Logistiksysteme
Hans-Christian Pfohl
Logistiksysteme Betriebswirtschaftliche Grundlagen 8., neu bearb. u. aktual. Aufl.
1C
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Christian Pfohl Technische Universität Darmstadt Rechts und Wirtschaftswissenschaften Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik Hochschulstraße 1 64289 Darmstadt Deutschland
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ISBN 978-3-642-04161-7 e-ISBN 978-3-642-04162-4 DOI 10.1007/978-3-642-04162-4 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort zur 8. Auflage
Die neue Auflage wurde umfassend aktualisiert und erweitert. Dies betrifft insbesondere die statistischen Daten, aber auch wesentliche technologische Entwicklungen, die in verschiedenen Bereichen für die Logistik relevant sind. Dazu zählen z. B. RFID- und Scannertechnologie und die daraus erwachsenden Möglichkeiten für Warenwirtschaftssysteme oder moderne Systeme zur Automatisierung von Prozessen der Intralogistik. Wichtige Aspekte stellen außerdem aktuelle Trends der Logistik dar, die an verschiedene Stellen die weitere Entwicklung skizzieren. Darüber hinaus wurden viele Abbildungen überarbeitet oder neu dargestellt und Fallbeispiele aktualisiert. Die Literaturquellen wurden ebenfalls aktualisiert. Für die Unterstützung bei der Überarbeitung dieser Auflage danke ich ganz herzlich meiner Mitarbeiterin, Frau M. Sc. Xin Shen und meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Wirtsch.-Inform. David Thomas. Darmstadt, im September 2009
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Vorwort zur 7. Auflage Bei der vorliegenden Auflage handelt es sich um einen korrigierten Nachdruck der sechsten Auflage. Inhaltlich wurden lediglich Anpassungen an das reformierte Handelsgesetzbuch vorgenommen. Ansonsten wurden verschiedene Druckfehler beseitigt, die sich leider in der vorangehenden Auflage eingeschlichen hatten. Diesbezüglich danke ich all meinen Lesern, die mich auf diese Aufmerksam gemacht haben. Für die Unterstützung bei der Überarbeitung dieser Auflage danke ich ganz herzlich meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Kfm. Oliver Boldt. Darmstadt, im August 2003
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Vorwort zur 6. Auflage Die neue Auflage wurde wieder umfassend überarbeitet und aktualisiert. Dies betrifft insbesondere die statistischen Auswertungen, aber auch einige neuere Entwicklungen, die die Logistik betreffen, wie z.B. E-Commerce, Supply Chain Management oder Produktionsnetzwerke.
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Vorwort
Für die Unterstützung bei der Überarbeitung dieser Auflage danke ich ganz herzlich meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Alexander Koldau, sowie für ihr ganz besonderes Engagement bei der Fertigstellung der Druckvorlage Frau stud.-wirtsch.-ing. Tanja Schlag. Darmstadt, im April 2000
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Vorwort zur 5. Auflage Die vorliegende Auflage wurde umfassend überarbeitet, aktualisiert und erweitert. Neuere Entwicklungen in den mikro-, meta- und makrologistischen Systemen wurden durch Auswertung der seit der letzten Auflage durchgeführten einschlägigen empirischen Untersuchungen berücksichtigt. Zur Charakterisierung der Logistikkonzeption wurde unter Rückgriff auf die erste Fassung dieses Buches, die den Titel „Marketing-Logistik“ trug, zusätzlich zum Systemdenken das wert- und nutzenorientierte Denken herangezogen. Die Erweiterung der Neuauflage umfasst insbesondere das neue Kapitel C. In ihm werden die phasenspezifischen Subsysteme der Logistik dargestellt. Hierbei wird nicht nur auf die klassischen Subsysteme der Versorgungslogistik, nämlich Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik, eingegangen. Wegen der oftmals sehr spezifischen Probleme des Ersatzteilwesens wird der Ersatzteillogistik ein besonderer Abschnitt gewidmet. Da neben der Versorgung des Marktes seine Entsorgung einen immer höheren Stellenwert erhält, wird auch die für eine Kreislaufwirtschaft wichtige Entsorgungslogistik als neues Subsystem analysiert. Wichtige Unterstützung bei der Bearbeitung der Neuauflage erhielt ich durch meine ehemaligen und jetzigen Mitarbeiter, Frau Dipl.-Kff. Birgit Ester sowie die Herren Dipl.-Wirtsch.-Ing. Hans Peter Buse, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Markus Engelke, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Krings, Dr. Rudolf Large und Dr. Dirk Rohweder. Dafür danke ich ihnen herzlich. Ganz besonderer Dank gebührt aber Herrn Dipl.Wirtsch.-Ing. Christian Schäfer, der mit der hilfreichen Unterstützung durch die Herren Bernd Donabauer und cand.-wirtsch.-ing. Volker Kindermann die mühsame Aufgabe der Erstellung der redaktionellen Endfassung dieser Neuauflage übernommen hat. Darmstadt, im Sommer 1995
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Vorwort zur 4. Auflage Das steigende Interesse an der Logistikkonzeption erfordert nach relativ kurzer Zeit eine Neuauflage der „Logistiksysteme“. Das bot mir die Möglichkeit, einige der wohl niemals vermeidbaren Druckfehler zu korrigieren. Außerdem habe ich das Kapitel D um internationale Aspekte von Logistiksystemen erweitert. Ich folge damit der steigenden Bedeutung, die internationalen Logistiksystemen im
Vorwort
VII
Rahmen der zunehmenden Europäisierung oder weltweiten Globalisierung der Unternehmensaktivitäten zukommt. Neben den hier vorliegenden „Betriebswirtschaftlichen Grundlagen“ sind die „Technischen Grundlagen“ von Logistiksystemen unter dem Titel „Materialfluss und Logistik“ von Herrn Kollegen Jünemann in dieser Reihe veröffentlicht worden. Ich habe darauf verzichtet, bei meinen Ausführungen an den Schnittstellen zur Technik immer wieder Querverweise zu diesem Grundlagenband anzubringen. Im besten logistischen Sinn bieten beide Bände die integrativen Grundlagen der Logistik. Darmstadt, im Frühjahr 1990
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Vorwort zur 3. Auflage Gerne bin ich der Aufforderung des Verlages zur Vorbereitung einer dritten Auflage gefolgt. Zunächst habe ich selbstverständlich alle Druckfehler der zweiten Auflage, soweit ich sie entdeckt habe oder darauf aufmerksam gemacht worden bin, korrigiert; außerdem habe ich verschiedene Unschärfen in der Formulierung des Textes und der Abbildungen beseitigt. Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang allen Lesern, insbesondere meinen Mitarbeitern und Studenten, von denen ich entsprechende Hinweise erhalten habe. Für die intensive Unterstützung bei der redaktionellen Vorbereitung der dritten Auflagen danke ich meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stephan Freichel. Aufgrund der seit dem ersten Erscheinen des Buches eingetretenen Entwicklungstrends in Logistiksystemen wurden einige Passagen aktualisiert oder erweitert, wobei auch die neu erschienene Literatur aufgenommen wurde. Völlig neu ist das Kapitel D, in dem gesamtwirtschaftliche Aspekte von Logistiksystemen behandelt werden. Damit ist keineswegs der Anspruch verbunden, die betriebswirtschaftlichen Grundlagen zu erweitern. Auf das System der Makrologistik wird nur insoweit eingegangen, als es die Rahmenbedingungen für die mikro- und metalogistischen Systeme auf betriebswirtschaftlicher Ebene vorgibt. Darmstadt, im Frühjahr 1988
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Vorwort zur 2. Auflage Seit dem Erscheinen der ersten Fassung dieses Buches mit dem Titel „MarketingLogistik. Gestaltung, Steuerung und Kontrolle des Warenflusses im modernen Markt“ hat das Interesse an der Logistikkonzeption sowohl in der Theorie als auch in der Unternehmenspraxis erheblich zugenommen. An einigen Universitäten, Technischen Hochschulen und Fachhochschulen werden mittlerweile Logistiklehrveranstaltungen angeboten. In Stellenanzeigen werden zunehmend Logistiker gesucht. In der Unternehmenshierarchie wird der Logistikbereich auf höherer Managementebene organisatorisch verankert.
VIII
Vorwort
Die hier vorliegende Neuauflage versucht, diesem steigenden Interesse an der Logistikkonzeption gerecht zu werden. Sie ist eine völlig neu bearbeitete und erweiterte Fassung der ersten Auflage. Behandelt werden die betriebswirtschaftlichen Grundlagen nicht nur des Systems der Marketing-Logistik, sondern aller intra- und interorganisatorischen Logistiksysteme. Technische Aspekte werden dabei lediglich insoweit gestreift, als sie für das betriebswirtschaftliche Verständnis von Logistiksystemen unbedingt erforderlich sind. Die technischen Grundlagen von Logistiksystemen werden von Herrn Kollegen Jünemann in einem weiteren Grundlagenband dieser Reihe bearbeitet. Gegenstand des ersten Kapitels dieses Buches sind die Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik, wobei ausführlich auf den der Logistikkonzeption zugrundeliegenden Denkansatz eingegangen wird. Im zweiten Kapitel werden die logistischen Teilsysteme von Industrie- und Handelsunternehmen dargestellt, um zu zeigen, welche Probleme inhaltlich in die funktionale Analyse von Logistiksystemen einzubeziehen sind. Im dritten Kapitel über institutionelle Aspekte von Logistiksystemen wird zunächst die Organisationsform von Logistiksystemen in Industrie- und Handelsunternehmen behandelt. Danach wird erörtert, welche Aufgaben von Logistikunternehmen übernommen werden können. Abschließend werden interorganisatorische Logistiksysteme diskutiert, die durch Kooperation verschiedener Institutionen im Logistikkanal entstehen. Dieses Buch will also die Logistiksysteme mit ihren betriebswirtschaftlichen Grundlagen beschreiben und erklären, die aus der Logistikkonzeption resultieren. Die Prozesse zur Gestaltung solcher Logistiksysteme sind Gegenstand eines anderen von mir geplanten Buches, das in dieser Reihe mit dem Titel „Logistikmanagement“ erscheinen wird. Allen, die an der Entstehung des vorliegenden Buches mitgewirkt haben, sei an dieser Stelle herzlichst gedankt. Insbesondere gilt dieser Dank meinem ehemaligen Mitarbeiter, Herrn Dr. Klaus Wübbenhorst, für das Korrekturlesen mehrerer Manuskriptfassungen, den Herren cand.-wirtsch.-ing. Stephan Freichel und Henrik Lewe für die Bearbeitung des Manuskriptes auf dem Textverarbeitungssystem, Herrn cand.-wirtsch.-ing. Holger Grotelüschen für die Anfertigung der Abbildungen und Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Norbert Linn für die Erstellung des Stichwortverzeichnisses. Nicht zuletzt danke ich aber vor allem meiner Frau und meinen Kindern für ihr Verständnis, das sie mir entgegenbrachten. Denn sie mussten an vielen Wochenenden auf gemeinsame Freizeit mit dem Autor verzichten, die dieser mit Formulierungen zu Logistiksystemen in seinem Arbeitszimmer verbrachte. Darmstadt, im Frühjahr 1985
Hans-Christian Pfohl
Inhaltsverzeichnis
A Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik................. 1 1
Logistikbegriff ........................................................................................... 3 1.1 1.2 1.3 1.4
2
Charakterisierung der Logistikkonzeption............................................... 20 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
3
Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation ........... 3 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation ........................ 7 Begriffliche Abgrenzung der Logistik ............................................. 11 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen ................ 14
Wert- und nutzenorientiertes Denken .............................................. 20 Systemdenken .................................................................................. 25 Gesamt- oder Totalkostendenken..................................................... 29 Servicedenken.................................................................................. 32 Logistisches Effizienzdenken .......................................................... 39 Konsequenzen des Logistikdenkens ................................................ 42
Bedeutung der Logistik............................................................................ 46 3.1 3.2 3.3 3.4
Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen.............................. 46 Kostendruck ..................................................................................... 49 Marktdruck....................................................................................... 53 Stellenwert im Unternehmen ........................................................... 58
B Verrichtungsspezifische Subsysteme der Logistik................ 67 1
Auftragsabwicklung................................................................................. 70 1.1 1.2 1.3 1.4
Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung ....................... 70 Auftragsabwicklungsaufgaben......................................................... 74 Formen der Auftragsabwicklung ..................................................... 78 Verknüpfung logistischer Informationssysteme............................... 84
X
Inhaltsverzeichnis
2
Lagerhaltung (Lagerbestände) .................................................................87 2.1 2.2 2.3 2.4
3
Lagerhaus...............................................................................................112 3.1 3.2 3.3 3.4
4
Definition und Funktionen des Lagerhauses ..................................112 Lagerhausaufgaben ........................................................................116 Lagerplatzzuordnung .....................................................................120 Technik im Lagerhaus....................................................................124
Verpackung............................................................................................134 4.1 4.2 4.3 4.4
5
Definition und Funktionen der Lagerhaltung...................................87 Lagerhaltungsaufgaben ....................................................................90 Vorratsergänzung und -sicherung ....................................................95 Selektive Lagerhaltung ..................................................................106
Definition und Funktionen der Verpackung...................................134 Verpackungsaufgaben....................................................................137 Logistische Einheiten.....................................................................141 Modulare Verpackung....................................................................147
Transport................................................................................................149 5.1 5.2 5.3 5.4
Definition und Funktionen des Transports.....................................149 Transportaufgaben .........................................................................150 Transportmittel...............................................................................154 Kombinierter Verkehr ....................................................................160
C Phasenspezifische Subsysteme der Logistik .........................167 1
Beschaffungslogistik..............................................................................169 1.1 Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik ....................169 1.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik ....174
2
Produktionslogistik ................................................................................180 2.1 Definition und Konzeption der Produktionslogistik ......................180 2.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen..............183 2.3 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik .......191
3
Distributionslogistik...............................................................................198 3.1 Definition und Konzeption der Distributionslogistik .....................198 3.2 Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik ..........202
Inhaltsverzeichnis
4
XI
Ersatzteillogistik .................................................................................... 210 4.1 Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik........................... 210 4.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Ersatzteillogistik ........... 215 4.3 Bedeutung der Ersatzteilversorgung als Wettbewerbsinstrument.. 217
5
Entsorgungslogistik ............................................................................... 219 5.1 Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik...................... 219 5.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Entsorgungslogistik ...... 222 5.3 Technische Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse ........ 226
D Institutionelle Aspekte von Logistiksystemen ..................... 229 1
Intraorganisatorische Logistiksysteme................................................... 231 1.1 Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logistik .......................................................................................... 231 1.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen ................................................................. 238 1.3 Gliederung einer Organisationseinheit Logistik ............................ 249 1.4 Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur ......... 251
2
Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen ............................ 255 2.1 Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen .................. 255 2.2 Art der Dienstleistungen ................................................................ 260 2.3 Besonderheiten der Leistungserstellung ........................................ 263
3
Institutionen der Güterverkehrswirtschaft ............................................. 264 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
4
Transportunternehmen ................................................................... 266 Lager-, Umschlags- und Verpackungsunternehmen ...................... 270 Speditionen und Vermittler............................................................ 271 Logistikzentren .............................................................................. 273 Rechts- und Organisationsformen.................................................. 277
Interorganisatorische Logistiksysteme................................................... 280 4.1 4.2 4.3 4.4
Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen 280 Kooperation auf verschiedenen Ebenen......................................... 286 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß .......................................... 290 Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal ......................... 299
XII
Inhaltsverzeichnis
E Gesamtwirtschaftliche und internationale Aspekte von Logistiksystemen.....................................................................305 1
Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung ...308 1.1 Anforderungen aufgrund der Arbeitsteilung ..................................308 1.2 Anforderungen aufgrund der Güterart............................................309 1.3 Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele..................312
2
Makrologistische Infrastruktur...............................................................317 2.1 Infrastruktur des Güterflusses ........................................................317 2.2 Infrastruktur des Informationsflusses.............................................327 2.3 Verkehrspolitik ..............................................................................332
3
Internationale Logistiksysteme ..............................................................337 3.1 Besonderheiten der internationalen Logistik..................................337 3.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme ...................................345 3.3 Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik ..........358
Literatur ........................................................................................365 Sachverzeichnis.............................................................................389
Abbbildungsverzeichnis
Abb. A.1 Abb. A.2 Abb. A.3 Abb. A.4 Abb. A.5 Abb. A.6 Abb. A.7 Abb. A.8 Abb. A.9 Abb. A.10 Abb. A.11 Abb. A.12 Abb. A.13 Abb. A.14 Abb. A.15 Abb. A.16 Abb. A.17 Abb. A.18 Abb. A.19 Abb. A.20 Abb. A.21 Abb. A.22 Abb. A.23
Systeme der Gütertransformation .........................................................4 Grundstrukturen von Logistiksystemen ................................................6 Logistikprozesse und die durch sie bewirkte Gütertransformation.......9 Kennzeichnung logistischer Aufgabenbereiche ..................................10 Institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen..............................15 Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Phasen des Güterflusses ..................................................................................19 Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Inhalten von Logistikaufgaben............................................................20 Beitrag der Logistik zur Bedürfnisbefriedigung .................................21 Verfügbarkeit als konstituierende Eigenschaft des Gebrauchswertes ...23 Übernahme wertschöpfender Logistikaktivitäten des Kunden durch den Lieferanten .........................................................................23 Zusammensetzung der Gesamtkosten im Logistikprozess..................31 Typische Kostenverläufe im Logistiksystem ......................................32 Beispiel für den zeitlichen Verlauf einer 10-tägigen Lieferzeit ..........36 Formeln zur Berechnung der Lieferbereitschaft .................................38 Auswirkung des Serviceniveaus auf den Gewinn ...............................41 Logistik als betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktion ..................43 Aufteilung der Logistikkosten verschiedener logistischer Teilfunktionen und Branchen in Prozent vom Umsatz .......................50 Vergleich der nationalen Logistikkosten und des Bruttosozialproduktes ausgewählter Länder ..........................................................51 Anteil der Logistikkosten in Prozent vom Jahresumsatz ....................52 Bewertungskriterien der Lieferantenauswahl .....................................54 Vier ausgewählte Kriterien für die Fremdvergabe von Leistungen der Verlader an Logistikdienstleister ..................................................55 Bedeutung von Beurteilungskriterien bei der Auswahl von Speditions- bzw. Transportunternehmen ............................................56 Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten in Abhängigkeit von der Marktentfernung ...........................................................................60
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abb. A.24 Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten in Abhängigkeit von der Produktart .....................................................................................61 Abb. A.25 Bedeutung der Logistik als Instrument der Rationalisierung und des Lieferservice als Instrument zur Differenzierung.........................63 Abb. B.1 Abb. B.2 Abb. B.3 Abb. B.4 Abb. B.5 Abb. B.6 Abb. B.7 Abb. B.8 Abb. B.9 Abb. B.10 Abb. B.11 Abb. B.12 Abb. B.13 Abb. B.14 Abb. B.15 Abb. B.16 Abb. B.17 Abb. B.18 Abb. B.19 Abb. B.20 Abb. B.21 Abb. B.22 Abb. B.23 Abb. B.24 Abb. B.25 Abb. B.26
Der Auftrag als Informationsquelle ....................................................71 Der Weg der Auftragsinformation bei der Auftragsabwicklung und die Verbindung zu den übrigen Subsystemen der Logistik..........75 Flussdiagramm der Auftragsabwicklung für den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung ......................................................80 Modularer Aufbau von Warenwirtschaftssystemen............................82 Kopplungsmöglichkeiten zwischen den Informationssystemen verschiedener Akteure in einer Lieferkette.........................................85 Lagerbestände beim Güterfluss durch den Absatzkanal .....................88 Bestandteile des Lagerbestandes aufgrund der Vorratsergänzung und -sicherung ....................................................................................91 Zusammenstellung der Materialbedarfsarten......................................92 Methoden der Bedarfsermittlung ........................................................93 Bestellregeln .......................................................................................96 Verkleinerung der Sicherheitsbestandes durch Verwendung von zwei Bestellpunkten..........................................................................100 Normalverteilung des Prognosefehlers .............................................102 Zusammenhang zwischen Sicherheitsbestand und Lieferbereitschaft...104 Beispiel für eine Lorenzkurve zur Kennzeichnung der Umsatzkonzentration in einem Produktprogramm ...........................108 Klassifizierung der Artikel mit Hilfe der Umsatzanalyse und der Analyse des kritischen Wertes ..........................................................109 Unterscheidung von Lagerhausarten nach ihrer Funktion ................113 Kostensenkung bei der Belieferung eines Gebietes durch ein Auslieferungslager............................................................................115 Lagerhausbereiche ............................................................................118 Möglichkeiten der Lagerplatzzuordnung..........................................123 Prinzipdarstellung der wesentlichen technischen Lagersysteme für Stückgüter ...................................................................................125 Elemente eines Lagerhauses .............................................................131 Automatisierung im Lagerhaus.........................................................133 Zuordnung der Anforderungen an die Verpackung zu den Verpackungsfunktionen ....................................................................138 Einflüsse auf die Gestaltung der Verpackungsarten .........................139 Grundsätzliche Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten...143 Verschiedene Großbehälter...............................................................146
Abbildungsverzeichnis
Abb. B.27 Abb. B.28 Abb. B.29 Abb. B.30 Abb. B.31 Abb. B.32
XV
Modularer Aufbau von Verpackungen .............................................148 Beispiel einer Palette mit modularen Verpackungen ........................149 Möglichkeiten zum Aufbau einer Transportkette .............................152 Güterverkehrssystem ........................................................................155 Güterverkehr im Vergleich (Deutschland)........................................156 Möglichkeiten im Kombinierten Verkehr Straße/Schiene ................161
Abb. C.1 Abb. C.2 Abb. C.3 Abb. C.4 Abb. C.5 Abb. C.6 Abb. C.7
Beispiel des Materialflusses bei Werkstattfertigung.........................185 Beispiel des Materialflusses bei Fließfertigung ................................186 Materialfluss bei Zentrenfertigung....................................................188 Funktionen von Produktionslagern (Zwischenlagern) ......................193 Funktionen des Handels....................................................................202 Wirkung eines erweiterten Produktprogramms auf die Lagerbestände..204 Beispiel für eine Aufgliederung des Marketingkanals in Logistikkanal und Absatzkanal.........................................................209 Abb. C.8 Ersatzteillogistik beim Hersteller und Verwender von Ersatzteilen..211 Abb. C.9 Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf ...........................................216 Abb. C.10 Objekte der Entsorgungslogistik.......................................................220 Abb. C.11 Logistische Prozesse in den Beseitigungskanälen ............................221 Abb. C.12 Kombinationen in mehrstufigen Rückstandskreisläufen...................226 Abb. D.1 Abb. D.2 Abb. D.3 Abb. D.4 Abb. D.5 Abb. D.6 Abb. D.7 Abb. D.8 Abb. D.9 Abb. D.10 Abb. D.11 Abb. D.12
Organisatorische Verankerung der Logistik .....................................236 Zuordnung betrieblicher Aufgaben zur Organisationseinheit Logistik ..237 Beispiel für die Aufsplitterung von Logistikaufgaben......................239 Zentralisationsgrad der Logistikaufgaben bei funktional gegliederten Unternehmen ................................................................241 Zentralisationsgrad der Logistikaufgaben bei divisional gegliederten Unternehmen ................................................................243 Kombination zentraler und dezentraler Wahrnehmung von Logistikaufgaben ..............................................................................246 Hierarchische Verankerung der Logistik im Unternehmen ..............249 In einer Organisationseinheit Logistik aufgewendete Zeitanteile für verschiedene Aufgaben ...............................................................250 Einordnung der Logistik in eine funktionsund produktionsfaktor-orientierte Matrixorganisation.............................252 Leistungen von Logistikunternehmen...............................................261 Organisatorisches Kuppelprodukt bei der Erstellung von Transportleistungen ..........................................................................264 Güterverkehrsaufkommen und -leistung (Deutschland 2007) ..........267
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. D.13 Positive Effekte des Citylogistik-Konzeptes am Beispiel der Stadt Regensburg .......................................................................................276 Abb. D.14 Geschäftsfelder der DEUTSCHE BAHN AG ........................................279 Abb. D.15 Klassifikation und Beispiele logistischer Schnittstellen ...................281 Abb. D.16 Interorganisatorische Schnittstellen in einer Transportkette.............282 Abb. D.17 Beziehungsgefüge eines Unternehmens ...........................................284 Abb. D.18 Richtungen interorganisatorischer Beziehungen ..............................289 Abb. D.19 Abhängigkeit der Kooperationsintensität bei der Übertragung von Logistikaufgaben ..............................................................................292 Abb. D.20 Outsourcing logistischer Funktionen ................................................294 Abb. D.21 Unterschiedliche Typen von Unternehmensnetzwerken...................298 Abb. D.22 Entwicklungsstufen der Logistikanalyse als Grundlage von Logistikentscheidungen bei der Gestaltung interorganisatorischer Logistiksysteme ................................................................................301 Abb. E.1 Abb. E.2 Abb. E.3 Abb. E.4 Abb. E.5 Abb. E.6 Abb. E.7 Abb. E.8 Abb. E.9 Abb. E.10 Abb. E.11 Abb. E.12 Abb. E.13 Abb. E.14
Lebenszyklusphasen ausgewählter logistischer Leistungen in einer hochentwickelten Volkswirtschaft...........................................312 Entwicklung des Fracht- und Postaufkommens deutscher Verkehrsflughäfen ............................................................................323 Streckenlängen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale der Schienenwege ausgewählter europäischer Länder im Jahr 2000 ......325 Streckenlängen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale der Straßenverkehrswege ausgewählter europäischer Länder ................326 Institutionen in internationalen Logistikprozessen ...........................340 Länderspezifische Rahmenbedingungen für internationale Logistikprozesse ...............................................................................341 Logistikziele in internationalen Vergleich........................................344 Modell der Wertkette........................................................................346 Möglichkeiten des internationalen Markteintritts .............................347 Rahmen globaler Logistikanforderungen .........................................353 Ländercluster in Europa aus Sicht der Logistik ................................355 Zentralisierung der LEGO-Distributionszentren ..............................358 Ablauf beim Dokumentenakkreditiv.................................................360 Confirming und Faktoring im Zusammenhang mit Beschaffungsund Distributionslogistik ..................................................................362
A Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik
A Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik
2 Charakterisierung der Logistikkonzeption
3 Bedeutung der Logistik
1.1 Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation
2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken
3.1 Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen
1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation
2.2 Systemdenken
3.2 Kostendruck
1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik
2.3 Gesamt- oder Totalkostendenken
3.3 Marktdruck
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen
2.4 Servicedenken
3.4 Stellenwert im Unternehmen
1 Logistikbegriff
2.5 Logistisches Effizienzdenken
2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens
Die Darstellung der Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik beginnt mit einer Diskussion des Logistikbegriffes. Die Definition der Logistik ist hierbei eingebettet in eine inhaltliche Konkretisierung von Logistiksystemen und -prozessen. Daran schließt sich eine Charakterisierung der Logistikkonzeption, der logistischen Betrachtungsweise von Problemen im Unternehmen, an. Das spezifische Denken bei der Analyse und Gestaltung von Logistiksystemen und von Logistikprozessen wird mit seinen verschiedenen Komponenten beschrieben. Die Konsequenzen dieses Logistikdenkens für das Unternehmen werden aufgezeigt. Das Kap. A schließt mit einer ausführlichen Begründung der zunehmenden Bedeutung der Logistik als Instrument zur Rationalisierung und Erringung von Wettbewerbsvorteilen und des daraus resultierenden hohen Stellenwertes der Logistik im Unternehmen.
1
Logistikbegriff
1.1
Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation
Systeme der Gütertransformation In einer Wirtschaft können die in Abb. A.1 aufgeführten Systeme (Sektoren) der Veränderung von Gütern – im Sinne von physischen Gütern, Sachgütern, Realgütern – unterschieden werden.1 Die Güterbereitstellung erfolgt durch Produktionsprozesse (Gewinnungs-, Verarbeitungs- und Bearbeitungsprozesse) in Industrieunternehmen. Die Güter werden hierbei qualitativ verändert. Ebenfalls qualitativ verändert werden die Güter bei der Güterverwendung. Durch Konsumtionsprozesse (Gebrauchs- und Verbrauchsprozesse) i. w. S. werden Güter in Haushalten, aber auch in Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen verbraucht 1
Zur Herleitung der Transfer- oder Überbrückungsbedarfe und -leistungen aus der Arbeitsteiligkeit, der Dislozierung und der Zeitstrukturen der Sektoren der Güterbereitstellung und Güterverwendung vgl. Ihde, 2001, S. 1f. und S. 57.
4
A.1
Logistikbegriff
Güterbereitstellung
Güterverteilunga
Güterverwendung
System zur qualitativen Gütertransformation: Produktionsprozesse
System zur raumzeitlichen Gütertransformation (Logistiksystem): Transferprozesse (Logistikprozesse)
System zur qualitativen Gütertransformation: Konsumtionsprozesse
in Industrieunternehmen
in Logistikunternehmen (Raum-Zeitüberbrückung ist Unternehmenszweck dieser Art von Dienstleistungsunternehmen) oder Industrie-, Handels-, Dienstleistungsunternehmen (Raum-Zeitüberbrückung ist Teilaufgabe)
in Haushalten
oder Industrie-, Handels-, Dienstleistungsunternehmen
Güterfluss
Produktionswirtschaftliche Rahmenbedingungen für Logistikprozesse: •logistische Produkteigenschaften technologischer und ökonomischer Art •Gütermengen •räumliche Struktur der Güterbereitstellung •zeitliche Struktur der Güterbereitstellung
a
Logistiktechnologische und -institutionelle Rahmenbedingungen für Logistikprozesse: •Verkehrsgeographie •Verkehrsinfrastruktur •Verkehrsmittel- und Verkehrshilfsmitteltechnologie •politisch-rechtliche Bedingungen •Entwicklungsstand der Logistikkonzeption
Bedarfsorientierte Rahmenbedingungen für Logistikprozesse: •Nutzen der Raum-ZeitÜberbrückung für die Güterverwendung •Gütermengen •räumliche Struktur der Güterverwendung •zeitliche Struktur der Güterverwendung
Die rechtliche Transformation der Güter bei der Güterverteilung bleibt in der Darstellung unberücksichtigt.
Abb. A.1
Systeme der Gütertransformation
oder abgenutzt. Die Verknüpfung zwischen der Güterbereitstellung und der Güterverwendung bildet die Güterverteilung. Sie vollzieht sich durch Transformationsprozesse (Bewegungs- und Lagerprozesse), die die Güter nicht qualitativ, sondern raumzeitlich verändern. Systeme zur raumzeitlichen Gütertransformation sind Logistiksysteme; die in ihnen ablaufenden Prozesse demnach Logistikprozesse. Sie laufen in sogenannten Logistikunternehmen ab. Das sind Dienstleistungsunternehmen, deren Unternehmenszweck Raum- und Zeitüberbrückung ist. Sie laufen aber auch in Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen ab, bei denen die Raum- und Zeitüberbrückung lediglich eine Teilaufgabe zur Erfüllung des eigentlichen Unternehmenszweckes darstellt.
1.1
Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation
5
Durch Logistikprozesse wird der Güterfluss hervorgerufen, der die Systeme der Güterbereitstellung und Güterverwendung miteinander verbindet. In allen drei Systemen gibt es Rahmenbedingungen, die auf den Ablauf der Logistikprozesse großen Einfluss haben. Beispielsweise werden sich die Logistikprozesse bei der Produktion von Schütt- oder Stückgütern, bei der Verteilung von Gütern in einem Land mit einem gut oder schlecht ausgebauten Straßennetz oder bei einer Güterverwendung, für die eine schnelle Raumüberbrückung von großer oder von geringer Bedeutung ist, jeweils sehr unterscheiden. Grundstrukturen von Logistiksystemen Charakteristisch für Logistiksysteme ist das Ineinandergreifen von Bewegungsund Lagerprozessen. Graphisch lässt sich das Zusammenspiel von Bewegungsund Lagerprozessen – letztere lassen sich allgemeiner als Speicherprozesse bezeichnen – durch ein Netzwerk darstellen, in dem Knoten durch Kanten miteinander verbunden sind. 2 Durch dieses Netzwerk werden Objekte bewegt. An den Knoten werden die Objekte vorübergehend festgehalten (gespeichert) oder auf einen anderen durch das Netzwerk führenden Weg übergeleitet. Die verschiedenen Knotenverbindungen (Kanten) stellen die unterschiedlichen Möglichkeiten dar, wie ein Objekt durch das Netzwerk bewegt werden kann. Unabhängig davon, welche Objekte (Sachgüter, Energie, Informationen oder Menschen) durch ein solches Netzwerk strömen, liegen Logistiksysteme vor. Das vorliegende Buch befasst sich allerdings lediglich mit Logistiksystemen, deren Objekte Sachgüter sind. Die in solchen Logistiksystemen auftretenden Informationsströme sind nicht Selbstzweck, sondern vom physischen Güterfluss abgeleitet. Geht man vom Netzwerkgedanken aus, so lassen sich die in Abb. A.2 dargestellten Grundstrukturen von Logistiksystemen unterscheiden.3 In einem einstufigen System erfolgt die Raum- und Zeitüberbrückung durch einen direkten Güterfluss zwischen dem Lieferpunkt, an dem die Güter bereitgestellt werden und der allgemein auch als Quelle bezeichnet werden kann und dem Empfangspunkt, an dem die Güter verwendet werden und den man allgemein auch als Senke bezeichnen kann. Ganz offensichtlich hat ein solches einstufiges System den Vorteil, dass der Güterfluss zwischen Liefer- und Empfangspunkt nicht unterbrochen wird, also keine zusätzlichen Lagerprozesse und/oder Bewegungsprozesse zur Überleitung des Gutes auf andere Wege stattfinden.
2 3
Vgl. Ballou, 2004, S. 41ff. Vgl. Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 120ff.; Poth, 1973, S. 15; Brauer/Krieger, 1982, S. 34; Bowersox/Closs, 1996, S. 90ff.
6
A.1
Logistikbegriff
Auflösungspunkt (Break-bulk point) Lieferpunkt (Güterbereitstellung)
Empfangspunkt (Güterverwendung)
direkter Güterfluss
einstufiges System
Lieferpunkt
Empfangspunkte
Konzentrationspunkt (Consolidation point)
Lieferpunkt
Empfangspunkte
Lieferpunkte
Empfangspunkt
direkter und indirekter Güterfluss
indirekter Güterfluss
kombinierte Systeme
mehrstufiges System
Abb. A.2
Grundstrukturen von Logistiksystemen
In einem mehrstufigen System erfolgt die Raum- und Zeitüberbrückung durch einen indirekten Güterfluss zwischen Liefer- und Empfangspunkt. Der Güterfluss wird also wenigstens an einem weiteren Punkt unterbrochen, an dem dann zusätzliche Lager- und/oder Bewegungsprozesse stattfinden müssen. Die Aufgabe dieses Unterbrechungspunktes ist die Auflösung oder Konzentration (Bündelung) des Güterflusses. In einem Auflösungspunkt treffen die Güter in großen Mengen von einem Lieferpunkt ein und verlassen ihn in kleinen Mengen (Break Bulk Point) an verschiedene Empfangspunkte. Das Auflösen besteht entweder in einer reinen Verkleinerung der Mengeneinheiten eines bestimmten Gutes, um den Güterfluss im Hinblick auf Empfangspunkte auszurichten, deren Bedarf nicht in großen, sondern nur in kleinen Mengen befriedigt werden kann. Das Auflösen kann aber auch in einem Aussortieren bestehen. In diesem Fall ist der Güterfluss von einem Lieferpunkt zum Auflösungspunkt nicht homogen, besteht nicht aus großen Mengen eines bestimmten Gutes, sondern er ist heterogen. Die großen Gütermengen setzen sich beim heterogenen System aus verschiedenen Gütern zusammen. Der heterogene Güterfluss wird am Auflösungspunkt in kleinere homogene Güterflüsse zu
1.2
Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation
7
verschiedenen Empfangspunkten aufgelöst. Der Unterbrechungspunkt bei einem mehrstufigen System kann aber auch ein Konzentrationspunkt (Consolidation Point) sein, in dem Güter gebündelt (gesammelt oder einer Sortimentierung unterzogen) werden. Im Falle des Sammelns trifft ein Gut in kleinen Mengen von verschiedenen Lieferpunkten im Konzentrationspunkt ein und wird zu größeren homogenen Einheiten zusammengefasst. Eine andere Ausprägungsform des Konzentrierens bildet die Sortimentierung. Bei der Sortimentierung treffen von den verschiedenen Lieferpunkten unterschiedliche Güter am Konzentrationspunkt ein und werden dort zu Sortimenten zusammengefasst. In diesem Fall sind also die am Konzentrationspunkt eingehenden Güterflüsse jeweils homogen, die an die Empfangspunkte ausgehenden Güterflüsse dagegen heterogen zusammengesetzt. Von kombinierten Systemen spricht man dann, wenn direkte und indirekte Güterflüsse nebeneinander möglich sind. Einstufige Systeme haben den Vorteil, dass die an den Unterbrechungspunkten notwendigen zusätzlichen Logistikprozesse vermieden werden. Voraussetzung ist allerdings, dass auch bei großen Entfernungen zwischen Liefer- und Empfangspunkt der Güterfluss so schnell ist, dass die Bedürfnisse am Empfangspunkt rechtzeitig befriedigt werden können. Ist dies nicht möglich, so werden mehrstufige Systeme erforderlich, in denen beispielsweise der Auflösungspunkt den Charakter eines Auslieferungslagers annimmt, mit dem man sich möglichst nahe an einen regionalen Teilmarkt begibt, um von ihm die bei den Kunden dieses Marktes auftretenden Bedürfnisse schnell befriedigen zu können. Für mehrstufige Systeme kann aber auch die Überlegung sprechen, dass die Wirtschaftlichkeit des Güterflusses im Allgemeinen direkt mit dem Volumen dieses Stromes zusammenhängt.4 Das Auslieferungslager ist dann sinnvoll, weil es einen Güterfluss von einer Produktionsstätte zu einem regionalen Teilmarkt in großen Mengeneinheiten erlaubt. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass in einem mehrstufigen System immer zusätzliche Logistikprozesse in den Unterbrechungspunkten entstehen, die die Vorteile eines großvolumigen Güterflusses zwischen Liefer- und Unterbrechungspunkt bzw. zwischen Unterbrechungs- und Empfangspunkt wieder zunichte machen können. Die Logistikprozesse sollen im Folgenden detaillierter behandelt werden.
1.2
Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation
Güterfluss und Informationsfluss Die Grundfunktion von Logistiksystemen ist die raumzeitliche Veränderung von Gütern. Wie aus den Ausführungen des ersten Abschnitts hervorgeht, ist mit der Erfüllung dieser Grundfunktion häufig auch die Funktion der Mengen- und Sortenänderung der Güter verbunden.5 Letztlich gehört es ebenfalls zur Funktion lo4 5
Vgl. Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 379. Diese Funktion wird auch als Ordnungsfunktion bezeichnet, vgl. Ihde, 2001, S. 2f.
8
A.1
Logistikbegriff
gistischer Systeme, die genannten Arten der Gütertransformation zu erleichtern. Erfüllt werden diese Funktionen durch: x Transport-, Umschlags- und Lagerprozesse (Kernprozesse des Güterflusses), x Verpackungs- und Signierungsprozesse (Unterstützungsprozesse im Güterfluss). Der Güterfluss zwischen Liefer- und Empfangspunkt fließt nicht von allein, sondern setzt den Austausch von Informationen zwischen beiden Punkten voraus. Die Informationen lösen den Güterstrom vorauseilend aus, begleiten ihn erläuternd und folgen ihm bestätigend oder nicht bestätigend nach. Zu Logistikprozessen gehören deshalb nicht nur solche Prozesse, die den Güterfluss, sondern auch solche, die den entsprechenden Informationsfluss bewerkstelligen. Erfüllt wird diese Informationsfunktion von Logistiksystemen durch x Auftragsübermittlungs- und Auftragsbearbeitungsprozesse (Informationsfluss). In der Matrix der Abb. A.3 erfolgt eine Zuordnung von Logistikprozessen und den durch sie bewirkten Arten der Gütertransformation. Der Begriff des Umschlagens zur Kennzeichnung von Logistikprozessen ist hierbei weit gefasst. Er bezeichnet sowohl das Handhaben der Güter, z. B. bei der Einlagerung von Gütern in ein Regal, das Zusammenfassen oder Auflösen von Gütern, z. B. im Zusammenhang mit Paletten, als auch das Sortieren der Güter im Rahmen der Kommissionierung. Die Zuordnung der Gütertransformationsarten zu Lagern, Transportieren und Umschlagen liegt auf der Hand. Durch das Verpacken wird bei vielen Gütern das Transportieren, Umschlagen und Lagern erleichtert oder sogar erst ermöglicht. Durch das Signieren der Verpackung können wichtige Hinweise für die Art des Transports, des Umschlags und des Lagerns gegeben werden, die diese Prozesse erleichtern. Durch die Übermittlung und Bearbeitung von Aufträgen (Auftragsabwicklung) wird ein Gut vom logistisch indeterminierten/unbestimmten zum logistisch determinierten/bestimmten Gut. Ein Gut ist mehr logistisch determiniert, je umfangreichere und genauere Informationen bezüglich der Art des Güterflusses gemacht werden. Wird z. B. in einem Auftrag lediglich vermerkt, dass ein Gut in der 22. Woche beim Empfänger anzuliefern ist, so ist es wesentlich schwächer logistisch determiniert, als wenn der Auftrag die Information enthielte, dass das Gut in der 22. Woche am Mittwoch um 9.00 Uhr an der Rampe 3 des Empfängers anzuliefern ist. Die genannten Logistikprozesse sind Aufgaben, deren Ausführung die Güterund Informationsflüsse realisieren. Neben diesen Realisierungsaufgaben gehören zu den Logistikaufgaben selbstverständlich die mit ihnen verbundenen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben.
1.2
Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation
9
Logistikprozesse
Gütertransformation Lagern
Transportieren, Umschlagen (Handhaben)
Umschlagen (Zusammenfassen und Auflösen)
Umschlagen (Sortieren)
Aufträge Verpacken, übermitteln Signieren und bearbeiten
Zeitänderung
Raumänderung
Mengenänderung
Sortenänderung
Änderung der Transport-, Umschlagsund Lagereigenschaften Änderung der logistischen Determiniertheit des Gutes
Güterfluss
Abb. A.3
Informationsfluss
Logistikprozesse und die durch sie bewirkte Gütertransformation (Quelle: Entnommen mit Änderungen und Ergänzungen aus Jünemann, 1980, S. 2)
Logistische Aufgabenbereiche Um einen Eindruck von den Logistikaufgaben zu bekommen, die im Zusammenhang mit der Planung, Steuerung, Realisierung und Kontrolle von Logistikprozessen wahrzunehmen sind, sind in der Abb. A.4 wichtige logistische Entscheidungstatbestände zusammengestellt. In Anlehnung an die ablaufenden Logistikprozesse werden hierbei logistische Aufgabenbereiche unterschieden. Beim Lagern werden die Entscheidungstatbestände, die die Lagerbestände betreffen, unter dem Begriff Lagerhaltung zusammengefasst. Der Begriff Lagerhaus beinhaltet die Entscheidungstatbestände, die festlegen, wo gelagert und wie ein- oder ausgelagert wird.
10
A.1
Logistikbegriff
Auftragsabwicklung
• • • •
Lagerhaltung
• Anzahl der zu lagernden Artikel (selektive Lagerhaltung, ABCPrinzip) • Bestellmenge und Bestellpunkt zur Wiederauffüllung der Lagerbestände • Sicherheitsbestand • Lagerbestandskontrolle • kurzfristige Bedarfsprognose
Lagerhaus
• • • • • • • • • •
Form der Auftragsübermittlung Form der Auftragsbearbeitung Analyse des Auftrags als Informationsquelle Weiterleitung der Auftragsinformation
Kauf oder Miete von Lagerhaus und –ausrüstung Anzahl, Standorte, Kapazitäten und Liefergebiete der Lagerhäuser Eigen- oder Fremdbetrieb der Lagerhäuser Technische Einrichtungen für Magazinierung und Kommissionierung im Lagerhaus Lagerorte im Lagerhaus Lagermethode (Gestaltung des Stapelplatzes) Gestaltung der Laderampe Abfertigen der Transportmittel Organisation der Kommissionierung Effizienz beim Einsatz des Lagerhauspersonals
Transport
• • • • •
Verpackung
• Erfüllung der logistischen Funktionen der Verpackung (Schutz-, Lager-, Transport-, Manipulations- und Informationsfunktion) • Bildung logistischer Einheiten (Lager-, Lade-, Transporteinheiten usw.) als Voraussetzung für rationelle Transportketten
Abb. A.4
Art der Transportmittel Eigen- oder Fremdbetrieb der Transportmittel Kauf oder Miete der Transportmittel Kombination der Transportmittel Organisation der Transportabwicklung (optimale Transportwege, Einsatzpläne und Beladung der Transportmittel usw.)
Kennzeichnung logistischer Aufgabenbereiche
Entscheidungstatbestände bezüglich der Umschlagsprozesse finden sich sowohl im Aufgabenbereich Lagerhaus als auch im Aufgabenbereich Transport. Denn Umschlagsprozesse verbinden verschiedene Lager-, verschiedene Transport- sowie Lager- und Transportprozesse. Die hier genannten logistischen Aufgabenbereiche werden im zweiten Kapitel inhaltlich weiter konkretisiert.6
6
Zu einer ähnlichen Unterscheidung logistischer Aufgabenbereiche vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 19ff. Zu einem weiteren Überblick über Entscheidungstatbestände in logistischen Systemen vgl. auch Kirsch u. a., 1973, S. 294ff.; Krulis-Randa, 1977, S. 200ff.; Bowersox/Closs, 1996, S. 25ff.; Vahrenkamp, 2007, S. 7ff.; Arnold u. a., 2008, S. 6.
1.3
1.3
Begriffliche Abgrenzung der Logistik
11
Begriffliche Abgrenzung der Logistik
Ursprung des Wortes Logistik Nachdem Logistiksysteme und Logistikprozesse einführend dargestellt worden sind, wird sich der nächste Abschnitt mit einer Definition der Logistik befassen. Das Wort Logistik bringt in der Deutschen Sprache verschiedene Bedeutungsansätze mit sich. Es erscheint daher notwendig, kurz auf diese unterschiedlichen Ansätze aufmerksam zu machen, da der Gebrauch des Begriffes Logistik im wirtschaftlichen Bereich Deutschlands sowohl in der Theorie als auch in der Praxis noch oft missverstanden wird. In der Wissenschaft von der Logik wird Logistik zum Teil synonym mit mathematischer Logik und symbolischer Logik verwendet. In jüngerer Zeit ist allerdings die Verwendung des Begriffes Logistik in diesem Sinne zugunsten der Synonyme zurückgetreten.7 Mathematische Funktionen, die als modifizierte Exponentialfunktionen definiert werden können, bezeichnet man als logistische Funktionen.8 Solche logistischen Funktionen werden beispielsweise zur Beschreibung des Wachstums der Bevölkerung oder zur Darstellung des Lebenszyklus eines Produktes von der Markteinführung bis zur Marktsättigung verwendet. Im militärischen Bereich wird Logistik als Sammelbegriff für die Aufgaben benutzt, die der Unterstützung der Streitkräfte dienen.9 Der Begriff Logistik wird in diesem Fall vom französischen Wort „loger“ abgeleitet. Die Militärlogistik umfasst sowohl den Transport, die Quartierung und die Versorgung der Truppen als auch den Transport, die Lagerung und die Wartung militärischer Güter. Aus dem militärischen Bereich hat der Ausdruck Logistik Eingang in die wirtschaftswissenschaftliche Literatur gefunden. Im Unterschied zum militärischen Bereich, in dem sich die Logistik auf Truppen und Güter bezieht, wird der Begriff der Logistik im wirtschaftlichen Bereich heute in erster Linie auf Güter bezogen. Im Gegensatz zur militärischen Logistik gehört außerdem die Wartung – z. B. von Produktionsanlagen – in Unternehmen nicht allgemein zur Logistik. Ein anderer wesentlicher Unterschied ist, dass sich die logistischen Entscheidungen im militärischen Bereich an Zielsetzungen orientieren, die politisch-militärisch motiviert sind, während die logistischen Entscheidungen im wirtschaftlichen Bereich auf der Grundlage technologischer, ökonomischer, ökologischer und sozialer Zielsetzungen getroffen werden.
7 8 9
Vgl. Behrendt, 1977, S. 21 und die dort aufgeführte Literatur. Vgl. Oppitz/Nollau, 2003, S. 200ff. Zur Militärlogistik vgl. Gerber, 1977; Krulis-Randa, 1977, S. 39ff.; Kapoun, 1981, S. 123ff.; Ihde, 2001, S. 23f.
12
A.1
Logistikbegriff
Definition der Logistik Es gibt eine Vielzahl von Definitionen für den Begriff Logistik oder andere Begriffe, die an seiner Stelle verwendet werden.10 An dieser Stelle mag es genügen, drei Definitionen vorzustellen. Der erste Definitionsansatz kann als flussorientierte Definition der Logistik bezeichnet werden. Sie baut auf der inhaltlichen Konkretisierung des Logistikbegriffes in den beiden ersten Abschnitten auf und lautet wie folgt: Zur Logistik gehören alle Tätigkeiten, durch die die raumzeitliche Gütertransformation und die damit zusammenhängenden Transformationen hinsichtlich der Gütermengen und -sorten, der Güterhandhabungseigenschaften sowie der logistischen Determiniertheit der Güter geplant, gesteuert, realisiert oder kontrolliert werden. Durch das Zusammenwirken dieser Tätigkeiten soll ein Güterfluss in Gang gesetzt werden, der einen Lieferpunkt mit einem Empfangspunkt möglichst effizient verbindet. Schon an dieser Stelle kann darauf hingewiesen werden, was effizient bedeutet. Hierzu kann auf die vier R zurückgegriffen werden, die zur Charakterisierung der Anforderungen an die Logistik genannt werden:11 Die Logistik hat dafür zu sorgen, dass ein Empfangspunkt gemäß seines Bedarfs von einem Lieferpunkt mit dem richtigen Produkt (in Menge und Sorte), im richtigen Zustand, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort zu den dafür minimalen Kosten versorgt wird. Eine flussorientierte Definition stammt auch von der amerikanischen Logistikgesellschaft COUNCIL OF SUPPLY CHAIN MANAGEMENT PROFESSIONALS (CSCMP) – früher COUNCIL OF LOGISTICS MANAGEMENT (CLM) – und ist in den USA weit verbreitet. Die Definition lautet: „Logistik ist der Prozess der Planung, Realisierung und Kontrolle des effizienten, kosteneffektiven Fließens und Lagerns von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Fertigfabrikaten und den damit zusammenhängenden Informationen vom Lieferzum Empfangspunkt entsprechend den Anforderungen des Kunden.“12 Ebenfalls flussorientiert ist die Definition der europäischen Dachgesellschaft der nationalen logistischen Gesellschaften in Europa, der EUROPEAN LOGISTICS ASSOCIATION (ELA). Sie lautet: Logistik ist „die Organisation, Planung, Kontrolle und Durchführung eines Güterflusses von der Entwicklung und vom Kauf durch die Produktion und die Dist-
10
11 12
Vgl. Pfohl, 1972, S. 17ff.; Behrendt, 1977, S. 23ff.; Kapoun, 1981, S. 123ff.; Schary, 1984, S. 7ff.; Kummer, 1992, S. 20ff.; Dogan, 1994, S. 25ff.; Isermann, 1998a, S. 21ff. und die dort aufgeführte Literatur. Vgl. Pfohl, 1972, S. 28ff. Council of Supply Chain Management Professionals, o. J., S. 2. Übersetzung durch den Verfasser.
1.3
Begriffliche Abgrenzung der Logistik
13
ribution bis zum endgültigen Kunden mit dem Ziel der Befriedigung der Anforderungen des Marktes bei minimalen Kosten und minimalem Kapitalaufwand.“13 Ein zweiter Definitionsansatz kann als lebenszyklusorientierte Definition der Logistik bezeichnet werden. Sie baut auf dem Lebenszyklus eines Erzeugnisses im Sinne seiner Lebensdauer auf.14 Dem Begriff des Lebenszyklus liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Produkt – allgemeiner ein System – durch Maßnahmen der Planung, des Entwurfs und der Entwicklung entsteht und nach einer Periode des Betriebs schließlich stillgelegt oder verschrottet wird. Als Lebenszyklusphasen werden z. B. die Initiierungs-, Planungs-, Realisierungs-, Betriebs- und Stilllegungsphase unterschieden. Logistische Aktivitäten beziehen sich dann auf die Unterstützung der Transformationsaktivitäten in den verschiedenen Lebenszyklusphasen. Die international tätige Logistikgesellschaft THE INTERNATIONAL SOCIETY OF LOGISTICS (SOLE) – früher SOCIETY OF LOGISTICS ENGINEERS – definiert dementsprechend: Logistik ist „das unterstützende Management, das während des Lebens eines Produkts eine effizientere Nutzung von Ressourcen und die adäquate Leistung logistischer Elemente während aller Phasen des Lebenszyklus sicherstellt, so dass durch rechtzeitiges Eingreifen in das System eine effektive Steuerung des Ressourcenverbrauchs gewährleistet wird.“15 Ein dritter Definitionsansatz kann schließlich als dienstleistungsorientierte Definition der Logistik bezeichnet werden. Sie baut auf dem Gedanken auf, dass eine Dienstleistung einem Kunden nur optimal zur Verfügung gestellt werden kann, wenn alle Aktivitäten zur Produktion in koordinierter Weise erbracht werden. Die Definition lautet: Logistik ist „der Prozess zur Koordination aller immateriellen Aktivitäten, die zur Erfüllung einer Dienstleistung in einer kosten- und kundeneffektiven Weise vollzogen werden müssen.“16 Der Schwerpunkt dieser Aktivitäten liegt in den folgenden drei Gebieten: Minimierung der Wartezeiten (der Auftragsabwicklungszeiten), Management der Dienstleistungskapazität und Bereitstellung der Dienstleistung durch einen Distributionskanal.17 13
14
15 16
17
European Logistics Association, 1993, S. 1. Übersetzung durch den Verfasser. Diese Defintion wird heute von der ELA zur Definition des Supply Chain Managements genutzt. Zu diesem Begriff vgl. Pfohl/Wübbenhorst, 1983, S. 144ff. Siehe dazu ebenso Finkelstein/Guertin, 1988. Coyle/Bardi/Langley, 1992, S. 8. Übersetzung durch den Verfasser. Arthur D. Little/The Pennsylvania State University, Center of Logistics Research, 1991, S. XXII. Übersetzung durch den Verfasser. Vgl. Arthur D. Little/The Pennsylvania State University, Center of Logistics Research, 1991, S. 34ff. Einen anderen, umfassenderen dienstleistungsorientierten Begriff der Logistik vertreten die Banken, die unter logistischer Führung die Schaffung einer zweckmäßigen Infrastruktur verstehen, mit der das gesamte Versorgungssystem in den Dienst der Führung der Geschäftsfront gestellt wird. Die Logistik umfasst neben der Erfüllung von Dienstleistungsfunktionen auch die Hilfegewährung für alle anderen Bereiche. Zur logistischen Führung einer Bank gehören das finanzielle und betriebliche Rechnungswesen, Informatik und EDV, Kontrolle und Revision, bankeigene Forschung und Entwicklung, Immobilien und Sicherheit
14
A.1
Logistikbegriff
Den folgenden Ausführungen liegt der in Wissenschaft und Praxis am meisten verbreitete flussorientierte Definitionsansatz zugrunde. Die lebenszyklusorientierte Definition kann sich lediglich dann als zweckmäßig erweisen, wenn Logistik im Zusammenhang mit der Kalkulation, der Analyse und dem Entwurf der Lebenszykluskosten diskutiert wird. Lebenszykluskosten sind die totalen Kosten, die ein System während seiner gesamten Lebensdauer verursacht. Der dienstleistungsorientierte Definitionsansatz kann sich in den Fällen als zweckmäßig erweisen, in denen logistische Leistungen in engem Zusammenhang mit anderen Dienstleistungen erbracht werden. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die Bereitstellung eines Ersatzteils beim Kunden zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kundendienstmonteur Instandhaltungsaktivitäten an einer Maschine beim Kunden vornimmt. Nachdem der Inhalt des Logistikbegriffs geklärt ist, sollen im folgenden Abschnitt wichtige, in der Realität vorkommende Logistiksysteme unterschieden werden.
1.4
Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen
Eine Unterscheidung verschiedener Logistiksysteme ist notwendig im Hinblick auf die Unterschiede in den Problemen, die sich bei der Gestaltung eines Logistiksystems ergeben. Einen großen Einfluss auf diese Probleme werden der Umfang und die Betrachtungsebene (Aggregationsebene) des definierten logistischen Systems haben. Im Hinblick auf diese beiden Merkmale lassen sich Logistiksysteme sowohl unter institutionellen als auch unter funktionellen Gesichtspunkten abgrenzen. Institutionell unterscheiden sich die Logistiksysteme nach Art und Anzahl der im System betrachteten Institutionen, funktionell nach Art und Anzahl der im System betrachteten Funktionen. Institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen In Abb. A.5 wird eine institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen versucht.18 In Anlehnung an die in der Volkswirtschaftslehre übliche Unterscheidung von Aggregationsebenen lassen sich Makro-, Mikro- und Metalogistik unterscheiden. Systeme der Makrologistik sind gesamtwirtschaftlicher Art. Ein makrologistisches System ist beispielsweise das Güterverkehrssystem in einer Volkswirtschaft. Systeme der Mikrologistik sind einzelwirtschaftlicher Art. Zur Mikrologistik zählen die logistischen Systeme einzelner öffentlicher oder privater Organisationen, beispielsweise der Fuhrpark eines Unternehmens. Systeme der Metalogistik19 liegen auf einer Betrachtungsebene zwischen Makro- und Mikrologistik. Ein metalo-
18
19
sowie Personalführung und Ausbildung. Zum Logistikbegriff der Banken vgl. Lohmann, 1998, S. 76ff.; Pfohl, 2003. Vgl. Pfohl, 1974, S. 73ff. und die dort zitierte Literatur sowie die Ansätze zur institutionellen Abgrenzung bei Felsner, 1980, S. 18; Endlicher, 1981, S. 29. Der Meta-Begriff wird hier nicht im Sinne einer Meta-Wissenschaft gebraucht, vgl. Raffée, 1995, S. 17ff.
1.4
Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen
15
Logistik
Makrologistik
Krankenhauslogistik
Mikrologistik
Militärlogistik
Industrielogistik
Handelslogistik
innerbetriebliche Logistik
zwischenbetriebliche Logistik
Abb. A.5
Unternehmenslogistik
Dienstleistungslogistik
innerbetriebliche Logistik
Metalogistik
Logistik sonstiger Organisationen
Kooperation verladende Wirtschaft
zwischenbetriebliche Logistik
Kooperation Logistikunternehmen
Kooperation Logistikunternehmen und verladende Wirtschaft
Logistikunternehmen
Logistik sonst. Dienstleistungsunternehmen
Institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen
gistisches System umfasst beispielsweise nicht den gesamten Güterverkehr in einer Volkswirtschaft, aber auch nicht nur den Güterverkehr einer einzelnen Organisation, sondern etwa den Güterverkehr der in einem Absatzkanal zusammenarbeitenden Organisationen, beispielsweise eines industriellen Lieferanten, eines als Zwischenhändler eingeschalteten Großhändlers, eines Einzelhändlers sowie der eingeschalteten Spedition. Mikrologistische Systeme sind also immer intraorganisatorische Systeme, deren größter Umfang durch die rechtlichen Grenzen einer Organisation festgelegt ist. Metalogistische Systeme sind dagegen interorganisatorische Systeme, die über die rechtlichen Grenzen von Einzelorganisationen hinausgehen und eine Kooperation mehrerer Organisationen (Institutionen) im Güterfluss beinhalten. Systeme der Mikrologistik lassen sich zunächst nach der Art von Organisationen mit unterschiedlichen Zielsetzungen unterscheiden. In diesem Buch interessieren nur solche Organisationen, deren Zielsystem wesentlich durch wirtschaftliche Ziele geprägt ist. Derartige Organisationen sollen als Unternehmen bezeichnet
16
A.1
Logistikbegriff
werden. Die Unternehmenslogistik lässt sich nach der von einem Unternehmen am Markt zu erfüllenden Aufgabe (Unternehmenszweck, Betriebszweck) in Industrie-, Handels- und Dienstleistungslogistik untergliedern. Zwischen den Begriffen Unternehmen und Betrieb wird häufig die Unterscheidung getroffen, dass man mit Unternehmen die rechtliche, finanzielle Einheit einer Betriebswirtschaft und mit Betrieb die technische Einheit bezeichnet in der die Produktions- und Logistikprozesse ablaufen. Ein Unternehmen kann demnach durchaus mehrere Betriebe haben. Bei der Industrie- und Handelslogistik ist es sinnvoll, noch zwischen einer innerbetrieblichen und einer zwischenbetrieblichen Logistik zu unterscheiden. Die Dienstleistungslogistik ist in Abhängigkeit davon weiter zu untergliedern, ob die hauptsächlich von einem Unternehmen am Markt zu erfüllende Aufgabe, seine Primärleistung, eine logistische Leistung ist (z. B. im Falle von Speditionen oder Verpackungsunternehmen) oder ob die Logistikleistungen, wie auch im Fall von Industrie- und Handelsunternehmen, lediglich Sekundärleistungen sind, die im Zusammenhang mit der Erfüllung der eigentlichen Marktaufgabe erbracht werden müssen (wie z. B. im Falle von Banken oder Versicherungen).20 Die Unternehmen, bei denen wie im ersten Fall der Hauptzweck in der Erbringung logistischer Leistungen besteht, somit also logistische Funktionen dominieren, 21 bezeichnet man als logistische Betriebswirtschaften oder Logistikunternehmen oder auch – da häufig zwischen Unternehmen und Betrieben nicht unterschieden wird – als Logistikbetriebe oder aber als logistische Dienstleister. Systeme der Metalogistik können danach unterschieden werden, welche Unternehmen bei der Erfüllung logistischer Aufgaben kooperieren. Eine Kooperation ist möglich unter Unternehmen der verladenden Wirtschaft. Beispielsweise können Verlader aus verschiedenen Branchen, aber auch derselben Branche ein gemeinsames Warenverteilsystem benutzen. Die Kooperation zwischen Logistikunternehmen kann z. B. zwischen regional spezialisierten Speditionen oder zwischen Straßentransportunternehmen und der Bahn erfolgen. Eine Kooperation zwischen Logistikunternehmen und der verladenden Wirtschaft liegt z. B. vor, wenn ein Verlader die Auslieferung seiner Produkte einem Logistikunternehmen überträgt. Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen Eine erste Möglichkeit zur Unterscheidung funktioneller Subsysteme der Logistik ergibt sich, wenn man den verschiedenen Phasen eines Güterflusses vom Beschaffungsmarkt durch ein Industrieunternehmen zum Absatzmarkt und von dort wieder zurück bis zum Beschaffungsmarkt folgt. Man erhält dann die phasenspezifischen Subsysteme der Logistik. Wie aus Abb. A.6 ersichtlich ist, geht die erste Phase des Güterflusses, bestehend aus Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Kaufteilen sowie möglicherweise Handelsware und gelieferten Ersatzteilen, vom Lieferanten am Beschaffungsmarkt bis zum Beschaffungs- oder Eingangslager eines Indust20 21
Vgl. Frodl, 1998, S. 12ff. Vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 84.
1.4
Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen
17
rieunternehmens. Zwischen dem unmittelbar bei der Produktionsstätte liegenden Beschaffungslager und dem Beschaffungsmarkt kann noch ein Zulieferungslager liegen, das z. B. Aufgaben des Sammelns oder des Sortierens wahrzunehmen hat. Selbstverständlich ist auch ein Güterfluss direkt vom Beschaffungsmarkt in den Produktionsprozess möglich. Das Logistiksystem, das sich mit der ersten Phase des Güterflusses befasst, nennt man Beschaffungslogistik, teilweise auch Versorgungslogistik oder physisches Versorgungssystem.22 In der zweiten Phase fließen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie gelieferte Ersatzteile und Kaufteile vom Beschaffungslager in den Produktionsprozess, in dem Halbfertigfabrikate zwischengelagert werden können. Aus der Produktion fließen Fertigfabrikate und auch Halbfertigfabrikate sowie für die Kunden bestimmte Ersatzteile zum Absatzlager. Dieses logistische Teilsystem heißt Produktionslogistik. Beschaffungslogistik und Produktionslogistik zusammen werden teilweise auch als Materiallogistik bezeichnet. In der dritten Phase besteht der Güterfluss aus Fertigfabrikaten, Halbfertigfabrikaten – diese haben dann die Funktion von Ersatzteilen – und möglicherweise auch Handelswaren. Der Güterfluss geht hierbei vom bei der Produktionsstätte liegenden Absatzlager über regionale Auslieferungslager an die Kunden im Absatzmarkt. Selbstverständlich ist auch in diesem Fall eine direkte Belieferung der Kunden vom Absatzlager oder sogar auch aus dem Produktionsprozess möglich. Die Logistik in dieser dritten Phase des Güterflusses bezeichnet man als Distributionslogistik. Der früher hierfür gebräuchliche Begriff Marketinglogistik 23 wird heute eher zur Kennzeichnung der beiden marktverbundenen Logistiksysteme Beschaffungs- und Distributionslogistik benutzt24, die früher auch unter dem Begriff physische Distribution zusammengefasst wurden.25 In der vierten Phase schließlich fließt der Güterstrom in einer umgekehrten Richtung. Er besteht dann aus Rückständen, die in Sekundärrohstoffe (Wertstoffe) und Abfälle unterschieden werden können. Während die Abfälle zu entsorgen sind, werden Sekundärrohstoffe einer Wieder- bzw. Weiterverwendung oder verwertung zugeführt. Somit können zu den Rückständen auch beschädigte oder falsch ausgelieferte Güter, die von Kunden an den Lieferanten zurückgehen (Retouren), zurückzuführendes Leergut, die bei Investitions- und Gebrauchsgütern zurückzuführenden Austauschaggregate sowie gebrauchte Behälter und Verpackungen gerechnet werden. Dieser Teil der Logistik kann als Entsorgungslogistik bezeichnet werden. Es findet sich auch der Begriff der Logistik in der Nachkaufphase, wozu allerdings neben der Entsorgungslogistik auch ein Teil der Ersatzteillogistik gehört.26 Die Ersatzteillogistik kann für ein Unternehmen in Verbindung
22 23 24 25 26
Zu letzterem vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 269. Vgl. Pfohl, 1972. Vgl. Ihde, 1978, S. 1f. Vgl. Pfohl, 1974, S. 77. Vgl. Hallbauer/Knödel, 1980.
18
A.1
Logistikbegriff
mit der Instandhaltung auf der Beschaffungsseite und dem Kundendienst auf der Distributionsseite von Bedeutung sein. Die hier aufgeführten Logistiksysteme können unter dem Begriff Unternehmenslogistik zusammengefasst werden. Die Unternehmenslogistik ist in Abb. A.6 am Beispiel eines Industrieunternehmens untergliedert. Im Falle eines Handelsunternehmens ist die Produktionslogistik nicht vorhanden und der Güterfluss besteht lediglich aus Handelsware und Betriebsstoffen. In Dienstleistungsunternehmen schließlich gibt es nur eine Beschaffungslogistik und der Güterfluss besteht nur aus Betriebsstoffen. Zu einer weiteren funktionellen Abgrenzung von Logistiksystemen kann auf die Abb. A.4 zurückgegriffen werden. Die dort aufgeführten logistischen Teilsysteme sind in Abb. A.7 nochmals zusammengefasst. Sie geben die verrichtungsorientierten Inhalte der Aufgaben wieder, die im Logistiksystem zu erfüllen sind.27 Man erhält dann die verrichtungsspezifischen Subsysteme der Logistik. Diese sind betriebswirtschaftliche Teilsysteme wie andere betriebswirtschaftliche Teilsysteme (man spricht auch von betriebswirtschaftlichen Funktionen wie etwa Absatz, Produktion, Forschung und Entwicklung, Einkauf, Finanzierung, Personalwesen, Informationswesen), in denen Produktionsfaktoren zum Zweck der betrieblichen Leistungserstellung und -verwertung eingesetzt werden. Der bewertete Einsatz an Produktionsfaktoren in Logistiksystemen stellt die Logistikkosten dar. Kosten sind als Systeminput betriebswirtschaftlich immer nur dann gerechtfertigt, wenn ihnen entsprechende Leistungen als Systemoutput gegenüberstehen. Der Output des Logistiksystems lässt sich durch die im vorangegangenen Abschnitt erwähnten vier R der Logistik charakterisieren, nämlich das richtige Gut, im richtigen Zustand, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Die von einem Logistiksystem zu erzeugende Leistung wird auch als Service bezeichnet. Sind es Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe oder Kaufteile, die für den Produktionsprozess zur Verfügung gestellt werden müssen, dann ist die Logistikleistung der Versorgungsservice. Sind es Fertigfabrikate, Ersatzteile oder Handelsware, die beim Kunden zur Verfügung zu stellen sind, bezeichnet man die Logistikleistung als Lieferservice. Die Pfeile zwischen den einzelnen logistischen Teilsystemen sollen deutlich machen, dass bei der Erfüllung der Logistikaufgaben die Interdependenzen zwischen diesen Teilsystemen zu beachten sind. Damit ist schon die Charakterisierung der Logistikkonzeption angesprochen.
27
Zu einer verrichtungsorientierten Gliederung logistischer Subsysteme vgl. Dogan, 1994, S. 104ff.
Abb. A.6
Entsorgungsmarkt
Beschaffungsmarkt Güterfluss
Zwischenlager
Produktionsprozess
Absatzlager
Entsorgungslogistik
Rückstände (Sekundärrohstoffe und Abfälle): ge- und verbrauchte Produkte, Austauschaggregate, Retouren, Leergut, Verpackung
Beschaffungslager
Auslieferungslager
Fertigfabrikate, Handesware, Ersatzteile (Halbfertigfabrikate)
Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe, Kaufteile, Halb- und Fertigfabrikate, Ersatzteile
Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe, Kaufteile, Handelsware, Ersatzteile
Zulieferungslager
Distributionslogistik
Produktionslogistik
Beschaffungslogistik
Materiallogistik
Marketinglogistik
Unternehmenslogistik
Beschaffungsmarkt
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen 19
Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Phasen des Güterflusses am Beispiel eines Industrieunternehmens
20
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
Produktionsfaktoren (Arbeit, Betriebsmittel, Material einschließlich Energie, Informationen)
Versorgungs-/Lieferservice (das richtige Gut, im richtigen Zustand, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort) Logistiksystem
Input
Auftragsabwicklungssystem
Lagerhaussystem
Transportsystem
Lagerhaltungssystem
Output
Verpackungssystem
Logistikkosten
Abb. A.7
Logistikleistungen
Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Inhalten von Logistikaufgaben
2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
2.1
Wert- und nutzenorientiertes Denken
Wert- und Nutzenarten Der Wirtschaftsprozess dient der Bedürfnisbefriedigung. Wie in Abb. A.8 dargestellt, kann er in drei Teilbereiche aufgegliedert werden und zwar in Bereitstellung (Produktion), Verteilung und Verwendung von Gütern. Jede wirtschaftliche Tätigkeit ist zunächst aus der Sicht des Teilbereiches der Verwendung zu betrachten. Wirtschaftliche Güter werden letzten Endes ver- oder gebraucht. Das setzt voraus, dass sie Bedürfnisse von Menschen befriedigen. Diese Befriedigung der Bedürfnisse geschieht nicht durch die wirtschaftliche Tätigkeit an sich, sondern durch die mit ihr verbundene Nutzenstiftung. Wie Abb. A.8 zeigt, lassen sich fünf Arten von Nutzen unterscheiden, die mit wirtschaftlicher Tätigkeit entstehen: Gestaltnutzen, Nutzen aus dem Recht am
2.1
Wert- und nutzenorientiertes Denken
21
Wirtschaftliche Tätigkeit
Verteilung
Bereitstellung
Gestaltnutzen
+
Informationsnutzen
+
Ortnutzen
+
Zeitnutzen
Verwendung
+
Nutzen aus Recht am Gut
=
Bedürfnisbefriedigung
Logistik
Abb. A.8
Beitrag der Logistik zur Bedürfnisbefriedigung
Gut, Informationsnutzen, Ortnutzen und Zeitnutzen.28 Der Gestaltnutzen entsteht im wirtschaftlichen Teilbereich der Bereitstellung und bezieht sich auf Form und Qualität des wirtschaftlichen Gutes. Der Nutzen aus dem Recht am Gut, Informationsnutzen, Ortnutzen und Zeitnutzen entstehen im Bereich der Verteilung. Eine in Stuttgart erzeugte Maschine (Gestaltnutzen) kann in München ein Bedürfnis erst befriedigen, wenn man in München weiß, dass es diese Maschine in Stuttgart gibt (Informationsnutzen), wenn sie nach München geschickt wird (Ortnutzen) und zwar zum Zeitpunkt, zu dem sie benötigt wird (Zeitnutzen). Außerdem muss dem Verwender in geeigneter Weise das Recht am Gut übertragen werden (Nutzen aus dem Recht am Gut durch Eigentum, Leasing oder Miete), aufgrund dessen er über das Gut disponieren kann. Der Ort- und Zeitnutzen sowie teilweise auch der Informationsnutzen (durch die dem Güterfluss vorauseilenden Informationen der Auftragsabwicklung) werden im Logistiksystem erzeugt. Das Erkenntnisinteresse der Wirtschaftswissenschaften ist nicht auf die Gestaltung des Gutes selbst mit seinen natürlichen Eigenschaften gerichtet,29 sondern auf die Schöpfung der Werteigenschaften von Gütern - jenen Eigenschaften also, die Nutzen stiften. Der Zweck von Unternehmen besteht demnach in der Wertschöpfung, indem Güter mit jenen Werteigenschaften erzeugt werden, die eine Befriedi28
29
Die vier Nutzenarten „form, possession, place and time“ unterscheiden Converse, 1958, S. 116; Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 20; Langley/Holcomb, 1992, S. 1; Novack/Rinehart/Wells, 1992, S. 236. Zu einer Gliederung des Nutzens unter anderen Gesichtspunkten vgl. Corsten, 2007, S. 157f. und die dort aufgeführte Literatur. Zu einem engeren Nutzenbegriff vgl. Large, 1995, S. 34f. Die Zuordnung von Ort- und Zeitnutzen zur Logistik findet sich auch bei Morgenstern, 1955, S. 130. Das ist das Elementarinteresse der Ingenieurwissenschaften.
22
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
gung der Bedürfnisse (Lösung der Probleme) beim Kunden bewirken.30 Für die Wertschöpfung ist der in Abb. A.9 dargestellte Unterschied von Eignungs- und Gebrauchswert eines Gutes von Bedeutung. Ein Gut hat erst dann Gebrauchswert im System der Güterverwendung, wenn es sich nicht nur für die Befriedigung eines Bedürfnisses eignet, sondern auch dort verfügbar ist. Die Verfügbarkeit eines Gutes unterscheidet den Eignungswert vom Gebrauchswert. Um Wert im System der Güterverwendung zu bekommen, muss ein Gut also über zwei Eigenschaften verfügen: Erstens muss es die im System der Güterbereitstellung erzeugte Eignung zur Bedürfnisbefriedigung (Problemlösung) beim Kunden haben. Zweitens muss die Verfügbarkeit beim Kunden gewährleistet sein. Die im System der Verteilung erzeugte Verfügbarkeit hat zwei Dimensionen, die faktische und die rechtliche Verfügbarkeit. Die faktische Verfügbarkeit ist gegeben, wenn ein Gut im System der Güterverwendung zum gewünschten Zeitpunkt am gewünschten Ort genutzt werden kann. Die rechtliche Verfügbarkeit ist gegeben, wenn der Kunde das für den speziellen Gebrauch des Gutes notwendige Verfügungsrecht erhält. Ist die rechtliche, aber nicht die faktische Verfügbarkeit gegeben, so liegt der zugesicherte Gebrauchswert eines Gutes vor. Der Kunde hat dann ein Verfügungsrecht im Sinne eines Anspruchs auf die Erzeugung und Bereitstellung eines Gutes. Der zugesicherte Gebrauchswert im Sinne eines Leistungsversprechens ist insbesondere für Dienstleistungen von Bedeutung, auf deren Erzeugung im Folgenden noch näher eingegangen wird. Die Ausführungen zum Wertschöpfungsdenken zeigen, dass Logistikaktivitäten zur Erzeugung des Gebrauchswertes eines Gutes notwendig sind. Der Gebrauchswert kann nicht nur durch eine bessere Eignung der Güter, sondern auch durch eine bessere Verfügbarkeit der Güter erhöht werden. Die faktische Verfügbarkeit kann verbessert werden, indem die Leistung bei den schon bisher vom Anbieter eines Gutes wahrgenommenen Logistikaktivitäten verbessert oder durch ihn zusätzliche Logistikaktivitäten vom Kunden übernommen werden. Abb. A.10 zeigt ein Beispiel für die Übernahme solcher bisher vom Kunden wahrgenommenen wertschöpfenden Aktivitäten. Die Übernahme solcher wertschöpfenden Aktivitäten durch das anbietende Unternehmen ist dann sinnvoll, wenn die bisher vom Kunden erbrachten Logistikleistungen zu niedrigeren Logistikkosten angeboten werden oder bei gleichen Logistikkosten höhere Leistungen erbracht werden können.31
30
31
Zu dieser Sichtweise von Unternehmen und zu den im Folgenden diskutierten Werteigenschaften vgl. Large, 1995, S. 3ff. und S. 33ff. Diese Sicht hat in der Betriebswirtschaft eine alte Tradition und ist neuerdings unter dem Begriff der Wertkette „wiederentdeckt“ worden, vgl. Porter, 1999, S. 63ff. Siehe dazu Abb. A.7 in Kap. A, Abschn. 1.4.
2.1
Wert- und nutzenorientiertes Denken
faktische Verfügbarkeit gegeben
faktische Verfügbarkeit nicht gegeben
Rechtliche Verfügbarkeit gegeben
Gebrauchswert
Zugesicherter Gebrauchswert
Rechtliche Verfügbarkeit nicht gegeben
Eignungswert
Eignungswert
Lieferant
Abb. A.9
23
Verfügbarkeit als konstituierende Eigenschaft des Gebrauchswertes (Quelle: Mit geringfügigen Änderungen entnommen aus Large, 1995, S. 27)
1
Warenannahme
2
Wareneingangskontrolle
3
Materialzusammenstellung/ -bereitstellung
4
Freigabe für die Produktion
5
Abruf von Zulieferungen
6
Beschaffungsmanagement
Prozesse des Kunden
Stufen der Übernahme: Stufe 1: Transport zum Kunden Stufe 2: Transport direkt zur Wareneingangskontrolle des Kunden Stufe 3: Transport über die Anlieferungsrampe bis ins Lager (Voraussetzung: Qualitätszertifizierung) Stufe 4: Transport direkt an die Produktionslinie des Kunden Stufe 5: Übernahme des Bestandsmanagements des Kunden Stufe 6: Beschaffung anderer Einsatzfaktoren für den Kunden – One-Stop-Shop
Abb. A.10
Übernahme wertschöpfender Logistikaktivitäten des Kunden durch den Lieferanten (Quelle: In Anlehnung an Gopal/Cypress, 1993, S. 197)
24
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
Dienstleistungscharakter der Wertschöpfung Logistische Wertschöpfungsaktivitäten haben Dienstleistungscharakter, was großen Einfluss auf die Gestaltung dieser Aktivitäten hat.32 Reale Dienstleistungen lassen sich durch die Merkmale Immaterialität und Integration des externen Faktors charakterisieren. Das kommt in folgenden drei Definitionsvorschlägen zum Ausdruck.33 Potentialorientiert ist unter Dienstleistung die Fähigkeit und Bereitschaft zu verstehen, eine Dienstleistung zu erbringen. Dienstleistung ist in dieser Sichtweise ein Leistungsversprechen und somit immateriell. Dieses Leistungsversprechen entspricht dem zugesicherten Gebrauchswert in Abb. A.9 Unter Prozessorientierter Dienstleistung versteht man den Leistungserstellungsprozess, in den vom Dienstleistungsnachfrager (entweder interner oder externer Kunde) ein Produktionsfaktor eingebracht wird, den der Dienstleistungsanbieter nicht uneingeschränkt selbst disponieren kann und der deshalb als externer Faktor bezeichnet wird. Ist der Dienstleistungsanbieter beispielsweise ein Logistikunternehmen, so umfasst der externe Faktor etwa die Güter, die für einen Kunden zu transportieren und zu lagern sind. Ergebnisorientiert versteht man unter Dienstleistung das immaterielle Ergebnis dieses Leistungserstellungsprozesses, das sich am externen Faktor konkretisiert. Im Falle der Logistik sind das die in Abb. A.3 aufgeführten Arten der Gütertransformation. Charakteristisch für die Dienstleistungsproduktion ist die Unterscheidung zwischen Vor- und Endkombination der Produktionsfaktoren.34 Ziel der Vorkombination ist der Aufbau eines Leistungspotentials, das generell als Kapazität, in seiner situativen Verfügbarkeit aber als Leistungsbereitschaft bezeichnet wird. Ziel der Endkombination ist es, durch den Einsatz der Leistungsbereitschaft, weiterer interner Produktionsfaktoren sowie des externen Faktors die nachgefragte Dienstleistung zu produzieren. Die Planung der Leistungsbereitschaft hat in Erwartung der Nachfrage nach der Dienstleistung (der durchzuführenden Endkombination) zu erfolgen und wird durch die Abhängigkeit vom externen Faktor erschwert. Im Gegensatz zur Sachgüterproduktion können auftretende Nachfrageschwankungen nicht durch Lagerhaltung ausgeglichen werden, weshalb die Leistungsbereitschaft prinzipiell vorhanden sein muss, bevor die Dienstleistung am Markt angeboten wird. Das mit der notwendigen Vorhaltung einer bestimmten Leistungsbereitschaft verbundene Hauptproblem sind die damit verbundenen fixen Kosten, die in Zeiten geringer Nachfrage zu Leerkosten werden. Gemildert wird dieses Problem einerseits da32
33 34
Vgl. Meffert, 1994, S. 521f. Zu berücksichtigen ist, dass die folgenden Ausführungen für den größten Teil der Dienstleistungen zutreffen. Es gibt aber auch Dienstleistungen, die wegen ihrer Eigenschaften ähnlich wie Sachgüter produziert werden. Ebenso gibt es Sachgüter, die sehr den hier charakterisierten Dienstleistungen ähneln. Vgl. Corsten, 1993, Sp. 765f. Vgl. Corsten, 1993, Sp. 767f. Zur Charakterisierung des logistischen Leistungsprozesses als zweistufigen Kombinationsprozess vgl. Isermann, 1998a, S. 26ff.
2.2
Systemdenken
25
durch, dass man möglichst Kapazitäten mit solchen Eigenschaften aufbaut, welche die quantitative, zeitliche und intensitätsmäßige Anpassung an die möglichen Nachfrageschwankungen erleichtern. Andererseits wird der Leistungsbereitschaft auch zugebilligt, einen Nutzen zu stiften, der sich in die Komponenten Beanspruchungsnutzen und Bereitstellungsnutzen untergliedern lässt. „Während der Beanspruchungsnutzen über die Inanspruchnahme der abgegebenen Leistung entsteht und folglich für den Abnehmer greifbar ist, stellt das Empfinden des Bereitstellungsnutzens ein latentes Problem dar, das dem potentiellen Nutzer häufig erst durch negative Erfahrungen bewusst wird, nämlich dann, wenn die Leistungsbereitschaft zum Zeitpunkt der Nachfrage nicht oder nicht in ausreichender Menge oder Qualität vorhanden ist.“35 Aufgrund des immateriellen Charakters von Dienstleistungen und der Tatsache, dass der Produktionsakt im Sinne der Endkombination und der Konsumakt zur Bedürfnisbefriedigung zusammenfallen, kann der Kunde die Qualität der Leistung vor dem Kauf nicht beurteilen. Daraus resultiert der Vertrauenscharakter von Dienstleistung und eine Veränderung der Risikowahrnehmung beim Kunden in Richtung Erhöhung des wahrgenommenen Risikos. Beide Faktoren erklären die überragende Bedeutung psychographischer Zielgrößen wie Image und Kompetenz beim Angebot von Dienstleistungen.36
2.2
Systemdenken
Ganzheitliche Betrachtungsweise Die im ersten Abschnitt unter dem Begriff Logistik zusammengefassten Aufgaben werden selbstverständlich schon immer in einem Unternehmen wahrgenommen und nicht erst, seit es den Logistikbegriff gibt. Insofern stellt sich die Frage, ob Logistik lediglich ein Modewort ist und Logistiker damit beschäftigt sind, alten Wein in neue Schläuche abzufüllen. Eine Frage übrigens, die immer beim Auftauchen neuer Konzeptionen in der Betriebswirtschaftslehre gestellt wird, so z. B. bei der Marketingkonzeption und der Controllingkonzeption. Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehen, dass es nicht darauf ankommt, ob Aufgaben im Unternehmen schon immer wahrgenommen wurden oder nicht, sondern nur darauf, wie diese Aufgabe wahrgenommen werden. Eine neue Konzeption beinhaltet eine neue Betrachtungsweise der Probleme in Unternehmen und ermöglicht neue Problemlösungen. Grundlegend für die Logistikkonzeption ist die systemtheoretische Betrachtungsweise oder kürzer das Systemdenken. 37 Das Systemdenken hat seinen Ursprung in der Biologie und wurde von dort in die Wirtschaftswissenschaften über35 36 37
Corsten, 1993, Sp. 768. Vgl. Meffert, 1994, S. 525f. Vgl. Pfohl, 1974, S. 70ff.; Rüegge, 1975, S. 23ff.; Behrendt, 1977, S. 30ff.; Krulis-Randa, 1977, S. 34ff. und S. 130ff.
26
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
nommen. Man versteht allgemein unter einem System eine Menge von miteinander in Beziehung stehenden Elementen. Kennzeichnend für das Systemdenken ist die ganzheitliche Betrachtungsweise sowie die Erkenntnis, dass für die Erklärung der Ganzheit die Erklärung ihrer Elemente nicht ausreicht, sondern dass dazu die Erklärung der Beziehungen zwischen den Elementen treten muss. Systemdenken ist ein Denken in komplexen, vernetzten Zusammenhängen. Bei der Koordination der Elemente bzw. Subsysteme werden als Grundtypen die Interaktionsmodelle lose Kopplung, Kooperation und Vereinigung unterschieden.38 Bei der losen Kopplung beeinflussen sich die miteinander agierenden Subsysteme gegenseitig nicht oder nur sehr gering. Sie handeln weitgehend autark, obwohl sie voneinander abhängig sind. Die Kommunikation zwischen den Subsystemen ist schwach ausgeprägt, was letztlich zu einem suboptimalen Einsatz von Ressourcen und Unstimmigkeiten im Gesamtsystem führt. Bei der Kooperation wird diese Schwäche durch eine verbesserte Abstimmung der aus den individuellen Zielen der beteiligten Subsysteme resultierenden Ressourcen- und Infrastrukturbedarfe ausgeglichen. Dazu wird auch das Informations- und Kommunikationsverhalten verbessert, so dass die einzelnen Interaktionspartner jeweils besser über die Erfordernisse der übrigen Subsysteme informiert sind. Bei der Vereinigung geben die Subsysteme ihre Eigenständigkeit vollständig auf. Es kommt zur Abstimmung der langfristigen Ziele und Visionen. Ziel ist es, gemeinsame Ressourcen und Infrastruktur optimal zu nutzen und auf individuelle Reservekapazitäten zu verzichten. Die Zusammenhänge zwischen den Elementen eines Systems lassen sich prinzipiell als Input-Output-Beziehungen interpretieren, durch die die Beziehungsstruktur, z. B. des Netzwerkes eines Logistiksystems, hergestellt wird. Betont man den Prozesscharakter dieser Beziehungen beim Austausch der Objekte zwischen den Systemelementen, so kommt der Zeit als Systemdimension eine besondere Bedeutung zu. Die Dimension Zeit unterscheidet die Prozessstruktur von der Beziehungsstruktur der Systeme. KLAUS sieht in dem im Systemansatz der Logistik allerdings schon enthaltenen Prozessansatz eine Erweiterung des Denkrahmens der Logistik. Entsprechend des Prozessansatzes betrachtet er Logistiksysteme als ein „Gewebe von Flüssen und Prozessen.“39 Dieses Fließprinzip wird aber neben dem Prinzip der ganzheitlichen Betrachtungsweise bereits lange explizit als Inhalt der Logistikkonzeption genannt.40 Der von WEBER41 der Logistikkonzeption als das eigentliche Neue zugeordnete Koordinationsansatz ist ebenfalls schon im Systemansatz enthalten. Die abgestimmte, koordinierte Gestaltung von Güterflüssen ist die grundlegende Forderung der theoretischen Logistikkonzeption, unabhängig von ihrer Umsetzung in der
38 39 40 41
Vgl. Merkel, 1995, S. 75ff. und S. 95ff. Klaus, 1998, S. 66f. Siehe dazu die Charakterisierung der Philosophie der Logistik bei Fey, 1989, S. 32ff. Weber, 1992.
2.2
Systemdenken
27
Praxis.42 Das Management von Interdependenzen wird z. B. neben dem Management von Material- und Informationsflüssen explizit zur Charakterisierung des Logistikmanagements herangezogen.43 Allerdings lässt sich Logistikmanagement nicht auf das Management von Interdependenzen beschränken, da dieses Management die Kenntnis der spezifischen Eigenschaften logistischer Leistungsprozesse voraussetzt. Die Anwendung des Systemdenkens stellt die Behandlung logistischer Probleme auf eine neue Grundlage, was ein wesentlicher Grund dafür sein dürfte, dass man heute nach einer langen Periode der Vernachlässigung diesen Problemen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis wachsende Beachtung schenkt. Denn es werden dadurch neue Aussagen terminologischer (definitorischer), deskriptiver (beschreibender), theoretischer (erklärender) und praxeologischer (gestaltender) Art möglich. Leistungsfähigkeit des Systemdenkens Definitorische Aussagen: Auf der Grundlage des Systemdenkens lassen sich Begriffe bilden und bestimmen, die eine exakte Erfassung logistischer Probleme erlauben. Den Kern einer solchen Begriffsbildung und -bestimmung bildet die im ersten Abschnitt unter Heranziehung des Systembegriffes gegebene Logistikdefinition. Die darauf aufbauende Definition verschiedener logistischer Teilsysteme ist beispielsweise von Bedeutung für die Durchführung organisatorischer Aufgabenanalysen. Die systemorientierte Logistikdefinition ist aber auch grundlegend für die Durchführung von Kostenanalysen, da durch sie bestimmt wird, welche Kosten als Logistikkosten zu betrachten sind. Beschreibende Aussagen: Für die Beschreibung realer Güterflüsse bietet das Systemdenken zwei Vorteile: Der erste Vorteil liegt darin, dass die auf ihm basierende Logistikdefinition es möglich macht, die verschiedenen Logistiksysteme in einer einheitlichen Terminologie zu beschreiben. Dadurch bietet sich die Chance, bisher nicht gesehene Gemeinsamkeiten der Probleme und Problemlösung etwa in der Militärlogistik und Unternehmenslogistik oder der Beschaffungs- und Distributionslogistik zu erkennen. Der zweite Vorteil besteht darin, dass man bei der Beschreibung von Logistiksystemen gezwungen wird, die komplexen logistischen Systemzusammenhänge zu erfassen. Man wird beispielsweise nicht mehr Auftragsabwicklung, Lagerung, Transport usw. isoliert beschreiben, sondern ihr Zusammenwirken bei der Realisierung des Güterflusses. Selbst wenn man sich auf die Beschreibung eines logistischen Subsystems konzentriert, wird die Aufmerksamkeit auf die Beschreibung der Schnittstellen mit den anderen Subsystemen gelenkt.
42 43
Zur Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis vgl. Meyer, 1993, S. 269. Vgl. Fey, 1989, S. 111ff.
28
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
Erklärende Aussagen: Das Systemdenken ermöglicht das Erkennen von Zusammenhängen, die man sonst nur sehr schwer oder überhaupt nicht erkannt hätte. Denn konsequent angewandt sollte dieser Denkansatz zur Folge haben, dass allgemein übliche Denkansätze zerstört und einige ganz neue Wege des Denkens gegangen werden. 44 Mangelndes Systemdenken verhinderte lange Zeit logistische Systeme als eine tatsächlich Ganzheit zu betrachten und die Beziehungen zwischen den einzelnen Systemelementen zu erfassen. Da das Systemdenken das Erkennen der Beziehungen zwischen den einzelnen Systemelementen in den Vordergrund rückt, wird die Entscheidung bezüglich eines Elementes nur noch unter dem Aspekt seines Beitrags zur Leistung des ganzen Systems erfolgen. Eine Nichtbeachtung dieses Aspekts kann zu Fehlentscheidungen führen. Eine isolierte Entscheidung bezüglich des Wechsels von einem Transportmittel zu einem anderen Transportmittel mit unterschiedlichen technischen Eigenschaften oder Transportgeschwindigkeiten kann beispielsweise nicht vorhergesehene Anforderungen an die Verpackung oder eine beträchtliche Erhöhung der Lagerbestände zur Folge haben. Das Systemdenken deckt diese Zusammenhänge auf. Denn es zwingt dazu, die Wirkungen einer Veränderung in einem logistischen Teilsystem auf die anderen logistischen Teilsysteme zu erfassen. In gleicher Weise wird man beim Auftreten von Problemen in einem logistischen Teilsystem die Problemursachen nicht nur in diesem Teilsystem, sondern auch in allen anderen Teilsystemen suchen.45 Gestaltende Aussagen: Durch gestaltende Aussagen sollen den Entscheidenden Anweisungen für ihr Handeln gegeben werden. Logistische Entscheidungen betreffen den Aufbau von Logistiksystemen und den Ablauf von Logistikprozessen. Ausgehend von den definitorischen, beschreibenden und erklärenden Aussagen lassen sich unter Einbeziehung der anzustrebenden Ziele zur Unterstützung dieser Entscheidung Modelle entwickeln, die auf dem Systemansatz basieren. Bei den Entscheidungshilfen, die durch diese Modelle gegeben werden, sind die logistischen Interdependenzen in wesentlich größerem Umfang berücksichtigt, als dies durch andere Modelle möglich wäre. Dadurch ist eine bessere Grundlage zur Bewertung der zur Verfügung stehenden Entscheidungsalternativen gegeben, so wird die rationale Auswahl der optimalen Alternativen erleichtert. Ressourcen- und Prozessinterdependenzen Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Systemdenken dazu beiträgt, bei logistischen Entscheidungen durch Berücksichtigung von Ressourcen- und Prozessinterdependenzen 46 suboptimale Insellösungen zu vermeiden und optimale Gesamtlösungen anzustreben.
44 45 46
Vgl. Churchman, 1970, S. 20. Zur in diesem Zusammenhang wichtigen Systemabgrenzung vgl. Pfohl, 1981b, S. 53f. Siehe die Unterscheidung von Ressourcen- und Prozessstrategien bei Fey, 1989, S. 8ff.
2.3
Gesamt- oder Totalkostendenken
29
Wenn durch die Analyse der Beziehungsstruktur eines Systems die sachlichen Zusammenhänge zwischen verschiedenen logistischen Teilsystemen erfasst werden, hat dies zur Folge, dass Logistikentscheidungen unter Berücksichtigung der Ressourceninterdependenzen, also bestehender Engpässe (knappe Logistikkapazitäten quantitativer und qualitativer Art) oder freier Potentiale (freie Logistikkapazitäten quantitativer und qualitativer Art) getroffen werden können. Das Systemdenken ermöglicht es also, Engpass- und Synergieeffekte in die Entscheidungen einzubeziehen. Wenn durch die Analyse der Prozessstruktur des Systems die zeitlichen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Abschnitten der logistischen Kette des Güterflusses erfasst werden, hat das zur Folge, dass Logistikentscheidungen unter Berücksichtigung der Prozessinterdependenzen, also bestehender Autonomiekosten (Abpufferung der Teilabschnitte der logistischen Kette durch Bestände schafft Dispositionsfreiräume in diesen Abschnitten) und Koordinationskosten (Kopplung der Teilabschnitte der logistischen Kette durch Informationsaustausch – Kommunikationsbeziehungen – fördert die Berücksichtigung der Abhängigkeiten zwischen den Abschnitten aufgrund von Leistungsverflechtungen), getroffen werden können. Das Fluss- oder Prozessdenken ermöglicht durch Substitution von Autonomiekosten durch Koordinationskosten kurze Durchlaufzeiten der Güter in der Logistikkette und damit flexible Reaktionen auf Lieferserviceanforderungen. Das Flussdenken als Ausprägung des Systemdenkens betont die Dimension der Zeit gegenüber der Dimension der Kapazität im Logistiksystem. Eng mit dem Systemdenken verbunden sind das Gesamtkosten- oder Totalkostendenken und das Servicedenken. Denn wie aus Abb. A.7 hervorgeht, können die Logistikkosten als Systeminput und der Service als Systemoutput aufgefasst werden. Logistikentscheidungen sind im Hinblick auf die Input- und Outputwirkung zu treffen.
2.3
Gesamt- oder Totalkostendenken
Gesamt- oder Totalkosten Die gleiche Interdependenz, die zwischen den Elementen des Logistiksystems besteht, ist auch bei den Kosten vorhanden, die durch diese Elemente verursacht werden. Die Senkung der Kosten in einem logistischen Teilsystem kann zu einem Ansteigen der Kosten in anderen Teilsystemen und – wenn die Kostensenkung geringer ist als die Kostensteigerung – zu einem Kostenanstieg für das gesamte Logistiksystem führen. So mag eine Transportkostensenkung ohne Berücksichtigung einer damit möglicherweise verbundenen Kostensteigerung bei der Verpackung oder Lagerhaltung ein Ansteigen der Auslieferungskosten zur Folge haben. Das Gesamt- oder Totalkostendenken fordert deshalb die Erfassung aller für eine Logistikentscheidung relevanten Logistikkosten. Der Begriff Gesamtkosten wird hierbei lediglich zur Kennzeichnung der Forderung nach Erfassung aller relevanten Logistikkosten benutzt und ist nicht zu verwechseln mit seinem ebenfalls in
30
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
der Kostenrechnung üblichen Gebrauch im Sinne von Selbst- oder Vollkosten. Als relevant für eine Entscheidung sind die Kosten zu bezeichnen, die nur dann anfallen, wenn eine Entscheidungsalternative realisiert wird und wegfallen, wenn diese Entscheidungsalternative nicht realisiert wird. Abb. A.11 gibt einen Überblick über die aufgrund des logistischen Gesamtoder Totalkostendenkens zu berücksichtigenden Kosten. Dies sind zunächst die in den – wie in Abb. A.4 und Abb. A.7 zusammengestellt und gekennzeichnet – funktionellen logistischen Subsystemen entstehenden Logistiksystemkosten.47 Sie werden verursacht durch den Einsatz von Produktionsfaktoren in den logistischen Subsystemen. Die Produktionsfaktoren können als primäre Kostenarten und die logistischen Subsystemkosten als sekundäre Kostenarten bezeichnet werden. Zusätzlich zu diesen Logistiksystemkosten müssen aber noch Kosten berücksichtigt werden, die mit den Logistiksystemkosten unmittelbar zusammenhängen. Zum einen gehören dazu die Serviceniveaukosten, die durch ein niedrigeres Serviceniveau verursacht werden. Im Falle eines zu niedrigen Lieferserviceniveaus gehören dazu z. B. die in Form von Fehlmengenkosten erfassten verlorengegangenen Aufträge und Kunden oder die bei der Bearbeitung von Reklamationen entstehenden Kosten. Im Falle eines zu niedrigen Versorgungsservice sind es die durch Betriebsunterbrechungen oder Umrüsten entstehenden Kosten. Zum anderen gehören dazu die Loskosten, die mit der Anzahl der von der Produktion zu fertigenden oder vom Lieferanten zu liefernden Lose variieren. Im Falle von Produktionslosen sind es die in der Produktion entstehenden auflagenfixen Rüstkosten. Im Fall von Bestelllosen ist es der dem Einkauf – und nicht der logistischen Auftragsabwicklung – zuzurechnende Anteil der Bestellkosten. Zielkonflikt Das Gesamt- oder Totalkostendenken ist für Logistikentscheidungen von großer Bedeutung, weil Logistiksysteme von einer Vielzahl von Kostenkonflikten gekennzeichnet sind. Kostensenkungen in einem Teilsystem bewirken deshalb häufig Kostensteigerungen in einem anderen Teilsystem. So führen beispielsweise niedrigere Lagerbestandskosten zu höheren Transportkosten, weil häufiger geliefert werden muss. Weiter Beispiele für Zielkonflikte sind:48 x Verpackungskosten und Kosten durch Transportschäden, x Auftragsabwicklungskosten und Transportkosten durch ungünstige Routenplanung, x Lagerbestandskosten und Produktionskosten durch kleine Losauflagen, x Lagerbestandskosten und Kosten des Einkaufs durch häufigere und kleinere Bestellungen.
47
48
Eine andere Klassifikation der Logistiksystemkosten wäre die im vorangegangenen Abschnitt angesprochene Unterscheidung von Autonomie- und Koordinationskosten. Vgl. Poruks/Sitta, 1970.
2.3
Gesamt- oder Totalkostendenken
31
Auftragsabwicklungskosten
Lagerbestandskosten Logistiksystemkosten
mit den Logistikkosten unmittelbar zusammen zu betrachtende Kosten
Serviceniveaukosten
Verpackungskosten
Transportkosten
Lagerhauskosten
Loskosten
(Auftragsabwicklungskosten + Lagerbestandskosten + Lagerhauskosten + Verpackungskosten + Transportkosten ) + (Serviceniveaukosten + Loskosten) = Gesamt- oder Totalkosten
Abb. A.11
Zusammensetzung der Gesamtkosten im Logistikprozess (Siehe dazu auch Stock/Lambert, 2001, S. 29)
Abb. A.12 stellt beispielhaft einige Kostenverläufe mit Zielkonflikten in Logistiksystemen dar. Logistisches Denken setzt die Kenntnis der in einem System herrschenden Kostenkonflikte voraus. Hat man eine grundlegende Vorstellung von solchen tendenziellen Kostenverläufen, so weiß man, welche Kosten in einer konkreten Entscheidungssituation in einer detaillierten Kostenanalyse zu erfassen sind. Das Gesamt- oder Totalkostendenken ist wohl zum ersten Mal auf logistische Probleme in Zusammenhang mit der Luftfracht angewendet worden.49 Betrachtet 49
Vgl. Lewis/Culliton/Steele, 1956, S. 64ff.; Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 530.
32
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
Entscheidung über einzusetzende Transportmittel
Entscheidung über die Anzahl der Auslieferungslager
Kosten
Kosten Gesamtkosten
Gesamtkosten
Transportkosten
Lager-, Transportkosten zur Versorgung der Lagerhäuser
Lagerkosten (inkl. Kosten für Unterwegsbestände) Schiene
Straße
Transportkosten der Auslieferung
Luft
Anzahl der Lagerhäuser
Transportmitteleigenschaft (höhere Schnelligkeit und größere Zuverlässigkeit)
Entscheidung über die zu fertigende Losgröße
Entscheidung über den Sicherheitsbestand Kosten
Kosten Gesamtkosten
Gesamtkosten
Lagerhaltungskosten
Lagerhaltungskosten
Fehlmengenkosten
Rüstkosten
Lagerbestand
Abb. A.12
Fertigungslosgröße
Typische Kostenverläufe im Logistiksystem (Quelle: Siehe auch Ballou, 2004, S. 46)
man z. B. allein die Frachtkosten, so ist die Verwendung von Luftfracht sicher nur für sehr wenige Güter gerechtfertigt. Berücksichtigt man jedoch die Wirkung der Luftfracht auf die gesamten Logistikkosten, so ergibt sich für ihren Einsatz ein wesentlich günstigeres Bild. Wie aus Abb. A.7 hervorgeht, ist jedoch Logistikdenken niemals nur Kosten-, sondern auch Leistungsdenken. Das Entstehen von Logistikkosten ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie durch entsprechende Logistikleistungen verursacht werden. Den Forderungen nach niedrigen Logistikkosten stehen Forderungen nach hohen Logistikleistungen gegenüber.
2.4
Servicedenken
Kundenorientierung In den 90er Jahren rückte mit der Kundenorientierung ein eigentlich altes Schlagwort in den Blickpunkt der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre. Durch ständig steigende Kundenanforderungen auf vielen Märkten wurde es für anbietende Unternehmen immer wichtiger, sich beim Angebot von Produkten und Dienstleistungen zunehmend an den Wünschen und Forderungen der Kunden zu
2.4
Servicedenken
33
orientieren. Neben dem Preis, ehemals wichtigstes Entscheidungskriterium für die Käufer, wurde die Erfüllung komplexer Kundenwünsche zu einem wesentlichen Wettbewerbskriterium.50 Kundenzufriedenheit ist in fast allen Unternehmen zum Unternehmensziel geworden, da durch sie eine dauerhafte Kundenbindung erreicht werden kann. Zufriedene Stammkunden bringen den Unternehmen auf lange Sicht mehr Gewinne ein, als immer wieder zu gewinnende Neukunden.51 Ein wesentliches Mittel, solche Dauer- oder Stammkunden dem eigenen Kundenstamm zu erhalten, ist die Kundennähe. Sie wird durch einen engen Kontakt mit dem Kunden erreicht, um schnell Veränderungen der Kundenwünsche zu erkennen. Bei der Erfüllung der Kundenanforderungen wird zwischen drei Anforderungsbereichen unterschieden:52 Die Grundanforderungen müssen unbedingt erfüllt werden. Ihre Erfüllung wird vom Kunden als selbstverständlich erachtet. Entsprechend hat die Nichterfüllung dieser Anforderungen äußerste Kundenunzufriedenheit zur Folge. Die Leistungsanforderungen sind in der Regel explizit vereinbart. Sie gehen über die branchenüblichen Anforderungen hinaus und werden in der Regel auch nicht von allen Anbietern zu erfüllen sein. Im Gegensatz zu den Grundanforderungen wird die Erfüllung der Leistungsanforderungen vom Kunden normalerweise wahrgenommen und positiv bewertet. Die Begeisterungsanforderungen sind keine Anforderungen im eigentlichen Sinne. Sie werden nie ausdrücklich erwartet, noch vermisst, wenn sie nicht erfüllt werden. Eine Erfüllung der Begeisterungsanforderungen wird jedoch vom Kunden äußerst positiv bewertet. In einer Zeit, in der sich viele Produkte kaum von Konkurrenzprodukten unterscheiden, gewinnen logistische Leistungen, die über die Grundanforderungen hinausgehen, zunehmend an Bedeutung. Sie stellen eine Möglichkeit dar, sich von Konkurrenten zu differenzieren und die Zufriedenheit der Kunden sicherzustellen. Dienstleistung Versorgungs- und Lieferservice Logistische Leistungen als der Output von Logistiksystemen sind Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Versorgung eines Unternehmens mit Material (Versorgungsservice) bzw. mit der Auslieferung von Waren an Kunden (Lieferservice) erbracht werden. Unter dem Gesichtspunkt der Lieferanten-KundenBeziehung sind Versorgungs- und Lieferservice zwei Seiten derselben Medaille. Denn der Lieferservice des Lieferanten hat den Versorgungsserviceanforderungen des Kunden zu entsprechen. Unter dem Gesichtspunkt des Güterflusses durch ein Unternehmen bezieht sich der Lieferservice auf den Warenfluss zum Kunden, während sich der Versorgungsservice auf den Materialfluss vom Lieferanten zum 50 51 52
Vgl. Pfohl, 1998, S. 3ff. Vgl. Simon/Homburg, 1995, S. 18; Hinterhuber/Handlbauer/Matzler, 2003, S. 7. Vgl. Pfohl, 1998, S. 14.
34
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
Beschaffungslager (im Falle eines Handels- oder Dienstleistungsunternehmens) bzw. in den Produktionsprozess (im Falle eines Industrieunternehmens) bezieht. In beiden Fällen lässt sich die Dienstleistung durch die bei der Definition der Logistik genannten vier R charakterisieren. Es geht jeweils um die Sicherstellung der Verfügbarkeit des Gutes. Die Serviceanforderungen hängen zum einen von den Bedürfnissen des Kunden ab, zum anderen von den Bedürfnissen der eigenen Produktion. Im Folgenden genügt es, das Servicedenken am Beispiel des Lieferservice zu diskutieren. Die Problematik des Versorgungsservice ist im Wesentlichen dieselbe. Man muss sich lediglich an Stelle des externen Kunden die eigene Produktion als internen Kunden vorstellen. Der Service ist letztlich das Ergebnis der logistischen Gütertransformation, über die Abb. A.3 Auskunft gibt. Lieferservice als Primär- und Sekundärleistung Der Lieferservice ist eine der Dienstleistungen, die von Industrie- und Handelsunternehmen mit dem Verkauf von Sachleistungen zusätzlich angeboten werden.53 Die Sachleistungen lassen sich als Haupt- oder Primärleistungen und die zusätzlichen Dienstleistungen als Sekundärleistungen bezeichnen. Letztere sind dadurch zu charakterisieren, dass der Lieferant zusätzlich zu dem Angebot seiner Produkte noch Funktionen übernimmt, die auch durch den Kunden im Prozess der Leistungserstellung erfüllt werden können. Grundlegend für die Sekundärleistung ist also die Übernahme von zusätzlichen Funktionen und damit meistens von Kosten, die den Prozess zur Produktion der Leistung beim Kunden betreffen. Für die Definition der Sekundärleistung ist es dabei unerheblich, ob der Anbieter die Sekundärleistungskosten über eine gesonderte Preisforderung oder über den Produktpreis abzudecken versucht, wobei der zur Kostendeckung notwendige Mehrerlös im zweiten Fall sowohl über einen höheren Produktpreis als auch über eine gestiegene Absatzmenge erzielt werden könnte. Der Lieferservice umfasst die Sekundärleistung, durch die von der Distributionslogistik des Lieferanten Funktionen übernommen werden, die ansonsten von der Beschaffungs- bzw. Materiallogistik des Kunden zu erfüllen wären. Zur Erfüllung dieser Dienstleistungen kann zwischen Lieferanten und Kunden auch ein Logistikunternehmen eingeschaltet werden. Aufgabe des Logistikunternehmens ist es, dem Lieferanten (Versender) den erforderlichen Lieferservice bzw. dem Kunden (Empfänger) den erforderlichen Versorgungsservice anzubieten. Diese Dienstleistung ist dann die Primärleistung des Logistikunternehmens. Zur Systematisierung der möglichen Erscheinungsformen dieses Service erscheint es zweckmäßig, vier Servicekomponenten zu unterscheiden.
53
Vgl. Pfohl, 1977, S. 241 und die dort aufgeführte Literatur.
2.4
Servicedenken
35
Servicekomponenten Der Lieferservice setzt sich im Wesentlichen aus Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit, Lieferungsbeschaffenheit und Lieferflexibilität zusammen.54 Unter Lieferzeit (Auftragsperiode) ist die Zeitspanne zwischen der Ausstellung des Auftrags durch den Kunden bis zum Erhalt der Ware zu verstehen. Sie ist für den Kunden wichtig, weil kürzere Lieferzeiten bei ihm niedrigere Lagerbestände und eine kurzfristigere Disposition ermöglichen. In Abb. A.13 wird ein Beispiel für die Zusammensetzung der Lieferzeit gegeben.55 Alle dort angegebenen Teilzeiten – auch die Zeiten für Tätigkeiten, die nicht vom Lieferanten oder einem Dritten, sondern vom Kunden selbst ausgeführt werden – kann der Lieferant beeinflussen. Er kann etwa durch geeignete Auftragsformulare auf die Zeit für die Ausfertigung des Auftrags durch den Kunden Einfluss nehmen. Die Zeit für die Einlagerung der Ware beim Kunden ist insofern vom Lieferanten beeinflussbar, als durch eine Abstimmung der Transport-, Verpackungs- und Lagererfordernisse zwischen Lieferanten und Kunden die Warenannahme und -prüfung, der Transport ins Kundenlager und die Unterbringung im Kundenlager sehr erleichtert werden können. Der Begriff Lieferzeit wird hier zur Bezeichnung des Outputs von Logistiksystemen, also im Sinne einer allein von der Logistik abhängigen Lieferzeit, gebraucht. Davon zu unterscheiden ist die Lieferzeit, für deren Länge nicht die Logistik allein, sondern auch andere Unternehmensbereiche, wie z. B. die Produktion, verantwortlich sind.56 Unter Lieferzuverlässigkeit (Liefertreue, Termintreue) versteht man die Zuverlässigkeit (Wahrscheinlichkeit), mit der die Lieferzeit eingehalten wird. Sie ist für den Kunden wichtig, weil sie niedrigere Lagerbestände ermöglicht und Störungen im Betriebsablauf vermeiden hilft. Die Lieferzuverlässigkeit hängt von folgenden zwei Einflussfaktoren ab: x Zuverlässigkeit des Arbeitsablaufs, x Lieferbereitschaft. Die Einhaltung der zugesagten Lieferzeit wird zunächst dadurch bestimmt, wie zuverlässig die Teilzeiten eingehalten werden, aus denen sie sich zusammensetzt. Die in den einzelnen Phasen der Lieferzeit anfallenden Arbeitsabläufe müssen planmäßig in der dafür vorgesehenen Zeit realisiert werden. Bei der Auftragsbearbeitung kann es etwa geschehen, dass eingehende Aufträge unbearbeitet liegenbleiben oder beim Transport ist es möglich, dass ein Spediteur die versprochenen Transportzeiten nicht einhält. Die Zuverlässigkeit der Lieferzeit wird also von ihrer unzuverlässigsten Phase bestimmt! 54
55 56
Vgl. Pfohl, 1972, S. 177ff. und 1977, S. 241f.; Bender, 1976; LaLonde/Zinszer, 1976, S. 148; Havighorst 1980, S. 58ff.; Stock/Lambert, 2001, S. 117f. Vgl. Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 246f. Vgl. Wagner, 1978b. Auf die Lieferzeit wird außerdem in Kap. C, Abschn. 2.3 zu Subsystemen der Produktionslogistik in eingegangen.
36
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
Kunde
regionales Verkaufsbüro des Lieferanten
zentrale Auftragsbearbeitung
Prozesszeit
Kumulierte Zeit (in Tagen)
1
1
1
2
1
3
½
3½
½
4
2
6
½
6½
2
8½
½
9
1
10
Auslieferungslager
beladen
Transportmittel
entladen Kunde
Abb. A.13
Ausfertigen und übermitteln des Auftrags
Auftrag bearbeiten
Zusammenstellen und verpacken
Verladen und transportieren
Einlagern der Ware beim Kunden
Beispiel für den zeitlichen Verlauf einer 10-tägigen Lieferzeit
Andererseits wird die Lieferzuverlässigkeit bei der Einhaltung der Lieferzeit ganz wesentlich von der Lieferbereitschaft abhängen. Sie gibt an inwieweit der Lieferant in der Lage ist vom Lager zu liefern. Trifft ein Auftrag in einem Auslieferungslager auf Fehlmengen, so kann im Allgemeinen die normale Lieferzeit nicht eingehalten werden. Es sei denn, man hat die Möglichkeit, den Kunden in diesem Falle mit Hilfe schnellerer Transportmittel direkt vom Zentral- oder einem anderen Auslieferungslager aus zu beliefern. Die Lieferbereitschaft wird normalerweise durch Prozentangaben gemessen, denen allerdings sehr unterschiedliche Definitionen zugrunde liegen. Abb. A.14 gibt einen Überblick über häufig herangezogene Maße der Lieferbereitschaft. Aus den möglichen Definitionen hat jeder Lieferant die für seine Situation zweckmäßige auszuwählen. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, lediglich die Häufigkeit des Auftretens von Fehlmengen in die Definition mit einzubeziehen, die Größe der auftretenden Fehlmengen aber unberücksichtigt zu lassen. In anderen Fällen mag es dagegen zweckmäßig sein, gerade die Größe der auftretenden Fehlmengen als Grundlage der Definition der Lieferbereitschaft zu nehmen. Es wird dann nicht als
2.4
Servicedenken
37
relevant angesehen, wie häufig die Nachfrage nicht vom Lager befriedigt werden kann, sondern es ist wesentlich, welcher Prozentsatz der Nachfrage nicht vom Lager zu erfüllen ist. Die Nachfrage kann hierbei mengen- oder wertmäßig erfasst werden. Mengenangaben sind im allgemein jedoch nur sinnvoll, wenn der Wert der verschiedenen Artikel eines Auslieferungslagers ungefähr gleich ist. Jedes Unternehmen wird letztlich die Definition zu wählen haben, in der das Auftreten von Fehlmengen in der Weise berücksichtigt wird, wie es ihrer Wirkung auf den Absatz auch tatsächlich entspricht.57 Durch die Lieferungsbeschaffenheit wird erfasst, inwieweit die Lieferung selbst dem Kunden Grund zur Beanstandung gibt. Das hängt wiederum von zwei Faktoren ab: x Liefergenauigkeit, x Zustand der Lieferung. Durch die Liefergenauigkeit wird angegeben, inwieweit die bestellten Produkte in gewünschter Art und Menge ausgeliefert werden. Kann der Lieferant das bestellte Produkt nicht liefern, so sollte er dem Kunden ersatzweise nur dann ein anderes Produkt ausliefern, wenn er zuvor dessen Zustimmung eingeholt hat. Anderenfalls riskiert der Lieferant, den Kunden zu verärgern und u. U. zu verlieren. Außerdem können ihm zusätzliche Kosten für die Behandlung der Kundenbeschwerde und der Rücknahme der Ware entstehen. Der Kunde hat auch die von ihm bestellte Menge zu erhalten. Denn wenn größere Mengen als die bestellten angeliefert werden, erhöhen sich die Lagerkosten des Kunden. Werden kleinere Mengen angeliefert, so können dadurch Fehlbestände im Kundenlager entstehen. Der Zustand der Lieferung hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Umfang die Verpackung ihrer Schutzfunktion bei der Auslieferung der Güter gerecht wird. Eine Beschädigung der Güter während der Auslieferung führt zu Kundenbeschwerden und/oder zu zusätzlichen Kosten durch Retouren bzw. zu gewährende Preisnachlässe. Die Lieferungsbeschaffenheit wird daran gemessen, wie oft die Lieferungen von Kunden beanstandet werden und kann damit ebenfalls durch Prozentangaben erfasst werden. Unter Lieferflexibilität ist zu verstehen, ob das Auslieferungssystem des Lieferanten es gestattet auf besondere Bedürfnisse des Kunden einzugehen oder ob sich der Kunde mit seiner Beschaffungslogistik nach starr vorgegebenen Regeln der Distributionslogistik des Lieferanten zu richten hat. Die Lieferflexibilität hängt im Wesentlichen von folgenden drei Einflussfaktoren ab: x Auftragsmodalitäten, x Liefermodalitäten, x Information des Kunden.
57
Vgl. Pfohl, 1972, S. 181ff.
38
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
1 auf Grund der Anzahl der Bestellungen 1.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
erfüllte Bestellungen 100 eingegangene Bestellungen
1.2 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
ab Lager erfüllte Bestellungen 100 erfüllte Bestellungen
1.3 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
ab Lager erfüllte Bestellungen 100 eingegangene Bestellungen
1.4 Maß für Lieferbereitschaft
=
verlorene Bestellungen erfüllte Bestellungen
1.5 Maß für Lieferbereitschaft 1.6 Maß für Lieferbereitschaft 1.7 Maß für Lieferbereitschaft 2 auf Grund der Nachfrage
= = =
2.1 Lieferbereitschaftsgrad (%)
=
verlorene Bestellungen pro Zeitperiode zurückgestellte Bestellungen pro Zeitperiode verlorene + zurückgestellte Bestellungen pro Zeitperiode gelieferte Menge 100 nachgefragte Menge
2.2 bis 2.7 sinngemäß wie 1.2 bis 1.7 (statt Mengen können auch Werte verglichen werden) 3 auf Grund des Zeitmaßes (z.B. Tage) 330 100 = 90,5% 365
3.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
Teilperioden mit Lagerbestand 100 gesamte Periode
3.2 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
Teilperioden ohne verlorene Bestellungen oder Rückstellungen 100 gesamte Periode
z.B.
4 auf Grund der Beobachtungsintervalle 4.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
Intervalle mit Lagerbeständen über Sicherheitsbestand 100 gesamte Anzahl der Intervalle
4.2 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
Intervalle ohne Lagerbestände über Sicherheitsbestand 100 gesamte Anzahl der Intervalle
4.3 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
Intervalle ohne verlorene Bestellungen 100 gesamte Anzahl der Intervalle
4.4 Maß für Lieferbereitschaft
=
4.5 Maß für Lieferbereitschaft 4.6 Maß für Lieferbereitschaft
= =
Häufigkeit, mit welcher der Sicherheitsbestand während einer Zeitperiode angetastet werden mußte Häufigkeit, mit welcher während einer Zeitperiode Fehlmengen auftreten Häufigkeit, mit welcher während einer Zeitperiode Bestellungen verloren gehen
5 auf Grund von Lieferverspätungen 5.1 Maß für Lieferbereitschaft
=
5.2 Maß für Lieferbereitschaft
=
Abb. A.14
Anzahl der Tage mit Lieferverspätung erfüllte Bestellungen
¦ Verspätungstage bestellte Mengen gelieferte Mengen
Formeln zur Berechnung der Lieferbereitschaft (Quelle: Steinbrüchel, 1971, S. 27)
2.5
Logistisches Effizienzdenken
39
Durch die Auftragsmodalitäten werden die Auftragsgröße, die Abnahmemenge, der Zeitpunkt der Auftragserteilung sowie die Art der Auftragserstellung und Auftragsübermittlung festgelegt. Je weniger die Entscheidungsfreiheit des Kunden bezüglich dieser Auftragsmodalitäten eingeschränkt wird, desto höher ist das Niveau dieser Lieferservicekomponente. Eine Vielfalt in den Auftragsmodalitäten belastet jedoch das System der Distributionslogistik beim Lieferanten und verursacht im Allgemeinen höhere Logistikkosten. Die Festlegung von Mindestauftragsgrößen, Mindestabnahmemengen und vorgegebenen Zeitpunkten zu denen ein Auftrag erteilt sein muss, damit die zugesagte Lieferzeit eingehalten werden kann sowie eine Standardisierung der Auftragserstellung und -übermittlung sind Möglichkeiten, die Auftragsmodalitäten zu fixieren. Beziehen sich die Auftragsmodalitäten auf den Informationsfluss zwischen Lieferant und Kunde, so beziehen sich die Liefermodalitäten auf den Güterfluss. Durch die Liefermodalitäten werden insbesondere die Art der Verpackung, die zu benutzende Transportvariante sowie die Möglichkeit der Lieferung auf Abruf festgelegt. Zur Transportvariante gehört auch die Regelung der Selbstabholung. Zur Lieferflexibilität zählt schließlich auch eine exakte und rasche Information des Kunden über die Liefermöglichkeiten, den Stand der Abfertigung des Auftrages, vorauszusehende Lieferverzögerungen sowie die Behandlung von Beschwerden über mangelhafte Auslieferung. Im Gegensatz zu den ersten drei Servicekomponenten ist das Niveau bei der Lieferflexibilität nur begrenzt zu quantifizieren. Doch hat auch diese Komponente Auswirkungen auf die Logistikkosten beim Lieferanten und die Zufriedenheit des Kunden. Wie bei den anderen Servicekomponenten wird es auch hier einen Zielkonflikt zwischen dem Streben nach Minimierung der Logistikkosten und dem Streben nach Maximierung des Lieferservice geben. Dieser Zielkonflikt ist auf der Grundlage des logistischen Effizienzdenkens zu lösen.
2.5
Logistisches Effizienzdenken
Effizienzdenken Logistiksysteme sind effizient, wenn bei ihrer Gestaltung die Logistikkosten (Input) und die Logistikleistungen (Output) als Gestaltungsziele berücksichtigt wurden. Das Effizienzdenken verlangt bei der Lösung logistischer Probleme weder eine einseitige Ausrichtung an dem Ziel der Kostenminimierung noch eine einseitige Ausrichtung am Ziel der Servicemaximierung, sondern einen Kompromiss zwischen diesen Zielen. Das Effizienzziel entspricht zunächst dem bekannten Produktivitätsziel, das durch das Verhältnis Output/Input (z. B. Anzahl der umgeschlagenen Paletten/Arbeitsstunde) gemessen wird. Das Effizienzdenken ist also auf die technologische Dimension des Logistiksystems anzuwenden, die ein Denken in Mengen
40
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
und Qualitäten verlangt.58 Dieses Denken befasst sich mit Problemen der Leistungsfähigkeit (quantitative und qualitative Kapazität sowie betriebstechnische Elastizität) und mit Problemen der Leistungsbereitschaft (Störanfälligkeit und Benutzerfreundlichkeit) von Logistiksystemen. Zur Leistungsbereitschaft i. w. S. zählt auch die Zeit für die Planung und Realisierung des Logistiksystems. Denn es ist häufig besser, Systeme mit befriedigender Leistungsfähigkeit rechtzeitig im Einsatz zu haben, als Systeme mit maximaler Leistungsfähigkeit erst nach langer Zeit im Einsatz zu haben. Häufig wird noch als besonderes Problem die Flexibilität im Sinne der Anpassungsfähigkeit von Systemen herausgestellt. So wird z. B. unterschieden zwischen der kurzfristigen Effizienz als Produktivität unter konstanten Bedingungen und der Anpassungsfähigkeit als Produktivität unter wechselnden Bedingungen.59 Die Anpassungsfähigkeit ist für Logistiksysteme insofern von großer Bedeutung, als Veränderungen in der Höhe, Zusammensetzung und geographischen Verteilung der Nachfrage zu Güterflüssen führen, die sehr unterschiedlichen Anforderungen an die Logistiksysteme stellen. Das Effizienzdenken kann sich jedoch auch auf die ökonomische Dimension des Unternehmens beziehen. Diese verlangt ein Denken in Werten. In ihrem Mittelpunkt stehen Probleme der Preise sowie von Umsatz und Kosten. Neben der besonderen Problematik der Zurechnung von Logistikkosten zu Logistikleistungen, die wegen der einseitigen Ausrichtung der Kosten- und Leistungsrechnung in vielen Unternehmen ungelöst ist, stellt sich hier auch das Problem der Erfassung der Auswirkung des Lieferservice auf den Umsatz. In Abb. A.15 sind typische Kosten- und Marktreaktionsfunktionen über dem Serviceniveau aufgetragen. Eine eingehende Diskussion dieser Kurven erfolgt in dem Band Logistikmanagement dieser Reihe. Hier genügt es, darauf zu verweisen, dass der stark progressive Kostenanstieg mit steigendem Serviceniveau grundsätzlich charakteristisch für Logistiksysteme ist. Die Verbesserung eines schon sehr guten Serviceniveaus um noch einige wenige Prozent verursacht – wenn man von einer Verschiebung der Kostenkurve durch Prozessinnovation absieht – einen weit überproportionalen Kostenanstieg. Für die Umsatzerlöskurve lassen sich keine in gleicher Weise empirisch abgesicherten Aussagen machen. Doch hat sich in einigen Fällen der Kurvenverlauf der Abb. A.15 nachweisen lassen. Interessant ist hier vor allem das auch bei anderen Marktreaktionsfunktionen zu beobachtende Sättigungsphänomen. Die Erhöhung eines bereits guten Lieferservice um einige Prozent führt nur noch zu einem stark unterproportionalen Anwachsen des Umsatzes. Daraus ergibt sich, dass der größte Gewinnbeitrag des Lieferservice keineswegs bei einem maximalen Serviceniveau liegt. Auf der ökonomischen Ebene entspricht also das Effizienzdenken dem bekannten Rentabilitätsziel, das durch die Relation Gewinn/Kapital gemessen wird. Die Inputgröße ist in diesem Fall das Kapital, das in Logistiksystemen gebunden ist, die Outputgröße der Gewinnbeitrag, der von Logistiksystemen geleistet wird. 58 59
Vgl. im Folgenden Pfohl/Stölzle, 1997, S. 84f. Vgl. Ulrich/Fluri, 1995, S. 164.
2.5
Logistisches Effizienzdenken
41
Umsatzerlöse/ Kosten/ Gewinnbeitrag
Umsatzerlöse
Kosten Gewinnbeitrag 100 93 95 Serviceniveau in %
Abb. A.15
Auswirkung des Serviceniveaus auf den Gewinn (Quelle: Mit Änderungen entnommen aus Buxton, 1975, S. 35)
Technisch-wirtschaftliches Denken Bei der Erläuterung des Effizienzdenkens wurde deutlich, dass das Effizienzdenken sowohl technisch als auch wirtschaftlich orientiert ist. Damit soll jedoch nicht ausgedrückt werden, dass die soziale und ökologische Dimension des Unternehmens im Logistikbereich keine Rolle spielen würde. Soziale Ziele wie etwa die Zufriedenheit oder die langfristige Erhaltung der Gesundheit der Mitarbeiter haben für den Logistikbereich dieselbe Bedeutung wie für die anderen Bereiche des Unternehmens. Das gilt auch für die ökologischen Ziele zum Schutz der Umwelt. Insofern unterscheidet sich der Logistikbereich bezüglich des sozialen und ökologischen Denkens nicht von den übrigen Unternehmensbereichen. Dagegen ist die besondere Verquickung technischen und wirtschaftlichen Denkens, wie sie für die Logistik charakteristisch ist, für die anderen Unternehmensbereiche nicht immer in gleicher Weise typisch. Die Logistik liefert ein ausgezeichnetes Beispiel für einen Unternehmensbereich, in dem sich technische und wirtschaftliche Probleme überschneiden. Ein Logistikmanager muss in der Lage sein, die Möglichkeiten, die der technische Fortschritt im Verpackungs-, Transport- und Lagerwesen für den Güterfluss eröffnet, zu beurteilen und auszunutzen. Er muss aber auch dazu fähig sein, Kosten und Service gegeneinander abzuwägen und mit den oft nur entweder in wirtschaftlichem oder in technischem Denken geschulten Führungskräften der Bereiche Beschaffung, Produktion und Absatz zusammenzuarbeiten. Führungspositionen im Logistikbereich verlangen also in besonderem Maße eine Kombination von wirtschaftlichem und technischem Denken. Damit sind aber auch schon die Konsequenzen des Logistikdenkens für das Unternehmen angesprochen.
