Rolf Ulrici K¨ apt’n Konny und seine Freunde suchen das Geisterschiff
Wieder ein Geisterschiff ? K¨ apt’n Konny wartet...
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Rolf Ulrici K¨ apt’n Konny und seine Freunde suchen das Geisterschiff
Wieder ein Geisterschiff ? K¨ apt’n Konny wartet auf die Freunde · Schlechte Laune ist verboten · Draußen treibt ein Geisterschiff · Der Vogelschutzwart hat Geburtstag · J¨ orn f¨ allt die Schokoladentorte aufs Pflaster K¨apt’n Konny, Doktor Brinkmanns Junge aus der Seestadt Hollekrug, hat viele Freunde. Aber nur drei, die zur st¨andigen Mannschaft seines Segelbootes Dixi“ geh¨oren. Da ist erst mal der starke, breitschultrige J¨orn — sein ” Vater ist der Spediteur L¨ uttjohann. Allerdings steht J¨orn am liebsten in der Bordk¨ uche vor Teekessel, Kochtopf und Pfanne. J¨orn ist n¨amlich der Smutje, der Schiffskoch. Wenn K¨apt’n Konny am Steuer sitzt und Himmel, Wasser, Wind und Segelstellung beobachtet, h¨angt der Dicke mit seinem Mondgesicht in der Freßnische“ unter Deck. ” Ralf und Rolf, die Zwillingss¨ohne des Hollekruger G¨artnereibesitzers, sind nat¨ urlich besonders verw¨ohnt, was das Anrichten von Gem¨ use betrifft. Und mit Konny zusammen staunen sie immer wieder, was der Dickus aus so einfachen Dingen wie M¨ohren, Sellerie und Spinat machen kann. Die roten R¨ uben, zum Beispiel, platscht er nicht so einfach als Salat auf die Teller — oder reicht sie gekocht, daß sie wie verweinter Rotkohl schmecken. Nein, er w¨ascht die R¨ ubenknollen fast liebevoll, h¨ohlt sie vorsichtig aus, f¨ ullt sie mit harten Eiern, Sardellen, Kapern und Kr¨autern und d¨ unstet sie ¨ in Essig und Ol. Und den Spinat vermengt er sogar mit Schlagsahne. Darin sind sich alle einig: Zwischen Flensburg und L¨ ubeck gibt es keinen 1
besseren Schiffskoch als den J¨orn. Leider kann Rolf das zur Zeit nur aus weiter Ferne best¨atigen. Der Zwillingsbruder von Ralf ist f¨ ur einige Monate einer Zwillingsschwester“ gewi” chen: Der Katja aus Kenia, Afrika. Diese Zwillingsschwester“ ist in Wahrheit eine Kusine der G¨artnerzwil” linge. Katjas Vater arbeitet in Kenia als Landwirtschaftsfachmann. Rolf soll bei ihm einiges lernen, vor allem die verschiedenen Arten Land zu bew¨assern. Nun, und zum Austausch ist Katja nach Hollekrug gekommen. So sehr K¨apt’n Konny, J¨orn und Ralf den Zwilling Rolf vermissen, so rasch haben sie sich an die dunkelhaarige, sportliche Katja gew¨ohnt. Katja ist einfach an Bord der Dixi“ gegangen — wie ein angeheuerter Matrose, ” der f¨ ur einen anderen einspringt. Angst ist ihr fremd. In Afrika hat sie gef¨ahrliche Safaris mitgemacht. Reifenwechsel an einem Gel¨andewagen in gl¨ uhender Sonne — na, da konnte sie nicht so einfach dabeistehen. Auch schießen hat sie lernen m¨ ussen. Einem tobs¨ uchtigen Elefantenbullen ist sie einmal nur knapp entkommen. Sogar im Indischen Ozean hat sie gebadet und ist mit Schnorchel, Taucherbrille und Harpune getaucht. Trotzdem erkannte sie an Bord der Dixi bald, was manche Einheimische und vor allem viele Sommerg¨aste nie begreifen: Nicht nur die großen Weltmeere sind gef¨ahrlich, auch die Ostsee, die auf der Landkarte so klein wirkt, hat ihre T¨ ucken. Im Sturm, bei geringer Sicht, ist sogar die Hollekruger Bucht ein Hexen” kessel ohne Rand“. Katja weiß, wie man sich auf einem Segelboot benehmen muß. Aufpassen“, lautet die Grundregel, aufpassen“, aufpassen!“ ” ” ” Das braucht ihr K¨apt’n Konny nicht mehr zu sagen; auch nicht, daß jedes Crew-Mitglied (crew = sprich kruh, nennen die Segler die Besatzung eines Bootes), die Anweisungen des Schiffers“ befolgen muß, damit sich ein ” Segelboot bei Gefahr nicht benimmt wie ein verr¨ ucktes Klavier. Dagegen haben Konny, Ralf und J¨orn von Katja ebenfalls was gelernt. Und zwar nichts Unwichtiges: Auf einem Boot darf niemand schlechte Laune haben. Zwar ist das klarer als Wasser, doch das haben der junge K¨apt’n und seine ¨ Mannschaft sich eigentlich nie so recht u kann Unheil bringen. ¨berlegt. Arger Na, gewiß: Nimm an, ihr habt schlechtes Segelwetter: hohe See und harter Wind. Das Boot spielt Maulesel“. Es bockt. ” Da f¨allt einem von euch ein teures Fernglas u ¨ber Bord — oder eine Film2
kamera. Jetzt f¨angt er an, sich zu a¨rgern: W¨ar ich doch bloß zu Hause ” geblieben! Hat mich meine Tante mit ’m K¨ uchenmesser gepiekt, daß ich mit auf diesen dummen Kahn gekommen bin?“ Die anderen werden w¨ utend. Einer schreit: Warum hast du denn dein ganzes Kino an Bord gebracht?“ ” Und wieder einer: Schadet dir gar nichts!“ ” So geht das rund“. Die Segelman¨over werden nur noch schlampig und ” nicht rechtzeitig ausgef¨ uhrt und — rumms, ist es passiert: Das Segelboot ist gegen ein großes Schiff geprallt, eines, vor dem es sich ausnimmt wie eine Erbse vor einer Bratsch¨ ussel. Was dann folgt, nennt der Seemann nicht Wassertrinken“ sondern Absaufen“. Kein sch¨ones Wort — aber auch keine ” ” sch¨one Sache. Also: Wer keine rechte Lust zum Segeln hat, der soll gar nicht erst mitkommen. Wer wertvolle Sachen an Bord bringt, muß damit rechnen, sie zu verlieren. Im Sturm gilt f¨ ur den Schiffer nichts anderes als die Sicherheit der Crew und des Bootes. Mag der Siegespokal von der letzten Regatta getrost zu den Fischen gehen. Der soll ja sowieso zu Hause auf dem B¨ ucherbord bleiben. Das hat Katja den Jungen beigebracht. Ihr mahnendes Zankt euch ” nicht!“ wird von jedem befolgt. Na, Konny“, sagt Frau Brinkmann. Sie hat ihren weißen Kittel an, denn ” sie hilft dem Vater in der Arztpraxis. Der Fr¨ uhst¨ uckstisch ist ja noch aufge” takelt? Willst du mit dem Tisch samt Marmelade und Kaffeem¨ utze auf der Terrasse herumsegeln? Bei dem Ferienwetter?“ Nee“, erwidert K¨apt’n Konny seelenruhig. Ich warte auf meine Freun” ” de, dann geht’s gleich los. Aber erst mit den R¨adern. Der Vogelschutzwart hat heute Geburtstag. J¨orn will ihm eine selbstgebackene Schokoladentorte bringen, und die ist wohl noch nicht ganz fertig“. Hoffentlich kommt er mit der Verzierung zurecht“, lacht Frau Brinkmann. ” Sonst k¨onntest du lange warten. Und was willst du Herrn Utpaddel schen” ken?“ (Herr Utpaddel ist das stoppelb¨artige Geburtstagskind.) Eine Tabaksdose“, sagt Konny. Ralf bringt ihm den Tabak dazu. Und ” ” außerdem Draht f¨ ur sein G¨artchen. Katja hat ’n paar Taschent¨ ucher gekauft, aber keine feinen, sondern eher solche wie Fußlappen. Die hat er sich extra gew¨ unscht“. 3
Frau Brinkmann gießt Konny noch etwas Kaffee ein — mit viel Milch -, dann geht sie wieder ins Haus. Wir m¨ ussen Herrn Utpaddel nat¨ urlich auch gratulieren“, sagt sie u ¨ber ” die Schulter. Hm“, brummt Konny, w¨ahrend er Honig auf eine Br¨otchenh¨alfte tr¨aufelt. ” Eben weil nachmittags und abends so viele G¨aste beim Vogelschutzwart sein werden, will er mit seiner Crew schon fr¨ uher hin. Der alte Utpaddel oder wie sie hier sagen, Oll’ Utpaddel, ist ein hilfreicher Freund. Man kann ihm ruhig seine Sorgen anvertrauen, er weiß sicher einen Rat. Aber heute werden nicht nur muntere V¨ogel zum Vogelschutzwart kommen, sondern auch griesgr¨amige alte Raben wie der letzte Kutscher von Hollekrug und diebische Elstern wie Frau Wohse, die mal Leuchtturmw¨arterin in Utenhagen war. Die kann’s nicht lassen, mit ihren Augen rumzublitzen und sich heimlich ein St¨ uck Kuchen in die Handtasche zu stecken. Und der Kutscher rollt sich immerfort den Bart um seinen Mittelfinger (einen Zeigefinger hat er nicht mehr), und er sagt stundenlang nichts weiter als: So is’ ” dat, Utpaddel. Tschawull, so is’ dat. So, un’ nich’ anners“. Das ist langweilige Musik! Auf die kann man verzichten. Nun k¨onnten die Freunde bald kommen! Konny r¨aumt den Tisch ab. Dann zurrt er sein Gep¨ack auf dem Fahrrad zurecht. He, K¨apt’n!“ ert¨ont ein dreistimmiges Geschrei von der Straßenseite her ” und Fahrradglocken klingeln. Wau, wau, wau! bellt ein Hund. Das ist Peggy, der Pudel. Eigentlich geh¨ort er Ralf. Aber wie so ’n eigenwilliger, struppiger Land- und Seehund nun mal ist, hat er die Besitzverh¨altnisse ge¨andert: Kaum sah er Katja, als Ralf bei ihm schon abgemeldet war. Peggy betrachtet sich als Katjas Tier — und nur auf ihrem Rad l¨aßt er sich im Korb auf dem Gep¨ackst¨ander durch die Gegend schaukeln. Konny ist schon im Sattel. Als er ums Haus herumkommt, sieht er die Freunde auf dem Garagenplatz kreuz und quer und im Kreise strampeln. Der Pudel bellt und bellt. ¨ ihr da Ringelpietz?“ Was ist denn das f¨ ur ’ne Nummer?“ ruft Konny. Ubt ” ” Katja und Ralf in ihren langen weißen Hosen mit den luftigen gelben Pullihemden erinnern an flatternde Zitronenfalter. Und der dicke J¨orn in seiner schreiend-bunt gew¨ urfelten Bluse balanciert einen braunen M¨ uhlstein, als w¨ urde er daf¨ ur bezahlt. Es ist die Schokoladentorte, sein Geschenk f¨ ur 4
Oll’ Utpaddel. Wau, jau, hau! bellt der Pudel. Er legt ein paar Gesangst¨one ein, weil ihn Konnys Anblick erfreut. Eins ist sofort klar, denn Konny hat seine Nase nicht erst seit gestern: Die Freunde sind aufgeregt, schrecklich aufgeregt. Selbstverst¨andlich nicht u ¨ber Oll’ Utpaddels Geburtstag. Ein Geisterschiff treibt auf See!“ schreit Ralf. Quatsch!“ sagt Konny. ” ” Wieder was mit Geistern, ja? So viele Geister kann es gar nicht geben, wie ” die Leute Geisterschiffe sehen!“ Er radelt jetzt mit den anderen durcheinander, immer auf dem Vorplatz. Es ist wie eine Unterhaltung auf einer Drehscheibe. Nein“, sagt J¨orn, mit der Torte an Konny vorbeikurvend. Die Testa di ” ” ’ Catalina‘ ist heut morgen in Hollekrug eingelaufen“. Wer?“ Konny macht vor dem Garagentor einen Bogen. Ein italieni” ” scher Frachter!“ ruft Katja, samt Pudel in gef¨ahrlicher Schr¨aglage. Ihre rechte ¨ von Fehmarn ist der Kapit¨an Schuhsohle rutscht u ¨ber das Pflaster: Ostlich ” zusammengebrochen, weil er das Geisterschiff gesehen hat!“ Einer von unseren Lastwagenfahrern brachte die Nachricht heut morgen ” aus dem Hafen“, erkl¨art J¨orn. Dabei schwenkt er die Torte, als sei diese merkw¨ urdige Nachricht darin verborgen. Ralf und Katja riefen mich an, ob ” ich fertig w¨ar — da hab ich’s ihnen erz¨ahlt“. Und ich hab eben noch bei Kapit¨an St¨ ulpnagel im Hafenamt antelefo” niert“, berichtet Ralf. Na, und weiter?“ fragt Konny. Er macht einen Schlenker zur Straße hin, ” wendet und strampelt haarscharf zwischen Katja und J¨orn hindurch. Der Hafenkapit¨an war w¨ utend. Ihr wißt auch immer alles schneller als ” ’ die Fische und die M¨owen‘, hat er geraunzt“, erz¨ahlt Ralf, das Vorderrad in die H¨ohe ziehend wie ein Cowboy sein Pferd. Aber er mußte es zugeben: ” Der Italiener hat es gemeldet“. Und wir sollen uns von dem Frachter fernhalten?“ vermutet Konny. ” Klar!“ sagt Ralf. Seine Stimme bebt vor Entt¨auschung. Nichts wird ei” ” nem geg¨onnt!“ Nichts!“ brummt J¨orn. ” Platsch — macht die Torte! Da liegt J¨orns sch¨ones Kunstwerk! Die gewaltige Schokoladentorte, drei Stockwerke hoch, ist auf dem Beton gelandet — mit dem Boden auf dem 5
Boden — so daß man in Sahneschrift noch lesen kann: F¨ ur Oll’ Utpaddel“. ” Nun w¨are ja alles noch nicht so schlimm, denn die Folie ist nur ein wenig aufgeplatzt und die Torte ein bißchen niedriger (daf¨ ur aber breiter) geworden. Nein, es w¨are nicht allzu schlimm, wenn Katja rechtzeitig bremsen k¨onnte. Aber mit einem Geisterschiff im Kopf, einem Pudel im R¨ ucken und einem Haufen Backware vor sich, schaltet man nicht gleich. Besonders, wenn man so eine Radfahr-Artistik macht. Ihr Vorderrad schneidet die Torte mittendurch. Nicht doch!“ heult J¨orn fassungslos auf. ” Das Geisterschiff“ ist vergessen. ” Im ersten Schreck schliddert Katja sogar noch mit dem linken Schuh durch die Konditormasse. Dann lehnen alle Fahrr¨ader am Garagentor. Nur der verstummte Pudel hockt noch hinter Katjas Sattel. Er guckt so schuldbewußt, als h¨atte er das M¨adchen aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Freunde beugen sich u ur Oll’ ¨ber das, was einmal J¨orns Geschenk f¨ Utpaddel hat sein sollen. Die stolze Schokoladentorte — jetzt nur noch eine Schaufel Umweltschmutz“, einfach da so auf dem Pflaster. ” Wie — wie kam denn das?“ murmelt Ralf. ” Dreimal darfst du raten!“ schnauft der Dickus. Die Torte hat Fliegende ” ” ’ Untertasse‘ gespielt und ist hart gelandet. Und dann ist das Bodenpersonal Katja und Peggy u ubergefahren“. ¨ber den Flugk¨orper dar¨ Er schnauft wieder und f¨ ugt hinzu: Die feinen Zutaten! Kakao, Rosen” mehl, geraspelte Schokolade, Rum-Pralinen, Milch, Buttercreme und Obstgelee, immer abwechselnd schichtweise, ’n Rand aus Mandeln, Zuckerguß — und die Aufschrift aus Schlagsahne“.
F¨ ur Oll’ Utpaddel!“ haucht Konny. Aber das reimt er sich nur noch zu” 6
sammen. F¨ ur Oll‘ ist ganz zermanscht, und Utpaddel‘ liegt als kaum lesbare ’ ’ weiße Schlange auf einem getrennten Haufen. Kurz entschlossen hebt Katja den Pudel aus dem Korb. Hat ja keinen ” Zweck, die Torte in die Reinigung zu bringen“, sagt sie energisch. Soll Peggy ” was davon haben. Wir denken uns schnell ein neues Geschenk f¨ ur Herrn Utpaddel aus!“ Ja, das w¨are sch¨on, wenn man sich Geschenke einfach nur so auszudenken brauchte — ohne Geld! Ich hab ’ne Tabaksdose f¨ ur ihn im Gep¨ack“, erkl¨art Konny. ” Und ich den Tabak dazu“, sagt Ralf. Marke Lord Douglas‘, Kr¨ ullschnitt. ” ” ’ Goldfarbene und schwarzbraune Fusseln gemischt. Duftet wie Trockenobst. Hab mal dran gerochen“. Dann riech mal an meinem Geldbeutel“, sagt Katja. Da sind noch gan” ” ze sechzig Pfennig drin. Die Taschent¨ ucher f¨ ur Herrn Utpaddel waren ziemlich teuer. Na, Kunstst¨ uck: Jedes so groß wie ’n Kopfkissenbezug. Außerdem brauchte ich ein neues Halsband f¨ ur Peggy; ich hab eins mit Blechauflage und eingestanzter Adresse machen lassen“. Blech! Kannste gleich Rost‘ sagen“, grinst Konny. Rost!“ Der Dicke ist ” ’ ” verzweifelt. Wenn schon was rostet, dann sind wir’s! Ja! Wir stehen hier ” herum und setzen Rost an!“ Außer dem Hund“, sagte Ralf. ” Der Pudel feiert auf dem Pflaster Oll’ Utpaddels Geburtstag. Er schmatzt sich laut und gen¨ ußlich durch den Tortenmatsch durch. Es scheint: Auf diese Weise zollt er J¨orns Backk¨ unsten h¨ochstes Lob. Aber was nutzt das dem Vogelschutzwart? Noch ist nichts verloren“, tr¨ostet Konny. Sieh mal, Dickus, du hast doch ” ” die Segelkasse. Dann kaufen wir eben weniger Fahrtenproviant ein und sparen uns wohl oder u ¨bel einen Tag und ’ne Nacht auf dem Wasser. Statt heute mittag fahren wir morgen mittag los!“ Ja?“ fragt J¨orn mit Augen, die nun beinahe so groß sind, wie es seine ” Torte gewesen ist. Hast du vergessen, daß all unser Freßzeug bereits seit ” gestern abend auf dem Boot ist? Von Nudelpaketen u ¨ber Dosenblutwurst bis zum Kakaopulver und vierzig Flaschen Limo hab ich Proviant f¨ ur die Ausfahrt gestaut. Und zwar von unserem gemeinsamen Taschengeld! Der Rest ist f¨ ur die Geburtstagsgeschenke draufgegangen, und den Notgroschen f¨ ur unseren Segelt¨orn kriegen wir immer erst kurz vorm Anbordgehen!“ 7
Das heißt: Ebbe und Flaute auf der ganzen Linie. Aber ich hab noch die Drahtrolle“, erinnerte sich Ralf, auf seinen Gep¨ack” st¨ander blickend. Die kannst du Utpaddel schenken. Von mir hat er genug ” Tabak bekommen!“ Nein, das geht J¨orn gegen seinen Koch- und B¨ackerstolz. Draht kann Oll’ ” Utpaddel nicht essen“, murrt er. Und außerdem, u ¨berlegt mal — wie gierig ” solche rauhen M¨anner auf was S¨ ußes sind!“ Stimmt“. nickt Konny. ” Das ist eine alte Erfahrung. M¨anner, die ihr Leben lang auf See oder an der K¨ uste verbracht haben, lieben nicht nur Fisch, Gans, Hammel- oder Schweinebraten. Zwar trinken sie lieber einen harten Schnaps als einen klebrigen Zuckerlik¨or, und f¨ ur Himbeermarmelade sind sie auch nicht gerade zu haben — aber der Kuchen hat’s ihnen angetan. Es muß mit dem Salzgehalt der Luft zusammenh¨angen, mit allen m¨oglichen seebedingten Einfl¨ ussen, die auf den menschlichen Organismus einwirken. Es ist erwiesen, daß der B¨acker auf einem Hochseeschiff beinahe wichtiger ist als der Soßenkoch, und daß die ganze Mannschaft — vom Kapit¨an bis zum Schiffsjungen — stundenlang schlechter Laune sein kann, wenn dem B¨acker morgens die Br¨otchen zu hart oder zu pappig geraten sind. Nun, und erst recht eine Schokoladentorte — die l¨aßt so leicht kein Waterkanter“ aus, ” mag er eben noch ein kr¨aftiges St¨ uck Kautabak im Mund gehabt haben. J¨orn hat recht. Seine Riesentorte w¨are das Prunkst¨ uck gewesen. Das haben Peggys Artgenossen offenbar schon von weitem gerochen. Denn pl¨otzlich wimmelt es von kleinen und großen Vierbeinern, die sich an der unverhofften Mahlzeit beteiligen. Sie feiern allesamt Oll’ Utpaddels Geburtstag und lecken sogar das Pflaster ab, bis es blank ist. Katja hebt den bellenden Pudel wieder in den Korb. Warte mal, J¨orn“, f¨allt Konny ein. Ich sprech mit meiner Mutter, laß ” ” mir ein paar Gl¨aser Eingemachtes geben, und du sagst, das stammt von dir!“ Ich bin kein Apfelbaum, der sich mit fremden Pflaumen beh¨angt“, ” brummt der Dicke. Doch er willigt ein.
