Geometrische Masstheorie
Vorlesung an der Universit¨at Zu¨rich, SS2003
Andreas Bernig
Institut f¨ ur Mathematik Universit¨at Z¨ urich Winterthurerstrasse 190 CH-8057 Z¨ urich
e-mail:
[email protected]
Version: 1. September 2004
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Dieses Skript umfasst den Stoff einer zweist¨ undigen Vorlesung, welche ich im SS2003 an der Universit¨at Z¨ urich gehalten habe. F¨ ur Fehler, Beanstandungen, Schadensersatzforderungen :=), Kommentare, Lob, Fragen... bitte Nachricht an meine e-mail-Adresse. Den Teilnehmern der Vorlesung sei an dieser Stelle gedankt f¨ ur viele kluge Kommentare, die zu Korrekturen von Fehlern in fr¨ uheren Versionen gef¨ uhrt haben.
Inhaltsverzeichnis ¨ Motivation, Geschichte und Uberblick Motivation Geschichte ¨ Uberblick u ¨ber den Stoff der Vorlesung
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Kapitel 1. Differentialformen auf Rn 1. Tangentenvektoren und Differentialformen 2. Tr¨ager und ¨aussere Ableitung 3. Pullback 4. Integration auf Mannigfaltigkeiten mit Rand 5. Topologie auf den Differentialformen
5 5 8 9 10 11
Kapitel 2. Str¨ome 1. Definition und Beispiele 2. Rand und Support 3. Masse 4. Str¨ome mit endlicher Masse und normale Str¨ome 5. Darstellungssatz f¨ ur Str¨ome mit lokal endlicher Masse 6. Produkt von Str¨omen 7. Bild eines Stromes unter einer glatten Abbildung 8. Homotopieformel 9. Bild eines Stromes unter einer Lipschitzabbildung
13 13 14 15 16 17 19 21 22 23
Kapitel 3. Schnitte von normalen Str¨omen 1. Kodimension 1 2. Beliebige Kodimension
27 27 28
Kapitel 4. Rektifizierbare Mengen und Str¨ome 1. Hausdorffmasse und Dichten 2. Rektifizierbare Mengen, Tangentialebenen 3. Rektifizierbare Str¨ome
33 33 37 39
Kapitel 5. Deformationssatz 1. Polyedrische Str¨ome 2. Deformationssatz 3. Isoperimetrische Ungleichung
43 43 44 46
Kapitel 6. Kompaktheitssatz 49 1. Randrektifizierbarkeit, Schnittlemma und Closure Theorem 49 -1
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INHALTSVERZEICHNIS
2. Beweis Literaturverzeichnis
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¨ Motivation, Geschichte und Uberblick Motivation Die Geometrische Masstheorie spielt in vielen Bereichen der Mathematik eine grosse Rolle. Viele Probleme der Mathematik kann man als Variationsprobleme beschreiben und dann mit Methoden der Geometrischen Masstheorie l¨osen. Das typische Beispiel hierf¨ ur besteht darin, eine Fl¨ache mit minimalem Inhalt und gegebenen Rand zu finden. Die physikalische Interpretation besteht darin, sich den Rand als eine gegebene Drahtschlinge vorzustellen, den man in Seifenwasser taucht, so dass sich eine Fl¨ache bildet. Da der eingespannte Film bestrebt ist, seine Energie, d.h. seine Fl¨ache, zu minimieren, ergibt sich eine Minimalfl¨ache. Das Studium von Minimalfl¨achen war eine der treibenden Motivationen der Geometrischen Masstheorie. Als weitere, eher analytische Anwendungen der Geometrischen Masstheorie, seien Probleme in der Elastizt¨atstheorie genannt. In der Topologie kann man mit Hilfe von Str¨omen die Homologie von Mannigfaltigkeiten beschreiben. So f¨ uhrte de Rham nicht nur seine (auf Differentialformen basierende) Kohomologie ein, sondern auch die dazu duale Homologie, welche in nat¨ urlicher Weise auf Str¨omen beruht. In der Geometrie treten Str¨ome in sehr verschiedenen Zusammenh¨angen auf. Als Beispiele seien hier nur zwei erw¨ahnt. Man kann Normen von Homologieklassen auf Mannigfaltigkeiten definieren, indem man solche Klassen als Klassen von Str¨omen interpretiert. Versucht man gewissen singul¨aren R¨aumen Kr¨ ummungen zuzuordnen, so gelangt man ebenfalls zur Geometrischen Masstheorie. Etwas allgemeiner kann man sagen, dass Geometrische Masstheorie u ¨berall dort im Spiel ist, wo singul¨are Mengen sind. Z.B, bei der Beschreibung schwarzer L¨ocher, dem Wachstum von Kristallstrukturen oder beim Fluss von Fl¨achen entlang ihrer mittleren Kr¨ ummung. Geschichte Es folgt eine Auflistung von H¨ohepunkten der Geometrischen Masstheorie, ohne Anspruch auf Vollst¨andigkeit! 1
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¨ MOTIVATION, GESCHICHTE UND UBERBLICK
1960 Der ber¨ uhmte Artikel von Federer-Fleming, Normal and integral currents erscheint in den Annals of Mathematics. Darin finden sich Beweise von Deformations- und Kompaktheitssatz. 1969 Das Buch Geometric Measure Theory von Federer erscheint und wird zum Standardwerk. 1970 Federer zeigt, dass n − 1-dimensionale fl¨achenminimierende rektifizierbare Str¨ome im Rn glatte, eingebettete Mannigfaltigkeiten bis auf eine singul¨are Menge der Dimension ≤ n − 8 sind. 1979 Schoen und Yau benutzen Minimalfl¨achen um die Positive Mass Conjecture in der Kosmologie zu beweisen. 1983 Almgren zeigt dass die Kodimension der Singularit¨aten einer Minimalfl¨ache (beliebiger Dimension) mindestens 2 ist. ¨ Uberblick u ¨ber den Stoff der Vorlesung Die Vorlesung soll eine Einf¨ uhrung in die Geometrische Masstheorie bieten und eines der Haupttheoreme, Federer-Fleming’s Kompaktheitsatz, beweisen und einige seiner Anwendungen beschreiben. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg dorthin ist der Deformationssatz, dessen Beweis zwar technisch, sonst aber nicht allzu schwierig ist. Im ersten Kapitel werden Differentialformen und Untermannigfaltigkeiten mit Rand eingef¨ uhrt und Stokes Theorem (ohne Beweis) formuliert. Diese Grundlagen sollten jedem bekannt sein, doch wird auf diesem Wege die Notation eingef¨ uhrt sowie verschiedene nicht unbedingt bekannte Begriffe (z.B. die Topologie auf der Menge der Differentialformen mit kompaktem Tr¨ager) erl¨autert. Das zweite Kapitel besteht im wesentlichen aus Definitionen und Beispielen sowie der Definition des Bildes eines Stromes unter einer Lipschitzabbildung. Es werden Str¨ome eingef¨ uhrt und die wichtigsten Begriffe wie Tr¨ager, Rand, Produkt. Diese Begriffe werden anschliessend ben¨otigt, um zun¨achst das Bild eines Stromes unter einer glatten Abbildung, dann unter einer Lipschitzabbildung zu definieren. Im dritten Kapitel wird die Theorie der Schnitte behandelt. Dabei werden normale Str¨ome betrachtet, d.h. Str¨ome mit endlicher Masse, deren Rand ebenfalls endliche Masse hat. Obwohl es beim Beweis des Kompaktheitssatzes nicht ben¨otigt wird, werden wir Schnitte beliebiger Kodimension zulassen, was etwas mehr Technik erfordert als der relativ einfache Fall der Kodimension 1. Erst im vierten Kapitel wenden wir uns den rektifizierbaren Mengen zu, die man als Mannigfaltigkeiten“ in der Geometrischen Masstheo” rie betrachten kann. Wesentlich ist dabei, dass man eine orientierte rektifizierbare Menge als Strom auffassen kann. Um dies einzusehen,
¨ ¨ UBERBLICK UBER DEN STOFF DER VORLESUNG
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werden wir mit Hilfe von Dichteabsch¨atzungen zeigen, dass rektifizierbare Mengen in fast jedem Punkt einen Tangentialraum besitzen. Das f¨ unfte Kapitel besch¨aftigt sich mit polyedrischen Str¨omen, dem Deformationssatz (mit Beweisidee) und Anwendungen auf das isoperimetrische Problem. Schliesslich folgt im sechsten Kapitel der Kompaktheitssatz von FedererFleming, dessen Beweis bis auf ein (allerdings schwieriges) Lemma durchgef¨ uhrt wird.
KAPITEL 1
Differentialformen auf Rn 1. Tangentenvektoren und Differentialformen Wir beschr¨anken uns auf den Rn und offene Mengen darin, bemerken jedoch sofort, dass der nat¨ urliche Rahmen f¨ ur die Behandlung von Differentialformen eigentlich durch beliebige glatte Mannigfaltigkeiten geliefert wird. Die Verallgeminerung auf diesen Fall ist jedoch ziemlich direkt durchf¨ uhrbar. Meist werden durch die Einf¨ uhrung von Koordin naten die Rechnungen wieder auf den Fall R zur¨ uckgef¨ uhrt. Im folgenden sei U stets eine offene Menge des Rn . Definition 1.1. Ein Tangentialvektor in Rn ist ein Paar (p, v) ∈ Rn × Rn . Der Punkt p heisst der Fusspunkt, v ist die Richtung. Die Menge der Tangentenvektoren wird mit T Rn bezeichnet, die Menge der Tangentenvektoren mit Fusspunkt p mit Tp Rn . Eine glatte Abbildung X : Rn → T Rn , p 7→ (p, v(p)), die jedem p ∈ Rn eine Richtung v(p) aus Tp Rn zurodnet, heisst Vektorfeld. Die Menge der Vektorfelder tr¨agt die Struktur eines C ∞ (Rn )-Moduls und wird mit X (Rn ) bezeichnet. Analog bildet die Menge der glatten Abbildungen X : U → T Rn , p 7→ (p, v(p)), v(p) ∈ Tp Rn einen C ∞ (U )-Modul, der mit X (U ) bezeichnet wird. Das konstante Vektorfeld p 7→ (p, ei ) (ei ist der i. Vektor der Standardbasis des Rn ) wird mit ∂x∂ i bezeichnet. Die Schreibweise ist so gew¨ahlt, ∂f weil ∂x∂ i (f ) = ∂x gilt, wobei auf der linken Seite die Anwendung des i Vektorfeldes auf die Funktion f , auf der rechten Seite die partielle Ableitung steht. Angenommen, wir haben ein Vektorfeld X ∈ X (U ) und eine glatte (d.h. C ∞ (U )) Funktion f . Dann kann man f entlang X ableiten und erh¨alt d ∞ eine neue glatte Funktion X(f ) ∈ C (U ) mit X(f )(p) = dt t=0 f (p + tv(p)). Die Abbildung X : C ∞ (U ) → C ∞ (U ) ist eine Derivation. d.h. es gelten die folgenden Bedingungen: • X(1) = 0. • X(f + g) = X(f ) + X(g). • F¨ ur f, g ∈ C ∞ (U ) gilt X(f g) = gX(f ) + f X(g). 5
1. DIFFERENTIALFORMEN AUF Rn
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Davon gilt auch die Umkehrung: Ist X : C ∞ (U ) → C ∞ (U ) eine Derivation, dann wird X durch ein eindeutiges Vektorfeld induziert, welches wir wieder mit X bezeichnen. Um diese Aussage zu beweisen, nehmen wir zun¨achst an, dass X durch ein Vektorfeld induziert ist. Dann folgt aus der Kettenregel n X ∂f (p) vi (p) X(f )(p) = ∂xi i=1
Es folgt dass vi (p) = X(xi )(p) und damit das Vektorfeld eindeutig festgelegt ist (hier betrachtet man xi als Funktion auf Rn ). Hat man nun eine Derivation, so definiert man das Vektorfeld durch p 7→ (p, (X(x1 )(p), . . . , X(xn )(p))), dieses induziert die Derivation. Man kann also Vektorfelder und Derivationen miteinander identifizieren. Das werden wir im folgenden immer stillschweigend anwenden.
Analog kann man einen einzelnen Vektor (p, v) identifizieren mit einer Derivation C ∞ (U ) → R. Ist X ein Vektorfeld, so erh¨alt man f¨ ur jedes p ∈ U einen Vektor durch f 7→ X(f )(p), diesen bezeichnen wir mit X|p . Definition 1.2. Eine Differentialform vom Grad k (oder auch kurz k-Form) auf U ist eine Abbildung ω : X (U )k → C ∞ (U ) mit folgenden Eigenschaften: • ω ist C ∞ (U )-linear in jeder Variable, d.h. ω(X1 , . . . , Xi−1 , f Xi + gXi0 , Xi+1 , . . . , Xk ) = f ω(X1 , . . . , Xk ) + gω(X1 , . . . , Xi0 , . . . , Xk ) f¨ ur i = 1, . . . , k. • ω ist antisymmetrisch, d.h. ω(Xπ(1) , . . . , Xπ(k) ) = sgn(π)ω(X1 , . . . , Xk ) f¨ ur jede Permutation π von {1, . . . , k}. Die Menge der k-Formen tr¨agt die Struktur eines C ∞ (U )-Moduls und wird mit E k (U ) bezeichnet. F¨ ur k = 0 definieren wir E 0 (U ) = C ∞ (U ). Lemma 1.3. Differentialformen sind lokal in folgendem Sinne: Der Wert ω(X1 , . . . , Xk )(p) h¨angt nur von X1 |p , . . . , Xk |p ab. Wir bezeichnen ihn mit ω(X1 |p , . . . , Xk |p ). Beweis: Einfach.
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Als Beispiel einer Differentialform vom Grad 1 definieren wir f¨ ur eine glatte Funktion df (X) := X(f ). Dann gilt folgende Rechenregel, die
1. TANGENTENVEKTOREN UND DIFFERENTIALFORMEN
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man wieder aus der Kettenregel gewinnt: n X ∂f dxi df = ∂x i i=1 Der C ∞ (U )-Modul der 1-Formen wird erzeugt von dxi , i = 1, . . . , n, Pn ∂ denn es gilt ω = i=1 ω ∂xi dxi . Um das zu beweisen, schreiben wir P X = ni=1 vi ∂x∂ i und bekommen ! X n n n X X ∂ ∂ ∂ ω(X) = ω vi = vi ω = ω dxi (X) ∂x ∂x ∂x i i i i=1 i=1 i=1
Definition 1.4. Seien ω, φ zwei Differentialformen vom Grad k bzw. l. Dann definiert man eine Differentialform ω ∧ φ vom Grad k + l durch 1 X ω∧φ(X1 , . . . , Xk+l ) = sgn(π)ω(Xπ(1) , . . . , Xπ(k) )φ(Xπ(k+1) , . . . , Xπ(k+l) ) k!l! π∈S k+l
Dabei ist Sk+l die Menge der Permutationen der Menge {1, . . . , k + l}.