42
A.2
2.6
Charakterisierung der Logistikkonzeption
Konsequenzen des Logistikdenkens
Zur Analyse möglicher Konsequenzen des Logistikdenkens ist es zweckmäßig, eine funktionelle, eine instrumentelle und eine institutionelle Dimension der Logistikkonzeption zu unterscheiden.60 Funktionelle Konsequenzen ergeben sich, wenn man die Logistik als einen gedanklich abgrenzbaren Aufgabenkomplex im Unternehmen sieht. Hier wäre zu untersuchen, ob die Logistik als eine neue betriebswirtschaftliche Funktion zu betrachten ist. Instrumentelle Konsequenzen beziehen sich auf den Einsatz von Soft- und Hardwaretechnologien. Zu fragen wäre hier nach möglichen Veränderungen bei den einzusetzenden Techniken zur Unterstützung der Informationsverarbeitung und zur Erleichterung des Güterflusses. Institutionelle Konsequenzen betreffen die Organisation eines Unternehmens und die Organisation der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen. Aufzudecken wären hier mögliche Veränderungen der Organisationsstruktur eines Unternehmens (intraorganisatorische Konsequenzen) oder der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen (interorganisatorische Konsequenzen) infolge des Logistikdenkens. Funktionelle Konsequenzen Das für die Logistikkonzeption charakteristische Systemdenken verlangt, die logistischen Aufgaben im Gesamtzusammenhang, die Logistik als einen in sich geschlossenen Aufgabenbereich des Unternehmens zu sehen. In der Betriebswirtschaftslehre kennzeichnet man häufig einen solchen Aufgabenbereich als eine betriebswirtschaftliche Funktion, die in jedem Unternehmen wahrgenommen werden muss. Die Logistik tritt damit als Funktion neben die anderen im Unternehmen zu verrichtenden Funktionen, wie etwa Beschaffung oder Finanzierung. Nach herrschender Meinung geht man dabei vom Querschnittscharakter oder übergreifenden Charakter der Logistikfunktion aus.61 Betrachtet man die unmittelbar aus der Marktaufgabe abzuleitenden Funktionen Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Absatz als betriebswirtschaftliche Grundfunktionen62, so lassen sich aus ihnen eine Reihe betriebswirtschaftlicher Querschnittsfunktionen (Servicesleistungen) ableiten, die notwendigerweise neben diesen Grundfunktionen wahrgenommen werden müssen. Außer der Logistikfunktion zählt man dazu insbesondere die in Abb. A.16 aufgeführten Funktionen, die sich mit Personal, Finanzen und Informationen befassen. Bezeichnet man diese Funktionen als Serviceleistungen, so hebt man ihren dienenden Charakter gegenüber den betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen hervor. Spricht man dagegen von Querschnittsfunktionen, so wird damit betont, dass sie die betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen durchdringen. Schon an dieser Stelle ist hervorzuheben, dass mit dem Begriff Serviceleistungen keine 60 61 62
Vgl. Pfohl, 1980a, S. 1201f. Vgl. Pfohl, 1983, S. 726 und die dort zitierte Literatur. Die Entsorgung wird auch als betriebswirtschaftliche Grundfunktion angesehen, vgl. Pfohl, 1993c, S. 214ff.
2.6
Konsequenzen des Logistikdenkens
43
Betriebswirtschaftliche Grundfunktionen
Betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktionen (Serviceleistungen)
Forschung und Entwicklung
Beschaffung
Produktion
Absatz
Entsorgung
Personal
Finanzen
Information
Logistik
Abb. A.16
Logistik als betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktion
Wertung dieser Funktionen gegenüber einer betriebswirtschaftlichen Grundfunktion verbunden ist. Welche Funktionen für den Erfolg eines Unternehmens von größerer Bedeutung sind, hängt von der vorhandenen Wettbewerbs- und Kostensituation ab. Sieht man die Logistik als eine betriebswirtschaftliche Funktion, so folgt daraus, dass sich bei einer funktionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre eine spezielle Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre mit den spezifischen logistischen Entscheidungstatbeständen zu befassen hat. 63 Wie bei den anderen betriebswirtschaftlichen Funktionen folgt daraus jedoch keineswegs notwendigerweise, dass die Logistik in einer organisatorischen Einheit im Unternehmen institutionalisiert werden muss. Instrumentelle Konsequenzen Verbindet man mit der Logistikkonzeption eine instrumentelle Dimension, so wird die Logistik zunächst als ein Instrument zur Planung, Steuerung und Kontrolle von Güterflüssen verstanden. Das Logistikdenken kann Auswirkungen auf viele Bereiche dieser als Softwaretechnologie zu bezeichnenden Instrumente der Informationsverarbeitung haben, sowohl bei der Unterstützung der logistischen Entscheidungsprozesse als auch bei den Auftragsabwicklungsprozessen, der Materialsteuerung oder dem Bestandsmanagement. Beispielsweise legt es das Logistikdenken nahe, schwerpunktmäßig nicht Optimierungsmodelle des Operations 63
Vgl. Kirsch/Esser, 1976.
44
A.2
Charakterisierung der Logistikkonzeption
Research zu entwickeln, mit denen Insellösungen in logistischen Teilsystemen gefunden werden, sondern eher Simulationsmodelle, mit denen sich komplexere Logistikzusammenhänge abbilden lassen. Solche Modelle erlauben es, die Auswirkungen von Veränderungen der unbeeinflussbaren oder beeinflussbaren Variablen bei der Gestaltung von Logistiksystemen aufzuzeigen. Ein Beispiel hierfür wäre die interaktive Planung des innerbetrieblichen Materialflusses mit Hilfe einer Simulationssoftware. Bei der Auftragsabwicklung, der Materialflusssteuerung oder bei dem Bestandsmanagement wirkt sich dann der Einsatz des Instrumentariums der elektronischen Datenverarbeitung aus. Ohne EDV-Unterstützung lassen komplexe Logistiksysteme sich weder planen, noch steuern, noch kontrollieren. Konsequenzen bezüglich des Einsatzes von Methoden lassen sich am Beispiel der Kosten- und Leistungsrechnung aufzeigen. Diese ist methodisch so umzustellen, dass sie auf der Basis einer detaillierten Kostenartenerfassung eine Zurechnung von Kostenarten auf logistisch relevante Bezugsgrößen erlaubt. Das können einerseits Kostenstellen sein, die eine aussagekräftige Kontrolle der Logistikverantwortlichen ermöglichen. Es können aber auch Aufträge sein, die die Funktionen von Kostenträgern übernehmen oder Lieferservicekomponenten, denen verursachungsgerechte Logistikkosten zugerechnet werden sollen. Instrumentelle Konsequenzen des Logistikdenkens sind jedoch auch im Bereich der Hardwaretechnologie, worunter die Transport-, Umschlags-, Lagerungsund Verpackungstechnik verstanden werden soll, möglich. Insbesondere kommt dies zum Ausdruck, wenn den Schnittstellen (Interfaces) zwischen diesen Technikbereichen (etwa zwischen Transport- und Umschlagstechnik) erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet wird. Denn diese Schnittstellen sind typischerweise Schwachstellen in der Technik von Logistiksystemen. Die technische Entwicklung in den verschiedenen Teilsystemen muss aufeinander abgestimmt sein. Die technischen Systeme haben miteinander kompatibel zu sein. Diese Erkenntnis hat z. B. auch zur Folge, dass beim Kauf technischer Systeme immer mehr die Forderung „alles aus einer Hand“ gestellt wird. Die Investitionsgüterhersteller kommen diesem Bedürfnis ihrer Kunden zunehmend durch das entsprechende Systems Selling entgegen. Institutionelle Konsequenzen Der Einsatz neuer Instrumente bedingt im Allgemeinen im Unternehmen zunächst nur ablauforganisatorische Veränderungen. Nicht immer lässt sich jedoch die Logistikkonzeption ohne institutionelle Veränderung, d. h. ohne intraorganisatorische Änderung der bestehenden Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und Macht in Systemen der Mikrologistik realisieren. Denn bei einer Aufsplitterung logistischer Aufgaben in der Organisationsstruktur sind erstens die logistischen Systemzusammenhänge schwerer zu erkennen. Zweitens wird die Verfolgung von Logistikzielen durch die Interessengegensätze der verschiedenen Organisationseinheiten, die Logistikaufgaben wahrnehmen, erschwert. Offensicht-
2.6
Konsequenzen des Logistikdenkens
45
lich kann also eine organisatorische Zusammenfassung logistischer Aufgaben die Realisierung der Logistikkonzeption erleichtern. Kennzeichnend für das Systemdenken ist unter anderem die Erkenntnis, dass das Systemverhalten stark von der Systemumwelt abhängig ist. Das Systemdenken legt deshalb nahe, Teile dieser Umwelt nicht als unbeeinflussbare Variablen (Daten) hinzunehmen, sondern durch Ausdehnung der Systemgrenzen zu beeinflussbaren Variablen zu machen. Damit kann die Logistikkonzeption auch zu veränderten Formen der interorganisatorischen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen in Systemen der Metalogistik führen. Es kommt dann zu einer veränderten Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und Macht zwischen verschiedenen Unternehmen. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, dass zwei Industrieunternehmen zumindest teilweise ein gemeinsames Logistiksystem nutzen oder dass ein Industrieunternehmen seine Distributionslogistik einem spezialisierten Logistikunternehmen überträgt. Hindernisse für die Realisierung der Logistikkonzeption Für eine Steigerung der Effizienz des Unternehmens als Folge der Realisierung der Logistikkonzeption in funktioneller, instrumenteller und institutioneller Hinsicht gibt es viele Beispiele.64 Effizienzsteigerungen werden erreicht durch Senkung der Logistikkosten, Beschleunigung des Kapitalumschlags, Erhöhung des Serviceniveaus, Verbesserung der Entscheidungsprozesse, den Abbau von Konflikten in der Unternehmensorganisation sowie einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen. Trotz dieser offensichtlich bestehenden Chancen zur Effizienzsteigerung gibt es eine Vielfalt von Hindernissen für eine Realisierung der Logistikkonzeption. Insbesondere lassen sich folgende Haupthindernisse für eine Realisierung der Logistikkonzeption nennen: x Das Fehlen durchsetzungsfähiger logistikorientierter Manager (z. B. mangelnde Durchsetzungsfähigkeit gegenüber einem starken Vertrieb), x das Fehlen entscheidungsrelevanter Informationen (z. B. fehlende Informationen aus der Kostenrechnung), x die Existenz intraorganisatorischer Grenzen im Unternehmen (z. B. fehlende Absprachen bei der Lösung logistischer Probleme auf der Beschaffungsseite und auf der Absatzseite eines Unternehmens), x die Existenz interorganisatorischer Grenzen zwischen Unternehmen (z. B. mangelhafte Kommunikation zwischen Versender, Versandspediteur, Empfangsspediteur und Empfänger). Im folgenden Abschnitt wird auf die Bedeutung der Logistik für das Unternehmen eingegangen, von der es letztlich abhängt, ob es sich lohnt, die aufgezeigten Hindernisse zu überwinden. 64
Vgl. Pfohl, 1983, S. 721; Pfohl, 2004a, S. 54ff. und die dort aufgeführte Literatur.
46
A.3
Bedeutung der Logistik
3
Bedeutung der Logistik
3.1
Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen
Die betriebswirtschaftlichen Entwicklungstendenzen sollen anhand von drei Zielgrößen beschrieben werden, die aufgrund der Globalisierung der Unternehmenstätigkeit und der Dynamik in der Technologieentwicklung für betriebswirtschaftliche Entscheidungen große Bedeutung haben. Es sind Veränderungen bei den Kosten, auf dem Markt und des Risikos.65 Zielgrößenentwicklung Infolge der Globalisierung der Unternehmenstätigkeit und der Dynamik in der Technologieentwicklung nimmt der Kostendruck zu. Jedes Unternehmen muss deshalb in der Lage sein, Economies of Arbitrage (Preisvorteile), Economies of Scale (Größenvorteile), Economies of Scope (Bündelungsvorteile), Economies of Speed (Zeit- oder Geschwindigkeitsvorteile) und Economies of Structure (Änderungsvorteile) zur Erlangung einer günstigen Kostenposition zu erreichen. Sollte ein Unternehmen nicht in der Lage sein, diese Kostenanforderungen zu erfüllen, hat es die „Eintrittskarte“ für das Spiel auf dem Markt verloren. Die mit dem Kostendruck verbundene Ressourcen- oder Produktionsfaktororientierung ist deshalb von wesentlicher Konsequenz für die Logistik. Aus der Globalisierung und Technologieentwicklung resultiert aber auch ein Marktdruck. Die Kunden werden immer anspruchsvoller und lernen schnell, positive Erfahrungen von Teilmärkten auf andere Teilmärkte zu übertragen. Das verlangt eine extreme Ausrichtung des Unternehmens an den Bedürfnissen des Kunden. Ein Unternehmen kann sich gegenüber Wettbewerbern vor allem durch differenzierte, auf Marktsegmente zugeschnittene Problemlösungsangebote abheben. Diese Problemlösungsangebote verlangen neben Produktinnovationen auch zunehmend Prozessinnovationen. Dem Risiko (der Unsicherheit) unternehmerischer Entscheidungen wird künftig größere Beachtung geschenkt werden müssen. Denn das Leck zwischen den Anforderungen an die Risikobereitschaft der Unternehmen und deren Fähigkeit, Risiko zu tragen, öffnet sich. Dies ist vor allem eine Folge der steigenden Komplexität und Dynamik der Märkte, die mit schlechteren Prognosemöglichkeiten für unternehmerische Entscheidungen verbunden ist und der sinkenden Ertragskraft der Unternehmen. Sie verlangt, dass den finanziellen Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen größte Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Daraus lassen sich im Wesentlichen zwei neue Schwerpunkte im Management aufzeigen.
65
Zu anderen Systematisierungsvorschlägen der Entwicklungstendenzen vgl. Bowersox/Closs/Stank, 1999, S. 172 ff.
3.1
Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen
47
Managementkonsequenzen Der erste Schwerpunkt ergibt sich aus der sinkenden Ertragskraft der Unternehmen. Sie macht es erforderlich, dass unter den Unternehmenszielen dem Rentabilitätsziel besonderes Gewicht beigemessen wird.66 Das in den 70er Jahren vor allem in Großunternehmen vorherrschende Umsatzdenken ist dem Rentabilitätsdenken gewichen. Im Mittelpunkt steht die Qualität und nicht mehr die Quantität der Märkte. 67 Potentielle Umsatzsteigerungen werden daraufhin überprüft, ob die durch sie verursachten Kostensteigerungen nicht eher Probleme schaffen als Probleme lösen. Marketingorientiertes Management muss ergänzt werden durch produktionsfaktor- oder ressourcenorientiertes Management.68 Denn der Gewinn wird je nach Wachstum eines Marktes mehr von der Umsatzseite oder von der Kostenseite positiv beeinflusst werden können. Die Produktionsfaktororientierung im Management verlangt, bei der Kombination der Produktionsfaktoren allen Produktionsfaktoren die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken und ihre jeweilige Kostenentwicklung ständig zu verfolgen. Vernachlässigt wurden diesbezüglich in der Vergangenheit die Produktionsfaktoren Information und Material. Während die Information neben den klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Betriebsmittel und Material zum größten Teil überhaupt nicht als solcher gesehen wurde, stand beim Produktionsfaktor Material einseitig der Kosteneinflussfaktor Preis im Vordergrund. Der in den Lagerbeständen zum Ausdruck kommende Kosteneinflussfaktor Menge wurde hingegen vernachlässigt. Die Produktionsfaktororientierung hat deshalb (insbesondere) ein neues Informationsmanagement und ein neues Bestandsmanagement zur Folge. 69 Gegenstand des Informationsmanagements ist der wirtschaftliche Einsatz des Produktionsfaktors Information, was bei einer entsprechenden Informationskostenentwicklung auch die Substitution anderer Produktionsfaktoren durch die Information beinhaltet. Gegenstand des Bestandsmanagements ist eine integrierte Betrachtung aller im Unternehmen vorhandenen Lagerbestände mit dem Ziel, die Kapitalbindung zu senken und so die Rentabilität durch eine größere Kapitalumschlagshäufigkeit zu erhöhen. Grundlegend für das Bestandsmanagement ist die Überlegung, dass die Kapitalbindung im Umlaufvermögen ebenso eine Investition darstellt wie die Kapitalbindung im Anlagevermögen. Der zweite Managementschwerpunkt ergibt sich aus der Dynamik der Märkte und den damit verbundenen kürzeren Reaktionszeiten für unternehmerische Entscheidungen. Sie verlangt zunächst einen Ausbau der Planungs- und Kontrollsysteme des Unternehmens. Nur damit können die in der Umwelt des Unternehmens 66
67 68 69
Nach außen erkennbar wird dieser Wandel durch eine zunehmende und von den meisten Unternehmen auch nach außen kommunizierte Konzentration auf den Shareholder Value. Dieser soll durch die Steigerung des Cash Flow erhöht werden. Zum Einfluss der Logistik auf den Return on Investment vgl. Pfohl, 2004a, S. 62ff. Vgl. LaLonde, 1979, S. 16ff. Vgl. Bender, 1983, S. 27f. Vgl. LaLonde, 1979, S. 16ff.
48
A.3
Bedeutung der Logistik
entstehenden Gefahren und Chancen rechtzeitig erkannt werden. Zur langfristigen Eingrenzung des Risikos bietet sich das Instrumentarium des Controllings an. Durch hoch entwickelte Planungs- und Kontrollsysteme lässt sich jedoch die Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen nicht vollständig beseitigen. Deshalb kommt der Flexibilität des Unternehmens wachsende Bedeutung zu, aufgrund der es kurzfristig auf Veränderungen der Umwelt reagieren kann. Zur Umsetzung der Flexibilitätsforderung können in Unternehmen flexible Organisationsstrukturen eingeführt oder Produktions- und Logistiksysteme flexibel ausgerichtet werden. Flexibilität der Organisationsstruktur wird beispielsweise durch Entbürokratisierung erreicht. Flexible Organisationsstrukturen ermöglichen Entscheidungsprozesse, mit denen das Unternehmen auf nicht vorhergesehene Situationen reagieren kann. Flexibilität in Produktion und Logistik erreicht man dadurch, dass die Produktions- und Logistikentscheidungen näher an den Zeitpunkt der Kaufentscheidungen am Absatzmarkt herangerückt werden. 70 Dies bedeutet einen Aufschub der Fertigung, bis Klarheit über die vom Käufer gewünschten Produkte besteht und setzt die Konstruktion der Produkte nach dem Baukastenprinzip, kleinere Fertigungslose, geringere Umrüstkosten sowie universeller einsetzbare Betriebsmittel und Mitarbeiter voraus. Außerdem bedeutet es einen Aufschub der Lagerhaltung, bis sich die auftretende Nachfrage in den Absatzmärkten klar abzeichnet und setzt zentrale Lagerhaltung – verbunden mit einer schnellen und zuverlässigen Auslieferung – voraus. Erhöht wird die Flexibilität häufig noch durch eine Spezialisierung der Unternehmen. Dies erfolgt teilweise innerhalb der Unternehmen, indem bestimmte Module für die jeweiligen Aufgaben geschaffen werden,71 teilweise durch eine unternehmensübergreifende Arbeitsteilung. Statt möglichst umfangreiche Teile der logistischen Kette und der Produktionsprozesse zu übernehmen, werden nur noch bestimmte Aufgaben wahrgenommen. Andere Aufgaben werden an andere Unternehmen übergeben, die auf die jeweiligen Gebiete spezialisiert sind. Durch diese Spezialisierung können sich die Unternehmen auf ihre Aufgaben konzentrieren und flexibler auf die an sie gestellten Aufgaben reagieren. Hierdurch entstehen flexible Logistikketten (auch als Supply Chains bezeichnet) und Netzwerke, die gemeinsam Leistungen erbringen.72 Die aus den betriebswirtschaftlichen Entwicklungstendenzen aufgezeigten beiden neuen Schwerpunkte im Management zeigen die grundsätzliche Bedeutung der Logistik für das Unternehmen. Denn die Logistikkonzeption kann sowohl einen Beitrag zum produktionsfaktororientierten Management als auch einen Beitrag zur Flexibilität des Unternehmens liefern. Dies geht aus einer Untersuchung neuer Produktions- und Logistikstrategien in deutschen Automobilunternehmen in
70
71 72
Dieses Konzept wird als Postponement bezeichnet, vgl. dazu Bowersox/Closs, 1996, S. 471f.; Pfohl/Pfohl, 2000, S. 40ff; Pfohl, 2004a, S. 122ff. Vgl. Picot/Reichwald/Wigand, 2003, S. 230ff. Siehe Kap. D Abschn. 4.3.
3.2
Kostendruck
49
den 80er Jahren hervor.73 Dabei zeigte sich, dass innovative Logistikstrategien im Gegensatz zu neuen Produktionsstrategien schneller im Unternehmen greifen und auch kurzfristig keine negativen Auswirkungen auf die Rentabilität haben, da sie offenbar mit geringeren monetären Vorleistungen verbunden sind sowie Kosten und Risiken mit den Lieferanten geteilt werden. Die Notwendigkeit, die mit der Logistikkonzeption verbundenen Potentiale für das Unternehmen zu nutzen, folgt aus dem Kosten- und Marktdruck, dem sich heute viele Unternehmen ausgesetzt sehen. Auf ihn wird deshalb in den beiden nächsten Abschnitten eingegangen.
3.2
Kostendruck
Ausgangssituation Die genaue Höhe der Logistikkosten in einem Unternehmen ist nur sehr schwer zu ermitteln. Dies liegt zum einen daran, dass die Definition von Logistikkosten unternehmens-, branchen- und länderspezifisch variiert und dass zur Bestimmung der Kosten häufig unterschiedliche Kostenrechnungssysteme zur Anwendung kommen.74 In einer 2009 veröffentlichten Studie, die Unternehmen aus verschiedenen Branchen in Europa verglich, wurden Logistikkosten von 3,5-8,7% Anteil vom Umsatz ermittelt (vgl. Abb. A.17). Abb. A.18 zeigt die Bedeutung der Logistikkosten durch eine Abschätzung ihres Anteils am Bruttosozialprodukt verschiedener Länder. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit müssen allerdings die geographischen Gegebenheiten sowie die vorhandene Infrastruktur berücksichtigt werden. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass die anteiligen Logistikkosten über lange Jahre zurückgegangen sind, in den letzten Jahren jedoch wieder ansteigen, wobei sie jedoch unterschiedlich hoch eingeschätzt werden.75 Obwohl mittlerweile neue Kostenrechnungsmethoden entwickelt wurden,76 mit denen die Kosten genauer als in der Vergangenheit den Kostenverursachern zugewiesen werden können, stellt sich die Logistikkostenrechnung in vielen Unternehmen als Schwierigkeit dar77. Die Höhe der Logistikkosten wird deswegen häufig unterschätzt, weil nicht alle durch den Ablauf logistischer Prozesse verursachten Kosten als Logistikkosten erkannt werden. Sie bleiben dann entweder in Gemeinkostenzuschlägen, z. B. in Beschaffungs-, Produktions- und Absatzkosten, verborgen oder es wird nicht das gesamte betriebliche Logistiksystem gesehen, sondern nur ein logistisches Teilsystem. Dabei stand sehr lange allein die 73
74
75
76 77
Zu dieser über den Zeitraum von 1981 bis 1990 durchgeführten Untersuchung vgl. Graumann, 1993. Zu den Problemen bei der Bestimmung der Logistikkosten vgl. Pfohl, 1996 und die dort aufgeführte Literatur. Vgl. Straube/Pfohl, 2008, S. 47; European Logistics Association/A. T. Kearney, 2009a, S. 13 und 2009b, S. 12. Vgl. Lorenzen, 1998; Weber, 2002; Pfohl, 2004a, S. 196ff. Vgl. Straube/Pfohl, 2008, S. 48.
50
A.3
Bedeutung der Logistik
8,7%
8,4%
0,2%
1,3%
7,1%
2,1% Summe
6,0%
Verwaltung
0,5%
Lagerhaltung
1,0%
Lagerhaus
1,5%
Transport
1,4%
1,3%
2,2%
1,2%
1,2% 1,1%
3,5%
0,4% 0,3% 3,9% 3,0%
1,2%
4,8%
3,5% 1,6%
Automobil
Abb. A.17
Konsumgüter & Medien
Maschienbau & Elektronik
Handel
Prozessindustrie
Aufteilung der Logistikkosten verschiedener logistischer Teilfunktionen und Branchen in Prozent vom Umsatz. Ergebnisse einer 2008/2009 in 18 europäischen Ländern durchgeführten Studie (Quelle: European Logistics Association /A. T. Kearney, 2009a, S. 14 und 2009b S. 13)
Distributionslogistik im Vordergrund. Später gewannen auch die Beschaffungslogistik und die Produktionslogistik die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Die mehr oder weniger vollständig erfassten Logistikkosten werden den logistischen Leistungen (dem Service) zudem nicht verursachungsgerecht zugerechnet, so dass der eigentliche Preis dieser Leistungen nicht bekannt ist, was zu überzogenen Serviceanforderungen seitens der Produktion und des Marketings im Unternehmen führt. Doch nicht nur Entscheidungen über logistische Leistungen werden oft ohne fundierte Kenntnisse der durch sie verursachten Logistikkosten getroffen. Beschaffungs-, Produktions- und Absatzentscheidungen haben ebenfalls nicht berücksichtigte Auswirkungen auf die Logistikkosten. Beispielhaft werden solche Auswirkungen noch im Kap. C aufgezeigt.
3.2
Kostendruck
Land*
Bruttosozialprodukt*
geschätzte Logistikkosten*
Anteil in %
Belgien
331
31,9
9,6
Dänemark
228
14,2
6,2
2.424
205,0
8,5
180
22,6
12,6
1.892
113,2
6,0
229
19,2
3,1
2.019
108,3
8,4
Irland
186
12,9
6,9
Italien
1.536
82,6
5,4
Luxemburg
36
5,2
14,4
Niederlande
560
46,1
8,2
Norwegen
284
22,4
7,9
Österreich
271
16,9
6,2
Portugal
163
9,1
5,6
Schweden
332
28,2
8,5
Schweiz
310
16,0
5,2
Spanien
1.050
82,7
7,9
Gesamt
12.028
836,5
7,0
USA
9.699
914
9,4
Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Großbritannien
51
* in Mrd. Euro
Abb. A.18
Vergleich der nationalen Logistikkosten und des Bruttosozialproduktes ausgewählter Länder. Stand 2007 für Europa und Stand 2008 für die USA. 78 (Quelle: Klaus/Kille, 2008, S. 153ff; Wilson, 2009, S. 2ff.)
Zukünftiger Trend Der Anteil der Logistikkosten am Bruttosozialprodukt und die teilweise erheblichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern (vgl. Abb. A.18) zeigen, 78
Die Logistikaufwendungen werden auf Basis der Ermittlungen des Gütertransportaufkommens hochgerechnet. Klaus ging bei seinen Berechnungen von den Transportkosten aus. Anhand der typischen Verteilung der Logistikkosten in Unternehmen wurden darauf aufbauend die Kosten für Lagerwirtschaft, Auftragsabwicklung, Administration und die Kapitalbindung durch Bestände abgeschätzt, vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 153ff. Ein ähnliches Vorgehen nutzt Wilson bei ihren jährlichen Studien.
52
A.3
Bedeutung der Logistik
dass das Gesamtvolumen der Logistikausgaben erheblich ist. Studien aus dem Jahr 2008 zeigen, dass die Logistikkosten primär von steigenden Energie-, Treibstoffund Transportpreisen sowie von hohen Personalaufwendungen hoch getrieben werden.79 Noch zu berücksichtigen ist, dass bestimmte Logistikkosten in Folge der zunehmenden Tendenzen zu Globalisierung, Umwelt- und Ressourcenschutz, Sicherheitsanforderungen weiter steigen werden (vgl. Abb. A.19). Summe
12,1%
Verwaltung
1,3%
Lagerhaltung
2,5%
8,5%
1,2% Lagerhaus
2,4% 1,7%
1,8%
7,3% 6,4%
6,1%
0,8%
1,0%
0,8%
1,2%
1,0%
0,8%
1,6% Transport
0,8% 1,3% 1,8%
1,5%
5,9% 3,9%
1987
Abb. A.19
1,8%
7,7%
1993
2,8%
3,1%
3,5%
3,8%
1998
2003
2008
2013
Anteil der Logistikkosten in Prozent vom Jahresumsatz. Ergebnisse einer 2008/2009 in 18 europäischen Ländern durchgeführten Studie (Quelle: European Logistics Association /A. T. Kearney, 2009a, S. 13 und 2009b S. 13)
Obwohl der Kostendruck in den letzten Jahren von der Informationstechnologie und dem Supply Chain Management bei den regelmäßigen Befragungen von Logistikmanagern in den USA nach den hauptsächlichen Einflussfaktoren, die die Entwicklung der Logistik in den nächsten Jahren beeinflussen werden, in der Rangfolge überholt worden ist,80 dürfen die Logistikkosten keineswegs vernachlässigt werden. Die Logistikkosten sind auf vielen Märkten keine hinreichende Voraussetzung für die Erringung von Wettbewerbsvorteilen. Sie bleiben aber auf
79 80
Vgl. Straube/Pfohl, 2008, S. 48ff. Vgl. die Auswertung verschiedener Studien bei Pfohl, 1999, S. 205; LaLonde/Ginter/Stock, 2007, S. 15; LaLonde/Ginter, 2008, S. 15f.
3.3
Marktdruck
53
allen Märkten eine notwendige Voraussetzung. Sie sind die Eintrittskarte dafür, dass man überhaupt in einem Wettbewerb eine Rolle spielen kann. Die Einsparpotentiale im Bereich der Logistikkosten werden recht unterschiedlich bewertet. Logistikmanager sehen noch Kostensenkungspotential bei den Bestandskosten. Einsparpotentiale bei den Transportkosten könnten sich noch durch eine bessere Auslastung der vorhandenen Transportkapazitäten ergeben, zum Beispiel durch mehr Kooperation sowohl seitens der Anbieter als auch seitens der Nachfrager auf dem Transportmarkt. Einsparpotentiale liegen weiterhin im verstärkten Einsatz des Produktionsfaktors Information, der höhere Kosten verursachende andere Produktionsfaktoren, z. B. Materialbestände oder Lagerhäuser, substituiert. Dies gilt vor allem für die bessere Unterstützung logistischer Planungsund Steuerungsprozesse. Noch zu erschließende Potentiale liegen aber auch in der umfassenderen, unternehmensübergreifenden Optimierung der interorganisatorischen Logistikketten81.
3.3
Marktdruck
Ausgangssituation Der Wettbewerb wird auf Käufermärkten mit allen Instrumenten der Marketingpolitik ausgetragen. Wie empirische Untersuchungen bereits in den 80er und 90er Jahren82 übereinstimmend zeigen, kommt hierbei auf vielen Absatzmärkten von Industrie- und Handelsunternehmen dem Lieferservice eine große Bedeutung zu. Er ist mit der Produktqualität vielfach der gewichtigste Einflussfaktor der Einkaufsentscheidung (Lieferantenwahl). 83 Bewertungskriterien für Lieferantenauswahl umfassen nicht nur den zu beschaffenden Gegenstand, sonder auch die gesamte Leistungsfähigkeit des Lieferanten und auch die Logistikleistungen sind ein wichtiger Bestandteil der Kriterien (vgl. Abb. A.20). Einerseits folgt dies aus einem Kaufverhalten, das sich durch das Bestreben nach einer Verschiebung der Lagerhaltung auf den Lieferanten auszeichnet. Damit verbunden sind kleinere Auftragsgrößen und kürzere Bestellintervalle sowie die Forderung nach speziellen Anlieferbedingungen. Andererseits ist es eine Folge der auf vielen Märkten anzutreffenden Substituierbarkeit der Sachleistungen. Wettbewerbsvorteile lassen sich dann nur noch aufgrund einer Heterogenisierung des Angebots durch Dienstleistungen, z. B. logistische Dienstleistungen, erringen. Diese Möglichkeit wird sowohl von Anbietern genutzt, um sich von Wettbewerbern zu differenzieren, wird aber mittlerweile auch verstärkt von Kunden nachgefragt. Auf solchen Märkten ist 81 82 83
Vgl. Pfohl, 2004b, S. 3ff. Vgl. A. T. Kearney, 1993, S. 21f.; Marr, 1984, S. 34. Vgl. Baumgarten/Wolff, 1999, S. 46f. In einzelnen Branchen werden den Herstellern oder Zulieferern von den Kunden bestimmte Lieferservicekomponenten vorgeschrieben, die zur Auftragserteilung zwingend erfüllt werden müssen, z. B. bei Just-in-Time-Lieferung (vgl. Kap. C, Abschn. 1.2 und 2.3) oder beim Crossdocking (vgl. Kap. B, Abschn. 3.1).
54
A.3
Bedeutung der Logistik
• Rechtsform • Image Kriterien zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Lieferanten
• Kapitalbasis • Stellung auf dem Markt • Qualität des Management • Qualität der Mitarbeiter • Kostenstruktur • Ertragslage • Organisation • Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten • Entfernung zum Abnehmer • Anlieferungsmöglichkeiten • Möglichkeiten zur Just-in-Time-Anbindung
Kriterien zur Beurteilung der grundsätzlichen Eignung als Zulieferer
• Flexibilität im Hinblick auf später mögliche Änderungen • Service • Garantie/ Kulanz • Recyclingmöglichkeiten • Abstimmung bzw. Integration der IT-Systeme • Möglichkeit von gemeinsamen Investitionen • Möglichkeit der gemeinsamen Produktionsplanung und -steuerung • Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten
Kriterien zur Beurteilung des Lieferanten im Hinblick auf das Beschaffungsobjekt
Abb. A.20
• Qualität • Preis • Lieferbedingungen • Zahlungsbedingungen • Liefertermine
Bewertungskriterien der Lieferantenauswahl (Quelle: in Anlehnung an Ehrmann, 2008, S.288)
die Notwendigkeit jederzeitiger Verfügbarkeit der Ware (z. B. Präsenz der Ware im Regal des Handels) offensichtlich. Diese Entwicklung wird auch an der Verschiebung der Auswahlkriterien für die Fremdvergabe logistischer Leistungen deutlich (vgl. Abb. A.21). Faktoren wie Kosten und Zuverlässigkeit verlieren relativ an Bedeutung, weil sie als notwendige Voraussetzung betrachtet werden. Im Gegensatz dazu gewinnen die Faktoren Innovationsfähigkeit und Flexibilität/Kundenorientierung als Differenzierungsmerkmale an Bedeutung. Aus der Bedeutung des Lieferservices in Industrie und Handel folgt die Bedeutung der Logistikunternehmen als Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen. Auf diese Absatzhelfer sind viele Industrie- und Handelsunternehmen angewiesen, weil sie selbst die erforderlichen logistischen Dienstleistungen gar nicht oder nur unter großen Mühen erbringen können. Die Gründe hierfür liegen
3.3
55
32%
Preis/ Kosten
Pr ei s/ Ko st en
28%
30%
Zuverlässigkeit/ Liefertreue
Zu ve rl ä ss ig ke de it/ no Li rie ef nt er ie tre ru ue ng
29%
9%
Innovationsfähigkeit
11%
16%
tä t/K un
Flexibilität/ Kundenorientierung
18%
Fl ex ib i li
In no va ti o ns fä hi gk ei t
Marktdruck
Abb. A.21
2007 2012
Entwicklungstendenz
Vier ausgewählte Kriterien für die Fremdvergabe von Leistungen der Verlader an Logistikdienstleister (Quelle: European Logistics Association/Arthur D. Little, 2007, S. 12)
im Fehlen qualifizierter Logistikfachkräfte, im Vorherrschen von Widerständen gegen die mit der Logistikkonzeption verbundenen organisatorischen Veränderungen und – vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen – in der mangelnden Erfahrung im Einsatz von Logistikinstrumenten (z. B. der EDVUnterstützung). Bei der Wahl von Logistikunternehmen spielen, wie die in der Abb. A.22 dargestellte empirische Untersuchung zeigt, Transportkosten keineswegs die allein ausschlaggebende Rolle. Von größerer Bedeutung ist meist die Qualität der angebotenen logistischen Dienstleistungen.84 Zukünftiger Trend Die eher noch zunehmende Substituierbarkeit der Produkte und die zunehmende Verbreitung des Wissens über die aus der Logistikkonzeption resultierenden Vorteile sowohl bei den Kunden als auch bei den Konkurrenten werden auf vielen Märkten die Bedeutung des Lieferservice als Instrument zur Behauptung im Wettbewerb noch weiter steigern. Der mit einem Anheben des Lieferserviceniveaus im Allgemeinen verbundene überproportionale Anstieg der Logistikkosten zwingt al84
Vgl. Large/Kovács/Lichtenberger, 2000, S. 41ff.; European Logistics Association/Authur D. Little, 2007, S. 12.
56
A.3
Bedeutung der Logistik
Beurteilungskriterien
1
2
3
4
5
Zuverlässigkeit beim Einhalten der Laufzeit Preis Servicequalität (Zustellfehler, Beschädigungen) Verhalten bei Nachforschungen Sendungsverfolgungssystem Sendungslaufzeit 24 Stunden Zustand der Transportmittel Beratungskompetenz der Mitarbeiter EDV-Anbindung internationale Ausrichtung Technologische Fortschrittlichkeit der Transportmittel Einbindung in Netzwerke mit anderen Speditionen ergänzende logistische Leistungen fester Kundenbetreuer mobiler Stauraum regionale Marktstärke Image
Abb. A.22
Bedeutung von Beurteilungskriterien bei der Auswahl von Speditions- bzw. Transportunternehmen für die Transportdurchführung im Beschaffungsbereich (1 = keine Bedeutung, 5 = sehr große Bedeutung). Ergebnisse einer 1997 bei 533 Unternehmen in Deutschland durchgeführten Befragung (Quelle: Pfohl/Schäfer, 1998, S. 86)
lerdings zu einer differenzierten Lieferservicepolitik. Über ein möglichst hohes Basisserviceniveau hinaus, das allen Kunden gleichermaßen angeboten wird, ist es nötig, für bestimmte Kunden oder Kundengruppen einen auf die spezifischen Anforderungen zugeschnittenen Individualservice anzubieten und den Kunden dadurch dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Hierbei ist vor allem die Segmentierung der Kunden entsprechend ihrer Anforderungen und ihrer Bedeutung für das Unternehmen nötig. Dies wird zu einer differenzierten Marketingstrategie bezüglich der ergänzenden Logistikleistungen führen, wie sie für den Einsatz anderer Marketinginstrumente (z. B. Qualitätsdifferenzierung, Preisdifferenzierung) schon lange üblich ist.85 Maßgeblich beeinflusst wird dies von dem anhaltenden Trend, sich innerhalb eines Unternehmens auf Kernkompetenzen zu konzentrieren und andere Leistungen darauf spezialisierten Unternehmen zu übertragen (Outsourcing, vgl. hierzu 85
Vgl. Pfohl, 1998, S. 31ff. Untersuchungen haben gezeigt, dass Unternehmen, die kundenindividuelle ergänzende Serviceleistungen anbieten, überdurchschnittlich erfolgreich sind, vgl. ebenda, S. 29f.; European Logistics Association/A. T. Kearney, 2004, S. 10; Straube u. a., 2005, S. 20f.; Doch, 2009, S. 1f.
3.3
Marktdruck
57
Kap. D, Abschn. 4.3). Dies führt dazu, dass die Anzahl der Schnittstellen in logistischen Ketten zunimmt. Gleichzeitig gibt es Bestrebungen, die Unternehmen innerhalb der logistischen Ketten besser untereinander zu koordinieren, was letztlich dazu führt, dass die Anforderungen an Unternehmen und logistische Dienstleister bzgl. des Lieferservices aber auch der Informations- und Kommunikationsfähigkeiten ständig zunehmen. Die Logistikunternehmen werden sich beim Angebot logistischer Dienstleistungen vor allem mit drei Entwicklungen konfrontiert sehen.86 Erstens wird der harte Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten zunächst kaum dazu beitragen, dass sich das niedrige Erfolgsniveau nennenswert zu Gunsten der Transportunternehmen verändern wird.87 Durch ordnungspolitische Maßnahmen (Erhöhung der Mineralölsteuer, Erhebung einer fahrtstreckenbezogenen Autobahnbenutzungsgebühr 88 ) wurde die Ertragslage der Güterkraftverkehrsunternehmen insgesamt negativ beeinflusst.89 Die Osterweiterung der EU hat dazu beitragen, dass noch mehr Wettbewerber einen vereinfachten Marktzugang erhalten, die günstigeren Rahmenbedingungen hinsichtlich der Kosten unterliegen.90 Als wichtiger Wettbewerbsvorteil wird sich die Fähigkeit, kundenspezifische Logistikdienstleistungen zu erbringen, herauskristallisieren. Darüber lassen sich zum einen höhere Preise durchsetzen, zum anderen spielen bei einer Ausdehnung des logistischen Leistungsangebots über die Transportleistung hinaus die Transporttarife nur noch eine untergeordnete Rolle für die Preisbildung. Damit ist eine zweite Entwicklung auf den Verkehrsmärkten angesprochen: Die qualitative Veränderung der Nachfrage. 91 Entsprechend der Logistikkonzeption sieht man in der verladenden Wirtschaft den Transport zunehmend nur noch im logistischen Gesamtzusammenhang, wodurch sich die Nachfrage von der reinen Transportleistung auf integrierte logistische Leistungen verlagert. Für die Transportunternehmen bedeutet das, dass der Transport nie Selbstzweck, sondern immer nur Mittel zum Zweck der Raum- und Zeitüberwindung ist. Ein Transportunternehmen darf sich deshalb nicht von vornherein auf ein ganz bestimmtes Transportmittel beschränken, sondern muss zunächst alle Möglichkeiten zur Erfüllung der Transportfunktion (z. B. neben Straßenverkehr auch Kombinierten Verkehr) in seine Angebotsstrategien einbeziehen. Denn auch bei der Transportnach-
86 87
88 89 90
91
Zur Entwicklung der Transportwirtschaft allgemein vgl. Aberle, 2009, S. 40ff. Zur derzeitigen Wettbewerbs- und Preissituation vgl. regelmäßige Berichte: Marktbeobachtung Güterverkehr von Bundesamt für Güterverkehr. Vgl. Jagersbach/Krüger, 2000, S. 13. Vgl. Bundesamt für Güterverkehr, 2006a, S. 14. Zur derzeitigen Wettbewerbssituationen nach der EU-Osterweiterung vgl. Bundesamt für Güterverkehr, 2006b, S. 1ff. Vgl. die Entwicklung des logistischen Bedarfs gegliedert nach Wirtschaftssektoren bei Stabenau, 1994, S. 19.
58
A.3
Bedeutung der Logistik
frage selbst zeichnet sich der Trend nach einem höheren Qualitätsprofil92 mit der Folge einer Notwendigkeit zur Transportmittelveredelung im Angebot ab. Dies steht im Zusammenhang mit dem technischen Fortschritt als dritte Entwicklung auf den Verkehrsmärkten. Der technische Fortschritt innerhalb bestehender Transportsysteme bei den Fahrwegen (z. B. Schienenwege für schnellere Züge), bei den Fahrzeugen (z. B. neue Antriebsformen) und bei den Stationen (z. B. neue Umschlagstechnologien) oder bei Warenflusssteuerung (z. B. RFIDTechnologie93) bildet die Grundlage einer Industrialisierung der Produktion von Verkehrsleistungen. Sie äußert sich in einer verstärkten Mechanisierung und Automatisierung, in der Herstellung der Massenhaftigkeit der Produktion und in einer größeren Kapitalintensität.
3.4
Stellenwert im Unternehmen
Die Logistik ist nicht für alle Unternehmen von gleicher Bedeutung, sondern ihr Stellenwert wird insbesondere von der Bedeutung des Lieferservice für das Marketing und des Versorgungsservice für die Produktion sowie von der Bedeutung der Logistikkosten abhängen. Diese beiden Einflussfaktoren des Stellenwertes der Logistik im Unternehmen werden im Folgenden dargestellt. Danach werden abschließend zu diesem Grundlagenkapitel zusammenfassend Aussagen zur steigenden Bedeutung des Stellenwertes der Logistik im Unternehmen gemacht. Hypothesen zur Bedeutung des Service Die Bedeutung des Lieferservice als Instrument der Marketingpolitik kann durch fünf plausibel erscheinende Hypothesen dargestellt werden:94 Je höher der Grad an Substituierbarkeit für ein Produkt ist, desto größer ist die Bedeutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plausibel, weil bei leicht substituierbaren Produkten – sie zeichnen sich im allgemeinen durch gleiche oder ähnliche Funktionserfüllung, Qualität und Preise aus – der Kunde den Lieferanten leicht wechseln kann. Je höher die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Transport, Verpackung und Lagerhaltung sind, die von den physischen Produkteigenschaften ausgehen, desto größer ist die Bedeutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plausibel, weil derartige Anforderungen ein hohes Lieferserviceniveau bedingen, das zur Voraussetzung für die Absetzbarkeit eines Produktes wird. Ein Beispiel sind die Anforderungen, die leicht verderbliche Waren an die Auslieferung stellen. Je höher das Lieferserviceniveau der Konkurrenz ist, desto größer ist die Bedeutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plausibel, weil die Serviceerwar-
92 93 94
Vgl. Krass, 1984, S. 200ff.; Aberle, 2009, S. 239ff. RFID: Radio Frequency Identification. Folgendes in enger Anlehnung an Pfohl, 1977, S. 248.
3.4
Stellenwert im Unternehmen
59
tungen des Kunden auch vom Lieferserviceniveau der Konkurrenz geprägt werden. Je mehr sich der Standort des Kunden in der Nähe von Ballungszentren befindet, desto größer ist die Bedeutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plausibel, weil sich im Allgemeinen in der Nähe von Ballungszentren die Auslieferungslager befinden und die Verkehrsanbindungen und das Angebot an Transportleistung gut sind. Da der Kunde das weiß, werden auch davon seine Lieferserviceerwartungen geprägt. Je größer die Abhängigkeit des Kunden aufgrund seiner Produktions-, Lagerhaltungs- oder Verkaufsbedingungen von einem Produkt ist, desto größer ist die Bedeutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plausibel, weil dem Kunden bei einer solchen Abhängigkeit aufgrund eines schlechten Lieferservice große Kosten bzw. Absatzverluste entstehen können. Das trifft beispielsweise zu, wenn der Kunde nur relativ geringe Lagerbestände besitzt und deshalb auf eine schnelle und zuverlässige Belieferung angewiesen ist. Die zweite und die fünfte Hypothese lassen sich auch auf den Versorgungsservice übertragen. Der Versorgungsservice ist also von umso größerer Bedeutung für ein Unternehmen, je größer die Anforderungen sind, die von den physischen Produkteigenschaften des Materials ausgehen und je größer die Abhängigkeit der Produktion von einem Einsatzstoff ist. Hypothesen zur Bedeutung der Logistikkosten Bezüglich der Bedeutung der Logistikkosten lassen sich in Abhängigkeit von der Distanz der Beschaffungs- und Absatzmärkte vom Unternehmen und von der Produktart vier plausibel erscheinende Hypothesen formulieren, aus denen sich wiederum Anhaltspunkte für den Stellenwert der Logistik im Unternehmen ableiten lassen. Die tendenziellen Kostenverläufe sind in Abb. A.23 und Abb. A.24 dargestellt. Je größer die Entfernung der Märkte ist, von denen die Güter beschafft oder auf denen die Güter abgesetzt werden, desto größer ist der Anteil der Logistikkosten am Umsatz. Diese Hypothese ist plausibel, weil mit wachsender Entfernung die Transport- und Kommunikationskosten zur Raumüberbrückung steigen. Allerdings steigen diese Kosten aufgrund der Ausnutzung von Größenvorteilen (Bündelungseffekten) über lange Distanzen nur degressiv an, wie Abb. A.23 zeigt. Neuere Entwicklungen in der Transport- und Kommunikationstechnologie führen zudem zu einer wachsenden Entfernungskostendegression, so dass die Marktentfernung eine zunehmend geringere Rolle spielt. Je größer die Dichte bzw. die Packdichte der Güter ist, desto niedriger ist der Anteil der Logistikkosten am Umsatz. Diese Hypothese ist plausibel, weil sich der Lagerraum durch Güter mit hoher Dichte, z. B. Stahlblöcke oder Bücher, besser ausnutzen lässt als durch Güter mit niedriger Dichte, z. B. Kopfkissen oder Bälle. Dies führt zu tendenziell sinkenden relativen Lagerkosten. Da aus dem gleichen
60
A.3
Bedeutung der Logistik
Logistikkosten/ Transport- und Kommunikationskosten
Früher
Heute
Marktentfernung
Abb. A.23
Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten – insbesondere der Transport- und Kommunikationskosten – je Gütereinheit in Abhängigkeit von der Marktentfernung
Grund die Transportkapazitäten besser ausgelastet werden können, sinken in der Tendenz ebenfalls die relativen Transportkosten. Je höher das Wert/Gewicht-Verhältnis bzw. das Wert/Volumen-Verhältnis der Güter ist, desto niedriger ist zunächst der relative Anteil der Logistikkosten am Umsatz. Ab einem bestimmten Verhältnis steigt allerdings der Anteil. Dieser tendenzielle Gesamtkostenverlauf ergibt sich aus dem unterschiedlichen Verlauf der Lager- und Transportkosten. Die relativen Lagerhaltungskosten steigen mit steigendem Wert/Gewicht- bzw. Wert/Volumen-Verhältnis. Diese Hypothese ist plausibel, weil durch Güter mit einem hohen Wert/Gewicht- bzw. Wert/VolumenVerhältnis, z. B. elektronische Gegenstände oder Diamanten, mehr Kapital im Lager gebunden ist als durch Güter mit einem niedrigen Wert/Gewicht- bzw. Wert/Volumen-Verhältnis, z. B. Gemüse oder Bauholz. In der Tendenz umgekehrt ist das Ergebnis, wenn man die relative Höhe der Transportkosten betrachtet. Je größer die Gefährlichkeit bzw. Empfindlichkeit der Güter ist, desto höher ist der relative Anteil der Logistikkosten am Umsatz. Diese Hypothese ist plausibel, weil toxische, explosive, radioaktive, empfindliche oder leicht verderbliche Güter tendenziell höhere Lager- und Transportkosten verursachen als ungefährliche bzw. weniger empfindliche Güter. Beispielsweise müssen frisches Obst und gefrorene Lebensmittel in speziellen Transportmitteln befördert und in speziellen Lagerhäusern aufbewahrt werden. Die Möglichkeit des Verderbs begrenzt überdies die Zeitspanne, die diese Güter im logistischen System verweilen können.
3.4
Logistikkosten
Logistikkosten
Stellenwert im Unternehmen
61
Gesamtkosten
Gesamtkosten Transportkosten Lagerkosten
Lagerkosten Transportkosten
Dichte
Wert Wert oder Gewicht Volumen
tendenzieller Verlauf der Logistikkosten gemessen in % vom Verkaufspreis in Abhängigkeit von der Dichte bzw. der Packdichte in t/m3eines Gutes
tendenzieller Verlauf der Logistikkosten gemessen in % vom Verkaufspreis bei steigendem Wert/Gewichts- bzw. Wert/Volumen-Verhältnis eines Gutes
Logistikkosten
Gesamtkosten Transportkosten Lagerkosten
Gefährlichkeit tendenzieller Verlauf der Logistikkosten gemessen in % vom Verkaufspreis bei zunehmender Gefährlichkeit eines Gutes
Abb. A.24
Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten in Abhängigkeit von der Produktart (Quelle: Vgl. Ballou, 2004, S. 72ff.; Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 45ff.)
Stellenwert der Logistik im Unternehmen in Abhängigkeit von der Branche Aus den Ausführungen über die Bedeutung von Logistikkosten und Service ergibt sich, dass die Logistik nicht für alle Branchen von gleicher Bedeutung ist.95 Die Bedeutung der Logistik hängt davon ab, welche Güter durch das logistische System fließen. Es ist leicht einzusehen, dass sich die Logistikprobleme bei einer einmaligen Auslieferung eines für einen bestimmten Abnehmer in Einzelfertigung hergestellten hochwertigen Investitionsgutes in ihrer Bedeutung völlig von denen unterscheiden, die sich bei der ständigen Versorgung eines anonymen Marktes mit relativ billigen Verbrauchsgütern ergeben.96 95
96
Vgl. Pfohl, 1972, S. 82f. Zur Diskussion der Branchenabhängigkeit der Logistik vgl. Schumacher, 1988, S. 96ff.; Kummer, 1992, S. 40f. Vgl. Wiese, 1968, S. 14f.; Hallbauer/Knödel, 1977, S. 16ff.
62
A.3
Bedeutung der Logistik
Eine Analyse der Logistikkosten und des Services zeigt beispielsweise, dass die Logistik für Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs eine große Bedeutung haben muss. Das sind Güter, die relativ billig sind und die ohne lange Qualitäts- und Preisvergleiche gekauft werden, da wesentliche Unterschiede bei den konkurrierenden Produkten nicht bestehen. Dies trifft etwa auf weite Bereiche der Nahrungsmittelindustrie zu. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie zu den Pionieren im Bereich der Logistik gezählt werden müssen. Bei vielen Erzeugnissen der chemischen Industrie liegt der Anteil der Logistikkosten am Umsatz ebenfalls sehr hoch und es bestehen kaum Preis- und Qualitätsunterschiede zwischen den konkurrierenden Produkten, so dass die Logistik auch bei diesen Gütern von großer Bedeutung ist. Natürlich kann die Bedeutung der Logistik für eine Branche auch dann groß sein, wenn der Anteil der Logistikkosten relativ niedrig, der Service aber sehr wichtig ist. Dies dürfte für Büromaschinen und Haushaltsgeräte einschließlich des damit verbundenen Ersatzteilgeschäftes zutreffen. In Abb. A.25 wird der Versuch unternommen, verschiedene Branchen in einer Matrix entsprechend der Bedeutung der Logistik als Instrument der Rationalisierung und des Lieferservice als Instrument der Marketingpolitik zur Differenzierung zu positionieren. Zur Gewährleistung ihres Stellenwertes im Unternehmen ist die Logistik in zweierlei Weise zu implementieren, zum einen als Querschnittsfunktion und zum anderen als Unternehmensprinzip. Logistik als Querschnittsfunktion und als Unternehmensprinzip Die Implementierung der Logistik als Querschnittsfunktion in Unternehmen97 führt bei entsprechender instrumenteller und institutioneller Absicherung einerseits zur Ausnutzung der mit der Funktionsspezialisierung verbundenen Erfahrungskurvenund Synergieeffekte. Andererseits führt sie zur bereichs- und sogar unternehmensübergreifenden Koordination von Logistikentscheidungen. 98 Der durch entsprechende Anreizmechanismen und organisatorische Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungsabgrenzungen geförderte Bereichsegoismus vertikal gegeneinander abgeschotteter Funktionen wird ersetzt durch horizontal die anderen Funktionen durchdringende Querschnittsfunktionen mit einer einheitlichen Zielsetzung. Besondere Bedeutung kommt hierbei der intraorganisatorischen Gestaltung der Schnittstellenaufgaben zwischen Logistik einerseits sowie Beschaffung, Produktion, Absatz und Entsorgung andererseits zu. Das vertikale Gegeneinander in einer 97 98
Siehe Abb. A.16 in Kap. A, Abschn. 2.6. Vgl. Pfohl, 1991b, S. 4f. Weber, 1996 unterscheidet mit der Logistik als funktionaler Spezialisierung und der Logistik als unternehmensbereichs-/unternehmensübergreifende Koordinationsfunktion zwei Entwicklungsstufen der Logistik. Nach dem Grad der Flussorientierung detailliert er diese Unterscheidung weiter in funktionale Spezialisierung, Koordinationsfunktion der Logistik, Fluss- bzw. Prozessorientierung und Supply Chain Management. Vgl. Weber/Dehler, 2000; Pfohl, 2004a, S.19f.
3.4
hoch
Stellenwert im Unternehmen
63
Handel/ Konsumgüter Chemische Industrie
Differenzierung
Maschinenbau/ Geräte
Papierindustrie
Anlagenbau
Elektrotechnik
Automobilindustrie
niedrig
hoch Rationalisierung
Abb. A.25
Bedeutung der Logistik als Instrument der Rationalisierung und des Lieferservice als Instrument zur Differenzierung für einzelne Branchen (Quelle: in Anlehnung an Kowalski, 1992, S. 130)
Misstrauensorganisation wird abgelöst durch ein horizontales Miteinander in einer Vertrauensorganisation, in der man auch gegenseitige Abhängigkeiten akzeptiert. Unternehmensübergreifend lässt sich diese Aussage auf die interorganisatorische Gestaltung der Schnittstellen zwischen dem Unternehmen und seinen Lieferanten und Kunden übertragen. Die Implementierung der Logistik als Unternehmensprinzip99 (Leitungs- oder Managementkonzept) führt zur Berücksichtigung des der Logistikkonzeption eigenen Denkansatzes bei der Problemstellung und -lösung auch in anderen Funktionsbereichen des Unternehmens. Die Koordination der Entscheidungen läuft hier also schon in den Köpfen der Mitarbeiter bei der Bearbeitung von Problemstellungen ab. Die Unterscheidung zwischen Funktion und Unternehmensprinzip findet sich auch beim Marketing. Marketing kann zum einen als spezialisierte Funktion implementiert werden. Zum anderen bedeutet die Implementierung als Unternehmensprinzip, dass auch in den anderen Funktionsbereichen des Unternehmens kundenorientiert gehandelt werden soll.100 99 100
Ausführlich behandelt bei Pfohl, 1994b, S. 68ff. Zu diesem Unterschied vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg, 2008, S. 13f.
64
A.3
Bedeutung der Logistik
Teilweise wird sogar die Meinung vertreten, die Logistik mit ihrem traditionellen Merkmal der Prozessorientierung biete das Potential zu einer logistikorientierten Organisations- oder Managementtheorie101 oder lasse sich als eine spezielle Ausprägung einer (Meta-)Führungslehre102 verstehen, in der alle prozessbezogenen Ansätze der Unternehmensführung zu integrieren seien. Sicherlich braucht man nicht soweit zu gehen, um der Bedeutung der Logistik gerecht zu werden! Sie hat jedoch einen großen Einfluss auf wichtige Teilbereiche der Betriebswirtschaftslehre, auf den abschließend in diesem Grundlagenkapitel eingegangen werden soll:103 In der Verkehrsbetriebslehre als einer speziellen Betriebswirtschaftslehre gemäß der institutionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre hat die Logistikkonzeption zu einer Erweiterung des Erfahrungs- und Erkenntnisobjektes geführt. Erfahrungsobjekte sind heute alle Unternehmen, die logistische Dienstleistungen auf dem Markt anbieten. Zu ihrer Bezeichnung haben sich die Begriffe Logistikunternehmen oder logistische Dienstleister durchgesetzt. Bei der Gewinnung von neuen Erkenntnissen ist die Verkehrsbetriebslehre dabei verstärkt auf die Forschungsergebnisse technischer Nachbarwissenschaften und der Informatik angewiesen, wobei der Blick für die komplexen Schnittstellen zu den Logistiksystemen der Industrie und des Handels geöffnet wird. Diese Entwicklung kommt auch darin zum Ausdruck, dass einer der Träger der Logistikidee die Gesellschaft für Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik e. V. (GVB) ist. In der Materialwirtschaft als einer betriebswirtschaftlichen Teildisziplin gemäß der funktionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre hat die Logistikkonzeption zu einer deutlichen Profilierung der zwei unterschiedlichen materialwirtschaftlichen Teilfunktionen Einkauf und Materiallogistik geführt, die beide zur Erfüllung des materialwirtschaftlichen Ziels der Versorgung des Unternehmens mit Material i. w. S. beitragen. Charakteristisch für den Einkauf ist die Marketingorientierung zur aktiven Beschaffungsmarktforschung und Beschaffungsmarktbeeinflussung in Hinblick auf eine Sicherung der Lieferkapazität. Charakteristisch für die Materiallogistik ist die Logistikorientierung bei der Gestaltung der Lieferkette (Supply Chain) vom Lieferanten zur Produktion (Verbindung der Lieferkapazitäten mit den Produktionskapazitäten) beim Industrieunternehmen oder zu den Verkaufsstellen (Absatzkapazitäten) beim Handelsunternehmen. Bei der Entwicklung von Einkaufsstrategien und der Lieferantenauswahl finden zunehmend logistische Beurteilungskriterien Beachtung. Auch im Bereich der Materialwirtschaft gibt es als einen Träger der Logistikidee eine Gesellschaft, nämlich den Bundesverband für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME). In der Produktionswirtschaft als einer betriebswirtschaftlichen Teildisziplin gemäß der funktionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre hat die Logistikkonzeption zu einer neuen Gewichtung der bei der Produktionssteuerung verfolg101 102 103
Vgl. Klaus, 1998, S. 74ff. Vgl. Weber, 1996. Vgl. Pfohl, 1991b, S. 5ff. und die dort aufgeführte Literatur.
3.4
Stellenwert im Unternehmen
65
ten Ziele und damit zu neuen Handhabungen des als Dilemma der Produktionssteuerung bekannten Zielkonfliktes geführt. Im Vergleich zum Ziel einer möglichst hohen Kapazitätsausnutzung hat das Ziel einer möglichst kurzen Durchlaufzeit an Gewicht gewonnen. Außerdem erhalten logistische Fragestellungen rund um die Montage bei einer tendenziell zurückgehenden Fertigungstiefe zunehmende Bedeutung. Seit den Ursprüngen der Unternehmensforschung (des Operations Research) spielen quantitativ formulierte Modelle zur Unterstützung von Entscheidungen in logistischen Subsystemen (z. B. optimale Bestellmenge, optimale Standorte oder optimale Touren) eine große Rolle. Unter dem Einfluss der Logistikkonzeption verlagert sich der Schwerpunkt weg von Optimierungsmodellen zur Lösung logistischer Teilprobleme hin zur Formulierung komplexer Simulationsmodelle, mit denen logistische Systemzusammenhänge abgebildet und Gestaltungsalternativen im Computerexperiment ausgetestet werden können. In der Informatik werden unter dem Einfluss der Logistikkonzeption auf der Basis relationaler Datenbanksysteme funktions-, bereichs- und unternehmensübergreifende Informationssysteme zur Auftragsabwicklung sowie Steuerung und Kontrolle der Güterströme in und zwischen Unternehmen entwickelt. Außerdem wird die Logistikidee auf die Gestaltung von Informationssystemen selbst angewendet. Man spricht dann von Informationslogistik, deren Aufgabe es ist, die richtige Information, im richtigen Zustand, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort zu den dafür minimalen Kosten zur Verfügung zu stellen.
B Verrichtungsspezifische Subsysteme der Logistik
B Verrichtungsspezifische Subsysteme der Logistik
1 Auftragsabwicklung
2 Lagerhaltung (Lagerbestände)
1.1 Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung
2.1 Definition und Funktionen der Lagerhaltung
3.1 Definition und Funktionen des Lagerhauses
4.1 Definition und Funktionen der Verpackung
5.1 Definition und Funktionen des Transports
1.2 Auftragsabwicklungsaufgaben
2.2 Lagerhaltungsaufgaben
3.2 Lagerhausaufgaben
4.2 Verpackungsaufgaben
5.2 Transportaufgaben
1.3 Formen der Auftragsabwicklung
2.3 Vorratsergänzung und -sicherung
3.3 Lagerplatzzuordnung
4.3 Logistische Einheiten
5.3 Transportmittel
1.4 Verknüpfung logistischer Informationssysteme
2.4 Selektive Lagerhaltung
3.4 Technik im Lagerhaus
4.4 Modulare Verpackung
5.4 Kombinierter Verkehr
3 Lagerhaus
4 Verpackung
5 Transport
Jedes System lässt sich in ein übergeordnetes System einordnen sowie in eine Anzahl von Subsystemen aufgliedern. Eine Aufgliederung des Gesamtsystems der Logistik in Subsysteme ermöglicht eine Konkretisierung der für die Logistik charakteristischen Entscheidungsprobleme. Das Gesamtsystem der Logistik wird hierzu entsprechend der in Kap. A vorgenommenen funktionellen Abgrenzung in die Folgenden verrichtungsspezifischen Subsysteme zerlegt: x x x x x
Auftragsabwicklung, Lagerhaltung, Lagerhaus, Verpackung, Transport.
Im Rahmen dieses Buches ist es nicht möglich, die verrichtungsspezifischen Subsysteme der Logistik in ihrer gesamten Breite und Tiefe darzustellen, sondern es ist eine Beschränkung auf grundlegende Aspekte notwendig. Hierzu wird jeweils jedes verrichtungsspezifische Subsystem definiert und seine Funktionen im Gesamtsystem der Logistik werden erörtert. Danach folgt eine Charakterisierung der im verrichtungsspezifischen Subsystem wahrzunehmenden Aufgaben. Schließlich wird noch auf spezifische Entscheidungstatbestände eingegangen, die für das jeweils behandelte verrichtungsspezifische Subsystem als besonders typisch anzusehen sind. Es erfolgt eine Beschränkung auf die Logistiksysteme in Industrie- und Handelsunternehmen.1 In der Handelsliteratur wird das Logistiksystem auch als Teil der Warenwirtschaft des Handelsunternehmens diskutiert.2 Unter Warenwirtschaft ist die physische, administrative und dispositive Behandlung von Handelsware zu verstehen. Sie lässt sich in die funktionalen Subsysteme Warenwirtschaftssystem und Warenprozesssystem zerlegen. Das Warenwirtschaftssystem umfasst alle warenbezogenen Informationsprozesse und wird im Abschnitt über die Auftragsabwicklung gesondert dargestellt. Das Warenprozesssystem umfasst alle warenbezogenen physischen Prozesse. Dazu gehören die im Folgenden zu behandelnden
1
2
Speziell zu Handelsunternehmen vgl. Prümper, 1979; Toporowski, 1996; Schnedlitz/Teller, 1999; Arnold u. a., 2008, S. 525ff. Speziell zur Logistik in der Bauwirtschaft vgl. Günthner/Zimmermann, 2008. Vgl. Ebert, 1986, S. 49ff. und S. 70ff.
70
B.1
Auftragsabwicklung
logistischen Teilprozesse des Warenflusses als auch die Veränderung der Ware durch handelsübliche Manipulation. Die Logistikunternehmen werden in Kap. D gesondert behandelt. Die Logistik in den anderen Dienstleistungsunternehmen wird nicht an besonderer Stelle dargestellt, da die Logistikproblematik vergleichsweise gering ist, wenn lediglich Betriebsstoffe als logistische Objekte betrachtet und die anstehenden Logistikprobleme von ihrer Art denen in Industrie- und Handelsunternehmen ähneln. Die Übertragung der Logistikkonzeption auf spezifische Dienstleistungen, die etwa von einer Bank am Markt angeboten werden, kann im Rahmen dieses Buches nicht geleistet werden.
1
Auftragsabwicklung
1.1
Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung
Definition Der Auftrag ist die Grundlage des Informationsflusses im Logistiksystem. Abb. B.1 zeigt, welche Informationen einem vollständig ausgefüllten Auftragsformular auf jeden Fall zu entnehmen sein sollten. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Informationen sind deshalb so wichtig, weil sie der Input für das Logistiksystem sind. Fehler bei diesen Informationen können durch Kontrollen im System im Allgemeinen nicht mehr aufgedeckt werden, sondern machen sich erst bemerkbar, wenn die Güter beim Empfangspunkt eintreffen. Außerdem ist der Auftrag eine wichtige Informationsquelle für andere Unternehmensbereiche. Als externer Auftrag (Kundenauftrag) ist er ein wichtiges Bindeglied für die Distributionslogistik des Lieferanten und die Beschaffungslogistik des Kunden. Als interner Auftrag ist er das Bindeglied zwischen intraorganisatorischen Logistiksystemen, wie z. B. zwischen Produktionslogistik und Beschaffungslogistik oder Zentrallager und Außenlager. Die Auftragsabwicklung wird im Folgenden am Beispiel des externen Auftrags definiert. Diese Definitionen lassen sich jedoch analog auf interne Aufträge mit unterschiedlichen Empfangs- und Lieferpunkten übertragen. Bei der Definition der Auftragsabwicklung können zwei Sichtweisen – eine aus dem Bereich der Distributionslogistik und eine aus dem Bereich der Produktionslogistik – unterschieden werden. Definitionen aus dem Bereich der Distributionslogistik betonen die funktionelle Dimension der Auftragsabwicklung. Entsprechend lässt sich die Auftragsabwicklung als die Übermittlung und „datenmäßige Bearbeitung und Kontrolle der Aufträge vom Zeitpunkt der Auftragsaufgabe beim Kunden bis zur Ankunft der
1.1
Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung
71
Auftragsformular Auftragsnummer, Auftragsdatum Kundenadresse und Kundennummer Branche des Kunden, Stellung im Absatzweg Verkäufer und Verkaufsgebiet Artikelbezeichnung und Artikelnummer Menge des Artikels, Bruttopreis Verkaufsbedingungen, Rabatte Transportmittel, zu berechnender Versandkostenanteil Versandanschrift, Liefertermin
Abb. B.1
Der Auftrag als Informationsquelle
Sendungsdokumente und Rechnungen beim Kunden“3 definieren. Im Mittelpunkt der Auftragsabwicklung steht somit der Formularfluss zur Erledigung eines Auftrages. Sie bildet neben der Kommissionierung, der Verpackung und dem Transport einen Teil des Auftragszyklusses.4 Unterschiede zwischen den verschiedenen Definitionen dieser Sichtweise beruhen im Wesentlichen auf der Einbeziehung von Materialflussaufgaben sowie dem Grad der Einbeziehung des finanzwirtschaftlichen Stroms (z. B. Debitorenkontokorrent). In einer im Vergleich zu dieser engen distributionslogistischen Sicht weiter gefassten Definition aus dem Bereich der Produktionslogistik wird die Auftragsabwicklung als marktgerechte Steuerung der Material- und Informationsflüsse vom Rohmateriallieferanten bis zum Endkunden definiert. Sie wird somit zum umfassenden Konzept aller am Auftragsdurchlauf beteiligten Funktionsbereiche. 5 Die Auftragsabwicklung kann definiert werden als zentraler Aufgabenbereich zur Erfüllung der Leistungsverpflichtung innerhalb der industriellen Produktion. Sie bildet „das Bindeglied zwischen den externen Informationen und deren interner Umsetzung, indem sie die vom Markt induzierten Anfragen und Aufträge in konkrete innerbetriebliche Vorgaben und Handlungsweisen umwandelt. Folglich berührt 3
4 5
Klee/Türks, 1970, S. 69. Vgl. auch Türks, 1972, S. 67f.; Filz, 1993, S. 69ff.; Specht/Fritz, 2005, S. 159 f. Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 146ff. Vgl. zu diesem Konzept Rohweder, 1995; Knolmayer/Mertens/Zeier, 2000, S. 2 und S. 25ff. Siehe auch Kap. C, Abschn. 2.3.
72
B.1
Auftragsabwicklung
die Auftragsabwicklung nahezu sämtliche Unternehmensbereiche, die entweder mit der direkten Leistungserstellung befasst sind oder für die, als angrenzende administrative Bereiche, entsprechende Daten und Kontrollinformationen bereitzustellen sind.“6 Diese Sichtweise ist typisch für die kundenspezifische Montage, Produktion und Konstruktion, wobei Auftragsabwicklung in vielen Fällen mit der Produktionsplanung und -steuerung gleichgesetzt wird. In diesen Definitionen wird zudem häufig zwischen technischer und kaufmännischer Auftragsabwicklung differenziert. Während die technische Auftragsabwicklung die vertriebliche Angebotsschreibung, Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Beschaffung, Teilefertigung, Montage und den Versand umfasst, gehören zur kaufmännischen Auftragsabwicklung Kalkulation, Einkauf und Finanzbuchhaltung. Die für die Auftragsabwicklung benötigte Zeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Lieferzeit. Denn diese entsteht nicht nur während der physischen Bewegung der Güter zwischen Liefer- und Empfangspunkt. Sie umfasst auch die notwendige Zeit, die für die zuvor stattfindenden Kommunikationsvorgänge und für die notwendige Bearbeitung der Auftragsdokumente benötigt wird. Um die Bedeutung der Auftragsabwicklung für die Lieferzeit deutlich zu machen, wird anstelle des Begriffs Lieferzeit auch der Begriff Auftragsperiode verwendet. Sehr häufig wird der Anteil der Zeit für die Auftragsübermittlung an der Länge der Lieferzeit unterschätzt. Eine Analyse der Lieferzeit eines Unternehmens ergab beispielsweise, dass die Zeit für die Auftragsübermittlung 20% der gesamten Lieferzeit betrug, wenn die Lieferzeit kurz war; sie betrug dagegen 75%, wenn die Lieferzeit lang war.7 Die Ursache für eine lange Lieferzeit lag in diesem Fall also vor allem bei der langsamen Auftragsübermittlung und nicht bei den anderen Elementen der Lieferzeit, denen normalerweise ein wesentlich größerer Einfluss auf die Länge der Lieferzeit zugebilligt wird als der Auftragsübermittlung. Bei der Analyse der Lieferzeit werden sich gerade bei der Auftragsübermittlung sowie auch bei der Auftragsbearbeitung Rationalisierungsmöglichkeiten ergeben, die Kostensenkungen und eine erhebliche Verkürzung der Lieferzeit zur Folge haben können. Auftragsübermittlung und -bearbeitung stehen in sehr engem Zusammenhang. Tätigkeiten, die in einem Unternehmen Bestandteil der Auftragsbearbeitung sind, können in einem anderen schon bei der Auftragsübermittlung mit erledigt werden. Stehen dem Kunden beispielsweise internetbasierte einheitliche Auftragsformulare des Lieferanten zur Verfügung, so gehört das Ausfüllen dieser elektronischen Auftragsformulare durch den Kunden zur Auftragsübermittlung. Schickt der Kunde dagegen den Auftrag in Papierform an den Lieferanten, so ist es in vielen Unternehmen nötig, diesen Auftrag in ihr EDV-System zu übertragen, was dann Teil der Auftragsbearbeitung ist und oft Fehler verursacht.
6 7
Wildemann, o. J., S. 49. Vgl. Johnson/Parker, 1961, S. 44.
1.1
Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung
73
Funktionen Die Auftragsabwicklung hat drei Funktionen: Die Gewährleistung eines dem Güterfluss vorauseilenden Informationsflusses, die Gewährleistung eines den Güterfluss begleitenden Informationsflusses und die Gewährleistung eines den Güterfluss nacheilenden Informationsflusses. Aufgrund dieser drei Informationsflüsse ist es möglich, den Güterfluss zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Der Güterfluss bzw. die Güter werden dadurch logistisch determiniert. Der dem Güterfluss vorauseilende Informationsfluss soll alle in den Güterfluss eingeschalteten Stellen rechtzeitig über die eintreffenden Güter informieren. Sie erhalten auf diese Weise den notwendigen Planungs- und Dispositionsspielraum, der für eine unter Kosten- und Servicegesichtspunkten optimale Realisierung des Güterflusses Voraussetzung ist. Beispielsweise können unnötige Wartezeiten von anliefernden Lastkraftwagen an der Entladerampe vermieden werden. Der den Güterfluss begleitende Informationsfluss soll alle in den Güterfluss eingeschalteten Stellen mit den Informationen versorgen, die für die operative Ausführung von Transport-, Umschlags- und Lagertätigkeiten vor Ort notwendig sind. Hierzu gehört etwa die richtige Handhabung gefährlicher Güter. Außerdem soll durch den den Güterfluss begleitenden Informationsfluss eine Verfolgung des Güterflusses durch das logistische Netzwerk ermöglicht werden. Der Güterfluss ist so lange zu kontrollieren, bis die Güter beim Empfangspunkt eingetroffen sind. Nur wenn man bei jedem Auftrag darüber informiert ist, in welcher Phase der Abfertigung er sich befindet, kann gegebenenfalls die Abfertigung beschleunigt oder aber auch verzögert werden. Erst aufgrund dieser Information kann sichergestellt werden, dass die Güter zum gewünschten Zeitpunkt beim Empfangspunkt eintreffen. Der dem Güterfluss nacheilende Informationsfluss besteht aus Informationen, die erst nach der Realisierung des Güterflusses fließen können. Dies kann beispielsweise bei einer entsprechenden Organisationsform der Fakturierung die Rechnung sein. Es ist aber auch ein Informationsfluss entgegengesetzt dem Güterfluss möglich. Dazu gehören Informationen, die, von den begleitenden Informationen ausgehend, der Rückmeldung über den Stand der Abfertigung eines Auftrags dienen. Ein Beispiel hierfür ist die Information zurück an den Lieferpunkt, zu welchen Zeitpunkten bestimmte kritische Stationen in der Transportkette, etwa Grenzübergänge im internationalen Transport, vom Güterfluss passiert worden sind. Zum nacheilenden Informationsfluss gehören aber auch Informationen vom Empfänger an den Lieferanten über die Qualität des Lieferservice, z. B. in Form von Reklamationen. Letztlich beinhaltet der dem Güterfluss nacheilende Informationsfluss Informationen, die man im Rahmen der Auftragsauswertung dem Auftrag entnehmen kann und für die sich andere Unternehmensbereiche (z. B. die Marktforschung) interessieren. Neben der begleitend zum Güterfluss stattfindenden Steuerung von Informationsflüssen gewinnt in letzter Zeit in zunehmendem Maße der Begriff der Informations- bzw. Office-Logistik an Bedeutung. Viele Unternehmen konzentrieren sich
74
B.1
Auftragsabwicklung
immer stärker auf ihre Kernkompetenzen und überlassen anderen Dienstleistungsunternehmen den Bereich des Empfanges, der Versendung, der Verarbeitung, der Bereitstellung, der Archivierung und Vernichtung großer Datenmengen.8 Ziel der Informationslogistik ist insbesondere die Versorgung des Mitarbeiters mit den für ihn richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort.9 Das Geschäftsfeld der Office-Logistik als Teilbereich der Informationslogistik beinhaltet wiederum die Poststellenlogistik, die Archivlogistik sowie die Akten- und Datenträgervernichtung. Als typischer Service eines Office-Logistikdienstleisters gilt im Rahmen der Poststellenlogistik beispielsweise die medienunabhängige, d. h. sowohl physische als auch digitale Sortierung und Verteilung von Eingangs- und interner Hauspost. Aufgabe der Archivlogistik ist dagegen das Handling von Aktenbeständen. Der Dienstleister übernimmt hierbei oftmals die jeweiligen Bestände von seinen Kunden, erfasst diese informationstechnisch und versieht sie mit einer Identifikationsnummer. Danach gelangen die Akten auf einen Platz in einem häufig chaotisch organisierten Sicherheitslager. Die Vorteile des Outsourcings dieser Aufgaben an einen Dienstleister liegen vor allem in der Variabilisierung fixer Kosten, der Erzielung von Skaleneffekten bei Investitionen sowie in der Erhöhung der Transparenz im Unternehmen durch eine saubere und genaue Prozessdokumentation.10
1.2
Auftragsabwicklungsaufgaben
Unabhängig von der Art der Auftragsabwicklung lassen sich immer bestimmte Grundaufgaben unterscheiden, die zu erfüllen sind. Diese Aufgaben sind am einfachsten zu erkennen, wenn man den in Abb. B.2 dargestellten Weg der Auftragsinformation bei der Auftragsabwicklung verfolgt.11 Es wird deutlich, dass die Auftragsabwicklung eng mit den übrigen verrichtungsspezifischen Subsystemen der Logistik verbunden ist. Übermittlung Der Ausgangspunkt für die Auftragsinformation ist die Auftragserstellung beim Kunden. Die Art der Übermittlung des Auftrags bestimmt weitgehend die Form der Auftragserstellung. Die Aufträge können vom Kunden per Brief, Fernschreiben, Telefax, Telefon oder elektronischer Datenverarbeitung an einen Außendienstmitarbeiter, an ein dezentrales Verkaufsbüro oder direkt an die Zentrale des Lieferanten übermittelt werden. Der Außendienstmitarbeiter kann den Auftrag auch selbst beim Kunden aufnehmen und seinerseits dann weiterleiten. Bei jeder dieser Möglichkeiten muss das Problem der Kontrolle der Auftragserstellung an8 9 10 11
Vgl. Peters, 2003. Vgl. Lienemann, 2001, S. 13ff. Vgl. Peters, 2003; Klotz, 2003, S. 25. Vgl. zum Folgenden Pfohl, 1972, S. 89ff.; Türks, 1972, S. 68ff.; Arnold u. a., 2008, S. 191ff. und S. 406f.
1.2 Stationen der Auftragsabwicklung
Auftragsabwicklungsaufgaben
75
Andere Logistik-Subsysteme
Übermittlung
Aufbereitung
Lagerhaltung
Umsetzung
Zusammenstellung
Lagerhaus
Versand
Transport
Fakturierung
Abb. B.2
Der Weg der Auftragsinformation bei der Auftragsabwicklung und die Verbindung zu den übrigen Subsystemen der Logistik (Quelle: In enger Anlehnung an Türks, 1972, S. 69)
ders gelöst werden, das vor allem dann vordringlich wird, wenn die Auftragsbearbeitung nicht mehr manuell, sondern durch den Einsatz von elektronischer Datenverarbeitung erfolgt. Eine klassische Methode zur Kontrolle der Auftragserstellung ist der Einsatz von Außendienstmitarbeitern, die selbst beim Kunden ein vorgedrucktes Auftragsformular ausfüllen. Es besteht auch die Möglichkeit, dem Kunden Auftragsformulare, auf denen alle Artikel schon vorgedruckt sind (Ordersätze) und in die nur noch die gewünschte Menge eingesetzt werden muss, mit der Bitte um ausschließliche Verwendung zur Verfügung zu stellen. Wird dem Kunden gestattet, seine eigenen Auftragsformulare zu gebrauchen, so muss der Lieferant die Auftragsinformation nach Erhalt des Auftrags noch aufbereiten. Das verursacht zusätzliche Kosten und birgt zusätzliche Fehlerquellen in sich. Kostenerwägungen und die Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Entstehens von Fehlern, die der Auftragsbearbeitung angelastet werden können sprechen dafür, die Verantwortung für das Ausfüllen des Auftragsformulars, das während der Auftragsbearbeitung benutzt wird, soweit wie möglich dem Kunden zu überlassen. Hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass dem Kunden das Erteilen eines Auftrages möglichst erleichtert werden soll und der Lieferant unter Lieferservicegesichtspunkten flexibel auf die diesbezüglichen Kundenwünsche einzugehen hat.
76
B.1
Auftragsabwicklung
Um den hohen Kundenanforderungen hinsichtlich der Verfügbarkeit der bestellten Waren, kurzer Lieferzeiten (die oft von der Auftragsbearbeitungszeit maßgeblich abhängen) und Informationen über den Stand der Auftragsbearbeitung (sog. Statusinformationen) bis zur automatisierten Avisierung von Lieferterminen gerecht zu werden,12 wird bei der Auftragsabwicklung die elektronische Datenverarbeitung eingesetzt. So können lange Auftragsübermittlungszeiten und hohe Kosten verursachende Fehler bei der Auftragserstellung und -übermittlung durch moderne Systeme der Auftragsdatenerfassung vermieden werden.13 Es ist möglich, die Auftragsdaten vom Lieferpunkt direkt in den Computer am Empfangspunkt einzuspielen. Die richtige Wahl der Übermittlungsart für den Auftrag kann nur getroffen werden, wenn die Auswirkungen auf die gesamte Lieferzeit berücksichtigt werden. Höhere Kosten infolge einer schnelleren Auftragsübermittlung können durch die Vorteile einer kürzeren Lieferzeit mehr als kompensiert werden. Außerdem muss bei der Wahl der Übermittlungsart darauf geachtet werden, dass sie nicht die Ursache für stoßweise übermittelte Aufträge werden. Es ist danach zu streben, das Logistiksystem möglichst gleichmäßig auszulasten und deshalb Faktoren, die eine Anhäufung von Aufträgen zu bestimmten Zeitpunkten verursachen, soweit wie möglich auszuschalten. Aufbereitung und Umsetzung Die Auftragsübermittlung erfolgt an eine Auftragsempfangsstelle des Unternehmens, die die Aufträge für die Weiterverarbeitung im Unternehmen aufbereitet. Durch diese Aufbereitung wird der Auftrag den unternehmensinternen Anforderungen angepasst. Hierzu gehört zunächst, dass der Auftrag um möglicherweise noch fehlende Informationen ergänzt wird. Außerdem muss der Auftrag im Hinblick auf Preiskonditionen, Liefermodalitäten und die Bonität des Kunden überprüft werden. Schließlich ist der Auftrag in das Logistiksystem einzuplanen. Voraussetzung hierfür ist die Verfügbarkeit des gewünschten Produktes im Lager. Es zeigt sich also, dass von der Aufbereitung des Auftrags ein Informationsfluss zum Bestandsmanagement (Lagerhaltung) geht. Die Auftragsabwicklung kann hierbei Maßnahmen im Bereich der Bestandsdisposition oder der Produktionsplanung in Gang setzen, falls die gewünschten Güter nicht auf Lager sind. Im Anschluss an die Aufbereitung der Aufträge erfolgt entweder manuell, mechanisch oder elektronisch in der Regel eine Umsetzung (ein Umschreiben) der Aufträge in Auftragsbestätigungen und in interne Bearbeitungspapiere, wie etwa die Lieferanzeige für die Abfertigung des Auftrags im Lager einschließlich aller Versandpapiere.14 Durch die zunehmende EDV-Integration wird die Umsetzung
12 13 14
Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 170f. Vgl. Pfohl, 1997, S. 5ff.; Stock/Lambert, 2001, S. 149ff. Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 149ff.
1.2
Auftragsabwicklungsaufgaben
77
jedoch automatisiert und der Informationsfluss kann dementsprechend papierlos erfolgen. Zusammenstellung und Versand Aufgrund der aufbereiteten und umgesetzten Aufträge erfolgen die Zusammenstellung (Kommissionierung) der Güter im Lager und der Versand. Hierbei fallen weitere Informationsverarbeitungsaufgaben an. So müssen die Lagerpapiere aufgrund ihres Inhalts (z. B. Auftragsgröße, Eilauftrag, gemeinsam auszuliefernde Aufträge) und aufgrund der Organisation der Kommissionierung disponiert werden. Nach der Kommissionierung werden die Papiere unter Umständen mit Daten über Gewicht, Positionsart, Verpackung und Bereitstellungstermin ergänzt. Die Auftragsabwicklung liefert in dieser Phase Informationen für das Lagerhaus und die Lagerhaltung, beispielsweise für die Steuerung von Lagerbediengeräten oder für die Lagerbuchhaltung. Nach der Zusammenstellung erfolgt die Fertigstellung der Versandpapiere, die gegebenenfalls mit Fracht-, Transport- und Zeitdaten ergänzt werden müssen. Bestehen Wahlmöglichkeiten, so erfolgt in dieser Phase die Festlegung des optimalen Transportmittels und Transportweges für die Auslieferung der Güter. Enge Informationsbeziehungen bestehen also zum Transportwesen, denn die Verladung und der Transport der Güter werden durch die Informationsverarbeitung in dieser Phase ausgelöst. Fakturierung Die Fakturierung (Rechnungslegung) der Aufträge kann nach der Versanddisposition oder vor bzw. auch parallel zu den Phasen der Zusammenstellung und des Versandes erfolgen. Im ersten Fall spricht man von Nachfakturierung, im zweiten Fall von Vorfakturierung. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen beiden Arten der Fakturierung ist, dass bei der Vorfakturierung die Rechnung schon in der Phase der Aufbereitung und Umsetzung erstellt wird, also bevor die Güter physisch kommissioniert werden. Bei der Nachfakturierung dagegen muss der Vorgang der Kommissionierung abgeschlossen sein, bevor die Rechnung erstellt wird. Das Vorfakturieren basiert auf der Überlegung, dass alle Schreibarbeiten soweit wie möglich in einer Phase erledigt werden, so dass weitere Schreibarbeiten möglichst überflüssig sind. Vorausgesetzt wird hierbei, dass entweder stets genügend hohe Lagerbestände vorhanden sind oder dass eine stets aktuelle Bestandsfortschreibung existiert, die über die disponiblen Bestände Auskunft gibt. Außerdem darf der Zeitbedarf für die Erledigung dieser Schreibarbeiten nicht zu groß sein, da sonst die Kommissionierung zu lange verzögert wird. Dies würde aber der Forderung widersprechen, dass die Aufträge möglichst kontinuierlich und schnell in das Lager fließen sollen. Das Nachfakturieren stellt diese Gedanken des schnellen Informationsflusses in das Lager und den Kommissionierungsakt in den Vordergrund. Soll die Rechnung zusammen mit den Gütern verschickt werden, so muss allerdings dafür Sorge ge-
78
B.1
Auftragsabwicklung
tragen werden, dass die Rechnungserstellung schnell vonstatten geht. Denn sonst geht möglicherweise der mit dem Nachfakturieren erstrebte zeitliche Vorteil wieder verloren. Wird die Rechnung extra geschickt, so entstehen zusätzlich Portokosten, die bei einer großen Anzahl von Aufträgen nicht vernachlässigbar sind. Die grundsätzlichen Überlegungen zur Vor- und Nachfakturierung können selbstverständlich auch auf die anderen Auftragsbearbeitungsaktivitäten übertragen werden. So besteht grundsätzlich die Möglichkeit, möglichst wenig Vorarbeiten vor der Kommissionierung zu machen, um die Aufträge ohne große Verzögerungen in das Lager laufen zu lassen. Die andere Möglichkeit besteht eben darin, möglichst alle Schreibarbeiten in einem Vorgang vor der Kommissionierung zu erledigen.
1.3
Formen der Auftragsabwicklung
Verschiedene Formen oder Systeme der Auftragsabwicklung lassen sich danach unterscheiden, welche Instrumente zur Bewältigung des Formular- oder Belegflusses eingesetzt werden. Angestrebt werden bei allen Auftragsabwicklungsformen die Vermeidung von Handarbeit beim Schreiben, die einmalige Durchführung gleicher Informationsverarbeitungsaktivitäten und ein schneller Informationsfluss zu den Stellen, an denen der Güterfluss ausgelöst wird. Manuelle Formen Vor der Einführung elektronischer Datenverarbeitung wurden die manuellen Formen der Auftragsabwicklung optimiert. Hierbei ging es vor allem darum, den Schreibaufwand und den Aufwand für die Umsetzung des Auftrages so gering wie möglich zu halten und die im Auftrag vorhandenen Informationen für die weitere Verwendung in der Produktion, im Lager und beim Transport möglichst in einem Arbeitsgang vorzubereiten. Bedingt durch den einfachen Zugang zu elektronischen Datenverarbeitungssystemen und der Notwendigkeit, immer kürzere Lieferzeiten zu realisieren, sind allerdings mittlerweile fast ausschließlich maschinelle Formen der Auftragsabwicklung im Einsatz. Maschinelle Formen Die Auftragsabwicklung bietet sich für den Einsatz elektronischer Datenverarbeitung an, weil sie im Allgemeinen aus einer Vielzahl routinemäßiger, zeitraubender Tätigkeiten besteht und die dem Auftragsformular zu entnehmenden Informationen in vielfältiger Weise ausgewertet werden müssen (z. B. Anfertigen einer Artikelumsatzstatistik oder Lieferantenumsatzstatistik). Der Umfang der EDV-Unterstützung ist in der Regel geringer, wenn der Umsatz niedrig oder die Anzahl der Aufträge bzw. Artikel gering sind. Außerdem ist die EDVUnterstützung weniger umfangreich, wenn die Auftragsbearbeitung sehr flexibel sein muss, weil bei der Bearbeitung der Aufträge viele Ausnahmen gemacht wer-
1.3
Formen der Auftragsabwicklung
79
den müssen. Prinzipiell können jedoch alle in Abb. B.3 aufgeführten Entscheidungs-, Prüfungs-, Schreib- und Übermittlungsaufgaben von Systemen der elektronischen Datenverarbeitung übernommen werden. Abhängig von der Phase der Auftragsabwicklung, in der elektronische Datenverarbeitung eingesetzt wird, lassen sich einstufige und mehrstufige Formen unterscheiden. Eine weitere Möglichkeit der Unterscheidung der maschinellen Formen der Auftragsabwicklung setzt an der Art der Informationsverarbeitung an. Demzufolge wird zwischen Stapelbetrieb (Batch Processing) und Echtzeitbetrieb (Real Time Processing) unterschieden. Verschiedene Ansatzpunkte zum Einsatz elektronischer Datenverarbeitung existieren in den Phasen Auftragsumsetzung und Fakturierung. Bei einstufigen Formen der Auftragsabwicklung wird die elektronische Datenverarbeitung lediglich in einer dieser Phasen eingesetzt. Bei mehrstufigen Formen erfolgt der Einsatz in beiden Phasen und möglicherweise zusätzlich in weiteren Phasen. Die Beschränkung auf ein einstufiges System mit einer maschinellen Auftragsumsetzung bietet sich z. B. für Unternehmen an, die für die Fakturierung die Dienstleistungen einer Factoring-Bank in Anspruch nehmen oder Kontraktabrechnungen durchführen, so dass die Rechnungsstellung selten erfolgt, während Aufträge häufig über Abruf abgewickelt werden. Ein einstufiges System mit maschineller Fakturierung ist beispielsweise in Unternehmen von Vorteil, die aufgrund des Lagersortiments in der Lage sind, mit dem manuellen Lagersatzverfahren zu arbeiten. Mehrstufige Systeme sind vor allem dann von Vorteil, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:15 x x x x x x x x
Umgehende Ausgabe von Auftragsbestätigungen, Vorprüfung des verfügbaren Warenbestandes, umfassende Prüfung der Bonität, umfassende Ausrechnung von Auftragskonditionen, kontinuierliche Kontrolle des Auftragsbestandes, sichere Kontrolle unfakturierter Lieferungen, gleich hoher Auftrags- und Rechnungsdurchsatz, ungeeignet für Factoring.
Beim Einsatz mehrstufiger maschineller Formen der Auftragsabwicklung stellt sich insbesondere die Frage, ob die Daten im Stapel- oder Dialogbetrieb verarbeitet werden sollen bzw. müssen. Wird die elektronische Datenverarbeitung im Stapelbetrieb eingesetzt, so werden die Aufträge für einen bestimmten Zeitraum (z. B. für einen Tag) gespeichert und das in der Warteschlange angesammelte Auftragsvolumen wird in einem Stoß (z. B. in der Nacht) verarbeitet. Das Ansammeln der Aufträge kann sowohl beim Auftragssachbearbeiter als auch im Computer selbst erfolgen.
15
Vgl. Türks, 1972, S. 78.
Abb. B.3
Terminplanung für Abfertigung des Auftrags im Lager und den Transport
Ja
Tätigkeiten währen der Auftragsabwicklung
Lagerbestandsdisposition
Anweisung zur Auslieferung
Erstellen und Senden der Rechnung an Kunden
Bonität des Kunden?
Nein
Entscheidungen
Senden der Auftragsbestätigung an Kunden
Weiterleiten von Informationen an Lagerbestandsdisposition
Nein
Erstellen der Auftragsbestätigung, Weiterleiten von Informationen an die Auftragsabwicklung
Ja
Produkt auf Lager?
Erstellen der Lieferanzeige einschließlich aller Versandpapiere
Auftragsauswertung
Bestimmung des Auslieferungslagers
Ja
Nein
Ja
Produkt in Planung?
Nein
Auftrag kann nicht erfüllt werden
Auftrag rechtzeitig ausführbar?
Ja
Produkt in einem anderen Lager?
Nein
B.1
Auftragskontrolle
Auftragseingang
80 Auftragsabwicklung
Flussdiagramm der Auftragsabwicklung für den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung
1.3
Formen der Auftragsabwicklung
81
Beim Echtzeitbetrieb ist der Computer ständig für die Übernahme von Auftragsabwicklungsarbeiten bereit, so dass die Aufträge ohne den Aufbau einer Warteschlange kontinuierlich abgewickelt werden können. Die Informationsverarbeitung im Stapelbetrieb ist im Allgemeinen kostengünstiger, aber wesentlich weniger leistungsfähig. Sie hat den großen Nachteil geringerer Flexibilität, weil Eilaufträge nicht direkt bearbeitet werden können und geringerer Auskunftsbereitschaft aufgrund einer verzögerten Auftragsbearbeitung. Diese Diskrepanz zwischen dem Stand der Daten und dem realen Zustand erfordert zusätzliche Hilfsdateien, die neben der eigentlichen Auftragsabwicklung geführt werden müssen. Dagegen hat die Informationsverarbeitung im Echtzeitbetrieb den Vorteil extrem kurzer Bearbeitungszeiten und großer Flexibilität. Die Auskunftsbereitschaft ist bei dieser Form der maschinellen Auftragsabwicklung jederzeit gegeben. Warenwirtschaftssysteme In Handelsunternehmen kommen heute geschlossene Warenwirtschaftssysteme zum Einsatz. Sie basieren auf einer kurzfristigen, artikelgenauen (artikelspezifischen) Erfassung aller Wareneingangs- und aller Warenausgangsdaten. Sie weisen eine aus vier Modulen bestehende Grundstruktur auf, die in Abb. B.4 dargestellt ist.16 Durch Warenwirtschaftssysteme gelingt es, die warenbegleitenden Informationsflüsse darzustellen und im gesamten Unternehmen die notwendigen Informationen bereitzustellen. Warenwirtschaftssysteme werden als geschlossen bezeichnet, weil die im System befindlichen Artikel durch alle Phasen des Informationsflusses geführt werden, ohne dass im Grenzfall manuell eingegriffen werden muss. Die Voraussetzung für den ökonomischen Einsatz geschlossener Warenwirtschaftssysteme wird durch die Entwicklung moderner Informationsverarbeitungs- und Kommunikationstechnologien geschaffen. Hier können vier Entwicklungsbereiche unterschieden werden.17 Durch Geräte zur mobilen Datenerfassung (MDE) können Daten mit Hilfe tragbarer Erfassungsgeräte direkt in EDV-gerechter Form erfasst und per Funk an die EDV-Systeme übertragen werden. Mobile Datenerfassung wird vorrangig in zwei Aufgabenkomplexen eingesetzt. Im Rahmen der Inventur werden die Warenbestandsdaten erfasst und direkt vom Erfassungsgerät in die EDV eingespielt. Im Rahmen der Abwicklung von Bestellungen werden die Bestelldaten dezentral, z. B. am Regal, in das Erfassungsgerät eingegeben und anschließend über eine Datenleitung und eine Schnittstelle in den Systemen des Lieferanten an den Lieferanten übermittelt. Dort können die Daten direkt in die laufende Planung einbezogen und ohne Medienbruch weiter verarbeitet werden.18 16 17 18
Vgl. Hertel, 1999, S. 3. Vgl. Pfohl, 1997, S. 27ff.; Diruf, 1998, S. 189ff. Vgl. Straube, 2004, S. 155ff.
82
B.1
Auftragsabwicklung
• Artikelspezifische Wareneingangserfassung Wareneingang
- Abgleich der Bestellung - Bewertung und Lagerbestandsführung
• Rechnungskontrolle • Auszeichnung der Ware (Druck von Etiketten) Warenausgang
• Artikelspezifische Warenausgangserfassung (durch Datenkassen) • Warenbestandsverbuchung
Disposition und Bestellwesen
• Ermittlung von Dispositionshilfen und Bestellvorschlägen • Bestellschreibung und Bestellüberwachung
Marketing- und Managementinformationen
• Erstellen von Bestandslisten • Erstellen von Rennlisten, Aktionslisten u. ä.
Abb. B.4
Modularer Aufbau von Warenwirtschaftssystemen
Eine weitere Reduktion manueller Eingriffe und Vermeidung von Erfassungsfehlern ist durch eine besondere Form der Datenerfassung, das so genannte Scanning, möglich. Unter Scanning versteht man die automatische, kontaktfreie Erfassung von Warendaten durch ein Lesegerät mit Hilfe von Laser- oder Funktechnologie. Voraussetzung dafür ist die eindeutige Identifikation der Ware mittels spezieller Tags. Diese Tags bestehen entweder aus Zifferncodes oder Barcodes, die durch einen Laser erfasst und identifiziert oder aus einem elektronischen Datenträger und einem Transponder, die über Funk angesprochen und ausgelesen werden können. Bei der Lasertechnologie werden Codes in Klarschrift (OCR-Code) und in Balkenform (z. B. EAN, UPC) unterschieden.19 Im europäischen Einzelhandel werden beispielsweise als de Facto Standard EAN und Scannerkassen zur kontinuierlichen Erfassung des Warenausgangs eingesetzt. Neben solchen einfachen und begrenzten eindimensionalen Barcodes wie beispielsweise EAN existieren auch neuere zwei- und dreidimensionale Varianten, die eine höhere Speicherkapazität besitzen und somit z. B. ganze Lieferscheine codieren können.20 Noch mächtiger sind so genannte RFID-Tags, die eine Identifikation über Funk ermöglichen.21 RFID ist als Technologie kostenintensiver als der Einsatz von Barcodes. Sie bietet aber gerade für hochwertige und komplexe Güter und Maschinen neben lesenden Zugriffen zur reinen Identifikation auch die Möglichkeit schreibender Zugriffe, um z. B. Gebrauchsanweisungen, Reparaturprotokolle und anderes direkt im Gut abzulegen.22 Zur schnellen Übermittlung erfasster Daten zwischen verschiedenen Niederlassungen eines Unternehmens oder unternehmensübergreifend von Kunden bzw. zu 19
20 21 22
OCR: Optical Character Recognition, EAN: Europäische Artikelnummer, UPC: Universal Product Code. Vgl. Gleißner/Femerling, 2008, 209ff. RFID: Radio Frequency Identification. Vgl. Finkenzeller, 2002, S. 2ff.
1.3
Formen der Auftragsabwicklung
83
Lieferanten spielt das Internet eine zentrale Rolle. Der weltweite Zugang und die niedrigen Kosten ermöglichen eine nahezu verzögerungsfreie und schnelle Informationsübertragung zwischen beliebigen Orten sowie eine bidirektionale Kommunikation zwischen Geschäftspartnern z. B. zur Vereinbarung von Konditionen, Lieferterminen oder Verfügbarkeitsabfragen. Auf diese Weise können gerade häufig eingesetzte und standardisierte Güter und Rohstoffe automatisch geordert und zwischen Handelsunternehmen bzw. zwischen Handels- und Industrieunternehmen vertrieben werden. Durch den hohen Verbreitungsgrad des Internets im privaten Umfeld spielt diese Kommunikationsmöglichkeit heute auch eine größer werdende Rolle in der Kommunikation mit und im Vertrieb zu den Konsumenten. Für die Auftragsabwicklung bedeuten die neuen Kommunikationsmöglichkeiten, dass eine manuelle Auftragsbearbeitung weitgehend entfallen kann. Den vierten Entwicklungsbereich stellen computergestützte Kassensysteme dar. Aufgrund der Entwicklung in der Mikroelektronik sind moderne Kassensysteme direkt mit den Warenwirtschaftssystemen der Unternehmen vernetzt und erfassen über Scanner sowie elektronische Waagen die verkauften Artikel automatisch. Darüber hinaus ermöglichen diese Kassen auch die Zahlung über angeschlossene Kartenlesegeräte und die anschließende Abwicklung der Zahlung in den Buchungssystemen. Umgekehrt beziehen die Kassensysteme Informationen zu den erfassten Artikeln direkt aus den zentralen Systemen, so dass alle Kassen stets über die gleichen Artikeldaten und auch Informationen zu aktuellen Angeboten verfügen. Solche vernetzten Warenwirtschaftssysteme ermöglichen Handelsketten einen umfassenden Überblick über die Warenbewegungen im gesamten Unternehmen.23 Mit Hilfe von EDI24 und des Internets vernetzen sich Handelsunternehmen mit bestimmten Benutzergruppen und bilden große Netzwerke mit mehreren tausend Unternehmen. Die automatische artikelgenaue Erfassung der Abverkäufe am Point of Sale (POS) und die Kommunikation dieser Verkaufsdaten schafft in diesen Netzwerken die Grundlage für Bestellsysteme mit hoher Reaktionsfähigkeit, so genannte Quick-Response-Systeme. Darüber hinaus ist es durch solche Warenwirtschaftssysteme mit artikelgenauer Erfassung in allen Bewegungsprozessen und Anbindung aller bei der Distribution beteiligten Unternehmen möglich, eine umfangreiche Sendungsverfolgung zur Verfügung zu stellen. Eine solche Sendungsverfolgung wird auch als Tracking & Tracing bezeichnet. Dabei ist es bspw. einem Kunden möglich, nach einer Bestellung alle Bewegungen der bestellten Güter in einem Webfrontend zu verfolgen und diese Informationen in seine eigene Planung einzubeziehen. Neben der Vernetzung der Handelsunternehmen und der Anbindung der Lieferanten und Endverbraucher ist die Integration von Banken, Logistikdienstleistern und Marktforschungsinstituten in die komplexen warenwirtschaftlichen Informationsflüsse Ziel einer auf die Optimierung des Gesamtsystems ausgerichteten Per23 24
Zur Verbreitung von Warenwirtschaftssystemen vgl. Seifert/Dyrbusch, 2000, S. 72f. EDI: Electronic Data Interchange.
84
B.1
Auftragsabwicklung
spektive. 25 Für solche integrierten Warenwirtschaftssysteme spielt die Verknüpfung oder Kopplung verschiedener Informationssysteme eine große Rolle.
1.4
Verknüpfung logistischer Informationssysteme
Die bisherige Darstellung der Funktionen, Aufgaben und Formen der Auftragsabwicklung zeigt, dass verschiedene logistische Subsysteme informationstechnisch miteinander verknüpft werden müssen. Das Verknüpfungsproblem stellt sich hier sowohl auf intraorganisatorischer Ebene, z. B. bei der Verknüpfung der verschiedenen Phasen der Auftragsabwicklung oder bei der Verknüpfung der Auftragsabwicklung mit dem Lagerhaus, als auch auf interorganisatorischer Ebene, z. B. bei der Verknüpfung des internen Auftragsabwicklungssystems mit dem Auftragsabwicklungssystem einer Spedition, des Lieferanten oder des Kunden. Beim Problem der Verknüpfung logistischer Informationssysteme geht es mit anderen Worten um die Gestaltung der Schnittstellen (Interfaces) zwischen solchen Systemen. Dieses Problem ist sehr schwer zu lösen, weil die einzelnen logistischen Subsysteme sehr unterschiedlich ausgeprägt sind und verschiedene Formate zur Datenverarbeitung nutzen. Sie sind zudem häufig enger mit anderen Funktionsbereichen des Unternehmens wie Kostenrechnung, Buchhaltung oder Produktion verknüpft als untereinander. In vielen Fällen sind die einzelnen Informationssysteme historisch gewachsen und haben sich zu voneinander unabhängigen Insellösungen entwickelt. Ziel sollte es aber sein, alle Informationssysteme in einem Datenverbund bzw. mit einer Datenbank zu betreiben, so dass die beteiligten logistischen Systeme auf dieselben Daten zurückgreifen. Außerdem sollten das besonders personalintensive und fehleranfällige erneute Erfassen von Daten an Schnittstellen sowie Datenbrüche im Allgemeinen vermieden werden. Dies kann durch den Einsatz integrierter Anwendungen erreicht werden, wie z. B. zwischenbetrieblicher Buchungs- und Reservierungssysteme oder durch die Verwendung standardisierter Schnittstellen zwischen zwei oder mehr unterschiedlichen Systemen. Ein durchgängiger, automatischer und elektronischer Datenaustausch kann dabei direkt z. B. mittels EDI zwischen den Systemen zweier Geschäftspartner oder indirekt über die Systeme einer Clearingstelle erfolgen. Clearingstellen übernehmen die Speicherung, Verarbeitung, Konvertierung und Zustellung von Daten sowie zum Teil auch administrative Aufgaben, wie etwa die Frachtabrechnung. Angeschlossene Unternehmen stellen ihre Nachrichten z. B. in ihre Mailboxen ein, aus denen sie gelesen und an den Empfänger in dessen Mailbox übermittelt werden. Manuelle Formen des Geschäftsdatenaustausches verlieren durch die rasante Entwicklung des Internets immer mehr an Bedeutung. Die rein analogen Formen nutzen die Kommunikationsmittel Brief und Telefax. Darüber hinaus gibt es weitere manuelle Formen, wie z. B. den physischen Versand digitaler Daten auf CD
25
Vgl. den Trend zu integrierten Informationsnetzwerken bei Zentes, 1994, S. 113ff.
1.4
Verknüpfung logistischer Informationssysteme
Lieferant
Produzent
Abnehmer
Lieferant
Produzent
Abnehmer
IT-System / Datenbank
Abb. B.5
85
Informationsfluss / Kopplung
Kopplungsmöglichkeiten zwischen den Informationssystemen verschiedener Akteure in einer Lieferkette.
oder USB-Stick bzw. als elektronisch lesbare Klarschriftbelege oder Barcodes sowie den elektronischen Versand digitaler Daten im Anhang einer E-Mail. Einige grundsätzliche Kopplungsmöglichkeiten logistischer Informationssysteme sind in Abb. B.5 dargestellt. Beispielhaft werden die Informationssysteme eines Lieferanten und eines Abnehmers mit den Systemen eines produzierenden Unternehmens in einer Lieferkette schematisch abgebildet. Die dargestellten Kopplungsmöglichkeiten gelten aber prinzipiell für alle Informationssysteme. Die Unternehmen nutzen entweder Schnittstellen zwischen aufeinander folgenden Systemen zum Datenaustausch – oberer Teil der Abbildung – oder eine gemeinsame Datenquelle, die z. B. auch durch einen unabhängigen Anbieter bereit gestellt werden kann – unterer Teil der Abbildung. Durch die Entwicklung des Internets haben gleichzeitig neue Kommunikationsmöglichkeiten sowohl im Bereich Business-to-Business als auch im Bereich Business-to-Consumer an Bedeutung gewonnen. Hierdurch lassen sich viele Kommunikationsprozesse mit Kunden und Lieferanten kostengünstiger als bisher automatisieren. Allerdings wird durch das Internet das Problem einheitlicher Datenstandards an den Schnittstellen nicht automatisch beseitigt. Ähnlich wie bei der
86
B.1
Auftragsabwicklung
EDI-Kommunikation müssen die Daten verschiedener Marktteilnehmer im gleichen Standard dargestellt oder übersetzt werden.26 Die grundsätzlichen Probleme, die beim Aufbau eines Datenverbundes gelöst werden müssen, lassen sich in folgender Weise zusammenfassen: x Durch den Datenverbund sollen Informationen, die dem Güterfluss vorauseilen, ihn begleiten oder ihm nacheilen, schneller an den entsprechenden Empfänger übermittelt werden können. x Im Datenverbund müssen Daten und Dokumente in einheitlichen Standards vorliegen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass viele logistische Subsysteme dieselben Informationen benötigen, wurde auf verschiedenen Ebenen das Problem der Standardisierung von Datensätzen und Dokumenten in Angriff genommen.27 Auf internationaler Ebene hat die International Standardization Organisation (ISO) mit EDIFACT28 einen branchenunabhängigen internationalen Standard für Handelsdaten definiert. Im Juli 1993 wurde in Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der deutschen Wirtschaft innerhalb des deutschen DIN29 die deutsche EDI-Gesellschaft (DEDIG) zur Förderung und Unterstützung des EDIFACT-Standards gegründet. Für den Bereich Spedition und Transport ist die EDIFACT Transport Message Group, eine spezielle Arbeitsgruppe innerhalb des westeuropäischen EDIFACT-Boards, zuständig. Sie hat einen Rahmen für die Nachrichtentypen Buchungsanfrage, Buchung, Buchungsbestätigung, Auftrag, Auftragsbestätigung und Avis geschaffen. Davon ausgehend hat der Bundesverband Spedition und Lagerei zusammen mit dem Zentralverband der Spediteure einen Leitfaden „Elektronischer Speditionsauftrag“ herausgegeben, um die Informationsinhalte entlang der Logistikkette zu standardisieren, was bisher nur in sehr geringem Ausmaß geschehen ist. x Das Streben nach Standardisierung hat dort seine Grenzen, wo unterschiedliche Informationsbedürfnisse in den Logistiksystemen existieren. Beispielsweise sind Angaben über die Größe der Transportmittel oder über die Bedingungen des Be- und Entladens beim Empfänger nur im Informationssystem für den Transport von Bedeutung. Des Weiteren müssen für verschiedene Managementebenen die Daten in unterschiedlicher Aggregationsform vorliegen. x Bei der interorganisatorischen Verknüpfung von Logistiksystemen sind Probleme der Datensicherheit (Schutz gegen Verlust, Zerstörung und Verfälschung), des Datenschutzes (Schutz gegen unberechtigten Zugriff) sowie der Haftung beim Datenaustausch zu lösen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Notwendigkeit der Neutralität der Informationsverarbeitung hinzuweisen. x Die Verknüpfung der Informationssysteme ist umso leichter zu realisieren, je früher in der Planung, Programmierung und Konfiguration der Hardware und 26 27 28 29
Vgl. Pfohl/Koldau, 1999, S. 36 ff. Vgl. Seidelmann, 1997, S. 106ff. EDIFACT: Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport. DIN: Deutsches Institut für Normung.
2.1
Definition und Funktionen der Lagerhaltung
87
Software Standards und Schnittstellen für den elektronischen Datenaustausch berücksichtigt werden. x Die DV-Unterstützung besitzt über die Anforderungen zum Datenaustausch hinaus große Bedeutung für die Koordination aller notwendigen Tätigkeiten, die zur Erfüllung des Auftrags bzw. der Aufträge notwendig sind. WorkflowManagement-Systeme oder Business-Performance-Management-Systeme sind nur zwei Beispiele mit großen Potentialen für Unternehmen.30 x Hinsichtlich der intraorganisatorischen Verknüpfung sind mittlerweile integrierte betriebliche Softwarelösungen weit verbreitet. In Deutschland und Europa stellt SAP R/3 bzw. die neuere Architektur mit SAP ERP de facto den Standard dar. Diese Programme versuchen, alle betrieblichen Vorgänge abzubilden. Sie beinhalten Lösungen für die einzelnen phasen- und verrichtungsspezifischen betrieblichen Subsysteme und verbinden diese miteinander, so dass in allen Bereichen einheitliche Informationen vorliegen. Eines der intraorganisatorischen Logistiksysteme, zu denen das System der Auftragsabwicklung eine enge Verknüpfung haben muss, ist das im folgenden Abschnitt dargestellte System der Lagerhaltung, das teilweise auch als Bestandsmanagementsystem bezeichnet wird.
2
Lagerhaltung (Lagerbestände)
2.1
Definition und Funktionen der Lagerhaltung
Definition Lagerhaltung befasst sich mit allen Entscheidungstatbeständen, die einen Einfluss auf die Lagerbestände haben, weshalb man auch von Bestandsmanagement spricht. Lagerbestände sind Puffer zwischen Input- und Output-Flüssen von Gütern. Diese Puffer entstehen, sobald sich die zeitliche und quantitative Struktur der Input-Flüsse von der der Output-Flüsse unterscheidet. Solche Puffer können infolge der unterschiedlichen Struktur der Input- und Output-Flüsse an den unterschiedlichsten Stellen im Absatzkanal entstehen, wie in Abb. B.6 ersichtlich ist. Nur durch die vollständige Synchronisation der Input- und Output-Flüsse können Lagerbestände überflüssig gemacht werden. Dies wird aber lediglich in Einzelfällen gelingen. Allerdings darf die Definition der Lagerhaltung als Puffer nicht zu einem statischen Denken führen, das die Existenz derartiger Puffer grundsätzlich nicht in Frage stellt. Ausgehend vom logistischen Systemdenken lassen sich
30
Vgl. Oehler, 2006, 32ff.
88
B.2
Lagerhaltung (Lagerbestände)
Beschaffungslager (Eingangslager, Vorratslager)
Produktionslager (Zwischenlager)
Distributionslager (Absatzlager)
Beschaffungs-/ Distributionslager
Recyclinglager
Konsumentenlager
Haushalte
Abb. B.6
Beschaffungs-/ Distributionslager im Einzelhandel
Logistikunternehmen
Handels- oder Industrieunternehmen
Industrieunternehmen
Beschaffungs-/ Distributionslager im Großhandel
Handelsunternehmen
Lagerbestände beim Güterfluss durch den Absatzkanal
Lagerbestände auch als teilweise unerwünschte Unterbrechungen des Güterflusses definieren. Damit sind aber schon die Funktionen der Lagerhaltung angesprochen. Funktionen Die Funktionen der Lagerhaltung zeigen, warum Lagerbestände gehalten werden. Die im Folgenden zusammengestellten Funktionen der Lagerhaltung31 belegen den Nutzen, der mit Lagerbeständen verbunden sein kann. Lagerbestände sind erforderlich, wenn ein Unternehmen Größendegressionseffekte beim Einkauf, beim Transport oder bei der Produktion von Gütern ausnutzen möchte. Beschaffungslager können dadurch entstehen, dass ein Unternehmen Mengenrabatte beim Lieferanten oder günstigere Transportkonditionen beim Spediteur erzielen will. In ähnlicher Weise kann der Aufbau von Lagerbeständen in Distributionslagern dazu dienen, günstigere Transportkonditionen für größere Transportmengen zu erzielen. Lagerbestände in Distributionslagern können ebenfalls wie Lagerbestände in Produktionslagern den Zweck haben, die Produktionsstückkosten durch größere Produktionslose zu senken. Höhere Lagerbestandskosten nimmt man in diesem Fall in Kauf, weil in der Produktion geringere Rüstkosten anfallen.32
31 32
Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 228ff.; Stölzle/Heusler/Karrer, 2004, 13ff. Siehe Abb. A.12 in Kap. A, Abschn. 2.3.
2.1
Definition und Funktionen der Lagerhaltung
89
Eine weitere Funktion von Lagerbeständen ist der Ausgleich des Auseinanderklaffens von Angebot und Nachfrage. Ein Beispiel hierfür ist die saisonale Nachfrage nach bestimmten Konsumgütern zur Weihnachtszeit. Der Aufbau von Lagerbeständen dient in diesem Fall in Distributions- wie auch in Produktionslagern dazu, die Produktionskapazitäten trotz saisonaler Nachfragen kontinuierlich auszulasten. Bei landwirtschaftlichen Gütern findet sich andererseits häufig ein saisonales Angebot. Um die Güter kontinuierlich während des Jahres absetzen zu können, müssen dann Lagerbestände in Distributions- oder Produktionslagern aufgebaut werden. Lagerbestände erleichtern im Allgemeinen auch die Spezialisierung der Produktion in verschiedenen Werken eines Unternehmens bzw. die Arbeitsteilung in einer Volkswirtschaft oder in der Weltwirtschaft überhaupt. Die Spezialisierung der Produktion, beispielsweise in verschiedenen Werken eines Unternehmens, auf bestimmte Teile senkt die Produktionskosten. Wenn keine einsatzsynchrone Anlieferung der Teile an das Montagewerk möglich ist, so ist diese Spezialisierung nur durch Inkaufnahme höherer Lagerbestände möglich. Lagerbestände dienen auch der Spekulation. So werden sowohl in Beschaffungs- als auch in Distributionslagern Lagerbestände aufgebaut, wenn man einen Anstieg der Preise für diese Güter erwartet. Das beschaffende Unternehmen möchte sich in diesem Fall noch mit Gütern zum gegenwärtig niedrigeren Preis versorgen. Der Lieferant spekuliert unter Umständen darauf, dass die Verknappung des Angebots die Preise noch höher treiben wird, so dass er die Bestände in seinem Lager hält. Spekulationen, die zu Lagerbeständen führen, beziehen sich nicht immer auf den Preis. Ganz allgemein entstehen Lagerbestände infolge von Spekulationen bezüglich der Knappheit von Gütern. Lagerbestände können so z. B. auch aus der Erwartung resultieren, dass ein Streik bei den Zulieferunternehmen die Versorgungssituation beeinträchtigen wird. Letztlich hält man Lagerbestände auch als Schutz vor Unsicherheit. Wenn die Input- und Output-Flüsse anders verlaufen, als man erwartet hat, so kann die Nachfrage nach Gütern nur aus Lagerbeständen befriedigt werden. Die Notwendigkeit zum Aufbau solcher Lagerbestände gibt es sowohl in Beschaffungs- als auch in Produktions- und Distributionslagern. Sie sind eine Folge davon, dass man die Nachfrage der Kunden bzw. der eigenen Produktion nicht immer sicher prognostizieren kann und die Lieferung durch die Lieferanten oder durch die Produktion nicht immer sicher erfolgt. Die genannten Funktionen gelten zunächst allgemein unabhängig von einer bestimmten Lagerart, wobei allerdings manche Funktionen für gewisse Lagerarten von größerer Bedeutung sind als für andere Lagerarten. Man kann auch versuchen, für einzelne Lagerarten die spezifisch für sie zutreffenden Funktionen noch konkreter herauszuarbeiten.33
33
Siehe die Funktionen des Produktionslagers in Abb. C.4 in Kap. C, Abschn. 2.3.
90
B.2
2.2
Lagerhaltung (Lagerbestände)
Lagerhaltungsaufgaben
Bei der Gestaltung des Puffers zwischen den Input- und Output-Flüssen sind vier eng miteinander zusammenhängende Fragen zu beantworten: x x x x
Welches Gut soll gelagert werden? Wie viel soll von einem Gut gelagert werden? Wie viel soll zur Wiederauffüllung des Lagerbestandes bestellt werden? Wann soll zur Wiederauffüllung des Lagerbestandes bestellt werden?
Offensichtlich wird durch die Beantwortung dieser vier Fragen die Höhe der Lagerbestände festgelegt. Durch die Beantwortung der ersten Frage soll zunächst grundsätzlich geklärt werden, ob Lagerbestände für alle Güter zu halten sind oder ob sie im Sinne einer selektiven Lagerhaltung nur für ganz bestimmte Güter aufgebaut werden. Durch die Beantwortung der übrigen drei Fragen wird dann durch Maßnahmen der Vorratsergänzung und -sicherung die Höhe der Lagerbestände für diese Güter bestimmt. Hierbei ist es zweckmäßig, verschiedene Bestandteile des Lagerbestandes zu unterscheiden, aus denen sich dieser zusammensetzt. Bestandteile des Lagerbestandes Wie aus Abb. B.7 ersichtlich ist, ergibt sich der eine Bestandteil des Lagerbestandes aus der Bestellmenge, mit der der Lagervorrat wieder ergänzt wird. Je größer die Bestellmenge ist bzw. je weniger häufig bestellt wird, desto größer ist der aus der Bestellmenge resultierende durchschnittlich im Lager vorhandene Bestand, den man als mittleren Lagerbestand bezeichnet. Vom mittleren Lagerbestand zu unterscheiden ist der gesamte Durchschnittsbestand eines Lagers, der noch einen Lagerbestand zur Vorratssicherung enthält. Wenn man die Nachfrage für die Wiederbeschaffung völlig genau vorhersagen könnte, würde der mittlere Lagerbestand auch immer noch zur Befriedigung der nach Erreichen des Bestellpunktes auftretenden Nachfrage genügen. Die beim Bestellpunkt ausgelöste Bestellmenge würde am Ende der Wiederbeschaffungszeit gerade dann im Lager eintreffen, wenn der alte Lagerbestand genau auf Null reduziert ist. Da häufig der prognostizierte Nachfrageverlauf (Lagerabgang) nicht mit dem tatsächlichen Nachfrageverlauf und die geplante Anlieferung der Güter (Lagerzugang) nicht mit der tatsächlichen Anlieferung übereinstimmen, muss man als zusätzlichen Bestand noch den Sicherheitsbestand auf Lager halten. Der mittlere Lagerbestand resultiert also aus der Vorratsergänzung, wenn die geplante und tatsächliche Nachfrage sowie die geplante und tatsächliche Wiederbeschaffungszeit übereinstimmen. Der Sicherheitsbestand resultiert aus Unsicherheiten im Nachfrageverlauf und in der Wiederbeschaffung, die zu Lagerentnahme- und Wiederbeschaffungszeitüberziehungen führen.34
34
Vgl. Grochla, 1990, S. 101ff.; Liesegang/Wohlgemuth, 1997, S. 963.
2.2
Lagerhaltungsaufgaben
91
Lagerbestand Nachfrageverlauf
Bestellpunkt Nw
Bestellmenge=Q
mittlerer Lagerbestand =Q/2
gesamter Durchschnittsbestand
Sicherheitsbestand Wiederbeschaffungszeit
Zeit
Bestellzyklus NW : Nachfrage (Bedarf) während der Beschaffungszeit. (Um die Übersichtlichkeit der Skizze nicht zu beeinträchtigen, ist für den Nachfrageverlauf nur der Sonderfall einer konstanten Nachfrage pro Zeiteinheit dargestellt, in dem der vorhergesagte Wert mit dem tatsächlichen Wert übereinstimmt.)
Abb. B.7
Bestandteile des Lagerbestandes aufgrund der Vorratsergänzung und -sicherung
Will man wissen, wie viel Kapital in den Lagerbeständen gebunden ist, so sollte man neben dem aus Abb. B.7 ersichtlichen Durchschnittsbestand auch die Lagerbestände während der Bewegung (Unterwegsbestände, movement inventories, pipeline inventories, inprocess inventories) berücksichtigen. Sie entstehen während des Transports und Umschlags der Güter. Braucht man z. B. zwei Wochen für Transport und Umschlag eines Artikels vom Fabriklager zum Auslieferungslager und werden vom Auslieferungslager 100 Einheiten des Artikels pro Woche verkauft, so beträgt die Höhe der Lagerbestände während der Bewegung im Durchschnitt 200 Einheiten.35 Bevor die Aufgaben der Vorratsergänzung und -sicherung sowie der selektiven Lagerhaltung noch ausführlicher erörtert werden, wird auf die Bedarfsermittlung – und damit auf die Ermittlung des aus Abb. B.7 ersichtlichen Nachfrageverlaufs – eingegangen. Die Bedarfsermittlung ist die Grundlage für die Ausübung der weiteren Lagerhaltungsaufgaben.
35
Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 233f.; Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 86 und S. 280ff.
92
B.2
Lagerhaltung (Lagerbestände)
Bedarfsermittlung Wie die Aufgabe der Bedarfsermittlung wahrgenommen werden kann, hängt wesentlich von der Art des Bedarfs ab.36 In Abb. B.8 sind die prinzipiell zu unterscheidenden Materialbedarfsarten zusammengestellt, wobei der Begriff Material in diesem Fall identisch mit dem Begriff Gut ist. Unter Primärbedarf ist der Marktbedarf zu verstehen, also der Bedarf an verkaufsfähigen Gütern (Fertigprodukte, Ersatzteile, Handelsware). In Handelsunternehmen ist der Primärbedarf die Grundlage für die weiteren LagerbestandsdisposiMaterialbedarfsarten
Ermittlung nach Ursprung und Erzeugnisebene
Primärbedarf
Sekundärbedarf
Bedarf an verkaufsfähigen Erzeugnissen (Marktbedarf)
Bedarf an Rohstoffen, Teilen und Gruppen zur Fertigung des Primärbedarfs
Abb. B.8
Tertiärbedarf
Ermittlung unter Berücksichtigung der Lagerbestände
Bruttobedarf
Bedarf an Betriebs- Periodenbezogener und Hilfsstoffen Primär-, Sekundäroder Tertiärbedarf
Nettobedarf Bruttobedarf abzüglich verfügbarem Lagerbestand
Zusammenstellung der Materialbedarfsarten (Quelle: Hartmann, 2002, S. 278)
tionen. In Industrieunternehmen gilt dies nur für die Lagerbestandsdispositionen in der Distributionslogistik. Für die Produktions- und Beschaffungslogistik muss der Primärbedarf in einen Sekundärbedarf an Rohstoffen, Zukaufteilen und Baugruppen zerlegt werden, der für die Produktion gemäß dem Primärbedarf entsteht. Als Tertiärbedarf bezeichnet man den Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Verschleißwerkzeugen für die Produktion. Unter Bruttobedarf versteht man den in einer Periode auftretenden Bedarf an Material ohne Berücksichtigung der Lagerbestände. Der Nettobedarf wird ermittelt, indem man vom Bruttobedarf die verfügbaren Lagerbestände abzieht. Zur Ermittlung des Bruttobedarfs stehen die in Abb. B.9 zusammengestellten Methoden zur Verfügung.37
36 37
Vgl. Hartmann, 2002, S. 275ff. Vgl. Grochla, 1990, S. 40ff.; Hartmann, 2002, S. 282ff.
2.2
Lagerhaltungsaufgaben
93
Methoden der Bedarfsermittlung
Deterministische Bedarfsermittlung
Analytische Verfahren
Synthetische Verfahren
Methoden der Mittelwertbildung
gleitender Mittelwert
Stochastische Bedarfsermittlung
Analogschätzung
Methoden der exponentiellen Glättung
Intuitivschätzung
Regressionsanalyse
gewichteter gleitender Durchschnitt
exponentielle Glättung 1. Ordnung
Abb. B.9
Subjektive Schätzung
exponentielle Glättung 2. Ordnung
Methoden der Bedarfsermittlung (Quelle: Hartmann, 2002, S. 284)
Die Methoden der Bedarfsermittlung unterscheiden sich nach der ihnen zugrundeliegenden Datenbasis. Die deterministische oder programmgebundene Bedarfsermittlung geht von einem Primärbedarf an marktfähigen Produkten für bestimmte Perioden (geplantes Produktprogramm) oder für einen Kundenauftrag aus. Der Sekundärbedarf wird dann anhand von Stücklisten oder Teileverwendungsnachweisen deterministisch errechnet. Verwendet man Stücklisten, so liegt eine analytische Bedarfsauflösung vor. Die im Produktprogramm enthaltenen Produkte werden schrittweise aufgrund von Stücklisten über verschiedene Baugruppen bis zu Einzelteilen und Rohstoffen aufgegliedert. Während die Stückliste angibt, welche Materialien in welchen Mengen für die Produktion einer Baugruppe oder eines verkaufsfähigen Erzeugnisses erforderlich sind, gibt der Teileverwendungsnachweis als umgekehrte Stückliste an, in welchen Baugruppen und verkaufsfähigen Erzeugnissen ein bestimmtes Material vorkommt. Werden Teileverwendungsnachweise als Hilfsmittel zur deterministischen Bedarfsermittlung benutzt, so liegt eine synthetische Bedarfsauflösung vor. In beiden Fällen ist die deterministische Bedarfsermittlung sehr rechenintensiv und verlangt bei Unternehmen mit breiten und tiefen Produktionsprogrammen den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung. Wegen des großen Aufwandes dieser Methode der Bedarfsermittlung wird sie nur bei wichtigen Materialien angewendet. Welche
94
B.2
Lagerhaltung (Lagerbestände)
Materialien als wichtig anzusehen sind, wird im Abschnitt über die selektive Lagerhaltung behandelt. Grenzen für die Anwendung der deterministischen Bedarfsermittlung liegen aber auch in der Unsicherheit bei der Festlegung des Produktprogramms einer Periode. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff deterministisch nicht zur Annahme verleiten darf, der Sekundärbedarf könne immer deterministisch, also sicher, festgelegt werden. Dies ist nur in den Fällen möglich, in denen das Produktprogramm nach erteilten Kundenaufträgen vollständig festliegt. Ist die Prognose des Produktprogramms dagegen mit Unsicherheiten behaftet, so kann es durchaus zu Abweichungen zwischen geplantem und tatsächlich benötigtem Sekundärbedarf kommen. Basis der stochastischen oder verbrauchsgebundenen Bedarfsermittlung ist der Materialverbrauch vergleichbarer Perioden der Vergangenheit, der in Verbrauchsstatistiken festgehalten wurde. Ausgehend von diesen Daten wird mit Hilfe von Prognosemethoden, die für kurzfristige Prognosen geeignet sind, der Bedarf ermittelt. Häufig angewendet werden hierbei Methoden der Mittelwertbildung, Methoden der exponentiellen Glättung und der Regressionsanalyse. Während die deterministische Bedarfsermittlung vorwiegend bei hochwertigen Erzeugnishauptstoffen – das sind Materialien, die einen wesentlichen Bestandteil des Fertigproduktes ausmachen – eingesetzt wird, verwendet man bei geringwertigen gängigen Erzeugnishauptstoffen sowie bei den Erzeugnishilfsstoffen und Betriebsstoffen (Tertiärbedarf) die stochastische Bedarfsermittlung. Sie ist weniger aufwendig und kann auch in Fällen angewendet werden, in denen die Bedarfsbewegung nur wenig der Produktionsprogrammänderung folgt, wie das bei vielen Betriebsstoffen der Fall ist. Voraussetzung für ihre Anwendung ist, dass die Vergangenheitswerte ausreichend und zuverlässig sind sowie die Zeitstabilitätshypothese Gültigkeit hat. Letztere besagt, dass der Ursachenkomplex, der in Vergangenheit die Entwicklung der zu prognostizierenden Größe bewirkt hat, in Zukunft in derselben Weise weiter wirkt.38 Sind diese Voraussetzungen für den Einsatz der stochastischen Bedarfsermittlung nicht gegeben, so verbleiben noch die Methoden der subjektiven Schätzung. Deren Grundlage ist die persönliche Meinung einer oder mehrerer Personen. Werden die Meinungen über den mutmaßlichen Bedarf in der Zukunft rein intuitiv abgegeben, so liegt eine Intuitivschätzung vor. Logisch begründbare und damit intersubjektiv überprüfbare Zusammenhänge versucht dagegen die Analogschätzung heranzuziehen. Zur Prognose des Bedarfs eines bestimmten Materials greift man beispielsweise auf die Bedarfsentwicklung bei einem vergleichbaren Material zurück. Im Zusammenhang mit der Bedarfsermittlung wird in der angelsächsischen Literatur auch zwischen unabhängigen und abhängigen (koordinierten) Nachfragesystemen unterschieden.39 Bei unabhängigen Nachfragesystemen ist die vom Emp-
38 39
Vgl. Pfohl/Stölzle, 1997, S. 48f. Vgl. Schary, 1984, S. 117f., S. 175ff. und S. 192ff.
