 2 − m"" 2 2 3 3 4&"" + m"" 0 0 1 "" "" "" − 4(& − 2m ) 3k √ √ 1 = n+1 k "" 6 2 + (&"" − 2m"" ) 2 3 3(4&"" + m"" )
Die Induktionsannahme besagt, dass f¨ ur
√ ψv(1, 0, 0) = (k " , &" 2, m" )
gilt: &" ist nicht durch 3 teilbar. Also ist &" = &"" − 2m"" nicht durch 3 teilbar. Andererseits ist 6k "" durch 3 teilbar und somit ist & = k "" 6 + &"" − 2m"" nicht durch 3 teilbar. Genauso werden alle F¨alle φ±1 ψ ±1 v und ψ ±1 φ±1 v behandelt. Wir betrachten nun den Fall φφv. √ √ 1 1 2 2 2 2 "" k√ − 0 − 0 3 3 3 3 √ √ 1 1 1 2 2 2 2 0 0 n−1 &"" 2 3 3 3 3 3 m"" 0 0 1 0 0 1 √ 1 2 2 "" "" − 4& k − 0 3 3 √ √ 1 1 2(2k "" + &"" ) = n 232 0 3 3 3m"" 0 0 1 (k "" − 4&"" ) − 4(2k "" + &"" ) √ 1 = n+1 2(2(k "" − 4&"" ) + (2k "" + &"" )) 3 9m"" "" −7k "" − 8&√ 1 = n+1 (4k "" − 7&"" ) 2 3 9m""
Laut Induktionsannahme ist &" = 2k "" +&"" nicht durch 3 teilbar, so ist auch & = 4k "" +2&"" = 4k "" + 2&"" − 9&"" = 4k "" − 7&"" nicht durch 3 teilbar. !
Lemma 34 A sei eine reelle 3 × 3-Matrix. A ist genau dann orthogonal und hat die Determinante 1, wenn es eine Orthonormalbasis gibt, bzgl. der A die Form 1 0 0 0 cos α sin α 0 − sin α cos α f¨ ur ein geeignetes α annimmt.
76
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Das Lemma besagt insbesondere, dass A auf der Euklidischen Sph¨are genau zwei Punkte invariant l¨asst, wenn A nicht die Identit¨at ist. Beweis. A ist normal, d.h. At A = AAt und l¨asst sich deshalb auf diese Form bringen. ! Satz 9 (Hausdorff Paradoxon) Es gibt eine abz¨ ahlbare Teilmenge D von ∂B23 , so dass B23 \ D SO3 -paradox ist. Beweis. Nach Lemma ?? gibt es eine freie Untergruppe F von SO3 , die von zwei unabh¨angigen Rotationen erzeugt wird. F ist abz¨ahlbar. Jedes Element aus F ist eine orthogonale Matrix mit Determinante 1, weil es Produkt von solchen Matrizen ist. Nach Lemma l¨asst eine solche Matrix genau zwei Elemente der Euklidischen Sph¨are invariant, wenn es sich nicht um die identische Matrix handelt. D sei die Menge aller Punkte von ∂B23 , die unter mindestens einem der Elemente von F invariant bleiben. Da F abz¨ahlbar ist, ist auch D abz¨ahlbar. F operiert auf ∂B23 \ D ohne nichttrivialen Fixpunkt. Wir pr¨ ufen dies nach. Dass 3 F auf ∂B2 \ D keine Fixpunkte hat, folgt aus der Definition von D. Wir m¨ ussen noch zeigen, dass F auf ∂B23 \ D operiert, d.h. f¨ ur alle x ∈ ∂B23 \ D und f¨ ur alle g ∈ F g(x) ∈ ∂B23 \ D gilt. Wir nehmen an, dies sei nicht so. Dann gibt es ein x ∈ ∂B23 \ D und ein g ∈ F, so dass g(x) ∈ D. Dann gibt es ein h ∈ F, das verschieden von der Identi¨at ist und das g(x) invariant l¨asst, also h(g(x)) = g(x) bzw. g −1 hg(x) = x Dies bedeutet aber, dass x Fixpunkt von g −1 hg ist und dass g −1 hg nicht die Identit¨at ist (w¨are g −1 hg die Identit¨at, dann m¨ usste h schon die Identit¨at sein). Also x ∈ D. x war aber im Komplement von D gew¨ahlt. Nun k¨onnen wir Lemma anwenden und erhalten, dass ∂B23 \ D F-paradox ist. Insbesondere ist ∂B23 \ D SO3 -paradox ist. ! Es sei G eine Gruppe, die auf der Menge X operiert, und A und B seien Teilmengen von X. Wir sagen, dass A und B bzgl. G gleichteilbar sind, falls A und B in die gleiche Zahl von kongruenten Mengen geteilt werden kann: A=
n !
Ai
und
B=
i=1
n !
Bi
i=1
Ai ∩ Aj = Bi ∩ Bj = ∅
i += j
ur alle i = 1, . . . , n und es gibt g1 , . . . , gn ∈ G, so dass f¨ gi (Ai ) = Bi gilt. Lemma 35 Es sei D eine abz¨ahlbare Teilmenge von ∂B23 . Dann sind ∂B23 und ∂B23 \ D bzgl. SO3 gleichteilbar.(Die Anzahl der verwendeten Teile ist zwei.)
2.7. DAS BANACH-TARSKI PARADOXON
77
Beweis. Wir zeigen zun¨achst, dass es eine Drehung R gibt, so dass D, R(D), R2 (D), . . . paarweise disjunkte Mengen sind. Wir konstruieren R. Es sei & eine Gerade durch den Koordinatenursprung, so dass & ∩ D = ∅. Wir betrachten nun Drehungen Rθ um die Drehachse & um den Winkel θ. Diese Abbildungen haben die Matrixdarstellung 1 0 0 0 cos θ sin θ 0 − sin θ cos θ Die inverse Abbildung zu Rθ ist R−θ . Es gilt {θ|∃n > 0 : D ∩ Rθn (D) += ∅}
= {θ|∃n > 0 ∃x ∈ D : Rθn (x) ∈ D} ∞ ! ! = {θ|Rθn (x) ∈ D} = =
n=0 x∈D ∞ ! !
!
n=0 x∈D y∈D ∞ ! ! ! n=0 x∈D y∈D
{θ|Rθn (x) = y} {θ|Rnθ (x) = y}
Die Menge {θ|Rnθ (x) = y} ist abz¨ahlbar (sie kann auch leer sein). Falls es einen Winkel θ0 mit Rnθ0 (x) = y gibt, dann erf¨ ullen auch die Winkel θ = θ0 + 2 nk π, k ∈ Z, die Gleichung, und dies sind die einzigen Winkel, die die Gleichung erf¨ ullen. Weil die Menge aller Winkel u ¨berabz¨ahlbar ist, gibt es ein ψ mit ψ∈ / {θ|∀n > 0 : D ∩ Rθn (D) = ∅} Es folgt f¨ ur alle n = 1, 2, . . . D ∩ Rψn (D) = ∅
Hieraus folgt f¨ ur alle n = 1, 2, . . . und m = 0, 1, 2, . . . Rψm (D ∩ Rψn (D)) = Rψm (D) ∩ Rψn+m (D) = ∅ Wir zeigen nun, dass ∂B23 ∂B23 \ D
= =
%
∞ !
%n=0 ∞ ! n=1
'
Rψn (D)
'
Rψn (D)
∪ ∪
%
∂B23 \
%
∂B23 \
∞ !
n=0 ∞ ! n=0
'
Rψn (D)
'
Rψn (D)
Die erste Gleichung ist offensichtlich. Die zweite Gleichung gilt, weil die Mengen paarweise disjunkt sind. Dieses sind kongruente Zerlegungen von ∂B23 und ∂B23 \ D, weil %∞ ' ∞ ! ! n Rψ (D) = Rψn (D) Rψ n=0
!
n=1
78
CHAPTER 2. σ-ALGEBRA UND MASS
Satz 10 ∂B23 ist SO3 -paradox. Beweis. Wir wissen, dass ∂B23 \ D SO3 -paradox ist: ∂B23
\D =
m !
gi (Ai ) =
i=1
n !
hj (Bj )
j=1
wobei die Mengen Ai , Bj paarweise disjunkt sind. Nach Lemma sind ∂B23 \ D und ∂B23 gleichteilbar: ∂B23
\D =
k !
C"
und
∂B23
k !
=
"=1
f" (C" )
"=1
Wir setzen A∗i," = Ai ∩ gi−1 (C" )
∗ = Bj ∩ h−1 Bj," j (C" )
Diese Mengen sind paarweise disjunkt. Als Abbildungen w¨ahlen wir ∗ gi," = f" gi
und
h∗j," = f" hj
Da f" , gi und hj bijektiv sind, erhalten wir m,k
!
m,k
f" gi (A∗i," )
=
i,"=1
!
i,"=1
=
k !
"=1
!
m,k
f" gi (Ai ∩
f"
%
C" ∩
gi−1 (C" ))
m !
i=1
=
'
gi (Ai )
!
i,"=1
=
k !
"=1
f" (gi (Ai ) ∩ C" ) f" (C" ) = ∂B23
Chapter 3 Messbare Funktion und Integral 3.1
Messbare Funktionen
Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra A und Y eine Menge mit einer σ-Algebra B. Wir sagen, dass eine Funktion f : X → Y (A, B)-messbar ist, falls f¨ ur alle B ∈ B die −1 Menge f (B) ∈ A. Wir beobachten, dass die Familie {f −1 (B)|B ∈ B} eine σ-Algebra ist. Außerdem stellen wir fest, dass die Hintereinanderausf¨ uhrung von messbaren Abbildungen messbar ist: Es seien X, Y und Z Mengen mit σ-Algebren A, B und C. Die Abbildung f : X → Y sei (A, B)-messbar und g : Y → Z sei (B, C)-messbar. Dann ist g ◦ f (A, C)-messbar. Lemma 36 Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra A und Y eine Menge mit einer σAlgebra B. Die σ-Algebra B werde von der Familie E erzeugt. Eine Abbildung f : X → Y ist genau dann (A, B)-messbar, wenn f¨ ur alle E ∈ E gilt, dass f −1 (E) ∈ A. Beweis. Die Familie C = {B|B ⊆ Y und f −1 (B) ∈ A} ist eine σ-Algebra. Wir pr¨ ufen dies nach. Falls B ∈ C, dann gilt f −1 (B) ∈ A. Weil A eine σ-Algebra ist, folgt (f −1 (B))c ∈ A. Da aber (f −1 (B))c = f −1 (B c ), folgt f −1 (B c ) ∈ A, c −1 also #∞ B−1∈ C. Es seien nun Bi ∈ C, d.h. f (Bi ) ∈ A. Weil A eine σ-Algebra ist, folgt (Bi ) ∈ A. Andererseits gilt i=1 f ∞ !
f −1 (Bi ) = f −1
i=1
%∞ !
i=1
und es folgt f −1
%∞ !
Bi
i=1
79
'
∈A
Bi
'
80
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Die σ-Algebra C enth¨alt E nach Voraussetzung. Da B von E erzeugt wird, also die kleinste σ-Algebra ist, die E enth¨alt, folgt B ⊆ {B|B ⊆ Y und f −1 (B) ∈ A} Insbesondere gilt f¨ ur alle B ∈ B, dass f −1 (B) ∈ A. ! Lemma 37 Es seien X und Y metrische R¨ aume. Dann ist jede stetige Funktion f : X → Y (BX , BY )-messbar. Beweis. Es sei E die Familie der offenen Mengen in Y . E erzeugt die Borel σ-Algebra ur alle E ∈ E BY . Da f stetig ist, gilt f¨ f −1 (E) ∈ BX Mit Lemma ?? folgt nun die Behauptung. ! Es sei X eine Menge mit einer σ-Algebra A. Wir sagen, dass eine Funktion f : X → R bzw. f : X → C A-messbar ist, wenn sie (A, BR )-messbar bzw. (A, BC )-messbar ist. Insbesondere sagen wir, dass f : R → R Lebesgue messbar ist, wenn f (L, BR )-messbar ist. Lemma 38 Es sei X eine Menge mit einer σ-Algebra A und f : X → R. Dann sind die folgenden Aussagen a¨quivalent: (i) f ist A-messbar. (ii) F¨ ur alle x ∈ R gilt f −1 ((x, ∞)) ∈ A. (iii) F¨ ur alle x ∈ R gilt f −1 ([x, ∞)) ∈ A. (iv) F¨ ur alle x ∈ R gilt f −1 ((−∞, x)) ∈ A. (v) F¨ ur alle x ∈ R gilt f −1 ((−∞, x]) ∈ A. Beispiel 20 X sei eine Menge mit einer σ-Algebra A und A sei eine Teilmenge von X. Es gilt A ∈ A genau dann, wenn die charakteristische Funktion χA A-messbar ist. ur alle x ∈ R Beweis. Nach Lemma ist χA genau dann messbar, wenn χ−1 A ((x, ∞)) f¨ messbar ist. Es gilt 1<x ∅ A 0<x≤1 χ−1 A ((x, ∞)) = X x≤0 Es folgt, dass χA genau dann messbar ist, wenn A messbar ist. !
Falls f, g : R → R Lebesgue messbar sind, so ist f ◦ g nicht notwendig Lebesgue messbar. Falls U ∈ BR , so folgt aus der Messbarkeit von g, dass g −1 (U ) ∈ L. Um schließen zu k¨onnen, dass f −1 (g −1 (U )) ∈ L gilt, m¨ ussten wir allerdings wissen, dass g −1 (U ) ∈ BR . Wir werden dazu ein Beispiel angeben. Zuvor wollen wir die folgende Funktion einf¨ uhren.
3.1. MESSBARE FUNKTIONEN
81
Beispiel 21 Es sei φ : [0, 1] → [0, 1] die Cantor Funktion (Beispiel 3). Dann ist ψ : [0, 1] → [0, 2] mit ψ(x) = x + φ(x) eine stetige, strikt wachsende, bijektive Abbildung. Weiter gilt λ(ψ(C)) = 1.
Beweis. Die Cantor-Funktion φ : [0, 1] → [0, 1] ist eine stetige, wachsende, bijektive Funktion. Sie ist auf C c differenzierbar und die Ableitung ist dort 0. ψ ist als Summe zweier stetiger Funktionen stetig. Da ψ(0) = 0 und ψ(1) = 2 gelten, folgt mit dem Zwischenwertsatz, dass ψ surjektiv ist. Weil φ wachsend ist und die Identit¨ at strikt wachsend ist, so ist die Summe ψ strikt wachsend und damit injektiv. Da C eine kompakte Menge ist, ist das Komplement offen und wir k¨ onnen nach Lemma 10 das Komplement als abz¨ahlbare Vereinigung von disjunkten, offenen Intervallen darstellen. Also Cc =
∞ !
Ji
i=1
wobei Ji offene Intervalle sind. Wir setzen Ii = Ji ∩ [0, 1] und erhalten C ∩ [0, 1] =
∞ !
c
Somit gilt ψ(C c ∩ [0, 1]) =
Ii
i=1
∞ !
ψ(Ii )
i=1
Weil Ii ⊂ C c , ist φ auf Ii differenzierbar und die Ableitung von φ ist auf Ii gleich 0. Deshalb ist φ auf Ii konstant. φ(Ii ) ist eine reelle Zahl in [0, 1] und es gilt ψ(Ii ) = φ(Ii ) + Ii
und
λ(ψ(Ii )) = λ(Ii )
Da die Intervalle Ii paarweise disjunkt sind λ(ψ(C ∩ [0, 1])) c
=λ
%∞ !
i=1
=
∞ & i=1
Damit ergibt sich Also folgt
'
ψ(Ii )
λ(Ii ) = λ
=
∞ &
λ(ψ(Ii ))
i=1 %∞ ' !
Ii
i=1
= λ(C c ∩ [0, 1]) = 1.
2 = λ([0, 2]) = λ(ψ(C)) + λ(ψ(C c ∩ [0, 1])) = λ(ψ(C)) + 1. λ(ψ(C)) = 1.
! Beispiel 22 Es gibt eine Lebesgue messbare Funktion f : [0, 1] → R und eine stetige Funktion g : [0, 2] → [0, 1], so dass f ◦ g nicht Lebesgue messbar ist. Beweis. Es seien C die Cantormenge, φ : [0, 1] → [0, 1] die Cantorfunktion und ψ : [0, 1] → [0, 2] sei durch ψ(x) = x + φ(x) gegeben. Wir setzen g = ψ −1 . Da das Lebesgue Maß von ψ(C) gleich 1 ist, k¨ onnen wir eine nicht messbare Teilmenge D von ψ(C) finden. Wir setzen f = χψ−1 (D) und g = ψ −1 . f ist messbar, weil ψ −1 (D) eine Nullmenge ist, und g ist eine stetige Funktion. Andererseits gilt f ◦ g = χψ−1 (D) ◦ ψ −1 = χD . ! Beispiel 23 Konstruktion einer Teilmenge von R, die Lebesgue messbar ist, aber keine Borel Menge ist. Diese Beispiel zeigt auch, dass das stetige Bild einer Lebesgue-messbaren Menge nicht Lebesguemessbar sein muss.
82
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Beweis. Da λ(ψ(C)) > 0, gibt es eine nicht Lebesgue messbare Teilmenge D von ψ(C)). Insbesondere ist D damit keine Borel Menge. Nach Lemma ist das Urbild einer Borelmenge unter einer stetigen Funktion eine Borelmenge. Deshalb ist ψ −1 (D) keine Borel Menge. Falls n¨ amlich ψ −1 (D) eine Borel Menge w¨are, −1 dann ist auch das Urbild dieser Menge unter der Abbildung ψ eine Borelmenge, also ψ(ψ −1 (D)) = D ist eine Borelmenge, was falsch ist. Andererseits ist ψ −1 (D) eine Teilmenge von der Cantor Menge C und damit eine Nullmenge. !
Es sei X eine Menge mit einer σ-Algebra A und f : X → R(C). Es sei A ⊆ X. Wir sagen, dass f auf A messbar ist, falls f¨ ur alle Borel Mengen E f −1 (E) ∩ A ∈ A gilt. Es sei X eine Menge und Yα , α ∈ A, sei eine Familie von Mengen mit σ-Algebren Bα , α ∈ A. Es seien fα : X → Yα Abbildungen. Dann gibt es eine eindeutige, kleinste σ-Algebra A, so dass alle fα messbar sind. A ist die von der Familie {fα−1 (Eα )|α ∈ A und Eα ∈ Bα } ) erzeugte σ-Algebra. Falls X = α∈A Yα , dann ist die Produkt σ-Algebra die von den Abbildungen πα erzeugte σ-Algebra. Lemma ) 39 Es seien C X eine Menge mit einer σ-Algebra A und Yι , ι ∈ I. Es seien Y = ι∈I Yι , B = ι∈I Bι und πι : Y → Yι Projektionen. Dann ist f : X → Y genau dann messbar, wenn fι = πι ◦ f f¨ ur alle ι (A, Bι )-messbar ist. Beweis. Wir zeigen, dass πι ◦f (A, Bι )-messbar ist, falls f (A, B)-messbar ist. Wir weisen nach, dass die Funktionen πι (B, Bι )-messbar sind. Die Produkt σ-Algebra ⊗ι∈I Bι wird von allen Mengen 7 Eι ∃η∀ι += ηEι = Yι und Eη ∈ Bη ι∈I
Andererseits ist dies Menge gleich der Menge πη−1 (Eη ). Damit ist das Urbild jeder messbaren Menge messbar. Wir nehmen nun an, dass πι ◦ f f¨ ur alle ι messbar ist. Das bedeutet, dass f¨ ur alle ι ∈ I und alle Eι ∈ Bι f −1 (πι (Eι )) ∈ A
Da aber B von der Familie {πι−1 (Eι )|ι ∈ I und Eι ∈ Bι } erzeugt wird, folgt mit Lemma, dass f (A, B)-messbar ist. ! Korollar 3 Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra A. Eine Abbildung f : X → C ist genau dann A-messbar, wenn =f und >f A-messbar sind. Beweis. BC = BR2 = BR ⊗ BR ! Lemma 40 Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra A und f, g : X → C A-messbare Abbildungen. Dann sind f + g und f g A-messbar.
3.1. MESSBARE FUNKTIONEN
83
Beweis. F :X →C×C F (x) = (f (x), g(x)) φ:C×C→C φ(s, t) = s + t ψ :C×C→C ψ(s, t) = st F ist wegen Lemma (A, BC×C )-messbar. φ und ψ sind stetige Funktionen und deshalb nach Lemma (BC×C , BC )-messbar. ! ¯ = [−∞, ∞]. Wir setzen Es sei R
¯ ∩ R ∈ BR } BR¯ = {E ⊆ R|E
¯ ABR¯ wird von den Intervallen (a, ∞], a ∈ R, erzeugt. Wir sagen, dass f : X → R messbar ist, wenn f (A, BR¯ )-messbar ist. ¯ j = 1, 2, . . . , Lemma 41 Es seien X eine Menge mit eine σ-Algebra A und fj : X → R, sei eine Folge von messbaren Funktionen. Dann sind die Funktionen sup fj (x)
inf fj (x)
lim sup fj (x)
j
j
j→∞
lim inf fj (x) j→∞
ur alle x ∈ X messbar. Insbesondere ist limj→∞ fj (x) messbar, falls der Grenzwert f¨ existiert. Beweis. −1
(sup fj ) ((a, ∞]) = j
∞ !
fj−1 ((a, ∞])
j=1
Wir verifizieren die Gleichung. Es gilt genau dann x ∈ (sup fj )−1 ((a, ∞]) j
wenn a < sup fj (x) ≤ ∞. j
Dies wiederum ist ¨aquivalent dazu, dass es ein j0 mit a < fj0 (x) ≤ ∞ gibt. Falls dem nicht so ist, dann gilt f¨ ur alle j die Ungleichung fj (x) ≤ a und damit ist auch das Supremum kleiner oder gleich a. Also gilt x∈
∞ !
j=1
fj−1 ((a, ∞]).
Die Intervalle (a, ∞], a ∈ R, erzeugen die Borel σ-Algebra BR¯ . Mit Lemma ?? folgt die Messbarkeit von supj fj . −1
(inf fj ) ([−∞, a)) = j
∞ !
j=1
fj−1 ([−∞, a))
84
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Hieraus ergibt sich die Messbarkeit von inf j fj . Somit ist auch supk<j fj f¨ ur alle k ∈ N messbar. Deshalb ist auch inf sup fj = lim sup fj
k∈N k<j
j∈N
messbar. ! ¯ messbare FunkKorollar 4 Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra und f, g :→ R tionen. Dann sind max(f, g) und min(f, g) messbar. ¯ setzen wir F¨ ur f : X → R f + (x) = max(f (x), 0)
f − (x) = max(−f (x), 0)
Es gilt f = f + − f − . Nach Korollar sind f + und f − messbar. Eine einfache Funktion auf X ist eine endliche Linearkombination von charakteristischen Funktionen messbarer Mengen mit reellen oder komplexen Koeffizienten. Man beachte, dass einfache Funktionen nicht die Werte ∞ oder −∞ annehmen. Falls {z1 , . . . , zn } das Bild von f ist, dann bezeichnen wir f=
n &
zj χEj
mit
Ej = f −1 (zj )
j=1
als Standarddarstellung. Es ist z.B. χ[0,1) + χ[1,2] keine Standarddarstellung der Funktion χ[0,2] . Die Standarddarstellung der Funktion χ[0,2] ist χ[0,2] + 0χ[0,2]c . Es liegt genau dann eine Standarddarstellung vor, wenn die # Koeffizienten alle verschieden, die Mengen Ej alle nicht leer und disjunkt und X = j Ej . Lemma 42 Es sei X eine Menge mit einer σ-Algebra A. (i) F¨ ur jede messbare Funktion f : X → [0, ∞] gibt es eine Folge einfacher Funktionen φn , n ∈ N, mit 0 ≤ φ1 ≤ φ2 ≤ · · · ≤ f und lim φn (x) = f (x)
n→∞
Ausserdem konvergiert φn , n ∈ N, gleichm¨assig auf jeder Teilmenge von X gegen f , auf der f beschr¨ ankt ist. (ii) F¨ ur jede messbare Funktion f : X → C gibt es eine Folge einfacher Funktionen φn , n ∈ N, mit 0 ≤ |φ1 | ≤ |φ2 | ≤ · · · ≤ |f | und lim φn (x) = f (x)
n→∞
Außerdem konvergiert φn , n ∈ N, gleichm¨aßig auf jeder Teilmenge von X gegen f , auf der f beschr¨ ankt ist. Beweis. (i) F¨ ur n ∈ N und 0 ≤ k ≤ 22n − 1 setzen wir Enk = f −1 ((k2−n , (k + 1)2−n ])
Fn = f −1 ((2n , ∞])
3.1. MESSBARE FUNKTIONEN und φn =
85
2n −1 2&
k2−n χEnk + 2n χFn
k=0
Wir beobachten, dass f
−1
n
((0, 2 ]) =
22n !−1
Enk
k=0
Es gelten φn ≤ φn+1 , n ∈ N, und f¨ ur alle x mit f (x) ≤ 2n gilt 0 ≤ f (x) − φn (x) ≤ 2−n . Wir pr¨ ufen nach, dass f¨ ur alle x die Ungleichung φn (x) ≤ φn+1 (x) gilt. Falls f (x) = 0 gilt, dann φn (x) = φn+1 (x) = 0. k Es gelte 0 < f (x) ≤ 2n+1 . Dann gibt es ein k mit x ∈ En+1 , d.h. f (x) ∈ (k2−n−1 , (k + 1)2−n−1 ] und φn+1 (x) = k2−n−1 . Falls k gerade ist, dann gilt * D * D k −n k + 1 −n k −n k −n 2 ,( )2 2 , ( + 1)2 f (x) ∈ ⊆ 2 2 2 2 und 0 ≤
k 2
≤ 22n+1 − 12 . Deshalb gilt φn (x) =
k2−n−1 2n
k ≤ 22n − 1 2 k falls 22n ≤ 2
falls
Also gilt φn (x) ≤ φn+1 (x). Falls k ungerade ist, dann D * D * k − 1 −n k + 1 −n k −n k + 1 −n 2 ,( )2 2 ,( )2 ⊆ f (x) ∈ 2 2 2 2 und φn (x) =
(k − 1)2−n−1 2n
k−1 ≤ 22n − 1 2 k−1 ≤ 2
falls falls 22n
Falls f (x) > 2n+1 bzw. x ∈ Fn+1 , dann gilt x ∈ Fn und wir erhalten φn+1 (x) = 2n+1 und φn (x) = 2n . ! Lemma 43 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum mit einem vollst¨ andigen Maß µ. Dann gelten ¯ (i) Es sei f : X → R eine messbare Funktion und es gelte fast u ¨berall f (x) = g(x). Dann ist g messbar. ¯ messbare Funktionen und es gelte fast u (ii) Es seien fn : X → R ¨berall lim fn (x) = f (x)
n→∞
Dann ist f messbar.
Falls µ nicht vollst¨andig ist, dann sind (i) und (ii) im allgemeinen falsch.
86
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
¯ eine Funktion mit h(x) = 0, falls Beweis. (i) Es sei N eine Nullmenge und h : X → R x∈ / N . Wir zeigen, dass h eine messbare Funktion ist. Es sei 0 ≤ a. Dann gilt h−1 ((a, ∞]) ⊆ N . Damit ist h−1 ((a, ∞]) eine Nullmenge und insbesondere messbar. Falls a < 0, dann gilt h−1 ((a, ∞]) = h−1 ((a, 0)) ∪ h−1 (0) ∪ h−1 ((0, ∞]) Wegen h−1 ((a, 0)) ⊆ N und h−1 ((0, ∞]) ⊆ N sind h−1 ((a, 0)) und h−1 ((0, ∞])Nullmengen und h−1 (0) ist Vereinigung von N c mit einer Nullmenge. Somit ist g − f eine messbare Funktion. Da f nach Annahme messbar ist, so ist auch f + (g − f ) messbar. (ii) Es gibt eine Nullmenge N , so dass f¨ ur alle x ∈ N c lim fn (x) = f (x)
n→∞
gilt. Deshalb gilt f¨ ur alle x ∈ X lim χN c fn (x) = χN c f (x).
n→∞
Somit ist χN c f (x) als punktweiser Limes messbarer Funktionen eine messbare Funktion. Nach (i) ist damit auch f eine messbare Funktion. ! ¯ µ Lemma 44 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum und (X, A, ¯) seine Vervollst¨ andigung. Es sei ¯ f : X → [0, ∞] eine A-messbare Funktion. Dann gibt es eine A-messbare Funktion g, so dass µ-fast u ¨berall f (x) = g(x) gilt.
Die Vervollst¨andigung der σ-Algebra erhalten wir, indem wir alle Teilmengen von Nullmengen hinzunehmen. ¯ gibt es eine Menge B ∈ A und eine Nullmenge N ∈ A, ¯ Beweis. Zu jeder Menge A ∈ A so dass A = B ∪ N . Hieraus folgt, dass die Behauptung f¨ ur charakteristische Funktionen richtig ist. Deshalb ist die Behauptung auch f¨ ur einfache Funktionen richtig. ¯ µ Wegen Lemma ?? gibt es einfache Funktionen φn , n ∈ N, auf dem Maßraum (X, A, ¯), so dass f¨ ur alle x ∈ X lim φn (x) = f (x) n→∞
Da die Behauptung f¨ ur einfache Funktionen richtig ist, finden wir einfache Funktionen ¯ existiert, so dass ψn , die A-messbar sind, so dass f¨ ur alle n ∈ N eine Nullmenge Nn ∈ A f¨ ur alle x ∈ X \ Nn φn (x) = ψn (x) gilt.# ∞ ¯ #∞ n=1 Nn ist eine Nullmenge in A. Deshalb gibt es eine Nullmenge N ∈ A mit N ⊇ ur alle x ∈ X \ N und alle n ∈ N n=1 Nn und es gilt f¨ φn (x) = ψn (x)
3.1. MESSBARE FUNKTIONEN
87
Deshalb sind die Funktionen χN c ψn nach Lemma A-messbar. Es gilt lim χN c ψn = lim χN c φn = χN c f
n→∞
Nach Lemma ?? ist χN c f A-messbar. !
n→∞
88
3.2
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Integration nichtnegativer Funktionen
In diesem Abschnitt definieren wir das Integral einer nichtnegativen, messbaren Funktion. Dann zeigen wir, dass man bei Funktionenfolgen, die monoton konvergieren, Limes und Integral vertauschen kann. Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. L+ (X, A, µ) bezeichnet die Familie aller messbaren Funktionen f : X → [0, ∞]. Es sei φ ∈ L+ (X, A, µ) eine einfache Funktion mit der Standarddarstellung φ=
n &
aj χAj
j=1
(Es liegt genau dann eine Standarddarstellung vor, wenn die # Koeffizienten aj alle verschieden, die Mengen Aj alle nicht leer und disjunkt und X = j Aj .) Wir bezeichnen E
φdµ =
X
n &
aj µ(Aj )
j=1
als das Integral von φ. Bei der Auswertung der Summe beachten wir die Vorschrift 0 · ∞ = 0. Das Integral kann durchaus den Wert ∞ annehmen. Ein einfaches Beispiel ist die Funktion, die auf R konstant 1 ist und bzgl. des Lebesgueschen Maßes integriert wird. Wir betrachten auch Integrale, die wir auf eine Menge einschr¨anken. Wir setzen E E φdµ = φχA dµ. A
X
Beim Rechnen mit charakteristischen Funktionen werden wir h¨aufig die Gleichung χA χB = χA∩B benutzen. Lemma 45 Es seien Bφ und ψ einfache Funktionen in L+ (X, A, µ). Dann gelten B (i) F¨ cφdµ X Bur alle c ≥ 0 gilt B B = c X φdµ. (ii) X φ + ψdµ = X φdµ + X ψdµ / (iii) F¨ ur alle Darstellungen einer einfachen Funktion φ = nj=1 aj χAj gilt E
X
φdµ =
n &
aj µ(Aj ).
j=1
B B (iv) Falls φ B≤ ψ, dannB gilt X φdµ ≤ X ψdµ. (v) γ(A) = A φdµ = X φχA dµ ist ein Maß auf A. Beweis. (i) Die Gleichung ist f¨ ur c = 0 offfensichtlich. Wir k¨onnen also annehmen, dass c += 0. Es sei n & φ= aj χAj j=1
3.2. INTEGRATION NICHTNEGATIVER FUNKTIONEN
89
die Standarddarstellung von φ. Da c += 0, so ist n &
caj χAj
j=1
die Standarddarstellung von cφ. Es folgt E E n & cφdµ = caj µ(Aj ) = c φdµ. X
X
j=1
(ii) Es seien φ=
m &
ai χAi
ψ=
i=1
n &
b j χ Bj
j=1
Standarddarstellungen. Es folgt E E m n & & φdµ + ψdµ = ai µ(Ai ) + bj µ(Bj ) X
X
i=1
j=1
#n # Weil φ und ψ in Standarddarstellung sind, gilt X = m i=1 Ai = j=1 Bj . Dann gilt % ' m m n m & n & & ! & ai µ(Ai ) = ai µ Ai ∩ Bj = ai µ (Ai ∩ Bj ) i=1
i=1
und
n &
j=1
bj µ(Bj ) =
j=1
Damit folgt
E
X
φdµ +
i=1 j=1
m & n & i=1 j=1
E
ψdµ =
X
m,n &
i,j=1
bj µ (Ai ∩ Bj )
(ai + bj )µ(Ai ∩ Bj )
ur alle Mengen Ai ∩ Bj += ∅ gilt, dann ist Falls alle Zahlen ai + bj verschieden sind und f¨ m,n &
i,j=1
(ai + bj )χAi ∩Bj
die Standarddarstellung von φ + ψ. Falls nicht, so m¨ ussen wir die Mengen entsprechend zusammenfassen. Wir wollen dies hier durchf¨ uhren. Es seien ck , k = 1 . . . , &, die verschiedenen Zahlen in der Menge {ai + bj |i = 1 . . . , m, j = 1, . . . , n} und Ik = {(i, j)|i = 1 . . . , m, j = 1, . . . , n, ck = ai + bj und Ai ∩ Bj += ∅}.
Die Mengen Ik sind paarweise disjunkt. Dann ist " & k=1
ck χ#(i,j)∈I
k
(Ai ∩Bj )
90
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Standarddarstellung von φ +#ψ. Wir pr¨ ufen dies nach. Die Koeffizienten ck sind alle verschieden und die Mengen (i,j)∈Ik (Ai ∩ Bj ) sind paarweise disjunkt, weil dies f¨ ur die Mengen Ai ∩ Bj gilt. Wir m¨ ussen noch nachweisen, dass es sich um eine Darstellung von φ + ψ handelt. " & k=1
ck χ#(i,j)∈I
k
(Ai ∩Bj )
" &
=
&
ck
k=1
(i,j)∈Ik
χAi ∩Bj =
" & &
k=1 (i,j)∈Ik
(ai + bj )χAi ∩Bj
F¨ ur die Summanden χAi ∩Bj , die in der Summe nicht vorkommen, gilt Ai ∩ Bj = ∅. Also gilt " & k=1
ck χ
#
m,n &
=
(i,j)∈Ik (Ai ∩Bj )
i,j=1 m,n
&
=
i,j=1 m,n
&
=
(ai + bj )χAi ∩Bj ai χAi ∩Bj +
=
E
ai χAi +
φ + ψdµ =
X
ck µ
k=1
!
(i,j)∈Ik
Da die Mengen Ai ∩ Bj paarweise disjunkt sind, folgt E
" &
φ + ψdµ =
X
Da
#
k Ik
&
ck
k=1
bj χAi χBj
m,n &
bj χ Bj
i,j=1
" &
&
bj χAi ∩Bj
i,j=1
i,j=1
Es gilt
i,j=1 m,n
ai χAi χBj +
i,j=1 m,n
&
m,n &
(i,j)∈Ik
(Ai ∩ Bj )
µ (Ai ∩ Bj )
= {(i, j)|i, 1 . . . , m, j = 1, . . . , n, Ai ∩ Bj += ∅} E
φ + ψdµ =
X
m,n &
i,j=1
(ai + bj )µ(Ai ∩ Bj ).
(iii) Die Summenformel von (ii) l¨asst sich durch Induktion auf beliebig /m viele endliche Summanden ausdehnen. Deshalb gilt f¨ ur jede einfache Funktion φ = i=1 ai χAi E
φdµ =
X
Wegen (i) folgt
E
X
φdµ =
m E & i=1
m & i=1
ai
E
X
ai χAi dµ.
X
χAi dµ =
m & i=1
ai µ(Ai ).
3.2. INTEGRATION NICHTNEGATIVER FUNKTIONEN
91
(iv) ψ − φ ist eine messbare Funktion, 0 ≤ ψ − φ und ψ − φ nimmt nur endlich viele Werte an. ψ − φ ist also eine einfache Funktion in L+ . Deshalb E 0≤ ψ − φdµ X
Wir addieren auf beiden Seiten E
X
(v) Es sei
/n
j=1
B
φdµ ≤
X
φdµ und erhalten mit (ii)
E
E
X
ψ − φdµ +
φdµ =
X
E
ψdµ.
X
aj χAj die Standarddarstellung von φ. γ(∅) =
E
φdµ =
∅
E
X
φχ∅ dµ =
E
X
χ∅ dµ = 0
Es seien Ek , k ∈ N, disjunkte Mengen in A. Dann gilt ' %∞ E ! Ek φχ#∞ dµ = γ k=1 Ek X
k=1
=
E %& n X
aj χAj
j=1
'
χ
#∞
k=1
Ek dµ
E & n
=
X j=1
aj χAj ∩#∞ dµ k=1 Ek
/ ist nicht notwendig in Standarddarstellung.) (Die einfache Funktion nj=1 aj χAj ∩#∞ k=1 Ek Wegen (iii) %∞ ' % ' n ∞ ! & ! γ Ek = a j µ Aj ∩ Ek j=1 n,∞
k=1
=
&
k=1
j,k=1
aj µ(Aj ∩ Ek ) =
∞ E & k=1
Ek
φdµ =
∞ &
γ(Ek )
k=1
! F¨ ur f ∈ L+ (X, A, µ) definieren wir das Integral von f als , 3E 4 E , f dµ = sup φdµ,, φ ist einfach und 0 ≤ φ ≤ f X
X
Falls f eine einfache Funktion ist, dann stimmt diese Definition des Integrals mit der Definition des Integrals f¨ ur einfache Funktionen u ¨berein. Dies folgt aus der Monotonie von Lemma 45(iv). Lemma 46 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. F¨ ur alle f, g ∈ L+ (X, A, µ) mit f ≤ g gilt E E f dµ ≤ gdµ X
X
92 Beweis.
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
E
, 4 , = sup φdµ,, φ ist einfach und 0 ≤ φ ≤ f X , 3E 4 E , ≤ sup φdµ,, φ ist einfach und 0 ≤ φ ≤ g = gdµ 3E
f dµ
X
X
!
X
Satz 11 (Satz u ¨ber die monotone Konvergenz) Es seien fn ∈ L+ (X, A, µ), n ∈ N, so dass f¨ ur alle n ∈ N und alle x ∈ X die Ungleichung fn (x) ≤ fn+1 (x) gilt. Dann gilt E E lim fn (x)dµ = lim fn (x)dµ X n→∞
n→∞
X
Beweis. F¨ ur alle x ∈ X ist fn (x), n ∈ N, eine wachsende Folge. Deshalb konvergiert diese Folge, m¨oglicherweise gegen ∞. Den Grenzwert m¨ochten wir mit f (x) bezeichnen. Nach Lemma 43 ist f eine messbare Funktion. Da f¨ ur alle n ∈ N die Absch¨atzung fn ≤ fn+1 ≤ f gilt, folgt mit Lemma ?? f¨ ur alle n ∈ N E E E fn (x)dµ ≤ fn+1 (x)dµ ≤ f (x)dµ Hieraus folgt, dass
B
X
X
X
X
fn (x)dµ, n ∈ N, eine monoton wachsende Folge ist und E E lim fn (x)dµ ≤ f (x)dµ n→∞
X
X
Wir zeigen nun die umgekehrte Absch¨atzung. Es sei φ ∈ L+ eine einfache Funktion mit 0 ≤ φ ≤ f . Weiter sei 0 < α < 1. Wir setzen En = {x| αφ(x) ≤ fn (x)} = (fn − αφ)−1 ([0, ∞]) Die Mengen En sind messbar und es gilt f¨ ur alle n ∈ N, dass En ⊆ En+1 . Weil f¨ ur alle x ∈ X gilt, dass f (x) = limn→∞ fn (x), folgt X=
∞ !