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Die Geburtstagsfeier J¨ orn will vor Wut Masern kriegen · Die Freunde radeln in den Wald · Der Hafenkapit¨ an kommt · Wir suchen das Geisterschiff“, ” sagt Ralf J¨orn balanciert keine Schokoladentorte mehr. Daf¨ ur hockt der vollgefressene Pudel um so zufriedener in Katjas Korb. Wenn der reden k¨onnte“, lacht Konny, als sie losradeln. Ich f¨ urchte, Oll’ ” ” Utpaddel merkt auch so, daß Peggy schon Geburtstag gefeiert hat“, meint Ralf. Das Biest leckt sich dauernd die Schnauze“. ” Ich fahr nach Haus und krieg die Masern“, mault J¨orn. Wenn ich denke, ” ” wie lange ich an der Torte gebastelt habe!“ An der Lenkstange seines Rades h¨angt jetzt eine Einkaufstasche mit Gelee-, Marmelade- und Kompottgl¨asern. ¨ Uber das Zeug darf ich nicht r¨ uberrollen, falls du’s verlierst“, sagt Katja. ” Von den Scherben w¨ urd ich einen sch¨onen Platten kriegen!“ ” ’n Platten hast du l¨angst — n¨amlich in deinem Kopf“, behauptet der ” Dicke. Sonst h¨attest du vorhin rechtzeitig gebremst. Statt dessen hast du ” mit offenen Augen Blindekuh‘ gespielt!“ ’ Ich will dir mal was sagen“, wehrt sich Katja energisch. Torten stemmt ” ” man nicht in Spiral- und Achterbahnen durch die Gegend wie ein Zirkusclown. Und wenn du mich eine Blindekuh‘-Spielerin nennst, bist du ein ’ Torten-Ochse!“ Das Wort Torten-Ochse“ wirft Konny und Ralf beinahe von den R¨adern. ” Sogar der Smutje muß lachen. Na ja“, gibt er zu. Schuld hatte ich. Eigentlich — ja eigentlich das ” ” Geisterschiff. W¨ar das nicht gewesen, h¨atten wir uns allesamt nicht so t¨ uttelig benommen“. (Mit t¨ uttelig“ meint er aufgeregt“ oder n¨arrisch“.) ” ” ” Lassen wir das erst mal“, schl¨agt Katja vor. Heut vormittag ist Gratula” ” tion bei Utpaddel, und gleich danach beginnt unser Segelt¨orn. Was draußen auf der See los war — oder los ist — erfahren wir noch fr¨ uh genug“. Die vier mit dem Hund radeln aus Hollekrug hinaus, lassen den ausgebauten Diepersand mit dem Chemiewerk Schulte-Phenol“ rechts liegen, ebenso ” die Hollekruger Bucht und deren linke K¨ uste, die hinter dem Badestrand und den Ferienh¨ausern sehr steil ist. Sie u ucke der neuen ¨berqueren die breite Br¨ Umgehungsstraße in Richtung Bad Bodem¨ unde. Hinter dem riesigen Cam9
pingplatz halten sie sich wieder rechts und strampeln dem Vogelschutzgebiet zu. Das liegt auf der nordwestlichen Seite der Bucht und erstreckt sich weiter u unen abw¨arts bis zum M¨owenstrand an der offenen ¨ber die fast kahlen D¨ See. Ein Schild verk¨ undet, daß das Betreten oder Befahren des Sperrgebietes verboten ist. Das Aufforsten des Vogelschutzgebietes hatte die Seestadt wegen der anwachsenden G¨astezahl auf dem Campingplatz vordringlich durchf¨ uhren m¨ ussen. Die G¨aste brachten Geld, und dieses Geld trug dazu bei, Hollekrug zu modernisieren und seine Anlagen zu versch¨onern. Aber die Leute schw¨armten u urstchen an ¨berall hin, lagerten, wo sie wollten, grillten ihre W¨ der Binnenbucht, am Fl¨ ußchen, auf den Platten der Steilk¨ uste, zwischen den Kr¨ uppelkiefern -und sogar im Wald.
Bevor sich der letzte Kolkrabe wie ein St¨ uck Holzkohle vorkam, griff der Stadtdirektor ein. Im Einvernehmen mit der B¨ urgerschaft knapste er dem Erholungsgebiet wenigstens noch ein kleines Paradies ab, in denen Unbefugte“ ” keinen Platz hatten. Eine Schranke — wenn man sie auch ¨offnen konnte — gebot ein deutliches Halt. Konny und seine Freunde aber durften das Gebiet betreten. Doktor Brinkmann hatte f¨ ur das Schutzgebiet einen Teil seines eigenen Gel¨andes hingegeben. Außerdem besitzt er unten auf dem M¨owenstrand ein Sommerhaus, das die DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) und die GzRS (Gesellschaft zur Rettung Schiffbr¨ uchiger) benutzen darf. Doch die Hauptsache: Oll’ Utpaddel, der Vogelschutzwart, geh¨ort zu Konnys Freunden. Fr¨ uher ist er Fischer gewesen, auf dem Fluß, in der Binnen-
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und Außenbucht, auf der Breker F¨orde s¨ ud¨ostlich von Diepersand — und auf dem Bodem¨ under Wiek im Nordwesten. Mag ihm sein Neffe auch geholfen haben — das Fischen lohnte sich nicht mehr. Und da Oll’ Utpaddel nicht nur von Flossen ’ne Menge versteht, sondern auch von Fl¨ ugeln und Vogelfedern, hat man ihn kurzerhand hier zum Vogelk¨onig“ gemacht. ” Im Sommer bewohnt er eine h¨olzerne Diensth¨ utte im Wald- und Buschland, im Winter kann er sich’s in Brinkmanns Klinkerh¨auschen hinter den D¨ unen gem¨ utlich machen. Das ist sturmsicher gebaut, innen gegen jedes Zugl¨ uftchen gesch¨ utzt und neuerdings mit M¨obeln eingerichtet, die Oll’ Utpaddel sonst nur in Schaufenstern gesehen hat. J¨orn lehnt sein Rad gegen einen Baum und hebt die Schranke hoch. Bevor er den Freunden ins Vogelparadies nachfolgt, schließt er sie wieder. Die Kolonne f¨ahrt nicht die schmale, befestigte Straße zum M¨owenstrand hinab, sondern wendet sich landeinw¨arts in den buschigen Wald hinein. Ein Telefondraht verr¨at, wo Oll’ Utpaddels Diensth¨ utte steht. Aber dieser Draht ist auch der einzige amtliche“ Hinweis. Sonst macht das Ganze eher ” einen gem¨ utlichen Eindruck. Das Blockhaus hat einen langen und breiten, u ¨berdachten Vorbau. Und da sitzt Oll’ Utpaddel in seinem Schaukelstuhl und qualmt behaglich vor sich hin. Die vier veranstalten mit ihren Fahrradklingeln ein Begr¨ ußungskonzert, und Peggy winselt vor Freude. Oll’ Utpaddel mag den Pudel. Das sp¨ urt der Hund. Weil er keine Katze ist, darf er Konny und die Freunde ins Vogelschutzgebiet begleiten. Er streunt auch nie herum, sondern sitzt Oll’ Utpaddel ruhig zu F¨ ußen und wartet, daß er gekrault wird oder einen Happen kriegt. Hallo!“ schreit Ralf. ” Die erste Geburtstagswelle rollt!“ ruft Konny. ” Mein Vater kommt abends!“ dr¨ohnt J¨orn -wobei er hofft, daß der Vater ” den Vogelschutzwart nicht danach fragen wird, wie ihm die Torte geschmeckt hat. Oll’ Utpaddel lacht und lacht vor Freude. Er schwenkt die Pfeife und begr¨ ußt die Freunde mit einem Seemannslied: St¨ urmisch die Nacht, und die See geht hoch ” tapfer noch k¨ampft das Schiff..“. Obwohl es doch ein herrlicher Sommertag ist, knapp elf Uhr vormittags 11
-und man die friedliche H¨ utte wahrhaftig nicht mit einem Schiff vergleichen kann. Die G¨aste lehnen die R¨ader an die Schuppenwand. Katja l¨aßt Peggy aus dem Korb. Hast du auch den Tortenheber nicht vergessen, Dickus?“ grinst Ralf. ” Schade, ja. Ich w¨ urde ihn dir jetzt flach auf die Birne knallen“, zischt ” J¨orn. Wehe, ihr sagt was! Ich back Oll’ Utpaddel sowieso ’ne neue Torte!“ ” Wir m¨ ussen dem Geburtstagskind ein St¨andchen bringen“, meint Katja. ” Ein waaas...?“ Ralf kriegt den Mund kaum wieder zu. ” Wir sollen im Chor vor der H¨ utte singen?“ feixt Konny. Ja, wenn Ralf ” ” seine Gitarre mith¨atte. Aber so ist’s doch witzlos!“ Doch schon beginnt J¨orn wie eine kaputte Trompete: Wir winden dir ” den Jungfernkranz aus veilchenblauer Seide..“. Er singt sogar einigermaßen schauerlich Sei-hei-de“, wie er es auf den ” alten Schallplatten zu Hause schon mehrmals geh¨ort hat, wenn seine Tante zu Besuch war. Na, denn windet mal!“ meint lachend Oll’ Utpaddel. Ick b¨ unn nu n¨och ” ” gerrrade ’ne Jungfer, aber veilchenblaue Seide kann ich f¨ urs Kopfkissen gebrauchen!“ Mit ihren Geschenken springen die Freunde die Stufen zum Vorbau hinauf. Am schnellsten und h¨ochsten springt der Pudel, obwohl er nichts mitzubringen hat als die Torte in seinem Bauch. Freudig nimmt der Vogelschutzwart die Geschenke entgegen. Er kann alles brauchen. Ich weiß nich’, ich weiß nich’“, sagt er immer wieder. Womit hebb ick ” ” dat verdeent?“ Er knautscht noch so allerlei Plattdeutsches vor sich hin, das Katja ebensowenig versteht wie der Pudel. W¨ahrend Utpaddel seine enorme, krumme Nase erst in den duftenden Tabak, dann in die leere, innen wunderh¨ ubsch goldfarbene Dose steckt und sich anschließend h¨oflichkeitshalber in eins von Katjas Geschenk-Taschent¨ uchern schneuzt, blickt J¨orn u ber die Br¨ u stung. ¨ Da kommt was!“ meldet er. ” 12
Der Kiek‘!“ schreit Ralf begeistert. Freunde, der hat ’n Auto wie ’ne ” ’ ” gr¨ une Kinderbadewanne auf R¨adern! Und es f¨ahrt sogar! Tats¨achlich, das Ding hat ja auch ’n Lenkrad!“ Krach macht’s, daß gleich alle V¨ogel davon fliegen werden!“ stellt Konny ” grinsend fest. Der Kiek“ ist Utpaddels Neffe — der, mit dem der Alte fr¨ uher immer ” geangelt hat. Jetzt arbeitet der Kiek“ in der Bodem¨ under Fischfabrik. Da ” hat er’s gut. Da bl¨ast ihm kein Wind mehr ins Gesicht, und er bekommt immer p¨ unktlich seinen Lohn. Warum er Kiek“ genannt wird? ”
Tja, das ist eine Sache f¨ ur sich. Auf keinen Fall ist es b¨ose gemeint. Denn der Kiek“ hat ein Herz wie Gold. Nur sieht er oft Dinge, die andere nicht ” sehen — zum Beispiel Piratengesichter in den Wellen (was nat¨ urlich Ungl¨ uck bringt). Oder er sp¨okenkiekt“ sogar, er ahnt etwas Schreckliches, was in der ” Zukunft oder r¨aumlich weit entfernt geschehen soll oder gar gerade passiert. Daß er schon ¨ofter Gespenster gesehen hat, versteht sich von selber. Na, und daher nennt alle Welt ihn den Kiek“. ” Doch das macht dem jungen Menschen nichts aus. Er weiß ja kaum selber noch, wie er mit seinem wirklichen Rufnamen heißt. Als er aussteigt und nicht nur seinen Onkel sieht, strahlt er, als g¨ab’s hier f¨ unffach Geburtstag zu feiern — oder sechsfach, wenn man den Pudel dazurechnet. Hab mir heut Urlaub geben lassen“, berichtet er. Weil du doch Geburts” ” tag hast!“ Dabei gibt er aus Versehen J¨orn die Hand. Doch dann wird er sehr gesch¨aftig. In dem komischen Kleinauto sind seine Geschenke. F¨ ur die hat er lange gespart, und die Freunde helfen ihm beim Ausladen.
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Was da alles zum Vorschein kommt. Ein Katzenfell gegen Oll’ Utpaddels Rheuma. Das will Peggy gleich knurrend davonschleppen. Konny versucht, es dem Biest aus dem Maul zu zerren. Vorsicht!“ ruft Katja. So geht das nicht!“ ” ” Mit einem Kunstgriff stemmt sie Peggy die Kiefer auseinander, und das Fell ist gerettet. Ralf h¨alt zwei riesige Kunststofflappen hoch: Was soll denn das?“ ” Die anderen kringeln sich vor Lachen. Ralf sieht aus wie eine kolossale Fledermaus. Sessel, zum Aufblasen!“ quietscht Katja. ” Der Alte sch¨ uttelt schmunzelnd den Kopf: Luftballons zum Reinsetzen! ” Jung’ ! Die zerplatzen ja unterm Hinterteil“. Aber der Kiek“ hat auch an n¨ utzlichere Dinge f¨ ur den Haushalt gedacht: ” Geschirr, einen Teekessel und Bestecke. Den H¨ohepunkt des Ganzen bildet eine Kuckucksuhr. Damit du auch h¨oren kannst, wie sp¨at es ist“, erkl¨art der Kiek“ eifrig. ” ” Aber auch die handliche Schubkarre f¨ ur den kleinen Garten neben der H¨ utte ist nicht zu verachten; die kann der Utpaddel besonders gut gebrauchen. Nat¨ urlich hat der Kiek“ aus der Fischfabrik ein großes Paket mit ” Schachteln voller Fischfilets mit. Schließlich muß man doch mit G¨asten rechnen! Zuletzt schleppt er ein paar Pullen an. Se-Se-Se-Sekt!“ strahlt er. ” Ich bin ja mehr f¨ ur ’n steifen Grog“, blinzelt der Onkel. Aber nu’ als ” ” hoher Herr in mein’ Vogelk¨onigreich, da muß ich mich woll an dat Kribbelzeug gew¨ohnen. Da hilft dat nix. M¨oglich, daß heut’ noch so ’n paar gelehrte Herren aus Kiel kommen“. (Die gelehrten Herren“ sind ein Professor, ein ” Ministerialrat und ein Forstbeamter, die die Oberaufsicht u ¨ber das Vogelschutzgebiet haben, denn Oll’ Utpaddel ist ja nur ein Angestellter — wie er selber genau weiß.) Ja, also“, sagt der Kiek“, als sie die Sachen bis auf die Schubkarre in den ” ” Hauptraum getragen haben und nun unter dem schattigen Vorbau sitzen. Was, ja also?“ fragt Oll’ Utpaddel. ” Da — da is’ ein Geisterschiff auf See!“ berichtet der Kiek;“. ” ” Die Freunde horchen auf. Das hatten sie wegen der dummen Tortengeschichte ja ganz vergessen! Es stimmt!“ best¨atigt Ralf. ” 14
J¨orn erkl¨art lebhafter als sonst: Einer von unseren Lastwagenfahrern hat’s ” im Hafen geh¨ort. Da liegt ein großer Frachtpott f¨ ur Schulte-Phenol‘. Ein ’ Italiener. Der soll Ladung von Genua nach Helsinki gebracht haben — und auf dem R¨ uckweg was f¨ ur die Bundesrepublik Deutschland. In der Nacht ist ihm das Geisterschiff l¨angsseit gekommen, und da ist der Kapit¨an vor Schreck umgekippt!“ Unser Hafenkapit¨an wollte dazu zwar nichts sagen, aber er konnt’s auch ” nicht leugnen“, sagt Ralf. Eifrig wendet er sich an den Kiek“ : Und woher ” ” weißt du es?“ Ich ha-ha-hab’s von einem Freund geh¨ort“, stottert der Kiek“ aufgeregt. ” ” Wahrscheinlich nur ein unbeleuchteter Pott“, knurrt Oll’ Utpaddel. F¨ ur ” ” die Hollekruger muß es gleich wieder ’n Geisterschiff‘ gewesen sein. Ein ’ sch¨oner Geburtstagsbraten, den du mir da auf den Tisch knallst!“ Aber er sagt dem Kiek“, im Schrank m¨ ussen noch die Seekarten liegen. ” Die soll er mal rauskramen. Die Freunde beugen sich u ¨ber das zerknitterte Kartenpapier auf dem Holztisch des Vorbaus. Oll’ Utpaddel wippt mit Peggy auf dem Schoß in seinem Schaukelstuhl. Na?“ fragt er. Wo treibt das olle Geisterschiff?“ ” ” Doch sie werden unterbrochen. Ein Auto h¨alt vor der H¨ utte. Kapit¨an St¨ ulpnagel!“ ruft Katja. ” Weniger begeistert stellt Ralf fest: Und die Leuchtturmw¨arterin! Die olle ” Frau Wohse! Das war ja vor allem die, der wir hier nicht begegnen wollten“. Laßt mal, seinerzeit hat sie ihren Dienst getan“, verteidigt Oll’ Utpaddel ” seine ehemalige Turmg¨ottin. Ihre Augen waren Tag und Nacht so groß und ” langstielig wie Fernrohre“. Das sind sie immer noch“, brabbelt J¨orn, und sie blitzen u ¨berall rum!“ ” ” Freudig bellend springt der Pudel dem Hafenkapit¨an entgegen. Dessen schwere Schritte lassen die Stufen des Vorbaus erzittern. Na, Utpaddel, da hast du ja schon deine Sekt-Party“, grinst Herr St¨ ulp” nagel. Er gratuliert dem alten Vogelschutzwart, indem er ihm links und rechts auf die Schultern schl¨agt. Die Freunde holen die Geschenke aus dem Wagen: Bierk¨asten, Gartenger¨ate, eine karierte Wolldecke und eine Schiffsglocke mit eingravierter Schrift: Dem getreuen Mitb¨ urger Utpaddel — von der Stadt ” Hollekrug“. Frau Wohse hat Pantoffeln mitgebracht. 15
Wir wollten schon jetzt mal schnell vorbeikommen“, erkl¨art Kapit¨an ” St¨ ulpnagel. Die Feier beginnt ja wohl erst nachmittags“. ” Ja, und falls was vorzubereiten ist“, f¨ ugt Frau Wohse eifrig hinzu. ” Danke, danke“, antwortet der Alte ger¨ uhrt. Nich’ so viel Umstand mit ” ” so ’nem gestrandeten Windjammer wie mir. Mein Neffe ist ja auch schon da. Und die Feier hat l¨angst angefangen mit Konny und seiner Crew. Kiek‘, hol ’ mal ’n paar Flaschen Limo aus dem K¨ uhlkasten. Und f¨ ur Frau Wohse sind da irgendwo noch Weinbrandbohnen. Hoffentlich nich’ ausgetrocknet!“ Frau Wohse setzt sich neben Oll’ Utpaddel auf die Holzbank und f¨angt an zu schwatzen, knarrend und unerm¨ udlich wie das Drehwerk ihres nun mehr stillgelegten Leuchtturms. Kiek“ kommt mit den Limoflaschen aus dem Haus und stellt sie auf den ” Tisch. Einfach so — mitten auf die Seekarten. Nun ist der Hafenkapit¨an ja nicht auf den Kopf gefallen. Seine Miene umw¨olkt sich. Was soll das? Wollt ihr auf dem Trockenen schippern? Sucht ihr was ” Bestimmtes? Oder soll der Kiek‘ vielleicht f¨ ur euch hellsehen?“ ’ Der Kiek“ kriegt rote Ohren. Ja“, sagt er. Ich hab n¨amlich auch von ” ” ” ¨ o treiben!“ dem Totenschiff geh¨ort. Es soll vor der d¨anischen Insel Ar¨ Quatsch!“ ruft St¨ ulpnagel. Der Italiener ist dem Ding bei Fehmarn be” ” ¨ gegnet. Der Standort wurde sofort korrekt eingetragen. Ubrigens ist der Erste Offizier der Testa di Catalina‘ Radar-Fachmann. Er hat das Ger¨at gepr¨ uft. ’ Es ist in Ordnung“. Grollend f¨ ugt er hinzu: Der Wind hat stramm von Ost ” geweht, aber doch nicht so, daß euer sogenanntes Totenschiff gleich wie ein ¨ o und Flensburg getrieben sein kann. Auf jeden Flugzeug bis in die Gegend Ar¨ Fall mußte ich das Schiffes soll etwa 16, 18 oder 20 Meter lang sein — an die Hauptwarnstation melden. Ich kann ja den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen. Das w¨are gegen die Gesetze“. Aber wieso spricht man von einem Totenschiff‘?“ will Konny wissen. ” ’ Weil der Frachterkapit¨an vor Schreck zusammengebrochen ist“, erwidert ” St¨ ulpnagel. Ich habe mit dem Ersten Offizier der Catalina‘ gesprochen. ” ’ Ein vern¨ unftiger Mann. Versteht außerdem deutsch. Der Kapit¨an war total u udet, hatte einen Riesenkrach mit einem Lotsen hinter sich — und ¨berm¨ schlechte Post in der Tasche. Zudem ist er kein ge¨ ubter Ostseefahrer. Er sah schon dauernd Gespenster, als noch l¨angst keine da waren!“ Aber das Totenschiff‘..“., beginnt Ralf. ” ’ 16
Wart’s ab“, unterbricht K¨apt’n St¨ ulpnagel. Der Erste Offizier hat es ” ” auch gesehen. In der Nacht hingen Nebelb¨anke u ¨ber der See. Und ganz pl¨otzlich tauchte neben der Catalina‘ ein unbeleuchteter Kasten auf. Sie hatten ’ ihn l¨angst auf dem Radar gehabt. Aber dann flackerte er als P¨ unktchen und schien abzuwandern‘“. ’ Und?“ fragt Ralf atemlos. ” Auf der Kommandobr¨ ucke der Testa di Catalina‘ haben sie sich die Au” ’ gen aus dem Kopf gestarrt, wo das Ding geblieben sein k¨onnte. Funkspr¨ uche, Lichtsignale wurden nicht erwidert. Nun, wie gesagt — auf einmal stand’s neben der Catalina‘ — Bord an Bord. Ein Ding mit Schornstein. Aber sonst ’ ’ nicht n¨aher zu beschreiben‘. Das wenigstens sagte der Erste Offizier. Der Kapit¨an bekam einen Schw¨acheanfall, und der Erste‘ war so geistesgegenw¨artig, ’ die Testa di Catalina‘ rasch abzudrehen. Ich sch¨atze, es handelt sich um ein ’ verlassen es W rack“. Aber jedes Schiff muß verlassene Wracks melden“, gibt Konny zu beden” ken. Nach den Gesetzen“, lacht St¨ ulpnagel bitter. Zun¨achst muß es sogar an” ” halten, entsprechende Lichter setzen, ein Boot zu Wasser lassen und Leute r¨ uberschicken, um die Lage zu pr¨ ufen. Wer weiß denn gleich, ob es wirklich nur ein verlassenes Wrack ist? Aber, zum Teufel, die Hilfsbereitschaft auf See l¨aßt immer mehr nach. Zeit ist Geld. Den Reedern kommt es auf jede Sekunde an. Die meisten Schiffer haben nichts anderes im Kopf, als die Ladung so schnell wie m¨oglich zum Bestimmungsort zu fahren. Außerdem sind die Herren sehr bequem geworden. Hundsgemein bequem. Neulich ist bei Gibraltar ein Frachter am hellen Tage bei bestem Wetter dicht an einem sinken den Schiff vorbeigefahren. Um zu wissen, was mit dem anderen los war, brauchte dieser Gem¨ utsmensch von Schiffsf¨ uhrer noch nicht mal Funk. Er konnte die Schreie der Schiffbr¨ uchigen h¨oren. Ja. Das hat er nachher selber zugeben m¨ ussen“. Schweigend trinken die Freunde ihre Limos. Dann sagt Konny: Aber es sind doch nicht alle Kapit¨ane so? Ich meine, ” es gibt doch noch welche, die — die Verantwortungsgef¨ uhl haben!“ Sicher“, nickt St¨ ulpnagel. W¨are schlimm, wenn man das nicht bejahen ” ” ¨ k¨onnte... Ubrigens, die Bezeichnung Totenschiff‘ — die mir schon zum Hal’ se raushing als ich das erstemal als kleiner Junge Ruderboot fuhr — hat historische Bedeutung“. 17
Oll’ Utpaddel nickt zustimmend. Frau Wohses Mundwerk ist l¨angst verstummt, daf¨ ur sind ihre Augen um so gr¨oßer geworden. Doch was der Alte jetzt zu sagen hat, ist ihr bekannt: Noch im vorigen ” Jahrhundert ist dem Chinafahrer Royal Crown‘ ein Segelschiff unter Vollzeug ’ begegnet. Name?‘ — Woher? Wohin?‘ — Der Kapit¨an hat sich durch die ’ ’ Fl¨ ustert¨ ute heiser geschrien. Keine Antwort. Nur ein Hund hat gebellt! Das ist nur ein einziges Beispiel!“ Ja. Das war das ber¨ uhmte Pestschiff Blue Lady“ ‘, nickt St¨ ulpnagel. Ich ” ’ ” kenne die Berichte. Das war so ein echtes Totenschiff. Es wurde nachts gesichtet und verschwand wie ein Schatten. Der abergl¨aubischen Besatzung wurde es bei dem vermeintlichen Spuk ganz unheimlich zumute. Als bekannt wurde, was auf der Blue Lady‘ passiert war, (die Besatzung war an der Pest gestor’ ben) glaubte jeder Matrose auf allen folgenden Fahrten so ein Totenschiff‘ zu ’ sehen. Aber wir brauchen nicht so weit zur¨ uckgehen. Es gibt auch heute noch F¨alle, bei denen sich jedem Glatzkopf die Haare str¨auben: Im letzten Jahr ist die Luxusjacht Moonlight‘ vollkommen heil, ohne Motorschaden und ohne ’ die geringste Unordnung in der Kaj¨ ute vor der portugiesischen K¨ uste herumged¨ umpelt. Leer. Ohne Besitzer, ohne Kapit¨an -und ohne die Gesellschaft, mit der sie in England gestartet war. Der Fall ist bis heute ungekl¨art. Na, und vorige Woche ist eine neue, als absolut sicher geltende norwegische Bohrinsel umgekippt. Da steht man auch vor einem R¨atsel. Und es wird gen¨ ugend abergl¨aubische Leute geben, die an Spuk und Geister glauben!“ Was sich der Mensch nicht erkl¨aren kann, ist ihm eben geisterhaft“, zwin” kert Oll’ Utpaddel. Gehn wir mal an Land, so wie ich: Von den Schiffsplan” ken in den Wald! Da haben wir dasselbe in Gr¨ un“. Er kichert leise vor sich hin. Oder in Weiß“. ” Wie meinst du das?“, fragt der Kiek“ den Onkel. ” ” Im Wald kommt einem auch manches so spukhaft vor wie auf See“, grinst ” Oll’ Utpaddel. Zum Beispiel ’n weiß es Reh. Oder ’n weißer Hirsch. Der is’ ” an Land so was wie ’n Geisterschiff“. Konny lacht. Jetzt begreif ich. Wer einem Totenschiff begegnet, geht selber unter, heißt ” es. Und die weißen Wildtiere bedeuten Ungl¨ uck, denken abergl¨aubische Men¨ schen. Als ich in Osterreich war, hat mir ein alter Mann sogar erz¨ahlt, daß der Erste Weltkrieg durch einen erlegten weißen Rehbock oder ’ne weiße Gemse 18
ausgebrochen ist“. Nun mach aber mal einen Punkt!“ ruft Katja. Ich bin ja aus Afrika ” ” allerlei gew¨ohnt. Daß in Europa noch so ein Quatsch geglaubt wird, h¨att ich nie gedacht! Wie soll denn so ein weiß es Biest einen Krieg ausl¨osen k¨onnen?“ Weiße Tiere gelten als heilig“, mischt sich Frau Wohse eifrig ein. Wenn ” ” du aus Afrika kommst, m¨ ußtest du das wissen“. Ja, ja“, l¨achelt Katja. In Afrika glaubt man noch allerhand. Auch in In” ” dien, Australien, und so weiter. Weil Sie gerade Afrika sagen: Noch vor kurzer ¨ Zeit mußte man in Athiopien (Kaiserreich in Ostafrika) f¨ ur ein erlegtes, weiß es Wildtier noch S¨ uhnegeld zahlen. Da gab’s richtig ’ne Art Bußgeldkatalog, wie hier bei Verkehrss¨ unden. In manchen Gegenden wird das wohl heut noch so sein“. Uralter Glaube, dann schließlich Aberglaube“, erkl¨art St¨ ulpnagel. Weiße ” ” Tiere, sogenannte Albinos sind naturgem¨aß seltene Ausnahmen. Wenn ich das mal so doppelt gemoppelt‘ sagen darf. Die Wissenschaft hat solche F¨alle ’ l¨angst entzaubert. Man weiß heute, daß ein weiß es Reh, ein weißer Hirsch oder ein weißer Gamsbock kein h¨oheres Wesen darstellt. Es ist nur mit einer angeborenen Mangelerscheinung behaftet, es kann keine Farbstoffe bilden“. Oll’ Utpaddel pafft und nickt. Aber warum stirbt ein J¨ager, der ein weißes Reh schießt?“ fragt Frau ” Wohse schrill.