2.3
Vorratsergänzung und -sicherung
95
fangspunkt ausgehende Nachfrage für den Lieferpunkt40 unsicher und muss von letzterem prognostiziert werden. Dagegen ist in einem abhängigen (koordinierten) Nachfragesystem die vom Empfangspunkt ausgehende Nachfrage für den Lieferpunkt bekannt. In diesem Fall besteht in einem mehrstufigen Logistiksystem das Problem darin, aus dieser Nachfrage die Nachfrage (den Bedarf) bei den vorgelagerten Lieferpunkten abzuleiten. Im logistischen Subsystem Materiallogistik geschieht dies, ausgehend von dem als bekannt vorausgesetzten Produktionsprogramm (Master Production Schedule), durch die Methode der deterministischen Bedarfsermittlung, die in der angelsächsischen Literatur unter dem Begriff Material Requirements Planning (MRP) zusammengefasst werden. 41 Im logistischen Subsystem Distributionslogistik besteht das Problem in der Zusammenfassung der als bekannt vorausgesetzten Bedarfe an mehreren Empfangspunkten (z. B. lokalen Auslieferungslagern) über mehrere Stufen bis zum Bedarf in einem zentralen Lieferpunkt (z. B. Zentrallager oder Fabriklager). In der angelsächsischen Literatur spricht man hierbei vom Distribution Requirements Planning (DRP).42
2.3
Vorratsergänzung und -sicherung
Vorratsergänzung Das Entscheidungsproblem der Vorratsergänzung besteht darin, für den festgestellten Materialbedarf zu bestimmen, wann und wie viel bestellt werden soll, damit die Summe der Lagerhaltungskosten und der Bestellkosten minimiert wird. In der Literatur werden eine Reihe von Bestellregeln genannt, durch die das Wann und das Wie viel der Bestellung konkretisiert wird.43 Die Frage nach dem Wann einer Bestellung kann sowohl durch eine bestimmte Mengenangabe als auch durch eine bestimmte Zeitangabe beantwortet werden. Es wird also entweder bestellt, wenn ein bestimmter Lagerbestand s (der Bestellpunkt in Abb. B.7) unterschritten oder eine bestimmte Periode t (der Bestellzyklus in Abb. B.7) abgelaufen ist. Die Frage nach dem Wie viel einer Bestellung kann ebenfalls unter zwei Gesichtspunkten beantwortet werden. Die bestellte Menge ist entweder eine vorgegebene Bestellmenge Q oder eine variable Menge, die den Lagerbestand jeweils bis zu einem bestimmten Bestellniveau S ergänzt. Unter Heranziehung dieser vier Entscheidungsvariablen unterscheidet man üblicherweise die in Abb. B.10 dargestellten Bestellregeln. Bei der (s,Q)-Regel ist die optimale Bestellmenge oder optimale Los- bzw. Auftragsgröße wesentliche Entscheidungsvariable.44 Bei der Bestimmung der optimalen Bestellmenge ist ein für die Logistik typischer Zielkonflikt zu lösen. Denn die 40 41 42 43 44
Siehe auch Abb. A.2 in Kap. A, Abschn. 1.1. Vgl. Pfohl, 2004a, S. 156ff. Vgl. Pfohl, 2004a, S. 163ff. Vgl. zum Folgenden Hammann/Palupski, 1997, S. 88ff. Vgl. Grochla, 1990, S. 69ff.; Arnolds/Heege/Tussing, 1998, S. 73.
96
B.2
Lagerhaltung (Lagerbestände)
Bestellmenge
s
Q
S
(s,Q)-Regel
(s,S)-Regel
(t,Q)-Regel
(t,S)-Regel
Bestellzeitpunkt t
Abb. B.10
Bestellregeln
Höhe der Kapitalbindung und damit der Lagerhaltungskosten hängt von der Größe der Bestellmenge ab. Im Gegensatz zu diesen Bestellvariablen gibt es bestellfixe (losfixe) Kosten, die mit jedem Lagerzugang nur einmal anfallen. Das sind die Bestellkosten, die bezogen auf die Bestellmenge regressiv verlaufen. Im Extremfall könnte die Bestellmenge gleich der Jahresbedarfsmenge sein, so dass nur eine Bestellung im Jahr erfolgt. Infolge des hohen mittleren Lagerbestandes entstehen in diesem Fall sehr hohe Lagerhaltungskosten, dagegen nur niedrige Bestellkosten. Im anderen Extremfall macht die Bestellung nur eine Mengeneinheit des Bedarfs aus. In diesem Fall stehen minimale Lagerhaltungskosten den maximalen Bestellkosten gegenüber. Die klassische Bestellmengenformel zur Minimierung der Summe der beiden gegenläufigen Kosten lautet: Optimale Bestellmenge =
200 Jahresbedarf Bestellkosten Einstandspreis Lagerhaltungskostensatz
Die Bestellkosten umfassen die Kosten für alle Tätigkeiten, die zur Vorbereitung und Abwicklung einer Bestellung notwendig sind. Der Lagerhaltungskostensatz beinhaltet den kalkulatorischen Zinssatz und den Lagerkostensatz. Mit ersterem sollen die kalkulatorischen Zinsen auf das durchschnittlich im Lager gebundene Kapital berechnet werden. Mit letzterem werden die weiteren mit der Lagerhaltung verbundenen Kosten erfasst. Die klassische Bestellmengenformel geht von folgenden Prämissen aus: Konstanter Bedarf, konstanter Nachfrageverlauf (konstante Lagerabgangsgeschwindigkeit), konstanter Einstandspreis, konstanter Lagerhaltungskostensatz, konstante Bestellmengenfixkosten und keine Lagerungs- oder Finanzierungsrestriktionen. Ausgehend von diesen teilweise realitätsfremden Prämissen wurden Modifikationen der Bestellmengenformel entwickelt, die z. B. von variablen Einstandspreisen (Berücksichtigung von Preisstaffelungen infolge von Mengenrabatten und Mindermengenaufpreisen, Transport-
2.3
Vorratsergänzung und -sicherung
97
kostenstaffelungen und preisgünstigen Sonderangeboten), variablen Bedarfsmengen oder Lagerraum- und Finanzierungsrestriktionen ausgehen. Die Überlegungen zur optimalen Bestellmenge treffen analog auf die optimale Losgröße in der Produktion zu. An die Stelle der Bestellkosten treten dann die Rüstkosten für das einmalige Einrichten der Maschinen für die zu fertigenden Lose. Der Einstandspreis wird durch die Herstellkosten ohne die Rüstkosten ersetzt. Eine Bestellung bei der (s,Q)-Regel wird dann ausgelöst, wenn der Lagerbestand auf einen Bestellpunkt oder Meldebestand abgesunken ist. Man spricht deshalb auch vom Bestellpunktverfahren. Der Bestellpunkt wird so festgelegt, dass mit dem Lagerbestand die Nachfrage während der Wiederbeschaffungszeit abgedeckt werden kann. Ein ganz anderer Weg der Vorratsergänzung wird beim Bestellrhythmusverfahren (Bestellzyklusverfahren) eingeschlagen. Dieses Verfahren geht von einem konstanten Bestellzyklus aus, der z. B. durch den Anlieferungsrhythmus der Lieferanten oder den Produktionsrhythmus vorgegeben ist. Sofern Lagerabgänge stattgefunden haben, wird nach Ablauf des Bestellzyklus in jedem Fall nachbestellt. Bei der (t,S)-Regel wird die Bestellmenge beispielsweise so hoch bemessen, dass sie der Nachfrage während des Bestellzyklus und der Wiederbeschaffungszeit abzüglich des Restlagerbestandes entspricht. Vorratssicherung Das Entscheidungsproblem der Vorratssicherung ist ebenfalls durch einen Zielkonflikt gekennzeichnet, der bei der Bemessung des Sicherheitsbestandes auftritt.45 Je größer der Sicherheitsbestand ist, desto größer sind die durch ihn verursachten Lagerhaltungskosten. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlmengen und damit die Fehlmengenkosten sinken dagegen mit wachsenden Sicherheitsbeständen. Zu den Fehlmengenkosten zählen alle Kosten, die entstehen, wenn ein in der Produktion (Fehlmengen in der Materiallogistik) oder beim Kunden (Fehlmengen in der Distributionslogistik) auftretender Bedarf mit den vorhandenen Lagerbeständen nicht gedeckt werden kann. Dazu zählen z. B. Kosten für Sondermaßnahmen zur Befriedigung des auftretenden Bedarfs, der nicht aus dem Vorrat gedeckt werden kann, Kosten eines Produktionsstillstandes, Kosten einer Umrüstung der Produktionsanlage, Kosten aus Umsatzverlusten und entgangenen Aufträgen wie auch Kosten, die längerfristig durch Imageverluste entstanden sind. Grundsätzlich lassen sich drei Möglichkeiten zur Bestimmung des optimalen Sicherheitsbestandes unterscheiden: x Bestimmung des Sicherheitsbestandes mit Hilfe der Fehlmengenkosten, x Bestimmung des Sicherheitsbestandes durch explizite Berücksichtigung der Nachfrageveränderung infolge des Auftretens von Fehlmengen, x Bestimmung des Sicherheitsbestandes durch Vorgabe der Lieferbereitschaft, die die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Fehlmengen begrenzt. 45
Siehe Abb. A.12 in Kap. A, Abschn. 2.3.
98
B.2
Lagerhaltung (Lagerbestände)
Die erste Methode, bei der versucht wird, das gemeinsame Minimum der Fehlmengenkosten und der Lagerhaltungskosten zu bestimmen, wird in vielen Lagerhaltungsmodellen 46 angewendet. Sie hat zwar eine große Bedeutung für die Theorie der Lagerhaltung, jedoch weniger für die Praxis, da es in den meisten Fällen sehr große Schwierigkeiten bereitet, die Fehlmengenkosten quantitativ zu erfassen.47 Die zweite Methode hat bisher weniger Eingang in die Lagerhaltungstheorie gefunden. Für die Anwendbarkeit in der Praxis stellt sich jedoch ebenfalls das Problem der Quantifizierbarkeit. Die dritte Methode umgeht die mit dem Auftreten der Fehlmengen bestehenden Quantifizierungsschwierigkeiten. Sie wird deshalb in der Praxis bevorzugt angewendet. Die Anwendung dieser Methode ist jedoch nicht unproblematisch. Es bereitet zwar keine großen Schwierigkeiten, den Sicherheitsbestand mit Hilfe einer vorgegebenen Lieferbereitschaft zu bestimmen. Das eigentliche Problem besteht dann darin, auf welche Weise diese Lieferbereitschaft festgelegt wird. Ähnlich wie bei der Vorratsergänzung, wo gezeigt wurde, dass der mittlere Lagerbestand von den vier Einflussfaktoren abhängt, die im Zusammenhang mit den Bestellregeln aufgeführt wurden, lassen sich auch bei der Vorratssicherung vier Einflussfaktoren für die Höhe des Sicherheitsbestandes nennen. Es sind dies: x Länge der Wiederbeschaffungszeit, x Wahrscheinlichkeit für die Wiederbeschaffungszeitüberziehung und Entnahmeüberziehung (Fehler in der Prognose der Zuverlässigkeit der Einhaltung der Wiederbeschaffungszeit und Fehler in der Bedarfsprognose), x Lieferbereitschaft, x Anzahl der Lager. Die auf mangelnde Liefergenauigkeit zurückzuführenden Fehllieferungen, die teilweise ebenfalls als Einflussfaktor des Sicherheitsbestandes48 genannt werden, schlagen sich im zweiten Einflussfaktor nieder. Länge der Wiederbeschaffungszeit Es wird davon ausgegangen, dass sich aufgrund der Vergangenheitswerte der Nachfrageentwicklung die durchschnittliche Nachfrage, die man während der Wiederbeschaffungszeit erwartet, berechnen sowie die maximal möglich erscheinende Nachfrage abschätzen lässt. Der Sicherheitsbestand wird dann so hoch sein müssen, dass er die Differenz zwischen der durchschnittlichen Nachfrage, die eigentlich erwartet wird und der maximalen Nachfrage, die noch möglich erscheint, abdecken kann. Somit lässt sich der Sicherheitsbestand als Funktion der Wiederbeschaffungszeit darstellen:49 46 47
48 49
Zu solchen Modellen vgl. Schneeweiß, 1997, S. 488ff.; Zwehl/Kramer, 1997a, S. 492ff. Vgl. Zwehl/Kramer, 1997b, S. 272f. Theoretische Ansätze zur Quantifizierung von Fehlmengenkosten entwickelte Schmid, 1977. Vgl. Grochla, 1990, S. 115f. Vgl. LaLonde/Grashof, 1969, S. 55.
2.3
Vorratsergänzung und -sicherung
99
S = Nmax · tw - NØ · tw = tw · (Nmax - NØ) wobei S Nmax NØ tw
= = = =
Sicherheitsbestand, maximal möglich erscheinende Nachfrage/Zeiteinheit, erwartete, durchschnittliche Nachfrage/Zeiteinheit, Wiederbeschaffungszeit.
Je kürzer also die Wiederbeschaffungszeit für ein Lager ist, desto niedriger kann der Sicherheitsbestand sein, mit dem die möglich erscheinende Nachfrage befriedigt werden kann. Da der Sicherheitsbestand eine wesentlich geringere Umschlagshäufigkeit bzw. Umlaufgeschwindigkeit hat als der mittlere Lagerbestand – welcher deswegen auch Umlaufbestand genannt wird –, kann eine Verkleinerung des Sicherheitsbestandes zu einer merklichen Senkung der Lagerhaltungskosten führen. Eine Verkürzung der Wiederbeschaffungszeit verursacht jedoch normalerweise im logistischen System auch höhere Kosten, beispielsweise durch den Einsatz schnellerer Kommunikations- und Transportmittel. Eine Verkürzung der Wiederbeschaffungszeit ist also immer nur dann von Vorteil, wenn das Ansteigen dieser Kosten durch die Verringerung der mit dem Sicherheitsbestand verbundenen Lagerhaltungskosten mehr als ausgeglichen wird. Ist es wegen der damit verbundenen hohen Transportkosten nicht möglich, die Wiederbeschaffungszeit dadurch zu verkürzen, dass man die gesamte Gütermenge zum Wiederauffüllen des Lagers mit schnellen Transportmitteln befördert, so kann man noch auf andere Weise versuchen, den Vorteil einer kurzen Wiederbeschaffungszeit bezüglich des Sicherheitsbestandes auszunutzen. Man verwendet in diesem Fall nicht nur einen Bestellpunkt, sondern zwei Bestellpunkte, wie es in 0 im Prinzip dargestellt ist. Hierdurch wird es ermöglicht, den größten Teil der Gütermenge mit billigen langsameren Transportmitteln zum Lager zu befördern und die teuren schnellen Transportmittel nur dann einzusetzen, wenn eine außergewöhnlich hohe Nachfrage dies nötig macht. Die Linie AB in 0 zeigt den erwarteten, durchschnittlichen Nachfrageverlauf und die Linie AE den maximal möglich erscheinenden Nachfrageverlauf.50 BE ist der konventionelle Sicherheitsbestand, der bei der Verwendung nur eines Bestellpunktes gehalten werden muss. Wird durch die Lagerabgänge der Standardbestellpunkt (A) erreicht, so wird eine Bestellung ausgelöst und die Bestellmenge trifft am Ende der – infolge des Einsatzes von billigeren langsameren Transportmitteln – langen Standard-Wiederbeschaffungszeit (E) im Lager ein. Bei der Verwendung von zwei Bestellpunkten wird der sekundäre Bestellpunkt so festgelegt, dass bei seinem Erreichen durch Lagerabgänge infolge des maximal möglich erscheinenden Nachfrageverlaufs (C) die dann ausgelöste Bestellmenge ( DD' ) – aufgrund der durch den Einsatz schneller Transportmittel verkürzten Wiederbeschaffungszeit – noch rechtzeitig im Lager eintrifft (D), um die Nachfrage bis zum Ende der 50
Vgl. Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 108f.
100
B.2 Lagerhaltung (Lagerbestände)
Lagerbestand A
StandardBestellpunkt
erwarteter, durchschnittlicher Nachfrageverlauf maximal möglich erscheinender Nachfrageverlauf
Sekundärer Bestellpunkt
C Sicherheitsbestand bei zwei Bestellpunkten mögliche Reduktion des Sicherheitsbestandes
B Konventioneller D Sicherheitsbestand
D' verkürzte Wiederbeschaffungszeit bei Einsatz schneller Transportmittel
E Zeit
Standard-Wiederbeschaffungszeit
Abb. B.11
Verkleinerung der Sicherheitsbestandes durch Verwendung von zwei Bestellpunkten (Quelle: Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 109)
Standardwiederbeschaffungszeit (E) befriedigen zu können. Wie sich aus 0 ersehen lässt, kann der Sicherheitsbestand bei zwei Bestellpunkten erheblich reduziert werden. Der Sicherheitsbestand wird nur noch für einen Teil der über den erwarteten Durchschnittswert hinausgehenden Nachfrage gehalten und nicht mehr für die gesamte über ihn hinausgehende Nachfrage bis zum maximal möglich erscheinenden Wert. Die Wahrscheinlichkeit, mit der die Belieferung des Lagers durch schnelle Transportmittel in Anspruch genommen wird, hängt davon ab, wie man den sekundären Bestellpunkt festsetzt. Man wird sich auch hierbei wieder von dem Ausgleich zwischen der Reduktion der Lagerhaltungskosten des Sicherheitsbestandes und der Erhöhung der Transportkosten leiten lassen müssen. Die Verwendung von zwei Bestellpunkten bietet sich vor allem dazu an, den Sicherheitsbestand um den Prozentsatz zu verkleinern, der eine besonders geringe Umschlagshäufigkeit hat. Die Länge der Wiederbeschaffungszeit beeinflusst auch indirekt über Prognosefehler den Sicherheitsbestand. Denn von der Länge der Wiederbeschaffungszeit hängt u. a. die Größe des Prognosefehlers ab. Prognosefehler Der Fehler, der bei der Bedarfs- oder Nachfrageprognose für eine Periode gemacht wird, ist die Differenz zwischen dem vorhergesagten und dem tatsächlich eingetroffenen Wert. Die zufälligen Schwankungen in der Nachfrage verursachen diese Prognosefehler, die zu Entnahmeüberziehungen führen. Analog führen Fehler in der Prognose der Zuverlässigkeit der Einhaltung der Wiederbeschaffungszeit zu
2.3
Vorratsergänzung und -sicherung
101
Wiederbeschaffungszeitüberziehungen. Im Folgenden wird am Beispiel der Fehler der Bedarfsprognose gezeigt, dass die notwendigen Sicherheitsbestände umso kleiner sein können, je genauer Prognosen getroffen werden. Die Ausführungen lassen sich auf die Fehler in der Prognose der Zuverlässigkeit der Einhaltung der Wiederbeschaffungszeit in gleicher Weise übertragen. Die Häufigkeitsverteilung der Prognosefehler kann im Allgemeinen gut genug durch eine Normalverteilung beschrieben werden. 51 Die Normalverteilung wird durch den Mittelwert ȝ gekennzeichnet, der die Lage der Verteilung charakterisiert und durch die Standardabweichung ı, die die Streuung der Verteilung charakterisiert (N[ȝ,ı]-Verteilung). Bei jeder für die Prognose eines bestimmten Ereignisses geeigneten Prognosemethode muss der Mittelwert ȝ des Prognosefehlers gleich Null sein. Somit soll für die Verteilung des Prognosefehlers eine N[0,ı]-Verteilung vorliegen, was genau allerdings nur im Idealfall zutrifft. Bei der Anwendung von Prognosemethoden ist jedoch ständig darauf zu achten, dass eine Kontrolle der mit ihnen produzierten Prognosefehler zeigt, ob ihr Mittelwert tatsächlich nicht zu sehr von Null abweicht. Hierzu können sogenannte Warnsignale in die Prognosen eingebaut werden.52 Die Flächen unterhalb der Verteilungskurve in Abb. B.12 geben an, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Prognosefehler in eine auf der horizontalen Achse abzulesenden Bandbreite fällt. Für den Sicherheitsbestand sind nur die Prognosefehler maßgebend, durch die der vorhergesagte Durchschnittswert der Nachfrage überschritten wird. Zur Bestimmung der Höhe des Sicherheitsbestandes interessiert somit nur die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Nachfrage nicht überschritten wird. Man bezeichnet sie als einseitige statistische Sicherheit. Man sieht, dass aufgrund der Verteilungskurve in 50% der Fälle der vorhergesagte Durchschnittswert der Nachfrage nicht überschritten wird. Gibt man sich damit zufrieden, nur in der Hälfte der Fälle die während der Beschaffungszeit auftretende Nachfrage vom Lager zu befriedigen, so braucht kein Sicherheitsbestand gehalten zu werden. Hält man einen Sicherheitsbestand in der Höhe von einer Standardabweichung, so kann erwartet werden, dass die Nachfrage in 84,13% der Fälle befriedigt wird. Will man die statistische Sicherheit haben, dass in 97,72% der Fälle die während der Wiederbeschaffungszeit auftretende Nachfrage befriedigt werden kann, so muss ein Sicherheitsbestand in Höhe von zwei Standardabweichungen gehalten werden. Die Irrtums- oder Überschreitungswahrscheinlichkeit, die angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Nachfrage nicht befriedigt werden kann, also Fehlmengen im Lager auftreten, liegt im letzten Fall nur noch bei 2,28%. Bei einer beliebigen Häufigkeitsverteilung liegen die statistischen Sicherheiten allerdings viel ungünstiger und entsprechend niedrige Irrtumswahrschein-
51 52
Zur Begründung vgl. Pfohl, 1972, S. 100 und die dort aufgeführte Literatur. Vgl. Gudehus, 2005, 301f.
102
B.2 Lagerhaltung (Lagerbestände)
x: Vorhersagefehler
P (t)
t: Vorhersagefehler in der Einheit von s P(t): Dichtefunktion der Normalverteilung
2,15
34,13
13,59
34,13
13,59
s: Standardabweichung des VorhersageVorhers fehlers
2,15
-3s
-2s
-1s
0
1s
2s
-3
-2
-1
0
1
2
3s
x
3 t = x/s
50% einseitige statistische Sicherheit
84,13% 97,72% 99,87%
Abb. B.12
Normalverteilung des Prognosefehlers
lichkeiten können nur durch eine viel größere Anzahl von Standardabweichungen als bei der Normalverteilung erreicht werden.53 Die Höhe des Sicherheitsbestandes hängt also von der Größe der Prognosefehler und der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens ab. Mit Hilfe der Standardabweichung und aufgrund der Häufigkeitsverteilung der Prognosefehler lässt sich der Sicherheitsbestand somit wie folgt berechnen: S = k · ı wobei S k ı
= = =
Sicherheitsbestand, Sicherheitsfaktor, Standardabweichung der Verteilung der Prognosefehler.
Je genauer die Nachfrageprognose ist, desto niedriger ist der Wert der Standardabweichung54 und desto geringer muss der Sicherheitsbestand sein, um mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit die Nachfrage befriedigen zu können. Der 53 54
Vgl. Inderfurth, 1996, Sp. 1031ff. Zur Abhängigkeit der Standardabweichung von der Länge der Wiederbeschaffungszeit und der Größe des Absatzgebietes vgl. Pfohl, 1972, S. 102 und die dort aufgeführte Literatur.
2.3
Vorratsergänzung und -sicherung
103
Sicherheitsfaktor gibt an, wie viele Standardabweichungen einer bestimmten Wahrscheinlichkeit entsprechen. Die Wahrscheinlichkeit entspricht dann der Lieferbereitschaft, mit der ausgedrückt wird, in welchem Umfang die tatsächliche Nachfrage während der Wiederbeschaffungszeit vom Lager befriedigt werden soll. Lieferbereitschaft Die Lieferbereitschaft beeinflusst also über den Sicherheitsfaktor die Höhe des Sicherheitsbestandes. Wie bereits bei der Diskussion der Servicekomponenten ausgeführt wurde, kann die Lieferbereitschaft sehr unterschiedlich gemessen werden. 55 Von der Art der Definition der Lieferbereitschaft hängt es jedoch ab, welcher rechnerische Zusammenhang zwischen der Lieferbereitschaft und dem Sicherheitsbestand besteht. Zwei sehr häufig verwendete Definitionen der Lieferbereitschaft lauten wie folgt: x Die Lieferbereitschaft wird gemessen als der prozentuale Anteil der Anzahl von Wiederbeschaffungszeiträumen, in denen der Lagerbestand zur Befriedigung der Nachfrage ausreicht, an der Anzahl aller Wiederbeschaffungszeiträume. Man misst also den Prozentsatz der Wiederbeschaffungszeiträume, in denen keine Fehlmengen auftreten. Die Größe der Fehlmengen spielt keine Rolle. x Die Lieferbereitschaft wird gemessen als der Prozentsatz der Nachfrage während der Wiederbeschaffungszeit, der vom Lagerbestand befriedigt werden kann. Diese Definition zielt also nicht auf die Häufigkeit des Auftretens von Fehlmengen, sondern auf die Größe der Fehlmengen ab. Geht man von der ersten Definition der Lieferbereitschaft aus, die der einseitigen statistischen Sicherheit entspricht, so kann der Sicherheitsfaktor direkt aus der Verteilung der Prognosefehler in Abb. B.12 abgeleitet werden. Soll die Lieferbereitschaft beispielsweise 97,72% betragen, so ist der dazugehörige Sicherheitsfaktor k = 2. Man kann also erwarten, dass in 97,72% der Wiederbeschaffungszeiträume keine Fehlmengen auftreten, wenn ein Sicherheitsbestand in Höhe von 2 ı gehalten wird. Wie viel Fehlmengen z. B. in einem Jahr auftreten, hängt von der Häufigkeit der Bestellungen für die Wiederbeschaffung eines Artikels ab. Werden von einem Lager 100 Bestellungen pro Jahr für einen Artikel aufgegeben, so werden bei einer Lieferbereitschaft von 98% wahrscheinlich zweimal im Jahr Fehlmengen auftreten, bevor die Lieferung zur Wiederauffüllung der Lagerbestände eintrifft. Bestellt man dagegen nur einmal jährlich, so ist in 2 von 100 Jahren mit dem Auftreten einer Fehlmenge zu rechnen. Man kann den Sicherheitsfaktor nicht mehr direkt durch einfache Ableitung aus der Funktion der Normalverteilung ermitteln, wenn nicht die Häufigkeit des Auftretens von Fehlmengen, sondern die Größe der Fehlmengen selbst interessiert. In
55
Siehe Abb. A.12 in Kap. A, Abschn. 2.4.
104
B.2 Lagerhaltung (Lagerbestände)
diesem Fall muss der Sicherheitsfaktor über die sogenannte Brown'sche Servicefunktion – die auch als Lieferfunktion bezeichnet wird – bestimmt werden.56 Untersucht man den Einfluss verschiedener Werte der Lieferbereitschaft auf die Lagerhaltungskosten, so zeigt sich, dass diese für große Werte der Lieferbereitschaft viel stärker anwachsen als die Lieferbereitschaft selbst. Aus Abb. B.13 ist ersichtlich, dass eine geringfügige Verbesserung einer bereits hohen Lieferbereitschaft mit einer unverhältnismäßig großen Erhöhung des Sicherheitsbestandes und damit der Lagerhaltungskosten verbunden ist. Denn bei großen Sicherheitsfaktoren nimmt die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Fehlmengen bei einer Erhöhung der Sicherheitsfaktoren nur noch geringfügig ab. Eine 100%ige Lieferbereitschaft kann man theoretisch nur mit einem unendlich großen Sicherheitsbestand erreichen. Sicherheitsfaktor = rel. notwendiger Sicherheitsbestand 2
1
0
// 50%
60%
70%
80%
90%
100%
Lieferbereitschaft
84,13% 97,72%
Abb. B.13
Zusammenhang zwischen Sicherheitsbestand und Lieferbereitschaft (Die Zahlenangaben gelten für den Zusammenhang zwischen Sicherheitsfaktor und Lieferbereitschaft nach der ersten Definition. Prinzipiell gilt der Verlauf der Kurve aber auch für die Lieferbereitschaft gemäß der zweiten und anderer Definitionen.)
Anzahl der Lager Bisher wurde nur der Sicherheitsbestand in einem Lager betrachtet. Der gesamte Sicherheitsbestand, der für einen Artikel gehalten werden muss, hängt jedoch auch davon ab, wie viele Lager benutzt werden, um eine gegebene Nachfrage zu befriedigen. Wenn die Anzahl der beispielsweise von einem Absatzlager zu beliefernden Kunden abnimmt, dann nimmt die Wirkung des Ausgleichseffektes ab,57 der immer vorhanden ist, wenn sich die Nachfrage auf mehrere Kunden aufteilt. Wird von einem Lager nur ein Kunde beliefert, so muss man sich dort darauf einrichten, 56 57
Vgl. Pfohl, 1972, S. 104f. und die dort aufgeführte Literatur. Vgl. Flaks, 1967, S. 266.
2.3
Vorratsergänzung und -sicherung
105
die Spitzennachfrage dieses Kunden befriedigen zu können. Werden dagegen zwei Kunden beliefert, so ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Nachfragespitzen beider Kunden zusammenfallen, so dass man im Lager nur darauf eingerichtet sein muss, eine Spitzennachfrage befriedigen zu können, die niedriger ist als die Summe der Spitzennachfragen der beiden Kunden. Werden also mehrere kleinere Absatzlager statt eines großen Absatzlagers zur Befriedigung der Nachfrage unterhalten, so ist die Summe der Sicherheitsbestände in den kleinen Absatzlagern größer als der Sicherheitsbestand in dem großen Absatzlager.58 Die Änderung des Sicherheitsbestandes für eine bestimmte Nachfrage bei einer Änderung der Zahl der Absatzlager lässt sich mit Hilfe der Standardabweichung des Prognosefehlers berechnen, wie sich im Folgenden Beispiel zeigen lässt. 59 Sind die von zwei Lagern x und y zu befriedigenden Nachfragen statistisch unabhängig voneinander, so ist die die Streuung der Prognosefehler kennzeichnende Varianz für die gesamte Nachfrage gleich der Summe der Varianzen der Prognosefehler für die Einzelnachfragen. Für die Standardabweichungen der Vorhersagefehler, die den Sicherheitsbestand in jedem Auslieferungslager bestimmen, gilt also beispielsweise: Wenn Varx = 9 und Vary = 16 dann Varges = Varx + Vary = 25 somit Vx =
9 = 3
Vy =
16 = 4
Vges =
25 = 5
Für den gesamten Sicherheitsbestand eines Artikels gilt bei zwei Lagern (für den Sicherheitsfaktor soll gelten: k = 1): S = 1 · ıx + 1 · ıy = 3 + 4 = 7 Bei einem Lager gilt: S = 1 · ıges = 5 58 59
Vgl. Bowersox/Closs/Helferich, 1986, S. 286f. Vgl. King, 1967, S. 536.
106
B.2 Lagerhaltung (Lagerbestände)
Allgemein lässt sich die Wirkung einer Erhöhung der Zahl der Lager auf den Sicherheitsbestand durch folgende Formel abschätzen:60 S n = S1
n
wobei S1 = Sicherheitsbestand zur Befriedigung einer bestimmten Nachfrage durch ein Lager, n = Zahl der Lager, wenn diese Nachfrage von mehreren Lagern befriedigt werden soll, Sn = gesamter Sicherheitsbestand bei n Lagern. Der Zusammenhang zwischen den Lagerhaltungskosten für den Sicherheitsbestand und der Anzahl der Lager ist ein Aspekt, der bei der Entscheidung darüber berücksichtigt werden muss, ob ein Artikel zentral von einem Lager oder dezentral von mehreren Lagern ausgeliefert werden soll. Diese Frage führt zu dem Problem der selektiven Lagerhaltung.
2.4
Selektive Lagerhaltung
Grundgedanke der selektiven Lagerhaltung Kostenüberlegungen führen zu der Frage, ob es notwendig ist, alle Güter bezüglich der Lagerhaltung gleich zu behandeln oder nicht und damit eine selektive Lagerhaltung zu betreiben. Wirtschaftlich lagerfähig ist ein Gut, wenn die Fehlmengenkosten infolge einer Nichtlagerung größer sind als die mit der Lagerung verbundenen Kosten.61 Die Höhe der Fehlmengenkosten hängt zunächst von der Bedeutung der Lieferzeit und -bereitschaft auf einem Markt und die Höhe der Lagerhaltungskosten von der Produktart ab.62 Die Entscheidung über die Lagerung eines Gutes wird außerdem wesentlich von seiner Verbrauchsstruktur abhängen. So bieten sich bei einem regelmäßigen Verbrauch die einsatzsynchrone Anlieferung, bei einem schwankenden Verbrauch die Lagerung und bei einem unregelmäßigen Verbrauch die Einzelbeschaffung im Bedarfsfall an.63 Neben der Verbrauchsstruktur sind das Artmengen/Wert-Verhältnis der Materialien64 in der Materiallogistik bzw. das Artikelmengen/Umsatz-Verhältnis in der 60 61 62
63
64
Vgl. Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 221. Vgl. Vahrenkamp, 2007, S. 195ff.; Schieck, 2008, S. 357ff. Siehe die Hypothesen zur Bedeutung des Service und der Logistikkosten in Kap. A, Abschn. 3.4. Zur Verbrauchsstruktur vgl. Grochla, 1990, S. 31f. sowie die Bereitstellungsprinzipien, die im Kap. C, Abschn. 1.1 vorgestellt werden. Vgl. Grochla, 1990, S. 29f.
2.4
Selektive Lagerhaltung
107
Distributionslogistik für die Entscheidung über eine selektive Lagerhaltung von Bedeutung. Im Folgenden wird das Problem der Klassifizierung der Güter nach diesem in der Praxis sehr häufig herangezogenen Kriterium am Beispiel der Distributionslogistik diskutiert. Die Überlegungen treffen analog auch auf die Materiallogistik zu. ABC-Analyse Untersuchungen in vielen Branchen haben ergeben, dass der größte Teil des gesamten Umsatzes nur mit einer relativ kleinen Anzahl der Artikel, aus denen sich das Produktprogramm eines Unternehmens zusammensetzt, erreicht wird. Eine oft zitierte Faustregel ist die 80:20-Regel, nach der 80% des Umsatzes von 20% der Artikel getragen werden.65 Das Anfertigen einer Artikelumsatzstatistik ermöglicht es, die Artikel zu bestimmen, auf die sich der Umsatz konzentriert. Man kann die Umsatzkonzentration durch eine Konzentrationskurve, die sogenannte Lorenzkurve, darstellen. Abb. B.14 zeigt beispielhaft eine solche Lorenzkurve zur Kennzeichnung der Umsatzkonzentration in einem Produktprogramm. Vergleicht man verschiedene Branchen, dann lässt sich feststellen, dass die Kurve umso weniger gekrümmt verläuft – die Umsatzkonzentration auf wenige Artikel also umso weniger ausgeprägt ist –, je mehr das Lager auf den Endverbraucher ausgerichtet ist. Die Lorenzkurve des Einzelhandels weist deshalb i. d. R. eine geringere Krümmung auf als die des Großhandels oder die der Fertigungsindustrie. Der Umsatzanteil jedes Artikels hängt von seinem Einzelpreis und von der abgesetzten Menge ab. Somit bestimmen der Wert des Artikels und seine Absatzmenge, ob er zu den Hauptumsatzträgern des Produktprogrammes gerechnet werden kann oder nur einen geringeren oder sogar gar keinen Anteil am Gesamtumsatz hat. Den Hauptumsatzträgern ist im Allgemeinen wegen ihrer großen Bedeutung für das Unternehmen wesentlich mehr Aufmerksamkeit bei der Lagerhaltung zu schenken als den Artikeln mit geringerem Anteil am Umsatz. Sehr aufschlussreich ist auch eine Klassifizierung der Artikel nach ihrem Beitrag zum Gewinn. Eine entsprechende Untersuchung wird im Allgemeinen ergeben, dass auch der größte Teil des Gewinnes nur mit einer relativ kleinen Anzahl von Artikeln erwirtschaftet wird und dass der Gewinn oft durch eine beträchtliche Anzahl mit Verlust verkaufter Artikel reduziert wird.66 Eine Gewinnanalyse aller Artikel ist jedoch mit sehr großem Aufwand verbunden, so dass man sich in den meisten Unternehmen im Allgemeinen mit der wesentlich einfacher zu ermittelnden Klassifizierung der Artikel nach dem Umsatz begnügen wird. Sind die Preisunterschiede der Artikel eines Produktprogramms nur gering, so kann die Klassifizierung der Artikel auch nach den Absatzmengen anstatt nach den Umsätzen vorgenommen werden. 65 66
Vgl. Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 61. Vgl. Stölzle/Heusler/Karrer, 2004, S. 54ff.; Homburg/Krohmer, 2009, S. 1152ff.
108
B.2 Lagerhaltung (Lagerbestände)
Umsatzanteil [%] 100 80 60 40 20 0 20
Abb. B.14
40
60
80
100 Mengenanteil [%]
Beispiel für eine Lorenzkurve zur Kennzeichnung der Umsatzkonzentration in einem Produktprogramm
Ist der Umsatz das Bewertungskriterium, so werden die Artikel gemäß ihrer Bedeutung für den Gesamtumsatz in verschiedene Klassen aufgeteilt. Meistens bildet man eine Rangordnung von drei Klassen und bezeichnet sie mit A, B und C. Man spricht deshalb bei der Umsatzklassifizierung auch vom ABC-Prinzip, von der ABC-Analyse oder vom ABC-System der Lagerhaltung. In Abb. B.15 ist in den Spalten 1 bis 4 ein Beispiel für eine Klassenbildung nach dem ABC-Prinzip gegeben. Aufgrund der ABC-Umsatzanalyse wird den A-Artikeln bei der selektiven Lagerhaltung wegen ihres bedeutenden Umsatzanteils wesentlich größere Aufmerksamkeit geschenkt als den C-Artikeln, weil der Lagerwert der A-Artikel sehr hoch ist und das Auftreten von Fehlmengen mit großen Verlusten verbunden sein kann. Nun ist es aber möglich, dass auch ein Artikel, der wegen seines geringen Umsatzanteiles in die C-Kategorie fällt, besonderer Aufmerksamkeit bei der Lagerhaltung bedarf, weil er eine besonders kritische Rolle für den Kunden spielt.67 So ist z. B. ein kleines, unscheinbares Ersatzteil für die Zündung eines Autos für den Kunden wesentlich wichtiger als ein Kotflügel, da ein Auto mit einem verbeulten Kotflügel noch fahren kann, ohne funktionierende Zündung jedoch nicht. Der Lieferant muss also bei der selektiven Lagerhaltung neben dem Umsatzanteil des Artikels als weiteres Bewertungskriterium auch den kritischen Wert berücksichtigen, den ein Artikel für den Kunden hat. Abb. B.15 zeigt in Spalte 6 ein Beispiel für eine Analyse des kritischen Wertes oder Bedeutungsfaktors. 67
Vgl. Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 197f.; Steinbrüchel, 1971, S. 198f.
2.4
Selektive Lagerhaltung
Bewertung der Umsatzklasse Rangordnung Artikel nach und prozender Artikel kritischer Umsatz und Wert tualer Anteil nach Umsatzkritischem Wert anteilen der Artikel (7) = (5) x (6)
Artikel
Umsatz (in $)
Umsatz (in %)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
I II
20.000 18.000
56
A-Artikel 20%
1 2
3 1
3 2
III IV V VI
8.000 6.000 5.000 4.000
34
B-Artikel 40%
3 4 5 6
2 3 1 2
6 12 5 12
VII VIII IX X
3.000 2.500 1.000 500
10
C-Artikel 40%
7 8 9 10
3 1 2 1
21 8 18 10
Abb. B.15
109
Klassifizierung der Artikel mit Hilfe der Umsatzanalyse und der Analyse des kritischen Wertes (Quelle: Die Tabelle ist eine Zusammenfassung der beiden Tabellen bei Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 201. Kritischer Wert von 1 bis 3 bedeutet von kritisch bis unkritisch)
Den kritischen Wert eines Artikels kann man durch seine Bewertung quantifizieren. Hat ein Lieferant Ersatzteile für die von ihm gelieferten Maschinen auf Lager zu halten, so kann er die Artikel, die für die Funktionsfähigkeit der Maschine sofort verfügbar sein müssen, den kritischen Wert 1 geben. Die Artikel, deren Ausfall die Funktionsfähigkeit der Maschine für eine bestimmte Zeit nicht beeinträchtigen, erhalten den kritischen Wert 2; und die Artikel, die für die Funktionsfähigkeit der Maschine nicht von unmittelbarer Bedeutung sind, erhalten den kritischen Wert 3. Das Bewertungskriterium zur Bestimmung dieser gewichteten kritischen Werte ist also die Bedeutung des Artikels für die Funktionstüchtigkeit der Maschine. Es gibt auch andere Bewertungskriterien zur Bestimmung des kritischen Wertes. Bezieht man beispielsweise den kritischen Wert auf die Phase im Lebenszyklus eines Produktes, so wird man der Lagerhaltung eines Produktes in der Wachstumsphase wesentlich größere Aufmerksamkeit schenken müssen als der Lagerhaltung eines Produktes in der Phase der Degeneration. Man wird die kritischen Werte für die Produkte entsprechend gewichten. Aus den Spalten 5 und 6 in Abb. B.15 ist zu ersehen, dass die Bedeutung der Artikel aufgrund des Umsatzanteils und aufgrund des kritischen Wertes unterschiedlich eingeschätzt wird. Um zu einer Rangordnung der Artikel zu gelangen, muss man die Bewertung aufgrund der beiden Bewertungskriterien zu einem einzigen Wert zusammenfassen. Hierzu bietet sich die Multiplikation an, da dann der Wertebereich weit gestreut und eine deutliche Rangordnung ermöglicht wird. Spalte 7 zeigt die einheitliche
110
B.2 Lagerhaltung (Lagerbestände)
Bewertung der Artikel mit Hilfe der Umsatzanalyse und der Analyse des kritischen Wertes. Es entsteht eine andere Rangordnung der Artikel als bei einer reinen Umsatzanalyse. Diese Rangordnung kann dazu dienen, eine neue Klassifizierung in A-, B- und C-Artikel vorzunehmen. Das ABC-Prinzip kann auf diese Weise erweitert werden. Anwendung der selektiven Lagerhaltung Die Anwendung des ABC-Prinzips führt dazu, dass die A-, B- und C-Artikel im gesamten Bereich der Lagerhaltung oder in bestimmten Teilbereichen unterschiedlich behandelt werden. So kann für jede Artikelklasse der Bestellvorgang anders ablaufen, die Lieferbereitschaft unterschiedlich hoch sein und die Anzahl der Auslieferungspunkte verschieden sein. Wenn man z. B. in einem Unternehmen vor Einführung der selektiven Lagerhaltung alle Artikel in einem Bestellzyklus von acht Wochen bestellt hat, kann man nach Durchführung einer ABC-Analyse mit verschiedenen Bestellzyklen arbeiten. Die A-Artikel werden alle vier Wochen bestellt, um die sehr hohen Kosten der Kapitalbindung zu senken. Für die B-Artikel wird der achtwöchige Bestellzyklus beibehalten, während für die C-Artikel ein Bestellzyklus von sechzehn Wochen eingeführt wird, weil die Kapitalbindung bei diesem Artikel nicht sehr ins Gewicht fällt.68 Entsprechend kann auch der Aufwand für die Kontrolle der Lagerbestände differenziert werden. Es gibt keine einheitliche Politik der selektiven Lagerhaltung für alle Unternehmen, sondern die Art der selektiven Lagerhaltung kann sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden. Immer geht man jedoch von dem Grundgedanken aus, die Lagerhaltungskosten durch eine ungleiche Behandlung der Artikel zu senken, ohne dabei den Lieferservice wesentlich zu beeinträchtigen. Dieser Grundgedanke soll am Beispiel der Frage, an welchen Auslieferungspunkten die Artikel zu lagern sind, näher ausgeführt werden, da diese – auch bei der im nächsten Abschnitt zu diskutierenden Funktion von Lagerhäusern aufzugreifenden – Frage auf das Problem der Zentralisation oder Dezentralisation des Auslieferungssystems abzielt, das sich auf den gesamten Entscheidungsbereich der Distributionslogistik auswirkt. MAGEE u. a. formulieren für die Lagerhaltung der Artikel an verschiedenen Auslieferungspunkten eine ABCD-Politik.69 Sie gehen dabei von der allgemeinen Regel aus, dass Kostenüberlegungen dazu führen, Artikel mit geringem Umsatzanteil nur an wenigen Auslieferungspunkten zu lagern. Es wurde bei der Behandlung der Einflussfaktoren des Sicherheitsbestandes gezeigt, dass der Sicherheitsbestand eines Artikels umso größer ist, je mehr Lager zur Befriedigung einer bestimmten Nachfrage benutzt werden. Neben den Kosten der Kapitalbindung erhöhen sich mit der Anzahl der Lager jedoch auch die Personalkosten, die Raumkosten sowie Kosten infolge geringerer Rationalisierungsmöglichkeiten. Die ge68 69
Vgl. Constantin, 1966, S. 331ff. und S. 409ff. Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 286ff.
2.4
Selektive Lagerhaltung
111
samten Lagerkosten in einem Lager steigen also relativ an, wenn der Umsatz sinkt. Da der Umsatz je Lager steigt, je weniger Lager vorhanden sind, sprechen die Lagerkosten für eine Zentralisierung der Lager. Gegen eine Zentralisierung sprechen im Allgemeinen die Transportkosten, weil wegen des Fehlens von Lagern in den Einzelmärkten die Möglichkeit verloren geht, die Produkte in großen Transporteinheiten möglichst nahe an die Einzelmärkte heranzubringen. Die Transportkosten erhöhen sich aber bei einer Zentralisierung von umsatzstarken und umsatzschwachen Artikeln relativ gleich stark. Deshalb spricht ein Vergleich der Lagerhaltungskostensenkung und der Transportkostenerhöhung dafür, umsatzstarke Artikel in mehreren Auslieferungspunkten dezentral zu lagern, umsatzschwache Artikel dagegen möglichst zentral zu lagern. Teilt man die Artikel in vier Klassen ein, so lässt sich folgende ABCD-Politik formulieren: x A-Artikel sind so umsatzstark, dass es gerechtfertigt ist, sie in allen lokalen Lagern zu lagern, x B-Artikel sind weniger umsatzstark und werden in wenigen, ausgesuchten regionalen Auslieferungslagern gelagert, x C-Artikel werden wegen des geringen Umsatzes nur in Fabriklagern gelagert, x D-Artikel haben einen so niedrigen Anteil am Umsatz, dass sie überhaupt nicht auf Lager gehalten und nur auf Bestellung hergestellt werden. Geht man davon aus, dass bei einer Zentralisierung der Lager die Auslieferungszeit der Ware an den Kunden ansteigt, so sinkt der Lieferservice für die zentral gelagerten Artikel. Da jedoch nur die umsatzschwächeren Artikel davon betroffen sind, wird der Lieferservice für den gesamten Umsatz nur unwesentlich beeinträchtigt. Er kann sogar erhöht werden, wenn man in Folge der Kostensenkung, welche durch die Zentralisation der umsatzschwachen Artikel ermöglicht wird, freigesetzte Mittel dazu verwendet, die Sicherheitsbestände und somit die Lieferbereitschaft der umsatzstarken Artikel zu erhöhen. Vor der Einführung einer solchen ABCD-Politik ist noch der kritische Wert der Artikel zu analysieren und die ABCD-Klassen sind gegebenenfalls entsprechend abzuändern. Ferner muss man untersuchen, inwieweit umsatzstarke und umsatzschwache Artikel von denselben Kunden gekauft werden. Dieser Aspekt kann ebenfalls zu einer Änderung der ABCD-Politik zwingen, wenn die Kunden erwarten, dass ihnen die bestellten Artikel zusammen von einem Lager ausgeliefert werden. Bei den umsatzstarken Artikeln ist zudem zu prüfen, ob der Umsatz durch die Nachfrage vieler Kunden entsteht, die den Artikel in kleinen Mengen beziehen oder ob es wenige Kunden sind, die den Artikel in Waggon- oder Lastzugladungen beziehen. Trifft der zweite Fall zu, so wird auch für umsatzstarke Artikel eine zentrale Auslieferung von Vorteil sein. Es zeigt sich also, dass zur Beantwortung der Frage, welche Artikel an welchen Auslieferungspunkten zu lagern sind, jeweils eine ganze Reihe von Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind. Nicht zuletzt gehört dazu auch das Lagerhaus selbst, mit seinem Standort, der Größe des von ihm aus versorgten Marktgebietes und den Einrichtungen für die Lagerung und Handhabung der Güter.
112
B.3 Lagerhaus
3
Lagerhaus
3.1
Definition und Funktionen des Lagerhauses
Definition Ein Lagerhaus ist ein Knoten im logistischen Netzwerk, in dem Güter vorübergehend festgehalten oder auf einen anderen durch das Netzwerk führenden Weg übergeleitet werden. Aus der Abb. A.2, in der die Grundstrukturen von Logistiksystemen zusammengestellt sind, ist ersichtlich, dass Lagerhäuser sowohl Lieferund Empfangspunkte als auch Auflösungs- oder Konzentrationspunkte im Logistiksystem sein können. Im Lagerhaus laufen Lager- und Bewegungsprozesse ab. Welche Prozesse dominieren, hängt von der Funktion eines Lagers ab. Die Funktion bestimmt somit stark den Standort und die im Lagerhaus einzusetzende Technik. Funktionen In Abb. B.16 werden nach den in erster Linie von einem Lagerhaus zu erfüllenden Funktionen drei Lagerhausarten unterschieden. Die prinzipielle Unterscheidung in Vorrats-, Umschlags- und Verteilungslager70 schließt nicht aus, dass in der Praxis Mischformen auftreten können. Die Vorratslager sind meist dem Produktionsbetrieb zugeordnet. Ihre wichtigste Funktion ist, Kapazität für die Aufnahme von in der Produktion einzusetzenden Gütern, aber auch von Fertigerzeugnissen (z. B. bei der Aufnahme von saisongebundener Produktion) zur Verfügung zu stellen. In Vorratslagern dominieren die Lagerprozesse gegenüber den Bewegungsprozessen. Sie können sowohl Beschaffungs- als auch Produktions- oder Distributionslager sein. 71 Umschlagslager (Transitterminals) sollen kurzfristig die Güter zwischen dem Umschlag von Transportmittel zu Transportmittel aufnehmen. Man findet solche Lagerhäuser vor allem bei Logistikunternehmen. Mittlerweile spielen sie jedoch zunehmend auch bei Handelsunternehmen eine wichtige Rolle. Beim sogenannten Crossdocking liefern die Hersteller die Ware für die einzelnen Filialen kommissioniert in das Zentrallager des Handels. Dort werden dann die Sendungen verschiedener Hersteller für die jeweiligen Filialen zusammengefasst und gemeinsam ausgeliefert. Im Zentrallager des Handelsunternehmens entfällt damit die filialbezogene Kommissionierung und auch die Bestände werden ganz oder zumindest zum großen Teil eliminiert.72 Entsprechend dominieren im Umschlagslager die Bewegungsprozes70
71 72
Vgl. Schulte, 1997, S, 478f. Eine umfassendere Unterscheidung hinsichtlich Lagerarten und -funktionen siehe Klaus, 1996, Sp. 1013ff. Siehe Abb. B.6 in Kap. B, Abschn. 2.1. Zum Crossdocking vgl. Kotzab, 1997, S. 156ff.
3.1
Definition und Funktionen des Lagerhauses
113
Lagerhausarten
wichtigste Funktion
Standorte
Lagergüter
Vorratslager
hohe Lagerkapazität
produktionsorientiert
Material, saisongebundene Halb- und Fertigfabrikate
Umschlagslager
hohe Umschlagsleistung
transportorientiert
Material, Halb- und Fertigfabrikate, Handelsware
hohe Konzentrationsleistung
beschaffungsorientiert
hohe Auflöseleistung
abatzorientiert
Verteilungslager -Zulieferungslager
-Auslieferungslager
Abb. B.16
Material, Handelsware
Unterscheidung von Lagerhausarten nach ihrer Funktion
se, so dass nicht die Lagerkapazität, sondern die Erzielung einer großen Umschlagsgeschwindigkeit bei ihrer Gestaltung zu erreichen ist. In Verteilungslagern wird der Güterfluss in seiner Zusammensetzung geändert. In solchen Lagerhäusern sind die Lager- als auch die Bewegungsprozesse von gleicher Bedeutung. Wichtigste Zielsetzung ist die Leistungsfähigkeit zur Umstrukturierung des Güterflusses. Die Verteilungsfunktion kann entweder eine Zuliefer- oder Auslieferfunktion sein, so dass Zulieferungs- und Auslieferungslager unterschieden werden können. 73 Zulieferungslager sind Konzentrationspunkte in Logistiksystemen. In ihnen werden Güter von unterschiedlichen Lieferanten gesammelt und an einen oder mehrere Produktionsbetriebe – im Falle eines Handelsunternehmens an einen oder mehrere Handelsbetriebe – verteilt. Auslieferungslager sind Auflösungspunkte in Logistiksystemen. In ihnen werden Güter aus der Produktion gesammelt und an den Kunden ausgeliefert. Nach dem Bereich, der von Verteilungslagern bedient wird, unterscheidet man zentrale, regionale oder lokale Verteilungslager. Bei den zentralen Verteilungslagern spricht man im Allgemeinen von Zentrallagern, während die dezentralen regionalen oder lokalen Verteilungslager als Zulieferungs- bzw. Auslieferungslager i. e. S. bezeichnet werden. Am Beispiel des Auslieferungslagers i. e. S. soll eine Lagerhausfunktion etwas ausführlicher dargestellt werden. Das Lagerhaus nimmt im logistischen System eine Schlüsselstellung ein. Denn durch das Auslieferungslager wird der Güterfluss vom Lieferanten zum Kunden aufgespalten. Es nimmt die Güter in Waggon- oder 73
Siehe Abb. A.6 in Kap. A, Abschn. 1.4.
114
B.3 Lagerhaus
Lastwagenladungen auf und leitet sie entsprechend den Aufträgen in wesentlich kleineren Einheiten an die Kunden weiter. Für die Errichtung eines Auslieferungslagers können sowohl Kosten- als auch Lieferserviceerwägungen sprechen. Vergleicht man die Transportkosten je Gütereinheit beim Transport der Güter in ganzen Waggon- oder Lastwagenladungen (Wagenladungsverkehr) und beim Transport in kleineren Mengen (Stückgutverkehr), so liegen die Transportkosten im ersten Fall erheblich niedriger. In Abb. B.17 ist der Verlauf der Transportkosten je Gütereinheit in Abhängigkeit von der Entfernung eingetragen. In der Praxis werden die Transportkosten je Gütereinheit keinen so gleichmäßigen Verlauf haben, da sie nicht nur von der Transportentfernung, sondern auch noch von anderen Faktoren abhängen. Im Prinzip ist der mit der Entfernung degressiv ansteigende Transportkostenverlauf jedoch richtig.74 Bei der Belieferung eines Kunden von einem Auslieferungslager fallen für eine Gütereinheit neben den Transportkosten vom Fabrik- zum Auslieferungslager im Wagenladungsverkehr die im Auslieferungslager zusätzlich entstehenden Kosten sowie die Transportkosten vom Auslieferungslager zum Kunden im Stückgutverkehr an. Bei einem Vergleich dieser Kosten mit den Transportkosten der direkten Belieferung des Kunden im Stückgutverkehr ergibt sich, dass das Gebiet zwischen A und B kostengünstiger vom Auslieferungslager beliefert werden kann. Aus der eindimensionalen Darstellung ist schon ersichtlich, dass das Auslieferungslager keineswegs im Mittelpunkt eines kreisförmigen Absatzgebietes zu liegen hat, wie oft angenommen wird. „Der beste mittlere Standort zwischen zwei oder mehreren Aufkommens- oder Verbrauchszentren liegt meist nicht in deren geografischen Mittelpunkt, sondern an einem der beiden Haupt-Aufkommenspunkte“75. Diesen bezeichnet der sogenannte Hoover-Effekt. Ursächlich hierfür ist die Tatsache, dass Transportkosten in Abhängigkeit von der Distanz stets degressiv verlaufen. Bestimmt man mit Hilfe des angegebenen Transportkostenverlaufs die Fläche des zu beliefernden Gebietes, so zeigt sich, dass diese nicht kreis-, sondern eher tropfenförmig ist. Der weite, abgeflachte Teil dieser Fläche, in dem sich der Standort des Auslieferungslagers befindet, ist dem Fabriklager zugewandt. Das schmale, spitze Ende der Fläche liegt in entgegen gesetzter Richtung am weitesten vom Auslieferungslager entfernt. Da auch im Fabriklager Kosten entstehen, die bei der direkten Belieferung des Kunden zu berücksichtigen sind, werden nicht die gesamten im Auslieferungslager anfallenden Kosten, sondern nur die im Vergleich zur direkten Belieferung zusätzlich entstandenen Lagerhauskosten gerechnet. Durch diese Korrektur um den zusätzlich entstehenden Kostenanteil werden die Transportkosten vergleichbar gemacht. Abb. B.17 zeigt ebenfalls, dass ein Unternehmen durch Errichtung eines Auslieferungslagers in die Lage versetzt wird, im Preiswettbewerb auch auf entfernten Teilmärkten zu bestehen, die es bisher wegen seiner, infolge der anfallenden 74
75
Für einen empirisch ermittelten Transportkostenverlauf vgl. Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 253. Siehe auch Abb. A.23 in Kap. A, Abschn. 3.4. Klaus, 2005.
3.1
115
Transportkosten von Auslieferungslager zu Kunde (Stückgutverkehr) B
Kosten je Gütereinheit
A
Fabriklager
Abb. B.17
Definition und Funktionen des Lagerhauses
Transportkosten von Fabrik zu Kunde A' (Stückgutverkehr) Zusätzliche Kosten des Auslieferungslagers (abhängig vom Güterumschlag) Transportkosten Von Fabrik zu Auslieferungslager (Wagenladungsverkehr)
Auslieferungslager Absatzgebiet des Auslieferungslagers
Entfernung
Kostensenkung bei der Belieferung eines Gebietes durch ein Auslieferungslager (Quelle: Vgl. Frederick, 1940, S. 60 und 1957, S. 81; Bowersox/Closs, 1996, S. 503)
Transportkosten, zu hohen Preise nicht beliefern konnte. Akzeptieren die Kunden etwa auf keinen Fall einen höheren Preis als den bei Punkt A und ist eine Preissenkung nur über eine Transportkostensenkung zu erreichen, so lässt sich das Absatzgebiet durch Verwendung des Auslieferungslagers bis zum Punkt A' vergrößern. Die Kostenvorteile durch die Errichtung eines Auslieferungslagers ergeben sich jedoch nur, wenn die Nachfrage auf dem von ihm zu versorgenden Teilmarkt genügend groß ist. Die im Auslieferungslager anfallenden Kosten je Gütereinheit sind umso größer, je geringer die umgeschlagene Gütermenge ist. Die Errichtung eines Auslieferungslagers lohnt sich also nur, wenn die Nachfrage so hoch ist, dass die im Auslieferungslager anfallenden Kosten nicht wieder die Transportkostensenkung je Gütereinheit ausgleichen. Bei der Entscheidung über die Errichtung eines Auslieferungslagers sind nicht nur seine Auswirkungen auf die Kosten, sondern vor allem auch auf die Nachfrage zu berücksichtigen. Oft ist die Errichtung eines Auslieferungslagers die einzige Möglichkeit, um einen entfernten Teilmarkt schneller beliefern zu können und so die Lieferzeit zu verkürzen. Durch den auf diese Weise steigenden Lieferservice
116
B.3 Lagerhaus
kann man einen Wettbewerbsvorteil von Konkurrenten, die bisher einen günstigeren Standort hatten, ausgleichen. Das Auslieferungslager ist also ein wichtiges Instrument beim Kampf um die Marktanteile.
3.2
Lagerhausaufgaben
Lagerhausstandort Ausschlaggebend für die Funktionserfüllung eines Lagerhauses sind sein funktionsgerechter Standort und sein funktionsgerechter Betrieb. Zu den Lagerhausaufgaben gehört deshalb zunächst die Standortwahl, die auf zwei Stufen zu treffen ist. Bei der interlokalen Standortwahl wird darüber entschieden, an welcher Stelle in einem Wirtschaftsgebiet ein Lagerhaus errichtet werden soll. Hat man sich hier z. B. für eine Gemeinde entschieden, so muss danach bei der lokalen Standortwahl festgelegt werden, an welchem Platz sich dort das Lagerhaus befinden soll. Der interlokale Standort eines Lagerhauses hängt von der primär vom Lager zu erfüllenden Funktion ab. Abgesehen von den Fällen, in denen Vorratslager einen produktionsorientierten Standort haben und im Allgemeinen als Fabriklager unmittelbar mit dem Produktionsbetrieb verbunden sind, wird die interlokale Standortwahl eines Lagerhauses in weit größerem Maß von logistischen Überlegungen beeinflusst als die Standortwahl eines Produktionsbetriebes. 76 Wie schon die Funktion des Lagerhauses am Beispiel des Auslieferungslagers näher konkretisiert wurde, so sollen auch die Einflussfaktoren der Standortwahl an dieser Lagerhausart beispielhaft erläutert werden. Folgende sechs Einflussfaktoren sind für die Wahl des Standortes eines Auslieferungslagers von Bedeutung: x Lieferservice: Das Auslieferungslager soll gewährleisten, dass die Kunden schnell beliefert werden. Welchen Lieferservice erwarten in dieser Beziehung die Kunden und welchen Lieferservice bietet die Konkurrenz an? Eine Antwort darauf gibt schon eine Vorstellung davon, wo überhaupt ein Auslieferungslager errichtet werden sollte und welches Gebiet von ihm beliefert werden kann, um den erforderlichen Lieferservice zu erreichen. x Art des Absatzgebietes: Konzentriert sich die Nachfrage an bestimmten Punkten im Absatzgebiet oder ist sie gleichmäßig über das gesamte Absatzgebiet verteilt? Ist das Absatzgebiet durch geographische Barrieren (Bergzüge, Seen oder Staatsgrenzen) geteilt, durch die das von einem Auslieferungslager zu versorgende Gebiet schon mehr oder weniger vorgegeben ist? x Nachfrageentwicklung: Die Standortwahl ist aufgrund einer Vorausschätzung der zukünftigen Nachfrageentwicklung zu treffen. Es ist zu untersuchen, wie sich die Höhe der Nachfrage und wie sich ihre Verteilung durch Nachfrageverschiebungen im Absatzgebiet verändern werden. 76
Vgl. Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 415. Zu einer Checkliste für die Standortwahl eines Produktionsbetriebes vgl. De Meirleir, 1993, S. 40.
3.2
Lagerhausaufgaben
117
x Verkehrsverbindungen: Welche Verkehrsverbindungen (Autobahn, Eisenbahn, Flugplatz, Wasserstraße) sind für die Versorgung des Auslieferungslagers und für die Belieferung der Kunden vom Auslieferungslager notwendig und wo sind solche Verkehrsverbindungen gegeben? x Transport- und Lagerhauskosten: Welche Transport- und Lagerhauskosten fallen bei verschiedenen Standorten des Auslieferungslagers an? Wie hoch sind die Frachtsätze der einzelnen Verkehrsmittel an verschiedenen Standorten? Welche Auswirkungen auf die Auslastung des eigenen Fuhrparks ergeben sich? x Arbeitskräfte: Welche Unterschiede gibt es im Arbeitskräfteangebot an verschiedenen möglichen Standorten? Beim Vergleich verschiedener Grundstücke, die für den Bau eines Auslieferungslagers zur Auswahl stehen, sind neben dem Grundstückspreis noch weitere Kriterien zur Beurteilung heranzuziehen. Das Auslieferungslager braucht nicht in einer Industriezone zu liegen, sondern es kann völlig alleinstehend außerhalb einer geschlossenen Ortschaft erbaut werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, welche Auflagen von der Landesplanung und der örtlichen Bauaufsicht bei den zur Auswahl stehenden Grundstücken zu erwarten sind und wie es um die Beschaffenheit des Untergrundes, die Geländeerschließung und die Energieversorgung bestellt ist. Ein reibungsloser An- und Abtransport der Güter muss durch gute Ein- und Ausfahrtsmöglichkeiten und gegebenenfalls über einen Gleisanschluss gewährleistet sein. Es ist darauf zu achten, dass von dem Grundstück die Hauptverkehrsadern bequem zu erreichen sind. Ungünstige Anfahrtsmöglichkeiten für die Belegschaft wirken sich nachteilig auf die Beschaffung von Arbeitskräften aus. Man sollte auch in Betracht ziehen, ob es etwa durch die nahe Lage eines Grundstückes an einer stark befahrenen Autostraße ermöglicht wird, das Lagerhausgebäude als Werbefläche zu verwenden. Die Form des Grundstücks muss ein einfaches Rangieren der Lastwagen vor den Laderampen ermöglichen. Es muss außerdem die Möglichkeit für eine spätere Erweiterung des Auslieferungslagers bieten. Lagerhausbetrieb Die zur Funktionserfüllung eines Lagerhauses notwendigen Lager- und Bewegungsprozesse bedingen die Wahrnehmung einer Anzahl von Lagerhausaufgaben, die sich nach den in Abb. B.18 angegebenen Lagerhausbereichen untergliedern lassen.77 Im Lagerhausbereich Wareneingang werden die Aufgaben der Güterannahme vom Lieferanten und der Vorbereitung der Güter für die Lagerung erfüllt. Hierzu gehören im Einzelnen: das Abladen der ankommenden Waren, die Identifikation der ankommenden Waren, die Wareneingangskontrolle sowie das Lagerfähigmachen der Waren (z. B. Umladen auf das richtige Ladehilfsmittel oder Umpacken).
77
Vgl. zum Folgenden Bowersox/Closs, 1996, S. 397; Stock/Lambert, 2001, S. 396ff.; Arnold u. a., 2008, S. 378ff.
118
B.3 Lagerhaus
außerbetrieblicher Transport
Lagerhaus
Lagerverwaltung
Wareneingang innerbetrieblicher Transport
Einheitenlager
Kommissionierlager
Packerei
Warenausgang
außerbetrieblicher Transport
Abb. B.18
Lagerhausbereiche (Quelle: In Anlehnung an National Council of Physical Distribution Management, 1984, S. 190; Bowersox/Closs, 1996, S. 397)
Im Vordergrund der Aufgabenerfüllung stehen die Bewegungsprozesse. Der Aufenthalt der Güter im Wareneingangsbereich sollte so kurz wie möglich sein. Im Gegensatz zum Wareneingang stehen beim Lagerhausbereich Einheitenlager die Lagerprozesse im Vordergrund. Das Einheitenlager dient ausschließlich der Zeitüberbrückung von Gütern, die in derselben Einheit eingelagert und ausgelagert werden. Wegen der dadurch bedingten großen Uniformität der Tätigkeiten sind Einheitenlager in hohem Maße automatisierbar. Da zudem die Bewegungsprozesse stark im Hintergrund stehen, kann eine extreme Raumausnutzung erreicht werden. Gehen die Einheiten nach der Auslagerung nicht direkt zum Warenausgang, sondern in ein Kommissionierlager, so werden die Einheitenlager auch als Reservelager bezeichnet, in dem die Güter in großen Mengen und Einheiten relativ lange Zeit lagern. Im Lagerhausbereich Kommissionierlager (Greiflager, Arbeitslager) werden die Güter nur kurze Zeit in kleinen Mengen und Einheiten gelagert. Vornehmlich laufen in diesem Lagerhausbereich Bewegungsprozesse ab, die der Konzentration oder Auflösung des Güterflusses dienen.78 Zur Bezeichnung dieser Prozesse hat 78
Siehe Abb. A.2 in Kap. A, Abschn. 1.1.
3.2
Lagerhausaufgaben
119
sich der Begriff Kommissionieren durchgesetzt. Infolge des Kommissionierens verlassen die Güter diesen Lagerhausbereich nicht in dem Zustand, in dem sie eingelagert wurden. Das Kommissionieren ist auch heute noch in den meisten Fällen ein manueller Vorgang. Um trotzdem die Kommissionierzeiten möglichst kurz zu halten, ist bei der Gestaltung dieses Lagerhausbereiches auf zeitsparende Greifvorgänge und kurze Transportwege zu achten. Infolge der unterschiedlichen Dominanz von Lager- und Bewegungsprozessen im Einheiten- und Kommissionierlager sind beide Lagerhausbereiche also unterschiedlich zu gestalten. In den Fällen, in denen eine Trennung zwischen beiden Lagerhausbereichen nicht sinnvoll erscheint, sind selbstverständlich die Ziele der Raumausnutzung und der kurzen Kommissionierzeiten gleichgewichtig zu verfolgen. Im Lagerhausbereich Packerei wird der kommissionierte Auftrag zu einer versandfähigen Einheit zusammengestellt, wobei unter Versand auch der Transport an andere innerbetriebliche Stellen zu verstehen ist. Die Verpackungsaufgaben werden im nächsten Abschnitt beim logistischen Subsystem Verpackung behandelt. Der Lagerhausbereich Warenausgang umfasst die Aufgaben der Warenabgabe an den Empfänger sowie die damit zusammenhängenden vorbereitenden Arbeiten. Hierzu gehören die Entgegennahme der Waren aus der Packerei, nach Kunden oder Versandart geordnetes Zwischenlagern bis zur Abholung und die Disposition der abholenden Transportmittel sowie das Verladen. Wie im Wareneingang stehen auch hier die Bewegungsprozesse im Vordergrund. Eine längere Zeitüberbrückung der Güter im Warenausgang findet nur in Sonderfällen statt. Der Lagerhausbereich Lagerverwaltung umfasst die Aufgaben der Steuerung und Koordination der Lager- und Bewegungsprozesse in den übrigen Lagerhausbereichen. Die Lagerverwaltung bildet die Schnittstelle des logistischen Subsystems aus zum logistischen Subsystem Auftragsabwicklung. Überträgt man Begriffe aus der elektronischen Datenverarbeitung auf das Lagerhaus, so ist die Lagerverwaltung die Software des Lagerhauses und die übrigen Lagerhausbereiche stellen die Hardware dar. In Abb. B.18 wird zwischen inner- und außerbetrieblichem Transport unterschieden. Zum innerbetrieblichen Transport zählen sowohl die Transportprozesse in einem Lagerhaus als auch die Transportprozesse in der Produktionsstätte. Zum außerbetrieblichen Transport zählen dagegen sowohl der Transport vom Lieferanten zum Unternehmen und vom Unternehmen zum Kunden als auch der Transport zwischen verschiedenen Betrieben des Unternehmens. In diesem Abschnitt wird lediglich der innerbetriebliche Transport behandelt. Der außerbetriebliche Transport ist Gegenstand des fünften Abschnitts. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass beide Transportarten isoliert voneinander zu sehen wären. Bei der Gestaltung des innerbetrieblichen Transports ist der außerbetriebliche Transport soweit wie möglich zu integrieren. Zur Vermeidung von Lager- und Bewegungsprozessen, die zusätzliche Logistikkosten verursachen, ist eine Produktion direkt aus dem bzw. in das außerbetriebliche Transportmittel anzustreben. Dies wird allerdings
120
B.3 Lagerhaus
nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich sein. In den übrigen Fällen ist der innerbetriebliche Transport, der wesentlich kürzere Distanzen zu überbrücken hat als der außerbetriebliche, mit besonderen Transportmitteln vorzunehmen.79 Die innerbetrieblichen Transportmittel bezeichnet man auch als Fördermittel, wobei sich unter diesem Begriff auch die Mittel zur Realisierung der Umschlagsprozesse subsumieren lassen. Wenn im Folgenden von Transport- oder Fördermitteln bzw. -einrichtungen gesprochen wird, so sind damit alle Mittel zur Überwindung horizontaler und vertikaler Distanzen gemeint. Bevor ein Überblick über die Lager- und Transporteinrichtungen gegeben wird, die zur Rationalisierung der Lager- und Bewegungsprozesse eingesetzt werden können, soll auf die Lagerplatzzuordnung eingegangen werden. Die Zuordnung von Lagerplätzen zu Gütern bestimmt wesentlich die Einsatzmöglichkeit von Lager- und Transporteinrichtungen.
3.3
Lagerplatzzuordnung
Das Problem der Lagerplatzzuordnung – in der Literatur auch unter den Stichworten Lagerorganisation oder Lagerordnung behandelt – kann als dritte Stufe der Lagerhausstandortproblematik aufgefasst werden. Es geht um die Bestimmung der Lagerorte für die im Lagerhaus zu lagernden Güter. Einheiten- und Kommissionierlager Der Lagerort der Güter bestimmt die Länge des Weges, der beim Transport dieser Güter im Lagerhaus zurückzulegen ist und somit die Transportkosten sowie die für die Transportvorgänge benötigte Zeit. Für ein Auslieferungslager ist es nun beispielsweise typisch, dass die Güter in großen Lager- bzw. Transporteinheiten aufgenommen und in kleineren Einheiten an den Kunden wieder abgegeben werden. Die Lager- und Transporteinheiten werden beim Güterfluss durch das Lagerhaus also kleiner. Je mehr der Güterfluss auf diese Weise aufgespalten wird, desto größer sind die mit ihm verbundenen Kosten. Deshalb sind die Transportvorgänge bei der Auslagerung einer großen Anzahl kleiner Einheiten von weitaus stärkerer Bedeutung als bei der Einlagerung einer relativ geringen Anzahl großer Einheiten. Je kürzer die bei der Kommissionierung zurückzulegenden Wege sind, desto geringer sind die dabei anfallenden Transportkosten und desto schneller kann der Auftrag zusammengestellt und ausgeliefert werden. Daher ist es wünschenswert, alle Lagergüter auf einem möglichst kleinen Lagerraum unterzubringen, der möglichst nahe am Kommissionierplatz und am Warenausgang im Lagerhaus liegt. Gegen einen zu großen Lagerraum sprechen auch die damit verbundenen großen Investitionen für die bei der Kommissionierung einzusetzenden Lager- und Transporteinrichtungen. Dem Bestreben, die Lagergüter auf kleinem Raum zu lagern und möglichst nahe an den Warenausgang heranzubringen, steht die Notwendigkeit entgegen, größere Lagerbestände unterhalten zu müssen. Deshalb ist es oft 79
Vgl. ten Hompel/Schmidt/Nagel, 2007, 122ff.; Jung, 2009, S. 406ff.
3.3
Lagerplatzzuordnung
121
sinnvoll, im Lagerhaus zwischen dem Kommissionierlager und Einheitenlager im Sinne eines Reservelagers zu unterscheiden.80 Die ankommenden Güter werden in großen Mengen und Einheiten ins Einheitenlager eingelagert. Zwischen Einheitenlager und Warenausgang liegt das Kommissionierlager, wobei auch denkbar ist, dass das Einheitenlager das Kommissionierlager an drei Seiten umschließt. 81 Vom Einheitenlager wird das Kommissionierlager aufgefüllt, in dem die Güter nur in verhältnismäßig geringen Mengen gelagert werden, so dass das gesamte Sortiment auf relativ kleinem Raum untergebracht werden kann.82 Die Güter werden bei der Kommissionierung aus diesem Kommissionierlager in kleinen Mengen entnommen. Die Trennung des Lagerraumes in ein Einheitenlager und ein Kommissionierlager hat jedoch auch den großen Nachteil, dass zwischen die Ein- und Auslagerungsvorgänge der Güter ein Umlagerungsvorgang geschaltet werden muss. Je häufiger das Lagergut zu bewegen ist, desto höhere Kosten werden verursacht. Dieser Nachteil fällt vor allem bei großen Sortimenten ins Gewicht, so dass dort die Einrichtung eines gesonderten Kommissionierlagers oft nicht mehr zweckmäßig ist.83 Die Entscheidung für oder gegen eine Trennung von Einheiten- und Kommissionierlager betrifft im Allgemeinen den für das gesamte Sortiment vorzusehenden Lagerbereich im Lagerhaus; der genaue Lagerort des einzelnen Gutes muss dann noch festgelegt werden. Hierfür lassen sich verschiedene Einflussfaktoren angeben, von denen die wichtigsten im Folgenden aufgeführt sind. Einflussfaktoren der Lagerplatzzuordnung Abb. B.19 zeigt die grundsätzlich bestehenden Möglichkeiten der Lagerplatzzuordnung. Zwischen ihnen besteht eine Wahlmöglichkeit allerdings nur insofern, als die stoffliche Beschaffenheit der zu lagernden Güter (z. B. Geruchs- oder Klimaempfindlichkeit) die freie Wahl des Lagerortes im Lagerhaus nicht einschränkt. Hierbei stehen die feste Lagerplatzordnung und die vollständig freie Lagerplatzzuordnung (Einzelplatzlagerung, chaotische Lagerung) einander gegenüber. Die beiden anderen Möglichkeiten sind lediglich Variationen der festen und der freien Lagerplatzzuordnung. Für die feste Lagerplatzzuordnung lassen sich verschiedene Einflussfaktoren wie Weglänge, Umschlagshäufigkeit, Wertigkeit, Gewicht, Zugriffshäufigkeit, Volumen und Abmessungen des zu lagernden Gutes,84 aber auch das Volumen der Einheit, in der das Gut an den Kunden verkauft wird, nennen. Zwei Einflussfakto80 81 82
83 84
Siehe Abb. B.18 in Kap. B, Abschn. 3.2. Vgl. Gudehus, 2005, S. 632f. und S. 885ff. Zur im Kommissionierlager einzulagernden kett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 631. Vgl. Gudehus, 2005, S. 724. Vgl. ten Hompel/Schmidt, 2008, S. 31ff.
Menge
eines
Gutes
vgl.
Hes-
122
B.3 Lagerhaus
ren, nämlich die Zugriffshäufigkeit und das Volumen der Verkaufseinheit, die sich auch miteinander kombinieren lassen, sollen im Folgenden exemplarisch beschrieben werden:85 x Zugriffshäufigkeit (Entnahme- oder Bestellhäufigkeit): Bei einer Lagerung der Güter nach diesem Einflussfaktor geht man davon aus, dass die mit der Bestellmenge der Kunden zusammenhängenden Handhabungskosten bei der Kommissionierung unabhängig vom Lagerplatz sind. Somit verändern sich mit dem Lagerplatz nur die Transportkosten, die von der zurückzulegenden Entfernung sowie von der Häufigkeit, mit der man diese Entfernung zurücklegen muss, abhängen. Man wird also bestrebt sein, die Güter umso näher am Kommissionierplatz zu lagern je größer die Zugriffshäufigkeit ist. x Volumen der Verkaufseinheit eines Gutes: Bei der Lagerung der Güter nach dem Volumen der Einheit, in der das Gut verkauft wird, werden die Artikel mit einem großen Volumen je Verkaufseinheit entfernt vom Kommissionierplatz und die Artikel mit einem kleinen Volumen je Verkaufseinheit nahe am Kommissionierplatz gelagert. Man verfolgt damit das Ziel, einen möglichst großen Prozentsatz der zu lagernden Verkaufseinheiten möglichst nahe am Kommissionierplatz zu lagern, um die zum Transport der Verkaufseinheiten zurückzulegenden Wege zu verkürzen. Bei einer Lagerung nach diesem Einflussfaktor wird zugleich vermieden, dass Güter mit den verschiedensten Abmessungen nebeneinander gelagert werden. Das hat den Vorteil, dass nebeneinander lagernde Güter im Allgemeinen auch dieselben Anforderungen an die technischen Hilfsmittel für ihre Ein- und Auslagerung und den zur Bedienung der Lagerplätze notwendigen Raum stellen. x Volumen-pro-Auftrag-Index: Dieser Index kombiniert das Volumen der Verkaufseinheit eines Gutes mit der Zugriffshäufigkeit. Er kann mit Hilfe folgender Informationen berechnet werden: (1) das Volumen der Verkaufseinheit eines Gutes, (2) die durchschnittlich pro Auftrag bestellte Anzahl von Verkaufseinheiten, (3) die Anzahl der Aufträge pro Tag, (4) die Anzahl der Tageslieferungen (Nachfrage pro Tag), die im Kommissionierlager gelagert werden sollen. Aus diesen Informationen lässt sich errechnen, welches Volumen im Kommissionierlager für die Lagerung eines jeden Gutes erforderlich ist. Dividiert man dieses Volumen durch die Zugriffshäufigkeit pro Tag, so erhält man den Volumen-pro-Auftrag-Index eines Artikels in der Form: im Kommissionierlager benötigtes Volumen/Zugriffshäufigkeit pro Tag. Der Index gibt also an, wie viel Raum im Kommissionierlager für ein Gut pro Auftrag benötigt wird. Je niedriger der Indexwert für ein Gut ist, also je kleiner das Volumen und je größer die Zugriffshäufigkeit pro Tag ist, desto näher am Kommissionierplatz im Lagerhaus wird der Artikel gelagert. Dadurch wird erreicht, dass unter Berücksichtigung des Einflusses der Zugriffshäufigkeit und des
85
Vgl. Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 626ff.
3.3
Lagerplatzzuordnung
123
Bezeichnung
Beschreibung
Effekt
Vorraussetzung
feste Lagerplatzzuordnung
jedem Artikel ist ein fester Lagerort zugewiesen
Zugriffssicherheit bei Verlust der Lagerbestandsdatei; Trennung von Warengruppen
keine
Querverteilung
mehrere Ladeeinheiten eines Artikels werden über verschiedene Gänge verteilt
Zugriffssicherheit bei Ausfall eines Regalförderzeuges
Warehouse Management System oder Zuordnungskartei; organisatorische Trennung der Gänge
vollständig freie Lagerplatzzuordnung (Einzelplatzlagerung, chaotische Lagerung)
Ladeeinheiten werden in beliebige Fächer eingeordnet
erhöhte Ausnutzung der Lagerkapazität
Warehouse Management System oder Zuordnungskartei
freie Lagerplatzzuordnung innerhalb fester Bereiche
Abb. B.19
Trennung von Warengruppen; Warehouse Ladeeinheiten Reduzierung der Management System werden nur innerhalb Kapazitätsnutzung oder vorgegebener gegenüber der Zuordnungskartei Bereiche eingelagert vollständig freien Lagerplatzzuordnung
Möglichkeiten der Lagerplatzzuordnung (Quelle: Eggenstein/Herbst/Jansen, 1981, S. 259)
zur Lagerung eines Gutes benötigten Raumes die sich mit dem Lagerplatz verändernden Transportkosten bei der Kommissionierung minimiert werden. Gibt es eine nach Güterart festgelegte Lagerplatzzuordnung nicht, so spricht man von freier Lagerplatzzuordnung, Einzelplatzlagerung oder chaotischer Lagerung. Hierbei kann jedes Gut an jedem gerade freien Platz gelagert werden. Man verfolgt dabei das Ziel, den Lagerraum optimal auszunutzen. Dieses Problem stellt sich vor allem bei einer stark schwankenden Nachfrage. Da die Güter bei der chaotischen Lagerung an zufällig freien Lagerplätzen gelagert werden, macht sie bei einer großen Anzahl von Lagerplätzen den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung zur Steuerung und Kontrolle der Ein- und Auslagerung erforderlich. Die elektronische Datenverarbeitungsanlage übernimmt es, einem einzulagernden Gut einen Lagerplatz von der erforderlichen Größe anzuweisen. Sie registriert, welches Gut, in welchen Mengen, an welchem Lagerplatz gelagert ist. Bei der Kommissionierung wird das Kommissionierpersonal teilweise automatisch zu dem Lagerplatz geleitet, an dem die gewünschte Menge des Gutes entnommen werden kann. Damit ist diese Art der Lagerplatzzuordnung häufig mit einer bestimmten Technik im Lagerhaus kombiniert.
124
B.3 Lagerhaus
3.4
Technik im Lagerhaus
Technische Lagersysteme Die im Lagerhaus einsetzbaren technischen Lager- und Transporteinrichtungen hängen von dem in einem Lagerhaus zu realisierenden technischen Lagersystem ab. Technische Lagersysteme unterscheiden sich zunächst nach der Art der Lagergüter, die in Stückgüter, Schüttgüter, Gase und Flüssigkeiten aufgegliedert werden:86 x Stückgüter sind Gegenstände, die sich während des Transportierens, Umschlagens und Lagerns als Einheit behandeln lassen und ihre Gestalt und Form während dieser Vorgänge nicht oder nur gering verändern. Zu Stückgütern gehören feste Körper unterschiedlichster Abmessungen (z. B. Bauteile oder Halbzeuge), aus einzelnen Stückgütern bestehende Lagereinheiten (z. B. beladene Paletten oder palettenlos mit einer Folie umschrumpfte Gutstapel), Schüttgüter, Flüssigkeiten oder Gase, die sich in Behältnissen befinden (z. B. Fässer oder Säcke) sowie auch die Verpackung als Leergut (z. B. Behälter oder Fässer). x Schüttgüter verändern während der Bewegungsprozesse ihre Gestalt. Es sind lose Güter in schüttbarer Form, zu denen die verschiedenartigsten körnigen und staubförmigen Güter wie Erze, Kohle, Sand, Zement, Getreide, Kaffee usw. zählen. x Gase und Flüssigkeiten sind Güter, bei denen während Transport, Umschlag und Lagerung Stoffeigenschaften berücksichtigt werden müssen, die besondere Kenntnisse aus der Chemie sowie der Verfahrenstechnik voraussetzen. Im Rahmen dieses betriebswirtschaftlich orientierten Buches wird auf technische Lagersysteme für Schüttgüter sowie Flüssigkeiten und Gase nicht eingegangen. Es wird lediglich ein knapper Überblick über technische Lagersysteme für Stückgüter gegeben, für die in Abb. B.20 eine Prinzipdarstellung zu finden ist. Bei den technischen Lagersystemen unterscheidet man zwischen dem statischen System für die Lagerung und dem dynamischen System für die Bewegung der Güter.87 Die einfachste Form eines statischen Lagers ist eine Bodenlagerung ohne Lagergestell. Von Bodenlagerung i. e. S. spricht man dann, wenn keine Stapelbildung vorliegt. Dies führt zu einer schlechten Raumausnutzung, so dass trotz fehlender Investitionen in Lagereinrichtungen hohe Investitionen pro Lagereinheit entstehen können. Den Nachteil der schlechten Raumausnutzung vermeidet die Blocklagerung, bei der das Lagergut lückenlos auf-, neben- und hintereinander gestellt wird. Hierbei ist jedoch ein direkter Zugriff zu einem beliebigen Lagergut nicht mehr gegeben. Dies ist auch nicht mehr bei der Zeilenlagerung der Fall, wenn die Lagergüter nicht nur nebeneinander, sondern auch aufeinander gestellt
86 87
Vgl. Appelt, 1997, S. 482. Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 45.
Abb. B.20
Zeilenlagerung
Zeilenlagerung
Blocklagerung
Blocklagerung
Bodenlagerung
Fachbodenregal
Fachbodenregal
Palettenregal
Palettenregal
Zeilenregallagerung
Einfahrregal
Einfahrregal
Blockregallagerung
statische Lagerung
Vertikales Umlaufregal
Durchlaufregal
Durchlaufregal
feststehende Regale bewegte Ladeeinheiten
Regallagerung
Lagermittel für Stückgut
Umlaufregal
Verschieberegal
Verschieberegal (Zeilen)
bewegte Regale, feststehende Ladeeinheiten
dynamische Lagerung
Staurollenförderer
Lagerung auf Fördermittlen
3.4 Technik im Lagerhaus 125
Prinzipdarstellung der wesentlichen technischen Lagersysteme für Stückgüter (Quelle: ten Hompel/Schmidt/Nagel, 2007, S. 56ff.)
126
B.3 Lagerhaus
werden. Für die Stapelbildung üblich sind zwei- bis vierfache Stapelungen mit Höhen bis normalerweise ca. 5 m, aber in Ausnahmefällen auch bis zu 10 m. Technisch fortschrittlicher sind statische Regallagerungen, die eine größere Lagerhöhe zulassen und auch für prinzipiell nicht aufeinander stapelbare Lagereinheiten eine bessere Raumausnutzung ermöglichen. Zudem ist in der Form der Regallagerung die Zugriffsmöglichkeit auf jede beliebige Lagereinheit gegeben. Im dynamischen Lagersystem werden die Lagergüter bewegt. Bewegungsprozesse finden einerseits statt, um das Lagergut zur Beschickung (Einlagerung) und Entnahme (Auslagerung) zu bewegen. In diesem Fall sind Lager- und Bewegungsprozesse getrennt. (Vgl. Abb. B.20, dynamische Regallagerung) Andererseits ist es möglich, dass Lager- und Bewegungsprozesse nicht klar voneinander zu trennen sind. So finden Bewegungsprozesse während der eigentlichen Lagerung statt, wenn das Lagergut im Lagergestell bzw. wenn Lagergut und -gestell gemeinsam bewegt werden. Lagerprozesse während der eigentlichen Bewegungsprozesse finden statt, wenn das Lagergut auf Transportmitteln ständig umläuft. Diese Art des dynamischen Lagers kann dann zum Einsatz kommen, wenn die vor- und nachgelagerten Stellen im Güterfluss taktmäßig nicht übereinstimmen und es sich um Güter mit hohem Mengenaufkommen und großer Umschlagshäufigkeit handelt.88 Um einen Eindruck von der technischen Vielfalt zu vermitteln, mit der die prinzipiell möglichen technischen Lagersysteme realisiert werden können, werden im Folgenden die wichtigsten Typen von Lagergebäuden, Lagergestellen und Transportmitteln einander gegenübergestellt.89 Lagergebäude Freilager: Die baulichen Maßnahmen bei Freilagern beschränken sich auf eine Befestigung des Bodens, um den Untergrund für den Einsatz von Transportmitteln zu schaffen. Geeignet sind solche Lager in erster Linie für witterungsunempfindliche Lagergüter; andernfalls müssen die Lagergüter zusätzlich gegen den Einfluss der Witterung geschützt sein (z. B. durch Schrumpffolien oder durch Abdecken mit Planen). In den meisten Fällen erfolgt die Lagerung in Form der Bodenlagerung. Flachlager: Von einem Flachlager spricht man bei einem Lagergebäude bis ca. 7 m Höhe, in das mit oder ohne Lagergestelle eingelagert wird. Etagenlager: Ein Etagenlager besteht aus mehreren Stockwerken. Der Übergang vom Flachlager zum Etagenlager kann notwendig werden, wenn bei kleinen
88 89
Vgl. ten Hompel/Schmidt/Nagel, 2007, S. 80ff. Vgl. zum Folgenden Jünemann/Schmidt, 1999, S. 41ff.; Martin, 1999; ten Hompel/Schmidt/Nagel, 2007, S. 55ff. Dort finden sich auch zahlreiche Abbildungen zur Veranschaulichung.
3.4
Technik im Lagerhaus
127
Grundstücksflächen die Lagerfläche erhöht werden soll. In der Regel sind die Stockwerke über Aufzüge miteinander verbunden. Hochregallager: Von Hochregallagern spricht man bei Lagergebäudehöhen über 12 m. Bis zu dieser Höhe spricht man teilweise noch von Hochflachlagern. In der Praxis gibt es Hochregallager bis zu einer Höhe von ca. 55 m.90 Hochregallager haben entweder einen festen Baukörper (Betonbauweise), in welche die Lagergestelle freistehend eingebracht werden oder aber die Lagergestelle werden selbst als Tragkonstruktion für Wände und Dach des Lagers benutzt. Im ersten Fall ist das Lagerhaus bilanztechnisch ein Gebäude, das im Regelfall über einen Zeitraum von 50 Jahren abgeschrieben werden kann. Im zweiten Fall ist es bilanztechnisch eine Lagereinrichtung, die in der Regel innerhalb von 10 Jahren abgeschrieben werden kann. Hochregallager sind aber in beiden Fällen Einzweckanlagen, die nicht für andere Zwecke benutzt werden können. Dies unterscheidet sie von Flach- oder Etagenlagern, die bei einer geeigneten Bauweise mit Hilfe geringer Umbaumaßnahmen auch als Produktions- oder Büroräume genutzt werden können. Traglufthallenlager: Ein solches Lager entsteht, wenn eine aus luftundurchlässigem Gewebe bestehende Hallenhaut durch ein Gebläse ballonartig über einer befestigten Grundfläche aufgespannt wird. Der Zugang erfolgt dabei über Luftschleusen. Da solche Lager schnell auf- und abgebaut werden können, sind sie vor allem als Ausweichlager geeignet. Lagergestelle Fachbodenregale: Sie bestehen aus Seitenstützen, zwischen denen durchgehende Fachböden befestigt sind, wobei sich die Fachhöhe nach dem Lagergut richtet. Gelagert werden in diesen Regalen vor allem Kleinteile. Die Bedienung der Regale erfolgt vorwiegend manuell. Typischerweise finden sich solche Regale in Flach- oder Etagenlagern. Palettenregale: Diese Regale haben keine Böden, sondern bestehen lediglich aus Seitenstützen mit Quer- oder Längstraversen zur Auflage für das palettierte Lagergut. Die Bedienung erfolgt üblicherweise mit Hilfe von Gabelstaplern, was entsprechende Gangbreiten erfordert. Einfahrregale: Sie sind ein Spezialfall der Palettenregale und dienen der Blocklagerung mit Lagergestell. Da diese Regale nur Längstraversen aufweisen, können die palettierten Güter nicht nur über- und nebeneinander, sondern auch hintereinander gelagert werden. Durchlaufregale: Dies sind dynamische Lager, in denen das Lagergut von der Beschickungs- zur Entnahmeseite kontinuierlich oder diskontinuierlich weiterbewegt wird. In der Regel wird palettiertes Lagergut entweder auf geneigten Rollenbahnen bzw. auf geneigten Laufschienen mit Rollpaletten durch die Schwerkraft oder 90
Vgl. ten Hompel/Schmidt/Nagel, 2007, S. 67.
128
B.3 Lagerhaus
mit mechanischem Antrieb auf nichtgeneigten Rollenbahnen bewegt. Bei diesen Lagergestellen ist das FIFO-Prinzip (first in first out) zwangsläufig gewährleistet und der Flächen- bzw. Raumausnutzungsgrad ist relativ hoch. Allerdings erfordern die Durchlaufregale verhältnismäßig große Investitionen. Kompaktregale: Zu den Kompaktregalen zählen Verschiebe- und Umlaufregale. Verschieberegale sind entweder kompakt nebeneinander angeordnete Fachbodenoder Palettenregale, die sich in den Bediengang herausziehen oder parallel zu ihm verfahren lassen. Auf diese Weise stehen stets nur ein bzw. zwei Regale im direkten Zugriff. Bei Umlaufregalen laufen Regaleinheiten horizontal oder vertikal um. Solche über Kettenantriebe verfahrende Umlaufregale werden typischerweise dort eingesetzt, wo beim Kommissionieren die „Ware zum Mann“ kommt und nicht umgekehrt. Bei Kompaktregalen, bei denen also die Lagergüter und -gestelle gemeinsam bewegt werden, ist ein sehr hoher Flächen- bzw. Raumnutzungsgrad gewährleistet, aber der Zugriff ist durch die technisch bedingten hohen Manipulationszeiten nicht besonders gut. Deshalb sind diese Regale nur für Güter mit niedrigen Umschlagsfrequenzen geeignet. Außerdem entspricht die Investition dem vergleichsweise hohen technischen Aufwand. Hochregale: Dies sind Fachboden- oder Palettenregale mit sehr großen Regalhöhen, die über hoch technisierte Regalbediengeräte beschickt werden. Aufgrund der großen Regalhöhen und der schmalen Bediengänge ergibt sich ein vergleichsweise guter Flächen- und Raumnutzungsgrad. Die Zugriffszeiten sind wegen des allgemein hohen Mechanisierungsgrades sehr gering. Eingesetzt werden Hochregale vor allem bei großen Gütermengen und breiten Sortimenten, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass Anpassungen bei Betriebsumstellungen nur in geringem Ausmaß möglich sind. Transportmittel Stetigförderer: Dazu zählen alle Transportmittel, mit denen Güter auf einem festgelegten und in der Regel gleichbleibenden Weg stetig in horizontaler, vertikaler oder geneigter Richtung bewegt werden. Stetigförderer haben einen geringen Energiebedarf, einen geringen Bedienungsaufwand und eine große Betriebssicherheit. Stetigförderer können sowohl flurfrei (Lastaufnahme erfolgt durch die Deckenkonstruktion des Lagerhauses) als auch flurgebunden (Lastaufnahme erfolgt durch die Bodenkonstruktion des Lagerhauses) konstruiert werden. In der Regel werden Stetigförderer als Förderbänder, Mitnehmerketten, Rollenbahnen oder auch Unterflurschleppkettenförderer flurgebunden konstruiert. Umlaufketten (Kreisförderer) oder Schaukelförderer mit festen Gehängen oder auswechselbaren Schaukeln (Power and Free) werden dagegen häufig flurfrei konstruiert. Unstetigförderer: Dazu zählen alle Transportmittel, die im sogenannten Aussetzbetrieb arbeiten. Unstetigförderer mit vorwiegend vertikalen Transportaufgaben bezeichnet man als Hubförderer. Solche mit vorwiegend horizontalen Transportaufgaben bezeichnet man als Flurförderzeuge, die ihrerseits wieder in gleisgebun-
3.4
Technik im Lagerhaus
129
dene und gleislose Flurförderzeuge untergliedert werden. Zu den gleisgebundenen Flurförderzeugen gehören z. B. die Grubenbahnen für die Förderung im Untertagebau. Zu den gleislosen Flurförderzeugen zählen die Schlepper und Anhängewagen, die keine Hubeinrichtung haben sowie die Flurfördermittel mit Hubeinrichtung, zu denen insbesondere die verschiedensten Arten von Staplern gehören. Im Gegensatz zu Flurförderzeugen steht bei Hubförderern oder Hebezeugen stets die vertikale Bewegung im Vordergrund, auch wenn sie selbstverständlich ebenso horizontale Bewegungen ausführen können. Zu den Hubförderern zählen die Laufkatze, Brückenkräne, Portalkräne und Auslegerkräne, die auch als Drehkräne bezeichnet werden, wenn sie eine Drehbewegung ausführen können. Außerdem gehört zu den Hubförderern auch der Aufzug. Regalbediengeräte: Zur Ein- und Auslagerung insbesondere von Hochregallagern wurden spezielle Transportmittel zur Arbeit in schmalen Gängen entwickelt. Diese sind prinzipiell zwangsgeführt, können aber regalunabhängig oder regalabhängig sein. Regalunabhängig arbeiten beispielsweise Hochregal- und Kommissionierstapler, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Regalganges bewegt werden können. Beide haben zur Arbeit in den schmalen Gängen die Gabel im Allgemeinen quer zur Fahrtrichtung, wobei der Kommissionierstapler zusätzlich einen hebbaren Bedienungsstand als Mitfahrgelegenheit für den Lagerarbeiter besitzt. Regalbediengeräte, die regalabhängig sind und somit nicht mehr mehrere Regalgänge bedienen können, bezeichnet man als Regalförderzeuge. Damit die Regalförderzeuge ausreichend ausgelastet sind, sind genügend lange Regalgänge und entsprechende Regalhöhen erforderlich. Regalförderzeuge werden im Allgemeinen automatisch betrieben. In der Regel sind sie über Computersysteme mit der betrieblichen Unternehmenssoftware verbunden, die der Regalsteuerung die entsprechenden Anweisungen übermittelt. Geräte zur Kommissionierung Zur Kommissionierung werden je nach Kommissionierungsprinzip sehr unterschiedliche Geräte eingesetzt. Nach dem Prinzip „Mann zur Ware“ bewegt sich der Kommissionierer zu den Bereitstellplätzen im Kommissionierlager und entnimmt die Ware manuell. Hier werden spezielle Transportmittel wie z. B. Horizontalund Vertikalkommissionierfahrzeuge sowie Kommisionierdreiseitenstapler, -regalfahrzeuge und -hängebahnen eingesetzt. Bei der Regalgestaltung sind eine Reihe von Richtlinien zu beachten, so dass beispielsweise auch für kleinere Mitarbeiter gewährleistet ist, dass sie ohne zusätzliche Hilfsmittel die höher gelegenen Lagerplätze erreichen können. Weiterhin sollten z. B. Lagerfächer nur so tief ausgeführt sein, dass für den Kommissionierer auch die Güter noch gut erreichbar sind, die in den Fächern weiter hinten gelagert werden.91 Um dem Kommissionierer die Arbeit zu erleichtern, werden häufig bei den
91
Vgl. Pfohl, 2007, S. 795.
130
B.3 Lagerhaus
manuellen Vorgängen Techniken wie Pick-by-Light oder Pick-by-Voice eingesetzt. Nach dem Prinzip „Ware zum Mann“ entnehmen die vollautomatisch gesteuerten Paletten- oder Behälterregalbediengeräte die Ladeeinheiten vom Lagerplatz und stellen sie den Kommissionierern zur Verfügung.92 Nach dem manuellen Picking transportieren die Regalbediengeräte die Ladeeinheit wieder zurück zum Lagerplatz. Beispielsweise gibt es für die Pharmabranche als Geräte zur automatischen Entnahme spezielle Schachtautomaten und Kommissionierroboter.93 Abb. B.21 gibt einen Überblick über die dargestellten Elemente eines Lagerhauses. Die Materialfluss- und Fördertechnik wird im deutschen Sprachraum auch als Intralogistik bezeichnet.94 „Die Intralogistik umfasst die Organisation, Steuerung, Durchführung und Optimierung des innerbetrieblichen Materialflusses, der Informationsströme und des Warenumschlags mit Hilfe technischer Systeme und Dienstleistungen.“95 Automatisierung im Lagerhaus Die Automatisierung der Prozesse im Lagerhaus kann in zwei Problembereiche unterteilt werden. Dies sind die Informationsverarbeitung und die Lagergutbehandlung. Beide Bereiche sind zwar untrennbar miteinander verbunden und beeinflussen sich wechselseitig, doch existieren technisch unterschiedliche Probleme. In der Informationsverarbeitung zur Steuerung und Kontrolle der statischen und dynamischen Lagersysteme besteht in erster Linie eine Herausforderung der informationstechnischen Verknüpfung der verschiedenen Systeme und Lagerhausbereiche. Deshalb müssen hier vordergründig Probleme der physischen Verknüpfung und der Standardisierung der Datenformate gelöst werden, um einen unterbrechungsfreien und automatischen Datenfluss realisieren zu können.96
92 93
94
95 96
Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 683. Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 684f. Weitere Informationen zu Kommissioniersystemen vgl. ten Hompel/Schmidt/Nagel, 2007, S. 251ff. Seit 2003 etabliert sich der Begriff Intralogistik im deutschen Sprachraum und verdrängt dabei den klassischen Begriff Materialfluss- und Fördertechnik. Arnold, 2006, S. 1. Siehe die Ausführungen zur Verknüpfung logistischer Informationssysteme bei der Auftragsabwicklung in Kap. B, Abschn. 1.4.
Abb. B.21
Elemente eines Lagerhauses Lagereinrichtungen
Blocklagerung Zeilenlagerung Blocklagerung Zeilenlagerung feststehende Regale, bewegte Ladeeinheiten bewegte Regale, feststehende Ladeeinheiten Unstetigförderer
Waagen Zählautomaten Etikettiermaschinen Rollenbahn Palettier- und Depalettiergeräte Umreifungs- und Folienschrumpfmaschinen Fahrerloses Transportsystem (FTS) Regalbediengerät Gabelstapler Elektrohängebahn
manuelle Bedienung Stetigförderer Deckenkreisförderer
Freilager Flachlager Etagenlager Hochregallager Traglufthallenlager Bunker-/Silo/Tanklager
Lagergebäude
Lagergebäude und -einrichtungen
Einrichtung für Nebenaufgaben wie Wiegen, Zählen, Codieren etc.
feste Lagerplatzzuordnung Querverteilung über verschiedene Gänge freie Lagerplatzzuordnung innerhalb fester Bereiche vollständig freie Lagerplatzzuordnung (chaotische Lagerung)
Lagerplatzzuordnung
Einrichtungen (Bediengeräte) zum Ein- und Auslagern sowie zum Umschlag
Wareneingang Einheitenlager Sortier- oder Kommissionierlager (Verpackung) Warenausgang Lagerverwaltung
Lagerhausbetrieb
Lagerung auf Fördermitteln
Regallagerung
Bodenlagerung
Einrichtungen zur Lagerung
produktionsorientiert transportorientiert beschaffungsorientiert absatzorientiert
Lagerhausstandort
Lagerhaus
3.4 Technik im Lagerhaus 131
132
B.3 Lagerhaus
Die Lagergutbehandlung beinhaltet alle Bewegungsprozesse zur Ein- und Auslagerung der Güter sowie ihren Transport zwischen verschiedenen Lagerhausbereichen. Die Möglichkeiten zur Automatisierung der Ein- und Auslagervorgänge hängen zum einen von der Homogenität der Lagereinheiten ab, z. B. können Güter ausschließlich auf Paletten oder sie können in verschiedenen Lagereinheiten wie Säcken, Fässern, Kisten etc. gelagert werden. Zum zweiten hängen die Möglichkeiten zur Automatisierung auch von den Kommissionieranforderungen ab. Im einfachsten Fall werden lediglich homogene Lagereinheiten, z. B. Paletten, zu Sendungen zusammen gestellt, so dass eine Automatisierung der Prozesse vergleichsweise einfach zu realisieren ist. Beispiele hierfür sind moderne Hochregallager, die vollautomatisch alle Bewegungsprozesse abwickeln. In komplizierten Fällen müssen allerdings heterogene Lagereinheiten zusammengefasst oder gar große Lagereinheiten zerteilt und neu zusammengestellt werden, z. B. die Verteilung voll beladener Paletten auf Teillieferungen an verschiedene Filialen. In diesen Fällen ist eine Automatisierung der Lagergutbehandlung ungleich schwieriger. Oftmals erfolgt die Lagergutbehandlung dann nur teilautomatisiert, z. B. bei Ware-zu-Mann-Kommissionierung und Pick-by-Light-Unterstützung97 oder gar vollständig manuell (vgl. Abb. B.22). Dagegen bestehen beim reinen Transport der Lagergüter zwischen den Lagerhausbereichen und ihrer Anlieferung am Kommissionierplatz keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Transport großer Lagereinheiten und kleinerer Mengeneinheiten. Die kleineren Mengeneinheiten werden in kodierten Sammelbehältern transportiert, so dass sich beispielsweise beim Transport auf Stetigförderern die gleichen Automatisierungsanforderungen ergeben wie bei großen Lagereinheiten.98 Bei der Verknüpfung der verschiedenen Automatisierungssubsysteme existieren nicht nur Herausforderungen bei der Standardisierung der Kommunikation hinsichtlich der Datenformate, sondern auch bei der physischen Verknüpfung dieser Systeme über technische Schnittstellen. An solchen Schnittstellen treffen verschiedene technische Zonen, wie z. B. die Computersteuerung und die zu steuernden Transportmittel, aufeinander. Häufig treten gerade an diesen Schnittstellen technische Störungen auf, die sich auf den gesamten automatischen Lagerhausbetrieb auswirken können, weil ohne funktionierende Schnittstellen die verschiedenen Subsysteme nicht mehr aufeinander abgestimmt werden können. Die Gefahr von Störungen an diesen Schnittstellen bzw. die Auswirkungen von Störungen lassen sich dadurch verringern, dass bei der Einführung der Automatisierung ein Unternehmen die Verantwortung für die gesamte Anlage übernimmt und nicht nur jeweils für eine bestimmte technische Zone. Außerdem kann neben der computerbasierten Steuerung und Kontrolle der Betriebsmittel noch eine zentrale, manuell zu bedienende Steuerung und Kontrolle eingerichtet werden. So 97 98
Siehe Geräte zur Kommissionierung im vorherigen Abschnitt. Zu den grundsätzlichen Möglichkeiten der Automatisierung der Kommissionierung vgl. ten Hompel/Schmidt/Nagel 2007, S. 119ff.
3.4
Abb. B.22
Technik im Lagerhaus
133
Oben ist ein Beispiel für ein vollautomatisches Lager mit Regalbediengeräten und Umsetzer abgebildet. Unten wird der Ablauf bei teilautomatisierter Kommissionierung durch Pick-by-Light bzw. Put-to-Light dargestellt. (Quelle: In Anlehnung an ten Hompel/Schmidt/Nagel 2007, S. 194 und S. 294)
kann z. B. bei einem Computerausfall der Betrieb teilweise aufrecht erhalten werden. Voraussetzung für ein störungsfrei arbeitendes, automatisiertes Lagerhaus ist nicht zuletzt eine Verpackung der Lagergüter, die die hohen Anforderungen für einen automatischen Güterumschlag erfüllt.
134
B.4 Verpackung
4
Verpackung
4.1
Definition und Funktionen der Verpackung
Definition Unter Verpackung versteht man die lösbare, vollständige oder teilweise Umhüllung eines Gutes (Packgutes), um dieses zu schützen oder andere Funktionen zu erfüllen. 99 Der Verpackungsvorgang wird als Verpackungsprozess bezeichnet. Packgut, Verpackung und Verpackungsprozess bilden zusammen das Verpackungssystem. Die Verpackung selbst ist nach der Norm DIN 55 405 eine Einheit gebildet aus dem Packmittel und dem Packhilfsmittel, die aus verschiedenen Packstoffen bestehen.100 Der Packstoff ist der Werkstoff, aus dem Verpackungen hergestellt werden. Das Packmittel ist das Erzeugnis aus dem Packstoff, das dazu bestimmt ist, das Packgut zu umschließen oder zusammenzuhalten. Packhilfsmittel ist ein Sammelbegriff für Hilfsmittel, die zusammen mit Packmitteln zum Verpacken, Verschließen, Versandfertigmachen usw. eines Packgutes dienen. Es ist oft nützlich, diese einzelnen Verpackungselemente gesondert zu betrachten. Denn jedes dieser Elemente hat seinen spezifischen Einfluss auf das Verpackungssystem. Die Anwendung eines neuen Klebebandes kann beispielsweise das Verschließen des Packmittels im Verpackungsprozess erleichtern. Die Unfallgefahr kann bei der Handhabung der Verpackung durch die Umreifung des Packmittels mit Kunststoffbändern statt mit Stahlbändern herabgesetzt werden. Funktionen Welche Eigenschaften eine Verpackung aufzuweisen hat, hängt von den von ihr zu erfüllenden Funktionen ab.101 Grundsätzlich lassen sich folgende vier Funktionsbereiche unterscheiden: Produktionsfunktionen: Die Verpackung ermöglicht die mengenmäßige Bereitstellung des Produktionsinputs und die mengenmäßige Aufnahme des Produktionsoutputs am Produktionsort. Durch die Wahl einer geeigneten Verpackung (z. B. Container) kann ohne weitere zwischengeschaltete Umschlagsvorgänge direkt aus der Verpackung bzw. direkt in die Verpackung produziert werden. Marketingfunktionen: Bei vielen Produkten ist die Verpackung ein wesentlicher Bestandteil der Produktpolitik, durch die ein Produkt von Konkurrenzprodukten unterscheidbar gemacht wird. Aber auch im Bereich der Kommunikationspolitik
99 100 101
Vgl. Isermann, 1996, Sp. 2162ff. Vgl. Deutsches Institut für Normung, 2006. Vgl. Isermann, 1997a, S. 1230f.; Jünemann/Schmidt, 1999, S. 8f.
4.1
Definition und Funktionen der Verpackung
135
können der Verpackung als Werbeträger oder bei der Verkaufsförderung wichtige Funktionen übertragen werden.102 Verwendungsfunktionen: Hierzu zählt die Wiederverwendung der Verpackung beim Kunden oder die Verwendung für andere Zwecke. Durch die zwingende Berücksichtigung ökologischer Wirkungen wird die umweltgerechte Gestaltung der Verpackung zu einer wesentlichen Anforderung.103 Dieser entspricht die Möglichkeit zur umweltgerechten Entsorgung bzw. die Mehrwegfähigkeit einer Verpackung. Die Wiederverwendung trägt aber auch dem Vermeidungsgedanken Rechnung.104 Logistikfunktionen: Die Verpackung soll die Wahrnehmung der anderen Logistikprozesse erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Die Logistikfunktionen der Verpackung werden im Folgenden erörtert: x Schutzfunktion: Der Schutz des Gutes durch die Verpackung wird oft als die wichtigste logistische Funktion der Verpackung angesehen. Es gehört zu einem guten Service, dass die bestellte Ware beim Empfänger im richtigen Zustand ankommt. Die Verpackung soll das Gut bei der Auslieferung gegen mechanischen (Druck, Stoß) und klimatischen Belastungen (Feuchtigkeit, Temperatur) schützen. Der Verpackungsschutz des Gutes erstreckt sich jedoch nicht nur auf qualitative, sondern auch auf quantitative Verluste. Hierbei geht es vor allem darum, dass die Verpackung den Diebstahl der verpackten Güter möglichst erschwert. Neben dem Schutz des Packgutes umfasst die Schutzfunktion der Verpackung auch den Schutz der Umgebung. Die Verpackung soll die bei der Auslieferung des Gutes eingesetzten Menschen und technischen Hilfsmittel sowie die anderen auszuliefernden Güter vor Schäden bewahren, deren Verursacher ein unverpacktes Gut sonst sein könnte. x Lagerfunktion: Von der Verpackung wird verlangt, dass sie die Lagerung eines Gutes erleichtert. Das bedeutet zunächst, dass die Verpackung stapelfähig sein soll. Form und Abmessungen müssen ein direktes Aufeinandersetzen der einzelnen Verpackungen erlauben. Die Haftreibung zwischen den aufeinandergestapelten Verpackungen muss genügend groß sein, um einen stabilen Stapel zu gewährleisten. Stapelfähigkeit setzt auch voraus, dass die Verpackung stark genug ist, um die von der Stapelhöhe abhängige Gewichtsbelastung durch die auf sie gestapelten anderen Verpackungen auszuhalten. Die Verpackung muss ferner den Beanspruchungen in den Lagereinrichtungen, etwa in einem Durchlaufregal, gewachsen sein. Durch die Verpackung soll eine gute Lagerraumausnutzung ermöglicht werden. Der Erleichterung der Lagerung dient auch die Abstimmung der Verpackungsabmessungen mit denen der Lagerbehälter. Ein 102 103
104
Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 671f. Zur Ökologieorientierung in der Verpackungsgestaltung vgl. Teller, 1991, S. 936; Isermann, 1996, Sp. 2170ff. Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 702.
136
B.4 Verpackung
oft übersehener Aspekt der Lagerfunktion der Verpackung ist die Forderung nach rationeller Lagermöglichkeit des Packmittelvorrates (z. B. durch zusammenlegbare Schachteln). x Transportfunktion: Die Verpackung hat die Aufgabe, den Transport eines Gutes zu erleichtern bzw. das Gut überhaupt erst transportfähig zu machen. Bei möglichst geringem Gewicht der Verpackung sollen deren Form und Abmessungen eine optimale Nutzung des Transportraumes gestatten. x Manipulationsfunktion: Durch die Verpackung sollen die Güter zu solchen Einheiten zusammengefasst werden, die ihre Handhabung bei der Auslieferung erleichtern. Form und Abmessungen der Verpackungseinheiten müssen auch den Einsatz technischer Hilfsmittel wie Gabelstapler oder Regalbedienungsgeräte ermöglichen, um die Manipulationsvorgänge rationalisieren zu können. Manipulationsvorgänge sind stets zwischen Lagerungs- und Transportphase eines Gutes geschaltet, so dass die Bildung von Verpackungseinheiten auch immer unter Berücksichtigung der Lager- und Transportfunktion zu erfolgen hat. Wird die Ware manuell umgeschlagen, so macht die Manipulationsfunktion der Verpackung auch eine griffige Verpackung (z. B. raues Papier) bzw. Grifflöcher oder eine leicht zu fassende Verschnürung erforderlich, um die Handhabung nicht unnötig zu erschweren. x Informationsfunktion: Die Informationsfunktion der Verpackung ist besonders für die Auftragszusammenstellung wichtig. Die Verpackungen sind so zu kennzeichnen (z. B. durch Farbe oder Aufschriften), dass der Auftragszusammensteller im Lagerhaus die gewünschten Produkte leicht identifizieren kann. Ferner sind Verpackungen für zerbrechliche, verderbliche oder ähnliche Produkte, die eine besondere Behandlung bei der Auslieferung erfordern, durch Bilder, Zeichen oder Erläuterungen deutlich zu kennzeichnen. Informationen auf der Verpackung können zu einer Verminderung der Begleitpapiere führen. Bei einer Automatisierung von Transport- und Umschlagsprozessen ermöglichen geeignete Informationen auf der Verpackung ein automatisches Erkennen des Produktes. Dies geschieht z. B. durch Barcodes, die von automatischen Lesevorrichtungen erkannt werden. 105 Zu beachten sind dabei die Leistungsmerkmale der in der Transportkette zum Einsatz kommenden Leseeinheiten, die häufig nicht in der Lage sind, alle Seiten der Verpackung zu scannen. Entsprechend müssen die Barcodes auf bestimmten oder auch auf mehreren Seiten der Verpackung aufgebracht werden. Durch die Entwicklung der RFIDTechnologie ist es heute möglich, wichtige Informationen in Transpondern zu speichern, die an oder in der Verpackung befestigt werden. Das Arbeitsprinzip der RFID-Technologie in der Logistik wird im Kap. B, Abschnitt 1.3 behandelt. Die verschiedenen logistischen Funktionen der Verpackung sind ein hervorragendes Beispiel für die im Bereich der Logistik bestehenden Interdependenzen. 105
Zur umfassenden Darstellung von Barcodes vgl. Jünemann/Beyer, 1998, S. 90ff.
4.2
Verpackungsaufgaben
137
Die Verpackung darf deshalb immer nur als Bestandteil des gesamten Logistksystems angesehen werden.106 Die richtige Einschätzung der Verpackung für die Logistik kann sowohl einen Beitrag zur Senkung der gesamten Logistikkosten als auch zur Erhöhung des Versorgungs- bzw. Lieferserviceniveaus leisten. Die Verpackung – als eine sehr wichtige Komponente des Service – hat nicht nur Einfluss auf den Zustand der ausgelieferten Güter. Sie kann auch eine rationellere, schnellere Auslieferung der Ware ermöglichen, also durch eine Verkürzung der Lieferzeit den Service beeinflussen. Nicht zuletzt wird ein Kunde den Service seiner Lieferanten auch danach beurteilen, inwieweit sich diese bei der Zusammenfassung der Güter durch die Verpackung zu Liefereinheiten nach seinen Bedürfnissen richten.
4.2
Verpackungsaufgaben
Verpackungsgestaltung Da die Verpackung Funktionen bei der Produktion, dem Marketing, der Verwendung und der Logistik zu erfüllen hat, kann das gesamte Verpackungsproblem nur durch ein Verpackungsteam gelöst werden, in dem Fachleute aus den verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten. Zu einer Analyse des Verpackungssystems gehört zunächst die Erfassung aller Anforderungen, die in den vier Funktionsbereichen der Verpackung an diese gestellt werden.107 Danach muss geprüft werden, inwieweit diese Anforderungen durch ein Verpackungssystem erfüllt werden und welche Kosten damit verbunden sind. Die an die Verpackung gestellten Anforderungen aus den verschiedenen Funktionsbereichen können miteinander konkurrieren, wie aus Abb. B.23 hervorgeht. Deshalb muss bei der Verpackungsgestaltung ein Kompromiss gefunden werden, der alle Funktionsbereiche berücksichtigt. Soll ein Funktionsbereich aus einem bestimmten Grund dominieren, so sind ihm die in den anderen Funktionsbereichen der Verpackung dadurch entstehenden Mehrkosten anzulasten.
106 107
Vgl. Jansen, 1987, S. 28. Vgl. Isermann, 1996, Sp. 2164ff.
138
B.4 Verpackung
Verpackungsfunktionen
Anforderungen an die Verpackung temperaturbeständig dicht korrosionsbeständig staubfrei chemisch neutral mengenerhaltend schwer entflammbar
Schutzfunktion
formstabil stoßfest stoßdämpfend druckfest reißfest Lager- und Transportfunktion
stapelbar rutschfest genormt handhabbar automatisierungsfreundlich unterfahrbar einheitenbildend raumsparend flächensparend ökonomisch
Verkaufsfunktion
Identifikations- und Informationsfunktion
werbend informativ identifizierbar unterscheidbar leicht zu öffnen wiederverschließbar
Verwendungsfunktion
Abb. B.23
wiederverwendbar ökologisch entscheidungsfreundlich hygienisch
Zuordnung der Anforderungen an die Verpackung zu den Verpackungsfunktionen (Quelle: Jünemann/Schmidt, 1999, S. 9)
Die Anforderungen an die Verpackung sind von unterschiedlichen Einflussgrößen abhängig, wie Abb. B.24 darstellt. Der primäre Einflussfaktor ist immer das Packgut mit seinen Produkteigenschaften, von denen man auszugehen hat und denen sich neben der Verpackung auch der Verpackungsprozess anzupassen hat. Zwischen dem Packgut, der Verpackung und dem Verpackungsprozess besteht ein sehr enger Zusammenhang. Schon bei der Gestaltung des Gutes sind deshalb die entstehenden logistischen Verpackungsprobleme zu bedenken.108 Gerade weil jedoch das Gewicht, die Sper108
Siehe auch Kap. C, Abschn. 3.2.
4.2 gesetzliche Vorgaben
Verpackungsaufgaben
Ökonomie
Vormaterialverpackung Einzelverpackung Sammelverpackung Versand-/Transportverpackung
Ökologie
139
Produkteigenschaften
Marketing
Verbraucher Logistik
Abb. B.24
Einflüsse auf die Gestaltung der Verpackungsarten (Quelle: Mit geringfügigen Änderungen entnommen aus Frerich-Sagurna, o. J., S. 21)
rigkeit, die Zerbrechlichkeit, die Form oder sonstige verpackungstechnische Eigenschaften des Gutes einen großen Einfluss auf das gesamte Verpackungssystem haben, können sich schon geringfügige Änderungen in der Beschaffenheit eines Gutes als sehr vorteilhaft für das Verpackungssystem erweisen. Oftmals werden durch solche Änderungen die für den Käufer wesentlichen Eigenschaften des Gutes in keiner Weise beeinträchtigt. In Abhängigkeit vom vorliegenden Packgut gibt es eine Fülle von gesetzlichen und quasi-gesetzlichen Rahmenfaktoren, die bei der Verpackungsgestaltung zu beachten sind.109 Beispielsweise gibt es Vorschriften über die Form, Maße und Verpackung eines Produktes aus dem Eichgesetz und der Fertigverpackungsverordnung. Die Eisenbahn- und Kraftverkehrsordnung enthält Vorschriften über die Art des Verpackungsmaterials und die Größe, Farbe und Aufschrift von Etikettierungen gefährlicher Güter. Entsprechend der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung liegen Bestimmungen zur textlichen und graphischen Gestaltung der Verpackung mit dem Verbot der textlichen Irreführung auf der Verpackung vor. Die Zugabenverordnung enthält Einschränkungen bezüglich des Zweitnutzens einer Verpackung, also im Hinblick auf ihre Verwendungsfunktion. Verpackungsprozess Der Verpackungsprozess beinhaltet die Gesamtheit der zum Verpacken des Gutes notwendigen Arbeitsschritte von der Zuführung der leeren Verpackung und des Packgutes zum Verpackungsplatz über die verschiedenen Stufen des eigentlichen 109
Vgl. Isermann, 1996, Sp. 2166.
140
B.4 Verpackung
Packvorganges bis zur Bereitstellung der Verpackungseinheiten zum Abtransport vom Verpackungsplatz.110 Zu den Aufgaben, die im Zusammenhang mit dem eigentlichen Packvorgang wahrgenommen werden müssen, gehören auch das Signieren bzw. Etikettieren. Durch eine ablauforganisatorische Analyse lassen sich große Rationalisierungserfolge beim Verpacken erzielen. Die Aufgabe einer solchen Analyse ist es, einen Überblick über alle beim Verpacken anfallenden Arbeitsteile als kleinste Einheiten im Verpackungsprozess zu geben und durch eine geeignete Synthese dieser Arbeitsteile zu Arbeitsgängen, die man Arbeitsträgern (Mensch oder Maschine) zuordnen kann, Rationalisierungspotentiale aufzuzeigen. So ist es z. B. möglich, durch eine andere Zusammenfassung von Arbeitsteilen im Verpackungsprozess eine schnellere Beschickung einer Verpackungsmaschine zu erreichen, was zu einer besseren Kapazitätsausnutzung dieser Maschine führt und den gesamten Verpackungsprozess beschleunigt. Selbstverständlich ist hierbei noch zu prüfen, ob die Reißfestigkeit des Packstoffs überhaupt ein schnelleres Laufen der Verpackungsmaschine zulässt. Schon dieses kleine Beispiel zeigt den engen Zusammenhang, der zwischen den einzelnen Komponenten des Verpackungssystems besteht. Der Einsatz von Verpackungsmaschinen zum Aufstellen oder Formen der Verpackungen, zur Ausführung des Füll- und Verschließprozesses bis hin zum automatisierten Verpacken hängt ganz wesentlich von der Beschaffenheit des Packgutes und der zu verpackenden Gütermenge ab. Andererseits verlangen Verpackungsmaschinen auch eine genaue Abstimmung auf die Form der Verpackung und stellen ganz andere Anforderungen an die Maßtoleranzen der Verpackung als das manuelle Verpacken. Für die Verpackungsmaschine ist die Vermeidung selbst von verhältnismäßig geringfügigen Abweichungen bei der Form und bei den Abmessungen der Verpackungen unumgänglich. Verpackungsverordnung Die Verpackungsverordnung unterscheidet verschiedene Verpackungsarten. Die Transportverpackung hat vor allem eine Schutzfunktion und soll die Ware auf dem Weg vom Hersteller zum Vertreiber vor Schäden bewahren. Die Verkaufsverpackung dient dem Transport vom Handel zum Endverbraucher und ggf. auch zur Lagerung bis zum endgültigen Verbrauch. Bei der Umverpackung handelt es sich um Folien, Kartonagen oder ähnliche Umhüllungen, die dazu dienen, die Abgabe der Ware im Wege der Selbstbedienung zur ermöglichen, die Diebstahlmöglichkeiten zu senken bzw. zu verhindern oder Werbung zu ermöglichen.111 110 111
Vgl. Isermann, 1997b, S. 1238ff. Vgl. Rummler/Schutt, 1991, S. 155f.; Strecker/Berndt, 1992, S. 25f. Die Verpackungsverordnung enthält im Wesentlichen Regelungen über die Rücknahmepflichten für die jeweiligen Verpackungsarten und ist die Grundlage für mögliche Pfandregelungen. Sie war Grundlage für die Gründung der DUALES SYSTEM DEUTSCHLAND GESELLSCHAFT FÜR ABFALLVERMEIDUNG UND SEKUNDÄRROHSTOFFGEWINNUNG MBH (grüner Punkt). Siehe
4.3
Logistische Einheiten
141
Die verschiedenen Verpackungsarten können unterschiedliche Anforderungen an die Eigenschaften von Packmitteln und Packstoffen stellen. Die Reißfestigkeit des Packstoffes beeinflusst etwa die Einsatzmöglichkeit von Verpackungsmaschinen im Verpackungsprozess und vom Reibungsverhalten des Packstoffes hängt zum Teil die Stapelfähigkeit der Verpackung ab. Einheitliche Form und Abmessungen des Packmittels erleichtern sowohl den Verpackungsprozess als auch den Transport und die Lagerung der Packgüter. Der Vorteil der einheitlichen Form und Abmessung eines Packmittels wird noch am Beispiel der Palette gezeigt, die eine der bekanntesten Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten ist.
4.3
Logistische Einheiten
Begriff und Aufgabe logistischer Einheiten Mit „Bildung logistischer Einheiten“ soll der Vorgang bezeichnet werden, der im angelsächsischen Sprachgebrauch treffend und knapp Unitization genannt wird. Man spricht daher auch vom Unit-Load-Konzept. Darunter ist die Zusammenfassung der auszuliefernden Güter zu größeren Einheiten zu verstehen. Obwohl nicht jede Packung eine logistische Einheit ist, gehört eine solche Zusammenfassung zu den logistischen Funktionen der Verpackung. Der grundlegende Gedanke dabei ist, dass sich der Güterfluss vom Lieferanten zum Kunden bei einem gegebenen Volumen um so reibungsloser gestalten lässt, aus je weniger Bestandteilen er sich zusammensetzt. Denn das hat zur Folge, dass weniger Handhabungs-, Mess- und Zählvorgänge erforderlich sind. Bei der Zusammenfassung von Gütern zu bestimmten Einheiten spricht man in der deutschen Literatur von Lager-, Transport-, Verpackungs-, Lade-, Bestelleinheiten usw. und fordert für den Idealfall die Identität dieser Einheiten.112 Die verschiedenen Begriffe zeigen, dass die Bildung von Einheiten für alle Phasen des Güterflusses vom Liefer- zum Empfangspunkt von Bedeutung ist. Fehlendes systemanalytisches Denken bei der Auslieferung der Güter verhindert oft, dass dies gesehen wird. Hat man die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bereichen im Logistiksystem erkannt, ergibt sich als logische Folgerung daraus die Notwendigkeit einer möglichst weitgehenden Gleichheit der Einheiten für diese Bereiche. Das wird sich in der Praxis oft nicht konsequent durchhalten lassen, sollte jedoch als Zielvorstellung immer angestrebt werden. Denn die logistische Einheit ist das Bindeglied zwischen den einzelnen Phasen des Güterflusses. Die Entscheidungen in allen Bereichen der Logistik betreffen letzten Endes diese Einheit, die – je nachdem, welche Phase des Güterflusses man betrachtet – z. B. die Funktionen einer Lagereinheit, einer Transporteinheit oder einer Ladeeinheit zu erfüllen hat. Der Begriff logistische Einheit soll die zentrale Bedeutung dieser Einheit für das
112
auch das verrichtungsspezifische Subsystem der Entsorgungslogistik in Kap. C, Abschn. 5.2. Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 702ff.