Man rechnet nach, dass (ω ∧ φ) ∧ ψ = ω ∧ (φ ∧ ψ) gilt (daf¨ ur wird der 1 ur so ein Produkt kann man daher ω ∧ φ ∧ ψ Faktor k!l! ben¨otigt). F¨ schreiben. Es gilt weiterhin ω ∧ φ = (−1)kl φ ∧ ω. F¨ ur eine beliebige k-Form ω gilt 1 X ω(X1 , . . . , Xk ) = sgn(π)ω(Xπ(1) , . . . , Xπ(k) ) k! π∈S k
! n X ∂ ∂ ,..., dxik (Xπ(k) ) dxi1 (Xπ(1) ) ∂xi1 ∂xik i =1 i =1 1 k k n 1 X X ∂ ∂ = ,..., sgn(π)dxi1 (Xπ(1) ) · . . . · dxik (Xπ(k) )ω k! i ,...,i =1 π∈S ∂xi1 ∂xik 1 k k n 1 X ∂ ∂ = ω ,..., dxi1 ∧ . . . ∧ dxik (X1 , . . . , Xk ) k! i ,...,i =1 ∂xi1 ∂xik
1 X sgn(π)ω = k! π∈S
1
Also folgt
n X
k
n ∂ ∂ 1 X dxi1 ∧ . . . ∧ dxik ω ,..., ω= k! i ,...,i =1 ∂xi1 ∂xik 1
k
Wir halten fest: Satz 1.5. Der C ∞ (U )-Modul der k-Formen wird erzeugt von den Formen dxi1 ∧ . . . ∧ dxik mit 1 ≤ i1 < i2 < . . . < ik ≤ n.
1. DIFFERENTIALFORMEN AUF Rn
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Speziell folgt, dass E k (U ) f¨ ur k > n leer ist und f¨ ur k = 0 von einem Element, n¨amlich dx1 ∧ . . . ∧ dxn erzeugt wird.
2. Tr¨ ager und ¨ aussere Ableitung F¨ ur eine geordnete Menge I = (i1 , . . . , ik ), 1 ≤ i1 < . . . < ik ≤ n schreiben wir #I = k und dxI = dxi1 ∧ · · · ∧ dxik . Jede k-Form ω l¨asst sich dann schreiben als X ω= ωI dxI , ωI ∈ C ∞ (U ) #I=k
und diese Darstellung ist eindeutig. P Definition 2.1. Der Tr¨ager spt ω der Form ω = I ωI dxI ist die kleinste abgeschlossene Menge V ⊂ U so dass ωI (x) = 0 f¨ ur alle x ∈ U \ V und alle I. Da der Durschnitt zweier solcher Mengen V1 , V2 wieder die selbe Eigenschaft hat, ist der Tr¨ager einfach der Durchschnitt u ¨ber alle solchen Mengen. Definition 2.2. Wir bezeichnen mit D k (U ) ⊂ E k (U ) die Menge der k-Formen mit kompaktem Tr¨ager. P Definition 2.3. Die ¨aussere Ableitung der k-Form ω = I ωI dxI ist definiert als die k + 1-Form n X X ∂ωI dxi ∧ dxI dω = ∂xi i=1 #I=k
Ist z.B. ω = f eine Funktion (d.h. 0-Form), so hatten wir df schon fr¨ uher definiert. Es ist allgemein d ◦ d = 0, wie man durch Ausnutzung 2f ∂2 von dx∂i dx = schnell nachrechnet. dx j j dxi Weiterhin gilt d(ω ∧ φ) = dω ∧ φ + (−1)k ω ∧ dφ,
falls ω ∈ E k (U )
Formen ω mit dω = 0 nennt man geschlossen, und Formen der Form dψ nennt man exakt. Es ist sofort klar, dass der Tr¨ager von dω im Tr¨ager von ω enthalten ist. Er kann aber kleiner sein, wie man z.B. bei geschlossenen Formen sieht.
3. PULLBACK
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3. Pullback Seien U ⊂ Rn , V ⊂ Rm und f = (f1 , . . . , fm ) : U → V eine glatte Abbildung. Dann kann man Tangentenvektoren mit f transportieren und Differentialformen zur¨ uckziehen. Sei dazu zun¨achst (p, v) ein Tangentenvektor. Wir betrachten ihn als Derivation auf C ∞ (U ), dabei wird einer Funktion h ∈ C ∞ (U ) die Ableitung dtd t=0 h(p+tv) zugeordnet. Ist nun g ∈ C ∞ (V ) eine glatte Funktion, so ist g ◦ f ∈ C ∞ (U ) und wir definieren den Tangentenvektor df (p, v) wieder durch die Wirkung auf Funktionen: df (p, v)(g) := (p, v)(g ◦ f ). Um dies in Koordinaten aufzuschreiben, seien x1 , . . . , xn die Koordinan ten von RP und y1 , . . . , ym die Koordinaten von Rm . Wir nehmen an, dass v = ni=1 vi ∂x∂ i die Darstellung von v in der kanonischen Basis ist. Dann gilt nach der Kettenregel d df (p, v)(g) = g ◦ f (p + tv) dt t=0
=
m X n X ∂g(f (p) ∂fj (p)
∂yj
j=1 i=1
=
df (p, v) =
vi
! ∂fj (p) ∂ (g) vi ∂xi ∂yj f (p) j=1
n X m X i=1
Also gilt
∂xi
f (p),
m n X X i=1
∂fj ∂ vi ∂xi ∂yj j=1
!
Der Pullback einer Differentialform ist dual zum Bild eines Vektors definiert. Dazu sei in der gleichen Situation ω ∈ E k (V ) eine Differentialform. Wir definieren dann f¨ ur Vektorfelder X1 , . . . , Xk ∈ X (U ) f # ω(X1 , . . . , Xk )(p) := ω(df (X1|p ), . . . , df (Xk |p )) Das definiert nach Lemma 1.3 eine Differentialform f # ω ∈ E k (U ). Satz 3.1. Seien f : U → V und g : V → W glatte Abbildungen, U ⊂ Rn , V ⊂ Rm , W ⊂ Rl offene Mengen. Dann gelten folgende Gleichungen: (1) (2) (3) (4)
f # (ω + φ) = f # ω + f # φ, ω, φ ∈ E k (V ). f # (ω ∧ φ) = f # ω ∧ f # φ, ω ∈ E k (V ), φ ∈ E l (V ). df # ω = f # dω, ω ∈ E k (V ). (g ◦ f )# (ω) = f # (g # (ω)), ω ∈ E k (W ).
¨ Beweis: Ubungsaufgabe. Hinweis: Kettenregel und Vertauschbarkeit der 2. Ableitungen. 2
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1. DIFFERENTIALFORMEN AUF Rn
4. Integration auf Mannigfaltigkeiten mit Rand Wir betrachten zun¨achst eine n-Form ω auf U mit kompaktem Tr¨ager. Dann hat R R ω die Gestalt ω = f dx1 ∧ . . . ∧ dxn und man setzt [[U ]](ω) := ω = f (x)dx1 . . . dxn , dabei ist dieses Integral einfach das LebesgueU U (oder auch Riemann-) Integral von f . Man beachte, dass f eine glatte Funktion mit kompaktem Tr¨ager ist. Auf diese Weise kann man nur n-Formen integrieren. Hat man eine k-Form, k < n, so kann man diese aber u ¨ ber k-dimensionale Mannigfaltigkeiten (mit Rand) integrieren. Dazu betrachten wir Rn = {(x1 , . . . , xn )}, Rk = {(x1 , . . . , xk , 0, . . . , 0)} ⊂ Rn und Rk+ = {(x1 , . . . , xk , 0, . . . , 0) : x1 ≥ 0}. Wir setzen ∂Rk+ = {(0, x2 , . . . , xk , 0, . . . , 0)}. Definition 4.1. Eine k-dimensionale Untermannigfaltigkeit (mit Rand) von U ist eine Teilmenge M ⊂ U , so dass es zu jedem Punkt x ∈ M eine Umgebung Ux ⊂ U mit x ∈ Ux gibt, eine offene Teilmenge Vx ⊂ Rn und einen Diffeomorphismus φx : Vx → Ux so dass k φx (Vx ∩ Rk+ ) = Ux ∩ M gilt. Ist y ∈ M ∩ Ux mit φ−1 x (y) ∈ ∂R+ , so heisst y Randpunkt von M . Die Abbildung φx |Vx ∩Rk+ heisst Karte oder lokale Parametrisierung. M heisst orientiert, wenn die Kartenwechsel −1 φx |−1 ◦ φx0 |Rk+ : φ−1 x0 (Ux ∩ Ux0 ∩ M ) → φx (Ux ∩ Ux0 ∩ M ) orientierungsRk+ erhaltend sind. Der Rand ∂M einer k-dimensionalen Mannigfaltigkeit mit Rand ist eine k − 1-dimensionale Mannigfaltigkeit, und zwar ohne Rand. Um das zu sehen, nimmt man einfach dieselben Umgebungen und Karten, nur dass jetzt f¨ ur einen Randpunkt x ∈ ∂M φx (Vx ∩ ∂Rk+ ) = Ux ∩ ∂M gilt und ∂Rk+ = Rk−1 . Ist M orientiert, so auch ∂M . Eine k-Form ω ∈ D k (U ) kann u ¨ ber eine orientierte k-dimensionale Mannigfaltigkeit (mit Rand) M integriert werden. Dazu sei zun¨achst der Tr¨ager von ω in einem Ux enthalten. In diesem Fall setzt man Z Z ω= (φx |Vx ∩Rk )∗ ω Vx ∩Rk
M
Man beachte, dass φx |Vx ∩Rk+ : Vx ∩ Rk+ → Rn eine Abbildung zwischen einer offenen Teilmenge von Rk+ und Rn ist und wir das Integral schon auf offenen Mengen des Rk+ definiert haben.
Im allgemeinen Fall kann man annehmen, dass man ein lokal endliches System von Karten hat. Dann w¨ahlt man eine Zerlegung der 1, 1 = P f , spt fi ⊂ Uxi , und definiert i i Z XZ ω= fi ω M
i
M
5. TOPOLOGIE AUF DEN DIFFERENTIALFORMEN
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Man kann nun zeigen, dass alles wohldefiniert ist und nicht von der Wahl der Karten und der Wahl der Zerlegung der 1 abh¨angt. Theorem 4.2. (Satz von Stokes) Ist M ⊂ U eine orientierte kdimensionale Mannigfaltigkeit mit Rand und ω ∈ D k (U ) eine k − 1Form mit kompaktem Tr¨ager. Dann gilt Z Z dω = ω. M
∂M
Beweis: Siehe irgendein Buch u ¨ber Analysis in Rn . 5. Topologie auf den Differentialformen Wir definieren zun¨achst die Topologie auf E k (U ). Wegen Linearit¨at reicht es aus, eine Basis offener Umgebungen von 0 zu definieren. F¨ ur jedes i = 0, 1, . . ., jede kompakte Teilmenge K ⊂ U und jedes > 0 definiert man eine offene Umgebung Ui,K, von 0 durch ) ( #J X ∂ ω I (x) < Ui,K, := ω = ωI dxI ∈ E k (U ) : sup ∂x x∈K,#J≤i J I Das System der Ui,K, wird als Umgebungsbasis von 0 genommen.
Nun wird daraus die Topologie auf D k (U ) gewonnen. Eine Teilmenge S von D k (U ) ist nach Definition offen, wenn f¨ ur jedes kompakte K die Menge der Formen in S mit Tr¨ager in K offen (bzgl. der Topologie von E k (U )) ist. Satz 5.1. Eine Folge von k-Formen mit kompakten Tr¨agern, ω 1 , ω 2 , . . . ∈ D k (U ), konvergiert genau dann gegen eine k-Form ω ∈ D k (U ), wenn es eine kompakte Teilmenge K ⊂ U gibt, so dass alle Formen ω 1 , . . . ihren Tr¨ager in K haben und alle partiellen Ableitungen beliebiger Ordnung der Koeffizienten ωIj gleichm¨assig gegen die entsprechenden partiellen Ableitungen der Koeffizienten ωI von ω konvergieren.
KAPITEL 2
Stro ¨me 1. Definition und Beispiele Definition 1.1. Ein k-dimensionaler Strom auf U ist ein stetiges, lineares Funktional auf dem (topologischen) Raum D k (U ) der k-Formen auf U mit kompaktem Tr¨ager. Die Menge der k-dimensionalen Str¨ome auf U wird mit Dk (U ) bezeichnet. Beispiele: • Jede stetige FunktionRg auf R definiert einen 0-Strom Sg ∈ ∞ D0 (R) durch Sg (f ) = −∞ f (x)g(x)dx. • Sei a ∈ R. Dann definiert man durch δa (f ) := f (a) einen 0-Strom auf R. • Das Funktional f 7→ f 0 (a) definiert einen 0-Strom auf R. • 0-Str¨ome auf R werden auch als Distributionen bezeichnet. • F¨ ur a, b ∈ R, a < b definiert man [[a, b]] ∈ D1 (R) durch Rb [[a, b]](f (x)dx) := a f (x)dx. • Jede orientierte k-dimensionale Untermannigfaltigkeit M ⊂ n n R R definiert einen Strom [[M ]] ∈ Dk (R ) durch [[M ]](ω) = ω. M • Ist ξ ∈ E n−k (U ) eine n−k-Form (mit nicht notwendig kompaktem Tr¨ager), (U ) durch R so definiert man einen k-Strom Tξ ∈ Dkn−k Tξ (ω) := U ω ∧ ξ. Es gibt also eine Einbettung E (U ) → Dk (U ). Diese Beispiele werden uns immer wieder begegnen und noch verallgemeinert werden. Str¨ome kann man auf Differentialformen einschr¨anken“. ” Definition 1.2. Sei T ∈ Dk (U ) und ψ ∈ D m (U ), m ≤ k. Dann ist der Strom T xψ ∈ Dk−m (U ) definiert durch T xψ(ω) = T (ψ ∧ ω) ω ∈ D k−m (U ) Sp¨ater werden wir sehen, dass man gewisse Str¨ome auch auf Teilmengen einschr¨anken kann. 13
¨ 2. STROME
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Definition 1.3. Eine Folge von Str¨omen T1 , T2 , . . . ∈ Dk (U ) konvergiert schwach gegen T ∈ Dk (U ), in Zeichen Ti * T , falls limi→∞ Ti (ω) = T (ω) f¨ ur alle ω ∈ D k (U ) gilt. 2. Rand und Support Der Rand eines Stromes ist dual zur ¨ausseren Ableitung von Differentialformen definiert: Definition 2.1. Sei T ∈ Dk (U ). Dann definiert man den Rand von T durch ∂T ∈ Dk−1 (U ), ∂T (ω) := T (dω) (Falls k = 0, so ist definitionsgem¨ass ∂T = 0.) Beispiele: • Wir betrachten den 1-Strom [[a, b]] auf R, der durch [[a, b]](ωdx) = Rb ω(x)dx definiert ist. Dann ist ∂[[a, b]](f ) = [[a, b]](df ) = a Rb [[a, b]](f 0 (x)dx) = a f 0 (x)dx = f (b) − f (a) = (δb − δa )(f ). Es folgt ∂[[a, b]] = δb − δa . • F¨ ur eine glatte Funktion R ∞ g definiere einen 1-Strom Tg ∈ D1 (R) durch Tg (ωdx) = −∞ g(x)ω(x)dx und einen 0-Strom Sg ∈ R∞ D0 (R) durch Sg (f ) = −∞ g(x)f (x)dx. Dann ist ∂Tg (f ) = R∞ R∞ Tg (df ) = Tg (f 0 (x)dx) = −∞ g(x)f 0 (x)dx = − −∞ g 0 (x)f (x)dx = −Sg0 (f ). Also ist ∂Tg = −Sg0 . In diesem Sinne verallgemeinert ∂ die Ableitung einer Funktion. • Nimmt man f¨ ur g nur eine stetige Funktion, so ist Tg und damit ∂Tg immer noch definiert. Zum BeispielR sei g(x) = |x|. ∞ Dann ist ∂Tg (f ) = Tg (df ) = Tg (f 0 (x)dx) = −∞ |x|f 0 (x)dx = R0 R R R∞ ∞ 0 − −∞ xf 0 (x)dx + 0 xf 0 (x)dx = −∞ f (x)dx − 0 f (x)dx = S− sgn(x) (f ). Das stimmt mit der Anschauung u ¨berein, dass sgn(x) die Ableitung von |x| ist. Allerdings handelt es sich um eine Ableitung im Sinne der Distributionentheorie. • Sei M eine orientierte k-dimensionale Untermannigfaltigkeit (eventuell mit Rand) des Rn und [[M ]] der zugeh¨orige k-dimensionale Strom. Dann R ist nach dem Satz von Stokes ∂[[M ]](ω) = [[M ]](dω) = R ω = [[∂M ]](ω). Also ist ∂[[M ]] = [[∂M ]]. In diedω = ∂M M sem Sinne verallgemeinert ∂ den Rand von Untermannigfaltigkeiten. • Ist ξ ∈ E n−k (U ), so gilt ∂Tξ = (−1)k Tdξ , also verallgemeinert ∂ auch die ¨aussere Ableitung von Formen. • F¨ ur alle Str¨ome T ∈ Dk (U ) gilt ∂∂T = 0, wie man aus ddω = 0 unmittelbar erh¨alt.