Nun, es sterben auch solche, die ganz gew¨ohnliches Wild erlegen“, grinst ” der Hafenkapit¨an. Nur macht man in solchen F¨allen kein Spinn- und Spuk” theater daraus. Konny hat erz¨ahlt, ein weißes Wild soll zum Krieg gef¨ uhrt haben. Das ist mir bekannt. Schließlich f¨ahrt auch mal ein norddeutscher ¨ Hafenkapit¨an ins sch¨one Osterreich. In irgendeinem Museum steht dort eine ausgestopfte weiße Gemse. Dazu kann man ungef¨ahr lesen: Dieses Tier schoß ” der Thronfolger Franz Ferdinand. Knapp ein Jahr sp¨ater fiel er einem Atten19
tat zum Opfer. Dieses Attentat f¨ uhrte dann zum Ersten Weltkrieg!“ Aber das nehmen nat¨ urlich die ¨osterreichischen Museumsleute nicht als Begr¨ undung an. Sie verweisen mit ihrer Bemerkung auf den Aberglauben“. Es gibt ein Buch, in dem ein K¨apt’n einen weißen Wal jagt und mit ihm ” in die Tiefe gerissen wird“, f¨allt Ralf ein. Richtig“, sagt Kapit¨an St¨ ulpnagel. Womit wir wieder auf See w¨aren. ” ” Und gerade da ist nicht alles weiß, wovor sich die Leute f¨ urchten. Wenn einer bei Windstille am Mast kratzt, soll’s Wind geben, vielleicht sogar Sturm und Untergang. Pfeifen bringt Ungl¨ uck. Manche Schiffsnamen soll man nicht w¨ahlen, wenn man heil nach Hause kommen will. Zum Beispiel Teufel‘, ’ Blitz‘, Taifun‘. Die Taifun‘, ein großer, langer Frachter, ist im Mittelmeer ’ ’ ’ auseinandergebrochen. Aber nicht wegen des Namens, sondern wegen eines Konstruktionsfehlers. Und ich habe so manchen Teufel‘, Seeteufel‘, Groß’ ’ ’ teufel‘ wohlbehalten wieder einlaufen sehen. Dagegen ist der schicke Motorkreuzer des Inhabers der Spielkartenfabrik J. W. Brocken aus Bodem¨ unde bei der zweiten Ausfahrt gekentert. Und wie hieß der?“ Mach’s gut“, erinnert sich Konny. ” Namen sind Schall und Rauch, Fl¨ ustert¨ ute und Schornsteinqualm“, ” brummt St¨ ulpnagel. Und was das sogenannte Totenschiff betrifft, das da ” bei Fehmarn gesichtet worden ist — hm, wenn das nun ein ausl¨andisches ¨ Kriegsschiff auf Ubungsfahrt war?“ Gibt’s denn das?“ staunt Ralf. So was ist doch verboten! Jedes Schiff ” ” muß Lichter setzen, ganz egal, was es f¨ ur eins ist!“ Jetzt grinst der Hafenkapit¨an so breit, daß seine Mundwinkel beinahe die Seitenkante der M¨ utze ber¨ uhren. Junge“, sagte er, verboten ist vieles. Das will nicht heißen, daß Verbote” ” nes nicht vorkommt. Sogar Zollkreuzer fahren manchmal v¨ollig abgedunkelt, um Schmuggler zu er — wischen. U nd selbst Polizeibooten bleibt in ganz besonderen F¨allen nichts anderes u ¨brig, als polizeiwidrig zu schippern. Allerdings -wenn dabei was passiert, na, ich danke sch¨on!“ Er blickt auf seine Armbanduhr: So, ich muß aufs Amt, wegen der Testa ” ’ di Catalina‘. Sp¨atnachmittags sehen wir uns wieder, Utpaddel!“ Er verabschiedet sich. Zu Konny sagt er: Daß ihr mir nicht auf die Idee ” kommt, das verr¨ uckte Totenschiff‘ zu suchen!“ ’ Frau Wohse und der Kiek“ bleiben bei Oll’ Utpaddel. Die alte Leucht” turmw¨arterin hat es sich in den Kopf gesetzt, dem Geburtstagskind einen 20
ordentlichen Mittagsschmaus zu bereiten. Was den Kiek“ betrifft, so wollte ” er ja sowieso den Tag bei seinem Onkel verbringen. Die Jungen und Katja schwingen sich auf die R¨ader. Peggy, im Korb auf dem Gep¨ackst¨ander, macht ein Gesicht, als w¨are er lieber bei Oll’ Utpaddel geblieben. Der Alte blinzelt der Kolonne freundlich nach. Er weiß, Konny, Katja, J¨orn und Ralf werden wiederkommen, wenn sie von der Segelfahrt zur¨ uck sind. Und, nat¨ urlich, mit dem Pudel ... Hab ich einen Hunger“, seufzt J¨orn, als sie zu Peipers Jachthafen stram” peln. Nur gut, daß ich alles Freßzeug schon an Bord gebracht habe!“ ” Und mein Magen meldet Fehlanzeige“, erkl¨art Ralf. K¨apt’n St¨ ulpnagel ” ” kann machen, was er will. Wir suchen doch das Geisterschiff...!“
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K¨ apt’n Konny verhindert einen Zusammenstoß Die Pest an Bord? · Auf dem Zollkreuzer weiß man nichts · Das gelbe Gleitboot · Wer ist der rasende Roland“? · J¨ orns Erbsentopf ” fliegt von der Platte · Gefahr! · Die Sache wird immer r¨ atselhafter Unterwegs gr¨ ubelt Ralf weiter: Aber die Pest wird doch nicht auf dem ” Totenschiff sein?“ Nee“, meint Konny. Gleich so ’ne ganze Fuhre? Und auf der Ostsee? ” ” Glaub ich nicht!“ Solche Krankheiten werden neuerdings wieder eingeschleppt“, meldet sich ” der Dicke. Ihm ist offenbar nicht behaglich zumute. Du meinst Cholera“, sagt Katja. Die wird durch den Flugverkehr mit ” ” ¨ostlichen L¨andern eingeschleppt. Da melden die Zeitungen ab und zu einen Krankheits- oder Verdachtsfall“. Von Pest hab ich jedenfalls nie was geh¨ort“, beharrt Konny. Ich kenne ” ” nur so abscheuliche Bilder aus dem Mittelalter. Der Schwarze Tod‘ klopft ’ an die T¨ uren. Widerlich. Aber die Pest ist heute ausgerottet. Das weiß ich jedenfalls sicher“. Und die Cholera, von der man auch geglaubt hat, sie w¨ar verschwunden? ” Die is’ wieder da. Trotz aller Impferei! Die kennt schon wieder keine Grenzen mehr“, brummt J¨orn. Du hast selbst gesagt: In ein paar F¨allen!“, schr¨ankt Ralf ein. Und das ” ” Totenschiff — wenn’s u ¨berhaupt eins ist — wird bestimmt keine Seuchenopfer an Bord haben. Die Ostsee ist nicht so einsam und riesig wie das chinesische Meer, wo die alten Segelschiffe oft wochenlang ohne jede Hilfe unterwegs waren: Flaute, Trinkwassermangel, Bordkoller, Meuterei... Wenn da noch ’ne Seuche hinzukam, dann gab’s keine Hoffnung mehr“. Stimmt“, bekr¨aftigt Katja. Mit dem unbeleuchteten Kahn, den die Te” ” ’ sta di Catalina‘ gesehen hat, ist sicher was anderes passiert. Und dein Lastwagenfahrer, J¨orn, der hat das nur so hingeplappert mit dem Totenschiff‘. ’ Den Spuk hat Kapit¨an St¨ ulpnagel auch nicht geglaubt“. Trotzdem will ich wissen, was Pest eigentlich ist“, sagt J¨orn hartn¨ackig. ” Wie macht sie sich bemerkbar, und wie sehen die Kranken aus? Ich muß in ” der Schule gefehlt haben, als das durchgenommen wurde. Mir ist das nicht ganz geh euer mit dieser Seuchen-Einschlepperei. Da vergeht mir die Lust 22
zum Segeln, und sogar der Hunger!“ Es gibt ’ne Haut- und Dr¨ usenpest“, erwidert Ralf. Wegen der Flecken ” ” und Beulen auch Beulenpest genannt. Außerdem die Lungenpest. Bei beiden Arten f¨arbt sich die Haut gr¨aßlich dunkelblau. Deshalb: Schwarzer Tod‘“. ’ Mahlzeit!“ sagt Katja. Wollen wir nicht an was anderes denken?“ ” ” Die vier erreichen Peipers Jachthafen. Die Boote, die hier fein ausgerichtet an den Stegen liegen oder um kleine Bojen schwoien“, sehen ganz und gar nicht nach Totenschiffen“ aus. Da ” ” gibt es eine Motorjacht mit hellblauem Rumpf und schneeweißen Aufbauten, schnittige Segler, einen Motorsegler, den man als schwimmen des Mini-Hotel bezeichnen k¨onnte — und verschiedene andere, große und kleine Sportboote. K¨apt’n Konnys Segeljacht Dixi“ liegt am Steg bereit. Alles, was man f¨ ur ” einen dreit¨agigen T¨orn braucht, ist schon an Bord. Das Schiff muß nur noch startklar gemacht werden. Bringt eure R¨ader in den Schuppen, macht die Persenning ab und reiht ” die Segel zum Setzen an“, sagt Konny. J¨orn, du guckst, ob in der Komb¨ use ” noch was fehlt. Ich fahre rasch zum Wetteramt“. Das h¨att er sich auch eher u ¨berlegen k¨onnen“, murrt J¨orn. Was will er ” ” denn da? Ich denke, es soll die ganze Woche lang sch¨on bleiben. Das stand doch auch in der Zeitung!“ Vielleicht will er ganz auf Nummer Sicher gehen“, meint Katja. ” Die drei schwingen sich auf die Dixi“ und l¨osen die Persenning. Peggy ”¨ hockt brav auf dem Steg, nur seine Augelchen kullern aufmerksam hin und her. Dabei schnieft er vor lauter Erwartung. Seeluft, sofern sie nicht mit Regen verbunden ist, mag Peggy gern. Das Boot ist sein liebster Hundekorb“. ” Wollt ihr mit dem Kahn auf Fischfang?“ ert¨ont eine h¨ohnische Jungen” stimme vom Bollwerk her. Ralf richtet sich auf. Ach, du bist’s, Peter“, sagt er nicht gerade erfreut. ” Was machst du denn hier? Ich sehe, du hast ’ne ziemlich abgebr¨ockelte ” Fußball-Elf aus deiner Schule mitgebracht!“ Richtig. Wir sind neun Typen“, grinst Peter. Wenn du die ’ne abge” ” br¨ockelte Fußball-Elf nennst, hast du vielleicht recht. Wir haben die Kraft in den Armen. Und unser Sportger¨at ist ein bißchen gr¨oßer als ein Ball. Außerdem fahren wir nicht mit K¨ uche und Klo spazieren wie ihr. Wir strengen uns wenigstens an!“ Was ist denn das f¨ ur ein Heini?“, fragt Katja. ” 23
Einer aus der Paracelsus-Schule in Bodem¨ unde“, sagt J¨orn. Vom BRC ” ” ’ 1911‘ dem Bodem¨ under Ruder-Club. Peter ist ein richtiger Angeber, weil er im Boot als Schlagmann f¨ahrt“. Als waaas?“ wundert sich Katja. ” Die anderen richten sich nach seinem Rudertakt“, erkl¨art Ralf. Wenn ” ” nicht alle zugleich die Riemen durchs Wasser ziehen, l¨auft das Boot nicht pfeilgerade, sondern in Schlangenlinie. Außerdem leidet darunter die Schnelligkeit“. Er reckt den Hals. Zwei Stege weiter liegt das lange Sportboot der Bodem¨ under. Es ist ein Doppelvierer oder Achter mit Steuermann, kein Olympia-Rennboot, schmal wie ein Streichholz, aber doch eins, mit dem auch Regatten ausgetragen ¨ werden. Man benutzt es außerdem zu Wander- und Ubungsfahrten auf Seen, Fl¨ ussen und ungef¨ahrlichen Buchten. Die Bodem¨ under scheinen sich u ¨ber irgendwas zu ¨argern. Ihr Trainer, ein winziger Mann, der von allen nur M¨ ucke“ genannt wird, schnattert auf den ” jungen Bootsbauer Peiper ein. Was sucht ihr denn ausgerechnet in Hollekrug mit eurer Galeere?“ fragt ” J¨orn den m¨ urrischen Peter. Wenn du Augen h¨attest, w¨ urdest du sehen, daß das Boot neu ist“, erwi” dert der Bodem¨ under. Peiper hat’s gebaut. Jetzt wollen wir’s abholen, aber ” M¨ ucke‘ hat festgestellt, daß es nicht gut liegt“. ’ Na, dann tragt’s mal auf den Schultern nach Bodem¨ unde“, grinst J¨orn. ” Da findet sich vielleicht einer, der so ’n Sklavenschiff zurechttrimmt“. ” Tragen!“ lacht Peter. Wenn du mitmachst?“ ” ” Na, dann schmeißt euren ausgeh¨ohlten Baumstamm auf ’nen Auto”
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anh¨anger“, empfiehlt J¨orn.