142
B.4 Verpackung
gesamte logistische System hervorheben. Die Zusammenfassung von Gütern zu bestimmten Einheiten, die durch das logistische Netzwerk bewegt werden sollen, ist ein logistisches Problem und nicht etwa nur ein Transport- oder Handhabungsproblem. Das logistische System des Unternehmens ist kein in sich abgeschlossenes System, sondern es bestehen vielfältige Beziehungen zu den Kunden und zu den Logistikunternehmen, deren Dienste in Anspruch genommen werden. Die Zusammenfassung der Güter zu größeren Einheiten setzt deshalb immer eine Absprache mit den Kunden und Logistikunternehmen voraus. Bei einer Vielzahl von Kunden und Logistikunternehmen bedeutet dies, dass die zu bildenden Einheiten in Form und Abmessungen standardisiert sein müssen. Somit lässt sich der Begriff der logistischen Einheit folgendermaßen präzisieren: Logistische Einheiten entstehen durch die Zusammenfassung von Gütern zu in Form und Abmessungen standardisierten Einheiten mit dem Ziel, den Güterfluss zu vereinfachen und die dabei anfallenden Kosten zu senken. Der Güterfluss durch das logistische Netzwerk entsteht dadurch, dass Lager-, Verpackungs-, Handhabungs-, Kontroll- und Transportvorgänge aneinandergereiht werden. Die Aneinanderreihung wird auch oft als Transportkette bezeichnet.113 Die Bildung von logistischen Einheiten ist Voraussetzung für eine rationelle Transportkette.114 Das bedeutet, dass die Folgenden wichtigen Grundsätze zu beachten sind: x Zusammenfassung der Güter zu größeren Einheiten, x Standardisierung der Einheiten in Form und Abmessungen, x Erleichterung des Einsatzes mechanischer Mittel bei den Manipulationsvorgängen, x Stapelfähigkeit der Einheiten, x Wahl der Einheit, die eine weitgehend ununterbrochene Transportkette vom Lieferanten zum Kunden ermöglicht.115 Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten Im Prinzip kann jede Verpackung dazu dienen, eine logistische Einheit zu bilden. Im Grenzfall stellt ein nur mit einer Kunststofffolie umhülltes Packgut, das ein genügend großes Gewicht und Volumen hat und dessen Form und Abmessungen den Einsatz mechanischer Mittel bei den Manipulationsvorgängen und das Bilden von Stapeln erlauben, selbst eine logistische Einheit dar. Für Sackstapel bietet sich die Bildung logistischer Einheiten durch ein Umschrumpfen mit Kunststofffolie an, wodurch Schrumpfpakete entstehen, die sich genauso gut handhaben lassen wie palettierte Sackstapel. Ferner ist es z. B. bei Baumaterialien möglich, logisti113 114 115
Siehe Kap. B, Abschn. 5.2. Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 20f. Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 21f.; Isermann, 1998b, S. 245.
4.3
Logistische Einheiten
143
sche Einheiten dadurch zu bilden, dass sie mit Hilfe von Schnüren oder Bändern zu in Form und Abmessungen standardisierten Einheiten paketiert werden. Eine derartige paketierte Einheit kann man mit Untersätzen (Füßen, Pallhölzern) versehen, so dass eine Art Palette entsteht. Die verschiedenen Arten von Paletten, Faltkisten, Kleinbehältern und Großbehältern vermitteln einen Eindruck von der Vielfalt der Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten. In Abb. B.25 sind die grundsätzlichen Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten zusammengestellt. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten im Einzelnen darzustellen und miteinander zu vergleichen. Deshalb sollen exemplarisch nur die Palette und der Container etwas ausführlicher behandelt werden. Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Wahl der logistischen Einheit wird jedoch immer sein, welche Einheit eine weitgehend ununterbrochene Transportkette erlaubt. logistische Einheit
Packgut
Großbehälter
Abb. B.25
Behälter
Kleinbehälter
Paletten
Boxpalette
paketierte Einheiten
Flachpalette
Rungenpalette
Grundsätzliche Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten
Palette116 Nach DIN 15 145 und DIN 55 405 wird die Palette definiert als eine „tragbare Plattform mit oder ohne Aufbau, die dazu dient, Güter zusammenzufassen, um eine Ladeeinheit zum Befördern, Lagern und Stapeln mit Flurförderzeugen oder anderen mechanischen Einrichtungen zu bilden. Sie ist mit Einrichtungen zum Unterfahren durch die Einführungsorgane von Flurförderfahrzeugen (Gabelstapler, Gabelhubwagen usw.) versehen; die Unterfahrhöhe beträgt in der Regel etwa 100 mm.“117 Diese Definition des Deutschen Normenausschusses weist die Palette als typische logistische Einheit aus. In ihr wird direkt auf die Funktionen der Palette 116 117
Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 22ff. Deutsches Institut für Normung, 1987.
144
B.4 Verpackung
als Transport-, Lager-, Lade- oder Manipulationseinheit hingewiesen. Diese Funktionen der Palette sind weithin bekannt und sie wird unter diesen Gesichtspunkten bereits in vielen Bereichen von Industrie und Handel zur Rationalisierung der Auslieferung von Gütern eingesetzt. Ebenfalls weit verbreitet ist die Palette als Verpackungseinheit. Es ergeben sich hierbei im Wesentlichen drei Vorteile, die den Packstoff, die Packzeit und die Verpackungsmaschine betreffen. Die Packstoffkosten können gegenüber den Kosten bei der sonst üblichen Verpackung, bei der die Palette nicht als Verpackungseinheit benutzt wird, sinken. Wenn man halbautomatisch palettiert und in gleicher Weise auflöst, ist es möglich, die Packzeit zu verkürzen. Nimmt man eine Kartonverpackungseinheit und die Palette beispielsweise nur als Transporteinheit, so ist eine Anlage für Kartonverpackung und Palettierung erforderlich. Benutzt man die Palette auch als Verpackungseinheit, so machen die durch die notwendigen Maschinen und Einrichtungen zum Palettieren und zum Entpalettieren entstehenden Kosten nur ungefähr die Hälfte der Kosten einer Anlage für Kartonverpackung und Palettierung aus. Diskutiert man die Palette als logistische Einheit, so muss vor allem auch ihre Funktion als Liefereinheit (Versandeinheit, Verkaufseinheit) gesehen werden. Deshalb kann die Wahl der logistischen Einheit nur in engem Kontakt mit dem Kunden erfolgen. Der Kunde muss mit der durch die Palette zusammengefassten Gütermenge einverstanden sein. Die Einrichtungen zur Manipulation der Paletten und zu ihrer Lagerung (Palettenregale) müssen bei ihm vorhanden sein. Diese Einrichtungen machen auch eine Abstimmung über die Abmessungen der Palette erforderlich. Die Paletten lassen sich nach bestimmten Unterscheidungsmerkmalen in verschiedene Palettenarten aufgliedern.118 In Abb. B.25 wird aufgrund der Konstruktion der Palette mit oder ohne Aufbau zwischen Flachpalette, Rungenpalette, Rollpalette, Boxpalette und Palette mit faltbarem Aufsetzrahmen unterschieden. Während die Flachpalette nur eine tragbare Plattform darstellt, sind bei der Rungenpalette an den Ecken Pfosten angebracht, auf die zur Stapelbildung eine weitere Palette aufgesetzt werden kann. Rollpaletten sind Flachpaletten mit Rolluntersätzen, die oft in Durchlauf- und Einschubregallagern verwendet werden. Die Boxpalette hat an mindestens drei Seiten senkrechte Wände und kann mit einem Deckel versehen sein. Eine Palette mit faltbarem Aufsetzrahmen besitzt ähnliche Charakteristika wie eine Boxpalette. Vorteilhaft ist der faltbare Aufsetzrahmen, der beim Leertransport einen wesentlich geringeren Raum einnimmt.119 In der Vielzahl der angebotenen Palettenarten kommt zum Ausdruck, dass man sich bei der Wahl der Palette als logistische Einheit sehr stark den spezifischen Erfordernissen bei der Auslieferung eines Gutes anpassen kann. Gleichzeitig wird aber auch die Notwendigkeit der Vereinheitlichung der Abmessungen der Paletten deutlich. Denn nur so kann die Palette die Funktionen einer logistischen Einheit 118 119
Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 22ff. Vgl. ten Hompel/Schmidt/Nagel, 2007, S. 25ff.
4.3
Logistische Einheiten
145
während der Auslieferung der Güter beim Lieferanten, beim Kunden und bei den Logistikunternehmen erfüllen. Durch Normung versucht man, die Abmessungen der Paletten mit den Abmessungen der für ihre Lagerung und Handhabung sowie ihren Transport notwendigen technischen Hilfsmittel abzustimmen und die Zahl der Typen zu verringern. Um die Vorteile der Palettierung durch die Möglichkeit des zwischenbetrieblichen Austausches von Paletten voll nutzen zu können, wurden durch Normen neben den Abmessungen auch schon genaue Einzelheiten in Bezug auf Werkstoff und Konstruktion festgelegt. Eine derartige Vereinheitlichung ist in noch größerem Umfang anzustreben als bisher, um die Freizügigkeit des Paletteneinsatzes weiter zu steigern. Werden von Lieferanten, Kunden und Logistikunternehmen einheitliche Paletten eingesetzt, so können zwischen ihnen die Paletten Zug um Zug, also eine volle Palette gegen eine leere, ausgetauscht werden. Ein solcher Austausch der Palette kann innerhalb eines Palettenpools verwirklicht werden, dem Lieferanten, Kunden und Logistikunternehmen angehören. Es entsteht dadurch ein einheitliches Palettensystem, in dem eine Palette als logistische Einheit innerhalb des gesamten Absatzkanals so lange wie möglich erhalten bleibt. Hierbei gelangt die logistische Einheit durch Transportvorgänge von einer Stufe im Absatzkanal zur nächsten Stufe. Im Jahre 1961 wurde ein europäischer Palettenpool gegründet. Die Europäische Tauschpalette oder Pool-Palette (Europalette) hat die Abmessungen 800 mm × 1.200 mm. In der chemischen Industrie und in der Hohlglasindustrie findet auch die Palettenabmessung 1.000 mm × 1.200 mm und in der Getränkeindustrie die Palettenabmessung 800 mm × 1.000 mm Verwendung. Großbehälter Zu den Großbehältern zählen folgende Behälterarten (vgl. Abb. B.26): x x x x
ISO-Container für den internationalen Verkehr, Binnencontainer für den europaweiten Transport, Wechselbehälter oder Wechselaufbauten, ULD (Unit Load Device) für die Luftfahrt.
Den ISO-Container gibt es in den Hauptausführungen mit 20 Fuß (6.055 mm) und 40 Fuß (12.190 mm) Länge (auch in 10 und 30 Fuß)120, einer Breite von 8 Fuß (2.435 mm) und einer Höhe von 8 bis 9 Fuß (2.435 bis 2.745 mm). Er ist sechsfach stapelfähig und wird meist durch eine zweiflügelige Tür an einer Stirnseite be- und entladen. Der ISO-Container erlaubt eine optimale Flächenausnutzung nur durch eine Beladung mit den z. B. in den USA gebräuchlichen ISO-Paletten. Für die in Europa gebräuchliche Pool-Palette ergeben sich Verluste bei der Flächennutzung im ISO-Container. Für den deutschen Binnenverkehr und den europäischen Verkehr wurde der Binnencontainer entwickelt. Er hat eine Breite von 2.500 mm, eine Höhe von 120
Vgl. Deutsches Institut für Normung, 1981.
146
B.4 Verpackung
ISO-Container, 40 Fuß
Binnencontainer, 20 Fuß
ULD Lower-Deck Container
Wechselbehälter
Abb. B.26
Verschiedene Großbehälter (Quelle: ten Hompel/Schmidt/Nagel, 2007, S. 30ff.)
2.600 mm, eine Länge von 20 Fuß (6.055 mm) oder 40 Fuß (12.190 mm) und hat ein zulässiges Gesamtgewicht von 20 t bzw. 30 t. Zur Be- und Entladung hat der Container neben einer Hecktür auf der linken Seite eine Seitentür. Er weist eine Innenbreite von 2.440 mm auf, so dass ein Querstau von zwei Paletten von 1.200 mm oder drei Paletten von 800 mm möglich ist. Da man sich bei der Länge des Containers an den ISO-Containern ausgerichtet hat, ist aber die maximale Flächenausnutzung mit der Europäischen Tauschpalette nicht möglich. Für den Transport auf der Straße und der Schiene wurden LkwWechselaufbauten entwickelt, die im deutschen Binnenverkehr – teilweise auch im europäischen Verkehr – eingesetzt werden. Die Wechselaufbauten haben eine Breite von 2.500 mm, eine Höhe von 2.600 mm und eine Länge von 6.250 mm oder 7.150 mm. Da die Wechselaufbauten eine Innenbreite von 2.440 mm und eine Innenlänge 6.100 bzw. 7.000 mm haben, kann die Ladefläche mit den in Europa gebräuchlichen Paletten maximal genutzt werden. Da alle drei Großbehälterarten die gleichen Anschlussmaße haben, können sie mit dem gleichen Fahrgestell transportiert werden. Im Bereich der Luftfahrt werden ULD als Paletten und Container zur Lastenufnahme benutzt. Aufgrund der verschiedenen Bauarten von Flugzeugrümpfen weisen sie eine Vielzahl unterschiedlicher Formen auf. Als Hauptklassen unterscheidet man hierbei Main-Deck- und Lower-Deck-Container, die in Leichtbauweise in ihrer Konstruktion auf die Paletten abgestimmt und aus Aluminium bzw. Aluminium und Kunststoff gefertigt werden.
4.4
4.4
Modulare Verpackung
147
Modulare Verpackung121
Bei der Definition logistischer Einheiten wurde auf die Notwendigkeit standardisierter Abmessungen hingewiesen. Bei der Unterscheidung von ISO-Container und Binnencontainer wurde gezeigt, dass die unterschiedlichen Innenabmessungen der Container zu einer unterschiedlichen Flächenausnutzung durch Paletten führen. Damit wurde schon das Problem der Abstimmung der Abmessungen verschiedener Verpackungen angesprochen. Die Notwendigkeit eines aufeinander abgestimmten, modularen Verpackungssystems ergibt sich aus der Tatsache, dass in einer Transportkette normalerweise verschiedene Unternehmen zusammenarbeiten und somit interorganisatorische Logistiksysteme vorliegen und dass gemäß den Inhalten der Verpackung verschiedene Verpackungsstufen vorliegen können. Innenabmessungen und Tragfähigkeiten der größeren Verpackungen (z. B. Container) müssen mit den Außenabmessungen und Tragfähigkeiten der kleineren darin unterzubringenden Verpackungen (z. B. Paletten) übereinstimmen. Im Hinblick auf einen modularen, auf die Palette abgestimmten Aufbau von Einzel-, Sammel- und Versandpackungen wurde von der Verpackungswirtschaft ein Verpackungsmodul (Stellflächenmodul) 400 mm × 600 mm entwickelt (vgl. Abb. B.27). Dieses Verpackungsmodul ist sowohl auf die Palette mit den Abmessungen 800 mm × 1.200 mm als auch auf die Palette mit den Abmessungen 1.000 mm × 1.200 mm abgestimmt. Durch ein Vervielfachen oder Teilen der Modulgrundmaße 400 mm und 600 mm ergibt sich ein Gesamtsystem modularer Verpackungen, für die in Abb. B.28 ein Beispiel angegeben ist. Um nicht nur die Fläche, sondern auch den Raum optimal auszunutzen, ist die Packstückhöhe zu berücksichtigen. Für die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel werden auch einheitliche Ladehöhen für Europaletten in der Lebensmittelwirtschaft empfohlen. Zwei Standards für die Ladehöhe (Ladungshöhe plus Palettenhöhe) stehen zur Auswahl: Maß I: 105 cm; Maß II: 160-195 cm. Der Hersteller soll entscheiden, nach welchem Standard seine Artikel gepackt werden. Wichtige dabei zu berücksichtigende Kriterien sind:122 x die Türöffnungen bzw. Laderaumhöhen von Fahrzeugen und Behältern innerhalb der Transportkette, x Regalhöhen in Lagerbauten, x Raumhöhen, x Hubhöhen von Flurförderzeugen, x Türmaße der Aufzüge. Ein modulares Verpackungssystem bildet z. B. die LogistikBox. Diese Transportverpackung ist kompatibel zur vorhandenen Technik des Kombinierten Verkehrs mit Wechselbehältern und soll den Übergang zwischen innerbetrieblichen
121 122
Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 30ff. Vgl. Eggenstein/Herbst/Jansen, 1981, S. 174f.
148
B.4 Verpackung
Einzelpackung Grundpackung
Sammelpackung Versandpackung
Lineare Stapelung
Verbundstapelung
(Die Transporteinheit fällt leicht auseinander.)
400 x 600 Modul
Abb. B.27
600 x 800 2x
800 x 1200 4x
1000 x 1200 5x
Modularer Aufbau von Verpackungen (Quelle: Mit geringfügigen Änderungen entnommen aus Rockstroh, 1978, S. 203)
Transportvorgängen123 sowie Nah- und Ferntransporten durch einfache Bündelung erleichtern. Außenmaße und Technik der Behälter dieses Systems orientieren sich sowohl an der Verpackungseinheit Palette als auch an den gängigen Großbehältern. Es gibt zwei Module: die 4-Paletten-Box und die 6-Paletten-Box. Die 4-Paletten-Box (Stellfläche 1.700 mm × 2.500 mm bei einer Höhe von 2.470 mm) erlaubt aufgrund ihrer kleinen Stellfläche eine einfache Integration in den innerbetrieblichen Materialfluss. Durch die quadratische Stellfläche der 6-Paletten-Box (Stellfläche 2.500 × 2.500 mm bei einer Höhe von 2.470 mm) hingegen wird vor allem eine flexible Anordnung der Verpackungseinheiten auf den verschiedenen Transportmitteln ermöglicht. Für diese Module, die mit Gabelstaplern be- und entladen 123
Siehe Kap. B, Abschn. 3.2.
5.1
Abb. B.28
Definition und Funktionen des Transports
Beispiel einer Palette mit modularen stein/Herbst/Jansen, 1981, S. 172)
Verpackungen
(Quelle:
149
Eggen-
werden können, existieren Tragrahmen, mit denen mehrere Einheiten zu größeren Einheiten zusammengestellt und wie Wechselbehälter bewegt werden können. Wie schon mehrfach hervorgehoben wurde und durch das Beispiel der LogistikBox deutlich wird, erleichtert die Existenz von modularen Verpackungen den Aufbau von Transportketten, der den Kern der Transportaufgaben bildet.
5
Transport
5.1
Definition und Funktionen des Transports
Definition Unter Transport versteht man die Raumüberbrückung oder Ortsveränderung von Transportgütern mit Hilfe von Transportmitteln. Jedes Transportsystem besteht aus dem Transportgut, dem Transportmittel und dem Transportprozess. Soll ein Transportgut vom Lieferpunkt A zum Empfangspunkt B transportiert werden und
150
B.5 Transport
ist am Lieferpunkt A nicht das gewünschte Transportmittel vorhanden, so kann ein Transportprozess notwendig werden, den man als Leertransport bezeichnet. Leertransporte sind Transportprozesse ohne Transportgut, die aber notwendige Voraussetzung für den sich anschließenden Transportprozess mit Transportgut sind. Unter innerbetrieblichem Transport versteht man den Transport in einem Werk von einem Produktionsort zum anderen oder den Transport in einem Bereich oder zwischen verschiedenen Bereichen eines Lagerhauses. Unter außerbetrieblichem Transport versteht man dagegen den Transport vom Lieferanten zum Kunden, den Transport zwischen verschiedenen Werken bzw. zwischen verschiedenen Lagerhäusern eines Unternehmens sowie zwischen dessen Werken und dessen Lagerhäusern. Da der innerbetriebliche Transport im Abschnitt über das Lagerhaus abgehandelt wurde, beziehen sich die Folgenden Ausführungen auf den außerbetrieblichen Transport. Funktionen Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Funktionen des Transports.124 Zu den primären Funktionen zählen die Beförderungsfunktion sowie die damit untrennbar verbundene Umschlagsfunktion. Zu den sekundären Funktionen zählt in erster Linie die Wegsicherungsfunktion, d. h. das Herstellen und Vorhalten von Wegen.125 Häufig wird als weitere Sekundärfunktion die Haftungsfunktion genannt. Die Haftungsfunktion wird im Rahmen dieses betriebswirtschaftlich orientierten Buches nicht behandelt. Ebenfalls wird auf die Wegsicherungsfunktion im Folgenden nicht eingegangen, denn dies ist eine volkswirtschaftliche Aufgabe. Die Folgenden Ausführungen beziehen sich somit auf die Möglichkeiten zur Erfüllung der Beförderungsfunktion und der damit notwendigerweise verbundenen Umschlagsfunktion.
5.2
Transportaufgaben
Transportproblem Das Transportproblem in einem logistischen Netzwerk ist gekennzeichnet durch das Transportgut, die Struktur und Beschaffenheit des Liefergebietes, die Standorte der Liefer- und Empfangspunkte sowie durch die Art des Angebots und der Nachfrage seitens dieser Punkte. Für ein gegebenes Transportproblem müssen grundsätzlich zwei Fragen beantwortet werden: x Welches ist das günstigste Transportmittel? x Welches ist der günstigste Transportprozess? 124 125
Zur Diskussion verschiedener Funktionen vgl. Aberle, 2009, S. 1ff. Vgl. Buchholz/Clausen/Vastag, 1998, S. 2.
5.2
Transportaufgaben
151
Die Frage nach dem günstigsten Transportmittel betrifft die Hardware des Transportes. Es muss entschieden werden, mit welchen Transportmitteln die Güter befördert werden sollen. Dagegen geht es bei der Frage nach dem günstigsten Transportprozess um die Software des Transportes. Die Software betrifft die ablauforganisatorischen Regelungen zur Steuerung des Transportprozesses. Unter dem Transportproblem versteht man in der Literatur des Operations Research meistens ein ganz bestimmtes organisatorisches Problem. Ist ein Gut an den verschiedenen Lieferpunkten in bestimmten Mengen verfügbar, so besteht das Transportproblem in der Bestimmung der Lieferpunkte und der von ihnen auszuliefernden Gütermengen derart, dass die gesamten Transportkosten bei der Belieferung der Empfangspunkte mit den von ihnen nachgefragten Gütermengen minimiert werden. Weitere Transportprobleme im Transportprozess, die ebenfalls in der Literatur des Operations Research behandelt werden, sind die optimale Beladung eines Transportmittels, die Bestimmung des kürzesten Weges zwischen einem Lieferpunkt und einem Empfangspunkt oder die Bestimmung der optimalen Gesamtroute für die Belieferung mehrerer Empfangspunkte von einem Lieferpunkt. Bei einem großen Fuhrpark stellt sich auch das Problem des optimalen Einsatzplanes für die Transportmittel zur Erzielung einer maximalen Transportleistung. Transportkette Die Lösung des Transportproblems besteht letztlich im Aufbau einer Transportkette. Nach DIN 30781, Teil 1, wird der Begriff der Transportkette definiert als „Folge von technischen und organisatorisch miteinander verknüpften Vorgängen, bei denen Personen oder Güter von einer Quelle zu einem Ziel bewegt werden.“126 Wie aus Abb. B.29 hervorgeht, können Transportketten eingliedrig oder mehrgliedrig aufgebaut sein. In einer eingliedrigen Transportkette sind Liefer- und Empfangspunkt (Quelle und Ziel) im ungebrochenen Verkehr oder Direktverkehr ohne Wechsel des Transportmittels unmittelbar verbunden. In einer mehrgliedrigen Transportkette findet dagegen ein Wechsel des Transportmittels bei der Verbindung von Liefer- und Empfangspunkt statt. Man spricht dann von gebrochenem Verkehr oder Kombiniertem Verkehr i. w. S. Vom Kombinierten Verkehr i. e. S. spricht man jedoch nur dann, wenn kein Wechsel des Transportgefäßes stattgefunden hat. In diesem Sinne soll der Begriff im Folgenden gebraucht werden. Der Aufbau einer Transportkette für den Güterfluss muss begleitet werden durch den Aufbau einer entsprechenden Dokumentationskette für den Informationsfluss.127 Dies ist insbesondere für einen reibungslosen Güterfluss in mehrgliedrigen Transportketten von Bedeutung, bei denen man drei typische Phasen unterscheidet. 126 127
Deutsches Institut für Normung, 1983. Vgl. Fiege, 1987, S. 85ff.; Pfohl/Krings/Toben, 1993, S. 245ff.
152
B.5 Transport
Transportkette
eingliedrige Transportkette
mehrgliedrige Transportkette
= ungebrochener Verkehr = Direktverkehr (ohne Wechsel des Transportmittels)
= gebrochener Verkehr = Kombinierter Verkehr i.w.S. (mit Wechsel des Transportmittels)
gebrochener Verkehr i.e.S.
Kombinierter Verkehr i.e.S.
(mit Wechsel des Transportgefäßes; häufig mit Zwischenlagerung; Ein-, Aus-, Umladeerleichterung durch Paletten usw.)
(ohne Wechsel des Transportgefäßes)
Huckepackverkehr (i.w.S.)
Behälterverkehr (i.w.S.)
(ganzes Verkehrsmittel bzw. Teil davon verladen)
(Transportgefäße verladen)
• • • •
Abb. B.29
Huckepackverkehr i.e.S. roll-on-roll-off-Verkehr swim-on-swim-off-Verkehr, z.B. Lash bimodaler Sattelanhänger
• Großbehälterverkehr horizontale und vertikale Verladung z.B. Container • Kleinbehälterverkehr z.B. Collico
Möglichkeiten zum Aufbau einer Transportkette (Quelle: Mit leichten Änderungen entnommen aus Seidenfus, 1972, S. 79)
Die erste Phase ist der Vorlauf von den Lieferpunkten zu einem Sammelpunkt (Konzentrationspunkt), der beispielsweise ein Speditionslagerhaus sein kann. Diese Phase der Transportkette ist als Flächenverkehr zu kennzeichnen. Der Hauptlauf als zweite Phase ist dagegen ein Streckenverkehr. Er geht vom Sammelpunkt zum Verteilpunkt (Auflösungspunkt), z. B. in Form eines anderen Speditionslagerhauses. Vom Verteilpunkt zu den Empfangspunkten findet der Nachlauf statt, der sich wiederum als Flächenverkehr charakterisieren lässt. Regulierung der Transportaufgabe Obwohl zahlreiche nationale Vorschriften, die den Güterverkehrsmarkt regulierten, im Zuge der europäischen Integration und Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen aufgehoben wurden, handelt es sich um einen weiterhin teilweise regu-
5.2
Transportaufgaben
153
lierten Markt. Grundlage der staatlichen Regulierung sind öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Normen, die sich in einer großen Zahl von Einzelgesetzen und Verordnungen finden. Besondere öffentlich-rechtliche Regelungen finden sich beispielsweise im Eisenbahnenordnungsgesetz, im Güterkraftverkehrsgesetz und im Luftverkehrsgesetz. Besondere privatrechtliche Regelungen finden sich beispielsweise im Handelsgesetzbuch, in dem das Speditionsgeschäft, das Lagergeschäft, das Frachtgeschäft und die Beförderung von Gütern auf Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs und der Seehandel geregelt werden. Staatliche Regulierungen, die bewirkten, dass auf den Güterverkehrsmärkten der Wettbewerb stärker eingeschränkt war als in anderen Wirtschaftszweigen, wurden während der 90er Jahre weitestgehend aufgehoben. Die Sicherheitsvorschriften unterliegen jedoch weiterhin einer laufenden Anpassung an technische Entwicklungen und wissenschaftliche Erkenntnisse. Diese äußern sich vor allem in speziellen Arbeitszeitvorschriften und in Vorschriften über den Transport gefährlicher Güter.128 Weiterhin bestehen auch noch Unterschiede in der Regulierung der Maße und Gewichte in Europa. Auch in diesem Bereich ist eine Harmonisierung geboten, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.129 Bisher hat die europäische Integration nur teilweise zu einer Harmonisierung im technischen Bereich geführt. So beträgt die zulässige Länge von Lastzügen bzw. Sattelkraftfahrzeugen in den Ländern der EU mit Ausnahme Dänemarks 18,35 m bzw. 16,5 m. Anders ist dies bei den zulässigen Gesamtgewichten, die von 38 t (Großbritannien) bis 50 t (Niederlande) reichen (Bundesrepublik Deutschland: 44 t). Bezüglich der Regulierungen, die den Wettbewerb beeinflussen, ist zwischen dem Werkverkehr (Eigenverkehr von Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen) und dem gewerblichen Verkehr (Verkehr von Logistikunternehmen für Dritte) zu unterscheiden. Der Werkverkehr unterliegt im Wesentlichen nur der Meldepflicht, während der gewerbliche Verkehr erlaubnis- oder genehmigungspflichtig ist. Die Genehmigung für den gewerblichen Güterverkehr ist vor allem an die persönliche Zuverlässigkeit, die fachliche Eignung und finanzielle Leistungsfähigkeit gebunden und kann prinzipiell auch von Unternehmen mit Werkverkehr nach Ausgründung einer Transportgesellschaft beantragt werden. Die Liberalisierung des Güterverkehrs hatte vor allem im Straßengüterverkehr durch die Aufhebung der Kontingente in der Kabotagebeförderung130 und im Bin128
129
130
Sicherheitsvorschriften für die Durchführung von Transportaufgaben ergeben sich vor allem aus den vielfältigen gesetzlichen Vorschriften über die Arbeitszeiten im Transportgewerbe und aus dem Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter. Die Regelungen für den Transport gefährlicher Güter versuchen, die Risiken dadurch einzuschränken, dass Informationen über die Art des Gutes, über die von ihm ausgehenden Gefahren, über die erforderliche Art von Transportmitteln und -gefäßen sowie die notwendigen Maßnahmen bei Unfällen in der Transportkette weitergegeben werden. Vgl. Seidenfus, 1999, S. 36 ff. Dort werden auch andere Bereiche aufgezählt, in denen eine Vereinheitlichung geboten ist, z. B. bei Versicherungsleistungen. Unter Kabotage wird die Durchführung von Transporten im Hoheitsgebiet eines anderen Landes verstanden.
154
B.5 Transport
nengüterverkehr, die fortgefallene Abgrenzung zwischen Güternah- und Güterfernverkehr sowie die Erleichterung für den Werkverkehr, gewerblich Transportdienstleistungen anzubieten, erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb. 131 Verschärft werden diese Veränderungen, die durchweg zu einer Erhöhung der auf dem Markt verfügbaren Kapazitäten geführt haben, noch durch die zunehmende Präsenz osteuropäischer Transportdienstleister am EU-Markt, die in Folge des Lohn- und Sozialgefälles erhebliche Wettbewerbsvorteile haben.132 Beim See- und Luftverkehr wird der Wettbewerb durch historisch gewachsene Kartelle reglementiert. Konferenzen der Linienschifffahrt und der Kartellverband des Linienluftverkehrs, die sogenannte International Air Transport Association (IATA), legen Marktanteile und/oder Preise fest.
5.3
Transportmittel
Güterverkehrssystem Abb. B.30 gibt einen Überblick über das Güterverkehrssystem. Hierbei wird zunächst bei den Medien, auf oder in denen die Beförderungsfunktion erfüllt wird, zwischen Land-, Luft- und Wasserverkehr unterschieden. Danach erfolgt eine Aufgliederung nach den eingesetzten Transportmitteln. Die Untergliederung dieser Transportmittel wird dann nach unterschiedlichen Kriterien vorgenommen, beispielsweise nach organisatorischen Kriterien bei der Unterscheidung zwischen gewerblichem Straßengüterverkehr und Werkverkehr, nach technischen Kriterien bei der Unterscheidung zwischen Motor- und Schleppschifffahrt oder nach Transportgutkriterien wie bei der Unterscheidung zwischen Rohöl- und Produktenpipelines. Die Einschätzungen der Leistungsfähigkeiten der einzelnen Transportmittel sind recht unterschiedlich, wie Abb. B.31 zeigt. Im Folgenden sollen die wichtigsten Transportmittel charakterisiert werden.133 Seeschiff und Binnenschiff Neben der Seeschifffahrt im Eigenbetrieb kann man bei der Seeschifffahrt im Fremdbetrieb den regelmäßigen Linienverkehr und den unregelmäßigen Bedarfsverkehr unterscheiden. Letzterer wird beim Transport für Massengüter in geschlossenen Schiffsladungen auch als Trampschifffahrt bezeichnet. Der Transport im unregelmäßigen Bedarfsverkehr ist im Allgemeinen billiger, aber auch langsamer als der Linienverkehr. Die Seefrachtraten werden in der Linienschifffahrt innerhalb von Wertklassen, in die die Fracht entsprechend ihres Wertes eingestuft wird, nach Volumen oder
131 132 133
Vgl. Bundesamt für Güterverkehr, 1999a, S. 3ff. Vgl. Bundesamt für Güterverkehr, 2006b, S. 1ff. Vgl. Aberle, 2009, S. 18ff.
5.3
Wirtschaftssystem
Transportmittel
155
Gesellschaftssystem
Verkehrssystem
Personenverkehrssystem
Landverkehr
Straßengüterverkehr gewerblicher Straßengüterverkehr - Nahverkehr - Fernverkehr Werkverkehr - Nahverkehr - Fernverkehr
Nachrichtenverkehrssystem
Güterverkehrssystem
Schienengüterverkehr
Luftverkehr
Rohrleitungsverkehr
Wasserverkehr
Luftfrachtverkehr
Binnenschifffahrt
Wagenladungsverkehr
Rohölpipelines
Motorschifffahrt
Stückgutverkehr
Produktenpipelines
Schleppschifffahrt
Expressgutverkehr Kombinierter Verkehr (Dienstgutverkehr)
Schubschifffahrt Seeverkehr Linienfahrt Trampfahrt Tankfahrt Küstenschifffahrt
Abb. B.30
Güterverkehrssystem (Quelle: Claussen, 1979, S. 15)
Gewicht berechnet.134 Sie werden als kombinierte Volumen-Gewichts-Frachtraten nach Schiffswahl von den Reedereien festgesetzt. Das bedeutet, dass die Reedereien Volumen oder Gewicht immer so als Grundlage zur Berechnung der Transportkosten wählen, dass sich für sie die höhere Frachtrate ergibt. Besondere Zuschläge werden etwa bei außergewöhnlich schweren oder sperrigen Stücken berechnet. Im Bedarfsverkehr werden die Transportkosten im Rahmen des Chartervertrages ausgehandelt. Die Abfertigungskosten in den Häfen können verschieden sein und müssen vor allem bei größeren Sendungen beachtet werden. Die Seeschiffe stehen beim Angebot ihrer Transportleistungen im Wettbewerb mit den Flugzeugen. Sie haben gegenüber dem Flugzeug große Nachteile bezüg134
Zur Bestimmung von Seefrachtraten vgl. Korf, 1990, S. 486ff.
156
B.5 Transport
Straßenverkehr
Schienenverkehr
Rohrleitungsverkehr
Binnenschiffverkehr
Seeverkehr
Luftfrachtverkehr
Transportzeit
Termintreue
Transportkosten
Flexibilität
Netzdichte
sehr gut geeignet
Abb. B.31
sehr schlecht geeignet
Güterverkehr im Vergleich (Deutschland) (Quelle: in Anlehnung an Pfohl/Schäfer, 1998, S. 84)
lich der Transportzeit, so dass sie als Transportmittel für Güter, die schnell ausgeliefert werden müssen, im Allgemeinen nicht in Frage kommen. Die vergleichsweise hohen Transportkosten des Luftfrachtverkehrs fallen wegen des meist schnelleren und auch wesentlich billigeren Vor- und Nachtransportes zugunsten der Seefracht oft nicht mehr so stark ins Gewicht. Der Nachteil des Vor- und Nachtransportes beim Seefrachtverkehr rührt daher, dass Seehäfen naturgemäß an der Küste liegen, während Flughäfen über das ganze Land verstreut sein können. Die Binnenschifffahrt ist durch ihren Preisvorteil beim Transport großer und gleichförmiger Gütermengen über genügend große Entfernungen gekennzeichnet. Dieser Vorteil sinkt jedoch infolge steigender Kosten bei der Benutzung künstlicher Wasserstraßen. Neben der Abhängigkeit von Wasserstand und Eisbildung besteht der große Nachteil der Binnenschiffe darin, dass sie an ein eng begrenztes Wasserstraßennetz gebunden sind. Die Weitmaschigkeit dieses Wasserstraßennetzes führt dazu, dass in der Binnenschifffahrt ungefähr die Hälfte der Transporte im gebrochenen Verkehr i. e. S. durchgeführt werden, d. h., dass notgedrungen zum Transport der Güter vom Liefer- zum Empfangspunkt noch andere Transportmittel eingesetzt werden müssen. Dadurch werden sowohl die Kosten als auch die Transportdauer, die infolge der geringen Transportgeschwindigkeit der Schiffe schon relativ lang ist, erhöht.
5.3
Transportmittel
157
Die Eisenbahn ist der große Wettbewerber der Binnenschifffahrt im Massengutverkehr. Die niedrigen Transportkosten sind der Hauptvorteil der Binnenschifffahrt gegenüber der Eisenbahnkonkurrenz. Eisenbahn und Lastkraftwagen135 Die Eisenbahn besitzt im Gegensatz zu den anderen Transportmitteln ihren technischen Grundlagen entsprechend keine klar ausgeprägten Eignungsschwerpunkte. Sie lässt sich aufgrund ihrer Leistungsmerkmale und ihrer Transportpreise in fast allen Verkehrsarten beteiligen, stößt hierbei jedoch auf den Wettbewerb der anderen spezialisierten Transportmittel mit ihren stark ausgeprägten Qualitätsschwerpunkten.136 So hat das Binnenschiff den Vorteil der Massenleistungsfähigkeit im Massengutverkehr. Das Flugzeug hat den Vorteil der größten Schnelligkeit im Expressverkehr. Der Lastkraftwagen (Lkw) hat beim Stückgutverkehr Zeit- und Kostenvorteile im Nah- und Flächenverkehr sowie den Vorteil der hohen Anpassungsfähigkeit an individuelle Transportbedürfnisse. Die relativ hohe Wirtschaftlichkeitsschwelle der Eisenbahn, deren Einsatz sich eigentlich erst ab Transportumfängen von 30-35 Lkw-Einheiten und einer Hauptlaufentfernung von 300 km lohnt, 137 schränkt ihre Attraktivität für Nachfrager nach Verkehrsleistungen zusätzlich ein. Wegen seiner Wettbewerbsvorteile hat der Lkw die Eisenbahn aus dem Nah- und Flächenverkehr verdrängt. Im Nahverkehr haben die Stillstandszeiten der Eisenbahn einen sehr hohen Anteil an der Transportzeit und die Zeitüberlegenheit des Lkw ist hier besonders groß. Die größere Dichte des Straßennetzes im Vergleich zum Schienennetz ermöglicht dem Lkw eine bessere Netzbildung als der Eisenbahn. Dadurch ist der Lkw im Flächenverkehr im Allgemeinen schneller als die Eisenbahn. Die größere Netzbildungsfähigkeit des Lkw bedingt, dass der Transport mit der Eisenbahn oft nur in Verbindung mit dem Lkw-Transport durchgeführt werden kann. Es entstehen hierbei zusätzliche Umladekosten. Trotzdem kann es von Vorteil sein, den Gütertransport nicht durch den Lkw allein, sondern durch Eisenbahn und Lkw ausführen zu lassen. Im Fernverkehr sind die durchschnittlichen Transportgeschwindigkeiten der Eisenbahn größer. Allerdings kann dieser Transportgeschwindigkeitsvorteil durch zusätzliche Zeiten für die Übergänge von Zug zu Zug sowie für die Zustellung der Güter durch den Lkw wieder verlorengehen. Sobald beim Lkw-Transport auf weite Distanzen aber mehrere Transportunternehmen in die Beförderung eingeschaltet werden müssen, bleibt der Transport mit Hilfe der Eisenbahn oftmals schneller und zuverlässiger.
135
136
137
Für einen detaillierten Überblick über die Fahrzeuge, die im Straßen- und Güterverkehr zum Einsatz kommen, vgl. Buchholz/Clausen/Vastag, 1998, S. 105ff. Die Qualitätsschwerpunkte einzelner Verkehrsträger werden in dem Konzept der Verkehrswertigkeiten erfasst, das auf Voigt, 1973, zurückgeht. Vgl. Boldt, 2008. Vgl. Buscher/Hayens, 1998, S. 18.
158
B.5 Transport
Die Verpackung muss beim Bahntransport häufig aufwendiger sein als beim Lkw-Transport. Das bedeutet höhere Verpackungskosten, höheres Transportgewicht und eventuell Rücksendekosten für gebrauchte Verpackungen. Im Gleisanschlussverkehr ist beim Bahntransport allgemein eine zusätzliche Sicherung des Transportgutes gegen Rangierstöße notwendig. Die Wettbewerbsbeziehungen zwischen Eisenbahn und Lkw gelten in ähnlicher Weise wie für den Stückgutverkehr auch für den Wagenladungsverkehr, bei dem die Transportmenge jeweils eine ganze Waggon- oder Lastwagenladung umfasst. Sie gilt jedoch nicht mehr für den Massengutverkehr, bei dem es um mehrere Waggonladungen oder sogar ganze Güterzüge geht. Flugzeug Als hervorragende Leistungsmerkmale des Flugzeuges lassen sich Transportschnelligkeit, Transportsicherheit und Transporthäufigkeit nennen. Weitere Leistungsmerkmale liegen in der Einfachheit der expeditionellen Abfertigung, der Überschaubarkeit des Transportweges und in der Möglichkeit einer außerordentlich kurzfristigen Versanddisposition. 138 Der Qualität der Transportleistung des Flugzeuges stehen jedoch die relativ hohen Kosten der Luftfracht gegenüber. Die Luftfracht ist aber ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Gesamtkostenprinzips. Denn die relativ hohen Luftfrachtkosten dürfen nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit der Auswirkung der Transportleistung des Flugzeugs auf die anderen Logistikkosten gesehen werden. Aus diesem Grund betonen auch die Luftverkehrsgesellschaften bei der Frachtberatung immer, dass man nicht die reinen Frachtraten des Flugzeuges mit denen der anderen Transportmittel vergleichen dürfe, sondern die Relation zu den gesamten Kosten, die bei der Auslieferung eines Gutes anfallen, beachten muss. Wegen der Transportschnelligkeit, der Transportsicherheit und der Transporthäufigkeit bei der Benutzung des Flugzeuges als Transportmittel kann das Lieferserviceniveau erhöht werden. Allerdings wirkt sich die Transportschnelligkeit des Flugzeuges erst ab genügend großen Transportentfernungen positiv auf eine Verkürzung der Lieferzeit aus. Denn bei kurzen Strecken, vor allem wenn Liefer- oder Empfangsort nicht in der Nähe des Flughafens liegen, geht durch den notwendigen An- und Abtransport zum bzw. vom Flughafen der Zeitvorteil des Flugzeuges wieder verloren. Dem Flugzeug kommt deshalb nicht so sehr die Bedeutung als Transportmittel für die Versorgung des deutschen Marktes, sondern viel eher bei der Belieferung des europäischen Marktes und des Marktes in Übersee zu. Die Anerkennung des internationalen Airwaybill-Luftfrachtbriefes durch über hundert Luftverkehrsgesellschaften mit einheitlichen Beförderungsbestimmungen garantiert eine reibungslose Beförderung der Transportgüter auch dort, wo mehrere Gesellschaften am Transport beteiligt sind.
138
Vgl. Krieger/Wehling, 1983.
5.3
Transportmittel
159
Wird das Flugzeug als Transportmittel benutzt, so sinken wegen der kurzen Transportzeit die Kosten der Kapitalbindung in den Lagerbeständen während des Transportes. Die Sicherheitsbestände in den Auslieferungslagern können gesenkt werden, da Nachfragespitzen mit Hilfe der Luftfracht vom Zentral- oder Fabriklager befriedigt werden können. Die Zahl der Auslieferungslager kann reduziert werden, weil die verschiedenen Teilmärkte mit Hilfe des Flugzeuges von weniger Auslieferungslagern in der notwendigen Zeit beliefert werden können. Das führt zu einer Zentralisierungstendenz im Auslieferungsnetz. Es ist auch möglich, durch eine kombinierte Anwendung zentraler Auslieferung bestimmter Güter mit Luftfracht und dezentraler Auslieferung anderer Güter über Auslieferungslager ein hohes Lieferserviceniveau bei gleichzeitiger Senkung der Logistikkosten zu erreichen.139 Die Anwendung des Flugzeuges als Transportmittel kann auch die Verpackungskosten senken, da die Beschädigungsgefahr weit geringer ist als bei den anderen Transportmitteln. Wegen der vergleichsweise geringen Feuchtigkeits-, Korrosions-, Bruch- und Diebstahlschäden bei der Luftverfrachtung können die Güter weniger geschützt verpackt oder sogar unverpackt zum Versand gelangen. Dadurch wird auch das Transportgewicht der Sendungen herabgesetzt. Das ist deshalb von Bedeutung, weil die Frachtberechnung grundsätzlich nach Gewichtraten erfolgt. Erst wenn das Verhältnis von Volumen zu Gewicht größer als sieben ist, wird das sogenannte Volumengewicht (Volumengewicht = Volumen : 7) als Grundlage der Frachtberechnung herangezogen. Die Versicherungskosten sinken ebenfalls. Bei Gütern, die in großem Maße der Gefahr des Veraltens und des Verderbs ausgesetzt sind, lassen sich die damit verbundenen Kosten durch Benutzen des Flugzeuges als Transportmittel senken. Eine Reihe von Einflussfaktoren begünstigen in einem Auslieferungsnetz den Einsatz von Flugzeugen als Transportmittel. Vor der Entscheidung für oder gegen Luftfracht sind diese Einflussfaktoren zu analysieren. Wichtige die Luftfracht begünstigende Faktoren sind eine große räumliche Ausdehnung des zu beliefernden Marktes, die Schwierigkeit einer genauen Nachfragevorhersage, die geringe Umschlagshäufigkeit eines Produktes, der hohe Wert eines Produktes und die große Dichte eines Produktes.140 Eine zunehmend bedeutendere Rolle spielt der Luftverkehr auch beim Transport besonders sperriger oder schwerer Güter, z. B. Industrieanlagen, die nicht oder nur sehr schlecht über Straßen transportiert werden können und deswegen eine meist recht aufwendige Transportkette von Flugzeug, Binnen- oder Seeschiff und Lkw erforderlich machen. Hubschrauber sind beispielsweise in der Lage, solche Güter punktgenau abzusetzen, haben jedoch den Nachteil begrenzter Lastkapazitäten und Reichweiten.
139 140
Zum Modell zur Bestimmung der optimalen Kombination vgl. Herron, 1968. Zu einer Diskussion des Einflusses dieser Faktoren vgl. Herron, 1968, S. 26ff.
160
B.5 Transport
5.4
Kombinierter Verkehr
Formen des Kombinierten Verkehrs Der Kombinierte Verkehr i. e. S. unterscheidet sich vom gebrochenen Verkehr i. e. S. dadurch, dass hierbei nicht zwangsläufig Transportmittel verschiedener Verkehrsträger benutzt werden müssen, sondern dass man versucht, die Vorteile verschiedener Transportmittel miteinander sinnvoll zu kombinieren und die für den Transport notwendige Verladung der Güter zu vereinfachen. Unter Kombiniertem Verkehr ist ein System zu verstehen, in dem die in diesem System integrierten Transportmittel so aufeinander abgestimmt sind, dass der Übergang der zu transportierenden Güter von einem Transportmittel zum anderen nur noch möglichst geringe Umschlagsoperationen verursacht. Im Prinzip lassen sich mit dem Huckepackverkehr und dem Behälterverkehr zwei Formen des Kombinierten Verkehrs unterscheiden (vgl. Abb. B.32): Huckepackverkehr: Der Huckepackverkehr umfasst alle Transportsysteme, bei denen ein Transportmittel ein anderes Transportmittel transportiert. Ein Beispiel dafür ist der Transport von Straßenfahrzeugen auf der Schiene über lange Strecken. Behälterverkehr: Der Behälterverkehr umfasst alle Transportsysteme, bei denen zum Transport der Güter Behälter als rationalisierende Transporthilfsmittel benutzt werden, die unselbständig auf Transportmitteln den Transportweg zurücklegen. Der Behälter ist im Zusammenhang mit der Bildung logistischer Einheiten zu sehen.141 Zum Behälterverkehr zählt man teilweise neben den Transportsystemen, bei denen Großbehälter (Container) und Kleinbehälter benutzt werden, auch die Transportsysteme, bei denen Paletten transportiert werden. Unter Kombiniertem Verkehr i. e. S. wird aber meist nur der Containerverkehr subsumiert. Alle Formen des Kombinierten Verkehrs sind durch drei Merkmale zu kennzeichnen: x Man versucht, durch den Kombinierten Verkehr Arbeitsintensität durch Kapitalintensität zu ersetzen, x Man versucht, den Übergang des Transportgutes von Transportmittel zu Transportmittel zu mechanisieren, x Man versucht, die Vorteile des Nahverkehrs (im Allgemeinen Lkw) mit den Vorteilen des Fernverkehrs (im Allgemeinen Bahn, Flugzeug, Schiff) zu kombinieren. Das führt zur Entwicklung von Knotenpunktsystemen, mit denen konkurrenzfähige Transportzeiten gewährleistet werden sollen. Knotenpunkte sind Umschlagsplätze (Terminals), die über die notwendigen technischen Hilfsmittel (z. B. Portalkräne) für einen schnellen Güterumschlag von Transportmittel zu Transportmittel 141
Siehe Kap. B, Abschn. 4.3.
5.4
Kombinierter Verkehr
161
Auflieger Auflieger
Rollende Landstraße
RoadRailer
RoadRailer (Trailerzug)
Container Container
Abb. B.32
Verschiedene Möglichkeiten im Kombinierten Verkehr Straße/Schiene
und über günstige Verkehrsanbindungen für den Vor- und Nachlauf verfügen. Sie befinden sich in Zentren mit hohem Güteraufkommen und sind für den Hauptlauf im schnellen Direktverkehr mit anderen Knotenpunkten verbunden. Beispielsweise lässt die DEUTSCHE BAHN AG spezielle Schnellgüterzüge für den Kombinierten Verkehr im InterCargo-System laufen, durch das für eilige Güter schnelle nächtliche Direktverbindungen zwischen den deutschen Wirtschaftszentren hergestellt werden.
162
B.5 Transport
Huckepackverkehr Beim Huckepackverkehr sind die Transportsysteme am weitesten entwickelt, bei denen Straßenfahrzeuge über lange Strecken auf der Schiene befördert werden. Man nutzt auf diese Weise die auf großen Entfernungen im Vergleich zum Straßentransport niedrigen Kosten des Schienentransportes aus. Zur Kombination von Straßen- und Schienenfahrzeugen im Huckepackverkehr gibt es prinzipiell drei technische Varianten: x Nur der von der DEUTSCHEN BAHN AG zugelassene Lkw-Wechselaufbau (Pritsche oder geschlossener Aufbau) wird auf dem Eisenbahnwagen befördert. Hierzu müssen der Lkw und der als Ladegefäß dienende Wechselaufbau so miteinander verbunden sein, dass sie jederzeit voneinander getrennt und ausgetauscht werden können. Eng verwandt mit dieser technischen Variante des Huckepackverkehrs ist das Containertransportsystem beim Behälterverkehr. x Der Auflieger eines Sattelzuges wird auf der Schiene befördert. Hierzu werden entweder die Auflieger von der Sattelzugmaschine auf die Waggons rangiert oder sie werden per Kran umgeschlagen. x Komplette Lastzüge werden auf der Schiene befördert (rollende Landstraße). Zu diesem Zweck wurde ein nur 40 cm hoher Niederflurwaggon entwickelt. In 20 Minuten können auf einen 400 m langen, aus solchen Niederflurwaggons bestehenden Zug 16 bis 18 Lastzüge auffahren. Insbesondere für den Umschlag von Sattelaufliegern und Wechselaufbauten werden eine Anzahl zeit- und kostensparender Verfahren eingesetzt, die sich nach der Art des Umschlags in Horizontal- und Vertikalumschlag unterscheiden lassen. Horizontale Umschlagsverfahren bilden z. B. Abrollcontainer-Transportsysteme (ACTS) oder bimodale Transportsysteme (Road Railer). Das ACTS-System befindet sich in der Schweiz, Österreich, Frankreich und den Niederlanden seit Anfang der 90er Jahre im Einsatz. Spezielle Rollcontainer können dabei ohne zusätzliche Umschlagsgeräte und mit Hilfe einer am Lkw angebrachten Wechselausrüstung auf die Schiene umgeschlagen werden.142 Bimodale Systeme verwenden entweder ein Schienenlaufwerk, das ständig am Sattelanhänger mitgeführt wird und über ein hydraulisches Anziehen des Straßenachsaggregates auf der Schiene zum Einsatz kommt oder ein separates Schienenlaufwerk, das getrennt vom Sattelanhänger disponiert werden kann und ständig auf den Schienen verbleibt.143 Zu dieser Variante gehört auch das System Trailerzug, das eine optimale Anpassung von Straßenfahrzeugtechnik und Eisenbahntechnik darstellt (vgl. Abb. B.32).144 Das System besteht aus drei Komponenten: Drehgestell, Sattelanhänger mit Kuppeleinrichtung und Adapter als Verbindungselement zwischen Drehgestell und Sattelanhänger. Der Sattelanhänger des Lkw ist dafür technisch so hergerich142 143 144
Vgl. Grossmann, 1992, S. 121ff. Vgl. Seidelmann, 1992, S. 106ff. Vgl. Stieler/Lange/Zimmer, 1993, S. 843.
5.4
Kombinierter Verkehr
163
tet, dass er in Verbindung mit dem Drehgestell selbst die Funktion eines Eisenbahntragwagens übernehmen und somit ein spezielles Eisenbahnuntergestell eingespart werden kann. Bei vertikalen Umschlagsverfahren zwischen Schiene und Straße erfolgt der Umschlag i. d. R. mit Hilfe eines Kranes. Doch es wird auch die Übertragung der Hochregallagertechnik auf den Kombinierten Verkehr diskutiert. Dabei sollen Lkw bzw. Güterzüge direkt in ein automatisches Hochregallager, das für die Aufnahme von Containern, Wechselaufbauten und Sattelaufliegern konzipiert ist, einfahren können. Die Aufnahme der Behälter sowie das Ein- und Auslagern in das Hochregallager wird durch eine Teleskopvorrichtung realisiert. Vorteile dieser Technik bestehen vor allem im vereinfachten Zugriff auf die Behälter und in der damit verbundenen hohen Umschlagsgeschwindigkeit sowie im geringen Platzbedarf der Anlage.145 Der Huckepackverkehr auf der Schiene kann nur auf weitere Transportentfernungen wirtschaftlich gestaltet werden. Als Faustregel gilt, dass er unter 200 km unrentabel ist und im Allgemeinen erst ab 500 km rentabel wird. Im Wettbewerb mit dem Straßenfernverkehr hat der Huckepackverkehr im Vergleich zur direkten Haus-Haus-Beförderung des Straßenfernverkehrs zu bestehen. Die Kombination von Schiene und Straße ist nicht die einzige Möglichkeit des Huckepackverkehrs. Auch See- und Binnenschiff lassen sich im LASH-System (Lighter Aboard Ship) miteinander kombinieren. Das LASH-System besteht aus einem Mutter- oder Trägerschiff, auch Huckepackfrachter genannt, das über eine bordeigene Umschlagsanlage verfügt, mit der es die Leichter aufnimmt oder absetzt. Diese Leichter werden vor bzw. nach dem Seetransport zu Schubverbänden zusammengestellt und auf den Binnenwasserstraßen zur Be- und Entladestelle gefahren. Institutionell wird der Huckepackverkehr auf der Schiene von der KOMBIVERKEHR DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR KOMBINIERTEN GÜTERVERKEHR MBH & CO. KG. (nachfolgend kurz KOMBIVERKEHR genannt) durchgeführt. Wesentliche Kapitalanteile halten Verbände des Güterverkehrsgewerbes sowie Kraftwagenspediteure und Transportunternehmer. Außer den Gesellschaftern können auch andere Transportunternehmen und Kraftwagenspeditionen am Huckepackverkehr teilnehmen, sofern die Gesellschaft zustimmt. Bis 2009 sind Spediteure/Transportunternehmen sowie die DB MOBILITY LOGISTICS AG zu jeweils 50% beteiligt.146 Die KOMBIVERKEHR ist seit November 1999 zugelassen als öffentliches Eisenbahnverkehrsunternehmen und stellt Wagen, IT- und Beratungsdienstleistung zur Verfügung. Obwohl der Huckepackverkehr aus ökologischen Gründen gefördert wird und neben den (ehemals) staatlichen Eisenbahngesellschaften weitere Transport-
145 146
Vgl. o. V., 1994, S. 54. Zur Struktur der DEUTSCHEN BAHN AG und den Aufgaben der DB MOBILITY LOGISTICS AG siehe Kap. D, Abschn. 3.5.
164
B.5 Transport
dienstleister Angebote des Kombinierten Verkehrs aufbauen, 147 ist derzeit nicht damit zu rechnen, dass dies zu einer nennenswerten Verschiebung von Transportleistungen von der Straße auf die Schiene führen wird. Auch wenn bei der Überbrückung der Schnittstelle Straße-Schiene technische Entwicklungen den Wechsel des Transportträgers vereinfachen und beschleunigen,148 sind die aktuellen Prognosen recht widersprüchlich.149 Ein weiteres Hindernis für den Kombinierten Verkehr sind unterschiedliche nationale Normen im Schienenverkehr innerhalb Europas.150 Einzig bei der Überwindung geographischer Hindernisse, die für Lkw nicht oder nur schlecht zu überqueren sind (z. B. Gewässer oder Gebirge) und in Folge von politischen Maßnahmen, die auf ökologischen Überlegungen basieren, kann der Kombinierte Verkehr zukünftig noch Marktanteile gewinnen. Dies ist z. B. beim Transitverkehr durch Österreich und die Schweiz der Fall. Insgesamt ist deshalb wohl für die ersten Jahre des neuen Jahrtausends mit Stagnation des Kombinierten Verkehrs zu rechnen. Containerverkehr Der Containerverkehr151 lässt sich durch Kombination aller Transportmittel durchführen. Der Hauptlauf kann sowohl auf der Schiene als auch auf dem Wasser oder in der Luft durchgeführt werden. Der Vorlauf geht im Allgemeinen über die Straße. Wenn von Containerverkehr gesprochen wird, so wird damit in erster Linie die Kombination Straße/Schiene sowie die Kombination Schiene oder Straße mit Überseeschiff gemeint.152 Der Containerverkehr, bei dem der Hauptlauf vom Schiff durchgeführt wird, wird im Allgemeinen von speziellen Containerreedereien betrieben. Wird der Hauptlauf über die Schiene ausgeführt, so sind zur Durchführung spezielle Gesellschaften einzuschalten. Die TFG TRANSFRACHT INTERNATIONAL GESELLSCHAFT FÜR KOMBINIERTEN GÜTERVERKEHR MBH & CO. KG (nachfolgend kurz TFG TRANSFRACHT genannt), eine Tochter der HHLA INTERMODAL GMBH und der DB MOBILITY LOGISTICS AG, transportiert Container von den Deutschen Seehäfen zum Endempfänger europaweit in das Hinterland und vom Hinterland zu den Deutschen Seehäfen.153 Eine andere wichtige Gesellschaft für Containerverkehr ist INTERCONTAINER-INTERFRIGO SA, die eine Gesellschaft der europäischen Eisen147 148 149 150
151 152 153
Vgl. European Commission, 2001, S. 41ff. Vgl. Schulze/Franke, 1999, S. 18f. Vgl. Aberle, 2009, S. 84 und dort zitierte Literatur. In Europa sind derzeit noch unterschiedliche Spurweiten, Bahnstromsysteme und Lichtraumprofile im Einsatz, die den internationalen Schienen- und damit den Kombinierten Verkehr behindern. Siehe Kap. B, Abschn. 4.3. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, 1981. TFG TRANSFRACHT INTERNATIONAL GESELLSCHAFT FÜR KOMBINIERTEN GÜTERVERKEHR MBH & CO. KG, früher TRANSFRACHT DEUTSCHE TRANSPORTGESELLSCHAFT MBH, wurde 1969 mit Hauptsitz in Frankfurt am Main gegründet.
5.4
Kombinierter Verkehr
165
bahnen für internationale Containertransporte auf der Schiene ist.154 Für Transporte auf der Schiene sind TFG TRANSFRACHT bzw. INTERCONTAINER Frachtführer. Sie organisiert auf Wunsch auch den erforderlichen Straßenvor- und -nachlauf. Sie bietet außerdem noch zusätzliche logistische Dienstleistungen an. Mit der Skizzierung der Aufgaben der KOMBIVERKEHR und der TFG TRANSFRACHT bzw. INTERCONTAINER wurden schon institutionelle Teilaspekte von Logistiksystemen angesprochen, die im Anschluss an die Diskussion der phasenspezifischen Subsysteme der Logistik im Kap. D im Einzelnen behandelt werden.
154
INTERCONTAINER-INTERFRIGO SA wurde 1967 mit Hauptsitz in Basel gegründet.
C Phasenspezifische Subsysteme der Logistik
C Phasenspezifische Subsysteme der Logistik
1 Beschaffungslogistik
2 Produktionslogistik
3 Distributionslogistik
4 Ersatzteillogistik
5 Entsorgungslogistik
1.1 Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik
2.1 Definition und Konzeption der Produktionslogistik
3.1 Definition und Konzeption der Distributionslogistik
4.1 Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik
5.1 Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik
1.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungslogistik
2.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen
3.2 Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik
4.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Ersatzteillogistik
5.2 Verrichtungsspezifischen Subsysteme der Entsorgungslogistik
4.3 Bedeutung der Ersatzteilversorgung als Wettbewerbsinstrument
5.3 Technische Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse
2.3 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik
Zu einer weiteren Konkretisierung von für die Logistik charakteristischen Entscheidungsproblemen erfolgt in diesem Kapitel eine Aufgliederung des Gesamtsystems der Logistik entsprechend der in Kap. A vorgenommenen funktionellen Abgrenzung in die folgenden phasenspezifischen Subsysteme: x x x x x
Beschaffungslogistik, Produktionslogistik, Distributionslogistik, Ersatzteillogistik, Entsorgungslogistik.
Ausgehend von der Definition und der Charakterisierung der Konzeption dieser phasenspezifischen Subsysteme werden insbesondere die Probleme behandelt, die sich aus den verschiedenen Logistikobjekten und den Schnittstellen der Logistik in den verschiedenen Phasen zu den betriebswirtschaftlichen Funktionen der Beschaffung, der Produktion, des Absatzes, des Kundendienstes bzw. der Instandhaltung sowie des Umweltschutzes ergeben. Auf die verrichtungsspezifischen logistischen Subsysteme wird in den Phasen der Beschaffung und Distribution nicht eingegangen, da die diesbezügliche Problematik weitestgehend durch die allgemeine Darstellung der verrichtungsspezifischen Subsysteme im vorangegangenen Kapitel abgedeckt ist.
1
Beschaffungslogistik
1.1
Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik
Definition Die Beschaffungslogistik ist ein marktverbundenes Logistiksystem. Sie stellt die Verbindung zwischen der Distributionslogistik der Lieferanten und der Produktionslogistik eines Unternehmens dar. Objekte der Beschaffungslogistik sind Güter (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Kaufteile und Handelsware), die dem Unternehmen bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen (bereitzustellen) sind. Bedarfsträger
170
C.1 Beschaffungslogistik
ist das Beschaffungslager oder – im Falle einer direkten Anlieferung – die erste Produktionsstufe im Unternehmen. Um die Gesamtaufgabe der Versorgung des Unternehmens mit nicht selbsterstellten Einsatzgütern erfüllen zu können, muss neben der körperlichen auch die rechtliche Verfügbarkeit, d. h. beispielsweise der Eigentumserwerb an den Gütern, sichergestellt werden. Die damit verbundenen Aktivitäten fallen in den Aufgabenbereich der Beschaffung (des Einkaufs). Die Aufgaben zur Erfüllung der Gesamtaufgabe der Versorgung werden auch unter dem Begriff Materialwirtschaft zusammengefasst. 1 Die Abgrenzung zwischen der Beschaffung und der Beschaffungslogistik eines Unternehmens kann durch die folgende Sichtweise verdeutlicht werden. Danach ist es Aufgabe der Beschaffung, Lieferkapazitäten zur Verfügung zu stellen, Lieferkapazitäten zu pflegen und zukünftige Lieferkapazitäten zu entwickeln. Bezüglich der Aufgabenerfüllung wird der Marketinggedanke vom Absatz- auf den Beschaffungsbereich übertragen. Dies liegt nahe, da die Gestaltung von Austauschbeziehungen zwischen Marktpartnern, in diesem Fall auf dem Beschaffungsmarkt, als wesentliches Merkmal des Marketinggedankens zu sehen ist.2 Der Begriff Beschaffungsmarketing setzt sich sowohl in der Theorie als auch in der Praxis immer weiter durch; analog zum Marketinginstrumentarium im Absatzbereich existiert ein Marketinginstrumentarium im Beschaffungsbereich.3 Das Beschaffungsmarketing erfüllt die ihm gestellten Aufgaben, indem mit Hilfe der Instrumente der Marktforschung auf gegenwärtigen Märkten Lieferkapazitäten erkannt und die Lieferanten mit Hilfe der beschaffungspolitischen Instrumente (die in Anlehnung an die Instrumente der Marketingpolitik im Absatzbereich definiert werden) so beeinflusst werden, dass sie dem nachfragenden Unternehmen die gewünschten Produkte liefern. Die auf diese Weise beschaffte Lieferkapazität ist durch den Einsatz der entsprechenden Instrumente der Beschaffungspolitik ständig zu pflegen, um die einmal gewonnenen Lieferanten als Stammlieferanten zu erhalten. Außerdem hat sich der Beschaffungsbereich des Unternehmens damit zu befassen, welche Produkte auf zukünftigen Beschaffungsmärkten zur Problemlösung im Unternehmen beitragen können. Er hat also für die Entwicklung zukünftiger Lieferkapazitäten Sorge zu tragen, wobei hier im Hinblick auf zukünftige Zulieferprodukte und ihre Bedeutung für die Gestaltung der eigenen Produkte eine enge Beziehung zum Forschungs- und Entwicklungsbereich deutlich wird. Die Beschaffungslogistik nutzt die vorhandenen Lieferkapazitäten, indem sie die Güter- und Informationsflüsse zur Bereitstellung der Einsatzgüter erzeugt. Aufgrund des marktverbundenen, unternehmensübergreifenden Charakters der Beschaffungslogistik sind typischerweise nicht alle Entscheidungstatbestände, die einen Einfluss auf die externe Bereitstellung der Einsatzgüter haben, innerhalb der 1
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Zur Definition der Materialwirtschaft vgl. Grochla, 1990, S. 18; Grün, 1994, S. 449ff.; Eschenbach, 1996, Sp. 1194f. Für eine ausführliche Darstellung der Abgrenzung der Begriffe Beschaffung, Materialwirtschaft und Logistik vgl. Arnold, 1997, S. 1ff. Vgl. Koppelmann, 1995, Sp. 211f.; Koppelmann, 2004, S. 77ff. Vgl. Koppelmann, 2004.
1.1
Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik
171
Unternehmensgrenzen angesiedelt. Folglich sind Konzepte und Regelungen notwendig, die eine übergreifende Koordination der Güterflüsse und eine engere Kopplung zwischen Lieferanten und Abnehmer ermöglichen. Solche Regelungen beziehen sich insbesondere auf zeitliche und organisatorische Aspekte der Lieferungen und enthalten häufig Festlegungen über den Zeitpunkt des Gefahren- und Kostenübergangs. Damit wird auch in erheblichem Maße der Umfang der logistischen Kontrollspanne in der Beschaffungslogistik bestimmt. Eine weite Kontrollspanne des Abnehmers bedeutet, dass er weitgehend selbst für die Bereitstellung verantwortlich ist und auch die Maßnahmen zur Durchführung treffen muss. Dies entspricht einer Ausprägung des Holprinzips, das neben dem Bringprinzip eine der zwei grundsätzlichen Arten der Bereitstellung4 bildet. Ist dagegen die Aufgabe der externen Materialbereitstellung im Wesentlichen dem Lieferanten übertragen, liegt eine Ausprägung des Bringprinzips mit entsprechend geringer Kontrollspanne des Abnehmers vor. Ein wichtiges Beispiel für Regelungen, die direkt die logistische Kontrollspanne beeinflussen, sind die so genannten Incoterms5, die selbstverständlich auch für die Distributionslogistik von Bedeutung sind. Konzeption Das Systemdenken in der marktverbundenen Beschaffungslogistik fordert, bei Entscheidungen nicht nur die Beziehungen zwischen den verrichtungsspezifischen logistischen Subsystemen innerhalb eines Unternehmens oder die Beziehungen zu anderen Funktionen im Unternehmen zu betrachten, sondern insbesondere auch die Wirkungszusammenhänge mit den Logistiksystemen der Lieferanten zu beachten. Beispielsweise ist zu berücksichtigen, ob Maßnahmen zur Senkung der Bestände im Beschaffungslager des eigenen Unternehmens dazu führen, dass Bestände im Absatzlager des Lieferanten erhöht werden müssen. Denn langfristig betrachtet wird der Lieferant gezwungen sein, entweder die mit einer Bestandserhöhung entstehenden Kosten in die Preisbildung seiner Produkte einzubeziehen oder aber sein eigenes Logistiksystem umzustrukturieren, was entsprechende Logistikkompetenzen voraussetzt. Das Erkennen und Berücksichtigen dieser Zusammenhänge drückt sich insbesondere im Begriff der Logistikkette (vom Lieferanten über logistische Dienstleister bis zum Abnehmer) bzw. der Supply Chain6 aus. Die damit verbundene Sichtweise fordert, die üblicherweise an mehreren Stellen der Logistikkette vorhandenen Lagerbestände möglichst in nur einer Bevorratungsebene zusammenzufassen, für die dann der günstigste Ort in der Kette, beispielsweise auch in einem gemeinsam von Abnehmer und Lieferant betriebenen Lager, zu bestimmen ist.
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Zur Unterscheidung von Bring- und Holprinzip in der internen Materialbereitstellung siehe Kap. C, Abschn. 2.2. Zur Konditionenpolitik siehe Kap. C, Abschn. 1.2. Siehe Kap. D, Abschn. 4.3.
172
C.1 Beschaffungslogistik
Das Gesamtkostendenken lässt sich ebenfalls am Beispiel der Lagerbestandsreduzierung nachweisen. Niedrigere Bestände führen, bei einem gegenüber dem vorherigen Bestand unveränderten Bedarf, zu kleineren Bestelllosen und einer höheren Bestellfrequenz, woraus höhere Transportkosten entstehen können. Diese Entwicklung hängt sehr stark davon ab, ob häufigere Transportvorgänge mit geringerer Transportmittelauslastung oder kleineren Transportmitteln notwendig werden oder ob es – durch geeignete Konzepte der Transportorganisation – gelingt, die Transportmittel auch weiterhin gut auszulasten, etwa durch die Zusammenfassung von kleineren Bestelllosen verschiedener Bedarfsträger zu einem größeren Transportlos. Die höhere Bestellfrequenz führt zu einer höheren Anzahl von Bestellvorgängen, so dass die Kosten der Auftragsabwicklung und die entsprechenden Kosten im Bereich des Einkaufs, die bei der Anbahnung und dem Abschluss eines Kaufvertrags über das zu liefernde Material anfallen (Kosten der Koordination zwischen den beteiligten Unternehmen)7, tendenziell steigen können. Inwiefern tatsächlich eine Kostensteigerung auftritt, hängt beispielsweise davon ab, ob es gelingt, durch eine informatorische Integration innerhalb des Unternehmens, d. h. zwischen Einkaufsbereich und Beschaffungslogistik und zwischen den beteiligten Unternehmen die Kosten des Informationsflusses und der Koordination gering zu halten. Der Einsatz von Informationstechnik bietet hier Kostensenkungspotentiale, erwirkt neben den notwendigen Investitionen aber auch Kosten für die Anpassung der Informationssysteme bei Lieferant und Abnehmer. Damit wird auch deutlich, dass analog zu der oben beschriebenen Notwendigkeit, das Systemdenken unternehmensübergreifend anzuwenden, das Gesamtkostendenken ebenfalls vom Logistiksystem des einzelnen Unternehmens auf die gesamte Logistikkette zu übertragen ist. Darüber hinaus sind noch die Versorgungsniveaukosten zu berücksichtigen, die entstehen, wenn durch ein zu niedriges Niveau beim Versorgungsservice Störungen in der Produktion oder negative Auswirkungen auf das Lieferserviceniveau in der Distribution des Unternehmens hervorgerufen werden. Wesentlichen Einfluss auf die in der Beschaffungslogistik entstehenden Kosten haben die zur Anwendung gelangenden Prinzipien der externen Materialbereitstellung. Es lassen sich drei Prinzipien unterscheiden,8 die jeweils grundsätzlich andere Anforderungen an die Beschaffungslogistik stellen. Das einfachste Prinzip der Materialbereitstellung ist die Einzelbeschaffung im Bedarfsfall, gemäß dem das erforderliche Material erst nach dem Auftreten des Bedarfs beschafft wird. Der große Vorteil für die Beschaffungslogistik besteht darin, dass kaum oder nur in sehr geringem Umfang gelagert werden muss. Damit sind die Kapitalbindung und die Lagerkosten sehr gering, allerdings wird die Produktion eventuell bis zum Eintreffen des Materials verzögert. Dies kann zur Folge haben, dass Lieferzeiten zu lang werden und Produktionsanlagen nicht optimal ausgelastet werden können. Die dadurch entstehenden Kosten können jedoch die 7 8
Diese Kosten werden häufig auch als Transaktionskosten bezeichnet. Vgl. Grochla, 1990, S. 23ff. Der Begriff extern meint, dass die Güter von außerhalb des Unternehmens bereitgestellt werden.
1.1
Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik
173
Einsparungen aufgrund der geringen Kapitalbindung leicht übersteigen. Die Anwendung dieses Prinzips wird deshalb im Allgemeinen nur bei am Markt sofort beschaffbaren Gütern sowie bei nicht vorhersehbarer und nicht zu planender Nachfrage angewandt. Der zuletzt genannte Fall tritt beispielsweise bei der Einzelfertigung auf, wenn bestimmte Materialien benötigt werden, die nur für einen einzigen Fertigungsauftrag verwendet werden können. Das zweite Bereitstellungsprinzip ist die Beschaffung mit Vorratshaltung, gemäß dem die Materialien im eigenen Unternehmen auf Abruf für die interne Materialbereitstellung9 bereitgehalten werden und bei einem auftretenden Bedarf innerhalb kurzer Zeit zur Verfügung stehen. Auf diese Weise koppelt sich das Unternehmen von der externen Bereitstellung ab und wird weniger empfindlich gegenüber Schwankungen oder Unzuverlässigkeiten bei der Zulieferung durch die Lieferanten. Hinzu kommt, dass die Vorratshaltung üblicherweise mit dem Bezug größerer Mengen verbunden ist, so dass Größenvorteile und entsprechende Kosteneinsparungen, beispielsweise durch die Ausnutzung von Preisstaffelungen (Mengenrabatte u. ä.), erzielt werden können. Dies wird jedoch durch eine höhere Kapitalbindung und höhere Lagerkosten erkauft. Unter reinen Kostenüberlegungen tritt hier das Problem der Ermittlung der optimalen Bestellmenge auf. Das dritte Prinzip der Materialbereitstellung ist die produktions- oder einsatzsynchrone Anlieferung10. Mit ihm wird versucht die Vorteile der beiden anderen Prinzipien miteinander zu verbinden und deren Nachteile zu vermeiden. Gemäß diesem Prinzip muss der Lieferant das Material zu den Terminen anliefern, die durch den Produktionsablauf des beschaffenden Unternehmens bestimmt werden. Der laufende Tagesbedarf geht im Allgemeinen direkt von den Transportmitteln zu den Produktionsstellen, auf diese Weise werden kurze Durchlaufzeiten des Materials erreicht. Lagerbestände werden lediglich in Form geringer Sicherheitsbestände gehalten, so dass Kapitalbindung und Lagerkosten niedrig sind. Die produktionssynchrone Anlieferung erfordert sehr zuverlässige Lieferanten. Darüber hinaus macht sie eine enge Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer auf der Basis eines intensiveren Informationsaustausches notwendig, damit etwaige Änderungen im Ablauf des Produktionsprozesses des Abnehmers sofort an den Lieferanten weitergeleitet werden können und er seine eigene Produktion darauf abstimmen kann. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass die Lagerhaltung nicht lediglich vom Abnehmer auf den Lieferanten abgewälzt wird, sondern dass bei beiden die Lagerhaltung weitgehend vermieden wird. Voraussetzungen für die geforderte enge informatorische Verknüpfung sind das Vorhandensein eines unternehmensübergreifenden Planungs- und Steuerungssystems (Lieferabrufsystem) und die weitgehende informationstechnische Integration 9
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Der Begriff intern meint, dass die Güter von Organisationseinheiten innerhalb des Unternehmens kommend bereitgestellt werden. Dieses Bereitstellungsprinzip bildet die Grundlage der produktionssynchronen Beschaffung, die ein wichtiges Element der Just-in-Time-Produktion und -Beschaffung ist. Vgl. Eisenkopf, 1994, S.86ff; Wildemann, 1995a. Speziell zur produktionssynchronen Beschaffung vgl. Wildemann, 1995b.
174
C.1 Beschaffungslogistik
zwischen Lieferant und Abnehmer, um einen elektronischen Datenaustausch zu ermöglichen. 11 Ein Lieferabrufsystem umfasst in der Regel drei Ebenen: Die Rahmenvereinbarung, in der grundsätzliche Lieferbedingungen vereinbart werden, den Rahmenauftrag, in dem jeweils für einen Zeitraum von einigen Monaten die Wochen- oder Tagesbedarfe des Abnehmens spezifiziert werden und den Lieferabruf, der als eigentliche Bestellung die Mengen, Termine und Anlieferungspunkte des Materials festlegt.
1.2
Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik
Bei der Erfüllung der Gesamtaufgabe der Versorgung des Unternehmens sind die Interdependenzen zwischen der Beschaffungslogistik und der Beschaffungspolitik zu berücksichtigen. Ähnlich wie bei den Instrumenten der Marketingpolitik im Absatzbereich12 sollen bei den Instrumenten der Beschaffungspolitik vier Gruppen unterschieden werden: die Produktpolitik, die Konditionenpolitik, die Kommunikationspolitik und die Bezugspolitik. Produktpolitik Bestandteile der Produktpolitik sind die Produktgestaltung und das Beschaffungsprogramm,13 in dem festgelegt wird, welche Güterarten in welchen Mengen und in welcher zeitlichen Verteilung innerhalb eines Planungszeitraums bezogen werden. Von Bedeutung für die Beschaffungslogistik sind zunächst Entscheidungen über eine Ausdehnung des Beschaffungsprogramms, die in der Regel mit Steigerungen der Logistikkosten, besonders im verrichtungsspezifischen Subsystem Lagerhaltung, verbunden sind.14 Eine solche Ausdehnung kann aus Bedürfnissen nach spezifischen Einsatzgütern aus Forschung und Entwicklung bzw. der Produktion, die sich z. B. wertanalytisch begründen lassen, resultieren. Dem steht das Bestreben der Beschaffungslogistik gegenüber, den Umfang des Beschaffungsprogramms möglichst gering zu halten. Unterstützt wird dieses Bestreben der Beschaffungslogistik durch eine Standardisierung der Einsatzgüter mit Hilfe von Normung und Typung sowie die Verwendung zusammengesetzter Vorprodukte (Baugruppen) anstelle von Einzelteilen. Im Rahmen der Produktgestaltung ist auch auf die Beziehung zwischen der Beschaffungslogistik und der Verpackungsgestaltung bzw. den dafür notwendigen Einsatzgütern (Verpackungsmaterialien) zu achten. Aus Sicht der Logistik sollte möglichst solches Verpackungsmaterial verwendet wer-
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Zur Bedeutung des elektronischen Datenaustauschs in der Beschaffungslogistik und den Möglichkeiten der Realisierung vgl. Becker/Rosemann, 1993, S. 75ff. Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 577ff. Diese Gruppe der beschaffungspolitischen Instrumente wird daher auch als Beschaffungsprogramm (-politik) bezeichnet, vgl. Tempelmeier, 1998, S.245ff. Für eine ausführliche Darstellung der Beziehung zwischen Produktpolitik und Distributionslogistik vgl. Kap. C, Abschn. 3.2.
1.2
Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik
175
den, das sich einfach transportieren und lagern lässt und keinen großen Lagerraum in Anspruch nimmt. Dies ist z. B. bei faltbarem Verpackungsmaterial der Fall. In engem Zusammenhang mit der Festlegung des Beschaffungsprogrammes stehen die Entscheidungen über Eigenerstellung oder Fremdbezug (auch als Make-or-Buy bezeichnet) der Einsatzgüter der Produktion. In den letzten Jahren war in einigen Branchen ein Trend zur Verringerung der Fertigungstiefe im Unternehmen zugunsten einer Steigerung des Fremdbezugs zu beobachten.15 Die Zunahme des Fremdbezugs bedeutet eine Ausweitung des Beschaffungsprogrammes, aus der die beschriebenen Nachteile aus logistischer Sicht resultieren. Ferner führt sie tendenziell zu einer Erhöhung der Komplexität der Beschaffungslogistik, da die Anzahl und die Intensität der Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen zunehmen. Ein Beschaffungskonzept, das geeignet ist, diese logistische Komplexität aufzulösen, stellt das so genannte Modular Sourcing dar. Dieses Konzept sieht vor, anstelle einzelner Teile ganze Module, d. h. Funktionsgruppen (Baugruppen oder Komponenten) mit komplexer Struktur, von einem Modullieferanten (Systemlieferanten) zu beziehen.16 Ein enger Zusammenhang zwischen Beschaffungsprogramm und Beschaffungslogistik besteht schließlich noch bezüglich der Bestellmengen und Bestellzeitpunkte. Aus dem kurzfristigen Primärbedarf an Fertigprodukten muss im Rahmen der Bedarfsplanung der Sekundärbedarf an Rohstoffen, Einzelteilen und Baugruppen abgeleitet werden. Daraus kann in weiteren Schritten der periodenspezifische Nettobedarf berechnet werden, aus dem dann Beschaffungs- und Produktionsmengen pro Periode bestimmt werden.17 Als spezielle Probleme der Beschaffungslogistik schließen sich daran die Entscheidungen über die Höhe einzelner Bestellmengen (Bestellmengenproblem) und die Bestellzeitpunkte an, die in enger Abstimmung mit den entsprechenden Entscheidungen in der Produktion und in der Produktionslogistik erfolgen müssen. Konditionenpolitik Der direkte Bezug der Beschaffungslogistik zur Preispolitik ist bei der Kalkulation des Einstandspreises der Ware gegeben. Denn im Einstandspreis sind die Kosten der Beschaffungslogistik enthalten. Dies bedeutet, dass bei Verhandlungen über den Preis der Ware und den Leistungsumfang untersucht werden muss, ob es günstiger ist, eine Lieferung ab Werk zu beziehen und den Transport selbst zu übernehmen (bzw. einen Dienstleister zu beauftragen) oder eine Lieferung frei Haus zu vereinbaren, wobei in diesem Falle der Lieferant die logistische Leistung erbringt und in den Preis einkalkuliert. Ein Bezug der Waren ab Werk ist besonders dann sinnvoll, wenn sich durch Abstimmung der Beschaffungs- und Distribu15
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Vgl. Eisenkopf, 1994, S. 76ff. Dieser Trend ist übrigens auch eine der Ursachen für die gesteigerte Aufmerksamkeit, die der Beschaffung und der Beschaffungslogistik in den letzten Jahren gewidmet wurde. Vgl. Eicke/Femerling, 1991, S. 31. Siehe die Ausführungen zur Bedarfsermittlung in Kap. B, Abschn. 2.2 und zur Vorratsergänzung und -sicherung in Kap. B, Abschn. 2.3.
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C.1 Beschaffungslogistik
tionslogistik positive Verbundwirkungen erzielen lassen. Beispielsweise können Distributions- und Beschaffungstransporte so koordiniert werden, dass Leerfahrten weitgehend vermieden und eine hohe Auslastung der Fahrzeuge erreicht werden kann. Eine Befragung 560 deutscher Unternehmen im Jahr 1997 hat ergeben, dass 66% der Beschaffungsgüter frei Haus bzw. frei Abladestelle bezogen werden. Für 34% der Güter übernehmen die beschaffenden Unternehmen selbst die Koordination des Transportes. Allerdings beziehen lediglich 1,6% aller Unternehmen ihre Beschaffungsgüter ausschließlich frei Haus und nur 2,1% übernehmen für alle Beschaffungsgüter den Transport. Es zeigt sich, dass Unternehmen bezüglich der Beschaffungslogistik in der Regel für jedes Produkt individuell entscheiden, von wem der Warentransport übernommen wird.18 Im internationalen Warenverkehr werden solche Festlegungen durch die Verwendung der entsprechenden Incoterms19 getroffen. Das sind die internationalen Regeln für die Auslegung handelsüblicher Vertragsformeln. Sie werden im zwischenstaatlichen Warenverkehr von den Unternehmen benutzt und legen die Lieferbedingungen bzw. die Pflichten und Rechte (insbesondere die Aufgaben-, Kosten- und Gefahrenteilung) der Verkäufer und Käufer fest. Die Incoterms, die aus insgesamt 13 Klauseln bestehen, sind in vier Hauptgruppen unterteilt und unterscheiden sich nach den Orten des Kosten- und Gefahrenübergangs. 20 Bekannte Klauseln sind: x Ex Works (EXW), d. h. Ab-Werk-Verkäufe: Hier bestimmt der Auftraggeber (der Käufer) alle logistischen Leistungen, wie z. B. die Beauftragung eines Spediteurs oder eines Frachtführers. Von ihm sind auch alle dafür anfallenden Logistikkosten zu übernehmen. Die Leistungen des Versenders (Verkäufer, Hersteller) enden mit der Beladung des Transportmittels. Es liegt somit eine Ausprägung des Holprinzips vor. x Free On Board (FOB): Alle logistischen Leistungen bis Übernahme Seeschiff hat der Versender (Verkäufer) zu erbringen. Gefahren- und Kostenübergang erfolgen an der Schiffsreling im Ladehafen. Die sich daran anschließenden Logistikaktivitäten fallen in den Zuständigkeitsbereich des Käufers. Es wird vorgeschlagen, nur noch bei der Verschiffung von Stück- und Massengütern mit konventionellen Seeschiffen diese Klausel und bei der Beförderung von Containern im Seeverkehr stattdessen die Klausel FCA (Free Carrier, frei Frachtführer) zu verwenden, wobei der Frachtführer hier die Reederei bzw. der Terminalbetreiber ist, der die Verladung vornimmt. In gleicher Weise sollte auch im Luftverkehr die Klausel FCA statt FOB verwendet werden, da der Verkäufer nicht tatsächlich an Bord des Flugzeuges liefern kann, sondern bereits zuvor eine Übergabe an den Luftfrachtführer erfolgt.21 18 19 20 21
Vgl. Pfohl/Schäfer, 1998, S. 58. Incoterms: International Commercial Terms. Vgl. Becker, 1992. Vgl. Becker, 1992, S. 340f.
1.2
Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik
177
x Cost, Insurance, Freight (CIF): Alle logistischen Leistungen bis zum angegebenen Bestimmungshafen werden vom Versender (Verkäufer) bestimmt und getragen. Ebenso übernimmt der Verkäufer die Prämienzahlung für die Transportversicherung. Die entsprechenden Kosten sind vom Verkäufer in den Verkaufspreis einzukalkulieren. Für die nachfolgenden Logistikleistungen ab Bestimmungshafen ist der Käufer verantwortlich. x Carriage Paid To (CPT): Der Versender (Verkäufer) bestimmt alle Logistikleistungen bis zur im Kaufvertrag festgelegten Bestimmungsstation des Warenempfängers. x Delivered Duty Paid (DDP): Alle logistischen Leistungen bis zum Warenempfänger werden vom Versender (Verkäufer), der auch die Verzollung vorzunehmen hat, selbst bestimmt. Sowohl bei dieser Klausel als auch bei CPT übernimmt der Versender (Verkäufer) die (gesamte) Verkehrsdisposition und die Erstellung der Versandpapiere.22 Die operativen Aktivitäten werden entweder im Namen und für Rechnung des Versenders von beauftragten Frachtführern oder durch eigene Fahrzeuge vorgenommen. Die Kosten für die Erbringung der Logistikleistungen sind in den Verkaufspreis einzukalkulieren. Die Anwendung dieser Klauseln bedeutet eine Realisierung des Bringprinzips. Besondere Berücksichtigung gilt den Überlegungen der Beschaffungslogistik bei Preisverhandlungen, die die Aushandlung von Mengenrabatten zum Ziel haben. Allzu häufig kommt es noch vor, dass der Einkäufer durch den Einkauf großer Mengen einen niedrigeren Einstandspreis erzielt, ohne zu berücksichtigen, dass diese Mengen dann über lange Zeit Kapital binden und große Lagerkosten verursachen. Werden Kaufverträge gemäß Kaufvertragsformen mit speziellen Erfüllungsvereinbarungen (Rahmenverträge, Abrufverträge, Sukzessivlieferungsverträge, Konsignationsbezug usw.) abgeschlossen, so sind gerade logistische Tatbestände häufig Gegenstand dieser besonderen Vereinbarung. Beispielsweise werden in Sukzessivlieferungsverträgen die Mengen festgelegt, die zu bestimmten Terminen abzunehmen sind. Beim Konsignationsbezug hält der Lieferant einen Lagerbestand in der Nähe des Bedarfsträgers, aus dem dieser je nach Bedarf Material entnehmen kann. Ein typisches Beispiel ist auch das bereits beschriebene Lieferabrufsystem in der produktionssynchronen Beschaffung, in dem die Lieferabrufe oft sehr eng begrenzte Anlieferzeitfenster enthalten. Beziehungen zwischen Konditionenpolitik und Beschaffungslogistik können auch bei Gegengeschäften auftreten, bei denen die Gegenleistung des abnehmenden Unternehmens nicht in Form von Geld, sondern in Form von Gütern erbracht wird.
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Die Klauseln CPT und DDP unterscheiden sich (außer durch die Verzollung) vor allem dadurch, dass bei CPT der Zeitpunkt bzw. Ort des Kostenübergangs im Kaufvertrag beliebig festgelegt werden kann, während bei DDP der Kostenübergang immer am benannten Bestimmungsort im Einfuhrland erfolgt.
178
C.1 Beschaffungslogistik
Kommunikationspolitik Die Kommunikationspolitik soll dem Lieferanten die Ideen und Absichten der Beschaffungspolitik verdeutlichen. Ihr Ziel besteht darin, die Leistungsfähigkeit, Lieferwilligkeit und Vertragstreue der Anbieter zu gewinnen, zu erhalten und zu erhöhen. Beziehungen zwischen Kommunikationspolitik und Beschaffungslogistik bestehen lediglich in sehr allgemeiner Weise, beispielsweise setzt die enge Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer bei der produktionssynchronen Anlieferung gerade leistungsfähige, lieferwillige und vertragstreue Lieferanten voraus. Die Kommunikationspolitik kann so dazu beitragen, dass man Lieferanten gewinnt, die den beschaffungslogistischen Anforderungen entsprechen. Ein typisches Instrument der Kommunikationspolitik ist die Durchführung so genannter Lieferantentage, zu denen das beschaffende Unternehmen derzeitige und potentielle Lieferanten einlädt und mit ihnen Problemlösungsgespräche, die auch beschaffungslogistische Probleme betreffen können, führt bzw. Möglichkeiten zukünftiger Zusammenarbeit diskutiert.23 Bezugspolitik Wie zwischen den Absatzkanälen und der Distributionslogistik, so bestehen auch zwischen Beschaffungskanälen und der Beschaffungslogistik besonders enge Beziehungen. Eine wesentliche Entscheidung der Bezugspolitik betrifft die Festlegung des Beschaffungsweges (Direktbezug, Beschaffung über Beschaffungshelfer oder den Großhandel), auf dem die Einsatzgüter bezogen werden sollen, wobei diese Entscheidung stark von der Absatzwegepolitik der Lieferanten bestimmt wird. Aufgrund der Analogie zwischen den entsprechenden Entscheidungen in der Distributions- und Bezugspolitik können die Ausführungen zur Distributionspolitik hier übertragen werden.24 Lediglich zwei Punkte sollen besonders hervorgehoben werden, nämlich das Problem der Anzahl der Lieferanten und das Problem ihrer geographischen Anordnung bzw. Streuung. Eine große Anzahl von Lieferanten vermindert das Risiko der Abhängigkeit und schützt so beispielsweise vor Lieferausfällen durch Produktionsstörungen bei einzelnen Lieferanten. Sie belastet aber sehr stark das System der Beschaffungslogistik und führt zu einer hohen Komplexität. Eine Reduzierung der Anzahl der Lieferanten bietet Möglichkeiten zur Reduzierung der Koordinations- und Logistikkosten. Die Material- und Informationsflüsse vom Lieferanten zum Abnehmer können – insbesondere durch organisatorische Maßnahmen und eine bessere gegenseitige Abstimmung durch unternehmensübergreifende Planung und Steuerung – effizienter gestaltet werden. Wenn besonders enge Beziehungen zum Lieferanten aufgebaut werden müssen, wie das beispielsweise im Fall der produktionssynchronen Anlieferung der Einsatzgüter erforderlich ist, ist eine Verminderung der Lieferantenanzahl unumgänglich. Dies zeigt sich in dem Trend zum Single Sour23 24
Zu einem Beispiel für die Durchführung eines Lieferantentages vgl. Seemann, 1995, S. 40ff. Siehe Kap. C, Abschn. 3.2.
1.2
Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik
179
cing oder Double Sourcing25, der Beschränkung auf einen oder zwei Lieferanten für den Gesamtbedarf einer bestimmten Einsatzgüterart, der stark mit den Konzepten der Just-in-Time-Produktion und -Beschaffung verbunden ist. Ähnliche Überlegungen lassen sich anstellen bei der Frage nach der geographischen Anordnung bzw. Streuung der Lieferanten. So bietet eine internationale Beschaffung – ein entsprechendes Beschaffungskonzept wird häufig als Global Sourcing bezeichnet – Chancen zur Ausnutzung von Preis- und Wechselkursvorteilen sowie zur Sicherung von Lieferkapazitäten in Zeiten der Marktverknappung. Ferner kann das Beschaffungsrisiko, z. B. aufgrund von Streiks, durch den Einkauf bei Lieferanten auf geographisch unterschiedlichen Beschaffungsmärkten gemindert werden. Dem stehen längere Transportentfernungen und damit verbunden auch höhere Transportkosten, längere Lieferzeiten, größere Unterwegsbestände und eine geringere Lieferzuverlässigkeit gegenüber. 26 In der Regel nimmt bei wachsender Transportentfernung die Notwendigkeit zu, unterschiedliche Verkehrsträger einsetzen zu müssen und eine zunehmende Zahl von Transaktionspartnern, beispielsweise spezialisierte Logistikunternehmen, einzubeziehen. Entsprechend steigt auch die Komplexität der Informationsflüsse in Form von Auftrags-, Transport- und Handelsdokumenten, so dass auch die Kosten der Koordination tendenziell ansteigen. Grundsätzlich gilt deshalb, dass aus Sicht der Beschaffungslogistik eine Konzentration der Beschaffung auf Lieferanten, die in möglichst geringer Entfernung zum Unternehmen liegen, vorteilhaft ist. Bei weiter entfernt liegenden Lieferanten bietet sich diesbezüglich die Einrichtung eines externen Beschaffungslagers in der Nähe des Bedarfsträgers an, das häufig von einem Logistikunternehmen betrieben wird. 27 Das externe Beschaffungslager ist vor allem in den Fällen vorteilhaft, wenn die jeweils abgerufenen Liefermengen von weit entfernten Lieferanten keine wirtschaftliche Transportlosgröße ergeben. Die Versorgung des Bedarfsträgers erfolgt dann aus dem Beschaffungslager, während der Lieferant mehrere Einzelbedarfe zu einem Transportlos zusammengefasst von seinem Standort in das Beschaffungslager transportiert. Bei einer größeren geographischen Streuung der Lieferanten (wobei jedoch wenigstens jeweils mehrere Lieferanten in einer gewissen räumlichen Nähe zueinander angeordnet sein sollten) kann auch das Gebietsspediteurkonzept28 eingesetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass eine Lieferung ab Werk vereinbart wird und der Abnehmer so die Transportverantwortung innehat. Das Konzept sieht vor, das Beschaffungsgebiet in Regionen zu unterteilen und die in einer Region ansässigen Lieferanten jeweils einem logistischen Dienstleister – dem Gebietsspediteur – zuzuordnen. Dieser organisiert Sammeltouren, konsolidiert die Einzelsendungen verschiedener Lieferanten in einem 25
26 27 28
Wobei Double Sourcing gegenüber dem Single Sourcing den Vorteil bietet, einen gewissen Wettbewerb zwischen den Lieferanten zu erhalten und die Abhängigkeit von diesen etwas zu verringern, vgl. Dyer/Ouchi, 1993, S. 56f. Vgl. Pfohl/Large, 1991. Vgl. Eisenkopf, 1994, S. 128ff. Vgl. Wildemann, 1995a, S. 103ff.
180
C.2 Produktionslogistik
Konzentrationspunkt und transportiert von dort die Lieferungen im Hauptlauf als zielreine Komplettladung oder Ganzzug zum Abnehmer.
2
Produktionslogistik
2.1
Definition und Konzeption der Produktionslogistik
Definition Entsprechend der Gliederung der Unternehmenslogistik nach den Phasen des Güterflusses ist die Produktionslogistik zwischen der Beschaffungs- und der Distributionslogistik angeordnet und verbindet diese miteinander. Die Produktionslogistik umfasst alle Aktivitäten, die in einem Zusammenhang mit der Versorgung des Produktionsprozesses mit Einsatzgütern (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Halbfertigerzeugnisse und Kaufteile) und der Abgabe der Halbfertig- und Fertigerzeugnisse an das Absatzlager stehen. Die Objekte der Produktionslogistik sind dadurch gekennzeichnet, dass sie innerhalb der Fertigung durch die Be- und Verarbeitung einem ständigen Wandel unterliegen und somit im Verlauf des Güterflusses unterschiedliche Anforderungen an die Logistik stellen.29 Produktionsvorgänge und logistische Aktivitäten sind eng miteinander verknüpft, teilweise sogar untrennbar miteinander verbunden.30 Dies ist dann der Fall, wenn während der Lagerung und/oder während des Transportes ein Gut auch qualitativ verändert wird. Solche Überschneidungen sind häufig in der chemischen Industrie anzutreffen. Betont wird diese enge Verknüpfung auch dann, wenn als Aufgabenbereich der Produktionslogistik der (innerbetriebliche) Materialfluss genannt wird. Denn gemäß der Definition des Begriffes Materialfluss werden nicht nur die Vorgänge des Transportierens, Lagerns und Handhabens, sondern auch die Bearbeitung der Erzeugnisse als dem Materialfluss zugehörig betrachtet.31 Eine Abgrenzung von Produktion und Logistik ist möglich, wenn das Bereitstellen von Produktionskapazitäten in der erforderlichen Kapazität (quantitativ und qualitativ) und Flexibilität als Aufgabe der Produktion definiert wird. Teil dieser Aufgabe ist es ferner, vorhandene Produktionskapazitäten zu pflegen und zukünftige zu entwickeln. Dazu sind die Produktionsprozesse so zu gestalten, dass die Produktionstechnologie (z. B. verschiedene Stufen der Automatisierung) auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter abgestimmt ist. Die Pflege der 29 30 31
Vgl. Becker/Rosemann, 1993, S. 3. Vgl. Günther/Tempelmeier, 2007, S. 9. Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 5f. Neben den genannten Vorgängen zählen auch Prüfen, Verpacken und Fördern zum Materialfluss.
2.1
Definition und Konzeption der Produktionslogistik
181
vorhandenen Produktionskapazitäten hat durch entsprechende Instandhaltungsund Wartungsmaßnahmen zu erfolgen. Schließlich hat sich die Produktion damit auseinanderzusetzen, wie zukünftige Produktionskapazitäten sowohl unter Ausnutzung des technischen Fortschritts als auch unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Wandels entwickelt werden können. Aufgabe der Logistik entsprechend dieser Sicht ist es, die Produktionskapazitäten zu nutzen. Dazu muss die Produktion zunächst einmal die von der Distributionslogistik benötigten Güter produzieren. Die Beziehungen zwischen Produktionund Distributionslogistik werden stark davon abhängen, ob für den anonymen Markt (Marktproduktion) oder für bestimmte Kunden (Kunden- oder Auftragsproduktion) produziert wird. In beiden Fällen stellt die Produktionslogistik der Produktion im Rahmen der internen Materialbereitstellung das für die Produktionsprozesse benötigte Material bereit. Die externe Materialbereitstellung betrifft den Materialfluss vom Lieferanten zum Unternehmen und ist Aufgabe der Beschaffungslogistik. Die Schnittstelle zur Beschaffungslogistik auf der Ebene des Güterflusses wird durch die Warenannahme mit oder ohne Eingangslager (Beschaffungslager) bzw. durch die Bereitstellung der Einsatzgüter an der ersten Produktionsstufe unmittelbar durch den Lieferanten gebildet.32 Die entsprechende Schnittstelle zur Distributionslogistik ist durch die Übergabe der Fertigerzeugnisse an das Absatzlager bzw. den Versand gegeben. Je nach Größe des Unternehmens kann es zweckmäßig sein, eine Unterteilung der Produktionslogistik nach räumlichen Merkmalen in eine innerapparative (innerhalb einzelner Produktionsanlagen), eine innerbetriebliche, eine zwischenbetriebliche und eine zwischenwerkliche Logistik vorzunehmen.33 Die zwei letztgenannten Ausprägungen der Produktionslogistik, die bei Aufteilung der Fertigung auf mehrere Betriebsstätten am gleichen Standort oder standortteiliger Fertigung auftreten, weisen hinsichtlich der Gestaltung der Güter- und Informationsflüsse Ähnlichkeiten zur Beschaffungs- und Distributionslogistik auf. Konzeption Das Systemdenken ist angesichts der genannten engen Verknüpfung logistischer Prozesse mit Produktionsprozessen eine wesentliche Voraussetzung, um optimale Gesamtlösungen zu erreichen. In der Vergangenheit wurde dies oft vernachlässigt. So wurden die nacheinander folgenden Produktionsschritte zwar in sich optimal gestaltet, eine gegenseitige Abstimmung fehlte jedoch, so dass eine Abschirmung der einzelnen Produktionsschritte voneinander durch Puffer notwendig wurde.34 Über die produktionslogistischen Zusammenhänge hinaus sind auch die Schnittstellen zu anderen logistischen Subsystemen zu betrachten. Ein Beispiel ist die Anlieferung der Einsatzgüter der Produktion durch den Lieferanten direkt an die
32 33 34
Vgl. Ihde, 2001, S. 278f. Vgl. Endlicher, 1981, S. 26. Vgl. Aggteleky, 1990, S. 490.
182
C.2 Produktionslogistik
erste Produktionsstufe. In diesem Fall haben Entscheidungen im Bereich der Produktion direkten Einfluss auf die Schnittstelle zur Beschaffungslogistik. Die Anwendung des Gesamt- oder Totalkostendenkens in der Produktionslogistik, also die Erfassung aller für eine produktionslogistische Entscheidung relevanten Kosten, ist gerade aufgrund der engen Verknüpfung von Produktions- und Logistikprozessen besonders schwierig. Ein typisches Beispiel sind die Maßnahmen zur Senkung der Bestände in der Produktion. Sie bedingen in der Regel eine Verkleinerung der Losgrößen in der Produktion, häufigere Wechsel der produzierten Produkte und entsprechend häufigere Rüstvorgänge. Geringeren Bestandskosten stehen dann höhere Loskosten, die durch die auflagenfixen Rüstkosten bestimmt werden, entgegen. Ferner können die kleineren Produktionslose zu einer Zunahme der Anzahl der innerbetrieblichen Transportvorgänge und somit zu höheren Transportkosten führen. Zu berücksichtigen sind auch Serviceniveaukosten, die durch ein zu niedriges Versorgungsserviceniveau und daraus resultierenden Störungen (Unterbrechungen, Notwendigkeit der Änderung der Auftragsreihenfolge) des Produktionsablaufs entstehen. Darüber hinaus können diese Störungen bei einer weitgehenden Reduzierung der Bestände und einer engen Verkettung von Produktions- und Distributionslogistik auch negative Auswirkungen auf das Lieferserviceniveau haben und zu Fehlmengenkosten führen. Das Servicedenken in der Produktionslogistik bedeutet eine Übertragung des Denkens in Lieferanten-Kunden-Beziehungen von einer primär nach außen, auf unternehmensübergreifende Güterflüsse gerichteten Sicht, auf die innerhalb eines Unternehmens verlaufenden Güterflüsse zur Versorgung der Produktion. Die Bedarfsträger oder Kunden der Produktionslogistik sind die einzelnen Produktiveinheiten35 des Produktionssystems. Die Distributionslogistik kann als Kunde am Ende des Produktionsprozesses gesehen werden. Lieferanten sind entweder die jeweils vorgelagerten Stufen innerhalb des Produktionsprozesses oder die Beschaffungslogistik. Die Anforderungen bezüglich der Höhe des Serviceniveaus der Produktionslogistik werden durch die Ziele der genannten Kunden bestimmt. Hierbei reflektieren die Anforderungen der Distributionslogistik die an sie gestellten Lieferserviceanforderungen der externen Kunden des Unternehmens. Ein typisches Beispiel dafür ist die so genannte kundennahe Produktion. Sie fordert hohe Flexibilität und kurze Durchlaufzeiten in den Produktionsbereichen, wobei produktionslogistische Maßnahmen zur Verringerung der Durchlaufzeit in erster Linie an einer Verringerung der Übergangszeiten, bestehend aus Liege-, Transportund Kontrollzeiten, zwischen den Bearbeitungsstufen ansetzen können.36 Betrachtet man nicht die aus den Anforderungen der Distributionslogistik abgeleiteten Ziele, sondern die Serviceanforderungen der einzelnen Produktiveinheiten, können durchaus andere Versorgungsserviceziele abgeleitet werden. Wird beispiels35
36
Vgl. Küpper/Helber, 1995, S. 6; Günther/Tempelmeier, 2007, S. 7. Produktiveinheiten (bzw. Arbeitssysteme) sind die kleinsten selbstständigen organisatorischen Einheiten in einem Produktionssystem. Zu den Durchlaufzeiten in der Produktion und den Möglichkeiten ihrer Beeinflussung vgl. Thonemann, 2005, S. 165; Vahrenkamp, 2008, S. 181ff.
2.2
Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen
183
weise für eine bestimmte Produktiveinheit das Ziel der maximalen Kapazitätsauslastung verfolgt, haben aus Sicht dieses Kunden die Versorgungsserviceelemente Zeit und Flexibilität eine geringere Bedeutung. Welche Ziele verfolgt werden, wird in erheblichem Maße von der Produktionsplanung und -steuerung, die eine wichtige Schnittstelle zwischen Logistik und Produktion bildet, beeinflusst.37
2.2
Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen
Einfluss der Produktion auf die Produktionslogistik Unmittelbaren Einfluss auf die Produktionslogistik haben sowohl die Gestaltung des Produktionssystems als auch die Gestaltung des Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssystems (PPS-System), wobei zwischen beiden Gestaltungsbereichen Interdependenzen bestehen.38 Zur Beschreibung der unterschiedlichen realen Erscheinungsformen von Produktionssystemen ist zweckmäßigerweise zwischen programmbezogenen und prozessbezogenen Produktionstypen zu differenzieren,39 da mit jedem Produktionstyp unterschiedliche Einflüsse für die produktionslogistischen Güterflüsse verbunden sind. Die programmbezogenen Produktionstypen orientieren sich an der Outputseite des Produktionssystems. Als Merkmale zur Typenbildung dienen die Produkteigenschaften, die Anzahl der Erzeugnisse und die Auflagengröße. Die Unterscheidung prozessbezogener Produktionstypen erfolgt anhand der organisatorischen Anordnung der Arbeitssysteme (Organisationstypen der Fertigung) und der Struktur der Produktionsprozesse (Form und Kontinuität des Materialflusses sowie Ortsbindung der Produkte). Ein Ergebnis der Entscheidungen über Produktionsprogramm und -prozess ist die Stärke und Struktur des Material- und Güterflusses. Daraus können die aus Sicht der Produktionslogistik wichtigen Transportintensitäten bestimmt werden. Die Transportintensität mij gibt an, welche auf ein bestimmtes Einheitstransportgut (beispielsweise Standardpalette) bezogene Gütermenge von einer Produktiveinheit i zu einer Produktiveinheit j (mit i, j = 1 ... m, wobei m gleich Anzahl der Produktiveinheiten) pro Zeiteinheit zu transportieren ist. Die Darstellung der Stärke und Struktur des Materialflusses und der entsprechenden Transportintensitäten kann durch Materialflussmatrizen (im Zusammenhang der Fabrikplanung auch VonNach-Matrizen genannt40) und Materialflussgraphen – mit Produktiveinheiten als Knoten und die sie verbindenden Materialflüsse als Kanten des Graphen – erfol37
38
39 40
Zur Frage der Zuordnung der Aufgaben der Produktionsplanung und -steuerung zu den Bereichen Produktion oder Logistik vgl. Hahn, 1989, S. 41. Für eine Übersicht verschiedener Systeme der Produktionsplanung und -steuerung vgl. Pfohl, 2004a, S. 156ff. Vgl. Ihde, 2001, S. 278f. Zum Zusammenhang zwischen Produktionstypen und Verfahren der Produktionsplanung und -steuerung vgl. die ausführliche Darstellung bei Vahrenkamp, 2008, S. 110ff. Zur Bildung von Produktionstypen vgl. Günther/Tempelmeier, 2007, S. 10ff. Vgl. Aggteleky, 1990, S. 557ff.; Grundig, 2008, S121ff. Dort wird auch eine ausführliche Beschreibung weiterer Darstellungstechniken für Transportbeziehungen gegeben.
184
C.2 Produktionslogistik
gen. Die Bedeutung der Transportintensitäten ist darin zu sehen, dass sie – in Verbindung mit den entsprechenden Transportentfernungen – die zu erbringende Transportleistung bestimmen und einen Einfluss auf die Höhe der Materialflusskosten haben. Ferner ist ihre Kenntnis die Grundlage der Layoutplanung (innerbetriebliche Standortplanung) des Produktions- und Logistiksystems. Die Bestimmung der Transportintensitäten ist zu ergänzen durch eine Betrachtung des Zusammenhangs zwischen der Struktur des Produktionsprozesses und der Anzahl sowie der Anordnung von Lagern im Material- und Güterfluss. Von Bedeutung sind dabei die Stufigkeit und die Vergenztypen – glatt, konvergierend, divergierend und umgruppierend 41 – der Produktion sowie die Unterscheidung zwischen kontinuierlicher und diskontinuierlicher Produktion. In vielen Fällen ist die Einrichtung von Produktionslagern (Zwischenlagern) aufgrund technischer Bedingungen notwendig (prozessbedingte Liegezeiten) oder wirtschaftlich sinnvoll. Nach der Darstellung der grundlegenden Zusammenhänge zwischen den Produktionstypen und den produktionslogistischen Material- und Güterflüssen wird nachfolgend auf einzelne Produktionstypen näher eingegangen. Organisationstypen der Fertigung Als Organisationstypen der Fertigung lassen sich Werkstatt-, Fließ- und Zentrenfertigung42 unterscheiden. Kennzeichen einer Werkstattfertigung ist die Anordnung der Produktiveinheiten nach dem Verrichtungsprinzip. Die Produktiveinheiten, die gleichartige Bearbeitungsaufgaben erfüllen, werden räumlich und organisatorisch zu einer Einheit, der Werkstatt, zusammengefasst. Jeder Fertigungsauftrag muss entsprechend der Reihenfolge der an den Werkstücken zu vollziehenden Bearbeitungsvorgänge zu den einzelnen Werkstätten transportiert werden. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass ein Auftrag mehrfach zu derselben Werkstatt transportiert werden muss. Dies führt zu einer Vielzahl von Transportvorgängen, wie Abb. C.1 verdeutlicht. Typisch ist dabei der diskontinuierliche Transport des Materials in Losen unterschiedlicher Auflagenhöhe zu der jeweils nächsten Produktiveinheit, woraus die Notwendigkeit zur Zwischenlagerung resultiert. Ein weiterer Grund für das Entstehen von Zwischenlagerbeständen ist die Schwierigkeit, Arbeits- und Transportvorgänge exakt aufeinander abzustimmen, so dass Aufträge entweder vor einer Produktiveinheit auf die Bearbeitung oder nach erfolgter Bearbeitung auf den Weitertransport warten. Hinzu kommt bei einer geringen Möglichkeit zur Ablaufstandardisierung – unterschiedliche Produktarten und hohe Individualität der Fertigungsaufträge beanspruchen die Kapazitäten in unterschiedlicher Weise – das Problem, Kapazitätsbedarf und -angebot unter Beachtung der Liefertermine optimal aufeinander abzustimmen. In der Regel besteht hier eine konkurrierende Zielbeziehung zwischen den ablauforganisatorischen Zielsetzungen der Minimierung 41 42
Vgl. Schweitzer, 1994, S. 598ff. Zu den Organisationstypen der Fertigung vgl. Günther/Tempelmeier, 2007, S. 13ff.
2.2
Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen
Modellieren M1
Schleifen
M2
S1
S2
185
Dekorieren D1
D2
D3
Tasse
Teller
Putzen
Brennen
Abb. C.1
B1
B2
Werkstätten
Arbeitssysteme
P1
P2
Produktion von Porzellan als ein Beispiel des Materialflusses bei Werkstattfertigung
der (mittleren) Durchlaufzeit der Aufträge (und damit auch des Materials) und der Maximierung der Kapazitätsauslastung des Produktionssystems. Dieser Sachverhalt wird als Dilemma der Ablaufplanung oder -steuerung bezeichnet. Kennzeichen der Fließfertigung ist, wie Abb. C.2 verdeutlicht, die Anordnung der Produktiveinheiten nach dem Objektprinzip, also nach den Arbeitsplänen der zu bearbeitenden Erzeugnisse. Ist die Reihenfolge der Bearbeitungsvorgänge für jedes Werkstück gleich und sind die Produktiveinheiten entsprechend dieser Reihenfolge angeordnet, so wird das Flussprinzip realisiert. Eine Ausprägung des Flussprinzips stellt die Reihenfertigung dar, bei welcher der Arbeitsfortschritt ohne unmittelbare zeitliche Bindung der Arbeitsgänge erfolgt. Ist eine zeitliche Bindung (Taktung) gegeben, wird unterschieden zwischen der Fließfertigung i. e. S., bei der eine Verkettung der Produktiveinheiten durch selbständige Fördereinrichtungen vorliegt und der Transferstraße, bei der eine Verkettung der Bearbeitungsstationen zu einem automatisierten Gesamtsystem gegeben ist. Typisch für diese beiden Organisationstypen ist der kontinuierliche Transport des Materials. Da Fehlmengen hier anders als bei der Werkstattfertigung aufgrund der Verkettung der Produktiveinheiten den gesamten Produktionsprozess berühren, steht die Materialbereitstellung vor allem unter dem Gebot der permanenten Verfügbarkeit der Einsatzgüter. Diese wird durch Betriebsmittelstillstand, Werkzeug- und Personal-
186
C.2 Produktionslogistik M1
M2
M3
M4
M1
M2
M3
M4
M8
M7
M6
M5
Fließband für die Montage
M1
Abb. C.2
M8
M7
M6
M5
M9
M10
M11
M12
M9
M10
M11
M12
Arbeitssysteme
Montage von Personenkraftwagen als ein Beispiel des Materialflusses bei Fließfertigung
ausfall u. ä. ständig bedroht, weshalb auch Pufferlager eingerichtet werden. Da der Fertigungsprozess aufgrund der Taktung unter Zeitzwang erfolgt, werden zudem große Anforderungen an den mechanisierten Transport und Umschlag gestellt. Zwischen Werkstatt- und Fließfertigung steht die Zentrenfertigung (Gruppenfertigung). Bei ihr werden Produktiveinheiten unterschiedlicher Funktion räumlich zusammengefasst, um eine möglichst vollständige Bearbeitung einer bestimmten Gruppe (Teile- bzw. Erzeugnisfamilie) von einander ähnlichen oder fertigungstechnisch miteinander verwandten Erzeugnissen zu ermöglichen. Es wird unterschieden zwischen Flexiblen Fertigungssystemen (FFS), in denen numerisch gesteuerte Maschinen durch ein automatisiertes Materialflusssystem verbunden sind und Fertigungsinseln, die sich durch eine geringere Automatisierung auszeich-
2.2
Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen
187
nen.43 Die räumliche Zusammenfassung führt dazu, dass die Transportwege erheblich verkürzt werden und die zur Produkterstellung (oder Bearbeitung eines Auftrages) erforderliche Transportleistung entsprechend reduziert werden kann, wie Abb. C.3 zeigt. Die räumliche Nähe ermöglicht Vereinfachungen bei der Durchführung der Materialtransporte und trägt auch zu einer erhöhten Übersichtlichkeit des Produktionsgeschehens und damit zu einer Vereinfachung der Produktionsplanung und -steuerung bei. Potentielle Vorteile der Zentrenfertigung sind die Reduzierung der Wartezeiten der Aufträge und der damit verbundenen Bestände in den Zwischenlagern sowie die Verkürzung der Durchlaufzeiten. Ein typisches Merkmal der Fertigungsinseln ist die Funktionsintegration. In Bezug auf die produktionslogistischen Aufgaben bedeutet dies, dass die in einer Fertigungsinsel arbeitenden Mitarbeiter neben ihren Produktionsaufgaben auch für den Transport innerhalb und hin zur Fertigungsinsel, den Umschlag und die Lagerung des Materials zuständig sind. Aus Sicht der Produktionslogistik ist ferner von besonderem Interesse, in welchem Maß eine Fertigungsinsel hinsichtlich des Materialflusses Interdependenzen zu anderen Elementen des Produktions- oder Logistiksystems aufweist, also welche Schnittstellen den inselexternen mit dem inselinternen Materialfluss verbinden.44 Produktionsprogrammbezogene Produktionstypen Nach dem Grad der Übereinstimmung der Produkte bzw. der Auflagengröße wird zwischen Massen-, Sorten-, Serien- und Einzelfertigung unterschieden. In der Massenfertigung hat die Produktionslogistik die Aufgabe, die Produktiveinheiten über lange Zeiträume mit denselben Einsatzgütern zu versorgen. Notwendig sind hier Logistiksysteme, die unter Ausnutzung eines hohen Mechanisierungsgrades möglichst störungsfrei kontinuierlich dieselbe Leistung erbringen können. Bei der Sortenfertigung45, einem Spezialfall der Massenfertigung, muss bei jedem Sortenwechsel der Produktionsprozess unterbrochen und die Produktionsanlage auf eine neue Sorte umgestellt werden. Logistikrelevante Probleme sind hier die Festlegung der Sortenreihenfolge und der Fertigungslosgrößen, die einen Einfluss auf die Höhe der entstehenden Lagerbestände haben. Bei der Serienfertigung46 tritt das Problem des Umrüstens der Produktionsanlagen noch häufiger auf. Daher stellt die Planung der Fertigungslosgrößen eine wichtige Aufgabe dar. Die Logistiksysteme müssen bei diesem Produktionstyp flexibler als bei der Massenfertigung sein. Das Erfordernis der Flexibilität der Produktionslogistik ist schließlich am größten bei der Einzelfertigung, die fast immer aufgrund eines individuellen Kun43
44 45
46
Fertigungssegmente sind eher als übergeordnete Einheiten zu verstehen, die mehrere Stufen der Logistikkette integrieren und durch eine starke Marktausrichtung gekennzeichnet sind. Zur Definition und Abgrenzung der Fertigungssegmente vgl. Wildemann, 1992b, S. 66ff. Vgl. Becker/Rosemann, 1993, S. 272ff. Bei der Sortenfertigung werden verschiedene Ausprägungen einer Produktart zeitlich nacheinander auf denselben Maschinen hergestellt. Vgl. Bloech u. a., 2007, S. 258. Bei der Serienfertigung werden verschiedene, aber ähnliche Produktarten in festgelegten Mengen gleichartiger Produkte produziert. Vgl. Bloech u. a., 2007, S. 258.
188
C.2 Produktionslogistik Fertigungsinsel für P1 AS 42
AS 51
AS 21
AS 12
AS 31
AS 22
Fertigungsinsel für P2 P1
P2
AS 52
AS 41
AS 32
P3
Fertigungsinsel für P3 AS 14
AS 23
AS 61
AS 15
AS 24
P1, P2, P3: Produkte/Produktarten
Abb. C.3
Arbeitssysteme
Materialfluss bei Zentrenfertigung (Quelle: Wäscher, 1994, S. 260)
denauftrags erfolgt. Das produktionslogistische System muss in der Lage sein, die Produktiveinheiten mit bezüglich Art und Menge ständig wechselnden Einsatzgütern zu versorgen. Prinzipien der Materialbereitstellung Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor der Gestaltung des produktionslogistischen Systems, der mittelbar auch mit den beschriebenen Produktionstypen zusammenhängt, sind die der Steuerung des Materialflusses zu Grunde liegenden Prinzipien. Zu unterscheiden sind dabei die Prinzipien der physischen Materialbereitstellung (Bring- und Holprinzip) und die Prinzipien der Steuerung (bedarfs- und verbrauchsgesteuerte Materialbereitstellung). Wird die Materialbereitstellung mit Hilfe des Bringprinzips realisiert, so werden die Produktiveinheiten durch speziell dafür eingesetzte Mitarbeiter vom Materiallager aus versorgt. Wird dagegen das
2.2
Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen
189
Holprinzip angewendet, so muss der einer Produktiveinheit zugehörige Mitarbeiter diese selbst mit Material aus dem Materiallager versorgen. Die Unterscheidung zwischen bedarfs- und verbrauchsgesteuerter Materialbereitstellung knüpft daran an, wer den Materialfluss zur Materialbereitstellung auslöst. 47 Bei der bedarfsgesteuerten Materialbereitstellung wird ausgehend vom Produktionsplan der Materialbedarf für die Fertigung der eingeplanten Aufträge ermittelt. Daran anschließend werden Materialentnahmescheine (auch als Lageraufträge bezeichnet) erstellt, die im Lager eine Materialauslagerung auslösen. Die Informationsübermittlung kann manuell (in Belegform) oder mittels EDV erfolgen. Das Material wird im Lager entsprechend der Auftragsmenge kommissioniert und an die Produktiveinheiten weitergeleitet. Im Idealfall befindet sich in der Produktiveinheit nur das Material, das für die Bearbeitung der aktuellen Fertigungsaufträge notwendig ist. Bei der verbrauchsgesteuerten Materialbereitstellung wird der Materialfluss stets vom Verbrauch in der Produktiveinheit ausgelöst. Der Materialfluss wird also von der verbrauchenden Stelle „angesaugt“. Dies geschieht im Allgemeinen auftragsneutral, also nicht auf einen bestimmten Auftrag bezogen. Ziel dieses Systems ist es, die Versorgungssicherheit in der Produktiveinheit durch ausreichend große, aber nicht überdimensionierte Materiallager sicherzustellen. Dazu wird für jede Materialposition ein Wiederbestellpunkt definiert. Werden diese definierten Materialbestände unterschritten, wird eine Materiallieferung festgelegten Umfangs ausgelöst und die Bestände in der Produktiveinheit wieder aufgefüllt. Häufig wird diese Steuersystematik an Behälterfüllmengen gekoppelt, so dass aus den verbrauchenden Einheiten leere Behälter an das Materiallager geschickt werden und diese befüllt zurückkommen. Dieses System wird auch als KANBAN bezeichnet, wobei KANBAN der japanische Ausdruck für Karte ist. Diese Karte ist häufig mit dem Behälter verbunden und enthält Informationen über das zu liefernde Material, die Menge, die Lieferzeit und den Verbrauchsort. Für die Bestimmung der Wiederbestellpunkte sind dabei vor allem die Wiederbeschaffungszeit vom Lager und der Verbrauch in der Produktiveinheit maßgebend. Der oben erwähnte mittelbare Zusammenhang zwischen Bereitstellungsprinzipien und Produktionstypen ist darin zu sehen, dass es bestimmte Kombinationen gibt, die bezüglich ihrer jeweiligen Merkmale besser zueinander passen. Als Beispiel ist die Materialbereitstellung in Fertigungsinseln zu nennen, die typischerweise dem Holprinzip folgt, da dies mit dem oben genannten Gedanken der Funktionsintegration harmoniert. Außerdem besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Prinzipien der Materialbereitstellung und der Produktionsplanung und -steuerung. So stellt das KANBAN-System – als Realisation der verbrauchsgesteuerten Materialbereitstellung – ein wichtiges Konzept der dezentralen Produktionssteuerung dar.48
47 48
Vgl. Mertens/Falk, 1997, S. 56; Hartmann, 2002, S. 343ff. Vgl. Pfohl, 2004a, S. 161f.
190
C.2 Produktionslogistik
Layout des Produktionssystems In engem Zusammenhang mit den Produktionstypen steht auch das Layout des Produktionssystems. Gegenstand der Layoutplanung (innerbetrieblichen Standortplanung) für Produktionssysteme ist die Festlegung der räumlichen Anordnung von ortsgebundenen Produktionssubsystemen auf einer in der Regel vorgegebenen Fläche eines Produktionsstandortes.49 Dabei können verschiedene Ebenen der Planung unterschieden werden. Auf der oberen Ebene sind die innerbetrieblichen Standorte für Produktionssegmente (Subsysteme des Produktionsbereichs)50, d. h. beispielsweise die Anordnung verschiedener Abteilungen – zum Beispiel Werkstätten – innerhalb des Produktionsbereichs, festzulegen. Auf der darunterliegenden Ebene geht es um die Bestimmung der Standorte der Produktiveinheiten innerhalb der Produktionssegmente, also z. B. die Anordnung der Maschinen zusammen mit den entsprechenden Arbeitsplätzen innerhalb einer Produktionsabteilung.51 Neben den Produktiveinheiten sind auch die Lager anzuordnen. Deshalb bilden Produktiveinheiten und Lager zusammen die Menge der Anordnungsobjekte. Zielsetzung bei der Anordnung ist die Minimierung der Materialflusskosten. Da jedoch die Erfassung der relevanten Kosten in der Regel schwierig und wegen der Länge des Bezugszeitraums der Planung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist, wird häufig die Transportleistung, ermittelt als Produkt aus Transportintensität und -entfernung, als Beurteilungskriterium verwendet. Weitere Kriterien zur Beurteilung alternativer Layouts sind die Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit der Fließrichtung der Materialflüsse, die Flexibilität in Bezug auf wechselnde Anforderungen der Produktion und der Grad der Raumausnutzung.52 Bei der Werkstattfertigung ist vor allem die obere Ebene der Layoutplanung, also die Anordnung der Werkstätten innerhalb des Werkes, von Interesse. Denn es sind besonders die Transportleistungen zwischen den Werkstätten zu erfassen. Innerhalb der Werkstätten finden zwischen gleichartigen Produktiveinheiten normalerweise keine Materialflüsse statt, so dass die Frage der Anordnung der Produktiveinheiten hier von geringerer Bedeutung ist.53 Zu bestimmen bleibt aber der Standort der Zwischenlager (Puffer) in den Werkstätten. Bei der Fließfertigung ist die Anordnung der Produktiveinheiten durch die Bearbeitungsreihenfolge an den Werkstücken bestimmt. Es existiert in dieser Hinsicht kein typisches Layoutproblem, jedoch spielen bei der Fließfertigung Pufferlager wegen ihrer Sicherungsfunktion eine wichtige Rolle, so dass im Rahmen der
49
50 51 52 53
Vgl. Wäscher, 1993, S. 78 und 1994, S. 249. Die Layoutplanung wird häufig als Bestandteil der Fabrikplanung eingeordnet, vgl. Schulte, 1999, S. 123ff. Zur Einordnung in das Problem der Standortwahl siehe Kap. B, Abschn. 3.2. Vgl. Günther/Tempelmeier, 2007, S. 82f. Zu den Ebenen der Planung vgl. Wäscher, 1993, S. 78. Vgl. Wäscher, 1998, S. 324. Vgl. Wäscher, 1998, S. 331.
2.3
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik
191
Layoutplanung die Festlegung der Anzahl, der Standorte und der Kapazität der Pufferlager von erheblicher Bedeutung ist.54 Bei der Zentrenfertigung kann entsprechend den Ebenen der Layoutplanung zwischen der Bestimmung der Standorte der Zentren und der Festlegung der Anordnung der Produktiveinheiten innerhalb der Zentren (zentreninterne Layoutplanung) unterschieden werden. Im Idealfall treten aufgrund der Komplettbearbeitung von Teilefamilien keine Güterflüsse zwischen den Zentren auf, so dass nur die zentreninterne Planung notwendig ist. Die relative Lage der Produktiveinheiten zueinander orientiert sich dabei typischerweise wieder an den durch die Transportintensitäten beschriebenen Materialflussbeziehungen. Erheblichen Einfluss auf die Wahl einer bestimmten Layout-Grundstruktur hat die Art des verwendeten Transportsystems, das beispielsweise im Falle des Flexiblen Fertigungssystems automatisiert ist. Die Standorte werden dann entlang der Wegführung des Transportsystems angeordnet. 55 Bestehen auch zwischen den Zentren Güterflüsse, ist eine zentrenexterne Layoutplanung notwendig, die analog zur Bestimmung der Werkstattstandorte bei der Werkstattfertigung verläuft.
2.3
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik
Transport Einflussfaktoren der Gestaltung des innerbetrieblichen Transportsystems eines Werkes sind das Transportgut, die Transportintensität, die Transportstrecke, gesetzliche Bestimmungen und besonders der Organisationstyp der Fertigung.56 So kommen bei der Fließfertigung ganz andere Transportmittel und technische Hilfsmittel zum Einsatz als bei der Werkstattfertigung. Während dort in der Regel mit Gabelstaplern, Elektrokarren, Handwagen, Aufzügen und Kränen gearbeitet wird, macht die Fließfertigung den Einsatz von Stetigförderern wie Förderbändern, Wandertischen, Rollenbahnen und Rutschen möglich. Die Entscheidung zwischen der Verwendung von Stetig- und Unstetigförderern stellt ein grundlegendes Problem der Transportmittelwahl dar.57 Dabei spielen neben den technischen Beurteilungskriterien (Transportleistung, Tragfähigkeit, Maße des Transportmittels usw.) die Kosten eine besondere Rolle, da sie bei automatisierten, kapitalintensiven Transportsystemen erheblich sein können. Ein hoher Mechanisierungs- und Automatisierungsgrad der Transportsysteme ist günstig bei Güterflüssen, die eine hohe Transportintensität und zeitliche Stabilität aufweisen. Ist dagegen eine hohe Flexibilität – sowohl in Hinsicht auf die Kapazitäten als auch in Bezug auf den Verlauf der Güterflüsse – erforderlich, ist zu untersuchen, inwie54 55 56 57
Vgl. Thonemann, 2005, S. 342. Vgl. Wäscher, 1998, S. 333. Zum außerbetrieblichen Transport zwischen den Werken siehe Kap. B, Abschn. 5.1. Zur Systematik der Transportmittel siehe Kap. B, Abschn. 3.4.