En .
n=1
Wir pr¨ ufen dies nach. Falls φ(x) = 0, dann (f1 − αφ)(x) = f1 (x) ≥ 0. Also gilt x ∈ E1 . Falls φ(x) > 0, dann gilt lim fn (x) = f (x) ≥ φ(x) > αφ(x).
n→∞
Dann muss es ein n0 mit fn0 (x) > αφ(x) geben, also x ∈ En0 . (An dieser Stelle sieht man, dass man nicht auf den Faktor α verzichten kann. Die Funktionen f ≡ 1, fn ≡ 1 − n1 und φ ≡ 1 w¨ urden auf X = [0, 1] mit dem Lebesgue Maß einen solchen Schluss nicht zulassen, in diesem Fall h¨atte man En = ∅.) Weil fn ≥ χEn fn ≥ αχEn φ E E E fn (x)dµ ≥ lim fn (x)dµ ≥ α lim φ(x)dµ. lim n→∞
X
n→∞
En
n→∞
En
3.2. INTEGRATION NICHTNEGATIVER FUNKTIONEN Da γ(A) =
B
A
93
φ(x)dµ nach Lemma 45 v ein Maß ist und En ⊆ En+1 , folgt ' %∞ ! En = γ(X). lim γ(En ) = γ n→∞
n=1
Dies bedeutet, dass lim
n→∞
E
X
fn (x)dµ ≥ α lim
n→∞
E
φ(x)dµ = α
En
E
φ(x)dµ.
X
Da dies f¨ ur alle 0 < α < 1 gilt, folgt E E fn (x)dµ ≥ φ(x)dµ. lim n→∞
X
X
Diese Ungleichung gilt f¨ ur alle φ mit φ ≤ f . Hieraus folgt E E fn (x)dµ ≥ f dµ. lim n→∞
X
X
!
Lemma 47 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. (i) F¨ ur alle f, g ∈ L+ gilt E E E f + gdµ = f dµ + gdµ X
X
X
(ii) F¨ ur alle f ∈ L+ und alle c > 0 gilt E E cf dµ = c f dµ X
X
ur Beweis. (i) Wegen Lemma ?? gibt es einfache Funktionen φj und ψj , j ∈ N, so dass f¨ alle x ∈ X und alle j ∈ N φj (x) ≤ φj+1 (x)
ψj (x) ≤ ψj+1 (x)
lim φj (x) = f (x)
lim ψj (x) = g(x)
j→∞
j→∞
Nach dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz folgt E E E E f dµ + gdµ = lim φj dµ + lim ψj dµ X X X j→∞ X j→∞ E E φj dµ + lim ψj dµ = lim j→∞ X j→∞ X E = lim φj + ψj dµ j→∞ X E E lim (φj + ψj )dµ = f + gdµ = X j→∞
!
X
94
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Satz 12 Es sei (x, A, µ) ein Maßraum und es seien fn ∈ L+ (X, A, µ), n ∈ N, und f = / ∞ n=1 fn . Dann gilt E ∞ E & f dµ = fn dµ X
X
n=1
Beweis. Mit Lemma ?? folgt N E & n=1
Hieraus folgt
∞ E & n=1
fn dµ =
X
E & N
fn dµ
X n=1
fn dµ = lim
N →∞
X
E & N
fn dµ
X n=1
Mit dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz folgt ∞ E & n=1
fn dµ =
X
E
f dµ.
X
! Lemma 48 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum und es sei f ∈ L+ (X, A, µ). Es gilt genau dann fast u ¨berall f = 0, wenn E f dµ = 0 X
Dies bedeutet, dass wir eine Funktion auf einer Nullmenge nach Belieben ab¨andern k¨onnen, ohne dass sich ihr Integral a¨ndert. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Funktion nach dem Ab¨andern noch messbar ist. Falls der Maßraum vollst¨andig ist jede auf einer Nullmenge ge¨anderte, messbare Funktion wieder messbar. Beweis. Wir zeigen die Behauptung f¨ ur eine einfache Funktion f=
n &
ai χAi
i=1
in Standarddarstellung. Dann gilt 0=
E
X
f dµ =
E & n
ai χAi dµ =
X i=1
Dies gilt genau dann, wenn f¨ ur alle i = 1, . . . , n ai µ(Ai ) = 0
n & i=1
ai µ(Ai )
3.2. INTEGRATION NICHTNEGATIVER FUNKTIONEN
95
gilt. Dies ur alle i = 1, . . . , n fast u ¨berall ai χAi = 0 gilt. /n wiederum gilt genau dann, wenn f¨ Weil i=1 ai χAi Standarddarstellung von f ist, gilt genau dann f¨ ur alle i = 1, . . . , n fast u ¨berall ai χAi = 0, wenn n & ai χAi = 0 i=1
f.¨ u. gilt./Deshalb gilt f¨ ur alle i = 1, . . . , n fast u ¨berall ai χAi = 0 genau dann, wenn fast n u ¨berall i=1 ai χAi = 0. Nun zeigen wir die Behauptung f¨ ur allgemeine Funktionen. Wir nehmen zuerst an, dass f fast u ¨berall gleich 0 ist. Dann gilt f¨ ur alle einfachen Funktionen φ mit 0 ≤ φ ≤ f , dass φ fast u ¨berall gleich 0 ist. Wie wir bereits eingesehen haben, folgt daraus, dass E φdµ = 0. X
Hieraus folgt, dass auch
E
f dµ = 0
X
gilt. B Wir zeigen die andere Implikation. Wir zeigen, dass f dµ > 0, falls f nicht f.¨ u. gleich 0 ist. Wir betrachten die Mengen 1 , 2 An = x , f (x) > n1 = f −1 (( n1 , ∞]).
Die Mengen An sind messbar und ∞ !
n=1
An = {x|f (x) > 0} = {x|f (x) += 0}.
Weil f nicht fast u ¨berall 0 ist, gilt µ
%
∞ !
n=1
An
'
> 0.
# Wegen An ⊆ An+1 gilt mit Lemma ?? limn→∞ µ(An ) = µ( ∞ n=1 An ). Dann muss es ein n0 geben, so dass %n ' 0 ! µ An > 0. n=1
Also gilt f¨ ur alle x ∈ X
1 χA ≤ f (x) n0 n0
Hieraus folgt µ(An0 ) = 0< n0 !
E
X
1 χA dµ ≤ n0 n0
E
X
f dµ
96
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Korollar 5 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum und es seien fn ∈ L+ (X, A, µ), n ∈ N, und f ∈ L+ (X, A, µ). Es gelte f¨ ur alle n ∈ N und f¨ ur fast alle x ∈ X fn (x) ≤ fn+1 (x) Dann gilt
E
lim fn (x) = f (x)
n→∞
f (x)dµ = lim
n→∞
X
E
fn (x)dµ
X
Im Satz u ¨ber die monotone Konvergenz hatten wir angenommen, dass die Funktionenfolge in jedem Punkt konvergiert. Hier schw¨achen wir die Annahmen dahingehend ab, dass wir die Konvergenz nur fast u ¨berall haben. Beweis. Es gibt eine Menge A, so dass µ(Ac ) = 0 und so dass f¨ ur alle x ∈ A und alle n∈N fn (x) ≤ fn+1 (x) lim fn (x) = f (x) n→∞
gelten. Es folgt mit dem Satz u ¨ber monotone Konvergenz E E f χA dµ = lim fn χA dµ n→∞
X
Mit Lemma ?? folgt hieraus
E
f dµ = lim
n→∞
X
!
X
E
fn dµ
X
Die Annahme, dass die Folge fn , n ∈ N, wachsend ist, ist notwendig. Die Folge χ[n,n+1] , n ∈ N, konvergiert punktweise gegen die Nullfunktion. Andererseits gilt E lim χ[n,n+1] dλ = 1 n→∞
R
Satz 13 (Fatous Lemma) Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. Es seien fn ∈ L+ (X, A, µ), n ∈ N. Dann gilt E E lim inf fn dµ ≤ lim inf fn dµ. X
n→∞
n→∞
X
¨berall gegen f ∈ L (X, A, µ) konvergiert, dann gilt Falls fn , n ∈ N, fast u E E f dµ ≤ lim inf fn dµ. +
X
n→∞
X
Pierre Fatou (1878-1929) wurde in Lorient geboren. Er studierte in Paris an der ´ Ecole Normale Sup´erieure. Ab 1901 arbeitete er am Observatorium in Paris. Er starb in Pornichet. Die entsprechende Aussage f¨ ur den Limes Superior ist falsch. Es gilt i.A. weder E E lim sup fn dµ ≤ lim sup fn dµ X
n→∞
n→∞
X
3.2. INTEGRATION NICHTNEGATIVER FUNKTIONEN noch
E
lim sup fn dµ ≥ lim sup n→∞
X
n→∞
E
97
fn dµ
X
Hierzu betrachtet man die Folge fn = χ[n,n+1] , n ∈ N, und die Folge gn mit g1 = χ[0,1] und g2 = χ[1,2] und g2n = g2 n∈N g2n+1 = g1 Beweis. F¨ ur alle k und j mit k ≤ j und alle x ∈ X gilt inf fn (x) ≤ fj (x).
k≤n
Wegen der Monotonie des Integrals folgt f¨ ur alle k und j mit k ≤ j E E inf fn dµ ≤ fj dµ. X k≤n
Es ergibt sich f¨ ur alle k
E
inf fn dµ ≤ inf
X k≤n
und somit lim
k→∞
E
X
k≤j
E
fj dµ
X
E
inf fn dµ ≤ lim inf
X k≤n
k→∞ k≤j
fj dµ.
X
B Der Grenzwert auf der linken Seite existiert, weil X inf k≤n fn dµ, k ∈ N, eine monoton wachsende Folge ist. Mit Satz ?? folgt nun E E lim inf fk dµ ≤ lim inf fk dµ X
k→∞
k→∞
X
! Wir sagen, dass eine messbare Menge σ-endlich ist, falls sie abz¨ahlbare Vereinigung von Mengen ist, die alle endliches Maß haben. Lemma 49 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. Es sei f ∈ L+ (X, A, µ) mit Dann ist {x|f (x) = ∞} eine Nullmenge und {x|f (x) > 0} ist σ-endlich.
B
X
f dµ < ∞.
Beweis. Wir zeigen, dass {x|f (x) = ∞} eine Nullmenge ist. Es gilt f¨ ur alle n ∈ N E E f dµ ≥ nχ{x|f (x)=∞} dµ ≥ n · µ({x|f (x) = ∞}) X
X
Deshalb gilt f¨ ur alle n ∈ N 1 µ({x|f (x) = ∞}) ≤ n Also ist µ({x|f (x) = ∞}) eine Nullmenge.
E
X
f dµ
98
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL Wir zeigen, dass {x|f (x) > 0} σ-endlich ist. Wir betrachten die Mengen 3 , 4 , 1 An = x ,,f (x) ≥ n
Es gilt
∞ !
n=1
und
E
X
An = {x|f (x) > 0}
f dµ ≥
E
An
f dµ ≥
1 µ(An ). n
Deshalb gilt f¨ ur alle n ∈ N die Ungleichung µ(An ) < ∞ und {x|f (x) > 0} ist σ-endlich. !
3.3. INTEGRATION REELLER FUNKTIONEN
3.3
99
Integration reeller Funktionen
¯ eine messbare Funktion. Wir definieren Es sei f : X → R f − = − min{f, 0}
f + = max{f, 0} Dann gelten f = f+ − f−
|f | = f + + f − B B Wir sagen, dass f integrierbar ist, falls X f + dµ und X f − dµ endlich sind und definieren das Integral von f als E E E + f dµ = f dµ − f − dµ. X
X
X
Deshalb ist f genau dann integrierbar, wenn f messbar und |f | integrierbar ist.
Lemma 50 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. Die Menge der reellwertigen, integrierbaren Funktionen bildet einen reellen Vektorraum. Es gilt f¨ ur alle integrierbaren Funktionen f und g und alle c ∈ R E E E E E f + gdµ = f dµ + gdµ c f dµ = cf dµ X
X
X
X
X
Beweis. Wir zeigen, dass die Menge der integrierbaren Funktionen ein Vektorraum ist. Falls f und g integrierbar sind, so ist die Funktion f + g messbar und die Funktionen |f | und |g| sind integrierbar. Deshalb ist auch |f | + |g| integrierbar. Wegen |f + g| ≤ |f | + |g| ist |f + g| und damit f + g integrierbar. Falls f integrierbar ist und c ∈ R, dann ist cf messbar und |cf | ist integrierbar. Nun zeigen wir, dass das Integral eine lineare Abbildung ist. Falls c ≥ 0 E E E E E E + − + − c f dµ = c f dµ − c f dµ = cf dµ − cf dµ = cf dµ X
Falls c < 0 c
X
E
X
f dµ
X
E
X
X
X
E
= −|c| f dµ + |c| f − dµ E X E E E X + − |c|f dµ + |c|f dµ = −|c|f dµ = cf dµ =− +
X
X
X
X
Wir setzen h = f + g und erhalten h+ + f − + g − = h− + f + + g + Es gilt
E
+
−
−
h + f + g dµ =
X
E
h− + f + + g + dµ
X
Da dies nichtnegative Funktionen sind, gilt E E E E E E + − + − + h dµ − h dµ = f dµ − f dµ + g dµ − g − dµ X
X
X
X
X
X
100
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Damit erhalten wir schließlich
E
hdµ =
X
!
E
f dµ +
X
E
gdµ
X
Lemma 51 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum und f und g eine reellwertige, integrierbare Funktionen mit f ≤ g. Dann gilt E E f dµ ≤ gdµ X
X
Lemma 52 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. Es sei f eine reellwertige, integrierbare Funktion. Dann gilt ,E , E , , , f dµ, ≤ |f |dµ , , X
X
Beweis. Es gilt , ,E , E ,E E E E , , , , − + − , , f dµ, = , f + dµ − f dµ, ≤ f dµ + f dµ = |f |dµ , , , X
X
X
X
X
X
!
Lemma 53 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. Falls f integrierbar ist, dann ist {x|f (x) += 0} σ-endlich. Beweis. (i) Falls f integrierbar ist, dann ist auch |f | integrierbar. Nach Lemma ist die Menge {x||f (x)| > 0} σ-endlich. ! Lemma 54 Es sei (X, A, µ) ein Maßraum. Es seien f und g integrierbar. Dann sind ¨aquivalent: (i) F¨ ur alle A ∈ A E E f dµ = gdµ A
(ii)
E
X
(iii) Fast u ¨berall gilt f (x) = g(x).
A
|f − g|dµ = 0
B Beweis. Wir zeigen, dass (ii) und (iii) a¨quivalent sind. Nach Lemma ?? gilt X |f −g|dµ = 0 genau dann, wenn |f − g| = 0 fast u ¨berall. B Wir zeigen nun, dass aus (ii) die Aussage (i) folgt. Nach Annahme gilt X |f −g|dµ = 0. Wegen Lemma ?? folgt ,E , E E E , , , 0= |f − g|dµ ≥ χA |f − g|dµ = |χA f − χA g|dµ ≥ , χA f − χA gdµ,, X
X
X
X
3.3. INTEGRATION REELLER FUNKTIONEN Also gilt f¨ ur alle A ∈ A
E
f dµ =
A
E
101
gdµ
A
Nun zeigen wir, dass aus (i) die Aussage (ii) folgt. F¨ ur alle A ∈ A gilt E E f dµ = gdµ A
A
gilt. Dies gilt genau dann, wenn f¨ ur alle A ∈ A E (f − g)dµ = 0 A
F¨ ur A w¨ahlen wir nun die folgenden Mengen A1 = {x|(f − g)(x) > 0}
A2 = {x|(f − g)(x) < 0}
gilt. Wir erhalten insbesondere E (f − g)dµ = 0
E
A1
Hieraus folgt, dass
E
X
!
A2
(f − g)dµ = 0
|f − g|dµ = 0
Satz 14 (Lebesguescher Konvergenzsatz) Es sei (X, A, µ) ein vollst¨ andiger Maßraum und ¯ ¯ ur alle n ∈ N fn : X → R, n ∈ N und g : X → R integrierbare Funktionen. Es gelte f¨ |fn (x)| ≤ g(x) und f¨ ur fast alle x ∈ X
fast u ¨berall
lim fn (x) = f (x)
n→∞
Dann ist f eine integrierbare Funktion und E E f dµ = lim fn dµ X
n→∞
X
Man nennt diesen Satz auch den Satz von der beschr¨ankten Konvergenz (engl. dominated convergence theorem). Beweis. Da f fast u ¨berall punktweiser Limes messbarer Funktionen ist und der Maßraum vollst¨andig ist, ist nach Lemma 43 fB messbar. Wegen |f | ≤ g gilt 0 ≤ f + ≤ g und B 0 ≤ f − ≤ g. Somit sind die Integrale X f + dµ und X f − dµ endlich und f ist integrierbar. Es gilt f¨ ur alle n ∈ N 0 ≤ g + fn
102
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
und wir k¨onnen Fatous Lemma anwenden. E E lim inf g + fn dµ ≥ lim inf (g + fn )dµ n→∞
Hieraus folgt
E
X
X
gdµ + lim inf n→∞
X
E
X
E
gdµ +
X
E
lim inf fn dµ
X
E
n→∞
fn dµ ≥ lim inf fn dµ X n→∞ E E lim inf fn dµ ≥ f dµ
lim inf n→∞
X
n→∞
Außerdem gilt f¨ ur alle n ∈ N
fn dµ ≥
E
n→∞
X
X
0 ≤ g − fn
und wir k¨onnen ebenfalls auf diese Folge Fatous Lemma anwenden. In diesem Fall erhalten wir E E lim inf g − fn dµ ≥ lim inf (g − fn )dµ n→∞ X X n→∞ E E −fn dµ ≥ − f dµ lim inf n→∞ X X E E fn dµ ≤ f dµ lim sup n→∞
X
X
Insgesamt erhalten wir E E E E f dµ ≤ lim inf fn dµ ≤ lim sup fn dµ ≤ f dµ X
n→∞
n→∞
X
X
X
!
Beispiel 24 Es seien ak,n ∈ R, k, n ∈ N, an ∈ R und bn ∈ R, n ∈ N, mit ∀k, n ∈ N : |ak,n | ≤ bn
∞ &
n=1
lim ak,n = an
bn < ∞
k→∞
Dann gilt
∞ &
n=1
an = lim
k→∞
∞ &
ak,n
n=1
Beweis. Wir betrachten den Maßraum (N, P(N), ν), wobei ν das Z¨ahlmaß ist und wenden den Konvergenzsatz von Lebesgue an. !
Korollar 6 Es sei (X, A, µ) ein vollst¨ andiger Maßraum. Es sei f : X × [a, b] → R eine Funktion, so dass f¨ ur alle t ∈ [a, b] die Funktion ft : X → R mit ft (x) = f (x, t) integrierbar ist. Die Ableitungen ∂f existieren und es gibt eine integrierbare Funktion ∂t , ∂f , , , g : X → R, so dass f¨ ur alle x ∈ X und t B∈ [a, b] die Ungleichung ∂t (x, t) ≤ g(x) gilt. Dann ist die Funktion, die t auf die Zahl X f (x, t)dµ(x) abbildet nach t differenzierbar und es gilt E E ∂f ∂ f (x, t)dµ(x) = (x, t)dµ(x). ∂t X X ∂t
3.3. INTEGRATION REELLER FUNKTIONEN
103
Beweis. Es sei tn , n ∈ N, eine Folge, die gegen 0 konvergiert. Zu einem festen t0 definieren wir hn : X → R durch f (x, t0 + tn ) − f (x, t0 ) . tn
hn (x) =
Weil ft eine integrierbare Funktion ist, so ist auch hn eine integrierbare Funktion. Außerdem gilt f¨ ur alle x ∈ X, dass |hn (x)| ≤ g(x). Wir pr¨ ufen dies nach. Mit dem Mittelwert" " satz gibt es ein t mit t ∈ (t0 , t0 + tn ) hn (x) = Also
f (x, t0 + tn ) − f (x, t0 ) ∂f = (x, t"0 ). tn ∂t
, , , ∂f , " |hn (x)| = ,, (x, t0 ),, ≤ g(x). ∂t
Deshalb k¨onnen wir den Lebesgueschen Konvergenzsatz anwenden. E E ∂f = lim hn (x)dµ(x) (x, t0 )dµ(x) X ∂t X n→∞ E hn (x)dµ(x) = lim n→∞ X E f (x, t0 + tn ) − f (t) dµ(x) = lim n→∞ X tn + *E E 1 f (x, t0 + tn )dµ(x) − f (x, t0 )dµ(x) = lim n→∞ tn X X Weil diese Gleichung f¨ ur alle Nullfolgen tn , n ∈ N, gilt, folgt E E ∂f ∂ f (x, t0 )dµ(x) (x, t0 )dµ(x) = ∂t X X ∂t ! Lemma 55 Es sei f : [a, b] → R eine Lebesgue messbare Funktion und $ > 0. Dann gibt es eine stetige Funktion g : [a, b] → R mit E
a
b
|f − g|dλ < $
Beweis. Nach Lemma gibt es zu jeder Menge A ∈ A mit µ(A) < ∞ und f¨ ur jedes $ > 0 eine Menge E, die endliche Vereinigung offener Intervalle ist und f¨ ur die λ(A:E) < $. !
104
3.4
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
¨ Der Uberdeckungssatz von Vitali
Guiseppe Vitali wurde am 26.8.1875 in Ravenna geboren. Er studierte in Bologna und Pisa. Er war Professor in Modena, Padua und Bologna. Er starb 1932 in Bologna. Satz 15 Es sei B2n (xι , rι ), ι ∈ I, eine Familie von abgeschlossenen euklidischen Kugeln im Rn . Es gelte f¨ ur alle ι ∈ I die Ungleichung rι > 0 und sup rι < ∞. ι∈I
Dann gibt es eine abz¨ahlbare Teilfamilie B2n (xιi , rιi ), i ∈ N, von paarweise disjunkten euklischen Kugeln, so dass ! ! B2n (xι , rι ) ⊆ B2n (xιi , 5rιi ). ι∈I
i∈N
Beweis. Es seien ρ = supι∈I rι und ,ρ 5 ρ 6 , Mj = ι ∈ I , j < rι ≤ j−1 j = 1, 2, ... 2 2 # Wegen rι > 0 gilt I = j∈N Mj . In jedem Indexbereich Mj w¨ahlen wir eine maximale Teilmenge Nj , so dass die Kugeln n B2 (xι , rι ), ι ∈ Nj , disjunkt sind, d.h. es l¨asst sich keine weitere Kugel B2n (xι , rι ), ι ∈ Mj , die zu diesen Kugeln disjunkt ist. Die Mengen Nj , j ∈ N, sind abz¨ahlbar. Es gibt zu jedem ι ∈ I ein j ∈ N und ein η ∈ Nj , so dass B2n (xι , rι ) ∩ B2n (xη , rη ) += ∅.
# Wir pr¨ ufen dies nach. Es sei ι ∈ I. Da I = j∈N Mj , gibt es ein j mit ι ∈ Mj . Falls ι ∈ Nj , dann setzen wir η = ι. Falls ι ∈ / Nj , dann muss es ein η ∈ Nj mit der gew¨ unschten Eigenschaft geben, weil Nj maximal ist. iter folgt nun, dass B2n (xι , rι ) ⊆ 5B2n (xη , rη ). Es sei x ∈ B2n (xι , rι ), dann gilt 5xη − x5 ≤ 5xη − xι 5 + 5xι − x5 ≤ rι + rη + rι . Da rι ≤ ρ/2j−1 ≤ 2rη , folgt
5xη − x5 ≤ 5rη .
Die gesuchte Menge ist die Vereinigung aller Mengen Nj , j ∈ N. ! ¨ von Korollar 7 Es sei A eine Teilmenge des Rn und B2n (xι , rι ), ι ∈ I, eine Uberdeckung A mit den fogenden Eigenschaften: (i) ∀ι ∈ I : rι > 0
¨ 3.4. DER UBERDECKUNGSSATZ VON VITALI (ii) supι∈I rι < ∞ (iii) F¨ ur alle x ∈ A
105
inf {rι |ι ∈ I und x ∈ B2n (xι , rι )} = 0.
Dann gibt es eine abz¨ahlbare Teilfamilie B2n (xιi , rιi ), i ∈ N, von disjunkten euklidischen Kugeln, so dass f¨ ur jede endliche Teilmenge M von I ! ! A\ B2n (xι , rι ) ⊆ B2n (xη , 5rη ). ι∈M
η∈{ιi |i∈N}\M
¨ Beweis. Als Teilfamilie B2n (xιi , rιi ), i ∈ N, w¨ahlen wir vom Uberdeckungssatz von Vitali gelieferte. Falls ! A⊆ B2n (xι , rι ) ι∈M
dann ist die Behauptung gezeigt. # # Nehmen wir nun an, dass es ein x ∈ A\ ι∈M B2n (xι , rι ) gibt. Da die Menge #ι∈M B2n (xι , rι ) kompakt ist, gibt es eine Kugel mit Mittelpunkt x, die einen leeren Schnitt mit ι∈M B2n (xι , rι ) hat. Wegen (iii) gibt es ein η mit ! B2n (xι , rι ) = ∅. B2n (xη , rη ) ∩ ι∈M
¨ Im Beweis zum Uberdeckungssatz hatten wir gezeigt, dass es ein i ∈ N gibt, so dass B2n (xη , rη ) ∩ B2n (xιi , rιi ) += ∅ und damit / M. ! Außerdem gilt ιi ∈
B2n (xη , rη ) ⊆ B2n (xιi , 5rιi ).
Lemma 56 Es sei A eine beschr¨ ankte Teilmenge des Rn und B2n (xι , rι ), ι ∈ I, eine ¨ Uberdeckung von A mit den fogenden Eigenschaften: (i) ∀ι ∈ I : rι > 0 (ii) supι∈I rι < ∞ (iii) F¨ ur alle x ∈ A inf {rι |ι ∈ I und x ∈ B2n (xι , rι )} = 0. ¨ Dann gibt es zu jedem $ > 0 endlich viele disjunkte Kugeln der Uberdeckung B2n (xιi , rιi ), i = 1, . . . , m, so dass f¨ ur das a¨ussere Lebesguemaß % ' m ! λ∗ A \ B2n (xιi , rιi ) < $ i=1
gilt. Beweis. Wir benutzen die von Korollar angegebene Folge B2n (xιi , rιi ), i ∈ N. Wir k¨onnen annehmen, dass f¨ ur alle i ∈ N A ∩ B2n (xιi , rιi ) += ∅.
106
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
# n gilt. (Die Kugeln mit leerem Schnitt lassen wir weg.) Mit (ii) folgt, dass auch ∞ i=1 B2 (xιi , 5rιi ) beschr¨ankt ist und damit endliches Lebesguemaß hat. Wegen der Disjunktheit folgt %∞ ' ∞ & ! λ(B2n (xιi , 5rιi )) = λ B2n (xιi , 5rιi ) < ∞ i=1
i=1
Wir w¨ahlen m so groß, dass ∞ &
λ(B2n (xιi , 5rιi )) < $.
i=m+1
Wegen Korollar ?? gilt A\ und deshalb λ∗ !
%
A\
m !
i=1
m !
B2n (xιi , rιi )
i=1
'
B2n (xιi , rιi )
⊆
≤λ
∞ !
B2n (xιi , 5rιi )
i=m+1
%
∞ !
i=m+1
'
B2n (xιi , 5rιi )
< $.
¨ 3.5. DIFFERENZIERBARKEIT MONOTONER FUNKTIONEN UND FUNKTIONEN BESCHRANKT
3.5
Differenzierbarkeit monotoner Funktionen und Funktionen beschr¨ ankter Variation
Lemma 57 Es sei f : [a, b] → R monoton wachsend. Dann ist f ausserhalb einer Lebesgue-Nullmenge differenzierbar. Die Funktion f " ist integrierbar und es gilt E
b
a
f " dλ ≤ f (b) − f (a).
Es lassen sich wachsende Funktionen, die in abz¨ahlbar vielen Punkten nicht differenzierbar sind, sehr leicht konstruieren. Es gibt aber auch wachsende Funktionen, in in u ¨berabz¨ahlbar vielen Punkten nicht differenzierbar sind, konstruieren. Ein Beispiel hierf¨ ur ist die Cantorfunktion. Beweis. Wir zeigen zuerst, dass die Menge aller x mit lim inf t→+0
f (x) − f (x − t) f (x + t) − f (x) < lim sup t t t→+0
eine Lebesgue-Nullmenge ist. Dazu reicht es zu zeigen, dass f¨ ur alle rationalen Zahlen r und s mit r < s die Menge 4 3 , , f (x) − f (x − t) f (x + t) − f (x) , Ar,s = x ,lim inf < r < s < lim sup t→+0 t t t→+0
eine Lebesgue-Nullmenge ist (Wir schliessen nicht aus, dass der Limes Inferior oder Superior den Wert unendlich annehmen.). F¨ ur unsere Argumentation ist es unerheblich, ob diese Mengen messbar sind (was sich letztendlich herausstellen wird, da wir zeigen, dass sie Nullmengen sind). Da die Menge Ar,s in dem Intervall [a, b] enthalten ist, ist das ¨aussere Maß λ∗ (Ar,s ) endlich. Zu einer solchen Menge Ar,s und jedem $ > 0 finden wir eine offene Menge U mit U ⊆ Ar,s und λ(U ) < λ∗ (Ar,s ) + $. Dies folgt fast unmittelbar aus der Definition des a¨ußeren Maßes. ¨ Wir betrachten nun die folgende Uberdeckung U von Ar,s : F¨ ur jedes x ∈ Ar,s geh¨ort das Intervall [x − h, x] zu U, falls 0 < h < 1, [x − h, x] ⊆ U und f (x) − f (x − h) < rh. ¨ Wir u ¨berlegen uns, dass U eine Uberdeckung von Ar,s ist, die die Bedingungen (i),(ii),(iii) von Lemma erf¨ ullt. Wegen lim inf t→+0
f (x) − f (x − t)
gibt es beliebig kleine Zahlen h mit f (x) − f (x − h) < rh. Nach Lemma gibt es endliche ¨ viele disjunkte Intervalle [xi − hi , xi ], i = 1, . . . , n, der Uberdeckung U, so dass % ' n ! λ∗ Ar,s \ [xi − hi , xi ] < $ i=1
108
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
und n & i=1
(f (xi ) − f (xi − hi )) < r
n &
%
hi = rλ
i=1
n !
i=1
'
[xi − hi , xi ]
≤ rλ(U ) < r(λ∗ (Ar,s ) + $)
# ¨ ¨ Nun betrachten wir eine Uberdeckung V von Ar,s ∩ ni=1 (xi − hi , xi ). Die Uberdeckung V besteht aus allen Intervallen [y, y + k] mit 0 < k < 1, so dass es ein i mit [y, y + k] ⊆ ¨ (xi − hi , xi ) gibt und so dass f (y + k) − f (y) > sk. Wie im Fall der Uberdeckung U u ¨berzeugen wir uns davon, dass die Bedingungen (i),(ii),(iii) von Lemma gelten. Es gibt somit endlich viele disjunkte Intervalle [yj , yj + kj ], j = 1, . . . , m, so dass ' m ' %% n ! ! Ar,s ∩ (xi − hi , xi ) \ [yj , yj + kj ] < $ λ∗ i=1
Es folgt λ∗
%
≤λ
Ar,s \
∗
+ λ∗
%%
m !
'
[yj , yj + kj ]
j=1
Ar,s ∩
%%
Ar,s ∩
≤ $ + λ∗
%
j=1
n !
i=1
%
'
(xi − hi , xi )
n !
i=1
Ar,s \
Hiermit erhalten wir m &
j=1
n !
i=1
m !
\
\
'
[xi − hi , xi ]
(f (yj + kj ) − f (yj )) > s
kj = sλ
j=1
[yj , yj + kj ]
j=1 'c '
(xi − hi , xi )
m &
'
m !
[yj , yj + kj ]
j=1
< 2$
%
m !
'
[yj , yj + kj ]
j=1
%
≥ s λ∗ (Ar,s ) − λ∗ ∗
'
≥ s (λ (Ar,s ) − 2$)
%
Ar,s \
m !
''
[yj , yj + kj ]
j=1
Jedes der Intervalle [yj + kj , yj ] ist in einem der Intervalle [xi − hi , xi ] enthalten. Deshalb gilt f¨ ur alle i = 1, . . . , n & (f (yj + kj ) − f (yj )) ≤ f (xi ) − f (xi − hi ). {j|[yj ,yj +kj ]⊆[xi −hi ,xi ]}
Nun summieren wir u ¨ber alle i m & j=1
(f (yj + kj ) − f (yj )) ≤
n & i=1
((f (xi ) − f (xi − hi ))
Es folgt s (λ∗ (Ar,s ) − 2$) < r(λ∗ (Ar,s ) + $).
¨ 3.5. DIFFERENZIERBARKEIT MONOTONER FUNKTIONEN UND FUNKTIONEN BESCHRANKT Da dies f¨ ur alle $ > 0 gilt, folgt sλ∗ (Ar,s ) ≤ rλ∗ (Ar,s ). Da andererseits r < s, so muss λ∗ (Ar,s ) = 0. Die Funktion −f (a + b − x) ist ebenfalls wachsend und, wenn wir das eben bewiesene auf diese Funktion anwenden, erhalten wir, dass lim sup t→+0
f (x) − f (x − t) f (x + t) − f (x) ≤ lim inf t→+0 t t
Lebesgue-f.¨ u. gilt. Insgesamt gilt lim sup t→+0
f (x) − f (x − t) t
f (x + t) − f (x) t→+0 t f (x + t) − f (x) f (x) − f (x − t) ≤ lim sup ≤ lim inf . t→+0 t t t→+0 ≤ lim inf
Deshalb ist die linksseitige gleich der rechtsseitigen Ableitung. Wir m¨ ussen noch nachweisen, das diese Ableitungen f.¨ u. endlich sind. ¨ F¨ ur die n¨achste Uberlegung setzen wir f f¨ ur Werte ausserhalb des Intervalles [a, b] fort. F¨ ur x > b setzen wir f (x) = f (b). Wir wenden das Lemma von Fatou an E
a
b
lim sup n→∞
*
+ 1 n f (x + ) − f (x) dλ n + E b * 1 n f (x + ) − f (x) dλ ≤ lim sup n n→∞ a %E 1 1 E b+ n
= lim sup n→∞
b
nf (x)dλ −
a+ n
a
nf (x)dλ
'
≤ f (b) − f (a)
u. endlich. ! Deshalb ist f " eine integrierbare Funktion und insbesondere f.¨ Beispiel 25 (i) Die Cantorfunktion, die auch Teufelstreppe genannt wird, ist eine stetige, wachsende Funktion von [0, 1] auf [0, 1], die fast u ¨berall differenzierbar ist. Die Ableitung ist fast u ¨berall gleich 0. (ii) Es seien aj , j ∈ N, positive Zahlen, so dass ∞ & j=1
aj < ∞
ahlung der rationalen Zahlen in [0, 1]. f : [0, 1] → R und qj , j ∈ N, sei eine Abz¨ f (x) =
&
aj
qj <x
f ist eine wachsende Funktion, die in allen rationalen Punkten unstetig ist.
110
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Es sei F : R → C und x ∈ R. Wir sagen, dass $ n 0 & |F (xj ) − F (xj−1 )| | − ∞ < x0 < x1 < · · · < xn = x, n ∈ N TF (x) = sup j=1
die totale Variation der Funktion F ist. TF ist eine wachsende Funktion. Wir sagen, dass F von beschr¨ankter Variation ist, falls lim TF (x) = TF (∞) < ∞
x→∞
Wir sagen, dass eine Funktion F : [a, b] → C von beschr¨ankter Variation ist, falls $ n 0 & sup |F (xj ) − F (xj−1 )| | a = x0 < x1 < · · · < xn = b, n ∈ N j=1
endlich ist. Falls F : R → C von beschr¨ankter Variation ist, dann gilt f¨ ur alle a, b ∈ R, dass F|[a,b] von beschr¨ankter Variation ist. Falls umgekehrt F : [a, b] → C von beschr¨ankter Variation ist, dann ist F˜ mit x ∈ [a, b] F (x) xb
von beschr¨ankter Variation.
Lemma 58 Falls F eine reellwertige Funktion mit beschr¨ ankter Variation ist, dann sind TF + F und TF − F wachsende Funktionen. Insbesondere ist eine Funktion von beschr¨ ankter Variation fast u ¨berall differenzierbar. Beweis. Es sei x < y und $ > 0. Wir w¨ahlen x0 < x1 < · · · < xn = x, so dass TF (x) − $ ≤ Ausserdem gilt TF (y) ≥ Hieraus folgt TF (y) + F (y) ≥
n & j=1
n & j=1
n & j=1
|F (xj ) − F (xj−1 )|
|F (xj ) − F (xj−1 )| + |F (y) − F (x)|
|F (xj ) − F (xj−1 )| + |F (y) − F (x)| + F (y) ≥ TF (x) − $ + F (x)
Da dies f¨ ur alle $ > 0 gilt, folgt TF (y) + F (y) ≥ TF (x) + F (x) Ebenso verfahren wir f¨ ur TF − F . !
3.6. DER HAUPTSATZ DER DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG
3.6
111
Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung wird zun¨achst f¨ ur stetige Funktionen f : [a, b] → R formuliert: Es gilt E b f (x)dx = F (b) − F (a) a
wobei F eine Stammfunktion von f ist, d.h. F " = f . Es stellt sich nat¨ urlich die Frage, ob dieser Satz f¨ ur mehr als nur stetige Funktionen f gilt. Und, wenn man die Rollen von f und F vertauscht, stellt sich die Frage, f¨ ur welche Funktionen F gilt E b
a
F " (x)dx = F (b) − F (a).