Ach!“ Der Schlagmann stemmt die F¨auste in die H¨ uften. Dir gef¨allt ein ” ” offenes Boot nicht, weil du wasserscheu bist, wie? Du wirst lachen: Wenn Peiper unseren Kahn getrimmt hat, rudern wir von hier bis Bodem¨ unde!“ Was...?“ Ralf macht ein Gesicht, als habe er nicht recht geh¨ort. Rudern? ” ” Von hier aus? Da k¨onnt ihr euch gleich in ’ne Soßensch¨ ussel setzen! Stell dir mal vor, ihr m¨ ußtet bei Nordost durch die Hollekruger Bucht! Sp¨atestens bei der Steilk¨ uste w¨ urdet ihr Bruch machen. Und im Windschatten von Schulte-Phenol‘ rudern? Da h¨attet ihr auf H¨ohe M¨owensand sowieso ’ das ganze Wasser zu queren. Gute Nacht! Angenommen, ihr k¨amt um den M¨owensand westlich ins Bodem¨ under Wiek rein. Da gibt’s einen Punkt, wo’s wie verr¨ uckt aus der Kieler Bucht blasen kann. Schwupp, und der Kahn besieht sich die Wolken mit der Kehrseite!“ Das laß mal M¨ uckes‘ Sorge sein“, sagt Peter w¨ utend. Und ihr k¨ ummert ” ’ ” euch besser um eure Kochp¨otte, euer Klo und das Bettlaken am Mast. Meine Großeltern haben u ¨brigens auch so ein Segelboot!“ Und mein dreij¨ahriger Vetter rudert auf dem Schwanenteich“, feixt J¨orn. ” 25
Ahoi!“ ” Peter wendet sich wortlos um und geht zu seinen Leuten. Als Konny anlangt, hat er keine Ahnung, was sich hier abgespielt hat — und daß es mit dem Bodem¨ under Achter samt Steuermann mal eine b¨ose Geschichte geben w¨ urde. Er stellt sein Rad in den Schuppen und kommt auf die Dixi“. An dem ” Lederriemen, den er von der Schulter streift, h¨angt ein großer Handscheinwerfer. ur alle F¨alle“, sagt er knapp. Hab mir das Ding von Peipers Vater F¨ ” ” geliehen. So. Ich war auch auf dem Wetteramt“. Und?“ fragt Ralf begierig. ” Was hat test du denn auf dem Wetteramt zu tun?“, ” wundert sich Katja. Manches“, antwortet Konny. Ihr werdet noch staunen! Aber jetzt fahren ” ” wir erst mal los!“ Das aufblasbare Rettungsboot liegt auf dem Kaj¨ utdach der Dixi“. ” Ralf meldet: Klar zum Ablegen, klar zum Segelsetzen, Hilfsmotor start” bereit“. J¨orn meldet, daß in der kleinen K¨ uche und in dem winzigen K¨ uhlschrank alles ordnungsgem¨aß verstaut sei. Katja hat sich im Salon“ und in der Vor” kaj¨ ute umgesehen. Jetzt geht sie mit Peggy rasch noch mal Gassi“. ” Endlich brummte die Dixi“ mit Hilfe des Außenbordmotors aus dem Ha” fenbecken. Nun werden die Segel gesetzt. Mit leichtem Wind geht’s durch die m¨aßig bewegte Bucht. Also“, berichtet K¨apt’n Konny, der am Steuer sitzt. Ich hab mit dem ” ” Chef vom Wetteramt gesprochen. Er wußte u ¨ber die Begegnung der Testa ’ di Catalina‘ mit dem sogenannten Totenschiff nat¨ urlich Bescheid. Alle, auch Kapit¨an St¨ ulpnagel, sind von der Wetterlage zwischen dem d¨anischen Ort Gedser und der deutschen Insel Fehmarn ausgegangen, so, wie sie die Testa ’ di Catalina‘ gemeldet hat. Nur der Kiek‘ hat was Falsches geh¨ort“. ’ Was willst du damit sagen?“ fragt Ralf. ” Daß man jetzt erst weiß: Die Windrichtung hat sich inzwischen da drau” ßen ge¨andert. Nimmt man an, daß der unheimliche Pott keine Treibkraft wie Motor oder Segel hatte, dann m¨ ußte er nach allen Wind- und Strom-
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berechnungen in der H¨ohe der d¨anischen Inseln Langeland und Lolland herumd¨ umpeln“. Aber der Hubschrauber!“ sagt J¨orn. Sucht der nicht dauernd danach?“ ” ” Wer weiß, was die Flieger f¨ ur ’ne Vorstellung von dem Totenschiff‘ hat” ’ ten!“ meint Konny. Oder sie haben das falsche Revier abgesucht, genau wie ” wahrscheinlich die D¨anen. Es liegt noch keine Meldung vor. Die Fahrzeuge auf der Hauptfahrwasserstraße werden von vielen Stationen u ¨ber Funk gewarnt. Das hat unser Hafenkapit¨an veranlaßt. Er h¨alt auch mit allen Dienstbooten Verbindung. Er kann aber keine Suchaktionen in fremde Reviere schicken. Da m¨ ussen schon andere suchen“. Hm“, u ¨berlegt Katja. Und was wollen wir tun? Ich glaub zwar nicht an ” ” Fest oder Cholera. Immerhin — die Besatzung dieses Schiffes k¨onnte sich ’ne Fischvergiftung zugezogen haben“. Denk nur nicht, daß mir das den Appetit verdirbt“, brummt J¨orn. Ich ” ” mach jetzt ’ne B¨ uchse Erbsen warm. Dazu gibt’s harte Wurst in W¨ urfeln — und Brot“. Er verschwindet in der Komb¨ use. Ralf f¨allt pl¨otzlich etwas ein. Seine Augen weiten sich: Du, sag mal, Kon” ny, ist nicht mal ein Riesenwindjammer bei Fehmarn untergegangen?“ An den dachte ich l¨angst“, erwidert Konny unger¨ uhrt. Fehmarn ist ’ne ” ” gef¨ahrliche Ecke, im Sommer und im Winter. Da spielt der Wind manchmal auf der Stelle verr¨ uckt, w¨ahrend sich im Umkreis kein L¨ uftchen regt. Du weißt, es gibt nichts Unberechenbareres als den Wind, die See und ein Schiff“. Sch¨one Aussichten“, murmelt Katja. Ich m¨ochte lieber nicht nach Feh” ” marn“. K¨apt’n Konny lacht: Weißt du, orkanartige Winde und Schmetterb¨oen ” aus heiterern Himmel — na, die kommen nat¨ urlich nicht jeden Tag vor. Die Wahrscheinlichkeit, daß so ’ne Naturkatastrophe auftritt, ist eins zu neunundneunzig im Jahr“. Rechts erstreckt sich die ausgebaute Halbinsel mit dem Chemiewerk Schulte-Phenol“. ” Wo liegt denn der italienische Frachter?“ fragt Katja. ” Auf der anderen Seite“, erwidert Ralf. Zwischen den Fabrikanlagen ” ” kannst du die Ladeb¨aume sehen. Da! Und ein St¨ uck von der hellgrauen Bordwand. Der Schornstein hat einen gr¨ unen Rand und senkrechte, rote Streifen. Das sind die Farben der Reederei“. Hm“, u urde doch rausfahren ¨berlegt Katja. Schließlich sagt sie: Ich w¨ ” ” 27
und nach dem komischen Schiff sehen. Fischvergiftung k¨onnte wirklich gen¨ ugt haben, um die Besatzung lahmzulegen“. Ja!“ stimmt Ralf, nun wieder entschlossen, zu. Vielleicht entdecken wir ” ” den Kahn!“ Nimm mal das Steuer“, sagt Konny zu Ralf. Und du, Katja, bedien das ” ” Vorsegel“. Er zieht ein paar Zettel aus der Tasche: Notizen vom Wetteramt. Das ” wichtigste ist, daß sich das Wetter h¨alt. Wenn wir weiter solche Fahrt machen, k¨onnen wir die d¨anische Insel Lolland heut noch erreichen“. Achtung, der Zollkreuzer!“ meldet Ralf. ” Konny u ¨bernimmt wieder das Steuer, Ralf klettert als Ausguckmann auf den Bug. Na, wollt ihr Amerika noch mal entdecken?“ ruft ein Beamter her¨ uber. ” Nee“, grinst Konny. Was anderes. Ist das Schiff gefunden worden, das ” ” beinah mit dem Italiener zusammengebrummt ist?“ Fehlanzeige“, t¨ont die Baßstimme des Z¨ollners. Wird ein kleines W rack ” ” gewesen sein. Verlassen. Halb abgesoffen. Wer weiß, was die Italiener gesehen haben. Die sind mit der Ostsee nicht vertraut“. Was meint er damit?“ erkundigt sich Katja. ” Die optischen T¨auschungen“, antwortet K¨apt’n Konny. Die Ostsee hat ” ” vielerlei r¨atselhaft erscheinende Nebelbildungen. Die ergeben sich aus der geographischen Lage. Das Mittelmeer ist zwar auch nicht immer blau und sonnig, aber da sind die zu Hause. Und wenn sie auf dem Atlantik fahren, haben sie wenigstens viel Raum. Den gibt’s hier f¨ ur so große Schiffe nicht, schon wegen der seichten Stellen“. Hinter der Dixi“ bleibt nun die Hollekruger Bucht zur¨ uck. Backbord ach” teraus liegt das weit ins Land reichende Bodem¨ under Wiek, steuerbord achteraus — jenseits von Schulte-Phenol“ — die Breker F¨orde mit ihren hellen ” Sandb¨anken. Hier draußen auf See muß man m¨achtig aufpassen. Zwischen Bad Bodem¨ unde und Hollekrug wimmelt es von weißen und bunten Segeln und — flitzenden Motorbooten. Das wird von Jahr zu Jahr schlimmer“, sagt Konny zu Katja. Als mein ” ” Vater mit mir angefangen hat zu segeln, waren wir hier die ersten Schwalben. Jetzt flitzt die halbe Welt hier herum. Vater hat in seiner Arzt-Zeitung gelesen, daß das schon fast ’ne Maritim-Psychose‘ ist“. ’ 28
Eine ... waaas?“, ruft Katja. ” Hm, wie soll ich das erkl¨aren? Maritim‘ ist alles, was mit See zusam” ’ menh¨angt. Und Psychose‘ ist ’ne mehr oder mindere Besessenheit. Die Leute ’ sind seefahrtverr¨ uckt‘. Das bedeutet es“. ’ Katja lacht: Na, und du? Bist du nicht schon segelverr¨ uckt gewesen, bevor ” du laufen konntest?“ Stimmt!“ feixt Konny. Aber weißt du, man muß sich nicht in einen Kahn ” ” schmeißen, nur weil die anderen es auch tun. Manche Leute haben u ¨berhaupt keinen Spaß an der Sache. Sie dr¨angeln sich in den Booten herum, zanken sich — und saufen“. Wahrschau!“ schreit Ralf vom Bug. ” Das heißt: Achtung!“ ” Vor ihnen schießt ein flaches, gelbes Motorboot vorbei. Konny reißt die Dixi“ unwillk¨ urlich nach links, der Wind f¨allt hart ins ” Segel. Es gibt einen Ruck. In der Kaj¨ ute h¨ort man einen Wutschrei. Gleich darauf erscheint der Dicke an Deck. Meine Erbsen!“ jammert er. Soll mir heute alles schiefgehen?“ Und dann ” ” sieht er das gelbe Boot, das gewendet hat und wieder angebraust kommt. War der das?“ schreit J¨orn. Er droht mit der Faust. Idioten!“ Die freund” ” liche Bemerkung gilt den Insassen, einem st¨ammigen, ¨alteren Mann und einem r¨ uckenkrummen, langen J¨ ungling. Nun soll man als Sportler ja nicht unh¨oflich sein. Aber schließlich hat der J¨orn heute morgen schon eine Torte eingeb¨ ußt. Daß jetzt auch noch die Erbsen zu Boden gegangen sind, ist einfach zu viel. Das begreifen die Freunde. Und die Motorbootm¨anner sollten wissen, daß sie einem Segelboot ausweichen m¨ ussen. Sie haben J¨orns gereckte Faust gesehen und die Schmeichelei vielleicht auch verstanden. Das gelbe Boot umrundet die Dixi“, wendet und setzt ” sich ihr wie eine Sperre vor die linke Bugseite. K¨apt’n Konny sieht sofort, sie wollen ihn zum Abdrehen“ zwingen, zum ” Halsen“ also. Das heißt: Zu einer Drehung mit dem Heck durch den Wind. ” So pl¨otzlich und ohne Vorbereitung ist das eine gef¨ahrliche Sache. Doch Konny gibt geistesgegenw¨artig die Kommandos, die ge¨ ubte Crew — auch J¨orn — packt mit an. Und schon segelt die Dixi“ wohlbehalten auf ” Backbordbug und rauscht an dem anderen vorbei. Wenn ihr noch mal frech werdet!“ dr¨ohnt die Stimme des st¨ammigen ” Mannes. 29
Ach!“ stellt J¨orn fest. Das ist doch Herr Roland. Der rasende Roland‘...! ” ” ’ Den kenn ich vom Land her. Der saust auch mit seinem Mercedes wie ein Wahnsinniger durch die Gegend. Und der Junge, sein Neffe, hockt oft mit seiner Sekret¨arin im Cafe“.
Roland‘? Ach, ja, klar!“ sagt Ralf. Der Neffe ist auch Teilhaber“. ”’ ” J¨orn deutet zur¨ uck, u ¨ber die Ostseite der Breker F¨orde hinaus: Dahin” ten, am Strand von Kuhn, da bau’n sie Rolands Feriendorf mit Sporthafen‘. ’ Allerdings — außer ’nem Steg, ein paar Baracken, Baugr¨aben und Materialhaufen ist noch nicht viel da. Rolands prima Bungalow steht nat¨ urlich l¨angst“. Geld m¨ ussen die haben!“ meint Konny. Sie fahren ein Boot mit D¨ usen” ” antrieb! Seht mal, wie es sich aus dem Wasser hebt! Das ist ein Gleitboot. Bei einer gewissen Geschwindigkeit ragt der Rumpf so weit aus dem Wasser, daß das Ding fast keine Wasserverdr¨angung mehr hat!“ J¨orn murmelt was von Erbsenverdr¨angung“. ” Ach, mit Tomaten, W¨ urstchen und Schinkenscheiben l¨aßt sich doch auch ” was zaubern“, schl¨agt Katja vor. Ich mach nachher die Komb¨ use sauber“. ” Aber fummle nicht mit ’nem Messer rum!“ mahnt Konny. Wir m¨ ussen ” ” jetzt ¨ofter ausweichen. Da k¨onnte sich die Klinge in deinen K¨orperspeck verirren!“ Ralf holt sich seine Portion auf den Bug. Peggy w¨ urgt und schluckt an einem großen Schinkenst¨ uck, das der tierliebende Smutje so ganz aus Versehen“ hingeworfen hat. J¨orn setzt sich zu ” Konny und Katja in die Plicht. Kauend fragt er: Was ist nun mit unserem ” Plan? Wollen wir das komische Totenschiff wirklich suchen?“ K¨apt’n Konny runzelt die Stirn, als m¨ usse er sich die Antwort, die l¨angst
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in seinem Kopf festsitzt, noch einmal u ¨berlegen. Endlich sagt er sehr entschieden: Ja!“ ” J¨orn blickt auf seinen Plastikteller: Hm. Aber den Kahn k¨onnte uns schon ” einer weggefunden‘ haben. Wie sind denn unsere Chancen?“ ’ Unsere Chance“, sagt Konny, ist die, daß es aus der Hauptwasserstraße ” ” weggetrieben sein muß. Es gibt Reviere, in denen kaum jemand rumschippert. Zweitens weiß niemand, was das eigentlich f¨ ur ein Schiff ist. Niemand weiß genau, wonach er eigentlich suchen soll. Und das steht fest: Auf so einem Dampfer braucht keine Cholera und keine Pest ausgebrochen zu sein. Eine Fischvergiftung tut’s auch“. Aber wenn andere das Schiff nicht finden, wie sollten wir das k¨onnen“, ” wendet J¨orn ein. Was St¨ ulpnagel und der Kiek‘ gesagt haben, wissen wir“, erkl¨art K¨apt’n ” ’ Konny. Aber nun hab ich noch was erfahren. Ich hab den Chef vom Wetter” amt so nebenbei ein bißchen ausgefragt. Der ist n¨amlich heute morgen auch auf der Testa di Catalina‘ gewesen“. ’ Und?“ fragen Katja und J¨orn zugleich. ” Er sagte — wie St¨ ulpnagel — das Radar des Italieners w¨ar tadellos in ” Ordnung“. Das heißt, die Besatzung kann sich nicht geirrt haben?“ fragt Katja. ” Genau. Aber der Wetteramts-Chef hat noch was dazugef¨ ugt, das wir ” nicht wußten: Das P¨ unktchen auf dem Radarschirm — also das komische Totenschiff‘ — ist immer hin und her geh¨ upft. Es hat keine großen Spr¨ unge ’ gemacht — aber immerhin!“ Das gibt’s doch nicht! Ein Schiff kann doch nicht wie ein Ball von einer ” Stelle zur anderen durch die Luft springen und sich mal.hierhin und mal dahin setzen!“ zweifelt J¨orn. Es wird noch verr¨ uckter“, erkl¨art Konny. Ich hab mir doch vom alten ” ” Peiper den Handscheinwerfer ausgeborgt. Man weiß ja nie, wie man so was gebrauchen kann, nicht wahr? Ja, und da erz¨ahlte mir der alte Herr noch ’ne viel tollere Geschichte“. Sprich lauter!“ ruft Ralf vom Bug her. Ich kann hier nur die H¨alfte ” ” verstehen!“ Paß du da vorn nur gut auf“, ruft Konny zur¨ uck. Du erf¨ahrst es nach” ” her!“ Nun die tolle Geschichte!“ dr¨angt Katja. ” 31
Also: Am Morgen, noch vor dem italienischen Frachtschiff, ist ein Dick” schiff im Hollekrug eingelaufen, ’ne große Vergn¨ ugungsjacht mit einem Zahnarztverein an Bord. Und sie sind auch zu Peiper gekommen“. Zahn¨arzte...?“ fragte Katja lachend. ” Manchmal besitzen mehrere von ihnen zusammen ein Schiff“, sagt Konny. ” Die ganze Berufsgruppe ist u ur ihre Liebe zur Seefahrt bekannt“. ¨berhaupt f¨ ” Stimmt“, nickt J¨orn. Na, und? Die, die bei Peiper waren, wollten ihm ” ” doch bestimmt nicht seine dritten Z¨ahne ziehen!“ Nein. H¨ort zu: Erst hat sich die Crew mal t¨ uchtig ausgeschlafen. Dann ” haben sie Peiper um Rat gebeten, weil sie dachten, das Radar auf ihrem Dickpott‘ sei kaputt. Peiper hat ihnen einen Funker genannt, der mit an ’ Bord der Jacht gegangen ist. Und weder der Funker noch die Zahn¨arzte wußten, was dem Italiener in der Nacht passiert war!“ Die Zahn¨arzte haben doch nicht etwa auch das Totenschiff auf ihrem ” Radarschirm gehabt?“ fragt Katja atemlos vor Spannung. Du wirst lachen! Und wie! Ich habe Peiper ausgequetscht wie eine Zi” trone. Da bin ich auf was ganz Unheimliches gestoßen: Die Delphin‘ — so ’ heißt die Zahnklempner-Jacht — war eher hier als der langsamere italienische Frachter. Und weil sie keinen so großen Tiefgang hatte, konnte sie Hollekrug auf direkterem Kurs ansteuern. Sie hat den Frachter in ziemlich weitem Winkel u ¨berholt, denke ich mir. Denn ich weiß vom Wetteramts-Chef und vom alten Peiper die Positionen und Zeiten, als bei beiden Schiffen das Radar verr¨ uckt spielte. Die Jacht war zur selben Zeit noch einige Seemeilen hinter dem Italiener“. Und?“ J¨orn macht Augen, als gingen ihm alle seine Kochrezepte durch” einander. Der Zahnarztpott hatte das Totenschiff noch dichter als der Italiener, der ” fast mit ihm zusammengestoßen ist“. Das — das — versteh ich nicht“, haucht Katja. ” Kapit¨an und Erster Offizier des italienischen Frachters sahen das son” derbare Ding mit kleinen H¨ upfspr¨ ungen auf dem Radar — aber auch mit bloßen Augen, ganz nahe, als ungewisses dunkles Etwas in der Nacht. Das hat den Kapit¨an vor Schreck umgeschmissen, wie ihr wißt. Zur gleichen Zeit bemerkte man auf der Delphin‘ ein Objekt in gleicher Richtung, aber in ’ Riesenspr¨ ungen auf dem Radarschirm pendelnd: zwischen mehreren Seemeilen bis zu ein paar Metern in der N¨ahe! Die Zahn¨arzte sollen wie verr¨ uckt 32
auf ihrer Jacht herumgelaufen sein. Im Gegensatz zu dem Italiener sahen sie mit bloßen Augen, ja sogar mit Nachtgl¨asern — nichts! Kein Schiff, kein merkw¨ urdiges Objekt, gar nichts — erst recht nicht auf Meterentfernung um die Jacht herum“. Katja hat sich gefaßt. Und wie erkl¨arst du dir das?“ fragt sie. ” Erst mal dadurch, daß die Radarsicherheit nicht hundertprozentig ist. Es ” gibt ’ne Reihe von St¨orungsm¨oglichkeiten. Das Totenschiff, oder was es war, kann irgendwas an Bord gehabt haben, das die Radarstrahlen ablenkte. Zum Beispiel einen Gegenstand aus besonderem Metall, der vielleicht Hohlspie’ gelwirkung‘ hat. Dann kann folgen des passieren..“. Konny u ¨berlegt einen Moment, wie er es den anderen klarmachen soll. Dann f¨ahrt er fort: Der Italiener hat das Radarecho in kleinen Spr¨ ungen ” empfangen, denn er war direkt an dem Objekt dran. Aber der uns noch unbekannte Gegenstand an Bord des treibenden Schiffs hat das Radarecho wie wild in der Gegend rumgestreut, und zwar in Richtung der Delphin‘. ’ Auf dem Jacht-Radar ist dadurch der unheimliche Salat‘ entstanden“. ’ Junge, Junge, ich glaube, du hast auch Radar im Kopf“, staunt J¨orn. ” Aber, na ja: Was du dir da zurechtgebastelt hast, macht uns auch nicht ” schlauer“. M¨oglicherweise doch“, meint Konny. N¨amlich in einem Punkt. Auf dem ” ” Wetteramt hab ich mir die Windverh¨altnisse der Nacht angesehen: Stetig Richtung Lolland. Wenn das unheimliche Schiff dazu in die Fehmarn-BeltNordstr¨omung reingekommen ist, m¨ ußte es auch vor Lolland zu finden sein. Da gibt’s n¨amlich zwischen Gedser und dem Seegebiet Lolland-Mitte eine merkw¨ urdige Abdrift“. Na, sch¨on“, brummt J¨orn. Versuchen wir unser Gl¨ uck. Hoffentlich endet ” ” das Abenteuer nicht so. wie die Sache mit der Torte und den Erbsen“. Er klart mit Katja die Komb¨ use auf, wobei Peggy schn¨ uffelnd und leckend mithilft. Dann u ¨bernehmen der Smutje und Katja Steuer und Segel, und Konny geht zu Ralf auf den Bug, um auch mit ihm alles durchzusprechen. Ralf ist begeistert. Er nimmt das Fernglas kaum noch von den Augen. K¨apt’n Konny stapft befriedigt in die Kaj¨ ute, klappt das Tischchen herunter, nimmt aus dem Wandschapp eine Karte heraus, berechnet Kurse und Zeiten — und bl¨attert in Handb¨ uchern, die Aufschriften tragen wie: Temperaturen, ” Luftdruck und Winde“. Dann macht er einige Eintragungen ins Logbuch. 33
Das Logbuch ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Schiffstagebuch, in das zu jeder Stunde alles u ¨ber Wetter, Position und irgend welche Vorkommnisse eingetragen werden muß. Eine Segeljacht wie die Dixi“ braucht allerdings ” nicht unbedingt ein Logbuch zu f¨ uhren. Falls jedoch etwas passiert, kann man unter Umst¨anden anhand der Aufzeichnungen beweisen, daß man das Schiff umsichtig und den nationalen und internationalen Vorschriften entsprechend gef¨ uhrt hat. Konny, der als bester Segler seiner Altersklasse von Flensburg bis L¨ ubeck gilt, weiß das sehr genau. Wieder an Deck, l¨ost er den Smutje ab. Ich hab den Vorfall mit dem D¨ usen-Flitzer eingetragen“, grinst er J¨orn ” zu. Damit du beruhigt bist. Der rasende Roland‘ wird dir deine Erbsen ” ’ ersetzen m¨ ussen, das verspreche ich dir“. Das walte Neptun samt seiner Mistgabel“, brummt J¨orn. Aber diesem ” ” frechen Baul¨owen r¨ uck ich selber auf seine ulkigen Ferienbuden an der F¨orde. Jede Erbse rechne ich einzeln mit ihm ab. Verlaß dich drauf!“
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Das Geheimnis der Goldenen Otter“ ” Eine aufregende Nachtfahrt · Achtung, gesunkene Schiffe! · Katjas schreckliche Entdeckung · Was heult da In der Finsternls? · Ein kleiner schwarzer Dampfer treibt auf See · Das Geheimnis der Goldenen Otter“ · Los, rauf auf den Kasten!“ · Tiere an Bord · ” ” Jo ¨rn als Maschinen-Heizer Der Nachmittag ist herrlich gewesen. Ruhig lief das Boot. Katja konnte sich sonnen, der Smutje behaglich d¨osen, w¨ahrend sich Ralf und Konny bei Ausguck und Steuer abwechselten. Einmal sprang der Wind um, so daß sie kreuzen mußten. Das bedeutete Zeitverlust. Jenseits der Hauptfahrrinne der großen Schiffe konnten sie wieder direkt auf den von Konny berechneten Kurs gehen. Vorschriftsm¨aßig nach der internationalen Seestraßenordnung, die auch die Beleuchtung“ vorschreibt, werden bei Sonnenuntergang die Lichter“ ” ” gesetzt. Links (an Backbord) rot, rechts (an Steuerbord) gr¨ un. Am Heck wird die weiße Lampe gesetzt. Nahezu schlaff h¨angen die Segel. Es herrscht fast Flaute. Konny hebt das Nachtglas an die Augen. Links sieht er gr¨ une Lichter, schwach und fern. Da biegen Frachtschiffe zwischen der muschelf¨ormigen D¨aneninsel Lolland und der schmalen, keulenf¨ormigen Insel Langeland in den Großen Belt ein. Weit hinter der Dixi“ ” ziehen die großen Alltagsp¨otte“ ihre Bahn aus Richtung Kiel nach Schwe” den, Polen, Finnland, jedenfalls nach Osten... und umgekehrt. An der Lichterf¨ uhrung erkennt man die Kommer“ und Geher“ -, das heißt, ob sie einem ” ” die gr¨ une“ Seite oder das Rotlicht“ zuwenden. ” ” J¨orn nutzt die ruhige Lage des Bootes aus, um seine Suppe nach eigenem Geheimrezept“ zu kochen. Peggy sitzt erwartungsvoll neben ihm. Das dum” me Tier weiß nicht, wie schnell es einen heißen Schwapper u ¨bers Schn¨auzchen kriegen kann, falls ein pl¨otzlicher Windstoß ins Segel haut. Aber man kann Peggy wahrhaftig nicht dauernd an der Leine f¨ uhren. Der Transistor bringt Musik aus D¨anemark. Was ist nun eigentlich mit dem Wetter?“ erkundigt sich Katja. Ich dach” ” te, es sollte tagelang gleichbleiben?“ Eine Wettervorhersage ist kein Wetterbericht“, antwortet K¨apt’n Konny. ” 35
Da kann immer noch ein dicker Hund dazwischenspringen. Unsere K¨ usten” propheten kennen die Ostsee wie ihren Swimming-pool im eigenen Garten. Trotzdem hauen sie manchmal daneben“. Ob das die Stille vor einem Sturm ist?“ meinte Ralf fragend. ” Das kann ebensogut wochenlang so bleiben. Haben wir ja auch schon ” gehabt“, sagt Konny. Aber das Barometer ist gefallen. Wir setzen vorsichts” halber die Sturmfock und reffen das Großsegel. Dann ziehen wir uns wasserdichte Hosen und die Schwimmwesten an. Keine Gummistiefel. Wenn man die Stiefel im Notfall nicht rechtzeitig abstreift, kann man wie ein Stein versacken“. Es ist eine dr¨ uckend warme Nacht. Die Crew bereitet sich sorgf¨altig auf einen Sturm vor. Katja darf ausnahmsweise in der geheimnisvollen Suppe r¨ uhren, w¨ahrend J¨orn sich umzieht. Ralf h¨alt das Steuer, als die drei anderen beim Essen sitzen. Peggy knurpselt Hundekuchen. Endlich kriegt auch Ralf seine Suppe. Der Smutje setzt sich ans Steuer, Katja h¨alt Ausguck. K¨apt’n Konny klappt in der Kaj¨ ute die Schreibplatte herunter und macht ein paar Eintragungen ins Logbuch. Dann vertieft er sich in die Seekarte. Eine kleine, blau abgeschirmte Lampe wirft ihr Licht auf das Blatt. Pl¨otzlich ruft Katja vom Bug: Vorn rechts — an Steuerbord — stehen ” rote Lichter!“ Sofort sind alle hoch. Konny kommt aus der Kaj¨ ute geschossen. Verflixt“, sagt er, Da hab ich mich mit dem Standort glatt verhauen“. ” ” Was ist das?“ fragt J¨orn. Er starrt in die angegebene Richtung. Er ahnt, ” die roten Lichter bedeuten Schlimmes. Warnlampen an rausragenden Masten“, murmelt Ralf. Zwei gesunkene ” ” K¨ ustenschiffe. Die sind auf die Lolland-Steine gebrummt“. K¨apt’n Konny schaut durchs Nachtglas: Wenn da die Lolland-Steine sind, ” stehen wir zwischen Tillitse und R¨odbyhavn. Zur K¨ uste sind’s demnach noch f¨ unf Seemeilen“. J¨orn muß sich das erst u ¨bersetzen“ : Eine Seemeile ist 1852 Meter. ” Auf Lolland gibt’s ein paar h¨ ubsche Nester mit netten kleinen ” Jachth¨afen“, f¨ahrt Konny fort. Wir w¨ urden es mit unserem Motorchen ” gem¨ utlich schaffen — bei glatter See, und noch vor Mitternacht“. 36
Aber?“ erkundigt sich Katja. ” ¨ K¨apt’n Konny setzt das Glas ab: Uber der K¨ uste liegt Dunst. Ich sehe ” kein Licht. Auch die K¨ ustenmotorschiffe, die nach R¨odbyhavn fahren, kann ich nicht ausmachen“. Ich w¨ urd erst mal von den Unterwasserklippen wegschippern“, brummt ” J¨orn. Oder wollen wir da auch baden gehen?“ ” Konny wirft den Motor an. Durch die reglose Luft dreht die Dixi“ nord” westlich ab. Neblig ist’s nicht“, stellt Ralf fest. Nur dunstig. Man kommt sich vor ” ” wie auf einem riesigen Suppen teller, der einen weißgrauen Rand hat“. Er st¨oßt einen unterdr¨ uckten Schrei aus. Die Wolkendecke hat sich gelockert. Der Mond, dessen Scheibe man nicht sieht, wirft eine milchige Glocke u ¨ber die schlafende, quecksilbrig schimmernde See. S¨ udlich, aber weit zur¨ uck, liegt ein dunkles Etwas wie ein Stein auf der Wasserfl¨ache. Das Schiff!“ haucht Katja. Das Geisterschiff!“ Konny blickt lange durchs ” ” Glas.