192
C.2 Produktionslogistik
fern eine flexible Form der Automatisierung, beispielsweise ein fahrerloses Transportsystem, eingesetzt werden kann oder ob eine einfachere, manuelle Lösung geeigneter ist. Die Flexibilität des Transportsystems hat schließlich auch direkten Einfluss auf die entstehenden Standortwechselkosten bei einer Veränderung des Layouts des Produktionssystems. Für die informatorische Einbindung des Transportsystems, d. h. die Sicherstellung des Informationsflusses zur Begleitung des Transportprozesses, gibt es folgende Möglichkeiten: Stationäre Transportmittel können über Datennetze mit einer Leitstelle verbunden werden, während nicht-stationäre Transportmittel (z. B. Gabelstapler) mittels Datenübertragung per Funk oder Infrarot die Informationen erhalten. Umschlagsvorgänge sollten soweit wie möglich reduziert und vereinfacht werden, da sie einen erheblichen Teil der Logistikkosten in der Produktionslogistik verursachen.58 Dazu ist es erforderlich, Maßnahmen in den verschiedenen funktionellen logistischen Subsystemen miteinander zu kombinieren. So können Umschlagsprozesse zwischen zwei Transportprozessen durch eine geeignete Bildung logistischer Einheiten wesentlich vereinfacht werden, wenn dadurch beispielsweise die Anwendung technischer Hilfsmittel möglich wird. Umschlagsprozesse können sogar vermieden werden, wenn die Ausgleichsfunktion der ruhenden Bestände in den Produktionslagern auch durch die Unterwegsbestände im Transportsystem erbracht werden kann. Unter der Voraussetzung des Einsatzes geeigneter Transportmittel mit ausreichender Kapazität kann auf stationäre Lager verzichtet werden. Der Vorteil ist dabei, dass durch das Verbleiben der Güter im Transportsystem Umschlagsvorgänge entfallen, die bei einer Ein- und Auslagerung sonst notwendig sind. Dadurch entstehen geringere variable Kosten, denen jedoch höhere fixe (System-)Kosten gegenüberstehen.59 Lagerhaltung Die Funktionen des Subsystems Lagerhaltung innerhalb der Produktionslogistik sind in Abb. C.4 zusammengestellt.60 Bei Produktionslagern ist es sinnvoll, zunächst zwischen produktions- und absatzorientierten Funktionen zu unterscheiden. Produktionsorientierte Produktionslager haben ihre Ursachen im Produktionsbereich. Absatzorientierte Produktionslager haben ihre Ursachen im Absatzmarkt.61 Die Ausgleichsfunktion von Produktionslagern besteht darin, zwei Bearbeitungsstationen mit unterschiedlichem Input und Output miteinander zu verketten, weshalb man die daraus resultierenden Lagerbestände auch als Verkettungspuffer bezeichnet. Dispositionspuffer dienen dagegen der Sortierfunktion und Störungspuffer der Sicherungsfunktion. Die Sortierfunktion wird erfüllt durch die Mög58 59 60
61
Vgl. Aggteleky, 1990, S. 536; Pfohl, 2004a, S. 113ff. Vgl. Männel, 1965, S. 18; Ihde, 2001, S. 282. Zu den von den phasenspezifischen Subsystemen unabhängigen Funktionen der Lagerhaltung siehe Kap. B, Abschn. 2.1. Zur Aufgliederung dieser Funktionen vgl. Salzer, 1981.
2.3
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik
produktionsorientiert
Produktionslager
193
Ausgleichsfunktion
Verkettungspuffer
Sortierfunktion
Dispositionspuffer
Sicherungsfunktion
Störungspuffer
Flexibilitätsfunktion
absatzorientiert
Lieferverkürzungsfunktion
Substitutionsfunktion
Abb. C.4
Funktionen von Produktionslagern (Zwischenlagern)
lichkeit der Veränderung der Reihenfolge zu- und abfließender Lagerobjekte und durch die Zusammenfassung oder die Zerlegung von Losen. Ein typisches Beispiel für Dispositionspuffer sind die Zwischenlager vor und hinter einer Lackieranlage: „Um möglichst selten Farbwechsel durchzuführen, laufen die Teile nach Farben gruppiert durch die Lackiererei. Die Lose werden dazu aufgeteilt, miteinander kombiniert und in eine neue Reihenfolge gebracht. Nach der Lackierung wird wieder sortiert, um montagegerecht anzuliefern.“ 62 Durch die Sicherungsfunktion von Störungspuffern werden auftretende Störungen örtlich begrenzt. In absatzorientierten Produktionslagern befinden sich fertige Teile oder Baugruppen. Im Gegensatz zu produktionsorientierten entstehen absatzorientierte Produktionslager nicht vornehmlich aufgrund mangelnder Synchronisation zwischen aufeinanderfolgenden Bearbeitungsprozessen, sondern als Folge der produktionsstrategischen Entscheidung, ob und in welchem Maße für letztlich auftragsbezogen gefertigte Produkte bestimmte Teile bereits vor Auftragseingang aufgrund interner Aufträge fertig gestellt und zwischengelagert werden sollen. Absatzorientierte Produktionslager markieren also den Übergang von der Lagerzur Auftragsfertigung.63 Die Flexibilitätsfunktion absatzorientierter Produktionslager besteht darin, aus relativ wenigen Zwischenprodukten oder aus nur einem einzigen Rumpfprodukt eine Vielzahl von Endprodukten fertigen zu können, um den individuellen Kundenwünschen zu entsprechen. Die Lagerbestände haben eine Lieferzeitverkürzungsfunktion, wenn nicht erst nach Auftragseingängen mit der 62 63
Salzer, 1981, S. 7. Vgl. in diesem Zusammenhang das Prinzip des Postponements – hier im Sinne des Aufschiebens der Entscheidung über die Fertigung des Endproduktes – bei Pfohl, 1994a, S. 145; Pfohl/Pfohl, 2000, S. 40ff.; Pfohl, 2004a, S. 122ff.
194
C.2 Produktionslogistik
ersten Bearbeitungsstufe begonnen und der gesamte Produktionsprozess durchlaufen werden muss, sondern Zwischenprodukte bereits zur Verfügung stehen und nur noch zusammengesetzt, komplettiert oder ausstattungsmäßig modifiziert werden müssen. Die Produktionszeiten für die Zwischenprodukte werden für die Lieferzeit eingespart. Eng mit der Flexibilitäts- und Lieferzeitverkürzungsfunktion hängt die Substitutionsfunktion absatzorientierter Produktionslager zusammen. Die Lagerung der Fertigfabrikate wird durch die Lagerung von Halbfabrikaten ersetzt. Durch die geringere Typenvielfalt der zu lagernden Objekte ist weniger Kapital gebunden. Außerdem wird Lagerraum eingespart, da Halbfabrikate im Allgemeinen einfacher und raumsparender gelagert werden können als Fertigfabrikate. Der Sichtweise, dass Lagerbestände bestimmte, für den Fortgang der Produktion wichtige Funktionen haben, steht eine andere Ansicht entgegen, die in den Beständen die „Wurzel allen Übels“64 sieht, da sie Schwächen in den Produktionsund Logistikprozessen verdecken. Anzustreben ist gemäß dieser Auffassung eine Produktion auf Abruf, auch Just-in-Time-Produktion genannt. Der Wegfall bzw. die weitgehende Reduzierung der Bestände macht es jedoch unter Umständen notwendig, ihre Lieferzeitverkürzungsfunktion durch eine Erhöhung der Produktionskapazitäten (bewusstes Schaffen von Überkapazitäten) und/oder eine Beschleunigung der Logistikprozesse zu ersetzen, um schnell auf Kundenwünsche reagieren zu können. In gleicher Weise kann es bei (saisonalen) Schwankungen der Nachfrage notwendig sein, den Wegfall der Bestandsfunktion des Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage durch eine Ausrichtung der Produktionskapazitäten an den Spitzenbedarfen zu kompensieren. So lassen sich zwar Kostensenkungsvorteile durch die Reduzierung der Bestände erzielen, ihnen stehen aber in gewissem Umfang Nachteile durch die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Kapazitätsausstattung gegenüber. Insgesamt gilt, dass die Senkung der Bestände, in Verbindung mit der Reduzierung der mittleren Durchlaufzeiten, eine geeignete Zielsetzung für die Produktionslogistik darstellt. Dabei ist jedoch stets zu untersuchen, an welchen Stellen im Güterfluss Bestände für die Erbringung des geforderten Versorgungsservice notwendig sind und an welchen Stellen Bestände nur aufgrund unzureichender Koordination zwischen verschiedenen Bereichen aufgebaut werden. Zur Absenkung der Produktionslagerbestände und zur Verbesserung der Koordination dient speziell die Planung der Losgrößen.65 Lagerhaus Das Subsystem Lagerhaus hat in der Produktionslogistik sowohl die Funktionen der Bereitstellung von Lagerkapazität (Vorratslager) als auch des Erbringens von Umschlagsleistung (Umschlagslager) zu erfüllen. Diese Umschlagsleistung ist notwendig, wenn das Lagerhaus in der Produktion vorwiegend dazu dient, die Gü64
65
Zäpfel, 1991, S. 217. Zäpfel erläutert hier sehr ausführlich Merkmale und auch Schwächen dieser materialflussorientierten Sichtweise. Zur Losgrößenplanung allgemein siehe Kap. B, Abschn. 2.3. Zu Produktionslosgrößen vgl. Günther/Tempelmeier, 2007, S. 195ff.; Vahrenkamp, 2008, S. 153ff.; Herrmann, 2009, S. 207ff.
2.3
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik
195
ter kurzfristig zwischen zwei Transportprozessen aufzunehmen. Die dort liegenden Bestände werden typischerweise eine Pufferfunktion erfüllen, so dass nicht der Lagerprozess, sondern eher die Bewegungsprozesse im Vordergrund stehen. Die innerbetriebliche Standortentscheidung hat im Rahmen der Layoutplanung zu erfolgen. Hierfür müssen die Anzahl der notwendigen Lagerstandorte und die benötigte Lagerfläche je Lager bestimmt werden. Die Lagerflächen im Produktionsbereich sind möglichst gering zu halten, um einerseits die Flächen für die Produktion nutzen zu können und andererseits zu verhindern, dass dort größere Gütermengen gelagert werden. Dadurch soll vermieden werden, dass nicht notwendige Bestände aufgebaut oder Aufträge „liegengelassen“ werden, was zu langen Durchlaufzeiten führt. Die Entscheidung über den Grad der Zentralisierung der Lagerbestände und die Anordnung der Lager in der Produktion wird unter anderem vom Organisationstyp der Fertigung und der Produktionssteuerung, speziell auch den Prinzipien der Materialbereitstellung, abhängen. So entstehen bei der Werkstattfertigung häufig zentrale Halbfertigerzeugnislager, durch die die abgebenden Stellen entsorgt und die empfangenden Stellen versorgt werden. Beim Organisationstyp der Zentrenfertigung weist typischerweise jedes Fertigungszentrum ein dezentrales Lager auf, zusätzlich kann es ein zentrales Lager geben. Teilweise wird aber gefordert, auf ein zentrales Lager zu verzichten und die Güterflüsse ausschließlich über die dezentralen Lager in den Zentren zu leiten.66 Eine weitere Aufgabe ist die Gestaltung der Lagerflächen an den einzelnen Produktiveinheiten bzw. der Abstellplätze an den Arbeitsplätzen. Hier ist das wesentliche Ziel, den Handhabungsaufwand, beispielsweise bei der Entnahme von Werkstücken, möglichst gering zu halten. Verpackung Die Anforderungen an die Verpackung seitens der Produktion richten sich vorwiegend an die Lager-, Transport- und Manipulationsfunktion, wobei letzterer besondere Bedeutung zukommt. Zum einen muss eine mechanisierte bzw. automatisierte Handhabung der gesamten Verpackungseinheit möglich sein, zum anderen ist die Zugänglichkeit der einzelnen Güter (Werkstücke) zu gewährleisten. Das Problem der Zugänglichkeit ist vor allem zu beachten, wenn der Zugriff auf die Werkstücke durch einen Manipulator, beispielsweise einen entsprechend ausgestatteten Industrieroboter, erfolgen soll. In diesem Fall ist eine geeignete Anordnung und Ausrichtung der Werkstücke vorteilhaft, um die Positionierung des Manipulators zu erleichtern. Aber auch beim manuellen Zugriff durch Mitarbeiter kann durch die geeignete Gestaltung der Verpackung die Zugänglichkeit und Entnahme der Güter wesentlich erleichtert werden. So ist der Zugriff auf Werkstücke, 66
Zum Konzept des Focused Storage vgl. Harmon/Peterson, 1990, S. 163ff. Allerdings ist die Kontrolle der Bestände in diesem Fall schwieriger. Um die Bestandshöhe in den dezentralen Produktionslagern ständig erfassen zu können, ist es notwendig, im Fertigungssteuerungssystem auch die Transport-, Umschlags- und Lagervorgänge zu berücksichtigen und die dafür notwendigen Daten über ein umfassendes Betriebsdatenerfassungssystem zu ermitteln. Vgl. Becker/Rosemann, 1993, S. 99f.
196
C.2 Produktionslogistik
die am Boden eines großen Behälters liegen, vergleichsweise aufwendig, wenn der Mitarbeiter sich über eine Seitenwand des Behälters beugen muss, um zugreifen zu können. Eine teilweise klappbare Seitenwand kann hier den Zugriff erleichtern.67 Der Aspekt der Zugänglichkeit der Güter steht in enger Verbindung zu der Forderung, die Verpackung so zu gestalten, dass die Güter direkt aus der Verpackung den Produktionsprozessen zugeführt werden können. Ein Beispiel für eine Verpackung, die diese Forderung erfüllt, ist das Kleinladungsträgersystem (VDAKLT-System), das aus unterschiedlich großen Kunststoffbehältern (Boxen) besteht. Diese Boxen werden in der deutschen Automobilindustrie zum Transport von Stückgut wie Unterlegscheiben, Federn, Schrauben, Gummi- und Kunststoffteilen verwendet. Auftragsabwicklung Die Funktion des Subsystems Auftragsabwicklung in der Produktionslogistik ist die Gewährleistung des mit dem Material- und Güterfluss in Zusammenhang stehenden Informationsflusses.68 Diese Definition impliziert erhebliche Überschneidungen bzw. eine enge Verknüpfung mit der operativen Produktionsplanung sowie der Produktionssteuerung und -kontrolle. 69 Gegenstand der Auftragsabwicklung sind interne Aufträge, die in Produktionsaufträge und logistikbezogene Transport- und Lageraufträge unterteilt werden können. Produktionsaufträge sind entweder das Ergebnis der Losgrößenplanung oder sie entstehen im Falle der kundenspezifischen Auftragsproduktion (Kundenproduktion) direkt aus einem Kundenauftrag. Im Rahmen der Terminplanung werden die Produktionsaufträge mit Terminen für die Bearbeitung versehen, wobei diese Termine sich speziell bei der Kundenproduktion an den vereinbarten Lieferterminen orientieren müssen. Daran schließt sich die eigentliche Produktionssteuerung mit der Festlegung der Auftragsreihenfolge, der Bereitstellung der Produktionsfaktoren (darunter die Einsatzgüter) und der Veranlassung der Bearbeitung der Aufträge an. Die Realisierung des Informationsflusses, der die physische Bereitstellung der Einsatzgüter begleitet, ist die eigentliche Aufgabe der Auftragsabwicklung. Der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehende Bedarf an Einsatzgütern wird in einem internen (Bereitstellungs-)Auftrag für die Produktionslogistik 67 68
69
Vgl. Harmon/Peterson, 1990, S. 153. Die hier zugrunde gelegte informationsflussorientierte Definition der Auftragsabwicklung stellt eine Abgrenzung gegenüber einer aus der Produktionswirtschaft stammenden Definition dar. Diese bezeichnet als Auftragsabwicklung den vom Kunden induzierten Leistungserstellungsprozess, der sämtliche Aktivitäten der Planung, Steuerung, Durchführung und Kontrolle, die direkt mit der zu erbringenden Leistung in Zusammenhang stehen, umfasst. Siehe auch die Definitionsansätze für die Auftragsabwicklung in Kap. B, Abschn. 1.1. Aus diesem Grunde bzw. wegen der bereits genannten Schwierigkeit der Zuordnung der Produktionsplanung und -steuerung zur Produktion oder zur Logistik finden sich in der Praxis durchaus Beispiele für Unternehmen, in der die Aufgaben der Produktionsplanung und kontrolle organisatorisch der Logistik zugeordnet sind, während nur die tagesnahe Produktionssteuerung dem Produktionsbereich vorbehalten ist. Vgl. Hahn, 1989, S. 44.
2.3
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik
197
spezifiziert. Daraus werden Transport- und Lageraufträge generiert, die eine Durchführung der entsprechenden Logistikprozesse auslösen. Transportaufträge steuern das Transportsystem, geben also an, welches Transportmittel an welchem Ort eine bestimmte Menge eines Gutes aufzunehmen hat und an welchen Zielort diese zu bringen ist. Lageraufträge definieren, welche Menge eines Gutes ein- oder auszulagern ist. Die Auftragsinformation kann direkt an das entsprechende technische System (Transport- oder Lagersystem) übermittelt werden oder in einem dem Ladehilfsmittel oder dem Werkstück zugeordneten Informationsträger (maschinell lesbare Aufkleber, Mikrochip, Transponder usw.) enthalten sein. Transportaufträge können z. B. von einem entsprechenden Steuerrechner an ein fahrerloses Transportsystem oder einen Gabelstapler, der mit einem entsprechenden Empfangsgerät mit Display zur Anzeige der Auftragsinformationen ausgerüstet ist, übermittelt werden. Die dem Güterfluss nacheilenden Informationsflüsse bestehen typischerweise aus Rückmeldungen, die nach erfolgter Ausführung der internen Aufträge gegeben werden. Sie enthalten Daten über den Zeitpunkt des Abschlusses von Transport-, Umschlags- oder Lagervorgängen sowie Angaben über eventuelle Fehler in der Auftragsausführung und erfüllen eine wichtige Funktion in der Steuerung des Logistik- und Produktionssystems. Um eine exakte Abstimmung der verschiedenen logistischen Prozesse untereinander und mit dem Produktionsprozess zu erzielen, ist die Integration der mit ihnen verbundenen Informationsflüsse wichtig.70 Die Bestrebungen zur Integration richten sich einerseits auf die Schaffung einer gemeinsamen Datenbasis (Teile-, Transportmittel-, Behälter-, Umschlags- und Lagerdaten), auf die die Steuerung der logistischen Prozesse und der Produktion zugreifen kann. Andererseits richten sie sich auf die Möglichkeit, dass eine Funktion eines Steuerungssystems eine andere Funktion automatisch anstößt. Ein Beispiel hierfür ist das Auslösen eines Transportvorgangs dadurch, dass eine Produktiveinheit den Abschluss eines Fertigungsvorganges und die Bereitstellung des Werkstückes für den Weitertransport meldet. Das Erfordernis der Integration zeigt sich besonders am Beispiel der Informationsflüsse in den Subsystemen Lagerhaltung – das entsprechende Informationssystem wird als Lagerverwaltungssystem bezeichnet – und Lagerhaus (hier speziell das Lagersteuerungssystem). Denn ein interner Auftrag zur Auslagerung einer bestimmten Gütermenge bedingt sowohl eine Veränderung des Bestandes im Lager als auch einen physischen Auslagerungsvorgang, der durch das Lagersteuerungssystem veranlasst und überwacht wird. Hier ist es also vorteilhaft, wenn ein direkter Informationsfluss zwischen den beiden Systemen besteht. Eine enge Verknüpfung sollte jedoch nicht nur innerhalb der Produktionslogistik erfolgen, sondern auch mit den Informationssystemen der Beschaffungs- und Distributionslogistik bestehen. Im Fall der kundenindividuellen Produktion muss gewährleistet sein, dass die Auftragsabwicklung den Weg des Auftrags durch die Produktion verfolgt und in Verbindung mit der Produktionssteuerung und -kontrolle in der Lage ist, jederzeit 70
Für eine sehr ausführliche Darstellung vgl. Becker/Rosemann, 1993.
198
C.3 Distributionslogistik
Auskunft über den Bearbeitungsstand eines Kundenauftrags zu geben. Auch dazu ist eine enge Verbindung des Subsystems Auftragsabwicklung mit anderen Bereichen im Unternehmen, z. B. dem Vertrieb und der Distributionslogistik, notwendig.
3
Distributionslogistik
3.1
Definition und Konzeption der Distributionslogistik
Definition Wie die Beschaffungslogistik ist die Distributionslogistik ein marktverbundenes Logistiksystem. Es verbindet die Produktionslogistik eines Unternehmens mit der Beschaffungslogistik des Kunden. Die Distributionslogistik umfasst alle Aktivitäten, die in einem Zusammenhang mit der Belieferung des Kunden mit Fertigfabrikaten und Handelsware stehen. Die Belieferung kann dabei direkt aus dem Produktionsprozess oder vom bei der Produktionsstätte liegenden Absatzlager und gegebenenfalls über weitere regionale Auslieferungslager erfolgen. Die Objekte der Distributionslogistik werden im Normalfall nicht verändert. Ausnahmen können dann auftreten, wenn bei der Belieferung des Kunden im Zusammenhang mit logistischen Dienstleistungen komplementäre Dienstleistungen angeboten werden, die z. B. ein Produkt an die individuellen Kundenbedürfnisse anpassen (Customizing).71 Die Abgrenzung zwischen dem Absatz- oder Vertriebsbereich eines Unternehmens im Sinne der Wahrnehmung einer spezialisierten Funktion (Absatz-)Marketing72 und der Distributionslogistik lässt sich zweckmäßigerweise gemäß der folgenden Sichtweise vornehmen. Der Absatzbereich des Unternehmens hat die Aufgabe, Kundenkapazitäten zur Verfügung zu stellen, vorhandene Kundenkapazitäten zu pflegen und zukünftige zu entwickeln. Er tut dies, indem mit Hilfe der Instrumente der Marktforschung auf gegenwärtigen Märkten Bedürfnisse (Probleme) bei potentiellen Kunden erkannt und mit Hilfe der Instrumente der Marketingpolitik die verschiedenen Nutzenarten erzeugt werden, die zur Bedürfnisbefriedigung (Problemlösung) führen. Die auf diese Weise geschaffene Kundenkapazität ist durch den Einsatz der entsprechenden Instrumente der Marketingpolitik ständig zu pflegen, um die einmal gewonnenen Kunden als Stammkunden 71
72
Für eine ausführlichere Darstellung vgl. Pfohl, 2004a, S. 169ff. Siehe den Hinweis auf das noch unausgeschöpfte Potential, Arbeiten zum „Finish“ des Produktes im Auslieferungsfahrzeug durchzuführen, bei Crowley, 1994, S. 61. Zur Unterscheidung von Marketing als Unternehmensprinzip und Marketing als spezialisierte Funktion siehe Kap. A, Abschn. 3.4.
3.1
Definition und Konzeption der Distributionslogistik
199
zu erhalten. Außerdem hat sich der Absatzbereich des Unternehmens damit zu befassen, welche zukünftigen Produkte auf zukünftigen Märkten Bedürfnisse befriedigen bzw. Probleme lösen können. Er hat also für die Entwicklung zukünftiger Kundenkapazitäten Sorge zu tragen, wobei im Hinblick auf zukünftige Produkte die enge Beziehung zum Forschungs- und Entwicklungsbereich deutlich wird. Die Distributionslogistik nutzt die vorhandenen Kundenkapazitäten, indem sie die notwendigen Güterflüsse erzeugt, um dem Kunden die von ihm gekauften Güter in gewünschter Weise körperlich verfügbar zu machen. Es geht also um die Bereitstellung von Gütern in Form von Fertigprodukten für den Kunden. Grundsätzlich kann man hierbei mit dem Bring- oder Holprinzip zwei Arten der Bereitstellung unterscheiden. 73 Beim Bringprinzip erstreckt sich die logistische Kontrollspanne des Lieferanten bis zum Kunden. Der Lieferant liefert also über seine Distributionslogistik die Güter beim Kunden an. Beim Holprinzip erstreckt sich dagegen die logistische Kontrollspanne des Kunden bis zum Lieferanten. Der Kunde beschafft sich über seine Beschaffungslogistik die beim Lieferanten für ihn bereitgestellten Güter selbst (Selbstabholung). Die Bereitstellungsaufgabe der Distributionslogistik wird durch den am Markt erforderlichen Lieferservice bestimmt. Wie im vorhergehenden Abschnitt gezeigt wurde, kann der Lieferant häufig gerade durch das Anbieten eines entsprechenden Lieferservice beim Kunden die notwendigen Präferenzen für seine Güter erzeugen. Die Distributionslogistik wird deshalb auch als ein Instrument der Marketingpolitik bezeichnet, wobei dann aber eher der Begriff Marketinglogistik gebraucht wird. 74 Die Präferenzen werden beim Kunden jedoch nur durch den Lieferservice als Output des Logistiksystems erzeugt. Den Kunden interessieren deshalb lediglich dieser Output, nicht der Input des Logistiksystems und die in ihm ablaufenden Prozesse. Zwischen Absatz und Logistik besteht eine ähnliche Beziehung wie zwischen Absatz und Forschung und Entwicklung. Der Absatzbereich legt die Anforderungen an die Produktgestaltung fest, der Forschungs- und Entwicklungsbereich versucht, Produkte zu schaffen, die diese Anforderungen erfüllen. Allerdings können Kostenüberlegungen seitens des Forschungs- und Entwicklungsbereichs dazu führen, diese Anforderungen zu relativieren. Ebenso ist es beim Lieferservice. Der Absatzbereich legt die Anforderungen an das Lieferserviceniveau fest. Der Logistikbereich versucht, Logistiksysteme zu schaffen, die diese Anforderungen erfüllen. Allerdings können auch hier Kostenüberlegungen dazu führen, diese Anforderungen im Sinne einer differenzierten Lieferservicepolitik zu relativieren. Konzeption Die Aussagen zum Aufgabenumfang und zur Konzeption der Beschaffungslogistik sind auch für die Distributionslogistik relevant. Denn je nach Art der vorgenommenen Arbeitsteilung im Logistikkanal – je nach Art der Aufteilung der logis73 74
Siehe die entsprechenden Ausführungen zur Beschaffungslogistik in Kap. C, Abschn. 1.1. Vgl. Pfohl, 1972, S. 44ff.
200
C.3 Distributionslogistik
tischen Kontrollspanne zwischen Lieferant und Kunde – können Aufgaben entweder in den Bereich der Beschaffungslogistik oder der Distributionslogistik fallen. Im Sinne der Marketingkonzeption muss man in der Distributionslogistik zudem über die beschaffungslogistischen Probleme des Kunden informiert sein, um ihn bei der Problemlösung unterstützen zu können. Im Folgenden wird deshalb auf spiegelbildlich zur Beschaffungslogistik geltende Aussagen für die Distributionslogistik verzichtet, es werden lediglich die spezifischen Distributionsaspekte erörtert. Ausgangspunkt für die Charakterisierung der Logistikkonzeption ist das wertund nutzenorientierte Denken.75 Die Kundenorientierung ist somit für alle Subsysteme der Logistik von Bedeutung. Einen besonderen Stellenwert hat sie aber in dem Unternehmensbereich, der am Absatzmarkt die unmittelbare Verbindung zum Kunden herstellt, also auch in der Distributionslogistik. Dies kommt in dem früher gebräuchlichen Begriff Marketinglogistik deutlich zum Ausdruck. Unterstrichen wird das zudem dadurch, dass die Mitarbeiter in einem Auslieferungslager häufig wesentlich mehr Kundenkontakt als die Außendienstmitarbeiter haben. Aus der Kundenorientierung folgt die große Bedeutung des Servicedenkens für die Distributionslogistik. Es gilt, ständig nach innovativen Möglichkeiten zu suchen, die für den Kunden bessere logistische Problemlösungen darstellen. Besondere Anforderungen stellen sich hierbei infolge von zwei Tendenzen im Marketing. Erstens wird das klassische Marketingprinzip „marktorientiert zu produzieren“ zunehmend abgelöst durch das zukunftsorientierte Marketingprinzip „erst zu verkaufen, dann produzieren“. Zweitens wird zunehmend die Leistung gegenüber dem Kunden in sehr differenzierter Weise nach dem J4U-Prinzip (Just for You) erbracht.76 Beide Tendenzen fordern eine große Schnelligkeit und Flexibilität beim Service. Die Kundenorientierung hat neben der Betonung des Servicedenkens für das logistische Systemdenken zwei Konsequenzen: Erstens ist zu berücksichtigen, dass die von der Logistik erzeugten Nutzenarten nie allein zur Bedürfnisbefriedigung beim Kunden führen, sondern nur zusammen mit den in den anderen Unternehmensbereichen erzeugten Nutzenarten. Die Berücksichtigung der im folgenden Abschnitt im Einzelnen behandelten Zusammenhänge zwischen der Distributionslogistik und den Instrumenten der Marketingpolitik ist Voraussetzung für die Zufriedenheit des Kunden mit der Leistung des Unternehmens. Der Kunde schätzt den vollkommen ausgeführten Auftrag (Perfect Order), der nicht nur einen perfekten Lieferservice, sondern eben z. B. auch eine perfekte Produktqualität oder eine perfekte Beratung umfasst. Distributionslogistiker müssen in gleicher Weise wie Außendienstmitarbeiter Partner des Kunden sein. Die zweite Konsequenz für das Systemdenken ist die Notwendigkeit zur unternehmensübergreifenden Kooperation in der Wertkette zur Befriedigung des Kunden. Nur wenn Hersteller, Handel und logistischer Dienstleister nicht unabgestimmt oder sogar gegeneinander, sondern aufeinander abgestimmt und miteinander arbeitsteilig entsprechend ihrer 75 76
Siehe Kap. A, Abschn. 2.1. Vgl. Crowley, 1994, S. 60f.
3.1
Definition und Konzeption der Distributionslogistik
201
Kompetenzen tätig werden, kann beim Kunden maximaler Nutzen zu minimalen Kosten erzeugt werden. Dies ist z. B. die Erkenntnis, die zur Forderung nach mehr Kooperation im Konsumgütersektor in so genannten ECR-Systemen (Efficient Consumer Response) geführt hat.77 Für die Zusammenarbeit im Absatzkanal spielen die Funktionen, die von Hersteller, Handel und logistischem Dienstleister aufgrund ihrer Kompetenzen erfüllt werden können, eine große Rolle. Am Beispiel des Handels sollen solche Funktionen aufgezeigt werden. Aus einzelwirtschaftlicher Sichtweise lassen sich, wie in Abb. C.5 dargestellt, drei Gruppen von Handelsfunktionen mit unterschiedlicher Logistikrelevanz unterscheiden. 78 Die Überbrückungsfunktionen sind logistische Funktionen, während die Warenfunktionen auch akquisitorischen Charakter besitzen. Der Mengenausgleich geschieht durch Umgruppierung der Warenmengen, indem viele kleine Bedarfsmengen einzelner Kunden zu produktions- und liefergerechten Quantitäten zusammengefasst werden. Die Sortimentsfunktion erfüllt die Wünsche der Kunden nach vielfältigen Möglichkeiten der Auswahl oder dem „One Stop Shopping“ (dem Kauf aus einer Hand), die ein Hersteller alleine nicht bieten könnte. Beide Teilfunktionen haben große Auswirkungen auf die Logistik der Handelsunternehmen, weil die Umgruppierung durch Kommissionierung und Konfektionierung auf vorgelagerten Stufen (i. d. R. Zentral- oder Regionallager) erzeugt wird. Der direkte Wirkungszusammenhang zwischen der Logistik und der Sortimentsfunktion lässt sich daran verdeutlichen, dass eine hohe Sortimentsbreite bei heterogenen Waren auch höhere Logistikkosten verursacht, da beispielsweise die Anforderungen an das Lagerbestandsmanagement steigen, wenn ein gleichbleibender Lieferservice gesichert werden soll. Vorwiegend akquisitorischen Charakter haben die Maklerfunktionen des Handels. Sie werden am bedeutendsten für die Leistungserstellung eines Handelsunternehmens eingestuft. Die Markterschließung für den Hersteller ist dabei ganz wesentlich, da oft beispielsweise nur durch die Listung eines Produkts, d. h. die Aufnahme in das Sortiment durch den Handel, dieses auf dem Markt in großen Mengen verkauft werden kann. Die optimale Platzierung in den Regalen kann ebenfalls entscheidenden Einfluss auf den Erfolg haben. Entsprechend steht gerade diese Frage oft im Brennpunkt der Gespräche zwischen Handel und Herstellern. Doch nicht nur gegenüber den Herstellern, auch in Bezug auf die Kunden übernimmt der Handel die Maklerfunktion, z. B. in Form von Kaufberatung. Der Handel ist demnach aufgrund der Maklerfunktion Mittler zwischen Herstellern und Kunden und wird daher auch als „Gatekeeper“ des Absatzkanals bezeichnet.79 Die Nähe zum Kunden und die Möglichkeit der direkten Erfolgskontrolle bezüg77 78
79
Vgl. Kurt Salmon Associates, 1993, S. 1. Siehe auch Kap. C, Abschn. 3.2. Ähnliche Aufteilungen finden sich auch schon bei Oberparleiter, 1930, S. 8ff.; Leitherer, 1974, S. 47. Eine Übersicht bieten Pepels, 2001, S. 151f.; Barth/Hartmann/Schröder, 2002, S. 25ff. Vgl. Bodenstein/Spiller, 1993, S. 937. Zum Begriff des Gatekeepers siehe auch Meffert/Burmann/Kirchgeorg, 2008, S. 145.
202
C.3 Distributionslogistik Handelsfunktion
Überbrückungsfunktionen
Warenfunktionen
Maklerfunktionen
Raumüberbrückungsfunktion
Mengenausgleichsfunktion
Markterschließungsfunktion
Zeitüberbrückungsfunktion
Sortimentsfunktion
Beratungsfunktion
Logistikrelevanz hoch
Abb. C.5
gering
Funktionen des Handels (Quelle: in Anlehnung an Seyffert, 1972, S. 8f.)
lich der Waren sind in diesem Zusammenhang ein entscheidender Faktor für die Machtstellung des Handels im Absatzkanal.
3.2
Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik
Wird der Lieferservice als Instrument der Marketingpolitik80 gesehen, so sind die Interdependenzen mit den anderen Instrumenten zu berücksichtigen. Denn die Instrumente der Marketingpolitik wirken nur in ihrer Kombination im Marketingmix auf den Kunden ein. Ein Eindruck von den bestehenden Interdependenzen wird im Folgenden vermittelt, wobei die marketingpolitischen Instrumente zu Instrumenten der Produktpolitik, der Konditionenpolitik, der Kommunikationspolitik und der Distributionspolitik zusammengefasst werden. Produktpolitik Bestandteile der Produktpolitik sind das Produktprogramm, die Produktgestaltung, der Kundendienst und die Garantieleistung. Bei den Entscheidungen bezüglich der ersten drei Bestandteile sind Auswirkungen auf die Distributionlogistik zu berücksichtigen, während der vierte Bestandteil eher die Ersatzteillogistik betrifft. In vielen Branchen ist der Trend zu beobachten, das Produktprogramm durch neue Produkte oder durch Produktdifferenzierung zu erweitern. Das ist eine Folge 80
Vgl. Havighorst, 1980, S. 96ff.
3.2
Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik
203
der Strategie der differenzierten Marktbearbeitung, die für jedes Marktsegment ein bestimmtes Produkt und/oder andere besondere marketingpolitische Maßnahmen erfordert.81 Hierbei wird jedoch vielfach der Effekt eines erweiterten Produktprogramms auf den Bereich der Distributionslogistik übersehen. Die logistischen Probleme werden umso komplexer, je größer das Produktprogramm ist. Eine Erweiterung des Produktprogramms hat neue Probleme der Auftragsabwicklung, der Verpackung und des Transportes zur Folge. Eine wesentliche Auswirkung ist das Anwachsen der Lagerbestände. Abb. C.6 zeigt ein Beispiel für den erfahrungsgemäß zwischen Produktprogrammerweiterung und Höhe der Lagerbestände bestehenden Zusammenhang: Beispielsweise soll in einem Unternehmen ein herkömmliches Shampoo (A) durch drei spezielle Shampoos für blonde (B), schwarze (C) und braune (D) Haare ersetzt werden. Macht man die pessimistische Annahme, dass der Umsatz im Vergleich zu Shampoo A nicht ansteigt und sich auf die Shampoos B, C und D im Verhältnis 60:30:10 aufteilt, so zeigt Abb. C.6, dass sich dabei die Lagerbestände um ungefähr 60% erhöhen können. Macht man die optimistische Annahme, dass der Umsatz im Vergleich zu Produkt A um 50% steigt, so erhöhen sich die Lagerbestände um 100%. Die durch die Erweiterung des Produktprogramms erreichte Umsatzsteigerung erhöht die Stückkosten der Lagerhaltung. Selbstverständlich gelten diese Erfahrungswerte eines Unternehmensberaters nicht immer. Sie sind jedoch auf jeden Fall in der Tendenz richtig. Denn für die Zusammensetzung der Lagerbestände gilt allgemein, dass die Lagerbestände relativ zum Umsatz eines Produktes umso größer sein müssen, je niedriger dieser ist. Wird ein Produkt neu in das Produktprogramm eines Unternehmens aufgenommen, so ist bei der Einführung des Produktes am Markt darauf zu achten, dass beim Lieferanten genügend hohe Bestände vorhanden sind, die schnell ausgeliefert werden können. Denn erfahrungsgemäß hat der Handel in der Einführungszeit eines neuen Produktes stets sehr niedrige Lagerbestände, bis er sich infolge dauernder Nachfrage daran gewöhnt hat, das Produkt bei seinen Bestellungen ausreichend zu berücksichtigen.82 Während der Einführungszeit eines Produktes muss also der Handel besonders schnell beliefert werden können, damit er in der Lage ist, die an ihn gerichtete Nachfrage zu befriedigen. Ein Produkt, das sich gut verkauft, ist nicht immer ein Produkt, das sich einfach durch das logistische System bewegen lässt. Eine bezüglich logistischer Gesichtspunkte schlechte Produktgestaltung macht z. B. übergroße Verpackungen erforderlich, erhöht also das Volumen und senkt die Dichte der zu transportierenden Einheiten. Das hat steigende Kosten für die Handhabung, die Lagerhaltung, den Transport und die Verpackung zur Folge. Manchmal machen es die Markterfordernisse unmöglich, logistische Aspekte bei der Produktgestaltung hinreichend zu berücksichtigen. Oft jedoch ist man sich der Auswirkungen der Produktgestaltung auf die Distributionslogistik überhaupt nicht bewusst. 81 82
Zu Strategien der Marktbearbeitung vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg, 2008, S. 182ff. Vgl. Stackelberg, 1969, S. 62
204
C.3 Distributionslogistik Umsatzerhöhung durch Erweiterung des Produktprogramms
200% D
Erweiterung des Produktprogramms bei gleich bleibendem Umsatz
D
D
Ursprüngliches Produktprogramm
C
C C
100%
D C A B
A
B B B
0% Umsatz
Abb. C.6
Lagerbestände
Umsatz
Lagerbestände
Umsatz
Lagerbestände
Wirkung eines erweiterten Produktprogramms auf die Lagerbestände
Bei der Gestaltung eines Produktes sollte man sich stets überlegen, welche Probleme sich daraus für dessen Auslieferung beim Transport und im Lagerhaus ergeben können. Solche Probleme83 können durch das Gewicht oder die Sperrigkeit des Produktes, seine Form, seine Zerbrechlichkeit und durch besondere Verpackungserfordernisse entstehen. Bei einem Hersteller von Stühlen wurde beispielsweise nachgewiesen, dass bei der Auslieferung der Stühle eine Verdoppelung der Transportkosten eintreten kann, wenn sie so konstruiert sind, dass sie nicht ineinander passen. In einem anderen Fall gelang es einem Hersteller von Büromaschinen, die Transportkosten für eine Büromaschine durch eine einfache Umgestaltung der Konsole der Maschine um 60% zu senken. Außerdem wurden dadurch der vorher hohe Prozentsatz an Beschädigungen während der Auslie83
Vgl. Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 147f.; Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 34 und S. 46f.
3.2
Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik
205
ferung auf ein unbedeutsames Maß gesenkt und somit weitere Kosten eingespart und zugleich die Zufriedenheit der Kunden erhöht.84 Ein großer Vorteil für das logistische System ergibt sich, wenn es bei der Produktgestaltung gelingt, ein gewisses Maß an Standardisierung in den Abmessungen der Produkte zu erreichen. Denn dadurch werden die Aufgaben der Verpackung, der Lagerung, des Umschlags und des Transportes erheblich erleichtert. Sind für die Erbringung von Kundendienstleistungen Ersatzteile erforderlich, dann hängt die Qualität des Kundendienstes ganz wesentlich von der Unterstützung durch eine entsprechende Ersatzteillogistik ab.85 Zu denken ist beispielsweise an den Kundendienst in der Büromaschinenindustrie oder in der Automobilindustrie. Konditionenpolitik Bestandteile der Konditionenpolitik sind der Preis, die Finanzierungsbedingungen und das Leasing. Beziehungen zur Distributionslogistik bestehen in erster Linie beim Preis. Bei internationalen Geschäften bestehen auch Beziehungen zwischen Distributionslogistik und Finanzierungsbedingungen, auf die aber hier nicht eingegangen werden kann. Geht man von der Tatsache aus, dass das Unternehmen sich bei der Preisbildung an einem Kostenpreis als Preisuntergrenze orientieren muss, so besteht zwischen Distributionslogistik und Preispolitik über die Logistikkosten immer eine grundsätzliche Beziehung. In zwei Bereichen der Preispolitik, der räumlichen Preisdifferenzierung und der Preisdifferenzierung nach Absatzmengen, müssen zusätzliche logistische Kostenbetrachtungen angestellt werden. Preisdifferenzierungen können zwar allein aufgrund von Kostenüberlegungen nicht durchgeführt werden, da eine Preisdifferenzierung nur beim Vorliegen unterschiedlicher Nachfrageelastizitäten auf dem Gesamtmarkt des Unternehmens und bei einer möglichen Abgrenzung der Teilmärkte erfolgreich sein kann, jedoch sind Kostenüberlegungen unerlässlich, um zu entscheiden, ob die Preise für das Unternehmen tragbar sind. Im Rahmen der Preisdifferenzierung nach Absatzmengen sind Mengenrabatte festzusetzen. Der Lieferant sollte hierbei versuchen, eine optimale Rabattpolitik zu betreiben, die von Einflussfaktoren der Distributionslogistik mitbestimmt wird.86 Denn infolge einer nach Auftragsgrößen oder Abnahmemengen abgestuften Rabattstruktur ergeben sich Konzentrationspunkte in der Verteilung der Auftragsgrößen bzw. Abnahmemengen. Es ist darauf zu achten, dass die mit dieser Auftragsgrößen- bzw. Abnahmemengenkonzentration verbundenen Anforderungen an Transport, Umschlag, Lagerung und Verpackung mit den Möglichkeiten des logistischen Systems übereinstimmen. 84 85 86
Zu diesem Beispiel vgl. Smykay/LaLonde, 1967, S. 36f. Siehe Kap. C, Abschn. 4. Vgl. Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 236; Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 387ff.; Powers/Closs, 1987.
206
C.3 Distributionslogistik
Zu den Fragen, die im Zusammenhang mit der räumlichen Preisdifferenzierung beantwortet werden müssen, gehört auch die Frage, inwieweit die Kosten der Auslieferung des Gutes im Preis enthalten sind. Wird frei Haus geliefert, so trägt der Lieferant die gesamten Kosten und das Risiko. Den größten Vorteil ziehen daraus die Kunden, deren Standort am weitesten vom Lieferanten entfernt ist. Versteht sich der Preis ab Werk, so wird der Kunde im Allgemeinen die ihm entstehenden zusätzlichen Kosten bei der Einkaufskalkulation zum Preis addieren. Denn für den Kunden zählt letztlich nur der Preis, zu dem er das Gut wirklich in seinem Lager hat. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, das Problem zu erörtern, ob die Auslieferungskosten voll vom Lieferanten oder vom Kunden übernommen oder in irgendeiner Weise aufgeteilt werden sollen.87 Preisnachlässe unter logistischen Gesichtspunkten sind auch dann in Erwägung zu ziehen, wenn an eine Zentralstelle des Kunden geliefert wird und dieser die Belieferung seiner Niederlassungen oder Werke selbst übernimmt. Der Kunde wird dann die Kosten seiner Beschaffungslogistik abwägen müssen gegen die gewährten Preisnachlässe. Kommunikationspolitik Bestandteile der Kommunikationspolitik sind Werbung, Public Relations, Verkaufsförderung und persönlicher Verkauf. Beim Einsatz aller Instrumente der Kommunikationspolitik ist dafür zu sorgen, dass er örtlich und zeitlich mit den notwendigen Maßnahmen der Distributionslogistik koordiniert wird, um eine durch ihn hervorgerufene Nachfragesteigerung befriedigen zu können. Interdependenzen bestehen jedoch nicht so sehr zwischen Distributionslogistik und der nicht auf einzelne Produkte bezogenen Public Relations, sondern vor allem zwischen der Distributionslogistik und der Werbung, bestimmten Maßnahmen der Verkaufsförderung (z. B. Maßnahmen zur Verbraucherbeeinflussung am Point-ofSale oder Unterstützung von Sonderaktionen der Absatzmittler) sowie dem persönlichen Verkauf. Werbekampagnen müssen sorgfältig durch logistische Maßnahmen abgesichert werden, wobei die zeitliche Verschiebung zwischen Werbeeinsatz und Absatzveränderung zu berücksichtigen ist. Denn die originellste Werbung nützt nichts, wenn die durch sie angeregte Nachfrage nicht rechtzeitig befriedigt werden kann. Eine im Prinzip gute Werbung kann durch mangelnde logistische Unterstützung negative Folgen haben, wenn der durch die Werbung zum Kauf bewogene Kunde nicht sofort beliefert wird, sich deshalb verärgert vom Unternehmen abwendet und damit als Kunde verloren ist. Jedoch wirkt sich eine mangelnde Koordination von Werbung und Distributionslogistik nicht nur nach außen in Form entgangener Verkäufe und verlorengegangener Kunden negativ aus, sondern auch auf die im Unternehmen ablaufenden Prozesse.88 So müssen im Bereich der Distributionslogistik plötzlich hohe Kosten verursachende Maßnahmen ergriffen werden, mit de87 88
Vgl. Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 216ff.; Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 371ff. Vgl. Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 23f.
3.2
Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik
207
nen man versucht, auf die unvorbereitete Nachfragesteigerung zu reagieren. Das Betriebsklima für die Zusammenarbeit wird durch solche Ereignisse sicherlich nicht gefördert. Eine weitere Beziehung zwischen Werbung und Distributionslogistik ergibt sich daraus, dass ein guter Lieferservice in der Werbung herausgestellt werden kann. Durch einen mit Hilfe der Distributionslogistik verbesserten Lieferservice bekommt man in vielen Branchen eines der stärksten Werbeargumente in die Hand. Außerdem kann versucht werden, durch die Werbung ein besseres Produktimage zu entwickeln, das einen höheren Preis erlaubt und somit höhere Kosten in der Distributionslogistik wieder ausgleicht.89 Es ist auch möglich, dass durch die Kommunikationspolitik ein psychologischer Effekt zur Nachfragesteigerung ausgenutzt werden kann, der durch den Standort eines Auslieferungslagers hervorgerufen wird. So besteht Grund zur Annahme, dass manche Kunden aufgrund der psychologischen Wirkung des Standortes ihre Ware von dem Unternehmen beziehen, das in ihrer Stadt ein Auslieferungslager unterhält.90 Die Notwendigkeit zur Berücksichtigung der Beziehung zwischen Distributionslogistik und Verkaufsförderung ergibt sich insbesondere, wenn die Verpackung als Medium der Verkaufsförderung betrachtet wird.91 Die Verpackung soll dann die beratende, aber auch kaufanregende Funktion übernehmen, die in Bezug auf den Konsumgüterbereich vor allem beim Impulskauf zur Geltung kommt. Verkaufsfördernde Verpackungsprinzipien sind im Wesentlichen werbepsychologische Prinzipien, die von wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen ausgehen. Häufig werden verkaufsfördernde und logistische Verpackungsprinzipien miteinander in Konflikt stehen, so dass die Verkaufsförderung und die Distributionslogistik bei der Verpackungsgestaltung einen Kompromiss einzugehen haben. Zwischen persönlichem Verkauf und Distributionslogistik besteht die grundlegende Beziehung darin, dass der Außendienstmitarbeiter über die Leistungsfähigkeit des Logistiksystems informiert sein muss. Ansonsten besteht die Gefahr, dass er dem Kunden in den persönlichen Verkaufsgesprächen Lieferserviceversprechungen macht, die die Distributionslogistik nicht halten kann oder zu hohe Kosten verursachen. Distributionspolitik Bestandteile der Distributionspolitik sind Absatzweg, Außendienst und Lieferservice. Alle drei Aspekte stehen in Bezug aufeinander. Absatzwege unterscheiden sich danach, ob sie den Lieferanten direkt oder indirekt mit dem Endkäufer verbinden und welche Institutionen im zweiten Fall als Absatzmittler (Handelsunternehmen) eingeschaltet sind. Beim Außendienst geht es um die Frage, ob der Verkauf über betriebseigene Verkaufsorgane (Mitglieder 89 90 91
Vgl. Smykay, 1973, S. 36f. Vgl. Constantin, 1966, S. 43. Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg, 2008, S. 443ff.
208
C.3 Distributionslogistik
der Geschäftsleitung oder Reisende) oder über betriebsfremde Verkaufsorgane (Handelsvertreter, Makler) organisiert ist. Absatzwege und Außendienst werden auch unter dem Begriff Absatzkanäle zusammengefasst und der Distributionslogistik gegenübergestellt. 92 Der Absatzkanal nimmt unter den Instrumenten der Marketingpolitik eine Sonderstellung ein, da er den Einsatz aller anderen Instrumente stark determiniert. Denn ein Unternehmen entscheidet durch die Auswahl des Absatzkanals, welche Marketingaufgaben von ihm selbst durchgeführt und welche an selbstständige Marktpartner delegiert werden. Der enge Zusammenhang zwischen Distributionslogistik und Absatzweg resultiert daraus, dass durch die Absatzwegentscheidung ganz wesentlich die Anzahl der Empfangspunkte (wenige Großhändler oder viele Einzelhändler) festgelegt wird, die vom Logistiksystem zu bedienen sind. Zwischen Außendienst und Distributionslogistik besteht dann ein enger Zusammenhang, wenn die Außendienstmitarbeiter Logistikfunktionen der Auftragsabwicklung übernehmen. Ist ihnen aufgrund der Organisation des Unternehmens die Auftragsentgegennahme und -übermittlung übertragen, so spielen sie eine wichtige Rolle am Beginn des Auftragsabwicklungsprozesses und lösen den Informationsfluss aus. Allerdings gehört die routinemäßige Auftragsabwicklung im Tagesgeschäft nicht zu den originären Aufgaben des Außendienstes, der sich vielmehr um die intensive Betreuung der gegenwärtigen Kunden sowie um die Gewinnung neuer Kunden zu kümmern hat. Der enge Zusammenhang zwischen Distributionslogistik und Absatzkanal ergibt sich daraus, dass die logistischen Systeme der für die Distribution der Güter eines Herstellers zuständigen Institutionen aufeinander abgestimmt werden müssen. Außerdem gilt es stets zu bedenken, dass durch Fehlbestände verursachte entgangene Verkäufe – etwa auf der Stufe des Einzelhandels – auch entgangene Verkäufe für alle vorgelagerten Stufen im Absatzkanal bis hin zum Hersteller sind. Die Distributionslogistik kann durch einen guten Lieferservice viel zur Vermeidung solcher Fehlbestände beitragen. Die durch einen schlechten Lieferservice verursachten häufigen Fehlbestände eines Produktes können bei einem Einzelhändler aber auch bewirken, dass er dem Verkauf dieses Produktes weniger Aufmerksamkeit widmet. Der Marketing-Chef eines amerikanischen Unternehmens der Kosmetikindustrie drückt deutlich die doppelte Wirkung von Fehlbeständen aus, wenn er sagt: „We loose sales and shelf space if the goods are not there.“93 Um das zu vermeiden, werden im Rahmen von Efficient Consumer Response (ECR) Programmen integrierte Informationssysteme aufgebaut. Basierend auf den Warenwirtschaftssystemen des Handels und ausgehend von der Scannerkasse werden die Abverkaufsdaten an die Zentrallager des Handels gemeldet und mit den dortigen Bestandsdaten an die Hersteller gemeldet. Die Hersteller haben dadurch einen Überblick über den Verkauf sowie die Lagerbestände ihrer Produkte und können somit ihre Verkaufsprognosen und ihre Produktion laufend anpassen. 92 93
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg, 2008, S. 562. Arbury u. a., 1967, S. 27f.
3.2
Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik
Logistikkanal
Absatzkanal
(Güterstrom vom Hersteller zum Endabnehmer)
(Strom der Rechte an den Gütern)
Fabriklager Hersteller
Verkaufsabteilung Hersteller
regionales Auslieferungslager Hersteller
regionales Verkaufsbüro Hersteller
Auslieferungslager eines Lagereibetriebes
Großhändler
209
Fuhrpark Hersteller
Spedition
lokale Spedition
Einzelhändler Endabnehmer
Abb. C.7
Beispiel für eine Aufgliederung des Marketingkanals in Logistikkanal und Absatzkanal (Quelle: Pfohl, 1975, S. 289, in Anlehnung an das Beispiel von Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 45)
Ein weiteres wichtiges Modul von ECR ist das Continous Replenishment Program (CRP). Hierbei übernimmt der Hersteller die Verantwortung für die Lieferfähigkeit des Handels, indem er die Bestandskontrolle im Zentrallager übernimmt. ECR setzt eine enge Zusammenarbeit von Hersteller und Handel voraus. Es müssen nicht nur die DV-Systeme koordiniert werden, sondern auch die Belieferung muss zwischen beiden Partnern abgestimmt sein. Hierzu werden gemeinsame Teams von Handel und Herstellern gebildet, in denen nicht nur logistische Aspekte behandelt, sondern auch gemeinsame Marketingstrategien ausgearbeitet werden, z. B. Produkteinführungs- oder Verkaufsförderungsstrategien. Von dieser Partnerschaft profitieren beide Parteien. Die Hersteller erhalten verbesserte Informationen, können bedarfsgerecht fertigen, erhöhen die Kundenbindung und können besseren Einfluss auf die Verkaufsförderungsaktivitäten des Handels nehmen. Der Handel profitiert von den Kostenersparnissen, der besseren Verfügbarkeit der Waren und wird hinsichtlich der Lagerhaltung entlastet.94 Bei der Diskussion der Beziehungen zwischen Absatzkanal und Distributionslogistik ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass sich nach den im Marketingkanal fließenden Objekten verschiedene Flusstypen feststellen lassen. Häufig wird zwischen dem physischen Güterfluss, dem Eigentumsfluss (Fluss der Rechte an
94
Zu ECR vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 40ff; Seifert, 2006.
210
C.4 Ersatzteillogistik
den Gütern) und dem Absatzförderungsfluss unterschieden. 95 Es ist keineswegs notwendig, dass alle Flusstypen über dieselben Institutionen laufen müssen, sie können vielmehr voneinander entkoppelt werden. Abb. C.7 gibt ein Beispiel für eine Aufgliederung des Marketingkanals in den Logistikkanal, der den physischen Güterfluss enthält und den Absatzkanal, der den Eigentumsfluss oder Fluss der Rechte an Gütern enthält. Allerdings sind die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Flusstypen zu berücksichtigen.
4
Ersatzteillogistik
4.1
Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik
Definition In DIN 24 420 sind Ersatzteile als Objekte der Ersatzteillogistik definiert als Teile (auch Einzelteile genannt), Gruppen (auch Baugruppen und Teilegruppen genannt) oder vollständige Erzeugnisse, die dazu dienen, beschädigte, verschlissene oder fehlende Teile, Gruppen oder Erzeugnisse zu ersetzen.96 Charakteristisch ist dabei ihre Eigenschaft nicht selbständige Bestandteile von Systemen zu sein.97 Für die weiteren Betrachtungen ist es zunächst erforderlich, die Aufgabe der Ersatzteillogistik genauer zu definieren. Zu unterscheiden ist die Ersatzteillogistik des Anbieters (Herstellers) von der Ersatzteillogistik des Abnehmers (Verwenders). Während sich beim Abnehmer der Aufgabenumfang der Ersatzteillogistik auf die Beschaffung, die Lagerhaltung und den Einsatz der Ersatzteile im Rahmen der Instandhaltung erstreckt, ist für den Hersteller von Ersatzteilen die anforderungsgerechte Ersatzteilversorgung der Kunden im Rahmen des Kundendienstes die Aufgabe der Ersatzteillogistik. Dies erfordert einen Güterfluss von der Güterbereitstellung über die Güterverteilung zur Güterverwendung. Abb. C.8 zeigt den Zusammenhang der ersatzteillogistischen Systeme des Anbieters und des Abnehmers.
95
96 97
Vgl. Kotler/Keller/Bliemel, 2007, S. 852f., die außerdem noch den Informationsfluss, den Verhandlungsfluss, den Bestellfluss, den Finanzierungsfluss, den Risikofluss und den Zahlungsfluss unterscheiden. Siehe auch Kap. D, Abschn. 4.3. Vgl. Deutsches Institut für Normung, 1976. Vgl. Wohinz, 1974, S. 200; Dreger, 1981, S. 1. Zu weiteren Charakteristika vgl. Arnold u. a., 2004, S. B7-10.
Abb. C.8
Beschaffung
Produktion
Absatz
Ersatzteillogistik
Forschung und Entwicklung
Hersteller von Ersatzteilen
Kundendienst
Instandhaltung
Ersatzteillogistik
Beschaffung
Produktion
Forschung und Entwicklung
Absatz
Verwender (Abnehmer) von Ersatzteilen
4.1 Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik 211
Ersatzteillogistik beim Hersteller (Anbieter) und Verwender (Abnehmer) von Ersatzteilen (Quelle: Mit geringfügigen Änderungen entnommen aus Pfohl, 1991a, S. 1033)
212
C.4 Ersatzteillogistik
Da sich die Aufgaben der Ersatzteillogistik beim Abnehmer weitgehend mit der allgemeinen Beschaffungslogistik decken, sollen hier nur die abweichenden Besonderheiten der Beschaffungslogistik für Ersatzteile dargestellt werden. Gegenstand der weiteren Betrachtungen ist dann die Gestaltung der Ersatzteillogistik beim Hersteller, da diese einige Besonderheiten gegenüber der Logistik beim Primärprodukt aufweist. Konzeption der Ersatzteillogistik beim Abnehmer Für den Verwender von Ersatzteilen ist, aufgrund zunehmender Komplexität und Vernetzung der Produktionsanlagen und der damit einhergehenden steigenden Stillstandskosten, eine schnelle und zuverlässige Instandhaltung und Reparatur der ausgefallenen Produktionsanlagen erforderlich. Für diese unverzügliche Instandsetzung ist neben einer ausreichenden Instandhaltungskapazität, die i. d. R. im eigenen Haus unterhalten wird, aber auch von einem Dienstleister oder dem Anbieter der Primärprodukte/Ersatzteile selbst wahrgenommen werden kann, eine zuverlässige und schnelle Ersatzteilversorgung durch den Anbieter erforderlich. Der Aufgabenumfang der Ersatzteillogistik bezieht sich hier vorwiegend auf die Beschaffung von Ersatzteilen, die Lagerhaltung und die Einsatzplanung für die Instandhaltung.98 An der Ersatzteilbeschaffung des industriellen Abnehmers sind mehrere betriebliche Funktionsbereiche beteiligt, neben der Instandhaltung z. B. die Anlagenwirtschaft, die Logistik und das Controlling. Ziel der gemeinsamen Aktivitäten ist eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Ersatzteilen bei minimalen Kosten der Ersatzteillogistik. Die Anforderungen an die Effizienz der Ersatzteillogistik beim Abnehmer werden beeinflusst von der Gestaltung des Beschaffungsmarketings.99 Im Rahmen der Lagerhaltung ist eine der wichtigsten Fragen die Festlegung der Art und Anzahl der zu bevorratenden Ersatzteile. Die Bestimmung, welche Ersatzteile bevorratet werden, sollte von einer wirtschaftlichen Kosten-NutzenAbschätzung abhängig gemacht werden (Kosten der Bevorratung, Wiederbeschaffbarkeit des Ersatzteils auf dem Markt, Stillstandskosten der betreffenden Anlage usw.).100 Bei der Bestimmung der Anzahl der zu bevorratenden Ersatzteile ist auf die Bedarfsplanung für Ersatzteile zu verweisen. Während bei den Primärprodukten für die Bedarfsplanung i. d. R. auf mathematische Prognosemodelle zu98
99 100
Vgl. Biedermann, 1995. Zu unterschiedlichen Instandhaltungsstrategien und deren möglichen Auswirkungen auf die Anforderungen an die Ersatzteilversorgung vom Anbieter vgl. Straube, 1988. Instandhaltung ist nach DIN 31 051 der Oberbegriff für Wartung (Maßnahmen zur Bewahrung des Sollzustandes von technischen Mitteln eines Systems), Inspektion (Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Istzustandes von technischen Mitteln eines Systems), Instandsetzung (Maßnahmen zur Wiederherstellung des Sollzustandes von technischen Mitteln eines Systems), vgl. Deutsches Institut für Normung, 1985. Zur weiteren begrifflichen Abgrenzungen der Instandhaltung vgl. Jacobi, 1992, S. 17. Siehe Kap. C, Abschn. 1.2. Zu den anlagebezogenen Nutzenkomponenten und deren Ausprägungen sowie den Kostenkomponenten vgl. Hug, 1986, S. 100ff., S. 147ff. und S. 172ff.
4.1
Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik
213
rückgegriffen werden kann, die aus Analysen der Vergangenheitsbedarfe und unter Berücksichtigung bereits bekannter zu erwartender Veränderungseinflüsse einen zukünftigen Bedarf ermitteln, stellt sich die Bedarfsplanung für Ersatzteile schwieriger dar.101 Hier empfiehlt sich die Verwendung kausalanalytischer Verfahren der Bedarfsplanung, bei denen der Ersatzteilbedarf selbst aus der zu erwartenden Entwicklung der Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf abgeleitet wird.102 Konzeption der Ersatzteillogistik beim Anbieter Grundsätzlich handelt es sich bei Ersatzteilen um Sekundärprodukte, deren Umsatz und Anforderungen an die Versorgung immer in Verbindung mit dem Primärprodukt betrachtet werden müssen. Daraus resultieren Besonderheiten des Ersatzteilumsatzes, die einen wesentlichen Einfluss auf die Anforderungen und die Gestaltung der Ersatzteillogistik haben. An dieser Stelle sind Folgende zu nennen:103 x Dem Ersatzteilkauf geht ein Negativerlebnis des Kunden in Form eines Ausfalls des Primärproduktes voraus. x Der Bedarf an Ersatzteilen ist nur begrenzt planbar. x Der Bedarf an Ersatzteilen ist u. a. abhängig von der Anzahl der verkauften Primärprodukte, den durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen und der Lebensdauer der eingesetzten Teile. Damit ist der Ersatzteilumsatz nur in geringem Umfang durch Marketingmaßnahmen zu steigern. Hier ergeben sich lediglich die Möglichkeiten, Umsatzanteile von Konkurrenzanbietern für diese Ersatzteile zu gewinnen oder durch Marketing für z. B. vorbeugende Instandhaltungspolitiken den Umsatz auszuweiten. x Ersatzteile sind oft in hohem Maße erklärungsbedürftig und werden häufig im Zusammenhang mit einer Kundendienstleistung verkauft. x Ersatzteilsortimente können – z. B. je nach Erforderlichkeit für die Funktionsfähigkeit des Primärproduktes – nicht immer allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet werden. x Produktinnovationen führen zum Ersatz ausgelaufener Primärprodukte. Ersatzteile müssen aber für alte und neue Primärprodukte bereitgestellt werden, was zu einer ständigen Ausweitung des Sortiments führt. x Endabnehmer sind häufig nicht Ersatzteilkunden, sondern oftmals auch Werkstätten.
101
102 103
Zu beachten ist, dass nicht nur der Abnehmer von Maschinen und Anlagen im Rahmen seiner Lagerhaltung eine Bedarfsplanung vornimmt, sondern dass auch der Anbieter von Ersatzteilen eine Bedarfsplanung benötigt, um bei laufender Serie eine ausreichende Verfügbarkeit für die Abnehmer gewährleisten zu können und bei auslaufender Produktion des Primärprodukts und der dazugehörigen Ersatzeile ausreichende Mengen für die noch kommenden Bedarfe auf Lager zu haben. Zu kausalanalytischen Verfahren vgl. Meidlinger, 1994; Loukmidis/Luczak, 2006, S. 258ff. Vgl. Baumbach, 2004, S. 169ff.
214
C.4 Ersatzteillogistik
Aus diesen Eigenschaften des Ersatzteilumsatzes resultieren Besonderheiten im Ersatzteillogistiksystem im Gegensatz zum Logistiksystem für Primärprodukte. Das Systemdenken fordert deshalb nicht nur eine enge Verbindung mit dem Kundendienst, sondern auch die Sicht der Ersatzteillogistik als ein Teil des logistischen Gesamtsystems, das mit den anderen logistischen Subsystemen in engem Zusammenhang steht. Das Ersatzteillogistiksystem soll zur Zielerreichung des Gesamtsystems beitragen. Dabei kann für den Ersatzteilumsatz als Ziel entweder die Unterstützung des Primärproduktumsatzes definiert werden oder der Ersatzteilumsatz kann als eigener Umsatzträger (Profitcenter) geführt werden.104 In jedem Fall ist auch hier eine Optimierung zwischen Lieferservice und Logistikkosten anzustreben, wobei die Verbundwirkungen zum Primärprodukt berücksichtigt werden müssen. Für die Anforderungen an den Lieferservice für Ersatzteile sind folgende besondere Einflussgrößen zu nennen:105 x Die erforderliche Lieferzeit ist für Ersatzteile eine wichtige Komponente, da durch sie unnötige Stillstandszeiten vermieden werden können. x Die Lieferzuverlässigkeit spielt besonders dann eine Rolle, wenn Instandhaltungsmaßnahmen nur zu bestimmten Zeitpunkten durchgeführt werden können (z. B. am Wochenende) bzw. wenn die Instandhaltung nicht regelmäßig vorbeugend, sondern nur im Bedarfsfall durchgeführt wird. x Bezüglich der Lieferungsbeschaffenheit ist zu beachten, dass der Kunde nach einem Negativerlebnis mit dem Primärprodukt besonders empfindlich reagiert und deshalb der einwandfreie Zustand der Ersatzteillieferung erforderlich ist. x Da Ersatzteilaufträge oft äußerst dringende Aufträge sind, muss die Lieferflexibilität im Hinblick auf Auftragsübermittlung, Transportwege und Transportmittel gegeben sein. Dem angebotenen Lieferservice gegenübergestellt werden die Kosten für die Ersatzteilversorgung, deren wesentliche Bestandteile die Lagerhaltungskosten und die Transportkosten sind. Die Lagerhaltungskosten sind vergleichsweise hoch, da die Ersatzteilbestände i. d. R. ein großes Sortiment darstellen, von denen jeweils nur kleine Mengen benötigt werden. Hinzu kommt eine im Allgemeinen hohe Umsatzkonzentration auf eine geringe Anzahl von Ersatzteilen in diesem Sortiment. Deshalb ist der Sortimentsbildung und der Lagerhaltungspolitik für einzelne Produkte besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Bei den Transportkosten ist darauf hinzuweisen, dass die mögliche Einbeziehung zusätzlicher Knoten im logistischen Netzwerk in Form von Reparaturwerkstätten sowie die Bedienung von Eilbestellungen die Komplexität des logistischen Netzwerks und der darin ablaufenden Transportprozesse und damit die Kosten erhöhen. Hier stellt sich dann die 104 105
Vgl. Ihde/Merkel/Henning, 1999, S. 9ff. Zu diesen Einflussgrößen vgl. Thurow, 1977, S. 116ff. Eine in den Jahren 1994 und 1995 durchgeführte Befragung bei 103 Ersatzteilkunden bestätigte, dass die Lieferzeit und die Lieferzuverlässigkeit die wichtigsten Komponenten des Lieferservice der Ersatzteilversorgung für den Kunden darstellen, vgl. Frese/Heppner, 1995, S. 86; Pfohl/Ester/Jarik, 1995, S. 24ff.
4.2
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Ersatzteillogistik
215
Frage, in welchem Maße solche Kosten auf den Abnehmer abgewälzt werden können.
4.2
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Ersatzteillogistik
Auftragsabwicklung Für den Bereich der Auftragsabwicklung ist zunächst zu differenzieren zwischen Eilaufträgen (reaktive Prozesse) und Lagerergänzungsaufträgen (antizipative Prozesse). Erstere entstehen durch Fehlbestände beim Kunden, der Werkstatt oder dem Auslieferungslager. Letztere dienen der Lagerbestandsergänzung und -sicherung beim Kunden, in der Werkstatt oder im Auslieferungslager. Bei der Auftragsannahme und -aufbereitung benötigt der Kunde oftmals eine fachkundige Beratung, um die Ausfallteile an der Produktionsanlage zu identifizieren und das richtige Ersatzteil zu bestellen. Diese Beratung ist insbesondere bei bereits ausgelaufenen Primärprodukten erforderlich. Außerdem werden Aufträge für Ersatzteilbestellungen oftmals nicht vom Endkunden, sondern von einem Kundendienstmitarbeiter oder einer Reparaturwerkstatt abgegeben. Dann empfiehlt es sich, den Vorgang der Auftragsübermittlung zu standardisieren bzw. eine direkte EDV-Verbindung zu installieren. Lagerhaus Für das Subsystem Lagerhaus liegt der Schwerpunkt auf der Festlegung der Anzahl der Lagerstufen sowie der Lageranzahl und -standorte. Die Anzahl der Lagerstufen ist u. a. abhängig von der Gestaltung des Absatzkanals (z. B. stellen beim Vertrieb über Werkstätten diese i. d. R. auch eine Lagerstufe dar). Lageranzahl und -standorte sollen eine optimale Ersatzteilversorgung der Kunden gewährleisten. Auslieferungslager oder Werkstätten sind dazu in ausreichender Anzahl in Kundennähe zu errichten. Der Standort des Zentrallagers ist dagegen meist produktionsorientiert festzulegen. Wichtig für die Standortentscheidung ist auch die Nähe zu schnellen Verkehrsverbindungen. So benötigen etwa ErsatzteilEillieferungen in das nicht-europäische Ausland die Anbindung an einen Flughafen. Lagerhaltung Im Rahmen des Bestandsmanagements ist zu entscheiden, in welcher Menge und auf welcher Lagerstufe die zu bevorratenden Teile zu halten sind. Bezüglich der Menge ist nochmals auf die Fragen der Bedarfsplanung für Ersatzteile hinzuweisen, die schon unter der Ersatzteillogistik des Abnehmers angesprochen wurden. Im Rahmen einer kausalanalytischen Bedarfsvorhersage für Ersatzteile sind u. a. die in Abb. C.9 dargestellten Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf zu berücksichtigen.
216
C.4 Ersatzteillogistik
Anzahl der im Einsatz befindlichen Primärprodukte
Zukünftiger Planverkauf von Primärprodukten
Produktausfallkurven (ähnliche Produkte, Vergangenheitserfahrung)
Bedarfsprognose an Ersatzteilen
Frühinformationen zu Verschleißerscheinungen (z.B. durch Inspektion, On-Line-Diagnose)
Vergangenheitsnachfrage nach Ersatzteilen (Extrapolation, Berücksichtigung der möglichen Fremddeckung)
Abb. C.9
Nutzungsintensität der Primärprodukte (z.B. Betriebsstunden, außergewöhnliche Belastungen)
Nutzbedingungen (z.B. Temperatur, Luftfeuchtigkeit)
Instandhaltungsstrategie des Verwenders (präventiv/reaktiv)
Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf (Quelle: Pfohl, 1991a, S. 1038)
Die Höhe der Lagerhaltungskosten kann durch die Anwendung der selektiven Lagerhaltung beeinflusst werden. So sind alle Teile, die häufig gebraucht werden und unabdingbar für die Funktionsfähigkeit des Primärprodukts sind, in Kundenähe, d. h. in Auslieferungslagern oder in Werkstätten, auf Vorrat zu halten. Es ist zu gewährleisten, dass Kundendienstmitarbeiter schnellstmöglich mit diesen Teilen versorgt werden können bzw. dass sie ein Grundsortiment mit sich führen.106 Teile, die seltener gebraucht werden und/oder für die Funktionsfähigkeit des Primärproduktes nicht unbedingt erforderlich sind, können in zentralen Auslieferungslagern bevorratet werden, da bei ihnen eine etwas längere Lieferzeit vom Kunden toleriert wird. Möglich wäre auch die Selektion der zu bevorratenden Teile nach der Instandhaltungspolitik der Abnehmer: alle Teile, die nur im Rahmen einer vorbeugenden Instandhaltung benötigt werden oder die der Abnehmer selbst bevorratet, könnten auf Zentrallagerebene liegen, da hier mit weniger eilbedürftigen Lagerergänzungsaufträgen gearbeitet werden kann. Verpackung Im Rahmen der Verpackung sind besonders die Schutz- und Lagerfunktion sowie die Informationsfunktion hervorzuheben. Da Ersatzteile u. U. relativ lange lagern, muss die Verpackung für diesen Zeitraum ausreichend Schutz gegen mechanische (Manipulationsvorgänge) und chemisch-physikalische (Hitze, Feuchtigkeit usw.) Einwirkungen gewähren und Maßnahmen zur Wartung und Kontrolle ermögli106
Vgl. Patton, 1984, S. 281. Dieser schlägt die Zusammenfassung der für einen Reparaturauftrag benötigten Ersatzteile nebst entsprechender Geräte, Werkzeuge und Dokumentationen zu so genannten Kits vor.
4.3
Bedeutung der Ersatzteilversorgung als Wettbewerbsinstrument
217
chen. Aufgrund der hohen Anzahl von Ersatzteilpositionen und der Erklärungsbedürftigkeit von Ersatzteilen muss die Verpackung ausreichend Informationen zur Identifizierung des Ersatzteils sowie zu erforderlichen technischen Angaben enthalten. Darüber hinaus ist die Verpackung für viele Anbieter in ihrer Marketingfunktion wichtig, die das Ersatzteil als ein Originalersatzteil auszeichnet und damit eine Abgrenzung gegenüber nachgebauten Ersatzteilen darstellt. Transport Beim Transport ist zu beachten, dass der Bestellumfang pro Kunde (auch bei Werkstätten) klein ist. Deshalb müssen bei der Belieferung sehr viele Punkte im logistischen System angefahren werden, die jeweils nur relativ wenige Teile erhalten. Eine ausreichende Auslastung eines eigenen Fuhrparks beim Anbieter ist damit kaum zu erzielen. Häufig stellt die Fremdvergabe des Transports die wirtschaftlichere Alternative dar.
4.3
Bedeutung der Ersatzteilversorgung als Wettbewerbsinstrument
Kriterium der Lieferantenauswahl Für die Wettbewerbssituation des Unternehmens ist maßgeblich, dass Primärprodukt und Ersatzteilversorgung vom Kunden nicht getrennt wahrgenommen werden. Die Marktanforderungen stellen sich als der Kauf der Funktionsfähigkeit eines Aggregates dar und können neben der Ersatzteilversorgung auch die Aufgaben der Instandhaltung und technischen Beratung umfassen.107 Die steigende Bedeutung der Ersatzteilversorgung zeigt bereits eine im Jahr 1992 durchgeführte Befragung von 354 Investitionsgüteranbietern für den Absatz von Investitionsgütern.108 Sie gibt die Einschätzung der Erfolgsfaktoren für den Investitionsgüterabsatz aus Sicht der befragten Unternehmen wieder. Die Befragten betrachteten als zweitwichtigsten Faktor im Investitionsgüterwettbewerb die zum Primärprodukt gehörigen Dienstleistungen. Die zweitwichtigste Dienstleistung nach dem Kauf stellt die Ersatzteilversorgung dar. Auf die Attraktivität des Angebotes von den Investitionsgüteranbietern und damit auch die Preisbereitschaft nimmt die Schnelligkeit der Ersatzteilversorgung großen Einfluss.109
107 108 109
Vgl. Belz, 1991, S. 53. Vgl. Burkhardt, 1992, S. 26f. Vgl. Diller, 2004, S. 962.
218
C.4 Ersatzteillogistik
Branchenabhängigkeit Die Erkenntnis der Bedeutung der Ersatzteilversorgung führt dazu, dass die Servicepolitik als eigenständiger Bestandteil des Marketinginstrumentariums 110 betrachtet wird. Insbesondere auf dem Investitionsgütermarkt ist die Versorgung des Kunden in der Nachkaufphase wichtig im Hinblick auf Folgeaufträge. Hier gilt „nach dem Kauf ist vor dem Kauf“.111 Dabei ist im Hinblick auf die Bedeutung und die Gestaltung der Ersatzteilversorgung im Rahmen des Investitionsgütermarketings eine differenzierte Betrachtung für unterschiedliche Geschäftstypen von Investitionsgütern, die unterschiedliche Marketingmaßnahmen verlangen, durchzuführen. HERMANNS/FLORY 112 beispielsweise definieren – nach der Betrachtungsebene der Wertschöpfung – die Typen Serienhersteller, Variantenanbieter, Einzelauftragsleistung, Prozessherstellung, Systemanbieter und Rahmenauftragsleistung. Dabei werden im Rahmen der Serien- (z. B. Kugellager- oder Messgerätehersteller) und der Variantenherstellung (z. B. Gabelstapler-, Getriebemotorenhersteller) dem Reparaturservice und der Ersatzteilversorgung eine hohe Bedeutung zugemessen, während etwa bei der Prozessherstellung (z. B. chemische Grundstoffe, Metallbleche) keine Ersatzteilversorgung benötigt wird. In Branchen, wie z. B. der Automobilindustrie, in denen ein Markt für aus alten oder beschädigten Primärprodukten ausgebaute, gegebenenfalls aufbereitete Teile besteht, gibt es einen besonderen Zusammenhang zwischen der Ersatzteillogistik und der im folgenden Abschnitt zu behandelnden Entsorgungslogistik. Damit diese Teile nicht unkontrolliert als Konkurrenz zu den Originalersatzteilen auf dem Markt angeboten werden können, muss der Hersteller der Kontrolle des entsorgungslogistischen Kanals besondere Aufmerksamkeit beimessen!
110
111
112
Zur Entwicklung der Ersatzteilversorgung und zu branchenmäßigen Unterschieden vgl. Kalthegener, 1958, S. 4ff.; Deppe, 1992, S. 294; Ester, 1997, S. 128ff. Zu einem Beispiel aus der Automobilindustrie vgl. Nolting, 1998. Vgl. Thurow, 1977, S. 41ff.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 934. Der Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit industrieller Kunden mit der Auftragsabwicklung und -betreuung und der Vergabe von Folgeaufträgen wurde bereits in den empirischen Untersuchungen von Williams/Gay, 1978; Trawick/Swan, 1981 empirisch bestätigt. Vgl. Hermanns/Flory, 1995.
5.1
Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik
5
Entsorgungslogistik
5.1
Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik
219
Definition Die Entsorgungslogistik kann definiert113 werden als die Anwendung der Logistikkonzeption auf Rückstände, um mit allen Tätigkeiten der raum-zeitlichen Transformation, einschließlich der Mengen- und Sortenänderung, einen ökonomisch und ökologisch effizienten Rückstandsfluss zu gestalten. Abgrenzungskriterien der Entsorgungslogistik gegenüber der Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Ersatzteillogistik bilden sowohl die Objekte der Entsorgungslogistik als auch deren Flussrichtung. Entsprechend des Sachzielbezuges der Objekte lassen sich Zielprodukte und Rückstände als Output von Unternehmen unterscheiden. Während Zielprodukte Objekte der Versorgungslogistik darstellen, ist die raumzeitliche Transformation von Rückständen Aufgabe der Entsorgungslogistik. Nach Art der Wiedereinsetzbarkeit lassen sich Rückstände in Sekundärrohstoffe und Abfälle, die zudem nach ihrem Aggregatzustand in feste, pastöse und flüssige Stoffe differenziert werden können, untergliedern.114 Diese weite Auslegung des Rückstandsbegriffs erlaubt es, auch ge- und verbrauchte Produkte, Austauschaggregate, Retouren, Lagerhüter sowie Leergut, Behälter und Verpackungen den Rückständen zuzuordnen. Einen Überblick über die Objekte der Entsorgungslogistik gibt Abb. C.10. Die Flussrichtung der Rückstände im Entsorgungsbereich ist der Flussrichtung im Versorgungsbereich entgegen gesetzt. Hierbei unterscheidet man verschiedene Typen von Rückstandsflüssen. Je nach Art der eingeschalteten Unternehmen und der Stufigkeit der Entsorgungslogistikkette ergeben sich einstufige und mehrstufige Redistributionskanäle, Rückstandszyklen und Beseitigungskanäle.115 Redistributionskanäle sind identisch mit den Distributionskanälen für Zielprodukte und binden Distributionsmittler und -helfer in die physische Übertragung von Rückständen ein. Die Quelle des Rückstandsflusses entspricht dabei der Senke des Zielproduktflusses, der Rückstandsfluss vollzieht sich also entgegen der Flussrichtung der Zielprodukte.116 Rückstandszyklen sollen den Wiedereinsatz von Sekundärrohstoffen sicherstellen und verbinden den Ort der Rückstandsentstehung mit 113 114
115 116
Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 573f. Die Verwendung der Begriffe Rückstand, Sekundärrohstoff und Abfall weicht von früher gebräuchlichen Definitionen ab und ersetzt die Bezeichnungen Reststoff und Wertstoff. Zu diesen Begriffen vgl. Stölzle, 1993, S. 163ff. Die neuen Definitionen stützen sich auf §2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW/AbfG). Dem Gesetz zufolge sind Rückstände dann Sekundärrohstoffe, wenn sie nach Maßgabe des Gesetzes zu verwerten sind bzw. sind dann Abfälle, wenn sie nicht als Sekundärrohstoffe verwertet werden dürfen. Vgl. Pfohl/Stölzle, 1995, Sp. 2234ff. und die dort aufgeführte Literatur. Zur Gestaltung und Bewertung von Redistributionskanälen vgl. Haasis, 1999.
220
C.5 Entsorgungslogistik Output des Unternehmens im Bereich der Produktion, Distribution und Konsumtion
Sachzielbezug
Wiedereinsetzbarkeit
Aggregatzustand
Abb. C.10
Rückstände
(Ziel-)Produkte
Abfälle i. w. S.
fest (Abfall i. e. S.)
pastös
Sekundärrohstoff
flüssig (Abwasser)
Objekte der Entsorgungslogistik (Quelle: in Anlehnung an Stölzle, 1993, S. 167)
den Herstellunternehmen ge- oder verbrauchter Zielprodukte, wobei der Rückstandsfluss durch die Einbindung von Recyclingunternehmen unterbrochen werden kann. Beseitigungskanäle realisieren schließlich den Rückstandsfluss zwischen Rückstandserzeuger und den Institutionen, die für die ordnungsgemäße Beseitigung von Abfällen (z. B. Verbrennungsanlagen oder Deponien) zuständig sind. Auswahlkriterien für den Aufbau der entsorgungslogistischen Systeme bilden die Sortenreinheit der Rückstände, deren Wiedereinsatzmöglichkeiten, die Rückstandsmengen sowie spezielle rechtliche Regelungen, wie beispielsweise hygienische Anforderungen des Transports oder Sammelladungsverbote der Gefahrgutverordnung Straße (GGVS). Die logistischen Prozesse in den Beseitigungskanälen umfassen die Sammlung, den Transport und Umschlag, die Lagerung, die Verwertung, die thermische Behandlung und die geordnete Beseitigung (siehe Abb. C.11).117 Neben diesen metalogistischen Systemen, die die Grundlage der Entwicklung einer Volkswirtschaft zur Kreislaufwirtschaft bilden, gibt es auch mikrologistische Systeme der Entsorgung. Sie beziehen sich auf die Rückstandstransformation innerhalb öffentlicher und privater Institutionen. Ausprägungsformen können z. B. die Rückführung von Schmierstoffen oder Produktionsabfällen zum direkten Wiedereinsatz im Unternehmen sein. Konzeption Aus der Definition ergibt sich, dass die Entsorgungslogistik sowohl ökonomisch als auch ökologisch orientierte Zielsetzungen verfolgt. Das ökonomische Ziel besteht aus einer Senkung der Logistikkosten und einer Verbesserung des Serviceniveaus der Entsorgungslogistik (anforderungsgerechte Abnahme der Rückstände an den Anfallstellen sowie art-, mengen-, raum- und zeitgenaue Zuführung der Se117
Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 488.
5.1
Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik Beseitigung
221
Sammlung
Demontage Transport/ Umschlag
Verwertung Aufbereitung
Lagerung
Abb. C.11
Logistische Prozesse in den Beseitigungskanälen (Quelle: in Anlehnung an Arnold u. a., 2008, S. 489)
kundärrohstoffe zu den Wiedereinsatzquellen). Das ökologisch orientierte Ziel strebt die Schonung natürlicher Ressourcen und die Reduzierung von Emissionen entsorgungslogistischer Prozesse an.118 Teilweise ergänzen sich ökologische und ökonomische Zielsetzungen, z. B. bei der Schonung natürlicher Ressourcen. Deren endliche Verfügbarkeit führt dazu, dass weniger Deponieplatz zur Verfügung steht und die Kosten für die Entsorgung laufend zunehmen, so dass eine Senkung des Entsorgungsvolumens auch zu einer verlangsamten Zunahme der Entsorgungskosten führt.119 Die Einbeziehung ökologischer Zielgrößen in das Zielsystem der Entsorgungslogistik verdeutlicht die Wechselwirkungen zwischen der Logistik und dem natürlichen Umfeld. Während sich die ökologischen Aspekte der Versorgungslogistik auf die Reduzierung prozessabhängiger input- und outputseitiger Umweltbelastungen beschränken,120 trägt die Entsorgungslogistik durch die Übernahme spezifischer Aufgaben der Entsorgung aktiv zur Lösung ökologischer Probleme bei und zeigt die Rolle der Logistik im Umweltschutz auf. Entsprechend der Zielsetzung der Entsorgungslogistik finden ökologische Ansatzpunkte auch in der Konzeption der Entsorgungslogistik, die sich in die Gesamtkonzeption der Logistik, d. h. in das System-, Gesamtkosten-, Service- und Effizienzdenken einordnet, Berücksichtigung. Grundlage der Planung, Steuerung, Realisierung und Kontrolle entsorgungslogistischer Prozesse ist das Systemdenken. Diese Denkweise erlaubt einerseits, suboptimale Lösungen im Bereich der Entsorgungslogistik, wie z. B. eine suboptimale Gestaltung der Lagerung von Rückständen, zugunsten gesamtoptimaler entsorgungslogistischer Lösungen zu vermeiden. 118 119 120
Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 575f; Emmermann, 1996, S. 62f. Vgl. Emmermann, 1996, S. 62ff. Zu den Möglichkeiten der Reduzierung von Umwelteinwirkungen der Distributionslogistik vgl. McKinnon, 2000, S. 26ff.; Scholz-Reiter u. a., 2007, S. 17f. Zum Umweltmanagement logistischer Prozessketten aus der Sicht von Industrie-, Handels- und Logistikunternehmen vgl. Baumgarten u. a., 1998, S. 114ff.
222
C.5 Entsorgungslogistik
Andererseits ermöglicht die Betrachtung der gesamten Logistikkette die Ausnutzung bereichsübergreifender Optimierungspotentiale, wie z. B. die Einbindung von Entsorgungsvorgängen in Aktivitäten der Distributionslogistik, die charakteristisch für die Gestaltung von Redistributionskanälen ist. Die Anwendung des Gesamt- oder Totalkostendenkens auf die Entsorgungslogistik verfolgt das Ziel, alle relevanten Kosten entsorgungslogistischer Entscheidungen offenzulegen. Dabei sollten auch ökologische Kostengrößen, soweit sie auf einer gesicherten Grundlage bestimmt werden können, in die Entscheidungen einbezogen werden. Ansätze hierzu bilden etwa Abschreibungen für spezifische Umweltschutzeinrichtungen, wie beispielsweise Luftfilteranlagen von Umschlagshallen. Das Servicedenken im Bereich der Entsorgungslogistik unterscheidet eine input- und eine outputorientierte Betrachtungsweise des Service. Während sich der inputorientierte Servicegrad auf die Anlieferung von Rückständen bei Aufbereitungs-, Behandlungs- und Beseitigungsanlagen sowie den Ort des Wiedereinsatzes bezieht, konzentriert sich der outputorientierte Service auf die Entsorgung der Rückstände an den Anfallorten. Für beide Teilbereiche gelten die Servicekomponenten Liefer- bzw. Abholzeit, -zuverlässigkeit und -flexibilität. Demgegenüber bezieht sich die Lieferungsbeschaffenheit allein auf die inputorientierte Betrachtung, indem sie beispielsweise die Sortenreinheit recycelbarer Rückstände beschreibt. Gemäß der Zieldefinition der Entsorgungslogistik umfasst das Effizienzdenken die Aspekte der ökonomischen und ökologischen Effizienz. Die ökonomische Dimension orientiert sich an den Gesamtkosten der Entsorgungslogistik und dem ihnen gegenüberstehenden input- und outputbezogenen Servicegrad. Ein möglicher Ansatzpunkt zur Bestimmung der ökologischen Effizienz ist die Recyclingquote.121 Bei einer Gesamteffizienzbetrachtung ist zu berücksichtigen, dass trotz konfliktärer Beziehungen beider Effizienzausprägungen bei einer kurzfristigen Betrachtungsweise langfristig i. d. R. kongruente Zielbeziehungen bestehen. So können beispielsweise durch eine Umstellung auf ökologieorientierte Produktionsverfahren im Bereich der Entsorgungslogistik langfristig Wettbewerbsvorteile errungen und damit auch ökonomische Ziele verfolgt werden.
5.2
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Entsorgungslogistik
Entsprechend der Unterscheidung verrichtungsspezifischer funktioneller Subsysteme im Bereich der versorgungsorientierten Logistik können auch in der Entsorgungslogistik die Subsysteme Auftragsabwicklung, Lagerhaltung, Lagerhaus, Verpackung und Transport abgegrenzt werden. Spezifisch für die Entsorgungslogistik ist der Aufgabenbereich der Sammlung und Trennung. Die Besonderheiten
121
Zu beachten ist, dass die Erfassung der Recyclingquote die Zielhierarchie Vermeidung vor Verminderung von Umwelteinwirkungen sowie die logistikbedingten Umweltbelastungen nicht berücksichtigt vgl. Stölzle, 1993, S. 187.
5.2
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Entsorgungslogistik
223
dieser Subsysteme gegenüber der Versorgungslogistik sollen im Folgenden skizziert werden. Auftragsabwicklung Im Vergleich zur Versorgungslogistik ist eine Vielzahl rechtlicher Vorgaben zu beachten, die auf Rechtsverordnungen zu Kennzeichnungspflichten von Rückständen zurückgehen.122 Ziel dieser Rechtsverordnungen ist es, den Fluss umweltgefährdender Rückstände möglichst umfassend zu dokumentieren. Im Bereich des vorauseilenden Informationsflusses regeln diese Verordnungen z. B. die Einholung von Genehmigungen für die Sammlung und den Transport gefährlicher Rückstände.123 Begleitscheine und Warntafeln am Lkw kennzeichnen die Rückstände begleitend zum Rückstandsfluss. Spezifisch für den nacheilenden Informationsfluss in der Entsorgungslogistik ist die Weiterreichung von Entsorgungsnachweisen. Lagerhaltung Vergleichbar zum Versorgungsbereich erfüllt die Lagerhaltung von Rückständen verschiedene Funktionen, deren Ausprägungen jedoch in der Entsorgungslogistik unterschiedlich gewichtet sind. So ist beispielsweise die Zeitüberbrückungsfunktion von Lagerbeständen in der Entsorgungslogistik von geringerer Bedeutung als im Versorgungsbereich. Denn es sind allein Aspekte der wirtschaftlichen Transportlosgröße zu berücksichtigen, da die Kapitalbindungskosten aufgrund des i. d. R. niedrigeren Wertes von Rückständen als weniger bedeutend einzuschätzen sind. Die Sicherungsfunktion der Lagerhaltung ist dagegen in Bezug auf den Wiedereinsatz und das Recycling von Sekundärrohstoffen von größerem Interesse. Zeitliche Unwägbarkeiten in art- und mengenmäßigem Sekundärrohstoffanfall können dadurch ausgeglichen und eine kontinuierliche Auslastung der Recyclinganlagen gewährleistet werden.124 Die Bedeutung der Spezialisierungsfunktion von Sekundärrohstofflagern resultiert aus der Einrichtung sekundärrohstoffspezifischer Recyclinganlagen und der damit verbundenen Aufgabenteilung in der Entsorgungswirtschaft. Die Spekulationsfunktion und die Akquisitionsfunktion von Lagerbeständen haben schließlich bei der Lagerhaltung von Rückständen vernachlässigbare Bedeutung. Gemäß den Funktionen der Rückstandslagerung konzentrieren sich die Zielsetzungen der Lagerhaltung in der Entsorgung auf die Bereitstellung ausreichender Kapazitäten und die richtige zeitliche Bereitstellung der Rückstände zur Realisierung einer möglichst effizienten Verwertung bzw. Beseitigung.125 Das Ziel der Aufrechterhaltung eines bestimmten Lieferbereitschaftsgrades beschränkt sich auf die Eingangslager von Recyclinganlagen. 122 123 124 125
Vgl. Schiffer/Delbrück, 1991, S. 1003f. Vgl. Rethmann, 1978, S. 83ff. Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 581. Vgl. Stölzle, 1993, S. 225f.
224
C.5 Entsorgungslogistik
Lagerhaus Im Rahmen der Entsorgungslogistik dienen Vorratslager der Bereitstellung von Rückständen zur richtigen Zeit und in den richtigen Mengen sowie der Aufnahme aufbereiteter Sekundärrohstoffe. Umschlagslager ermöglichen den Aufbau von Transportketten durch die Realisierung von Umschlagsvorgängen zwischen verschiedenen Verkehrsträgern. Verteilungslager haben die Aufgabe, Rückstände aus verschiedenen Sammelregionen zu konzentrieren und an spezifische Recyclingund Beseitigungsanlagen zu verteilen. Rückstandsspezifische Sammellager können Abfälle und Sekundärrohstoffe am Ort ihres Anfalls bis zum Abtransport aufnehmen. Aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen im Entsorgungsbereich beschränken sich die Aufgaben im Subsystem Lagerhaus im Wesentlichen auf die Gewährleistung der notwendigen Sicherheitsstandards. Dies beinhaltet insbesondere die Einhaltung spezifischer rechtlicher Anforderungen, wie z. B. Zusammenlagerungsverbote, Brandschutz- und Immissionsschutzverordnungen sowie eine darauf abgestimmte technische Gestaltung des Lagerhauses.126 Verpackung Anforderungen an Verpackungen von Rückständen beziehen sich vorwiegend auf deren Schutzfunktion gegenüber der Umwelt. Insbesondere bei der Verpackung gefährlicher Rückstände stehen die Forderungen nach Sicherheit und Beständigkeit im Mittelpunkt.127 Während in der Versorgungslogistik die Kommunikationsfunktion im Hinblick auf das Marketing von besonderer Bedeutung ist, rückt diese in der Entsorgungslogistik eher in den Hintergrund und beschränkt sich auf die Kennzeichnung der Rückstände. Einflussfaktoren auf die Verpackungsgestaltung bilden neben speziellen rechtlichen Rahmenbedingungen im Wesentlichen rückstandsspezifische und schnittstellenbezogene Anforderungen. Bei den Rückständen sind umweltschutzrelevante Eigenschaften sowie Gewicht, Menge, Form und Art der Rückstände in die Verpackungsentscheidung mit einzubeziehen. 128 Zur Vermeidung technischer Probleme bei der Schnittstellengestaltung in entsorgungslogistischen Verbundsystemen sollten die Verpackungen zudem standardisiert, automatisch handhabbar, auf verschiedenen Verkehrsträgern universell transportierbar und als Zwischenlager nutzbar sein. Diese Eigenschaften erleichtern zudem den Aufbau von Verbundsystemen zwischen der Entsorgungs- und Versorgungslogistik, wie sie z. B. bei Redistributionskanälen realisiert werden. Transport Besonderheiten des entsorgungslogistischen Subsystems Transport ergeben sich vorwiegend aus der Inhomogenität der Transportobjekte, dem hohen Risiko unfallbedingter Umweltbelastungen und der Problematik der Vermeidung von Leer126 127 128
Vgl. Becker/Hüning, 1993, S. 74ff. Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 587. Vgl. Bilitewski/Härdtle/Marek, 1994, S. 107ff.
5.2
Verrichtungsspezifische Subsysteme der Entsorgungslogistik
225
fahrten. So führen die Inhomogenität anfallender Rückstände und die spezifischen Anforderungen, die jede Rückstandsart an den Transport stellt, zu einer hohen Komplexität der Transportleistung, die wiederum hohe Transportkosten verursacht. Sortenreine Rückstände treten demgegenüber i. d. R. nur in geringem Umfang auf, so dass eine Transportspezialisierung aus ökonomischen Gründen nur vereinzelt sinnvoll ist. Ein erhöhtes Umweltrisiko durch Unfälle besteht insbesondere bei Gefahrguttransporten. Die Bedeutung dieses Aspektes resultiert aus der zunehmenden Verkehrsleistung und der steigenden Unfallhäufigkeit in diesem Bereich,129 die auch zu einer Zunahme rechtlicher Anforderungen geführt hat. Das Problem der Vermeidung von Leerfahrten stellt sich in der Entsorgungslogistik insbesondere aufgrund rückstandsbedingter Verunreinigungen der Transportbehälter. Einerseits begrenzen diese Verunreinigungen die Auswahl rückstandsspezifischer Rückfrachten, andererseits verhindern sie i. d. R. aufgrund hygienischer Vorschriften den Transport von Versorgungsgütern und Rückständen mit demselben Fahrzeug, wie er z. B. im Rahmen von Redistributionskanälen möglich wäre.130 Sammlung und Trennung Eng mit der Forderung möglichst homogener Rückstandsströme verbunden ist der Aufgabenbereich der Sammlung und Trennung. Ziel dieses spezifisch entsorgungslogistischen Subsystems ist es, die Sortenreinheit der Rückstände gemäß den Anforderungen der Rückstandssenken zu erhöhen. Da die Verfahren der Rückstandstrennung oftmals mit der Sammlung kombiniert werden, kann man die Teilaufgaben in einem Aufgabenbereich zusammenfassen.131 Einen wesentlichen Entscheidungstatbestand stellt die Organisation der Sammlung und Trennung dar. So können Rückstände auf verschiedenen Stufen des entsorgungslogistischen Kanals getrennt werden. Zunächst bietet sich eine getrennte Sammlung am Ort der Entstehung an. Sie führt zu einer vergleichsweise hohen Sortenreinheit der Rückstände, erfordert jedoch Mehraufwand bei der Bereitstellung der Behälter und bei den Transportvorgängen der Rückstände. Demgegenüber ist der Wiedereinsatz von Rückständen bei einer gemischten Sammlung von nachträglichen Umschlagsprozessen abhängig. Ökonomische Vorteile ergeben sich hier insbesondere durch den geringeren Flächenbedarf der Sammelbehälter, denen jedoch zusätzliche Prozesskosten für Lager-, Transport- und Umschlagsprozesse gegenüberstehen. Entscheidungen über die Organisationsform der Sammlung und Trennung sind daher unter Einbezug des Gesamtkostendenkens und der Wiedereinsetzbarkeit der Rückstände im Einzelfall zu treffen. Ein weiterer Entscheidungstatbestand der Sammlung und Trennung ist das Maß des Einbezuges des Abfallerzeugers in die Entsorgung. Während bei Holsystemen die Rückstände am Ort ihres Anfalles lediglich bereitgestellt werden, erfordern 129 130 131
Vgl. Braune, 1991, S. 355; Hole/Törkel, 1991, S. 97. Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 584. Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 586f.
226
C.5 Entsorgungslogistik
Abb. C.12
Kombinationen in mehrstufigen Rückstandskreisläufen (Quelle: Arnold u. a., 2008, S. 516)
Bringsysteme die Einbindung des Rückstandserzeugers in den Rückstandstransport. Die Sammlung erfolgt dabei an zentralen Sammelstellen, wie z. B. Recyclingzentren. Die Wahl einer Alternative hängt im Wesentlichen von der Bereitschaft der Abfallerzeuger ab, sich im Bereich der Entsorgung zu engagieren.132 In mehrstufigen Rückstandskreisläufen lassen sich die Hol- und Bringsysteme entsprechend der jeweiligen Erfordernisse kombinieren, wie in Abb. C.12 dargestellt.133
5.3
Technische Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse
Besonderheiten der technischen Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse finden sich vor allem in der Sammel- und Transporttechnik. Spezifische technische Einrichtungen und Ausstattungsmerkmale der Bereiche Lagerhaus und Umschlag resultieren aus stoffabhängigen Anforderungen, die in geringerem Umfang auch im Versorgungsbereich, z. B. bei der Handhabung und Lagerung gefährlicher Stoffe, bestehen. Sammeltechnik Entscheidungen bezüglich der Sammeltechnik sind unter Beachtung der Rückstandsart und -menge, der Organisation der Sammlung und Trennung (getrennte 132 133
Vgl. Stölzle, 1993, S. 240. Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 515.
5.3
Technische Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse
227
bzw. gemischte Sammlung sowie Bring- bzw. Holsystem) und der Umschlagsorganisation (Umleer- bzw. Wechselverfahren) zu treffen. Die Rückstandsart bestimmt die Notwendigkeit der Berücksichtigung besonderer Umweltschutzeinrichtungen im Bereich der Sammeltechnik. Die Menge anfallender Rückstände hat Einfluss auf die Behältergröße. Die kleinste Einheit ist der Systemmülleimer (SME) mit einem Fassungsvolumen von 35 oder 50 Liter. Die nächst größere Einheit ist die Systemmülltone (SMT) mit einem Fassungsvolumen von 70 oder 100 Liter. Häufig verwendete Sammelbehälter sind Müllgroßbehälter (MGB) mit einem Fassungsvolumen von 120, 240 bzw. 360 Liter, die z. B. in der Hausmüllsammlung eingesetzt werden. Seit 2005 gibt es die Multifunktionsbehälter (MFB), die für den Front-, Heck- und Seitenladereinsatz geeignet sind. 134 Für größere Rückstandsmengen eignen sich 660, 1100 oder 5000 Liter fassende Einheiten bzw. größere Wechselbehälter. Die Wahl einer getrennten bzw. gemischten Sammlung ist maßgeblich bestimmend für die Anzahl der Behälter bzw. die Anzahl getrennter Kammern in den Behältern. Mehrkammersysteme finden sich vorwiegend bei der getrennten Erfassung von Altglas, Papier und Batterien im Hausmüllbereich.135 Entscheidungen bezüglich Bring- bzw. Holsystemen als Gestaltungsalternativen der Sammlung und Trennung beeinflussen die Behälterwahl im Hinblick auf die Handhabbarkeit. Unter Berücksichtigung der Einbindung von Rückstandserzeugern in den Transport erfolgt bei Bringsystemen die erstmalige Erfassung am Anfallort in kleinen, handhabbaren Behältern, die problemlos zu den zentralen Sammelstellen transportiert werden können. Aufgrund der Auslegung dieser Sammelstellen (z. B. Bereitstellung ausreichender Rangierflächen für Lkw) und vorhandener Anbindungen an das Verkehrsinfrastrukturnetz kann die zentrale Rückstandserfassung i. d. R. in großen Rückstandsmulden oder -behältern erfolgen. Holsysteme erfordern demgegenüber Behälter, die einerseits über ein ausreichendes Volumen zur Erfassung der Rückstände verfügen, andererseits aber auch den Anforderungen manueller Handhabung und der technischen Umladesysteme genügen. Umleerbzw. Wechselverfahren als Gestaltungsmöglichkeiten der Umschlagsorganisation136 erfordern schließlich eine Abstimmung der Behälter mit der jeweiligen technischen Ausrüstung der Fahrzeuge. Da Entscheidungen bezüglich der Einflussfaktoren auf die Behälterwahl nicht unabhängig voneinander getroffen werden, sondern i. d. R. kombinierte Systeme vorliegen, z. B. Holsystem im Umleerverfahren bei gemischter Rückstandssammlung, sind bei der Wahl eines Behältertyps jeweils mehrere Entscheidungsparameter zu berücksichtigen, die zudem einer ökonomischen Betrachtung unterliegen.
134 135 136
Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 501f. Vgl. Becker/Lenz, 1993, S. 35ff. Vgl. Stölzle, 1993, S. 238.
228
C.5 Entsorgungslogistik
Transportmittel Besonderheiten bei der technischen Ausgestaltung von Transportmitteln entstehen aus der häufig mit dem Transport verbundenen Rückstandsverdichtung und der Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Trennung verschiedener Rückstandsfraktionen. Einrichtungen zur Verdichtung von Rückständen finden insbesondere bei großvolumigen Rückständen, wie z. B. Sperrmüll, Anwendung. In Deutschland eingesetzte Verdichtungseinrichtungen lassen sich entsprechend ihrer technischen Ausgestaltung in Pressplatten-, Drehtrommel- und Pressschneckenprinzip unterscheiden. Die Verdichtung ermöglicht dabei eine effizientere Auslastung der Sammelfahrzeuge, der jedoch eine Verminderung der Recyclingfähigkeit der Rückstände gegenüberstehen kann. In der Entsorgungswirtschaft werden am häufigsten die Lkw verwendet, da es sich bei den Systemen zur Abfallentsorgung häufig um komplexe Netzwerke handelt und der Straßenverkehr in der Netzbildung besonders vorteilhaft ist.137 Aus der Eigenschaft der Abfälle – Massengüter, geringe Kapitalbindung, niedrige Anforderung bei der Lieferzeit – stellt aber der Schienen- oder Schifffahrtverkehr eine gute alternative Lösung dar.138 Sammelfahrzeuge mit Wechselbehältern stellen eine Variante für kombinierte Verkehrsarten zwischen Straßen- und Schienenverkehr dar.
137 138
Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 505. Vgl. Meyer/Rauh, 2003, S. 19.
D Institutionelle Aspekte von Logistiksystemen
D Institutionelle Aspekte von Logistiksystemen
1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
2 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen
3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
4 Interorganisatorische Logistiksysteme
1.1 Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logistik
2.1 Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen
3.1 Transportunternehmen
4.1 Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen
1.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen
2.2 Art der Dienstleistungen
3.2 Lager-, Umschlags- und Verpackungsunternehmen
4.2 Kooperation auf verschiedenen Ebenen
1.3 Gliederung einer Organisationseinheit Logistik
2.3 Besonderheiten der Leistungserstellung
3.3 Speditionen und Vermittler
4.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß
3.4 Logistikzentren
4.4 Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal
1.4 Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur
3.5 Rechts- und Organisationsformen
Die in den Kap. B und C vorgestellten funktionellen Subsysteme der Logistik sind in der Unternehmenspraxis in sehr unterschiedlicher Weise institutionell verankert. Dies gilt sowohl für die Wahrnehmung logistischer Aufgaben in den Unternehmen als auch für die Verteilung von Logistikaufgaben auf die im Absatzkanal zusammenarbeitenden Unternehmen. Die damit zusammenhängenden Fragen sollen im Kap. D behandelt werden. Es geht also zum einen um die intraorganisatorische Problematik der institutionellen Verankerung der Logistik im Unternehmen und zum anderen um die interorganisatorische Problematik der institutionellen Verankerung der Logistik im Marketingkanal bzw. in der Supply Chain.1 Im ersten Abschnitt wird auf die Organisationsform intraorganisatorischer Logistiksysteme eingegangen. Im Vordergrund stehen hierbei Industrieunternehmen, in denen die Organisation der Logistik i. d. R. sehr komplex ist. Im zweiten und dritten Abschnitt werden die Logistikunternehmen behandelt, die sich in unterschiedlicher Weise darauf spezialisiert haben, logistische Dienstleistungen im Absatzkanal zu erbringen. Gegenstand des vierten Abschnitts sind interorganisatorische Logistiksysteme, die durch die Zusammenarbeit verschiedener Institutionen im Marketingkanal entstehen.
1
Intraorganisatorische Logistiksysteme
1.1
Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logistik
Basisthesen zur aufbauorganisatorischen Umsetzung der Logistikkonzeption Ausgangspunkt für Aussagen über die Eingliederung logistischer Aufgaben in die Aufbauorganisation von Unternehmen ist die Logistikkonzeption.2 Aus der Logistikkonzeption lässt sich ableiten, dass logistische Aufgaben nur dann effizient erfüllt werden können, wenn alle dafür erforderlichen Prozesse als Ganzheit be1
2
Zur Unterscheidung verschiedener Betrachtungsebenen von Logistiksystemen siehe Kap. A, Abschn. 1.4. Vgl. zum Folgenden Pfohl/Large, 1998, S. 91ff.
232
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
trachtet und dementsprechend koordiniert vollzogen werden. Mit der Forderung nach koordinierter Erfüllung der logistischen Einzelaufgaben ist unmittelbar die Aufbauorganisation der Logistik angesprochen; denn die Organisationsstruktur eines Unternehmens wird durch die Regeln gebildet, die die Arbeitsteilung und Koordination betreffen.3 Aus der Notwendigkeit der Koordination logistischer Aufgabenerfüllung kann jedoch nicht unmittelbar die Forderung nach einer Organisationseinheit Logistik abgeleitet werden. Vielmehr lassen sich zwei grundlegend unterschiedliche Sichtweisen unterscheiden. Die eine These besagt, dass durch die Integration der logistischen Aufgaben in einer darauf spezialisierten Organisationseinheit die Koordination erleichtert wird. 4 Denn in diesen Organisationseinheiten, in denen auf Logistikaufgaben spezialisierte Aufgabenträger zusammenarbeiten, seien das Koordinationsbedürfnis und auch die Koordinationswiderstände geringer als bei organisatorischer Aufsplitterung logistischer Aufgaben. Daraus kann die Forderung der organisatorischen Konzentration logistischer Aufgaben in einer möglichst umfassenden Organisationseinheit Logistik abgeleitet werden. Die Gegenthese dazu lautet, dass die notwendige Koordination logistischer Aufgaben, insbesondere im Falle kleiner Unternehmen, auch ohne aufbauorganisatorische Integration erreicht werden könne.5 Voraussetzung dafür sei jedoch der Einsatz eines umfangreichen Koordinationsinstrumentariums. Welche der beiden Thesen eher die Wahrheit trifft, kann nur schwer beantwortet werden; denn bisher liegen kaum theoretische Aussagen über die in einer bestimmten Situation effiziente Eingliederung der Logistik in die Aufbauorganisation von Unternehmen vor. Bereits KIRSCH u. a. weisen darauf hin, dass es auf die Frage nach der richtigen organisatorischen Verankerung der Logistik keine eindeutige Antwort gibt.6 Probleme durch die Aufsplitterung logistischer Aufgaben Erfolgt die Abstimmung logistischer Aufgabenerfüllung weder durch ein entsprechendes Koordinationsinstrumentarium noch entsprechend der ersten These durch eine aufbauorganisatorische Integration, so ist mit Koordinationsproblemen zu rechnen, welche die Realisierung der Logistikkonzeption verhindern. Die Probleme, die durch die Aufsplitterung logistischer Aufgaben entstehen, lassen sich grob in drei Gruppen einteilen: x Zielkonflikte zwischen Organisationseinheiten, x Zielkonflikte innerhalb von Organisationseinheiten, x Kommunikationsprobleme.7 3 4 5 6 7
Vgl. Kieser/Walgenbach, 2007, S. 18f. Vgl. Pfohl, 1980a, S. 1207; Pfohl, 1992, Sp. 1255ff. Vgl. Ihde, 1985, S. 726. Kirsch u. a., 1973, S. 343. Vgl. Pfohl, 1980a, S. 1205f.; Pfohl, 1980b, S. 11.
1.1
Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logistik
233
Zielkonflikte zwischen den Organisationseinheiten: Bei der Erfüllung von Logistikaufgaben treten starke Zielkonflikte zwischen den Organisationseinheiten auf, denen Logistikaufgaben zugeordnet sind.8 Organisatorische Konflikte können ihre Ursachen im sozio-emotionalen Verhalten der Organisationsmitglieder haben und sich dementsprechend in Statuskämpfen oder Antipathien und Misstrauen äußern. Sie können ihre Ursache aber auch im aufgabenorientierten Verhalten der Organisationsmitglieder haben und äußern sich dann in unterschiedlichen Wertvorstellungen und Problemsichten.9 Unterschiedliches, aufgabenorientiertes Verhalten ist insbesondere auch eine Folge davon, dass in den einzelnen Organisationseinheiten Spezialisten arbeiten, die Verhaltens- und Denkschemata entwickeln, welche den Anforderungen ihrer Arbeit und ihrer Ausbildung entsprechen. Deswegen haben die verschiedenen Spezialisten unterschiedliche Auffassungen darüber, wie eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen ist. Die einzelnen logistischen Entscheidungen werden dann nicht auf der Grundlage logistischer Zielsetzungen und logistischen Denkens getroffen, sondern auf der Grundlage der Zielsetzungen der Organisationseinheiten, in denen logistische Aufgaben wahrgenommen werden und entsprechend der dort vorherrschenden Denkweise. Zielkonflikte innerhalb der Organisationseinheiten: Innerhalb der Organisationseinheiten treten Zielkonflikte zwischen der Erfüllung der Hauptaufgaben und der anfallenden Logistikaufgaben auf, die als Hilfsdienste betrachtet und als Nebenaufgaben vernachlässigt werden. In der Organisationseinheit Produktion gilt beispielsweise das Hauptaugenmerk der Produktionstätigkeit und es ist sehr wahrscheinlich, dass man daneben den logistischen Aufgaben geringe Beachtung schenkt. Trotzdem belasten die logistischen Aufgaben die Mitarbeiter in den Organisationseinheiten und halten sie von der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben ab. Die eigentlichen Aufgaben der Organisationseinheiten Beschaffung, Produktion und Absatz wurden im Kap. C in den Abschnitten zur Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik herausgearbeitet. Sie sind in der herkömmlichen Organisationsform die Träger eines wesentlichen Anteils der anfallenden Logistikaufgaben. Kommunikationsprobleme: Aufgrund der Abgrenzung der Organisationseinheiten voneinander treten Kommunikationsprobleme auf, die eine konsequente Anwendung des logistischen Systemdenkens verhindern und so zu Fehlentscheidungen führen, den Ablauf logistischer Prozesse verzögern und die Flexibilität logistischer Systeme verringern. In einem Unternehmen, in dem beispielsweise außerbetriebliche Transportaufgaben sowohl vom Absatzbereich als auch vom Beschaffungsbereich wahrgenommen werden, wurde einem unzuverlässigen Spediteur seitens des Absatzbereichs gekündigt. Da der Beschaffungsbereich Transportaufgaben ohne Abstimmung mit dem Absatzbereich wahrnimmt, wurden dem Spediteur neue Aufträge seitens des Beschaffungsbereichs erteilt. 8
9
Vgl. Constantin, 1966, S. 49f. Für einen Überblick über mögliche Konflikte zwischen Organisationseinheiten vgl. Kotler/Keller/Bliemel, 2007, S. 888ff. Vgl. Pfohl, 1981b, S. 183f.
234
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
Möglichkeiten der Koordination aufgesplitterter Logistikaufgaben Für die Handhabung des Koordinationsproblems stehen eine Reihe von Koordinationsinstrumenten zur Verfügung.10 Man kann die vorhandenen Koordinationsinstrumente in strukturelle und nicht strukturelle Koordinationsinstrumente aufgliedern. 11 Die strukturellen Koordinationsinstrumente sind durch organisatorische Regelungen festgelegt. Die nicht strukturellen Koordinationsinstrumente basieren auf dem Grundgedanken, dass sich die Aktivitäten der Organisationsmitglieder am leichtesten auf das Organisationsziel ausrichten lassen, wenn sich alle Organisationsmitglieder mit dem Organisationsziel identifizieren. Hierzu steht ein differenziertes Instrumentarium der Indoktrination zur Verfügung, auf das hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann. Für die Logistik aber sind vor allem personalpolitische Maßnahmen von Bedeutung , die darauf ausgerichtet sind, das Wissen um die logistischen Zusammenhänge bei jenen Organisationsmitgliedern zu erhöhen, die logistische Teilaufgaben wahrnehmen. Außerdem können Motivation und Einstellung der Organisationsmitglieder so beeinflusst werden, dass sie die erkannten Zusammenhänge auch tatsächlich bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Bei den strukturellen Koordinationsinstrumenten unterscheidet man die Koordination durch persönliche Weisung, die Koordination durch Selbstabstimmung, die Koordination durch Programme und die Koordination durch Pläne. Die Koordination durch persönliche Weisung beruht auf dem hierarchischen Charakter der Koordination. In diesem Fall geschieht die Koordination dadurch, dass z. B. die Leiter der Bereiche Beschaffung, Produktion und Absatz ihre Mitarbeiter, die logistische Teilprobleme behandeln, anweisen, wie sie die bestehenden Interdependenzen zu berücksichtigen haben. Bei der Selbstabstimmung erfolgt die Koordination dadurch, dass diejenigen Organisationsmitglieder, die logistische Teilprobleme zu behandeln haben und die verschiedenen Bereichen angehören, sich miteinander selbst abstimmen. Diese Selbstabstimmung muss sich nicht auf informelle Kontakte zwischen den Organisationsmitgliedern beschränken – obwohl diese Art der Koordination von Logistikaufgaben in vielen Unternehmen vielfach noch dominiert12 – und der eigenen Initiative und dem eigenen Ermessen der Mitglieder überlassen bleiben. Bei der themenspezifischen Interaktion z. B. wird festgelegt, bei welchen Logistikproblemen sich eine Stelle mit welchen anderen Stellen abstimmen muss. Zur Abstimmung ist außerdem die institutionalisierte Interaktion möglich, bei der die Kommunikation zwischen den Stellen, die sich miteinander abstimmen sollen, noch stärker strukturiert wird. Es werden dann Kollegien (Komitees, Ausschüsse, Arbeitskreise, Besprechungen, Konferenzen usw.) zur Selbstabstimmung eingerichtet.
10 11 12
Vgl. zum Folgenden Pfohl, 1980a, S. 1206f. Vgl. Kieser/Walgenbach, 2007, S. 100ff. Vgl. Heinrich/Felhofer, 1985a und 1985b.
1.1
Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logistik
235
Bei der Abstimmung durch Programme werden in der Regel schriftlich Verfahrensrichtlinien oder Handbücher formuliert. In ihnen wird festgelegt, wie logistische Aufgaben wahrzunehmen sind. So können Programme für die Bestellsituation, für die Transportabwicklung usw. festgelegt werden. Bei der Koordination durch Pläne erfolgt die Abstimmung mittels der Vorgabe von Zielen, Maßnahmen und Ressourcen. Die Pläne sind im Gegensatz zu den Programmen keine generellen Vorgaben. Sie gelten lediglich für die Planperiode und für die darin anfallenden logistischen Planungsprobleme. Allerdings ist fraglich, ob diese Koordinationsinstrumente zur Realisierung der Logistikkonzeption, d. h. zur Überwindung der Koordinationsprobleme, ausreichend sind. Im Folgenden sollen deshalb zunächst empirische Untersuchungen zum Vorhandensein einer Organisationseinheit Logistik betrachtet werden. Vorhandensein einer Organisationseinheit Logistik Entsprechend der ersten These können die aufgezeigten Koordinationsprobleme wirksam durch eine Integration der logistischen Aufgaben in einer darauf spezialisierten Organisationseinheit Logistik verringert werden. Dementsprechend müssten sich in der betrieblichen Praxis Organisationseinheiten durchsetzen und empirisch nachweisen lassen, die eine große Zahl logistischer Aufgaben in ihrem Verantwortungsbereich konzentrieren. Über die organisatorische Verankerung der Logistik liegen eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen in Europa und den USA vor.13 Kern dieser Untersuchungen war häufig die Frage nach dem Vorhandensein einer Organisationseinheit Logistik. Das Vorhandensein einer Organisationseinheit, die den Namen Logistik trägt, ist jedoch noch kein eindeutiger Hinweis auf die erfolgte organisatorische Integration logistischer Aufgaben. Voraussetzung dafür ist, dass in dieser Einheit die logistischen Teilaufgaben weitgehend konzentriert sind. In Abb. D.1 sind auf Basis von Unternehmensbefragungen die Anteile der Unternehmen aufgetragen, deren Logistikorganisation sich jeweils einem der drei dort unterschiedenen Zentralisationsgrade zuordnen lässt. Abb. D.2 zeigt, welche betrieblichen Aufgaben dabei der Logistik zugeordnet werden. Obwohl derzeit somit offensichtlich ein Großteil der Industrieunternehmen über eine Organisationseinheit Logistik mit hohem Aufgabenumfang verfügt, kann nicht eindeutig geklärt werden, ob eine solche auch in Zukunft die effiziente Möglichkeit zur Realisierung der Logistikkonzeption darstellt. Sicherlich kann nicht von einer zwingenden Entwicklung hin zu einer umfassenden Organisationseinheit Logistik ausgegangen werden. Vielmehr hängt die adäquate Organisationsform von situativen Einflussfaktoren ab.14
13 14
Vgl. Pfohl/Large, 1998, S. 93. Vgl. Bowersox/Frayer/Schmitz, 1994; Bowersox/Closs, 1996, S. 596; Pfohl/Large, 1998, S. 97ff.
236
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
6
8
Dezentralisierte Logistikeinheit in Sparten
18
12
Zentralisierte Logistikeinheit
32
Sonstiges
Kombination von Zentralisation und Dezentralisation
17 4
33
44
47
2006
2007
37
42
2008
(in % der befragten Unternehmen)
Abb. D.1
Organisatorische Verankerung der Logistik (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an LaLonde/Ginter, 2006, S. 7; LaLonde/Ginter/Stock, 2007, S. 7; LaLonde/Ginter, 2008, S. 7)
Geht man jedoch aufgrund der Ausprägung dieser Faktoren von der Notwendigkeit einer aufbauorganisatorischen Zusammenfassung aus, so kann diese nicht auf den Aspekt der Existenz einer Organisationseinheit Logistik reduziert werden. Wesentliche weitere Fragestellungen sind die Eingliederung in eine bestehende Aufbauorganisation und die innere Gliederung der Organisationseinheit Logistik.15
15
Vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 344; Ihde, 1980, Sp. 1228f.; Pfohl/Large, 1998, S. 92f.
Abb. D.2
Sales and Operatins Sales and Operations Planning Planing
Produktionssteuerung Produktionssteuerung
Anlaufmanagement Anlaufmanagement
Auftragsmanagement Auftragsmanagement
Innovationsgenerierung Innovationsgenerierung
Supply Chain Netzwerk Design
Supply Chain Netzw erk Design Beschaffung / Beschaffung / Lieferantenmanagement Lieferung
Behältermanagement Behältermanagement
Transport / Umschlag / Transport / Umschlag / Lager Lager Bestands- / Bestands-/Materialdisposition Materialdisposition
10
14
8
29
37 45
Sales 50 and Operatins Planing
43 Produktionssteuerung
41 Anlaufmanagement
31 Auftragsmanagement
vo lle Verantwo rtung der Lo gistik teilweise Verantwo rtung der Lo gistik keine Verantwo rtung der Lo gistik
28
32
26 Innovationsgenerierung
Beschaffung / 23 Lieferung
50
27 66
Supply Chain Netzw erk 21 Design
Behältermanagement 11 26
Bestands- / 11 Materialdisposition
50
40
63
41
29
48
77
Transport / Umschlag / 20 3 Lager
Unternehmen in Deutschland
50
28 32
21
68
32
40 56
48
32
32
16
20
14
36
44
52
54
46
(in % der befragten Unternehmen)
24
20
25
32
28
28
32
80
Unternehmen in den USA
0
4
6
1.1 Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logistik 237
Zuordnung betrieblicher Aufgaben zur Organisationseinheit Logistik. Ergebnisse einer 2008 in Deutschland, China und den USA bei 1189 Unternehmen durchgeführten Befragung (Quelle: Straube/Pfohl, 2008, S. 25ff.)
238
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
1.2
Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen16
Funktionale Organisationsstruktur Die organisatorischen Einheiten zur Erfüllung der logistischen Aufgaben lassen sich entsprechend der beiden vorgestellten Thesen zentral oder dezentral in eine funktionale Organisationsstruktur eingliedern. Bei einer dezentralen Eingliederung bleiben die logistischen Aufgaben organisatorisch auf unterschiedliche Funktionsbereiche aufgeteilt. Für eine solche Aufsplitterung (Fragmentierung) der Logistikaufgaben gibt Abb. D.3 ein Beispiel. Bei einer zentralen Aufgabenzusammenfassung erfolgt die Eingliederung der Logistikaufgaben in einen einzigen Funktionsbereich. Hierfür gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: x Aufgabenzusammenfassung in einem selbstständigen logistischen Funktionsbereich neben den anderen Funktionen bzw. im Sinne der Querschnittsfunktion die betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen überlagernd, x Zusammenfassung der logistischen Aufgaben unter einen bestehenden Funktionsbereich. Man kann also die Logistik mit Bereichen wie Produktion, Marketing/Absatz – zur Bezeichnung organisatorischer Einheiten werden diese beiden Begriffe im folgenden synonym gebraucht –, Beschaffung oder Verwaltung gleichsetzen oder aber die Logistik diesen Bereichen unterordnen. Es hängt vom Umfang des als institutionelle Einheit gesehenen, betrieblichen Logistiksystems ab, wie die Einordnung der Logistik in die funktionale Organisationsstruktur zu erfolgen hat. BOWERSOX/CLOSS17 unterscheiden hierbei die in Abb. D.4 skizzierten drei Typen der Eingliederung der Logistik in eine funktionale Organisationsstruktur. Alle drei Typen können heute in Unternehmen angetroffen werden. Doch spiegeln die verschiedenen Typen auch die bisherige Entwicklung der organisatorischen Umsetzung der Logistikkonzeption im Zeitverlauf wider.18 Der Organisationstyp I ist charakteristisch für logistikorientierte Unternehmen der 50er und 60er Jahre. Der Typ II ist typisch für die 70er und die 80er Jahre. Der Typ III wird zunehmend gegenwärtig angetroffen.
16
17 18
Zur Diskussion der Eingliederung der Logistik in verschiedene Organisationsstrukturen erfolgt vgl. Pfohl, 1980a, S. 1208ff. Vgl. auch Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 682ff.; Poth, 1973, S. 105ff.; Felsner, 1980, S. 64ff.; Bleicher, 1991, S. 245ff. Zur Eingliederung in multinationale Unternehmen vgl. Behrendt, 1977, S. 350ff. Bowersox/Closs, 1996, S. 599ff. Aussagen zum Life Cycle Approach vgl. Pfohl/Large, 1998, S. 92.
1.2
Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen
239
Unternehmensleitung
Finanzen
Produktion
Marketing
Lagerbestände
Bedarfsermittlung
Absatzprognose
Auftragsabwicklung
Einkauf ª
Lieferservice
Bonitätsprüfung
Lagerhaus (Material)
Lagerhaus (Fertigfabrikate Auslieferungslager)
Informationssysteme Anlagenplanung
Lagerhaus (Fertigfabrikate, Fabriklager)
Transport
Industrial Engineering
Produktionsplanung
ª Der Einkauf ist nach Auffassung des Verfassers keine Logistikaufgabe
Abb. D.3
Beispiel für die Aufsplitterung von Logistikaufgaben (Quelle: Bowersox/Closs, 1996, S. 599)
Kennzeichnend für den Organisationstyp I sind, obwohl noch völlig voneinander getrennt, die Materialwirtschaft und die Physische Distribution als erste Kristallisationspunkte für die Zusammenfassung von Logistikaufgaben. Wird in einem Unternehmen die Notwendigkeit zur Reorganisation des Logistikbereichs erkannt, so ist zu erwarten, dass ein oder zwei solcher Kristallisationspunkte entstehen. Im Marketingbereich geschieht dies normalerweise ausgehend vom Lieferservice und im Produktionsbereich ausgehend von der Materialbeschaffung. Da die Logistikaufgaben aber weiterhin stark in der Organisationsstruktur aufgesplittert sind, gibt der Organisationstyp I nur eine vergleichsweise geringe Unterstützung für das Management der logistischen Systemzusammenhänge. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass die Logistikaufgaben keine bedeutsame hierarchische Aufwertung erfahren.
240
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
Organisationstyp I Unternehmensleitung Finanzen
Produktion
Marketing
Lagerbestände (außer Auslieferungslager)
Lagerhaus (Fertigfabrikate Fabriklager)
Bonitätsprüfung
Industrial Engineering
Transport
Produktionsplanung
Lagerbestände (Auslieferungslager)
Informationssysteme Anlagenplanung
Absatzprognose Physische Distribution
Auftragsabwicklung
Materialwirtschaft
Lieferservice
Bedarfsermittlung
Lagerhaus (Fertigfabrikate Auslieferungslager)
Einkauf ª Lagerhaus (Material)
Organisationstyp II Unternehmensleitung Finanzen
Produktion
Physische Distribution
Marketing
Informationssysteme
Produktionsplanung
Transport
Anlagenplanung
Industrial Engineering
Auftragsabwicklung
Materialwirtschaft Bedarfsermittlung Einkauf ª Lagerhaus (Material) Lagerbestände (Material)
Lagerhaus (Fertigfabrikate Fabrik- und Auslieferungslager) Lagerhaus (Auslieferungslager) Lagerhaus (Fabriklager) Lieferservice Bonitätsprüfung Distributionssystemplanung
Absatzprognose
1.2
Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen
241
Organisationstyp III Unternehmensleitung Logistikleitung Systemplanung
Controlling
Logistikservice
Verpackung
Lagerhaus
Materialhand. habungstechnik
Logistikressourcenplanung Transport u. Verkehr
Absatzprognose
Auftragsabwicklung
Funktionsplanung
Bedarfsplanung
Lagerbestände . Produktionsplanung
Kapazitätsplanung
Bedarfsermittlung
Logistikoperationen Einkauf ª a Der
Produktionsversorgung
Physische Distribution
Einkauf ist nach Auffassung des Verfassers keine Logistikaufgabe
Abb. D.4
Zentralisationsgrad der Logistikaufgaben bei funktional gegliederten Unternehmen (Quelle: Bowersox/Closs, 1996, S. 600, S. 601 und S. 603.)