Bei der letzteren Gleichung muss man erhebliche Einschr¨ankungen hinnehmen. Die Cantorfunktion bzw. Teufelstreppe ist eine stetige, monoton wachsende Funktion, die diese Gleichung nicht erf¨ ullt. Die Ableitung der Cantorfunktion ist f.¨ u. 0. Eine Funktion F : R → R heißt absolutstetig, falls f¨ ur jedes $ > 0 ein δ > 0 existiert, so dass f¨ ur alle Folgen a1 < b1 < a2 < b2 < · · · < aN < bN mit N & j=1
(bj − aj ) < δ
gilt, dass N & j=1
|F (bj ) − F (aj )| < $
Bemerkung 1 (i) Jede absolutstetige Funktion ist stetig. (ii) Die Cantorfunktion ist stetig aber nicht absolutstetig. (iii) Jede absolutstetige Funktion ist von beschr¨ankter Variation. (iv) Die Funktion f : [−1, 1] → R mit $ 0 x ∈ [−1, 0) f (x) = 1 x ∈ [0, 1] ist von beschr¨ ankter Variation, aber nicht stetig. Lemma 59 Es sei f : [a, b] → R eine absolutstetige Funktion, deren Ableitung f " f.¨ u. gleich 0 ist. Dann ist f eine konstante Funktion. Beweis. Es seien $ > 0 und c ∈ R mit a < c < b. Wir betrachten die Menge A = {x ∈ [a, c)|F " (x) = 0}
112
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
¨ und die Uberdeckung U von A, die so definiert ist: Das Intervall [x, x + h] geh¨ort zu U, falls x ∈ A, x + h < c und |F (x + h) − F (x)| < $h. ¨ Diese Uberdeckung erf¨ ullt die Bedingungen (i),(ii),(iii) von Lemma. Deshalb gibt es zu jedem δ > 0 endlich viele disjunkte Intervalle [xi , xi + hi ], i = 1, . . . , n, von U mit ' % n ! λ∗ A \ [xi , xi + hi ] < δ i=1
Tats¨achlich k¨onnen wir λ∗ durch λ ersetzen, weil A eine messbare Menge ist. Wir w¨ahlen nun δ. Wir k¨onnen annehmen, dass x1 < x2 < · · · < xn gilt. Wegen der Disjunktheit gilt dann x1 < x1 + h1 < x2 < x2 + h2 < x3 < · · · < xn < xn + hn . Weil λ(A) = c − a gilt, folgt % ' n ! λ [a, c] \ [xi , xi + hi ] < δ i=1
und somit
(x1 − a) + (x2 − (x1 + h1 )) + (x3 − (x2 + h2 )) + · · · + (c − (xn + hn )) < δ. Da F absolutstetig ist, k¨onnen wir δ so klein w¨ahlen, dass |F (x1 ) − F (a)| + |F (x2 ) − F (x1 + h1 )| + · · · + |F (c) − F (xn + hn )| < $. Es gilt |F (c) − F (a)| = |(F (x1 ) − F (a)) + (F (x2 ) − F (x1 + h1 )) + · · · + (F (c) − F (xn + hn )) +(F (x1 + h1 ) − F (x1 )) + (F (x2 + h2 ) − F (x2 )) + · · · + (F (xn + hn ) − F (xn ))|. Mit der Dreiecksungleichung erhalten wir |F (c) − F (a)| < $ + $
n & i=1
hi ≤ $ + $(c − a)
Da $ beliebig ist, folgt F (c) = F (a). Da dies f¨ ur alle c mit a < c < b gilt, ist F konstant. ! Satz 16 (Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung) (i) Es sei f : [a, b] → R Lebesgue-integrierbar. Dann ist E a F (x) = f (t)dλ x
absolutstetig und es gilt F " = f Lebesgue-f.¨ u.. (ii) Es sei F : [a, b] → R absolutstetig. Dann ist F " Lebesgue-integrierbar und es gilt f¨ ur alle x ∈ [a, b] E x
F (x) − F a) =
a
F " (t)dλ.
3.6. DER HAUPTSATZ DER DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG
113
Beweis. (i) Zu jedem $ > 0 existiert ein δB > 0, so dass f¨ ur alle Lebesgue-messbaren ¨ Hieraus Mengen A mit λ(A) < δ die Absch¨atzung A f dλ < $ gilt. (Ubungsaufgabe) folgt, dass F absolutstetig ist. Da jede absolutstetige Funktion von beschr¨ankter Variation ist, so ist F f.¨ u. differenzierbar. Wir weisen zun¨achst in dem Fall, dass f beschr¨ankt ist, die Gleichung F " = f f.¨ u. nach. Dazu m¨ ussen wir die Funktion auch f¨ ur Werte x mit x > b definieren. Wir setzen in diesem Fall f (x) = f (b). Wir betrachten nun eine Folge von Funktionen n(F (x +
1 ) − F (x)) n
n∈N
Da f beschr¨ankt ist, d.h. es gibt es C mit |f | ≤ C, ist die Folge gleichm¨aßig beschr¨ankt: E x+ 1 n 1 f (t)dλ ≤ C. n(F (x + ) − F (x)) = n n x Es gilt f¨ ur alle c mit a < c < b E E c " F (x)dλ =
c
lim n(F (x +
a n→∞
a
1 ) − F (x))dλ n
Da die Folge der Integranden beschr¨ankt ist, k¨onnen wir den Konvergenzsatz von Lebesgue anwenden E c E c 1 " F (x)dλ = lim n(F (x + ) − F (x))dλ n→∞ a n a ' %E 1 1 E c+ n
= lim
n→∞
c
nF (x)dλ −
a+ n
nF (x)dλ .
a
Aus der Stetigkeit von F folgt E
c
a
F " (x)dλ = F (c) − F (a).
Da F stetig ist k¨onnen wir den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung f¨ ur stetige Funktionen anwenden E c E c " F (x)dλ = f (x)dλ. a
a
Deshalb gilt f¨ ur alle c mit a < c < b E
a
c
F " (x) − f (x)dλ.
¨ Nach Ubungsaufgabe ist ein solcher Integrand f.¨ u. 0. Nun f¨ uhren wir den allgemeinen Fall auf den Fall einer beschr¨ankten Funktion f zur¨ uck. Es reicht auch anzunehmen, dass f ≥ 0, da man f in seinen negativen und positiven Teil zerlegen kann. Wir betrachten die Funktion min{f, n}. Da diese Funktion beschr¨ankt ist, gilt f¨ ur alle x mit a < x < b und die Funktion E x Fn (x) = min{f, n}dλ, a
114
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
dass f.¨ u. Fn" = min{f, n}. Mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz folgt E x E x E x min{f, n}dλ = lim min{f, n}dλ = f dλ. lim Fn = lim n→∞
n→∞
a
a
n→∞
a
u. Da limn→∞ λ({x|f (x) ≥ n}) = 0, folgt f.¨ lim Fn" = f.
n→∞
(ii) Da F absolutstetig ist, ist F von beschr¨ankter Variation und damit nach Lemma f.¨ u. differenzierbar. Ausserdem ist die Ableitung eine integrierbare Funktion. Wir setzen Bx " G(x) = a F (x)dλ. Nach (i) gilt f.¨ u. G" = F " . Die Funktion G − F ist absolutstetig und es gilt f¨ u. (G − F )" = 0. Nach Lemma ist G − F eine konstante Funktion. ! Beispiel 26 Es gibt eine absolutstetige Funktion, die von [0, 1] nach R abbildet und die nirgendwo monoton ist. (Da die Funktion absolutstetig ist, ist sie fast u ¨berall differenzierbar.)
Beweis. Nach Beispiel gibt es eine Lebesgue messbare Teilmenge A von [0, 1], so dass f¨ ur alle Intervalle I mit I ⊆ [0, 1] die Ungleichungen λ(A ∩ I) > 0 und λ(Ac ∩ I) > 0 gelten. Die gesuchte Funktion ist eine Stammfunktion von χA − χAc . !
3.7. DAS RIEMANN-INTEGRAL
3.7
115
Das Riemann-Integral
Berhard Riemann (1826-1866) war Professor in G¨ottingen. Die nach ihm benannte Riemannsche Vermutung ist das ber¨ uhmteste offene mathematische Problem. Eine Partition eines Intervalls [a, b] ist eine endliche Folge P = {t0 , . . . , tn }, so dass a = t0 < t1 < · · · < tn = b Wir definieren f¨ ur eine beschr¨ankte Funktion f : [a, b] → R / Mj = supt∈[tj−1 ,tj ] f (t) SP (f ) = nj=1 Mj (tj − tj−1 ) /n sP (f ) = j=1 mj (tj − tj−1 ) mj = inf t∈[tj−1 ,tj ] f (t)
Wir sagen, dass eine beschr¨ankte Funktion f Riemann integrierbar ist, wenn inf SP (f ) = sup sP (f ) P
gilt. Das Riemann Integral ist E b
P
f (t)dt = inf SP (f ) = sup sP (f ) P
a
P
Eine Partition P " ist Verfeinerung einer Partition P , wenn P ⊆ P " . Lemma 60 Es sei f : [a, b] → R eine beschr¨ ankte Funktion. Es sei P " Verfeinerung der Partition P . Dann gilt sP (f ) ≤ sP $ (f )
SP $ (f ) ≤ SP (f )
Lemma 61 Es sei f : [a, b] → R eine beschr¨ ankte Funktion und H, h : [a, b] → R seien durch ' % H(x0 ) = lim sup f (y) := inf
sup f (x)
δ>0
x→x0
h(x0 ) = lim inf f (x) := sup x→x0
δ>0
*
|x−x0 |<δ
inf
|x−x0 |<δ
+ f (x)
gegeben. (Die rechten Seiten sind die Definitionen f¨ ur limsup und liminf.) Es gilt genau dann H(x0 ) = h(x0 ), wenn f in x0 stetig ist. Beweis. Wir zeigen zun¨achst, dass f¨ ur alle x ∈ [a, b] die Ungleichung h(x) ≤ H(x) gilt. Trivialerweise gilt f¨ ur alle x ∈ [a, b] und alle δ > 0 inf
|x−x0 |<δ
f (x) ≤
sup f (x) |x−x0 |<δ
Hieraus folgt, dass f¨ ur alle δ, η > 0 inf
|x−x0 |<δ
f (x) ≤
sup f (x) |x−x0 |<η
116
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Deshalb gilt f¨ ur alle η > 0 *
sup δ>0
und somit sup δ>0
*
inf
|x−x0 |<δ
inf
|x−x0 |<δ
+ f (x) ≤
sup f (x) |x−x0 |<η
% ' + sup f (x) f (x) ≤ inf η>0
|x−x0 |<η
Wir nehmen nun an, dass f in x0 stetig ist. Dann gilt ∀$ > 0∃δ! > 0∀x, |x − x0 | < δ : |f (x) − f (x0 )| < $. Es folgt H(x0 ) = inf
δ>0
h(x0 ) = sup δ>0
% *
'
sup f (x)
|x−x0 |<δ
inf
|x−x0 |<δ
≤
+ f (x) ≥
sup |x−x0 |<δ"
inf
|x−x0 |<δ"
f (x) ≤ f (x0 ) + $
f (x) ≥ f (x0 ) − $.
Es folgt 0 ≤ H(x0 ) − h(x0 ) ≤ 2$ Wir nehmen nun an, dass H(x0 ) = h(x0 ). Es gilt ∀$∃δs : ∀$∃δi :
sup |x−x0 |<δs
inf
|x−x0 |<δi
f (x) ≤ H(x0 ) + $ f (x) ≥ h(x0 ) − $.
Hieraus folgt ∀$∃δs ∃δi :
sup |x−x0 |<δs
f (x) −
inf
|x−x0 |<δi
f (x) ≤ 2$
und schließlich ∀$∃δ :
sup f (x) −
|x−x0 |<δ
inf
|x−x0 |<δ
f (x) ≤ 2$
! Man beachte, dass im folgenden das Riemann Integral einer Funktion f durch Bb und das Lebesgue Integral durch a f dλ bezeichnet wird.
Bb a
f (x)dx
Satz 17 Es sei f eine beschr¨ ankte, reellwertige Funktion auf [a, b]. (i) Falls f Riemann integrierbar ist, dann ist f Lebesgue integrierbar und beide Integrale stimmen u ¨berein. (ii) f ist genau dann Riemann integrierbar, wenn die Menge {x|x ∈ [a, b] und f ist nicht stetig in x} das Lebesgue Maß 0 hat.
3.7. DAS RIEMANN-INTEGRAL
117
Beweis. (i) f sei Riemann integrierbar. Dann gibt es Partitionen Pk = {tk0 , . . . , tknk }, k ∈ N, so dass Pk+1 Verfeinerung von Pk ist, d.h. k+1 {tk0 , . . . , tknk } ⊆ {tk+1 0 , . . . , tnk+1 }
und so dass inf SPk (f ) = sup sPk (f )
k∈N
k∈N
Wir setzen I1k = [tk0 , tk1 ] und Iik = (tki−1 , tki ], i = 2, . . . , nk GPk =
nk &
Mjk χIjk
sup
f (x)
nk &
gPk =
j=1
Mjk =
mkj χIjk
j=1
mkj =
x∈[tkj−1 ,tkj ]
inf
x∈[tkj−1 ,tkj ]
f (x)
Es gilt f¨ ur alle k ∈ N und alle x ∈ [a, b] gPk (x) ≤ f (x) ≤ GPk (x) Die Folge der Funktionen GPk , k ∈ N, ist monoton fallend und die Folge gPk monoton wachsend, weil Pk+1 Verfeinerung von Pk ist. Deshalb existieren f¨ ur alle x ∈ [a, b] die Grenzwerte G(x) = lim GPk (x) g(x) = lim gPk (x) k→∞
k→∞
Weil G und g punktweise Limites von Lebesgue messbaren Funktionen sind, sind sie Lebesgue messbar. Da GPk und gPk einfache Funktionen sind, stimmen Lebesgue und Riemann Integral dieser Funktionen u ¨berein. E b E b E b E b GPk dλ = SPk (GPk ) = GPk dt gPk dλ = sPk (gPk ) = gPk dt a
a
a
a
Weil f beschr¨ankt ist, gibt es Konstanten c1 und c2 , so dass f¨ ur alle k ∈ N und alle x ∈ [a, b] c1 ≤ gPk (x) ≤ GPk (x) ≤ c2 gilt. Mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz (oder auch mit dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz) folgt E
b
G(x)dλ = lim
a
k→∞
E
b
GPk (x)dλ
= lim
E
GPk (x)dx E b = lim SPk (f ) = f (x)dx k→∞
a
k→∞
Ebenso zeigen wir, dass
E
a
b
g(x)dλ =
b
E
a
b
f (x)dx
a
a
118
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Da g ≤ G gilt, folgt 0=
E
E
b
a
G(x) − g(x)dλ =
b
|G(x) − g(x)|dλ
a
Mit Lemma 54 folgt hieraus, dass fast u ¨berall G(x) = g(x) gilt. Da g ≤ f ≤ G gilt, folgt weiter, dass fast u ¨berall g = f = G gilt. Somit ist f Lebesgue messbar. Deshalb gilt E
b
f (x)dλ =
a
E
b
G(x)dλ =
a
E
b
g(x)dλ
a
Wir wollen noch bemerken, dass i.a. nicht f¨ ur alle x ∈ [a, b] die Gleichung g(x) = G(x) gilt. Ein Beispiel ist die charakteristische Funktion der Cantormenge C. Das RiemannIntegral ist 0. In diesem Fall gilt g = 0 und G = χC . (ii) Wir nehmen an, dass f Riemann integrierbar ist. Dann gibt es Partitionen Pk und zugeh¨orige Funktionen GPk und gPk wie in (i) spezifiziert. Wir setzen % ' H(x) = lim sup f (y) = inf
sup f (y)
δ>0
y→x
h(x) = lim inf f (y) = sup y→x
δ>0
*
|x−y|<δ
+ inf f (y)
|x−y|<δ
Nach Lemma gilt genau dann H(x) = h(x), wenn f in x stetig ist. Wir zeigen, dass fast u ¨berall H(x) ≤ G(x) und h(x) ≥ g(x) gelten. Hierzu zeigen wir, dass f¨ ur alle k ∈ N und fast alle x ∈ [a, b] H(x) ≤ GPk (x)
h(x) ≥ gPk (x)
und
gelten. (Diese Ungleichungen gelten f¨ ur jedes k bis auf endlich viele x.) Es sei k ∈ N und x ∈ [a, b] mit x ∈ / {tk0 , . . . , tknk }. Dann gibt es ein η = η(x, k) > 0 und ein i, so dass (x − η, x + η) ⊆ (tki , tki+1 ) Hieraus folgt sup f (y) ≤
|x−y|<η
sup
f (y) = Mi
y∈[tki ,tki+1 ]
Damit erhalten wir H(x) = inf
δ>0
%
'
sup f (y)
|x−y|<δ
≤ sup f (y) ≤ |x−y|<η
sup y∈[tki ,tki+1 ]
Genauso wird gezeigt, dass f¨ ur alle k ∈ N fast u ¨berall gPk (x) ≤ h(x) Hieraus folgt insgesamt, dass f¨ ur fast alle x ∈ [a, b] g(x) ≤ h(x) ≤ H(x) ≤ G(x)
f (y) = Mi = GPk (x)
3.7. DAS RIEMANN-INTEGRAL
119
gilt. Da f Riemann integrierbar ist, folgt wie unter (i), dass fast u ¨berall g(x) = h(x) = H(x) = G(x) Also ist f fast u ¨berall stetig. Nun nehmen wir an, dass f fast u ¨berall stetig ist. Wir setzen Hδ (x) = sup f (y)
hδ (x) = inf f (y) |x−y|<δ
|x−y|<δ
Wir bemerken, dass f¨ ur alle δ, η > 0 mit δ ≤ η die Ungleichungen Hδ ≤ Hη und hη ≤ hδ gelten. Wir w¨ahlen ausserdem eine Folge Pk = {tk0 , . . . , tknk }, k ∈ N, von Partitionen, wobei Pk+1 Verfeinerung von Pk ist und lim max tkj − tkj−1 = 0.
k→∞ 1≤j≤nk
Diese Partitionen liefern uns wie unter (i) Funktionen GPk und gPk mit Grenzfunktionen G und g. Wir zeigen, dass f¨ ur solche Partitionen inf SPk (f ) = sup sPk (f )
k∈N
k∈N
gilt. Dazu zeigen wir, dass f¨ ur alle δ > 0 fast u ¨berall G(x) ≤ Hδ (x) hδ (x) ≤ g(x) # k k F¨ ur alle x ∈ [a, b] mit x ∈ / ∞ k=1 {t0 , . . . , tnk } gibt es ein k, so dass x ∈ (tki , tki+1 )
und
|tki − tki+1 | < δ
Hieraus folgt G(x) ≤ GPk (x) =
sup y∈[tki−1 ,tki ]
f (y) ≤ sup f (y) = Hδ (x) |x−y|<δ
Es folgt, dass f¨ ur alle δ > 0 fast u ¨berall G(x) ≤ Hδ (x) gilt. Dies bedeutet, dass fast u ¨berall G(x) ≤ inf H 1 (x) = inf Hδ (x) = H(x) n∈N
n
δ>0
gilt. Genauso schliessen wir, dass fast u ¨berall h(x) ≤ g(x) gilt. Insgesamt erhalten wir, dass fast u ¨berall h(x) ≤ g(x) ≤ G(x) ≤ H(x) gilt. Da fast u ¨berall h(x) = H(x) gilt, folgt, dass fast u ¨berall g(x) = G(x)
120
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
gilt. Aus G = g fast u ¨berall folgt E
b
G(x)dλ =
a
E
b
g(x)dλ
a
Mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz folgt E b E b E b lim SPk (f ) = lim GPk (x)dx = lim GPk (x)dλ = G(x) dλ k→∞ k→∞ a k→∞ a a E b E b E b = g(x)dλ = lim gPk (x)dλ = lim gPk (x)dx = lim sPk (f ) k→∞
a
k→∞
a
a
k→∞
Also ist f Riemann integrierbar. ! Beispiel 27 (i) f : [0, 1] → R f (x) =
$
0
falls x irrational
1
falls x rational
f ist nicht Riemann integrierbar (f ist aber Lebesgue integrierbar). (ii) Es sei C die Cantormenge und χC die charakteristische Funktion der Cantormenge auf [0, 1]. χC ist Riemann integrierbar und in allen Punkten der Cantormenge unstetig. (iii) f : [0, 1] → R falls x irrational ist oder x = 0 0 f (x) = m 1 falls x = und m und n teilerfremd sind n n f ist in allen irrationalen Punkten stetig und unstetig in allen rationalen Punkten. f ist Riemann integrierbar und E 1 f (x)dx = 0 0
Diese Funktion wurde 1875 von K.J. Thomae eingef¨ uhrt.
Beweis. (i) Die Menge der Unstetigkeitspunkte ist keine Lebesgue Nullmenge. (iii) Wir zeigen, dass f in allen rationalen Punkten, die von 0 verschieden sind, unstetig ist. 1 m Es gilt f ( m n ) = n , aber in jeder Umgebung von n findet man einen irrationalen Punkt. Wir zeigen nun, dass f in allen irrationalen Punkten x stetig ist. Wir zeigen, dass f¨ ur alle Folgen {xn }n∈N mit limn→∞ xn = x lim f (xn ) += f (x) = 0 n→∞
gilt. Wir k¨ onnen annehmen, dass alle xn , n ∈ N, rationale Zahlen sind, weil f auf irrationalen Zahlen n den Wert 0 annimmt. Es sei { m kn }n∈N eine Folge rationaler Zahlen mit lim
mn =x kn
lim
1 =0 kn
n→∞
Wir m¨ ussen zeigen, dass n→∞
Wir nehmen an, dies sei nicht so. Dann gibt es eine Teilfolge {knj }j∈N , die beschr¨ ankt ist. Deshalb ist auch {mnj }j∈N beschr¨ankt. Somit nimmt 3 4 mn j knj j∈N
3.7. DAS RIEMANN-INTEGRAL
121
nur endlich viele Werte an. Deshalb ist lim
j∈N
mn j knj
rational. Der Grenzwert ist aber gleich der irrationalen Zahl x. f ist Riemann integrierbar, weil die Menge der Unstetigkeitspunkte eine Nullmenge ist. Das Integral von f ist 0,weil f fast u ¨berall gleich 0 ist. Wir wollen nun noch direkt zeigen, dass f Riemann integrierbar ist und dass das Integral von f gleich 0 ist. Wir wollen also nicht den Satz benutzen, dass eine Funktion Riemann integrierbar ist, falls die Menge der Unstetigkeitspunkte eine Lebesgue Nullmenge ist. Dazu zeigen wir dass f¨ ur alle Partitionen P gilt, dass U S P (f ) = 0. Ausserdem zeigen wir, dass es Partitionen Pn , n ∈ N, gibt, so dass F 2 OS P (f ) ≤ n gilt. Hieraus ergibt sich unmittelbar die Behauptung. Es gilt n & U S P (f ) = mk (f )∆k = 0 k=1
Wir beweisen nun die Absch¨ atzung f¨ ur die Obersummen. Als Partitionen w¨ ahlen wir Pn = {0, n1 , n2 , . . . , 1}, 1 k−1 k n ∈ N. Es gilt ∆k = n und Ik = [ n , n ]. Um OS P (f ) zu bestimmen, m¨ ussten wir nun Mk (f ) berechnen. Dies kann sich wegen der Funktion f kompliziert gestalten. Deshalb gehen wir einer anderen Frage nach, die leichter zu beantworten ist: Die Funktion f nimmt die Werte 1q , q ∈ N, an. Wir fragen, auf wievielen Intervallen Ik der Wert von Mk (f ) gleich 1q ist? Es gilt OS Pn (f ) =
n &
k=1
wobei
3 , 4 n ∞ , 1& 1&1 1 , Mk (f )∆k = Mk (f ) = card k ,Mk (f ) = n n q=1 q q k=1
3 , 4 , 1 card k ,,Mk (f ) = =n q q=1
∞ &
k Da in jedem Intervall Ik = [ k−1 n , n ] eine Zahl
k n
enthalten ist, gilt
Mk (f ) = sup f (x) ≥ f ( nk ) ≥ x∈Ik
Deshalb gilt
Weiter gilt
1 n
3 , 4 , 1 , card k ,Mk (f ) = =n q q=1
n &
3 , 4 , 1 , card k ,Mk (f ) = ≤q q
Dies gilt, weil es q + 1 rationale Zahlen in [0, 1] gibt, deren Nenner q ist: 0 1 2 q−1 q , , ,..., , q q q q q Diese q+1 Zahlen k¨ onnen in h¨ ochstens q+1 verschiedenen Intervallen Ik auftreten. Also gilt Mk (f ) = 1q in h¨ ochstens q + 1 verschiedenen Intervallen. Da qq = 1, haben wir es tats¨ achlich h¨ ochstens mit q Intervallen zu tun. Somit erhalten wir n 1&1 OS Pn (f ) = N (q) n q=1 q
122
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
wobei N (q) ganze Zahlen mit 0 ≤ N (q) ≤ q und
n &
N (q) = n
q=1
ist (Es kann sein, dass einige der N (q) gleich 0 sind.). Wir behaupten, dass n
1&1 N (q) n q=1 q
f¨ ur die folgende Wahl der Zahlen N (q) maximal ist. Es sei ( ∈ N die kleinste Zahl, so dass # & q=1
Wir setzen N (q) =
3
n−
q≥n falls q = 1, 2, . . . , ( − 1 falls q = (
q /#−1
p=1 p
Wir nehmen an, dies sei nicht so. Dann gibt es eine Zahl q0 ∈ N mit q0 ≤ ( − 1 und N (q0 ) < q0 oder N (() < n −
#−1 &
p
p=1
Wir betrachten den ersten Fall. Wir beobachten, dass es ein q1 > q0 mit N (q1 ) ≥ 1 gibt. Dann gilt n
1&1 N (q) n q=1 q $q −1 0 1 & 1 = N (q) + n q=1 q $q −1 0 1 & 1 < N (q) + n q=1 q
0 q& n 1 −1 & 1 1 1 1 N (q0 ) + N (q) + N (q1 ) + N (q) q0 q q1 q q=q +1 q=q +1 0
1
q& 1 −1
1 (N (q0 ) + 1) + q0 q=q
0
1 N (q) q +1
0 n & 1 1 + (N (q1 ) − 1) + N (q) q1 q q=q +1 1
Der zweite Fall wird genauso behandelt. Damit folgt
#
OS Pn (f ) ≤ wobei ( die kleinste Zahl ist, f¨ ur die
Wir behaupten, dass ( ≤
√
q=1
2n gilt. Es gilt n≤
Also gilt
# &
# &
q=
q=1
√
1&1 ( q= n q=1 q n q≥n
((( + 1) 1 ≤ (( + 1)2 2 2 2n ≤ ( + 1
Da ( die kleinste ganze Zahl ist, die diese Ungleichung erf¨ ullt, gilt ( ≤ F √ 2n 2 OS Pn (f ) ≤ = n n !
√
2n. Damit erhalten wir
3.7. DAS RIEMANN-INTEGRAL
123
Beispiel 28 Es sei f : R → R durch f (x) = min{1, x−2 } gegeben. Dann ist f Lebesgue integrierbar und E f dλ = 4 R
Beweis. Weil f stetig ist, so ist f Lebesgue messbar. Die Funktion f ist auf den Intervallen [−n, n], n ∈ N, Riemann integrierbar und die Integrale sind gleich dem Lebesgue Integral G Dn E E n E 1 E n 1 1 f χ[−n,n] dλ = f (x)dx = 2 dx + 2 x−2 dx = 2 + 2 − =4− x n R −n 0 1 1 Mit dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz folgt E E 1 f dλ = lim f χ[−n,n] dλ = lim 4 − = 4 n→∞ n→∞ n R R ! Beispiel 29 (Gamma-Funktion) Die Funktion Γ : (0, ∞) → R mit E ∞ Γ(x) = tx−1 e−t dt 0
heißt Gamma-Funktion. (i) Γ ist unendlich oft differenzierbar und es gilt E Γ(k) (x) =
∞
(ln t)k tx−1 e−t dt.
0
(ii) F¨ ur alle x ∈ (0, ∞) gilt
Γ(x + 1) = xΓ(x)
und damit insbesondere Γ(n + 1) = n! f¨ ur alle n ∈ N. (iii) Γ ist auf (0, ∞) logaritmisch konvex, d.h. ln Γ ist eine konvexe Funktion. Man nennt Γ(x + 1) = xΓ(x) die Funktionalgleichung von Γ. Die Funktionalgleichung zusammen mit den Bedingungen Γ(x + n) Γ(1) = 1 lim =1 n→∞ Γ(n)nx kann auch als Definition f¨ ur die Gammafunktion genommen werden. Der Funktionswert von der GammaFunktion an dem Punkt 12 ist von Interesse. Wir werden sp¨ ater (Beispiel 45) zeigen, dass * + E ∞ E ∞ √ 2 1 1 Γ = t− 2 e−t dt = e−t dt = π 2 0 −∞ Beweis. Wir zeigen zuerst, dass die Funktion Γ wohldefiniert ist. Dazu m¨ ussen wir nachweisen, dass tx−1 e−t f¨ ur alle x ∈ (0, ∞) eine integrierbare Funktion ist. Die Funktionen sind stetig und damit messbar. Wir m¨ ussen also zeigen, dass das Integral der Funktion tx−1 e−t endlich ist. Dazu reicht es zu zeigen, dass die Funktion tx−1 e−t kleiner ist als eine integrierbare Funktion. Wir zeigen ∀x, 0 < x < ∞∃Cx ∀t ∈ (0, ∞) : tx−1 e−t ≤ Cx gx (t) wobei gx (t) =
$
tx−1 − 2t
e
0≤t≤1
1
eine integrierbare Funktion ist. Hieraus folgt, dass tx−1 e−t integrierbar ist.
124
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Auf dem Intervall (0, 1] gilt tx−1 e−t ≤ tx−1 . Falls x ≥ 1, dann ist tx−1 beschr¨ankt und stetig auf (0, 1] und damit integrierbar. Falls 0 < x < 1, dann E 1 E 1 1 1 tx−1 dt = lim tx−1 dt = lim (1 − $x ) = !→0 ! !→0 α x 0 Nun betrachten wir das Intervall [1, ∞). Auf diesem Intervall gilt $ 1 x−1 −t − 2t t e ≤ M (x)e mit M (x) = e−x+1 (2(x − 1))x−1
x≤1
x>1
Falls x ≤ 1, dann gilt tx−1 ≤ 1 und M (x) = 1 reicht aus. Wenn x > 1, dann w¨ ahlen wir M (x) = e−x+1 (2(x − 1))x−1 . t
(Dies ist das Maximum der Funktion tx−1 e− 2 .) Durch Differenzieren stellen wir fest, dass die Funktion t tx−1 e− 2 auf (0, ∞) in t = 2(x − 1) ein lokales Maximum besitzt, f¨ ur t > 2(x − 1) fallend ist und f¨ ur t < 2(x − 1) wachsend ist. Also gilt t
tx−1 e− 2 ≤ e−x+1 (2(x − 1))x−1 . Es folgt
t
tx−1 e−t ≤ e−x+1 (2(x − 1))x−1 e− 2
und damit E
∞
≤ M (x)
tx−1 e−t dt
1
E
∞
t
e− 2 dt = M (x) lim
b→∞
1 b
1
E
b
t
e− 2 dt
1 1
= M (x) lim −2(e− 2 − e− 2 ) = M (x)2e− 2 . b→∞
Damit ist Γ wohldefiniert. (i) Wir weisen hier nur die Existenz der ersten Ableitung nach, die h¨ oheren Ableitungen lassen sich analog nachweisen. Um die Existenz der Ableitung nachzuweisen benutzen wir Korollar 6. Wenn wir Korollar 6 anwenden k¨ onnten, dann erg¨ abe sich die Aussage: E ∞ E ∞ E ∞ d ∂ x−1 −t d tx−1 e−t dλ = e )dλ = (ln t)tx−1 e−t dλ Γ(x) = (t dx dx 0 ∂x 0 0 Allerdings gelten die Voraussetzungen von Korollar 6 nicht f¨ ur die Funktion tx−1 e−t auf (0, ∞). Sie gelten jedoch auf jedem kompakten Intervall [α, β]. Wir zeigen , , , , ∂ ∀α, β, 0 < α < β < ∞∃Cα,β ∀x ∈ [α, β]∀t ∈ (0, ∞) : ,, tx−1 e−t ,, ≤ Cα,β gα (t) ∂x wobei
gα (t) =
$
α
t−1+ 2 + | ln t| − 2t
e
0≤t≤1 1
Weil f¨ ur alle t ≥ 1 die Ungleichung 0 ≤ ln t ≤ t gilt, folgt f¨ ur alle t ≥ 1 , , , ∂ x−1 −t , , t e ,, = |(ln t)tx−1 e−t | ≤ |tx e−t | ≤ Cx+1 e−t/2 , ∂x
gilt und f¨ ur alle t mit 0 < t ≤ 1 und x mit x ≥ 1 , , , ∂ x−1 −t , , t e ,, = |(ln t)tx−1 e−t | ≤ | ln t| , ∂x
und f¨ ur alle t mit 0 < t ≤ 1 und x mit x < 1 , , , ∂ x−1 −t , 2 −1+ x , t 2 e ,, = |(ln t)tx−1 e−t | ≤ |(ln t)tx−1 | ≤ t , ∂x xe
3.7. DAS RIEMANN-INTEGRAL
125 x
Wir weisen diese Ungleichung nach. Die Funktion (ln t)t 2 ist negativ auf dem Intervall (0, 1) und hat in 2 t = e− x ein lokales Minimum. F¨ ur alle α und β mit 0 < α < β < ∞ ist Cx auf dem Intervall [α, β] beschr¨ ankt. F¨ ur x ∈ (0, ∞) w¨ahlen wir ein Intervall [x − $, x + $] ⊆ (0, ∞). Nun k¨ onnen wir Korollar anwenden. (ii) Mit partieller Integration E
!
b
H Ib t e dt = −tx e−t ! + x x −t
Also Γ(x + 1) = xΓ(x). Außerdem gilt Γ(1) =
B∞ 0
E
b
tx−1 e−t dt
!
e−t dt = 1. !
126
3.8
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Produktmaße und Lebesgue Maß auf dem Rn
Es seien (X, A, µ) und (Y, B, ν) Maßr¨aume. Wir bezeichnen Mengen A × B mit A ⊆ X und B ⊆ Y als Rechtecke. Auf der Produktmenge X × Y f¨ uhren wir die Produkt σAlgebra A ⊗ B ein. Sie ist die kleinste σ-Algebra, die alle Rechtecke messbarer Mengen enth¨alt. Wir werden feststellen, dass die Menge aller endlichen Vereinigungen von disjunkten Rechtecken eine Algebra ist. Auf dieser Algebra f¨ uhren wir ein Pr¨amaß ein: %n ' n ! & " µ ×ν Ai × Bi = µ(Ai )ν(Bi ) i=1
i=1
Dieses Pr¨amaß l¨asst sich mit dem Lemma von Caratheodory zu einem Maß auf die Produkt σ-Algebra fortsetzen. Dieses Maß k¨onnen wir schließlich noch zu einem vollst¨andigen Maß auf die Vervollst¨andigung der Produkt σ-Algebra fortsetzen. Es sei E ⊆ X × Y . Wir bezeichnen E y = {x ∈ X| (x, y) ∈ E}
Ex = {y ∈ Y | (x, y) ∈ E}
als x- bzw. y-Schnitte. Analog f¨ uhren wir f¨ ur Funktionen f : X × Y → R auf Schnitte y ein. Die Funktionen fx : Y → R und f : X → R sind durch f y (x) = f (x, y)
fx (y) = f (x, y) definiert.
Lemma 62 Es seien (X, A, µ) und (Y, B, ν) Maßr¨ aume. ˜ ×B ˜ aller endlichen, disjunkten Vereinigungen von Rechtecken A × B (i) Die Menge A mit A ∈ A und B ∈ B ist eine Algebra. ˜ B ˜ mit E = #n Ai ×Bi setzen wir (Hierbei soll die Konvention 0·∞ = 0 (ii) F¨ ur E ∈ A× i=1 gelten.) n & " µ × ν(E) = µ(Ai )ν(Bi ) i=1
˜ × B. ˜ " × ν ist ein Pr¨ amaß auf der Algebra A wobei Ai × Bi paarweise disjunkt sind. µ Insbesondere gibt es auf der Menge X × Y mit der σ-Algebra A ⊗ B ein Maß µ × ν, so dass f¨ ur alle A ∈ A und alle B ∈ B µ × ν(A × B) = µ(A)ν(B) gilt. (iii) Falls X und Y σ-endlich sind, dann ist µ×ν die eindeutige Fortsetzung des Pr¨ amaßes.
Das Produktmaß ist auf der Produkt σ-Algebra i.a. nicht vollst¨andig. Ein Beispiel hierf¨ ur liefert schon das Produktmaß des Lebesgue Maßes auf R mit sich. Jede Gerade ist eine abgeschlossene Menge in R2 und als solche messbar, weil die Produkt σ-Algebra die Produkt σ-Algebra der Borel σ Algebra mit sich enth¨alt, und die ist gleich der Borel
3.8. PRODUKTMASSE UND LEBESGUE MASS AUF DEM RN
127
σ-Algebra auf R2 . Jede Gerade enth¨alt Mengen, die nicht bzgl. des 1-dimensionalen Lebesgue Maßes messbar sind. Eine solche Menge ist nicht in der Produkt σ-Algebra enthalten, nur in der Vervollst¨andigung. Beweis. (i) Der Schnitt von zwei Rechtecken ist wieder ein Rechteck. Deshalb ist der Schnitt von endlich vielen Rechtecken wieder ein Rechteck. F¨ ur das Komplement eines Rechteckes gilt (A × B)c = A × B c ∪ Ac × B Deshalb gilt %
n !
i=1
Ai × Bi
'c
=
n "
i=1
c
(Ai × Bi ) =
n "
i=1
(Ai × Bic ) ∪ (Aci × Bi )
und das Komplement einer endlichen Vereinigung von Rechtecken ist wieder endliche Vereinigung von Rechtecken. Wir m¨ ussen noch einsehen, dass wir diese Menge auch als Vereinigung disjunkter Rechtecke schreiben k¨onnen. ˜ ×B ˜ aller endlichen, disjunkten Vereinigungen von Rechtecken ist eine (ii) Die Menge A Algebra. Die von dieser Algebra #n erzeugte σ-Algebra bezeichnen wir mit A × B. ˜ ˜ F¨ ur E ∈ A × B mit E = i=1 Ai × Bi setzen wir " µ × ν(E) =
n &
µ(Ai )ν(Bi )
i=1
˜ × B. ˜ Wir m¨ " " µ × ν ist ein Pr¨amaß auf der Algebra A ussen nachweisen, dass µ ×ν wohldefiniert ist. Wir zeigen, dass ∞ & µ(A)ν(B) = µ(Ai )ν(Bi ) i=1
gilt, falls
A×B =
∞ !
i=1
Ai × Bi .
Hieraus folgt, dass diese Gleichheit auch f¨ ur endliche Vereinigungen von Rechtecken gilt. E E χA dµ = ν(B)χA dµ µ(A)ν(B) = ν(B) X X %% ∞ ' ' E E ! ν((A × B)x )dµ = ν Ai × Bi dµ = X
=
E
X
ν
%∞ !
i=1
(Ai × Bi )x
'
X
i=1
dµ
Weil ν ein Maß ist, folgt weiter µ(A)ν(B) =
E & ∞ X i=1
ν ((Ai × Bi )x ) dµ
x
128
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Mit dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz folgt ∞ E ∞ E ∞ & & & ν ((Ai × Bi )x ) dµ = ν(Bi )χAi dµ = µ(Ai )ν(Bi ) µ(A)ν(B) = i=1
X
i=1
X
i=1
Also ist µ × ν ein Pr¨amaß. Zu dem Pr¨amaß µ×ν existiert ein a¨ußeres Maß (µ×ν)∗ , das wir auf A×B einschr¨anken. (iii) Nach Lemma ?? ist die Fortsetzung eines Pr¨amaß es von einer Mengenalgebra auf die σ-Algebra eindeutig, wenn der Maßraum σ-endlich ist. ! Nach Lemma ?? ist die Menge aller endlichen, disjunkten Vereinigungen von Rechtecken eine Algebra. Dies l¨asst sich auf mehrfache Produkte ausdehnen. Nach Lemma ?? erhalten wir durch n 7 µ1 × · · · × µn (A1 × · · · × An ) = µi (Ai ) i=1
ein Pr¨amaß. Nach dem Satz von Caratheodory gibt es ein a¨ußeres Maß, das auf der Algebra mit dem Pr¨amaß u ¨bereinstimmt. Außerdem existiert eine σ-Algebra, auf die das ¨außere Maß eingeschr¨ankt ein vollst¨andiges Maß ist. Das Lebesgue Maß λn auf dem Rn ist das Maß, das wir auf diese Weise aus dem n-fachen Pr¨amaß λ × λ × ··· × λ
erhalten. Die Lebesgue σ-Algebra Ln ist die σ-Algebra, die wir aus dem Satz von Caratheodory erhalten. Ein verallgemeinerter W¨ urfel ist eine Menge n 7 [ai , bi ] i=1
Es sei A eine Borelmenge im R2 . Dann ist das Bild von A unter einer Koordinatenprojektion nicht notwendig eine Borelmenge in R. Lebesgue hatte dies f¨alschlich angenommen. Die Koordinatenprojektion einer offenen Menge ist offen, weil die Koordinatenprojektion einer offenen Euklidischen Kugel ein offenes Intervall ist und jede offene Menge eine Vereinigung offener Kugeln ist. Deshalb ist es u ¨berraschend, dass es Borelmengen gibt, deren Koordinatenprojektion keine Borelmenge ist. Lemma 63 Es sei A ∈ Ln . Dann gelten (i) λn (A)
= inf{λn (U )| U ist offen und A ⊆ U } = sup{λn (K)| K ist kompakt und K ⊆ A}
(ii) Es gibt eine Fσ -Menge F , eine Gδ -Menge G und Nullmengen N, M , so dass A = F ∪ N = G ∪ M. (iii) Falls das Maß λn (A) endlich ist, dann gibt es f¨ ur jedes $ > 0 eine endliche Zahl von verallgemeinerten W¨ urfeln Wj , j = 1, . . . , N , die disjunkt sind und f¨ ur die gilt % ' N ! λ A: Wj < $ j=1
3.8. PRODUKTMASSE UND LEBESGUE MASS AUF DEM RN
129
Beweis. Weil λn ein Maß ist, folgt sofort inf{λn (U )|
U ist offen und A ⊆ U } ≥ λn (A) ≥ sup{λn (K)| K ist kompakt und K ⊆ A}
Nun zeigen wir die inversen Ungleichungen. Falls λn (A) = ∞, dann k¨onnen wir U = Rn w¨ahlen. Wir nehmen nun an, dass λn < ∞. , $ ∞ n 0 ∞ , &7 ! , λ(Aki ), A ⊆ A1i × · · · × Ani λn (A) = inf , i=1 k=1
i=1
Wir k¨onnen solche Mengen Aki w¨ahlen, so dass ∞ 7 n &
λ(Aki ) < λn (A) + $
i=1 k=1
F¨ ur das 1-dimensionale Lebesgue Maß wissen wir, dass wir messbare Mengen durch offene approximieren k¨onnen. Deshalb gibt es f¨ ur Mengen Aki mit λ(Aki ) > 0 offene Mengen Uik ⊆ R, k = 1, . . . , n, i ∈ N, mit Uik ⊇ Aki und λ(Uik ) < Damit gilt
n 7
λ(Uik )
*
<
k=1
Die Menge
U=
∞ !