Ja“, sagt er rauh. Stimmt. Das muß es sein. Die Str¨omung hat’s dahin ” ” versetzt. Hm. Keine Lichter, nichts... Scheint ein uralter, kleiner Dampfer zu sein. Daß wir den erst jetzt sehen, grenzt an Spuk“. Er reicht J¨orn den Kieker“ (das Fernglas). ” So einen komischen Schiffstyp hab ich noch nie gesehen“, meint der ” Dickus. Was sind das f¨ ur Aufbauten? Und dann -der irre breite und ho” he Schornstein!“ Achtung“, mahnt Konny. Es kommt Wind auf“. Er stellt den Motor ab. ” ” Wir segeln!“ ” Als der erste Luftstoß einf¨allt, bedeckt sich der Himmel wieder. Das unheimliche Schiff ist wie weggezaubert. Doch der K¨apt’n hat sich die Richtung gemerkt. Ich seh den Pott wie einen Schatten“, meldet Ralf nach einer Weile. ” Freunde, der ist aber ganz sch¨on weit weg! He... seid mal still!“ ” Der Wind singt in der Takelage. Am Bootsrumpf gluckert’s gern¨achlich. 37
Ab und zu knarrt der Großbaum. Hauuuiii..“., heult es an- und abschwellend von vorn durch die Nacht ” heran. Hauuuiii..“. ” Auf der Dixi“ spielt der Pudel pl¨otzlich verr¨ uckt. Katja, sperr Peggy ins ” ” Klo“, sagt Konny. Der Pudel bellt wie rasend. Ab und zu l¨aßt der Wind nach, dann h¨ort man Peggys ununterbrochenes Gekl¨aff sogar aus der Kaj¨ ute in die Stille dringen. Er setzt sich deutlich u ¨ber das Wasser fort. Die schaurige Gegenmusik“ ist ” das langanhaltende Heulen aus dem Dunkel vor der Jacht. Katja meint: Da ist eine Dogge auf dem Dampfer. Jedenfalls ’n ziemlich ” großes Tier!“ Ja!“ best¨atigt Ralf. Ich sehe den K¨oter nicht. Aber wir m¨ ussen das Schiff ” ” jetzt ganz nahe haben!“ Das ist der dicke Hund, von dem Konny vorhin gesprochen hat“, kichert ” J¨orn. Wahrschau!“ warnt Ralf. ” Der schwarze Dampfer w¨achst gegen den fahlen Mondschimmer vor der Dixi“ auf. Konny l¨aßt das Segelboot etwas abfallen. ” Die Freunde beraten. Nun sind wir schon mal hier. Also sehn wir auch nach, was auf dem ” Kasten los ist“, sagt Katja entschlossen. Gut“, entscheidet Konny. Segel bergen! Fender ausbringen! Wir gehen ” ” mit Motorkraft um den Dampfer herum!“ Die Crew hat jetzt alle H¨ande voll zu tun. Als die Segel geborgen sind und der Motor erst zu tuckern und dann gleichm¨aßig zu brummen beginnt, h¨oren sie von neuem ein Ger¨ausch — diesmal aber kein Hundejaulen. Es ist ein viel h¨aßlicherer Ton, ja, der grauenhafteste, den es f¨ ur einen Seefahrer gibt: Schrrrfff..“. ” Mensch: Der Dampfer setzt auf!“ ruft Ralf entsetzt. Konny!“ ” ” Konny lauscht. Dann erwidert er: Ja, aber nur auf Sand. Er hat mit der ” Seite ’ne Sandbank ber¨ uhrt. Das war unverkennbar“. Auf dem geisterhaft dunklen Schiff trappelt’s pl¨otzlich. Das ist wie ein b¨oser Traum. Ich hab auch was meckern geh¨ort!“ behauptet Katja. ” Ruhig sagt Konny: Noahs Arche stell ich mir anders vor. Ralf, gib mal ” den Handscheinwerfer!“ 38
Langsam streicht der Lichtkegel an der Bordwand des alten Dampfers entlang. Wie Teil f¨ ur Teil aus dem Dunkel heraus sichtbar wird, erinnert das wahrhaftig an einen b¨osen Traum. Gyllene Uttern“ entziffert man mit M¨ uhe am Bug. Das ist schwedisch!“ ” ” erkl¨art Ralf. Es bedeutet: Goldene Otter‘“. ” ’ Keiner sagt etwas darauf. Es ist klar, daß jeder denkt: wie eine Goldschlange sieht dieser Kasten ja nun nicht gerade aus. Seiten- und Heckborde sind ziemlich niedrig. Das Schiff muß fr¨ uher Hafendienste versehen haben. Wahrscheinlich hat es Kabeltrommeln, Pfeiler, Bollwerksmaterial transportiert, F¨asser — ach, alles m¨ogliche. Und sicher auch Arbeiter und deren Werkzeuge. Ein Ausflugsdampfer“ war die Gyllene Uttern“ nie. ” ” Talar ni tyska?“ ruft Ralf hin¨ uber. Sprechen Sie deutsch?“ weil ihm im ” ” Moment kein passender Satz auf schwedisch einf¨allt. Daß da jemand an Bord sein muß, ist l¨angst klar. Zumindest jault wieder der Hund. Doch der kann ja nicht sprechen. Im Strahl des Handscheinwerfers sieht die Crew den jammervollen Kommandostand: Ein Holzaufbau mit zerbrochener Seitenscheibe. Der dicke, lange Schornstein tr¨agt ein Schlangenzeichen. Sonderbar ist der Aufbau im Heck. Er erinnert an einen Eisenbahng¨ uterwagen. Und von daher kommt auch das sonderbare Trappelger¨ausch. Ob das ein Tiertransporter ist?“ fragt Katja. ” Tja..“., sagt J¨orn ratlos. ” Die Dixi“ steuert zum Heck. Eine Flagge hat der geisterhafte Schwede ” nicht gesetzt. Doch der Heimatort ist abzulesen: Klingsborg“. ” Wahrscheinlich ein Hafen n¨ordlich von ¨aland“, meint Ralf. Eine ober” ” faule Sache, Konny. Wie kommt der Dampfer hierher? Und warum hat ihn kein K¨ ustenwachboot gestoppt?“ Warum ist außer. uns keiner zur Stelle?“ gibt Konny zur¨ uck. An Kon” ” trollen und Hindernissen ist die Ostsee sehr dichtmaschig‘ — trotzdem geht ’ mal was durch alle Netze‘“. ’ Und was kann an diesem Kasten das Radarecho so wild abgelenkt ha” ben?“ wundert sich Katja. Konny leuchtet die Bordwand, das Steuerhaus und den Schornstein ab, als sie das Heck passiert haben und an der anderen Seite sind. Er lacht: Seht!“ ” Der Lichtschein gleitet u ¨ber den seltsamen Aufbau. Da haben wir’s!“ ” sagt Konny. Die Seite ist mit eingedr¨ ucktem Blech ausgebessert -, daher die ” 39
Radar-Ablenkung!“ Ist denn so was m¨oglich...?“ staunt J¨orn. ” Konny f¨ ugt hinzu: Hm. Das ergibt die tollste Hohlspiegelwirkung! Ja... die ” Druckstelle ist wie ein Riesenspiegel mit großer Brennweite... Bei ung¨ unstiger Winkelstellung nimmt‘ sich dieses Blech aus einem fremden‘ Radarstrahlen’ ’ kegel etwas heraus‘ und leitet es an einen weiter, f¨ ur den es gar nicht be’ stimmt ist. Versteht ihr? Das gibt schrecklich wechselnde Echos‘ auf einem ’ anderen Radarschirm. Der Mann am fremden Ger¨at muß ja verr¨ uckt werden! Besonders, wenn er — wie im Fall der weit entfernten Delphin‘ — ringsum ’ keinen Gegenstand durchs Nachtglas sieht! Konny richtet den Handschein” werfer auf die Einbuchtung im Blech: Ziemlicher Durchmesser‘ — danke ”’ sch¨on!“ Ich m¨ochte jetzt lieber h¨oren, was du machen willst“, sagt Katja unge” duldig zu Konny. Da ruft Ralf: Wahrschau! Der Dampfer treibt zur¨ uck!“ ” Der Wind hat pl¨otzlich gewechselt und weht ziemlich scharf aus West. Am Bug knirscht es stark, aber nur einen Moment. Das heißt, die Gyllene ” Uttern“ ist von der Untiefe freigekommen. Daf¨ ur drohen ihr die unterseeischen Felsen. Los, rauf auf den Kahn“, beschließt Konny. Katja, gib mir ein St¨ uck ” ” Tauwerk aus der Backkiste“. Es gelingt ihm, das Tau u ¨ber das Relingsgest¨ange zu werfen, es doppelt zu nehmen und zu knoten. Wer kommt mit?“ ” Ich!“ sagt J¨orn ohne Z¨ogern. Aber jetzt steht der Hund direkt u ¨ber ihnen. ” Ein schwarz es Unget¨ um, dessen Augen gr¨ unlich schillern. Kinder, der sieht aus, wie ’n Nashorn ohne Stoßstange!“ meint Ralf. Ob” ” acht vor Hunden, die was bewachen!“ Er winselt“, erkl¨art Katja ruhig. Er ist groß, aber j¨ammerlich. Er wartet ” ” darauf, daß ein Mensch zu ihm kommt“. Gut“, sagt Konny. Ich klettere zuerst“. Er h¨angt sich den Handschein” ” werfer am Lederriernen u ¨ber die Schulter. Dadurch, daß das Geisterschiff sich gedreht hat, sind sie im Windschatten, der stillen Wasserseite. Das ist g¨ unstig. Konny packt die Reling und schwingt sich an Deck. Der große Hund, offenbar ein Neufundl¨ander, wirft ihn vor Freude fast um. 40
Mit etwas Nachhilfe vom Bug der Dixi“ aus — w¨ahrend Konny von oben ” zerrt — gelingt es, J¨orn auf den Dampfer zu hieven. Ralf!“ ruft Konny hinunter. Haltet euch weiter im Windschatten. Und ” ” falls wir uns eine Weile nicht melden, schießt Leuchtkugeln. Dann gebt auch Schallzeichen mit der Tute!“ (Das ist das Signalhorn der Dixi“.) ” J¨orn zieht die Taschenlampe aus der Weste. Mit der einen Hand streichelt er den großen Hund, mit der andern leuchtet er umher. Konny richtet seinen Lichtkegel bugw¨arts. Vor dem Steuerhaus f¨ uhrt eine Treppe in den vorderen Mannschaftsraum. Dahin dr¨angt der Hund. Gefolgt von J¨orn, klettert Konny hinunter. Das Bild, das sich den beiden bietet, ist schrecklich: In den Vorderkaj¨ ute, einer unordentlichen Einzimmerwohnung“, liegt reg” los ein m¨achtiger, rotb¨artiger Mann. Neben ihm gl¨anzen Splitter von Brillengl¨asern. Die Lichtkegel gleiten rasch u uchenbord, Schr¨anke, ¨ber Herd, K¨ eine Eckbank, einen runden Tisch, eine schmutzige Koje. Konny und J¨orn bem¨ uhen sich, immer behindert von dem winselnden, großen Hund, den schwach atmenden Mann in die Koje zu heben. Laß“, keucht der Dicke. Am besten, wir legen ihm ’n Kissen unter und ” ¨” breiten ’ne Decke u hat er nur Stirnkratzer vom Brillenglas. ¨ber ihn. Außerlich Und ’ne Beule. Aber er kann innerlich verletzt sein“. Der rotb¨artige Riese ist, daran besteht kein Zweifel, die Treppe hinuntergefallen. Die Jungen hasten hinauf, nach achtern. J¨orn ¨offnet die T¨ ur des Heckaufbaus. Gestank dringt ihnen entgegen. Den
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beiden verschl¨agt’s nicht nur die Sprache, sondern auch den Atem.
In den tanzenden Lichtkegeln sieht man kleine, h¨olzerne Boxen, ausgelegt mit Stroh, das furchtbar schmutzig ist. Zwei Ziegen fangen an, kl¨aglich zu meckern. Sie reißen an ihren Stricken. Mensch, und da liegt eine halb tote Kuh!“ sagt J¨orn. Auf der anderen ” Seite, ein z¨ahes kleines Pferdchen — das die Trappelger¨ausche verursacht hat — ist im Gegenteil, zu lebendig. In seiner st¨orrischen Aufgeregtheit trampelt es das Stroh unter den Hufen weg. Es konnte sich die Beine brechen!“ schluckt J¨orn. ” Von draußen klagt das Signalhorn der Dixi“. Konny horcht auf: Das ” ” Gefahrensignal!“ Rasch sind die beiden an der Reling. Hallo“, t¨ont Ralfs Schrei. Starker Westwind! Der Dampfer treibt! Denkt ” ” an die Lolland-Klippen!“ Konny u ¨berlegt blitzschnell. Den verletzten Riesen, den großen Hund und die anderen Tiere k¨onnen sie unm¨oglich an Bord der Dixi“ nehmen. ” J¨orn! Ob wir den Pott in Gang kriegen? Wenn der Wind h¨arter wird, ” brummen wir in einer Stunde auf die Steine. Den rostigen Anker kriegen wir 42
nicht runter. Und wer weiß, wann Hilfe da ist?“ Ich muß mir die Maschine angucken“, erwidert J¨orn z¨ogernd. ” Hallo, Ralf!“ ruft Konny. Gib Sichtzeichen mit der Notlampe. Pausenlos! ” ” Auch Schallsignale. Und schieß ab und zu ’ne Leuchtkugel!“ J¨orn hat die Klappe zur¨ uckgeschlagen, die zum Maschinenraum f¨ uhrt. Konny klettert ihm in den Bauch des alten Dampfers nach. Meine Fresse!“ entf¨ahrt es dem Dicken, als er umherleuchtet. Er ¨offnet ” das Feuerloch des Heizofens. Hast du schon mal jemand so g¨ahnen sehen, ” wie das da?“ Doch dann sagt er knapp: Kohle h¨atten wir genug. Auch Holz“. ” Er leuchtet ein markiertes Meßglas an. Was ist das?“ fragt Konny. ” Die Kontrolle f¨ ur den Wasserstand im Kessel. Siehste? Hm. Es reicht. ” Leuchte mir jetzt mal!“ Der Dicke stopft o¨liges Papier, das haufenweise zwischen Holz und Kohlest¨ ucken liegt, in den Ofen. Dann gibt er Holz nach. Konny kramt in seiner Brust tasche nach Streichh¨olzern. Brennt!“ sagtJ¨orn aufatmend. Also mit Dampfmaschinen kenn ich mich ” ” aus. Mein Vater hatte mal ’ne alte Straßenwalze, ’ne Lokomobile..“. Er wirft Holz ins Feuerloch, mehr und mehr. Die Schatten der Jungen tanzen an den schmutzigen Eisenw¨anden und verzerren sich gespenstisch an den vielen Rohren. Nun beginnt der Dicke Kohle zu schippen. Erst behutsam, dann schneller. Konny flitzt an Deck, wo ihn der winselnde Hund erwartet. Es ist ein gutm¨ utiges Tier. Offenbar will es nichts als getr¨ostet und gef¨ uttert werden. Konny beugt sich u ¨ber die Reling. Ralf! Wie schnell treiben wir?“ ” Im Moment nicht auf die Steine zu. Hier muß eine Str¨omung sein“. ” J¨orn heizt den Kessel an. Ich will sehen, ob ich den alten Kasten in freies ” Fahrwasser steuern kann. Es ist ein Verletzter an Bord — mit ’nem ganzen Tierpark!“ Das riecht man“, kommt Ralfs Stimme aus dem Dunkel. Wir haben uns ” ” schon gewundert“. Katja soll raufkommen!“ sagt Konny. Und dann schmeiß die Wurfleine ” ” mit dem ganz langen Schleppseil. Wir ziehen dich nach!“ Je l¨anger eine Schlepptrosse, desto besser. Wenn sie im Wasser durchh¨angt, entsteht eine federnde“ Wirkung, die verhindert, daß das geschleppte Schiff ” 43
hart und ruckhaft bewegt wird. Die Trosse um den Mast binden!“ schreit ” Konny. Ich bring sie hier so an, daß sie nicht in die Schraube ger¨at“. ” Aber erst kommt die Dixi“ l¨angsseit. Katja klettert auf den Dampfer. Sie ” bringt ihre Taschenlampe und einen Beutel Hundekuchen mit. Schließlich angelt Konny noch das Nachtfernglas herauf. Setz dich ans Steuer, scher weit aus und reite gegen den Wind!“ ruft ” Konny noch Ralf zu. Wird gemacht!“ Schattenhaft verschwindet die Dixi“. ” ” Katja sieht sich im Heck um, w¨ahrend der schwarze Hund die Kekse zermalmt. Die Ziegen m¨ ussen gemolken werden“, sagt sie. Das Pony ist halb ” ” verr¨ uckt vor Angst“. Schau erst mal nach dem komischen K¨apt’n!“ dr¨angt Konny. ” Beide steigen die Stufen zur Vorkaj¨ ute hinab. Winselnd folgt der große Hund. Er leckt dem rotb¨artigen, bewußtlosen Riesen u ¨bers Gesicht. Am besten, wir lassen ihn so liegen“, meint Katja. Wenn wir an ihm ” ” rumzerren, k¨onnten wirs noch schlimmer machen. Wir wissen ja nicht, was er hat!“ Eilig laufen sie wieder zum Heck. Ich k¨ ummere mich um die Tiere“, erkl¨art Katja. Sie ¨offnet die T¨ ur des ” Aufbaus und sucht einen Haken, um ihre Taschenlampe aufzuh¨angen. Konny geht zur Reling und blickt durch das Nachtglas. Die Dixi“ h¨angt ” jetzt am Schleppseil. Der Wind hat sich wieder etwas gedreht. Wenn das so bleibt, bildet weder die Sandbank, noch das Lolland-Riff eine Gefahr. Das ist gut — wenn er nur nicht st¨arker wird. Die Wellen klatschen h¨arter an die Eisenwand des alten Dampfers. Die Dixi“, das sieht man an ihren Lichtern, ” tanzt ganz sch¨on. In Abst¨anden t¨ont der Klageton des Signalhorns her¨ uber. Und dann geht auch eine rote Leuchtkugel hoch. Ja. Sie sind in der Nacht auf Schall- und Lichtsignale angewiesen. Konny leuchtet das Steuerhaus innen gr¨ undlich ab. Nicht die Spur von Funk- oder gar Radaranlage. Ein Wunder, daß der Pott einen Kompaß besitzt. Nachdem Konny noch einmal nach dem Riesen gesehen und festgestellt hat, daß er gleichm¨aßig atmet, geht er in den Heckraum. Da schuftet Katja, um dem unruhigen Pony Stroh unterzulegen. Tr¨ostend redet sie auf das Tier ein. Der furchtbare Gestank der unversorgten Tiere 44
k¨ ummert sie nicht. ¨ Ach“, sagt sie, in Afrika hab ich Schlimmeres erlebt. Ubrigens, die kleine ” ” Kuh hat wohl nur Hunger und Durst. Wasser ist in dem Wasserkessel. Und in den S¨acken scheint Futter zu sein“. Konny grinst, wenn auch m¨ uhsam. Weißt du“, erwidert er, du bist ein ” ” toll er Matrose oder J¨ager, am liebsten w¨ urd ich dir jetzt einen Kuß geben“. Tu dir keinen Zwang an“, lacht Katja. Den k¨onnt ich gut gebrauchen“. ” ” Und zwischen den Ziegen, dem Pony und der Kuh gibt Konny Katja einen Kuß. Pl¨otzlich lauscht sie. Du, das Schiff zittert so komisch! Und h¨or mal! Die ” Ger¨ausche!“
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Eine harte Fahrt ¨ J¨ orn schuftet vor dem Feuerloch · Ralf gibt Notsignale · Uber acht atu ¨ kommen sie sicher nicht · Konny am Speichenrad · Mehr ” Dampf !“ schallt es durchs Sprachrohr · Mehr Dampf !“ · Unten ” ” Ist die H¨ olle“ · Wir schaffen es nicht!“ · Explodiert der Kahn? · ” Konny begreift, was los ist · Ein Flugzeug! · Erwachsene M¨ anner staunen u ¨ ber die Freunde Konny st¨ urzt in den Maschinenraum. Da schwitzt der Dicke mit triefendem, nackten Oberk¨orper. Er feuert und feuert eine Schaufel nach der anderen. Sein Gesicht ist schon fast schwarz. Zisch-wuff, zisch-wuff, zisch-wuff! arbeitet die Maschine im Leerlauf. Wie eine alte Dampflok. J¨orn blickt auf. Er haut die Schaufel in die Kohlen, l¨aßt den Griff einen Moment sausen, streicht sich die Haare aus der Stirn. Wie steht’s draußen?“ keucht er. ” Es geht“, erwidert Konny knapp. Ralf gibt Signale. Wir m¨ ussen den ” ” Kahn hier wegbringen. Wenn der Wind wieder dreht, treiben wir auf die Steine. So ’n Dampfer sinkt in Minuten“. Mensch, ich tu, was ich kann!“ J¨orns Schatten steht unheimlich verzerrt ” hinter und u ¨ber ihm. Aber ich zweifle dran, daß wir’s schaffen! Der schwe” dische Kapit¨an muß B¨arenkr¨afte gehabt haben!“ Jetzt nimmt Konny die Schaufel und feuert wie wild. J¨orn leuchtet unterdessen mit dem Handscheinwerfer umher. Er guckt auf den Dampfdruckmesser: Acht bis zw¨olf at¨ u brauchen wir... Hier, am Manometer ist ’n roter ” Strich. Wenn die Nadel auf Dreizehn ist, k¨onnen wir in die Luft fliegen. Falls n¨amlich das Sicherheitsventil klemmt. Na — hat noch Zeit. Sind erst acht at¨ u. Sehr viel mehr reichen unsere Kr¨afte wohl auch nicht“. Gerade hat er acht“ gesagt, als eine rote Kontrollampe aufleuchtet. An ” der Decke geht prompt das Licht an. Aha!“ ruft J¨orn hoffnungsvoll. Da scheint ja wenigstens etwas zu klap” ” pen! Bei acht‘ beginnt die Lichtmaschine zu arbeiten. Eine kleine Dampftur’ bine treibt das Aggregat. Dann gibt es Strom. So. Nun schipp ich wieder!“ Und weiter?“ ” Geh in das Steuerhaus und probier, ob das Ruder nicht klemmt. Ich tu ” 46