Im Organisationstyp II wird ein Teil der Logistikaufgaben aus den anderen Bereichen ausgegliedert und in einem eigenen Bereich zentralisiert. Zumindest in den USA ist dies sehr häufig, ausgehend vom Kristallisationspunkt Lieferservice, der Bereich Physische Distribution. Typisch ist ein solcher Bereich z. B. für die Nahrungsmittelindustrie, wo die Lieferserviceprobleme und Distributionskosten eine große Rolle spielen. In Abhängigkeit von der Branche, z. B. in der Automobilindustrie, wo die Versorgungsserviceprobleme und die Materialwirtschaftskosten eine große Bedeutung haben, kann das aber auch der Bereich Materialwirtschaft sein. In beiden Fällen werden die zentralisierten Logistikaufgaben hierarchisch aufgewertet. Die anderen Bereiche beginnen die Physische Distribution/Materialwirtschaft als selbstständigen Bereich zu akzeptieren, der aufgrund von Eigeninitiative agiert und nicht nur aufgrund der Anforderungen der übrigen Bereiche reagiert. Allerdings bietet der Organisationstyp II noch keine Unterstützung für das Management der Synergieeffekte zwischen Materiallogistik und Distributionslogistik. Im Organisationstyp III sind schließlich alle Logistikaufgaben unter einheitlicher Leitung zentralisiert. Der Logistikbereich wird von den anderen Bereichen als völlig gleichberechtigt akzeptiert und erhält ebenfalls Einfluss auf das strategische Management des Unternehmens. Der Stab Systemplanung unterstützt die Logistikleitung bei der Wahrnehmung der strategischen Aufgaben, während der Stab
242
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
Controlling die Planung und Kontrolle von Kosten und Leistungen im logistischen Gesamtsystem unterstützt. Bei den übrigen Logistikaufgaben wird in Abb. D.4 beispielhaft in drei organisatorische Aufgabengebiete unterschieden. Die Logistikoperationen werden von den Organisationseinheiten Einkauf, Produktionsversorgung und Physische Distribution jeweils in eigener Verantwortung wahrgenommen. Dabei werden sie durch Organisationseinheiten der Einheit Logistikservice unterstützt. Die Planung und Koordination erfolgt für alle Logistikoperationen gemeinsam durch die Logistikressourcenplanung, sodass die Interdependenzen des logistischen Gesamtsystems berücksichtigt werden. Divisionale Organisationsstruktur Liegt eine divisionale Organisationsstruktur (Spartenorganisation) vor, so bieten sich als Grundformen für die Eingliederung logistischer Aufgaben die zentrale Eingliederung oder aber die dezentrale Eingliederung in die Sparten an, wie es die Alternativen a und b in Abb. D.5 zeigen. Für die zentrale Eingliederung bietet sich zunächst der Zentralbereich an, in dem alle Logistikaufgaben zentral über den Sparten zusammengefasst werden. Diese Form ist dann geeignet, wenn eine oder mehrere der folgenden Gegebenheiten vorliegen: x eine geringe Anzahl von Sparten mit einem relativ niedrigen Umsatz der Sparten, x eine geringe Anzahl von Produktionsstätten oder x ein vergleichsweise geringes Ausmaß der Dezentralisation funktionaler Aufgaben in die Sparten. Eine Alternative zur Bildung eines Zentralbereichs wäre die Bildung einer Sparte Logistik, bei der sich allerdings die Problematik der Behandlung als Profitcenter stellt. Noch einen Schritt weiter geht der Vorschlag, die Logistikaufgaben für alle Sparten von einem eigenen, rechtlich selbstständigen Logistikunternehmen wahrnehmen zu lassen.19 Ein solches Unternehmen kann die von ihnen für die konzerninternen Kunden angebotenen logistischen Dienstleistungen extern vermarkten. Eine dezentrale Eingliederung der Logistik in die Sparten ist geeignet bei relativ großen Unternehmen mit weitgehend selbstständigen Sparten oder mit Sparten, deren logistische Probleme infolge der Eigenschaften ihrer Produkte oder speziellen Anforderungen der Märkte sich stark unterscheiden. Bei einer solchen dezentralen Einordnung sind alle Logistikaufgaben, die in einer Sparte anfallen, in dieser Sparte zusammengefasst.
19
Vgl. Bowersox/Closs/Helferich, 1986, S. 317f.
1.2
Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen
243
a) zentrale Logistikkonzeption Unternehmensleitung Finanzen
Personal
Division A
Logistik Division B
Recht Division C
Produktion Marketing Verwaltung
b) dezentrale Logistikkonzeption Unternehmensleitung Finanzen
Recht
Personal
Division A
Division B
Division C
Produktion Marketing Logistik Verwaltung c) zentrale Logistikkonzeption mit dezentralen Abteilungen Unternehmensleitung Finanzen
Personal
Division A
Logistik Division B
Recht Division C
Produktion Marketing Logistik
Logistik
Logistik
Verwaltung Linienbeziehung
Abb. D.5
funktionale Beziehung
Zentralisationsgrad der Logistikaufgaben bei divisional gegliederten Unternehmen (Quelle: Felsner, 1980, S. 72)
244
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
Eine Dezentralisierung kann für die wirtschaftliche Lösung logistischer Probleme allerdings einen großen Nachteil haben, da tendenziell die Wirtschaftlichkeit eines Güterflusses von seinem Volumen abhängt. Die Zentralisation bietet den Vorteil, die verschiedenen Güterflüsse der Sparten zusammenzufassen und ein einziges logistisches System für alle Produkte zu benutzen. Dadurch entstehen nicht nur Synergie-, Spezialisierungs- und Standardisierungseffekte, sondern auch eine größere Einkaufsmacht für den Einkauf logistischer Dienstleistungen. Deshalb ist auch in Unternehmen, die im Prinzip eine dezentralisierte Organisationsstruktur besitzen, ein Trend zur Zentralisation von Logistikaufgaben zu beobachten. 20 Die Möglichkeit für eine Zentralisation werden durch die individuellen Anforderungen eingeschränkt, die an Transport, Umschlag, Lagerung und Verpackung seitens der Eigenschaften des Produktes oder des Marktes gestellt werden. Außerdem treten neue Koordinationsprobleme auf, die daraus resultieren, dass die Logistikfunktion zentralisiert wird, die anderen Funktionen aber in den Sparten dezentralisiert bleiben. Kombinationsmöglichkeiten Eine Möglichkeit zur Kombination von Zentralisation und Dezentralisation in einer funktionalen Organisationsstruktur besteht in der zentralen Zusammenfassung logistischer Stabsaufgaben und der dezentralen Einordnung der logistischen Linienaufgaben. Die Unterscheidung beider Aufgabenarten für die Logistik erfolgt im nächsten Abschnitt. Soll der zentrale Stab in der Lage sein, Logistikentscheidungen tatsächlich zu beeinflussen, so muss es ein starker Stab sein, der mit den notwendigen Kompetenzen im Entscheidungsprozess ausgestattet ist. 21 Eine Möglichkeit zur Kombination zwischen Zentralisation und Dezentralisation bei einer divisionalen Organisationsstruktur besteht in der in Abb. D.5 unter Alternative c dargestellten, zentralen Einordnung von Aufgaben der Planung (Systemplanung und Fachplanung), Koordination und Kontrolle sowie einer dezentralen Eingliederung der operativen Aufgaben der Steuerung und Durchführung. In der Praxis lassen sich unterschiedliche Formen realisieren, die sich jeweils danach unterscheiden, wie die Kompetenzen im Einzelnen zwischen der zentralen Logistik und den dezentralen Logistikorganisationseinheiten der Sparten aufgeteilt sind. Im Wesentlichen kommt das darin zum Ausdruck, inwieweit die zentrale Logistik funktionale (fachliche) Weisungsbefugnis gegenüber der dezentralen Spartenlogistik erhält. Man kann hier zwei Extreme unterscheiden:22 x Eine zentrale Logistik mit Sachkompetenz ist zuständig für die Systemplanung (also Aufbau und Implementierung eines funktionsfähigen Logistiksystems und 20 21
22
Vgl. Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 407f. Zur Forderung nach einem starken Stab vgl. Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 685f. Zu den Kombinationsmöglichkeiten vgl. Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 379f.; Magee/Copacino/Rosenfield, 1985, S. 401. Zur Kombination von Zentralisation und Dezentralisation bei der Organisation von Teilfunktionen vgl. Krüger/Werder, 1993. Vgl. Pfohl/Stölzle, 1997, S. 192f. und S. 200f.
1.2
Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen
245
die Erarbeitung der einzusetzenden Logistikmethoden und -instrumente) und die Fachplanung (Planen der Logistikziele, Logistikmaßnahmen und Logistikressourcen) sowie die Koordination und Kontrolle. Den dezentralen Spartenlogistiken werden nur die Aufgaben der Steuerung (z. B. wird der physische Güterfluss für eine Woche von der Zentrale geplant, aber die Steuerung innerhalb der Woche der dezentralen Logistik überlassen) sowie die Aufgaben der Durchführung übertragen. x Eine zentrale Logistik mit Richtlinienkompetenz kann dagegen lediglich durch eine grobe Planung den Rahmen festlegen, in dem sich die dezentralen Systemlogistiken bewegen müssen. Ansonsten hat die Zentrale nur beratende Aufgaben. Im Prinzip verbleiben hier also die wesentlichen Linienaufgaben der Logistik in den Sparten. Abb. D.1 im letzten Abschnitt zeigt die organisatorische Eingliederung der Logistik in die divisionale Organisationsstruktur in den USA. In den befragten Unternehmen ist die Logistikfunktion überwiegend als Zentralabteilung oder als Kombination von Zentralabteilung und Eingliederung in die Sparten realisiert. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei diesen Erhebungen nicht um eine Längsschnittuntersuchung handelt, da sich die Zusammensetzung der Unternehmen, die einen auswertbaren Fragebogen lieferten, änderte. Trotzdem ist erkennbar, dass sich im betrachteten Zeitraum die Art und Weise der organisatorischen Eingliederung nur unwesentlich gewandelt hat. Die Ausführungen über die Eingliederung der Logistik in eine divisionale Organisationsstruktur gelten analog für Unternehmen mit mehreren Werken. In Abb. D.6 ist ein Beispiel aus der Automobilbranche für eine Kombination von Zentralisierung und Dezentralisierung wiedergegeben. Komplexer wird das Kombinationsproblem, wenn ein Unternehmen mehrere Sparten, mehrere Werke und mehrere funktional organisierte Zentralbereiche hat.23 Eine Möglichkeit zur Kombination von Zentralisation und Dezentralisation sowohl bei funktionaler als auch bei divisionaler Organisationsstruktur bieten die schon bei den Koordinationsinstrumenten angesprochenen Kollegien. Mit ihrer Einrichtung wird die Koordination durch Selbstabstimmung institutionalisiert. In diesem Fall treten Vertreter der Abteilungen, in denen Logistikaufgaben wahrgenommen werden, in regel- oder unregelmäßigen Zeitabständen zusammen, um Logistikprobleme miteinander zu behandeln. Je nachdem, ob etwa Informations-, Beratungs- oder Entscheidungskollegien vorliegen, wird die Funktion dieser Kollegien in den logistischen Entscheidungsprozessen unterschiedlich sein. Solche Kollegien können im Gegensatz zu Projektgruppen über lange Zeiträume bestehen. Wenn Kollegien mit der Durchführung von größeren Logistikprojekten überfordert sind, bietet sich die Projektorganisation in der Form der Task Force an.24 Es wird also eine Projektgruppe gebildet, in der Mitglieder der betroffenen dezen23 24
Vgl. Endlicher, 1981, S. 209ff. Zur Projektorganisation vgl. Pfohl/Stölzle, 1997, S. 206ff.
246
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme Vorstandsvorsitzender
IT
Finanzen, Controlling
Einkauf, Logistik, … (Operations)
Zentrale Logistik
…
funktionale Weisungsbefugnis
Systemplanung EDV
Materialdisposition, Beschaffung
Abb. D.6
Fertigungssteuerung, Programmplanung
Produktionsleiter Werk I
Lagertechnik, Transport, Verkehr
Werkslogistik
Produktionsleiter Werk II
Werkslogistik
Kombination zentraler und dezentraler Wahrnehmung von Logistikaufgaben in einem Unternehmen mit mehreren Produktionsstätten (Werken) (Quelle: mit geringfügigen Änderungen entnommen aus Felsner, 1980, S. 70)
tralen Abteilungen sowie Spezialisten der Zentrale zusammenarbeiten. Für die Zeit der Projektarbeit werden die entsprechenden Stellen sowohl in der Zentrale als auch in den dezentralen Abteilungen für diese Projektmitarbeiter freigehalten. Die Task Force wird nach Erledigung der projektbezogenen Aufgaben wieder aufgelöst. Neben der Organisation der Projektabwicklung, z. B. in Form der Task Force, ist bei der Projektorganisation auch die Organisation der Projektträgerschaft zu berücksichtigen. Durch sie wird bestimmt, wer der verantwortliche Auftraggeber für das Projekt ist und als solcher die oberste Überwachungs- und Entscheidungsfunktion auszuüben hat. Wesentlicher Gesichtspunkt für die Organisation der Projektträgerschaft ist ihre Zusammensetzung aus Personen, die als Fach- und Machtpromotoren das Projekt in der notwendigen Weise fördern können. Hierarchieebene Das Problem der organisatorischen Zusammenfassung von Logistikaufgaben kann nur im Zusammenhang mit ihrer hierarchischen Einstufung in die Organisationsstruktur gelöst werden. Die hierarchische Einordnung des Ressorts Logistik ist ein Indiz dafür, welche Bedeutung die Unternehmensleitung der Logistikkonzeption beimisst. Je tiefer die Institutionalisierung der Logistik in der Unternehmenshierarchie ist, desto größer ist die Gefahr, dass die logistischen Aufgaben nur als Ne-
1.2
Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen
247
benfunktion betrachtet werden und der Zielsetzung der Organisationseinheit, der die Logistik zugeordnet wurde, untergeordnet sind. Weiterhin beeinflusst die hierarchische Stellung wegen der unternehmensinternen Machtverhältnisse die Durchsetzbarkeit logistikspezifischer Ziele. Grundsätzlich stehen die folgenden Hierarchieebenen zur Auswahl: x x x x x
Geschäftsführungsebene, Bereichsebene, Hauptabteilungsebene, Abteilungsebene, Gruppenebene.
Weil in der Geschäftsführungsebene bei ungeteilter Geschäftsführung nicht nach Funktionen differenziert wird, entfällt diese Ebene gegebenenfalls für die hierarchische Einordnung eines Ressorts Logistik. Im Fall der multipersonellen Geschäftsführung gilt diese Einschränkung allerdings nicht mehr. Durch eine Einordnung des Ressorts Logistik auf Geschäftsführungsebene wird die Implementierung der Logistikkonzeption im Unternehmen am nachhaltigsten unterstützt. Die Einstufung auf Gruppenebene ist, wie die folgenden empirischen Untersuchungen zeigen, von untergeordneter Bedeutung, da sie lediglich am Anfang eines Reorganisationsprozesses denkbar ist, an dem eine Logistikgruppe in einer Abteilung Logistikprobleme zu bearbeiten beginnt. Von Bedeutung sind damit noch die Bereichs-, Hauptabteilungs- und Abteilungsebenen, die zunächst im Zusammenhang mit der funktionalen Organisationsstruktur diskutiert werden sollen. Eine Einordnung der Logistik auf Bereichsebene hat den großen Vorteil, dass der Logistikfunktion sichtbar dasselbe Gewicht beigemessen wird wie den traditionellen Funktionen Beschaffung, Produktion und Absatz. Die Eingliederung der Logistikaufgaben in einen speziell dafür geschaffenen Bereich soll zur Folge haben, dass die Logistikprobleme nicht in einem anderen Bereich nur nebenbei miterledigt werden, sondern dass sie mit der ihnen gebührenden Aufmerksamkeit und der notwendigen Fachkenntnis gelöst werden. Gegen eine Eingliederung von Logistikaufgaben in einen anderen Bereich, z. B. der Distributionslogistik in den Absatzbereich, wurden bereits früh vor allem drei Einwände erhoben:25 Im Absatzbereich herrsche Umsatz- und kein Kostendenken, so dass unter Missachtung der Kostensituation ein überhöhter Lieferservice angeboten wird. Oft richte man sich auch mit der Standortwahl nach dem Standort bereits bestehender Verkaufsbüros, obwohl ein solcher Lagerhausstandort unter logistischen Gesichtspunkten sehr ungünstig sein kann. Außerdem betraue man im Absatzbereich oft Personen mit logistischen Aufgaben, die nicht dafür geeignet sind. Diese Einwände sind jedoch nicht mehr stichhaltig, wenn man die Eingliederung der Aufgaben der Distributionslogistik in den Absatzbereich so vornimmt, dass sie in diesem Bereich in einer Hauptabteilung zusammengefasst sind. Auf 25
Vgl. Reese, 1967, S. 58f.
248
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
diese Weise erhält die Distributionslogistik im Absatzbereich die notwendige Unabhängigkeit und das erforderliche Gewicht. Es hängt dann letzten Endes von der Fähigkeit des Leiters dieser Hauptabteilung ab, ob im Gesamtbereich des Absatzes die Aspekte der Distributionslogistik gebührend berücksichtigt werden oder nicht. Es ist dabei auch gewährleistet, dass ein Verkäufer nicht logistische Funktionen erfüllen muss, denen er aufgrund seiner Ausbildung normalerweise nicht gewachsen ist. Der Verkäufer kann auf diese Weise von jeder logistischen Tätigkeit entlastet werden, so dass er sich ausschließlich seiner eigentlichen Aufgabe des Verkaufens und der Verkaufsförderung widmen kann. Dieselben Argumente treffen auch auf die Eingliederung der Beschaffungslogistik neben dem Einkauf auf Hauptabteilungsebene im Bereich Beschaffung zu.26 Ergibt sich also aus der Art der betrieblichen Betätigung als typisches Logistiksystem die Beschaffungs- oder Distributionslogistik, so ist es durchaus möglich, die entsprechenden Logistikaufgaben auf der Hauptabteilungsebene einzugliedern. Umfassendere Logistiksysteme erfordern dagegen im Allgemeinen ihre selbstständige hierarchische Verankerung auf Bereichsebene. Die Eingliederung logistischer Aufgaben auf Abteilungsebene unter eine Hauptabteilung wird im Allgemeinen der Bedeutung der Logistik nicht gerecht. Wird etwa die Distributionslogistik einer Hauptabteilung Verkauf untergeordnet, so ist die Gefahr sehr groß, dass die Logistikaufgaben nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit und Fachkenntnis wahrgenommen werden. Das äußert sich dann z. B. darin, dass Verkäufern, die ihre Akquisitionsfunktion nicht mehr zur Zufriedenheit des Hauptabteilungsleiters ausführen, die als geringerwertig betrachteten Logistikaufgaben übertragen werden. Werden bei einer divisionalen Organisationsstruktur alle Logistikaufgaben in einem Zentralbereich zusammengefasst, so ergeben sich bezüglich der hierarchischen Eingliederung keine Probleme, da dies die höchste hierarchische Ebene für die Logistik ist. Bei einer dezentralen Eingliederung der Logistik gelten die bei der funktionalen Organisationsstruktur angestellten Überlegungen, weil die einzelnen Sparten normalerweise funktional organisiert sind. Bei einer Kombination beider Möglichkeiten hängt es vom Umfang der Aufgaben und Kompetenzen ab, die der zentralen Logistik übertragen werden. Ist dieser groß, so ist ein Zentralbereich Logistik einzurichten. Andernfalls genügt eine Hauptabteilung Logistik in einem anderen Zentralbereich. Bei den dezentralen Spartenlogistiken ist bei einer Ausstattung der zentralen Logistik mit den entsprechenden Kompetenzen auch eine Einordnung auf Abteilungsebene denkbar. Zur hierarchischen Einordnung der Logistik in die Aufbauorganisation von Industrie- und Handelsunternehmen liegen eine Vielzahl empirischer Untersuchungen vor.27 Eine empirische Untersuchung von 2008 ermittelte die höchste Logistikposition der befragten Unternehmen als Indikator für die hierarchische Eingliederung der Logistik (siehe Abb. D.7). Es lässt sich feststellen, dass bei ei26
27
Zur organisatorischen Trennung von Einkauf und Beschaffungslogistik vgl. Large, 2009, S. 19f. Vgl. LaLonde/Ginter, 2006; LaLonde/Ginter/Stock, 2007; LaLonde/Ginter, 2008.
1.3
Gliederung einer Organisationseinheit Logistik
249
25
Geschäftsführung / Vorstand
82 18 45
Bereichsleitung / Geschäftsfeldebene
6 19 16
Hauptabteilungsebene
0 25 12
Abteilungsebene
3 33 Deutschland
1 Sonstiges
9 5
USA China
(in % der befragten Unternehmen)
Abb. D.7
Hierarchische Verankerung der Logistik im Unternehmen. Ergebnisse einer 2008 in Deutschland, China und den USA bei 1189 Unternehmen durchgeführten Befragung (Quelle: Straube/Pfohl, 2008, S. 23)
nem Großteil der Industrieunternehmen die Logistik auf der oberen Leistungsebene verantwortet wird. Darüber hinaus ist die Logistik im Unternehmen in Ländern mit hoch entwickelten Logistiksystemen wie den USA hierarchisch weit oben positioniert.28
1.3
Gliederung einer Organisationseinheit Logistik
Deskriptive und explikative Aussagen über den inneren Aufbau einer Organisationseinheit Logistik sind problematisch; denn dieser ist nicht nur abhängig vom zugeordneten Aufgabenumfang, sondern auch von der Form und hierarchischen Ebene der Eingliederung.29 Hierdurch ergibt sich eine Vielzahl möglicher Strukturtypen. Deshalb werden Daten über die innere Struktur einer Organisationseinheit Logistik durch empirische Untersuchungen auch nur selten erfasst. Detaillierte Informationen über den genaueren inneren Aufbau einer Organisationseinheit Logistik lassen sich nur durch Fallstudien gewinnen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse haben jedoch weitgehend den Charakter von Einzelfallaussagen. 28 29
Vgl. Straube/Pfohl, 2008, S. 22. Vgl. Pfohl/Large, 1998, S. 96.
250
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme Prognose
5,5
Beschaffung
7,0
Produktions-Logistik
8,7
Kundenservice
8,2
5,8 9,2 7,4
7,3 10,0 7,8
6,9 8,8
Transport
Lagerhaus
21,3
27,1
20,1
11,8 13,7 16,2
Internationale Logistik
10,8 8,8
Lagerhaltung
6,6
10,5
8,2
Allg. Management
16,2
2006
9,8
12,6
13,7
2007
2008
(in % der befragten Unternehmen)
Abb. D.8
In einer Organisationseinheit Logistik aufgewendete Zeitanteile für verschiedene Aufgaben (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an LaLonde/Ginter, 2006, S. 12; LaLonde/Ginter/Stock, 2007, S. 13; LaLonde/Ginter, 2008, S. 13)
Innerhalb der Organisationseinheit Logistik sind Stabs- und Linienstellen anzutreffen. Wobei die Bedeutung der Linienstellen im Lauf der Zeit zugenommen hat. Ebenso wurde bereits im Rahmen der Diskussion zur Eingliederung der Logistik in die divisionale Organisationsstruktur deutlich, dass insbesondere Kombinationen von Zentralabteilungen und dezentrale Linienabteilungen in den Sparten vorzufinden sind, wobei in den Zentralabteilungen häufig Stabsstellen angesiedelt sind.30 Ein weiterer Anhaltspunkt für den inneren Aufbau der Logistik sind die Aufgaben, die dieser Organisationseinheit zugeordnet sind.31 Es ist plausibel, dass mit wachsendem Aufgabenumfang die innere Struktur an Komplexität gewinnt. Darüber hinaus können die Zeitanteile, die Führungskräfte und Mitarbeiter in einer Organisationseinheit Logistik zur Erfüllung ihrer einzelnen Aufgaben aufwenden, als Indikatoren für das Aufgabenprofil herangezogen werden. In Abb. D.8 sind die 30 31
Siehe Abb. D.1 in Kap. D, Abschn. 1.1. Siehe Abb. D.2 in Kap. D, Abschn. 1.1.
1.4
Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur
251
Ergebnisse jährlicher Befragungen amerikanischer Unternehmen zum Zeitaufwand von Logistikmanagern zur Wahrnehmung der ihnen zugeordneten Aufgaben angegeben. Wie erwartet, dominieren hinsichtlich der Zeitanteile die klassischen Logistikaufgaben Transport, Lagerhaltung und Lagerhaus. Dies lässt auf eine hohe Bedeutung innerhalb der in der Organisationseinheit Logistik wahrgenommenen Aufgaben schließen. Deutlich wird allerdings auch, dass nicht logistische Tätigkeiten einen spürbaren Zeitanteil beanspruchen. Dies ist ein Hinweis auf die Wahrnehmung von Schnittstellenaufgaben (z. B. Verkaufsprognose), bei denen Abstimmungen mit anderen Organisationseinheiten notwendig werden. Die Bedeutung solcher Schnittstellenaufgaben ist typisch für eine mehrdimensionale Organisationsstruktur, die im Folgenden vorgestellt werden soll.
1.4
Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur
Ein- oder mehrdimensionale Organisationsstruktur Die in einem Unternehmen zu lösenden Probleme weisen im Allgemeinen mehrere Dimensionen auf, d. h. es sind beispielsweise technologische, ökonomische und soziale Problemdimensionen zu berücksichtigen. Eindimensionale Organisationsmodelle entsprechen dieser Mehrdimensionalität der Probleme dadurch, dass sie auf verschiedenen Hierarchieebenen des Unternehmens jeweils unterschiedliche Kriterien für die Zentralisierung von Aufgaben in Organisationseinheiten heranziehen. In großen Unternehmen sind die Kriterien Region, Produkt und Verrichtung häufig auf diese Weise miteinander kombiniert. Die Mehrdimensionalität der Probleme wird in einer eindimensionalen Organisationsstruktur damit sukzessiv aufgelöst.32 Eine Gleichgewichtigkeit der Kriterien bei eindimensionalen Organisationsstrukturen ist aufgrund ihrer ranghierarchischen Anordnung nicht gegeben. Bei mehrdimensionalen Organisationsstrukturen werden dagegen verschiedene Dimensionen eines Problems simultan auf einer Hierarchieebene gleichgewichtig berücksichtigt. Werden zwei Zentralisationskriterien berücksichtigt, so spricht man von Matrixorganisation. Werden drei oder mehr Zentralisationskriterien berücksichtigt, so liegt eine Tensororganisation vor. Eindimensionale Organisationsstrukturen sind geeignet für einfache und stabile Umwelten. Mehrdimensionale Organisationsstrukturen eignen sich dagegen für komplexe und dynamische Umwelten. Sie sollen der Gefahr einer suboptimalen Problemlösung entgegenwirken. Dies geschieht dadurch, dass unterschiedlich spezialisierte Organisationseinheiten gezwungen werden, gemeinsam an einem Problem zu arbeiten.
32
Vgl. Frese, 1992, Sp. 1670ff.; Bleicher, 2004, S. 338f.
252
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
Querschnittsfunktion Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur Die Querschnittsfunktion der Logistik33 legt es nahe, die Logistikkonzeption in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur zu verwirklichen. Ein Schritt in diese Richtung ist die Kombination von Zentralbereichen mit Sparten bzw. Werken. Wenn ein Zentralbereich Logistik ausreichende Kompetenzen besitzt, ist mit dieser Kombination schon eine mehrdimensionale Organisationsstruktur erreicht. In Abb. D.9 ist eine Matrixorganisation abgebildet, in der die Logistik als Teil eines produktionsfaktororientierten Managements neben dem traditionellen funktionsorientierten Management verankert ist. Die horizontale Spezialisierung in den produktionsfaktororientierten Organisationseinheiten steht hier gleichberechtigt neben der vertikalen Spezialisierung in den traditionellen funktionsorientierten Organisationseinheiten. Diese Art der Aufgabenerfüllung hat zur Folge, dass, wie auch aus Abb. D.9 ersichtlich ist, Schnittstellen entstehen, an denen eine überschneidungsfreie Kompetenzabgrenzung praktisch nicht mehr möglich ist. Mehrdimensionale Organisationsstrukturen sind im Allgemeinen mit Kompetenzüberschneidungen oder überlappenden Zuständigkeiten verbunden.34
produktionsfaktororientiertes Management
Unternehmensleitung Forschung und Entwicklung
34
Beschaffung
Produktion
Absatz
Entsorgung
Personal
Finanzen
IT
Logistik
Abb. D.9
33
funktionsorientiertes Management
Einordnung der Logistik in eine funktions- und produktionsfaktororientierte Matrixorganisation
Siehe Kap. A, Abschn. 2.6: In Abb. A.16 wird der Begriff Service statt Produktionsfaktor verwendet. Zu weiteren Problemfeldern der Matrixorganisation vgl. Schulte-Zurhausen, 2005, S. 276f.
1.4
Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur
253
Kompetenzüberschneidung und Konfliktinstitutionalisierung Die aus Kompetenzüberschneidungen resultierenden Kompetenzkonflikte werden bei der mehrdimensionalen Organisationsstruktur nicht nur hingenommen, sondern auch bewusst institutionalisiert. Durch diese Konfliktinstitutionalisierung soll nicht nur erreicht werden, dass die betroffenen Organisationseinheiten mehrdimensional denken, sondern dass Konflikte offen und nicht im Verborgenen ausgetragen oder unterdrückt werden. Dann bietet sich auch die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, dass Konflikte möglichst wenig schädliche, personenbezogene Formen entwickeln. Konfliktinstitutionalisierung bedeutet nicht, Konflikte wild wuchern zu lassen. Es stehen Möglichkeiten der Kompetenzregelung und Techniken des Konfliktmanagements zur Verfügung, die den mit einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur verbundenen Gefahren der Verzögerung in Entscheidungsprozessen oder von Machtkämpfen und des Abschiebens von Verantwortung entgegenwirken können. Durch differenzierte Kompetenzregelungen (Vortrittsregeln) kann wenigstens formal festgelegt werden, welche Teilkompetenzen – z. B. Entscheidungs-, Beratungs- oder Informationskompetenz – eine Organisationseinheit bei der gemeinsamen Aufgabenerfüllung hat. Dabei brauchen die Kompetenzen keineswegs während des gesamten Aufgabenerfüllungsprozesses den gleichen Stellen zugeordnet zu bleiben. Es ist durchaus möglich, z. B. die Entscheidungskompetenz in der Planungsphase anders zuzuordnen als in der Realisationsphase (Strukturwechsel). Ein bekanntes Beispiel für unterschiedliche Kompetenzzuordnung in einer nach Objekten (z. B. Projekte oder Produkte) und nach Funktionen ausgerichteten, mehrdimensionalen Organisationsstruktur ist auch die Zuordnung der Entscheidungskompetenz über das Was und Wann zum Objektmanager und über das Wie zum Funktionsmanager. Im realen Aufgabenerfüllungsprozess wird es allerdings insbesondere auch von der nicht nur an formale Positionen gebundenen Macht – z. B. Expertenmacht – abhängen, wer ihn am meisten beeinflusst. Die Techniken des Konfliktmanagements lassen sich drei Bereichen zuordnen, nämlich der Unternehmensphilosophie, der Personalentwicklung und der Organisation.35 Die Unternehmensphilosophie, in der das grundlegende Wertsystem des Unternehmens zum Ausdruck kommt, an dem sich jeder einzelne Manager bei seinen Entscheidungen orientieren kann, erleichtert das Konfliktmanagement. Dies geschieht zum einen dadurch, dass der Wertepluralismus im Unternehmen reduziert wird und zum anderen, dass in die Unternehmensphilosophie Verhaltensgrundsätze für die Regelung von Konflikten aufgenommen werden. Im Bereich der Personalentwicklung können Techniken eingesetzt werden, die die Einstellung von Personen gegenüber Konflikten ändern können. Zu nennen sind hier insbesondere das Sensitivity Training und die Konfrontationstechnik. Sie haben das Ziel, den beteiligten Personen latente Konflikte bewusst zu machen, sie einer konstruktiven Handhabung zuzuführen und auch die Fähigkeiten zum Ertragen von Konflikten zu steigern. Zum Organisationsbereich zählen schließlich Maß35
Vgl. Krüger, 1973.
254
D.1 Intraorganisatorische Logistiksysteme
nahmen wie die Auswahl der Mitglieder für eine Gruppe, die Regelung von Abstimmungsprozessen mit dem Ziel, diese möglichst regelmäßig und frühzeitig durchzuführen oder auch die Festlegung in Form eines subsidiären Entscheidungsweges, welche andere Instanz bei Uneinigkeit die Entscheidung fällt. Schnittstellenaufgaben Die bisherigen Ausführungen zur mehrdimensionalen Organisationsstruktur machen deutlich, dass die Aufgaben an den Schnittstellen eine enge Zusammenarbeit der Organisationseinheit Logistik mit anderen Organisationseinheiten erfordern.36 Die Bedeutung dieser Zusammenarbeit lässt sich wiederum an der Zeit messen, die für Nicht-Logistikaufgaben von den Führungskräften einer Organisationseinheit Logistik aufgewendet werden. Wie bereits Abb. D.8 verdeutlicht, verwenden die befragten Logistikmanager einen erheblichen Anteil ihrer Arbeitszeit für allgemeine Managementaufgaben oder für Schnittstellenaufgaben. Dies deutet darauf hin, dass die Führungskräfte der Logistik die logistischen Interessen maßgeblich gegenüber den Führungskräften aus anderen Funktionsbereichen vertreten. Als die typischen Schnittstellen mit unterschiedlicher organisatorischer Verankerung werden neben den Aufgaben der Produktionsplanung und der Absatzprognose die Festsetzung des Lieferserviceniveaus sowie die Lieferantenauswahl angesehen.37 Es ist wichtig, die Zusammenarbeit der von diesen Schnittstellenaufgaben betroffenen Organisationseinheiten sicherzustellen. Weniger bedeutsam erscheint, in welche Organisationseinheit die Schnittstelle zunächst eingegliedert ist. Das kann von Fall zu Fall anders entschieden werden. So mag es organisatorisch sinnvoll sein, die Produktionsplanung – es geht hierbei in erster Linie um die Ablauf- und Bedarfsplanung – primär bei der Produktion oder aber primär bei der Logistik anzusiedeln. In Unternehmen, in denen die Produktion aufgrund der verfolgten Produktionsstrategie und der daraus resultierenden Produktionstechnik nicht losgrößen-, sondern materialflussorientiert gesteuert wird oder Losgrößenänderungen die Herstellkosten nur unwesentlich beeinflussen, ist die Produktionsplanung organisatorisch eher mit den übrigen Logistikaufgaben zusammenzufassen. Sind niedrige Herstellkosten dagegen entscheidend von großen Losgrößen abhängig, ist die Produktionsplanung organisatorisch eher im Produktionsbereich zu verankern. In beiden Fällen ist selbstverständlich für eine Interaktion beider Bereiche Sorge zu tragen, um insbesondere die Interdependenz von Losgrößen- und Materialbedarfsplanung zu berücksichtigen.38 Ähnlich lässt sich z. B. auch bei der organisatorischen Eingliederung der Aufgaben Festsetzung des Lieferserviceniveaus und Absatzprognose vorgehen. Das Festsetzen des Lieferserviceniveaus ist ein Bestandteil der Marketingpolitik und hat erhebliche Auswirkungen auf die Logistikkosten. Deshalb ist auf jeden Fall ei36 37 38
Vgl. zum Folgenden Pfohl, 1980a, S. 1216f. Vgl. Pfohl/Large, 1998, S. 95 und die dort aufgeführte Literatur. Siehe Kap. C, Abschn. 2.2.
2.1
Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen
255
ne Zusammenarbeit von Logistik und Marketing erforderlich. Um den Zusammenhang des Lieferservices mit den anderen Instrumenten der Marketingpolitik sicherzustellen, wird es im Allgemeinen sinnvoll sein, die Festsetzung der Höhe des Lieferservices primär im Bereich des Marketings zu verankern. Bezüglich der primären Verankerung der Absatzprognose wird es dagegen davon abhängen, wer die Informationsquelle für die Prognose ist. Sind z. B. die Verkäufer die Hauptinformationsquellen für die Absatzprognose, so ist es sinnvoll, die Absatzprognose primär im Marketingbereich zu verankern und zugleich eine enge Zusammenarbeit mit dem Logistikbereich zu gewährleisten. Die Lieferantenauswahl gehört zum Aufgabenbereich des Einkaufs. Da die geografische Streuung, die Anzahl und die Größenstruktur sowie der Lieferservice der Lieferanten die Logistikkosten wesentlich beeinflussen, ist auch an dieser Schnittstelle die Zusammenarbeit von Einkauf und Logistik sicherzustellen. Dies gilt insbesondere deswegen, weil Möglichkeiten zur interorganisatorischen Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer im Logistikbereich in Zukunft eine größere Rolle spielen werden. Wenn unter Lieferantenauswahl auch die Auswahl von Lieferanten logistischer Dienstleistungen – also von Logistikunternehmen – verstanden wird, so gehört diese selbstverständlich zum Aufgabenbereich der Logistik. Über das Angebot logistischer Dienstleistungen gibt der folgende Abschnitt Auskunft.
2
Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen
2.1
Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen
Institutionen im Marketingkanal Jeder Marketingkanal lässt sich als ein System beschreiben, in dem unterschiedliche Gruppen aktiver Elemente (Institutionen) absatzwirtschaftliche Funktionen übernehmen. 39 Als primäre Elemente werden das die Absatzleistung liefernde Produktions- oder Gewinnungsunternehmen, das als Absatzmittler auftretende Handelsunternehmen und der die Absatzleistung beziehende Endabnehmer des Absatzkanals bezeichnet. Sekundäre Elemente treten nicht als Käufer oder Verkäufer der Absatzleistung auf, werden jedoch in den Absatzprozess als Absatzhelfer eingeschaltet. Neben Logistikunternehmen zählen zu ihnen z. B. Kommissionäre, Werbeagenturen oder Kreditinstitute. Sie bieten Dienstleistungen an – und 39
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg, 2008, S. 562ff. Weitere Ausführungen zur Distributionspolitik siehe Kap. C, Abschn. 3.2. Die folgenden Ausführungen gelten spiegelbildlich auch für die Beschaffung. Ausführungen zur Bezugspolitik siehe Kap. C, Abschn. 1.2.
256
D.2 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen
werden deshalb auch als Serviceanbieter bezeichnet –, die der Anbahnung oder Durchführung des Absatzes im Kanal dienen. Logistikunternehmen spielen also die Rolle von Absatzhelfern im Marketingkanal. Ihre Primärleistung stellen logistische Dienstleistungen dar, damit diese von anderen Institutionen im Marketingkanal nicht als Sekundärdienstleistung erbracht werden müssen.40 Ihr Serviceangebot hat vor allem unter vier Bedingungen zu erfolgen, durch die ihre Marketingaktivitäten entscheidend beeinflusst werden:41 Erstens ist die Nachfrage nach den Dienstleistungen von Logistikunternehmen keine primäre, sondern eine abgeleitete Nachfrage. Sie tritt also nicht allein auf, sondern nur in Verbindung mit der Nachfrage nach der Absatzleistung des Marketingkanals. Das schließt nicht aus, dass erst durch die Erbringung einer spezifischen, logistischen Dienstleistung die Nachfrage nach einem Produkt geschaffen werden kann. Beispielsweise ist das Angebot von Blumen und Früchten aus Afrika oder dem Nahen Osten erst durch das Angebot entsprechender logistischer Dienstleistungen durch Luftfrachtunternehmen möglich geworden. Zweitens haben es die Logistikunternehmen beim Absatz ihrer Dienstleistung immer mit zwei Marktpartnern zu tun, nämlich mit dem Versender und dem Empfänger des im Marketingkanal fließenden Gutes. Die Hersteller des Gutes und die in seinen Absatz eingeschalteten Mittler haben sich dagegen im Allgemeinen nur mit einem Marktpartner, dem jeweiligen Käufer des Gutes, zu befassen. Drittens ist es für Logistikunternehmen häufig typisch, dass sie nur einen Teil des vom Verlader nachgefragten Services selbst anbieten und deshalb ihr Serviceangebot mit dem anderer Serviceanbieter abstimmen müssen.42 Z. B. könnte zum Angebot des Verladers nur der Transport im Nahverkehr, nicht aber die Durchführung des Fernverkehrs gehören. Viertens ist der Prozess der Erstellung von Logistikleistungen gekennzeichnet durch eine Kombination von internen Produktionsfaktoren, d. h. Faktoren, die vom Beschaffungsmarkt bezogen werden bzw. bei denen ein Nutzungsrecht besteht (Verkehrswege, Stationen) und externen Faktoren, d. h. insbesondere materiellen Gütern, an denen Logistikprozesse vollzogen werden. Systemdenken Alle vier Bedingungen machen deutlich, dass für das Angebot logistischer Dienstleistungen eine ganzheitliche Betrachtungsweise des Marketingkanals notwendig ist. Im Mittelpunkt haben Konzeptionen des Güterflusses durch das gesamte System des Marketingkanals zu stehen. Unter Ausnutzung der Vorteile der Arbeitsteilung müssen diese Konzeptionen die mit der Überbrückung räumlicher und zeitlicher Distanzen anfallenden Probleme optimal für den gesamten Marketingkanal 40
41 42
Zur Definition und Bedeutung dieser Dienstleistung siehe Kap. A, Abschn. 2.1 und Abschn. 3.3. Zur Logistikkonzeption als Grundlage für das Marketing von Logistikunternehmen vgl. Pfohl, 1980c. Vgl. Pfohl, 1980c, S. 423f.; Zöllner, 1990, S. 7f. Zur arbeitsteiligen Erstellung vgl. Pfohl, 1993b, S. 123f. Zum Dienstleistungscharakter logistischer Wertschöpfungsaktivitäten siehe Kap. A, Abschn. 2.1.
2.1
Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen
257
lösen, wobei der Güterfluss durchaus über andere Institutionen laufen kann als z. B. den Eigentumsfluss.43 Das unterstreicht die Bedeutung der Kooperation für Logistikunternehmen. Denn die ganzheitliche Betrachtungsweise erfordert ein Überdenken der traditionellen Rollen der Institutionen im Marketingkanal. Die beim Güterfluss wahrzunehmenden Funktionen sind an die Stellen des Marketingkanals zu verlagern, an denen sie optimal wahrgenommen werden können. Das Systemdenken ist aber für das Angebot logistischer Dienstleistungen noch unter einem weiteren Gesichtspunkt wichtig, der bereits bei der Diskussion der Bedeutung der Logistik angesprochen wurde.44 Aufgrund der zunehmenden Verbreitung der Logistikkonzeption in der verladenden Wirtschaft werden vermehrt integrierte logistische Leistungen nachgefragt. Um diese Nachfrage befriedigen zu können, muss beispielsweise ein Transport- und Speditionsunternehmen nicht nur Transportleistungen, sondern bedarfsgerechte, logistische Dienstleistungspakete anbieten, durch die alle oder doch ein Großteil der Servicebedürfnisse befriedigt werden können. Sie bieten dann nicht mehr Teillösungen für Logistikprobleme, sondern vollständige Problemlösungen an. Einkauf logistischer Dienstleistungen Logistische Dienstleistungen werden zu einem erheblichen Teil eingekauft. Dies gilt insbesondere für Transportleistungen, zunehmend aber auch für Dienstleistungen anderer Art. Bei der Diskussion des Nachfragedrucks als Einflussfaktor auf die Bedeutung der Logistik wurden in Abb. A.21 und A.22 empirische Untersuchungen über die Bedeutung verschiedener Kriterien für die Auswahl von Logistikunternehmen vorgestellt. Sieht man einmal von unternehmensindividuellen Faktoren ab, so lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Art der Güter eine große Rolle spielt, wenn es sich um die Bedeutung der Entscheidungskriterien für die Auswahl von Logistikunternehmen beim Einkauf logistischer Dienstleistungen handelt. Grundsätzlich lässt sich die Tendenz erkennen, dass in Branchen mit massenhaftem Transportaufkommen (z. B. Bergbau und Grundstoffindustrie) der Preis das wichtigste Entscheidungskriterium darstellt, während mit zunehmender Konsumreife der Güter die Qualität der Lieferservicekomponenten vorrangig wird. Die Bedeutung der Qualität der angebotenen logistischen Dienstleistungen zeigt sich auch darin, dass eine schlechte Qualität nicht einfach mit einem niedrigeren Preis kompensiert werden kann. Außerdem sind einzelne Lieferservicekomponenten nicht ohne weiteres substituierbar. Denn die insgesamt hohen Anforderungen, die letztlich an alle Lieferservicekomponenten gestellt werden, haben zur Folge, dass die gute Erfüllung eines in der Rangordnung der Entscheidungsfaktoren hochrangigen Kriteriums nicht ohne weiteres die schlechte Erfüllung eines niederrangigen Kriteriums zulässt.
43 44
Siehe Abb. C.7 in Kap. C, Abschn. 3.2. Siehe Kap. A, Abschn. 3.3.
258
D.2 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen
Ob und gegebenenfalls welche Entscheidungskriterien für die Lieferantenanalyse beim Einkauf logistischer Dienstleistungen herangezogen werden, kann von Entscheidungsprozess zu Entscheidungsprozess unterschiedlich sein. Zur Analyse des Kaufverhaltens der Verladerinstitutionen beim Einkauf logistischer Dienstleistungen kann auf theoretische Ansätze aus dem Business-to-Business-Marketing zurückgegriffen werden.45 Hiermit werden alle Absatzprozesse bezeichnet, die an Unternehmen oder sonstige Organisationen gerichtet sind, also auch der Absatz logistischer Dienstleistungen. Grundlegend für diese Ansätze ist einerseits die Erkenntnis, dass die Einkaufsentscheidung nicht einen isolierten Akt darstellt, sondern dass ein mehrphasiger Entscheidungsprozess – etwa mit den Phasen Anregung, Suche, Bewertung und Auswahl – abläuft. Andererseits wird von verschiedenen Kaufsituationen ausgegangen, die den Ablauf dieses Entscheidungsprozesses beeinflussen. Die Situation beim Kauf logistischer Dienstleistungen ist durch eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen den beteiligten Marktpartnern gekennzeichnet. Deshalb streben sowohl der Nachfrager als auch der Anbieter nach Ausgleich der vorhandenen Informationsdefizite. Da der Nachfrager aufgrund seiner subjektiven Wahrnehmung und wegen seines eingeschränkten Beurteilungsvermögens – das z. B. durch fehlendes Know-how oder mangelnde Bereitschaft zur Erlangung dieses Know-Hows verursacht wird – nicht alle Leistungen gleichermaßen beurteilen kann, können aus informationsökonomischer Sicht verschiedene Eigenschaften von Leistungen unterschieden werden. 46 Diese Leistungseigenschaften lassen sich nach ihrer Beurteilbarkeit und nach dem Zeitpunkt ihrer möglichen Beurteilung klassifizieren: x Eine Leistung hat Sucheigenschaften (Search Qualities), wenn sie durch Inspektion des Leistungsangebotes oder durch Informationssuche bereits vor dem Kauf vollständig beurteilt werden kann, x Eine Leistung hat Erfahrungseigenschaften (Experience Qualities), wenn sie erst nach dem Kauf beurteilt werden kann, x Eine Leistung hat Vertrauenseigenschaften (Credence Qualities), wenn eine Beurteilung weder vor noch nach dem Kauf möglich ist. Da der Kauf logistischer Dienstleistungen in der Regel nicht auf der Grundlage eines fertigen, inspizierbaren Produktes erfolgt, sondern der Anbieter zunächst nur ein Leistungsversprechen abgeben kann, spielen Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften des Leistungsangebots eine wichtige Rolle. Sie sind vor allem dann von Bedeutung, wenn Einkaufssituationen anhand des Merkmals Neuheit der
45
46
Vgl. Homburg/Krohmer, 2009, S. 1011ff. Zu Fragen des organisationalen Kauf- und Interaktionsverhaltens und zu Problemen der Produkt- und Distributionspolitik sowie der Preis- und Vertragsgestaltung im Investitionsgütermarketing vgl. Backhaus/Voeth, 2007. Vgl. Weiber/Adler, 1995, S. 58ff.
2.1
Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen
259
Problemstellung für den Nachfrager klassifiziert werden.47 Nach diesem Merkmal lassen sich drei Einkaufsentscheidungstypen unterscheiden, bei denen der Einkaufsentscheidungsprozess völlig unterschiedlich ablaufen wird. Reiner Wiederholungskauf: Die Einkaufsentscheidungssituation ist durch eine Problemstellung gekennzeichnet, die sich in der gleichen Art immer wieder stellt. Zur Lösung eines solchen Problems werden die Phasen der Alternativensuche und -bewertung im Entscheidungsprozess gar nicht ablaufen. Neue Alternativen werden bei der Entscheidung nicht ernsthaft in Betracht gezogen, sondern es wird routinemäßig die bekannte Lösungsalternative ergriffen. Ein reiner Wiederholungskauf liegt z. B. vor, wenn ein geplanter Transport mit dem gleichen Transportoder Speditionsunternehmen durchgeführt wird, dem der Auftrag auch bisher erteilt wurde. Modifizierter Wiederholungskauf: Die Problemstellung dieser Entscheidungssituation ist nicht neu, weicht aber in Teilaspekten von der bisherigen Problemstellung ab. Das erfordert die Suche nach bisher nicht verwendeten Lösungsalternativen und deren Bewertung. Ein modifizierter Wiederholungskauf liegt z. B. vor, wenn der Verlader mit seinem bisherigen Transport- oder Speditionsunternehmen unzufrieden ist und den Auftrag einem anderen Unternehmen erteilen möchte. Erstkauf: Die Problemstellung dieser Entscheidungssituation ist völlig neu. Bisherige Erfahrungen spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Zur Lösung solcher Probleme müssen in allen Phasen des Entscheidungsprozesses neue Informationen beschafft werden. Ein Beispiel für einen Erstkauf ist die Entscheidung zwischen verschiedenen bisher nicht genutzten Transportarten. Während für den reinen Wiederholungskauf die Erfahrungseigenschaften der Leistung von herausragender Bedeutung sind, können beim modifizierten Wiederholungskauf sowohl die Sucheigenschaften (z. B. wenn die Leistungen zweier Transportunternehmen sehr ähnlich sind) als auch die Erfahrungseigenschaften (z. B. wenn ein Transport- oder Speditionsunternehmen bereits ähnliche Leistungen für den Nachfrager erbringt) im Vordergrund stehen.48 Für den Erstkauf sind hingegen die Vertrauenseigenschaften einer Leistung relevant. Das gilt insbesondere für solche Leistungen, die in starkem Maße individuell erstellt werden.49 Welche Entscheidungskriterien im modifizierten Wiederholungskauf oder im Erstkauf herangezogen werden, wird von der unternehmensindividuellen Ausprägung verschiedener Variablen abhängen, die sich in vier Klassen unterteilen lassen. Es sind die „Umweltvariablen“ (z. B. die Transportmitteltechnologie, die 47
48
49
Weitere Merkmale können z. B. der mit der Inanspruchnahme der Leistung einhergehende organisatorische Wandel sowie der Investitionswert der Leistung für den Nachfrager sein, vgl. Wagner, 1978a, S. 272ff. Zur Bedeutung von Beurteilungskriterien bei der Lieferantenauswahl vgl. Abb. A.20 in Kap. A, Abschn. 3.3. Siehe den Hinweis auf die Bedeutung psychographischer Zielgrößen beim Angebot von Dienstleistungen in Kap. A, Abschn. 2.1.
260
D.2 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen
Verkehrsinfrastruktur oder die Konkurrenzsituation auf den Märkten von Logistikoder Speditionsunternehmen), die „organisatorischen Variablen“ (z. B. die von der Verladerorganisation verfolgten Ziele, die daraus abgeleiteten Logistikaufgaben, deren formale Eingliederung in die Organisationsstruktur sowie die zur Verfügung stehenden technologischen und menschlichen Ressourcen), die „interpersonellen Variablen“ (z. B. die Wahrnehmung spezifischer Rollen wie die des Verwenders, des Einkäufers, des Beeinflussers, des Pförtners oder Gatekeepers und des Entscheidungsträgers im Einkaufsprozess logistischer Dienstleistungen) sowie die „intrapersonellen Variablen“ (z. B. Ausbildung, Information, Motive, Einstellungen und Erwartungen der am Einkauf beteiligten Personen). Den Wünschen der Verlader beim Einkauf logistischer Dienstleistungen hat das Logistikunternehmen ein entsprechendes Leistungsangebot gegenüberzustellen. Der nächste Abschnitt vermittelt einen Eindruck von der Art solcher Dienstleistungen.
2.2
Art der Dienstleistungen
Leistungsprogramm Das Leistungsprogramm von Logistikunternehmen umfasst zunächst einmal das Angebot von Dienstleistungen, die unmittelbar die Realisierung der Güterverteilung betreffen. Sie beziehen sich auf die Gewährleistung aller Servicekomponenten50 und die damit verbundene Wahrnehmung von Logistikaufgaben. Eine weitere Leistung, die neuerdings von Logistikunternehmen erbracht wird, ist die Logistikberatung. Logistikunternehmen übernehmen in diesem Fall die Funktion eines Unternehmensberaters, der sich auf die Logistik spezialisiert hat. Schließlich gehören zum Leistungsprogramm von Logistikunternehmen auch nicht logistische Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Güterverteilung erbracht werden. Hierzu zählen beispielsweise der Regaldienst oder die Übernahme des Inkassos. Abb. D.10 gibt einen Überblick über die Arten von Dienstleistungen, die von Logistikunternehmen erbracht werden.51 Die Bedeutung der Ergänzungs- und Komplementärfunktionen und ebenfalls der Sonderfunktionen – heute häufig als Value Added Services bezeichnet – als Wettbewerbsinstrument wird in Zukunft steigen. Allerding ist davon auszugehen, dass vor allem kleine Unternehmen nicht die Ressourcen haben, um dieser Entwicklung zu folgen.
50 51
Siehe Kap. A, Abschn. 2.4. Vgl. die Übersicht in Kleer, 1991, S. 49. Zu einer Diskussion zur Stellung des Spediteurs in der deutschen Verkehrswirtschaft vgl. Schumacher, 1988, S. 127ff. und S. 228ff. Zu den anstehenden Veränderungen hinsichtlich der Aufgaben logistischer Dienstleister und dem Einfluss ökologischer Aspekte auf Logistikdienstleistungen vgl. Göpfert/Wehberg, 1995; Stabenau, 1999, S. 92f. Zur steigenden Bedeutung der Value Added Services vgl. European Logistics Association/A.T. Kearney, 2009a, S. 15 und 2009b, S. 14.
2.2
Art der Dienstleistungen
Funktionen
261
Funktionsträger
Hauptfunktionen • Dispositionsfunktion -
Wahl der Transportmittel, der Wege, des Tarifs Abschluss von Frachtverträgen Ausstellung von Frachtdokumenten Frachtkontrolle
Spediteure Frachtführer Vermittler
• Beförderungsfunktion - Nahverkehr: Sammel- und Verteilerverkehr, Vortransport zum Hauptlauf mit anderen Verkehrsträgern - Fernverkehr: national und international
• Logistikberatung - Beratung, Analyse, Planung und Organisation
Frachtführer
Spediteure
Ergänzungs- bzw. Komplementärfunktionen • Umschlagfunktion -
Organisation und Durchführung des Umschlags Bewirtschaftung von Stationen/ Terminals
Frachtführer Umschlagsunternehmen
• Lagerfunktion - Einlagern, Auslagern, Lagerung, - Kommissionierung - Bewirtschaftung von Lagern (z.B. Bestandsführung)
• Sammelverkehrsfunktion (bei Kleingut)
Spediteure Lagerei Spediteure Frachtführer
- Sammeln und Verteilen von Stückgut - Zusammenstellung von Ladungseinheiten
• Verpackungsfunktion - Beratung und Auswahl der Transportverpackung - Transporthilfsmittel - Einpacken, Auspacken
• Manipulationsfunktion - sendungsbezogene Manipulation (z.B. Etikettierung) - warenbezogene Manipulation (z.B. spezielle Sicherheitsmaßnahmen)
• Informationsfunktion - Aufbau von Informationsketten zur Planung, Koordinierung, Steuerung und Kontrolle des Transportablaufs, der Lagerung und Statusverfolgung
• Innerbetriebliche Transport, Umschlag- und Lageraufgaben beim Kunden
Spediteure Verpackungsunternehmen Frachtführer Verpackungs- und Umschlagsunternehmen Spediteure Frachtführer Spediteure
Sonderfunktionen • Verkaufsförderungsfunktion (Merchandising) - Übernahme von Verkaufsförderungsmaßnahmen im Auftrag des Versenders zugunsten des Empfängers (z.B. Regalservice)
• Kundendienstfunktion - Übernahme von Kundendienstfunktionen im Auftrag des Versenders zugunsten des Empfängers (z.B. Ersatzteilvorhaltung, Wartung)
• Montagearbeiten • Transportversicherungsfunktion - Risk-Management im Transportversicherungsbereich - Abschluss von Versicherungsverträgen - Abwicklung von Schadensfällen
• Zollbehandlungsfunktion - Zolldeklaration, -anmeldung und -abfertigung
• Kreditfunktion - Fracht- und Zollvorlagen
Abb. D.10
Spediteur Frachtführer Spediteur Frachtführer Lagerei Spediteur Spediteur Vermittler Spediteur Zollagenten Spediteur
Leistungen von Logistikunternehmen (Quelle: in Anlehnung an Stabenau, 1994, S. 15f. und Aberle, 2009, S. 532ff.)
262
D.2 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen
Nicht in Abb. D.10 aufgelistet sind die von spezialisierten Logistikunternehmen angebotene Dienstleistung für die Eventlogistik. Die Bedeutung der Eventlogistik nimmt im Zusammenhang mit dem Management von Events in jüngerer Zeit zu.52 Eine Marktuntersuchung zeigt den Trend für die Logistikunternehmen, einen neuen Markt des professionellen Managements von Events zu entwickeln, dem durch ein koordiniertes Logistikmanagement von größeren Veranstaltungen, Events und Ereignissen ein rapides Umsatzwachstum vorhergesagt wird.53 Abgrenzungskriterien Zur Beurteilung der Ähnlichkeit von Güterverteilvorgängen und damit zur Spezialisierung im Leistungsprogramm von Logistikunternehmen können vier Kriterien herangezogen werden: Leistungsumfang, räumliche Dimension, Güterdimension und qualitative Dimension.54 Nach dem Leistungsumfang unterscheiden sich die Leistungsprogramme von Logistikunternehmen durch das Ausmaß, in dem Logistikaufgaben des Verladers übernommen werden, also durch den Anteil des Verladers am Logistiksystem. Beispielsweise ist der Leistungsumfang eines Logistikunternehmens, das die Verteilung von Gütern, die vom Verlader bereits kundenbezogen kommissioniert sind, kleiner als das Leistungsprogramm eines Logistikunternehmens, das die Kommissionierung für den Verlader übernimmt. Unter der räumlichen Dimension sind die geografische Lage und die Größe von Quellgebiet (Lieferpunkte) und Zielgebiet (Empfangspunkte) zu verstehen, für die ein Logistikunternehmen Güterverteilungsaufgaben übernimmt. Eine Abgrenzung des Leistungsprogramms kann unter diesem Gesichtspunkt z. B. nach Wirtschaftsräumen oder Ländergrenzen erfolgen. Die Güterdimension bezieht sich auf die Art und Menge der zu verteilenden Güter. Hierbei ist von Bedeutung, inwieweit unterschiedliche Güter auch unterschiedliche Anforderungen an die Logistiksysteme stellen. Als Einteilungskriterien kommen z. B. Volumen, Gewicht, Aggregatzustand oder Empfindlichkeit hinsichtlich Temperatur, Geruch oder Stoß etc. in Frage. Die qualitative Dimension bezieht sich auf das Serviceniveau, das bei verschiedenen Servicekomponenten garantiert wird. Ein Beispiel hierfür ist das Anbieten von Expressgutdiensten durch Transport- und Speditionsunternehmen. Zu welchen Bedingungen logistische Dienstleistungen von Logistikunternehmen angeboten werden können, hängt von ihren Möglichkeiten zur Erstellung (Produktion) solcher Dienstleistungen ab. Hierbei lassen sich einige Besonderheiten anführen, die Logistikunternehmen im Vergleich zu anderen Unternehmen auszeichnen. 52 53 54
Vgl. Bobel, 2009, S. 8. Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 133. Vgl. zum Folgenden Krass, 1984, S. 220ff. Eine andere Strukturierungsmöglichkeit des Leistungsprogramms logistischer Dienstleistungsunternehmen findet sich bei Zöllner, 1990, S 60ff., der die drei Dimensionen geografische Räume, Kundengruppen und Kundenfunktionen unterscheidet.
2.3
2.3
Besonderheiten der Leistungserstellung
263
Besonderheiten der Leistungserstellung
In der betriebswirtschaftlichen Literatur ist eine umfassende Diskussion darüber zu finden, inwieweit die Produktion von Verkehrsleistungen typische Besonderheiten aufweist, die eine spezielle Betriebswirtschaftslehre, nämlich die Verkehrsbetriebslehre, rechtfertigen. 55 Auf diese Diskussion braucht hier im Einzelnen nicht eingegangen zu werden. Es genügt eine kurze Darstellung von Besonderheiten der Leistungserstellung, mit denen sich Logistikunternehmen konfrontiert sehen und die zumindest in diesem Ausmaß oder in dieser Kombination in anderen Branchen nicht auftreten. Dazu gehören der immaterielle Charakter der Dienstleistungen sowie der externe Faktor, der in den Leistungsprozess einzubringen ist. Darauf wurde bereits in Kap. A, Abschn. 2.1 eingegangen. Spezifisch für logistische Dienstleistungen sind die Kuppelproduktion beim Transport und die differenzierten Produktionsverfahren der Logistikunternehmen.56 Kuppelproduktion beim Transport Unter den logistischen Dienstleistungen weist die Transportleistung bei ihrer Erstellung eine weitere Besonderheit auf. Denn bei der Erstellung von Transportleistungen hat man keinen festen Standort. Sie läuft in der Regel wie in Abb. D.11 dargestellt ab. Von B nach C wird eine Transportleistung nachgefragt, ein Fahrzeug hierfür steht am Lieferpunkt (Ladeort) B nicht zur Verfügung, sondern muss von seinem Standort A im Bereitstellungsverkehr an den Ladeort B herangeführt werden. Nach der Beladung erfolgt der Gütertransport entsprechend der nachgefragten Transportleistung zum Empfangspunkt (Empfangsplatz) C. Vor allem für den Straßengüterverkehr muss in der Regel das Fahrzeug aus organisatorischen Gründen an den Standort zurückgeführt werden, so dass ein Rücklaufverkehr von C nach A entsteht. Zusätzlich zur nachgefragten Transportleistung entstehen also die Bereitstellungs- und Rücklaufverkehre als Kuppelprodukt. Man spricht hier auch von einem organisatorischen Kuppelprodukt. Denn die Bereitstellungs- und Rücklaufverkehre entstehen im Allgemeinen nicht aus technischen, sondern aus organisatorischen Gründen gemeinsam mit der Produktion der nachgefragten Transportleistung. Selbstverständlich können diese Kuppelprodukte vermarktet werden, indem Bereitstellungs- und Rücklaufverkehre nicht als Leerfahrten durchgeführt werden, sondern versucht wird, zumindest Teilladungen für diese Verkehre an den Punkten A und C zu finden. Die Grenzen der Vermarktung des Kuppelproduktes sind in der Unpaarigkeit der Verkehrsströme begründet. Darunter ist zu verstehen, dass einem Verkehrsstrom von A nach B nicht der entsprechende Verkehrsstrom von B nach A gegenüber steht, so dass im Rücklaufverkehr die Fahrzeuge keine entsprechende Rückladung finden. Die Ursachen dafür, dass die Nachfrage nach Transportleistungen in der Region A nicht der der 55 56
Zu den Besonderheiten des Verkehrs vgl. Ihde, 2001, S. 101ff. Vgl. zum Folgenden Stabenau, 1994, S. 51ff.; Isermann, 1998a, S. 33ff.; Aberle, 2009, S. 230ff.
264
D.3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
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Abb. D.11
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A: Standort des Fahrzeugs B: Ladeort C: Empfangsplatz
Organisatorisches Kuppelprodukt bei der Erstellung von Transportleistungen (Quelle: Stabenau, 1994, S. 53)
Region B entsprechen sind die Transportaufkommen, die sich aus der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur der Regionen ergeben sowie administrative Ursachen, die in staatlichen Interventionen in den nationalen und internationalen Verkehrsmärkten begründet sind. Differenzierte Produktionsverfahren In erster Linie wiederum auf die Transportleistung bezogen, ergibt sich in kaum einer anderen Branche ein solch großer Unterschied in den Produktionsverfahren wie bei Logistikunternehmen. So wird die Transportleistung bei Eisenbahn, Straßengüterverkehr, Schifffahrt, Luftverkehr oder Leitungsverkehr mit völlig unterschiedlichen Produktionsverfahren erstellt, die zwangsläufig zu sehr unterschiedlichen Kostenstrukturen führen. Beispielsweise ist der Fixkostenanteil der Eisenbahn oder Binnenschifffahrt wesentlich größer als der beim Staßengüterfernverkehr. Der Personalkostenanteil ist z. B. bei der Eisenbahn höher und bei der Binnenschifffahrt niedriger als beim Straßengüterfernverkehr. Die Abschreibungsdauer der Transportmittel bei Eisenbahn und Binnenschifffahrt sind wesentlich länger als beim Lkw. Diese aus der unterschiedlichen Art der betrieblichen Leistungserstellung resultierenden Unterschiede in den Kostenstrukturen sind wesentlich für die Kalkulation der Transportleistungen, die von unterschiedlichen Institutionen der Verkehrswirtschaft zu erbringen sind.
3
Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
Im Folgenden soll ein Überblick über unterschiedlich spezialisierte Institutionen gegeben werden, die im Logistikkanal Dienstleistungen für die verladende Wirtschaft erbringen. Verlader sind alle Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen, die als Nachfrager und damit als Auftraggeber von bzw. für logistische Dienstleistungen auftreten. Dies können sowohl der Lieferant als auch der Kunde
2.3
Besonderheiten der Leistungserstellung
265
eines bestimmten Gutes sein. Bezüglich der Transportleistung ist es z. B. bei Lieferung frei Haus der Lieferant, bei Lieferung ab Werk der Empfänger. In diesem Fall gilt der Empfänger auch dann als Auftraggeber hinsichtlich des Gefahrenübergangs und der Übernahme der Transportkosten, wenn das Transportunternehmen vom Lieferanten beauftragt wird. Der Begriff Güterverkehrswirtschaft57 zur Bezeichnung der Institutionen, die logistische Dienstleistungen als Primärleistungen erbringen, wird gewählt, weil sich ein Begriff Logistikwirtschaft bisher nicht durchgesetzt hat und man heute den Begriff Verkehrswirtschaft im Sinne einer Logistikwirtschaft gebraucht. Innerhalb der Güterverkehrswirtschaft, deren primäre Funktion die räumliche Verbringung von Gütern von einem Versandort zu einem Empfangsort darstellt, können drei Leistungsbereiche unterschieden werden:58 x Leistungen, die auf dem Standortwechsel des Transportmittels beruhen, d. h. Transportleistungen im engeren Sinne, x Leistungen, die an einem festen Standort erbracht werden, z. B. Umschlag, Lagerung, Verpackung und Kommissionierung, d. h. Verkehrsleistungen im weiteren Sinne, x Leistungen, die in Beratung, Vermittlung, Organisation und Verkauf von Verkehrsleistungen bestehen. Entsprechend dieser Leistungsbereiche lassen sich verschiedene Institutionen der Güterverkehrswirtschaft beschreiben. Eine eindeutige Abgrenzung spezialisierter Logistikunternehmen ist jedoch nicht möglich, da sich die Unternehmen auf veränderte Kundenanforderungen einstellen und Industrie und Handel vom logistischen Dienstleister die Übernahme immer umfassenderer Funktionen bis hin zum Management gesamter Logistiksysteme erwarten. 59 Dadurch treten neben standardisierten Transport-, Umschlags- und Lagerleistungen, die den Charakter von Commodities annehmen, zunehmend individuelle, nur schwer substituierbare Special Goods in Form von Systemangeboten und komplexen logistischen Dienstleistungspaketen auf.60 Sie werden von logistischen Systemanbietern offeriert, die von logistischen Komponentenanbietern zu unterscheiden sind. Schließlich sind als Institutionen der Güterverkehrswirtschaft noch Logistikzentren zu nennen, in denen verschiedene Logistikunternehmen örtlich zusammengefasst werden.
57
58 59
60
Zur Abgrenzung des hier betrachteten Güterverkehrs vom Personenverkehr wird anstelle des Begriffs Verkehrswirtschaft der Begriff Güterverkehrswirtschaft verwendet. Vgl. Stabenau, 1994, S. 13f. Somit lässt sich keine einheitliche Typologie von Verkehrsunternehmen angeben, vgl. Stabenau, 1994, S. 35. Vgl. Ihde, 1989, S. 135.
266
D.3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
3.1
Transportunternehmen
Ein Überblick über die verschiedenen Transportmittel wurde bei der Darstellung des logistischen Subsystems Transport61 gegeben. In diesem Abschnitt sollen die Institutionen betrachtet werden, die diese Transportmittel betreiben. Die Betreiber von Transportmitteln treten in der Regel als Frachtführer auf. Im Gegensatz zum Begriff des Verladers ist dies ein gesetzlich definierter Begriff: Frachtführer ist, wer durch einen Frachtvertrag verpflichtet wird, ein Gut an einen Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger zu übergeben. Voraussetzung ist dabei, dass der Frachtführer dieses Geschäft gewerblich ausübt. 62 Dazu gehören z. B. Lkw-Transportunternehmer, Binnenschifffahrtsreedereien, Eisenbahngesellschaften oder Fluggesellschaften. Straßengüterverkehr In allen Industrieländern hat der Straßengüterverkehr einen sehr hohen Anteil am Modal-Split, d. h. an der Aufteilung des Güterverkehrsaufkommens auf die einzelnen Verkehrsarten. In Abb. D.12 wird diese dominierende Stellung mit Zahlen über das Güterverkehrsaufkommen in Deutschland belegt. Benutzt man als Maßzahl das Gewicht der transportierten Güter, so gehen ca. 83% der Gütertransporte über die Straße. Nimmt man hingegen als Maßzahl das mit der Transportstrecke multiplizierte Gewicht der Güter – die bezüglich des Güterverkehrsaufkommens aussagekräftigeren Tonnenkilometer, die so genannte Güterverkehrsleistung –, so ist der Straßenanteil ca. 12% niedriger. Dies rührt daher, dass beim Straßengüterverkehr der Nahverkehr den Fernverkehr um ein Vielfaches übertrifft, obwohl der Straßengüterfernverkehr in den letzten Jahren sehr hohe Zuwachsraten zu verzeichnen hatte.63 Etwa die Hälfte des Straßengüterverkehrs wird als Werkverkehr betrieben und zwar in erster Linie als Nahverkehr. In Deutschland haben die Konsolidierungsprozesse der vergangenen Jahre die Struktur der Transport- und Logistikbranche zwar verändert, die Transportbranche besteht aber insgesamt weiterhin überwiegend aus Klein- und Mittelbetrieben.64 Von den kleinen Unternehmen wird häufig eine vertragliche Bindung mit bestimmten Auftraggebern eingegangen. Sie sichern sich auf diese Weise ein bestimmtes Transportaufkommen, geraten jedoch in starke Abhängigkeit von einem oder wenigen Auftraggebern. Außerdem ist im 61 62
63
64
Siehe Kap. B, Abschnitt 5.3. Vgl. §407 HGB. Seereedereien sind keine Frachtführer im Sinne des HGB, sondern Verfrachter. Für sie gelten besondere Bestimmungen, die im fünften Buch des HGB über den Seehandel geregelt sind. Der Anteil des Straßengüterfernverkehrs (einschließlich ausländischer Lkw) an der gesamten Güterverkehrsleistung stieg, gemessen in Tonnenkilometern (tkm), von 31,6% (1980) auf 52,3% (1997) und auf 70.3% (2007), vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 236f. Vgl. Deutscher Speditions- und Logistikverband e. V., 2005, S.28; IKB Deutsche Industriebank AG, 2007, S. 8f.
3.1
Transportunternehmen
267
Straßengüterverkehr eine erhebliche Verflechtung von Transportunternehmen mit anderen Unternehmen festzustellen und zwar sowohl mit Speditionen als auch mit Industrie- und Handelsunternehmen. Verkehrsart
Güterverkehrsaufkommen
Eisenbahnen a Binnenschifffahrt Straßengüterverkehr b Rohrfernleitungen c Luftverkehr d
Güterverkehrsleistung
in Mio. t
Anteil in %
in Mrd. tkm
Anteil in %
361,1
8,8
114,6
17,3
249,0
6,1
64,7
9,8
3393,9
82,8
466,5
70,3
90,9
2,2
15,8
2,4
3,5
0,1
1,3
0,2
662,9
100,0
gesamt 4098,4 100,0 a ohne Güterkraftverkehr. einschl. interner Verrechnung der DB. b deutsche und ausländische Lastkraftwagen c Rohöl- und Mineralölproduktleitungen d Fracht und Luftpost; einschl. Doppelzählungen im Umladeverkehr Abb. D.12
Güterverkehrsaufkommen und -leistung im Jahr 2007 in der Bundesrepublik Deutschland (Quelle: Daten entnommen aus: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 232ff.)
Schienengüterverkehr Der Schienengüterverkehr wird in der Bundesrepublik Deutschland (wie auch in den meisten übrigen Staaten Europas) zum weitaus überwiegenden Teil von einem öffentlichen Unternehmen wahrgenommen, der DEUTSCHEN BAHN AG. Diese öffentlichen Unternehmen sind in der Regel aus Umwandlungen ehemaliger staatlicher Unternehmen in privatrechtliche Aktiengesellschaften entstanden, deren einziger bzw. Hauptaktionär in den meisten Fällen jedoch weiterhin der jeweilige Staat ist.65 Bislang existiert neben der DEUTSCHEN BAHN AG noch eine größere Zahl kleinerer, nicht staatlicher Bahnunternehmen, die die Erfüllung von Spezialaufgaben vor allem im Verteil- und Zubringerverkehr sowie Teile des Regionalverkehrs übernehmen. Durch die völlige Trennung von Fahrweg und Eisenbahntransportbetrieb soll jedoch neben ausländischen Bahngesellschaften vermehrt auch neuen Transportanbietern der diskriminierungsfreie Zutritt zum Eisenbahnnetz ermöglicht werden, so dass eine Änderung der Struktur des Schienenverkehrsmarktes zu erwarten ist.66 Der Werkverkehr ist beim Schienengüterverkehr von wesentlich geringerer Bedeutung als beim Straßengüterverkehr, obwohl Großunternehmen in der Montanindustrie und der chemischen Industrie große Werkseisenbahnen unterhalten.
65 66
Vgl. Cornet, 1993, S. 519f. Vgl. Aberle/Hedderich, 1993, S. 15.
268
D.3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
Der bislang feststellbare Rückgang des Schienenverkehrsanteils am Güterverkehrsaufkommen in Deutschland wird teilweise auf die Tatsache zurückgeführt, dass die Bundesbahn bis zum 31.12.1993 ein staatliches Unternehmen war. Als solches habe sie nicht genügend Flexibilität aufweisen können, um sich den Änderungen auf dem Verkehrsmarkt anzupassen. Außerdem seien ihr durch das Bundesbahngesetz gemeinwirtschaftliche Aufgaben übertragen worden, die sie daran gehindert hätten, sich besser im Wettbewerb zu behaupten. Durch die Bahnstrukturreform in Deutschland bieten sich der Eisenbahn verbesserte Marktchancen. Aus umweltpolitischen Zielsetzungen und aus Grund der hoch belasteten Straßenverkehrskapazität ist die Verkehrsverlagerung auf Schienen sehr bedeutsam.67 Für die Zukunft werden für Deutschland wachsende Anteile des Schienengüterverkehrs am gesamten Güterverkehrsaufkommen prognostiziert. Schiffsverkehr Die Institutionen, die Binnenschifffahrt betreiben, können nach der Art der Leistungserstellung in den gewerblichen Verkehr durch Reedereien und Partikuliere sowie Werkschifffahrtsbetriebe und Befrachter unterschieden werden.68 Die Reedereien sind Großunternehmen, die die gewerbsmäßige Ausführung von Transporten mit einer zentral gelenkten Binnenschiffflotte oder mit fremdem Schiffsraum übernehmen und Ladung meist über mehrere Landkontore akquirieren. Die Reedereien üben sowohl die Aufgaben des Spediteurs als auch die eines Frachtführers aus und nehmen im Allgemeinen außerdem Lager- und Umschlagsaufgaben wahr. Zum Teil bieten sie den Verladern auch All-Inclusive-Angebote, die zusätzlich noch Depothaltung, Trucking, Containerreparaturen usw. umfassen.69 Partikuliere (Klein-, Privat- oder Einzelschiffer) sind in der Regel Schiffsführer ihres eigenen Schiffes. Sie setzen bis zu drei Schiffe ein und besitzen keine Kontore zur Ladungsakquisition. Partikuliere sind als Frachtführer sowohl für Verlader als auch für Reedereien tätig, an die sie sich zum Teil auch vertraglich langfristig gebunden haben. Ein Großteil von ihnen hat sich zudem in Gesellschaften zusammengeschlossen, die in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführt werden. Diese Gesellschaften dienen einerseits der Akquisition von Ladung, andererseits übernehmen sie noch weitere Funktionen, wie z. B. die betriebswirtschaftliche Betreuung der Partikuliere. Von den beschriebenen Formen des gewerblichen Verkehrs lässt sich der Werkverkehr in der Binnenschifffahrt nur schwer abgrenzen. Zum Werkverkehr zählt lediglich derjenige Verkehr, der mit eigenem Personal und mit eigenen Fahrzeugen für eigene Zwecke eines Industrie- und Handelsunternehmens durchgeführt wird und bei dem die Güter sich im Eigentum des übergeordneten Unternehmens befinden. Führen Unternehmen neben dem Werkverkehr auch gewerblichen Verkehr durch, wie es für einen Großteil der Werksreedereien der Fall ist, so werden 67 68 69
Vgl. Aberle, 2009, S. 148. Vgl. Brandenburg/Gutermuth/Oelfke, 2006, S. 207ff. Vgl. Bartsch, 1994, S. 36.
3.1
Transportunternehmen
269
sie dem gewerblichen Verkehr zugerechnet. Demzufolge gibt es in Deutschland nur wenige Unternehmen, die der engen Werkverkehrdefinition entsprechen. Eine weitere Institution in der Binnenschifffahrt stellt der Befrachter dar, der Frachtverträge abschließt, ohne eigenen Schiffsraum zu besitzen. Zur Erstellung der versprochenen Transportleistung muss er die übernommene Ladung durch Schiffseigner transportieren lassen. Aufgrund des Frachtvertrags steht der Befrachter dem Auftraggeber mit den Rechten und Pflichten eines Frachtführers gegenüber. Bei der Seeschifffahrt unterscheidet man zwischen Küsten- und Hochseeschifffahrt. Die Küstenschifffahrt wird vorwiegend von kleinen Transportunternehmen betrieben, bei denen der Küstenschiffer zugleich Eigner, Schiffsführer und Frachtführer ist, der sein Schiff im Einzel- und Zeitcharter vermietet. In der Hochseeschifffahrt ist hingegen zwischen dem Schiffseigentümer, der den Bau bzw. den Kauf eines Schiffes finanziert und der Reederei als Ausrüster und Betreiber zu unterscheiden. Die Branche erlebt seit Jahren einen deutlichen Konzentrationsprozess, der vor allem aus dem hohen Kapitalbedarf für die Anpassung der Ausrüstung an neue schifffahrtstechnische Entwicklungen folgen.70 Es hat dazu geführt, dass in Deutschland mehr als die Hälfte der Gesamttonnage auf die zehn größten Reedereien entfällt. Luftfrachtverkehr Der Luftfrachtverkehr hat in den vergangenen Jahren ständig an Bedeutung zugenommen und die Luftfracht betreibenden Transportunternehmen weisen hohe Zuwachsraten im Umsatz auf. Das wird auch anhand der durchschnittlichen, jährlichen Steigerung des Luftfrachtaufkommens zwischen 2004 und 2007 von rund 10% deutlich.71 Begründet wird dies zum einen dadurch, dass vor allem transportkostenunempfindliche Güter, die häufig einen hohen Wert bei geringem Volumen oder Gewicht aufweisen, transportiert werden. Zu den typischen Luftfrachtgütern gehören aber auch verderbliche und kurzlebige Güter, wie z. B. Lebensmittel sowie Last-Minute-Sendungen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass aufgrund der Preisentwicklung auf dem Gütertransportmarkt und der geforderten Transportqualität in der internationalen Wirtschaft immer mehr Güterarten per Luftfracht versandt werden.72 Der Transport der Güter wird auf dreierlei Weise mit Flugzeugen bewältigt. Entweder nehmen Passagierflugzeuge die Fracht in UnterflurFrachträumen mit oder es werden Flugzeuge mit Oberdeckbeladungen eingesetzt (Kombinationsflugzeuge). Außerdem finden noch reine Frachtflugzeuge Verwendung. Den größten Anteil am Luftfrachtaufkommen haben mit weltweit über 75% auf Basis verkaufter Tonnenkilometer die international tätigen Linienfluggesellschaften, an denen in Westeuropa in der Regel der Staat beteiligt ist. Setzen solche Ge70 71
72
Vgl. Schieck, 2008, S. 210. Zwischen 1990 und 2007 ist die Transportleistung von 439,5 Mio. tkm auf 1249,4 Mio. tkm gestiegen, vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 236f. Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 757f.; Pompl, 2008, S. 6.
270
D.3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
sellschaften sowohl Passagier- als auch Frachtflugzeuge zum Frachttransport ein, dann nennt man sie auch Kombinationscarrier. Zum Teil haben die Linienfluggesellschaften Tochtergesellschaften gegründet, die ausschließlich Luftfracht betreiben. Beispielsweise besitzt die LUFTHANSA AG mit der LUFTHANSA CARGO AG eine solche Tochtergesellschaft. Auf den Frachttransport spezialisiert sind hingegen die Frachtcarrier (Marktanteil ca. 10%), die Frachtraumkapazitäten für Charterflüge zur Verfügung stellen und Saisonspitzen der Luftleistungsnachfrage abdecken. Schließlich gibt es noch so genannte Integrators. Diese Gesellschaften erbringen alle Leistungsprozesse der Luftfrachttransportkette zwischen Versender und Empfänger durch das eigene Unternehmen.73 Zum Luftfrachtverkehr ist außerdem noch das Trucking zu rechnen, der Luftfrachtersatzverkehr zwischen einzelnen Flughäfen auf der Straße. Solche Transporte dürfen nur stattfinden, wenn keine geeigneten Flugverbindungen existieren. Sie werden von den Luftverkehrsgesellschaften zu einer höheren Ausnutzung der angebotenen Frachtkapazität auf Langstrecken genutzt, indem die Güter per Straßentransport auf einzelnen Flughäfen gebündelt werden.74
3.2
Lager-, Umschlags- und Verpackungsunternehmen
Lagerei Die gewerbliche Lagerei, die entweder von selbstständigen Lagereiunternehmen oder von Speditionen betrieben wird, ist gesetzlich geregelt: „Lagerhalter ist, wer gewerbsmäßig die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt.“75 Diese Gewerbsmäßigkeit ist nur dann nicht gegeben, wenn die Lagerung eine Nebenpflicht eines anderen Gewerbes darstellt, wie z. B. verkehrsbedingte Zwischenlagerungen oder wenn Lagerung und Aufbewahrung nicht nachhaltig betrieben werden. Die selbstständigen Lagereiunternehmen sind nicht selten staatlich oder es liegt zumindest eine staatliche Beteiligung vor. Man findet häufig Spezialisierungen von Lagereiunternehmen auf bestimmte Güterarten, da diese die anzuwendende Technik und den Lagerraum sehr stark bestimmen. So gibt es Lagereiunternehmen, die sich auf Massengut, Stückgut oder auf die Lagerung von Spezialgütern, z. B. Kühl- und Gefriergüter, spezialisiert haben.76 Ebenso können in Abhängigkeit der Empfindlichkeit von Lagergütern Anpassungen der Lagereinrichtungen erforderlich werden, z. B. in Gefahrgut- oder in Wertlagern. Im Rahmen der gewerblichen Lagerung werden außerdem teilweise noch zusätzliche Leistungen erbracht, z. B. Etikettierung, Veredelung oder Kommissionierung der eingelagerten Güter.77 73 74 75 76 77
Vgl. Beder, 1998, S. 129. Vgl. Mosler, 1993, S. 507ff. §416, HGB. Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 335. Vgl. Bjelicic, 1990, S. 12.
3.3
Speditionen und Vermittler
271
Umschlagsunternehmen Umschlagsunternehmen bieten ihre Dienstleistungen anderen Logistikunternehmen oder aber der verladenden Wirtschaft an. Unter ihnen befinden sich sowohl spezialisierte Umschlagsunternehmen als auch Speditionen, die Umschlagsleistungen anbieten. Die auf den Umschlag spezialisierten Unternehmen werden entweder privat oder durch die öffentliche Hand betrieben. Zu den Umschlagsunternehmen zählen vor allem Containerterminals, die von der Bahn und von Hafenbehörden betrieben werden, Luftfrachtterminals von Flug- oder Flughafengesellschaften, Sammelgutumschlagsstellen von Sammelladegemeinschaften der Speditionen, Erzumschlagsbetriebe als gemeinsame Einrichtung mehrerer Hüttenwerke, Paketumschlagsstellen der Post oder anderer Paketdienstunternehmen.78 Verpackungsunternehmen Unternehmen, die sich auf die Dienstleistung des Verpackens spezialisiert haben, nennt man Lohn- oder Kontraktverpacker.79 Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Arten ist fließend. Schwerpunktmäßig lässt sich jedoch feststellen, dass Lohnverpacker ihren Auftraggebern nur Personal-, Maschinen- und Raumkapazität anbieten, nicht aber die Packmittel. Stellen die Verpackungsunternehmen den Auftraggebern dagegen die Packmittel ganz oder zumindest wesentliche Teile davon sowie sonstige Leistungen zur Verfügung, so bezeichnet man sie als Kontraktverpacker. Die sonstigen Leistungen können z. B. in der Beratung bei der Wahl der Verpackung liegen, aber auch das Mischen, Granulieren, Suspendieren usw. von Gütern zählen dazu. Nur wenige Kontraktverpacker bieten ein Programm von Verpackungen in allen Bereichen an. Die meisten Verpackungsunternehmen haben sich spezialisiert, z. B. auf Exportverpackungen oder spezielle Verpackungen für sperrige Güter. Sie bieten die Verpackungen in den Werken der Verlader an, entweder durch eigene Spezialisten oder unter eigener Regie und Überwachung von Vertragsunternehmen. Auch Verlader, die die routinemäßig ablaufenden Verpackungsaufgaben selbst ausführen, nehmen für Spezialaufgaben (z. B. bei der Einführung eines neuen Produkts oder bei Verkaufsfördermaßnahmen) die Dienstleistungen von Verpackungsunternehmen in Anspruch.
3.3
Speditionen und Vermittler
Speditionen Der Begriff des Spediteurs ist gesetzlich geregelt:80 Ein Spediteur ist mit der Organisation der Beförderung von Gütern für Dritte betraut. Aufgabe des Spediteurs ist die Auswahl des Beförderungsmittels und der ausführenden Unternehmen so78 79 80
Vgl. Gudehus, 2004, S. 979. Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 335. §§453ff., HGB.
272
D.3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
wie die Sicherstellung der Schadensersatzansprüche des Versenders. Hierzu schließt er die notwendigen Verträge mit anderen Dienstleistern, z. B. Frachtführern, Verpackern oder Lagereien im eigenen Namen oder, sofern er hierzu bevollmächtigt ist, im Namen des Versenders ab. Außerdem zählt zu den Pflichten des Spediteurs, wenn dies entsprechend vereinbart ist, die Ausführung sonstiger auf die Beförderung bezogener Leistungen. Im HGB werden beispielsweise die Versicherung und die Verpackung des Gutes, die Kennzeichnung sowie die Zollabwicklung angeführt. Tatsächlich gehen die Angebote jedoch darüber hinaus und umfassen oft die Lagerung und Kommissionierung von Gütern und schließen mittlerweile sogar die Konfiguration von Endprodukten oder Montagetätigkeiten beim Empfänger der Ware ein. In der Praxis umfasst das Arbeitsgebiet von Spediteuren die gesamten logistischen Dienstleistungen sowie weitere sonstige Nebenleistungen, auf die auch in Abb. D.10 hingewiesen wurde. Spediteure kaufen national und international logistische Dienstleistungen und damit zusammenhängende Nebenleistungen ein, ergänzen sie im erforderlichen Umfang durch selbst erstellte Leistungen und verkaufen sie zusammen als Gesamtleistung gewinnbringend an den Auftraggeber.81 Die Spedition ist als Keimzelle für Logistikunternehmen anzusehen, die komplette logistische Dienstleistungspakete anzubieten in der Lage sind. In angelsächsischen Sprachgebrauch ist für solche Spediteure der Begriff Third Party Logistics Service Provider (3PL) üblich. Die von denen angebotenen Dienstleistungspakete bezeichnet man mit dem Begriff Kontraktlogistik. Wichtige Charakteristika der Kontraktlogistik sind die individuell den Bedürfnissen des Verladers angepassten und ausgestalteten Dienstleistungen.82 Für die Realisierung des Angebots hat die Spedition zwei grundsätzliche Möglichkeiten. Sie kann sich entweder auf die eigentliche Speditionstätigkeit beschränken, die in der Planung, Organisation und Steuerung des Güter- und Informationsflusses, der mit der Güterversendung verbunden ist, besteht und mit der Durchführung andere Speditionen oder spezialisierte Logistikunternehmen wie Transport-, Umschlags-, Lager- oder Verpackungsunternehmen beauftragen. Sie werden auch als Fourth Party Logistics Service Provider (4PL) in einem Beziehungsgeflecht zwischen Verlader, dessen Kunden sowie ausführenden Logistikunternehmen bezeichnet.83 Oder die Spedition kann diese Tätigkeiten selbst ausführen. Man spricht dann vom Selbsteintritt der Spedition.84 Da jedoch der Einsatz eigener Fahrzeuge vor allem bei einfachen Transporten unrentabel ist, ist mit einer kostensparenden Reduzierung des Selbsteintritts durch Outsourcing der Frachtführerschaft an Subunternehmer zu rechnen.85 Daraus resultierend zeichnet sich unter den Speditionen eine Polarisierung ab, bei der sich Zulieferer qualitativ hochwer81 82 83 84 85
Vgl. Eßig, 2007, S. 425ff. Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 115f. Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 115. §458, HGB. Somit korrespondieren die abnehmenden Fertigungstiefen in Industrie und Handel mit ebenfalls abnehmenden Fertigungstiefen der Speditionen, vgl. Ihde, 1989, S. 136.
3.4
Logistikzentren
273
tiger Systemdienste und Logistikkomponenten gegenüber reinen Frachtführern abheben.86 Somit bilden sich Speditionspyramiden für logistische Dienstleistungen heraus, an deren Spitze jeweils einzelne Speditionen mit integrierenden Systemlogistikdiensten stehen, gefolgt von Zulieferern logistischer Teilsysteme in der Mitte und vielen Komponentenspeditionen am Boden der Pyramide.87 Unabhängig von der Art und Weise der Ausführung der Logistikaufgaben finden sich bei Speditionen häufig Spezialisierungen auf bestimmte Transportmittel als Kraftwagen-, Bahn-, Seeschifffahrts- und Luftfrachtspeditionen, auf bestimmte Gütergruppen als Möbel-, Kleider- oder Schwergutspeditionen, auf bestimmte Transportrelationen oder auf Inlands-, Grenz- oder internationale Transporte sowie auch auf einzelne Funktionsbereiche, wie etwa Versand-, Empfangs-, Platz-, Abfertigungs- oder Umschlagsspeditionen.88 Vermittler Neben den Speditionen, die auch im eigenen Namen Verträge über Güterbeförderungen abschließen, gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die als Frachtvermittler tätig sind. Sie vermitteln Vertragsabschlüsse zwischen Verladern und Transportunternehmen insbesondere im See- und Luftverkehr und betreiben Befrachtungs-, Klarierungs-, Agentur- und/oder An- und Verkaufsgeschäfte z. B. für Seeschiffe.89 Im Internet haben sich in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Vermittlern etabliert, die in Form so genannter elektronischer Frachtbörsen die Vermittlung von Aufträgen übernehmen, wobei hier häufig die Vermittlung von freien Kapazitäten und damit die Vermeidung von Leerfahrten im Vordergrund steht. Bei der Vermittlung wird unterschieden zwischen Maklern und Agenten. Makler vermitteln von Fall zu Fall Fracht für Gelegenheitsverkehre in Form von Raum- und Zeitfrachtverträgen, ohne von ihren Auftraggebern ständig mit dieser Aufgabe betraut zu sein. Agenten sind ähnlich wie Handelsvertreter auf Dauer von einzelnen Reedereien oder Luftverkehrsgesellschaften mit deren Vertretung betraut, um Ladung zu akquirieren.90
3.4
Logistikzentren
Im Zusammenhang mit der Diskussion von Knotenpunktsystemen in Transportketten91 gehören Logistikzentren zu den am häufigsten diskutierten Planungsvorhaben im Verkehrsbereich. Unter einem Logistikzentrum ist ein Wirtschaftszentrum zu verstehen, in dem von einem oder mehreren Unternehmen neben Transportleistungen ein weites Spektrum logistischer Dienstleistungen angeboten wird, das 86 87 88 89 90 91
Vgl. Florian, 1995, S. 55. Vgl. Haubold/Stahl, 1994, S. 321f. Vgl. Aberle, 2009, S. 270ff. Vgl. Biebig/Althof/Wagener, 2008, S. 13. Vgl. Kummer, 2006, S. 283f. Siehe Kap. B, Abschn 5.4.
274
D.3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
häufig noch durch zusätzliche Leistungen ergänzt wird. Es lassen sich eine ganze Reihe verschiedener Ausprägungsformen von Logistikzentren unterscheiden, von denen die wichtigsten im Folgenden beschrieben werden:92 Frachtzentrum: Unter einem Frachtzentrum ist eine Anlage der DEUTSCHEN BAHN AG oder der Post zu verstehen, die der zentralen Gütersammlung und -verteilung dient. Transportgewerbegebiet: Die Bildung eines Transportgewerbegebietes beruht auf der gezielten Ansiedlung von Logistikunternehmen mit dem Schwerpunkt, eine Schnittstelle zwischen Nah- und Fernverkehr zu bilden. Obwohl in einem Transportgewerbegebiet kein zentrales Organ existiert, das die Ansiedlung und die Aktivitäten der Unternehmen koordiniert, lässt sich ein solches Gebiet durch kooperative Leistungsangebote und die kooperative Nutzung der Infrastruktur kennzeichnen. Güterverteilzentrum (GVtZ): Ein Güterverteilzentrum, in einigen Fällen auch als Warenverteilzentrum bezeichnet, dient in erster Linie der Verteilung von Gütern, d. h. die Erbringung von Distributionsleistungen steht im Vordergrund. Unter einem GVtZ „wird im Allgemeinen die Anlage eines größeren Spediteurs verstanden, welche als Hauptfunktion Transport-, Lager- und Umschlagsaufgaben und als Nebenfunktion verschiedene Dienstleistungsaufgaben wahrnimmt. Auch kooperative Zusammenschlüsse können als Güterverteilzentrum bezeichnet werden. Ein GVtZ lässt sich aber nicht durch die Integration mehrerer Verkehrsträger definieren.“93 Stattdessen ist ein GVtZ wie ein Transportgewerbegebiet auf die Bildung von Transportketten eines Verkehrsträgers ausgerichtet. Logistikpark: Als Logistikpark kann eine Ansammlung von Warenverteilzentren logistischer Dienstleistungsunternehmen bezeichnet werden, die sich oftmals in der Nähe eines Systemknotens eines Kurier-, Express- und Paketdienstleisters (KEP-Dienstleister) befindet. Dadurch entstehen kurze Laufzeiten zwischen den Warenverteilzentren und dem Systemknoten des KEP-Dienstleisters, was wiederum zu kürzeren Ladeschlusszeiten im Warenverteilzentrum führt und ein Verlängern des Annahmeschlusses für Bestellungen ermöglicht. Somit können die ansässigen Logistikdienstleister ihren Lieferservice verbessern und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Außerdem können logistische Dienstleister auch kooperieren, indem sie sich gegenseitig bei bestehenden Kapazitätsengpässen aushelfen. Industriepark: Ein Industriepark ist eine abnehmernahe, gemeinschaftliche Ansiedlung von mehreren Zulieferern eines Abnehmers und/oder der eingeschalteten Dienstleister. Die Festlegung des Standorts eines Industrieparks erfolgt durch eine 92
93
Zu einer Auflistung der verschiedenen Ausprägungsformen von Logistikzentren vgl. Gareis, 2002, S. 16ff.; Vahrenkamp, 2002, S. 373-377; Gudehus, 2005, S. 25ff. Siehe auch Kap. E, Abschn. 2.1. Glaser, 1993, S. 215.
3.4
Logistikzentren
275
gesamtheitliche Erschließungs- und Ansiedlungsplanung. Im Verlauf des Betriebes des Standorts werden zum einen die gemeinschaftlichen Gebäude, Flächen und Infrastruktureinrichtungen bereitgestellt, zum anderen führen die im Industriepark angesiedelten Unternehmen abnehmerspezifische Logistik- und Fertigungsprozesse durch. Mit der Errichtung eines Industrieparks können im Rahmen der Beschaffungslogistik sowohl die Kosten reduziert als auch der Service verbessert werden. Des Weiteren lassen sich enge Geschäftsbeziehungen aufbauen und absichern. Güterverkehrszentrum (GVZ): Ein Güterverkehrszentrum ist in erster Linie durch seine Schnittstellenfunktion gekennzeichnet. Es dient als Systemwechselpunkt zwischen dem systemkonformen Einsatz verschiedener Verkehrsträger (Schiene, Straße, Binnenschiff) sowie als Wechselpunkt zwischen Nah- und Fernverkehr. In einem Güterverkehrszentrum – in der Regel bei vorgegebener Infrastruktur in einer verkehrsgünstigen Region angesiedelt – werden Verkehrs- und Dienstleistungsunternehmen zusammengeführt, die in lokalen und regionalen Kooperationen ein möglichst großes Leistungsspektrum anbieten.94 Die Leistungen Umschlagen und Umladen gelten als unverzichtbare Bestandteile; die Kernfunktion eines GVZ bildet im Allgemeinen der Kombinierte Verkehr. Citylogistik: Güterverteilzentren werden heute auch im Zusammenhang mit dem Schlagwort Citylogistik diskutiert. Obwohl durch die Einrichtung zentraler Läger der Filialunternehmen des Einzelhandels bereits Warensendungen einer Vielzahl verschiedener Lieferanten gebündelt werden konnten, sind die Innenstädte nach wie vor durch den Lieferverkehr, bei einem Warenhaus z. B. bis zu 198 Anlieferungen pro Woche, in erheblichem Maße belastet.95 Als Hauptschwierigkeiten bei der Belieferung innerstädtischer Geschäfte werden in einer Studie des EUROPÄISCHEN HANDELSINSTITUTS die Einschränkung der Lieferzeiten, die Beschränkung der Lkw-Größe, die zu engen Straßen (durch Straßenrückbau) und der ruhende Pkw-Verkehr genannt. Insgesamt erwartet man sogar eine Verschlechterung der skizzierten Situation. Hinzu kommt, dass der überwiegende Teil der Lieferungen durch Dritte und nicht vom eigenen Lager erfolgt.96 Eine Lösungsmöglichkeit bietet das Citylogistik-Konzept, das auf einer ganzheitlichen Sichtweise des Wirtschaftsverkehrs in Städten beruht. Es umfasst Überlegungen sowohl zur Ver- und Entsorgung als auch zu den Problemen, die durch Luftbelastungen, Lärm, Unfälle und Staus entstehen.97 Ziel ist es, mittels einer raum- statt warenbe94
95
96 97
Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 778. Weitere Ausführungen zum kombinierten Verkehr siehe Kap. B, Abschn. 5.4 und zur Kombination der Verkehrsnetze siehe Kap. E, Abschn. 2.1. Vgl. Europäisches Handels-Institut, 1994, S. 9. Allerdings wird in Studien zu Recht darauf hingewiesen, dass auf den Lkw-Verkehr lediglich 4,7% des Gesamtverkehrsaufkommens entfällt, also der weitaus überwiegende Teil der Belastung (ca. 90%) aus dem Pkw-Verkehr resultiert, vgl. Europäisches Handels-Institut, 1994, S. 2f. Vgl. Europäisches Handels-Institut, 1994, S. 11. Vgl. Wittenbrink, 1995, S. 5; Berg, 1999, S. 135ff. Dort wird aufgezeigt, dass durch die Umsetzung eines Citylogistik-Konzeptes in München die Verkehrsbelastung (bezogen auf ge-
276
D.3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft Stadtzentrum
GVtZ
Ohne City-Logistik Konzept
Abb. D.13
City-Logistik Konzept
Positive Effekte des Citylogistik-Konzeptes am Beispiel der Stadt Regensburg
zogenen Bündelung eine Reduktion der Verkehrsleistung in den Innenstädten bei gleichbleibender Transportleistung zu erreichen.98 Beteiligte an solchen Konzepten sind einerseits Einzelhandels- und logistische Dienstleistungsunternehmen und andererseits die Kommunen, von denen die Rahmenbedingungen vorgeben werden.99 Realisiert werden können solche Citylogistik-Konzepte durch den Aufbau von GVtZ in verkehrsgünstiger Stadtrandlage, die von verschiedenen Herstellern und Transportdienstleistern beliefert werden und deren Waren für verschiedene Kunden bestimmt sind. Die GVtZ können dabei von mehreren Dienstleistern in Kooperation betrieben werden.100 Die in den Innenstädten liegenden Handelsunternehmen werden dank des Bündelungseffektes mit weniger Fahrzeugen effizienter beliefert, wodurch gleichzeitig auch eine Entlastung der Umwelt erreicht wird. Ein Beispiel für die positiven Effekte eines kooperativen Citylogistik-Konzepts findet sich in Regensburg (vgl. Abb. D.13). 101 Über 100 Handelsunternehmen wurden in dem Projekte involviert und täglich werden mindestens 25 Geschäfte
98 99
100 101
fahrene Kilometer) um 27% zurückgehen kann, was auch zu einer deutlichen Senkung der Lärm- und Schadstoffbelastung sowie des Kraftstoffverbrauches führt. Vgl. Hatzfeld/Hesse, 1994, S. 647f.; Kaupp, 1998, S. 24. Zu Kooperationen von Speditionen in der Citylogistik vgl. Eberhart, 1995, S. 116ff.; Kaupp, 1998. Siehe auch den Hinweis auf die überbetriebliche Kooperation in Kap. D, Abschn. 4.2. Zu den unterschiedlichen Interessen der Akteure der Citylogistik vgl. Hatzfeld/Hesse, 1994, S. 648f. Vgl. Pfohl, 1993b, S. 117f.; Kaupp, 1998, S. 23ff. Vgl. Bottler, 2008, S. 6. Andere Beispiele für die positiven Effekte eines CitylogistikKonzepts finden sich in Freiburg und München, vgl. Berg, 1999.
3.5
Rechts- und Organisationsformen
277
beliefert. Befuhren früher 7-8 schlecht ausgelastete Fahrzeuge die Innenstadt, liefern heute, je nach Bedarf, nur eines oder in seltenen Fällen zwei gut ausgelastete Fahrzeuge die Tonnage aller Partner aus. Durch die Kooperation der Speditionen werden in der Altstadt von Regensburg Lkw-Einsätze eingespart. Verglichen mit dem Zustand vor der Einführung des Konzeptes spart das kooperative Citylogistik-Konzept durchschnittlich 4300 Lkw-Kilometer im Jahr in der etwa einen Quadratkilometer großen Innenstadt.
3.5
Rechts- und Organisationsformen
Rechtsformen Als Rechtsformen kommen für Logistikunternehmen grundsätzlich die gleichen in Frage, wie für andere Unternehmen. Jedoch haben sich einige Besonderheiten herausgebildet, die in der Beteiligung der öffentlichen Hand, der Verflechtung mit anderen Unternehmen sowie in den besonders großen Kapitalbedürfnissen der Seeschifffahrt begründet liegen. Auf diese Besonderheiten wird im Folgenden eingegangen, wobei zunächst nach den Eigentumsverhältnissen gegliedert wird:102 x Öffentliche Unternehmen als Regiebetriebe oder als Sondervermögen: Solche Unternehmen stehen in vollem Eigentum von Gebietskörperschaften, Bund, Ländern oder Gemeinden. Sie haben zumeist auch gemeinwirtschaftliche Ziele zu verfolgen. Beispiele hierfür sind das Bundeseisenbahnvermögen oder Nahverkehrsbetriebe. x Öffentliche Unternehmen als AG oder GmbH: Sie sind ebenfalls in vollem oder aber überwiegendem Eigentum der öffentlichen Hand. Sie haben Auflagen ihrer öffentlichen Eigentümer bezüglich Leistungsangebot und -erstellung zu erfüllen, die ebenfalls auf gemeinwirtschaftlichen Zielsetzungen basieren. Dafür erhalten sie durch den öffentlichen Eigentümer gegebenenfalls einen gewissen Marktschutz. Diese Rechtsform weisen z. B. die DEUTSCHE BAHN AG, die DEUTSCHE LUFTHANSA AG, Flughafengesellschaften, Seehafenumschlagsbetriebe und einige öffentliche Nahverkehrsbetriebe auf. x Konzernunternehmen: Solche Unternehmen haben die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, wobei das Kapital ausschließlich oder überwiegend von einem Konzern der verladenden Wirtschaft gehalten wird. Daraus resultiert eine Einordnung der Ziele des Logistikunternehmens in die Ziele des Gesamtkonzerns. Bei solchen Verflechtungen der verladenden Wirtschaft mit Logistikunternehmen spricht man bezüglich der von ihnen erbrachten Transportleistungen auch von unechtem Werkverkehr, wodurch der Einfluss der verladenden Wirtschaft zum Ausdruck gebracht wird.103
102 103
Vgl. Stabenau, 1994, S. 31. Umgekehrt ist auch zu beobachten, dass sich konzerninterne Dienstleister zu offen am Markt agierenden Dienstleistern wandeln, vgl. Kowalski, 1999, S. 42f.
278
D.3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
x Logistikunternehmen als Kapitalgesellschaft: Dies sind größere oder mittlere Unternehmen, deren Kapital sich in Familien- und/oder Streubesitz befindet. x Logistikunternehmen als Personengesellschaft: Hierzu zählen die vielen, meist kleinen Unternehmen, die einer einzigen Person oder einem kleinen Personenkreis gehören. Unter den öffentlichen Unternehmen haben die DEUTSCHE BAHN AG und die DEUTSCHE LUFTHANSA AG besondere Bedeutung. Die durch die Bahnreform eingeleitete Privatisierung der ersteren ist organisatorisch weitestgehend abgeschlossen. Das einstige Staatsunternehmen, dessen rechtliche Sonderstellung im Artikel 87 des Grundgesetzes geregelt war, wurde in eine Holding mit der DEUTSCHEN BAHN AG als Konzernobergesellschaft überführt. Wie in Abb. D.14 dargestellt, gliedert der Konzern sich in 9 Geschäftsfelder:104 x Im Geschäftsfeld DB Netze Fahrweg ist die DB NETZ AG Dienstleister für die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). DB Netz ist verantwortlich für den Betrieb der leistungsfähigen Eisenbahninfrastruktur (Fern-/Ballungsnetz, Regionalnetz, Zugbildungs- und -behandlungsanlagen). x Im Geschäftsfeld DB Netze Personenbahnhöfe ist die DB STATION & SERVICE AG für den Betrieb der Personenbahnhöfe als Verkehrsstation sowie für die Entwicklung und Vermarktung der damit in Verbindung stehenden Bahnhofsflächen zuständig. x DB Energie liefert Bahnstrom und Treibstoffe an die Bahn und alle Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland. x Das Geschäftsfeld Fernverkehr hat den gesamten Personenfernverkehr übernommen und ist für dessen Abwicklung verantwortlich. Es ist ihr Ziel, durch umfassende Verkehrs- und Serviceangebote und die Abstimmung mit anderen Verkehrsträgern ein attraktives Angebot zu schaffen und Kunden an die Bahn zu binden. x Im Geschäftsfeld Bahn Regio hat die DB REGIO AG den regionalen Personenverkehr der Bahn übernommen. Seit 1996 sind die Länder für den gesamten ÖPNV zuständig, auch für den Schienenverkehr. Die Länder bzw. eigens gegründete Verkehrsverbände, entscheiden über die einzurichtenden Verbindungen und schreiben diese i. d. R. öffentlich aus. Die DB REGIO AG steht bei diesen Ausschreibungen normalerweise in Konkurrenz zu anderen Wettbewerbern, z. B. landeseigenen (Hessische Landesbahn), privaten (Deutsche Eisenbahngesellschaft) oder ausländischen (Mittel-Thurgau-Bahn) Bahngesellschaften. x Das Geschäftsfeld DB Bahn Stadtverkehr verantwortet die S-Bahnen in Berlin und Hamburg sowie 22 Busgesellschaften in Deutschland. x Im Geschäftsfeld DB Schenker Rail werden die europaweiten Aktivitäten im Schienengüterverkehr geführt. Sie hat ein vielfältiges Angebot, das über den reinen Transport per Bahn hinausgeht. Beispielsweise werden im Rahmen des 104
Vgl. Deutsche Bahn AG, 2008b.
3.5
Rechts- und Organisationsformen
279
Abb. D.14
DB Dienstleistungen
DB Schenker Logistics
DB Schenker Rail
DB Bahn Stadtverkehr
DB Bahn Regio
DB Bahn Fernverkehr
DB Netze Energie
DB Netze Personenbahnhöfe
DB Netze Fahrweg
Deutsche Bahn AG
Geschäftsfelder der DEUTSCHE BAHN AG (Quelle: in Anlehnung an Deutsche Bahn AG, 2008a)
kombinierten Verkehrs auch Haus-zu-Haus-Transporte und individuelle Transportlösungen angeboten. x Mit dem Geschäftsfeld DB Schenker Logistics werden weltweit Speditionsund Logistikdienstleistungen angeboten. x Das Geschäftsfeld Dienstleistungen umfasst sechs verschiedene Dienstleistungsbereiche: DB Fahrzeuginstandhaltung, DB Systel, DB Services, DB Fuhrpark sowie DB Kommunikationstechnik und DB Sicherheit. Die verkehrsbezogenen Dienstleistungen des Geschäftsfelds werden hauptsächlich für konzerninterne Kunden erbracht. Das zweite große Staatsunternehmen die DEUTSCHE LUFTHANSA AG wurde seit 1965 nach und nach privatisiert. 1997 gab der Bund die letzten Aktienanteile ab. Heute ist die Lufthansa eine Holding mit einer komplexen Struktur von Tochterunternehmen, die bei der Leistungserbringung teilweise eng miteinander kooperieren. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, hat die Lufthansa mit anderen Fluggesellschaften als strategische Allianz die Star Alliance aufgebaut. Dadurch wurde es für die Lufthansa möglich, das internationale Angebot auszuweiten, ohne das eigene Netz zu vergrößern. Eine speziell für die Seeschifffahrt geschaffene Rechtsform ist die Partenreederei. In einer solchen Ein-Schiff-Gesellschaft schließen sich mehrere Personen als Mit- oder Partenreeder zusammen, von denen jede ein Bruchteilseigentum an einem Schiff (Schiffspart) besitzt, das für gemeinsame Rechnung zum Erwerb durch Seefahrt verwendet wird.105 Die Rechte und Pflichten der Partenreeder richten sich nach den Eigentumsanteilen, die als Parten bezeichnet werden. Die Geschäftsführung wird üblicherweise einem so genannten Korrespondentenreeder 105
Vgl. Schneck, 2006, S. 146f.
280
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
übertragen, der nicht zu den Partenreedern gehören muss, sondern häufig ein Schiffsmakler ist. Nach außen tritt die Partenreederei aufgrund von Mehrheitsbeschlüssen der Partenreeder unter dem Namen des Schiffes auf. Organisationsformen Die Überlegungen bezüglich der Organisation von Logistikunternehmen sind bei der Wahl der Rechtsform grundsätzlich die gleichen wie bei anderen Unternehmen, so dass beispielsweise die gleichen Zentralisierungskriterien für die Bildung der Organisationseinheiten in Frage kommen.106 Bei der Anwendung des Zentralisierungskriteriums Objekt ergeben sich lediglich zwei Besonderheiten. Die erste Besonderheit ist, dass bei einer produktorientierten Organisation die Organisationseinheiten nicht nach Sachgütern, sondern nach den verschiedenen logistischen Dienstleistungsarten gebildet werden können. Die zweite Besonderheit ergibt sich aus der Tatsache, dass Logistikunternehmen häufig über mehrere regionale Niederlassungen verfügen. Demzufolge spielt das Zentralisierungskriterium Region bei Logistikunternehmen generell eine größere Rolle als bei Unternehmen der verladenden Wirtschaft, bei denen es erst in sehr großen Unternehmen Bedeutung erlangt.
4
Interorganisatorische Logistiksysteme
4.1
Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen
Logistische Schnittstellen Schnittstellen lassen sich generell als Systemgrenzen definieren. Logistische Schnittstellen sind demnach Grenzen zwischen einem bestimmten Logistiksystem und anderen Logistiksystemen bzw. mit anderen Arten von Systemen (z. B. Beschaffungs-, Produktions- oder Absatzsysteme). Da der Güter- und Informationsfluss durch ein Unternehmen bzw. zwischen Unternehmen immer mehrere technische, organisatorische oder rechtliche Systeme durchquert, spielen Schnittstellen in der Logistikkonzeption eine große Rolle. Ist es doch gerade der Kern der Logistikkonzeption, die Schnittstellen zwischen den logistischen Teilsystemen so zu gestalten, dass Logistikprobleme auf der Grundlage des Systemdenkens gelöst werden können. Abb. D.15 gibt einen Überblick über logistische Schnittstellen, die
106
Zu einem Beispiel für die Aufbauorganisation eines Speditions- und Lagereiunternehmens vgl. Schumacher, 1988, S. 144.
Abb. D.15
3. Ordnung
2. Ordnung
1. Ordnung
Schnittstelle
Logistische Vollzugsinformation z.B. zwischen: Lagerwesen und Bestandsführung, Transport und Auftragsbearbeitung usw. z.B. zwischen: Auftragsbearbeitung und Verkauf, Produktion und Transportwesen usw.
z.B. zwischen: Versand Zulieferunternehmen und Beschaffung Abnehmerunternehmen
Dispositive Information z.B. zwischen: Auftragsbearbeitung und Bestandsführung, Programmplanung und Lagerwesen usw. z.B. zwischen: Verkauf und Programmplanung, Einkauf und Beschaffung usw.
z.B. zwischen: Auftragsbearbeitung Zulieferunternehmen und Disposition Abnehmerunternehmen
Planungsinformation
Integrierte Planung der logistischen Subsysteme und Elemente
Abstimmung der Logistikplanung mit den übrigen Unternehmensplänen (Finanz-, Investitions-, Personalplan usw.)
Unternehmensübergreifende Abstimmung der logistischen Systeme zwischen zusammenarbeitenden Unternehmen
Übertragungsobjekt Physische Objekte Abstimmung von: Produkt, Verpackung, Ladeeinheiten, Förder-, Lager- und Transportsystem
z.B. zwischen: den logistischen Elementen und dem Produktionssystem
z.B. zwischen: Versand Zulieferer und Wareneingang Abnehmer, ausgetauschte Ladeeinheiten mit den jeweiligen Produktionssystemen usw.
Serviceinformation z.B. zwischen: Logistikplanung und ausführenden Stellen
Abstimmung der Einkaufs-, Verkaufs- und Produktionskapazitäten durch die Logistik z.B. zwischen: Marktforschung Abnehmer und Programmplanung Zulieferer (Mitteilung von registrierten Marktverschiebungen)
4.1 Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen 281
Klassifikation und Beispiele logistischer Schnittstellen (Quelle: Feierabend, 1980, S. 59)
282
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
nach der Art des Übertragungsobjektes (Güter oder Informationen) sowie nach der Art der Schnittstelle (Art der Systemgrenze) klassifiziert werden. Logistische Schnittstellen erster und zweiter Ordnung sind unternehmensinterne Schnittstellen. Auf die Schnittstellen erster Ordnung wurde explizit bei der Behandlung des Subsystems Auftragsabwicklung hingewiesen.107 Die Schnittstellen zweiter Ordnung standen im Mittelpunkt der Ausführungen in Kap. C zu den phasenspezifischen Subsystemen der Logistik sowie bei der Diskussion der Eingliederung der Logistik in eine mehrdimensionale Organisationsstruktur.108 Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen nicht mehr diese intraorganisatorischen Schnittstellen, sondern die unternehmensübergreifenden oder interorganisatorischen Schnittstellen, die als Schnittstellen dritter Ordnung bezeichnet werden. Diese Schnittstellen wurden schon bei der Diskussion der Verknüpfung logistischer Informationssysteme im Rahmen der Auftragsabwicklung109 sowie bei der Behandlung der logistischen Einheiten und des Transports110 angesprochen. Die Warenverkehr
Versender
Frachtführer
Versandspediteur
Abb. D.16
Empfänger
Empfangsspediteur
Interorganisatorische Schnittstellen in einer Transportkette (Quelle: in Anlehnung an Bundesministerium für Forschung und Technologie, 1980, S. 2)
Vielfalt interorganisatorischer Schnittstellen ist in Abb. D.16 am Beispiel der Transportkette dargestellt. Interorganisatorische Beziehungen Die Durchführung und Koordination der Aufgaben im interorganisatorischen Güter- und Informationsfluss kann mit einer Vielzahl von Problemen an den vorstehend beschriebenen Schnittstellen dritter Ordnung verbunden sein. Wie diese Probleme an den Schnittstellen gehandhabt werden, hängt von der Art der jeweiligen interorganisatorischen Beziehungen ab, die in Abb. D.17 im Zusammenhang des gesamten Beziehungsgefüges eines Unternehmens dargestellt sind. 107 108 109 110
Siehe Kap. B, Abschn. 1.2 und 1.4. Siehe Kap. D, Abschn. 1.4. Siehe Kap. B, Abschn. 1.4. Siehe Kap. B, Abschn. 4.3, Abschn. 5.2 und 5.4.
4.1
Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen
283
Danach kann zwischen interorganisatorischen Beziehungen mit vorwiegend gleichgerichteten und vorwiegend gegeneinander gerichteten Interessen unterschieden werden. Bei letzteren differenziert man zwischen Wettbewerb und Konflikt: beim Wettbewerb besteht eine allgemeine wechselseitige Rivalität zwischen zwei Organisationen, die nicht an einzelne konkrete Entscheidungssituationen gebunden ist, während der Konflikt sich stets auf eine konkrete Entscheidungssituation bezieht. Bei den interorganisatorischen Beziehungen mit vorwiegend gleichgerichteten Interessen unterscheidet man mit zunehmendem Grad der Verflechtung die normale Geschäftsbeziehung, die Kooperation, den Konzern und die Fusion, wobei die beiden letztgenannten Arten als unterschiedliche Ausprägungen der Konzentration eingeordnet werden können.111 Die normale Geschäftsbeziehung kennzeichnet sich dadurch, dass im Gegensatz zur Kooperation jederzeit einer der Beteiligten kurzfristig ersetzt werden kann. Noch stärker als bei der Kooperation ist die Verflechtung bei dem Konzern. Denn die Konzernunternehmen behalten zwar ihre rechtliche, verlieren aber ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit. Der stärkste Grad wird bei der Fusion erreicht, da in diesem Fall auch die rechtliche Selbstständigkeit verloren geht und die interorganisatorischen Beziehungen zwischen den fusionierenden Unternehmen zu intraorganisatorischen Beziehungen werden. Im Folgenden wird auf die Kooperation als interorganisatorische Beziehung eingegangen, durch die Systeme der Metalogistik entstehen. 112 Konstitutive Merkmale einer Kooperation sind das gemeinsame, zielgerichtete Wirken und die wirtschaftliche sowie rechtliche Selbstständigkeit der beteiligten Unternehmen.113 Mit gemeinsamem Wirken ist gemeint, dass bewusste Absprachen zwischen zwei Kooperationspartnern erfolgen. Diese Absprachen können sich auf gemeinsame Zielsetzungen, auf die Entscheidungen über die Art der Aufgabenerfüllung oder aber auf die tatsächliche Ausübung von Tätigkeiten erstrecken. Entscheidend ist, dass die Intensität der Absprache ein kurzfristiges Austauschen der Kooperationspartner und damit ein Übergehen in die normale Geschäftsbeziehung unmöglich macht (z. B. wegen vorgenommener Investitionen, Anpassung technischer Systeme, Anpassung organisatorischer Strukturen). Daraus folgt, dass Langfristigkeit der Zusammenarbeit ein weiteres Merkmal einer Kooperation ist. Zwar kann die Entscheidungsfreiheit durch die gegenseitige Absprache eingeschränkt werden, doch bleibt in Kooperationen die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Kooperationsmitglieder insoweit erhalten, als jedes der Unternehmen autonom über seinen Austritt aus der Kooperation entscheiden kann. Die rechtliche Selbstständigkeit der beteiligten Unternehmen erlaubt eine Abgrenzung der Kooperation gegenüber der Fusion.
111 112 113
Vgl. Krass, 1984, S. 66ff.; Freichel, 1992, S. 54ff. Siehe Abb. A.5 in Kap. A, Abschn. 1.4. Vgl. Krass, 1984, S. 70ff.; Kleer, 1991, S. 60ff.
Abb. D.17
• Rivalität bezogen auf einzelne konkrete Entscheidungssituationen
Konflikt • eher kurzfristige, unbeständige Interaktion zwischen den Beteiligten • Beteiligte sind leichter austauschbar
Normale Geschäftsbeziehungen
Konzentration
• rechtliche Selbstständigkeit der Teilgesellschaften
• Aufgabe der rechtlichen Selbstständigkeit
Fusion
• Aufgabe bzw. erhebliche Einschränkung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit der Beteiligten
Konzern
• Weitgehende Beibehaltung der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbstständigkeit der Beteiligten • eher langfristige, beständige Interaktion zwischen den Beteiligten • Beteiligte sind schwieriger austauschbar
Kooperation
mit vorwiegend gleichgerichteten Interessen der Beteiligten
Intraorganisatorische Beziehungen
Von links nach rechts: wachsende Intensität der Beziehungen, steigender Konzentrationsgrad und sinkende wirtschaftliche Dispositionsfreiheit
• Allgemeine wechselseitige Rivalität
Wettbewerb
mit vorwiegend gegeneinander gerichteten Interessen der Beteiligten
Interorganisatorische Beziehungen
Beziehungsgefüge eines Unternehmens
284 D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
Beziehungsgefüge eines Unternehmens (Quelle: mit Änderungen entnommen aus Freichel, 1992, S. 54)
4.1
Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen
285
Konflikte in Kooperationen Interorganisatorische Beziehungen mit vorwiegend gleichgerichteten und vorwiegend gegeneinander gerichteten Interessen schließen sich nicht aus. Wie die intraorganisatorischen Beziehungen in Institutionen, so sind auch die interorganisatorischen Beziehungen zwischen Institutionen durch die Existenz von Konflikten gekennzeichnet. Konflikte müssen jedoch nicht notwendigerweise eine Kooperation zwischen den Institutionen im Logistikkanal verhindern. Zwischen zwei im Logistikkanal zusammenarbeitenden Institutionen wird es immer sowohl gleichgerichtete als auch gegeneinander gerichtete Beziehungen geben. Es ist zwar offensichtlich, dass die Existenz gleichgerichteter Beziehungen das Entstehen einer Kooperation erleichtert und bei der bestehenden Kooperation gegenüber den gegeneinander gerichteten Beziehungen vorherrschen müssen. Doch geht es nicht um die Frage, die aus den gegeneinander gerichteten Beziehungen resultierenden Konflikte zu beseitigen. Es geht, wie auch bei den intraorganisatorischen Konflikten, in einer Kooperation darum, die Konflikte durch ein geeignetes Konfliktmanagement zu regeln bzw. zu handhaben. Ihre Ursache haben Konflikte in Ziel-, Rollen-, Macht- und Kommunikationsbeziehungen.114 Zielkonflikte entstehen dann, wenn durch das Erreichen des Zieles eines Kooperationspartners das Erreichen des Zieles eines anderen Kooperationspartners beeinträchtigt wird. Rollenkonflikte treten auf, wenn die Vorstellungen über die Rolle, die von einer Institution im Logistikkanal wahrzunehmen ist – z. B. Ausübung logistischer Funktionen durch eine Spedition in der Rolle als klassischer Spediteur entsprechend den gesetzlichen Minimalanforderungen oder in der Rolle als Logistikunternehmen mit einem Angebot von logistischen Dienstleistungspaketen bis hin zur Logistikberatung – nicht übereinstimmen. Solche Konflikte treten besonders deshalb auf, weil sich infolge des logistischen Denkens die traditionellen Vorstellungen darüber, welche Rolle ein Mitglied des Logistikkanals bei der Wahrnehmung von Logistikaufgaben zu spielen hat, ändern. Machtkonflikte resultieren daraus, dass ein Mitglied des Logistikkanals aufgrund seiner Machtfülle andere Logistikkanalmitglieder zu Entscheidungen zwingen kann, die sie sonst nicht getroffen hätten. Die Fähigkeit zur Machtausübung sowie die Fähigkeit zur Mobilisierung von Machtressourcen und Unterstützung bei anderen Mitgliedern des Logistikkanals sind wichtige Merkmale von Unternehmen, die als Führer in Logistikkanälen auftreten und ihre logistische Kontrollspanne ausdehnen.115 Informationskonflikte resultieren daraus, dass Mitglieder des Logistikkanals bei ihren Entscheidungen von unterschiedlichen Informationen ausgehen. Die Differenzen in der Informiertheit können auf mangelnde Kommunikation im Logistikkanal, aber auch auf ein bewusstes Zurückhalten von Informationen durch ein Unternehmen zurückzuführen sein.
114 115
Vgl. Pfohl, 1987, S. 18ff.; Specht/Fritz, 2005, S. 439ff. Zur Kanalführerschaft in Distributionskanälen vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 367ff.; Ihde, 2001, S. 50; Specht/Fritz, 2005, S. 457f.
286
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
4.2
Kooperation auf verschiedenen Ebenen
Kooperationen im Logistikkanal sind kein Novum. Rationalisierungs- und Leistungsgesichtspunkte haben bereits in der Vergangenheit zu vielfältigen Formen der Zusammenarbeit geführt. Während sich einige Formen dauerhaft bewährt haben und damit beinahe selbstverständlich geworden sind, haben andere Formen sehr unterschiedliche Erfolge zu verzeichnen, was auf eine höhere Instabilität bzw. Abhängigkeit von den jeweiligen unternehmensinternen und -externen Einflüssen schließen lässt. Früher teilweise vorhandene Bedenken gegenüber Kooperationen, etwa wegen eines befürchteten Verlustes an Flexibilität,116 sind mittlerweile der Einsicht in die Notwendigkeit von Kooperationen gewichen. Die wachsende Bedeutung der interorganisatorischen Beziehungen resultiert aus der zunehmenden Tendenz in Unternehmen, sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren und einen ansteigenden Anteil der Aufgaben an externe Dienstleister und Lieferanten zu vergeben.117 Hierdurch nimmt die Zahl der Schnittstellen zwischen Unternehmen zu. Dies erfordert eine verbesserte Koordination zwischen den Unternehmen in der Supply Chain,118 die ein entsprechend kooperatives Verhalten voraussetzt, damit die Vorteile dieser Gestaltungsform der Logistik zur Geltung kommen.119 Die Geschäftsbeziehungen werden enger und langfristiger. Kooperationen im Logistikkanal können auf überbetrieblicher und zwischenbetrieblicher Ebene durchgeführt werden.120 Bei überbetrieblicher Kooperation werden Logistikaufgaben in einer gemeinsam getragenen Institution abgestimmt oder in diese ausgegliedert. Entweder wird die Institution dazu neu gegründet oder es erfolgt eine Beteiligung an einer bereits bestehenden überbetrieblichen Institution. Die Ebene zwischenbetrieblicher Kooperation ist charakterisiert durch direkte Beziehungen zwischen zwei oder mehreren beteiligten Institutionen. Eine Ausgliederung von Logistikaufgaben führt in diesem Fall zu direkten Leistungsaustauschbeziehungen zwischen den Kooperationspartnern. Die Einteilung in über- und zwischenbetriebliche Kooperationen wird jedoch auch mit dem Hinweis kritisiert, dass eine gemeinsame Institution, z. B. in Form eines Gemeinschaftsunterneh116
117 118 119 120
Zu erwarteten und empfundenen Nachteilen einer Kooperation aus Sicht der Verlader und deren Auswirkungen auf die Bereitschaft der Unternehmen, eine Kooperation einzugehen, vgl. Kleer, 1991, S. 172f.; Pfohl/Kleer, 1986, S. 20. Zur Bedeutung von Motiven für den Aufbau von Kooperationen vgl. auch Pfohl/Hoop/Frayer, 1995, S. 10. Vgl. Baumgarten/Wolff, 1999, S. 48ff; Frunzke, 2004, S. 28f. Zum Supply Chain Management siehe Kap. D 4.3. Vgl. Pfohl, 1994a, S. 216. Im Zusammenhang der Ebenen interorganisatorischer Beziehungsgefüge wird üblicherweise der Begriff Betrieb (hier als über- bzw. zwischenbetrieblich) verwendet, auch wenn in der Beschreibung der konstitutiven Merkmale der Kooperation von wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen gesprochen wird. Die Verwendung des Begriffes Betrieb erscheint hier insofern als geeignet, da beispielsweise im Falle der Betrachtung eines Logistikservicenetzwerkes, einer möglichen Ausprägung der Kooperation, der lokale Logistikbetrieb als Knoten eines logistischen Netzwerkes von besonderem Interesse ist, vgl. Freichel, 1992, S. 63.