δ 1+ i 2
*
i=1
+ n1
δ 1+ i 2
λ(Aki )
+7 n
λ(Aki )
k=1
Ui1 × · · · × Uin
ist eine offene Teilmenge des R . Weiter gilt + n ∞ 7 ∞ * n & & δ 7 k λn (U ) ≤ λ(Ui ) ≤ λ(Aki ) 1+ i 2 i=1 k=1 i=1 k=1 n
≤
∞ 7 n &
i=1 k=1
λ(Aki ) +
∞ n n & 7 7 δ k sup λ(A ) ≤ λ (A) + $ + δ sup λ(Aki ) n i i 2 i∈N k=1 i∈N i=1 k=1
! Lemma 64 Die Lebesgue σ-Algebra Ln auf dem Rn und die Vervollst¨ andigung des nfache Produktes der Lebesgue σ-Algebra auf R sind gleich. Beweis. L × ··· × L
ist die kleinste σ-Algebra, die alle Rechtecke enth¨alt. Also ist sie in Ln enthalten. Die andere Inklusion folgt mit Lemma. !
130
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Lemma 65 Es sei $ > 0 und f ∈ L1 (λn ). Dann gibt es eine Folge von verallgemeinerten W¨ urfeln Wj , j = 1, . . . , N , so dass , E ,, N , & , , f − a χ , j Wj , dλn < $ , , Rn j=1
Außerdem gibt es eine stetige Funktion g, so dass E |f − g|dλn < $ Rn
Lemma 66 Es sei A eine Lebesgue messbare Menge im Rn . Dann gilt λn (A) = λn (y + A) λn (cA) = |c|n λn (A) Beweis. Wie im 1-dimensionalen Fall. ! andigung der n-fachen Lemma 67 Die Lebesgue σ-Algebra im Rn ist gleich der Vervollst¨ Produkt σ-Algebra von der Lebesgue σ-Algebra in R. Beweis. Wie im 1-dimensionalen Fall. ! Lemma 68 Es sei f : Rn → R f.¨ u. stetig. Dann ist f Ln -messbar. Beweis. Wie im 1-dimensionalen Fall. !
3.9. DES SATZ VON FUBINI
3.9
131
Des Satz von Fubini
Guido Fubini (1879-1943) wurde in Venedig geboren. Er studierte an der Scuola Normale Superiore in Pisa. Er lehrte in Turin, bis er 1938 auf Grund der Rassengesetze nicht mehr lehren durfte. Er wanderte 1939 in die USA aus und lehrte dort in Princeton. Der Satz von Fubini erm¨oglicht es uns, Integrale bzgl. Produktmaßen zu berechnen. So z.B. Funktionen auf dem Rn bzgl des n-dimensionalen Lebesgue-Maßes. Der Satz von Fubini besagt, dass man ein Integral einer Funktion f u ¨ber einem Produktraum dadurch berechnen kann, dass man die iterierten Integrale berechnet. + + E E *E E *E f d(µ × ν) = f (x, y)dν(y) dµ(x) = f (x, y)dµ(x) dν(y). X×Y
X
Y
Y
X
Wenn man nicht voraussetzt, dass f integrierbar ist, dann k¨onnen die iterierten Integrale durchaus existieren, sie m¨ ussen dann aber nicht gleich sein. Dies liegt daran, dass die + − Integrale von f und f unendlich sind. Es kann auch sein, dass die beiden iterierten Integrale existieren und gleich sind, obwohl f noch nicht einmal messbar ist. Wir betrachten den Maßraum (N, P(N), µ) wobei /∞ µ das Z¨ahlmaß ist. Eine Funktion a : N × N → R ist genau dann integrierbar, wenn i,j=1 |ai,j | < ∞. Es gilt E
N×N
a d(µ × µ) =
∞ &
ai,j
i,j=1
Die Reihenfolge in der Summe a¨ndert nichts am Grenzwert. Die iterierten Integrale sind E E N
N
a dµ(i)dµ(j) =
∞ & ∞ &
ai,j
j=1 i=1
E E N
N
a dµ(j)dµ(i) =
∞ & ∞ &
ai,j
i=1 j=1
Der Satz von Fubini besagt, dass ∞ &
i,j=1
ai,j =
∞ & ∞ & i=1 j=1
ai,j =
∞ & ∞ &
ai,j
j=1 i=1
/∞ gilt, vorausgesetzt, dass a integrierbar ist. Falls i,j=1 |ai,j | < ∞, dann liefert jede Umordnung dieser Summe denselben Grenzwert. Andererseits lassen sich leicht Doppelreihen finden, so dass ∞ & ∞ & i=1 j=1
ai,j +=
∞ & ∞ &
ai,j .
j=1 i=1
Ein einfaches Beispiel ist
ai,j
1 −1 = 0
i=j j =i+1 sonst
132
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Die Funktion a ist nicht integrierbar, weil die Integrale u ¨ber a+ und a− unendlich sind, also ∞ & |ai,j | = ∞. i,j=1
Weiter gilt
∞ & ∞ &
ai,j = 0
i=1 j=1
∞ & ∞ &
ai,j = 1
j=1 i=1
Es sei E ⊆ X × Y . Wir bezeichnen Ex = {y ∈ Y | (x, y) ∈ E}
E y = {x ∈ X| (x, y) ∈ E}
als x- bzw. y-Schnitte. Analog f¨ uhren wir f¨ ur Funktionen f : X × Y → R auf Schnitte ein. Die Funktionen fx : Y → R und f y : X → R sind durch fx (y) = f (x, y)
f y (x) = f (x, y)
definiert. Lemma 69 Es seien (X, A, µ) und (Y, B, ν) Maßr¨ aume. (i) Es sei E ∈ A × B, dann gilt f¨ ur alle x ∈ X, dass Ex ∈ B, und f¨ ur alle y ∈ Y , dass E y ∈ A. (ii) Falls f A × B messbar ist, dann ist fx f¨ ur alle x ∈ X B messbar und f y f¨ ur alle y ∈ Y A messbar. Beweis. (i) Es sei C = {E ⊆ X × Y |∀x ∈ X : Ex ∈ B und ∀y ∈ Y : E y ∈ A} C enth¨alt alle Rechtecke messbarer Mengen. F¨ ur alle A ∈ A und B ∈ B gilt $ B x∈A (A × B)x = ∅ x∈ /A Ebenso f¨ ur die y-Variable. Außerdem ist C eine σ-Algebra. Wir pr¨ ufen dies nach. Es sei En ∈ C, n ∈ N, , $ ' 0 %∞ ∞ , ! ! , En = y ∈ Y ,(x, y) ∈ En , n=1
x
n=1
= {y ∈ Y |∃n ∈ N : (x, y) ∈ En } ∞ ∞ ! ! = {y ∈ Y |(x, y) ∈ En } = (En )x n=1
n=1
Dieselbe Rechnung f¨ uhren wir f¨ ur die Variable y durch. Also gilt Es sei E ∈ C. Dann gilt
#∞
n=1
En ∈ C.
(E c )x = {y ∈ Y |(x, y) ∈ E c } = {y ∈ Y |(x, y) ∈ / E} = {y ∈ Y |(x, y) ∈ E}c = (Ex )c
3.9. DES SATZ VON FUBINI
133
Dieselbe Rechnung f¨ uhren wir f¨ ur die Variable y durch. Damit is C eine σ-Algebra, die alle Rechtecke messbarer Mengen enth¨alt, also A × B ⊆ C. (ii) Es sei E eine Borel Menge in R. Weil f messbar ist, so gilt f −1 (E) ∈ A × B. fx−1 (E) = {y|fx (y) ∈ E} = {y|f (x, y) ∈ E} = (f −1 (E))x Wegen (i) gilt (f −1 (E))x ∈ A. ! Eine monotone Klasse C auf einer Menge X ist eine Teilmenge der Potenzmenge P(X) mit ur alle En ∈ C, n ∈ N, mit En ⊆(En+1 , n ∈ N, gilt #∞ den folgenden Eigenschaften: F¨ ur alle En ∈ C, n ∈ N, mit En ⊇ En+1 , n ∈ N, gilt ∞ n=1 En ∈ C und f¨ n=1 En ∈ C. Eine σ-Algebra ist eine monotone Klasse. Der Durchschnitt monotoner Klassen ist wieder eine monotone Klasse. Deshalb gibt es zu jeder Teilmenge E der Potenzmenge eine kleinste monotone Klasse, die E umfasst. Wir nennen diese die von E erzeugte monotone Klasse. ˜ eine Algebra, A die von ihr erzeugte σ-Algebra und C die von ihr Lemma 70 Es sei A erzeugte monotone Klasse. Dann sind A und C gleich.
Beweis. Da eine σ-Algebra eine monotone Klasse ist, gilt C ⊆ A. Wir zeigen nun, dass C eine σ-Algebra ist. F¨ ur E ∈ C setzen wir C(E) = {F ∈ C|E \ F ∈ C, F \ E ∈ C, E ∩ F ∈ C} Weil ∅ ∈ C, gilt ∅ ∈ C(E) und E ∈ C(E). Ausserdem gilt f¨ ur alle E, F ∈ C, dass genau dann E ∈ C(F ), wenn F ∈ C(E). F¨ ur alle E ∈ C gilt, dass C(E) eine monotone Klasse ist. Wir pr¨ ufen dies nach. Es seien En ∈ C(E), En ⊆ En+1 , n ∈ N. Insbesondere gilt En ∈ C, n ∈ N, und weil C eine monotone Klasse ist ∞ ! En ∈ C. n=1
Weiter folgt
E\
∞ !
En = E ∩
n=1
%
∞ !
En
n=1
'c
=
∞ "
n=1
(E ∩
Enc )
=
∞ "
n=1
(E \ En ).
Die Mengen En ∈ C(E), insbesondere also E \ En ∈ C. Außerdem gilt E \ En+1 ⊆ E \ En und somit ∞ ∞ ! " E\ En = (E \ En ) ∈ C. n=1
n=1
Genauso zeigen wir
%
∞ !
n=1
En
'
\E ∈C
und
E∩
∞ !
n=1
En ∈ C
134
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
# ur alle Folgen En ∈ C(E), n ∈ N, Also gilt ∞ n=1 En ∈ C(E). Genauso zeigen wir, dass f¨ En ⊇ En+1 , n ∈ N die Relation ∞ " En ∈ C(E) n=1
gilt. Also ist C(E) eine monotone Klasse. ¯ eine Algebra ist, gilt Weil A
¯ : F ∈ C(E) ∀E, F ∈ A Also gilt
¯ :A ¯ ⊆ C(E) ∀E ∈ A
¯ enth¨alt, Weil C(E) eine monotone Klasse ist und C die kleinste monotone Klasse ist, die A folgt ¯ : C ⊆ C(E) ∀E ∈ A bzw.
¯ ∀E ∈ A∀F ∈ C : F ∈ C(E)
Weil f¨ ur alle E, F ∈ C genau dann E ∈ C(F ) gilt, wenn F ∈ C(E), folgt ¯ ∀E ∈ A∀F ∈ C : E ∈ C(F )
Also
¯ ⊆ C(F ) ∀F ∈ C : A
¯ enth¨alt, Weil C(F ) eine monotone Klasse ist und C die kleinste monotone Klasse ist, die A folgt ∀F ∈ C : C ⊆ C(F )
Also gilt
∀E, F ∈ C : E \ F ∈ C, F \ E ∈ C, E ∩ F ∈ C.
Weil X ∈ C so gilt f¨ ur jedes D ∈ C, dass auch Dc ∈ C. Deshalb gilt f¨ ur alle E, F ∈ C Ec ∩ F c ∈ C
und somit Also gilt f¨ ur alle E, F ∈ C
E ∪ F = (E c ∩ F c )c ∈ C. E ∪ F ∈ C.
Also ist C eine Algebra. Es bleibt zu zeigen, dass eine abz¨ahlbare Vereinigung von Teilur alle n ∈ N mengen Ek ∈ C, k ∈ N, wieder in C liegt. Weil C eine Algebra ist, gilt f¨ Fn =
n !
k=1
Ek ∈ C
Weil Fn ⊆ Fn+1 , n ∈ N, und weil C eine monotone Klasse ist, folgt weiter ∞ !
k=1
Ek =
∞ !
n=1
Fn ∈ C.
¯ enth¨alt, folgt A ⊆ C. Also ist C eine σ-Algebra. Weil A die kleinste σ-Algebra ist, die A !
3.9. DES SATZ VON FUBINI
135
Lemma 71 Es seien (X, A, µ) und (Y, B, ν) σ-endliche Maßr¨ aume. Dann sind f¨ ur alle E ∈ A × B und alle x ∈ X und alle y ∈ Y die Funktionen φE : X → [0, ∞], φE (x) = ν(Ex ), und ψE : Y → [0, ∞], ψE (y) = µ(E y ), messbar. Außerdem gilt E E µ × ν(E) = ν(Ex )dµ(x) = µ(E y )dν(y) X
Y
Beweis. Wir nehmen zun¨achst an, dass µ und ν endlich sind. C sei die Familie aller Mengen E ∈ A × B, so dass φE und ψE messbar sind und so dass E E µ × ν(E) = ν(Ex )dµ(x) = µ(E y )dν(y) X
Y
gilt. Wir zeigen, dass C eine monotone Klasse ist, die die Algebra der endlichen Vereinigungen von Rechtecken umfasst. Wir zeigen zuerst, dass C alle Rechtecke messbarer Mengen enth¨alt. Es seien A ∈ A und B ∈ B. Dann gilt $ B x∈A (A × B)x = ∅ x∈ /A und φA×B = ν(B)χA ist µ-messbar. Weiter gilt E E ν((A × B)x )dµ(x) = ν(B)χA dµ(x) = ν(B)µ(A) = µ × ν(A × B) X
X
Dieselben Rechnungen k¨onnen wir f¨ ur die Variable y durchf¨ uhren. Also gilt f¨ ur alle A ∈ A und B ∈ B, dass A × B ∈ C. Wir zeigen, dass#f¨ ur alle endlichen Folgen Ek ∈ C, 1 ≤ k ≤ n, paarweise disjunkter Mengen gilt, dass nk=1 Ek ∈ C. Insbesondere folgt dann, dass die Algebra endlicher, disjunkter Vereinigungen von Rechtecken in C enthalten ist. Da Ek ∈ C, 1 ≤ k ≤ n, paarweise disjunkt sind, gilt %% n ' ' n n ! & & #n φ k=1 Ek (x) = ν Ek = ν((Ek )x ) = φEk (x) k=1
/n
x
k=1
k=1
k=1 φEk (x) ist als endliche Summe messbarer Funktionen messbar. Weil µ × ν ein Maß ist, gilt ' % n n ! & Ek = µ × ν(Ek ). µ×ν k=1
Weil Ek ∈ C
µ×ν
%
n !
k=1
Ek
'
=
n E & k=1
k=1
ν ((Ek )x ) dµ(x) =
X
E & n
ν ((Ek )x ) dµ(x)
X k=1
ur alle x ∈ X die Mengen (Ek )x ∈ C, Da Ek ∈ C, 1 ≤ k ≤ n, paarweise disjunkt sind, sind f¨ 1 ≤ k ≤ n, paarweise disjunkt. Damit folgt % n % n %% n ' E ' ' ' E ! ! ! µ×ν Ek = ν (Ek )x dµ(x) = ν Ek dµ(x) k=1
X
k=1
X
k=1
x
136
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Dieselben Rechnungen k¨onnen wir f¨ ur die Variable y durchf¨ uhren. Es seien Fn ∈ C mit Fn ⊆ Fn+1 , n ∈ N. Die Funktionen φFn , n ∈ N, sind messbar und monoton wachsend. Deshalb gilt %∞ ' ! lim φFn (x) = lim ν((Fn )x ) = ν (Fn )x n→∞
n→∞
=ν
%%
∞ !
n=1
Fn
' ' x
n=1
= φ#∞ (x) n=1 Fn
limn→∞ φFn ist als punktweiser Limes messbarer Funktionen messbar, also ist φ#∞ n=1 Fn messbar. Weil µ × ν ein Maß ist und Fn ⊆ Fn+1 , n ∈ N %∞ ' ! µ×ν Fn = lim µ × ν(Fn ) n→∞
n=1
Es gilt Fn ∈ C, n ∈ N. Deshalb %∞ ' E E ! µ×ν Fn = lim ν((Fn )x )dµ(x) = lim φFn dµ(x) n→∞
n=1
n→∞
X
X
Es gilt φFn ≤ φFn+1 , weil Fn ⊆ Fn+1 . Mit dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz folgt ' E %∞ E ! Fn = lim φFn dµ(x) = lim ν((Fn )x )dµ(x) µ×ν X n→∞
n=1
Weil Fn ⊆ Fn+1 % µ×ν
∞ !
n=1
Fn
'
=
E
ν
X
%
∞ !
n=1
X n→∞
'
(Fn )x dµ(x) =
E
ν
X
%%
∞ !
n=1
Fn
' '
dµ(x)
x
Dieselbe Rechnung f¨ uhren wir f¨ ur die Variable y(durch. Es bleibt zu zeigen, dass f¨ ur alle ∞ Folgen Fn ∈ C mit Fn ⊇ Fn+1 , n ∈ N gilt, dass n=1 Fn ∈ C. Dies wird genauso gezeigt, wobei wir ausnutzen, dass der Maßraum endlich ist. Also ist C eine monotone Klasse, die die Algebra der endlichen, disjunkten Vereinigungen von Rechtecken messbarer Mengen umfasst. Nach Lemma ?? gilt dann A × B = C. Es bleibt, das Ergebnis auf σ-endliche Maßr¨aume auszudehnen. ! Satz 18 (Tonelli) Es seien (X, A, µ) und (Y, B, ν) σ-endliche Maßr¨ aume. Falls f ∈ + L g : X → [0, ∞] und h : Y → [0, ∞] mit g(x) = B y die Funktionen B (X × Y ), dann sind + fx dν und h(y) = f dµ in L (X) und L+ (Y ) und + + E *E E *E E f d(µ × ν) = f (x, y)dν(y) dµ(x) = f (x, y)dµ(x) dν(y) X×Y
X
Y
Y
X
Beweis. Lemma besagt, dass der Satz von Tonelli f¨ ur charakteristische Funktionen messbarer Mengen gilt: Es gelten E E χE dµ × ν = µ × ν(E) = µ(E y )dν(y) X×Y Y E E E E y = χE dµ(x)dν(y) = χE (x, y)dµ(x)dν(y) Y
X
Y
X
3.9. DES SATZ VON FUBINI Also
E
E
137
χE dµ × ν =
E E Y
χE (x, y)dµ(x)dν(y).
X
Es folgt weiter, dass der Satz auch f¨ ur endliche Summen charakteristischer Funktionen messbarer Mengen gilt. Es sei nun f ∈ L+ (X × Y ). Nach Lemma sind f¨ ur alle x ∈ X und alle y ∈ Y die Funktionen fx und f y messbar. Deshalb existieren die Funktionen g und h. Nach Lemma ?? gibt es eine Folge einfacher Funktionen fn , n ∈ N, die monoton w¨achst und die punktweise u ¨berall gegen f konvergiert. Da wir bereits wissen, dass der Satz f¨ ur einfache BFunktionen gilt, so wissen wir auch, dass die B Funktionen gn : X → R mit gn (x) = Y fn (x, y)dν(y) und hn : Y → R mit hn (y) = X fn (x, y)dµ(x) messbar sind. gn und hn sind monoton wachsend und sie konvergieren punktweise u ¨berall gegen g und h. Wir pr¨ ufen dies nach. gn ≤ gn+1 , weil fn ≤ fn+1 . Die Funktionen (fn )x : Y → R mit (fn )x = fn (x, y) sind nach Lemma ?? messbar und sie konvergieren punktweise u ¨berall gegen fx : Y → R mit fx (y) = f (x, y). Mit dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz folgt E E fn (x, y)dν(y) = f (x, y)dν(y) = g(x) lim gn (x) = lim n→∞
n→∞
Y
Y
Genauso f¨ ur die Funktion h. Die Funktionen g und h sind messbar, weil sie punktweise Grenzwerte der messbaren Funktionen gn bzw. hn sind. Außerdem gilt wegen der montonen Konvergenz E E B Weil gn = fn dν, gilt
f d(µ × ν) = lim
n→∞
X×Y
E
X×Y
fn d(µ × ν)
X×Y
f d(µ × ν) = lim
n→∞
E
gn dµ
X
Mit dem monotonen Konvergenzsatz und g = limn→∞ gn folgt E E f d(µ × ν) = gdµ X×Y
X
! Auf die Voraussetzung, dass f messbar ist, kann man nicht verzichten. Wir geben dazu eine Funktion f an, die nicht Lebesgue messbar ist, obwohl die iterierten Integrale existieren und u ¨bereinstimmen. Beispiel 30 (Sierpinski)[Ox] Es gibt eine Teilmenge E des R2 , so dass jede Gerade des R2 h¨ ochstens 2 Elemente dieser Menge enth¨ alt und so dass jede abgeschlossene Menge mit strikt positivem Lebesgue Maß einen nicht-leeren Schnitt mit E hat. Die Menge E ist nicht Lebesgue messbar, aber die iterierten Integrale der Funktion χE existieren und es gilt E E E E R
R
χE dλ(x)dλ(y) =
R
R
χE dλ(y)dλ(x) = 0
Beweis. Es sei Ω die Menge der abz¨ahlbaren Kardinalzahlen. Ω hat dieselbe M¨ achtigkeit wie R und f¨ ur jedes α ∈ Ω ist Iα = {β|β < α}
138
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
abz¨ahlbar. Die Menge F aller abgeschlossenen Teilmengen von R2 mit positivem Maß hat auch dieselbe M¨ achtigkeit wie R. Deshalb gibt es eine bijektive Abbildung T : Ω → F. Es sei Φ die Familie aller Funktionen φ : Iα → R2 , α ∈ Ω, oder φ : Ω → R2 mit (i) F¨ ur alle β ∈ Iα gilt φ(β) ∈ T (β) (φ(β) ist ein Element der abgeschlossenen Menge T (β), die strikt positives Lebesgue Maß hat). (ii) H¨ ochstens zwei Punkte der Menge {φ(β)|β < α} liegen auf derselben Geraden. Wir wollen zeigen, dass es ein φ gibt, dessen Definitionsbereich Ω ist. Mit einem solchen φ k¨ onnen wir dann E = {φ(α)|α ∈ Ω}
definieren. In jeder abgeschlossenen Menge, deren Lebesgue Maß nicht 0 ist, liegt mindestens ein Element aus E, weil T eine Bijektion zwischen Ω undF ist. Auf der Menge Φ f¨ uhren wir eine Halbordnung ein. Es seien φ, ψ ∈ Φ, wobei der Definitionsbereich von φ die Menge Iα und die von ψ die Menge Iβ ist. Wir setzen φ ≤ ψ, wenn Iα ⊆ Iβ und wenn f¨ ur alle γ ∈ Iα die Gleichung φ(γ) = ψ(γ) gilt. Jede Kette φ mit Definitionsbereich I , ι ∈ M , besitzt eine ι α ι # obere Schranke, n¨ amlich φ : ι∈M Iαι → R2 #
φ(α) = φι (α)
falls α ∈ Iαι # oder dass es ein γ mit Iγ = ι∈M Iαι . Es gilt γ = min{α|∀ι ∈ M : α >
Man beachte, dass Ω = ι∈M Iαι αι }. Nach dem Lemma von Zorn besitzt Φ ein maximales Element φmax . Wir zeigen, dass der Definitionsbereich von φmax die Menge Ω ist. Falls nicht, so gibt es ein α ∈ Ω, so dass das Definitionsgebiet Iα ist. Dann k¨ onnen wir φmax auch f¨ ur das Element α definieren: Weil Iα abz¨ahlbar ist, so ist auch das Bild φmax (Iα ) ist abz¨ ahlbar. Wir betrachten nun die Menge aller Geraden g im R2 G = {g|∃x, y ∈ φmax (Iα ), x += y : x, y ∈ g}
G ist eine abz¨ahlbare Vereinigung von Geraden. Da eine Gerade im R2 eine Lebesgue Nullmenge ist, ist G eine Nullmenge. Andererseits ist das Maß von T (α) nicht 0. Somit gibt es einen Punkt xα ∈ T (α), der auf keiner Geraden liegt, die durch zwei Punkte in φmax (Iα ) gegeben sind. Wir setzen φmax (α) = xα . Die erweiterte Funktion ist auf Iα+1 definiert, wobei α + 1 der unmittelbare Nachfolger von α ist, d.h. das minimale Element der Menge {β|β > α} ist. Dies widerspricht aber der Maximalit¨ at von φmax . Eine solche Menge ist nicht messbar. Nehmen wir an, dass sie messbar ist. Dann muss ihr Mass nach dem Satz von Fubini 0 sein. Andererseits hat auch das Komplement das Maß 0: λ2 (E c ) = sup{λ2 (A)|A ⊆ E c und A ist abgeschlossen} Die rechte Seite ist aber 0, weil die abgeschlossenen Mengen, die in E c enthalten sind, alle das Maß 0 haben. !
Das folgende Beispiel zeigt, dass man nicht auf die Voraussetzung verzichten kann, dass die Maßr¨aume σ-endlich sind. Beispiel 31 Wir betrachten die Maßr¨ aume ([0, 1], L, λ) und ([0, 1], P([0, 1]), µ), wobei λ das LebesgueMaß, und µ das Z¨ ahlmaß ist. Es sei Dann gilt
D = {(x, x)|x ∈ [0, 1]}. E
χD dλ × µ = ∞
EE
χD dλdµ = 0
EE
χD dµdλ = 1
Beweis. Es sei B[0,1] die Borel σ-Algebra. Dann gilt B[0,1] ⊆ L und B[0,1] ⊆ P([0, 1]). Nach Lemma gilt B[0,1] ⊗ B[0,1] = B[0,1]2 . Da D eine abgeschlossene Menge ist, gilt D ∈ B[0,1]2 und D ist λ × µ-messbar. , $ ∞ 0 ∞ , & ! , λ × µ(D) = inf λ(Ai )µ(Bi ), D ⊆ Ai × Bi , Ai ∈ L, Bi ∈ P([0, 1]) , i=1
!
i=1
3.9. DES SATZ VON FUBINI
139
Beispiel 32 Es gibt eine Funktion f : R → R, so dass Graph(f ) = {(x, f (x))|x ∈ R} keine Lebesgue messbare Menge im R2 ist. Beweis. Der Beweis ist ¨ahnlich zu dem vorherigen Beispiel. Es gibt eine Bijektion T zwischen Ω und den abgeschlossenen Mengen positiven Maßes F. In jeder Menge T (α) w¨ahlen wir (xα , yα ). Wir setzen f (xα ) = yα . ! Beispiel 33 Es sei f : Rn−1 → R eine stetige Funktion. Dann hat der Graph von f im Rn das LebesgueMaß 0. Insbesondere sind alle Hyperebenen Lebesgue-Nullmengen. Aus dem Satz von Tonelli folgt, dass der Graph einer Funktion das Lebesgue-Maß 0 haben muss, wenn der Graph messbar ist. Dies ist nicht der Fall, wenn man das Bild einer stetigen Funktion f : Rn−1 → Rn betrachtet. Die Kurve von Peano liefert hier ein Gegenbeispiel. Beweis. Die Menge Graph(f ) ist abgeschlossen und damit eine Borelmenge. Nach Lemma gilt BR ⊗BR = BR2 . Deshalb ist χGraph(f ) eine nichtnegative, messbare Funktion und wir k¨ onnen den Satz von Tonelli anwenden. ! Aus dem Beispiel folgt, dass die Oberfl¨ ache der n-dimensionalen Euklidischen Kugel das LebesgueMaß 0 hat. Die Oberfl¨ ache ist Vereinigung von zwei Graphen stetiger Funktionen, n¨ amlich J ± r2 − x21 − · · · − x2n−1 Beispiel 34 Es sei f : [0, 1] × [0, 1] → R durch 0 f (x, y) = x−y (x + y)3
falls x = 0 oder y = 0 falls x += 0 und y += 0
f ist Lebesgue messbar, nicht Lebesgue integrierbar, nicht Riemann-integrierbar, die iterierten Integrale existieren und es gilt E 1E 1 E 1E 1 f (x, y)dxdy = − 12 f (x, y)dydx = 12 0
0
0
0
Beweis. f ist nicht Riemann-integrierbar, weil f unbeschr¨ ankt ist. Dazu betrachten wir die Gerade y = 2x. Auf dieser Geraden nimmt f die folgenden Werte an f (x, 2x) = −
x 1 =− 27x3 27x2
F¨ ur x ∈ (0, 1] ist diese Funktion nicht beschr¨ ankt. f ist Lebesgue messbar, weil f auf (0, 1] × (0, 1] stetig ist und die Menge {(0, y)|y ∈ [0, 1]} ∪ {(x, 0)|x ∈ [0, 1]} messbar ist. Wir zeigen nun, dass die iterierten Integrale existieren. Es gilt f (0, x) = 0 und ist integrierbar. F¨ ur y += 0 ist x−y x += 0 f (x, y) = (x + y)3 0 x=0
140
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
eine Funktion in x, die auf (0, 1] stetig und auf [0, 1] beschr¨ ankt ist, also integrierbar. Es gilt E
1
0
G D1 x 1 x−y dx = − =− 3 2 (x + y) (x + y) 0 (1 + y)2
Damit erhalten wir E
1
0
E
1
0
x−y dxdy = (x + y)3
Andererseits erhalten wir
E
0
und
E
0
!
1
E
1
0
1
E
1
0
G D1 1 1 − dy = = − 12 (1 + y)2 1+y 0
D1 G x−y y 1 dy = = (x + y)3 (x + y)2 0 (1 + y)2
x−y dydx = (x + y)3
E
0
1
G D1 1 1 dy = − = (1 + y)2 1+y 0
1 2
Satz 19 (Fubini) Es seien (X, A, µ) und (Y, B, ν) σ-endliche Maßr¨ aume und f sei bzgl. des Maßes µ × ν integrierbar. Dann gilt f¨ ur fast alle x ∈ X, dass fx bzgl. ν integrierbar ist, und f¨ ur fast alle y ∈ Y , dass f y bzgl. µ integrierbar ist. Außerdem sind die Funktionen E E g(x) = fx dν h(y) = f y dµ fast u ¨berall definiert und fast u ¨berall gleich einer integrierbaren Funktion bzgl. µ bzw. ν. Es gilt + + E *E E *E E f d(µ × ν) = f (x, y)dν(y) dµ(x) = f (x, y)dµ(x) dν(y). X×Y
X
Y
Y
X
Auch hier ist es so, dass das Produktmaß keinesfalls vollst¨andig sein muss. Die Vervollst¨andigung des Maßes µ × ν liefert allerdings nichts Wesentliches. Die integrierbaren Funktionen unterscheiden sich nur auf Nullmengen (siehe Lemma) und der Satz von Fubini gilt auch f¨ ur das vervollst¨andigte Maß. Satz 20 (Fubini) Es seien (X, A, µ) und (Y, B, ν) vollst¨ andige, σ-endliche Maßr¨ aume und A × B sei die Vervollst¨ andigung der Produkt σ-Algebra A × B und µ × ν die Vervollst¨andigung des Maßes µ × ν. Es sei f bzgl. des vervollst¨ andigten Maßes µ × ν integrierbar. Dann gilt f¨ ur fast alle x ∈ X, dass fx bzgl. ν integrierbar ist, und f¨ ur fast alle y y ∈ Y , dass f bzgl. µ integrierbar ist. Außerdem sind die Funktionen E E h(y) = f y dµ g(x) = fx dν fast u ¨berall definiert und fast u ¨berall gleich einer integrierbaren Funktion bzgl. µ bzw. ν. Es gilt + + E E *E E *E f d(µ × ν) = f (x, y)dν(y) dµ(x) = f (x, y)dµ(x) dν(y). X×Y
X
Y
Y
X
3.9. DES SATZ VON FUBINI
141
Beweis. Wir zeigen die Behauptung zuerst f¨ ur charakteristische Funktionen. Es sei A ∈ A × B. Dann gibt es Mengen B, C ∈ A × B mit µ × ν(C) = 0 und eine Menge N ⊆ C, so dass A = B ∪ N . Da µ × ν(C) = 0 und C ∈ A × B, folgt mit dem Satz von Fubini, dass f.¨ u. ν(Cx ) = 0. 0=
E
X×Y
χC dµ × ν =
E
ν(Cx )dµ
X
Weil ν(Cx ) eine nichtnegative Funktion ist und das Integral gleich 0, so muss die Funktion fast u ¨berall gleich 0 sein. Da ν vollst¨andig ist und Nx ⊆ Cx gilt f¨ ur fast alle x, dass ν(Nx ) = 0. Hiermit folgt die Formel von Fubini f¨ ur charakteristische Funktionen. Es folgt sofort, dass die Formel auch f¨ ur einfache Funktionen richtig ist. Nun approximieren wir eine integrierbare, nichtnegative Funktion durch eine monoton wachsende Folge einfacher Funktionen und wenden den Satz u ¨ber die monotone Konvergenz an. ! Beispiel 35 Es sei f : R2 → R durch f (x, y) = x2 y gegeben. Dann ist f u ¨ber der Menge [0, 3] × [1, 2] Lebesgue integrierbar und E 27 f dλ2 = 2 [0,3]×[1,2] Beweis. f ist stetig also Lebesgue messbar. Außerdem ist f auf [0, 3] × [1, 2] beschr¨ ankt, also Lebesgue integrierbar. Wir k¨ onnen den Satz von Fubini anwenden. E
=
f dλ2
[0,3]×[1,2]
E
3
0
=
E
2
x2 ydλ(y)dλ(x) =
1
3
0
E
E
3
0
G
1 2 2 x y 2
D3 G 3 2 1 3 27 = x dλ(x) = x 2 2 2 0
D2
dλ(x)
1
! Beispiel 36 Es sei f : R2 → R durch f (x, y) = y sin(xy) gegeben. Dann ist f u ¨ber [1, 2] × [0, π] Lebesgue integrierbar und E f dλ2 = 0 [1,2]×[0,π]
Beweis. E
f dλ2
[1,2]×[0,π]
!
BπB2
= =
0
Bπ 0
1
y sin(xy)dλ(x)dλ(y) =
Bπ 0
[− cos(xy)]21 dλ(y)
cos(y) − cos(2y)dλ(y) = [sin(y) −
1 2
sin(2y)]π0 = 0
Beispiel 37 Das Volumen des Simplices im R3 mit den Ecken (0, 0, 0), (1, 0, 0), (0, 1, 0), (0, 0, 1) ist 16 . Beweis. Das Simplex ist die Menge S = {(x1 , x2 , x3 )|0 ≤ x1 , x2 , x3 und x1 + x2 + x3 ≤ 1}
142
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Das Volumen ist gleich dem Integral der Funktion f (x1 , x2 ) = 1 − x1 − x2 u ¨ber der Menge {(x1 , x2 )|0 ≤ x1 ≤ 1, 0 ≤ x2 ≤ 1 − x1 }. Also E 1 E 1−x1 vol3 (S) = 1 − x1 − x2 dλ(x2 )dλ(x1 ) 0
0
G D1−x1 1 2 = − (1 − x1 − x2 ) dλ(x1 ) 2 0 0 D1 G E 1 1 1 1 = (1 − x1 )2 dλ(x1 ) = − (1 − x1 )3 = 6 6 0 2 0 E
1
! Beispiel 38 Das Volumen der 3-dimensionalen Euklidischen Kugel mit Radius R ist
4π 3 3 R .
Beweis.(BerechnungK bzgl. rechtwinkliger Koordinaten) Das Volumen ist gleich dem Doppelten des Integrals der Funktion R2 − x2 − y 2 u ¨ber der Menge K K {(x, y)|x2 + y 2 ≤ R2 } = {(x, y)| − R ≤ x ≤ R, − R2 − x2 ≤ y ≤ R2 − x2 }. E
R
−R
Es gilt
E
√
R2 −x2
√ − R2 −x2
E K a2 − t2 dt =
1 2
K 2 R2 − x2 − y 2 dydx
*K + t 2 2 2 t a − t + a arcsin a
Damit erhalten wir f¨ ur das Volumen E R G K y R2 − x2 − y 2 + (R2 − x2 ) arcsin √ −R
=
E
R
y R2 − x2
D√R2 −x2
√ − R2 −x2
(R2 − x2 )(arcsin(1) − arcsin(−1))dx
−R E R
=π ! Beispiel 39 Es sei
S=
IR H 4π 3 R (R2 − x2 )dx = π R2 x − 13 x3 −R = 3 −R , 0 n , & n, x ∈ R ,0 ≤ xi , i = 1, . . . , n, xi ≤ r ,
$
Dann ist das Volumen von S gleich Beweis.
i=1
rn n! .
, , i−1 & , S = x ∈ Rn ,,0 ≤ xi ≤ r − xj , j=1
Das Simplex S besteht also aus allen x ∈ R mit n
0 ≤ x1 ≤ r 0 ≤ x2 ≤ r − x1
0 ≤ x3 ≤ r − x1 − x2 .. . 0 ≤ xn ≤ r − x1 − x2 − · · · − xn−1
dx
3.9. DES SATZ VON FUBINI Damit ergibt sich f¨ ur das Integral E r E r−x1 E 0
0
0
143
r−x1 −x2
···
E
0
r−x1 −···−xn−1
dxn dxn−1 · · · dx1
Wir zeigen durch Induktion, dass dieses Integral f¨ ur alle k gleich E r E r−x1 E r−x1 −x2 E r−x1 −···−xn−k 1 ··· (k − 1)! 0 0 0 0
(r − x1 − · · · − xn−k+1 )k−1 dx1 dx2 · · · dxn−k+1
!