hier, was ich kann. Der Dampf geht jetzt in die Zylinder und treibt u ¨ber Kolben und Kolbenstange die Kurbelwelle. Und die ist mit der Antriebsschraube verbunden. Mit diesem Hebel hier, kann ich vorw¨arts‘, r¨ uckw¨arts‘ ’ ’ und Leerlauf‘ stellen. Wir m¨ ussen das ’n paarmal u ¨ben!“ ’ Konny stolpert an Deck. Erst muß er sehen, wie die Schleppleine liegt. Sie darf nicht in die Schraube kommen. Und sie darf sich nirgends durchscheuern. Nun l¨auft er rasch ins Ruderhaus, wo das große, plumpe Speichenrad ist... Ach, das ist keine Kommandobr¨ ucke! Eher ein uraltes l¨andliches Toilettenh¨auschen — wenn auch mit Fenstern. Vor dem Speichenrad steht wahrhaftig ein K¨ uchenstuhl. Ja, aber wo ist der Maschinentelegraf, mit dem er Befehle in den Maschinenraum geben kann? Zu seinem Erstaunen stellt Konny fest, daß wenigstens der Kompaß, wenn auch nur tr¨ ube, erhellt ist. Wie kommt denn das nun wieder? Er geht noch einmal hinaus. Die Seitenlampen, gr¨ un und rot, brennen! Und vorn, am Signalmast, ist die vorschriftsm¨aßige Dampferlaterne angegangen! Also werden auch diese Lampen von der Lichtmaschine, unten, gespeist“! ” Konny f¨allt ein: Er muß am Signalmast eine weitere weiße Lampe setzen, die bekanntgibt: Ich schleppe ein Fahrzeug“. Nach roten Laternen zu ” suchen: Bin man¨ovrierunf¨ahig“ h¨atte jetzt keinen Sinn. So klettert er am ” Signalmast hoch und h¨angt seinen Handscheinwerfer an einen Haken. Dann sucht er wieder den Ruderstand auf, schiebt den K¨ uchenstuhl beiseite und stellt sich vor das Speichenrad. Das hat der schwedische Kapit¨an mit zwei Ketten festgebunden, bevor er rausging. Mit ein paar Griffen hakt Konny die Ketten ab. Ein Maschinentelegraf ist, wie er schon bemerkt hat, nicht vorhanden. Nur ein vorsintflutliches Sprachrohr, durch das er sich mit dem Maschinenraum verst¨andigen kann. Mit J¨orn, also. Wie aber hat der Rotb¨artige das alles nur geschafft? Ein toller Einhand” fahrer“, der Alte — das muß man schon sagen! Und wenn der nicht die Treppe runtergefallen w¨are, h¨att er sein Ziel bestimmt erreicht. Fragt sich nur, welches! Konny ruft durch das Sprachrohr: Hallo J¨orn! H¨orst du mich?“ ” Nach einer Weile meldet sich der Dicke schnaufend: Ja?“ ” Langsame Fahrt voraus!“ ” Die Gyllene Uttern“ erzittert in allen Fugen. Offenbar hantiert der Dicke ” 47
wieder am Hebel. Voll voraus!“ sagt Konny. Erst sehen, was die Maschine hergibt — und ” ” wie der Kahn sich steuert!“ Wieder geht ein Zittern und Heben durch das Schiff. K¨apt’n Konny hat schon mal am Rad einer alten Barkasse gestanden. Aber das war im Hafen, und dieses hier ist etwas anderes. Das anf¨angliche zisch-wuff, zisch-wuff, zischwuff weicht einem gleichm¨aßigen, dumpfen Ger¨ausch. Die Scheiben klirren. Es weht jetzt scharf von vorn. J¨orn kommt auf einen Sprung herauf. Da unten ist die H¨olle“, japst er. ” Aber die Maschine ist ganz in Ordnung. Wo steuerst du hin?“ ” Nach R¨odbyhavn auf keinen Fall“, erkl¨art Konny. Ich halte gegen die ” ” See. Nur nicht wenden! Ich will nicht riskieren, u ¨ber die Schlepptrosse zu fahren“. Vorn ist die Sicht einigermaßen“, stellt J¨orn fest. ” Ja. Ich steuere Langeland S¨ udspitze an. Hagenkop. Wir m¨ ussen jetzt auf ” der H¨ohe von Tillitse sein“. Was ist denn das f¨ ur ’ne komische Klo-Kette mit Knauf, neben dir?“ ” fragt J¨orn. Er zieht daran. F¨ urchterlich kreischt die Dampfpfeife am Schornstein. Und damit hat der Dickus die Antwort auf seine Frage. Geh runter und achte auf den Druck“, sagt Konny. Er gibt jetzt in ” Abst¨anden das vorschriftsm¨aßige Signal: Habe Schiff im Schlepp“. ” Nach einer W eile erscheint Katja. Ich hab alles Stroh und alles Zeug an ” alten S¨acken und Decken in die Pony-Box getan. Das kleine Biest hat sich hingelegt. Die Ziegen sind auch versorgt. Futter f¨ ur die Viecher ist genug da. In den Tanks ist sogar noch Trinkwasser“. Und wo ist der Hund?“ fragt Konny. ” Der liegt neben seinem Herrn in der Kaj¨ ute“. ” Pl¨otzlich f¨ahrt ein Windstoß gegen das Ruderhaus, daß man meinen kann, gleich die Glasscherben um die Ohren zu kriegen. Konny blickt auf den Kompaß: Haarscharf West. Ziemlich grob“. Er zieht ” an der Kette und gibt f¨ ur Ralf das Signal: Achtung, Gefahr!“ ” Mehr Dampf!“ ruft er ins Sprachrohr. Mehr Dampf!“ Er kurbelt vor” ” sichtig an dem großen Speichenrad. Katja h¨angt sich das Nachtglas um und h¨alt Ausschau nach der Dixi“. ” 48
Wir haben sie genau hinter uns... Die Lichter hopsen wie toll!“ ” Kann ich mir denken“, keucht Konny. Aber gegen Wind und Wellen ” ” geht’s am sichersten“. Festhalten!“ Er br¨ ullt es auch durch das Sprachrohr zum Maschinenraum ” hinunter. Dann zieht er die Dampfpfeife. Das schaurige Dr¨ohnen des Gefahrensignals u ¨bert¨ont alle Ger¨ausche. Vorn kommt ein einzelner, großer Brecher heran, es ist, als zeige er seine Z¨ahne. Eine richtige Sturzsee. Und nun kommt sie aufs Vorschiff und dr¨ uckt es herunter, dann teilt sie sich und fegt wie ein Schneesturz links und rechts u ¨ber die Reling nach achtern. Ununterbrochen heult die Dampfpfeife, ja, sie heult wie im Schmerz. Sie hat nicht den tiefen, ruhigen Baßton eines Hochseeschiff-Signalhorns. J¨orn!“ br¨ ullt Konny durch das Sprachrohr. Alles klar?“ ” ” ¨ aus. Nein. Hier l¨auft irgendwo wie verr¨ uckt Ol Wir schaffen’s nicht. Gib ” SOS!“ Nimm das Rad!“ sagt Konny zu Katja. Versuch, den Kurs zu halten. ” ” Ich geh rasch runter!“ Draußen h¨alt er sich an der Reling fest. Die Dixi“ folgt dem Dampfer wie ” ein H¨ undchen an der Leine. Ralf gibt Blinksignale: Alles in Ordnung“ — ” Schieße Leuchtkugeln“. ” Etwas pafft in die Luft, bleibt ein paar Augenblicke als rote Christbaum” kugel“ stehen — und erlischt. Konny steigt in den Maschinenraum. Der Dicke sieht aus, als h¨atte er sich in einer Pf¨ utze voller Bratensoße gew¨alzt. Er hantiert klirrend mit einem riesigen Schraubenschl¨ ussel. ¨ Eine Mutter an der Olleitung war locker“, schnauft er. Hab sie gerade ” ” wieder angezogen. Jetzt ist sie fest!“ Um Himmels willen, mehr Dampf, Dickus! Mehr Dampf!“ ” Wenn du mir ’n Paket mit neuen Muskeln runterschickst?“ ” Geh rauf, zu Katja!“ sagt Konny. Blinkt Ralf, er soll das Notsignal ” ” setzen. Ihr gebt fortw¨ahrend SOS! Haltet das Schiff gegen den Wind!“ Konny zieht die Jacke aus und feuert. Er feuert und feuert, bis ihm der Schweiß in die Augen l¨auft. In seinem Kopf beginnen Flammen zu tanzen. Solche Dampfer sind mal f¨ ur Schwergewichtsheber gebaut worden. Nicht f¨ ur Sch¨ uler, auch wenn sie noch so ’ne segelt¨ uchtige Crew bilden! Konny muß wieder an den Seemann denken, der diesen Kahn allein gef¨ uhrt hatte. Wie 49
hat er das bloß geschafft?: Steuern, navigieren, heizen, Tiere versorgen — und sich selber was zu essen gemacht... Einen Moment kommt ihm der Gedanke: Wenn dieses Ungl¨ ucksschiff nicht w¨are, l¨agen wir jetzt behaglich auf Lolland, in R¨odbyhavn oder sonstwo. Taumelnd verharrt er einen Augenblick. Er muß doch wieder hoch. Nach Bagenkop schneiden sie die Großschifffahrtslinie Kiel — Großer Belt (D¨anemark) und G¨oteborg (Schweden). Da muß er am Steuer sein, er, Konny. Der Dickus und Katja haben keine Ahnung von Leuchtfeuern, Feuerschiffen und Leuchttonnen. Großer Gott, wenn der Kahn aufbrummen w¨ urde! Konny ruft durch das Sprachrohr nach oben: Abl¨osung! Ich muß heraus” finden, wo wir sind!“ Wieder u ¨bernimmt er das Steuer, und Katja verschwindet tapfer mit dem Dicken im Maschinenraum. Sie will ihm helfen. Um die Tiere kann man sich jetzt nicht k¨ ummern. Nach einer Weile sieht Konny an Steuerbord ein Leuchtfeuer an Land. Aber das will nur langsam weiterwandern. Verflixt. Der Dampfer bewegt sich fast auf der Stelle. Konny kurbelt das Frontfenster herunter und guckt sich die Augen aus nach irgendeinem Schiffslicht voraus. Schwarze Wellen, vom Wind zerzaust, fegen u ¨ber das Deck. Den weißen Gischt auf den K¨ammen sieht er. Aber Regen fegt schr¨ag entgegen. Die Nacht ist, wie der Seemann sagt unsichtig“. ” Die Gyllene Uttern“ nickt‘ gegen den Seegang. Sie liegt besser, als Kon” ’ ny geglaubt hat. Aber nur nicht ausschlagen! Das w¨ urde diesem Eisenpott jetzt schlechter bekommen als einem guten, umsichtig gefahrenen Segelboot. Konny h¨angt sich ins Speichenrad. Er muß immerzu kurbeln, um bald nach der einen, bald nach der anderen Seite gegenzusteuern. Bei so einem vorsintflutlichen Speichenrad kann man sich die Seele aus dem Leibe schuften und den Drehwurm kriegen. Kein Wunder, daß Konny der Ersch¨opfung nahe ist. Die Dampfpfeife dr¨ohnt. Die Wellen klatschen. Wind faucht u ¨ber den schweren Kahn. Es riecht nach Rauch. Konny guckt kurz mal nach der Dixi“. Ralf hat das Notsignal gesetzt. ” Eben schießt er eine neue Leuchtkugel ab. Als Konny wieder am Steuer steht, bellt J¨orns Stimme durch das Sprachrohr: Dampfdruck steigt! Sicherheitsventil klernmt!“ ” 50
K¨apt’n Konny zurrt schnell das Steuer fest und saust in den Maschinenraum. Der Dicke und Katja stehen verschwitzt und verdreckt in dem klebrigen, heißen Dunst. Sie starren Konny verzweifelt an. Das Schiff ist verloren“, keucht J¨orn. Wir m¨ ussen von Bord!“ ” ” Konny h¨alt sich irgendwo fest. Ihm wird schwarz vor den Augen. Dampfdruck steigt? Etwa auf dreizehn at¨ u...? Dann w¨ urden sie mit der Gyllene Uttern“ in die Luft fliegen... explodie” ren... Doch gleich ist er wieder klar: Feuerloch dichtmachen, daß kein Zug ran” kommt!“ schreit er. Wartet auf mich. Ich laufe rasch und ziehe die Dampf” pfeife, damit der Druck gemindert wird“. Konny taumelt die Stufen hoch, an Deck. Wind schl¨agt ihm ins Gesicht. Spritzwasser. Leichter Regen. Das Schiff liegt etwas schr¨ag zum Seegang. Im Steuerstand h¨angt sich Konny wie verr¨ uckt an die Signalpfeife. Juuuchz, juuuchz, juuuchz..., hallt es durch die Finsternis. Fern tanzt die geschleppte Dixi“ mit Ralf am Steuer und dem kleinen ” Hund im Klo. Konny signalisiert Morsezeichen mit der Dampfpfeife: Haben Schwierig” keiten. Melden uns wieder!“ Von der Dixi“ geht eine weiße Leuchtkugel hoch. Verflixt, die roten sind ” wohl aufgebraucht. Konny krallt seine H¨ande um die Reling. Er blickt landeinw¨arts. Auf der d¨anischen Insel sieht er noch immer das gleiche Licht. Wir sind kaum vorangekommen, denkt er. Zu hoher Dampfdruck? Nein. Jedenfalls kann’s am Einheizen nicht liegen. Er taucht wieder in den Maschinenraurn hinab. Kinder“, sagte er zu J¨orn und Katja. Gefeuert habt ihr nicht zu viel! ” ” Darauf wette ich! Trotz der Schufterei am Ofen macht das Schiff wenig Fahrt. Und von Anfang an hab ich viel Dampf f¨ ur die Tute da oben verbraucht. Wir k¨onnen mit Ach und Krach auf acht at¨ u gewesen sein. Ich hab doch mehrmals geschrien: Feuern, feuern! Mehr Dampf!‘“ ’ Pl¨otzlich wirft J¨orn einen Blick auf das dicke Schutzglas, hinter dem das d¨ unnere Meßglas ist, das den Wasserstand im Kessel anzeigt. Zu wenig Wasser!“ br¨ ullt er. Ich Idiot! Der Kessel muß nachgef¨ ullt wer” ” den“. 51
Mit all seinen Kr¨aften stemmt und zieht er die Handpumpe, um dem Heizkessel Frischwasser zuzuf¨ uhren. Und langsam l¨auft das Wasser hinein. Danach muß um so toller am Feuerloch gearbeitet werden. Konny, J¨orn und Katja wechseln sich dabei ab. Japsend lacht Konny: Feuer ohne Wasser — das geht bei ’ner Dampfma” schine nat¨ urlich nicht. Und auch nicht Wasser im Heizkessel auf ’nem kalten Ofen, klar! Das weiß jede Urgroßmutter, die mal einen Feuerherd gehabt hat!“ Er geht wieder ans Steuer und signalisiert f¨ ur Ralf das Schallsignal: O. ” k“. Schwach sieht man den Rand zwischen Himmel und Meer. Aber kein Schiff, kein Seezeichen. Auf einmal h¨ort K¨apt’n Konny ein Brummen. Er lugt aus dem Steuerstand. Ein Flugzeug...! Vor Spannung sp¨ urt Konny weder Wind, noch Rauch, noch N¨asse.
Was ist das f¨ ur ein Flieger? Wenn er zur Rettung gekommen ist, wird er das zeigen. Daf¨ ur gibt es festgelegte Regeln. Die Lichter umkreisen ziemlich niedrig den Dampfer und das geschleppte Segelboot. Einmal, zweimal. Aha! Da ist das Zeichen: Habe Notlage erkannt!“ ” Konny kennt die vorgeschriebenen Maßnahmen genau. Nun m¨ ußte das Flugzeug eigentlich den Kurs des Dampfers kreuzen, und zwar dicht vor dem Bug. In geringer H¨ohe. Unter Ver¨anderung der Motor” drehzahl oder der Luftschraubeneinstellung“, wie es so sch¨on amtlich-albern heißt. Tats¨achlich! Der Flieger macht alles wie erhofft!
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Nein: Aufpassen! Jetzt dreht die Maschine in die Richtung, in die das Wasserfahrzeug gelotst werden soll. Leicht nach Steuerbord — also nicht dorthin, wo Konny den Kasten eigentlich haben wollte, sondern in Richtung Lolland-West. ¨ Ubrigens dienen die Luftfiguren“ der Flugzeuge in erster Linie dazu, ” Schiffe zu Hilfe zu holen, wenn ein anderes in Not ist. Hier hat die Luftlei” tung“ mal den umgekehrten Sinn. Der Flieger wiederholt seine Figuren. Nicht lange, und drei starke Motorkreuzer sind l¨angsseit. Einer bei der Dixi“. Zwei schieben sich an die Gyllene Uttern“ heran. Wie dann die ” ” riesigen Wikinger“ an Deck gekommen sind, weiß Konny in der Aufregung ” nicht mehr genau. Der eine, ein Z¨ollner, kann Deutsch. Und er ist platt vor Staunen. Kein Schiffer an Deck?“ fragt er Konny immer wieder. ” Doch, ich“, grinst Konny. Er gibt einen schnellen Bericht. ” Du hast den alten Dampfer gef¨ uhrt?“ Der D¨ane ist wom¨oglich noch plat” ter. Und deine Freunde heizen...?“ ” W¨ahrend sein Kollege das Speichenrad u ¨bernimmt, l¨auft der Beamte von der Seepolizei nach vorne, um nach dem verletzten schwedischen Kapit¨an zu sehen. Der riesige D¨ane wirft einen Blick ins Achterschiff, wo die Tiere sind. Er sch¨ uttelt nur immer den Kopf. Dann klettern er und Konny in den Maschinenraum. Hier sagt der m¨achtige Retter erst eine Weile u ¨berhaupt nichts. Er guckt von J¨orn auf Katja, von Katja auf J¨orn, als habe er noch niemals junge Menschen gesehen. Er ¨offnet den Mund. Er schließt ihn wieder. Er hat vor Verbl¨ uffung die Sprache verloren. Dann sagt er: In meinem Leben ist mir das nicht passiert. Babys heizen ” und steuern einen alten Dampfer. Babys!“ Na, h¨oren Sie mal!“ emp¨ort sich J¨orn. ” Und der Beamte lacht. Er ergreift die Schaufel und feuert. Er feuert und schippt dem Feuerloch das Maul voll. Der Seepolizist kommt und meldet, daß der schwedische Kapit¨an sich regt. Und auch, daß die Dixi“ nicht mehr im Schlepp des Dampfers liegt. Die lange ” 53
Leine ist gekappt. Das dritte Dienstboot hat jetzt das Segelboot im Schlepp. Der hat ja auch sein Teil geleistet, Donnerwetter noch mal!“ staunt der ” Z¨ollner von neuem. Und diesmal spricht er von Ralf. Konny, J¨orn und Katja taumeln mit dem Seepolizisten an Deck. Das Zollboot umkreist mit aufgeblendeten Scheinwerfern den Rumpf der Gyllene Uttern“. ” Aha“, vermutet Konny. Die suchen eine Tiefgangsmarkierung. Sie wollen ” ” wissen, wie tief das Schiff im Wasser liegt, um ein Aufbrummen vor der K¨ uste zu vermeiden“. Aber die Beamten machen sich schon ihr Bild. Sie wissen l¨angst, daß das ein altes Hafenschiff ist. Ich sehe Lichter voraus!“ ruft Katja. ” Eine winzige Einfahrt zwischen hohen und dicken Schutzw¨allen! Gaardshavn“, erfahren Konny, J¨orn und Katja. Ein winziger, alter Fi” ” scherhafen“. Sie sind gerettet. Der Schwede ist gerettet. Gerettet sind auch die Tiere. Was f¨ ur ein wunderbares Gef¨ uhl...!