4.2
Kooperation auf verschiedenen Ebenen
287
mens, sowohl zwischen- als auch überbetrieblichen Charakter haben kann. Es wird daher vorgeschlagen, zur Charakterisierung verschiedener Beziehungsebenen von interorganisatorischen Beziehungsgefügen mit oder ohne Zentralorgan zu sprechen.121 Überbetriebliche Kooperation Überbetriebliche Kooperation im Logistikkanal findet in Form von gewerbewirtschaftlicher und gewerbepolitischer Zusammenarbeit statt. Zur gewerbewirtschaftlichen Zusammenarbeit gehören die Straßenverkehrsgenossenschaften, die gleichsam die klassische Form der überbetrieblichen wirtschaftlichen Institutionen bilden sowie die Förderungseinrichtungen der Verkehrswirtschaft. Die 18 Straßenverkehrsgenossenschaften122 verfügen über ca. 30 Autohöfe, welche mit ihren Versorgungseinrichtungen für das Personal und die Fahrzeuge Sammelpunkte des nationalen und internationalen Straßengüterverkehrs geworden sind. Ferner unterhalten sie Laderaumverteilungsstellen, die den angeschlossenen Mitgliedsunternehmen Ladegut und Laderaum, insbesondere für Rückfahrten, vermitteln. Weitere Aktivitäten sind die Frachtenabrechnung bzw. -prüfung. 123 Zu Förderungseinrichtungen zählen zentralisierte Buchhaltungsbüros, welche mit EDV die Buchhaltung von Logistikunternehmen übernehmen, spezielle Versicherungen und Betriebsberatungsdienste. Weitaus größere Bedeutung hat inzwischen die überbetriebliche Zusammenarbeit in Gestalt bestimmter Typen von Logistikservicenetzwerken124 erlangt. Hierbei kooperieren mehrere Speditionsunternehmen durch Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens (häufig auf Basis von Franchiseverträgen), u. a. um ein flächendeckendes, deutschland- oder europaweites Angebot von Logistikdienstleistungen realisieren zu können. Solche Kooperationen finden sich in der Möbeltransportbranche (CONFERN MÖBELTRANSPORTBETRIEBE GMBH), bei Paketdiensten (DPD DYNAMIC PARCEL DISTRIBUTION GMBH & CO. KG) oder im Stückgutverkehr (IDS LOGISTIK GMBH), um nur einige Beispiele zu nennen. Mit dem weiteren Zusammenwachsen der europäischen Märkte und der damit zusammenhängenden Nachfrage nach grenzüberschreitenden Transportdienstleistungen wird der Kooperationsbedarf wohl auch in Zukunft noch wachsen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen werden nur mit internationalen Partnern im Wettbewerb gegen europaweit agierende Dienstleister bestehen können, zumal sich die größeren Anbieter in diesem Marktsegment zur Zeit aktiv, meist durch Kauf schon bestehender Unternehmen, um die internationale Ausweitung ihrer 121 122
123 124
Vgl. Freichel, 1992, S. 65. Mitglieder (Genossen) sind Unternehmen des Güterkraftverkehrs- und Kraftwagenspeditionsgewerbes. Ein Großteil der Straßenverkehrsgenossenschaften ist in der BundesZentralgenossenschaft Straßenverkehr, Frankfurt a. M., zusammengeschlossen. Vgl. Brandenburg/Gutermuth/Oelfke, 2006, S. 133. Zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der Organisation von Logistikservicenetzwerken vgl. Freichel, 1992, S. 65ff.
288
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
Geschäfte bemühen.125 Ein weiteres Beispiel für überbetriebliche Kooperation sind bestimmte Ausprägungen des Citylogistik-Konzepts, bei denen von den beteiligten Partnern ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet wird, welches dann den innerstädtischen Güterverkehr durchführt und koordiniert.126 Die gewerbepolitische Zusammenarbeit umfasst die Fachvereinigungen und Verbände der Verkehrswirtschaft, aber auch anderer Wirtschaftszweige sowie deren Fachausschüsse. Insbesondere die Fachausschüsse sind es, über die die Zusammenarbeit bei der Standardisierung etwa von Dokumenten, Verpackungen und Transportmitteln läuft, die bei der Diskussion der Verknüpfung logistischer Informationssysteme, der logistischen Einheiten, der modularen Verpackung und des Kombinierten Verkehrs angesprochen wurden.127 Ein typisches Beispiel dieser Kooperationsart ist aber auch die Entwicklung einheitlicher Artikelnummersysteme, die den Informationsaustausch im gesamten Absatzkanal sehr erleichtern. Hierzu wurden bereits vor über 30 Jahren in Deutschland das bundeseinheitliche Artikelnummersystem für den Lebensmittelhandel (ban-L), dann Mitte der 70er Jahre das European Article Number System (EAN) entwickelt. Inzwischen findet dieses Artikelnummersystem in weltweit über 100 Ländern Anwendung.128 Zwischenbetriebliche Kooperationen Zwischenbetriebliche Kooperationen im Logistikkanal finden in unterschiedlichen Richtungen statt: horizontal, vertikal und diagonal. Abb. D.18 zeigt diese drei Beziehungsrichtungen und die entsprechenden interorganisatorischen Beziehungen zwischen den jeweils an einer Kooperation beteiligten Unternehmen. Die horizontale Kooperation im Logistikkanal betrifft zunächst die Zusammenarbeit zwischen Logistikunternehmen, die Dienstleistungen auf derselben Logistikkanalstufe erbringen (z. B. Speditionsunternehmen).129 Bekannte Beispiele hierfür sind Sammelladegemeinschaften, Korrespondenzbeziehungen im Sammelgutverkehr (Versand- und Empfangsspediteur), Abfertigungsgemeinschaften und Begegnungsverkehre. Andere Formen horizontaler Kooperation sind z. B. der gemeinsame Einkauf von Ersatzteilen oder Betriebsmitteln, die Zusammenarbeit bei der Logistikberatung oder die gemeinsame, abwechselnde Disposition und Tourenplanung im Rahmen bestimmter Citylogistik-Projekte. Horizontale Kooperation findet aber
125
126
127 128
129
Zu einem Überblick über die internationalen Kooperationsaktivitäten in der Speditionsbranche vgl. Stahl, 1995, S. 41ff.; Arnold u. a., 2008, S. 16ff und S. 981ff. Vgl. Schweres-Fichtner, 1994, S. 26f.; Wittenbrink, 1995, S. 10. Zum Citylogistik-Konzept siehe auch Kap. D, Abschn. 3.4. Siehe Kap. B, Abschn. 1.4, 4.3, 4.4 und 5.4. Die Aktivitäten in Verbindung mit der Entwicklung dieser Nummernsysteme werden in Deutschland durch GS1 GERMANY GMBH (früher Centrale für Coorganisation) wahrgenommen. Gemäß dieser Definition ist auch die zuvor beschriebene überbetriebliche Zusammenarbeit in Form eines Logistikservicenetzwerkes in gewisser Weise eine horizontale Kooperation.
4.2
Kooperation auf verschiedenen Ebenen
289
Richtungen interorganisatorischer Beziehungen
vertikal
horizontal
diagonal
Versender
Versender
Versender
Speditionsunternehmen
Speditionsunternehmen
Speditionsunternehmen Transportunternehmen/Straße
Transportunternehmen
Transportunternehmen
Speditionsunternehmen
Speditionsunternehmen
Speditionsunternehmen
Empfänger
Empfänger
Empfänger
Güterfluss
Abb. D.18
Transportunternehmen/Schiene
Beispiele für Beziehungen zwischen Institutionen
Richtungen interorganisatorischer Beziehungen (Quelle: Freichel, 1992, S. 61)
auch zwischen Verladern derselben Absatzkanalstufe statt.130 Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit konkurrierender Großhändler für Wein und Spirituosen im Bereich der Distributionslogistik. Vertikale Kooperationen im Logistikkanal treten zwischen Logistikunternehmen und Verladern auf, die Dienstleistungen auf unterschiedlichen Logistikkanalstufen anbieten, z. B. Speditionen und Transportunternehmen sowie unter Verladern verschiedener Absatzkanalstufen, z. B. Hersteller und Handel. Es handelt sich hierbei in der Regel um eine Festlegung von Beziehungen, die in Form normaler Geschäftsbeziehungen zwischen den Beteiligten bereits bestanden hatten. 130
Ein Beispiel für solche Kooperationen ist die GS1 GERMANY GMBH, die in Deutschland durch den Markenverband und das EHI Retail Institute gegründet wurde. In dieser Kooperation werden z. B. das EAN-System und Standards für Efficient Consumer Response (ECR) entwickelt, gefördert und verbreitet. Zu verschiedenen kooperativen Distributionslogistikkonzepten vgl. Arnold u. a., 2008, S. 999.
290
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
Die Festigung besteht gewöhnlich in einer längerfristigen vertraglichen Bindung einerseits und einem umfassenderen Leistungsangebot andererseits. Beispiel für die vertikale Kooperation von Logistikunternehmen ist die Zusammenarbeit von mittleren oder großen Speditionen mit vertraglich gebundenen Transportunternehmen. In der Verladerbranche ist als Form vertikaler Kooperation die Tendenz zur Auslagerung logistischer Aufgabenpakete an Logistikunternehmen zu beobachten.131 So haben die Kaffeeröster in Deutschland beispielsweise ihre Warenverteilung einschließlich Auftragsabwicklung größtenteils an Logistikunternehmen ausgegliedert. Auch die Ausgliederung der zentralen Lagerhaltung von Herstellerunternehmen an Logistikunternehmen ist vermehrt zu beobachten.132 Beispiele für die vertikale Kooperation von Verladern finden sich im gemeinsamen Betrieb von Distributionszentren durch Hersteller und Handel in den verschiedensten Branchen. Vielfältige Formen der vertikalen Kooperation gibt es insbesondere im Bereich der Beschaffungslogistik der Automobilindustrie, sowohl zwischen Zulieferern und Logistikunternehmen als auch zwischen Zulieferern und Abnehmern oder gar zwischen allen drei Mitgliedern des Logistikkanals.133 Die diagonale Kooperation im Logistikkanal – auch teilweise komplementäre Kooperation genannt – umfasst die Zusammenarbeit verschiedener Verkehrstechniken sowie diejenige zwischen verschiedenen Verkehrsgebieten. Ersterer liegt der Gedanke der Transportkette zugrunde, der im Kombinierten Verkehr realisiert wird. Zusammenarbeit zwischen Verkehrsgebieten besteht z. B. zwischen Hafengesellschaften und dem Straßen- oder dem Eisenbahnverkehr. Nach diesem Überblick über verschiedene Ansätze zur Kooperation im Logistikkanal wird im folgenden Abschnitt zunächst dargestellt, von welchen Faktoren die Kooperationsbereitschaft der Institutionen im Logistikkanal abhängt. Danach wird aufgezeigt, in welchem Kooperationsausmaß sich interorganisatorische Beziehungen niederschlagen können.
4.3
Kooperationsbereitschaft und -ausmaß
Kooperationsbereitschaft Zwei wesentliche Bedingungen für eine erfolgreiche Realisierung interorganisatorischer Zusammenarbeit ergeben sich aus der Anwendung der Anreiz-Beitrags131 132
133
Vgl. Klaus/Killer, 2008, S. 116ff.; Straube/Pfohl, 2008, S. 35; Capgemini, 2009, S. 11f. Ein Beispiel ist das Lager für den Bereich Ersatzteil der Continental AG in Gross-Rohrheim, das von einem Logistikdienstleister betrieben wird, vgl. Bley, 2008, S. 22. In der Automobilindustrie gehören vertikale, kooperative Logistikkonzepte wie die Just-inTime-Anlieferung oder Vendor Managed Inventory heute zum Standard. Zur Kooperation zwischen Verladern und Logistikunternehmen in der Automobilwirtschaft vgl. Schob/Halsband/Anders, 2007, S. 619ff. Auch in anderen Branchen ist eine Tendenz zur Auslagerung logistischer Aufgabepakete zu beobachten, z. B. in der Chemieindustrie vgl. Hardt/Karsch, 2007, S. 639ff.; oder in der Textilindustrie, vgl. Nothardt/Schmitter/Trede, 2007, S. 679ff ; Pfohl/Shen, 2008, S. 20f.
4.3
Kooperationsbereitschaft und -ausmaß
291
Theorie auf den Logistikkanal.134 Nach der Anreiz-Beitrags-Theorie hat jede Institution des Logistikkanals Beiträge zu leisten und empfängt dafür gewisse Anreize. Das Logistikkanalsystem befindet sich in einem Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht, wenn die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sind: x Die Logistikkanalmitglieder schätzen die empfangenen Anreize entsprechend ihrer individuellen Wertvorstellungen höher als die zu leistenden Beiträge. x Die Beiträge der einzelnen Logistikkanalmitglieder versetzen das logistische Metasystem in die Lage, ihnen die notwendigen Anreize zu gewähren. Die Gleichgewichtsfähigkeit wird also von der Effizienz des logistischen Metasystems und von der Aufteilung des dadurch gewährleisteten Erfolges beeinflusst. Wie die einzelne Institution den auf sie entfallenden Anteil als Anreiz empfindet, wird durch ihre subjektive Einschätzung der Verteilung des Kooperationserfolges bestimmt. Ob ein solcher Kooperationserfolg überhaupt entsteht, hängt von dem Gelingen ab, Kooperationspartner zu finden, deren Stärken und Schwächen sich gegenseitig ergänzen. Es geht letztlich bei der Kooperation darum, die bei den Partnern jeweils vorhandenen Stärken gemeinsam besser zu nutzen und die jeweils vorhandenen Schwächen gemeinsam zu kompensieren. Die Kooperationsbereitschaft wird jedoch nicht nur von den in der AnreizBeitrags-Theorie erfassten utilitaristischen Bedingungen bestimmt, sondern letztlich vom Ausmaß der durch die Kooperationsmitgliedschaft erfüllten Ziele der einzelnen Institutionen; von Einfluss sind auch strukturelle Bedingungen. So wird die Kooperationsbereitschaft ceteris paribus umso größer sein, je häufiger und stärker die Interaktionen zwischen den Institutionen im Logistikkanal sind. Eine in mehrere Logistikkanäle involvierte Institution hat im Allgemeinen weniger Interesse an einer Kooperation als eine Institution, die nur Mitglied eines Kanals ist. Je größer das Risiko ist, das eine Institution trägt, desto größer wird normalerweise auch ihr Interesse an einer Kooperation zum Risikoabbau sein. Die Kooperationsbereitschaft wird ebenfalls von den Konkurrenzbeziehungen innerhalb eines Logistikkanals und von den Konkurrenzbeziehungen zu anderen Logistikkanälen abhängen. Da eine Entwicklung von Kooperationen ohne Machtausübung allein auf der Grundlage eines Konsenses mit anderen Beteiligten in der Realität oft illusorisch ist, wird die Kooperationsbereitschaft auch von der Existenz eines Führers im Logistikkanal (Channel Leader) beeinflusst, der die interorganisatorische Zusammenarbeit als Machtpromotor initiiert und deren Realisierung vorantreibt. Nicht zuletzt haben normative Faktoren, die in Überzeugungen und Werthaltungen zum Ausdruck kommen, einen großen Einfluss. Als entscheidende Voraussetzung für das Zustandekommen einer Kooperation wird teilweise das Vorhandensein des entsprechenden Kooperationsgeistes bei den Beteiligten angesehen. Dieser Kooperationsgeist sollte umso ausgeprägter sein, je größer das Kooperationsausmaß ist.
134
Vgl. zum Folgenden Pfohl, 1987, S. 19f.; Koppelmann, 2004, S. 59ff. und die dort aufgeführte Literatur. Zur Kooperationsbereitschaft im Logistikkanal vgl. Krass, 1984, S. 126ff.; Kleer, 1991, S. 100ff.
292
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme zunehmende Kooperationsintensität
Kooperationstiefe
Planung
Kontrolle
Auftragsabwicklung
Lagerhaltung
Lagerhaus
Verpackung
Durchführung
Transport
Phasen der Ausübung
Kooperationsbreite
logistische Aufgabenbereiche
Abb. D.19
Abhängigkeit der Kooperationsintensität bei der Übertragung von Logistikaufgaben von einem Verlader auf ein Logistikunternehmen (Quelle: mit geringfügigen Änderungen entnommen aus Krass, 1984, S. 133. Siehe auch Pfohl/Krass, 1988, S. 10)
Kooperationsausmaß Das Kooperationsausmaß hängt von der Kooperationsintensität und vom Kooperationsumfang ab. Die Kooperationsintensität ist bei den grundsätzlichen Möglichkeiten der Kooperation, nämlich der Abstimmung und der Aufgabenübertragung (Aufgabenausgliederung), unterschiedlich. Die Kooperationsintensität bei der Abstimmung logistischer Aufgaben, für die die Standardisierungsbemühungen im Logistikbereich zahlreiche Beispiele liefern, ist geringer als bei der Aufgabenübertragung. Für den Fall der Übertragung von Logistikaufgaben von einem Verlader auf ein Logistikunternehmen ist in Abb. D.19 die Abhängigkeit der Kooperationsintensität dargestellt. Die Kooperationsintensität wird demnach bestimmt durch die Kooperationsbreite, gemessen an der Anzahl und der Art der übertragenen (ausgegliederten) Logistikaufgaben und die Kooperationstiefe, gemessen an der Art und Anzahl der Phasen der Aufgabenerfüllung. Bei der Kooperationsbreite wird von der plausiblen Überlegung ausgegangen, dass aufgrund der bestehenden Logistikinterdependenzen die Stärke des Eingriffs in den Logistikbereich eines Unternehmens und
4.3
Kooperationsbereitschaft und -ausmaß
293
damit die erforderliche Kooperationsintensität in der Reihenfolge Transport, Verpackung, Lagerhaus, Lagerhaltung (Bestandsmanagement) und Auftragsabwicklung zunimmt. Bei der Kooperationstiefe wird von der plausiblen Überlegung ausgegangen, dass aufgrund des bestehenden Einflusses auf logistische Entscheidungsprämissen die Kooperationsintensität in der Reihenfolge Durchführung, Kontrolle und Planung zunimmt.135 Ergebnisse empirischer Untersuchungen bei Verladern, die vertikale Kooperationen mit Logistikunternehmen eingegangen waren, bestätigen zum Teil diese Überlegungen. So wird die Funktion des Material- und Lagermanagements deutlich seltener ausgegliedert als die Durchführung des Transports. Abb. D.20 stellt dies am Beispiel der ausgegliederten Aufgaben dar. Ähnliche Ergebnisse brachte eine empirische Untersuchung, bei der 83 vertikale Kooperationen zwischen Verladern und Logistikunternehmen untersucht wurden.136 Die in Abb. D.20 aufgezeigten Ergebnisse bestätigen ebenfalls diese Überlegungen zur Zunahme der Kooperationstiefe in der beschriebenen Reihenfolge. In nahezu allen Kooperationen bilden die Aktivitäten der logistischen Kernprozesse Transportieren, Umschlagen und Lagern den Schwerpunkt der Zusammenarbeit. Aufgaben der Planung und Kontrolle, wie z. B. Supply Chain Netzwerkdesign, werden weniger häufig an den Kooperationspartner übertragen. Aufgaben wie Materialdisposition, Auftragsmanagement werden nur in geringerem Maße an Dienstleister übertragen. Die Betrachtung der Kooperationsintensität anhand der Dimensionen Kooperationsbreite und -tiefe kann um die Dimension Logistikkanalstufe ergänzt werden, da es durchaus plausibel erscheint, dass die Ausgliederung eines Zentrallagers an ein Logistikunternehmen eine höhere Intensität der Kooperation bedingt, als wenn beispielsweise Umschlags- oder Auslieferungslager ausgegliedert werden. Neben der Art des Lagerhauses wird auch der Anzahl der übertragenen Lagerstufen Bedeutung zugemessen.137 Der Kooperationsumfang wird gemessen am Anteil des gesamten Güterflusses eines Verladers, den dieser dem Logistikunternehmen überträgt.138 Überträgt der Verlader sämtliche ein- und ausgehenden Güterflüsse einem Logistikunternehmen, so liegt ein maximaler Kooperationsumfang vor. Werden nur Teile des Güterflusses einem Logistikunternehmen übertragen, so bieten sich hierfür mehrere plausible Einteilungskriterien an, nach denen der Kooperationsumfang bestimmt werden kann. Beispiele hierfür sind regionale Abgrenzungen, in denen einem Logistikunternehmen Aufgaben übertragen werden, die Einschränkung auf bestimmte Güterarten, auf bestimmte Transportarten, auf bestimmte Sendungsgrößen, auf den zeitlichen Anfall des Güteraufkommens oder auf den in ein Unternehmen eingehenden bzw. aus einem Unternehmen herausgehenden Güterfluss (Beschaffungs- und Distributionslogistik). 135 136 137 138
Zur ausführlichen Begründung vgl. Krass, 1984, S. 109ff. Vgl. Pfohl/Krass, 1988, S. 30. Für weitere Angaben siehe auch Pfohl/Kleer, 1986, S. 25ff. Vgl. Kleer, 1991, S. 127. Vgl. Krass, 1984, S. 112ff.
Abb. D.20 7
22
5 3
Sales andProduktionssteuerung Operations Planning
32
vo llstädig fremdvergeben
5 3
Auftragsmanagement Produktionssteuerung
Anlaufmanagement 3 7 Auftragsmanagement Sales and Operatins 3 7 Anlaufmanagement Planing
3 28 Design Bestands-/Materialdisposition Bestands- / 5 14 Materialdisposition Beschaffung / Lieferantenmanagement Beschaffung / 3 8 Lieferantenmanagement Innovationsgenerierung
Supply Chain Design SupplyNetzwerk Chain Netzw erk
Behältermanagement Behältermanagement
Transport / Umschlag Transport / Umschlag / Lager / Lager
0
Sales and Operatins Planing
teilweise fremdvergeben
Produktionssteuerung
12
Auftragsmanagement 4
13
Anlaufmanagement
16
8
Bestands- / Materialdisposition Beschaffung / Lieferantenmanagement
8 24
44
36 32
41
Unternehmen in den USA
Supply Chain Netzw erk Design
Behältermanagement
Transport / Umschlag / 66 Lager
Unternehmen in Deutschland
294 D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
Outsourcing logistischer Funktionen. Ergebnisse einer Befragung unter 1189 Unternehmen im Jahr 2008 in Deutschland, China und den USA (Quelle: Straube/Pfohl, 2008, S. 25ff.)
4.3
Kooperationsbereitschaft und -ausmaß
295
Eine 1987 bei 25 Verladern in Deutschland durchgeführte Befragung ergab, dass eine Beschränkung des Umfangs nach dem Kriterium „geographisches Gebiet“ am häufigsten anzutreffen war, gefolgt von Beschränkungen des Kooperationsumfanges nach der Güterart oder der Sendungsgröße.139 Wobei heutzutage viele große Logistikdienstleister (3PL), wie z. B. DHL LOGISTICS, SCHENKER, KÜHNE+NAGEL, durch die neue Strukturierung des Logistikmarkts (Verflechtung und Akquisition) europa- bzw. weltweit Services bieten. Welches Kooperationsausmaß im konkreten Fall von einem Unternehmen angestrebt wird, hängt von den vorliegenden utilitaristischen und strukturellen Bedingungen ab, die einer Analyse zu unterziehen sind. Allgemein lassen sich jedoch einige Auswirkungen nennen, die durch plausible Überlegungen hergeleitet werden können. Bevor diese im nächsten Abschnitt erläutert werden, soll noch auf zwei Formen der interorganisatorischen Zusammenarbeit eingegangen werden, in denen das Kooperationsausmaß große Bedeutung hat, nämlich das Supply Chain Management und die Unternehmensnetzwerke. Supply Chain Management140 Unter Supply Chain versteht man die Verbindungskette zwischen den Herstellern und ihren Zulieferern, den als Absatzmittlern fungierenden Groß- und Einzelhändlern, den zu den Absatzhelfern zählenden Logistikunternehmen und den Endabnehmern. Das Supply Chain Management basiert auf der für die Logistikkonzeption charakteristischen Fluss- oder Prozessorientierung. Der Fokus der Betrachtung von Objektflüssen liegt auf der Integration der in Abb. D.15 charakterisierten logistischen Schnittstellen 2. und 3. Ordnung. Über die Güter und logistischen Informationen als Objekte hinaus wird die integrierte Betrachtung auf akquisitorische Informationen, Finanzmittel und Rechte ausgedehnt. Man berücksichtigt also, dass der Logistikkanal nur ein Teil des Marketingkanals ist, der den Weg der Transaktionen eines Unternehmens mit seinen Beschaffungs- und Absatzmärkten beschreibt.141 Der andere Teil des Marketingkanals ist der Akquisitionskanal, der den Kontrahierungsfluss (Fluss der Rechte), den Absatz- oder Beschaffungsförderungsfluss (Fluss von akquisitorischen Informationen) und den Finanzmittelfluss (Zahlungsfluss) enthält. Das Supply Chain Managementkonzept fordert eine intensive Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Logistikkanal und Akquisitionskanal, was ein hohes Kooperationsausmaß über Bereichs- und Unternehmensgrenzen voraussetzt. Es soll die Umwandlung von Schnittstellen in Nahtstellen in allen drei Schnittstellenordnungen erfolgen. Die Objektflüsse sind dann nicht nur jeweils für sich integriert, sondern gegenseitig aufeinander abgestimmt. 139 140 141
Vgl. Kleer, 1991, S. 196f. Vgl. Pfohl, 2000, S. 4ff. Vgl. Pfohl, 2004a, S. 168. Zu anderen Definitionen des Supply Chain Management, die wesentlich mehr Objekte dem Supply Chain Management zuordnen, vgl. Gomm, 2009, S. 31ff. Oft lässt sich dann die gesamte Wertschöpfungskette nicht mehr von der Supply Chain unterscheiden.
296
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
Auf der Ebene der Schnittstellen 3. Ordnung steht der interorganisationale (interorganisatorische) Aufbau der Supply Chain im Mittelpunkt. Auf dieser Ebene gilt es, verbindende Nahtstellen zwischen den Institutionen zu schaffen sowie ganzheitliche Entscheidungen über die Mitglieder und deren Anordnung in der Supply Chain zu treffen. Dabei sind die Rollen der Mitglieder der Supply Chain und deren Beziehungen zueinander zu identifizieren, die Aufbaustruktur der Supply Chain zu analysieren sowie die unterschiedlichen Beziehungen in der Supply Chain zu managen.142 Auf der Ebene der Schnittstellen 2. Ordnung ist die Existenz von Nahtstellen zwischen den logistischen Funktionen und den angrenzenden Funktionsbereichen wie Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Marketing von besonderer Bedeutung.143 Die Ebene der Schnittstellen 2. Ordnung erfasst nicht nur die horizontale Integration verschiedener Funktionsbereiche, sondern auch die vertikale Integration verschiedener Planungsebenen. Hier liegt der Schwerpunkt des Supply Chain Managementkonzepts auf Entscheidungen im Rahmen der strategischen und taktischen Planung und der Schaffung von Nahtstellen zu den anderen Informationsverarbeitungsebenen der operativen Planung und Steuerung. Dabei sind die auf den verschiedenen Ebenen eingesetzten Planungs- und Steuerungsinstrumente aufeinander abzustimmen. Die skizzierten Zusammenhänge lassen bei der Umsetzung des Supply Chain Managementkonzepts auf eine steigende Bedeutung der interorganisationalen, interfunktionalen und interinstrumentalen Integrationsaufgaben schließen. Im Mittelpunkt stehen Kosten-, Zeit- und Qualitätsziele der gesamten Supply Chain gemessen am Nutzen für den Endkunden. Der Wettbewerb findet demnach nicht mehr zwischen einzelnen Unternehmen, sondern zwischen Supply Chains statt. Abschließend sei noch auf die beiden Objektflüsse kurz eingegangen, die in der Supply Chain im Zusammenhang mit der Logistik eine besondere Rolle spielen, nämlich die Flüsse der Finanzmittel und Rechte. Teile des Finanz- und CashManagements werden in Form von Finanzmittelflüssen in das Supply Chain Managementkonzept aufgenommen.144 Die mit dem Finanzmittelfluss in unmittelbarem Zusammenhang stehende Fakturierung ist ein Bestandteil der Auftragsabwicklung. Neben den Beständen bilden die Forderungen einen wesentlichen Bestandteil des Umlaufvermögens, in dem Kapital entlang der gesamten Supply Chain gebunden ist. Störungen im Finanzmittelfluss haben negative Auswirkungen auf die gesamte Supply Chain. Damit ist die Reduktion des Nettoumlaufvermögens, bestehend aus den Forderungen, Beständen und Verbindlichkeiten, eine Voraussetzung für erfolgreiches Supply Chain Management. Vom Fluss der Rech142
143 144
Vgl. Cooper/Lambert/Pagh, 1998, S. 7ff. Zu einer Einteilung in geschäftliche, personale und informationstechnische Netzwerkbeziehungen vgl. Pfohl/Trumpfheller, 2004, 5ff. Zum Management von Netzwerkbeziehungen vgl. Weber/Kummer, 1998, S. 350ff.; Pfohl/Häusler, 2000; Trumpfheller/Hofmann, 2004, S. 72ff. Siehe Kap. C. Zu finanzwirtschaftlichen Aspekten der internationalen Logistik siehe Kap. E, Abschnitt 3.3
4.3
Kooperationsbereitschaft und -ausmaß
297
te durch die Supply Chain hängt es ab, welche Institution wie über die Güter und Informationen verfügen kann. Dieser Fluss wird durch Verträge bzw. Verfügungsrechte gestaltet. Unternehmensnetzwerke145 Vier Typen von Unternehmensnetzwerken können unterschieden werden (vgl. Abb. D.21), nämlich das strategische Netzwerk, das virtuelle Unternehmen, das regionale und das operative Netzwerk. Das Kooperationsausmaß ist bei diesen Netzwerktypen sehr unterschiedlich. Strategische Netzwerke werden durch ein fokales Unternehmen, das häufig ein Endprodukthersteller oder Handelsunternehmen mit entsprechender Nähe zum Endkunden ist, strategisch geführt, sind relativ stabil, weisen häufig Investitionen in netzwerkspezifischen Ressourcen auf und zielen auf das gemeinsame Erreichen von Wettbewerbsvorteilen ab. Das fokale Unternehmen bestimmt in erheblichem Umfang die Organisation des Netzwerkes. Die übrigen Netzwerkunternehmen sind oft auch vertraglich eng an das fokale Unternehmen gebunden und bieten ihre Leistungen aber auch anderen Abnehmern außerhalb des Netzwerkes an, um ihre Unabhängigkeit und eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Zweck des Netzwerkes ist typischerweise die Bedienung eines relativ gut prognostizierbaren, vergleichsweise stabilen Marktes. Bekannte Beispiele sind Zuliefernetze in der Automobilindustrie. Virtuelle Unternehmen entstehen durch die Zusammenarbeit unabhängiger Unternehmen auf der Basis eines gemeinsamen Geschäftsverständnisses, um eine sich bietende Geschäftsgelegenheit zu nutzen. Der Grundgedanke dieses Netzwerktyps ist es, Partner zusammenzuführen, die jeweils individuelle Kernkompetenzen aufweisen, die synergetisch kombinierbar sind. Projektähnliche Zusammenarbeit, gegenseitiges Vertrauen, die beliebige räumliche Verteilung der Unternehmen, die intensive Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik, der Verzicht auf detaillierte Verträge und spezifische Investitionen sowie das einheitliche Auftreten gegenüber den Kunden gelten als charakteristische Merkmale dieses Typs. Als Anwendungsfelder für diese Form der Netzwerke zeichnen sich vor allem jene Wertschöpfungsprozesse ab, die wie Softwareherstellung, Medienindustrie und Informationsdienstleistungen in erheblichem Maße auf informationstechnischer Infrastruktur aufbauen. Andere Anwendungsfelder sind Low-TechWertschöpfungsprozesse mit sehr kurzen Produktlebenszyklen (Bekleidung, Spielwaren) oder auch sich schnell entwickelnde High-Tech-Industrien (Mikroelektronik, Biotechnologie).
145
Vgl. Pfohl/Buse, 1998, S. 50ff. und die dort aufgeführte Literatur.
298
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme strategisches Netz
virtuelles Unternehmen (VC) Erfinder Entwickler Produzent Vermittler
Großhändler Spediteur Produzent Spediteur
VC
Lieferant Lieferant
Lieferant , Spediteur
regionales Netz
operatives Netz Lieferant
Abb. D.21
Einzelhändler , Großhändler
Vermittler
Dienstleister
Dienstleister
Produzent
Lieferant
Produzent
Unterschiedliche Typen von Unternehmensnetzwerken (Quelle: Pfohl/Buse, 1998, S. 51)
Regionale Netzwerke zeichnen sich durch eine fallweise wiederholte Zusammenarbeit vieler meist kleiner Unternehmen aus, die in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander angesiedelt sind. Die Unternehmen verfügen zumeist über latente Beziehungen zu einer großen Zahl potentieller Partner, die mitunter je nach Auftragslage aktiviert werden. Persönliche Kontakte, ähnliche Unternehmenskulturen und hohe Spezialisierung der Unternehmen sind kennzeichnend für diesen Netzwerktyp. In Norditalien sind Textilindustrie und Brillenherstellung bekannte Beispiele. Regionale Netzwerke mit intensiven Beziehungen werden auch als Cluster bezeichnet. Operative Netzwerke sind dadurch zu charakterisieren, dass die beteiligten Unternehmen, gestützt auf ein interorganisationales Informationssystem, kurzfristig auf Leistungen, besonders aber auf freie Produktions- und Logistikkapazitäten (bzgl. Lager, Transport und Verpackung) der Partner zugreifen können, beispielsweise für einen Spitzenlastenausgleich in der Produktion. Charakteristisch ist die Abwicklung weitgehend standardisierter Transaktionen, die einzelne Wertschöpfungsaktivitäten betreffen und das Handeln von Kapazitäten anstelle physischer Güter. Eine gemeinsame Nutzung gepoolter Ressourcen, beispielsweise der gemeinschaftliche Betrieb eines Lagerhauses, ist ebenso denkbar. Ein interorganisationales Informationssystem bildet die Basis für die Nutzung marktanaloger Mechanismen zur Koordination des Austauschprozesses. Insofern besitzt dieser Typ wesentliche Merkmale eines elektronischen Marktes, zeichnet sich aber durch ein höheres Maß an sozialer Organisiertheit aus.
4.4
4.4
Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal
299
Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal
Kooperationsvorteile Zu den Auswirkungen der Kooperation zählen zunächst folgende grundsätzliche Vorteile, die einer Kooperation im Logistikkanal beigemessen werden:146 x Eine unnötige Duplizierung logistischer Aktivitäten (Redundanz logistischer Aktivitäten) – z. B. umfangreiche Lagerhaltung für ein Produkt auf mehreren Stufen im Logistikkanal – kann vermieden werden. x Eine Koordination der logistischen Entscheidungen der im Logistikkanal zusammenarbeitenden Unternehmen wird ermöglicht. x Ein Gegengewicht zu Konzentrationstendenzen wird gebildet und somit dem Anwachsen wirtschaftlicher Macht einzelner Unternehmen entgegengewirkt. Dies gilt allerdings nur, wenn die Kooperation nicht als Vorstufe für eine spätere Konzentration gedacht ist. x Bereits bekannte technologische Möglichkeiten der Rationalisierung des Güterflusses lassen sich häufiger nur im Rahmen großer Logistiksysteme realisieren. Solche können gerade durch Kooperation geschaffen werden. Oft wird deshalb die Meinung vertreten, dass die eigentlichen, weitreichenden Neuerungen im Logistikbereich heute nicht mehr so sehr im technologischen, sondern im interorganisatorischen Wandel bestehen.147 Diese grundsätzlichen Vorteile der Bildung von Kooperationen im Logistikkanal und somit der Entstehung interorganisatorischer Logistiksysteme können als ein Ansatz zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen gesehen werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht gemäß dieser Sichtweise nicht mehr das einzelne Unternehmen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette bzw. – bezogen auf die Logistik – die Zusammenarbeit der Unternehmen im Logistikkanal vom Hersteller der Rohstoffe bis zum Endkunden. Ziel ist es, durch die beschriebenen Vorteile der Kooperation Kostensenkungen oder Serviceverbesserungen zu bewirken, die es ermöglichen, einen Wettbewerbsvorteil für die gesamte Wertschöpfungskette zu erreichen. Wichtig dabei ist, dass alle Kooperationspartner an den Erfolgen der gesamten Wertschöpfungskette partizipieren und Vorteile nicht zu Lasten einzelner Unternehmen innerhalb der Kooperation erzielt werden.148
146 147 148
Vgl. Pfohl, 1975, S. 286 und die dort aufgeführte Literatur. Vgl. Glaskowsky/Hudson/Ivie, 1992, S. 647ff. In diesem Zusammenhang wird auch von einer Win-Win-Situation gesprochen, vgl. Stölzle u. a., 2007, S. 387ff; Arnold u. a., 2008, S. 274 und S. 1069. Für eine ausführliche Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Bildung interorganisatorischer Logistiksysteme und der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen vgl. Pfohl, 1994a, S. 216ff.
300
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
Auswirkungen auf Ziele Neben diesen grundsätzlichen Kooperationsvorteilen lassen sich die Auswirkungen der Kooperation auf den Logistikkanal anhand wichtiger Ziele diskutieren.149 Arbeitsteilung: Geht man davon aus, dass sowohl national als auch international in vielen Branchen tendenziell mit einer weiteren Zunahme der Arbeitsteilung zu rechnen ist, so wird der Warenaustausch weiter ansteigen. Dies stellt hohe Anforderungen an die makrologistischen und metalogistischen Systeme. Schwachstellen an den Schnittstellen zwischen den mikrologistischen Systemen der Unternehmen wird man sich in Zukunft nicht mehr leisten können. Die Kooperation ist eine gute Möglichkeit zur Beseitigung solcher Schwachstellen. Das Ziel der Arbeitsteilung kann also durch Logistikkooperationen unterstützt werden. Die Arbeitsteilung ist dabei insbesondere auch auf die Logistik selbst anzuwenden. Das hat dann eine zunehmende Bedeutung der Logistikunternehmen im Güterfluss zur Folge. Es führt aber auch zu neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Abnehmern auf dem Zuliefermarkt, die nicht mehr über den Preis allein, sondern über den Austausch von Planungsinformationen geregelt werden. Die Vorteile, die durch eine Ausdehnung der Logistikanalyse über die interorganisatorischen Schnittstellen hinaus auf das gesamte interorganisatorische Logistiksystem erreicht werden können, kommen in den Kostenverläufen der Abb. D.22 zum Ausdruck. Dort ist dargestellt, welche verschiedenen Stufen der Analyse durchlaufen werden können und inwiefern erst durch die interorganisatorische Logistikkostenund Gewinnanalyse eine Gestaltungsalternative des Logistiksystems gefunden werden kann, die für alle Kooperationspartner Vorteile bietet. Rationalisierung durch Einsatz der Technik: Viele Hardware- und Softwaretechnologien, wie z. B. der Einsatz von Paletten und Containern oder von computergestützter Auftragsabwicklung, erfordern eine Abstimmung der mikrologistischen Systeme der Unternehmen. Ein wesentlicher Teil der durch den Güterfluss verursachten Kosten lässt sich nur in gegenseitiger Absprache der in den Logistikkanal eingeschalteten Unternehmen beeinflussen. Die reduzierte autonome Beeinflussbarkeit dieser Kosten kann man als „Dilemma der interorganisatorischen Logistikplanung“ bezeichnen. Dieses Dilemma sowie die Tatsache, dass Mechanisierung und Automatisierung häufig sowieso bestimmte Anforderungen an die Größe logistischer Systeme stellen, machen die positive Wirkung der Kooperation auf den Einsatz der Technik deutlich. Sicherheit: Kooperation kann ganz offensichtlich wesentlich zur Erreichung des Sicherheitsziels beitragen. So vermindert ein verbesserter Informationsaustausch an den unternehmensübergreifenden Schnittstellen im Güterfluss die Unsicherheit vieler Logistikentscheidungen. Außerdem festigen Kooperationsbeziehungen langfristig die allgemeinen Geschäftsbeziehungen, wodurch die Unsicherheit in der Umwelt eines Unternehmens generell reduziert wird. 149
Vgl. Feierabend, 1980, S. 112ff.; Pfohl, 1981a, S. 23f.
4.4
Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal
Stufe I: Analyse der Gesamtkosten der Logistik
301
Stufe II: Analyse der logistikabhängigen Erfolgsspanne EUR
EUR
Umsatz Gesamtkosten der Logistik
schneller, zuverlässiger Transport; niedrige Bestände
Bestandskosten
Gesamtkosten der Logistik Bestandskosten
Transportkosten
Transportkosten
Alternative mit den geringsten Kosten
langsamer, weniger zuverlässiger Transport; hohe Bestände
schneller, Alternative mit max. zuverlässiger Erfolgsspanne Transport; niedrige Bestände
langsamer, weniger zuverlässiger Transport; hohe Bestände
Logistische Gestaltungsalternative, Lieferant A
Logistische Gestaltungsalternative, Lieferant A
Stufe III: Interorganisatorische Logistik- und Gewinnanalyse EUR
EUR Umsatz Kosten der Logistik Umsatz
Kosten der Logistik
schneller, Alternative mit max. zuverlässiger Erfolgsspanne, Transport; Lieferant A niedrige Bestände
langsamer, weniger zuverlässiger Transport; hohe Bestände
Logistische Gestaltungsalternative, Lieferant A
schneller, zuverlässiger Transport; niedrige Bestände
Alternative mit max. Erfolgsspanne, Kunde B
langsamer, weniger zuverlässiger Transport; hohe Bestände
Logistische Gestaltungsalternative, Kunde B
EUR
Umsatz Kosten der Logistik
schneller, zuverlässiger Transport; niedrige Bestände
Alternative mit max. Erfolgsspanne, Lieferant A + Kunde B
langsamer, weniger zuverlässiger Transport; hohe Bestände
Logistische Gestaltungsalternativen interorganisatorischer Logistiksysteme, Lieferant A und Kunde B
Abb. D.22
Entwicklungsstufen der Logistikanalyse als Grundlage von Logistikentscheidungen bei der Gestaltung interorganisatorischer Logistiksysteme (Quelle: Glaskowsky/Hudson/Ivie, 1992, S. 648. Übersetzung durch den Verfasser)
302
D.4 Interorganisatorische Logistiksysteme
Kapitalbindung: Die Höhe der Kapitalbindung in einem Unternehmen wird in entscheidendem Maße durch die Höhe der Lagerbestände beeinflusst. Zu berücksichtigen sind hierbei neben den Lagerbeständen an den Stellen, an denen der Fluss der Güter unterbrochen wird, auch die Lagerbestände während der Bewegung, die so genannten Pipeline Inventories oder Transit Inventories.150 Die Kapitalbindung in beiden Arten von Lagerbeständen kann durch Kooperation abgebaut werden, indem man z. B. die Anzahl der Stellen, an denen im Logistikkanal gelagert wird, verringert oder indem durch eine schnellere Auftragsabwicklung, durch schnelleren Umschlag und Transport der Güterfluss beschleunigt wird. Liefer- oder Versorgungsservice: Kooperationen können nicht nur aus Kostengründen, sondern auch aus Leistungsgründen betrieben werden. So bewirkt beispielsweise eine Beschleunigung des Güterflusses nicht nur eine Reduktion der Kapitalbindungskosten, sondern auch eine Verkürzung der Lieferzeit (Beschaffungszeit) und damit eine Verbesserung bei einem wichtigen Element des Lieferund Versorgungsservice. Außerdem wird durch eine im Rahmen der Kooperation verbesserte Kommunikation das Wissen um die häufig voneinander abweichenden Servicevorstellungen bei den am Güterfluss Beteiligten erhöht. Unabhängigkeit/Wettbewerb: Auf Unabhängigkeit und Wettbewerb hat die Kooperation jeweils zwei verschiedene Auswirkungen. Einerseits werden durch Kooperationen die Unabhängigkeit in wirtschaftlichen Teilbereichen und der Wettbewerb – zumindest bei marktorientierten Kooperationen – verringert. Andererseits wird ein Unternehmen gerade durch Kooperation in die Lage versetzt, seine Kosten zu senken und seine Leistung zu steigern. Durch Verringerung der Unabhängigkeit in wirtschaftlichen Teilbereichen infolge von Kooperationen kann also ein Unternehmen seine rechtliche und im Übrigen auch wirtschaftliche Selbstständigkeit sichern. Dies wirkt der Konzentration entgegen und erhält den Wettbewerb. Flexibilität: Das Ziel der Flexibilität beinhaltet die Fähigkeit eines Unternehmens, sich geänderten Umweltbedingungen anzupassen. Bezüglich dieses Ziels lassen sich wiederum zwei unterschiedliche Zusammenhänge aufzeigen. Die technischphysische Abstimmung der Logistiksysteme der Kooperationspartner im Güterfluss muss zwar nicht, kann aber zu einer geringeren Flexibilität des einzelnen Unternehmens führen. Die Abstimmung im Informationsfluss wird dagegen die Flexibilität erhöhen. Machtstreben/Prestige: Der Zusammenhang zwischen Kooperation und dem Machtstreben eines Unternehmens und dem Streben nach Prestige (Ansehen) lässt sich nicht allgemein – auch nicht tendenziell – charakterisieren. Er wird davon abhängen, auf welche Objekte sich das Machtstreben erstreckt und an welchen Maßstäben Prestige gemessen wird.
150
Siehe Kap. B, Abschn. 2.2.
4.4
Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal
303
Zusammenfassend kann zu dieser Zieldiskussion gesagt werden, dass eine Logistikkooperation sich auf viele Unternehmensziele positiv auswirken kann. Diese positive Wirkung lässt sich allerdings nur erzielen, wenn – wie schon bei der Diskussion von Konflikten betont wurde – für die nie zu beseitigenden Konflikte zwischen den Kooperationspartnern ein geeignetes Konfliktmanagement installiert wird. Nicht zu letzt wird das Erzielen der positiven Wirkungen auch davon beeinflusst, wie die makrologistische Infrastruktur entwickelt ist. Auf sie wird im folgenden Kapitel eingegangen.
E Gesamtwirtschaftliche und internationale Aspekte von Logistiksystemen
E Gesamtwirtschaftliche und internationale Aspekte von Logistiksystemen
1 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
2 Makrologistische Infrastruktur
3 Internationale Logistiksysteme
1.1 Anforderungen aufgrund der Arbeitsteilung
2.1 Infrastruktur des Güterflusses
3.1 Besonderheiten der internationalen Logistik
1.2 Anforderungen aufgrund der Güterart
2.2 Infrastruktur des Informationsflusses
3.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme
1.3 Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele
2.3 Verkehrspolitik
3.3 Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik
Die Systeme der Mikro- und Metalogistik bilden die institutionellen Elemente des Systems der Makrologistik. Eine vollständige Erklärung und Gestaltung von Abläufen im makrologistischen System erfordert jedoch zusätzlich eine Betrachtung der Beziehungen zwischen den Elementen. Dies können temporäre oder dauerhafte, vertragliche bzw. materielle oder immaterielle Beziehungen zwischen den Elementen sein. Eine sinnvolle Abstraktionsebene für eine solche Betrachtung erreicht man bei der Untersuchung der strukturbildenden Komponenten des makrologistischen Systems. Dazu gehören die Komponenten der materiellen Infrastruktur, die vor allem die Verkehrs- und Kommunikationsnetze umfasst, deren Bestandteile den vergleichsweise umfassendsten und nachhaltigsten Einfluss auf logistische Prozesse haben. Grundlegend sind zunächst die gesamtwirtschaftlichen Daten und Zusammenhänge zu betrachten, die den Rahmen bilden, innerhalb dessen sich Logistikaufgaben wahrnehmen lassen. Aufgrund der engen Wechselbeziehungen, die zwischen der Entwicklung der Wirtschaft und des makrologistischen Systems der Güterverteilung bestehen und die sich durch eine charakteristische Abfolge von Phasen mit bestimmten Gesetzmäßigkeiten der Produktions- und Marktentwicklung beschreiben lassen, gehört das makrologistische System der Güterverteilung zu den wichtigsten Merkmalen, die den Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft kennzeichnen. Denn die Güter- und Informationsflüsse stellen in weniger weit entwickelten Volkswirtschaften ganz andere Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung als in hochentwickelten Volkswirtschaften. Das makrologistische System der Güterverteilung der Bundesrepublik Deutschland ist vergleichsweise hochentwickelt und wird durch die bestehende Infrastruktur für Güter- und Informationsflüsse und die diese Flüsse zum Teil noch regulierende Marktordnung des Binnengüterverkehrsmarktes charakterisiert. Bei der Diskussion der gesamtwirtschaftlichen Ziele zeigt sich, dass das makrologistische System der Güterverteilung auch nichtverkehrliche Ziele zu erfüllen hat. Außerdem wird deutlich, dass gesamtwirtschaftliche Ziele bei der Gestaltung makrologistischer Systeme durchaus mit einzelwirtschaftlichen Logistikzielen konkurrieren können. Im Zusammenhang mit dem System der Makrologistik wird als spezifisches Logistiksystem auch das internationale Logistiksystem behandelt. Denn viele Besonderheiten, die internationale Logistiksysteme von nationalen Logistiksystemen unterscheiden, sind makrologistischen Ursprungs.1 Überdies sind bei Problemen 1
Zur Rangordnung verschiedener Länder bzgl. der Qualität ihrer Makrologistik (logistiktechnologische und -institutionelle Rahmenbedingungen für Logistikprozesse), die bedeutsam
308
E.1 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
des internationalen Managements allgemein gesamtwirtschaftliche Aspekte tendenziell von größerer Bedeutung als bei Problemen des nationalen Managements.
1
Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
Logistikprobleme lassen sich auf den in der Volkswirtschaft üblicherweise unterschiedenen drei Aggregationsebenen wirtschaftlicher Tatbestände betrachten. In den vorangegangenen Kapiteln wurden Logistikprobleme auf der mikro- und metalogistischen Betrachtungsebene diskutiert. Es ging um betriebswirtschaftliche Fragestellungen eines Unternehmens bzw. mehrerer Unternehmen, die im Logistikkanal zusammenarbeiten. Auf der makrologistischen Betrachtungsebene geht es um volkswirtschaftliche Fragestellungen. Sie werden im Folgenden insoweit aufgegriffen, als sie auch für die Beantwortung betriebswirtschaftlicher Fragen von Bedeutung sind.
1.1
Anforderungen aufgrund der Arbeitsteilung
Mit der Bereitstellung und der Inanspruchnahme von Leistungen der Güterverteilung wird ein notwendiges Glied zwischen den Systemen der Güterbereitstellung und der Güterverwendung gebildet. Die Anforderungen an dieses makrologistische System der Güterverteilung wachsen mit zunehmender überbetrieblicher Arbeitsteilung, vor allem aufgrund der damit verbundenen räumlichen Trennung der daraus resultierenden Institutionen (Unternehmen oder Haushalte). Der Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft kommt u. a. im Ausmaß und der Art der überbetrieblichen Arbeitsteilung zum Ausdruck. Hierbei kann zwischen Mengen- und Artteilung unterschieden werden, die für die Logistik unterschiedliche Bedeutung haben.2 Die Artteilung führt zu einer Spezialisierung der Betriebe bzw. Unternehmen. Infolge der Spezialisierung fallen größere Produktionsmengen in den einzelnen Betrieben bzw. Unternehmen an. Es lassen sich Rationalisierungsvorteile vor allem in Form von Auflagendegressions- und Lerneffekten im System der Güterbereitstellung erzielen. Allerdings stehen den im Vergleich zu einer Nichtspezialisierung niedrigeren Produktionskosten höhere Logistikkosten im System der Güterverteilung gegenüber. Bei der Mengenteilung ergeben sich keine Spezialisierungsvorteile, die sich in niedrigeren Produktionskosten niederschlagen können. Die Mengenteilung versucht dagegen, Produktionsvorteile aus einer optimalen Betriebsgröße zu ziehen.
2
für den Wettbewerb verschiedener Länder bzw. Regionen ist, vgl. Arvis u. a., 2007, S. 2; Miebach Consulting, 2009, S. 23ff. Vgl. Ihde, 2001, S. 66ff.
1.2
Anforderungen aufgrund der Güterart
309
Danach kann es vorteilhaft sein, einen Markt statt von einem zentralen von mehreren dezentralen Fertigungsorten zu versorgen. Aber selbst wenn die Produktionskosten noch für einen zentralen Fertigungsort sprechen, können unter Einbeziehung der Logistikkosten schon dezentrale Fertigungsorte vorteilhafter sein. Bei einer zentralen Produktion kann das Ansteigen der Logistikkosten, das aus den zunehmenden durchschnittlichen Bezugs- und Versandweiten sowie der zunehmenden Verweildauer der Güter im Güterverteilungssystem resultiert, größer sein als das Absinken der Produktionskosten. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass in einem Gleichgewichtssystem mit wiederkehrenden Produktions-, Transfer- und Konsumtionsprozessen, die sich in einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft vollziehen, die Güter- und Informationsströme sowie die Logistikkosten durch die gegenseitige Abhängigkeit der Marktbeziehungen und Marktgrößen determiniert werden. Dieses raumwirtschaftliche Gleichgewicht zeigt sich in einer Balance zwischen der Wahrnehmung von Vorteilen der räumlichen Arbeitsteilung einerseits und der Inkaufnahme von Logistikkosten, insbesondere Transportkosten, andererseits.3 Zeichnet sich das System der Güterverteilung in einer Volkswirtschaft durch eine gute makrologistische Infrastruktur aus, wie das in hochentwickelten Volkswirtschaften im Allgemeinen der Fall ist, so wird tendenziell eine zentrale Produktion begünstigt. Denn bei einer gut ausgebauten makrologistischen Infrastruktur steigen die zusätzlichen Logistikkosten einer zentralen Produktion nicht so stark an wie bei einer schlecht ausgebauten makrologistischen Infrastruktur. Auch unter Marketinggesichtspunkten ist eine solche Zentralisation nur beim Vorhandensein einer gut ausgebauten makrologistischen Infrastruktur sinnvoll. Erst sie ermöglicht die aus Wettbewerbsgründen erforderlichen kurzen Lieferzeiten bei der Versorgung der Märkte.
1.2
Anforderungen aufgrund der Güterart
Anteilsverschiebungen einzelner Güterarten Der Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft spiegelt sich jedoch nicht nur in dem Ausmaß und der Art der Arbeitsteilung wider, sondern auch in der Art der Güter, die durch das makrologistische System der Güterverteilung fließen. 4 Im Laufe der Entwicklung einer Volkswirtschaft kommt es zu starken Anteilsverschiebungen der einzelnen Güterarten. Die in hochentwickelten Volkswirtschaften zu beobachtende Sättigung der Märkte für Grundbedarfe führt dazu, dass die Massengüter (z. B. landwirtschaftliche Erzeugnisse, Kohle oder Stahl) Anteile am Gesamtaufkommen der Güterverteilung verlieren. Demgegenüber gewinnen die Stückgüter Anteile, weil die Nachfrage nach hochwertigen Gütern, die spezialisierte Problemlösungen darstellen, steigt. Da zugleich aus wirtschaftlichen Gründen die Produktionsprozesse zur Verarbeitung der Rohstoffe an die Aufkommen3 4
Vgl. Willeke, 1992, S. 140f. Vgl. Ihde, 2001, S. 58ff. Zu qualitativen Veränderungen der Nachfrage auf dem Güterverkehrsmarkt siehe Kap. A, Abschn. 3.3.
310
E.1 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
sorte verlagert werden, ist eine Entmaterialisierung in der Güterstruktur zu beobachten. Daraus ergibt sich, dass aufgrund der fortschreitenden Entwicklung einer Volkswirtschaft durch das Wirtschaftswachstum immer weniger Gütermengen für das makrologistische System erzeugt werden. Dies konnte bisher in Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen dem mengenmäßigen Transportaufkommen (Güterverkehrsaufkommen) und dem Bruttosozialprodukt in verschiedenen Ländern festgestellt werden. Die Transportelastizität, definiert als Quotient aus relativer Änderung des Transportaufkommens und relativer Änderung des realen Bruttosozialprodukts (BSP), wird im Laufe der Entwicklung einer Volkswirtschaft geringer und ist in hochentwickelten Volkswirtschaften generell kleiner als 1. 5 Wenn die vom makrologistischen System zu bewältigenden Gütermengen insgesamt weniger stark ansteigen als das reale Bruttosozialprodukt, so stehen doch aufgrund der Verschiebungen in der Güterstruktur die in der Güterverteilung tätigen Institutionen hohen Anforderungen gegenüber. Bezüglich der Anforderungen, die die zu transportierenden Güter an den Transport stellen, spricht man auch von Verkehrsaffinitäten. Diesen Verkehrsaffinitäten stellt man die Verkehrswertigkeiten (z. B. Massenleistungsfähigkeit, Schnelligkeit, Sicherheit)6 der Transportmittel gegenüber, mit denen die Leistungsfähigkeit der Transportmittel erfasst wird. Diese Gegenüberstellung ergibt, dass Massengüter zumeist eine hohe Affinität zum Schienen- oder Binnenschifftransport aufweisen, während für Halb- und Fertigfabrikate der Straßentransport bevorzugt wird. Die angesprochene Entmaterialisierung der Güter macht deutlich, dass sich die Verkehrsaffinitäten der Güter im Verlauf der Entwicklung einer Volkswirtschaft ändern und deshalb andere Verkehrsträger bevorzugt werden. So muss die makrologistische Infrastruktur in einer hochentwickelten Volkswirtschaft insbesondere die Verteilung von hochwertigen Gütern mit hohen Lieferserviceanforderungen gewährleisten, was zu einer Verschiebung des Transportaufkommens zugunsten des Straßengüterverkehrs führt. Diese Verschiebung bezeichnet man als den Güterstruktureffekt. Er bildet neben dem Logistikeffekt, dem Integrationseffekt und dem Schnittstelleneffekt eine der Ursachen für die disproportionale Verkehrsträgerentwicklung, die sich in einer Bevorzugung des Straßengüterverkehrs gegenüber den übrigen Verkehrsträgern äußert und die in deren jeweiligen Systemeigenschaften begründet liegt. 7 Der Logistikeffekt ist das Ergebnis der logistischen Neuorientierung der Industrie- und Handelsunternehmen, die z. B. durch Fertigungstiefenreduzierung oder wegen unternehmensübergreifender Flussorientie5
6 7
Hier liegt der Definition der Tranportelastizität der Quotient aus der Veränderung des Transportaufkommens [t] und der Veränderung des BSP zugrunde. Neben dieser Definition existiert in der Literatur auch die Definition der Transportelastizität als Quotient aus Veränderung der Transportleistung [tkm] und Veränderung des BSP, vgl. Aberle, 2009, S. 27f. Die Transportleistung als Produkt aus transportierter Masse [t] (Transportaufkommen) und Strecke [km] nimmt im Gegensatz zum Transportaufkommen in hochentwickelten Volkswirtschaften zu. Dementsprechend ist bei dieser Definition der Transportelastizität der Quotient auch größer als 1. Siehe Kap. B, Abschn. 5.3. Vgl. Aberle, 1994, S. 6ff.; Ihde, 2001, S. 59ff.
1.2
Anforderungen aufgrund der Güterart
311
rung veränderte Anforderungen an den Gütertransport stellen, die der Straßengüterverkehr, nicht aber andere Verkehrsträger erfüllen können. Durch den Integrationseffekt wird die Zunahme des grenzüberschreitenden Transportvolumens beschrieben, die aus dem gemeinsamen Europäischen Markt sowie der Öffnung der osteuropäischen Staaten resultiert. Für die Bewältigung dieser Transportströme sind durchgehende Transportketten erforderlich, deren Realisierung z. B. im Schienenverkehr vergleichsweise problematisch ist, da mehrere nationale Eisenbahngesellschaften zu beteiligen sind. Schließlich gehört auch der Schnittstelleneffekt zu den Ursachen der Verschiebung der Anteile der Verkehrsträger. Er betrifft alle Transportvorgänge, die einen Wechsel des Verkehrsmittels erforderlich machen. Hier besitzt der Straßengüterverkehr, etwa durch das Angebot von Haus-zuHaus-Verkehren, gegenüber den übrigen Verkehrsträgern günstigere Systemeigenschaften. Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr8 zeigt zusätzlich zu den mit der Entwicklung der Volkswirtschaft einhergehenden Tendenzen zu schnelleren und häufigeren Transporten, durch die Lager- und Produktionskosten durch Transportkosten substituiert werden, noch zwei weitere Tendenzen auf. Die eine ist die Tendenz zu schwereren und größer dimensionierten unteilbaren Transportobjekten, deren Bedeutung daraus resultiert, dass Deutschland einer der bedeutendsten Hersteller und Exporteure von Industrie- und Verkehrsanlagen ist. Da Anlageneinheiten (z. B. Kessel, Transformatoren) oder Anlagenteile (z. B. Walzenständer, Brückenträger) immer größere Abmessungen und Gewichte annehmen, steigt der Bedarf an dafür geeigneten Transportmitteln, deren Einsatz aber ein infrastrukturelles Grundnetz mit entsprechend breiten Fahrbahnen, weiten Kurvenradien und großen Durchlasshöhen voraussetzt. Die andere Tendenz ist die zu großvolumigen Transportgefäßen für Güter mit hohem Staukoeffizient (geringem Raumeinheitsgewicht). Sie ergibt sich aus dem zunehmenden Aufkommen an voluminösen und sperrigen Gütern sowie dem Übergang zu immer leichteren Verpackungen und macht den Einsatz von Großraumfahrzeugen oder GroßraumWechselaufbauten erforderlich. Lebenszyklus logistischer Leistungen Die im Laufe der Entwicklung einer Volkswirtschaft im System der Güterverwendung zu beobachtende Veränderung der zu befriedigenden Bedarfe bzw. zu lösenden Probleme führt zur beschriebenen Veränderung des Güteraufkommens, das vom System der Güterverteilung zu bewältigen ist. Die im System der Güterverteilung zu erbringenden Leistungen ändern sich also mit dem Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft. Veranschaulichen lässt sich dies auch mit der Vorstellung vom Lebenszyklus eines Produktes oder einer Leistung, nach der diese dem „Gesetz des Werdens und Vergehens“ unterliegen. Sie werden geboren, wachsen,
8
Zum Folgenden vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Verkehr – Gruppe Verkehrswirtschaft, 1987.
312
E.1 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
Absatz Linienverkehre Expreß- und Terminverkehre Gelegenheitsverkehre
Full-Service-Pakete Ökologieorientierte Logistikleistungen
Markteinführung
Abb. E.1
Marktwachstum
Marktsättigung Marktdegeneration
Zeit
Lebenszyklusphasen ausgewählter logistischer Leistungen in einer hochentwickelten Volkswirtschaft (Quelle: in Anlehnung an Göpfert/Wehberg, 1995, S. 107; Ihde, 2001, S. 47)
werden alt und sterben.9 Abb. E.1 gibt den idealtypischen Lebenszyklusverlauf für ausgewählte logistische Leistungen wieder. Die Positionierung der logistischen Leistungen entsprechend ihrer Lebenszyklusphase dürfte gesamtwirtschaftlich gesehen die gegenwärtige Situation Deutschlands in etwa treffen.
1.3
Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele
Verkehrspolitische Maßnahmen und gesamtwirtschaftliche Ziele Zu den verkehrspolitischen Maßnahmen gehören alle Maßnahmen, die vom Staat zur Regulierung der Verkehrswirtschaft in einer Volkswirtschaft bzw. zwischen den Volkswirtschaften ergriffen werden.10 Zu ihnen gehören zunächst Preisregulierungen, welche Tarifbildungsprozesse und Tarifformen sowie die Kontrolle der staatlich reglementierten Preise umfassen. Die Marktzugangs- und Kapazitätsregulierungen, zu denen auch die Vorschriften über die höchstzulässigen Maße und Gewichte im Güterverkehr zählen, sind ebenfalls Bestandteil der verkehrspolitischen Maßnahmen. Zu den für manche Verkehrsträger bestehenden Auflagen für die Angebotsgestaltung gehören insbesondere die Betriebs- und Beförderungspflichten (Kontrahierungszwang) und der Tarifzwang, durch die die Handlungs9 10
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg, 2008, S. 67f. Vgl. Baum, 1986, S. 108ff.; Aberle, 2009, S. 99ff.
1.3
Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele
313
freiheit der Verkehrswirtschaft eingeschränkt wird. Bei der Investitionslenkung handelt es sich um die Investitionen zur Erweiterung und Erhaltung der im öffentlichen Besitz befindlichen Verkehrswege und Verkehrsknoten für die Schifffahrt, den Luftverkehr, den Schienenverkehr und den Straßenverkehr, durch die der intermodale Wettbewerb beeinflusst wird. Steuern und Subventionen wirken dann regulierend in der Verkehrswirtschaft, wenn sie selektiv diskriminierend eingesetzt werden. Die mit diesen verkehrspolitischen Maßnahmen angestrebten Ziele sind sehr heterogen und stehen teilweise miteinander in Konkurrenz. Besonders zu beachten ist hierbei, dass verkehrspolitische Maßnahmen nicht nur zur Erreichung verkehrlicher, sondern auch zur Erreichung nichtverkehrlicher Ziele ergriffen werden. Bei der Untersuchung der Wirkung verkehrspolitischer Maßnahmen auf einzelwirtschaftliche Ziele ist zu berücksichtigen, dass es zu Abweichungen zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlichen Zielen kommen kann. Nichtverkehrliche Ziele Aufgrund seiner Funktion der Verbindung der volkswirtschaftlichen Systeme Güterbereitstellung (Produktion) und Güterverwendung (Konsumtion) bestehen zwischen dem System der Güterverteilung und diesen beiden Systemen vielfältige Beziehungen. Entwicklungen im System der Güterverteilung haben deswegen häufig Auswirkungen auf die Entwicklungen in den beiden anderen volkswirtschaftlichen Teilsystemen und umgekehrt. Verkehrspolitischen Maßnahmen wird deshalb die Möglichkeit zugesprochen, in diesen Teilsystemen Gestaltungsprozesse auszulösen und damit bestehende wirtschaftliche, räumliche, ökologische und soziale Strukturen umzuformen. Sie können wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven ganzer Regionen oder einzelner Standorte beeinflussen, durch Verkehrsinfrastrukturprojekte Umweltbelastungen räumlich verschieben und Beschäftigungsund Wachstumspotentiale eröffnen.11 Mit verkehrspolitischen Maßnahmen lassen sich deshalb auch wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ziele verfolgen, z. B. sozialpolitische Ziele durch Sozialtarife im Personenverkehr oder umweltpolitische Ziele im Rahmen der Verkehrslärmschutzgesetzgebung. Existieren zwischen nichtverkehrlichen und verkehrlichen Zielen Zielkonflikte, so besteht beim Ergreifen verkehrspolitischer Maßnahmen zur Erreichung nichtverkehrlicher Ziele die Gefahr, dass die Verkehrswirtschaft so stark negativ beeinträchtigt wird, dass die positiven Zielbeiträge in den Nichtverkehrsbereichen die Nachteile in der Verkehrswirtschaft nicht auszugleichen vermögen.12 Hier wäre dann die Frage zu stellen, ob es nicht sinnvoller ist, beim Einsatz verkehrspolitischer Maßnahmen allein die verkehrlichen Ziele im Auge zu haben, um auf diese Weise die Verkehrswirtschaft optimal zu organisieren. Negative Zielbeiträge in allen anderen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Sektoren könnten dann durch
11 12
Vgl. Baum, 1991, S. 13. Vgl. Ihde, 2001, S. 110.
314
E.1 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
direkte Maßnahmen, z. B. Fahrgelderstattungen im sozialpolitischen Bereich, ausgeglichen werden. Überwiegen demgegenüber bei einem Eingriff in die Volkswirtschaft die positiven Effekte anderer gesellschaftlicher Bereiche, erscheint es sinnvoll, durch verkehrspolitische Maßnahmen in die Volkswirtschaft einzugreifen. Diese Vorgehensweise wird insbesondere bei der Berücksichtigung ökologischer Ziele verfolgt. Dabei gilt es Umweltbelastungen, die durch Infrastrukturprojekte und Transportprozesse verursacht werden, zu vermindern. Umwelteinwirkungen des Verkehrs entstehen sowohl inputseitig, z. B. durch Bodenversiegelung oder den Verbrauch von Energieträgern, als auch outputseitig in Form von Lärm, stofflichen bzw. gasförmigen Emissionen oder Belastungen durch Unfälle. Verkehrspolitische Ansätze zur Verminderung dieser Umwelteinwirkungen bilden z. B. Abgasvorschriften für Lkw oder die Einführung einer Autobahngebühr, mit der u. a. das Ziel verfolgt wird, den Verkehr stärker auf als umweltverträglicher angesehene Verkehrsträger, wie z. B. den Schienengüterverkehr, zu verlagern. Verkehrliche Ziele Unter den verkehrlichen Zielen13 steht die Versorgung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen an erster Stelle. Die Erreichung dieses Zieles in einer Marktwirtschaft ist unproblematisch, wenn über den Marktmechanismus ein ausreichendes und akzeptables Verkehrsangebot erreicht werden kann. In diesem Fall können sich die verkehrspolitischen Maßnahmen darauf beschränken, die Rahmenbedingungen für die Verkehrswirtschaft so zu gestalten, dass der intramodale (verkehrsträgerinterne) Wettbewerb einerseits und der intermodale Wettbewerb (zwischen verschiedenen Verkehrsträgern) andererseits nicht beeinträchtigt werden. 14 Die Verkehrspolitik hat für das Angebot öffentlicher Verkehrsleistungen zu sorgen, sofern die in der Gesellschaft als dringlich anerkannten Verkehrsbedürfnisse (z. B. Bedienung von Randgebieten und kleinen Orten bzw. Regionen) durch privatwirtschaftliche Unternehmen über den Marktmechanismus nicht befriedigt werden. Als weiteres verkehrliches Ziel lassen sich die Gleichstellung der Verkehrsträger und Handlungsfreiheit der Verkehrsanbieter und -nachfrager nennen. Dieses Ziel ist ein wesentliches Fundament der gemeinsamen Verkehrspolitik der Europäischen Union. Die Gleichstellung der Verkehrsträger besagt, dass diese in der Verkehrswirtschaft ihre arteigenen Vorzüge geltend machen und frei zur Entfaltung bringen können. Diesem Gedanken liegt die Vorstellung einer die spezifischen Vorteile der Verkehrsträger ausnutzenden Arbeitsteilung zugrunde. Das Ziel der Handlungsfreiheit in der Verkehrswirtschaft besagt, dass die Entscheidungen zum Angebot und zur Nachfrage nach Verkehrsleistungen grundsätzlich der freien Willensbildung unterliegen. 13
14
Vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 127ff.; Fichert/Grandjot, 2007, S. 147ff. Zu Zielen und Aktionsbereichen der Gemeinsamen Verkehrspolitik der Europäischen Gemeinschaften vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2006. Zu den Wettbewerbsarten vgl. Claussen, 1979, S. 76ff.
1.3
Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele
315
Aus den beiden an erster Stelle genannten verkehrlichen Zielen folgt ein drittes verkehrliches Ziel, nämlich die Vornahme der notwendigen Erweiterungs- und Ersatzinvestitionen in die öffentlich zu unterhaltenden Verkehrswege und -knotenpunkte. Schließlich ist, wie in anderen Bereichen der Wirtschaft auch, in der Verkehrswirtschaft beim Einsatz volkswirtschaftlich knapper Ressourcen das Wirtschaftlichkeitsprinzip zu beachten. Da dieses Prinzip auch den einzelwirtschaftlichen Entscheidungen zugrunde liegt, ließe sich eine Übereinstimmung (Zielkomplementarität) zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlichen Zielen in diesem Fall vermuten. Dies ist jedoch aufgrund des Bestehens externer Effekte nur zum Teil der Fall. Externe Effekte Maßnahmen zur Erreichung einzelwirtschaftlicher Ziele können auch der gesamtwirtschaftlichen Zielerreichung dienen, wenn beispielsweise „durch organisatorische und investive Maßnahmen x die Leerfahrtenzahl der Transportgefäße vermindert, x die zeitliche, gewichts- und/oder volumenmäßige Auslastung der Transportgefäße erhöht, x arbeits- und kapitalsparende durchgehende Transportketten gebildet, x eine Harmonisierung der Verpackungsmodalitäten und Ladehilfsmittel (Paletten, Container) durchgesetzt, x die Lagerhaltung durch Standardisierung und Anpassung der Lagerhilfsmittel an die Transporthilfsmittel erleichtert und x die Organisation und Disposition der mehrstufigen Gütermanipulation (betriebsexterne und betriebsinterne Transporte, Vor-, Zwischen- und Auslieferungslagerung, betriebliche Produktionsprozesse) durch Einsatz technologisch hochwertiger Informations- und Kommunikationssysteme verbessert werden.“15 Es kann aber auch zu Konflikten zwischen den einzel- und gesamtwirtschaftlichen Zielen kommen.16 So genannte externe Effekte sind Auswirkungen von einzelwirtschaftlichen Maßnahmen auf Dritte, die bei den einzelwirtschaftlichen Entscheidungen unberücksichtigt bleiben. Sie können sowohl als externe Vorteile (External Economies) als auch als externe Nachteile (External Diseconomies) auftreten. Von externen Vorteilen oder sozialem Nutzen spricht man, wenn Dritte (Haushalte, Unternehmen, Staat) aus den Maßnahmen eines Verursachers Nutzen ziehen, ohne dass der Verursacher dafür einen entsprechenden Gegenwert erhält. Externe Nachteile oder soziale Kosten treten dann auf, wenn Dritte durch die Maßnahmen eines Verursachers beeinträchtigt werden, ohne dass der Verursacher
15 16
Aberle, 1983, S. 4. Vgl. Claussen, 1979, S. 90ff.; Ihde, 2001, S. 71ff.; Aberle, 2009, S. 574ff.
316
E.1 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
mit einem entsprechenden Gegenwert belastet wird. Externe Effekte haben in der Verkehrswirtschaft eine große Bedeutung, wie folgende Beispiele zeigen:17 x „Verkehrsvorgänge nehmen stets Infrastrukturleistungen (Straßen, Wasserwege, Häfen, Flughäfen, Schienenverkehrsleistungen, Umschlagsplätze für Stück-, Massen- und containerisierte Güter) in Anspruch. In dem Maße, wie die Benutzer dieser Infrastrukturkapazitäten nicht zur Finanzierung der Ressourcenbindung herangezogen werden, erhalten sie Inputfaktoren ohne oder mit verzerrter Kostenanlastung mit der Folge, dass ihre Entscheidung über Verkehrsträgerwahl (Modal-Split), Transportwege und Transportentfernung sowie unter Umständen auch hinsichtlich der Investitionen in Fahrzeuge fehlerhaft in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung sind. Hiermit ist das so genannte Wegekosten- oder besser Wegerechnungsproblem angeschnitten. x Die Abwicklung von Transportleistungen belastet durch Schadstoff- und Lärmemissionen der Fahrzeuge die Umwelt; durch den Bau von Verkehrswegen erfolgen häufig umweltproblematische Zerschneidungs- und Flächennutzungsveränderungsprozesse. Die zahlreichen Internalisierungsbemühungen dieser negativen Umweltwirkungen sollen sowohl die Entscheidung bei den Verkehrswegeinvestitionen wie auch bei den einzelnen Transportvorgängen und damit die der Güterflusslogistik beeinflussen.“ 18 Darf ein Verkehrsträger im Verhältnis zu seinen Konkurrenten soziale Kosten verursachen oder bekommt er einen von ihm verursachten sozialen Nutzen nicht abgegolten, so kommt es zur Wettbewerbsverzerrung. Externe Effekte führen also nicht nur zu Konflikten zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlichen Zielen, sondern auch zu Konflikten zwischen den einzelwirtschaftlichen Zielen verschiedener Verkehrsträger. Es wird generell die Internalisierung externer Kosten als Voraussetzung für eine kostenwahre Kalkulation und damit auch für eine effiziente Steuerung des Verkehrs nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen angesehen.19 Zur Quantifizierung externer Effekte gibt es grundsätzlich zwei Phasen: x „die Ermittlung der Mengengerüste und x die Transformation der Mengewerte in die ökonomische Kategorie Geldeinheiten, also die Bewertung der Mengengerüste (Monetarisierung).“20 Allerdings bestehen Unklarheiten über die Bewertung und Zurechnung externer Effekte. Deshalb existieren verschiedene Rechnungen zu den Nutzen und Kosten einzelner Verkehrsträger mit stark voneinander abweichenden Ergebnissen, vor allem bezüglich des Straßenverkehrs. 21 Für diese Abweichungen lassen sich vier 17 18 19 20 21
Aberle, 1983, S. 6. Aberle, 1983, S. 6. Vgl. Willeke, 1993, S. 219ff. Aberle, 2009, S. 612. Vgl. Aberle, 1994, S. 20; Aberle, 2009, S. 612ff.
2.1
Infrastruktur des Güterflusses
317
wesentliche Ursachen angeben. Erstens bestehen häufig Kenntnislücken und Unsicherheiten über verursachte Emissionen oder Belastungswirkungen, die dann mit ungesicherten bzw. willkürlichen Annahmen überbrückt werden (z. B. Zusammenhänge zwischen bestimmten Lärmpegeln und daraus folgenden gesundheitlichen Schäden). Zweitens existieren erhebliche Unsicherheiten bei der monetären Bewertung der Folgewirkungen (z. B. bei der Bewertung von Geruchsbelästigungen). Drittens führt die Feststellung der Kausalität bei der Anwendung des Verursacherprinzips zu erheblichen Problemen (z. B. staatliche und kommunale Verkehrswegeplanung als mögliche Ursache von Verkehrsstauungen). Viertens unterliegt die Bewertung externer Effekte politischen Entscheidungen. Carbon Footprint (CF) wird neuerdings oft diskutiert zur Erfassung der externen Effekte. Carbon Footprint ist die Gesamtmenge von Kohlendioxid (CO2) und andere Treibhausgasemissionen entlang der Supply Chain bzw. des Lebenszyklus eines Produktes. Der Carbon Footprint wird durch Indikatoren, wie z. B. das globale Erwärmungspotenzial (GWP), quantifiziert. ISO 14040-14044 bieten Anforderungen zur Kalkulation des Carbon Footprints.22
2
Makrologistische Infrastruktur
2.1
Infrastruktur des Güterflusses
Grundlagen Ob die im vorangegangenen Abschnitt behandelten Anforderungen vom makrologistischen System eines Wirtschaftsraums erfüllt werden können, hängt wesentlich von der vorhandenen logistischen Infrastruktur ab. Mit dem Begriff der logistischen Infrastruktur soll im materiellen Sinne23 das Netz eines Wirtschaftsraums, z. B. einer Volkswirtschaft, verstanden werden, in dem Güter und Informationen zwischen den Unternehmen und Haushalten fließen können. Im Folgenden wird zunächst die Infrastruktur des Güterflusses behandelt. Genauer betrachtet besteht die Infrastruktur eines Wirtschaftsraums nicht aus einem Netz, sondern setzt sich aus einer Vielzahl von Teilnetzen zusammen, die beispielsweise entsprechend der verschiedenen Verkehrsträger unterschieden werden können. In diesem Sinne kann ein Seeschifffahrtsnetz, ein Binnenschifffahrtsnetz, ein Straßenverkehrsnetz, ein Schienenverkehrsnetz, ein Luftverkehrsnetz und ein Rohrleitungsverkehrsnetz abgegrenzt werden. Jedes dieser Teilnetze besteht aus Verkehrswegen und Verkehrsknoten. Beispiele für Verkehrswege sind Straßen oder die schiffbaren Flüsse und Kanäle. Verkehrswege werden auch für den Personenverkehr genutzt, woraus eine Konkur22 23
Vgl. European Commission, 2007, S. 1f. Zur Unterscheidung von materieller und immaterieller Infrastruktur vgl. Ihde, 2001, S. 135.
318
E.2 Makrologistische Infrastruktur
renz zwischen Güter- und Personenverkehr um Nutzungsmöglichkeiten entstehen kann. Verkehrsknoten stellen die Bindeglieder in Verkehrsnetzen dar. Ihre Wichtigkeit wächst mit der Bedeutung, den Umschlagsprozesse für den einzelnen Verkehrsträger haben. So können Knoten im Straßenverkehrsnetz, z. B. Umschlagseinrichtungen der Straßentransportunternehmen, vergleichsweise einfach ausgestaltet sein. Knoten im Seeverkehr (Seehäfen) sind dagegen äußerst komplexe Gebilde. Verkehrsknoten erfüllen eine Doppelfunktion. Zum einen dienen sie als Verbindungselemente im Netz eines Verkehrsträgers und können so auch die Netze verschiedener Wirtschaftsräume verknüpfen. Zum anderen stellen sie aber auch Schnittstellen zwischen den Netzen verschiedener Verkehrsträger dar. Beispiele dafür sind die Seehäfen, die das Seeverkehrsnetz mit den Binnenverkehrsnetzen des Hinterlandes verbinden. Weitere Beispiele sind die Terminals des Kombinierten Verkehrs, welche die Verkehrsnetze der beteiligten Verkehrsträger durch entsprechende Umschlagseinrichtungen verknüpfen. In der Regel werden Aussagen über die logistische Infrastruktur auf eine Volkswirtschaft als relevanten Wirtschaftsraum bezogen. Die Definition des relevanten Wirtschaftsraums hängt jedoch auch von dem betrachteten Verkehrsträger ab. So macht z. B. im Falle des Seeverkehrs eine nationale Abgrenzung wenig Sinn. Relevanter Wirtschaftsraum ist die Weltwirtschaft oder zumindest ein Fahrtgebiet zwischen zwei geographischen Regionen. Aus deutscher Sicht ist dagegen für den Binnenschiffverkehr oder den Schienenverkehr sicherlich Europa der relevante Wirtschaftsraum. Häufig wird aber auch die Infrastruktur einer Region oder sogar eines Stadtgebietes von Interesse sein. Eine wesentliche Kenngröße der logistischen Infrastruktur des Güterflusses hinsichtlich der Verkehrswege ist die Netzdichte.24 Die Netzdichte wird als Quotient der Verkehrswegelänge und der Fläche eines Wirtschaftsraumes bestimmt. Die Netzdichte kann als Vergleichsgröße der Infrastrukturausstattung verschiedener Wirtschaftsräume oder auch zum Vergleich innerhalb eines Wirtschaftsraumes herangezogen werden. Eine weitere wichtige Kenngröße ist die Verkehrswegelänge pro Einwohner. Diese Größen erlauben jedoch keine Aussage über die Qualität von Verkehrswegen. Dazu sind verkehrsträgerspezifische Qualitätskriterien notwendig, wie z. B. der Elektrifizierungsgrad von Eisenbahnstrecken oder der Anteil befestigter Straßen am Gesamtnetz. Bedeutsam für die Höhe des potentiellen Nutzens aus einer vorhandenen logistischen Infrastruktur ist deren Belastung. So kommt es z. B. in der Bundesrepublik trotz der im internationalen Vergleich guten Infrastrukturausstattung aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens zu teilweise erheblichen Engpässen.25 Wesentlich für die Güte der logistischen Infrastruktur sind aber auch Anzahl, Verteilung und Leistungsfähigkeit der Verkehrsknoten. So wird die Infrastrukturausstattung im See- oder Luftverkehr primär durch die Verfügbarkeit ausreichend dimensionierter See- bzw. Flughäfen bestimmt. 24 25
Zu weiteren Kenngrößen vgl. Ihde, 2001, S. 111ff. Vgl. Aberle, 1998, S. 110f. Siehe Kap. E, Abschn. 2.4.
2.1
Infrastruktur des Güterflusses
319
Im Folgenden sollen zunächst die Verkehrswege und Verkehrsknoten gegliedert nach den einzelnen Verkehrsträgern betrachtet werden. Im Anschluss daran wird im Zusammenhang mit der Kombination von Verkehrsnetzen die Schnittstellenfunktion der Verkehrsknoten diskutiert. Seeschifffahrt Die Seeschifffahrt nutzt einen wesentlichen Bestandteil der Infrastruktur der internationalen Logistik: die Meere und die Seehäfen. Im Jahre 2007 wurden von den deutschen Seehäfen 123,0 Mio. t Güter versandt, wovon 118,9 Mio. t an Häfen außerhalb Deutschlands gingen.26 Davon wurden wiederum 69,6 Mio. t in andere Länder Europas, 4,8 Mio. t nach Afrika, 13,1 Mio. t nach Nordamerika, 4,8 Mio. t nach Mittel- und Südamerika sowie 26,1 Mio. t nach Asien verschifft.27 Von den 192,0 Mio. t empfangener Güter kamen 188,2 Mio. t von ausländischen Häfen.28 Während die Frachtraten für die Charterschifffahrt frei ausgehandelt werden können, werden die Frachtraten des Linienverkehrs in Kartellen, den so genannten Schifffahrtskonferenzen, festgelegt. Die meisten dieser Konferenzen, von denen es heute ca. 350 gibt, beziehen sich auf die Seeschifffahrt zwischen zwei geographischen Regionen. Allerdings haben diese Konferenzen durch das Aufkommen neuer, andersartiger Leistungsangebote nicht mehr die starke Stellung wie in der Vergangenheit. Diese neuen Wettbewerber verzichten auf eigene Schiffe (Non Vessel Operators) und verfolgen mit ihrem Leistungsangebot die Idee der Durchfracht. Sie greifen entweder auf gecharterten Schiffsraum zurück oder bedienen sich der so genannten Landbrückenverkehre. Bekannt ist hier z. B. die Landbrücke zwischen Europa und Fernost in Form der Transsibirischen Eisenbahn. Das in der Schifffahrtsentwicklung zu beobachtende Größenwachstum der Schiffe, verbunden mit dem Trend zur Containerisierung, führt zu hohen Fixkostenbelastungen in der Seeschifffahrt. Daraus resultiert die Notwendigkeit, die Ladekapazität bei einer Fahrt möglichst hoch auszulasten und die Umlaufgeschwindigkeit der Schiffe zu erhöhen. Dies wiederum führt zum Angebot mancher Anbieter von so bezeichneten One-Port-Verkehren. Man versucht hierbei die Anzahl der anzulaufenden Häfen zu reduzieren und in einem Round-the-WorldService (Verbindung der wichtigsten Verkehrsströme durch weltumspannende Liniendienste) nur noch einen Hafen pro Land bzw. pro Wirtschaftsregion anzulaufen.29 Damit steigt weiterhin die schon bisher große Bedeutung einzelner Häfen. Denn die logistische Infrastruktur der Seeschifffahrt wird primär durch die Anordnung der Seehäfen als Knotenpunkte bestimmt, da prinzipiell die gesamten Meere als Verkehrsflächen zur Verfügung stehen. So entfielen 2007 von den 253,7 Mio. t 26 27 28 29
Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 73. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 199. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 73. Vgl. Schieck, 2008, S. 192ff.
320
E.2 Makrologistische Infrastruktur
Güterumschlag der deutschen Nordseehäfen alleine 118,2 Mio. t auf Hamburg.30 Auch an den 15,3 Mio. TEU31 Containern, die 2007 in deutschen Seehäfen umgeschlagen wurden, hat Hamburg einen Anteil von 65% und Bremen-Bremerhaven einen von 32%.32 Im gleichen Jahr wurden in Rotterdam 406,8 Mio. t umgeschlagen, wovon jedoch 38% auf Erdöl und Mineralölprodukte entfielen.33 Wenn nur noch sehr wenige Häfen angelaufen werden, werden an diese größere Anforderungen bezüglich des Umschlags der Güter und der Versorgung des Hinterlandes durch entsprechende Zubringerdienste gestellt. Das erhöht die Bedeutung der Hinterlandlage der Seehäfen gegenüber der Meeres- oder Küstenlage. Der Seehafen muss mit einer geeigneten Infrastruktur durch Feederdienste (Küstenschifffahrt), Binnenschifffahrt, Eisenbahn und Straßenverkehr mit dem Hinterland verbunden sein. Diese Infrastruktur spielt beim Wettbewerb der Seehäfen untereinander eine wichtige Rolle.34 Die Auswahl aus dem vorhandenen Leistungsangebot in der Seeschifffahrt ist durch protektionistische Maßnahmen eingeschränkt. Viele Länder wollen sich vor allem in Form so genannter Local-Content-Vorschriften einen bestimmten Anteil am Transportaufkommen der Seeschifffahrt sichern. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen zur Einräumung von Vorrechten bei der Befrachtung nationaler Flotten für die konferenzgebundene Linienschifffahrt steht die Quotierung nach dem Unctad-Kodex. Danach soll das bilaterale Gütertransportaufkommen zwischen zwei Handelspartnern zu je 40% den beteiligten nationalen Flotten zugeteilt werden, während 20% dem freien Markt vorbehalten bleiben sollen. Jedoch verzichten die OECD-Staaten untereinander auf diese Regelung, weshalb der Kodex überwiegend im Handel mit Entwicklungsländern Anwendung findet.35 Bezüglich der nationalen Flotten zeigt sich zudem in vielen Industrieländern, darunter auch in der Bundesrepublik Deutschland, das Phänomen der Ausflaggung von Seeschiffen. So wurden 1998 fast 52% der Bruttotonnage unter Flaggen so genannter Flaggenstaaten betrieben, wodurch sich für moderne Schiffe aus steuerlichen sowie arbeitsund sozialrechtlichen Vorteilen Einsparungen von bis zu einer halben Mio. EUR pro Schiff und Jahr realisieren lassen.36 Allerdings scheint die fortschreitende Ausflaggung durch die Einrichtung eines Zweitregisters in Deutschland aufgehalten. Durch die Aufnahme in das Zweitregister finden bestimmte arbeits- und sozial30 31
32 33
34
35 36
Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 71. TEU: Twenty foot equivalent unit. Übliche Umrechnung von Transporten im Containerverkehr, die mit verschiedenen Containereinheiten ausgeführt werden, auf einen Container mit 20 Fuß Länge. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 75. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 317. Allerdings sind hierin im Gegensatz zu der für Hamburg genannten Größe die Eigengewichte der Transportfahrzeuge, Container, Trailer usw. enthalten. Zur Bedeutung des Hinterlandverkehrs für den Wettbewerb der Seehäfen Hamburg und Rotterdam vgl. Bollinger, 1987. Vgl. Ihde, 2001, S. 149f. Vgl. Ihde, 2001, S. 148; Vahrenkamp, 2007, S. 320.
2.1
Infrastruktur des Güterflusses
321
rechtliche Regelungen Deutschlands auf die ausländischen Besatzungen dieser Schiffe keine Anwendung mehr. Binnenschifffahrt Im Jahre 2006 betrug die Länge der deutschen Wasserstraßen 7.309 km.37 Somit beträgt die Netzdichte lediglich 0,02 km/km2. Die durchschnittliche Transportweite der Binnenschifffahrt im Bundesgebiet beläuft sich auf 260 km, d. h. Binnenschiffe werden überwiegend für Langstreckentransporte eingesetzt. 38 Eine Aufgliederung nach Wasserstraßenklassen für Gesamtdeutschland liegt für 1991 vor. Danach sind lediglich 1.682 km für große Schiffe ab 1.500 t befahrbar.39 Diese Wasserstraßen liegen beinahe ausschließlich in den alten Bundesländern, während in den neuen Bundesländern solche der niedrigeren Klassen dominieren. Die Anzahl der deutschen Binnenschiffe hat sich weiterhin verringert. In den alten Bundesländern gab es im Jahr 2000 nur noch 2448 Frachtschiffe, wobei es 1980 noch 3812 (nur damalige Bundesrepublik Deutschland) und 1992 noch 3282 waren. Heute sind es lediglich 2310. 40 Allerdings hat sich die gesamte Tragfähigkeit der Schiffe aufgrund größerer Bauarten weniger dramatisch verringert. Der Verkehr der Binnenschifffahrt hat sich vergleichsweise positiv entwickelt. Die Transportmenge ging mit 229 Mio. t (1999) gegenüber 241 Mio. t (1980) nur leicht zurück.41 2007 betrug die Transportmenge der Binnenschifffahrt 249 Mio. t42 und ist wieder höher als im Jahr 1980. Die durchschnittliche Transportentfernung hat jedoch zugenommen, so dass die Transportleistung von 51,4 Mrd. tkm (1980) auf 66,5 Mrd. tkm (2000) gestiegen ist.43 2007 betrug die Transportleistung der Binnenschifffahrt 64,7 Mrd. tkm.44 Binnenschifffahrt bedeutet in Westeuropa primär Rheinschifffahrt. So wurden 1997 rund 80% der Verkehrsleistung auf deutschen Binnenwasserstraßen im Rheingebiet erbracht.45 Gefördert wird dies durch die Mannheimer Akte von 1868, gemäß der die Rheinschifffahrt für alle Rheinanliegerstaaten frei ist. Die Dominanz des Rheingebietes wird auch deutlich, wenn der Güterumschlag der Binnenhäfen aufgeschlüsselt nach Wasserstraßengebieten betrachtet wird.46 Gemessen am Güterumschlag sind die größten deutschen Binnenhäfen Duisburg, Köln, Hamburg, Mannheim und Ludwigshafen. Zusätzliche Bedeutung erhielt die Rhein37 38 39 40 41 42 43 44 45
46
Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 112. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 243. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, 1994, S. 114. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 59. Vgl. Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, 2001. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 242. Vgl. Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, 2001, S. 35. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 237. Vgl. Bundesverband der deutschen Binnenschifffahrt/Verein für Binnenschifffahrt und Wasserstraßen, 1998, S. 34. Vgl. Statistisches Bundesamt, 1999, S. 314.
322
E.2 Makrologistische Infrastruktur
schifffahrt mit der Eröffnung des 171 km langen Main-Donau-Kanals im Jahre 1992, durch den eine durchgehende europäische Verbindung von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer geschaffen wurde. Die Binnenwasserstraßen verfügen noch über erhebliche Kapazitätsreserven.47 Gegenwärtig wird die Binnenschifffahrt primär im Massenguttransport genutzt. Zum Transport der Gütergruppen Kohle, Erdöl und Mineralölerzeugnisse, Erze und Metallabfälle, Eisen, Stahl und NE-Metalle sowie Steine und Erden werden 71% der Verkehrsleistung der Binnenschifffahrt im Bundesgebiet erbracht, während der Transport von Fahrzeugen, Maschinen, Halb- und Fertigwaren 7,5% ausmacht. 48 Bei einer nahezu gleich bleibenden Gesamttransportmenge hat sich der Containerverkehr auf deutschen Wasserstraßen in den letzten Jahren mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 10,9 Prozent dramatisch erhöht: von 748.600 TEU im Jahr 1995 auf über 2,1 Millionen TEU im Jahr 2005.49 Die Binnenschifffahrt könnte deshalb vor allem durch den weiteren Ausbau von Containertransportketten zur Entlastung der Infrastruktur der anderen Verkehrsträger, insbesondere des Schienen- und Straßenverkehrs, beitragen. Luftverkehr Ähnlich wie im Falle der Seeschifffahrt schafft die Infrastruktur des Luftverkehrs eine bedeutende Basis für die internationale Logistik. Zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Luftverkehrs wurde auf staatlicher Ebene das ICAOAbkommen 50 geschlossen, das die „fünf Freiheiten der Luft“ garantieren soll. 51 Dabei handelt es sich um Transit-, Lande- und Transportrechte der beteiligten Länder in einem anderen Vertragsstaat. Während im Gelegenheitsverkehr eine multilaterale Regelung aller fünf Freiheiten erreicht werden konnte, gibt es für den Linienverkehr nur Transitvereinbarungen, welche das Überfliegen eines anderen Staates und das Landen zu nicht-gewerblichen Zwecken erlauben (technische Freiheiten). Gewerbliche Lande- und Transportrechte (kommerzielle Freiheiten) wurden entgegen der ursprünglichen Absicht bilateral geregelt. Im Luftverkehr spielt weiterhin die INTERNATIONAL AIR TRANSPORT ASSOCIATION (IATA) als Ordnungsfaktor eine gewichtige Rolle, wenngleich ihr Einfluss im Rahmen der Deregulierung des Luftverkehrs zurückgegangen ist. Im Gegensatz zur ICAO sind die Mitglieder der IATA nicht die Staaten, sondern die Fluggesellschaften. Die IATA ist ein Preis- und Konditionenkartell des gewerblichen Luftverkehrs, in dem Gebietsabsprachen, Quotierung, Poolbildung, währungstechnische Abrechnungsprobleme, organisatorische Zusammenarbeit sowie Vereinheitlichung der Dokumente behandelt werden.
47 48 49 50 51
Vgl. Aberle, 1998, S. 110. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 242. Vgl. Märkt, 2006. ICAO: INTERNATIONAL CIVIL AVIATION ORGANIZATION. Vgl. Ihre, 2001, S. 181ff.
2.1
323
3623
2007
2183
3442
2006
2144
3168
2005
1973
2967
2004
1855
2641
2003
1667
2593
2002
1652
2496
2001
1625
gesamt
Abb. E.2
Infrastruktur des Güterflusses
davon Frankfurt/Main
in 1000t
Entwicklung des Fracht- und Postaufkommens deutscher Verkehrsflughäfen (Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, 2008, S. 91)
Obwohl dem Luftverkehr im Prinzip – analog zur Seeschifffahrt – ein unbegrenzter Raum zur Abwicklung von Transporten zur Verfügung steht, sind die Flugbewegungen der Verkehrsfliegerei auf die überwachten Routen beschränkt. Die logistische Infrastruktur des Luftverkehrs wird wesentlich durch die Lage der Flughäfen und deren Leistungsfähigkeit bestimmt. Zwar ist der Anteil der Luftfracht am gesamten Transportaufkommen gering, doch durch sie hat die Belastung der deutschen Verkehrsflughäfen deutlich zugenommen. Die Steigerung des Postund Frachtaufkommens der deutschen Verkehrsflughäfen von 45% zeigt Abb. E.2. Darüber hinaus stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der Fluggäste ebenfalls um 36%.52 Dementsprechend kommt es zu Engpässen bei der Vergabe von Start- und Landemöglichkeiten (Slots). Die Bedeutung eines Flughafens als logistischer Knotenpunkt hängt u. a. vom unmittelbaren Flughafenumland ab, in dem die notwendige Infrastruktur für die 52
Vgl. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., 2008, S. 14f.
324
E.2 Makrologistische Infrastruktur
Organisation der Vor- und Nachläufe existieren muss. Neben diesem unmittelbaren Flughafenumland ist das Einzugsgebiet eines Flughafens für das Verkehrsaufkommen von Bedeutung. Dieses ist vergleichbar mit dem Hinterland von Seehäfen. Die Flughäfen der einzelnen Länder oder Wirtschaftsregionen stehen insofern in einem hierarchischen Verhältnis, als kleinere für größere Flughäfen Zubringerund Verteilerdienste übernehmen. Beispielsweise ist der Flughafen Frankfurt/Main in der Hierarchie europäischer Flughäfen für die Güterverteilung ganz oben angesiedelt und hat als Transitstation eine wichtige Drehscheiben- oder Drehkreuzfunktion im internationalen Luftfrachtverkehr. Transitflughäfen müssen aufgrund ihrer technischen Anlagen und ihrer Organisation in der Lage sein, die Fracht in kürzester Zeit umzuschlagen. Wenn infolge der Zunahme des Flugverkehrs die traditionellen Großdrehkreuze überlastet werden, kann dies zum Aufbau von Sekundär- oder Umgehungsdrehkreuzen führen.53 Schienenverkehr Dem Eisenbahnverkehr der Bundesrepublik Deutschland stand 2000 ein Schienennetz von 36.600 km der DEUTSCHEN BAHN AG und 3.500 anderer Betreiber zur Verfügung. Allerdings werden in nur 25% dieses Schienennetzes, dem so genannten betriebswirtschaftlich optimalen Netz, über 75% des Verkehrs abgewickelt.54 Während ein Großteil des Schienennetzes zur Güterbeförderung also kaum genutzt wird, sind andere Teile voll ausgelastet. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal des Schienenweges ist der Anteil elektrifizierter und mehrgleisiger Strecken. Die Längen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale der Eisenbahnstrecken ausgewählter europäischer Länder sind in Abb. E.3 dargestellt. Im europäischen Vergleich verfügt die Bundesrepublik Deutschland über ein gut ausgebautes Schienennetz. Die Netzdichte ist bedeutend höher als in anderen Ländern. Allerdings belegt Deutschland beim Anteil elektrifizierter Strecken eher einen mittleren Platz. Bemerkenswert ist die hohe Netzdichte der beiden angeführten osteuropäischen Länder. Unterschiedliche Probleme bei der Nutzung des Schienennetzes stellen sich im Wagenladungsverkehr und im Kleingutverkehr (Stückgut- und Expressgutverkehr). Während die Nutzung des Wagenladungsverkehrs stark von der Anbindung der Versender und Empfänger durch Gleisanschlüsse an das Schienennetz abhängt, stellt der Kleingutverkehr besondere Anforderungen an die als Auflösungsund Konzentrationspunkte dienenden Bahnhöfe. Aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen hat die Deutsche Bahn AG die Anzahl der Stückgutbahnhöfe in der Bundesrepublik Deutschland auf weniger als 250 reduziert. 55 Dieser Trend zur Konzentration des Stückgutumschlages auf eine geringere Anzahl von Knotenpunkten im Schienennetz bedingt eine erhöhte Kooperation der Bahn mit dem
53 54 55
Vgl. Trumpfheller, 2006, S. 33ff. Vgl. Ihde, 2001, S. 159. Vgl. Ihde, 2001, S. 169f .; Vahrenkamp, 2007, S. 304ff.
2.1
Infrastruktur des Güterflusses
325
Straßengüterverkehrsgewerbe, um die Flächenbedienung für den StückgutHausverkehr gewährleisten zu können. Der Stückgutverkehr soll über ca. 40 Frachtzentren abgewickelt werden, die durch Direktverbindungen bedient werden können. Dazu wird der Einzug aus der bzw. die Verteilung in die Fläche durch verstärkten Lkw-Anschluss realisiert. Wie die folgenden Ausführungen zur Verknüpfung der logistischen Infrastruktur verschiedener Verkehrsträger noch zeigen werden, ist geplant, diese Frachtzentren, ebenso wie die Umschlagterminals des Kombinierten Verkehrs, verstärkt in Güterverkehrszentren zu integrieren. D
GR
E
F
I
NL
GB
H
RO
Streckenlänge in 1.000 km
41,3
1,8
12,8
29,1
16,6
2,8
20,0
7,5
10,8
davon elektrifiziert in %
55,7
4,6
58,9
50,4
69,4
73,4
25,1
35,2
36,9
115,7
13,6
25,4
43,1
55,1
67,4
81,7
80,6
45,3
Netzdichte in km/1.000 km2 Abb. E.3
Streckenlängen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale der Schienenwege ausgewählter europäischer Länder im Jahr 2000 (Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, 2008, S. 53; Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, 2008, S.78)
Straßenverkehr Die Infrastruktur des Straßengüterverkehrs wird primär durch die Verkehrswege gebildet, wenngleich Knotenpunkte, wie noch gezeigt wird, von großer Bedeutung für die Verknüpfung mit den Netzen anderer Verkehrsträger sind. Der Lastkraftwagen kann auf ein wesentlich engmaschigeres Wegenetz als das Binnenschiff und die Eisenbahn zurückgreifen. Damit kommt der Straßenverkehrsinfrastruktur eine führende Rolle bei der Erschließung der Fläche zu. 1999 standen dem Lkw in der Bundesrepublik 230.700 km überörtliche Straßen zur Verfügung. Hinzu kommen ca. 413.000 km (Stand 1992) Gemeindestraßen. Die durchschnittliche Netzdichte der überörtlichen Straßen betrug 1999 0,646 km/km². 56 Abb. E.4 zeigt die Streckenlängen und Netzdichten der Straßenverkehrswege ausgewählter europäischer Länder. Im Vergleich mit den europäischen Nachbarn verfügt Deutschland über ein sehr gut ausgebautes Autobahnnetz. Lediglich kleinere Staaten mit einer hohen Bevölkerungsdichte (Niederlande, Belgien) können eine wesentlich bessere Netzdichte vorweisen. In weniger gut entwickelten Ländern ist dagegen die Infrastrukturausstattung hinsichtlich Autobahnen durchgehend schlecht (z. B. Griechenland, Irland, Rumänien). Ein wichtiger Qualitätsindikator ist auch der Anteil gedeckter 56
Abweichungen zwischen der angegebenen Gesamtlänge des überörtlichen Straßennetzes und der sich aus Abb. E.3 ergebenden Netzlänge sind darauf zurückzuführen, dass hier auch die so genannten Kreisstraßen mit einer Länge von 91.100 km berücksichtigt worden sind, vgl. Bundesministerium für Verkehr, 2001, S. 111.
326
E.2 Makrologistische Infrastruktur
Straßen, der in Abb. E.4 auf das gesamte Straßennetz, also auch auf die Gemeindestraßen, bezogen ist.
Autobahn in 1.000 km Netzdichte in km/1.000 km2 Nationalstraßen in 1.000 km Netzdichte in km/1.000 km2 Regionalstraßen in 1.000 km Netzdichte in km/1.000 km2 Anteil befestigter Straßen am gesamten Straßennetz in % Abb. E.4
D
GR
E
F
I
NL
GB
H
RO
12,4
0,9
12,0
10,8
6,6
2,5
3,5
0,5
0,2
34,7
6,8
23,8
16,0
21,9
60,2
14,3
5,4
0,8
50,0
10,2
24,9
25,2
46,0
6,7
46,7
30,5
14,8
140,0
77,3
49,3
37,3
152,7
161,3
190,8
327,8
62,1
178,1
30,9
139,7
365,0
119,9
57,5
114,7
53,3
36,0
498,7
234,2
276,8
540,9
397,9 1.384,6
468,5
572,9
151,0
100
k. A.
99,0
100
100
43,9
30,2
100
k. A.
Streckenlängen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale der Straßenverkehrswege ausgewählter europäischer Länder 2005; GB, RO Stand 2004; I, NL, E, H Stand 2003 (Quelle: Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, 2008, S. 78)
Die Infrastrukturausstattung muss jedoch in Relation zum Verkehrsaufkommen – Güterverkehr und Personenverkehr – gesehen werden. So betrug im Jahre 2007 die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) auf den Autobahnen der alten Bundesländer 49.200 Kraftfahrzeuge.57 Dieser Durchschnittswert unterzeichnet jedoch noch die tatsächliche Situation. Dies zeigen die folgenden Beispiele für die DTV an Autobahnkreuzen: auf Dreieck A3 Köln-Heumar 236.900 Kraftfahrzeuge, davon 29.035 Lkw; auf A5 Nordwestkreuz Frankfurt 251.800 Kraftfahrzeuge, davon 42.335 Lkw; auf A831 Stuttgart-Vaihingen 127.400 Kraftfahrzeuge, davon 4.713 Lkw.58 Kombination der Verkehrsnetze Traditionell erfüllen die Seehäfen, Flughäfen, Binnenhäfen und Terminals des Kombinierten Verkehrs die Funktion der Verknüpfung der Teilnetze der verschiedenen Verkehrsträger. Musterbeispiel dafür ist der Seehafen, welcher die Infra57
58
Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 107. Die Messgröße DTV gibt die Anzahl der Durchfahrten in beide Richtungen an einer Zählstelle an. Vgl. Bundesanstalt für Straßenwesen, 2007, S. 7ff.
2.2
Infrastruktur des Informationsflusses
327
struktur der Seeschifffahrt mit der seines Hinterlandes, also den Binnenwasserstraßen, den Schienenwegen und dem Straßennetz verknüpft. Eine Schlüsselstellung in der gesamten Infrastruktur nimmt das Straßennetz ein, denn aufgrund seiner hohen Netzdichte kann es die Erreichbarkeit aller Unternehmen und Haushalte eines Wirtschaftsraums gewährleisten. In der Infrastrukturdiskussion nehmen die Güterverkehrszentren (GVZ) als Hauptknoten der makrologistischen Infrastruktur einen zentralen Platz ein.59 Wesentliche Elemente von GVZ sind Umschlagseinrichtungen, z. B. Containerterminals, welche den Systemübergang zwischen den Verkehrsträgern realisieren. Idealerweise sollen möglichst alle Verkehrsträger zusammengeführt werden, wobei die Kombination von Straße und Schiene als konstitutiv und die Anbindung der Binnenschifffahrt als wünschenswert betrachtet werden. Darüber hinaus stellt die Schnittstelle von Nah- und Fernverkehr ein wesentliches Merkmal der GVZ dar. Als „Keimzellen“ von GVZ bieten sich deshalb bestehende Terminals des Kombinierten Verkehrs Straße/Schiene, Containerterminals, Frachtgutzentren der Bahn, Binnenhäfen und Seehäfen an. Voraussetzung für ein GVZ ist jedoch das Vorhandensein eines ausreichend großen Hinterlandes, welches ein entsprechend großes Ladungsaufkommen garantiert. Leitungsverkehr Für die Verteilung von Massengütern hat auch der Leitungsverkehr eine gewisse Bedeutung. In erster Linie geht es hierbei um den Transport von Flüssigkeiten und Gasen (Wasser, Erdöl und Erdölprodukten sowie Erdgas). Erst in den Anfängen steckt die Entwicklung so genannter Feststoffpipelines, wobei zwei Entwicklungsrichtungen zu unterscheiden sind. Diese Pipelines sind entweder als hydraulische Systeme ausgebildet, in denen feste Transportgüter schwimmend transportiert werden oder aber es handelt sich um pneumatische Systeme, in denen feste Transportgüter in geschlossenen Kapseln bewegt werden. Größere Zuwachsraten im Leitungsverkehr lassen sich voraussichtlich nicht mehr im Flüssigkeits- oder Gastransport, sondern nur noch im Feststofftransport realisieren.
2.2
Infrastruktur des Informationsflusses
Trends in der Logistik-IT und Ansatzpunkte zur Verbesserung Die Anforderungen an den Informationsfluss werden in der Logistik immer höher infolge der Anteilsverschiebung im Güteraufkommen hin zu eilbedürftigen Gütern, die in kleineren Mengen transportiert werden und infolge der weltweiten Verteilung der Wertschöpfungsaktivitäten. Trotz des nahezu überall verfügbaren Zugangs zum Internet und der enormen Steigerung der Übertragungs- und Verarbeitungsleistung von IT-Systemen existieren weiterhin einige Ansatzpunkte für Verbesserungen. Ein zentraler Trend der Logistik-IT wird deshalb die Verbesse59
Vgl. Nobel, 2004. Siehe Kap. D, Abschn. 3.4.
328
E.2 Makrologistische Infrastruktur
rung der Integrationsfähigkeit für vertikalen und horizontalen Datenaustausch sein.60 Hier liegen prinzipiell in drei Bereichen Ansatzpunkte zum Ausbau einer leistungsfähigen, unternehmensübergreifenden Informationsinfrastruktur:61 x Standardisierung der Daten, die in der Transportkette ausgetauscht werden. x Verbesserung der technisch-organisatorischen Möglichkeiten des Informationsaustausches zwischen den in der Transportkette zusammenarbeitenden Institutionen. x Sicherheit und rechtliche Verbindlichkeit der ausgetauschten Daten. Eine zentrale Voraussetzung für den Aufbau eines unternehmensübergreifenden Datenverbundes ist die Standardisierung der Daten.62 Verschiedene länderund branchenspezifische Standards führen zu ähnlichen, nebeneinander existierenden Systemen zur Informationsverarbeitung, die aber keine Verknüpfung über die Landes- und Branchengrenzen zulassen. Mit der Definition des internationalen, branchenunabhängigen EDIFACT-Standards wurde der Versuch unternommen, für alle im Informationsfluss benötigten Daten eine einheitliche Struktur und ein einheitliches Format zu schaffen. Wegen der Komplexität eines übergreifenden Standards wurden verschiedene, miteinander kompatible EDIFACT-Subsets definiert, wie z. B. EDIFOR für Speditionen oder EDITRANS für die Transportbranche. Darüber hinausgehende Anforderungen zum Austausch von Konstruktionsdaten und Multimediadokumenten führten zur Entwicklung weiterer Standards im Rahmen von EDIFACT, wie z. B. STEP für Produktdaten und ODA/ODIF für Dokumente. Die Standardisierung von Daten und Dokumenten erleichtert den Informationsaustausch zwischen den Informationssystemen der in der Transportkette zusammenarbeitenden Institutionen. Für den Aufbau unternehmensübergreifender Informations- und Kommunikationssysteme müssen aber darüber hinaus gehende technisch-organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden, die einerseits eine dezentrale Datenerfassung, -wiedergabe und -verarbeitung erlauben (Informationsverfügbarkeit) sowie andererseits einen geschützten Zugriff auf sensible Daten ermöglichen (Informationsvertraulichkeit).63 Geschützt bedeutet hier, dass nur die Akteure auf die jeweiligen Daten Zugriff haben, die Kenntnis darüber haben sollen und anderen der Zugriff verwehrt ist. Solche technisch-organisatorischen Voraussetzungen beziehen sich sowohl auf die vertikale Kommunikation in einer Transportkette vom Versender über Versandspediteur, Frachtführer, Empfangsspediteur zum Empfänger und zurück als auch auf die horizontale Kommunikation
60 61 62 63
Vgl. Albrecht, 2009, S. 44. Vgl. Neuburger, 1994, S. 18ff.; Ihde, 2001, S. 193ff. Vgl. Pfohl, 1985, S. 15ff. Vgl. Ihde, 2001, S. 193ff. Zu Informationsverfügbarkeit und -vertraulichkeit vgl. Eckert 2007, 8ff.
2.2
Infrastruktur des Informationsflusses
329
zwischen mehreren Frachtführern bzw. Spediteuren, die auf derselben Produktionsstufe logistische Leistungen erbringen.64 Weiteres erhebliches Verbesserungspotential in IT-Systemen zum elektronischen Datenaustausch existiert im Bereich Sicherheit und rechtliche Verbindlichkeit der ausgetauschten Daten. Neben den oben genannten Schutzzielen Verfügbarkeit und Vertraulichkeit beim elektronischen Datenaustausch spielen aber gerade zur Abwicklung unternehmensübergreifender, elektronischer Geschäftsprozesse die Aspekte Informationsauthentizität, -integrität und -verbindlichkeit eine entscheidende Rolle.65 Hier müssen Unternehmen technische Verfahren einsetzen, um Missbrauchsmöglichkeiten beim elektronischen Datenaustausch auszuschließen. Einen ersten Ansatz bilden Hash- und Verschlüsselungsverfahren, die die Urheberschaft im juristischen Sinn aber nicht zweifelsfrei absichern können. Diese häufig fälschlicherweise als elektronische Unterschrift bezeichneten Verfahren besitzen in Rechtsstreiten deshalb keine gesetzliche Beweiskraft. Aus diesem Grund wurde das Modell elektronischer Signaturen entwickelt, das die für die Papierform gültigen formalrechtlichen Erfordernisse – dazu gehören Dokumentenechtheit, Abschlussfunktion, Visualisierbarkeit, Identitätsfunktion, Echtheitsfunktion, Disputabilität, Signifikanz, Unmittelbarkeit und Transparenz – erfüllt. Hierbei kommen komplexe kryptografische Verfahren zum Einsatz, die alle oben genannten Eigenschaften besitzen und deren Sicherheit nur von einem geheimen Schlüssel (z. B. ein 2048 Bit langer Zahlencode mit bestimmten Eigenschaften) abhängt. Mit diesem Schlüssel kann der Eigentümer genau die geforderten Ziele Informationsauthentizität, -integrität und -verbindlichkeit sicherstellen. Eine wichtige Funktion in diesem Modell kommt elektronischen Notaren zu, den so genannten Trust Centern oder Trusted Third Parties. Sie gelten allen Teilnehmern als vertrauenswürdig und garantieren die Identität der Schlüsseleigentümer. In Deutschland wird diese Funktion bspw. durch die Bundesnetzagentur wahrgenommen. Das Modell elektronischer Signaturen ist auch im EDIFACT-Standard vorgesehen.66 Die Ansätze zur Verbesserung vertikaler Kommunikation sind einerseits auf die Initiative einzelner Logistikunternehmen (z. B. Deutsche Bahn AG, Seehäfen, Fluggesellschaften) und Verbände (z. B. Bundesverband für Spedition und Lagerei, Verband der Automobilindustrie, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) zurückzuführen. Andererseits gibt es von der Bundesregierung und der Europäischen Union geförderte Pilotprojekte.67 Gleichzeitig entstehen neue Informationsdienstleister unter Beteiligung führender Telekommunikations- und Informationstechnologieanbieter, die offene, branchenübergreifende Logistikinfor64
65 66
67
Zu einem Überblick über horizontale und vertikale Kommunikationssysteme vgl. Becker/Rosemann, 1993, S. 117ff.; Straube, 2004, S. 144ff.; Mertens 2007, S. 5ff. Vgl. Eckert 2007, S. 6ff. EDIFACT ist im Standard ISO 9735 definiert. In Teil ISO 9735-9 ist dort die Verwendung elektronischer Signaturen beschrieben. Zu einem Überblick über Informationssysteme in der Logistik vgl. Vahrenkamp, 2007, S. 52ff.
330
E.2 Makrologistische Infrastruktur
mationssysteme anbieten. Ein Beispiel ist die Anwendung EURO-LOG, die ein EDI-Kommunikationssystem für den Dokumentenaustausch zwischen dem Versender, den logistischen Dienstleistern und dem Empfänger der Ware bereitstellt.68 Dazu kommt ein Sendungsverfolgungssystem für intermodale Verkehre sowie ein Fahrzeugverfolgungssystem unter Nutzung digitaler Mobilfunknetze und Satellitensysteme. Durch diese Funktionen wird die Möglichkeit geschaffen, die verschiedenen Systeme der logistischen Dienstleister über eine allgemeine, verkehrsträgerübergreifende Schnittstelle zu erreichen. Bei den Überlegungen zur Verbesserung horizontaler Kommunikation steht eine Erhöhung der Kapazitätsauslastung der vorhandenen makrologistischen Infrastruktur im Mittelpunkt. Beispielsweise liegt die gewichtsmäßige Kapazitätsauslastung im gewerblichen Straßengüterverkehr durchschnittlich lediglich bei 66,6%, was auf eine große Anzahl von Leerfahrten schließen lässt.69 Durch eine verbesserte Information über verfügbare Ladekapazitäten und Rückladungen ließe sich die Auslastung der vorhandenen Kapazitäten steigern. Elektronische Märkte können die dazu erforderlichen Markttransaktionen wesentlich vereinfachen. Ein Beispiel hierfür ist Transpotel, eine europäische Ladungs- und Laderaumbörse für den Straßengüterverkehr.70 Die europäischen Bahnen haben mit dem Informationssystem Docitel ebenfalls begonnen, ihren Laderaum über elektronische Systeme verfügbar zu machen.71 Insgesamt lässt sich im Bereich der Informationsverarbeitung eine Entwicklung von zentralisierten Organisationen zum dezentralen Einsatz von IT-Systemen beobachten. Daraus resultieren jedoch höhere Anforderungen an die zugrunde liegende Kommunikationsinfrastruktur und -technik, über die der Austausch bzw. Abruf von Informationen durchgeführt wird. Externe Kommunikationsinfrastruktur und -technologie Im makrologistischen System interessiert an erster Stelle die Entwicklung der externen Kommunikationsinfrastruktur bzw. -technologie, die im B2B-Bereich der Kommunikation zwischen Betrieben bzw. Unternehmen und im B2C-Bereich zwischen Unternehmen und Endverbrauchern dient. Während früher in der Bundesrepublik Deutschland die Deutsche Telekom den Markt für Kommunikationsinfrastruktur dominiert hat, gibt es heute diverse Unternehmen, die verschiedene Lösungen für Unternehmen und auch Endverbraucher anbieten. Die Entwicklungsrichtung der Kommunikationstechnik lässt sich durch vier miteinander verbundene Trends beschreiben: x Die wachsende Verfügbarkeit breitbandiger Mobilfunkdienste ermöglicht unabhängig von stationären Anschlüssen Kommunikation von und zu jedem Ort. 68 69 70 71
Vgl. Gromball, 1992. Vgl. Deutscher Speditions- und Logistikverband, 2005, S. 12. Vgl. Becker/Rosemann, 1993, S. 129ff. Vgl. Schmid, 1993, S. 473.
2.2
Infrastruktur des Informationsflusses
331
x Netze mit sehr hohen Übertragungsgeschwindigkeiten erlauben die Übertragung großer Datenmengen und den Betrieb von Multimediaanwendungen über das Internet. x Internationale Standards und die Verknüpfung nationaler Netze verringern die Bedeutung von Ländergrenzen. Deutlich wird das vor allem am Internet, das heute ein leistungsfähiges und kostengünstiges Netzwerk zum Datentransfer darstellt, das keine Ländergrenzen kennt. x Mehrwertdienste und elektronische Dienstleistungen setzen auf öffentlichen oder privaten Netzen auf und erweitern diese um zusätzliche Leistungsangebote. Beispiele sind die Übernahme der Zahlungsabwicklung durch Clearingstellen oder Informationsangebote durch Onlinedienste. Einige wichtige Netze und Dienste zur Datenkommunikation werden nachfolgend erläutert:72 Netze: x Öffentliche Netze: Form des Datenaustausches auf der Grundlage öffentlich anerkannter, meist internationaler Standards, i. d. R. das Internet. x Private Netze: Private Netze beschränken sich auf eine oder wenige beteiligte Organisationen. Es handelt sich im Allgemeinen um lokale Netze, die sich in einem Gebäude oder abgeschlossenen Gebiet (z. B. Firmengelände) befinden. Zur Verbindung mehrerer Standorte dienen virtuelle private Netze (VPN), die die Infrastruktur öffentlicher Netze nutzen und durch Verschlüsselung den Zugriff auf die übertragenen Daten verhindern. x Funknetze: Bei den Funknetzen müssen auf der einen Seite die nationalen GSM- (Global System for Mobile Communications) und UMTS-Netze (Universal Mobile Telecommunications System) der Mobilfunkanbieter sowie auf der anderen Seite die lokalen Funknetze von Unternehmen und Privatleuten auf Basis der WLAN-Standards (Wireless Local Area Network) unterschieden werden. GSM und UMTS sind Mobilfunknetze der zweiten bzw. dritten Generation, die weltweit einheitlichen Standards entsprechen. UMTS ermöglicht bspw. mit dem HSDPA-Verfahren (High Speed Downlink Packet Access) Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 7,2 Mbit/s. Funknetze nach dem WLAN-Standard IEEE 802.11 können hingegen an beliebigen Orten mit der gewünschten Ausdehnung aufgebaut werden stellen mit Übertragungsraten von über 100 Mbit/s eine sehr gute Infrastruktur für private Netze dar. Darüber hinaus gibt es noch einige spezielle Funknetze, die bspw. zur Überbrückung langer Distanzen (z. B. WIMAX) oder zur dezentralen Kommunikation technischer Geräte untereinander (z. B. Bluetooth) verwendet werden.
72
Netz-(werk) bezeichnet hier den Zusammenschluss elektronischer Systeme, die damit die Infrastruktur für das Angebot von (Netzwerk-)Diensten bilden. Dienste ermöglichen es, Informationen einer bestimmten Art über solche Netzwerke zu transportieren. Zu Datennetzen vgl. Schneider/Werner 2007, S. 308ff.
332
E.2 Makrologistische Infrastruktur
x Kabelgebundene Netzwerke: Der am meisten verbreitete Standard für kabelgebundene Netze zum Anschluss an das Internet ist DSL (Digital Subscriber Line). DSL bezeichnet eine Reihe von Standards, die nicht benutzte Frequenzen in Telefonleitungen zur schnellen Datenübertragung verwerten und somit eine einfache Möglichkeit der breitbandigen Internetanbindung darstellen. Je nach Standard können auf Basis von DSL Übertragungsraten von bis zu 210 Mbit/s erreicht werden (VDSL). Neben DSL gibt es auch die Möglichkeit über TVKabel oder das Stromnetz an das Internet angebunden zu werden. Unternehmen haben darüber hinaus die Möglichkeit, bspw. eigene Glasfaserleitungen für sehr hohe Übertragungsraten zu mieten. Kommunikationsdienste: x Telefondienste: Durch die Trennung von Systemlogik und Dienst im intelligenten Netz werden flexible Tarifierung, orts- und zeitabhängige Verkehrsführung auf die Zielanschlüsse und automatische Anrufverteilung und Rerouting möglich. Beispiele sind der Service 130, der Service 190 für private Informationsanbieter, Telebox, Telefonkonferenz, Televotum und Teledialog. x Telefax (Fernkopierer): Kopien entstehen nicht am Ort des Originals, sondern bei räumlich entfernten Empfängern. Endgeräte sind spezielle Faxgeräte oder mit Faxkarten ausgerüstete Computer. Telefax ist ein rein analoges Verfahren. x Satellitenmobilfunksysteme: Satellitenmobilfunknetze sind weltweit (je nach Netz mit Ausnahme bestimmter Regionen) empfangbare Mobilfunknetze zur Sprach- und Datenkommunikation. Mobile Satellitenfunkanlagen werden meist auf Schiffen, Flugzeugen und Lkw installiert. Es gibt auch mobile Geräte, die sich aber in Größe und Gewicht erheblich von üblichen Mobiltelefonen unterscheiden. Diese Geräte benötigen zur Kommunikation keine Basisstationen, sondern kommunizieren direkt über Satelliten in den Erdumlaufbahnen untereinander oder mit Anschlüssen in normalen Telefonnetzen. x Satellitennavigationssysteme: Neben Satellitenkommunikation hat die Satellitennavigation (z. B. GPS – Gobal Positioning System) die größere Bedeutung. Mit geeigneten Navigationsempfängern ist die Standortbestimmung mobiler Einheiten mit einer Genauigkeit von ca. 15 m möglich. In Verbindung mit auf Datenträgern gespeichertem Kartenmaterial sind Navigationssysteme zur Unterstützung im Straßenverkehr weit verbreitet. Auf Schiffen und in Flugzeugen sind diese Systeme bereits länger Standard. Die Kombination verschiedener hier genannter Systeme, z. B. Mobilfunk und Satellitenmobilfunk zur kontinuierlichen Kommunikation sowie Satellitennavigation zur Ortsbestimmung, ermöglicht ein globales Tracking & Tracing der damit ausgestatteten Transporteinheiten, z. B. auf Basis von Transportbehältern oder Verkehrsmitteln.
2.3
Verkehrspolitik
Die Verkehrsinfrastruktur ist von herausragender Bedeutung für eine Volkswirtschaft. Zwar kann nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass die Infra-
2.3
Verkehrspolitik
333
struktur im gleichen Maße wachsen muss wie die Wirtschaft,73 doch würde ein unzureichendes Verkehrsnetz die wirtschaftliche Entwicklung behindern. Gerade im Hinblick auf eine zunehmende Arbeitsteilung im Wirtschaftsleben, die in der Regel den Transport von Gütern zwischen den beteiligten Unternehmen zur Folge hat, gewinnen die Verkehrsinfrastruktur und die Bedingungen und Kosten, zu denen diese genutzt werden können, an Bedeutung.74 Gleichzeitig wird durch den Verkehr die Umwelt belastet, so dass sowohl der Umfang als auch die Art der Nutzung der Verkehrsnetze im Hinblick auf die Umweltbelastung zu steuern sind. Entwicklung der Infrastrukturbelastung Die makrologistische Infrastruktur der Bundesrepublik weist Engpässe auf. Es wird seit geraumer Zeit von einer Infrastrukturkrise des Verkehrs gesprochen.75 Es wird sogar vor dem „Verkehrsinfarkt“ und noch schlimmer vor dem „Verkehrskollaps“ gewarnt.76 Betrachtet man die bisherige Verkehrsentwicklung und vorliegende Prognosen, so sind diese Befürchtungen verständlich. Am deutlichsten wird dies im Falle des Straßenverkehrs. Beim Straßengüterfernverkehr nimmt die Verkehrsleistung im Straßengüterfernverkehr seit 1945 laufend zu. So stieg sie z. B. von 80 Mrd. tkm (1980) auf 140,0 Mrd. tkm (1992, nur alte Bundesländer). 77 2007 lag sie bei 217,6 Mrd. tkm.78 Auch der Straßengüternahverkehr hat stark zugenommen. Er wuchs allein zwischen 1980 und 1992 um etwa 20%. Zusätzlich wird die Straßeninfrastruktur durch den Pkw-Verkehr belastet. Der Bestand an Personenkraftwagen stieg von 23,2 Mio. (1980) auf 32,6 Mio. (1993, nur alte Bundesländer) an.79 2004 sind in Deutschland ca. 67,7 Mio. Pkw zugelassen und die Tendenz ist weiterhin steigend.80 Hierdurch ergab sich für den Zeitraum von 1990-2007 eine Steigerung der gesamten Fahrleistung um etwa 41,7%, wobei sich die durchschnittliche Fahrleistung [km] pro Pkw und Jahr in diesem Zeitraum kaum veränderte.81 Zwischen 1990 und 2007 hat die Fahrleistung aller in Deutschland zugelassenen Pkw um 3,6% zugenommen.82 Dies deutet darauf hin, dass die Zunahme der Fahrleistung pro Pkw in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Ursächlich für die Probleme im Straßenverkehr sind vor allem die bereits in Abschnitt 2.1 dieses Kapitels angesprochenen lokalen und zeitlichen (Berufsverkehr) Spitzenbelastungen. 73 74 75
76 77 78 79 80 81 82
Vgl. Rommerskirchen, 1999, S. 231f.; Baum, 1995, S. 14ff. Vgl. Merath, 1995, S. 284. Vgl. Hamm, 1987, S. 423ff.; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Verkehr, 1987, S. 136ff.; Willeke, 1989. Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 1017. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, 1994, S. 228f. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 237. Vgl. Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung, 2001, S. 27. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 120. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 154f. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 154f.
334
E.2 Makrologistische Infrastruktur
Beim Schienengüterverkehr ist die Verkehrsleistung von 1990 bis 2007 um etwa 85% gestiegen. Die Verkehrsleistung im Personenverkehr hat im Zeitraum von 1990 bis 2001 stark - um etwa 70% - und im Zeitraum von 2002 bis 2007 nur leicht zugenommen. Die Anzahl der Fahrgäste ist in den vergangenen Jahren ebenfalls gestiegen. Die Verkehrsleistung im Güterverkehr hat im Zeitraum von 1990 bis 2007 fast verdoppelt. 83 Beim Luftverkehr hat sich sowohl die Verkehrsleistung im Personenverkehr als auch die Anzahl der Fluggäste von 1990 bis 2007 mehr als verdoppelt. Im Gegensatz zum Schienenverkehr war das Absolute Wachstum pro Jahr in dieser Zeit nahezu konstant. 84 Gleichzeitig hat auch das Aufkommen an Luftfracht im gleichen Zeitraum um etwa 233% zugenommen.85 Die realen Bruttoanlageninvestitionen in Verkehrswege sind jedoch bei allen Verkehrsträgern deutlich gesunken.86 Beispielsweise gingen die Bruttoanlageninvestitionen in Straßen und Brücken zu Preisen von 2000 von 11,3 Mrd. EUR (1999) auf 9,7 Mrd. EUR (2007) zurück. Die Bruttoanlageninvestitionen in Eisenbahnen zu Preisen von 2000 ist von 8,2 Mrd. EUR (1999) auf 5,1 Mrd. EUR (2007) gesunken. 87 Die aufgezeigte Entwicklung spiegelt sich auch in den Prognosen des zukünftigen Verkehrsaufkommens wider.88 Für den Bundesverkehrswegeplan 2003 (BVWP 2003), der den BVWP ’92 abgelöst und angepasst hat, wurde die Verkehrsentwicklung bis zum Jahre 2015 geschätzt. Diese Schätzungen wurden regelmäßig überarbeitet und die Planungen den neuen Prognosen aber auch veränderten verkehrpolitischen Zielsetzungen angepasst. Der BVWP 2003 verfolgt das Ziel, die Aufgabe der Verkehrspolitik darin zu sehen, das Verkehrssystem als Ganzes zu stärken. Seine Schwerpunkte sind: x „Stärkung der deutschen Verkehrsinfrastruktur in einem größer werdenden Europa, x Bau leistungsfähiger Verkehrswege in den neuen Bundesländern, x Vernetzung der Verkehrsträger zu einem integrierten Verkehrssystem, x Förderung des Kombinierten Verkehrs, x Aufbau der Binnenhäfen, x Stärkung des Maritimen Standorts, x Stärkung des Flughafenstandorts Deutschland, x Gezielte Engpassbeseitigung im Verkehrssystem, 83 84
85 86 87 88
Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 55. Eine Ausnahme bilden die Jahre 2001 und 2002, in denen aufgrund der geplatzten DotcomBlase und der SARS-Epidemie das Flugaufkommen zurück ging. Anschließend setzte sich der nahezu lineare Trend weiter fort. Vgl. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), 2008, S. 5ff. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 86ff. Vgl. Aberle, 1998, S. 117. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 31. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2007.