3. MASSE
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Der Tr¨ager (oder englisch support) eines Stromes T ∈ Dk (U ) ist definiert als kleinste abgeschlossene Teilmenge B, so dass T angewendet auf eine Differentialform mit Tr¨ager ausserhalb B verschwindet: spt T := {∩K⊂U K relativ abgeschlossen in U, T (ω) = 0 f¨ ur alle ω ∈ D k (U ) mit spt ω ⊂ U \ K} 3. Masse Um die Masse eines Stromes zu definieren, werden wir zun¨achst die euklidische Masse und die Masse einer Differentialform definieren. Die Masse eines Stromes wird dann dual dazu definiert. P Die euklidische Masse der Form ω = ωα dxα ∈ D k (U ) ist im Punkt x ∈ U definiert als s X |ω(x)| := ωα (x)2 α
Die Masse von ω in x ist definiert als kω(x)k := sup{ω(v1 , . . . , vk ), vk ∈ Tx Rn , kvi k ≤ 1} Jetzt kann man die euklidische Masse eines Stromes T ∈ Dk (U ), U ⊂ Rn definieren als M (T ) := sup{T (ω), |ω(x)| ≤ 1 ∀x ∈ U } Die Masse von T ist entsprechend definiert als M (T ) := sup{T (ω), kω(x)k ≤ 1 ∀x ∈ U } Man kann ohne Probleme zeigen, dass Masse und euklidische Masse bis auf einen Faktor c, der nur von n abh¨angt, u ¨bereinstimmen: c−1 M (T ) ≤ M (T ) ≤ cM (T ) F¨ ur das Standardbeispiel T = [[M ]], M orientierte Untermannigfaltigkeit, ist M (T ) das k-dimensionale Hausdorffmass von M (und dieses ist gleich dem Volumen bez¨ uglich der induzierten Riemannschen Metrik). Hausdorffmasse werden in Kapitel 4 definiert und untersucht. F¨ ur geometrische Anwendungen ist die Masse des Stromes wichtiger als die Euklidische Masse. Ist man aber nicht am konkreten Wert, sondern nur an der Gr¨ossenordnung interessiert, so ist die Euklidische Masse oft einfacher zu handhaben. Definition 3.1. Eine Folge von Str¨omen Ti konvergiert in der Massenorm gegen T , wenn M (Ti − T ) → 0 gilt. Wir schreiben in diesem Fall Ti → T .
16
¨ 2. STROME
Offenbar ist M (T ) = 0 genau dann, wenn T = 0. Hat man eine Folge von Str¨omen Tj ∈ Dk (U ), so dass M (Tj ) → 0, so gilt f¨ ur jede feste Differentialform ω ∈ D k (U ) Tj (ω) ≤ M (Tj ) sup kω(x)k → 0 x∈U
Also folgt aus Konvergenz bez¨ uglich der Massenorm die schwache Konvergenz. Die Umkehrung davon gilt nicht. Zum Beispiel ist mit Tj := δj M (Tj ) = 1, aber Tj * 0. Allerdings hat man folgende Halbstetigkeit der Masse, die f¨ ur das Plateauproblem von Bedeutung ist: Lemma 3.2. Halbstetigkeit der Masse Seien Tj , T ∈ Dk (U ) mit Tj * T . Dann ist M (T ) ≤ lim inf M (Tj ) j→∞
Beweis: W¨ahle > 0 und ω ∈ D k (U ), kω(x)k ≤ 1∀x ∈ U so dass T (ω) ≥ M (T ) − . Dann ist lim inf j→∞ M (Tj ) ≥ lim inf j→∞ Tj (ω) = T (ω) ≥ M (T ) − . Das gilt f¨ ur alle > 0, woraus die Behauptung folgt. 2 4. Stro ¨me mit endlicher Masse und normale Stro ¨me Die Menge der Str¨ome T ∈ Dk (U ) mit M (T ) < ∞ wird aufgrund des Ries’schen Darstellungssatzes eine besondere Rolle spielen. F¨ ur viele S¨atze ist zudem noch n¨otig, dass auch der Rand endliche Masse hat. Man definiert die folgenden beiden Mengen: Mk (U ) := {T ∈ Dk (U ) : M (T ) < ∞} (Str¨ome endlicher Masse) Nk (U ) := {T ∈ Dk (U ) : M (T ) < ∞, M (∂T ) < ∞}(Normale Str¨ome) Als Beispiel eines Stromes T , der nicht normal ist, aber endliche Masse hat, betrachten wir T ∈ D1 (R), definiert durch T (ω(x)dx) = ω(0). Dann ist M (T ) = 1, denn kω(x)dxk = supx |ω(x)|. Andererseits ist ∂T (f ) = f 0 (0), f ∈ D 0 (R) und das hat unendliche Masse, denn f kann in jedem Punkt durch 1 beschr¨ankt sein und dennoch beliebig grosse Ableitung bei 0 haben. Lemma 4.1. Sei T ∈ Nk (U ), ψ ∈ D m (U ). Dann ist T xψ ∈ Nk−m (U ). Beweis: Sei ω ∈ D k−m (U ). Dann ist T xψ(ω) = T (ψ ∧ω) ≤ M (T )kψ ∧ ωk ≤ cn M (T ) supU kψk supU kωk. Daraus folgt M (T xψ) ≤ cn M (T ) sup kψk < ∞ U
¨ STROME ¨ 5. DARSTELLUNGSSATZ FUR MIT LOKAL ENDLICHER MASSE 17
F¨ ur ω ∈ D k−m−1 (U ) ergibt sich ∂(T xψ)(ω) = T xψ(dω) = T (ψ ∧ dω) = (−1)m T (d(ψ ∧ ω)) − (−1)m T (dψ ∧ ω) = (−1)m ∂T xψ(ω) − (−1)m T xdψ(ω) Also ist ∂(T xψ) = (−1)m ∂T xψ − (−1)m T xdψ und beide Summanden haben nach dem oben Bewiesenen endliche Masse. 2 ¨ Da viele Uberlegungen und Konstruktionen in der Geometrischen Masstheorie lokal sind, ist es n¨ utzlich, noch folgende lokale Definitionen zu machen. Sei V ⊂ U offen. Dann setzt man M V (T ) := sup{T (ω), |ω(x)| ≤ 1 ∀x ∈ U, spt ω ⊂ V } MV (T ) := sup{T (ω), kω(x)k ≤ 1 ∀x ∈ U, spt ω ⊂ V } und entsprechend
Mk,lok (U ) := {T ∈ Dk (U ) : MV (T ) < ∞, ∀V offen mit V¯ kompakt} (Str¨ome mit lokal endlicher Masse) Nk,lok (U ) := {T ∈ Dk (U ) : MV (T ) < ∞, MV (∂T ) < ∞ ∀V offen mit V¯ kompakt} (Lokal normale Str¨ome)
5. Darstellungssatz fu ome mit lokal endlicher Masse ¨r Str¨ Um den Darstellungssatz f¨ ur Str¨ome mit endlicher Masse formulieren und beweisen zu k¨onnen, ben¨otigen wir einige Begriffe aus der Masstheorie, die hier in Erinnerung gerufen werden sollen. Sei U ⊂ Rn eine offene Menge. Definition 5.1. (1) Die Borel-σ-Algebra B(U ) ist die kleinste σAlgebra, die die offenen Teilmengen von U enth¨alt. (2) Ein Mass µ auf U heisst Borelmass, wenn die Mengen aus B(U ) messbar sind, d.h. f¨ ur E ∈ B(U ) und F ⊂ U gilt µ(F ) = µ(F \ E) + µ(F ∩ E). (3) Ein Borelmass µ heisst Borel-regul¨ar, wenn es zu jedem A ⊂ U ein B ∈ B(U ) gibt mit µ(A) = µ(B). (4) Ein Mass µ auf U heisst Radonmass, wenn es Borel-regul¨ar ist und wenn µ(K) < ∞ f¨ ur kompakte Mengen K.
¨ 2. STROME
18
(5) Ein vektorwertiges Mass ist eine Funktion η : Bc (U ) → Rm , so dass es ein Radonmass µ und integrierbare Funktionen f1 , . . . , fm gibt mit η = µx(f1 , . . . , fm ), d.h. Z η(E) = (f1 , . . . , fm )dµ E
Theorem 5.2. (Darstellungssatz von Riesz) (1) Ist λ(f ) := R η ein vektorwertiges Mass auf U∞, so definiert m hf, dηi eine lineare Abbildung λ : Cc (U, R ) → R mit lokal U endlicher Masse, d.h. f¨ ur jede kompakte Menge K ⊂ U gilt sup{λ(f ) : f ∈ Cc∞ (U, Rm ), |f | ≤ 1, spt f ⊂ K} < ∞
(2) Ist umgekehrt λ : Cc∞ (U, Rm ) → R eine lineare Abbildung mit lokal endlicherRMasse, so gibt es ein vektorwertiges Mass η auf U mit λ(f ) = U hf, dηi.
Siehe [Si] f¨ ur den Beweis.
Sei T ∈ Mk,lok . Man definiert die totalen Variationen von T durch |T |(φ) := sup{T (ω) : |ω(x)| ≤ φ(x)∀x ∈ U } φ ∈ Cc∞ (U ), φ ≥ 0 kT k(φ) := sup{T (ω) : kω(x)k ≤ φ(x)∀x ∈ U } φ ∈ Cc∞ (U ), φ ≥ 0 Wir bezeichnen mit Λk Rn die k. antisymmetrische Potenz von P Rn , sie besteht aus Multivektoren, d.h. endlichen Linearkombinationen cI vi1 ∧ vi2 ∧ · · · ∧ vik , cI ∈ R. F¨ ur jeden Multiindex I mit #I = k ist ∂xI := ∂ ∂ ∧ · · · ∧ ∂xi ein k-Multivektor. ∂xi 1
k
Theorem 5.3. (Darstellungssatz fu ¨r Stro ¨me mit lokal endlicher Masse) Sei T ∈ Mk,lok (U ). Dann gibt es eine kT k-messbare Abbildung T~ : U → Λk Rn so dass sich T darstellen l¨asst durch Z T (ω) = hω, T~ idkT k U
Man schreibt in diesem Fall T = kT kxT~ .
R Beweis: Aus dem Darstellungssatz von Riesz folgt T (ω) = U hω, dηi ~ mit µ f¨ ur ein Mass mit Werten in Λk Rn . Dann schreibt man η = µxL ~ : U → Λk Rn lokal µ-integrierbar. Mit Hilfe einem Radonmass und L dµ ~ L. 2 des Satzes von Radon-Nikodym setzt man dann T~ := d|T k Bemerkung: Es gilt kT~ (x)k = 1 f¨ ur kT k-fast alle x ∈ U . Falls sich ein Strom T darstellen l¨asst als T = µxf mit µ einem Radonmass, f : U → Λk Rn lokal µ-integrierbar, dann ist T ∈ Mk,lok .
¨ 6. PRODUKT VON STROMEN
19
Definition 5.4. (Einschr¨ ankung von Stro ¨men auf Teilmengen und Funktionen) Sei T ∈ Mk,lok (U ) und A ⊂ U eine Borelmenge. Dann definiert man durch Z T xA(ω) := hω, T~ idkT k A
einen Strom T xA ∈ Mk,lok , der Einschr¨ankung von T auf A genannt wird. Etwas allgemeiner kann man durch Z T xf := hω, T~ if dkT k U
einen Strom mit lokal endlicher Masse auf eine beschr¨ankte Borelfunktion f einschr¨anken.