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Der rasende Roland“ ” J¨ orn kann nichts mehr erschu ¨ ttern, meint er · Peggy beißt in den Wellenschaum · Der Feuerschlitten“ in der Breker F¨ orde · Das ” ” kann ins Auge gehen!“ · Abrechnung — bis auf die letzte Erbse! Nu’ kann uns nichts mehr ersch¨ uttern“, das ist J¨orns neueste Redensart. ” Er brummt sie auch eben wieder vor sich hin, und er trieft dabei nicht mal ¨ und Kohlenruß, sondern sozusagen vor Behaglichkeit. von Schweiß, Ol Mit einem leisen Schrei setzt sich Katja auf. Verwirrt blickt sie um sich: Wo sind wir?“ ” Die Freunde lachen. Nicht mehr auf der Gyllene Uttern‘“, grinst K¨apt’n Konny. Auch nicht ” ’ ” mehr in Gaardshavn, sondern zu Hause“. Wenn man die Breker F¨orde zu Hause‘ nennen kann“, sagt Ralf, der sich ” ’ gerade von J¨orn den R¨ ucken mit Hautcreme polieren“ l¨aßt. ” Katja blickt sich blinzelnd um. Ja, sie aalen sich allesamt, h¨ ubsch reinlich anzuschauen, auf einer langen, sauberen, fast silbergrauen Sandbank in der Breker F¨orde. Weit vor ihnen ist das Ufer, durch den leuchtendweißen Steinwall gesch¨ utzt. Dort, wo das Breke-Fl¨ ußchen in die F¨orde m¨ undet, sieht man Angler in kleinen Booten. Rechts liegt das Hollekruger Chemiewerk Schulte-Phenol“ auf der ver” breiterten, ausgebauten Landzunge. Jenseits davon die Heimatbucht und der Heimathafen. Ein St¨ uck von der Sandbank entfernt dreht sich das Segelboot Dixi“ mit ” geborgenen Segeln gem¨achlich um den Anker. Das Schlauchboot liegt auf der Sandbank. Keinem Mitglied der Crew, auch Peggy nicht — und weder der Dixi“ ” noch dem Schlauchboot — sieht man an, was Zwei- und Vierbeiner samt Schiff hinter sich gebracht haben. Die See, durch eine weitere Reihe von Sandb¨anken von den Faulenzern getrennt, erz¨ahlt jedenfalls nichts davon. Die singt heute ihr freundliches Lied, im Einklang mit Sonne und Wind. Sie gibt selten wieder etwas her, was sie einmal verschlungen hat, w¨ahrend der Wind die Schreie der Menschen eilfertig davon tr¨agt und die Sonne ihr Haupt verh¨ ullt“. So steht es, zwar ” 55
etwas komisch, aber leider nur zu wahr, in den alten B¨ uchern. Nein, dem Dickus ist nicht anzusehen, daß er vor kurzem Heizer gewesen ist und alles andere hat schlucken m¨ ussen als Salat¨ol. Konnys Augen sind nicht mehr vom Sturm entz¨ undet, seine Armmuskeln nicht mehr so schwer wie Blei. Die Todesfurcht ist aus ihm raus wie der Dampf aus der Gyllene Uttern“, die jetzt sicher vert¨aut im winzigen Un” terschlupf von Gaardhavn neben zwei Kuttern, einem Schrottfahrzeug und einigen Jachten liegt. ¨ Katja sieht so blank und erholt aus, als g¨ab’s so was Ahnliches wie eine Sch¨onheitskur, die sie gemacht haben k¨onnte. Hat einer von der Crew (außer dem Pudel) jemals verzottelte Haare gehabt? Es macht nicht den Eindruck. Ralf guckt behaglich auf die Einmann-Fischerboote. Ob die Angler wohl irgendwas aus der F¨orde rausziehen — nicht nur alte Konservenb¨ uchsen oder den ber¨ uhmten Schuh? An der Dixi“ sieht Ralf glatt vorbei. So, als ob er das ” Boot nicht ganz allein an der Schleppleine gefahren hat — bei t¨ uckischem Wetter f¨ ur einen Segler ziemlich schwierig. Der Pudel hopst hin und her und versucht, den schmalen, weißen Brandungsrand zu beißen, der schaumig auslaufend gegen die Sandbank schwappt. Er hat die Gef¨angniszeit im Klo der Dixi“ l¨angst vergessen. ” Katja ist verlegen, weil sie hochgeschreckt ist mit dem Schrei: Wo sind ” wir...?“ Also — ich hab doch wahr- und wahrhaftig von dieser Teufelsnacht ge” tr¨aumt“, lacht sie. Dabei sind wir schon ein paar Tage wieder in Hollekrug!“ ” Ein Blick auf die Dixi“, und du zweifelst nicht mehr daran“, sagt Konny. ” ” Die gl¨anzt wieder wie neu“. ” Und nun rufen sie sich alles noch einmal ins Ged¨achtnis zur¨ uck, wie der riesige, schwedische Kapit¨an in das Haus des B¨ urgermeisters von Gaardhavn gebracht worden ist. Jetzt wissen sie auch den Namen des Rotbarts“. ” Kapit¨an Marling hat’s ordentlich erwischt“, sagt Konny. Hoffentlich ” ” bringen sie ihn wieder auf die Beine!“ Noch in der Nacht war ein Arzt gekommen, um den Verletzten zu untersuchen: Schwere Gehirnersch¨ utterung, Handverstauchung, Prellungen — und eine allgemeine Ersch¨opfung: Kein Wunder, wenn man als einzelner: Kapit¨an, Matrose, Koch, Heizer, Tierpfleger — und was sonst noch alles — zugleich 56
gewesen ist. Ich bin nur froh, daß sie sich auch gleich seiner Tiere angenommen ha” ben“, sagt Katja. Sie und die Freunde konnten sich ebensowenig beklagen: Der Strandaufseher hatte die ganze Crew samt Pudel der Obhut seiner großen, dicken Tante anvertraut, deren Gutm¨ utigkeit und F¨ ursorge ihren k¨orperlichen Ausmaßen entsprachen. So was von Gastfreundschaft!“ sagt Katja bei dem Gedanken, wie sie nach ” dem Bestauntwerden“ verpflegt und verw¨ohnt worden sind. Und damit sind ” sie bei dem angelangt, was ihnen alles vorgesetzt worden ist. Da gab’ es erst mal Bacon og Aeg (Eier mit Speck), Risted br¨od med Sm¨or und haufenweise Syltet¨oj (R¨ostbrot, Butter, Obstgelee, Marmelade) — na, und Kaffee und Sahne und Zucker sowieso, nur daß die Sahne hier Fl¨ode hieß und der Zucker Sucker. Dazu die verschiedensten K¨asesorten. Zum Mittag dann Fruchtsuppe und Engelsk bof — also Beefsteak -, das dem Dickus noch nachtr¨aglich das Wasser im Munde zusammenlaufen l¨aßt. Ach, und die vielen, kleinen Zuckerguß-Kuchenst¨ ucke! Die D¨anen haben doch eine bessere K¨ uche als die Dixi‘“, erkennt der ” ’ Smutje neidlos an. Die p¨appeln auch den Rotbart‘ wieder hoch“. ” ’ Alle m¨ ussen an den zweiten Morgen denken: Katja roch trotz des heißen Bades immer noch ein wenig nach Ziegen, als sie gemeinsam an das Bett des schwedischen Kapit¨ans traten. So schwach der alte Riese auch war, er kriegte es gleich in die Nase und reimte sich alles zusammen: Mycken hjarteligt tack!“ murmelte er. Mycken ” ” hjarteligt tack!“ Was nichts mit M¨ ucken zu tun hatte, sondern mit viel“ : ” Vielen herzlichen Dank! Vielen herzlichen Dank!“ ” Ach, das Schicksal des Rotbarts, seiner eisernen Goldschlange“ und das ” der Tiere... Aus all den abgerissenen S¨atzen gelang es dem B¨ urgermeister, sich ein Bild zu machen: Zu Klingsborg war den Leuten das ehemals so n¨ utzliche Schiff Kapit¨an Marlings l¨astig geworden — diese schwimmende Wohnung, die in ihren Augen nur noch Platz wegnahm“. Die Viecher“ grasten auf ” ” ¨ fremden Weiden und verst¨arkten das Argernis nur. Da konnte der Rotbart sich n¨ utzlich zu machen versuchen, wo er auch wollte — es half ihm alles nichts. In seiner Not grapschte er alles gesparte Geld zusammen und brachte 57
das Schiff zur letzten Fahrt auf Trab“. Er wollte zu seiner verheirateten ” Schwester nach D¨anemark. Bei Fehmarn passierte es dann. Und wer weiß, was aus ihm geworden w¨are, wenn... Na ja. Mit der Schwester hab ich schon telefoniert“, erkl¨arte der B¨ urgermeister ” von Gaardhavn. Sie will ihn zu sich nehmen. Aber f¨ ur den Dampfer hat sie ” wahrscheinlich keinen Platz im Schrank. Dagegen Stall und Wiese f¨ ur die Tiere“. So, wie der Rotbart zuletzt ausgesehen hat, wird er mit allem einverstan” den sein“, sagt Katja zu den anderen. Und f¨ ur die Gyllene Uttern‘ kriegt er bestimmt noch einen anst¨andigen ” ’ Schrottpreis“, meint Konny. Aber der B¨ urgermeister hatte noch ein anderes Telefongespr¨ach gef¨ uhrt, und zwar eins, das Konny und seine Crew betraf! Nat¨ urlich hatte Kapit¨an St¨ ulpnagel erst einmal pflichtgem¨aß getobt: Leichtsinn!“ Heimlichkeit!“ und so. Doch er weiß genau, wie gut die Dixi“ ” ” ” in Schuß ist -und daß Konny und seine Crew umsichtiger und h¨arter segeln k¨onnen als die meisten Freizeitkapit¨ane“ auf den teuren lachten. ” Am dritten Tag ihrer abenteuerlichen Fahrt fuhr die Dixi“ samt Mann” schaft und Peggy nach Hollekrug zur¨ uck. Der Hafenkapit¨an schw¨ort darauf, daß — gegen jede internationale Vorschrift — so manches Schiff an der Gyllene Uttern“ vorbeigefahren ist. Um ” keine Zeit zu verlieren, Eigengef¨ahrdung zu vermeiden und — Geld zu sparen. Laut kann ich so was nat¨ urlich nicht sagen“, hat er gemurmelt. Ich hab ” ” ja keine Beweise daf¨ ur... Aber solche Unterlassungen kommen vor. Daher heißt es eindeutig: Bei Wahrnehmung von Schall- oder Sicht-Notsignalen ” sind alle Schiffe und jede Station zu unbedingter Hilfeleistung verpflichtet“. Wir haben die gesamte Schiffahrt gewarnt. Und man will mir doch nicht weismachen, daß niemand die Gyllene Uttern‘ am Tage hat treiben sehen“. ’ Die Dixi“ hat man im Rollekruger Jachthafen aufgeb¨ ugelt“ — daf¨ ur hat ” ” der Hafenkapit¨an h¨ochstpers¨onlich gesorgt, und die Crew durfte nach Hause, jeder ins Wannenbad, danach ins Bett. Schlafen, schlafen... Als Crew und Segelboot wieder seeklar“ waren, wollte Katja in die Breker ” F¨orde, auf die Sandb¨anke, ein bißchen schwimmen, behaglich langliegen. J¨orn hat ein herzhaftes zweites Fr¨ uhst¨ uck gemacht. Es wird beschlossen, daß man ihn zu Mittag in Ruhe l¨aßt. Daf¨ ur soll es ein ausgiebiges Abendessen 58
an Bord geben. Es ist ein Sonnabend, herrliches Segelwetter, und draußen auf See tummelt sich eine schwimmende“ Bootsausstellung: Sportboote jeder Art und Gr¨oße. ” Wenn man die farbigen R¨ umpfe der schnittigen Motorkreuzer sieht — oder die bunten Segel, k¨onnte man glauben, man sei am Mittelmeer. Ja, — nu’ kann uns nichts mehr ersch¨ uttern“, behauptet der Dickus wie” der einmal wohlig. Schlimmeres als eine Gyllene Uttern“ zu heizen, kann er sich nicht vor” stellen. Doch da bellt Peggy u ¨berschnappend. Das Tier rennt die schmale Sandbank auf und ab, kl¨afft und hustet seew¨arts, stellt sich bald auf die Hinterbeine, bald ganz komisch auf die Vorderpfoten. Es will doch nicht etwa ins Wasser hopsen, um auf dem Grunde Kopfstand zu machen...? Ein n¨aherkommendes Summen erf¨ ullt die Luft. Unwillk¨ urlich guckt Ralf nach oben. W¨ar ja nicht ausgeschlossen, daß hier irgendwo ein Wasserflugzeug runter gehen will. Pl¨otzlich steht der Dicke auf den Beinen. Donner — wie der sich bewegen kann, das traut ihm keiner zu! Der rasende Roland!“ ruft er. Wutschnaubend f¨ ugt er hinzu: Der hat ” ” uns noch gefehlt! Wo wir uns die Ruhe aber wirklich verdient haben!“ Recht hat er. Dieser Sonnabend sollte ein vergn¨ ugter — und kein ¨argerlicher werden. Und nun schießt dieses verr¨ uckte, gelbe D¨ usenboot wie ein Pfeil vor der F¨orde hin und her. Alle blickten jetzt aufs offene Meer. Na, wenigstens h¨alt er sich von den Segelbooten fern“, bemerkt Konny. ” Aber ein Rasender‘ ist dieser feine Herr Roland tats¨achlich, das muß man ” ’ sagen. Seinetwegen hab ich die Dixi“ neulich ganz schnell mit dem Heck ” durch den Wind drehen m¨ ussen, also das gemacht, was man ’ne Gefahren’ halse‘ nennt. Glatt schikaniert hat der uns..“. ... und meine Erbsen vom Herd geworfen“, schnaubt der Smutje. Hab ich ” ” nicht gesagt, mit dem will ich abrechnen bis auf die letzte Erbse? Der dicke Roland und sein Neffe, der — der Kohlkopf und der d¨ unne Suppenspargel“ — J¨orn denkt nur noch in Nahrungsmitteln — die beiden haben einen Tempo” Fimmel. Auch an Land!“ Stimmt“, nickt Ralf. Dein Suppenspargel‘ ist gestern wieder mit ” ” ’ 59
u ¨berh¨ohter Geschwindigkeit durch Hollekrug gebraust“. Aber doch nicht mit dem Boot“, lacht Katja. Sie pfeift Peggy heran und ” h¨alt ihn fest. Mit dem Boot doch nicht?“ ” Quatsch. Mit seinem Mercedes. Und mit der Sekret¨arin, dieser Primel, ” die immer ’ne Sonnenbrille aufhat wie ’n paar Winterreifen! Daß die mit so einem Gestell den Kuchen erkennen kann, wenn sie mit Roland oder seinem Neffen im Caf`e hockt?“ Ralf will sich wieder ausstrecken, aber er kommt nicht dazu. Knapp und scharf hat Konny gesagt: Was soll denn das...?“ ” Das d¨ usengetriebene Gleitboot ist auf anderen Kurs gegangen. Man sieht den Bug. Mit erh¨ohter Geschwindigkeit steuert es die herausragenden Sandb¨anke der F¨orde an. Die Freunde stehen auf. Sie sind gespannt. Was will denn der?“ murmelt J¨orn. ” Ja, was will er? Und so, als wollte es in die Luft“ gehen, kommt es auf die ¨außerste Sand” bank zu. Aber es l¨auft im seichten Wasser nicht auf wie ein gew¨ohnliches Kielboot. Keineswegs. Ein Zischen, Schleifen, kurzes Hin- und Hertaumeln des Bugs — und schon hat es das Hindernis u ¨ber dem nur eine Handbreit Wasser steht, halb u ¨berflogen, halb u ¨berrutscht. Wird es jetzt abdrehen? Die Freunde sehen den dicken Herrn Roland, dessen Glatze in der Sonne f¨ormlich blinkt. Seine buschigen, schwarzen Augenbrauen erkennt man auch. Er h¨alt das Steuer, w¨ahrend sein Neffe — der Suppenspargel — seitlich u ¨ber Bord h¨angt. Das Boot ist ideal f¨ ur Wasserski“, meint Ralf. Er ist sich noch keiner ” Gefahr bewußt. Doch der rasende Roland“ denkt nicht daran, die Fahrt zu vermindern. ” Er dreht auch nicht ab. Freunde!“ br¨ ullt J¨orn. Er kommt auf uns zu!“ ” ” Kein Zweifel! Der rasende Roland“ macht sich einen b¨osen Spaß. Er hat ” das Segelboot der Freunde erkannt. Und er mag auch J¨orns Wutschrei von neulich nicht vergessen haben. Nun will er der Crew ein bißchen Angst machen. 60
Das kann ins Auge gehen!“ schreit Ralf. ” Machen Sie keinen Unsinn!“ ruft Konny. ”
Wartet!“ droht J¨orn mit Signalhorn-Stimme. Wartet nur, wenn ich euch ” ” an Land erwische!“ Das gelbe Flachboot schießt ganz nahe heran. Peggy!“ gellt Katjas Stimme. Der Pudel hat sich losgerissen und ist ins ” Wasser gesprungen. Katja will ihm nach, doch Konny reißt sie zur¨ uck. Keine Sekunde zu fr¨ uh: Zwischen der Gruppe der Freunde und dem kleinen Hund braust das schwefelgelbe H¨ollenboot an der schmalen Sandbank entlang, platscht auf das Wasser der F¨orde und saust im Zickzack weiter wie ein Neujahrsschw¨armer. Endlich entfernt es sich mit gedrosselter Fahrt in Richtung Kuhn, nach Osten. Peggy ist vor Schreck das Bellen, Knurren und Husten vergangen. Das Tierchen kommt mit h¨angendem Kopf angetrippelt. Am ganzen Leibe zitternd, schmiegt es sich an Katjas Beine. Ralf steht sprachlos da. Der Dickus kneift die Augen und sieht dem entschwindenden Roland nach. So ’ne Gemeinheit“, beginnt Konny. So ’ne Gemeinheit ist mir noch nie ” ” passiert. Ich zeige nicht gern jemand an, aber das melde ich dem Hafenkapit¨an 61
und der Polizei!“ Was?“ knurrt J¨orn. Seine Stimme klingt b¨ose: Melden? Lange rumquat” ” schen mit den Beamten? Langes Protokoll — und so...? Nee, Konny — mit mir nicht!“ Aber was sollen wir sonst tun?“ Katja ist so w¨ utend, daß ihr die Tr¨anen ” in den Augen stehen. Dieser — dieser verr¨ uckte Roland h¨att Peggy glatt ” zerquetschen k¨onnen. Und die Kerle haben noch h¨ohnisch gelacht! Ich hab’s genau geh¨ort..!“ Meinst du, ich nicht?“ fragt J¨orn d¨ uster. Nee, mit denen rechne ich sel” ” ber ab. Ich hab neulich schon gesagt: Bis auf die letzte Erbse!‘ Jawohl. Der ’ saubere Herr Roland wird uns das verpfuschte Essen bezahlen, und das ist keine Kleinigkeit. Aber f¨ ur Peggys Schreck kriegt er von mir ’ne Extraportion zu h¨oren, daß ihm die Ohren kochen. Zehn B¨ uchsen Hundekuchen als Schmerzensgeld — ohne die kommt er nicht davon. Und wie ich mich kenne, hol ich aus dem noch die Hundesteuer f¨ ur ein ganzes Jahr raus!“ Der Dicke ist vor Zorn nicht zu halten: Was wollt ihr denn?“ fragt er. ” Meint ihr, der olle Affenkopf freut sich, seinen Bootsf¨ uhrerschein loszuwer” den? Lieber einigt er sich mit uns. Das m¨ocht ich beschw¨oren!“ Ja“, sagt Ralf. Das meine ich auch. Konny, wir segeln nach Kuhn, wo ” ” dieser Roland mit seinem Partner das Feriendorf baut. Da ist ein Liegeplatz, und im ersten, fertigen Bungalow wohnt er selber. Ich wette, da erwischen wir ihn... Los, ins Schlauchboot — und r¨ uber zur Dixi‘!“ ’ Okay“, nickt K¨apt’n Konny. Kn¨opfen wir uns den rasenden Roland‘ ” ” ’ mal vor!“
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Mit knapper Not entkommen Auf, nach Kuhn! · Der rasende Roland“ · Seine Hu ¨ hneraugen ” sollen sich freuen! · Weg hier!“ schreit Ralf · Die Dixi“ flieht · ” ” Konny rammt das Ruderboot · Zoll und Polizei · Katja will tanzen... So segeln die Freunde also u ¨ber die Breker F¨orde hinaus nach Kuhn, wohin der rasende Roland“ mit seinem D¨ usenrutscher entschwunden ist. ” Heute, am Wochenende herrscht vor der K¨ uste starker Sportbootverkehr. Zudem muß die Dixi“ kreuzen, im Zickzack gegen den Wind halten. ” Viele u ur das Absegeln‘ im Herbst“, tellt Konny fest. ¨ben jetzt schon f¨ ” ’ Absegeln?“ fragt Katja. ” Es gibt im Fr¨ uhjahr, wenn die Boote zu Wasser gebracht worden sind, ” ein Ansegeln‘, — und wenn der Sommer dann um ist, ein Absegeln‘, eine ’ ’ Regatta, ein Wettrennen zwischen den Hollekruger- und den Bodem¨ under Klubmitgliedern“, erkl¨art Ralf. Das nimmt man hier schrecklich ernst. Jeder ” tr¨aumt jetzt schon vom Siegespokal“. ’Ne ordentliche Suppensch¨ ussel w¨ar mir lieber“, grinst J¨orn. ” Endlich, hinter der Ostspitze der Breker F¨orde, kommt Kuhn in Sicht. Konny h¨alt auf das Land zu, wobei er und Ralf scharf auf die Untiefen achten. Katja reckt den Hals: Na, von dem Ort sieht man nicht viel!“ ” Soll ja erst einer werden“, brummt der Dickus. Kuhn hieß die Familie, ” ” die da mal ’n altes großes Haus hatte. Komisches Ding: Nach vorn raus Fischerhaus mit klitzekleiner Bucht — und nach hinten raus Bauernhof mit K¨ uhen auf der Wiese. Kuhns waren ’ne bekannte Fischer-Bauernfamilie. Oder Bauernfischer — wie man’s nimmt“. Ralf starrt schweigend aufs Ufer. Das hat der Roland alles gekauft“, sagt er dann. Aber ich hab ein dum” ” mes Gef¨ uhl. Ich brauche mir nicht lange die Augen zu wischen, damit ich sehe, daß das wieder so ein Ferienbau-Schwindel ist. Mindestens wird’s eine Pleite!“ Ein riesiges, massives Schild am Ufer verk¨ undet: Hier entsteht Rolands Feriensiedlung! ” Einzelh¨auser — Jachthafen mit Bootsliegepl¨atzen!“ 63