2.3
Verkehrspolitik
335
x Verstärkter Bau von Ortsumgehungen, x Förderung moderner Verkehrstechnologien.“89 Die Ursachen für die skizzierte Entwicklung und damit für die infrastrukturelle Engpasssituation sind vielfältig. Zum einen ist die Nachfrage nach Verkehrsleistungen mit dem allgemeinen Wachstum der Wirtschaft gestiegen, wenngleich die Transportelastizität in Deutschland seit Mitte der siebziger Jahre kleiner als 1 geworden ist. Weiterhin hat die Veränderung der Güterstruktur und das Anwachsen der qualitativen Anforderungen an die Verkehrsleistung zur Verschiebung des Modal-Split zugunsten des Straßentransports geführt. Schließlich spielen sicherlich auch ordnungspolitische Fehlentwicklungen eine Rolle, die z. B. zu einem hohen Leerfahrtenanteil im Werkverkehr führten. Ein weiterer wesentlicher Ursachenkomplex ist die zunehmende Internationalisierung, die mit der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes und der Öffnung Mittel- und Osteuropas einhergegangen ist. Gerade beim grenzüberschreitenden Güterverkehr kam es in der Vergangenheit zu sehr deutlichen Anteilsverschiebungen zugunsten der Straße. Infrastrukturpolitik Das Feld der Infrastrukturpolitik kann in angebotsorientierte und nachfrageorientierte Politiken differenziert werden. Die Angebotspolitik zielt auf die ausreichende Versorgung mit logistischer Infrastruktur ab. Dies soll insbesondere durch die Schaffung neuer Verkehrswege und Umschlagseinrichtungen erreicht werden. Gegenstand einer verkehrlichen Nachfragepolitik ist das Einwirken auf die Verkehrsnachfrage, um eine Entlastung der bestehenden Infrastruktur zu erreichen. Aufgrund der aufgezeigten Prognosen und mit Hilfe einer Bewertungsmethodik, die ökonomische, ökologische und städtebauliche Kriterien berücksichtigt, wurde im Masterplan Güterverkehr und Logistik ein vordringlicher Infrastrukturund Vernetzungsbedarf identifiziert. Dieser umfasst neben neuen Vorhaben, die als besonders vorteilhaft bewertet wurden, auch solche, die bereits im BVWP ’92 vordringlich waren und noch nicht oder nur teilweise realisiert sind.90 Im Bundesverkehrswegeplan ist für den Zeitraum 2001 bis 2015 ein Investitionsvolumen für die Bereiche Schiene, Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen von 140 Mrd. EUR veranschlagt. Davon entfallen etwa 30% auf das Schienennetz und 58% auf die Bundesfernstraßen. Der vordringliche Bedarf hat einen Wert von 90,5 Mrd. EUR. Davon sind lediglich 39,5 Mrd. EUR für neue Vorhaben vorgesehen. Der größte Teil ist für die laufenden und fest disponierten Vorhaben vorgesehen.91 Ein Hauptziel ist die Vernetzung der Verkehrsträger zu einem integrierten Verkehrssystem, deshalb wird der Kombinierte Verkehr weiterhin stark gefördert. Die See-, Binnen- und Flughäfen spielen in einem integrierten Verkehrssystem eine 89 90 91
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, 2003, S. 23ff. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 56. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, 2003, S. 34f.
336
E.2 Makrologistische Infrastruktur
tragende Rolle als ideale Schnittstellen für die Verknüpfung der Verkehrsträger. Im BVWP 2003 werden Projekte für Hinterlandanbindungen der deutschen Seehäfen geplant, wie z. B. der Neubau der Bundesfernstraße A26 von Stade (A20) bis Hamburg (A7) oder der Ausbau des Bundesschienenwegs Berlin –Rostock.92 In Zukunft ist allerdings damit zu rechnen, dass die zumeist national ausgerichteten Infrastrukturmaßnahmen zunehmend internationalen Projekten weichen. Dies wird vor allem durch den fortschreitenden Prozess der europäischen Integration vorangetrieben. Der grenzüberschreitende Personen- und Güterverkehr zwischen den beteiligten EU-Staaten wächst. Außerdem erfordert die Integration mittel- und osteuropäischer Staaten in die europäische Union und die zunehmende wirtschaftliche und politische Öffnung gegenüber diesen Ländern eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in den Grenzgebieten, an den Grenzübergängen und auch in diesen Ländern.93 Der Bundesverkehrswegeplan sieht den Ausbau der europäischen Verkehrswege zu einem grenzüberschreitenden Netzwerk vor. Laufende oder geplante Projekte sind z. B. der Bundesschienenweg Berlin – Frankfurt/Oder – Grenze zu Polen (Ausbau für 160 km/h), die Bundesfernstraße A17 Dresden – Grenze zu Tschechien, die Bundeswasserstraße Donau (Ausbau Straubing – Vilshofen).94 Die im BVWP ’92 besonders bedeutsamen 17 Verkehrsprojekte, die ein Zusammenwachsen der Verkehrsinfrastruktur der alten und der neuen Bundesländer ermöglichen sollen, spielen weiterhin eine wichtige Rolle im BVWP 2003. Heute bilden Straße und Schiene schon ein gut funktionierendes Rückgrat für die Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft. Im BVWP 2003 steht der Bau von Ortsumgehungen für den Aufbau Ost stärker im Mittelpunkt. Neben dem Ausbau der Infrastruktur sind die fiskalpolitischen Maßnahmen zur Reduktion und Verlagerung von Verkehren – als wesentliche Bestandteile der verkehrlichen Nachfragepolitik – von besonderer Bedeutung. Eine Möglichkeit hierbei ist die Verteuerung bestimmter Verkehre durch entsprechende Steuern und Abgaben, z. B. die sog. Ökosteuer auf Benzin und Diesel. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Verkehrsnachfrage eine ausreichend hohe Preiselastizität aufweist.95 Neben den bisherigen Steuern – Mineralölsteuer und Kfz-Steuer – müssen z. B. in Deutschland deutsche und ausländische Betreiber von Lkw mit mindestens 12 t zulässigem Gesamtgewicht, die die Bundesautobahnen benutzen möchten, seit dem 31.08.2003 eine gewisse Autobahnbenutzungsgebühr entrichten (die Spannbreite der Mautsätze liegt zwischen 14,1 und 28,8 Eurocent). 96 Die Lkw werden in vier Mautkategorien eingeteilt, wobei die Höhe der Mautgebühr von der Anzahl der Achsen der Fahrzeuge und der Schadstoffklasse abhängig ist. Lkw-
92 93 94 95 96
Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, 2003, S. 28f. Vgl. Aurbach, 1999, S. 21ff. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, 2003, S. 34f. Vgl. Strese, 1994, S. 200. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, o. J.
3.1
Besonderheiten der internationalen Logistik
337
Maut wird ebenfalls als eine Maßnahme zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung angesehen.97
3
Internationale Logistiksysteme
3.1
Besonderheiten der internationalen Logistik
Grundlagen Mit der heute immer mehr zunehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung steigt die Bedeutung der internationalen Logistik, deren Besonderheiten daraus resultieren, dass Liefer- und Empfangspunkte von Gütern in verschiedenen Ländern liegen. 98 Es geht also um die Planung, Realisation und Kontrolle von grenzüberschreitenden Informations- und Güterflüssen. Die Besonderheiten gegenüber nationalen Logistiksystemen können dabei im Einzelfall sehr unterschiedlich in den logistischen Teilsystemen Auftragsabwicklung, Lagerhaltung, Lagerhaus, Verpackung und Transport auftreten. Die theoretischen Grundlagen zur Behandlung der Besonderheiten einer internationalen Logistik sind notwendigerweise einerseits den Grundlagen der Logistikkonzeption, andererseits den Grundlagen des internationalen Managements zu entnehmen. Das für die Logistikkonzeption charakteristische Systemdenken sowie das daraus resultierende Gesamt- oder Totalkostendenken und das Servicedenken gelten grundsätzlich sowohl für die Lösung nationaler als auch internationaler Logistikprobleme. Internationale Logistiksysteme sind lediglich in dem Sinne komplexer, als sich die Rahmenbedingungen (die Umwelt) für Logistikprozesse (z. B. Transportieren, Lagern) von Land zu Land unterscheiden können.99 Bei der Analyse der Kosteninterdependenzen sind nicht nur die in den logistischen Teilsystemen verursachten funktionalen Logistikkosten, sondern zusätzlich die durch politische und ökonomische Handelshemmnisse verursachten Kosten zu berücksichtigen. Auch die vom Logistiksystem zu erbringenden Lieferserviceanforderungen variieren häufig von Land zu Land. Für das internationale Management, das sich mit den auf Dauer angelegten grenzüberschreitenden Aktivitäten von Unternehmen befasst, lassen sich drei konzeptionelle Forschungsschwerpunkte nennen.100 Auslandsmanagement (die Unternehmung hat eine Auslandsabteilung) behandelt die ökonomischen, politischrechtlichen und sozialen Besonderheiten, die für die Geschäftstätigkeit auf auslän97 98 99 100
Vgl. Haase, 2005, S. 163f. Vgl. Dornier u. a., 1998, S, 40ff.; Dicken, 2007, S. 5ff. Vgl. Arnold, 1989, Sp. 1340f.; Stock/Lambert, 2001, S. 551ff. Vgl. Macharzina/Engelhardt, 1987, S. 322ff. Zu Internationalisierungsstrategien vgl. Welge/Holtbrügge, 2006.
338
E.3 Internationale Logistiksysteme
dischen Märkten von Bedeutung sind. Viele dieser Besonderheiten betreffen die Informations- und Güterströme in Logistiksystemen. Verbundkonzeptionen zur Nutzung von Synergieeffekten beziehen sich allerdings allenfalls auf Maßnahmen und Programme im Bereich absatzpolitischer Instrumente. Im Mittelpunkt des internationalen Managements - im Sinne von multinationalem Management - (die Unternehmung ist multinational) steht die Gestaltung von in mehreren Ländern mit Direktinvestitionen präsenten Unternehmen. Trotz der geographischen Streuung der Unternehmensaktivitäten sollen sie zur Nutzung von Synergieeffekten weitgehend einheitlich ausgerichtet werden. Standardisierungs- und Zentralisierungspostulate betreffen einerseits, z. B. über einen Produktionsverbund, indirekt die Logistiksysteme, da nur sie einen solchen Verbund ermöglichen. Andererseits betreffen diese Postulate die Logistiksysteme direkt, z. B. in Form der Forderung nach einem Zentrallager für die Distribution in allen westeuropäischen Ländern. Für das internationale Management im Sinne von globalem Management (Cosmocorporation) schließlich ist die Nationalität kein Entscheidungskriterium mehr. Zur größtmöglichen Ausnutzung von Synergieeffekten und komparativen Vorteilen wird die Bearbeitung länderübergreifender gemeinsamer Marktsegmente des Weltmarktes angestrebt. Für sie wird ein einheitlicher Marketingmix – das auch den Lieferservice als Marketinginstrument enthält – konzipiert sowie im Verbund beschafft und produziert. Alle Logistiksysteme sind also von globalen Managemententscheidungen betroffen. Rahmenbedingungen (Umwelt) für Logistikprozesse Die Rahmenbedingungen für die Gestaltung internationaler Logistiksysteme im Unterschied zur Gestaltung nationaler Logistiksysteme lassen sich in allgemeine und länderspezifische Rahmenbedingungen aufgliedern. Zu den allgemeinen Rahmenbedingungen, die die grenzüberschreitenden Logistikprozesse charakterisieren, zählen in erster Linie Transportentfernungen, Transportmittel, Institutionen, Dokumente und Informationen:101 Transportentfernungen: Die von Logistiksystemen zu überbrückenden Entfernungen sind größer, was ceteris paribus längere Liefer- bzw. Wiederbeschaffungszeiten, größere Unzuverlässigkeit sowohl bei der Nachfrageprognose als auch bei der Einhaltung der Wiederbeschaffungszeit und größere Lagerbestände zur Folge hat. Logistische Fehlentscheidungen können damit sowohl den Service als auch die Kosten zu einem höheren Grad beeinflussen als in nationalen Logistiksystemen. Transportmittel: In internationalen Logistiksystemen ist der Transport zwangsläufig häufig als gebrochener intermodaler Verkehr, also mit Hilfe des Einsatzes verschiedener Transportmittel, zu organisieren. Sieht man einmal von möglichen Landbrücken ab, so stehen für interkontinentale Verbindungen der Seeverkehr und 101
Vgl. Nelson/Toledano, 1978, S. 2ff.; Bowersox/Sterling, 1982, S. 20ff.; Schary, 1984, S. 390ff.; Bender, 1985b, S. 782ff.; Wood, 1989, S. 101ff. Speziell zur internationalen Beschaffungslogistik vgl. Pfohl/Large, 1991, S. 23ff.; Piontek, 1994, S. 123ff.
3.1
Besonderheiten der internationalen Logistik
339
der Luftverkehr, für kontinentale Verbindungen zusätzlich die Binnenschifffahrt, der Straßen- und der Eisenbahnverkehr zur Verfügung. Zum Aufbau internationaler Transportketten müssen demnach Transportmittel mit sehr unterschiedlichen technischen Eigenschaften miteinander kombiniert werden. Aufgrund ihrer unterschiedlichen technischen Eigenschaften weisen die Transportmittel zudem verschiedene Kostenstrukturen (Anteil fixer und variabler Kosten; Anteil Kapitalkosten und Personalkosten) und Leistungsfähigkeiten (Schnelligkeit, Netzbildungsfähigkeit usw.) auf. Deren Kenntnis ist unabdingbare Voraussetzung für eine rationale Entscheidung beim Einkauf der Transportleistungen, insbesondere auch für die Beurteilung der jeweiligen Preise. Institutionen: Im Allgemeinen sind an der Planung, Realisation und Kontrolle internationaler Logistikprozesse mehrere Institutionen beteiligt. Dies gilt sowohl für den physischen Güterfluss als auch für den ihn überlagernden Informationsfluss. Hinzu kommt, dass bei internationaler Beschaffung oder Distribution der monetäre Fluss häufig eng mit dem logistischen Informations- und Güterfluss zusammenhängt, da die Zahlung z. B. von der Vorlage warenbegleitender Dokumente abhängt. Abb. E.5 gibt einen Eindruck von der Vielfalt der Institutionen.102 Die in die Beschaffungs- bzw. Absatzkanäle eingeschalteten Institutionen können sich von Land zu Land unterscheiden. Ganz offensichtlich erfordern internationale Logistiksysteme mehr Koordination, mehr Kommunikation und mehr Kontrolle.103 Dokumente: Die Vielfalt der in internationale Logistikprozesse involvierten Institutionen hat eine noch größere Vielfalt von Dokumenten zur Folge, die zwischen den Institutionen ausgetauscht werden.104 In einer kanadischen Untersuchung wurden für eine typische Sendung 46 verschiedene Dokumente mit insgesamt 360 Ausfertigungen ermittelt. Die einzelnen Dokumente sind auf die jeweiligen Informationsbedürfnisse der betreffenden Institution zugeschnitten. Sie sind vielfach historisch entstanden und unterscheiden sich in ihrer Form, auch wenn sie die gleichen Informationen enthalten. Auf jeden Fall werden durch die Dokumentenvielfalt die Kommunikation erschwert und höhere Kosten der Auftragsabwicklung verursacht.105 Informationen: Eng mit den Dokumenten hängt auch das Sammeln, Übermitteln und Transformieren der benötigten Informationen zusammen. Diese sind nicht in allen beteiligten Institutionen in gleicher Weise vorhanden. Fehlende, fehlerhafte oder verspätete Informationen beeinträchtigen den Service oder erhöhen die Logistikkosten. Barrieren im Informationsfluss hängen stark von unterschiedlichen länderspezifischen Rahmenbedingungen ab.
102 103 104 105
Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 521. Zu den einzelnen Phasen des Güter- und Informationsflusses vgl. Clayton u. a., 1988. Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 538f. Zu Kostenunterschieden in der internationalen Logistik vgl. Schieck, 2008, S. 71f.
340
E.3 Internationale Logistiksysteme
Eisenbahnen International Air Transport Association (IATA)
Zollunionen
internationale Rechtsprechung
ausländische Zollbehörden
ausländische Clearingstellen
Kunden
ausländische Beteiligungs- Versicherungen gesellschaften
Lagerhäuser
Verpackungslieferanten
inländische Unternehmen Transporteure
ausländische Transporteure
Fluglinien
Reedereien Schifffahrtskonferenzen
inländische Verwaltungen
Abb. E.5
inländische Zollbehörden
Speditionen
lokale lokale Steuerbehörden Verwaltungen
Handelsbanken
Hafen- und Terminalbehörden
Handelsausländische rechtsprechung Verwaltungen
Institutionen in internationalen Logistikprozessen (Quelle: in Anlehnung an Slater, 1980, S. 162)
Unter länderspezifischen Rahmenbedingungen sind die von Land zu Land unterschiedlichen Bedingungen für den Ablauf logistischer Prozesse zu verstehen. Sie lassen sich entsprechend der Abb. E.6 aufgliedern.106 Rechtliche Rahmenbedingungen: Unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen in verschiedenen Ländern haben ihre Ursache in den unterschiedlichen Auffassungen über die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf den Märkten, auf denen logistische Dienstleistungen angeboten und nachgefragt werden (zu solchen rechtlichen Rahmenbedingungen gehören z. B. auch die die Nutzungszeit der Betriebsmittel beeinflussenden gesetzlichen Regelungen der Arbeitszeit einschließlich der Urlaubs- und Feiertagsregelung). Dementsprechend reichen die ordnungspolitischen Auffassungen von liberalen Vorstellungen bis zu dirigistischen Reglementierungen. Zur Erleichterung des Güteraustauschs treten deshalb neben die nationalen Gesetze bilaterale und multilaterale Abkommen mit dem Ziel der Harmonisierung der einzelstaatlichen Regelungen.
106
Vgl. Pfohl/Large, 1991, S. 24ff.; Dülfer/Jöstingmeier, 2008, S. 213ff.
Abb. E.6 • Lichtraumprofile • Spurweite der Gleise • zulässige Zugänge • Kapazitäten im Schienennetz • Rangierkapazitäten an den Grenzbahnhöfen • unterschiedliche Sprachen • Feiertagsregelungen
• zulässige Maße Technische • zulässige Achs- und Radlasten und Randbedingungen Gesamtgewichte
• Kapazitäten auf den LKW Zu- und infrastrukturelle Abfahrtsstrecken der Grenzübergänge und • internationale Hauptverkehrsstraßen geographische • Durchgangszollstellen im Randbedingungen internationalen Güterverkehr
kulturelle • unterschiedliche Sprachen Randbedingungen • Wertsysteme
– Alpentransversalen – Insellagen
• Austausch der Güterwagen, Triebfahrzeuge und des Begleitpersonals an den Grenzen • Dokumenten- und Warenkontrolle • wagentechnische Untersuchungen • Vorrangstellung bestimmter Transporte
• Kontrolle des mitgeführten Kraftstoffs, der Verkehrsgenehmigung, der nationalen Güterverkehrsgenehmigung Administrative und der nationalen Sozialvorschriften Randbedingungen • Warenkontrollen • Arbeitszeitregelungen an Zollstellen • personelle Besetzung der Zollstellen
Internationaler Eisenbahngüterverkehr z. B. • Zugangsregelungen nach EGRichtlinie • vereinfachtes gemeinschaftliches Versandverfahren nach EGVerordnung
internationaler Straßengüterverkehr z. B.
• Kabotagekontingente nach EGVerordnung Rechtliche • Gemeinschaftslizenzen für den Randbedingungen grenzüberschreitenden Verkehr nach EG-Verordnung
Randbedingungen
• unterschiedliche Sprachen • Wertsysteme
• Breite und Tiefe der Wasserstraßen • Schleusenkapazitäten
• zulässige Maße • zulässige Gesamtgewichte
• Kontrolle der Antriebskraftstoffmenge • Zulassungsprüfung der Schiffe für den Transport gefährlicher Güter • Material- und Bordvorrätekontrolle • Arbeitszeiteinteilungen
• Mannheimer Akte
internationaler Binnenschiffsgüterverkehr z. B.
3.1 Besonderheiten der internationalen Logistik 341
Länderspezifische Rahmenbedingungen für internationale Logistikprozesse mit Beispielen des Straßen-, Eisenbahn- und Binnenschiffgüterverkehrs (Quelle: in Anlehnung an Zettelmeyer/Zöllner, 1986, S. 56)
342
E.3 Internationale Logistiksysteme
Administrative Rahmenbedingungen: Sie kennzeichnen die Handhabung der rechtlichen Regelungen und die Organisation der Abläufe bei grenzüberschreitenden Informations- und Güterflüssen und sind das Ergebnis eingespielter Verwaltungsstrukturen und -verfahren in den verschiedenen Ländern. Deshalb können auch gleiche rechtliche Regelungen aufgrund ihrer unterschiedlichen Handhabung in verschiedenen Ländern die Informations- und Güterflüsse sehr unterschiedlich beeinflussen. Technische Rahmenbedingungen: Sie sind teilweise ebenfalls das Ergebnis unterschiedlicher rechtlicher Regelungen, insbesondere über zulässige Abmessungen und Gewichte der einsetzbaren Betriebsmittel. Sie können aber ebenso auf Unterschieden in der Investitionspolitik der Institutionen beruhen, die an den Logistikprozessen beteiligt sind. Beispiele hierfür sind die unterschiedliche Qualität der Fuhrparks von Transportunternehmen und die unterschiedliche EDV-Ausstattung von Speditionen in verschiedenen Ländern. Bei der Bahn sind unterschiedliche Stromsysteme, Spurweiten und Lichtraumprofile im Laufe der Zeit gewachsen. Infrastrukturelle und geographische Rahmenbedingungen: Sie resultieren zunächst aus den topographischen Gegebenheiten der verschiedenen Länder. Des Weiteren sind sie das Ergebnis nationaler Verkehrswege- und Kommunikationsnetzpolitiken. Erst in neuerer Zeit wird im Rahmen von größeren Wirtschaftsräumen wie der EU die Infrastruktur stärker multinational orientiert. Besondere Bedeutung kommt den infrastrukturellen Rahmenbedingungen an den Grenzübergängen zu, wo beschränkte Abfertigungskapazitäten internationale Logistikprozesse behindern. Kulturelle Rahmenbedingungen: Die unterschiedlichen Lebensgewohnheiten, Mentalitäten, Ausbildungssysteme und Sprachen in verschiedenen Ländern sind eine wesentliche Barriere für die Organisation internationaler Logistiksysteme. Nicht nur die Kommunikation wird dadurch erschwert, sondern die unterschiedliche Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Logistikpersonals, bedingt durch unterschiedliche Ausbildungs-, Lebens- und Wertestandards in verschiedenen Ländern führen dazu, dass reibungslos funktionierende Logistiksysteme eines Landes nicht ohne weiteres in anderen Länder übernommen werden können. Kosten Die unterschiedlichen länderspezifischen Rahmenbedingungen sind der Grund für die Unterschiede im Anteil der Logistikkosten am Umsatz eines Produktes und in ihrer Zusammensetzung in verschiedenen Ländern. Den umfassendsten aktuellen Vergleich von Logistikkosten in Europa liefert wohl derzeit die Top-100-Studie von KLAUS und KILLE.107 Für verschiedene europäische Länder zeigt sie die unterschiedliche Verteilung der Logistikkosten auf die verrichtungsspezifischen Subsysteme der Logistik auf.
107
Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 159.
3.1
Besonderheiten der internationalen Logistik
343
In einschlägigen Veröffentlichungen werden auch häufig die Daten der Erhebungen von DAVIS angeführt. Diese zeigen, dass 2007 der Logistikkostenanteil vom Umsatz in den USA mit 9,74% höher war als in EU-Ländern mit 8,39%.108 Diese Ergebnisse sollten jedoch nicht derart interpretiert werden, dass Unternehmen bestimmter Länder besonders effizient logistische Prozesse durchführen.109 Die unterschiedlichen Werte spiegeln vor allem auch unterschiedliche geographische, demographische und kulturelle Rahmenbedingungen wider, wobei zu den letzteren sicherlich auch der Grad der Implementierung der Logistikkonzeption zählt. Die Kosten, die den grenzüberschreitenden Informations- und Güterflüssen zuzurechnen sind, lassen sich in funktionale Kosten und Handelsbarrierekosten aufgliedern.110 Die funktionalen Kosten werden durch die Aktivitäten in den logistischen Teilsystemen verursacht. Diese Logistikkosten werden für ein bestimmtes Produkt aufgrund der geschilderten Rahmenbedingungen in internationalen Logistiksystemen im Allgemeinen höher ausfallen als in nationalen Logistiksystemen. Hinzu kommen dann noch die Handelshemmniskosten.111 Sie werden nicht durch logistische Leistungsgrößen, wie z. B. Entfernungen, Gewichte und Zeiten verursacht, sondern durch Barrieren um nationale und multinationale Märkte. Handelshemmnisse sind staatlich sanktionierte – also staatlich angeordnete oder mit staatlicher Duldung angewendete – Eingriffe in den grenzüberschreitenden Güter- und Leistungsaustausch, durch die alle Ausländer (Verletzung der Inländerparität) oder bestimmte Ausländer (Verletzung der Meistbegünstigung) diskriminiert werden. Tarifäre Handelshemmnisse sind alle Arten von Zöllen. Zu den nicht-tarifären Handelshemmnissen zählen zunächst die direkt oder indirekt protektionistischen Gesetze. Direkter Gesetzesprotektionismus beeinflusst offen den Außenhandel (z. B. Einfuhrkontingente). Indirekt protektionistische Gesetze sind ursprünglich oder angeblich zu anderen Zwecken erlassen worden, können aber durch das Ermessen der Verwaltungsbehörden diskriminierend missbraucht werden (z. B. Kennzeichnungszwang zum Verbraucherschutz). Der administrative Protektionismus umfasst neben den Ermessensentscheidungen auch Willkürakte oder schikanöses Verhalten der Verwaltung (z. B. diskriminierende Praktiken im öffentlichen Vergabewesen). Von Gefühlsprotektionismus spricht man schließlich bei Appellen an das Nationalgefühl und Aufrufen zum Boykott (z. B. Appelle zum Kauf einheimischer Produkte). Bei der Kostenanalyse internationaler Logistiksysteme sind zusätzlich zu den bekannten Zielkonflikten innerhalb der funktionalen Kosten die möglichen Zielkonflikte zwischen funktionalen Kosten und Handelshemmniskosten und auch die möglichen Zielkonflikte innerhalb der Handelshemmniskosten zu berücksichtigen.
108 109 110 111
Vgl. Establish, Inc./Herbert W. Davis and Company, 2007, S. 16. Vgl. Touche Ross, 1995, S. 25. Vgl. Cook/Burley, 1985, S. 27ff. Vgl. Quambusch, 1989.
344
E.3 Internationale Logistiksysteme 4,2 4,5
Zuverlässigkeit 3,7
3,2 3,2
Kosten
3,1
3,0 3,4
Reaktionsfähigkeit
3,3
2,8 Flexibilität
2,6 2,9
2,1 Ressourcenauslastung
Deutschland
1,7
USA 2,6
Abb. E.7
China
Logistikziele in internationalen Vergleich. 1 = „geringe Bedeutung“ bis 5 = „hohe Bedeutung“; Mittelwerte aus allen Antworten (Quelle: Straube/Pfohl, 2008, S. 19)
Service Ebenso wie die Höhe der Logistikkosten kann aufgrund der länderspezifischen Rahmenbedingungen die Höhe des Serviceniveaus bei den Lieferserviceelementen in verschiedenen Ländern variieren. Beispielsweise sind aufgrund der wesentlich geringeren geographischen Ausdehnung die Lieferzeiten in Japan in der Tendenz kürzer als in den USA.112 Die Bedeutung einzelner Lieferserviceelemente als Einflussfaktoren für die Einkaufsentscheidung kann ebenfalls in verschiedenen Ländern unterschiedlich eingeschätzt werden. Eine 2008 in Deutschland, den USA und China durchgeführte Befragung stellt die unterschiedlichen Logistikziele der befragten Industrieunternehmen in den drei Ländern dar (vgl. Abb. E.7). Obwohl sich die grundsätzliche Zielbewertung in dem internationalen Vergleich nur gering unterscheidet, ergeben sich bei einer detaillierten Betrachtung einzelner Ziele dennoch Unterschiede. 112
Vgl. Stock/Lambert, 1982, S. 6.
3.2
Gestaltung internationaler Logistiksysteme
345
Typisch für die internationale Distributionslogistik ist, dass auch dem Standort des Ersatzteillagers bzw. der Ersatzteilverfügbarkeit hohe Bedeutung beigemessen wird.
3.2
Gestaltung internationaler Logistiksysteme
Wertkette als Grundlage der Gestaltung internationaler Logistiksysteme PORTER klassifiziert Internationalisierungsstrategien, für die bei den Grundlagen der internationalen Logistik drei konzeptionelle Forschungsschwerpunkte genannt wurden, nach den drei Dimensionen Wertkette, Systemkonfiguration und Systemkoordination.113 In Abb. E.8 ist das Modell der Wertkette dargestellt. Die Wertkette zeigt, wie sich der Gesamtwert eines Produktes – der Betrag, den die Kunden zu zahlen bereit sind – aus den Wertschöpfungsaktivitäten und der Gewinnspanne zusammensetzt. Im unteren Teil der Kette sind die primären Aktivitäten aufgeführt, die sich mit der physischen Herstellung des Produktes und seiner Zurverfügungstellung zur Nutzenstiftung beim Kunden befassen, wobei zwischen vorgelagerten und nachgelagerten Aktivitäten unterschieden wird. Der obere Teil enthält die unterstützenden Aktivitäten (flankierenden Maßnahmen) zur Aufrechterhaltung der primären Aktivitäten. PORTER sieht in den Wertaktivitäten die Bausteine von Wettbewerbsvorteilen. Die nachgelagerten Aktivitäten sind eng mit den Kunden verbunden und werden tendenziell in den Ländern lokalisiert, in denen sich die Kunden befinden. Denn in vielen Fällen werden durch diese Aktivitäten Wettbewerbsvorteile geschaffen, die länderspezifisch sind. Vorgelagerte und unterstützende Aktivitäten sind dagegen tendenziell nicht an ein bestimmtes Kundenland gebunden. Denn die Wettbewerbsvorteile durch diese Aktivitäten ergeben sich eher aus der Gesamtheit der Märkte, in denen das Unternehmen tätig ist, als durch seine Präsenz in jedem einzelnen Land. Die Aktivitäten in der Wertkette lassen sich nach den Dimensionen Konfiguration (Zentralisation – Dezentralisation der Aktivitäten) und Koordination (hoher – niedriger Koordinationsbedarf) charakterisieren. Für eine Zentralisation von Wertaktivitäten sprechen folgende Faktoren: x „zunehmende Skalenerträge bei den Aktivitäten, x das Voranschreiten auf der Lernkurve, x die komparativen Kostenvorteile durch Konzentration der Aktivität auf einen oder einige wenige Standorte, x Koordinationsvorteile, die sich aus der geographischen Verknüpfung verwandter Funktionen (z. B. F & E und Produktion) ergeben.“114
113 114
Porter, 1989, S. 25ff. Porter, 1989, S. 32.
346
E.3 Internationale Logistiksysteme Infrastruktur des Unternehmens
Technologische Entwicklung
nn wi Ge
Personalmanagement
Unterstützende Aktivitäten
Beschaffung
Produktion
Externe Logistik
Vorgelagerte Aktivitäten
Abb. E.8
Marketing Kundendienst Und Verkauf
Ge wi nn
Interne Logistik
Nachgelagerte Aktivitäten
Modell der Wertkette (Quelle: Porter, 1989, S. 26)
Die ersten beiden Faktoren beeinflussen die Entscheidung über die Anzahl der Standorte, an denen eine Aktivität durchgeführt wird. Die beiden letzten Faktoren beeinflussen die Entscheidungen über die geographische Lage dieser Standorte. Ebenso wie Logistikaktivitäten Bestandteil der gesamten Wertkette sind und von den anderen Wertaktivitäten abhängen, ist die internationale Logistikstrategie Bestandteil der Internationalisierungsstrategie. 115 Welche Logistikstrategie zu wählen ist, kann also nur im Zusammenhang mit der gesamten Internationalisierungsstrategie entschieden werden.116 Das gilt es zu beachten, wenn im Folgenden die drei konzeptionellen Forschungsschwerpunkte des internationalen Managements im Hinblick auf logistische Fragestellungen diskutiert werden. Ausgegangen wird hierbei von dem Schema in Abb. E.9, das die Möglichkeiten des internationalen Markteintritts zeigt. 117 Für das Aktivitätsniveau in der internationalen Logistik (gemessen z. B. durch den Personaleinsatz in diesem Bereich) postuliert SLATER einen dem Produktlebenszyklus ähnlichen Verlauf.118 Grundlage dafür ist die These eines evolutorischen Verlaufs des Internationalisierungsprozesses. Dementsprechend nehmen die Logistikaktivitäten vom indirekten Export ausgehend über den direkten Export zu, erreichen bei der eigenen Auslandsmontage und bestimmten Formen der eigenen Auslandsproduktion ihr Maximum und nehmen danach bei anderen Formen der Auslandsproduktion und beim globalen Management wieder ab. Die Aussagen bezüglich des Absatzkanals gelten analog für den Beschaffungskanal. Hier können die Formen quasinationale Beschaffung, indirek115
116 117 118
Zu Internationalisierungsstrategien und logistischen Anforderungen vgl. Baumgarten/Herter, 1999, S. 828ff. Vgl. Porter, 1989, S. 50ff. Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 519ff.; Dülfer/Jöstingmeier, 2008, S. 173ff. Slater, 1980, S. 174. Siehe auch Welge/Holtbrügge, 2006, S. 58ff.
3.2 Auslandsmanagement
• indirekter Export – Inländisches Exportunternehmen – ausländisches Importunternehmen
• direkter Export – ohne Direktinvestitionen in Logistiksysteme im Ausland – Lizenzproduktion im Ausland
Gestaltung internationaler Logistiksysteme
Multinationales Management
• direkter Export
347
Globales Management
• weltweite Zentralisierung
– mit Direktinvestitionen in Logistiksysteme im Ausland
• Auslandsmontage – Beteiligung/ Gemeinschaftsunternehmen – eigene Montage
• Auslandsproduktion
• weltweite Dezentralisierung
• Triade
– Beteiligung/ Gemeinschaftsunternehmen – eigene Produktion
Abb. E.9
Möglichkeiten des internationalen Markteintritts
te Beschaffung, kurzfristige direkte Beschaffung, langfristige direkte Beschaffung, multinationale Beschaffung und weltweit koordinierte Beschaffung unterschieden werden.119 Das internationale Logistiksystem beim Auslandsmanagement Beim Auslandsmanagement baut ein Unternehmen kein spezielles Logistiksystem im Ausland auf, sondern bewältigt die Güter- und Informationsflüsse mit seinem nationalen Logistiksystem bzw. mit fremden Logistiksystemen. Kein internationales logistisches Know-how verlangt die Form des indirekten Exports, bei dem ein inländischer Exporteur eingeschaltet wird, der alle grenzüberschreitenden Logistikaktivitäten abwickelt. Wird dagegen ein ausländischer Importeur eingeschaltet, so sind Kenntnisse über die grenzüberschreitenden Logistikaktivitäten notwendig, deren Umfang allerdings vergleichsweise gering bleiben kann, wenn man das logistische Know-how des Importeurs nutzt oder Logistikaufgaben an international tätige Logistikunternehmen ausgliedert.120 Beim direkten Export an den (nicht als Importeur spezialisierten) Handel oder an die Verwender steigen die Anforderungen an das internationale logistische Know-how, auch wenn noch keine Direktinvestitionen im Ausland vorgenommen werden. Denn zusätzlich zu den grenzüberschreitenden Logistikaktivitäten des 119 120
Für eine ausführlichere Darstellung vgl. Pfohl/Large, 1991, S. 26ff. Vgl. Stock/Lambert, 1982, S. 23ff.; Stock/Lambert, 2001, S. 535ff.
348
E.3 Internationale Logistiksysteme
Exports an Importeure müssen die Logistikaktivitäten in den ausländischen Marktsegmenten wahrgenommen werden. Die Anforderungen können aber ebenfalls durch die Ausgliederung logistischer Aufgaben an Logistikunternehmen verringert werden.121 Durch Lizenzproduktion im Ausland kann der Aufbau eines internationalen Logistiksystems vermieden werden. Allerdings ist im Gegensatz zum indirekten Export mehr Einfluss auf den im Ausland anzubietenden Lieferservice möglich. Denn die zu erfüllenden Lieferserviceanforderungen können auch Bestandteil des Lizenzvertrages sein.122 Das internationale Logistiksystem beim multinationalen Management Beim direkten Export mit Direktinvestitionen in Logistiksysteme im Ausland lassen sich vier Grundmodelle unterscheiden.123 Prinzipiell sind diese Modelle auch ohne Direktinvestitionen im Ausland zu realisieren, wenn die mit den Modellen verbundenen Logistikaufgaben an Logistikunternehmen ausgegliedert werden. Beim klassischen System betreibt die ausländische Niederlassung des exportierenden Unternehmens ein oder mehrere Lagerhäuser, in dem bzw. in denen umfangreiche Lagerbestände unterhalten werden. Dadurch kann die Lieferhäufigkeit von der Produktionsstätte zu den Lagerhäusern reduziert werden. Da die Transportzeit keine wesentliche Rolle spielt, können große Warenmengen – auch aufgrund der Zusammenfassung (des Sammelns und Konsolidierens) verschiedener Sendungen – mit kostengünstigen Transportmitteln bewegt werden. Durch die großen Transporteinheiten kann die Dokumentenvielfalt reduziert werden. Ein weiterer Kostenvorteil ergibt sich daraus, dass Zölle nicht auf die Kundenpreise, sondern auf die unternehmensinternen Verrechnungspreise berechnet werden. Diesen Kostenvorteilen stehen jedoch hohe Lagerhaltungskosten gegenüber. Sie resultieren aus hohen Lagerbeständen während des langsamen Transports, Kapitalbindung in einer höheren Wertschöpfungsstufe und hohen Sicherheitsbeständen, durch die der Lieferservice garantiert werden muss. Mit den im Land der Niederlassung unterhaltenen Lagerbeständen ist allerdings eine positive psychologische Wirkung auf den Kunden verbunden, bei dem dann weniger Widerstand gegen den Kauf ausländischer Waren allgemein und gegen den Kauf von Waren aus entfernt liegenden Ländern im Besonderen vorliegt. Das Transitsystem unterscheidet sich vom klassischen System dadurch, dass im ausländischen Lagerhaus keine Lagerbestände gehalten werden. Es dient lediglich als Umschlagslager. Damit entfallen zwar die Vorteile des klassischen Systems, aufgrund der für dieses System charakteristischen schnellen Transportmittel und
121
122 123
Zur Ausgliederung logistischer Aufgaben an internationale Logistikdienstleister vgl. Piontek, 1994, S. 108ff. Vgl. Stock/Lambert, 1982, S. 20; Stock/Lambert, 2001, S. 522. Vgl. Picard, 1982, S. 28f.; Schary, 1984, S. 408f.; Sletmo/Picard, 1985, S. 42f. Zu Grundstrukturen von Logistiksystemen siehe Abb. A.2 in Kap. A, Abschn. 1.1.
3.2
Gestaltung internationaler Logistiksysteme
349
der zentralen Lagerhaltung beim exportierenden Unternehmen werden aber die Lagerhaltungskosten gesenkt. Das Regionalsystem ist zwischen dem klassischen System und dem Transitsystem einzuordnen. Die Lagerhaltung wird von den Niederlassungen nicht zurück in das Land des exportierenden Unternehmens, sondern in ein Lagerhaus (Distributionszentrum) verlagert, das für eine aus mehreren Ländern bestehende Region zuständig ist. Von dort werden die als Umschlagslager fungierenden Lagerhäuser der Niederlassungen oder bei besonders eiligen bzw. großen Aufträgen die Kunden direkt beliefert. Ein Beispiel hierfür ist z. B. die Zentralisierung der Distribution von Gütern eines amerikanischen Exporteurs in einem Land für ganz Westeuropa. Das Distributionszentrum wird entweder von der Niederlassung des Landes, in dem es sich befindet, geleitet oder es untersteht direkt dem exportierenden Unternehmen. Im ersten Fall besteht die Möglichkeit des Interessenkonfliktes, z. B. bei Lieferengpässen, zwischen den Anforderungen der übergeordneten Niederlassung und den übrigen Niederlassungen der Region. Ein besonderer Vorteil kann sich ergeben, wenn das Distributionszentrum in einer Freihandelszone (z. B. auf dem Gelände von Seehäfen) errichtet wird. Freihandelszonen sind Gebiete, von denen aus freier Handel mit allen Ländern erlaubt ist.124 Ein Lager in der Freihandelszone erfüllt die gleichen Aufgaben wie ein Zollaufschublager oder Zollgutlager. Bei der Lagerung von Gütern in einem Zollaufschublager im importierenden Land sind die Abgaben erst nach Weiterverwendung der Güter zu entrichten. Dagegen dient das Zollgutlager im exportierenden Land zur Lagerung von bereits zur Ausfuhr abgefertigten Gütern, deren spätere Weiterverwendung aber noch nicht feststeht. Die Abgaben werden auch hier erst bei Entnahme der Güter aus dem Zollgutlager fällig. In Freihandelszonen können Güter jedoch nicht nur gelagert und umgeschlagen, sondern auch industriell weiterverarbeitet werden. Beim Direktsystem hat die Auslandsniederlassung mit dem physischen Güterfluss nichts mehr zu tun. Die ausländischen Kunden werden direkt vom Ursprungsland mit Hilfe schneller Transportmittel beliefert. Dadurch entfallen jegliche Kosten für Lagerung und Umschlag im Ausland. Während das klassische System von den Grundmodellen die höchsten Fixkostenanteile der Logistikkosten aufweist, ist das direkte System durch die höchsten variablen Kostenanteile gekennzeichnet. Wenn der Kunde die Kosten für den Zoll trägt, entfällt der Vorteil der Berechnung auf die im Vergleich zum Kundenpreis niedrigen unternehmensinternen Verrechnungspreise. Außerdem wird der Kunde mit administrativen Problemen der Zollabwicklung belastet. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich auch, wenn aufgrund des geltenden Rechts für bestimmte Produkte (z. B. pharmazeutische Produkte) die Qualitätskontrolle im Kundenland durchgeführt werden muss. Bei Auslandsmontage und -produktion ist jeweils zu unterscheiden, ob dies in eigener Regie oder in Form einer Beteiligung bzw. eines Gemeinschaftsunternehmens (Joint Venture) geschieht (Eigentumsstrategie). Im Falle der Beteiligung oder des Gemeinschaftsunternehmens kann das investierende Unternehmen in den 124
Zur Bedeutung von Freihandelszonen für Logistiksysteme vgl. Schieck, 2008, S.354.
350
E.3 Internationale Logistiksysteme
Genuss des eventuell vorhandenen logistischen Know-hows oder des vorhandenen logistischen Netzwerkes des Auslandsunternehmens gelangen. Im Übrigen bleiben aber die logistischen Probleme die gleichen wie im Falle des Betriebes in eigener Regie. Deshalb wird im Folgenden nicht zwischen den verschiedenen Formen der Auslandsmontage und -produktion differenziert. Eine Auslandsmontage kann sich als vorteilhaft erweisen, wenn sich für die Montagetätigkeiten im Ausland z. B. ein niedriges Lohnniveau ausnutzen lässt oder wenn man sich mit der Montage im Ausland besser bzw. schneller auf die dortigen spezifischen Kundenwünsche einstellen kann als mit der Montage im Stammland. Auslandsmontage bietet sich außerdem an, wenn – vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern – der Import von Endprodukten über hohe Einfuhrzölle restriktiv oder sogar bis zum völligen Einfuhrstopp gehandhabt wird. Ein Beispiel für eine solche Auslandsmontage ist die CKD-Fertigung125 in der Automobilindustrie. 126 Fahrzeugkomponenten definierter Montagestufen werden zu Teilesätzen zusammengestellt und in bestimmte Länder zur Montage exportiert. Differenziert nach den Vorschriften der Montageländer, werden diese Teilesätze dort ergänzt durch ein Spektrum an LC-Teilen127. Besondere Anforderungen werden bei der Versorgung der CKD-Montagewerke an die Verpackung gestellt (maximaler Warenschutz, minimaler Packmitteleinsatz, betriebswirtschaftlich zu vertretender Verpackungsaufwand (Lohn), optimales Frachtvolumen bzw. optimale Frachtkosten). Deshalb wird die Packungsstruktur mit CAD-Unterstützung entwickelt, um die optimale Kombination von verschiedenen Teilen in einem Packmodul zu finden. Hohe Anforderungen bei der Versorgung der CKD-Montagewerke ergeben sich auch aus der Notwendigkeit der terminlichen Abstimmung der Anlieferung der CKD-Teilesätze aus dem Stammland mit der Anlieferung der LC-Teile aus dem Montageland. Besteht die Auslandsproduktion darin, dass in einem Kundenland für dieses Land produziert wird – z. B. um Importrestriktionen zu umgehen – dann resultieren daraus keine neuen Logistikprobleme für das investierende Unternehmen. Diese entstehen erst dann, wenn im Rahmen eines Produktionsverbundes zwischen den verschiedenen Produktionsstätten eines Unternehmens die Vorteile der Arbeitsteilung derart ausgenutzt werden, dass Teile eines Produktes lediglich in einer Produktionsstätte hergestellt und andere Produktionsstätten damit versorgt werden. Zur Bewältigung der damit verbundenen Material- und Informationsflüsse müssen die Produktionsstätten durch Logistiksysteme verbunden werden, die entsprechende Logistikkosten verursachen. 125 126
127
CKD: Completely Knocked Down (komplett zerlegt). Neben CKD-Fertigung existieren in der Automobilindustrie noch SKD-Fertigung (Semi Knocked Down) und MKD-Fertigung (Multi Knocked Down). Als Ziel aller drei Formen sollen Einfuhrzölle auf FBU-Fahrzeuge (Fully Built Up) vermieden werden. Bei der SKDFertigung wird das Fahrzeug in einem Werk des exportierenden Landes so weit aufgebaut, wie es die Importvorschriften zulassen. Bei der MKD-Fertigung werden nur Rohkarossen importiert. Bei der höchsten Form, der CKD-Fertigung wird das Fahrzeug komplett zerlegt, vgl. Schulz/Hesse, 2009, S. 224f. LC: Local Content (engl.: lokaler Anteil).
3.2
Gestaltung internationaler Logistiksysteme
351
Es hängt von der Produktions- und Logistikkostenstruktur eines Produktes ab, ob eine zentrale gegenüber einer dezentralen Teileproduktion vorteilhaft ist. Für eine Zentralisierung spricht eine kapitalintensive – also durch hohe Fixkostenanteile gekennzeichnete – Produktion, bei der die Produktionsstückkosten mit steigender Produktionsmenge stark fallen. Im Gegensatz dazu sinken bei einer arbeitsintensiven – also bei einer durch hohe variable Kostenanteile gekennzeichneten – Produktion die Produktionsstückkosten mit steigender Produktionsmenge nur schwach ab. Die Produktionszentralisierung lohnt sich allerdings nur dann, wenn die dadurch realisierbaren Produktionskostenvorteile nicht durch höhere Logistikkosten ausgeglichen werden. Diese Gefahr besteht vor allem bei Teilen, bei denen die Transportkostenanteile hoch sind, was z. B. bei einem niedrigen Wert/Gewichts- oder Wert/Volumen-Verhältnis der Teile zutrifft. Gegen eine Zentralisierung sprechen auch hohe Handelshemmniskosten. Das internationale Logistiksystem beim globalen Management Die Notwendigkeit zu einem globalen Management ist auf Märkten gegeben, die sich durch weltweite homogene Kundenbedürfnisse (Kundenprobleme) auszeichnen. LEVITT sieht einen Trend zu solchen globalen Märkten, da die Menschen aufgrund des immer intensiver werdenden Informationsaustausches über weltumspannende Kommunikationsnetzwerke lernen, die gleichen Bedürfnisse zu artikulieren.128 Globale Märkte mit homogenen Produkten können zu niedrigeren Logistikstückkosten führen, wenn aufgrund der Standardisierungseffekte Auftragsabwicklungs-, Verpackungs-, Bestands- und Lagerhauskosten absinken. Sie können aber auch zu höheren Logistikstückkosten führen, wenn bei der Versorgung der Weltmärkte Kommunikations- und Transportkosten ansteigen. BENDER sieht fünf strategische Vorteile eines auf globalen Märkten tätigen Unternehmens:129 x Produktionsfaktorvorteile: Globale Unternehmen können die weltweit unterschiedliche Verfügbarkeit und Kostensituation bei den Produktionsfaktoren nutzen. So lassen sich die arbeitsintensive Produktion in Niedriglohnländern, die anlagenintensive Produktion in Ländern mit günstigen Finanzierungsbedingungen (niedrige Kreditkosten und Steuern, Investitionszuschüsse, Abschreibungen) und/oder günstigen Betriebsbedingungen (keine Einschränkung der Kapazitätsnutzung, keine ökologischen Auflagen) und die informationsintensive Produktion in Ländern mit guten Informationsbedingungen (gute Informations- und Kommunikationsinfrastruktur, leicht zugängliches technologisches, ökonomisches und soziales Wissen) konzentrieren. Bei materialintensiven Produkten hängt es von deren Kostenstruktur und vom Gewichtsverlust während der Produktion ab, ob die Produktion in der Nähe von den Materiallieferpunkten oder von den Nachfragepunkten angesiedelt wird. 128 129
Vgl. Levitt, 1983, S. 20f. Vgl. Bender, 1985a, S. 22. Vgl. außerdem die zu Beginn dieses Abschnittes anhand der Wertkette angestellten Überlegungen.
352
E.3 Internationale Logistiksysteme
x Größenvorteile: Globale Unternehmen können aufgrund ihrer Größe Erfahrungskostenpotentiale nutzen (Economies of Scale). x Programmvorteile: Globale Unternehmen können mit einem breiteren und/oder tieferen Produktionsprogramm Synergieeffekte durch bessere Nutzung von quantitativen und qualitativen Kapazitäten erzielen (Economies of Scope). x Handelshemmnisvorteile: Globale Unternehmen können durch ihre Präsenz in den betreffenden Ländern Handelshemmniskosten vermeiden. x Marktpräsenzvorteile: Globale Unternehmen können sich aufgrund ihrer weltweiten Marktpräsenz und Marktkenntnis Veränderungen in der qualitativen und geographischen Nachfragestruktur rechtzeitig anpassen. An solchen Präsenzvorteilen knüpft OHMAE mit seiner Triade-Strategie für globale Unternehmen an.130 Demnach sollte jedes Unternehmen mit allen Wertschöpfungsaktivitäten in den USA, Japan und Europa vertreten sein. Nur dann ist man ein Insider auf diesen wichtigen Märkten, die auf die Existenz von globalen Unternehmen entscheidenden Einfluss haben. Die Entscheidung für ein globales Management mit Zentralisierungs-, Dezentralisierungs- oder Triade-Strategie hat unterschiedliche Logistiksysteme zur Folge. Auf der Triade-Strategie aufbauend charakterisiert BOWERSOX globale Unternehmen als „Stateless Enterprises“131. Diese Unternehmen sind nicht nur in den drei am weitesten entwickelten Wirtschaftsregionen132 Europa, Nordamerika und der Pazifikregion, sondern auch in Märkten sich wirtschaftlich stark entwickelnder Regionen vertreten, die damit ebenfalls dem in Abb. E.10 dargestellten Rahmen globaler Logistikanforderungen zuzurechnen sind. Im Management dieser Unternehmen wird der gesamten Unternehmensentwicklung mehr Wert beigemessen als individuellen Maßnahmen in einzelnen Ländern oder Regionen. Möglich wird dieses äquidistante Management nur in solchen Unternehmen, in denen Manager nicht ausschließlich lokale Interessen vertreten, sondern deren Loyalität in erster Linie dem Gesamtunternehmen gilt. Diese globalen Unternehmen, zu denen weltweit ungefähr 45 Unternehmen gehören, sind dadurch gekennzeichnet, dass sie i. d. R. weniger als 40% ihres Umsatzes im Ursprungsland erzielen.
130 131 132
Ohmae, 1985, S. 143ff. Bowersox, 1994, S. 21f. Innerhalb dieser Regionen sind dies vor allem die Zoll- bzw. Wirtschaftsunionen Europas (EU), Nord Amerikas (NAFTA: North American Free Trade Agreement) und der westlichen Pazifikregion (AFTA: Asian Free Trade Agreement).
3.2
Gestaltung internationaler Logistiksysteme
353
Globale Unternehmen
Europa (EU) Verbundene Regionen
Pazifik-Region (AFTA)
Nordamerika (NAFTA) Osteuropa und Mittlerer Osten China und Südostasien
Entwicklungsregionen
Afrikanische Länder
Mittel- und Südamerika sowie Karibikstaaten
Abb. E.10
Rahmen globaler Logistikanforderungen (Quelle: Bowersox, 1994, S. 21. Übersetzung durch den Verfasser)
Europäische Logistiksysteme im Wandel Die beiden umfassendsten Veränderungen im Europa der 80er und 90er Jahre waren die Vollendung des Binnenmarktes innerhalb der Europäischen Union und die Öffnung Mittel- und Osteuropas. Beide Entwicklungen haben zu neuen Herausforderungen und zu neuen Gestaltungsansätzen für europäische Logistiksysteme geführt. Die weitgehende Realisierung der rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen für einen gemeinsamen Europäischen Markt bis zum 01.01.1993 und die Erwartung dieser Veränderung bereits im Vorfeld hatten eine umfassende Veränderung der Logistikstrategien westeuropäischer Unternehmen zur Folge.133 Aufgrund des weitgehenden Entfallens von Handelsschranken und der fortschreitenden Angleichung nationaler Rahmenbedingungen ergeben sich für den Gestalter von europäischen Logistiksystemen eine Vielzahl neuer – in vielen Fällen vorteilhafter – Gestaltungsalternativen, welche jedoch die Komplexität der Gestaltungsaufgabe erhöhen. Die wichtigsten Veränderungen und Herausforderungen, mit denen Logistikmanager beim Entwurf und der Umsetzung europäischer Logistiksysteme konfrontiert sind sowie die bereits realisierten europäischen Logistiksysteme waren Gegenstand einer Studie der EUROPEAN LOGISTICS CONSULTANTS (ELC), die
133
Vgl. Pfohl, 1993a, S. 64ff.
354
E.3 Internationale Logistiksysteme
1996 erstellt wurde.134 Es wurden über 300 Unternehmen verschiedener Branchen in Europa, den USA und Asien befragt. Eine umfassende Veränderung der Logistikstrukturen zeigte sich dabei in der deutlichen Reduktion der Anzahl von Distributionslagern und Produktionsstätten. Vor allem in Europa gibt es einen Trend zur grenzüberschreitenden Versorgung ganzer Regionen von wenigen Standpunkten aus, 135 obwohl die Qualitäten der logistischen Dienstleister im grenzüberschreitenden Verkehr oft kritisiert werden.136 Hier haben sich verschiedene Regionen herausgebildet, die Ländercluster darstellen, in denen Länder mit weitgehend einheitlichen logistischen Merkmalen zusammengefasst werden. Diese sind in Abb. E.11 exemplarisch dargestellt. Entscheidend für die Bildung dieser Regionen ist nicht nur die geographische Nähe, sondern auch die vergleichbaren Rahmenbedingungen hinsichtlich des Transportumfeldes, eng miteinander verzahnte Handelsstrukturen, einheitliche Kundenwünsche, die Bedeutung von Transportzeiten und der Wert der Produkte sowie die Branche in der sie vertrieben werden.137 Als besonders relevant für die Entwicklung des Logistikmanagements wurden die Kundenanforderungen und die Anpassung an die Entwicklung der Informationsund Kommunikationstechnologie bewertet.138 Mit der Konzentration von Distributions- und Produktionsstandorten und deren Integration zu Distributions- bzw. Produktionsnetzwerken wächst im Sinne eines multinationalen Managements der Bedarf an umfassenden Planungs- und Steuerungssystemen sowie einer adäquaten Organisationsstruktur, über die bisher nur die wenigsten Unternehmen verfügen. 139 Erfolgsmeldungen einer zunehmenden Konzentration und Integration können deshalb nicht generalisiert werden. Jedes europäische Logistiksystem erfordert seine individuelle Lösung, die nicht immer in einer extremen Zentralisierung liegt. Als weiterer Trend wurde die fortschreitende Konzentration auf wenige Logistikdienstleister erkannt.140 Damit sind weitreichende Veränderungen für solche Dienstleister verbunden, die nicht nur das Spektrum angebotener Dienstleistungen betreffen, sondern vor allem ihre Bemühungen, sich durch den Aufbau europaweiter Servicenetzwerke zu Mega Carriern zu entwickeln.141 Mögliche Vorgehensweisen dazu waren und sind die Übernahme von ausländischen Logistikunternehmen mit existierenden nationalen Netzwerken, Kooperationen mit ausländischen Partnerspeditionen oder der Aufbau eigener Tochterunternehmen durch Direktinvestitionen. 134 135 136 137
138 139 140 141
European Logistics Consultants, 1996. Vgl. Welge/Holtbrügge, 2006, 147ff. Vgl. European Logistics Consultants, 1996, S. 7. Vgl. A. T. Kearney, 1993, S. 24. In der Konsumgüterindustrie, in der kulturelle Differenzen wichtiger sind als in der Investitionsgüterindustrie, werden die Mittelmeerländer Portugal, Spanien, Italien und Griechenland häufig in einer Region zusammengefasst. Vgl. European Logistics Consultants, 1996, S. 4. Vgl. O'Laughlin/Cooper/Cabocel, 1993, S. 13. Vgl. O'Laughlin/Cooper/Cabocel, 1993, S. 10. Vgl. O'Laughlin/Cooper/Cabocel, 1993, S. 77ff.
Abb. E.11
Quelle: European Commission DG Transport/ PricewaterhouseCoopers (1999)
Ländercluster Vorschlag 1:
Quelle: ELA/A. T. Kearney (1999)
Ländercluster Vorschlag 2:
3.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme
Ländercluster in Europa aus Sicht der Logistik
355
356
E.3 Internationale Logistiksysteme
Während viele Unternehmen gerade dabei waren, ihre Struktur den neuen Möglichkeiten des europäischen Binnenmarktes anzupassen, wurde mit den politischen Reformen bzw. Revolutionen die wirtschaftliche Öffnung Mittel- und Osteuropas eingeleitet. Mit der Zunahme des Handels und dem Aufbau von Produktions- und Distributionskapazitäten durch Direktinvestitionen und Kooperationen wuchs die Notwendigkeit der Gestaltung von Logistiksystemen, die auch Liefer-, Empfangsund Transferpunkte in Mittel- und Osteuropa umfassen und ihre Leistungen auf Basis der mittel- und osteuropäischen Infrastruktur erbringen. Die Gestaltung von Logistiksystemen in Mittel- und Osteuropa unterscheidet sich prinzipiell nicht von der in anderen Regionen der Erde. Dies gilt sowohl für Distributions- als auch für Beschaffungssysteme. Von großer Bedeutung sind jedoch die länderspezifischen Rahmenbedingungen und die dem Engagement zugrunde liegenden unternehmenspolitischen Grundkonzeptionen der westlichen Unternehmen.142 Ein Hemmnis für den Güterfluss von, nach und in den Ländern Mittel- und Osteuropas ist der vergleichsweise schlechte Zustand der Infrastruktur, insbesondere außerhalb der jeweiligen Landeshauptstädte, wobei jedoch beachtliche Unterschiede zwischen den Ländern vorliegen.143 Bei Standortentscheidungen für Distributionszentren ist von einer langen Transportzeit zwischen den Ländern in Mittel- und Osteuropa auszugehen. Bei Stückgut muss mit einer nationalen Laufzeit von 24 bis 48 Stunden und grenzübergreifend mit drei bis sechs Tagen gerechnet werden.144 Dagegen sind gerade in den ost-mitteleuropäischen Staaten zumindest die rechtlichen Rahmenbedingungen weitgehend gesetzt und mit denen in Westeuropa vergleichbar. Allerdings liegen trotz bilateraler Abkommen der EU, insbesondere mit den frühen Reformstaaten, weiterhin zahlreiche Handelshemmnisse vor. In der Anfangsphase der Öffnung Mittel- und Osteuropas und des Anschlusses der fünf neuen Bundesländer stand im Mittelpunkt des Interesses die Gestaltung der Distributionslogistik, um eine schnelle und zuverlässige Versorgung der neuen Märkte zu gewährleisten. Durch die EU-Erweiterung um acht Länder im Jahr 2004 eröffneten sich neue Perspektiven. Aufgrund der deutlichen Kostenvorteile, die mit der Produktion in bzw. mit dem Bezug aus Mittel- und Osteuropa verbunden sind, beschaffen gegenwärtig europäische Unternehmen zunehmend auch bei mittel- und osteuropäischen Lieferanten.145 Damit tritt in jüngster Zeit auch das Problem der ostwestlichen Beschaffungslogistik in den Vordergrund. Neben dem Problem, den Aufbau des interorganisatorischen Logistiksystems – häufig durch die Einbeziehung von östlichen oder westlichen Logistikdienstleistern – zu realisieren, stehen westliche Unternehmen vor der Aufgabe, die Leistungsfähigkeit der innerbetrieblichen Logistik eines potentiellen Lieferanten zu beurteilen und gegebenenfalls zu sichern. Aufgrund der historischen Entwicklung dieser Länder und 142 143 144 145
Vgl. Large, 1992. Vgl. Pfohl/Large, 1993, S. 6ff. Vgl. Vahrenkamp, 2007, S. 134. Vgl. Baumgarten/Krokowski, 2003, S. 14.
3.2
Gestaltung internationaler Logistiksysteme
357
der tiefen Transformationskrise der vergangenen fünf Jahre ist der Aufbau einer funktionierenden Beschaffungslogistik häufig mit einer umfassenden Lieferantenentwicklung und -förderung verbunden.146 Fallbeispiel147 Am Beispiel des Spielzeugherstellers LEGO GRUPPE kann die Veränderung der europäischen Logistiksysteme erläutert werden. Im Jahr 2004 war die LEGO GRUPPE zwar viertgrößter Spielzeughersteller der Welt, schrieb aber Millionenverluste. Neben den verfehlten Produktstrategien, starker Konkurrenz von Videospielen und Billigprodukten sind die hohen Logistikkosten und unausreichender Lieferservice die wesentlichen Ursachen. Von 2004 bis 2008 führte der Spielzeughersteller ein Projekt durch, um seine Supply Chain zu optimieren. Vor dem Projekt gab es ein mit den Produktionswerken verbundenes zentrales Distributionszentrum. Der Einzelhandel wurde aber noch von rund einem Dutzend regionaler Distributionszentren beliefert. Die Waren wurden zwischen verschiedenen Lagern mehrmals umgelagert. Jeder Standort hatte eine eigene Bestandsführung, unterschiedliche Abläufe und Arbeitsweisen. Fast alle Logistikaktivitäten wurden von der LEGO GRUPPE selbst durchgeführt. Nach dem Projekt wurden die 12 regionalen Distributionszentren in einem einzigen zentralen Logistikzentrum in Tschechien konsolidiert (vgl. Abb. E.12). Über das Lager werden sämtliche Aufträge aus weltweit mehr als 120 von insgesamt 135 Kundenländern mit 14.000 Handelskunden direkt abgewickelt. Die LEGO GRUPPE beauftragte die DEUTSCHE POST DHL im Rahmen eines Fünfjahresvertrages als Kontraktlogistiker des Zentrallagers und auch für Value Added Services. In der Folge des Optimierungsprojekts konnten rund 25% bei den globalen Logistikkosten eingespart werden. Dies entspricht ca. 150 Mio. Euro. Der Anteil der Logistikkosten am Umsatz wurde von über 12% im Jahr 2005 auf 9,2% im Jahr 2009 reduziert. Gleichzeitig konnte das Lieferserviceniveau von etwa 90% am Tag im Jahr 2004 auf sogar 99% pro Stunde im Jahr 2009 erhöht werden. Außerdem wurde mit der Konsolidierung der Carbon Footprint reduziert. Im Jahr 2009 sank die Transportleistung Volumenkilometer um 25%, was insgesamt fünf Millionen Volumenkilometer weniger pro Jahr entspricht. Das Fallbeispiel zeigt die zwei im letzten Abschnitt beschriebenen wesentlichen Änderungen internationaler Logistiksysteme: die Reduktion der Anzahl der Distributionslager, Oursourcing der Logistikaktivitäten und Konzentration auf wenige Logistikdienstleister.
146 147
Zur Lieferantenförderung vgl. Large, 2009, S.271ff. Vgl. Pfeiffer, 2009, S. 10ff.
358
E.3 Internationale Logistiksysteme
Zentrales LEGOLogistikzentrum in Tschechien
Abb. E.12
3.3
Zentralisierung der LEGO-Distributionszentren
Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik
Lieferungs- und Zahlungsbedingungen Aufgrund der geringeren Kenntnis der Vertragstreue und Kreditwürdigkeit der Geschäftspartner im Ausland im Vergleich zum Inland, der längeren Zeit für den Austausch von Informationen und Gütern zwischen Lieferant und Kunde sowie der unterschiedlichen Währungen ist das Risiko in der internationalen Beschaffung, Produktion und Distribution größer als in der nationalen. Dieses Risiko versucht man zunächst durch eine entsprechende Vertragsgestaltung im Hinblick auf die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen einzugrenzen.148 Diese regeln im Wesentlichen Preisstellung, Währung, Eigentumsvorbehalte, Lieferbedingungen, Liefertermin, Zahlungsbedingungen, Garantien, Gewährleistungen, Vertragszinsen, Vertragsstrafen, Rechtswahl, Gerichtsstand u. a.149 Bei den Lieferungsbedingungen kann in den Verträgen insbesondere auf die Incoterms zurückgegriffen werden, die im Überblick bereits in Kap. C, Abschn. 1 als Bestandteil der Konditionspolitik und als Regeln zur Festlegung der logistischen Kontrollspanne aufgeführt wurden. Neben dem Übergang der Kostenlast und dem Übergang der Gefahren regeln die Lieferungsbedingungen auch die im Zusammenhang mit der Auftragsabwicklung wichtige Beschaffung verschiedener
148 149
Siehe den Zusammenhang von Kontrahierungsmix und Logistik in Kap. C, Abschn. 3.2. Vgl. Schieck, 2008, S. 151.
3.3
Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik
359
Dokumente (Ausfuhrlizenz, Ursprungszeugnis, Konsularfaktura usw.) und Entrichtung von Nebenspesen (Zölle, Gebühren, Steuern und sonstigen Abgaben). Die Zahlungsbedingungen regeln den Zusammenhang zwischen dem Güterbzw. Informationsfluss im Logistiksystem und dem Zahlungsfluss, indem Zeitpunkt und Bedingungen der Gegenleistung für gelieferte Produkte und/oder Dienstleistungen festgelegt werden. Im Gegensatz zu den Zahlungsbedingungen ohne Dokumente, bei denen die Zahlung vor Lieferung, bei Lieferung und nach Lieferung mit jeweils unterschiedlichem finanziellen Risiko für Lieferant und Kunde zu unterscheiden sind, stellen die Zahlungsbedingungen mit Dokumenten besondere Anforderungen an die Auftragsabwicklung.150 In diesem Fall erfolgt die Zahlung gegen Dokumente, wie z. B. Frachtbriefe, Versicherungsdokumente oder Handelsrechnungen, mit denen die Verfügungsgewalt über die Ware vom Verkäufer an den Käufer abgetreten wird. Beim Dokumenteninkasso wird bei der üblichen Einschaltung einer Bank im Falle der „Zahlung gegen Dokumente“ die Zahlung vom Käufer/Importeur an die Inkassobank (eventuell Hausbank des Importeurs) gegen Übergabe der vereinbarten Dokumente geleistet. Die Dokumente werden vorher der Inkassobank vom Verkäufer (Exporteur) über dessen Hausbank zugeleitet. Die Zahlung erhält der Exporteur auf dem umgekehrten Weg. Im Fall der „Dokumente gegen Akzept“ stellt der Exporteur einen Wechsel auf den ausländischen Kunden aus. Die Inkassobank übergibt die Dokumente dem Importeur, wenn dieser den Wechsel akzeptiert. Das Risiko der Akzepteinlösung trägt der Exporteur, sofern er vom Importeur nicht die Stellung eines Bankavals verlangt. Beim Dokumentenakkreditiv (Letter of Credit) beauftragt der Importeur (Akkreditivsteller) seine Bank (Akkreditivbank), zugunsten des Exporteurs (Begünstigter) bei dessen Bank (avisierende Bank) ein Akkreditiv zu eröffnen. Das Akkreditiv ist allgemein ein Zahlungsversprechen, bei Vorliegen bestimmter Bedingungen dem Begünstigen einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen. Beim Dokumentenakkreditiv wird das Zahlungsversprechen der Bank durch die Vorlage der Dokumente über die exportierte Ware eingelöst. Beim widerruflichen Akkreditiv kann die Akkreditivbank, im Allgemeinen auf Veranlassung des Importeurs, das Akkreditiv ändern oder zurückziehen, ohne den Exporteur davon in Kenntnis zu setzen. Beim unwiderruflichen Akkreditiv ist die beauftragte Bank dagegen ausnahmslos zur Zahlung verpflichtet, sofern die vorgeschriebenen Dokumente vorliegen (vgl. Abb. E.13).
150
Vgl. Kummer/Schramm, 2004, S. 155f.
Abb. E.13
6. Verkäufer legt der avisierenden Bank die Lieferpapiere zur Auszahlung vor.
5. Verkäufer versendet Güter an den Käufer und erhält Lieferpapiere.
1. Verkäufer und Käufer schließen einen Kaufvertrag ab.
Exporteur (Verkäufer)
8. Avisierende Bank bestätigt der Akkreditivbank die Auszahlung an den Verkäufer.
7. Avisierende Bank prüft die Dokumente und zahlt an den Verkäufer.
4. Avisierende Bank prüft den Dokumentenakkreditiv und sendet ihn an den Verkäufer.
Avisierende Bank (Bank des Verkäufers)
11. Akkreditivbank gibt die Dokumente und Güter nach Belastung des Käufers frei.
9. Akkreditivbank entschädigt die avisierende Bank.
3. Akkreditivbank bittet Bank im Land des Verkäufers, den Dokumentenakkreditiv zu avisieren und/oder zu bestätigen.
Akkreditivbank (Bank des Käufers)
12. Käufer nehmen die Ware mit den Dokumenten ab.
10. Akkreditivbank belastet den Käufer.
2. Käufer beauftragt die Akkreditivbank einen Dokumentenakkreditiv zugunsten des Verkäufers bereitzustellen.
Importeur (Käufer)
360 E.3 Internationale Logistiksysteme
Ablauf beim Dokumentenakkreditiv (Quelle: Branch, 2001, S. 136)
3.3
Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik
361
Financial Engineering Ausgehend von den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen wurden von Banken unter dem Stichwort Financial Engineering neue Finanzdienstleistungen entwickelt, durch welche die Kapitalbindung im Umlaufvermögen von Industrie- und Handelsunternehmen reduziert werden kann. Solche Finanzdienstleistungen, die auf den Finanzierungsinstrumenten Akkreditiv (Auftragsabsicherung), Lagerfinanzierung (Warenlager) und Zessionskredit (Warenforderung) aufbauen, sind grundsätzlich auch im Zusammenhang mit nationalen Logistiksystemen zu diskutieren; wegen des erhöhten Risikos und der längeren Auftragsabwicklungszeiten sind sie aber vor allem für die internationale Logistik von Bedeutung.151 In Abb. E.14 ist ein solches, von einem Dienstleister aus einer Hand anzubietendes Finanzdienstleistungspaket mit den entsprechenden Zahlungs-, Informations- und Güterströmen skizziert. Der Dienstleister fungiert dabei als Confirmingund Factoring-Gesellschaft. Confirming-Gesellschaften gab es in großer Zahl Ende des vorigen Jahrhunderts in England. Dies waren große Handelshäuser, die neben der Finanzierung das Auffinden von Lieferanten, die Verladung/Verschiffung, Versicherung, Lagerung usw. übernahmen. Heute versteht man unter Confirming die Dienstleistung der Risikoabsicherung und Finanzierung. Mit Factoring wird der regresslose Forderungsverkauf an eine Factoring-Gesellschaft bezeichnet. Sie hat für die Verwaltung und den Einzug der Forderung Sorge zu tragen und trägt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Käufers der Ware. Währungseinfluss Die Währungen verschiedener Länder können die internationale Logistik in zweierlei Hinsicht betreffen. Einerseits ist das Wechselkursrisiko zu berücksichtigen, sowohl bei der Lagerhaltung als auch bei der Auftragsabwicklung. Zur Handhabung des Wechselkursrisikos stehen zunächst die finanzwirtschaftlichen Instrumente der Kurssicherung zur Verfügung. 152 Das Wechselkursrisiko hinsichtlich der Bestandsbewertung kann aber auch dadurch reduziert werden, dass es in die Entscheidung über den Standort von Produktionsstätten und Lagerhäusern einbezogen wird. Man kann die Standorte bevorzugt in die Länder legen, deren Währungen stabil sind oder man kann die Investition in Standorte auch als eine Investition in ein Währungsportfolio verstehen. Außerdem trägt zu einer Verringerung des Wechselkursrisikos auch die Verkürzung der Auftragsabwicklungszeit bei. Neben dem Wechselkursrisiko kann andererseits die Devisenbewirtschaftung die internationale Logistik beeinflussen. Wenn beispielsweise in Entwicklungsländern den Unternehmen für den Warenimport nur in begrenztem Umfang Devisen zur Verfügung gestellt werden, sind die Möglichkeiten zum Aufbau von Lagerbeständen in diesen Ländern eingeschränkt. 151
152
Vgl. Pfohl/Elbert/Hofmann, 2004, S. 15ff.; Gomm, 2008, S. 171f. sowie allgemein zu Finanzdienstleistungen, die von logistischen Dienstleistern übernommen werden, ebenda, S. 169ff. Vgl. Schieck, 2008, S. 144ff.
362
E.3 Internationale Logistiksysteme 6
7
4
Lieferant (Produktions-/ Gewinnungsunternehmen)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Dienstleister 12 Financial Engineering (Confirming und Factoring) 8
3 5
10
11
2
Weiterverkäufer (Absatzmittler)
1 9
Käufer (Endabnehmer)
Käufer bestellt Ware bei Weiterverkäufer Dienstleister übernimmt Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Käufers (Haftungszusage) Weiterverkäufer bestellt Ware bei Lieferant Dienstleister übernimmt Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Weiterverkäufers (Haftungszusage) und finanziert evtl. die Produktionskosten des Lieferanten Lieferant liefert Ware an Weiterverkäufer Lieferant überstellt Dokumente an Dienstleister Dienstleister zahlt Lieferant Dienstleister überstellt Dokumente an Weiterverkäufer gegen Finanzierung Weiterverkäufer liefert Ware an Käufer Weiterverkäufer verkauft Forderung gegenüber Käufer regresslos an Dienstleister Dienstleister zahlt Kaufpreis nach Abdeckung der Forderung aus Confirming Käufer zahlt Kaufpreis bei Fälligkeit an Dienstleister
Abb. E.14
Confirming und Factoring im Zusammenhang mit Beschaffungs- und Distributionslogistik (Quelle: in Anlehnung an Hardt, o. J., S. 303)
Steuer- und Zolleinfluss Sobald ein Unternehmen entsprechend der Konzeptionen des multinationalen oder globalen Managements mit Direktinvestitionen in mehreren Ländern präsent ist, stellt sich das Problem, dass die unternehmensinterne grenzüberschreitende Weitergabe von Gütern ohne Steuereinfluss wegen der nationalen Steuerhoheiten nicht möglich ist.153 Unter dem Gesichtspunkt der Gewinnausschüttung an die Aktionäre der deutschen Mutter eines multinationalen Unternehmens können sich deshalb deutsche im Vergleich zu ausländischen Betriebsstandorten aufgrund bestehender Doppelbesteuerung der Gewinne im Aus- und Inland als durchaus vorteilhaft erweisen. Dem Ziel der Gewinnverlagerung durch Bewertung der grenzüberschreitenden Güterflüsse zwischen den Gesellschaften eines Unternehmens mit entsprechenden Transfer- bzw. Verrechnungspreisen sind dadurch Grenzen gesetzt, dass die nationalen Steuergesetze Preise verlangen, die einem Fremdvergleich standhalten. Oft ist es sinnvoll, die Produkte in ihre Einzelteile zerlegt an die ausländischen Betriebsstandorte zu liefern, um so durch niedrigere Zölle auf den Einzelteilen den höheren Zoll auf das Gesamtprodukt zu vermeiden. In der 153
Vgl. Welge/Holtbrügge, 2006, S. 288f.
3.3
Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik
363
Gesamtkostenkalkulation muss aber bedacht werden, dass der Transport der Einzelteile zu höheren Transportkosten führt, die aber in Summe in der Regel unter den eingesparten Zollkosten liegen.
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BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung BVL
Bundesvereinigung Logistik e. V.
CSCMP Council of Supply Chain Management Professionals DBW
Die Betriebswirtschaft
DGfL
Deutsche Gesellschaft für Logistik e. V.
DIN
Deutsches Institut für Normung e. V.
DLR
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
DSLV
Deutscher Speditions- und Logistikverband e. V.
DVZ
Deutsche Verkehrszeitung
EHI
Europäisches Handels-Institut
ELA
European Logistics Association
GfL
Gesellschaft für Logistik e. V. (jetzt: DGfL)
IJoPD
International Journal of Physical Distribution
MIR
Management International Review
NCPDM National Council of Physical Distribution Management RKW
Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft e. V.
TDM
Transportation and Distribution Management
VDI
Verein Deutscher Ingenieure e. V.
Wisu
Das Wirtschaftsstudium
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
ZfbF
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
ZfL
Zeitschrift für Logistik
Sachverzeichnis
(s,Q)-Regel 95, 97 (s,S)-Regel 96 (t,Q)-Regel 96 (t,S)-Regel 97 3PL 272, 295 4 R 12 4PL 272 80:20-Regel 107
A ABC-Analyse 107f., 110 ABCD-Politik 110f. Abfall 219 abgeleitete Nachfrage 256 Ablaufplanung Dilemma der 185 Abnahmemengenkonzentration 205 Abrollcontainer-Transportsystem 162 Absatzbereich 170, 174, 198f., 233, 247 Absatzförderungsfluss 210 Absatzhelfer 54, 255 Absatzkanal 15, 87, 145, 201f., 208f., 231, 288 Absatzlager 17, 104f., 171, 180f., 198 Absatzmarkt 16f., 48, 192, 200 Absatzmittler 206f., 255 Absatzprognose 254 Absatzweg 207f. Abteilungsebene 247f. ACTS-System 162 administrativer Protektionismus 343 Agenten 273 Airwaybill 158 All-Inclusive-Angebot 268 Anforderung 308 aufgrund der Arbeitsteilung 308 aufgrund der Güterart 309 aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele 312 Anpassungsfähigkeit 40, 157
Anreiz-Beitrags-Theorie 291 äquidistantes Management 352 Arbeitsablauf Zuverlässigkeit des 35 Arbeitsgang 185 Arbeitslager 118 Arbeitsteil 140 Arbeitsteilung 308f., 314, 333, 350 überbetriebliche 308 Arbeitsträger 140 Artikelmengen/Umsatz-Verhältnis 106 Artikelnummersystem 288 Artmengen/Wert-Verhältnis 106 Artteilung 308 Aufbauorganisation 231f., 236, 248, 280 Aufgabenbereich logistischer 9 Aufgabenzusammenfassung 238 dezentrale 242 zentrale 238 Auflösung des Güterflusses 118 Auflösungspunkt 6f., 152 Auftrag 70 als Informationsquelle 70 externer 70 interner 70 Auftragsabwicklung 8, 21, 27, 30, 44, 51, 65, 69, 70ff., 119, 196, 215, 223 Aufgabe 74 Definition 70 Fakturierung 77 Funktion 73 manuelle Formen 78 maschinelle Formen 78 Übermittlung 74 Versand 77 Zusammenstellung 77 Auftragsbearbeitungsprozess 8 Auftragsbestätigung 76 Auftragserstellung 74 Auftragsformular 70, 75
390
Sachverzeichnis
Auftragsgröße optimale 95 Auftragsmodalität 37, 39 Auftragsperiode 35, 72 Auftragsproduktion 181, 196 Auftragsübermittlungsprozess 8 Auftragsübermittlungszeit 76 Ausflaggung von Seeschiffen 320 Ausgleichseffekt 104 Ausgleichsfunktion 192 Ausgliederung 286, 293, 348 Auslandsmanagement 337, 347 Auslandsmontage 346, 349f. Auslandsproduktion 346, 350 Auslieferungslager 7, 17, 36, 59, 91, 105, 113ff., 120, 159, 198, 200, 207, 215, 293 Auslieferungspunkt 110f. Auslieferungssystem Zentralisation oder Dezentralisation 110 Außendienst 207f. mitarbeiter 74, 200, 207f. außerbetrieblicher Transport 119, 150 Autobahnnetz 325 Autonomiekost 29
B Bahnreform 278 Beanspruchungsnutzen 25 Bedarfsauflösung 93 Bedarfsermittlung 92 deterministische 93 Prognosemethode 101 programmgebundene 93 stochastische 94 subjektive Schätzung 94 verbrauchsgebundene 94 Bedarfsprognose 98, 101 Bedarfsverkehr 154f. Bedürfnisbefriedigung 20ff., 25, 198, 200 Beförderungsfunktion 150, 154 Befrachter 268 Behälter 124, 130, 148, 160, 163 Behälterart 145 Behälterverkehr 160, 162 Behälterwahl 227 Bereichsebene 247f. Bereitstellungsnutzen 25 Bereitstellungsverkehr 263 Beschaffung 170 Aufgabe 170
internationale 179, 339 Beschaffung mit Vorratshaltung 173 Beschaffungslager 17, 34, 88, 170f., 179, 181 Beschaffungslogistik 17, 169 Definition 169 Gesamtkostendenken 172 Konzeption 171 Objekt 169 Systemdenken 171 Beschaffungsmarketing 170 Beschaffungsmarkt 16, 170, 256 Beschaffungspolitik 174 Instrument 174 Beschaffungsprogramm 174f. Beschaffungsrisiko 179 Beschaffungsweg 178 Beseitigungskanal 219 Besonderheiten der Leistungserstellung 263 Bestandsmanagement 43, 47, 76, 87, 293 Bestellfrequenz 172 Bestellkosten 30, 95ff. Bestellmenge optimale 95 Bestellmengenformel 96 Bestellniveau 95 Bestellpunkt 90, 95, 97, 99, 100 zwei Bestellpunkte 99 Bestellpunktverfahren 97 Bestellregeln 95f., 98 Bestellrhythmusverfahren 97 Bestellzeitpunkt 175 Bestellzyklusverfahren 97 Betriebswirtschaft logistische 16 betriebswirtschaftliche Funktion 18, 42 Grundfunktion 42 Serviceleistung 42 Bewegungsprozess 5f., 112f., 118f., 126, 195 Beziehungsgefüge eines Unternehmens 284 Bezugspolitik 174, 178, 255 bimodales Transportsystem 162 Binnencontainer 145, 147 Binnengüterverkehr 154 Binnenschiff 154, 157, 163, 275, 325 Binnenschifffahrt 156f., 264, 267f., 320ff., 327, 339 Blocklagerung 124, 127 Bodenlagerung 124, 126
Sachverzeichnis Boxpalette 144 Break Bulk Point 6 Bringprinzip 171, 199 Bruttoanlageninvestitionen 334 Bruttobedarf 92 Bündelung 6, 148, 276 Bundesbahngesetz 268 Bundeseisenbahnvermögen 277 Bundesverkehrswegeplan 334ff. Business-to-Business-Marketing 258 BVWP 334, 336
C Carbon footprint 317 Carriage Paid To 177 CF 317 channel leader 291 chaotische Lagerung 121, 123 Charterschifffahrt 319 CIF 177 Citylogistik 275 CKD 350 CKD-Fertigung 350 Clearingstelle 331 Completely Knocked Down 350 Confirming- und Factoring-Gesellschaft 361 Consolidation Point 7 Container 134, 143, 145ff., 160, 164, 271, 315, 320, 327 Containerisierung 319 Containerverkehr 160, 164, 320, 322 Continous Replenishment Program 209 Cost, Insurance, Freight 177 CPT 177 credence qualities 258 Crossdocking 53, 112 CRP 209 Customizing 198
D Datenverbund 328 DDP 177 Delivered Duty Paid 177 deterministische oder programmgebundene Bedarfsermittlung 93 DEUTSCHE BAHN AG 161, 277ff., 324 Deutsche Lufthansa AG 277ff. Devisenbewirtschaftung 361 Dezentralisierung 244f. diagonale Kooperation 290
391
Dienstleister 260, 265, 274, 277f., 286f., 293 logistischer 16, 57, 64, 265 Dienstleistung ergebnisorientierte 24 potentialorientierte 24 prozessorientierte 24 Versorgungs- und Lieferservice 33 Vertrauenscharakter 25 Dienstleistungslogistik 16 Dienstleistungspaket logistisches 272 Dienstleistungsproduktion 24 Dilemma der Ablaufplanung 185 der interorganisatorischen Logistikplanung 300 Dimension ökologische 41 ökonomische 40, 222 qualitative 262 räumliche 262 soziale 41 technologische 39 Direktsystem 349 Direktverkehr 151, 161 Distribution Requirements Planning 95 Distributionslogistik 17, 27, 34, 37, 39, 45, 50, 169ff., 198f., 200ff., 222 Definition 198 Konzeption 199 Objekt 198 Servicedenken 200 Systemdenken 200 Distributionspolitik 178, 202, 207, 255, 258 Distributionszentrum 349, 357 Dokumentationskette 151 Dokumentenakkreditiv 359, 360 Dokumenteninkasso 359 Doppelbesteuerung 362 Double Sourcing 179 DRP 95 DTV 326 Durchlaufregal 127 Durchlaufzeit 65, 182, 185 durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke 326 Durchschnittsbestand 90, 91
E EAN 288
392
Sachverzeichnis
Echtzeitbetrieb 79 economies of arbitrage 46 scale 46, 352 scope 46, 352 speed 46 structure 46 ECR 201 EDI 83 EDIFACT 86 Efficient Consumer Response 201, 208 Effizienzdenken 39ff., 221f. Effizienzsteigerung 45 Effizienzziel 39 Eichgesetz 139 Eigentumsfluss 209, 257 Eignungswert 22 Ein- und Auslagerungsvorgang 121 eindimensionales Organisationsmodell 251 Einfahrregal 127 Eingangslager 16, 181, 223 Eingliederung der Logistik 238 dezentral 242 Hierarchieebene 246 zentral 238 Einheitenlager 118, 121 Einkauf 18, 30, 64, 72, 88, 177, 179, 242, 244, 248, 255, 257f., 260, 288, 339 logistischer Dienstleistungen 244, 257, 258, 260 Einkaufsentscheidungstyp 259 einstufiges System 5, 79 Einzelbeschaffung 106, 172 Einzelfertigung 61, 173, 187 Einzelplatzlagerung 121, 123 Eisenbahn 117, 139, 157f., 264, 268, 319f., 325, 341 Eisenbahnverkehrsunternehmen 163, 278 Electronic Data Interchange 83 elektronische Unterschrift 329 elektronischer Notar 329 Empfangspunkt 5ff., 12, 70, 72f., 76, 95, 141, 149, 151, 156, 263 Empfangsspediteur 45, 288 Endkombination 24, 25 Engpass 29 Entmaterialisierung 310 Entmaterialisierung der Güterstruktur 310 Entnahmeüberziehung 98 Entsorgungslogistik 17, 219
Definition 219 Effizienzdenken 222 Gesamt- oder Totalkostendenken 222 Konzeption 220 Objekte der 219 Prozess der 226 Servicedenken 222 Systemdenken 221 verrichtungsspezifisches Subsystem 222 Entwicklungstendenzen betriebswirtschaftliche 46 Managementkonsequenz 47 Zielgrößenentwicklung 46 Erfahrungseigenschaften 258f. Ersatzteil 213 Beschaffung 212 Bevorratung 212 Lieferservice 214 Original- 217 Umsatz 213 Ersatzteilbedarf Einflussgröße 215 Ersatzteillogistik 17, 210 Aufgabe 210 Definition 210 Konzeption beim Abnehmer 212 Konzeption beim Anbieter 213 verrichtungsspezifisches Subsystem 215 Ersatzteilumsatz Besonderheit 214 Ersatzteilversorgung 217 als Wettbewerbsinstrument 217 Bedeutung 217 Branchenabhängigkeit 218 Kriterium der Lieferantenauswahl 217 Erstkauf 259 Erweiterungs- und Ersatzinvestitionen 315 Etagenlager 126 Etikettieren 140 EURO-LOG 330 europäische Tauschpalette 145 europäisches Logistiksystem 353 Europalette 145, 147 Eventlogistik 262 EVU 278 Ex Works 176 Export direkter 347 indirekter 347 Expressverkehr 157
Sachverzeichnis externe Effekte 315f. externer Faktor 24, 256, 263 externer Nachteil 315 externer Vorteil 315 EXW 176
F Fachbodenregal 127 Factoring 79, 361 Fahrzeugverfolgungssystem 330 FCA 176 Feederdienst 320 Fehlmenge 36, 97f., 101, 103f., 108, 185, 208 Fehlmengenkosten 30, 97f., 106, 182 Fernverkehr 157, 266, 274f., 278, 327 Fertigung Organisationstyp 183 Fertigungsinsel 187 Fertigungstiefe 175 Fertigverpackungsverordnung 139 Feststoffpipeline 327 Feststofftransport 327 FFS 186 Financial Engineering 361 Finanzdienstleistungen 361 Finanzmittelfluss 295f. fiskalpolitische Maßnahme 336 Flächenverkehr 152, 157 Flachlager 126 Flachpalette 144 Flexibilität 40, 48, 81, 180, 182, 187, 190f., 200, 233, 268, 286, 302 Flexibilitätsfunktion 193 flexibles Fertigungssystem 186, 191 Fließfertigung 185f., 190f. Fließprinzip 26 Flughafen 158, 215, 324 Flugzeug 155, 157ff., 269 Flurförderzeug 128 Fluss der Rechte an den Gütern 210 Flussdenken 29 Flüssigkeit 124, 327 Flussprinzip 185 Flusstyp 209 FOB 176 Fördermittel 120 Förderungseinrichtungen der Verkehrswirtschaft 287 Formularfluss 71 Fourth Party Logistics Service Provider 272
393
Frachtbörse 273 Frachtcarrier 270 Frachtführer 165, 176, 266, 268f. Frachtvermittler 273 Frachtzentrum 274 Free Carrier 176 Free On Board 176 frei Abladestelle 176 frei Haus 175f., 206, 265 Freihandelszone 349 Freilager 126 Füll- und Verschließprozess 140 Funknetz 331 Funktionsintegration 187, 189 Funktionsmanager 253 Fusion 283
G Gas 124 Gatekeeper 201 Gebietsspediteurkonzept 179 Gebrauchswert 22, 24 gebrochener Verkehr 151, 156 Gefahrgutverordnung Straße 220 Gefühlsprotektionismus 343 Gegengeschäft 177 Gesamt- oder Totalkostendenken 29ff., 182, 222, 337 Gesamtkostendenken 172 Gesamtkostenprinzip 158 gesamtwirtschaftliches Ziel 307, 312f., 315f. Geschäftsführungsebene 247 Gesetzesprotektionismus 343 gewerbepolitische Zusammenarbeit 288 gewerbewirtschaftliche Zusammenarbeit 287 gewerblicher Verkehr 153 Gewichtraten 159 GGVS 220 Global Sourcing 179 globales Management 338, 351f., 362 Greiflager 118 Großbehälter 145f., 160 Größendegressionseffekt 88 Großraumfahrzeug 311 Großraum-Wechselaufbauten 311 Grundanforderung 33 Grundfunktion 7, 43 Grundstruktur 5 einstufiges System 5 kombiniertes System 7
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Sachverzeichnis
mehrstufiges System 6 Gruppenebene 247 Gruppenfertigung 186 Güterart 309 Anteilsverschiebung 309 Güterbereitstellung 3, 5, 22, 210, 308, 313 Güterdimension 262 Güterfluss 7, 88 direkter 5 heterogener 6 homogener 6 indirekter 6 Infrastruktur des 317 Institution im 15 Kernprozess des 8 Phase des 16 Unterstützungsprozess des 8 Güterstruktureffekt 310 Gütertransformation 9 Arten der 24 System der 3 Güterverkehrsaufkommen 266ff. Güterverkehrsleistung 266 Güterverkehrssystem 14, 154f. Güterverkehrswirtschaft 264f. Institution der 264 Leistungsbereich der 265 Güterverkehrszentrum 275 Güterverteilung 4, 210, 260, 307ff., 313, 324 Güterverteilzentrum 274 Güterverwendung 3, 5, 22, 210, 308, 311, 313 GVtZ 274, 276 GVZ 275, 327
H Haftungsfunktion 150 Handelsfunktion 201 Handelshemmnis 337, 343, 356 nicht-tarifäres 343 tarifäres 343 Handelshemmniskosten 343, 351f. Handelshemmnisvorteil 352 Handelslogistik 16 Hauptabteilungsebene 247f. Hauptlauf 152, 161, 164, 180 Herstellkosten 97, 254 Hindernis 45, 164 für eine Realisierung der Logistikkonzeption 45 Hochflachlager 127
Hochregal 128 Hochregallager 127, 163 Hochseeschifffahrt 269 Holprinzip 171, 188f., 199 Hoover-Effekt 114 horizontale Kommunikation 330 horizontale Kooperation 288 horizontales Umschlagsverfahren 162 Hubförderer 128 Huckepackverkehr 160, 162f.
I IATA 154, 322 ICAO-Abkommen 322 Immaterialität 24 Incoterms 171, 176, 358 Industrielogistik 16 Industriepark 274 Informatik 13, 64f. Information als Produktionsfaktor 53 Information des Kunden 37, 39 Informations- bzw. Office-Logistik 73 Informationsfluss nacheilend 223 Informationsfluss 7 begleitender 73 nacheilend 197 nacheilender 73 vorauseilender 73 Informationsfluss Infrastruktur des 327 Informationsfunktion 8, 136, 216 Informationskonflikt 285 Informationslogistik 65 Informationsmanagement 47 Informationsnetzwerk 84 Informationssystem 197, 298 Informationsverarbeitung 42f., 77, 79, 81 Infrastruktur Bedarf 335 Belastung 333 des Güterflusses 317f. des Informationsflusses 327 Krise der Verkehrsinfrastruktur 333 logistische 317ff., 323, 325 makrologistische 317 politik 335 Politik 335 innerbetriebliche Logistik 16, 181, 356 innerbetrieblicher Transport 119 inprocess inventory 91
Sachverzeichnis Input-Output-Beziehung 26 Instandhaltung 18, 169, 210, 212, 214, 216f. Institutionen im Güterfluss 15 Integration logistischer Aufgaben 235 Integrationsaufgabe 296 Integrationseffekt 310 Integrator 270 integrierte logistische Leistung 57, 257 InterCargo-System 161 Intercontainer 164f. Interface 44 interlokale Standortwahl 116 intermodaler Wettbewerb 313f. International Air Transport Association 154, 322 internationale Beschaffung 179, 338, 339 Logistik (finanzwirtschaftlicher Aspekt) 358 internationale Logistik klassisches System 348 internationaler Markteintritt 346f. internationales Logistiksystem 337 Gestaltung 345 internationales Management 308, 337, 346 Internationalisierungsstrategie 346 Internet 273 interorganisatorische Beziehung 282 Richtung 289 interorganisatorisches Logistiksystem 280 interorganisatorisches System 15 interpersonellen Variablen 260 Intralogistik 130 intramodaler Wettbewerb 314 intraorganisatorisches System 15 Investitionslenkung 313 ISO-Container 145ff. ISO-Paletten 145
J Just for You 200 Just-in-Time Lieferung 53 Produktion 173, 179, 194
K Kabotagebeförderung 153 Kanban-System 189 Kapitalbindung 47, 51, 96, 110, 159, 172f., 228, 302, 348, 361 Kapitalgesellschaft 277f.
395
Kartell 154 Kauf der Funktionsfähigkeit 217 Kaufsituation 258 Kaufverhalten Analyse 258 Kaufvertragsform 177 KEP-Dienstleister 274 Kernkompetenz 56, 74, 286, 297 Klassifizierung von Artikeln nach dem Gewinnbeitrag 107 nach dem Umsatz 108 nach der Absatzmenge 107 klassische Bestellmengenformel 96 klassisches System 348 Kleingutverkehr 324 Kleinladungsträger 196 Knotenpunkt 160, 319, 325 Kollegien 234, 245 Kombinationscarrier 270 Kombinierter Verkehr 160 kombiniertes System 227 Kombiverkehr 163, 165 kommissionieren 119, 128 Kommissionierlager 118ff., 129 Kommunikation horizontale 330 vertikale 329 Kommunikationspolitik 134, 174, 178, 202, 206f. Kommunikationsproblem 232f. Kommunikationstechnik 330 Kompaktregal 128 Kompetenzregelung 253 Kompetenzüberschneidung 253 Kompetenzzuordnung 253 komplementäre Kooperation 290 Komponentenanbieter logistischer 265 Komponentenspeditionen 273 Konditionenpolitik 171, 174f., 177, 202, 205 Konfliktinstitutionalisierung 253 Konfliktmanagement 253, 285, 303 Konfrontationstechnik 253 Konsignationsbezug 177 Kontrahierungszwang 312 Kontraktlogistik 272 Kontraktverpacker 271 Kontrollaufgabe 8 Konzentration auf wenige Logistikdienstleister 354 Ausprägung 283
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Sachverzeichnis
des Güterflusses 6 des Stückgutumschlages 324 von Distributions- und Produktionsstandorten 354 Konzentrationspunkt 7, 152, 180 Konzernunternehmen 277, 283 Kooperation 15, 285 diagonale 290 horizontale 288 im Logistikkanal 299 im Logistikkanal 300 Interesse an 291 komplementäre 290 Konflikt 285 überbetriebliche 286 vertikale 289 Ziel 300 zwischenbetriebliche 286, 288 Kooperations ausmaß 290, 292, 295, 297 bereitschaft 290f. breite 292f. geist 291 intensität 292f. tiefe 292f. umfang 292f. vorteil 299 Koordination durch persönliche Weisung 234 durch Plan 235 durch Programm 234f. durch Selbstabstimmung 234 Koordination aufgesplitterte Logistikaufgabe 234 Koordination durch Plan 234 Koordinationsansatz 26 Koordinationsinstrument 234 Koordinationskosten 29f. Korrespondentenreeder 279 Kosten art 30, 44 bestellfixe 96 druck 46, 49, 52 Fehlmengen- 30 funktion 40 für die Ersatzteilversorgung 214 konflikt 31 Los- 30 losfixe 96 Luftfracht- 158
Rüst- 30 Sekundärleistungs- 34 Serviceniveau- 30 verlauf 31f. Kostenverlauf 59 kritischer Wert 109 kulturelle Rahmenbedingung 342 Kunden anforderung 32f., 76, 265, 354 auftrag 70, 93, 196 bindung 33, 209 dienst 18, 202, 205 dienstleistung 213 nähe 33, 215 orientierung 32, 200 produktion 196 zufriedenheit 33 Kuppelproduktion beim Transport 263 Küstenschifffahrt 269, 320
L Ladehöhe 147 Laderaumhöhe 147 Lager 8f., 105f., 111, 143, 184, 293, 337, 357 Anzahl 98 Beschaffungs- 17 Dezentralisation 110 Zentralisation 110 Zulieferungs- 17 Lagerabgang 90 Lagerbestand Bestandteile des 90f. mittlerer 90, 96, 98f. während der Bewegung 91 Lagereiunternehmen 270 Lagerergänzungsauftrag 215f. Lagerfähigkeit wirtschaftliche 106 Lagerfunktion 135, 216 Lagergebäude 126 Lagergestelle 126f. Lagerhaltung 76f., 87f., 96, 98, 106ff., 173f., 192, 197, 203, 209f., 212, 215, 222f., 251, 290, 293, 299, 315, 337, 349, 361 Aufgabe 90, 91 Definition 87 Funktion 87f. selektive 90f., 94, 106ff., 110 Verschiebung auf Lieferanten 53
Sachverzeichnis Lagerhaltungskosten 60, 95ff., 104, 106, 110, 214, 216, 348f. Satz 96 Lagerhaus 9, 112, 194, 197, 204, 215, 222ff., 251, 293, 337, 348f. Art 112, 113, 116 Aufgabe 116, 224 Definition 112 Elemente 130f. Funktion 112 Standort 116, 247 Technik 112, 123f. Lagerhausbereich 118f. Lagerhausbetrieb 117 Lagerkostensatz 96 Lagerordnung 120 Lagerorganisation 120 Lagerplatzzuordnung 120f., 123 Einflussfaktor 121 feste 121 freie 121, 123 Lagerprozess 4f., 8, 112, 118, 126 Lagersatzverfahren 79 Lagersteuerungssystem 197 Lagersystem 124f., 126 dynamisches 126 statisches 124 Lagerunternehmen 270 Lagerverwaltung 119 Lagerverwaltungssystem 197 Lagerzugang 90, 96 Landbrückenverkehr 319 länderspezifische Rahmenbedingung 338ff., 342, 344, 356 LASH-System 163 Lastkraftwagen 73, 157, 267, 325 Layoutplanung 184, 190f., 195 LC-Teile 350 Lebenszyklus 11, 13, 109, 311, 317 Kosten 14 logistischer Leistungen 311 Leerkosten 24 Leertransport 144, 150 Leichter 163 Leistungsanforderung 33 Leistungsbereitschaft 24, 40 Leistungsdenken 32 Leistungseigenschaft 258 Leistungsfähigkeit 27, 40, 53, 58, 113, 153f., 178, 180, 207, 310, 318, 323, 339, 342, 356 Leistungsprogramm 260, 262
397
Leistungsumfang 175, 262 Leistungsversprechen 24, 258 Leitungsverkehr 264, 327 Letter of Credit 359 Lieferabrufsystem 173, 177 Lieferant Anzahl 178 geographische Anordnung 178f. Streuung 178f. Lieferantenauswahl 53, 64, 217, 254f., 259 Lieferantentag 178 Lieferbereitschaft 36, 38, 97, 98, 103f., 110f. Definition 36, 103 Grad 223 Maß 36 Lieferflexibilität 35, 37, 39, 214 Lieferfunktion (Brown'sche) 104 Liefergenauigkeit 37, 98 Liefermodalität 37, 39, 76 Lieferpunkt 5f., 12, 73, 76, 95, 149, 151, 263 Lieferservice 18, 33ff., 39f., 53ff., 58f., 63, 73, 110f., 115f., 199ff., 207f., 214, 239, 241, 247, 255, 274, 302, 338, 348, 357 als Instrument der Marketingpolitik 55, 58, 62, 202 als Instrument zur Differenzierung 63 Komponente 39, 44 Lieferserviceniveau 55, 58 Festsetzung 254 Lieferservicepolitik 56, 199 Liefertreue 35 Lieferungsbedingung 358 Lieferungsbeschaffenheit 35, 37, 214, 222 Lieferzeit 35f., 39, 72, 76, 78, 106, 115, 137, 158 zeitliche Aufgliederung 36 Lieferzeitverkürzung 193, 194 Lieferzuverlässigkeit 35f., 179, 214 Lighter Aboard Ship 163 Linienaufgabe 244f. Linienfluggesellschaft 269 Linienschifffahrt 154, 320 Linienverkehr 154, 322 Lizenzproduktion 348 Lkw 146, 157ff., 162ff., 223, 227f., 264, 266, 275, 314, 325f., 336 Lkw-Wechselaufbau 146, 162 Local Content 350
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Sachverzeichnis
Local-Content-Vorschriften 320 Logistik 4 R 12 als betriebswirtschaftliche Funktion 18 als Instrument der Rationalisierung 62 als Querschnittsfunktion 62 als Unternehmensprinzip 63 Aufgabe 9 Bedeutung 46 Beschaffungs- 169 branchenabhängige Bedeutung 61 dezentrale Eingliederung 238 dienstleistungsorientierte Definition 13 Distributions- 198 Einordnung auf Abteilungsebene 248 Einordnung auf Bereichsebene 247 Entsorgungs- 219 Ersatzteil- 210 flussorientierte Definition 12 Führungskraft 250, 254 Gliederung der Organisationseinheit 249 in der Nachkaufphase 17 innerbetriebliche 16 lebenszyklusorientierte Definition 13 Makro- 14 Marketing- 17, 199 Material- 17, 34, 64 Meta- 14 Mikro- 14 Produktions- 180 Querschnittsfunktion 62 Stellenwert im Unternehmen 58 Unternehmensprinzip 62 Ursprung des Wortes 11 Versorgungs- 17 zwischenbetriebliche 16, 181 zwischenwerkliche 181 Logistikaktivitäten Übernahme durch Lieferanten 23 Logistikanalyse 300f. Logistikaufgabe 8f., 18, 20, 44, 231ff., 238f., 241ff., 251, 254, 260, 262, 273, 285f., 292, 307, 347f. Logistikberatung 260, 285, 288 Logistikbetrieb 16 LogistikBox 147, 149 Logistikdenken funktionelle Konsequenz 42 institutionelle Konsequenz 42, 44 instrumentelle Konsequenz 42f.
Logistikeffekt 310 Logistikfunktion Querschnittscharakter 42 Logistikkanal 199, 209f., 264, 285ff., 295, 299f., 302, 308 Logistikkette 29, 171f., 187, 222 Logistikkonzeption aufbauorganisatorische Umsetzung 231 Charakterisierung 3, 18, 20 Dimension 42f. Logistikkosten 18, 22, 27, 29, 32, 39, 40, 44f., 49ff., 55, 58ff. Hypothesen zur Bedeutung 59 nationale 51 Verlauf 60 zukünftiger Trend 51 Logistikleistung 16, 18, 22, 32, 39f., 53, 56 Logistikprozess 3f., 5, 7f., 11, 16, 28 Rahmenbedingung 337f. Logistikressourcenplanung 242 Logistikservice 286ff. Logistikservicenetzwerk 287 Logistiksystem Betrachtungsebene 14 einstufiges 5 europäisches 353 funktionelle Abgrenzung 16 Grundfunktion 7 Grundstruktur 5 Input 26 institutionelle Abgrenzung 14 interorganisatorisches 15, 280, 356 intraorganisatorisches 15, 231 kombiniertes 7 marktverbundenes 169 mehrstufiges 6 ökonomische Dimension 40 Output 26 technologische Dimension 39 Umfang 14 Logistiksystemkosten 30 Logistikunternehmen 4, 16, 24, 34, 45, 54, 57, 64, 70, 112, 142, 145, 153, 179, 231, 242, 255ff., 260ff.., 271f., 274, 277f., 280, 285, 287ff., 292f., 295, 300 Entscheidungskriterium für die Auswahl 257 Leistung 261 Organisationsform 277
Sachverzeichnis Rechtsform 277 Logistikwirtschaft 265 Logistikzentrum 273, 357 logistische Aufgabe Aufsplitterung 231 Zeitaufwand 251 logistische Determiniertheit 12 logistische Dienstleistung Abgrenzungskriterium 262 Art 260 Besonderheit der Leistungserstellung 263 Einkauf 257 Leistungsprogramm 260 Qualität 55 logistische Einheit 141f. logistische Infrastruktur 317ff., 323, 325 logistische Leistung integrierte 257 Lebenszyklus 311 logistische Wertschöpfungsaktivität 24 logistischer Dienstleister 16, 57 logistischer Systemanbieter 265 logistisches Informationssystem Kopplungsmöglichkeit 85 Verknüpfung 84 logistisches Teilsystem Interdependenz bei den Kosten 29 Lohnverpacker 271 lokale Standortwahl 116 Lorenzkurve 107f. lose Kopplung 26 Losgröße optimale 95, 97 Loskosten 30, 182 Luftfracht 31, 158f., 269f., 323 Luftfrachtaufkommen 269 Luftfrachtbrief 158 Luftfrachtverkehr 269f., 324 Luftverkehr 154, 159, 176, 264, 267, 273, 313, 318, 322f., 334, 339
M Machtkonflikt 285 Machtstreben 302 Main-Donau-Kanal 322 Make or Buy 175 Makler 208, 273 Maklerfunktion 201 Makrologistik 14, 307 makrologistische Infrastruktur 317
399
makrologistisches System 14, 300, 307ff., 317 Anforderung 317 Management internationales 308, 337, 346 multinationales 338, 348, 354, 362 Manipulationsfunktion 136, 195 Manipulationsvorgang 136, 216 Mannheimer Akte 321 Marketingfunktion 134 Marketingkanal 209, 231, 255, 256 Marketinglogistik 17, 199f. Marketingmix 202, 338 Marketingpolitik Instrument 202 Marketingprinzip 200 Marktdruck 46, 49, 53 Marktpräsenzvorteil 352 Marktproduktion 181 Marktreaktionsfunktion 40 marktverbundenes Logistiksystem 169, 198 Massenfertigung 187 Massengutverkehr 157f. Master Production Schedule 95 Material Requirements Planning 95 Materialbedarfsart 92 Materialbereitstellung bedarfsgesteuerte 189 externe 172 interne 173 Prinzip 188 verbrauchsgesteuerte 189 Materialfluss 33, 71, 130, 148, 180f., 187ff. Graph 183 Matrix 183 Materiallogistik 17, 34, 64, 241 Materialwirtschaft 64, 170, 239, 241 Matrixorganisation 252 Mega Carrier 354 mehrdimensionale Organisationsstruktur 251f., 282 mehrstufiges System 6f., 79 Mengenrabatt 88, 96, 173, 177, 205 Mengenteilung 308 Metalogistik 14, 16, 45, 283, 307 metalogistisches System 15, 300 MFB 227 MGB 227 Mikrologistik 14f., 44, 307 mikrologistisches System 15, 220, 300
400
Sachverzeichnis
Militärlogistik 11, 27 Mittler 201, 256 Mobilfunknetz 330f. Modal-Split 266, 316, 335 Modular Sourcing 175 modulare Verpackung 147 movement inventory 91 MRP 95 Müllgroßbehälter 227 Multifunktionsbehälter 227 multinationales Management 338, 348, 354, 362
N nacheilend 73 Nachfakturierung 77f. Nachfrage abgeleitete 256 qualitative Veränderung 57 Nachfragesystem 95 Nachfrageverlauf 90, 96, 99 Nachlauf 152, 161 Nahrungsmittelindustrie 62, 241 Nahtstelle 295 Nahverkehr 157, 256, 266 Nettobedarf 92, 175 Netz 278, 318 Netzbildungsfähigkeit 157, 339 Netzdichte 318, 321, 324ff. Netzwerk 5, 73, 112, 142, 150, 214, 297, 336 operatives 297 regionales 298 stategisches 297 Netzwerkgedanke 5 Non Vessel Operator 319 Normalverteilung 101ff. Normung 134, 143, 145, 151, 174, 210, 212 Nutzen aus dem Recht am Gut 21 Gestalt- 21 Informations- 21 Ort- 21 Zeit- 21 Nutzenart 20f., 198, 200 nutzenorientiertes Denken 20, 200 Nutzenstiftung 20, 345
O Objektmanager 253 Objektprinzip 185
OCR 82 ODA/ODIF 328 öffentliches Unternehmen 277 öffentlich-rechtliche Regelung 153 Office-Logistik 74 ökonomische Dimension 40, 222 One Stop Shopping 201 One-Port-Verkehr 319 Operations Research 44, 65, 151 operatives Netzwerk 297f. Ordersatz 75 Organisation Projektabwicklung 246 Projektträgerschaft 246 Organisationseinheit spezialisierte 251 Organisationseinheit Logistik 235, 249 empirische Untersuchung 237 Gliederung 249 Organisationsstruktur divisionale 242 Eingliederung der Logistikaufgaben 238 funktionale 238 Kombinationsmöglichkeit 244 mehrdimensionale 251 Organisationstyp 183ff. organisatorische Variable 260 Outsourcing 56, 272, 294
P Packdichte der Güter 59 Packerei 119 Packgut 134, 138, 142 Packhilfsmittel 134 Packmittel 134 Packstoff 134, 144 paketierte Einheit 143 Palette 141, 143ff. Palettenart 144 Palettenpool 145 Palettenregal 127f., 144 Palettensystem 145 Partenreederei 279 Partikuliere 268 Perfect Order 200 personalpolitische Maßnahme 234 Personengesellschaft 278 persönlicher Verkauf 206f. physische Distribution 17 Pick-by-Light 130 Pick-by-Voice 130
Sachverzeichnis pipeline inventory 91 Planungs- und Kontrollsysteme 47f. Pool-Palette 145 Potential 64, 198 PPS-System 183 Präsenzvorteil 352 Preisbildung 57, 171, 205 Preisdifferenzierung 56, 205f. Preispolitik 175, 205 Preisregulierung 312 Primärbedarf 92f., 175 Primärleistung 16, 34, 256 privatrechtliche Regelung 153 Produktgestaltung 174, 199, 202f., 205 Produktion Aufgabe 180 Auftrags- 181 Kunden- 196 Markt- 181 zentrale 309 produktions- oder einsatzsynchrone Anlieferung 173 Produktionsauftrag 196 Produktionsfaktororientierung 46f. Produktionsfaktorvorteil 351 Produktionsfunktion 134 Produktionskapazität 64, 89, 180, 194 Produktionslager 184, 192f. absatzorientiertes 193 produktionsorientiertes 192 Produktionslogistik 17f., 35, 50, 180 Definition 180 Gesamt- oder Totalkostendenken 182 Konzeption 181 Objekt 180 Servicedenken 182 Systemdenken 181 verrichtungsspezifisches Subsystem 191 Produktionsplanungs- und steuerungssystem 183 Produktionsprozess 17f., 34, 185, 187, 194, 197f. Produktionsstätte 7, 17, 119, 198, 348, 350 Produktionssystem 182 Layout 190 Produktionstyp 183 programmbezogener 187 programmbezogener 183 prozessbezogener 183 Produktionsverbund 338
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Produktionsverfahren 222 Produktionswirtschaft 64, 196 Produktivität 40 Produktivitätsziel 39 Produktlebenszyklus 346 Produktpolitik 134, 174, 202 Produktprogramm 93, 107f., 202f. Produktqualität 53, 200 Prognose 94, 98, 100f., 255 Prognosefehler 100 Normalverteilung 101 Programm 338 programmbezogener Produktionstyp 183 Projektorganisation 245f. protektionistische Maßnahme 320 Prozessansatz 26 prozessbezogener Produktionstyp 183 Prozessdenken 29 Puffer 87, 181, 190, 192 Pufferfunktion 195
Q qualitative Dimension 262 qualitative Veränderung der Nachfrage 57 Quelle 5, 151, 219 Querschnittsfunktion 62, 238, 252 Querverteilung 123
R Rabattpolitik 205 Rahmenbedingung internationaler Logistikprozesse 338 kuturelle 342 länderspezifische 338ff., 342, 344, 356 rechtliche 340 Rationalisierung 3, 62f., 120, 144, 299f. räumliche Dimension 262 raumwirtschaftliches Gleichgewicht 309 Realisierungsaufgabe 8 Rechnungslegung 77 rechtliche Rahmenbedingung 340 Recyclingquote 222 Redistributionskanal 219, 222, 224 Reederei 176, 269 Regal 127f. Regalbediengerät 129 Regalförderzeug 129 Regallagerung 126 regionales Netzwerk 298 Regionalsystem 349 Regionalverkehr 267 Regulierung
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Sachverzeichnis
Transportaufgabe 152 Reklamation 30, 73 Rentabilität 47, 49 Rentabilitätsziel 40, 47 Reservelager 118 RFID 58, 136 Rheinschifffahrt 321 Richtlinienkompetenz 245 Risiko 46, 178, 206, 224, 291, 358f., 361 Risikowahrnehmung 25 Road Railer 162 Rohrleitungsverkehrsnetz 317 rollende Landstraße 162 Rollenkonflikt 285 Rollpalette 127, 144 Round-the-World-Service 319 Rücklaufverkehr 263 Rückmeldung 73 Rückstand 219 Rückstands Fluss 219, 223 Kreislauf 226 Mulde 227 Trennung 225 Zyklus 219 Rungenpalette 144 Rüstkosten 30, 88, 97, 182
S Sachkompetenz 244 Sachleistung Substituierbarkeit 53 Sammelfahrzeug 228 Sammeln 339 Sammeltechnik 226 Sammlung 220, 222f., 225ff. Satellitenmobilfunksystem 332 Satellitensystem 330 Sättigungsphänomen 40 Schienengüterverkehr 267, 278, 314, 334 Schienennetz 157, 324, 335 Schienenverkehr 164, 228, 278, 311, 313, 318, 324 Schifffahrt Küsten- 269, 320 Linien- 154, 320 Rhein- 321 See- 154, 269, 277, 279, 319f., 322f., 327 Tramp- 154 Schifffahrtskonferenz 319 Schiffsmakler 280
Schiffsverkehr 268 Schiffswahl 155 Schnittstelle 27, 44, 57, 63f. 1. Ordnung 282 2. Ordnung 282 3. Ordnung 282 Gestaltung 63 in logistischen Ketten 57 interorganisatorische 282 logistische 280 manuelle 84 technische 132 unternehmensinterne 282 unternehmensübergreifende 282 Schnittstellenaufgabe 62, 251, 254 Schnittstelleneffekt 310 Schüttgut 124 Schutzfunktion 37, 135, 140, 224 Seefrachtrate 154 Seehafen 320, 326 Seeschiff 154, 159, 176 Seeschifffahrt 154, 269, 277, 279, 319f., 322f., 327 Seeverkehr 176, 318, 338 Sekundärbedarf 92f., 175 sekundäres Element 255 Sekundärleistung 34 Sekundärrohstoff 219 Selbstabholung 39, 199 Selbstabstimmung 245 Selbsteintritt der Spedition 272 Selektive Lagerhaltung 106 Sendungsverfolgungssystem 330 Senke 5, 219 Sensitivity Training 253 Serienfertigung 187 Service 18 Hypothese zur Bedeutung 58 Liefer- 34 Versorgungs- 33 Serviceangebot Bedingung 256 Servicedenken 29, 32, 34, 182, 222, 337 Servicefunktion (Brown'sche) 104 Servicekomponente 34f., 39, 103, 222, 260, 262 Serviceniveau Auswirkung auf den Gewinn 41 in verschiedenen Ländern 344 Serviceniveaukosten 30, 182 Sicherheit 13, 101, 103, 224, 279, 300, 310
Sachverzeichnis Sicherheitsbestand 90, 97ff., 110 als Funktion der Wiederbeschaffungszeit 98 Einflussfaktor 98 Möglichkeit zur Bestimmung 97 Sicherheitsfaktor 102ff. Sicherheitsvorschrift 153 Sicherungsfunktion 190, 192, 223 Signieren 8, 140 Signierungsprozess 8 Single Sourcing 179 SME 227 SMT 227 Softwaretechnologie 43 Sortenfertigung 187 Sortierfunktion 192 Sortimentierung 7 soziale und ökologische Dimension 41 sozialpolitisches Ziel 313 Spartenorganisation 242 Spediteur 35, 88, 233, 271, 285 Spedition 271 Speditionspyramide 273 Speicherprozess 5 Spekulation 89 Stab 241, 244 Stabsaufgabe 244 Standardisierung 315 Datensatz und Dokument 86 Grenze 86 Standortentscheidung innerbetriebliche 195 Standortplanung innerbetriebliche 184, 190 Standortwahl Einflussfaktor 116 interlokale 116 lokale 116 Stapelbetrieb 79 stateless enterprise 352 Stellflächenmodul 147 STEP 328 Stetigförderer 128 Steuereinfluss 362 Steuergesetz 362 Stillstandskosten 212 Stillstandszeit 157, 214 stochastische oder verbrauchsgebundene Bedarfsermittlung 94 Störungspuffer 192 Straße 157, 159, 228, 275, 290, 316ff., 325f., 334, 339, 341
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Straßengüterverkehr 153f., 263f., 266f., 311 Straßenverkehr 57, 228, 287, 313, 320, 325, 333 Straßenverkehrsgenossenschaft 287 strategische Allianz 279 strategisches Netzwerk 297 Streckenverkehr 152 strukturelle Bedingung 291 Strukturtyp 249 Stückgut 124f., 309 Stückgutbahnhof 324 Stückliste 93 subjektive Schätzung 94 Substituierbarkeit 53, 55, 58 Substituierbarkeit der Sachleistungen 53 Substitutionsfunktion 194 Subsystem phasenspezifisches 16, 165, 169, 282 verrichtungsspezifisches 18, 69, 74, 169, 171, 174, 191, 215, 222, 342 Subsystemkosten 30 Sucheigenschaft 258f. Sukzessivlieferungsvertrag 177 Supply Chain 12, 48, 52, 62, 171, 231, 286, 293, 295f., 317, 357 Supply Chain Management 12, 52, 62, 286, 295, 296 System internationales 15 intraorganisatorisches 15 kombiniertes 227 makrologistisches 14, 300, 307ff., 317 mehrstufiges 6f. metalogistisches 15 Systemanbieter 218, 265 logistischer 265 Systemansatz 26, 28 Systemdenken 25, 27ff., 42, 45, 87, 171f., 181, 200, 221, 233, 256f., 280, 337 Leistungsfähigkeit 27 Prozessinterdependenz 28 Ressourceninterdependenz 28 Systeminput 18, 29 Systemmülleimer 227 Systemoutput 18, 29 Systemwechselpunkt 275
T tarifäres Handelshemmnis 343 Tarifzwang 312
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Sachverzeichnis
Task Force 245f. technischer Fortschritt 41, 58, 181 technisch-wirtschaftliches Denken 41 technologische Dimension 39 Teileverwendungsnachweis 93 Teilsystem 17, 28ff., 49 Tensororganisation 251 Terminal 160, 318, 326f. Termintreue 35 Tertiärbedarf 92, 94 Third Party Logistics Service Provider 272 Tracking & Tracing 83 Traglufthallenlager 127 Trailerzug 162 Trampschifffahrt 154 Transferpreis 362 Transferprozess 309 Transferstraße 185 Transformationsprozess 4 Transfracht 164f. transit inventory 302 Transitsystem 348 Transport 149, 191, 217, 224 Aufgabe 150 außerbetrieblicher 119 Definition 149 Funktion 150 innerbetrieblicher 119 Transportauftrag 197 Transportelastizität 310, 335 Transportfunktion 57, 136 Transportgeschwindigkeit 156 Transportgewerbegebiet 274 Transportgut 149f., 191 Transportieren 8, 293, 337 Transportintensität 183, 190f. Transportkette 73, 136, 142f., 147, 151, 159 Aufbau 149, 151f. eingliedrig 151 interorganisatorische Schnittstelle 282 mehrgliedrig 151 Phase 151f. Transportkostenvergleich 114 Transportmittel 28, 36, 57, 99f., 112, 119, 128f., 149ff., 154ff., 164, 172, 191f., 197, 214, 228, 264, 266, 273, 310, 338, 348f. Transportmittelveredelung 58 Transportproblem 150f. Transportprozess 149ff.
Transportsystem 58, 149, 160, 162, 191f., 197 bimodales 162 Gestaltung des innerbetrieblichen 191 Transportunternehmen 56f., 157, 163, 259, 265ff., 273, 289, 342 Transportverpackung 140, 147 Transportversicherung 177 Transportzeit 156f., 159, 348, 356 Transpotel 330 Trennung 119, 121f., 225ff., 248, 267, 308 Triade-Strategie 352 Trucking 268, 270 Trust Centern 329 Trusted Third Party 329
U überbetriebliche Kooperation 286ff. Überbrückungsfunktion 201 ULD 145f. Umlagerungsvorgang 121 Umlaufbestand 99 Umlaufregal 128 Umleerverfahren 227 Umsatzkonzentration 107, 108 Umschlagen 8, 275, 293 Umschlagsfunktion 150 Umschlagslager 112, 194, 224, 348, 349 Umschlagsplatz 160, 316 Umschlagsprozess 10, 120, 192, 225, 318 Umschlagsunternehmen 271 Umschlagsverfahren 162f. horizontales 162 vertikales 163 Umschlagsvorgang 134, 192, 224 Umverpackung 140 umweltpolitisches Ziel 313 Umweltschutz 221 Umweltvariable 259 Unabhängigkeit 248, 297, 302 Unctad-Kodex 320 ungebrochener Verkehr 151 Unit Load Device 145 Unitization 141 Unit-Load-Konzept 141 Unpaarigkeit der Verkehrsströme 263 Unsicherheit 46, 48, 89, 94, 300 Unstetigförderer 128 Unterbrechungspunkt 7 Unternehmen Beziehungsgefüge 282, 284 fokales 297
Sachverzeichnis öffentliches 277 virtuelles 297 Unternehmensforschung 65 Unternehmenslogistik 16, 18, 27, 180 Unternehmensnetzwerk 295, 297 operatives 298 regionales 298 strategisches 297 Untersuchung empirische 53, 55 Unterwegsbestand 91, 179, 192 utilitaristische Bedingung 291
V Value Added Service 357 VDA-KLT-System 196 Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs 62 Verbrauchsstruktur 106 Verdichtungseinrichtung 228 Vereinheitlichung 144, 152f., 322 Vereinigung 26 Verflechtung 267, 277, 283, 295, 337 Verfügbarkeit 22 eines Gutes 22 Verfügungsrecht 22 Verkaufsförderung 135, 206f., 248 Verkaufsverpackung 140 Verkehr gewerblicher 268 kombinierter 160 ungebrochener 151 verkehrliches Ziel 314 Verkehrsaffinität 310 Verkehrsaufkommen Prognose 334 Verkehrsbetriebslehre 64, 263 Verkehrsinfarkt 333 Verkehrsknoten 313, 317ff. Verkehrskollaps 333 Verkehrsleistung 225, 276, 321f., 333ff. Verkehrsmarkt Entwicklung 57f. Verkehrsnetz Kombination 319, 326 Verkehrspolitik 314, 332, 334 verkehrspolitische Maßnahme 312 Verkehrsträgerentwicklung 310 Verkehrsweg 256, 313, 315ff., 325, 334ff. Verkehrswertigkeit 310 Verkehrswirtschaft 260, 264f., 288, 311ff. Verlader 16, 256, 259ff., 268, 271f., 286, 292f.
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Vermittler 271, 273 Verpacken 8, 134, 139f. Verpackung 134, 195, 216, 224 Anforderung 137 Aufgabe 137 Definition 134 Einflussfaktor 139 Funktion 134 Gestaltung 137 Logistikfunktion 135 modularer Aufbau 147 Verpackungsart 139ff. Verpackungsaufgabe 119, 137, 271 Verpackungsmodul 147 Verpackungsprozess 134, 138ff. Verpackungssystem 134, 137, 139, 147 Verpackungsteam 137 Verpackungsunternehmen 16, 270ff. Verpackungsverordnung 140 Verrechnungspreis 348f., 362 Verrichtungsprinzip 184 verrichtungsspezifisches Subsystem 191, 215, 222 verrichtungsspezifisches Subsystem Lagerhaltung 174 Versand 72, 77, 119, 159, 181, 273, 288 Versanddisposition 77, 158 Versandpapier 76f., 177 Verschieberegal 128 Versender 34, 45, 176f., 256, 270, 324 Versorgung Gesamtaufgabe 170, 174 Versorgungslogistik 17, 221, 223f. Versorgungsniveaukosten 172 Versorgungsservice 18, 30, 33f., 58f., 172, 194, 302 Versorgungssystem physisches 17 Verteilungslager 112f., 224 vertikale Kommunikation 329 vertikale Kooperation 290, 293 vertikales Umschlagsverfahren 163 Vertrauenseigenschaft 258f. Verwendungsfunktion 135 vier R 12 virtuelles Unternehmen 297 Volumengewicht 159 Volumen-Gewichts-Frachtraten 155 Volumen-pro-Auftrag-Index 122 Von-Nach-Matrix 183 vorauseilender Informationsfluss 73, 223 Vorfakturierung 77
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Sachverzeichnis
Vorkombination 24 Vorlauf 152, 164 Vorratsergänzung 90f., 95, 97f., 175 Vorratslager 112, 116, 194, 224 Vorratssicherung 90, 97f.
W Wagenladungsverkehr 114, 158, 324 Währungseinfluss 361 Warenausgang 118ff. Wareneingang 117ff. Warenfluss 33 Warenflusssteuerung 58 Warenfunktion 201 Warenprozesssystem 69 Warenverteilzentrum 274 Warenwirtschaftssystem 69 Wechselaufbauten 145f., 162f. Wechselbehälter 145, 149, 227 Wechselkursrisiko 361 Wechselpunkt 275 Wechselverfahren 227 Wegerechnungsproblem 316 Wegsicherungsfunktion 150 Werbekampagne 206 Werkschifffahrtsbetrieb 268 Werksreederei 268 Werkstattfertigung 184f., 190f., 195 Werkverkehr 153f., 266ff., 277, 335 Wertart 20 Wertkette 22, 200, 345f., 351 wertorientiertes Denken 20 Wertschöpfung 21, 22 Dienstleistungscharakter 24 Wertschöpfungsaktivität 345, 352 logistische 24 Wertschöpfungsdenken 22 Wettbewerb 53, 302 intermodaler 313 intramodaler 314 Wettbewerbsverzerrung 316 Wettbewerbsvorteil 53, 154, 157, 222, 345 Wiederbeschaffungszeit 90, 97ff., 189, 338
Wiederbeschaffungszeitüberziehung 98 Wiederholungskauf modifizierter 259 reiner 259
Z Zahlungsbedingung 358f., 361 Zahlungsfluss 210, 295, 359 Zeilenlagerung 124 Zeit Dimension 26 Zeitstabilitätshypothese 94 Zentralbereich 248, 252 zentrale Produktion 309 Zentralisation 111, 244f., 309, 345 Zentrallager 70, 95, 112, 208f., 338, 357 Zentrenfertigung 184, 186, 188, 191, 195 Ziel 285 gesamtwirtschaftliches 307, 312 nichtverkehrliches 307, 313 sozialpolitisches 313 umweltpolitisches 313 verkehrliches 314 Zielgrößenentwicklung 46 Zielkonflikt 30, 39, 232f., 285, 313, 343 innerhalb der Organisationseinheit 233 zwischen Organisationseinheiten 232f. Zollaufschublager 349 Zollgutlager 349 Zugabenverordnung 139 Zugriffshäufigkeit 121f. Zuliefernetzwerk 297 Zulieferungslager 17, 113 Zusammenarbeit gewerbepolitische 288 gewerbewirtschaftliche 287 Zweitregister 320 zwischenbetrieblich 181, 286 zwischenbetriebliche Kooperation 286, 288 zwischenbetriebliche Logistik 16, 181 Zwischenlager 190, 193, 224 zwischenwerkliche Logistik 181