Als Beispiel nehme man eine Borelmenge A in einer orientierten Untermannigfaltigkeit M und setze T := [[M ]]. Dann ist T xA gegeben durch Integration u ¨ber A. Ist A selbst eine orientierte Untermannigfaltigkeit, so ist jedoch T xA 6= [[A]], ausser wenn A die gleiche Dimension wie M hat. 6. Produkt von Str¨ omen Seien U1 ⊂ Rn1 , U2 ⊂ Rn2 und S ∈ Dm1 (U1 ), T ∈ Dm2 (U2 ). Wir definieren das Produkt von S und T , S × T ∈ Dm1 +m2 (U1 × U2 ) wie folgt. Die Koordinaten von Rn1 seien x1 , . . . , xn1 , die von Rn2 seien y1 , . . . , yn2 . Eine Differentialform ω ∈ D ∗ (U1 × U2 ) hat die Gestalt X ω= ωα,β (x, y)dxα ∧ dy β α,β
Dann definieren wir S × T (ω) =
X
S(T (ωα,β dy β )dxα )
α,β
Satz 6.1. Es gelten folgende Aussagen: (1) spt(S × T ) = spt S × spt T . (2) ∂(S × T ) = ∂S × T + (−1)m1 S × ∂T . (3) Haben S und T endliche Masse, so gilt c−1 M (S×T ) ≤ M (S)M (T ) ≤ cM (S × T ) mit einer nur von n abh¨angigen Konstante c > 1. P Beweis: 1) Setze ωα (x) := β T (ωα,β (x, y)dy β ). Dann ist S × T (ω) = P S( α ωα (x)dxα ). Falls das nicht Null ist, gibt es einen Index α und ein x ∈ spt S mit ωα (x) 6= 0. Daraus folgt, dass es einen Index β und ein y ∈ spt T gibt mit ωα,β (x, y) 6= 0. Damit haben wir spt S ×
¨ 2. STROME
20
T ⊆ spt S × spt T P bewiesen. Die andere Richtung folgendem P folgt mit α β Argument: Sei S( α ξα (x)dx ) 6= 0 und T ( β ηβ (y)dy ) 6= 0. Dann P ist S × T ( α,β ξα (x)ηβ (y)dxα ∧ dy β ) 6= 0. 2) Es reicht aus, die Gleichheit f¨ ur eine Form ω = ωα,β (x, y)dxα ∧ dy β zu zeigen. Es ist X ∂ωα,β (x, y) X ∂ωα,β (x, y) i α β dω = dx ∧ dx ∧ dy + dy j ∧ dxα ∧ dy β i j ∂x ∂y i j
woraus folgt
∂(S × T )(ω) = S × T (dω) ∂ωα,β β = S(T ( dy )dxi ∧ dxα ) ∂xi ∂ωα,β (x, y) j dy ∧ dy β )dxα ) + (−1)|α| S(T ( ∂y j = S(d(T (ωα,β dy β )dxα )) + (−1)|α| S(T (d(ωα,β dy β ))dxα ) = ∂S × T (ωα,β dxα ∧ dy β ) + (−1)|α| S × ∂T (ωα,β dxα ∧ dy β ) = ∂S × T (ω) + (−1)m1 S × ∂T (ω) Dabei wurde in der letzten Zeile benutzt, dass S ×∂T (ωα,β dxα ∧dy β ) = 0 falls |α| 6= m1 . 3) Wir benutzen, die Tatsache, dass sich euklidische Masse und Masse einer Form in einem Punkt h¨ochstens um einen von n abh¨angigen Faktor unterscheiden. Es folgt X X (S × T (ω))2 = (S( T( ωα,β dy β )dxα ))2 α
β
≤ M (S)2 sup
x∈U1
≤ M (S)2 sup x∈U1
X
T(
α
X
X β
M (T )2 sup
α
≤ M (S)2 M (T )2
ωα,β (x, y)dy β )2
X
y∈U2
X
sup
ωα,β (x, y)2
β
ωα,β (x, y)2
α,β (x,y)∈U1 ×U2
≤ c(n)(M (S)M (T ))2
sup
kω(x, y)k2
(x,y)∈U1 ×U2
und damit M (S × T ) ≤ c(n)M (S)M (T ). P α Zu beliebigem > 0 kann man Formen ω1 := α ξα dx und ω2 := P β β ηβ dy finden mit |ω1 (x)| ≤ 1, ∀x ∈ U1 und |ω2 (y)| ≤ 1, ∀y ∈ U2 und S(ω1 ) ≥ M (S) − , T (ω2 ) ≥ M (T ) − . Dann gilt f¨ ur ω := P α β α,β ξα ηβ dx ∧ dy : |ω(x, y)| = |ω1 (x)||ω2 (y)| ≤ 1, ∀(x, y) ∈ U1 × U2 und S × T (ω) = S(ω1 )T (ω2 ) ≥ (M (S) − )(M (T ) − ). Es folgt
7. BILD EINES STROMES UNTER EINER GLATTEN ABBILDUNG
21
M (S ×T ) ≥ (M (S)−)(M (T )−) f¨ ur alle und insgesamt M (S ×T ) ≥ M (S)M (T ). Da sich M und M h¨ochstens um einen von n abh¨angigen Faktor unterscheiden, folgt M (S × T ) ≥ c(n)M (S)M (T ) 2 Die letzte Aussage des Satzes kann in einem Spezialfall noch versch¨arft werden, dieser Fall wird sp¨ater noch ben¨otigt: Lemma 6.2. Sei T ein Strom mit endlicher Masse. Dann hat auch [[0, 1]] × T endliche Masse und es gilt: k[[0, 1]] × T k = L1 |[0,1] × kT k −−−−−−−→ [[0, 1]] × T (t, x) = e1 (t) ∧ T~ (x) Dabei ist e1 (t) ∈ Tt (0, 1) der kanonische Einheitsvektor. ¨ Beweis: UA.
2
7. Bild eines Stromes unter einer glatten Abbildung 0
Sei T ∈ Dk (U ), U ⊂ Rn ein Strom und f : U → V, V ⊂ Rn eine glatte (d.h. C ∞ ) Abbildung. Wir setzen voraus, dass f |spt T eigentlich ist, das bedeutet dass f¨ ur jede kompakte Menge K ⊂ V die Menge f −1 (K) ∩ spt T kompakt in U ist. Definition 7.1. Das Bild f# T des Stromes T ist definiert durch f# T (ω) := T (ζf #ω), wobei ζ eine glatte Funktion mit kompaktem Tr¨ager ist, die in einer Umgebung von spt T ∩ spt f # ω identisch 1 ist. Bemerkungen: (1) Es ist spt f # ω ⊂ f −1 (spt ω). Da f |spt T eigentlich ist, ist spt T ∩ spt f # ω als abgeschlossene Teilmenge einer kompakten Menge ebenfalls kompakt. (2) Die Funktion ζ muss eingef¨ uhrt werden, damit man T anwenden kann. Denn es ist durchaus m¨oglich, dass f # ω keinen kompakten Tr¨ager hat. In diesem Fall schneidet man mit ζ den Teil, der ausserhalb von spt T liegt, ab. (3) Die Definition h¨angt nicht von der Wahl von ζ ab, wie man leicht nachrechnet. Es gilt ∂f# T (ω) = f# T (dω) = T (ζf # dω) = T (d(ζf #ω)) = ∂T (ζf # ω) = f# (∂T )(ω), also ∂(f# T ) = f# (∂T ). Weiterhin kann man spt f# T ⊂ f (spt T )
¨ 2. STROME
22
nachrechnen. Beispiel: Die Bedingung, dass f |spt T eigentlich ist, ist wesentlich. Nimmt man beispielsweise U = (0, ∞) und V = R, f : U → V die Inklusion und T = [[0, b]] ∈ D1 (U ), b > 0, so gilt ∂T = δb , f# ∂T = δb , f# T = [[0, b]] ∈ D1 (R), ∂f# T = δb − δ0 . Also gilt f# ∂T 6= ∂f# T .
8. Homotopieformel 0
Satz 8.1. (Homotopieformel) Seien U ⊂ Rn , V ⊂ Rn offene Mengen, f, g : U → V glatte Abbildungen und h : [0, 1] × U → V eine glatte Homotopie zwischen ihnen (d.h. h(0, x) = f (x), h(1, x) = g(x)). Sei T ∈ Dk (U ). Wir nehmen an, dass h eigentlich in [0, 1] × spt T ist. Dann gilt g# T − f# T = ∂h# ([[0, 1]] × T ) + h# ([[0, 1]] × ∂T ) Beweis: Es ist spt([[0, 1]] × T ) = [0, 1] × spt T . Also ist h|spt([[0,1]]×T ) eigentlich. Es folgt, dass h# ([[0, 1]] × T ) definiert ist und es gilt ∂h# ([[0, 1]] × T ) = h# ∂([[0, 1]] × T ) = h# (δ1 × T − δ0 × T − [[0, 1]] × ∂T ) = g# T − f# T − h# ([[0, 1]] × ∂T ). Dabei wurde benutzt, dass δ0 × T = τ# T gilt, wobei τ die Einbettung von U in [0, 1] × U ist, die x auf (0, x) abbildet. Daraus folgt, dass f# T = h# ◦ τ# T = h# (δ0 × T ) und analog h# (δ1 × T ) = g# T . 2 Lemma 8.2. In der Situation der Homotopieformel nehmen wir an, dass T endliche Masse hat und dass die Homotopie h explizit gegeben ist durch h(t, x) = (1 − t)f (x) + tg(x). Dann gilt M (h# ([[0, 1]] × T )) ≤ cn sup |f − g| sup (|Df | + |Dg|)k M(T ) spt T
spt T
Beweis: Wir benutzen folgende Gleichungen, die in Lemma 6.2 her−−−−−−−→ geleitet wurden: k[[0, 1]] × T k = L1 |[0,1] × kT k, [[0, 1]] × T = e1 ∧ T~ . Damit folgt f¨ ur ω ∈ D k+1 (V )
9. BILD EINES STROMES UNTER EINER LIPSCHITZABBILDUNG
h# ([[0, 1]] × T )(ω) = =
=
Z
Z
Z
23
he1 ∧ T~ , h# ωid(L1|[0,1] × kT k) (0,1)×U
hω(h(x)), Λk+1 Dh(t, x)(e1 ∧ T~ (x))i (0,1)×U
d(L1 |[0,1] × kT k)(t, x) hω(h(x)), (g(x) − f (x)) ∧ Λk Dx h(t, x)(T~ (x))i (0,1)×U
d(L1 |[0,1] × kT k)(t, x)
Nehmen wir an, dass kωk ≤ 1, so ergibt sich Z |h# ([[0, 1]] × T )(ω)| ≤ cn |g(x) − f (x)||Λk Dx h(t, x)(T~ (x))| (0,1)×U
d(L1 |[0,1] × kT k)(t, x)
≤ cn sup |g − f | sup |Λk Dx h(t, x)(T~ (x))| spt T spt T Z d(L1 |[0,1] × kT k)(t, x) (0,1)×U
≤ cn sup |g − f | sup (|Df | + |Dg|)k M(T ) spt T
spt T
Das war zu zeigen.
2
9. Bild eines Stromes unter einer Lipschitzabbildung Wir werden nun das Bild eines Stromes unter einer Lipschitzabbildung definieren und beschr¨anken uns dabei- aus technischen Gr¨ unden- auf n den Fall U = R . Definition und Satz 9.1. Sei T ∈ Nk (Rn ) ein normaler Strom, f : Rn → Rm Lipschitz und f |spt T eigentlich. F¨ ur eine Form ω ∈ D k (Rm ) definieren wir f# T (ω) := lim fi# T (ω) i→∞
wobei {fi } eine Folge glatter Funktionen ist, f¨ ur die die folgenden Bedingungen erf¨ ullt sind: (1) fi → f uniform auf Rn , d.h. es existiert eine Folge 1 , 2 , . . . → 0 mit kfi (x) − f (x)k ≤ i , ∀x ∈ Rn . (2) |Dfi |, i = 1, 2, . . . ist uniform durch L0 ∈ R beschr¨ankt. Dann gelten folgende Aussagen:
¨ 2. STROME
24
(1) Der Grenzwert existiert f¨ ur jede solche Folge {fi }, jedes ω und ist von der Wahl der Folge unabh¨angig. (2) f# T ∈ Dk (Rm ). (3) Ist L die Lipschitzkonstante von f , so ist M(f# T ) ≤ Lk M(T ) < ∞. (4) Falls f glatt ist, so stimmt die Definition mit der vorher gegebenen u ¨berein. (5) f# ∂T = ∂f# T . (6) f# T ∈ Nk (Rm ). Beweis: Zun¨achst muss gezeigt werden, dass der Ausdruck fi# T u ¨ berhaupt Sinn macht, d.h. es muss gezeigt werden, dass fi |spt T eigentlich ist. Sei dazu ˜ die Menge der Punkte in Rm , K ⊂ Rm eine kompakte Menge. Sei K deren Abstand zu K h¨ochstens i ist. Diese Menge ist kompakt. Ist ˜ Also ist f −1 (K) ∩ spt T ⊂ x ∈ Rn mit fi (x) ∈ K so folgt f (x) ∈ K. i ˜ f −1 (K)∩spt T und diese letzte Menge ist kompakt nach Voraussetzung an f . Es folgt, dass auch fi eigentlich ist. 1) F¨ ur feste i, j betrachten wir die affine Homotopie h : (0, 1) × U → V, (t, x) 7→ (1 − t)fi (x) + tfj (x). Um zu zeigen, dass diese Homotopie eigentlich in [0, 1] × spt T ist, w¨ahlen wir eine kompakte Menge K ⊂ Rm . Ist h(t, x) = (1 − t)fi (x) + tfj (x) ∈ K dann folgt wegen kf (x) − (1 − t)fi (x) − tfj (x)k ≤ (1 − t)i + ˜ wobei K ˜ die kompakte Menge der tj ≤ max{i , j } dass f (x) ∈ K, m Punkte in R ist, deren Abstand zu K h¨ochstens max{i , j } betr¨agt. ˜ ∩ spt T ). Da die letzte Also ist h−1 (K) ∩ [0, 1] × spt T ⊂ [0, 1] × (f −1 (K) Menge nach Voraussetzung an f kompakt ist, folgt dass h eigentlich ist. Nach der Homotopieformel gilt fj# T (ω) − fi# T (ω) = h# ([[0, 1]] × T )(dω) + h# ([[0, 1]] × ∂T )(ω) Jetzt wendet man Lemma 8.2 sowohl auf T als auch auf ∂T an, beide haben nach Voraussetzung endliche Masse. Der Absolutbetrag des ersten Summands ist nach oben beschr¨ankt durch |h# ([[0, 1]] × T )(dω)| ≤ M (h# ([[0, 1]] × T )) sup kdωk ≤ cn sup |fi − fj |(|Dfi | + |Dfj |)k M (T ) · sup kdωk spt T k
≤ 2k L0 cn M (T )(i + j ) sup kdωk Aus den Voraussetzungen an die Folge {fi } folgt, dass dieser Term f¨ ur i, j → ∞ gegen 0 konvergiert. Analog findet man, dass auch der zweite
9. BILD EINES STROMES UNTER EINER LIPSCHITZABBILDUNG
25
Term gegen 0 konvergiert: |h# ([[0, 1]] × ∂T )(ω)| ≤ M (h# ([[0, 1]] × ∂T )) sup kωk ≤ cn sup |fi − fj |(|Dfi | + |Dfj |)k−1 M (∂T ) · sup kωk spt T
≤2
k−1
L0
k−1
cn M (∂T )(i + j ) sup kωk
Also gilt |fj# T (ω) − fi# T (ω)| ≤ c(k, L0 , n)(M (T ) + M (∂T ))· · (i + j ) sup(kωk + kdωk) (1) Es folgt, dass {fi# T (ω)}i f¨ ur festes ω eine Cauchyfolge bildet und somit einen Grenzwert besitzt. Die Unabh¨angigkeit von der Wahl der Folge {fi }i folgt sofort aus der Existenz des Grenzwertes, indem man zwei Folgen ineinanderschachtelt. 2) Die Abbildung ω 7→ f# T (ω) ist linear nach Konstruktion. F¨ ur die Stetigkeit benutzt man die uniforme Masseabsch¨atzung M (fi#T ) ≤ L0 k M (T ) und Ungleichung 1 (mit j → ∞) und erh¨alt |f# T (ω)| ≤ M (fi# T ) sup kωk + c(k, L0 , n)(M (T ) + M (∂T ))· · i sup(kωk + kdωk) k
≤ L0 M (T ) sup kωk + c(k, L0 , n)(M (T ) + M (∂T ))· · i sup(kωk + kdωk) Da der zweite Summand f¨ ur i → ∞ gegen 0 geht, folgt M (f# T ) ≤ 0k L M (T ). 3) Durch geschickte Wahl von fi (Gl¨atten von f ) kann man erreichen, dass lim inf i→∞ sup |Dfi | ≤ L gilt. Mit 2) folgt dann M (f# T ) ≤ Lk M (T ). 4) Ist f selbst glatt, so kann man nat¨ urlich fi := f, i = 1, . . . , setzen ¨ und die Aquivalenz mit der vorherigen Definition ist evident. 5) Es gilt wegen der analogen Aussage f¨ ur glatte Funktionen f# ∂T (ω) = lim fi# ∂T (ω) i→∞
= lim fi# T (dω) i→∞
= f# T (dω) = ∂(f# T )(ω) 6) Wendet man Aussage 3) auf ∂T an und benutzt 5), so erh¨alt man M (∂f# T ) = M (f# ∂T ) ≤ Lk−1 M (∂T ) < ∞. 2
26
¨ 2. STROME
Bemerkung: F¨ ur festes ω gibt es Folgen {fj }, die den beiden Bedingungen von Definition und Satz 9.1 gen¨ ugen. Zum Beispiel kann man sich eine feste glatte Funktion g mit kompakten Tr¨ager w¨ahlen, g ∈ Cc∞ (Rn ), und setzt gi (x) := in g(ix). Dann konvergieren die Faltungen fi := f ∗ gi gleichm¨assig gegen f und lim supi→∞ |Dfi | ≤ L. 2
KAPITEL 3
Schnitte von normalen Stro ¨men 1. Kodimension 1 Definition 1.1. Sei T ∈ Nk (U ) und f : U → R eine Lipschitzfunktion. Definiere hT, f, y − i := ∂(T x{f < y}) − ∂T x{f < y} hT, f, y + i := −∂(T x{f > y}) + ∂T x{f > y} Die Voraussetzung T ∈ Nk (U ) ist offenbar n¨otig, damit man die Definition u ¨berhaupt hinschreiben kann, denn das Einschr¨anken funktioniert nur bei Str¨omen mit endlicher Masse. Satz 1.2. Bis auf eine abz¨ahlbare Menge von Werten y gilt hT, f, y − i = hT, f, y + i. Bevor der Satz bewiesen wird, brauchen wir einige Lemmas. Lemma 1.3. Sei T ∈ Dk (U ) mit M (T ) < ∞ und A1 , . . . , Al relativ abgeschlossene, disjunkte Teilmengen von U . Dann gilt M (T ) ≥
l X
M (T xAi )
i=1
Beweis: Sei > 0. W¨ahle ωi ∈ D k (U ) mit kωi (x)k ≤ 1, ∀x ∈ U und T xAi (ωi ) ≥ M (T xAi ) − . Nach dem Satz von Whitney existieren (n) := glatte Funktionen hi auf U mit 0 ≤ hi ≤ 1, h−1 i (1) = Ai . Setze ω P n h ω . i i i Es folgt lim supn→∞ kω (n) k ≤ 1 und somit XZ (n) M (T ) ≥ lim sup T (ω ) = lim sup hni hωi , T~ idkT k n→∞
=
XZ i
n→∞
lim
U n→∞
i
hni hωi , T~ idkT k
=
U
XZ i
=
X i
27
hωi , T~ idkT k
U ∩Ai
(T xAi )(ωi ) ≥
X i
M (T xAi ) − l
¨ 3. SCHNITTE VON NORMALEN STROMEN
28
Wir haben dabei benutzt, dass hni → 1Ai punktweise und dass |hωi , T~ i| eine kT k-integrierbare Majorante ist (Lebesgue’s Majorantenkriterium). Da beliebig war, folgt die Behauptung.