144
3.10
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Analytische Mengen
Wir bezeichnen die Menge {0, 1, 2, . . . } auch mit ω und die Menge der Abbildungen von ω nach ω mit ω ω . Der Raum ω ω soll hier immer mit der Produkttopologie ausgestattet sein. Wir sagen, dass ein topologischer Raum eine Analytische Menge ist, wenn sie stetiges Bild von ω ω ist. Ein topologischer Raum heisst Polnisch, wenn er ein vollst¨andiger, separabler, metrischer Raum ist. Jeder Polnische Raum ist analytisch. Hieraus folgt, dass jede offene und jede abgeschlossene Menge von ω ω analytisch ist. Lemma 72 (i) Die abz¨ahlbare Vereinigung analytischer Mengen ist analytisch. (ii) Der abz¨ ahlbare Durchschnitt analytischer Mengen ist analytisch. : ω ω → An stetige, surjektive Beweis. (i) Es seien An , n ∈ N, analytische Mengen und Fn # Abbildungen. Wir betrachten die Abbildung F : ω × ω ω → An F (n, σ) = Fn (σ)
Man beachte, dass ω × ω ω ∼ ω ω . (ii) Es seien An ⊆ M , n ∈ N analytische Mengen und Fn : ω ω → An stetige, surjektive Abbildungen. Man beachte im folgenden, dass (ω ω )ω ∼ ω ω . Wir definieren F : (ω ω )ω → Mω F ((σn )n∈N ) = (Fn (σn ))n∈N Wir betrachten nun die Diagonalmenge ∆ von M ω ∆ = {(σn )n∈N |∃σ : σ = σn } Die Menge ∆ ist eine abgeschlossene Teilmenge von M ω . Da F stetig ist, ist die Menge G = F −1 (∆) abgeschlossen. Nach Lemma sind alle abgeschlossenen Teilmengen von ω ω analytisch. Also ist G analytisch. Somit ist F (G) =
∞ "
An
n=1
analytisch. ! Lemma 73 Es seien An analytische Mengen. Dann ist ∞ 7
n=1
analytisch.
An
3.10. ANALYTISCHE MENGEN
145
Korollar 8 Jede Borelmenge von ω ω ist analytisch. Korollar 9 Jede Borelmenge einer analytischen Menge ist analytisch. Satz 21 Es sei P ein Polnischer Raum und A ⊆ P . Dann sind ¨aquivalent: (i) A ist analytisch. (ii) Es gibt eine abgeschlossene Teilmenge F von P × ω ω , so dass A = π1 (F ) (iii) Es gibt eine Borel-Teilmenge B von P × ω ω , so dass A = π1 (B) Beweis. Wir zeigen, dass aus (i) (ii) folgt. Es sei A eine analytische Menge. Dann gibt es eine stetige, surjektive Funktion f : ω ω → A. Die gesuchte Menge F ist der Graph von f . Weil f stetig ist, ist der Graph von f abgeschlossen. (ii) ⇒ (iii) ist offensichtlich. (iii) ⇒ (i): Weil B eine Borel-Teilmenge von P × ω ω ist, ist B analytisch. ! Korollar 10 Es sei F : ω ω → P Borel. Dann ist F (ω ω ) analytisch. Falls s ∈ ω <ω und σ ∈ ω ω , dann schreiben wir s < σ, falls σ mit s beginnt. Vs = {σ ∈ ω ω |s < σ} Falls S : ω ω → A surjektiv A=
!
σ∈ω ω
O
"
P
S(Vs )
s<σ
Dies heisst Souslin Operation. Man zeigt: Falls As , s ∈ ω <ω analytische Mengen sind, dann ist O P ! " As σ∈ω ω
s<σ
analytisch. Eine Teilmenge T ⊆ ω <ω heisst Baum, falls f¨ ur alle s ∈ T und alle s" < s gilt s" ∈ T . Falls T ein Baum ist, dann gilt T ∈ {0, 1}ω
<ω
T ist die Menge aller B¨aume. Es gilt T ⊆ {0, 1}ω
<ω
Man sagt, dass T nicht well-founded ist (T ∈ / W F ), falls es ein σ ∈ ω ω gibt, so dass f¨ ur alle m ∈ ω gilt σm ∈ T .
146
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Es seien F ⊆ P × ω ω abgeschlossene Menge, A = π1 (F ) analytische Teilmenge von P und x ∈ P . Dann ist 3 4 1 <ω T (x) = s ∈ ω |Vs ∩ B(x, ) ∩ F += ∅ |s| ein Baum. Es gilt x ∈ A genau dann, wenn T (x) ∈ / WF. Satz 22 In T (hom¨oomorph zur Cantormenge) ist die Menge aller nicht well-founded B¨aume analytisch, aber nicht Borel.
Satz 23 (Souslins Trennungsastz) Es sei P ein Polnischer Raum. Eine Teilmenge A von P ist genau dann Borel, wenn A und P \ A analytisch sind. Der Satz von Souslin bedeutet: Wenn A durch ∀x ∈ ω ω ,... abz¨ahlbar viele Quantoren und ∃x ∈ ω ω ,... abz¨ahlbar viele Quantoren definiert ist dann kann A durch abz¨ahlbar viele Quantoren definiert werden. Beispiel 40 (i) {f ∈ C[0, 1]|f nirgends differenzierbar} ist in C[0, 1] coanalytisch, aber nicht Borel. (ii) {f ∈ C[0, 1]|f u ¨berall differenzierbar} ist in C[0, 1] coanalytisch, aber nicht Borel. Diese Menge ist nicht das stetige Bild eines Polnischen Raumes. Dies kann man nicht dadurch nachweisen, dass man leichte Baire Kategorien Argumente benutzt.
Ein topologischer Raum (X, T) heißt Polnischer Raum, falls T bzgl. einer Metrik d metrisierbar ist, bzgl. der (X, d) ein vollst¨andiger, metrischer, separabler Raum ist. N∞ ist ein polnischer Raum. N∞ ist hom¨oomorph zu R\Q mit der induzierten Metrik. ∞ N ist der kanonische Polnische Raum. Der Raum aller stetigen Funktionen auf [0, 1] mit der Produkttopologie ist ein Polnischer Raum. Die Teilmenge aller differenzierbaren Funktionen ist analytisch, aber nicht Borel. Weil sie analytisch ist, ist sie das Bild einer Borelmenge unter einer Koordinatenprojektion. Lemma 74 Jeder Polnische Raum ist stetiges Bild von N∞ .
Eine analytische Menge ist das stetige Bild eines Polnischen Raumes. das Komplement einer analytischen Menge heißt coanalytisch.
3.10. ANALYTISCHE MENGEN
147
Lemma 75 Eine Menge ist genau dann analytisch, wenn man sie aus einer abgeschlossen Menge erhalten kann, indem man die Suslin Operation anwendet. Beispiel 41 Es gibt eine Teilmenge von R, die analytisch ist, aber nicht Borel. Beispiel 42 Es gibt eine Borel-Menge in R2 , so dass das Bild dieser Menge unter einer Koordinatenprojektion keine Borel-Menge in R ist. Beweis. Es sei A eine Teilmenge von R, die analytisch ist, aber keine Borel-Menge. Dann ist A stetiges Bild von N∞ , f : N∞ → A. Wir betrachten den Graphen von f Graph(f ) ⊆ N∞ × R ⊆ R2 N∞ wird mit den irrationalen Zahlen identifiziert. Die Projektion von Graph(f ) auf die zweite Koordinate ist A und damit keine Borelmenge. ! G¨odel zeigte, dass das folgende Problem nicht entscheidbar ist: Es sei A eine coanalytische Menge in R2 . Ist die das Bild von A unter einer Koordinatenprojektion eine Lebesgue-messbare Menge [Kunen].
148
3.11
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Der Transformationssatz
Es seien U und V offene Teilmengen des Rn und Φ : U → V eine bijektive Abbildung. Wir sagen, dass Φ ein C k -Diffeomorphismus ist, wenn Φ und Φ−1 k-mal stetig differenzierbar sind. Lemma 76 Es seien U und V offene Teilmengen des Rn Es sind ¨quivalent: (i) Φ : U → V ist ein C k -Diffeomorphismus. (ii) Φ : U → Rn ist eine bijektive C k -Funktion und ∂Φ ist in jedem Punkt invertierbar. ∂x Beweis. Aus dem Umkehrsatz folgt, dass Φ(U ) eine offene Menge ist und Φ−1 wieder ein C k -Diffeomorphismus ist. ! Der Transformationssatz sagt aus, dass f¨ ur alle integrierbaren Funktionen f und alle C 1 -Diffeomorphismen Φ , * +, E E , ∂Φ ,, f dλn = f ◦ Φ ,,det dλn . ∂x , Φ(U ) U Falls n = 1, dann nimmt diese Formel die Gestalt E
Φ(b)
f (t)dt =
Φ(a)
E
b
f (Φ(x))Φ" (x)dx.
a
an. Die Determinante einer Matrix gibt das Volumen des Parallelopipeds an, das von den Zeilen- bzw. Spaltenvektoren aufgespannt wird. Die Funktionaldeterminante gibt dementsprechend das Verh¨altnis der Volumina eines infinitesimalen W¨ urfels und seines Bildes unter der Abbildung wieder. Lemma 77 (i) Jede lineare, invertierbare Abbildung von Rn nach Rn l¨asst sich als ein endliches Produkt von Abbildungen der folgenden Art schreiben: T1 (x1 , . . . , xi , . . . , xn ) = (x1 , . . . , cxi , . . . , xn ) T2 (x1 , . . . , xi , . . . , xn ) = (x1 , . . . , xi + cxk , . . . , xn ) T3 (x1 , . . . , xi , . . . , xj , . . . , xn ) = (x1 , . . . , xj , . . . , xi , . . . , xn ) (ii) Es sei T : Rn → Rn eine lineare, invertierbare Abbildung. Dann gilt % n ' % % n '' 7 7 | det(T )|λn [ai , bi ] = λn T [ai , bi ] i=1
i=1
(iii) Es sei f : R → R eine integrierbare Funktion. Dann gilt E E f (cx)dλ = |c| f (x)dλ R
R
3.11. DER TRANSFORMATIONSSATZ
149
Beweis. (ii) Wir weisen nach, dass die Formel f¨ ur die Abbildungen (i) richtig ist. Die F¨alle T1 und T3 sind offensichtlich. Die Matrix von T2 hat auf der Diagonalen die Eintr¨age 1, die (i, k)-te Koordinate ist gleich c und die u ¨brigen alle gleich 0. Somit ist die Determinante von T2 gleich 1. T2 bildet die Menge bis auf die Reihenfolge der Koordinaten auf 7 [a" , b" ] × {(xi + cxk , xk )|xk ∈ [ak , bk ] und xi ∈ [ai , bi ]} "*=i,k
ab. Wir beobachten E = {(xi + cxk , xk )|xk ∈ [ak , bk ] und xi ∈ [ai , bi ]} = {(yi , yk )|yk ∈ [ak , bk ] und ai + cyk ≤ yi ≤ bi + cyk } Wir k¨onnen nun den Satz von Fubini anwenden. E E λ(Eyk )dλ(yk ) = (bi − ai )χ[ak ,bk ] dλ(yk ) = (bi − ai )(bk − ak ) λ2 (E) = R
R
Nach (i) k¨onnen wir eine lineare, invertierbare Abbildung als Produkt von Abbildungen (i) schreiben. Das Ergebnis folgt nun, weil det(T S) = det(T ) det(S). ! Ein W¨ urfel mit Mittelpunkt z ∈ Rn und Kantenl¨ange 2t im Rn ist eine Menge W = [z1 − t, z1 + t] × · · · × [zn − t, zn + t]. Wir k¨onnen W auch so schreiben
3 , 4 , , W = x , max |xi − zi | ≤ t 1≤i≤n
Lemma 78 Zu jeder offenen Teilmenge U vom Rn gibt es eine Folge von W¨ urfeln Wi , i ∈ N, mit λn (Wi ∩ Wj ) = 0 f¨ ur i += j und U=
∞ !
Wi
i=1
Es folgt weiter, dass f¨ ur alle Lebesgue-messbaren Mengen A , $ ∞ 0 ∞ , & ! , λn (A) = inf λn (Wi ), Wi ist W¨ urfel und A ⊆ Wi , i=1
i=1
gilt.
Beweis. Wk , k = 0, 1, . . . , ist die Familie aller W¨ urfel 2 1 x|5x − x0 5∞ ≤ 2−k
wobei
x0 = 2−k (&1 , . . . , &n )
150
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
ur jedes k und alle &i ungerade, ganze Zahlen sind. Dann gilt f¨ ! W Rn = W ∈Wk
Wir weisen dies nach. Zu x ∈ Rn w¨ahlen wir 2−k (&1 , . . . , &n ) in der folgenden Weise. Die Zahl 2k xi liegt in einem Intervall, deren Endpunkte ganze Zahlen sind, eine davon ist eine ungerade Zahl. Diese Zahl w¨ahlen wir als &i . (Wenn 2k xi eine gerade, ganze Zahl ist, liegt sie in zwei solchen Intervallen. Dann w¨ahlen wir eines davon.) Es gilt f¨ ur alle i |2k xi − &i | ≤ 1 bzw. |xi − 2−k &i | ≤ 2−k .
Wir zeigen nun, dass f¨ ur alle W, V ∈ Wk gilt, dass W = V oder λn (W ∩ V ) = 0. Wir betrachten den Fall, dass W += V , es seien 1 2 W = x|5x − 2−k (&1 , . . . , &n )5∞ ≤ 2−k 1 2 V = x|5x − 2−k (m1 , . . . , mn )5∞ ≤ 2−k wobei f¨ ur ein i die Ungleichung &i += mi gilt. Falls |&i − mi | ≥ 4, dann gilt W ∩ V = ∅. Falls nicht, dann gibt es ein x ∈ W ∩ V , also 2−k+1
≥ 5x − 2−k (&1 , . . . , &n )5∞ + 5x − 2−k (m1 , . . . , mn )5∞ ≥ 52−k (&1 , . . . , &n ) − 2−k (m1 , . . . , mn )5∞ ≥ 2−k |&i − mi | = 2−k+2
Da die Zahlen ungerade sind, k¨onnen die F¨alle |&i − mi | = 3 und |&i − mi | = 1 nicht auftreten. Wir betrachten den Fall &i = mi + 2. Dann gilt f¨ ur alle x ∈ W ∩ V |2k xi − mi | ≤ 1 und |2k xi − (mi + 2)| ≤ 1 Dies kann aber nur dann sein, wenn xi = 2−k (mi + 1). Also ist W ∩ V eine Teilmenge der Hyperebene mit xi = 2−k (mi + 1). Hyperebenen haben aber das Maß 0. Wir zeigen nun, dass zu jedem W ∈ Wk+1 ein V ∈ Wk mit W ⊆ V existiert. Es sei 2 1 W = x|5x − 2−k−1 (&1 , . . . , &n )5∞ ≤ 2−k−1 . Wir w¨ahlen nun
1 2 V = x|5x − 2−k (m1 , . . . , mn )5∞ ≤ 2−k
in der folgenden Weise. Da &i eine ungerade Zahl ist, sind &i − 1 und &i + 1 gerade Zahlen. Eine der beiden Zahlen 12 (&i − 1) und 12 (&i + 1) ist eine ungerade Zahl. Diese Zahl w¨ahlen wir als mi . Deshalb gilt 1 |2−k−1 &i − 2−k | = 2−k | &i − mi | = 2−k−1 2 Es sei x ∈ W , dann 2−k−1 ≥ maxi |xi − 2−k−1 &i | ≥ maxi |xi − 2−k mi | − maxi |2−k mi − 2−k−1 &i | ≥ maxi |xi − 2−k mi | − 2−k−1
3.11. DER TRANSFORMATIONSSATZ
151
und somit max |xi − 2−k mi | ≤ 2−k i # Hieraus folgt, dass f¨ ur alle W, V ∈ k Wk die Inklusionen W ⊆ V oder V ⊆ W oder die Ungleichung λn (W ∩ V ) = 0 gilt. urfel in Wk in genau 2n W¨ urfel zerlegt. Man erh¨alt Wk+1 aus Wk , indem man jeden W¨ W1 (U ) seien alle W¨ urfel W aus#W1 mit W ⊆ U . Wk (U ) seien alle W¨ urfel W aus Wk k−1 " mit W ⊆ U , so dass f¨ ur alle W ∈ j=1 Wj (U ) λn (W ∩ W " ) = 0
Dann gilt U=
∞ !
!
W
k=1 W ∈Wk (U )
Wir weisen dies nach. Es sei x ∈ U . Da U offen ist, gibt es einen W¨ urfel W mit Mittelpunkt x, der in U enthalten ist. Die Kantenl¨ange von W sei t. Dann gibt es ein k ∈ N mit 2−k+2 ≤ t und einen W¨ urfel V ∈ Wk mit x ∈ V . Da die Kantenl¨ange von V −k+1 gleich 2 ist, die von W gleich t und x ∈ V , folgt V ⊆ W . Nach Lemma ?? gilt λn (A) = inf{λn (U )|U ist offen und A ⊆ U } ur i += j und Außerdem wissen wir, dass es W¨ urfel Wi , i ∈ N, mit λn (Wi ∩ Wj ) = 0 f¨ U=
∞ !
Wi
i=1
! Lemma 79 Es sei U eine offene Menge im Rn und Φ : U → Rn ein C 1 -Diffeomorphismus. Dann gilt: (i) Das Bild einer Lebesgue-Nullmenge ist eine Lebesgue-Nullmenge. (ii) Es folgt, dass f¨ ur jede Lebesgue-messbare Funktion f : Φ(U ) → R die Funktion f ◦ Φ Lebesgue-messbar ist. Das Bild einer offenen Menge unter einem C 1 -Diffeomorphismus ist offen. Dies folgt aus dem Satz u ¨ber die Umkehrabbildung. Φ−1 ist ebenfalls ein C 1 -Diffeomorphismus. Das Bild einer Lebesgue-Nullmenge unter einer stetigen Funktion ist nicht notwendig eine Lebesgue-Nullmenge. Die Cantorfunktion ist hierf¨ ur ein Beispiel. Wenn man auf die Cantorfunktion die Identit¨at addiert, dann ist die resultierende Funktion stetig und bijektiv und bildet die Cantormenge auf eine Menge vom Maß 1 ab. Beweis. (i) Wir beschreiben die Beweismethode. Es sei N eine Nullmenge.# Nach Lemma ?? finden wir zu jedem $ > 0 eine Folge von W¨ urfeln Wi mit N ⊆ ∞ i=1 Wi
152
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
#∞ / und ∞ i=1 λn (Wi ) < $. Somit gilt φ(N ) ⊆ i=1 φ(Wi ) und es reicht λn (φ(Wi )) durch λn (Wi ) abzusch¨atzen. Wir bemerken, dass φ(W ) messbar ist, weil W eine kompakte Menge ist und somit φ(W ) auch, weil φ stetig ist. Wir zeigen, dass f¨ ur alle W¨ urfel W mit W ⊆ U % % n , ,''n & , ∂Φi , , λn (Φ(W )) ≤ sup max (ξ),, λn (W ) , 1≤i≤n ∂x ξ∈W j j=1
gilt. Dazu wenden wir den Mittelwertsatz an. Es sei z der Mittelpunkt vom W¨ urfel. Nach dem Mittelwertsatz gibt es zu jedem y ∈ W ein ξ mit ξ ∈ [z, y] und Φi (y) − Φi (z) =
n & ∂Φi j=1
∂xj
(ξ)(yj − zj )
' % n , & , ∂Φi ,, , , max |yj − zj | |Φi (y) − Φi (z)| ≤ , ∂xj (ξ), 1≤j≤n j=1
' % n , & , ∂Φi ,, , max |yj − zj | , |Φi (y) − Φi (z)| ≤ sup , ∂xj (ξ), 1≤j≤n ξ∈W j=1
% n , ,' & , ∂Φi , , max |yj − zj | , max |Φi (y) − Φi (z)| ≤ sup max , ∂xj (ξ), 1≤j≤n 1≤i≤n ξ∈W 1≤i≤n j=1
Hieraus folgt, dass Φ(W ) in einem W¨ urfel enthalten ist, dessen Kantenl¨ange kleiner als die Kantenl¨ange von W multipliziert mit % n , ,' & , ∂Φi , , sup max (ξ),, , 1≤i≤n ∂x ξ∈W j j=1
ist und damit
λn (Φ(W )) ≤
%
% n , ,''n & , ∂Φi , , , sup max λn (W ) , ∂xj (ξ), ξ∈W 1≤i≤n j=1
Es sei N eine Nullmenge, die in einer kompakten Menge K von U enthalten ist. Dann gibt es ein δ > 0, so dass alle W¨ urfel W mit Kantenl¨ange kleiner oder gleich δ und W ∩ K += ∅ in einer kompakten Teilmenge K " von U enthalten sind. Wir zeigen dies. Es sei δ = inf {5x − y5∞ |x ∈ K, y ∈ U c } . Da K kompakt ist, gilt δ > 0. Mit kl(W ) bezeichnen wir die Kantenl¨ange von W . ! K" = W W ∩K*=∅, kl(W )≤δ/2 K " ist eine kompakte Menge mit K " ⊆ U . Hierzu m¨ ussen wir zeigen, dass , , ! , c , W und y ∈ U inf 5x − y5∞ ,x ∈ >0 , W ∩K*=∅, kl(W )≤δ/2
3.11. DER TRANSFORMATIONSSATZ
153
Es seien x ∈ W , z ∈ W ∩ K und y ∈ U c . Dann 5x − y5∞ ≥ 5z − y5∞ − 5x − z5∞ ≥ δ − δ/2 = δ/2 Weil die partiellen Ableitungen stetig sind, gibt es ein C > 0, so dass % n , ,' & , ∂Φi , , , sup max , ∂xj (ξ), ≤ C ξ∈K $ 1≤i≤n j=1
Da N eine Nullmenge ist, folgt mit Lemma ?? , 0 $∞ ∞ , & ! , λn (N ) = inf λn (Wi ), Wi ist W¨ urfel und N ⊆ Wi = 0 , i=1
i=1
Hierbei k¨onnen wir zus¨atzlich annehmen, dass alle W¨ urfel Kantenl¨angen kleiner oder gleich δ besitzen. (Jeder W¨ urfel mit gr¨oßerer Kantenl¨ange l¨asst sich als endliche Vereinigung von W¨ urfeln der Kantenl¨ange δ schreiben, deren Schnitte das Maß 0 besitzen.) Deshalb gibt es zu jedem k eine Folge Wik mit N⊆
∞ !
Wik
∞ &
und
i=1
i=1
Es folgt Φ(N ) ⊆ und λn
%∞ !
∞ !
Φ(Wik )
i=1
'
Φ(Wik )
i=1
Deshalb ist
- . 1 λn Wik ≤ . k
∞ ∞ ! "
1 ≤ Cn . k
Φ(Wik )
k=1 i=1
eine Nullmenge, die Φ(N ) enth¨alt, und somit ist auch Φ(N ) eine Nullmenge. Deshalb ist, das Bild einer Nullmenge, die in einer kompakten Menge enthalten ist, eine Nullmenge. Jede Nullmenge ist abz¨ahlbare Vereinigung von Nullmengen, die in kompakten Mengen enthalten sind. Um dies einzusehen, kann man das Lemma ?? u ¨ber die Darstellung einer offenen Menge als Vereinigung von W¨ urfeln benutzen. (ii) Wir u ¨berlegen uns, dass die Funktion f ◦ Φ Lebesgue-messbar ist. Wir hatten ein Beispiel von zwei Funktionen angegeben (Beispiel), wobei eine Funktion Lebesguemessbar ist, die andere stetig, aber die Hintereinanderausf¨ uhrung beider Funktionen nicht Lebesgue-messbar ist. Wir m¨ ussen in der vorliegenden Situation ausnutzen, dass Φ Nullmengen in Nullmengen abbildet. Wir zeigen, dass Φ−1 (f −1 ((a, b))) eine Lebesgue-messbare Menge ist. Da f Lebesguemessbar ist, so ist f −1 ((a, b)) eine Lebesgue-messbare Menge. Nach Lemma ?? ist eine Lebesgue-messbare Menge Vereinigung einer Borel-Menge B und einer Lebesgue-Nullmenge N . Da Φ stetig ist, ist nach Lemma ?? das Urbild einer Borel-Menge eine Borel-Menge ist. Nach (i) ist Φ−1 (N ) eine Nullmenge, weil Φ−1 ein C 1 -Diffeomorphismus ist. !
154
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Lemma 80 Es sei f : Rn → R eine Lebesgue-integrierbare Funktion und T : Rn → Rn eine lineare Abbildung. Dann ist auch f ◦ T eine Lebesgue-integrierbare Funktion und E E f dλn = | det(T )| f ◦ T dλn . Rn
Rn
F¨ ur eine messbare Menge A erhalten wir λn (T (A)) = | det(T )|λn (A) Diese Formel ergibt sich, wenn wir f = χT (A) setzen. Beweis. Nach Lemma ?? ist die Funktion f ◦ T Lebesgue-messbar. Wir pr¨ ufen nach, dass die Formel f¨ ur lineare Abbildungen richtig ist, die in Lemma ??(i) angegeben sind. Mit dem Satz von Fubini folgt E f (x1 , . . . , xi + cxk , . . . , xn )dλn Rn E E = · · · f (x1 , . . . , xi + cxk , . . . , xn )dλ(x1 ) · · · dλ(xn ) R
R
Nach dem Satz von Fubini ist E E · · · f (x1 , . . . , xi + cxk , . . . , xn )dλ(x1 ) · · · dλ(xi−1 ) R
R
als ur fast alle (xi+1 , . . . , xn ) integrierbar. Wir wenden die Formel B FunktionB von xi f¨ f (t)dλ = f (t + a)dλ R R E E · · · f (x1 , . . . , xi + cxk , . . . , xn )dλ(x1 ) · · · dλ(xi−1 )dλ(xi ) R RE E = · · · f (x1 , . . . , xi , . . . , xn )dλ(x1 ) · · · dλ(xi−1 )dλ(xi ) R
R
Es folgt E
R
···
E
f (x1 , . . . , xi + cxk , . . . , xn )dλ(x1 ) · · · dλ(xn ) E = · · · f (x1 , . . . , xi , . . . , xn )dλ(x1 ) · · · dλ(xn ) RE
R
R
! Wir wollen im folgenden auf dem Raum aller n × n-Matrizen die Norm 5T 5 = max
1≤i≤n
n & i=1
|ti,j |
betrachten. F¨ ur die Identit¨at I ergibt sich 5I5 = 1.
3.11. DER TRANSFORMATIONSSATZ
155
Satz 24 (Transformationssatz) Es sei U eine offene Menge im Rn , Φ : U → Rn ein C 1 -Diffeomorphismus und f : Φ(U ) → R eine Lebesgue-integrierbare Funktion. Dann gilt , * +, E E , ∂Φ ,, f dλn = f ◦ Φ ,,det dλn . ∂x , Φ(U ) U
Beweis. Nach Lemma ?? ist die Funktion f ◦ Φ Lebesgue-messbar. Wie im Beweis zu Lemma ?? nachgewiesen, gilt f¨ ur alle W¨ urfel W % % n , ,''n & , ∂Φi , , , λn (Φ(W )) ≤ sup max λn (W ) , ∂xj (ξ), ξ∈W 1≤i≤n j=1
⊆U , * +n ,, , ∂Φ , , i ,det , dλn (x) , ∂x j i,j=1 , W
Wir zeigen nun, dass f¨ ur alle W¨ urfel W E λn (Φ(W )) ≤
gilt. (Tats¨achlich gilt hier Gleichheit.) Dazu zeigen wir, dass f¨ ur alle kompakten Mengen K, K ⊆ U , und alle $ > 0 ein δ > 0 existiert, so dass f¨ ur alle W¨ urfel W = {y|5y − z5∞ ≤ δ} ⊆ K , +, * , , ∂Φ , λn (φ(W )) ≤ ,det (z) ,, (1 + $)n λn (W ) ∂x gilt. Wir weisen dies nach. Die Funktion * +−1 ∂Φ ∂φ (z, y) → (z) (y) ∂x ∂x
ist auf der kompakten Menge W × W mit der Metrik d((z, y), (v, w)) = 5z − v5∞ − 5y − w5∞ stetig, weil φ stetig differenzierbar ist. Somit ist diese Funktion auf W W gleichm¨aßig stetig. Wir setzen v = w = z und erhalten, dass f¨ ur alle $ > 0 ein δ > 0 existiert, so dass f¨ ur alle z und y mit 5y − z5∞ ≤ δ Q* Q Q ∂Φ +−1 ∂Φ Q Q Q (z) (y) − I Q Q<$ Q ∂x Q ∂x
Hieraus folgt mit der Dreiecksungleichung Q Q* Q ∂Φ +−1 ∂Φ Q Q Q (z) (y)Q < 5I5 + $ = 1 + $ Q Q ∂x ∂x Q
Wir setzen nun T = dungen λn (Φ(W ))
∂Φ (z). ∂x
Mit Lemma ?? folgt f¨ ur alle invertierbaren, linearen Abbil-
= λn (T T −1 Φ(W )) ≤ | det(T )|λn (T −1 ◦ Φ(W )) % % n , ''n & , ∂(T −1 ◦ Φ)i ,, , ≤ | det(T )| sup max (ξ),, λn (W ) , ∂xj ξ∈W 1≤i≤n j=1
156
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Wegen der Kettenregel gilt n
∂(T −1 ◦ Φ)i & −1 ∂Φ" = (T )i," ∂xj ∂xj "=1 und somit ,''n % n , n , & ,,& ∂Φ , " ≤ | det(T )| sup max (ξ), λn (W ) , (T −1 )i," , ∂xj , ξ∈W 1≤i≤n j=1 "=1 Q'n Q % * +n Q Q ∂Φ Q Q i (ξ)Q λn (W ) = | det(T )| sup QT −1 ◦ Q ∂xj i,j=1 Q ξ∈W %
λn (Φ(W ))
= | det(T )|(1 + $)n λn (W )
Wir betrachten nun einen beliebigen W¨ urfel W . Wir unterteilen den W¨ urfel W in W¨ urfel WkN mit Mittelpunkt zkN und hinreichend kleiner Kantenl¨ange δ, so dass die obige Absch¨atzung gilt. Also finden wir zu jedem $ = N1 W¨ urfel WkN W =
kN !
WkN .
k=1
Zu jedem WkN w¨ahlen wir TkN mit TkN
=
*
+n ∂Φi (zk ) ∂xj i,j=1
Es folgt λn (Φ(W )) ≤
kN & k=1
und damit
, %* +n ',, kN , & ∂Φi , , n N λn (Φ(Wk )) ≤ (zk ) ,det , (1 + $) λn (WkN ) , , ∂xj i,j=1 k=1
, %* +n ',, E & kN , ∂Φ , , i (zkN ) λn (Φ(W )) ≤ (1 + $)n , χWkN dλn . ,det , , ∂xj W i,j=1 k=1
Es gilt punktweise f.¨ u.
, , %* %* +n ',, +n ',, kN , , & ∂Φi ∂Φi N , , , , (zk ) lim , χWkN = ,det ,. ,det N →∞ , , , ∂xj ∂xj i,j=1 , i,j=1 k=1
Wir schließen alle Punkte aus, die in der Vereinigung der Randpunkte der W¨ urfel sind kN ∞ ! !
N =1 k=1
∂WkN
3.11. DER TRANSFORMATIONSSATZ
157
Dies ist eine Nullmenge, weil ein W¨ urfel 2n Seitenfl¨achen besitzt und diese sind jeweils in einer Hyperebene enthalten. Wenn x nicht in dieser Menge enthalten ist, dann gilt: F¨ ur N alle N und alle x existiert ein k(x) mit x ∈ Wk(x) . Es gilt , , %* %* +n ',, +n ',, kN , , & ∂Φi N ∂Φi N , , , , (zk ) (zk(x) ) ,det , χWkN (x) = ,det ,. , , , , ∂xj ∂xj i,j=1 i,j=1 k=1
und
N = x. lim zk(x)
Weil alle partiellen Ableitungen stetig sind, ist , %* +n ',, , ∂Φ , , i , ,det , ∂xj i,j=1 ,
auf W beschr¨ankt. Wir k¨onnen den Konvergenzsatz von Lebesgue anwenden. Es folgt %* +n ',, E ,, ∂Φi , , λn (Φ(W )) ≤ (1 + $)n ,det , dλn . ∂xj i,j=1 , W ,
Da dies f¨ ur alle $ > 0 gilt
%* +n ',, E ,, ∂Φi , , λn (Φ(W )) ≤ ,det , dλn . ∂xj i,j=1 , W ,
Jede offene Menge V kann als abz¨ahlbare Vereinigung von W¨ urfeln Wi mit λn (Wi ∩Wj ) = 0 f¨ ur i += j ∞ ! Wi V = i=1
geschrieben werden. Φ(V ) ist eine offene Menge und damit messbar. Es folgt λn (Φ(V ))
≤
∞ & i=1
λn (Φ(Wi )) ≤
∞ E &
* +, i=1 E , , , ,det ∂Φ , dλn (x) = , ∂x ,
Wi
, * +, , , ,det ∂Φ , dλn (x) , ∂x ,
V
Also gilt f¨ ur alle offenen Mengen V
* +, E , , , ,det ∂Φ , dλn (x). λn (Φ(V )) ≤ , ∂x , V
Es sei B eine Borelmenge im Rn mit λn (B) < ∞. Da Φ−1 eine stetige Funktion ist, so ist Φ(B) eine Borelmenge. Es gibt offene Mengen Vj mit Vj ⊇ Vj+1 und λn (Vj ) ≤ λn (B) + 1j . Es folgt * +, E , , , ,det ∂Φ , dλn (x). λn (Φ(B)) ≤ λn (Φ(Vj )) ≤ , ∂x , Vj
158
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Deshalb λn (Φ(B)) ≤
E
∩∞ j=1 Vj
, * +, E , , ,det ∂Φ , dλn (x) = , ∂x ,
B
Also gilt f¨ ur alle Borelmengen B
, * +, , , ,det ∂Φ , dλn (x). , ∂x ,
* +, E , , ∂Φ ,, , det dλn . λn (Φ(B)) ≤ , ∂x , B
Jede messbare Menge A ist Vereinigung einer Borelmenge B mit einer Nullmenge N . Da Φ(N ) auch wieder eine Nullmenge ist, so ist Φ(A) = Φ(B) ∪ Φ(N ) messbar und es folgt * +, E , , , ,det ∂Φ , dλn . λn (Φ(A)) ≤ , ∂x , A / Deshalb gilt f¨ ur alle einfachen Funktionen ki=1 ai χAi E
k &
ai χAi dλn
=
Φ(U ) i=1
≤
k &
i=1 k & i=1
ai λn (Ai ) ai
E
Φ−1 (Ai )
, * +, , , ,det ∂Φ , dλn , ∂x ,
, * +, , ∂Φ ,, , dλn = ai χΦ−1 (Ai ) ,det ∂x , U i=1 ' , * +, E %& k , ∂Φ ,, , = ai χAi ◦ Φ ,det , dλn . ∂x U i=1 E & k
Deshalb gilt f¨ ur alle einfachen Funktionen h , * +, E E , ∂Φ ,, , hdλn ≤ h ◦ Φ ,det dλn . ∂x , Φ(U ) U
Es sei f eine nichtnegative, messbare Funktion. Dann gibt es eine Folge von monoton wachsenden, einfachen Funktionen hi , die punktweise u ¨berall gegen f konvergieren. Nach dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz gilt , * +, E E E , ∂Φ ,, f dλn = lim hi dλn ≤ lim hi ◦ Φ ,,det dλn i→∞ Φ(U ) i→∞ U ∂x , Φ(U ) , * +, E , ∂Φ ,, , dλn = f ◦ Φ ,det ∂x , U also
, * +, , ∂Φ ,, , f dλn ≤ f ◦ Φ ,det dλn ∂x , Φ(U ) U , - ., , und die Transformation Diese Absch¨atzung gilt auch f¨ ur die Funktion f ◦ Φ ,det ∂Φ ∂x −1 Φ . , , , * −1 +, * +, * +,+ E * E , , , , ∂Φ ∂Φ ,, ∂Φ ,, −1 , , , , dλn f ◦ Φ ,det f ◦ Φ ,det ◦ Φ ,det dλn ≤ , , ∂x ∂x ∂x , E
E
U
U
3.11. DER TRANSFORMATIONSSATZ Weil det ergibt sich
E
U
*
159
+ * −1 + ∂Φ ∂Φ −1 (Φ (y)) (y) = 1 ∂x ∂x
, * +, E , ∂Φ ,, , f ◦ Φ ,det dλn ≤ ∂x ,
f dλn .
Φ(U )
Insgesamt erhalten wir f¨ ur nichtnegative, messbare Funktionen , * +, E E , ∂Φ ,, f dλn = f ◦ Φ ,,det dλn . ∂x , Φ(U ) U
Damit erhalten wir die Gleichheit f¨ ur integrierbare Funktionen. ! Beispiel 43 Das Volumen der n-dimensionalen Euklidischen Kugel mit Radius R , $ 0 n ,& n, 2 2 x∈R , |xi | ≤ R , i=1
ist
n
Rn
π2 . n Γ( 2 + 1)
Beweis. Wir benutzen Polarkoordinaten. g : [0, R] × [0, π] × · · · × [0, π] × [0, 2π] → Rn g(r, φ1 , . . . , φn−1 ) = xn = (xn1 , xn2 , . . . , xnn )
Es gilt
xn1
= r cos φ1
xn2 xn3
= r sin φ1 cos φ2 = r sin φ1 sin φ2 cos φ3 .. .
xnn−1
= r sin φ1 . . . sin φn−2 cos φn−1
xnn
= r sin φ1 . . . sin φn−2 sin φn−1
xni = xin−1
und
i = 1, . . . , n − 2
n−1 xnn−1 = cos φn−1 xn−1
Es gilt
n & i=1
Wir weisen dies durch Induktion nach. n & i=1
|xni |2 =
n−2 & i=1
xnn = sin φn−1 xn−1 n−1 |xni |2 = r2
n−1 2 2 2 |xin−1 |2 + cos2 φn−1 |xn−1 n−1 | + sin φn−1 |xn−1 | =
g bildet [0, R] × [0, π] × · · · × [0, π] × [0, 2π] auf , $ 0 n ,& , x ∈ Rn , |xni |2 ≤ R2 , i=1
n−1 & i=1
|xn−1 |2 = r2 i
160
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
ab. Die Abbildung g ist auf (0, R) × (0, π) × · · · × (0, π) × (0, 2π) injektiv. Wir weisen die Injektivit¨ at nach. Es gelte g(r, φ1 , . . . , φn−1 ) = x = g(˜ r, φ˜1 , . . . , φ˜n−1 ) Es folgt r = 5x5 = r˜. Also gilt r = r˜. Weiter gilt r cos φ1 = r˜ cos φ˜1 = r cos φ˜1 Also gilt cos φ1 = cos φ˜1 . Auf dem Intervall (0, π) ist der Cosinus aber injektiv, also gilt φ1 = φ˜1 . Durch Induktion erhalten wir nun, dass alle weiteren Winkel ebenfalls gleich sein m¨ ussen. Um das Volumen zu berechnen wollen wir nun die Transformationsformel anwenden. Auf der offenen Menge I = (0, R) × (0, π) × · · · × (0, π) × (0, 2π) ist g injektiv und stetig differenzierbar. F¨ ur n = 2 erhalten wir f¨ ur die Funktionaldeterminante den Wert r und f¨ ur n = 3, 4, . . . * + ∂(xn1 , . . . , xnn ) det = rn−1 sinn−2 φ1 sinn−3 φ2 . . . sin φn−2 ∂(r, φ1 , . . . , φn−1 ) Es sei A eine n × n Matrix. Die Matrix A(i,j) ist die (n − 1) × (n − 1)-Matrix, die wir durch Streichen der i-ten Zeile und j-ten Spalte aus A erhalten. Wir beweisen die Aussage duch Induktion u ¨ber n. F¨ ur n = 2 haben wir x1 = r cos φ und x2 = r sin φ. * + cos φ −r sin φ det =r sin φ r cos φ Es gilt
∂xni =0 ∂φn−1
i = 1, . . . , n − 2
Wir entwickeln die Determinante gem¨ ass der Laplace Formel nach der letzten Spalte, d.h. der φn−1 Spalte. In dieser Spalte sind nur die letzten beiden Koordinaten von 0 verschieden. * + ∂xn det ∂(r, φ1 , . . . , φn−1 ) * * + + ∂xnn−1 ∂xnn ∂xn ∂xn = det − det ∂φn−1 ∂(r, φ1 , . . . , φn−1 ) (n,n) ∂φn−1 ∂(r, φ1 , . . . , φn−1 ) (n−1,n) Weiter gilt
*
∂xnn−1 ∂xnn−1 ∂xn , . . . , n−1 , ∂r ∂φ1 ∂φn−2 *
∂xnn ∂xnn ∂xnn ,..., , ∂r ∂φ1 ∂φn−2
+
+
= cos φn−1
= sin φn−1
%
%
n−1 ∂xn−1 ∂xn−1 n−1 ∂xn−1 , . . . , n−1 , ∂r ∂φ1 ∂φn−2
n−1 ∂xn−1 ∂xn−1 n−1 ∂xn−1 , . . . , n−1 , ∂r ∂φ1 ∂φn−2
'
'
.