2
Lemma 1.4. Sei T ∈ Nk (U ) und f : U → R eine Lipschitzfunktion. Dann gilt M (T x{f = y}) + M (∂T x{f = y}) = 0 bis auf abz¨ahlbar viele Werte von y. Beweis: Nach dem obigen Lemma (auf T und ∂T angewendet) gilt f¨ ur paarweise verschiedene Werte y1 , . . . , yl l X
M (T x{f = yi }) + M (∂T x{f = yi }) ≤ M (T ) + M (∂T ) < ∞
i=1
Also gibt es f¨ ur festes > 0 nur endlich viele Werte von y mit M (T x{f = y}) + M (∂T x{f = y}) > . Daraus folgt die Behauptung. 2 Beweis des Satzes: Bis auf eine abz¨ahlbare Menge von Werten f¨ ur y gilt M (T x{f = y}) + M (∂T x{f = y}) = 0. W¨ahle ein solches y. Dann ist hT, f, y + i − hT, f, y − i = ∂T x{f > y} + ∂T x{f < y} − ∂(T x{f > y}) − ∂(T x{f < y}) T und ∂T haben endliche Masse und sind somit durch Integration darstellbar. Aus ∂T x{f = y} = 0 folgt ∂T x{f > y} + ∂T x{f < y} = ∂T und aus T x{f = y} = 0 folgt ∂(T x{f > y}) + ∂(T x{f < y}) = ∂T . 2 Lemma 1.5. ∂hT, f, y ± i = −h∂T, f, y ± i Beweis: trivial.
2 2. Beliebige Kodimension
Wir nehmen jetzt an, dass f : U → Rm eine Lipschitzfunktion ist, T ∈ Nk (U ) ein normaler Strom. Wir wollen den Schnitt von T mit der Menge f −1 (y) f¨ ur y ∈ Rm definieren. Dazu definieren wir 1 Tρ := T xf # (χB(y,ρ) dy 1 ∧ · · · ∧ dy m ) ωm ρ m Es ist nicht unmittelbar klar, was damit gemeint ist, denn χB(y,ρ) dy 1 ∧ · · ·∧ dy m ) ist keine glatte Form. Um dem Ausdruck dennoch einen Sinn
2. BELIEBIGE KODIMENSION
29
zu geben, betrachten wir zun¨achst eine glatte Form φ ∈ D m (Rm ) und eine glatte Abbildung f . Dann gilt offenbar f¨ ur ψ ∈ D k−m (U ) T xf # φ(ψ) = T (f # φ ∧ ψ) = (−1)m(k−m) T (ψ ∧ f # φ) = (−1)m(k−m) T xψ(f # φ) = (−1)m(k−m) f# (T xψ)(φ) Die rechte Seite ist jedoch auch noch f¨ ur Lipschitz-Funktionen und Formen φ mit beschr¨ankten Borel-Koeffizienten wohldefiniert, denn f# (T xψ) ist ein normaler m-Strom in Rm und es gilt folgendes Lemma: Lemma 2.1. Sei S ∈ Nm (Rm ). Dann gibt es eine absolut integrierbare Funktion ηS so dass f¨ ur alle ω ∈ D m (Rm ) Z S(ω) = ηS hω, ∂y1 ∧ · · · ∧ ∂ym idLm Rm
gilt.
F¨ ur φ mit beschr¨ankten Borelkoeffizienten und Lipschitzfunktionen f definieren wir also T xf # φ(ψ) durch (−1)m(k−m) f# (T xψ)(φ). Definition 2.2. F¨ ur alle y, f¨ ur die der schwache Grenzwert limρ→0 Tρ existiert, definieren wir hT, f, yi := lim Tρ ρ→0
Satz 2.3. (1) hT, f, yi existiert f¨ ur fast alle y. (2) spthT, f, yi ⊂ spt T ∩ f −1 (y). (3) ∂hT, f, yi = (−1)m h∂T, f, yi. (4) Ist m = 1, so ist hT, f, yi = 12 hT, f, y − i + 21 hT, f, y + i f¨ ur fast alle y ∈ R. (5) hT, f, yi ∈ Nk−m (U ). Beweis: 1) Wir benutzen ohne Beweis den folgenden ber¨ uhmten Satz von Lebesgue: Satz 2.4. Ist f ∈ L1 (Rn ), so gilt f¨ ur fast jedes y ∈ Rn Z 1 lim u(x)dx = u(y) r→0 ωn r n B(y,r) 2 Setzt man ηψ := ηf# (T xψ) , so ergibt sich Tρ (ψ) = (−1)
m(k−m)
1 ωm ρ m
Z
ηψ (x)dx B(y,ρ)
¨ 3. SCHNITTE VON NORMALEN STROMEN
30
Da ηψ eine absolut integrierbare Funktion ist, folgt aus Lebesgue’s Satz, dass (f¨ ur festes ψ) f¨ ur fast alle y ∈ Rm der Grenzwert limρ→0 Tρ (ψ) existiert. W¨ahlt man eine abz¨ahlbare dichte Teilmenge C ⊂ D k−m (U ), so existiert hT, f, yi(φ) f¨ ur alle ψ ∈ C und fast alle y ∈ Rm . Lemma 2.5. Es gibt eine Konstante C, die nur von M (T ), M (∂T ) und der Lipschitzkonstante von f abh¨angt, so dass lim supρ→0 M (Tρ ) ≤ C f¨ ur fast alle y gilt. Zum Beweis siehe Federer, das benutzt genauere Dichteabsch¨atzungen ¨ und Uberdeckungss¨ atze, wie sie im n¨achsten Kapitel besprochen werden. Ist α ∈ D k−m (U ) und ψ ∈ C, so gilt |Tρ (α) − Tρ (ψ)| ≤ M (Tρ ) sup kα(x) − ψ(x)k x∈U
L¨asst man ρ gegen 0 gehen, so existiert der Grenzwert lim ρ→0 Tρ (ψ). Es folgt lim sup Tρ (α) − lim inf Tρ (α) ≤ 2C sup kα(x) − ψ(x)k ρ→0
ρ→0
x∈U
Da man den letzten Term beliebig klein machen kann, folgt die Gleichheit von lim sup und lim inf, also die Existenz des Grenzwertes. 2) Ist ψ ∈ D k−m mit spt ψ ∩ spt T = ∅, dann folgt T xψ = 0. Es folgt hT, f, yi(ψ) = limρ→0 Tρ (ψ) = 0. Ist andererseits spt ψ∩f −1 (y) = ∅, so ist y ∈ / spt f# (T xψ). F¨ ur gen¨ ugend kleine ρ ist daher Tρ (ψ) = 0. Es folgt spthT, f, yi ⊂ f −1 (y). 3) Sei ψ ∈ D k−m−1 (U ). Dann gilt f# (∂T xψ) = f# (T xdψ). Um das einzusehen, reicht es aus, diese Aussage unter der Annahme zu beweisen, dass f glatt ist, denn falls f nur Lipschitzstetig ist, sind beide Seiten durch Approximation definiert. Sei φ ∈ D m (Rm ). Dann gilt wegen df # φ = f # dφ = 0 f# (∂T xψ)(φ) = ∂T (ψ ∧ f # φ) = T (dψ ∧ f # φ) = f# (T xdψ)(φ) Nun folgt Tρ (dψ) = (−1)m(k−m) f# (T xdψ)(χB(y,ρ) dy1 ∧ . . . ∧ dym ) = (−1)m(k−m) f# (∂T xψ)(χB(y,ρ) dy1 ∧ . . . ∧ dym ) = (−1)m (∂T )ρ (ψ)
2. BELIEBIGE KODIMENSION
31
Also ist ∂(Tρ ) = (−1)m (∂T )ρ . Es folgt ∂hT, f, yi = limρ→0 ∂(Tρ ) = (−1)m limρ→0 (∂T )ρ = (−1)m h∂T, f, yi. 2 4) Sei y ∈ R, so dass hT, f, yi wohldefiniert ist und so dass M (T x{f = y}) < ∞, M (∂T x{f = y}) < ∞. Definiere hρ : R → R durch hρ (t) ≡ 0 auf (−∞, y], hρ ≡ 1 auf [y + ρ, ∞) und hρ linear auf [y, y + ρ]. Da T und ∂T endliche Masse haben, konvergiert T x(hρ ◦ f ) f¨ ur ρ → 0 gegen T x{f > y} und (∂T )x(hρ ◦ f ) → ∂T x{f > y}. Andererseits gilt f¨ ur jede Lipschitzfunktion h : R → R (∂T )x(h ◦ f ) − ∂(T x(h ◦ f )) = T xf # (dh)
(2)
Wir beweisen dies nur f¨ ur glatte f, h unter Benutzung der Gleichung # d(h ◦ f ) = f dh. Sei dazu ω ∈ D k−1 (U ). Dann ist ∂T x(h ◦ f )(ω) − ∂(T x(h ◦ f ))(ω) = ∂T ((h ◦ f ) ∧ ω) − T x(h ◦ f )(dω) = T (d(h ◦ f ) ∧ ω) = T xf # (dh)(ω) Der allgemeine Fall folgt durch Approximation, das soll hier nicht ausgef¨ uhrt werden. Ersetzt man in Gleichung 2 h durch hρ und l¨asst ρ gegen 0 gehen, so konvergiert die linke Seite gegen hT, f, y + i. Der Grenzwert der rechten Seite ist wegen dhρ = ρ1 χ[y,y+ρ] dy gegeben durch limρ→0 ρ1 T xf # (χ[y,y+ρ] dy). Analog findet man hT, f, y − i = limρ→0 ρ1 T xf # (χ[y−ρ,y] dy). Addiert man beide Gleichungen und dividiert durch 2, so erh¨alt man 1 1 1 hT, f, yi = lim T xf # (χ[y−ρ,y+ρ] dy) = hT, f, y + i + hT, f, y − i ρ→0 2ρ 2 2 5) Wegen der Halbstetigkeit der Masse ist f¨ ur fast alle y M (hT, f, yi) ≤ lim inf M (Tρ ) ≤ C < ∞ ρ→0
2
KAPITEL 4
Rektifizierbare Mengen und Stro ¨me 1. Hausdorffmasse und Dichten 1.1. Hausdorffmasse. Wir betrachten im folgenden eine Menge X ⊂ Rn , der wir ein m-dimensionales Mass, Hausdorffmass“genannt, ” zuordnen wollen. Dabei ist m < n erlaubt. F¨ ur den Fall m = n wird sich gerade das Lebesguemass ergeben. Um das Hausdorffmass zu definieren, setzen wir Cδ gleich der Menge ¨ der abz¨ahlbaren Uberdeckungen von X durch abgeschlossene Mengen mit Durchmesser h¨ochstens δ. Dann definieren wir X Hδm (X) := inf ωm (diam(C)/2)m Cδ
m
H (X) :=
C∈Cδ lim Hδm (X) δ→0
Dabei ist ωm das Volumen des Einheitsballes in Rm“ (was erst einmal ” π m/2 mit Γ der Eulernur f¨ ur nat¨ urliche m Sinn macht): ωm = Γ(m/2+1) R ∞ t−1 ur nat¨ urliche m hat man die funktion (Γ(t) = 0 x exp(−x)dx). F¨ 2π Rekursion ω0 = 1, ω1 = 2, ωm+2 = m+2 ωm . ¨ Falls δ kleiner wird, gibt es weniger m¨ogliche Uberdeckungen, so dass m Hδ gr¨osser wird. Also existiert der Grenzwert, allerdings kann er ∞ sein. F¨ ur alle m ≥ 0 definiert Hm ein regul¨ares Borelmass auf Rn . Definition 1.1. Die Hausdorffdimension einer Teilmenge von Rn ist definiert als Supremum ¨ uber alle m mit Hm (X) = ∞, das ist das gleiche wie das Infimum ¨ uber alle m mit Hm (X) = 0. Das n-dimensionale Hausdorffmass in Rn ist gleich dem Lebesguemass, ¨ was man mit Hilfe von Vitali’s Uberdeckungslemma relativ schnell zeigen kann. Durch Benutzung lokaler Karten kann man ebenfalls zeigen, dass die Hausdorffdimension einer m-dimensionalen Untermannigfaltigkeit m betr¨agt; die Dimensionsbegriffe stimmen also u ¨berein. Das Hausdorffmass einer orientierten Untermannigfaltigkeit M ist u ¨ brigens gerade k[[M ]]k, d.h. man fasst M als Strom auf und nimmt das zugrundeliegende Mass (siehe Kapitel 2, Satz 5.3). 33
¨ 4. REKTIFIZIERBARE MENGEN UND STROME
34
Als nichttriviales Beispiel betrachten wir die Cantormenge. Dazu sei E0 := [0, 1]. Man entferne ein offenes Intervall der L¨ange 13 in E0 und bezeichne das Ergebnis mit E1 . Dann wird induktiv Ek+1 definiert, indem in jedem der Intervalle von Ek ein offenes Intervall in der Mitte entfernt wird, dessen L¨ange ein Drittel der Intervalll¨ange betr¨agt. Dann ist C := ∩∞ ¨berabz¨ahlbare Menge, die k=0 Ek eine abgeschlossene, u Cantormenge genannt wird. Sie hat keine isolierten Punkte. Satz 1.2. Die Hausdorffdimension von C betr¨agt s := dimensionale Hausdorffmass Hs (C) = 2−s αs .