Damit erhalten wir det
*
∂xn ∂(r, φ1 , . . . , φn−1 )
weil die letzte Zeile der Matrix det
*
+
= cos φn−1 det (n,n)
∂xn ∂(r,φ1 ,...,φn−1 )
∂xn ∂(r, φ1 , . . . , φn−1 )
+
*
∂xn−1 ∂(r, φ1 , . . . , φn−2 )
+
gestrichen wird. Ebenso erhalten wir = sin φn−1 det
(n−1,n)
*
∂xn−1 ∂(r, φ1 , . . . , φn−2 )
+
3.11. DER TRANSFORMATIONSSATZ
161
wobei wir beachten, dass die vorletzte Zeile gestrichen wird. Es folgt 8 9 n 6 det ∂(r,φ1∂x ,...,φn−1 ) * + ∂xnn ∂xn−1 = cos φn−1 det ∂φn−1 ∂(r, φ1 , . . . , φn−2 ) * + ∂xnn−1 ∂xn−1 − sin φn−1 det ∂φn−1 ∂(r, φ1 , . . . , φn−2 ) + * n−2 7 ∂xn−1 =r sin φi det ∂(r, φ1 , . . . , φn−2 ) i=1 Wir erhalten dann
, E , , ∂(x1 , . . . , xn ) , , , d(r, φ1 , . . . , φn−1 ) dλn (x) = , ∂(r, φ1 , . . . , φn−1 ) ,
E
g(I)
I
Damit ist das Volumen gleich , E , , ∂(x1 , . . . , xn ) , , , d(r, φ1 , . . . , φn−1 ) , , I ∂(r, φ1 , . . . , φn−1 ) E R E 2π E πE π = ··· rn−1 sinn−2 φ1 · · · sin φn−2 dφ1 · · · dφn−1 dr 0
E
0
0 π
0
E 2π E π rn−1 dr sinn−2 φ1 dφ1 · · · sin φn−2 dφn−2 dφn−1 0 0 E π 0 E π 0 2π n R = sinn−2 φ1 dφ1 · · · sin φn−2 dφn−2 n 0 0 =
R
E
Der Fall n = 2 ergibt πR2 , der Fall n = 3
und der Fall n = 4
π 4 R 2
Nun der allgemeine Fall. E π2
π
E
sin2 φ1 dφ1
E
0
sin2m xdx =
0
E
E
2π 3 R 3
π
4π 3 R 3
sin φ2 dφ2 =
π 4 π π2 4 R ·2· = R 2 2 2
0 π
0
m (2m − 1)(2m − 3) · · · 3 · 1 π π 7 2k − 1 = 2m(2m − 2) · · · 4 · 2 2 2 2k k=1
π 2
sin2m+1 xdx =
0
m 7 2m(2m − 2) · · · 4 · 2 2k = (2m + 1)(2m − 1) · · · 5 · 3 2k + 1 k=1
Damit erhalten wir f¨ ur m = 1, 2, . . . E π E π E 2m 2m−1 sin xdx sin xdx = 4 0
sin φ1 dφ1 =
0
π 2
0
sin
2m
xdx
E
π 2
sin2m−1 xdx = 4
0
π 1 π = 2 2m m
Damit folgt f¨ ur gerades n, dass das Volumen der n-dimensionalen Euklidischen Kugel mit Radius R gleich n−2
n 2 2π n 7 π π2 R = Rn n n m ( 2 )! m=1
ist. Der Fall, dass n ungerade ist, wird a¨hnlich behandelt. !
Beispiel 44 (Das Gravitationspotential eines hohlen Planeten) Es sei 5 6 K P = (x, y, z)|r1 ≤ x2 + y 2 + z 2 ≤ r2
162
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
ein hohler Planet. Wir nehmen an, dass die Dichte ρ(x, y, z) = 1 ist. Es sei M die Gesamtmasse des ·m2 Planeten, m die Masse im Punkt (x, y, z) und G = 6, 67 · 10−11 Nkg die Gravitationskonstante. Dann 2 gilt f¨ ur das Gravitationspotential K GmM K falls x2 + y 2 + z 2 > r2 2 2 2 x + y + z V (x, y, z) = K Gm2π(r22 − r12 ) falls x2 + y 2 + z 2 < r1 Das Potential im Inneren des Planeten ist konstant, es herrscht also Schwerelosigkeit im Innern.
Beweis. F¨ ur das Gravitationspotential im Punkt (x0 , y0 , z0 ) gilt E ρ(x, y, z) K V (x0 , y0 , z0 ) = Gm d(x, y, z) 2 + (y − y )2 + (z − z )2 (x − x ) P 0 0 0 P ist eine kompakte Menge und
1 K 2 (x − x0 ) + (y − y0 )2 + (z − z0 )2
ist eine stetige Funktion auf einer offenen Umgebung von P , weil entweder K (x − x0 )2 + (y − y0 )2 + (z − z0 )2 > r2 oder
K
(x − x0 )2 + (y − y0 )2 + (z − z0 )2 < r1
gilt. Da der Planet rotationssymmetrisch ist, k¨ onnen wir annehmen, dass (x0 , y0 , z0 ) = (R, 0, 0). Außerdem wollen wir zu Polarkoordinaten u ¨bergehen. x
= r cos φ
y
= r sin φ cos θ
z
= r sin φ sin θ
r ∈ [r1 , r2 ]
φ ∈ [0, π]
θ ∈ [0, 2π]
Es gilt -
x2 + y 2 + z 2
. 12
.1 = r2 cos2 φ + r2 sin2 φ cos2 θ + r2 sin2 φ sin2 θ 2 .1 = r2 cos2 φ + r2 sin2 φ 2 = r
.1 Auf (r1 , r2 ) × (0, π) × (0, 2π) ist die Transformation injektiv. Wegen x2 + y 2 + z 2 2 = r sind die Bilder f¨ ur verschieden r verschieden. cos ist auf (0, π) injektiv. Es gilt * + ∂(x, y, z) det = r2 sin φ. ∂(r, φ, θ) Wir weisen dies nach det
*
∂(x, y, z) ∂(r, φ, θ)
+
cos φ = sin φ cos θ sin φ sin θ
−r sin φ r cos φ cos θ r cos φ sin θ
0 −r sin φ sin θ r sin φ cos θ
Wir entwickeln die Determinante nach der ersten Zeile. * + * r cos φ cos θ −r sin φ sin θ sin φ cos θ cos φ det + r sin φ det r cos φ sin θ r sin φ cos θ sin φ sin θ
−r sin φ sin θ r sin φ cos θ
= r2 cos φ(sin φ cos φ cos2 θ + sin φ cos φ sin2 θ) +r2 sin φ(sin2 φ cos2 θ + sin2 φ sin2 θ) = r (sin φ cos2 φ + sin3 φ) = r2 sin φ 2
+
3.11. DER TRANSFORMATIONSSATZ
163
Wir erhalten V (R, 0, 0) E r2 E = Gm r1
= Gm
E
0
r2
r1
= 2πGm
E
π
E
0
π
0
E
r2
r1
E
2π
0
E
r2 sin φ
2π
π
K
0
J J
(R − r cos φ)2 + r2 sin2 φ cos2 θ + r2 sin2 φ sin2 θ r2 sin φ
(R − r cos φ)2 + r2 sin2 φ r2 sin φ
(R2 − 2rR cos φ + r2
dθdφdr
dθdφdr
dφdr
Wir substituieren u = −2rR cos φ. Es gilt du = 2rR sin φ dφ
u(0) = −2rR
u(π) = 2rR
Damit erhalten wir 2πGm
E
r2
E
2rR
r √ dudr 2 + R2 + u 2R r r1 −2rR E S2rR πGm r2 RK 2 = 2r r + R2 + u dr R −2rR r E 1r2 K K πGm = 2r r2 + R2 + 2rR − 2r r2 + R2 − 2rR dr R r E1 πGm r2 = 2r|R + r| − 2r|R − r|dr R r1
Da r > 0 und R > 0, so gilt |r + R| = r + R. Andererseits gilt R − r > 0, falls R > r2 und R − r < 0, alle falls R < r1 . Damit erhalten wir zwei F¨ E πGm r2 2 4r dr falls r2 < R R r1 V (R, 0, 0) = E πGm r2 4rRdr falls r1 > R R r1 Damit erhalten wir
4πGm (r3 − r3 ) 2 1 3R V (R, 0, 0) = 2πGm(r22 − r12 )
falls r2 < R falls r1 > R
Da wir angenommen hatten, dass f¨ ur die Dichte ρ(x, y, z) = 1 gilt, erhalten wir M=
4π 3 (r − r13 ) 3 2
! Beispiel 45
E
2
R2
Hieraus folgt, dass
E
e−x
R
2
−y 2
2
dλ2 = π
e−x dλ =
√
π
Die Stammfunktion von e−x kann nicht durch elementare Funktionen ausgedr¨ uckt werden. Deshalb kann man den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung nicht verwenden.
164
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Beweis. Wir benutzen Polarkoordinaten (x, y) = (r cos φ, r sin φ) Es gilt
E
R2
Mit dem Satz von Fubini E 2 2 e−x −y dλ2
r≥0
0 ≤ φ ≤ 2π
* + ∂(x, y) cos φ −r sin φ = sin φ r cos φ ∂(r, φ) * + cos φ −r sin φ det =r sin φ r cos φ E 2 −x2 −y 2 e dλ2 = e−r rdλ2 (0,∞)×(0,2π)
=
R2
E
∞
0
E
2π
−r 2
dφdr = 2π
re
0
G Db 2 1 = 2π lim − e−r =π b→∞ 2 0
Wir zeigen nun, dass hieraus folgt
E
R
2
e−x dλ =
√
E
∞
2
re−r dφdr
0
π
Mit dem Satz von Fubini folgt E E E E E 2 2 −x2 −y 2 −x2 −y 2 π = e dλ2 = e dλ(x)dλ(y) = e−x e−y dλ(x)dλ(y) R2
=
E
R
2
e−x dλ(x)
E
R
R
R
2
e−y dλ(y) =
*E
R
2
e−x
+2 dλ(x)
R
R
! Beispiel 46 Wir betrachten die Menge, die wir als Durchschnitt der 3-dimensionalen euklidischen Kugel mit Radius R mit dem Zylinder vom Radius R2 erhalten. Hierbei liegt der Kugelmittelpunkt auf dem Rand des Zylinders. ,* $ 0 +2 , 2 1 2 R R , (x, y, z)|x2 + y 2 + z 2 ≤ R2 ∩ (x, y, z) , x − + y2 ≤ , 2 4 Das Volumen ist
4 3 R 3
*
π 2 − 2 3
+
K R2 − x2 − y 2 u ¨ber dem Bereich ,* 0 +2 , R R2 , 2 (x, y) , x − +y ≤ , 2 4
Beweis. Wir integrieren die Funktion $ Wir benutzen Polarkoordinaten
Dann folgt
(x, y) = (r cos φ, r sin φ) * + ∂(x, y) cos φ −r sin φ = sin φ r cos φ ∂(r, φ) * + cos φ −r sin φ det =r sin φ r cos φ R2 ≥ x2 + y 2 + z 2 = r2 + z 2
3.11. DER TRANSFORMATIONSSATZ und
R2 ≥ 4
also
*
R x− 2
+2
165
+ y 2 = x2 − Rx +
R2 + y2 4
Rx ≥ x2 + y 2 = r2
und damit
R cos φ ≥ r
Deshalb gilt
,* 0 +2 , 5 R R2 π6 π , 2 (x, y) , x − +y ≤ = (x, y)|0 ≤ r ≤ R cos φ, − ≤ φ ≤ , 2 4 2 2
$
Damit ergibt sich f¨ ur das Volumen E K 2 R2 − x2 − y 2 dλ2 (x, y) 2 (x− R2 ) +y2 ≤ R42
=4
E
π 2
0
=4
E
R cos φ
0
π 2
0
E
E
π 2
K
R2 − r2 rdrdφ
G DR cos φ 1 2 2 32 − (R − r ) dφ 3 0
1 3 1 3 3 R − R sin φdφ 3 3 0 G D π2 1 4 3 3 = R φ + cos φ − cos φ 3 3 0 4 3 π 2 = R ( − ) 3 2 3 =4
!
Der Schwerpunkt (¯ x, y¯, z¯) einer Lebesgue-messbaren Menge A im R3 mit Dichte ρ ist B B xρ(x, y, z)dλ (x, y, z) yρ(x, y, z)dλ3 (x, y, z) 3 y¯ = BA x¯ = BA ρ(x, y, z)dλ3 (x, y, z) ρ(x, y, z)dλ3 (x, y, z) A A B zρ(x, y, z)dλ3 (x, y, z) z¯ = BA ρ(x, y, z)dλ3 (x, y, z) A
Die Tr¨agheitsmomente messen den Widerstand des K¨orpers in Rotation versetzt zu werden. Die Tr¨agheitsmomente eines K¨orpers A mit konstanter Dichte 1 sind E E 2 2 Ix = (y + z )dλ3 (x, y, z) Iy = (x2 + z 2 )dλ3 (x, y, z) A
A
Iz =
E
ρ(x2 + y 2 )dλ3 (x, y, z)
A
Beispiel 47 Ein Torus entsteht dadurch, dass man einen Kreis mit Radius r im Abstand R um den Koordinatenursprung im R3 rotiert. Hierbei gilt r < R Der Torus ist ,8 3 4 92 , K 2 2 2 2 , T = (x, y, z) , x +y −R +z ≤r Das Volumen des Torus ist
4π 2 Rr2
166
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Beweis. Wir setzen
Wir erhalten
x
= ρ cos φ
y
= ρ sin φ 2
(ρ − R) + z 2 ≤ r2
und damit R−
Es folgt E
K
dλ3 (x, y, z)
r2 − z 2 ≤ ρ ≤ R +
=
E
r
−r
T
= 2π
E
E
√ R+ r 2 −z 2
K
E
r2 − z 2
2π
√ 0 R− r 2 −z 2 √ r E R+ r 2 −z 2
ρdλ(φ)dλ(ρ)dλ(z)
ρdλ(ρ)dλ(z) √ R− r 2 −z 2 DR+√r2 −z2 E r G 1 2 2π dλ(z) ρ √ −r 2 R− r 2 −z 2 E r K 2π 2R r2 − z 2 dλ(z) −r
= =
−r
Wir setzen z = r sin θ, wobei − π2 < θ < E
T
!
dλ3 (x, y, z) = 2π
E
π 2.
π 2
−π 2
2Rr2 cos2 θdθ = 4πRr2
E
π 2
−π 2
cos2 θdθ = 2π 2 Rr2
3.12. KONVERGENZ IM MASS UND DER RAUM L0
3.12
167
Konvergenz im Maß und der Raum L0
¨ Auf der Menge der integrierbaren Funktionen f¨ uhren wir die Aquivalenzrelation f ∼ g, ¨ falls f = g fast u ¨berall, ein. Die Menge der Aquivalenzklassen [f ] bezeichnen wir mit L1 (µ). Auf der Menge f¨ uhren wir Addition und Multiplikation mit einem Skalar ein. [f ] + [g] = [f + g]
c[f ] = [cf ]
uhren auf ihm die Norm Damit ist L1 (µ) ein Vektorraum. Wir f¨ E 5 [f ] 5 = |f |dµ X
Wir schreiben h¨aufig f ∈ L1 und meinen damit [f ] ∈ L1 . Es sei fn , n ∈ N, eine Folge messbarer reell- oder komplexwertiger Funktionen auf einem Maßraum (X, A, µ). Wir sagen, dass die Folge eine Cauchy-Folge im Maß ist, wenn f¨ ur alle $ > 0 lim µ({x| |fn (x) − fm (x)| ≥ $}) = 0 n,m→∞
Dies soll bedeuten, dass f¨ ur alle $ > 0 und alle δ > 0 ein N ∈ N existiert, so dass f¨ ur alle n, m mit n, m ≥ N µ({x| |fn (x) − fm (x)| ≥ $}) < δ
gilt. Dies ist a¨quivalent zu: F¨ ur alle $ > 0 existiert ein N ∈ N, so dass f¨ ur alle n, m mit n, m ≥ N µ({x| |fn (x) − fm (x)| ≥ $}) < $
gilt. Wir sagen, dass die Folge im Maß gegen die Funktion f konvergiert, falls f¨ ur alle $>0 lim µ({x| |fn (x) − f (x)| ≥ $}) = 0 n→∞
Beispiel 48 Wir betrachten den Maßraum ([0, 1], L, λ). fn = nχ[0, n1 ] ist keine Cauchy Folge in L1 , konvergiert aber im Maß gegen die Nullfunktion. Beweis. Es gilt f¨ ur alle m ∈ N E
0
!
1
|f2m (x) − fm (x)|dλ ≥
E
1 m 1 2m
mdλ = m
*
1 1 − m 2m
+
=
1 2
* + 1 1 λ({x| |fn (x)| ≥ $}) = λ [0, ] = → −→ 0 n n n→∞
Lemma 81 Es sei fn , n ∈ N, eine Folge, die in L1 gegen die Funktion f konvergiert. Dann konvergiert die Folge auch im Maß gegen f .
168
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Beweis. Wir setzen Dann gilt
An,! = {x| |fn (x) − f (x)| ≥ $} E
X
Hieraus folgt
|fn − f |dµ ≥
E
|fn − f |dµ ≥ $µ(An,! )
An,"
1 {x| |fn (x) − f (x)| ≥ $} ≤ $
!
E
X
|fn − f |dµ → −→ 0 n→∞
Lemma 82 Es sei (X, A, µ) ein vollst¨andiger Maßraum und fn , n ∈ N, eine Folge von messbaren Funktionen, die eine Cauchy Folge im Maß ist. Dann gibt es eine messbare Funktion f , gegen die die Folge im Maß konvergiert. Außerdem gibt es eine Teilfolge fnj , j ∈ N, die punktweise fast u ¨berall gegen f konvergiert. Die Funktionen fn : [0, 1] → R seien durch die Vorschrift n, j ∈ N
fn (x) = χ[ n−2j , n+1−2j ] 2j
2j
2j ≤ n < 2j+1
Diese Folge konvergiert im Maß gegen die Nullfunktion (sie konvergiert sogar in L1 ), aber nirgends punktweise. Die Teilfolge f2j = χ[0,2−j ] , j ∈ N, konvergiert punktweise fast u ¨berall gegen 0. Beweis. Wir konstruieren zun¨achst eine Teilfolge fnj , j ∈ N, die punktweise fast u ¨berall konvergiert. Es gibt eine Teilfolge fnj , j ∈ N, so dass f¨ ur alle j ∈ N und alle Aj = {x| |fnj (x) − fnj+1 (x)| ≥ 2−j } gilt, dass µ(Aj ) ≤ 2−j . Wir definieren diese Folge induktiv. Da die Folge fn , n ∈ N, Cauchy im Maß ist, gibt es ein N , so dass f¨ ur alle n und m mit N ≤ n, m µ{x| |fn (x) − fm (x)| ≥ 2−j } ≤ 2−j Wir w¨ahlen als nj eine nat¨ urliche Zahl, die gr¨osser als N und nj−1 ist. Wir setzen ∞ ! Bk = Aj j=k
Dann gilt
µ(Bk ) ≤
∞ &
2−j = 2−k+1
j=k
F¨ ur alle i, j mit k ≤ j ≤ i und alle x ∈ Bkc gilt , , i−1 ,& , , , = , (fn! (x) − fn!+1 (x)), |fnj (x) − fni (x)| , , "=j
≤
i−1 & "=j
|fn! (x) − fn!+1 (x)| ≤
i−1 & "=j
2−" < 2−j+1
3.12. KONVERGENZ IM MASS UND DER RAUM L0
169
fnj (x), j ∈(N, eine Cauchy Folge Hieraus folgt, dass f¨ ur alle k und alle x ∈ Bkc die Folge #∞ c in R bzw. C ist. Also ist fnj (x), j ∈ N, f¨ ur alle x ∈ k=1 Bkc = ( ∞ k=1 Bk ) eine Cauchy Folge. Es gilt %∞ ' " µ Bk = lim µ(Bk ) = 0 k→∞
k=1
Wir setzen
∞ " lim fn (x) x∈ / Bk j f (x) = j→∞ k=1 0 sonst
f ist messbar, weil f fast u ¨berall punktweiser Grenzwert messbarer Funktionen ist. Wir zeigen nun, dass die Folge fnj , j ∈ N, im Maß gegen f konvergiert. F¨ ur alle i, j mit k ≤ j ≤ i und f¨ ur alle x ∈ Bkc gilt |fnj (x) − fni (x)| ≤ 2−j+1 Hieraus folgt, dass f¨ ur alle j mit k ≤ j und alle x ∈ Bkc lim |fnj (x) − fni (x)| ≤ 2−j+1
i→∞
Damit ergibt sich, dass f¨ ur alle j mit k ≤ j und alle x ∈ Bkc |fnj (x) − f (x)| ≤ 2−j+1 Es folgt, dass f¨ ur alle k und alle j mit k ≤ j µ{x| |fnj (x) − f (x)| ≥ 2−j+1 } ≤ µ(Bk ) ≤ 2−k+1 Insbesondere k¨onnen wir j = k w¨ahlen. Dann erhalten wir, dass f¨ ur alle k µ{x| |fnk (x) − f (x)| ≥ 2−k+1 } ≤ µ(Bk ) ≤ 2−k+1 gilt. F¨ ur gegebenes $ w¨ahlen wir k0 so groß, dass $ > 2−k0 +1 . Dann gilt f¨ ur alle k mit k0 ≤ k µ{x| |fnk (x) − f (x)| ≥ $}
≤ µ{x| |fnk (x) − f (x)| ≥ 2−k0 +1 } ≤ µ{x| |fnk (x) − f (x)| ≥ 2−k+1 } ≤ 2−k+1
Wir zeigen nun, dass auch fn , n ∈ N, im Maß gegen f konvergiert. Hierzu u ¨berlegen wir uns, dass f¨ ur alle n und nj 5 , $ 6 5 ,, $6 , {x| |fn (x) − f (x)| ≥ $} ⊆ x , |fn (x) − fnj (x)| ≥ ∪ x , |fnj (x) − f (x)| ≥ 2 2
Falls n¨amlich
|fn (x) − f (x)| ≥ $
gilt, dann folgt aus der Dreiecksungleichung $ ≤ |fn (x) − fnj (x)| + |fnj (x) − f (x)|.
170
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Also gilt
$ $ ≤ |fn (x) − fnj (x)| oder ≤ |fnj (x) − f (x)|. 2 2 ur alle $ > 0 und δ > 0 existiert ein N , so dass Weil fn , n ∈ N, Cauchy im Maß ist, gilt: F¨ f¨ ur alle n, nj mit N ≤ n, nj 5 , $ 6 , µ x , ≤ |fn (x) − fnj (x)| < δ 2
ur alle $ > 0 und δ > 0 existiert ein Da fnj , j ∈ N, gegen f im Maß konvergiert, gilt: F¨ N , so dass f¨ ur alle nj mit N ≤ nj 5 , $ 6 , µ x , ≤ |fnj (x) − f (x)| < δ 2
Also gilt auch
µ {x | $ ≤ |fn (x) − f (x)|} < 2δ
! Korollar 11 Falls die Folge fn , n ∈ N, in L1 gegen f konvergiert, dann gibt es eine Teilfolge fnj , j ∈ N, die gegen f fast u ¨berall punktweise konvergiert. Beweis. Falls fn in L1 gegen f konvergiert, dann konvergiert die Folge auch im Maß gegen f . Wegen Lemma gibt es eine Teilfolge, die fast u ¨berall punktweise gegen f konvergiert. ! Satz 25 (Egorov) Es sei (X, A, µ) ein vollst¨andiger Maßraum mit µ(X) < ∞. Es sei fn , n ∈ N, eine Folge messbarer, reell- oder komplexwertiger Funktionen, die fast u ¨berall punktweise gegen f konvergiert. Dann gibt es f¨ ur jedes $ > 0 eine Teilmenge A von X mit µ(A) < $, so dass die Folge fn auf Ac gleichm¨assig gegen f konvergiert. Die Folge der Funktionen fn : [0, 1] → R, fn (x) = xn , konvergiert punktweise fast u ¨berall gegen die Nullfunktion. Die Folge konvergiert aber nicht gleichm¨assig fast u ¨berall. Auf der Menge [0, 1 − $] liegt gleichm¨assige Konvergenz vor. Die Folge der Funktionen fn : R → R, fn (x) = (1 − n1 )x konvergiert punktweise fast u ¨berall, aber nicht gleichm¨assig. Es lassen sich keine Mengen A mit µ(A) < $ gibt, so dass die Folge auf Ac gleichm¨aßig konvergiert. ¨berall Beweis. Ohne Einschr¨ankung der Allgemeinheit k¨onnen wir annehmen, dass fn u punktweise gegen f konvergiert. Wir setzen 4 ∞ 3 , ! , 1 , x , |fm (x) − f (x)| ≥ An (k) = k m=n
F¨ ur alle k ∈ N und alle n ∈ N gilt
An+1 (k) ⊆ An (k)
3.12. KONVERGENZ IM MASS UND DER RAUM L0 und f¨ ur alle k ∈ N gilt
∞ "
n=1
171
An (k) = ∅
Die ( Inklusion An+1 (k) ⊆ An (k) ist offensichtlich. Wir nehmen an, dass es ein Element x∈ ∞ n=1 An (k) gibt. Also ∀n : x ∈ Ank . Es folgt ∞ ! 1 , 2 x , |fm (x) − f (x)| ≥ k1 ∀n : x ∈ m=n
∀n∃mn ≥ n : |fmn (x) − f (x)| ≥
1 k
Es folgt, dass es eine Folge mn , n ∈ N, mit 1 k
≤ |f (x) − fmn (x)|
Dies bedeutet, dass die Folge fmn (x), j ∈ N, nicht gegen f (x) konvergiert. Damit konvergiert auch die Folge fn (x), n ∈ N, nicht gegen f (x), was nicht wahr ist. Weil µ(An (k)) < ∞, folgt, dass lim (µ(An (k))) = 0
n→∞
gibt. Wir w¨ahlen nk so groß, dass µ(Ank (k)) < A=
∞ !
! . 2k
Wir setzen
Ank (k)
k=1
Dann gilt µ(A) = µ
%∞ !
k=1
'
Ank (k)
≤
∞ &
µ(Ank (k)) < $
k=1
Wir zeigen, dass fn auf Ac gleichm¨assig konvergiert. Es sei δ > 0 gegeben. Wir w¨ahlen k so gross, dass δ > k1 . F¨ ur x ∈ Ac gilt insbesondere, dass x ∈ / Ank (k), also 1 2 ( 1 x ∈ (Ank (k))c = ∞ m=nk x| |fm (x) − f (x)| < k 2 1 = x| ∀m ≥ nk : |fm (x) − f (x)| < k1 !
Satz 26 (Lusin) Es sei f : [a, b] → R eine Lebesgue messbare Funktion und $ > 0. Dann gibt es eine Teilmenge A ⊆ [a, b], so dass λ(Ac ) < $ und f|A ist stetig. Wir k¨ onnen sogar eine solche Menge A finden, die kompakt ist. ¨ messbarer Funktionen, die fast u ¨berall L0 (X, A, µ) ist der Raum der Aquivalenzklassen gleich sind. Die Topologie wird von dem System von Umgebungen V! (f ) = {g| µ({x| |f (x) − g(x)| ≥ $}) ≤ $} erzeugt.
172
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Lemma 83 Es sei (X, A, µ) ein endlicher Maßraum. Wir setzen E |f − g| dµ d(f, g) = X 1 + |f − g| Dann ist d eine Metrik auf L0 und eine Folge fn konvergiert genau dann in der Metrik d gegen f , wenn die Folge im Maß gegen f konvergiert.
3.13. SIGNIERTE MASSE
3.13
173
Signierte Maße
Es sei X eine Menge mit einer σ-Algera A. Ein signiertes Maß ist eine Funktion ν : A → [−∞, ∞], so dass (i) ν(∅) = 0 (ii) ν nimmt h¨ochstens einen der Werte ∞ und −∞ an. (iii) Falls Aj , j ∈ N, eine Folge von disjunkten Mengen in A ist, dann gilt ' %∞ ∞ ! & Aj = ν(Aj ) ν j=1
j=1
und die Reihe konvergiert absolut, wenn ν
8#
∞ j=1
9
Aj < ∞.
Lemma 84 Es sei ν ein signiertes Maß auf (X, A). Falls Aj , j ∈ N, eine wachsende Folge von Mengen aus A ist, d.h. f¨ ur alle j ∈ N gilt Aj ⊆ Aj+1 , dann gilt ' %∞ ! Aj = lim ν(Aj ) ν j→∞
j=1
ur alle j ∈ N gilt Aj ⊇ Aj+1 , Falls Aj , j ∈ N eine fallende Folge von Mengen in A ist, d.h. f¨ und falls ν(A1 ) < ∞, dann gilt ' %∞ " Aj = lim ν(Aj ) ν j→∞
j=1
Beweis. Wie im Fall von positiven Maßen. ! Wir sagen, dass eine Menge A ∈ A positiv ist, wenn f¨ ur alle Mengen B ∈ A mit B ⊆ A ν(B) ≥ 0 gilt. Entsprechend bezeichnen wir Mengen als negative Mengen. Ebenso sagen wir, dass A eine Nullmenge ist, falls f¨ ur alle Teilmengen B von A mit B ∈ A die Gleichung ν(B) = 0 gilt. Lemma 85 Es sei (X, A, ν) eine Maßraum mit # einem signierten Maß und Aj sei eine Folge von positiven Mengen aus A. Dann ist ∞ j=1 Aj eine positive Menge. Beweis. Es sei B ∈ A eine Teilmenge von B∩
%
#∞
j=1
An \
Aj . Die Menge
n−1 ! j=1
Aj
'
174
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
ist eine positive Menge, weil sie Teilmenge von An ist. Dann gilt '' % % ∞ n−1 & ! ≥0 ν B ∩ An \ Aj ν(B) = n=1
j=1
! Satz 27 (Zerlegung von Hahn) Es sei (X, A, ν) eine Maßraum mit einem signierten Maß. Dann existieren eine positive Menge P und eine negative Menge N , so dass X = P ∪ N und P ∩ N = ∅. ˜ mit X = Falls es eine weitere positive Menge P˜ und eine weitere negative Menge N ˜ und P˜ ∩ N ˜ = ∅ gibt, dann ist P :P˜ eine Nullmenge. P˜ ∪ N Die Zerlegung X = P ∪ N von X in eine positive Menge P und eine negative Menge N heißt Hahn-Zerlegung. Lemma 86 Es sei (X, A, ν) eine Maßraum mit einem signierten Maß, das den Wert ∞ nicht annimmt. Dann gibt es zu jeder Menge A ∈ A eine positive Teilmenge P ⊆ A mit ν(A) ≤ ν(P ). Beweis. Falls ν(A) ≤ 0 gilt, dann k¨onnen wir P = ∅ w¨ahlen. Es sei A ∈ A eine Menge mit ν(A) > 0. Dann gilt ∀$ > 0 ∃B ⊆ A, ν(A) ≤ ν(B), ∀E ⊆ B : ν(E) > −$ Eine solche Menge B ist also ”fast positiv” bzw. ”positiv bis auf $”. Wir nehmen an, dass wir eine solche Menge B nicht finden k¨onnen. Dann gibt es also ein $ > 0, so dass f¨ ur alle Teilmengen B von A mit ν(A) ≤ ν(B) eine Teilmenge E existiert, so dass ν(E) ≤ −$. ∃$ > 0∀B ⊆ A, ν(A) ≤ ν(B), ∃E ⊆ B : ν(E) ≤ −$ Insbesondere enth¨alt A eine Teilmenge E1 mit ν(E1 ) ≤ −$. F¨ ur die Menge A \ E1 gilt ν(A \ E1 ) = ν(A) − ν(E1 ) ≥ ν(A) + $ > ν(A) Deshalb k¨onnen wir das Argument auf die Menge A \ E1 anwenden. Durch Induktion erhalten wir eine Folge En , n ∈ N, von Teilmengen von A, die paarweise disjunkt sind und f¨ ur die ν(En ) ≤ −$. Hiermit folgt % ' ∞ ∞ ! & En = ν(A) − ν(En ) = ∞ ν A\ n=1
n=1
Die letzte Gleichung gilt, weil ν(A) > 0. Dies kann nicht sein, weil der Wert ∞ von keiner Menge angenommen wird.
3.13. SIGNIERTE MASSE
175
Wir zeigen nun, dass es f¨ ur jede Menge A mit ν(A) > 0 eine positive Teilmenge P ⊆ A mit ν(A) ≤ ν(P ) gibt. Dazu zeigen wir, dass es eine Folge von Teilmengen An ∈ A, n ∈ N, von A mit ∀n ∈ N : An+1 ⊆ An
ν(A) ≤ ν(An ) ≤ ν(An+1 ) 1 ∀n ∈ N ∀E ∈ A, E ⊆ An : − ≤ ν(E) n Wir wenden auf A die Eigenschaft () an und setzen A1 = B. Der Induktionsschritt von 1 n auf n + 1 benutzt (??). (??) wird auf An und $ = n+1 angewendet. (∞ Dann ist n=1 An eine positive Menge mit ' %∞ " An ν(A) ≤ ν und
n=1
( Wir weisen dies nach. Es sei E eine Teilmenge von ∞ n=1 An . Dann ist E insbesondere 1 Teilmenge von An und es gilt − n ≤ ν(E). Da dies f¨ ur alle n ∈ N gilt, folgt 0 ≤ ν(E). Weil ν < ∞, folgt mit Lemma ?? %∞ ' " ν An = lim ν(An ) ≥ ν(A1 ) ≥ ν(A) n=1
n→∞
!
Beweis von Satz 27. Wir k¨onnen annehmen, dass der Wert ∞ nicht angenommen wird. Ansonsten betrachten wir −ν. Anderenfalls w¨ahlen wir P = ∅. Wir setzen s = sup{ν(A)| A ∈ A} Es gilt s ≥ 0, weil ν(∅) = 0. Dann gibt es positive Mengen Pn mit limn→∞ ν(Pn ) = s. Wir setzen ∞ ! P = Pn n=1
P ist positiv, weil s¨amtliche Pn positiv sind. Außerdem gilt %∞ ' ! ν(P ) = ν Pn = lim ν(Pn ) = s n=1
n→∞
Die Menge N = P c ist negativ. Wir weisen das nach. Es sei E eine Teilmenge von N . Dann gilt s ≥ ν(E ∪ P ) = ν(E) + ν(P ) = ν(E) + s Also gilt ν(E) ≤ 0. Wir zeigen nun, dass P :P˜ eine Nullmenge ist. Es gilt P :P˜ = (P \ P˜ ) ∪ (P˜ \ P )
P \ P˜ = P ∩ P˜ c ist eine Teilmenge der positiven Menge P , also eine positive Menge, und eine Teilmenge der negativen Menge P˜ c , also eine negative Menge. Also ist P \ P˜ eine Nullmenge. ! Es seien ν und µ zwei signierte Maße. Wir sagen, dass sie orthogonal sind, wenn es zwei disjunkte Mengen A und B mit X = A ∪ B gibt, so dass A f¨ ur µ eine Nullmenge ist und B f¨ ur ν eine Nullmenge ist.
176
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Satz 28 Es sei (X, A, ν) ein Maßraum mit einem signierten Maß ν. Dann gibt es zwei eindeutige, positive, orthogonale Maße ν + und ν − , so dass ν = ν + − ν − . Wir bezeichnen ν + als die positive Variation von ν und ν − als die negative Variation. Das Paar (ν + , ν − ) heisst die Jordan-Zerlegung von ν. |ν| = ν + + ν − heisst die totale Variation von ν. Beweis. Es sei X = P ∪ N die Hahn-Zerlegung von X. Wir definieren ν + (A) = ν(A ∩ P )
− ν − (A) = ν(A ∩ N )
Da A = (A ∩ P ) ∪ (A ∩ N ) und (A ∩ P ) ∩ (A ∩ N ) = ∅ gelten, folgt ν(A) = ν + (A) − ν − (A). Wir zeigen nun die Eindeutigkeit der Zerlegung. Wir nehmen an, dass es eine weitere Zerlegung ν = µ+ − µ− gibt, die verschieden ist. Dann gibt es zwei disjunkte Mengen ˜ , so dass P˜ Nullmenge f¨ ˜ Nullmenge f¨ ˜ ist P˜ und N ur µ− ist und N ur µ+ ist. P˜ und N ˜ = eine Hahn-Zerlegung von X. Deshalb sind P :P˜ = (P ∪ P˜ ) \ (P ∩ P˜ ) und N :N ˜ ˜ (N ∪ N ) \ (N ∩ N ) Nullmengen. Deshalb sind auch alle messbaren Teilmengen hiervon Nullmengen, insbesondere sind (P ∪ P˜ ) \ P und (P ∪ P˜ ) \ P˜ Nullmengen. Es gilt 0 = ν(A ∩ ((P ∪ P˜ ) \ P )) = ν((A ∩ (P ∪ P˜ )) \ (A ∩ P )) = ν(A ∩ (P ∪ P˜ )) − ν(A ∩ P ) und somit
ν(A ∩ (P ∪ P˜ )) = ν(A ∩ P ). Genauso erhalten wir ν(A ∩ (P ∪ P˜ )) = ν(A ∩ P˜ ). Es folgt f¨ ur alle A ∈ A ν(A ∩ (P ∪ P˜ )) = ν(A ∩ (P ∩ P˜ )).
Es folgt
ν(A ∩ P˜ ) = ν(A ∩ P )
Damit erhalten wir µ+ (A)
!
˜ )) = µ+ (A ∩ P˜ ) + µ+ (A ∩ N ˜) = µ+ ((A ∩ P˜ ) ∪ (A ∩ N + + − = µ (A ∩ P˜ ) = µ (A ∩ P˜ ) − µ (A ∩ P˜ ) = ν(A ∩ P˜ ) = ν(A ∩ P ) = ν + (A)
3.14. DER SATZ VON RADON-NIKODYM
3.14
177
Der Satz von Radon-Nikodym
Zu einem gegebenen Maß µ finden sich auf nat¨ urliche Weise weitere Maße, indem man das Maß mit einer integrierbaren Funktion f multipliziert. E ν(A) = f dµ A
Umgekehrt, wenn man zwei Maße betrachtet, dann stellt sich die Frage, wann das eine Maß gleich dem Produkt einer integrierbaren Funktion mit dem anderen Maß ist. Dies beantwortet der Satz von Radon-Nikodym. Es geht genau dann, wenn das eine Maß absolutstetig bez¨ uglich des anderen ist. Der Satz von Radon-Nikodym hat viele Anwendungen. In der Funktionalanalysis beweist man mit ihm, dass der Dualraum von Lp mit dem Raum Lq , p1 + 1q = 1, identifiziert werden kann. In der Wahrscheinlichkeitstheorie kann man mit ihm die bedingte Erwartung definieren. Es gibt eine Reihe von Beweisen des Satzes von Radon-Nikodym. Die meisten benutzen entweder den Zerlegungsatz von Hahn f¨ ur signierte Maße [Bar], [Bea], [Roy], [Els] oder Hilbertraum-Methoden [Ru], [Tor]. Weitere Beweise finden sich in [Sche], [Se]. Der erste Beweis. Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra A, ν ein signiertes Maß und µ ein positives Maß auf (X, A). ν ist bez¨ uglich µ absolutstetig, ν @ µ, falls f¨ ur alle A mit µ(A) = 0 gilt, dass ν(A) = 0. Die reellen Zahlen R mit der Borel σ-Algebra und dem Lebesgue Maß λ und dem Dirac Maß δ0 ist ein Beispiel. Es gelten weder δ0 @ λ noch λ @ δ0 . Lemma 87 Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra A, ν ein signiertes Maß und µ ein positives Maß auf (X, A). Dann sind ¨aquivalent (i) ν @ µ (ii) |ν| @ µ (iii) ν + @ µ und ν − @ µ Beweis. (iii) ⇒ (i) : Falls µ(A) = 0, dann gelten ν + (A) = 0 und ν − (A) = 0. Damit gilt ν (A) = ν + (A) − ν − (A) = 0. Ebenso zeigen wir (iii) ⇒ (ii). ! Satz 29 Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra A, ν ein signiertes, endliches Maß und µ ein positives Maß auf (X, A). Es gilt genau dann ν @ µ, wenn f¨ ur jedes $ > 0 ein δ > 0 existiert, so dass f¨ ur alle A mit µ(A) < δ gilt, dass |ν(A)| < $. Beweis. Da ν @ µ genau dann gilt, wenn |ν| @ µ gilt, k¨onnen wir annehmen, dass ν positiv ist. Wir nehmen an, dass f¨ ur jedes $ > 0 ein δ > 0 existiert, so dass f¨ ur alle A mit µ(A) < δ gilt, dass |ν(A)| < $. Falls µ(A) = 0, so folgt f¨ ur alle $ > 0, dass ν(A) < $, also ν(A) = 0.
178
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Nun nehmen wir an, dass es ein $ > 0 gibt, so dass f¨ ur alle δ > 0 eine Menge A mit µ(A) < δ existiert, so dass |ν(A)| ≥ $ gilt. ∃$ > 0∀n ∈ N∃An : µ(An ) < 2−n und |ν(An )| ≥ $ Dann setzen wir A=
∞ ! ∞ "
Ak
n=1 k=n
Es gilt µ(A) ≤ µ
%∞ !
Ak
k=1
'
≤
∞ & k=1
µ(Ak ) ≤ 1
Weil µ(A) endlich ist, gilt f¨ ur alle n ∈ N %∞ ' ∞ ∞ ! & & Ak ≤ µ(Ak ) ≤ 2−k = 2−n+1 µ(A) = lim µ n→∞
k=n
k=n
k=n
Also gilt µ(A) = 0 Andererseits, weil ν endlich ist, gilt f¨ ur alle n ∈ N %∞ ' ! ν(A) = lim Ak ≥ ν(An ) ≥ $ n→∞
k=n
Also ist ν nicht absolutstetig bzgl. µ. ! 1 Korollar 12 B Es sei f ∈ L (µ). Dann gelten (i) ν(A) = A f dµ ist absolutstetig bzgl. µ. (ii) ur jedes $ > 0 gibt es ein δ > 0, so dass f¨ ur alle A mit µ(A) < δ gilt, dass B F¨ | A f dµ| < $
Wir schreiben in solchem Fall auch dν = f dµ. Lemma 88 Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra A und ν und µ endliche positive Maße auf (X, A). Dann sind µ und ν orthogonal oder es gibt ein $ > 0 und A ∈ A, so dass µ(A) > 0 und f¨ ur alle B ∈ A mit B ⊆ A gilt $ µ(B) ≤ ν(B) Beweis. Es sei X = Pn ∪ Nn die Hahn-Zerlegung f¨ ur das signierte Maß ν − n1 µ. Wir setzen ∞ ∞ ! " P = Pn N= Nn n=1
c
Es gilt N = P .
c
P =
%
∞ !
n=1
Pn
n=1
'c
=
∞ "
n=1
Pnc
=
∞ "
n=1
Nn = N
3.14. DER SATZ VON RADON-NIKODYM
179
ur Insbesondere ist N eine negative Menge f¨ ur alle Maße ν − n1 µ, n ∈ N. Deshalb gilt f¨ alle n ∈ N 1 ν(N ) − µ(N ) ≤ 0 n Es folgt, dass f¨ ur alle n ∈ N 1 0 ≤ ν(N ) ≤ µ(N ) n Weil µ(N ) < ∞, folgt ν(N ) = 0. Falls µ(P ) = 0, dann sind µ und ν orthogonal. Es gilt n¨amlich X = P ∪ N , P ∩ N = ∅, µ(P ) = 0 und ν(N ) = 0. Falls µ(P ) > 0, dann gibt es ein n0 mit µ(Pn0 ) > 0. Wir pr¨ ufen dies nach. Es gilt %∞ ' ∞ ! & Pn = µ(Pn ) 0 < µ(P ) = µ n=1
n=1
Also gibt es n0 mit µ(Pn0 ) > 0. Nach Konstruktion ist Pn0 eine positive Menge f¨ ur ν − n1 µ. Deshalb gilt f¨ ur alle Teilmengen B von Pn0 1 µ(B) ≤ ν(B). n0 !
Satz 30 (Radon-Nikodym) Es seien X eine Menge mit einer σ-Algebra A, ν ein σendliches, signiertes Maß und µ ein σ-endliches, positives Maß. Dann gibt es eindeutige σ-endliche, signierte Maße α und β auf (X, A), so dass β@µ
α und µ sind orthogonal
ν =α+β
Ausserdem existiert eine µ-messbare Funktion f : X → R, die fast u ¨berall eindeutig ist und die dβ = f dµ erf¨ ullt. Wir nennen ν = α+β, wobei α orthogonal zu µ ist und β @ µ, die Lebesgue-Zerlegung von ν bzgl. µ. Falls ν @ µ, dann besagt der Satz, dass es eine messbare Funktion f mit dν = f dµ gibt. Wir nennen f die Radon-Nikodym Ableitung von ν bzgl. µ. Wir schreiben auch f=
dν dµ
Beispiel 49 Wir betrachten die Menge R mit der Borel σ-Algebra BR . (i) Es seien λ das Lebesgue Maß und δ0 das Dirac Maß. Dann ist λ orthogonal zu δ0 und die Lebesgue Zerlegung von λ bzgl. δ0 ist λ selbst. (ii) Es sei F : R → R eine wachsende, differenzierbare Funktion. Dann gilt f¨ ur das Stietjes Lebesgue Maß µF E F " (x)dλ
µF (A) =
A
Damit gilt
F" =
dµF dλ
180
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Beweis. Wir k¨onnen annehmen, dass ν ein positives, endliches Maß ist. Dies ist m¨oglich, weil sich ein signiertes Mass in zwei positive Masse zerlegen l¨asst ν = ν + − ν − . Ausserdem kann man einen σ-endlichen Maßraum als abz¨ahlbare Vereinigung disjunkter Mengen mit endlichem Maß schreiben. Wir betrachten , 3 4 E , , F = f : X → [0, ∞] , ∀A ∈ A : f dµ ≤ ν(A) A
F ist nicht leer, weil die Nullfunktion in F enthalten ist. Wir vermuten, dass die Klasse F ein maximales Element enth¨alt und dieses die geforderten Eigenschaften erf¨ ullt. Wir zeigen zun¨achst, dass es eine Funktion f ∈ F gibt, so dass E E f dµ = sup gdµ. g∈F
X
X
Man beachte, dass das Supremum endlich ist, weil ν endliches Maß ist: E gdµ ≤ ν(X) < ∞. sup g∈F
X
Es gibt eine Folge fn ∈ F, n ∈ N, mit E E fn dµ = sup gdµ lim n→∞
g∈F
X
X
Wir setzen gn = max fj 1≤j≤n
Es gilt gn ∈ F und
lim
n→∞
E
E
gn dµ = sup g∈F
X
gdµ
X
Wir pr¨ ufen dies nach. Hierzu reicht es zu zeigen, dass f¨ ur alle h, k ∈ F gilt, dass max{h, k} ∈ F. E E E max{h, k}dµ = f dµ + gdµ A
A∩{h>k}
A∩{h≤k}
≤ ν(A ∩ {h > k}) + ν(A ∩ {h ≤ k}) = ν(A)
Wegen fn ≤ gn gilt
E
X
Es folgt
fn dµ ≤ lim
n→∞
E
X
E
X
gn dµ ≤ sup g∈F
gn dµ = sup g∈F
E
E
gdµ
X
gdµ
X
Da die Folge gn , n ∈ N, monoton wachsend und nichtnegativ ist, konvergiert sie nach dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz gegen eine Funktion f und E E f dµ = sup gdµ X
g∈F
X
3.14. DER SATZ VON RADON-NIKODYM
181
Wir definieren das Mass α durch dα = dν − f dµ und dβ = f dµ. Also gilt ν = α + β und β @ µ. Wir zeigen nun, dass α und µ orthogonal sind Wir nehmen an, dass dies nicht der Fall ist. Dann gibt es nach Lemma $ > 0 und eine Menge A ∈ A mit µ(A) > 0, so dass f¨ ur alle B mit B ⊆ A und B ∈ A $ µ(B) ≤ α(B) gilt. α ist positiv, weil f ∈ F. Somit folgt f¨ ur alle B mit B ∈ A E $ µ(B ∩ A) ≤ α(B ∩ A) ≤ α(B) = ν(B) − f dµ. B
Deshalb giltf¨ ur alle B mit B ∈ A
E
B
$χA + f dµ ≤ ν(B)
Hieraus ergibt sich $ χA + f ∈ F und E E $ χA + f dµ = $ µ(A) + sup gdµ Weil supg∈F
B
g∈F
X
X
X
gdµ < ∞ und µ(A) > 0, folgt weiter E E $ χA + f dµ > sup gdµ g∈F
X
X
Dies kann nicht sein. Also sind α und µ orthogonal. Wir beweisen nun die Eindeutigkeit. Wir nehmen an, es gebe zwei weitere Maße α ¯ ¯ und β, so dass ν=α ¯ + β¯ β¯ @ µ α ¯⊥µ Dann gilt α − α ¯ = β¯ − β. Wir zeigen weiter, dass α − α ¯ und µ orthogonal sind. Nach Annahme sind α und µ ¯ B, B ¯ gibt, so dass orthogonal und ebenso α ¯ und µ. Das bedeutet, dass es Mengen A, A, A ∩ B = ∅, A ∪ B = X, A ist Nullmenge f¨ ur µ, B ist Nullmenge f¨ ur α
¯ = ∅, A¯ ∪ B ¯ = X, A¯ ist Nullmenge f¨ ¯ ist Nullmenge f¨ A¯ ∩ B ur µ, B ur α ¯ ˜ = B∩B ¯ eine Nullmenge f¨ Dann sind A˜ = A ∪ A¯ eine Nullmenge f¨ ur µ und B ur α und α ¯. ˜ = X und A˜ ∩ B ˜ = ∅. Also sind µ und α − α Ausserdem gilt A˜ ∪ B ¯ orthogonal. Da α − α ¯ und µ orthogonal sind und α − α ¯ = β¯ − β gilt, folgt, dass α − α ¯ das Nullmass ist. Wir u ¨berpr¨ ufen dies. ¯ ˜ + (α − α ˜ = (α − α ˜ = (β − β)(E ˜ =0 (α − α ¯ )(E) = (α − α ¯ )(E ∩ A) ¯ )(E ∩ B) ¯ )(E ∩ A) ∩ A)
¯ Wir nehmen nun an, dass es zwei Funktionen f Es folgt, dass α = α ¯ und hieraus β = β. ur alle E ∈ A und f¯ mit dβ = f dµ und dβ = f¯dµ gibt. Dann gilt f¨ E 0= f − f¯dµ E
Hieraus folgt, dass fast u ¨berall f = f¯ gilt. !
182
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Beispiel 50 Wir betrachten die Menge [0, 1], die σ-Algebra B[0,1] , das Lebesgue Maß λ und das Z¨ ahlmaß µ. Es gilt (i) λ @ µ (ii) F¨ ur alle messbaren Funktionen f gilt dλ += f dµ. (iii) µ hat keine Lebesgue Zerlegung bzgl. λ. (X, A, µ) und (X, B, ν) seien zwei σ-endliche Maßr¨aume. B sei eine Unter-σ-Algebra von A und ν = µ|B. Es seien f ∈ L1 (µ) und g ∈ L1 (ν), so dass f¨ ur alle E ∈ B E E f dµ = gdν E
E
gilt. Dann heißt g die bedingte Erwartung von f auf B. Korollar 13 Es seien (X, A, µ) und (X, B, ν) seien zwei σ-endliche Massr¨ aume. B sei eine Unter-σ-Algebra von A und ν = µ|B. Dann gibt es zu jedem f ∈ L1 (µ) ein g ∈ L1 (ν), das die bedingte Erwartung von f bzgl. B ist. Der zweite Beweis Lemma 89 Es seien ν und µ endliche Maße auf einer σ-Algebra (X, A), die f¨ ur alle A ∈ A die Ungleichungen 0 ≤ ν(A) ≤ µ(A) erf¨ ullen. Dann gibt es eine messbare Funktion f : X → R mit 0 ≤ f ≤ 1, so dass f¨ ur alle A ∈ A E ν(A) = f dµ A
gilt. Beweis. Es sei F die Menge aller messbaren Funktionen g mit 0 ≤ g ≤ 1, die f¨ ur alle A∈A E gdµ ≤ ν(A) A
erf¨ ullen. Die Menge F ist nicht leer, weil die Nullfunktion in F enthalten ist. Wir ¨berpr¨ ufen dies. Es sei beobachten, dass mit g1 , g2 ∈ F auch max{g1 , g2 } ∈ F gilt. Wir u E = {x|g2 (x) ≤ g1 (x)}. Es gilt E E E max{g1 , g2 }dµ = max{g1 , g2 }dµ + max{g1 , g2 }dµ c A A∩E A∩E E E = g1 dµ + g2 dµ A∩E c
A∩E
≤ ν(A ∩ E) + ν(A ∩ E c ) = ν(A)
Um die Existenz derFunktion f nachzuweisen, benutzen wir ein Variationsargument. Die gesuchte Funktion f ist eine Funktion, die das Supremum E M = sup{ gdµ|g ∈ F} X
3.14. DER SATZ VON RADON-NIKODYM
183
annimmt. Wir weisen zun¨achst nach, dass eine solche Funktion existiert. Da f¨ ur alle g ∈ F die Ungleichung g ≤ 1 gilt und das Maß µ endlich ist,B ist M endlich. Deshalb gibt es eine Folge von Funktionen gn ∈ F, n ∈ N, mit M − n1 ≤ gn dµ ≤ M . Wir setzen nun B fn = max1≤k≤n gk . Dann gilt fn ∈ F, M − n1 ≤ fn dµ und f1 ≤ f2 ≤ f3 ≤ · · · ≤ 1. Nach dem Satz u ¨ber die monotone Konvergenz folgt f¨ ur f = limn→∞ fn E E M = lim fn dµ = f dµ. n→∞
B Wir zeigen nun, dass f¨ ur alle A ∈ A die Gleichung ν(A) = f dµ gilt. Wir wissen bereits, A B dass f¨ ur alle A ∈ A die Gleichung ν(A) ≥ A f dµ gilt, weil f Limes von Funktionen in F ist. B Nehmen wir an, dass es ein A ∈ A mit ν(A) > A f dµ gibt. Wir wollen zeigen, dass wir zus¨atzlich annehmen k¨onnen, dass f¨ ur alle x ∈ A die Ungleichung f (x) < 1 gilt. Wir k¨onnen A als Vereinigung zweier Mengen A1 und A2 schreiben, A = A1 ∪ A2 , wobei A2 = {x ∈ A|f (x) = 1} und A1 = Ac2 . Es folgt E E E f dµ = f dµ + µ(A2 ) ≥ f dµ + ν(A2 ) ν(A1 ) + ν(A2 ) = ν(A) > A
Deshalb gilt ν(A1 ) >
B
A1
A1
A1
f dµ. Wir setzen 3 , 4 , 1 Bn = x ,,f (x) < 1 − ∩ A1 n
# Dann gilt A1 = ∞ ur alle x ∈ A die Ungleichung f (x) < 1 gilt. Außerdem n=1 Bn , weil f¨ gilt Bn ⊆ Bn+1 . Da A1 endliches Maß besitzt, folgt ν(A1 ) = lim ν(Bn ) n→∞
Also gibt es ein n0 mit ν(Bn0 ) >
E
f dµ
Bn0
Es existiert ein $ mit 0 < $ <
1 , n0
so dass
ν(Bn0 ) >
E
Bn0
f + $χBn0 dµ
Falls f + $χBn0 ∈ F, dann haben wir einen Widerspruch zur Maximalit¨at von f . Es kann aber sein, dass f + $χBn0 ∈ / F. Um den Widerspruch zu erzeugen, reicht es sogar, dass es eine messbare Teilmenge C von Bn0 gibt, die positives Maß besitzt und f¨ ur die f + $χC ∈ F gilt. Nehmen wir also an, dass es keine solche Menge C gibt. F¨ ur alle messbaren Mengen C mit positivem Maß und mit C ⊆ Bn0 gilt f + $χC ∈ / F. Wegen f + $χC ∈ / F gibt es zu C eine Menge D mit E f + $χC dµ > ν(D)
D
184
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Wir k¨onnen sogar annehmen, dass D ⊆ C. Wir pr¨ ufen dies nach. E E E f + $χC dµ = f + $χC dµ + f + $χC dµ ν(D) < c D D∩C D∩C E E = f + $χC dµ + f dµ D∩C D∩C c E f + $χC dµ + ν(D ∩ C c ) ≤ D∩C
Hieraus folgt ν(D ∩ C) <
E
f + $χC dµ
D∩C
Damit haben wir gezeigt, dass zu jeder messbaren Teilmenge C von Bn0 mit positivem Maß eine Teilmenge D von C existiert, so dass E ν(D) < f + $χC dµ D
Nun zeigen wir, dass hieraus folgt:#Es gibt eine Nullmenge L und paarweise disjunkte Mengen Dn , n ∈ N, mit Bn0 = L ∪ ∞ n=1 Dn und E f + $χBn0 dµ ν(Dn ) < Dn
Damit ist der Beweis dann abgeschlossen, weil nach (*) E f + $χBn0 dµ ν(Bn0 ) > Bn0
Wir w¨ahlen die Mengen Dn induktiv. Wir betrachten , 3 4 E , , d1 = sup ν(D) ,D ⊆ Bn0 und ν(D) < f + $χBn0 dµ D
Das Supremum ist strikt gr¨oßer als 0. Es gibt eine Menge D1 mit ν(D1 ) ≥ d1 − 1. Wenn wir die Mengen D1 , . . . , Dn−1 gew¨ahlt haben, dann w¨ahlen wir die Menge Dn wie folgt. Wir betrachten , $ 0 E n−1 , ! , dn = sup ν(D) ,D ⊆ Bn0 \ Dk und ν(D) < f + $χBn \#n−1 Dk dµ 0 k=1 , D k=1
#n−1 Es gibt eine Teilmenge Dn von Bn0 \ k=1 Dk mit ν(Dn ) ≥ dn − n1 . Es gibt drei M¨oglichkeiten. Erstens, der Auswahlprozess bricht nach endlich #∞ vielen Schritten ab. Zweitens, der Auswahlprozess bricht nicht ab und die Menge n=1 Dn ist bis auf eine Nullmenge gleich Bn0 . In diesen beiden F¨allen sind wir fertig. Drittens, der Auswahlprozess bricht nicht ab, aber %∞ ' ! ν(Bn0 ) > ν Dn n=1
3.14. DER SATZ VON RADON-NIKODYM
185
# alt also eine Dies kann nicht sein: Die Menge Bn0 \ ∞ n=1 Dn hat strikt positives Maß, enth¨ Menge D mit E ν(D) <
D
f + $χBn0 \#∞ dµ k=1 Dk
Weil der Maßraum endlich ist, gibt es ein hinreichend großes k mit ν(Dk ) < ν(D) −
1 k
Dies kann aber nicht sein, weil dann dk < ν(D) ! Satz 31 (Lebesgue-Radon-Nikodym) Es seien ν und µ endliche Maße auf einer σ-Algebra (X, A). Dann gibt es eine Menge N ∈ A mit µ(N ) = 0 und eine nichtnegative µintegrierbare Funktion f , so dass f¨ ur alle A ∈ A E ν(A) = ν(A ∩ N ) + f dµ A
Falls also jede Bµ-Nullmenge eine ν-Nullmenge ist, falls also ν absolutstetig bzgl. µ ist, dann gilt ν(A) = A f dµ.
Beweis. Wir setzen λ = µ + ν. Dann gilt 0 ≤ ν ≤ λ und wir k¨onnen Lemma anwenden. Somit gibt ur alle A ∈ A die Gleichung B es eine Funktion g mit 0 ≤ g ≤ 1, so dass f¨ ν(A) = A gdλ gilt. B Es folgt, dass f¨ ur alle A ∈B A die Gleichung µ(A) = A 1 − gdλ gilt. Es sei N = {x|g(x) = 1}. Es gilt µ(N ) = N 1 − gdλ = 0. Wegen E E E ν(A) = gdλ = gdν + gdµ A
gilt
E
A
A
1 − gdν =
A
E
gdµ
A
f¨ ur alle A ∈ A. Deshalb gilt f¨ ur alle einfachen Funktionen φ E E (1 − g)φdν = gφdµ und damit f¨ ur alle nichtnegativen, messbaren Funktionen h E E (1 − g)hdν = ghdµ. ur alle A ∈ A Wir setzen nun h = (1 + g + g 2 + · · · + g n )χA und erhalten f¨ E E n+1 1 − g dν = g(1 + g + g 2 + · · · + g n )dµ A
A
186
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
¨ber die Da f¨ ur alle x ∈ N c die Ungleichungen 0 ≤ g(x) < 1 gelten, folgt mit dem Satz u monotone Konvergenz E c ν(A ∩ N ) = lim 1 − g n+1 dν n→∞ A∩N c E = lim g(1 + g + g 2 + · · · + g n )dν n→∞ A∩N c E E −1 = g(1 − g) dµ = f dµ A∩N c
wobei wir f = g(1 − g)−1 χN c gesetzt haben. !
A∩N c
3.15. DIFFERENTIATION AUF DEM RN
3.15
187
Differentiation auf dem Rn
Lemma 90 Es sei F eine Familie von offenen Kugeln in Rn und $ > 0. Es gelte % ' ! B <∞ λn B∈F
Dann gibt es endlich viele disjunkte Kugeln B1 , . . . , BN ∈ F, so dass % ' N ! & 1 λ B ≤ $ + λn (Bj ) n 3n j=1 B∈F Beweis. F¨ ur alle $ > 0 gibt es eine kompakte Menge K mit K ⊆ % ' ! λn B ≤ $ + λn (K)
#
B∈F
B und
B∈F
Da K kompakt ist, gibt es endlich viele Kugeln B1 , . . . , Bk ∈ F, so dass K⊆
k !
Bj
j=1
Aus dieser Folge offener Kugeln w¨ahlen wir nun eine Teilfolge aus. Bj1 ist eine Kugel, die den gr¨oßten Radius besitzt. Als n¨achste w¨ahlen eine Kugel aus, die unter allen Kugeln, die disjunkt zu Bj1 sind, den gr¨ossten Radius besitzt. Auf diese Weise erhalten wir eine Folge Bj1 , . . . , Bj! , die paarweise disjunkt sind und f¨ ur die gilt: F¨ ur jedes j, 1 ≤ j ≤ k, gibt es ein i, 1 ≤ i ≤ &, so dass Bj ∩ Bji += ∅
und der Radius von Bj ist nicht gr¨osser als der von Bji . Es sei Fi die Menge derjenigen Kugeln der Folge B1 , . . . , Bk , die mit Bji einen nichtleeren Schnitt haben und deren Radius nicht gr¨oßer als der von Bji ist. Dann folgt K⊆
k !
Bj =
j=1
" ! !
i=1 B∈Fi
B⊆
" !
3n Bji
i=1
Hieraus folgt n
λn (K) ≤ 3 !
" &
λn (Bji )
i=1
Eine Lebesgue messbare Funktion f : Rn → C heißt lokal integrierbar, falls f¨ ur alle kompakten Mengen K E |f |dλn < ∞ K
188
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
ur gilt. Man bezeichnet L1loc als den Vektorraum aller lokal integrierbaren Funktionen. F¨ 1 n f ∈ Lloc , x ∈ R und r > 0 definieren wir E 1 Ar f (x) = f (y)dλn (y) λn (B(x, r)) B(x,r) Lemma 91 Falls f ∈ L1loc , dann ist Ar f (x) f¨ ur jedes x stetig in r und f¨ ur jedes r messbar in x. Beweis. Wir zeigen zuerst die Stetigkeit in r. Die charakteristischen Funktionen χB2n (x,r) konvergieren punktweise f¨ ur r gegen R gegen χB2n (x,R) . (Man beachte, dass es sich um offenen Kugeln handelt.) Mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz folgt E E E lim f (y)dy = lim χB2n (x,r) f (y)dy = f (y)dy r→R
r→R
B2n (x,r)
Rn
B2n (x,R)
Hieraus folgt 1 lim r→R λn (B(x, r))
E
1 f (y)dy = λn (B(x, R)) B(x,r)
E
f (y)dy
B(x,R)
Das heißt lim Ar f (x) = AR f (x)
r→R
Nun zeigen wir die Messbarkeit von Ar f bzgl. x. Die Menge {(x, y) ∈ R2n | 5x − y52 < r} ¯ ist eine offene Teilmenge des R2n , also Lebesgue messbar. Somit ist F : R2n → R F (x, y) = f (y)χ{(x,y)∈R2n |
.x−y.2
= f (y)χB2n (x,r)
Lebesgue messbar und nach dem Satz von Tonelli gilt dann, dass E f (y)χB2n (x,r) dλ(y) Rn
eine messbare Funktion ist. ! F¨ ur f ∈ L1loc definieren wir 1 Hf (x) = sup Ar |f |(x) = sup n r>0 r>0 λn (B2 (x, r))
E
B2n (x,r)
|f (y)|dλ(y)
Man nennt Hf die Maximalfunktion von Hardy-Littlewood. Weil Ar |f | stetig in r ist, gilt Hf (x) = sup Ar |f |(x) r>0 r∈Q
Deshalb ist Hf eine messbare Funktion.
3.15. DIFFERENTIATION AUF DEM RN
189
Satz 32 Es gibt eine Konstante c > 0, so dass f¨ ur alle f ∈ L1 (λn ) und alle α > 0 E c |f (x)|dλn (x) λn ({x| Hf (x) > α}) ≤ α Rn Beweis. Es sei Eα = {x| Hf (x) > α} F¨ ur alle x ∈ Eα gibt es ein rx , so dass Arx |f |(x) > α ¨ von Eα . Wegen Lemma gibt Die Familie B2n (x, rx ), x ∈ Eα , ist eine offene Uberdeckung es endlich viele paarweise disjunkte Kugeln B2n (xj , rj ) so dass
k
Hieraus folgt 1−$ λn (Eα ) 3n
& 1−$ λ (E ) ≤ λn (B2n (xj , rj )) n α n 3 j=1
≤
k &
λn (B2n (xj , rj ))
j=1
k
1& ≤ α j=1 Also gilt
!
j = 1, . . . , k
E
1 |f (y)|dλ(y) ≤ α B2n (xj ,rj )
1 1 λn (Eα ) ≤ n 3 α
E
Rn
E
Rn
|f (y)|dλ(y)
|f (y)|dλn (y)
B Beispiel 51 Es sei f ∈ L1 , so dass |f |dλn > 0. Dann gibt es Konstanten C > 0 und R > 0, so dass f¨ ur alle x mit 5x5 > R Hf (x) ≥ C5x5−n gilt. Hieraus folgt sofort, dass es eine Konstante C " > 0 gibt, so dass λn ({x| Hf (x) > α}) ≥
C" α
Beweis. Es gibt ein R > 0, so dass E E 1 |f |dλn ≤ |f |dλn 2 Rn B(0,R)
190
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Wir k¨onnen R gr¨osser als 1 w¨ahlen. F¨ ur alle r > 0 und alle x ∈ Rn gilt B(0, r) ⊆ B(x, r + 5x5). Deshalb gilt E E |f |dλn ≤ |f |dλn B(0,r)
B(x,r+.x.)
Es folgt 1 1 2 λn (B(x, R + 5x5))
E
1 |f |dλn ≤ λn (B(x, R + 5x5)) Rn
E
B(x,R+.x.)
|f |dλn
Weiter gilt Damit folgt
λn (B(x, R + 5x5)) = (R + 5x5)n λn (B(0, 1)) 1 1 n 2 (R + 5x5) λn (B(0, 1))
E
Rn
|f |dλ ≤ Hf (x)
Da R > 1 gilt f¨ ur alle x mit 5x5 ≥ 1, dass R + 5x5 ≤ 2R5x5. Hiermit folgt E 1 1 |f |dλ ≤ Hf (x) 2 (2R5x5)n λn (B(0, 1)) Rn Es gilt {x| Hf (x) > α}
Hieraus folgt
!
4 3 , , C , > α und 5x5 > R ⊇ x, 5x5n 5 , 6 1 1 , = x , ( Cα ) n > 5x5 \ B(0, R) = B(0, ( Cα ) n ) \ B(0, R)
8 8 - . 1 99 − λn (B(0, R)) λn ({x| Hf (x) > α}) ≥ λn B 0, Cα n -C . = α − Rn λn (B(0, 1))
ur fast alle x ∈ Rn Satz 33 Es sei f ∈ L1loc (λn ). Dann gilt f¨ E 1 lim f (y)dλ(y) = f (x) r→0 λn (B(x, r)) B(x,r) Beweis. F¨ ur jedes $ > 0 und jedes R > 0 gibt es eine stetige Funktion g, so dass E |f χB(0,R) − g|dλn < $ Rn
Es gilt f¨ ur alle x ∈ B(0, R) und hinreichend kleines r > 0 , , , , E E , , , , 1 1 , g(y)dλ(y) − g(x),, = ,, g(y) − g(x)dλ(y),, , λn (B(x, r)) λn (B(x, r)) B(x,r) B(x,r) E 1 ≤ |g(y) − g(x)|dλ(y) λn (B(x, r)) B(x,r)
3.15. DIFFERENTIATION AUF DEM RN
191
F¨ ur hinreichend kleines r > 0 gilt f¨ ur alle y ∈ B(x, r) |g(x) − g(y)| < δ Hiermit folgt f¨ ur hinreichend kleines r > 0 E 1 g(y)dλ(y) − g(x)| < δ | λn (B(x, r)) B(x,r) Also
1 lim r→0 λn (B(x, r))
E
g(y)dλ(y) = g(x)
B(x,r)
Weiter gilt 1 lim sup λn (B(x, r)) r→0
,E , , ,
, , f (y)dλ(y) − f (x),, B(x,r) , ,E , , 1 , , = lim sup f (y)χ dλ(y) − f (x) B(0,R) , λn (B(x, r)) , B(x,r) r→0 , ,E , , 1 , , ≤ lim sup f (y)χ − g(y)dλ(y) B(0,R) , λn (B(x, r)) , B(x,r) r→0 , ,E , , 1 , , + lim sup g(y)dλ(y) − g(x) , λn (B(x, r)) , r→0 B(x,r)
+|g(x) − f (x)| ≤ H(f χB(0,R) − g)(x) + |f (x) − g(x)| Es sei nun Eα = {x| lim sup |Ar f (x) − f (x)| > α}
Fα = {x| |f (x) − g(x)| > α}
r→0
Dann gilt wegen der obigen Ungleichung 1 Eα ⊆ F 1 α ∪ {x| H(f χB(0,R) − g)(x) > α} 2 2 Es gilt
2 λn (F 1 α ) ≤ 2 α
E
F1α
|f − g|dλn ≤
2$ α
2
Mit dem Satz u ¨ber die Maximalfunktion folgt 1 2C λn ({x| H(f χB(0,R) − g) > α}) ≤ 2 α
E
Rn
|f χB(0,R) − g|dλ <
Hieraus folgt, dass λn (Eα ) ≤ 2$ + 2C$α Damit gilt f¨ ur alle α > 0 λn (Eα ) = 0 !
2C$ α
192
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
ur die Falls f ∈ L1loc (λn ), dann nennen wir die Menge aller Punkte x, f¨ 1 lim r→0 λn (B(x, r))
E
B(x,r)
|f (y) − f (x)|dy = 0
¨ die Lebesgue Menge Lf der Funktion f . Ahnlich wie der obige Satz l¨asst sich zeigen, dass die Lebesgue Menge einer solchen Funktion das Maß Null hat. Wir sagen, dass ein Borel Maß ν auf dem Rn regul¨ar ist, wenn (i) f¨ ur alle kompakten Mengen K gilt ν(K) < ∞ (ii) f¨ ur jede Borel Menge E gilt ν(E) = inf{ν(U )|E ⊆ U und U ist offen} Satz 34 Es sei ν ein regul¨ ares signiertes Borel Mass auf dem Rn und dν = dα + f dλn sei die Lebesgue Zerlegung diese Masses bzgl. des Lebesgue Masses λn . Dann gilt f¨ ur fast n alle x ∈ R ν(B(x, r)) = f (x) lim r→0 λn (B(x, r)) Der Grenzwert existiert ebenfalls und ist gleich f (x), falls wir an Stelle der Mengen B(x, r), r > 0, Mengen Er , r > 0, mit Er ⊆ B(x, r)
∃δ∀r : λn (Er ) ≥ δλn (B(x, r))
und
Beweis. Wir k¨onnen annehmen, dass ν ein positives Mass ist, weil wir es in positiven und negativen Anteil zerlegen k¨onnen. Das Maß f dλn ist regul¨ar, weil λn regul¨ar ist. Da auch ν regul¨ar ist, folgt, dass α regul¨ar ist. Es sei E eine Borel Menge mit λn (Ac ) = α(A) = 0. Wir betrachten Fk =
3
, 4 , α(B(x, r)) 1 , x ∈ A , lim sup ∩ B(0, R) > λn (B(x, r)) k r→0
ur jedes $ > 0 eine Wir wollen nun zeigen, dass λn (Fk ) = 0 gilt. Da α regul¨ar ist, gibt es f¨ offene Menge U! mit A ⊆ U! und α(U! ) < $. F¨ ur jedes x ∈ Fk gibt es einen Radius rx , so dass 1 B(x, rx ) ⊆ U! und λn (B(x, rx )) < α(B(x, rx )) k Wir k¨onnen annehmen, dass rx < 1 gilt. Wir wenden nun Lemma auf die Menge !
B(x, rx )
x∈Fk
an. Diese Menge ist beschr¨ankt, hat also endliches Lebesgue Mass. F¨ ur jedes δ > 0 gibt
3.15. DIFFERENTIATION AUF DEM RN
193
es eine endliche Folge von paarweise disjunkten Kugeln B(x1 , rx1 ), . . . , B(xN , rxn ), so dass ' % N & ! 1 λn B(x, rx ) − δ ≤ λn (B(xj , rxj )) 3n j=1 x∈F k
≤k
N &
α(B(xj , rxj ))
j=1
≤kα
%
!
'
B(x, rx )
x∈Fk
≤ k α(U! ) ≤ k $ Insgesamt erhalten wir
1 λn (Fk ) ≤ k $ 3n
Also gilt λn (Fk ) = 0 und es folgt λn
%∞ !
k=1
Fk
'
=0
Damit gilt f¨ ur alle R > 0 , *3 4 + , α(B(x, r)) , λn x ∈ A , lim sup > 0 ∩ B(0, R) = 0 λn (B(x, r)) r→0
und wir erhalten
λn !
*3
, 4+ , α(B(x, r)) , x ∈ A , lim sup >0 =0 λn (B(x, r)) r→0
194
3.16
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Funktionen Beschr¨ ankter Variation
Lemma 92 Es sei F : R → R eine wachsende Funktion und G : R → R sei durch G(x) = lim F (y) y→x
gegeben. Dann gelten (i) Die Menge der Unstetigkeitspunkte von F ist abz¨ahlbar. (ii) F und G sind fast u ¨berall differenzierbar und es gilt fast u ¨berall F " = G" . Beweis. (i) Weil F wachsend ist, sind die Intervalle (F (x− ), F (x+ ))
x∈R
disjunkt. F¨ ur alle x mit |x| < N gilt (F (x− ), F (x+ )) ⊆ (F (−N ), F (N )) Deshalb gilt f¨ ur alle Folgen xi , i = 1, . . . , n, mit |xi | < N und x1 < x2 < . . . xn , dass n & i=1
− |F (x+ i ) − F (xi )| ≤ F (N ) − F (−N ) < ∞
Falls es mehr als abz¨ahlbar viele Unstetigkeitsstellen in (−N, N ) gibt, also Punkte x, f¨ ur die |F (x+ ) − F (x− )| > 0 gilt, dann gibt es ein k ∈ N, so dass f¨ ur mehr als abz¨ahlbar viele Punkte x gilt 1 < |F (x+ ) − F (x− )| k Dies kann nicht sein. (ii) Es gilt G(x) = F (x) bis auf abz¨ahlbar viele Punkte x. Wir wenden nun Satz auf das Lebesgue-Stieltjes Mass µG an. Es gibt eine lokal integrierbare Funktion f , so dass fast u ¨berall bzgl. des Lebesgue Masses gilt lim
r→0
µG ((x − r, x]) µG ((x, x + r]) = f (x) = lim r→0 λ((x − r, x]) λ((x, x + r])
Hieraus folgt G(x) − G(x − r) G(x + r) − G(x) = f (x) = lim r→0 r→0 r r " Damit gilt f (x) = G (x). Es bleibt zu zeigen, dass auch fast u ¨berall F " (x) = 0 gilt. Dazu zeigen wir, dass fast " u ¨berall f¨ ur H = G − F gilt, dass H = 0. Es sei xj , j ∈ N, eine Abz¨ahlung der Punkte, f¨ ur die H(x) += 0 gilt. Wie in (i) weist man nach, dass f¨ ur JR = {j| |xj | < R} & H(xj ) < ∞ lim
j∈JR
¨ 3.16. FUNKTIONEN BESCHRANKTER VARIATION gilt. Wir setzen µ=
&
195
H(xj )δxj
j∈JR
Dann ist µ ein regul¨ares Borelmass. Wir weisen die Regularit¨at nach. Es sei E eine Borel Menge und IE = {j| j ∈ JR und xj ∈ / E}
F¨ ur jedes $ > 0 gibt es eine endliche Folge j1 , . . . , jn , so dass , , n , ,& & , , H(xj ) − H(xji ), < $ , , , i=1
j∈IE
Damit ist {xj1 , . . . , xjn } eine kompakte Menge und es gibt eine offene Menge U mit U ∩ {xj | j ∈ JR } = {xj1 , . . . , xjn } , , , , n & & , ,& , H(xj ) − H(xji ) − H(xji ),, =, c , ,j∈JR i=1 j∈IE , , n ,& , & , , =, H(xj ) − H(xji ), < $ , ,
|µ(U ) − µ(E)|
i=1
j∈IE
Außerdem ist µ orthogonal zu λ. Deshalb gilt nach dem Satz von Radon-Nikodym f¨ ur die Lebesgue Zerlegung dµ = dα + hdλ, dass die Radon-Nikodym Dichte h fast u ¨berall gleich 0 ist. Nach Satz folgt, dass fast u ¨berall 1 µ((x − r, x + r)) = 0 r→0 2r lim
gilt. Wenn man beachtet, dass H nichnegativ ist, erh¨alt man 0
1 1 µ((x − r, x + r)) = lim r→0 2r r→0 2r
= lim
&
H(xj )
|x−xj |
, , 1 1 ,, H(x + 12 r) − H(x) ,, 1 ≥ lim (H(x + r) + H(x)) ≥ lim , 1 , r→0 2r r→0 4 2 r 2
Also gilt fast u ¨berall H " = 0. !