log 2 , log 3
das s-
Beweisidee: Der vollst¨andige Beweis ist etwas technisch, siehe [GMS]. ¨ Die Beweisidee ist jedoch sehr einfach. Hat man eine Uberdeckung von C durch Mengen mit Durchmessern ≤ δ, so gewinnt man daraus eine ¨ Uberdeckung mit doppelt so vielen Mengen mit Durchmessern ≤ 3δ , in¨ dem man eine Menge B der Uberdeckung durch 13 B und 31 B + 32 ersetzt. ¨ Umgekehrt kann man aus einer Uberdeckung von C durch Mengen mit δ ¨ Durchmessern ≤ 3 eine Uberdeckung durch Mengen mit Durchmessern ≤ δ gewinnen, indem man sich nur eine H¨alfte von C anschaut und dann hochskaliert. Auf diese Weise kann man 2 m Hm H δ ≈ 3 3m δ beweisen. Daraus folgt, dass sich nur im Falle 32m = 1 ein endlicher Wert log 2 ergeben kann. Das zeigt, dass die Hausdorffdimension von C durch log 3 gegeben ist. Um eine obere Absch¨atzung des Volumens zu bekommen, ¨ reicht es aus, eine konkrete Uberdeckung anzugeben. Da C ⊂ Ek und k Ek aus 2 Intervallen der L¨ange 31k besteht, folgt s 1 s k H1/3k (C) ≤ 2 αs = αs 2−s 2 · 3k L¨asst man k gegen unendlich gehen, so folgt Hs (C) ≤ 2−s αs . F¨ ur die Ungleichung in der anderen Richtung siehe [GMS].
2
¨ 1.2. Vitali’s Uberdeckungslemma. Lemma 1.3. Sei X ⊂ Rn und C eine Menge von abgeschlossenen Teilmengen von Rn so dass es f¨ ur jedes x ∈ X und jedes δ > 0 eine Menge C ∈ C gibt mit x ∈ C und 0 < diam(C) < δ. Dann gibt es eine (m¨oglicherweise endliche) Mengen aus C, so P Folge C1 , Cm2 , . . . von disjunkten m ∞ dass entweder ∞ (diam(C )) = ∞ oder H (X \ ∪ i i=1 Ci ) = 0 gilt. i=1
Beweis:
Im ersten Schritt werden wir die Folge konstruieren, im zweiten zeigen, dass sie die gew¨ unschte Eigenschaft hat.
1. HAUSDORFFMASSE UND DICHTEN
35
1. Schritt: Indem wir eventuell C verkleinern, k¨onnen wir o.E. annehmen, dass die Durchmesser der Elemente aus C beschr¨ankt sind. Wir setzen C1 := C, δ1 := supC∈C diam(C) und w¨ahlen ein C1 ∈ C1 mit diam(C1 ) > δ21 sowie x1 ∈ C1 . Nun definieren wir induktiv: Ci+1 := {C ∈ C : C ⊂ Rn \∪ik=1 Ck }, δi+1 := supC∈Ci+1 diam(C) und w¨ahlen ein Ci+1 ∈ Ci+1 mit diam(Ci+1 ) > δi+1 2 sowie xi+1 ∈ Ci+1 . 2. Schritt: Angenommen, die Folge bricht ab, d.h. Ci+1 = ∅ f¨ ur ein i. i Dann ist X ⊂ ∪k=1 Ck , denn f¨ ur jedes x ∈ X, welches nicht in ∪ik=1 Ci l¨age, k¨onnte man nach Voraussetzung eine Menge C ∈ C finden, die ebenfalls nicht in ∪ik=1 Ci l¨age (da die Ck ’s abgeschlossen sind). Dann w¨are aber C ∈ Ci+1 . Es ist klar, dass die δi eine monoton fallende Folge bilden. Nehmen wir an, dass sie nicht gegen 0 konvergiert, so bleibt diam(Ci ) nach unten P beschr¨ankt und somit folgt i (diam(Ci ))m = ∞. P Jetzt nehmen wir an, dass δi gegen 0 konvergiert und dass i (diam Ci )m < ∞. Sei x ∈ X \ ∪ik=1 Ck f¨ ur ein festes i. Dann gibt es ein C ∈ Ci+1 mit x ∈ C. W¨ahle l so gross, dass δl < diam(C) gilt. W¨are C ∩ Cj = ∅ f¨ ur j = 1, 2, . . . , l − 1, so w¨are C ∈ Cl und damit diam(C) ≤ δl . Das ist ein Widerspruch, also gibt es einen Index i < m < l, so dass C ∩ Cm 6= ∅. W¨ahlt man m minimal, so folgt C ∈ Cm , also diam(C) ≤ δm . Es folgt d(x, xm ) ≤ diam(C) + diam(Cm ) ≤ 2δm . Diese Argumentation zeigt, dass X \ ∪ik=1 Ck ⊂ ∪∞ k=i+1 B(xk , 2δk ) gilt. W¨ahle δ > 0. Da die Folge δ1 , δ2 , . . . gegen 0 konvergiert, k¨onnen wir i so gross w¨ahlen, dass δk < δ f¨ ur alle k > i gilt. Es folgt m i Hδm (X \ ∪∞ k=1 Ck ) ≤ H (X \ ∪k=1 Ck ) ∞ X ≤ αm (δk )m k=i+1 m
< 2 αm
∞ X
i→∞
(diam Ck )m → 0
k=i+1
und damit Hm (X \ ∪∞ k=1 Ck ) = 0.
2
¨ 4. REKTIFIZIERBARE MENGEN UND STROME
36
1.3. Dichten. F¨ ur eine Teilmenge X ⊂ Rn definiert man die obere und die untere m-dimensionale Dichte in x ∈ Rn wie folgt: Hm (X ∩ B(x, r)) θ m∗ (X, x) = lim sup ωm r m r→0 Hm (X ∩ B(x, r)) θ∗m (X, x) = lim inf r→0 ωm r m Dabei ist ωm das Volumen der Einheitskugel in Rm und B(x, r) der abgeschlossene Ball mit Mittelpunkt x und Radius r. Man sagt, dass die Dichte θ m (X, x) = θ m∗ (X, x) = θ∗m (X, x) in x existiert, wenn obere und untere Dichte gleich sind. Satz 1.4. (Dichteabsch¨ atzungen) Sei X ⊂ Rn mit Hm (X) < ∞. Dann ist f¨ ur Hm -fast alle x ∈ X 2−m ≤ θ ∗m (X, x) ≤ 1 Beweis: Schritt 1: Da Hm ein regul¨ares Borelmass ist und Hm (X) < ∞ folgt, dass f¨ ur jede Teilmenge A ⊂ X Hm (A) = inf{Hm (U ∩ X), A ⊂ U ∩ X, U offen in Rn } Schritt 2: Sei c > 1 und Xc := {x ∈ X : θ ∗m (X, x) > c}. Sei δ > 0 fest gew¨ahlt. Wegen Schritt 1 gibt es eine offene Menge U ⊂ Rn mit Hm (U ∩ X) ≤ Hm (Xc ) + δ. Sei C die Menge der Kugeln B(x, r) ⊂ U mit x ∈ X c , 2r < δ und Hm (B(x, r) ∩ X) > cωm r m . Dann erf¨ ullt C die Voraussetzungen von Vitali’s Lemma und wir finden eine (m¨oglicherweise endliche) P m disjunkte ¨ Uberdeckung X c ⊂ ∪i B(xi , ri ) so dass entweder = ∞ oder i ri m c H (X \ ∪i B(xi , ri )) = 0 gilt. Wegen X
cωm rim <
i
X
Hm (B(xi , ri ) ∩ X) ≤ Hm (X) < ∞
i
kann nur der zweite Fall eintreten. Es folgt X X cHδm (X c ) = cHδm (∪i B(xi , ri )) ≤ c ωm rim ≤ Hm (B(xi , ri ) ∩ X) i
m
i
m
= H (∪i B(xi , ri ) ∩ X) ≤ H (U ∩ X) ≤ Hm (X c ) + δ
L¨asst man δ gegen 0 gehen, so folgt cHm (X c ) ≤ Hm (X c ), also Hm (X c ) = 0 wegen c > 1. Also ist f¨ ur fast jedes x ∈ X die Dichte θ ∗m (X, x) ≤ 1.
2. REKTIFIZIERBARE MENGEN, TANGENTIALEBENEN
37
Schritt 3: Wir kommen zur unteren Absch¨atzung. Sei c < 2−m und Xc := {x ∈ X : θ m∗ (X, x) < c}. Wir setzen 1 m m Xc,i := x ∈ Xc : H (B(x, r) ∩ X) ≤ cωm r f¨ ur alle 0 < r < i
Dann ist Xc,1 ⊂ Xc,2 ⊂ · · · und Xc = ∩i Xc,i . Es folgt Hm (Xc ) = limi→∞ Hm (Xc,i ). ¨ Nach Definition des Hausdorffmasses gibt es zu jedem > 0 eine Uber1 deckung C1 , C2 , . . . von Xc,i mit diam Cj < i und m X diam Cj ωm ≤ Hm (Xc,i ) + 2 j Wir k¨onnen ohne Einschr¨ankung annehmen, dass Cj ∩ Xc,i 6= ∅ und w¨ahlen xj ∈ Cj ∩ Xc,i . Dann ist Cj ∩ Xc,i ⊂ Xc,i ∩ B(xj , diam Cj ). Wegen xj ∈ Xc,i ist Hm (B(xj , diam Cj ) ∩ X) ≤ cωm (diam Cj )m und damit Hm (Xc,i ) ≤
X j
Hm (Cj ∩Xc,i ) ≤
X
cωm (diam Cj )m ≤ c2m Hm (Xc,i )+2m c
j
L¨asst man gegen 0 und i gegen ∞ gehen, so folgt Hm (Xc ) ≤ 2m cHm (Xc ) und wegen c < 2−m folgt Hm (Xc ) = 0, d.h. fast jeder Punkt hat obere Dichte mindestens 2−m . 2 Beispiele f¨ ur Mengen, in denen die Dichte nicht 1 ist in fast jedem Punkt kommen aus der fraktalen Geometrie. Zum Beispiel ist f¨ ur jeden Punkt der Cantormenge die Dichte gleich 2−s (s war die Hausdorffdimension). Es wird also die untere Schranke angenommen. F¨ ur vern¨ unftige ” Mengen“ kann das aber nicht passieren, wobei im n¨achsten Abschnitt definiert wird, was mit vern¨ unftig“ gemeint ist. ” 2. Rektifizierbare Mengen, Tangentialebenen An die Stelle von Untermannigfaltigkeiten treten in der Geometrischen Masstheorie die rektifizierbaren Mengen. Diese kann man sich als verallgemeinerte Untermannigfaltigkeiten vorstellen. Der grosse Vorteil der rektifizierbaren Mengen wird sich beim Kompaktheitssatz von FedererFleming zeigen. Rektifizierbare Mengen sind dadurch charakterisiert, dass die Dichte ¨ in fast jedem Punkt existiert. Aquivalent dazu ist, dass in fast jedem
¨ 4. REKTIFIZIERBARE MENGEN UND STROME
38
Punkt ein approximativer Tangentialraum existiert. Die Begriffe ap” proximativer Tangentialraum“ und rektifizierbare Menge“ sollen in ” diesem Abschnitt definiert werden. Definition 2.1. Eine k-rektifizierbare Menge ist eine Hk -messbare Menge M ⊂ Rn mit Hk (M ) < ∞, so dass es abz¨ahlbar viele kdimensionale C 1 -Untermannigfaltigkeiten N1 , N2 , . . . von Rn und eine Teilmenge N0 ⊂ Rn mit Hk (N0 ) = 0 gibt mit M ⊂ N 0 ∪ ∪∞ k=1 Nk Beispiele: • Jede C 1 -Untermannigfaltigkeit und jede abz¨ahlbare Vereinigung von k-dimensionalen C 1 -Untermannigfaltigkeiten ist krektifizierbar, sobald das k-dimensionale Hausdorffmass endlich ist. Rektifizierbare Mengen spielen in der Geometrischen Masstheorie die Rolle von Untermannigfaltigkeiten. • Selbst f¨ ur k < n k¨onnen k-rektifizierbare Mengen dicht in Rn liegen. Zum Beispiel kann man einfach eine abz¨ahlbare dichte Vereinigung von k-dimensionalen Untermannigfaltigkeiten mit endlichem Hausdorffmass konstruieren. • Jede k-rektifizierbare Menge ist k 0 -rektifizierbar f¨ ur k 0 > k. Beispielsweise ist jede Menge mit Hausdorffdimension kleiner als n n-rektifizierbar. Bemerkung: In der Literatur findet man oft auch folgende ¨aquivalente Definition: Eine k-rektifizierbare Menge ist eine Hk -messbare Menge M ⊂ Rn mit k Hk (M ) < ∞, so dass M ⊂ A0 ∪ ∪∞ i=1 fi (Ai ) wobei H (A0 ) = 0, Ai ⊂ k n R , fi : Ai → R Lipschitz. ¨ Die Aquivalenz mit der obigen Definition folgt aus Rademachers Theorem, siehe z.B. [GMS], S.203. Der Zusammenhang zwischen rektifizierbaren Mengen und Dichten besteht in folgendem schwierigen Satz von Preiss. Satz 2.2. (Preiss) Sei X ⊂ Rn mit Hk (A) < ∞. Genau dann existiert θ m (X, x) in Hk -fast jedem Punkt x ∈ X wenn k eine nat¨ urliche Zahl und X k-rektifizierbar ist. Definition 2.3. Sei M ⊂ Rn eine Hk -messbare Teilmenge mit Hk (M ) < ∞, x ∈ M und P ein k-dimensionaler linearer Teilraum von Rn . Dann heisst P approximativer Tangentialraum von M in x, wenn f¨ ur jede
¨ 3. REKTIFIZIERBARE STROME
39
glatte Funktion mit kompaktem Tr¨ager, f ∈ Cc∞ (Rn ) die folgende Bedingung erf¨ ullt ist: Z Z k lim f (y)dH (y) = f (y)dHk (y) λ→0
ηx,λ M
P
. Der approximative Tangentialraum ist eindeuDabei ist ηx,λ (y) = y−x λ tig (falls er existiert) und wird mit Tp M bezeichnet. Ein approximativer Tangentialraum kann niederdimensionale St¨ ucke nicht erkennen, sondern nur den grossen Teil einer Menge. Lemma 2.4. Sei M eine C 1 -Untermannigfaltigkeit. Dann stimmen approximativer Tangentialraum und klassischer Tangentialraum“ ¨ ube” rein. Satz 2.5. Sei M ⊂ Rn eine k-rektifizierbare Menge. Dann gibt es in Hk -fast jedem Punkt von M einen approximativen Tangentialraum. Beweisidee: Sei X ⊂ N eine Teilmenge einer k-dimensionalen C 1 -Mannigfaltigkeit. Sei x ∈ A mit θ k∗ (X, x) = 1. Dann existiert ein approximativer Tangentialraum. Das folgt im wesentlichen daraus, dass N in jedem Punkt einen Tangentialraum hat. Hat man nun eine Teilmenge einer Vereinigung von C 1 -Mannigfaltigkeiten, so ist die Dichte in einem Punkt, der auf mehreren solchen Untermannigfaltigkeiten liegt, gr¨osser als 1. Nach Lemma 1.4 ist die Menge dieser Punkte eine Hk -Nullmenge. 2 Definition 2.6. Eine Orientierung einer k-rektifizierbaren Menge M ist eine Hk -messbare Abbildung ξ : M → Λk Rn mit kξ(x)k = 1 f¨ ur fast alle x ∈ M , so dass ξ(x) den approximativen Tangentialraum f¨ ur fast alle x ∈ M aufspannt. Es gibt im allgemeinen u ¨berabz¨ahlbar viele Orientierungen einer rektifizierbaren Menge. 3. Rektifizierbare Str¨ ome Definition 3.1. Sei U ⊂ Rn offen. • Ein Strom T ∈ Dk (U ) heisst rektifizierbar, wenn es – eine k-rektifizierbare Menge M , – eine Orientierung ξ von M und – eine Hk -messbare und integrierbare Funktion θ : M → R, θ ≥ 0
¨ 4. REKTIFIZIERBARE MENGEN UND STROME
40
gibt, so dass f¨ ur alle ω ∈ D k (U ) Z T (ω) = hξ, ωiθdHk M
gilt. • Wenn θ nur ganze Zahlen annimmt, heisst T ganzzahlig rektifizierbar. Der Raum der ganzzahlig rektifizierbaren k-dimensionalen Str¨ome wird mit Rk (U ) bezeichnet. • Ein integraler Strom ist ein ganzzahlig rektifizierbarer Strom, dessen Rand ebenfalls ganzzahlig rektifizierbar ist. Der Raum der integralen k-dimensionalen Str¨ome in U wird mit Ik (U ) bezeichnet. Zwischen den bisher definierten R¨aumen von Str¨omen bestehen die folgenden Inklusionen: Ik (U ) ⊂ Rk (U ) ∩ ∩ Nk (U ) ⊂ Mk (U ) Die waagerechten Inklusionen gelten R definitionsgem¨ass. Ein rektifizierbarer Strom hat Masse M (T ) = M θdHk < ∞ und damit folgt auch, dass ein integraler Strom normal ist. Sp¨ater wird noch gezeigt werden, dass Ik (U ) = Rk (U )∩Nk (U ), d.h. ein ganzzahlig rektifizierbarer Strom ist genau dann integral, wenn die Masse seines Randes endlich ist. Beispiele: • Eine orientierte k-dimensionale Untermannigfaltigkeit M induziert einen ganzzahlig rektifizierbaren Strom [[M ]] wenn das k-dimensionale Volumen endlich ist und einen integralen Strom, wenn zus¨atzlich der Rand endliches Volumen hat. • Konvergiert die Folge von Untermannigfaltigkeiten Mi gegen M (in der schwachen Topologie), so konvergieren die ganzzahlig rektifizierbaren Str¨ome [[Mi ]] + [[M ]] gegen 2[[M ]], was auch ganzzahlig rektifizierbar ist, aber mit Multiplizit¨aten 2 versehen ist. • Eine beschr¨ankte offene Menge mit fraktalem Rand in Rn induziert einen rektifizierbaren Strom, der nicht integral ist. • Der 1-Strom T ∈ D1 (R2 ) definiert durch T (ωx dx + ωy dy) = R1 ωy (s, 0)ds ist nicht rektifizierbar. Der Grund ist, dass T~ 0 nicht tangential zu der zugrundeliegenden Menge [0, 1] ist, sondern senkrecht dazu. Definiert man andererseits T (ωx dx + R1 ωy dy) = 0 ωx (s, 0)ds, so erh¨alt man einen rektifizierbaren Strom.
¨ 3. REKTIFIZIERBARE STROME
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P • Die Str¨ome Tj := ji=1 [[{i/j} × (0, 1/j)]] ∈ R1 (R2 ) ∩ N1 (R2 ) sind rektifizierbar und konvergieren gegen den eben definierten, nicht rektifizierbaren Strom. Man beachte, dass die Massen gleichm¨assig beschr¨ankt sind (M (Tj ) = 1). Allerdings gilt M (∂Tj ) = 2j → ∞. • Konzentrationsph¨anomen: Die Str¨ome Tj := j[[(0, 1/j)]] ∈ R1 (R) ∩ N1 (R) konvergieren gegen δ0 e1 und das ist nicht rektifizierbar. Es ist M (Tj ) = 1, M (∂Tj ) = 2j → ∞. • Distributionsph¨anomen: Sei 0 < λ < 1. Die Str¨ome Tj := Pj i−λ i i=1 [[( j , j )]] ∈ R1 (R) ∩ N1 (R) konvergieren gegen λ[[0, 1]]. Die Massen sind uniform beschr¨ankt, aber die Massen der R¨ander gehen gegen ∞. Wir werden sp¨ater sehen, warum in all diesen Beispielen die Masse der R¨ander nicht beschr¨ankt war. Nach Federer-Fleming ist n¨amlich die Menge der ganzzahlig rektifizierbaren Str¨ome mit (durch feste Konstanten) beschr¨ankter Masse und beschr¨ankter Masse des Randes abgeschlossen in der schwachen Topologie. Das Verhalten von ganzzahlig rektifizierbaren Str¨omen unter den angegebenen Konstruktionen wird im folgenden Theorem zusammengefasst: Theorem 3.2. • Das Produkt von ganzzahlig rektifizierbaren Str¨omen ist ganzzahlig rektifizierbar. • Das Bild eines ganzzahlig rektifizierbaren Stromes unter einer Lipschitzabbildung (die eigentlich auf dem Tr¨ager des Stromes ist) ist wieder ganzzahlig rektifizierbar. • Ist T ∈ Rk (U ) ∩ Nk (U ), U ⊂ Rn rektifizierbar und f : Rn → Rm glatt, so ist hT, f, yi ganzzahlig rektifizierbar f¨ ur Hm -fast m alle y ∈ R .
KAPITEL 5
Deformationssatz Die Idee des Deformationssatzes besteht darin, einen Strom durch einen polyedrischen Strom zu approximieren. Dabei m¨ochte man die Differenz m¨oglichst gut kontrollieren. Der Beweis benutzt gewisse gute Projektionen und ist nicht sehr kompliziert. Allerdings ist er etwas technisch und wenig hilfreich f¨ ur das weitere Verst¨andnis. Deshalb soll er hier nicht gebracht werden und nur die Beweisidee skizziert werden. Dann wird auf Anwendungen des Deformationssatzes eingegangen. Die schwache polyedrische Approximation wird eine wichtige Rolle beim Beweis des Kompaktheitssatz spielen. 1. Polyedrische Str¨ ome Zun¨achst muss der Begriff polyedrischer Strom pr¨azisiert werden. Sei > 0. Betrachte das Gitter derjenigen Punkte in Rn , f¨ ur die alle Koordinaten ganzzahlige Vielfache von sind. Das k-dimensionale Skelett besteht aus denjenigen Punkten, f¨ ur die genau n − k Koordinaten diese Gestalt haben. Also liegt das k − 1-dimensionale Skelett im Abschluss des k-dimensionalen Skeletts. Als Beispiel sei n = 2 und = 21 . Das zweidimensionale Skelett besteht dann aus einer Vereinigung von (offenen) Quadraten der Seitenl¨ange 21 , das 1-Skelett aus offenen (horizontalen oder vertikalen) Intervallen (den Seiten der Quadrate) und das 0-Skelett aus Punkten (den Eckpunkten der Quadrate). Im allgemeinen besteht das k-Skelett aus abz¨ahlbar vielen Zusammenhangskomponenten, die alle k-dimensionale W¨ urfel sind. F¨ ur solch einen k-dimensionalen W¨ urfel Q kann man eine Orientierung w¨ahlen und auf diese Weise einen k-dimensionalen Strom [[Q]] erhalten. Ein k-dimensionaler polyedrischer Strom der Seitenl¨ange ist ein Strom P , der die Gestalt X P = aQ [[Q]], aQ ∈ R Q
hat, wobei Q u ¨ber die Zusammenhangskomponenten des k-Skeletts l¨auft. 43
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5. DEFORMATIONSSATZ
Falls die aQ ganze Zahlen sind und die Summe endlich ist, so heisst P ganzzahlig polyedrisch. Ein polyedrischer Strom ist offenbar ganzzahlig polyedrisch genau dann, wenn er ganzzahlig rektifizierbar ist. Aus dieser Darstellung gewinnt man X |aQ |k . M (P ) = Q
Da der Rand eines k-dimensionalen W¨ urfels Q aus 2k W¨ urfeln der Dimension k−1 besteht, ist der Rand eines polyedrischen Stroms wieder polyedrisch. Es folgt M (∂P ) ≤ 2k M (P ) 2. Deformationssatz Wir k¨onnen nun den Deformationssatz (ohne Beweis) formulieren. Bei den vielen Aussagen sollte man sich zun¨achst darauf konzentrieren, dass sich T = P + ∂R + S zerlegen l¨asst und der Rest T − P in einem gewissen Sinne sehr klein ist. Theorem 2.1. (Deformationssatz) Es gibt eine nur von n abh¨angige Konstante c so dass sich jeder normale Strom T ∈ Nk (Rn ) f¨ ur jedes > 0 schreiben l¨asst als T = P + ∂R + S wobei (1) P ist ein polyedrischer Strom der Seitenl¨ange , R ∈ Nk+1 (Rn ), S ∈ Mk (Rn ). (2) M (P ) ≤ cM (T ), M (∂P ) ≤ cM (∂T ). (3) M (R) ≤ cM (T ), M (S) ≤ cM (∂T ). (4) M (∂R) ≤ c (M (T ) + M (∂T )) (5) spt P, spt R liegen in der δ-Umgebung von spt T , wobei δ = δ() f¨ ur → 0 gegen 0 geht. (6) spt ∂P, spt ∂R liegen in der δ-Umgebung von spt ∂T , wobei δ = δ() f¨ ur → 0 gegen 0 geht. Ist T ganzzahlig rektifizierbar, so kann man P und R auch ganzzahlig rektifizierbar w¨ahlen. Falls T sogar integral ist, so kann man zus¨atzlich S ganzzahlig rektifizierbar w¨ahlen. Beweisidee: W¨ahle in jedem der W¨ urfel einen Punkt, z.b. den Mittelpubkt oder einen Punkt in der N¨ahe des Mittelpunktes. Betrachte die zentrale Projektion mit diesem festen Punkt als Zentrum. Diese Projektion bildet das Innere eines W¨ urfels (bis auf den Projektionspunkt) auf den Rand
2. DEFORMATIONSSATZ
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ab. Der Rand ist wieder eine Vereinigung von W¨ urfeln und es wird in jedem dieser W¨ urfel wieder ein Punkt in der N¨ahe des Mittelpunktes gew¨ahlt und nach aussen projiziert. Das macht man so lange, bis man in der richtigen Dimension ist, d.h. bis man in einem W¨ urfel der Dimension k angelangt ist. Die Komposition dieser Projektionen liefert eine Abbildung φ, die Rn (minus eine gewisse schlechte Menge) auf das k-Skelett abbildet. Das Bild von T unter φ ist fast polyedrisch, d.h. er kann durch Hinzuf¨ ugen eines Stromes mit kleiner Masse polyedrisch gemacht werden, das liefert den P und den S-Term. Die Differenz von T und φ∗ T kann mit Hilfe der Homotopieformel und Lemma 8.2 nach oben abgesch¨atzt werden. Das liefert den R-Term. Das Problem bei dieser Beweisidee ist, dass die Abbildung π nicht Lipschitz ist und damit das Lemma 8.2 nicht sofort angewendet werden kann. Um dieses Problem zu umgehen, teilt man den W¨ urfel in Bereiche ein, wo π Lipschitz ist und projiziert jeden dieser Bereiche einzeln und wendet die Masseformel an. Dann setzt man den ganzen Strom zusammen als Summe dieser Bilder. Das funktioniert jedoch nur, wenn der Teil von T , der in einem bestimmten Bereich liegt, im Vergleich zu der Lipschitz-konstante dieses Bereiches nicht zu gross ist. Um das zu sichern, muss man die Projektionspunkte geschickt w¨ahlen, wobei man im wesentlichen die Dichteabsch¨atzungen 1.4 aus Kapitel 4 benutzt. Diese besagen, dass nicht in jedem Punkt viel Masse konzentriert sein k¨onnen. Der exakte und trotzdem noch gut lesbare Beweis steht in [GMS]. 2 P Bemerkung: Ein polyedrischer Strom T = Q aQ [[Q]] ist genau dann ganzzahlig rektifizierbar, wenn alle aQ ganze Zahlen sind und die Summe endlich ist. In diesem Fall gilt T = 0 oder M (T ) ≥ k , denn M (T ) muss durch k teilbar sein. Aus dem Deformationssatz ergibt sich folgendes Korollar, welches f¨ ur den Beweis des Kompaktheitssatzes wichtig ist. Satz 2.2. Schwache polyedrische Approximation Sei T ein rektifizierbarer Strom, dessen Rand endliche Masse hat: T ∈ Rk (Rn ) ∩ Nk (Rn ). Dann gibt es eine Folge von ganzzahligen polyedrischen Str¨omen Pi , die schwach gegen T konvergieren, Pi * T , und f¨ ur die die Massen und die Massen der R¨ander uniform beschr¨ankt sind (supi M (Pi )+ M (∂Pi ) < ∞). Hat T kompakten Tr¨ager, so kann man zus¨atzlich erreichen, dass die Tr¨ager der Pi alle in einer festen kompakten Menge liegen. Der Nutzen dieses Satzes liegt darin, dass der Rand eines ganzzahlig polyedrischen Stromes wieder ganzzahlig polyedrisch ist und damit der Rand von T schwach durch ganzzahlig rektifizierbare Str¨ome approximiert werden kann. Mit dem noch zu beweisenden Kompaktheitssatz
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5. DEFORMATIONSSATZ