Der Raum der normalisierten Funktionen beschr¨ankter Variation N BV besteht aus allen Funktionen F beschr¨ankter Variation, die rechtsseitig stetig sind und die F (−∞) = 0 erf¨ ullen. Lemma 93 (i) Falls F ∈ N BV, dann gilt F " ∈ L1 (λ). (ii) Es sei F ∈ N BV. µF ist genau dann orthogonal zu λ, wenn fast u ¨berall F " = 0 gilt. (iii) Es sei F ∈ N BV. Es gilt genau dann µF @ λ, wenn E x F (x) = F " (t)dλ(t) −∞
196
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Beweis. (i) Da F von beschr¨ankter Variation ist, existiert die Ableitung fast u ¨berall. Da F ∈ N BV, ist µF ein Lebesgue-Stieltjes Mass und es gilt µF ((x, x + r]) µF ((x, x + r]) = lim = F " (x) r→0 λ((x, x + r]) r→0 r lim
Da F beschr¨ankt ist, gilt µF (R) < ∞ und die Radon-Nikodym Dichte ist integrierbar. Also gilt F " ∈ L1 . (iii) Falls µF @ λ gilt, so folgt, dass dµF = f dλ, wobei f die Radon-Nikodym Dichte ist. Wie unter (i) schliesst man, dass fast u ¨berall f = F " gilt. Wegen Satz gilt fast u ¨berall lim
µF ((x, x + r]) = f (x) λ((x, x + r])
Weiter gilt F (x) = µ((−∞, x]) = !
E
x
−∞
f (t)dt =
E
x
−∞
F " (t)dt
3.17. HAUSDORFF MASSE
3.17
197
Hausdorff Maße
Die Hausdorff-Maße hm , 0 < m < ∞, sind auf dem Rn definiert. F¨ ur m > n sind sie nicht interessant, es handelt sich um die 0-Maße. F¨ ur m = n erhalten wir das LebesgueMaß. F¨ ur m ∈ N mit 1 ≤ m ≤ n − 1 erhalten wir Maße, die eingeschr¨ankt auf eine m-dimensionale Ebene das m-dimensionale Lebesgue-Maß auf dieser Ebene ergeben. Jedes Maß ist u ¨ber Referenzmengen definiert, so ist das Lebesgue-Maß auf R u ¨ber die Intervalle definiert. Das Lebesgue-Maß eines Intervalls soll deren L¨ange sein. In h¨oheren Dimensionen haben wir als Referenzmengen W¨ urfel genommen, das Lebesgue-Maß eines m-dimensionalen W¨ urfels ist die m-te Potenz der Kantenl¨ange. Wir k¨onnen aber auch die Euklidische Kugel als Referenzmenge nehmen. Wir w¨ urden dann fordern, dass das m B∞ π2 Lebesgue-Maß der m-dimensionalen Kugel gleich Γ( m +1) ist (Γ(x) = 0 tx−1 e−t dt). Dies 2 w¨ urde zu denselben Ergebnissen f¨ uhren. Die Hausdorff-Maße benutzen die Euklidischen Kugeln als Referenzmengen. Es sei A eine σ-Algebra auf dem Rn , die die Borelsche σ-Algebra umfasst. Ein Maß µ auf A heißt lokal-endlich, wenn es zu jedem x ∈ Rn eine Umgebung U mit µ(U ) < ∞ gibt. Ein lokal-endliches Maß auf der Borelschen σ-Algebra heisst Borel-Maß. Lemma 94 Es sei µ ein Borel Maß auf dem Rn und B eine Borel Menge mit µ(B) < ∞. Dann gibt es zu jedem $ > 0 eine abgeschlossene Menge C mit C ⊆ B und µ(B \ C) < $. Der Abstand zwischen zwei Mengen A und B im Rn ist inf{5x − y5 |x ∈ A, y ∈ B} Lemma 95 (Caratheodory) Es sei µ ein ¨ausseres Maß auf dem Rn . Es gilt genau dann, dass alle Borel Mengen µ-messbar sind, wenn f¨ ur alle Mengen A und B mit positivem Abstand µ(A ∪ B) = µ(A) + µ(B)
gilt.
Der Durchmesser einer Teilmenge S des Rn ist diam(S) = sup{5x − y52 |x, y ∈ S} Es sei 0 < m < ∞ und δ > 0. hδm (A) = inf
$
, 0 m ∞ ∞ , & ! 2 π , 2−m m diam(Sj )m , A ⊂ Sj und diam(Sj ) ≤ δ , Γ( 2 + 1) j=1 j=1
ur δ ≥ η gilt hδm (A) ≤ hηm (A). Deshalb hδm (A) ist eine fallende Funktion in δ, d.h. f¨ existieren die folgenden Grenzwerte. hm (A) = lim hδm (A) = sup hδm (A) δ→0
δ>0
198
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Dies ist das m-dimensionale Hausdorff-Maß der Menge A. ¨ Wir wollen einige heuristische Uberlegungen anstellen, um hδm zu verstehen. Wir betrachten den Fall m = n. Falls alle Sj disjunkte Kugeln sind, dann ist ∞
& π2 diam(Sj )m Γ( m2 + 1) j=1 m
−m
2
# das Lebesgue-Maß der Menge ∞ j=1 Sj . Dies legt nahe, dass hn = λn gilt. Allgemeiner kann man den Fall m ∈ N mit 1 ≤ m ≤ n − 1 betrachten. Es sei H eine m-dimensionale Ebene im Rn und Sj disjunkte Kugeln, deren Mittelpunkte auf dieser Ebene liegen. Dann ist m ∞ & π2 −m diam(Sj )m 2 Γ( m2 + 1) j=1 # gleich dem m-dimensionalen Volumen der Menge H ∩ ∞ j=1 Sj . m
Falls m keine ganze Zahl ist, dann kann man Γ(πm2+1) als das m-dimensionale Volumen 2 der m-dimensionalen Kugel interpretieren, obwohl nicht klar ist, was die m-dimensionale Kugel sein soll. Ein ¨ausseres Maß µ heisst Borel-regul¨ar, falls alle Borel Mengen µ-messbar sind und falls f¨ ur jede Teilmenge A des Rn eine Borel Menge B existiert, so dass A ⊆ B und µ(A) = µ(B). Lemma 96 (i) hm und hδm sind ¨aussere Maße auf Rn . (ii) Alle Borel-Mengen sind hm -messbar und hm ist Borel-regul¨ ar. hm ist i.a. kein Borel Maß. Es gilt f¨ ur n ≥ 2 hδn−1 (B2n (0, δ)) = hδn−1 (∂B2n (0, δ)) = hδn−1 (B2n (0, δ)◦ ) = voln−1 (B2n (0, δ)) ur alle δ > 0 und f¨ ur alle A ⊆ B die Beweis. (i) hm (∅) = 0 ist offensichtlich. Ebenso ist f¨ δ δ Ungleichung hm (A) ≤ hm (B) offensichtlich erf¨ ullt. Somit gilt f¨ ur alle δ > 0 hδm (A) ≤ hδm (B) ≤ hm (B)
Da diese Ungleichung ur alle δ > 0 gilt, folgt hm (A) ≤ hm (B). Wir zeigen nun /∞ f¨ ∞ hm (∪j=1 Aj ) ≤ ur alle δ > 0, $ > 0 und j ∈ N existieren Mengen j=1 hm (Aj ). F¨ Sj,k , k ∈ N, mit ∞ ! Sj,k und diam(Sj,k ) ≤ δ Aj ⊆ k=1
so dass
Weil hδm ≤ hm ∞ & j=1
hm (Aj ) ≥
∞
& $ π2 ≥− j + m 2 Γ( 2 + 1) k=1 m
hδm (Aj )
∞ & j=1
hδm (Aj )
*
diam(Sj,k ) 2
+m
+m m ∞ * & π2 diam(Sj,k ) ≥ −$ + m Γ( 2 + 1) j,k=1 2
3.17. HAUSDORFF MASSE Weil
#∞
j=1
Aj ⊆
#∞
j,k=1
199
Sj,k ∞ & j=1
hm (Aj ) ≥ −$ + hδm
%∞ !
Aj
j=1
'
Weil dies f¨ ur alle $ and δ gilt, folgt ∞ & j=1
hm (Aj ) ≥ hm
%∞ !
Aj
j=1
'
(ii) Mit Lemma zeigen wir, dass alle Borel Mengen hm -messbar sind. Es seien A and B zwei Mengen mit positivem Abstand ∆. Da hm ein ¨ausseres Maß ist, gilt hm (A ∪ B) ≤ hm (A) + hm (B). Wir zeigen die umgekehrte Ungleichung. Es sei A∪B ⊆ so dass
∞ !
Sj
und
j=1
diam(Sj ) ≤ ∞
& π2 ∪ B) ≥ −$ + m Γ( 2 + 1) j=1 m
hδm (A Es sei SjA =
$
Sj falls A ∩ Sj += ∅ ∅ sonst
SjB =
*
$
∆ 2
diam(Sj ) 2
+m
Sj falls B ∩ Sj += ∅ ∅ sonst
Weil diam(Sj ) ≤ ∆2 , so gilt SjA = Sj genau dann, wenn SjB = ∅, und SjB = Sj genau dann, wenn SjA = ∅. Deshalb erhalten wir 'm 'm % % m m ∞ ∞ A B & & 2 2 ) ) diam(S diam(S π π j j hδm (A ∪ B) ≥ −$ + m + m Γ( 2 + 1) j=1 2 Γ( 2 + 1) j=1 2 ≥ −$ + hδm (A) + hδm (B)
Weil dies f¨ ur alle $ gilt, erhalten wir hm (A ∪ B) ≥ hδm (A ∪ B) ≥ hδm (A) + hδm (B) Weil dies f¨ ur alle δ gilt, erhalten wir hm (A ∪ B) ≥ hm (A) + hm (B) Wir zeigen, dass f¨ ur jede Teilmenge A ⊂ Rn eine Borelmenge B mit A ⊂ B and hm (A) = hm (B) existiert. Falls hm (A) = ∞, dann w¨ahlen wir B = Rn . Falls A⊂ dann gilt A⊂
∞ !
j=1
∞ !
Sj
j=1
S¯j mit diam(S¯j ) = diam(Sj )
200
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
k Deshalb k¨onnen wir annehmen, dass #∞ diek Mengen Sj abgeschlossen sind. Es seien also Sj abgeschlossene Mengen, die A ⊂ j=1 Sj und % 'm m ∞ & diam(Sjk ) π2 hm (A) = lim m k→∞ Γ( + 1) j=1 2 2
erf¨ ullen. Wir setzen B=
∞ ! ∞ "
Sjk
k=1 j=1
B ist eine Borel Menge mit hm (A) = hm (B). !
Lemma 97 Es sei A eine Teilmenge des Rn und t > 0, m > 0. Dann gilt (i) hm (tA) = tm hm (A) (ii) F¨ ur alle Isometrien T des Rn gilt hm (T (A)) = hm (A). Beweis. (i) Wir zeigen hm (A) ≥ t−m hm (tA). Falls hm (A) = ∞, dann ist die Ungleichung erf¨ ullt. Wir nehmen nun an, dass hm (A) < ∞. Es seien Sj Mengen mit diam(Sj ) ≤ δ und ∞ ! A⊆ Sj j=1
so dass
∞
& π2 ≥ −$ + m Γ( 2 + 1) j=1 m
hδm (A)
*
diam(Sj ) 2
+m
Andereseits gilt f¨ ur die Mengen tSj die Gleichung diam(tSj ) = tdiam(Sj ). Deshalb gilt +m diam(Sj ) 2 +m * m ∞ & π2 diam(tSj ) −m = −$ + t ≥ −$ + htδ m (tA) m Γ( 2 + 1) j=1 2
hm (A) ≥
∞
& π2 ≥ −$ + m Γ( 2 + 1) j=1 m
hδm (A)
*
Weil dies f¨ ur alle $ > 0 gilt, folgt hm (A) ≥ t−m htδ m (tA) Weil dies f¨ ur alle δ > 0 gilt, folgt hm (A) ≥ t−m hm (tA) Genauso zeigen wir die umgekehrte Ungleichung. ! Lemma 98 Es sei A eine Teilmenge des Rn und 0 ≤ m < k < ∞. Dann gilt (i) Falls hm (A) < ∞, dann gilt hk (A) = 0. (ii) Falls hk (A) > 0, dann gilt hm (A) = ∞
3.17. HAUSDORFF MASSE
201
Beweis. (ii) folgt sofort aus (i). Wir zeigen nun (i). Es seien Sj Mengen mit diam(Sj ) ≤ δ und ∞ ! A⊆ Sj j=1
so dass
Es gilt hδk (A) ≤
∞
& π2 +$≥ m Γ( 2 + 1) j=1 m
hδm (A)
k
π2 Γ( k2 +1)
/∞ 8 diam(Sj ) 9k j=1
2
*
diam(Sj ) 2
+m
*
+m diam(Sj ) (diam(Sj ))k−m 2 +m k ∞ * & diam(Sj ) π2 m−k k−m ≤ k δ 2 2 Γ( 2 + 1) j=1 ∞
& π2 2m−k = k Γ( 2 + 1) j=1 k
k
π 2 Γ( m2 + 1) m−k k−m δ ≤ m k δ hm (A) 2 π 2 Γ( 2 + 1) k
π 2 Γ( m + 1) m−k k−m δ hm (A) 2 ≤ m 2k π 2 Γ( 2 + 1) ! Die Hausdorff Dimension einer Menge A ⊆ Rn ist das Infimum u ¨ber alle nichtnegativen, reellen Zahlen mit hm (A) = 0. Lemma 99 (Isodiametric Inequality) Let A be a Lebesgue measurable set in Rn . Then we have voln (K) ≤ voln (B2n )( 12 diam(K))n If A is centrally symmetric this lemma is trivial since this set is contained in a Euclidean ball of the same diameter. For sets that are not centrally symmetric this lemma is not trivial. A convex body of diameter 2 may not be contained in a Euclidean ball of diametre 2, i.e. of radius 1. The regular simplex withJ sidelength 2 has diameter 2 and is contained 2n in no Euclidean ball of radius smaller than n+1 . In the proof of the isodiametric inequality we use that for every convex body K there is a sequence of Steiner symmetrization transforming K into a sphere of equal volume. Actually much less is needed. It suffices to apply a finite number of Steiner symmetrizations so that the resulting body is centrally symmetric. Beweis. If the set is not bounded the diameter is infinite and the inequality trivially fulfilled. We may assume that A is convex and compact since the convex and compact hull of A has the same diameter. Moreover, we may assume that A has an interior point. If not we consider the union of A and a ball with radius $ whose center is an element of
202
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
A. This increases the diameter of the set A at most by $. By Lemma there is a sequence of Steiner symmetrizations of K that converge to a Euclidean ball of the same volume in the Hausdorff metric. By Lemma the diameter of convex body does not increase if one applies a Steiner symmetrization. Therefore, the diameter of the convex body K is greater than or equal to the diameter of the Euclidean ball. ! Lemma 100 (Vitali covering lemma) Let U be an bounded, open set in Rn and δ > 0. Then there is a countable family of pairwise disjoint Euclidean balls B2n (xi , ri ), i ∈ N, such that ri ≤ δ, i ∈ N and such that ∞ !
B2n (xi , ri )
i=1
⊆U ⊆
∞ !
B2n (xi , 5ri )
i=1
Beweis. Let r ≤ sup{ρ|B2n (x, ρ) ⊂ U} and r ≤ δ. Let B2n (x1,j , r1,j ), j = 1, . . . , n1 , be a maximal family of disjoint balls that are contained in U and such that 2r < r1,j ≤ r. Such a family is finite since U is bounded. Having chosen the families B2n (x",j , r",j ) j = 1, . . . , n" & = 1, . . . , k we choose the k + 1st family B2n (xk+1,j , rk+1,j ) j = 1, . . . , nk+1 as follows. It is a maximal family of Euclidean balls that are contained in U\ and such that
r 2k+1
n! k ! !
B2n (x",j , r",j )
"=1 j=1
< r(k + 1, j) ≤
r 2k
j = 1, . . . , nk+1
We claim that B2n (x",j , r",j )
j = 1, . . . , n"
&∈N
satisfies the assertion of the lemma. Suppose now that there is x0 ∈ U such that / x0 ∈
n! ∞ ! !
B2n (x",j , 5r",j )
"=1 j=1
Since U is open there is r0 > 0 with B2n (x0 , r0 ) ⊂ U. There is &0 ∈ N with This implies that n! "0 ! ! n B2 (x0 , r0 ) ∩ B2n (x",j , r",j ) = ∅
r 2!0
< r0 ≤
"=1 j=1
Indeed, let 1 ≤ & ≤ &0 , then we have for x ∈ B2n (x0 , r0 ) and y ∈ B2n (x",j , r",j ) 5x − y52 !
≥ 5x",j − x0 52 − 5x − x0 52 − 5y − x",j 52 ≥ 5r",j − r0 − r",j 4r r 4r r = 4r",j − r0 > " − "0 −1 ≥ "0 − "0 −1 > 0 2 2 2 2
r . 2!0 −1
3.17. HAUSDORFF MASSE
203
Lemma 101 Let U be an open, bounded set in Rn and let δ > 0. Then there are xi and 0 < ri ≤ δ, i ∈ N, such that ∞ !
B2n (xi , ri )
i=1
⊆ U and voln (U \
∞ !
B2n (xi , ri )) = 0
i=1
Beweis. By Lemma there are x1,i and r1,i , i ∈ N, such that the Euclidean balls B2n (x1,i , r1,i ) are pairwise disjoint and such that ∞ !
B2n (x1,i , r1,i )
i=1
⊆U ⊂
∞ !
B2n (x1,i , 5r1,i )
i=1
This implies voln (U)
≤ voln (
∞ !
i=1
n
=5
∞ &
B2n (x1,i , 5r1,i )) ≤
voln (B2n (x1,i , r1,i ))
∞ &
voln (B2n (x1,i , 5r1,i ))
i=1
n
= 5 voln (
i=1
Therefore we get
This implies
∞ !
B2n (x1,i , r1,i ))
i=1
∞ ! 1 voln (U) ≤ voln ( B2n (x1,i , r1,i )) 5n i=1
voln (U \
∞ !
B2n (x1,i , r1,i )) ≤ (1 −
N1 !
B2n (x1,i , r1,i )) ≤ (1 −
i=1
1 )voln (U) 5n
This implies that there is N1 ∈ N so that voln (U \
i=1
1 )voln (U) 6n
Next we apply this argument to the open, bounded set U \ we obtain pairwise disjoint Euclidean balls B2n (xk,i , rk,i )
k∈N
# N1
i=1
B2n (x1,i , r1,i ). In this way
i = 1, . . . , Nk
that are all contained in U and such that voln (U \
Nk " ! !
k=1 i=1
B2n (xk,i , rk,i )) ≤ (1 −
1 " ) voln (U) 6n
This implies voln (U \ !
Nk ∞ ! !
k=1 i=1
B2n (xk,i , rk,i )) = 0
204
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Lemma 102 (i) Let A be a Lebesgue measurable set in Rn . Then we have hδn (A) = hn (A) = voln (A) (ii) Let A be a subset of a n − 1-dimensional hyperplane in Rn . Then we have hδn−1 (A) = hn−1 (A) = voln−1 (A) Beweis. (i) Let Si , i ∈ N, be a covering of a Lebesgue measurable set A ! A⊆ Si i∈N
Then we get by the isodiametric inequality voln (A) ≤
∞ & i=1
∞
& π2 voln (Si ) ≤ n Γ( 2 + 1) i=1 n
*
diam(Si ) 2
+n
Taking the infimum on the right hand side gives voln (A) ≤ hδn (A) ≤ hn (A). Now we show voln (A) ≥ hn (A). The case voln (A) = ∞ is trivial. Thus we may assume that voln (A) < ∞. The first step is to show that there is a constant c, c > 0, such that c voln (A) ≥ hn (A). For every $, $ > 0 and every δ, δ > 0,there are cubes Qi , i#∈ N, such that we have for all i ∈ N diam(Qi ) ≤ δ, for all i += j voln (Qi ∩ Qj ) = 0, A ⊆ ∞ i=1 Qi +n ∞ ∞ * & 2 n & diam(Qi ) voln (A) + $ ≥ voln (Qi ) = ( √ ) 2 n i=1 i=1 Γ( n + 1) 2 ≥ ( √ )n 2 n hδn (A) n π2
This implies
Γ( n + 1) 2 voln (A) ≥ ( √ )n 2 n hn (A) n π2
Now we show that we have for all cubes Q in Rn voln (Q) ≥ hn (Q). By Lemma there are pairwise disjoint Euclidean balls B2n (xi , ri ), i ∈ N, such that ∞ !
B2n (xi , ri )
i=1
◦
⊆Q
◦
voln (Q \
and
∞ !
B2n (xi , ri )) = 0
i=1
Thus we get voln (Q)
= voln
%∞ !
'
B2n (xi , ri )
i=1
=
π Γ( n2
n 2
+ 1)
∞ & i=1
=
∞ &
voln (B2n (xi , ri ))
i=1 ' %∞ ! rin ≥ hδn B2n (xi , ri ) i=1
Since we have 0 = cvoln (Q \
∞ !
i=1
B2n (xi , ri ))
≥ hn (Q \
∞ !
i=1
B2n (xi , ri ))
≥
hδn (Q
\
∞ !
i=1
B2n (xi , ri ))
3.17. HAUSDORFF MASSE
205
we get voln (Q) ≥ hδn (
∞ !
i=1
%
B2n (xi , ri )) + hδn Q \
This implies voln (Q) ≥ hn (Q). !
∞ !
'
B2n (xi , ri )
i=1
≥ hδn (Q)
Let K be a convex body in Rn . The map pK : Rn → K that maps x ∈ Rn onto the unique point pK (x) such that 5pK (x) − x52 = inf 5y − x52 y∈K
is called the metric projection. We show that the metric projection is well-defined. If there would be two points y, z having minimal Euclidean distance from x, then the midpoint 1 (y + z) has a smaller Euclidean distance from x and is contained in K. Indeed, by 2 convexity the point 12 (y + z) is an element of K and by assumption and triangle inequality 1 5x − y52 = 5x − z52 ≥ 5x − (y + z)52 2 Since 5x − y52 = 5x − z52 is the minimum we get 1 5x − y52 = 5x − z52 = 5x − (y + z)52 2 We have equality in the triangle inequality if and only if all vectors are colinear. We get x − y = ±(x − z). If x − y = x − z we are done. If x − y = z − x then x = 12 (y + z) and 5x − 12 (y + z)52 = 0. This implies that 5x − y52 = 5x − z52 = 0 and thus x = y = z. We have that pK (Rn \ K) = ∂K. Lemma 103 Let K be a convex body in Rn and pK the metric projection. Then we have for all x, y ∈ Rn 5pK (x) − pK (y)52 ≤ 5x − y52 Beweis. If x ∈ K and y ∈ K, then we have pK (x) = x and pK (y) = y. If x ∈ / K and n n y∈ / K then there are Euclidean balls B2 (x, 5x − pK (x)52 ) and B2 (y, 5y − pK (y)52 ) such that B2n (x, 5x−pK (x)52 )∩K = {pK (x)} and B2n (y, 5y−pK (y)52 )∩K = {pK (y)}. By HahnBanach’s theorem there are hyperplanes separating K and B2n (x, 5x − pK (x)52 ) and K and B2n (y, 5y − pK (y)52 ). Since these hyperplanes are support hyperplanes of B2n (x, 5x − pK (x)52 ) and B2n (y, 5y − pK (y)52 ) respectively, the hyperplanes must be H(pK (x), x − pK (x)) and H(pK (y), y − pK (y)). By the convexity of K and pK (x), pK (y) ∈ K we get < x − pK (x), pK (x) > < y − pK (y), pK (y) >
≥< x − pK (x), pK (y) > ≥< y − pK (y), pK (x) >
This implies < x − pK (x), pK (x) − pK (y) >≥< y − pK (y), pK (x) − pK (y) > or < x − y, pK (x) − pK (y) >≥< pK (x) − pK (y), pK (x) − pK (y) >
206
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
This implies 5pK (x) − pK (y)52 ≤ 5x − y52 The case x ∈ / K and y ∈ K is treated in a similar way. ! Lemma 104 Let C and K be convex bodies with C ⊆ K and p : ∂K → ∂C be the restriction of the metric projection pC . Then we have for all subsets A of ∂K hδn−1 (p(A)) ≤ hδn−1 (A) and in particular hn−1 (p(A)) ≤ hn−1 (A) Lemma ?? follows immediately from Lemma ??. Lemma 105 Let K be a convex body in Rn . Then we have hδn−1 (∂K) = hn−1 (∂K) = voln−1 (∂K) Beweis. By Lemma we have for a Lebesgue measurable subset A in a hyperplane H of dimension n − 1 that voln−1 (A) = hn−1 (A). From this it follows that we have for all polytopes hδn−1 (∂P ) = hn−1 (∂P ) = voln−1 (∂P ) With this we get voln−1 (∂K) = sup{voln−1 (∂P )|P ⊂ K} = sup{hδn−1 (∂P )|P ⊂ K} Let p be the metric projection from ∂K onto ∂P . By Lemma we have hδn−1 (∂P ) = hδn−1 (p(∂K)) ≤ hδn−1 (∂K) and we get voln−1 (∂K) ≤ hδn−1 (∂K) We may assume that 0 ∈ K. By Lemma for every $ > 0 there is a polytope P with P ⊂ K ⊂ (1 + $)P . Now we use the metric projection p from ∂(1 + $)P to ∂K hn−1 (∂K) ≤ hn−1 (∂(1 + $)P ) = voln−1 (∂((1 + $)P )) = (1 + $)n−1 voln−1 (∂P ) ! Lemma 106 Let K and L be convex bodies in Rn such that L ⊂ K. Let p : ∂K → ∂L be the restriction of the metric projection pK to ∂K. Then we have for all hn−1 -measurable sets A ⊂ ∂K that p(A) is hn−1 -measurable. Beweis. Since hn−1 (∂K) < ∞ by Lemma we have hn−1 (A) < ∞. Since hn−1 is Borel regular there is a Borel set B such that A ⊆ B and hn−1 (A) = hn−1 (B). Since A is hn−1 -measurable B \ A has measure 0. Since hn−1 is a Borel measure and B a Borel set
3.17. HAUSDORFF MASSE
207
of finite measure there is for every $ > 0 a closed set C with C ⊆ B and hn−1 (B \ C) < $. Therefore there is a sequence of closed sets Ci , i ∈ N, such that ∞ ! Ci ) = 0 hn−1 (B \ i=1
By Lemma ?? we get
hn−1 (p(B \
∞ !
Ci )) = 0
i=1
# #∞ Since p(B) \ p( ∞ i=1 Ci ) ⊆ p(B \ i=1 Ci ) we get hn−1 (p(B) \ p(
∞ !
Ci )) = 0
i=1
# Since p is continuous, Ci compact, we conclude that p(Ci ) is compact and thus ∞ i=1 p(Ci ) is a Borel set. We get that p(B) is measurable. Again, we have hn−1 (B \ A) = 0 and therefore hn−1 (p(B \A)) = 0. Since p(B)\p(A) ⊆ p(B \A) we have hn−1 (p(B)\p(A)) = 0. Since p(B) is measurable p(A) is as well. ! Beispiel 52 (i) hm (R" ) =
$
(ii) [Falc] Let C be the Cantor set.
0 if m > & ∞ if m ≤ &
n
3 −1 G D ∞ ! 2 " 2k 2k + 1 C= , 3n 3n n=0 k=0
Then we have
0
if
m> m
ln 2 ln 3
ln 2 π2 hm (C) = if m = m m ln 3 2 Γ( 2 + 1) ∞ if m < ln 2 ln 3
(iii)
δ δ δ δ hδn−1 (B2n (0, ) = hδn−1 (∂B2n (0, )) = hδn−1 (B2n (0, )◦ ) = hn−1 (∂B2n (0, )) 2 2 2 2 Beweis. (ii) In order to obtain the estimate from above we use the following representation of the Cantor set. We have ∞ ! 2n " C= Iin n=1 i=1
where
Iin
−n
are intervals of length 3 −n h3m (C)
≤
π
. Therefore we get
m 2
Γ( m2 + 1)
m
n
n −m
2 (23 )
ln 3 π2 = m m 2n− ln 2 mn 2 Γ( 2 + 1)
For the proof of the opposite inequality we need the following lemma.
208
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Lemma 107 Let I be a closed subinterval of [0, 1]. Then for every $ > 0 there are & ∈ N and subintervals Ij , j = 0, . . . , & + 1 of I such that (i)
vol1 (I0 ) < $ and vol1 (I"+1 ) < $
(ii) For all j = 1, . . . , & there are kj , kj ∈ N such that G D kj kj + 1 Ij = nj , nj 3 3 (iii) C ∩I =C ∩(
"+1 !
Ij )
j=0
(iv) m
(diam(I)) ≥ where m =
ln 2 . ln 3
"+1 &
(diamIj )m
j=0
Beweis. We determine n so that 1 1 ≤ vol1 (I) n−1 n 3 3 Now we consider
3n −1 G D 2 ! 2k 2k + 1 I ∩ , n 3 3n k=1
There are t and s, 0 ≤ t, s < 31n so that this set equals one of the following D G D G D G 2k0 + 1 2k0 2k0 2k0 + 1 2k0 2k0 + 1 , , +t , − t, , 3n 3n 3n 3n 3n 3n D D G G 2(k0 + 1) 2(k0 + 1) 2k0 2k0 + 1 , , +t ∪ 3n 3n 3n 3n D G D G 2k0 + 1 2(k0 + 1) 2(k0 + 1) + 1 2k0 + 1 − t, , ∪ 3n 3n 3n 3n G D D G 2k0 + 1 2k0 + 1 2(k0 + 1) 2(k0 + 1) − t, , +s ∪ 3n 3n 3n 3n
In all cases we substitute I by the new intervals. In the first three cases we substitute an interval by an interval with a smaller diameter. In the other three cases we substitute an interval by two disjoint ones. Here we have to show that we have for 0 ≤ t, s ≤ 31n tm + sm ≤ (t + s +
1 m ) 3n
This process is repeated. We have to note that the last case does not occur again. !
3.17. HAUSDORFF MASSE
209
Now we show the opposite inequality of (ii). First we show that it is enough to consider coverings of the Cantor set that consist only of finitely many sets. Let Sj , j ∈ N, be sets such that ∞ ∞ ∞ ! & & m C⊆ Sj and (diam(Sj )) ≤ $ + inf (diam(Tj ))m j=1
Tj
j=1
j=1
We may assume that Sj , j ∈ N, are closed intervals, i.e. Sj = [aj , bj ]. We pass to intervals (aj − $j , bj + $j ). By compactness there is a finite subcover. We use now these intervals. By Lemma ?? we may assume that the covering cosists of intervals of the form G D k j kj + 1 , j = 1, . . . , M 3nj 3nj and intervals Ji
i = 1, . . . , 2N
where the diameter of the intervals Ji is smaller than $ and N is the number of intervals we started out with. We can choose $ independently of N . We choose n0 ∈ N bigger than all nj . Since the intervals are a covering of C and any of the intervals Ijn0 , j = 1, . . . , 2n , contains at least one element of C each interval Ijn0 has a nonempty intersection with the cover. The interval G D k j kj + 1 , 3nj 3nj intersects at most 2n0 −nj intervals of the type Ijn0 . Thus we get n0
2 or
≤ 2N +
M &
2n0 −nj
j=1 M
2N & −nj 1 ≤ n0 + 2 2 j=1 M
(iii) By Lemma ?? we have
2N & −nj m 1 ≤ n0 + (3 ) 2 j=1
δ δ hδn−1 (∂B2n (0, )) = hn−1 (∂B2n (0, )) 2 2 Since we get
δ ∂B2n (0, δ) ⊂ B2n (0, ) 2
δ δ hδn−1 (∂B2n (0, )) ≤ hδn−1 (B2n (0, )) 2 2 δ By the definition of hn−1 we have 'n−1 % n−1 δ n 2 (0, )) diam(B δ δ π 2 2 hδn−1 (B2n (0, )) ≤ n−1 = voln−1 (∂B2n (0, ))) 2 2 2 Γ( 2 + 1)
210 Let 0 < $ <
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL δ 2
then we have ∂B2n (0, $) ⊂ B2n (0, 2δ )◦ . Consequently we get δ hn−1 (∂B2n (0, $)) = hδn−1 (∂B2n (0, $)) ≤ hδn−1 (B2n (0, )◦ ) 2
!
3.18. UNSTETIGKEITSMENGEN VON FUNKTIONEN UND IHREN ABLEITUNGEN211
3.18
Unstetigkeitsmengen von Funktionen und ihren Ableitungen
Satz 35 Es sei X ein separabler, metrischer Raum, in dem jede offene Menge u ¨berabz¨ahlbar viele Elemente enth¨ alt. Es sei f eine Funktion, die von X nach R abbildet. Die Menge aller Punkte, in denen f unstetig ist, ist eine Fσ -Menge. Umgekehrt gibt es zu jeder Fσ -Menge A von X eine Funktion, die in allen Punkten von A unstetig und in allen Punkten von Ac stetig ist. Beweis. Es sei f : X → R eine beschr¨ankte Funktion. Wir bezeichnen 0 $ ω(f, x0 ) = lim
δ→0
sup
x∈B(x0 ,δ)
f (x) −
inf
x∈B(x0 ,δ)
f (x)
ur alle δ > 0 als Oszillation von f in x0 . ω(f, x0 ) existiert, weil f¨ sup x∈B(x0 ,δ)
f (x) −
inf
x∈B(x0 ,δ)
f (x) ≥ 0
gilt und weil f¨ ur alle δ, δ˜ mit δ ≤ δ˜ sup x∈B(x0 ,δ)
f (x) −
inf
x∈B(x0 ,δ)
f (x) ≤
sup ˜ x∈B(x0 ,δ)
f (x) −
inf
˜ x∈B(x0 ,δ)
f (x)
gilt. Wir zeigen, dass f genau dann in x0 stetig ist, wenn ω(f, x0 ) = 0 gilt. Wir nehmen an, dass f in x0 stetig ist. ∀$ > 0∃δ > 0∀x ∈ B(x0 , δ) : |f (x) − f (x0 )| < $ Hieraus folgt sup
f (x) < f (x0 ) + $
und
inf
x∈B(x0 ,δ)
x∈B(x0 ,δ)
f (x) > f (x0 ) − $
Also ω(f, x0 ) < 2$. Wir setzen D! = {x|ω(f, x) ≥ $}
ur alle $ > 0 eine abgeschlossene Menge ist. Wir zeigen, dass D!c und zeigen, dass D! f¨ eine offene Menge ist. Es gelte ω(f, x0 ) < $. Dann gibt es ein δ > 0, so dass f¨ ur alle x ∈ B(x0 , δ) sup f (x) − inf f (x) < $ x∈B(x0 ,δ)
x∈B(x0 ,δ)
Hieraus folgt, dass f¨ ur alle x ∈ B(x0 , δ) ω(f, x) < $ gilt. Damit ist die Menge aller Unstetigkeitsstellen von f gleich ! D1 n
n∈N
212
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
und damit eine Fσ -Menge. Wir zeigen nun, dass es zu jeder Fσ -Menge eine Funktion gibt, die in genau diesen Punkten unstetig ist. Es seien M eine abz¨ahlbare, dichte Teilmenge von X und A=
∞ !
An
n=0
wobei An abgeschlossene Mengen sind und u ¨berdies An ⊆ An+1 f¨ ur n = 0, 1, 2, . . . gilt. Wir setzen A0 = ∅. Wir definieren nun Bn = {x|x ∈ (An \ An−1 ) \ (An \ An−1 )◦ oder x ∈ (An \ An−1 )◦ ∩ M } Wir definieren f (x) =
−n 2 0
falls falls
x ∈ Bn ∞ ! x∈ / Bk k=1
f ist wohldefiniert, da Bn ∩ Bm = ∅ f¨ ur n = + m gilt. Wir wollen dies nachpr¨ ufen. Falls n > m, so gelten Bn ⊆ An \ An−1 und Bm ⊆ Am
Wir zeigen nun, dass f f¨ ur alle x ∈ A unstetig ist. Es ergeben sich drei F¨alle. Falls ◦ x ∈ (An \ An−1 ) ∩ M , dann gilt f (x) = 2−n und es gibt ein δ0 , so dass f¨ ur alle δ mit 0 < δ < δ0 und alle y mit d(x, y) < δ y ∈ (An \ An−1 )◦ gibt. Hieraus folgt, dass es ein y mit d(x, y) < δ gibt, so dass y ∈ (An \ An−1 )◦ ∩ M c F¨ ur ein solches y gilt y∈ /
∞ !
Bk
k=1
Falls y ∈ Bk gilt, so folgt wegen Bk ⊆ Ak \ Ak−1 , dass k = n. Aus y ∈ (An \ An−1 )◦ ∩ M c erhalten wir y∈ / (An \ An−1 ) \ (An \ An−1 )◦ und y ∈ / (An \ An−1 )◦ ∩ M Damit gilt f (y) = 0. Damit ist f nicht in x stetig. Wir nehmen nun an, dass x ∈ (An \ An−1 )◦ ∩ M c . Wie wir uns eben u ¨berlegt haben, gilt dann f (x) = 0. Ebenso wie im ersten Fall finden wir ein δ0 , so dass f¨ ur alle δ mit 0 < δ < δ0 ein y mit d(x, y) < δ und mit y ∈ (An \ An−1 )◦ ∩ M existiert. Also gilt f (y) = 0. Dies widerspricht der Stetigkeit von f in x. Als dritten zu betrachtenden Fall haben wir x ∈ (An \ An−1 ) \ (An \ An−1 )◦
3.18. UNSTETIGKEITSMENGEN VON FUNKTIONEN UND IHREN ABLEITUNGEN213 Damit haben wir f (x) = 2−n . Weil x kein innerer Punkt von An \ An−1 ist, gibt es eine Folge von Punkten xk ∈ (An \ An−1 )c , k ∈ N, mit d(x, xk ) < k1 . F¨ ur alle xk , k ∈ N, gilt c entweder xk ∈ An−1 oder xk ∈ An . Damit gilt, dass xk ∈ / Bn gilt. Hieraus folgt sofort, dass f¨ ur alle k ∈ N f (xk ) = 0
oder
f (xk ) ≥ 2−(n−1)
oder
f (xk ) ≤ 2−(n+1)
Auch dies widerspricht der Stetigkeit von f in x. Nun zeigen wir, dass f in allen x ∈ / A stetig ist. Es gilt f (x) = 0. Es sei $ > 0 gegeben. Wir w¨ahlen N so gross, dass $ > 2−N gilt. Nun w¨ahlen wir δ so klein, dass f¨ ur alle A1 , . . . , AN B(x, δ) ∩ An = ∅ gilt. Somit gilt f¨ ur alle y mit d(x, y) < δ y∈ /
N !
An
n=1
Insbesondere gilt f¨ ur alle y mit d(x, y) < δ y∈ /
N !
Bn
n=1
Deshalb gilt f¨ ur alle y mit d(x, y) < δ, dass f (y) ≤ 2−N −1 Damit folgt f¨ ur alle y mit d(x, y) < δ |f (x) − f (y)| ≤ 2−N −1 < $ ! Beispiel 53 (i) Q ist eine Fσ -Menge. (ii) R \ Q ist keine Fσ -Menge. (iii) Jede Teilmenge von R, die nicht Lebesgue messbar ist, ist keine Fσ -Menge.
214
3.19
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
Normale Zahlen
Es sei x ∈ [0, 1] und Sn (x) sei die Anzahl der 1 in der bin¨aren Entwicklung. Wir sagen, dass x eine normale Zahl ist, falls 1 1 Sn (x) = . n→∞ n 2 lim
Satz 36 (Borel)[Nil,Kac] Das Lebesguesche Maß der Menge der normalen Zahlen in [0, 1] ist 1.
3.20. FRAGEN UND KOMMENTARE
3.20
215
Fragen und Kommentare
Beispiel 54 Es sei (R, d) der metrische Raum der reellen Zahlen mit der Metrik $ 1 x= + y d(x, y) = 0 x=y Dann ist die Produktmetrik d2 auf R2 durch dieselbe Vorschrift gegeben und B(R,d) ⊗ B(R,d) += B(R2 ,d2 ) Zeige, dass die Lebesgue messbare Menge A, deren Differenzmenge A−A nicht messbar ist, keine Borel Menge ist.
Die Produkt σ-Algebra sp¨ater einf¨ uhren. Borelmengen auf dem Rn , Gerade hat das Maß 0, die von einer Funktionenmenge erzeugte σ-Algebra, unabh¨angige Funktionen, Rademacher
216
CHAPTER 3. MESSBARE FUNKTION UND INTEGRAL
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