folgt dann, dass unter den Voraussetzungen des Satzes T sogar ein integraler Strom ist. Beweis: W¨ahle eine Folge i → 0. Aus dem Deformationstheorem bekommt man eine Darstellung T = Pi + ∂Ri + Si mit ganzzahlig polyedrischem Pi os dass M (Pi ) ≤ cM (T ) < ∞, M (∂Pi ) ≤ cM (∂T ) < ∞. Wegen M (Ri ) ≤ ci M (T ) → 0 und M (Si ) ≤ cM (∂T ) → 0 folgt, dass ∂Ri + Si * 0 und damit Pi * T . Die Aussage u ¨ber die Tr¨ager folgt sofort aus (5) in Theorem 2.1. 2 Bemerkung: L¨asst man auch C 1 -Bilder von ganzzahligen polyedrischen Str¨omen zu, so kann man einen integralen Strom sogar in der Massenorm approximieren (starke polyedrische Approximation). 3. Isoperimetrische Ungleichung Beim isoperimetrischen Problem (oder auch Plateauproblem) geht es darum, f¨ ur einen gegebenen Strom eine F¨ ullung zu finden, d.h. einen Strom der den gegebenen als Rand hat. Isoperimetrisches Problem: Sei T ein k-dimensionaler Strom 0 < k < n mit kompaktem Tr¨ager. Gibt es einen k+1-Strom S mit ∂R = T ? Wenn ja, was ist die minimale Masse von S? Angenommen die Antwort auf die erste Frage ist ja. Dann gilt ∂T = ∂ 2 R = 0. Die Bedingung ∂T = 0 ist also notwenig f¨ ur eine L¨osung des isoperimetrischen Problems. Sie ist auch hinreichend, wie man recht leicht sieht, indem man einen Kegel u ¨ber T konstruiert. Dazu sei f : Rn → Rn , x 7→ 0 die Projektion auf den Ursprung und h : [0, 1] × Rn → Rn , (t, x) 7→ tx die affine Homotopie zwischen f und der Identit¨at. Nach der Homotopieformel gilt id# T − f# T = ∂h# ([[0, 1]] × T ) + h# ([[0, 1]] × ∂T ) Wegen k > 0 ist f# T = 0. Nach Voraussetzung ist ∂T = 0. Also ist T = ∂h# ([[0, 1]] × T ). Der Strom h# ([[0, 1]] × T ) heisst Kegel ¨ uber T mit Basispunkt 0. Mit Hilfe von Lemma 8.2 kann man die Masse des Kegels absch¨atzen: M (h# ([[0, 1]] × T )) ≤ cn sup |f − id| sup (|Df | + |Did|)k M (T ) spt T
spt T
= cn sup |x|M (T ) sptT
3. ISOPERIMETRISCHE UNGLEICHUNG
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W¨ahlt man den Basispunkt etwas geschickter, z.b. im Tr¨ager von T , so ist die Masse des Kegels durch cn diam(spt T )M (T ) beschr¨ankt. Das ist eine sogenannte Kegelungleichung, die jedoch relativ schwach ist. Mit dem Approximationssatz kann man eine viel bessere F¨ ullung finden. Theorem 3.1. Sei T ein k-dimensionaler ganzzahlig rektifizierbarer Strom in Rn ohne Rand und mit kompaktem Tr¨ager, k > 0. Dann gibt es einen ganzzahlig rektifizierbaren Strom R mit kompaktem Tr¨ager so dass ∂R = T und k+1 M (R) ≤ cM (T ) k mit einer nur von n abh¨angigen Konstante gilt. Beweis: Diese Ungleichung ergibt sich aus dem Deformationssatz, indem geschickt (aber nicht unbedingt klein!) gew¨ahlt wird. Schreibt man T = P + ∂R + S wie im Deformationssatz, so ist S = 0 wegen M (S) ≤ cM (∂T ) = 0. Andererseits ist P = 0 falls M (P ) ≤ k , siehe Bemerkung nach dem Deformationssatz. Doch M (P ) ≤ cM (T ). k W¨ahlt man so dass cM (T ) = 2 gilt, so folgt also P = 0. Dann benutzt man die Ungleichung f¨ ur die Masse von R: 1
M (R) ≤ cM (T ) = c(2cM (T )) k M (T ) = c0 M (T )
k+1 k
2
KAPITEL 6
Kompaktheitssatz 1. Randrektifizierbarkeit, Schnittlemma und Closure Theorem In diesem Kapitel soll der Kompaktheitssatz von Federer-Fleming bewiesen werden, wobei ein Lemma‘ unbewiesen bleibt. Der Beweis funk” tioniert u ¨ber Induktion u ¨ber die Dimension des Stromes. Allerdings wird nicht nur eine Aussage bewiesen, sondern induktiv gleich drei S¨atze, die zun¨achst angegeben werden sollen. Bei diesen S¨atzen sind jeweils st¨arkere Varianten m¨oglich, aber wir beschr¨anken uns hier auf den Fall von Str¨omen in Rn (und nicht in einer beliebigen offenen Menge). Theorem 1.1. Randrektifizierbarkeit Sei T ∈ Rk (Rn ), so dass der Rand von T endliche Masse hat. Dann ist der Rand ebenfalls ganzzahlig rektifizierbar. Theorem 1.2. Closure Theorem Sei {Tj } eine Folge von ganzzahlig rektifizierbaren Str¨omen, Tj ∈ Rk (Rn ) so dass die Massen und die Massen der R¨ander uniform beschr¨ankt sind: M (Tj ) + M (∂Tj ) < C,
C ∈ R, C > 0
Wir nehmen an, dass alle Tr¨ager innerhalb einer festen kompakten Menge K liegen. Wenn Tj * T f¨ ur einen Strom T ∈ Dk (U ), dann ist T rektifizierbar. Bemerkung: Beispiele daf¨ ur, was alles schiefgehen kann ohne die Voraussetzung, dass die Massen der R¨ander uniform beschr¨ankt sind, wurden in Kapitel 4 gegeben. F¨ ur a ∈ Rn sei da die Abstandsfunktion, d.h. da (x) = kx − ak. Theorem 1.3. Schnittlemma Sei T ∈ Mk (Rn ), k ≥ 1 mit ∂T = 0. Gibt es f¨ ur jedes a ∈ Rn ein ra > 0 so dass f¨ ur alle 0 < r < ra die sph¨arischen Schnitte hT, da , ri = ∂(T xB(a, r)) rektifizierbar sind, so ist auch T rektifizierbar. Bemerkung: Die Umkehrung dieses Theorems wurde bereits bewiesen, siehe Theorem 3.2. 49
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6. KOMPAKTHEITSSATZ
2. Beweis Die Beweisstruktur ist folgende: Closure Theorem und Randrektifizierbarkeit f¨ ur k = 0 ist Induktionsanfang. Aus Closure Theorem f¨ ur k − 1 folgt Schnittlemma f¨ ur k. Aus Closure Theorem f¨ ur k − 1 und Deformationssatz folgt Randrektifizierbarkeit f¨ ur k. Aus Randrektifizierbarkeit f¨ ur k und k − 1, Schnittlemma f¨ ur k und Closure Theorem f¨ ur k − 1 folgt Closure Theorem f¨ ur k. Induktionsanfang: Der Fall k = 0, d.h. der Induktionsanfang, ist fast trivial. Bei der Randrektifizierbarkeit ist gar nichts zu zeigen. Das Schnittlemma wird nur f¨ ur k ≥ 1 gebraucht (und ist f¨ ur k = 0 auch falsch). Das Closure Theorem kann man direkt beweisen. Ein ganzzahlig rektifizierbarer 0-Strom hat die Gestalt s X T = ai δzi , zi ∈ RN paarweise verschieden, ai ∈ Z, i=1
P P (j) Dann ist M (T ) = |ai |. Hat man nun eine Folge T j = si=1 ai δz j i von solchen Str¨omen mit beschr¨ankter Masse, so kann man s f¨ ur alle Str¨ome gleich w¨ahlen. Die Koeffizienten sind dann ebenfalls uniform beschr¨ankt. Indem man zu einer Teilfolge u ¨bergeht, kann man anneh(j) (j) men, dass die Koeffizienten ai gegen ai ∈ Z konvergieren und die zi gegen zi ∈ K konvergieren. Dann konvergiert die Folge von Str¨omen gegen s X (j) lim T = a i δzi j→∞
i=1
2
Beweis des Schnittlemmas Die Hauptarbeit beim Beweis des Kompaktheitssatzes besteht im Beweis des Schnittlemmas. Das benutzt entweder das schwierige Strukturtheorem von Federer-Besicovitch und diverse Dichteabsch¨atzungen oder Rektifizierbarkeitskriterien f¨ ur Masse. In beiden F¨allen werden (neben dem Closure Theorem f¨ ur k − 1) recht viele technische Aussagen u ¨ber rektifizierbare Mengen ben¨otigt, die den Rahmen dieser Vorlesung sprengen w¨ urden. Der vollst¨andige Beweis findet sich in [GMS]. 2 Beweis der Randrektifizierbarkeit
2. BEWEIS
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Nach Theorem 2.2 gibt es zu einem T ∈ Rk (Rn ) ∩ Nk (Rn ) eine Folge von ganzzahlig polyedrischen Str¨omen Pi , die schwach gegen T konvergieren und Tr¨ager in einer festen kompakten Menge haben. Dann konvergieren die ∂Pi schwach gegen ∂T . Die Massen der ganzzahlig rektifizierbaren k −1-Str¨ome ∂Pi (und der ∂∂Pi !) sind uniform beschr¨ankt. Also folgt aus dem Closure Theorem in Dimension k − 1, dass ∂T auch rektifizierbar ist. 2 Beweis des Closure Theorems Lemma 2.1. Sei {Tj } ⊂ Nk (Rn ), k ≥ 1 eine Folge normaler Str¨ome, so dass die Massen M (Tj ), M (∂Tj ) uniform beschr¨ankt sind. Angenommen Tj konvergiert schwach gegen T ∈ Dk (Rn ). Dann gibt es f¨ ur jedes a ∈ Rn und fast jedes r > 0 eine Teilfolge {Tj0 } so dass hTj0 , da , ri * hT, da , ri sup M (hTj0 , da , ri) + M (∂hTj0 , da , ri) < ∞ j
Sei nun Tj eine Folge ganzzahlig rektifizierbarer Str¨ome, so dass M (Tj ) und M (∂Tj ) uniform beschr¨ankt sind. Sei T = limj→∞ Tj . Zu zeigen ist, dass T ganzzahlig rektifizierbar ist. Da Tj ganzzahlig rektifizierbar ist und M (∂Tj ) < ∞, folgt aus der Randrektifizierbarkeit (die schon in Dimension k bewiesen ist), dass ∂Tj ∈ Rk−1 (Rn ) ist. Aus dem Closure Theorem in Dimension k − 1 folgt, dass damit auch ∂T ∈ Rk−1 (Rn ) ist. Im Fall k ≥ 2 betrachten wir den Kegel S u ¨ber ∂T . Dann ist S ganzzahlig rektifizierbar (da ∂T esPist) und es ist ∂S = ∂T . Im Fall k = 1 ist ∂T eine endliche Summe ai δzi , wobei P die zi paarweise verschieden sind, die ai ganze Zahlen sind und ai = 0 ist. Dann findet man ebenfalls einen ganzzahlig rektifizierbaren Strom S mit ∂S = ∂T . Wir setzen T¯j := Tj − S und T¯ := T − S. Dann konvergiert T¯j schwach gegen T¯ und die Massen von T¯j und ∂ T¯j sind uniform beschr¨ankt.
Sei a ∈ Rn beliebig. Aus dem obigen Lemma folgt, dass es f¨ ur fast jedes r > 0 eine Teilfolge {T¯j0 } von {T¯j } gibt, so dass hT¯j0 , da , ri * hT¯ , da , ri und so dass die Massen und die Massen der R¨ander uniform beschr¨ankt sind. Aus der Randrektifizierbarkeit folgt, dass hT¯j0 , da , ri ∈ Rk−1 (Rn ) und aus der Induktionsvoraussetzung hT, da , ri ∈ Rk−1 (Rn ). Nun benutzt man das Schnittlemma um zu schlussfolgern, dass T selbst rektifizierbar ist. 2 Als Korollar des Closure Theorems ergibt sich das folgende Kompaktheitstheorem von Federer-Fleming. Theorem 2.2. (Kompaktheitstheorem) Sei {Tj } ⊂ Rk (Rn ) eine Folge von ganzzahlig rektifizierbaren Str¨omen,
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6. KOMPAKTHEITSSATZ
so dass M (Tj ), M (∂Tj ) uniform beschr¨ankt sind und so dass die Tr¨ager spt Tj alle in einer kompakten Menge K liegen. Dann gibt es eine Teilfolge, die schwach gegen einen ganzzahlig rektifizierbaren Strom T ∈ Rk (Rn ) konvergiert. Beweis: Aus dem Theorem von Banach-Alaoglu aus der Funktionalanalysis folgt, dass die Menge der Str¨ome mit Masse kleiner gleich C > 0 kompakt bzgl. der schwachen Topologie ist (in unserem Fall sind schache und schwach∗ -Topologie gleich). Also gibt es eine Teilfolge, die schwach gegen einen Strom konvergiert. Dieser Grenzwert ist dann ganzzahlig rektifizierbar nach dem Closure Theorem. 2
Literaturverzeichnis [Fe]
FEDERER, H.: Geometric Measure Theory. Springer Verlag New York 1969. [FeFl] FEDERER, H., FLEMING, W.: Normal and integral currents. Ann. Math. 72 (1960), 458-520 [GMS] GIAQUINTA, M., MODICA, G., SOUC ¸ EK, J.: Cartesian Currents in the Calculus of Variations I, II. Springer Verlag Berlin Heidelberg 1998 [La] LANG, U.: Einf¨ uhrung in die geometrische Masstheorie. Vorlesungsskript 1999 [Mo] MORGAN, F.: Geometric Measure Theory. Academic Press 2000 (Third edition) [Si] SIMON, L.: Lectures on Geometric Measure Theory. Proc. Centre Math. Anal. Australian Nat. Univ.3 (1983)
Hinweise zur Literatur: Das Buch von Federer ist DAS Standardwerk zur Geometrischen Masstheorie. Als Einf¨ uhrung sind andere B¨ ucher jedoch besser geeignet. ¨ Einen guten Uberblick bietet das Buch von Morgan, das besonders viel Wert auf Anschauung legt. Die Beweise sind meist nicht ausgef¨ uhrt. Das Buch von Giaquinta, Modica, Sou¸cek enth¨alt auf ca. 1400 Seiten nat¨ urlich jede Menge Informationen, unter anderem zu Anwendungen in der Analysis. Das zweite Kapitel des ersten Bandes stellt eine sehr gute Einf¨ uhrung in die Theorie der Str¨ome dar. Die meisten Beweise sind sehr klar durchgef¨ uhrt, viele Beispiele erleichtern das Lesen. Das Vorlesungsskript von U. Lang u ¨berschneidet sich mit meiner Vorlesung in weiten Teilen. Allerdings ist es etwas anders aufgebaut und legt mehr Wert auf rektifizierbare Mengen, Dichte, Hausdorffmasse etc. als wir. Daf¨ ur werden bei mir Schnitte in beliebigen Kodimensionen betrachtet und die Theorie der normalen Str¨ome etwas ausf¨ uhrlicher behandelt. Der Artikel von Federer und Fleming behandelt in gut lesbarer, wenn auch recht kompakter Form, mehr oder weniger den Stoff der Vorlesung und ist eine gute Erg¨anzung.
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