Ja, das kennen auch J¨orn und Konny l¨angst: Immer wieder kommen sogenannte Baul¨owen“, kaufen Land und versuchen ihr vermeintliches Gl¨ uck, ” das oft genug in der Pleite, manchmal sogar im Gef¨angnis endet. Die Zeitungen sind voll von solchen Geschichten. Hast recht“, sagt Konny zu Katja. Viel steht da noch nicht. Die Grund” ” mauern erinnern an Buddelk¨asten! Hihi! Ferienh¨auser! Die werden eher an Hundeh¨ utten erinnern, wenn sie fertig sind!“ Aber der Bungalow von Roland“, ¨argert sich J¨orn, der ist fertig. Sonst ” ” sieht man nur Baumaschinen, Baustoffe, Baracken — und die Halle, wo fr¨ uher Kuhns Hof stand. Vom Jachthafen noch keine Spur!“ Ja, da ist nur die alte Kleinbucht mit dem langen, gesch¨ utzten Steg. Und darauf steht wie zum Hohn wieder ein Schild: Privat! Anlegen verboten!“ ” Da!“ ruft Katja aufgeregt. Das gelbe Boot haben sie auf den Strand ” ” gezogen! Seht mal! Es liegt ziemlich weit an Land! Auf einer Karre! Oder was ist das?“ Die Karre?“ fragt Konny. Ein besonderes Fahrzeug, das man ins Was” ” ser schieben kann. Das Boot f¨ahrt rauf, ein Auto wird vorgespannt, und der Kahn wird — eins, fix, drei — an Land geholt. Hm. Ich sehe den dicken ¨ Roland nicht, auch nicht den Neffen-Spargel. Uberhaupt kein Lebewesen außer M¨owen: Na ja... Von der Autostraße besteht ja noch kein befestigter Weg hierher. Und wer will schon seinen Sonntag auf so ’ner Baustelle verbringen?“ J¨orn lacht grob: Wie ich Roland kenne, hat der ringsum alles mit Ver” botsschildern gespickt. Damit ihn keiner st¨ort in seinem Haus!“ Aber uns hat er gest¨ort“, sagt Ralf. Und deshalb rupfen wir mit ihm ein ” ” H¨ uhnchen. Er h¨atte Peggy zerquetschen k¨onnen!“ Los, rein in die Badewannenbucht“, knurrt J¨orn. ” Ohne Segel, nur mit dem Hilfsmotor, schippert Konny die Dixi“ vorsichtig ” an den gesch¨ utzten, langen Steg. Und trotz des Verbotsschildes legen die Freunde an. Ich gehe mit J¨orn“, schl¨agt Ralf vor. Konny und Katja k¨onnen dem ” ” Pudel inzwischen D¨aumchendrehen beibringen“. Gemacht“, stimmt J¨orn zu. Warum soll Konny immer der Held sein? ” ” Diesmal sind wir dran. Rolands H¨ uhneraugen sollen sich freuen!“ 64
Die beiden laufen u ¨ber den knarrenden Steg. Man sieht sie auf die h¨aßliche Halle zustapfen, aus der wohl wieder ein Bootsschuppen werden soll. Sie bleiben stehen. Offenbar u ¨berlegen sie, ob sie dorthin oder zu Rolands Haus gehen sollen. Anscheinend ist da aber nichts los. Die Fensterl¨aden sind zugeklappt. Ralf und J¨orn entschließen sich f¨ ur den Weg zur Halle. Konny und Katja sehen die beiden nun nicht mehr, denn eine gelb rote Baumaschine versperrt den Blick. Katja und K¨apt’n Konny lutschen Bonbons. Peggy besch¨aftigt sich mit einem Beißknochen. Die Bonbons werden immer weniger. Daran sieht man, wieviel Zeit vergeht. Ein bißchen unheimlich“, meint Katja. Alles menschenleer, das Teufels” ” boot von Roland auf dem Trockenen, wo es uns doch vorhin erst beinahe u ¨ber die K¨opfe geschossen ist... Und Ralf und J¨orn kommen nicht wieder!“ An dem langen Steg nur ein Ruderkahn“, bemerkt Konny. Er lacht: Sieht ” ” hier fast aus wie in einer Sperrzone“. Kaum hat er das gesagt, da tauchen die Freunde am Ufer auf. Ralf fuchtelt mit den H¨anden, auch J¨orn macht sonderbar abwinkende Bewegungen. Und beide laufen so schnell sie k¨onnen u ¨ber die Holzplanken. Weg hier!“ schreit Ralf. Leinen los!“ ” ” Motor an!“ r¨ohrt der Dicke. ” Konny hat keine Zeit, etwas zu fragen. Die Freunde plumpsen auf die Dixi“. ” Raus aus der Bucht“, keucht J¨orn. ” In den Gesichtern der beiden steht Entsetzen. Fieberhaft legt die Crew mit der Dixi“ ab, Konny bringt den Hilfsmotor ” auf Trab. Schon tuckern sie aus der Bucht. Da! Da!“ schluckt Ralf, sich umsehend. Sie kommen!“ ” ” Wer?“ Katja macht große Augen. ” Und Peggy bellt und bellt und bellt. Auf dem langen Steg sieht man den rasenden Roland“, gefolgt von seinem ” d¨ unnen Partner. Roland br¨ ullt wie ein Stier. Hals umdrehen“, verstehen die Freunde. Wartet! Ich schick euch zu den ” ” Fischen!“
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Um Himmels willen, was war denn los?“ fragt Katja entgeistert. Das ” ” klingt ja m¨orderisch!“ Achtung!“ warnt Ralf mit flatternder Stimme. Die springen in das Ru” ” derboot. Segel setzen! Schnell! Schnell! Wir m¨ ussen in den Wind! Die k¨onnten uns noch kriegen!“ Ja, das k¨onnten sie! Denn die markierte Fahrrinne verl¨auft f¨ ur Boote mit Kiel nicht geradeaus. Mit dem Ruderkahn aber kann man den Weg abschneiden! Die Segel stehen. Die Dixi“ geht in den Wind. ” Roland und Partner klettern aus dem Ruderkahn auf den Steg zur¨ uck. Raus auf See!“ dr¨angt J¨orn, der doch sonst keine Angst hat. Raus! ” ” Wenn die ihr gelbes D¨ usenboot ins Wasser lassen, kriegen sie uns in ein paar Sekunden! Und dann schmei{ en sie uns ins Wasser!“ Aber wieso?“ rufen Konny und Katja zugleich. ” Und Konny f¨ ugt hinzu: Daß ihr euch beschwert habt — daran kann’s ” doch nicht liegen? Die toben ja, als h¨attet ihr was geklaut!“ Wir nicht!“ keucht J¨orn. Aber die, und das haben wir gesehen. Die Halle ” ” hat Oberlichtfenster. Und weil wir drinnen Ger¨ausche h¨orten, sind wir auf einen Kran gestiegen..“. Und?“ fragt Konny rasch. ” Vier Mercedes-Wagen vom gleichen Typ“, japst Ralf, vom gleichen Jahr” ” gang und von gleicher Farbe. Alle mit denselben Autonummern! Und ein paar Kerle frisieren noch an den Wagen rum!“ Waaas...?“ Konny macht Stielaugen. Das ist ein Klauverein. In der Zei” ” tung stand neulich, 68 Autos sind schon als gestohlen gemeldet..“. Immer mit dem selben Trick“, best¨atigte Ralf hastig. Ein einziger Wa” ” gen hat echte Kennzeichen und echte Papiere. Und mit anderen auf echt‘ ’ gef¨alschten, gleichlautenden‘ Kennzeichen und ebensolchen Kfz-Scheinen ’ flitzen die in der Nacht in einem gestohlenen Auto zu irgendeinem Mittelsmann. Bei ’ner Verkehrskontrolle stimmt alles — ¨außerlich. Falls kein Polizist auf die Idee kommt, Motor- und Fahrgestellnummer zu pr¨ ufen!“ Sie laufen zu ihrem Rennboot!“ ruft Katja. ” Verflixt. Konny kann so nahe am Ufer nicht segeln wie er will. Hier besteht noch die Gefahr des Aufbrummens. Sie kriegen ihren Feuerschlitten nicht ins Wasser!“ bemerkt Ralf. Nee — ” ” sie kramen in den Taschen. Oder?“ Er sieht durchs Fernglas. Wahrscheinlich ” 66
suchen sie den Z¨ undschl¨ ussel!“ Inzwischen n¨ahert sich ein blaues, offenes Motorboot mit einem einzigen Insassen der Bucht. Der geh¨ort sicher nicht zu der Roland-Bande. Das ist ein Sonntagssportler, so etwas riecht“ man f¨ormlich. Der Ungl¨ uckswurm will ” wohl an den Steg. Er klettert auch seelenruhig hinauf. Aber da sind Roland und Partner heran. Die Dixi“ -Crew sieht, wie die Banditen den ahnungslosen Mann in ” sein Motorboot zur¨ uckstoßen. Der zappelt, aber sein Hilfeschrei bleibt ihm in der Kehle stecken. Achtung!“ ruft Katja. Jetzt verfolgen sie uns mit dem fremden Motor” ” boot!“ Konny hat die Windzone erreicht. Er sieht den Bug des offenen Brummers gischend auf die Dixi“ zuhalten. ” Aber die Segel f¨ ullen sich jetzt pr¨achtig. Das Boot der Freunde mischt sich zwischen die Sportschiffe vor der K¨ uste. K¨apt’n Konny h¨alt die Dixi“ immer dicht an andere Schiffe. M¨ogen ihn ” auch noch so viele ¨argerliche Zurufe treffen. Willst du Zusammenst¨oße gleich serienweise bauen?“ fragt Katja. ” Nein“, grinst Konny. Aber so dicht zwischen den anderen kann uns der ” ” rasende Roland“ nicht erwischen! Noch dazu mit dem festgehaltenen Besit” zer von dem blauen Motorboot!“ J¨orn lacht: Konny hat recht! Die kurven m¨achtig! Sie trauen sich nicht ” unter die vielen Boote um uns rum. Der Besitzer k¨onnte Hilfe‘ schreien. Und ’ wir auch! Da w¨aren gleich zehn oder zwanzig Retter zur Stelle!“ Vor dem Wind rauscht die Dixi“ in die Reihen der u ¨brigen Sportboote ” an der Breker F¨orde vorbei und biegt nach links in die Hollekruger Bucht ein. Gerettet...? Das hat sich die Crew gedacht! Und das Bodem¨ under Ruderboot mit dem Schlagmann Peter von der Paracelsus-Schule, den Achter mit Steuermann“, den Trainer M¨ ucke“ — ” ” diesen hier h¨ochst u berfl¨ u ssigen Sportverein — hat die Dixi“ -Mannschaft ¨ ” doch total vergessen. Bei Diepersand, vor dem Schulte-Phenol“ -Werk, kommt pl¨otzlich das ” lange, d¨ unne Ruderboot hinter einem am Kai liegenden Seeschiff hervorgeschossen. 67
Trainer M¨ ucke“, als Steuermann, gibt durch Handlautsprecher Anwei” sungen: Heini, Riemen drehen! Robert, nicht so tief das Blatt eintauchen! ” Alle zugleich! So ist’s recht!“ Die Bodem¨ under probieren wieder das in Hollekrug gebaute Boot aus. Und dann probieren sie, wie das Wasser in der Hollekruger Bucht schmeckt. Jawohl. Konny versucht noch auszuweichen. Aber es ist zu sp¨at. Und daß das lange, d¨ unne Boot umkippt, ist nicht seine Schuld. Fender raus, leinen raus!“ schreit Ralf. Alles her, wo die sich anh¨angen ” ” k¨onnen!“ Die Bodem¨ under schwimmen, klammern sich an ihr gekentertes Boot, prusten, schimpfen, schreien. Jollen n¨ahern sich, Motorflitzer, vor allem aber — der Zollkreuzer! M¨ ucke“, Peter und die anderen werden schnell aufgefischt. ” Fehlt noch einer?“ kreischt M¨ ucke“ rundum. Es fehlt gottlob keiner. ” ” Jeder hat einen Retter gefunden. Konny br¨ ullt den Beamten zu, sie sollen nach Hollekrug funken. Polizeiwagen m¨ ussen sofort nach Kuhn... Die Autobande, der rasende Roland“! ” Der lange Peter ist auf der Dixi“ gelandet. ” Platschnaß und mit b¨osem Gesicht sitzt er im Cockpit. Die Zollbeamten haben bereits gefunkt. Jetzt fragen sie noch einiges von Boot zu Boot. Sonnenklar!“ lacht J¨orn. Die Roland-Bande hat sich immer auff¨alliger ” ” gemacht. Mit ’nem Auto an Land, mit dem Feuerschlitten auf dem Wasser! Da kam kein Mensch auf den Gedanken, daß die noch Zeit zum Autoklauen h¨atten!“ Der Zollkreuzer rauscht seew¨arts. Jetzt funkt der bestimmt die Wasserschutzpolizei und alle m¨oglichen Dienstboote an, damit der saubere Roland mit seinem Suppenspargel auch nicht zu Wasser entwischt. Aber der Schlagmann Peter hat keinen Sinn f¨ ur diese Sache. Das sollt ihr b¨ ußen“, hustet er. Morgen erkennt ihr euren Segelkahn ” ” nicht mehr! Den beschmeißen wir mit Farbbeuteln!“ Damit wir uns daran erinnern, daß ihr schuld wart“, grinst J¨orn. ” Eben!“ bekr¨aftigt Ralf. ” Und Katja fl¨otet in s¨ ußesten T¨onen: Wie w¨ar’s mit einem Vers¨ohnungsfest ” im Bodem¨ under Ruderklub? Auf eure Kosten, weil ihr uns so pl¨otzlich vor den Bug gekommen seid?“ 68
Du willst wohl mal mit uns rudern?“ murrt Peter. ” Nein, aber tanzen“, l¨achelt Katja. Ein netter Tanzabend in eurem Ju” ” gendverein — w¨ar das nichts?“ Peter guckt sich Katja genau an. Sein Gesicht gl¨attet sich. K¨onnte man sich u ¨berlegen“, meint er, schon fast bes¨anftigt. ” K¨apt’n Konny nimmt Kurs auf den Dienstkai. Er lacht: Na, siehst du, ” Peter. Einer Katze kann kein L¨owe, kein Nashorn — und kein Ruderer widerstehen!“ Nun muß auch der lange Peter lachen. Wir haben uns alle einen Klubabend verdient“, meint Ralf. Ja, wahr” ” haftig!“ feixt J¨orn. Und dann tanze sogar ich! Diese Aufregungen immer... ” Die waren ein bißchen viel f¨ ur einen armen Smutje!“ Und ob!“ sagt Konny. Kinder, das war wieder ein angebrannter Tag! ” ” Aber Roland m¨ochte ich jetzt nicht heißen!“ Darin ist sich die ganze Crew einig. Sogar Peggy bellt scheinbar verst¨andnisinnig...
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K¨ apt’n Konnys Seekiste Ablandiger Wind Der Wind weht vom Land in Richtung See. Achtern Hinterer Teil eines Schiffes. Achteraus Alles, was sich hinter dem Schiff befindet, liegt achteraus. Albino Ein Lebewesen, dem Pigmente (Hautfarbstoff) fehlen. Z. B. sind Kaninchen mit roten Augen Albinos. Es gibt auch menschliche Albinos. Außenbordmotor Ein Motor, der außenbords befestigt wird, er ist also nicht fest in das Schiff eingebaut. Von Segelbooten wird er als Hilfsmotor benutzt. Wer einen Außenbordmotor u ufung ablegen. ¨ber 5 PS benutzen will, muß vorher eine Pr¨ Diese Vorschrift ist neu! Backbord Die Begriffe links“ und rechts“ sind an Bord unbekannt. Die linke ” ” Bootsh¨alfte nennt man Backbordseite, die rechte Bootsh¨alfte Steuerbordseite. Hier hilft eine kleine Eselsbr¨ ucke: Im Steuerbord ist ein r“ wie in rechts. ” Backbord wird nachts rot beleuchtet, Steuerbord gr¨ un. (Eselsbr¨ ucke, wenn du eine Ohrfeige bekommst. landet sie meist auf deiner linken Backe und die wird rot. Die linke Seite des Schiffes wird also rot beleuchtet.) Barkasse Ein großes Motorbeiboot auf Kriegsschiffen. Boote ¨ahnlichen Typs, die im Hafen herumfahren, werden auch so genannt. Barometer dient zum Messen des Luftdruckes. Aus den Ver¨anderungen des Barometerstandes kann man zusammen mit dem Thermometer und dem Feuchtigkeitsmesser (Hygrometer) auf die kommende Wetterlage schließen. Bilge (sprich: Bilsch) Der unterste Raum im Schiff. Hier sammeln sich Wasser, ¨ und sonstige R¨ Ol uckst¨ande an. Bei Holzbooten k¨onnen an dieser Stelle die
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Bretter durchfaulen. Bru ¨ cke ist die Kommandobr¨ ucke auf großen Schiffen. Hier befinden sich die Steueranlagen und die Einrichtungen f¨ ur die Weitergabe der Befehle an den Maschinenraum (Maschinentelegraf). Bug Vordere Spitze des Schiffes. Heck ist der hinterste Teil des Schiffes. Cockpit (heißt auch Plicht) ist der vertiefte Sitzraum einer Jacht. Von dort werden Segel und Ruder bedient. Dock Eine Anlage zum Trockenstellen der Schiffe. Ben¨otigt man bei Arbeiten am unteren Teil des Schiffsrumpfes. Ebbe nennt man das Fallen des Wasserspiegels bzw. das Zur¨ uckfluten des Wassers. das man an den K¨ usten der Meere beobachten kann. Steigt das Wasser wieder, spricht man von Flut. Fender Elastisches Polster aus Kunststoff, alten Autoreifen, Tauwerk. o. ¨a. Der Fender soll Besch¨adigungen des Schiffes beim Anlegen verhindern. Flaute Windstille. Flu ¨ stertu ¨ te Ein trichterf¨ormiges Sprachrohr . F¨ orde Das Wort kommt aus dem Niederl¨andischen und bedeutet: eine schmale lange Meeresbucht. Fock Ein Vorsegel. Besonders kleine Vorsegel nennt man Sturmfock. Ein besonders großes Vorsegel heißt Genua. Gaffeltakelung
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Galeere Ruderkriegsschiff. Es wurde seit dem griechischen Altertum bis ins 18. Jahrhundert benutzt. Die 25 bis 30 Ruder der Galeere wurden von je drei Mann bedient; das waren meist Kriegsgefangene oder Str¨aflinge, die Galeerensklaven. Genua Ein sehr großes Vorsegel, oft gr¨oßer als das Großsegel, das nach der italienischen Hafenstadt Genua benannt ist. Gibraltar Englische Kolonie an der S¨ udspitze Spaniens. Von Gibraltar aus kann man u ¨ber die Meeresenge, die Straße von Gibraltar“, bis nach Afrika sehen. ” Ber¨ uhmt sind die auf Gibraltar frei lebenden Affen. Gleitboot Ein Boot mit flachem Unterschiff, hat wenig Tiefgang und kann wegen seiner geringen Wasserverdr¨angung meist ziemlich schnell fahren. Den in unserem Buch erw¨ahnten D¨ usenantrieb gibt es tats¨achlich. Großsegel Das Segel, das am Mast angeschlagen wird, heißt Großsegel. Im Gegensatz zur Fock und zur Genua. (Sie sind am Vorstag befestigt.) Halsen Den Kurs eines Segelschiffes ¨andern, indem man mit dem Heck des Schiffes durch den Wind dreht. Heck Der hintere Teil eines Schiffes. Helsinki 72
Hauptstadt und großer Hafen Finnlands. Heuer Lohn eines Seemannes. Ein Seemann, der sich f¨ ur den Dienst an Bord eines Schiffes verpflichtet, heuert an. Jacht Ein Segelboot mit einem Kiel. Der Kiel ist eine Art Gegengewicht zum Segel. Wie bei einem Stehaufm¨annchen sorgt der Kiel daf¨ ur, daß das Boot nicht kentert. Wenn der Wind zu stark wird und das Segel nicht rechtzeitig gerefft (→reffen) wird, dann kann es passieren, daß entweder der Mast bricht oder das Boot doch kentert. Dann n¨amlich, wenn das Gewicht“ des Windes ” wesentlich gr¨oßer ist als das Gewicht des Kieles. Gef¨ahrlicher Nachteil von Jachten: Wenn sie bei Sturm voll Wasser schlagen, gehen sie mit ziemlicher Sicherheit unter. Jolle Alle Segelboote, die keinen Kiel, sondern ein Schwert haben. Fast alle Jugendsportboote sind Jollen. Sie sind leicht und haben praktisch keinen Tiefgang. (Das Schwert kann ja hochgezogen werden.) Gr¨oßter Nachteil: Alle Jollen k¨onnen kentern. Klaren Etwas klarmachen, in Ordnung bringen, z. B. ein Schiff aufklaren. F¨ ur den Seemann klart auch das Wetter auf (wenn es sch¨oner wird). Koje ist der Name f¨ ur das Bett auf Schiffen. Die Hunde-Koje ist nicht etwa f¨ ur den Bordhund Peggy gedacht — sie ist eine enge, neben dem Niedergang eingebaute Schlafstelle. Kollision Zusammenstoß zweier Schiffe. Wird dadurch ein Schiff man¨ovrierunf¨ahig. spricht man von →Havarie. Kreuzen Kein Segelschiff kann direkt gegen den Wind fahren. Um zu einem Ziel zu gelangen, das dort liegt, wo der Wind herbl¨ast, muß man gegen den Wind ankreuzen, d. h. hart am Wind segeln.
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Ladebaum Ersetzt auf einem Schiff den Kran. Mit dem Ladebaum werden Lasten von Bord gehoben. Lee Die dem Wind abgewandte Seite. Leichtern Ein Schiff leichter machen, z. B. um den Tiefgang zu verringern. Allgemein heißt es auch: ein Schiff entladen“. ” Leuchtfeuer, Leuchttonnen bezeichnen Schiffahrtswege oder dienen den Schiffen zur Orientierung. Luv Die Richtung. aus der der Wind kommt.
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Manometer ¨ dient zum Messen des Uberdruckes, z. B. des Luftdruckes in Autoreifen. Mast- und Schotbruch Dieser fromme Wunsch soll nat¨ urlich nicht in Erf¨ ullung gehen. Es ist ein Seglergruß wie Hals- und Beinbruch“. ” Motorsegler Segel- und Motorboot zugleich: Die Segeleigenschaften sind allerdings nicht so gut wie bei einem reinen Segelboot. Motorsegler sind, wenn sie mit einer Maschine fahren, langsamer als eine Motorjacht. Aber man kommt mit solchen Schiffen immer nach Hause. auch wenn die Maschine einmal nicht mehr mag. Neptun Die alten R¨omer verehrten ihn als Gott des Wassers und der Meere. (Die
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alten Griechen nannten ihn Poseidon.) Neufundl¨ ander sind große, langhaarige Hunde; sie sind ausgezeichnete Schwimmer und haben schon viele in Seenot geratene Menschen gerettet. ¨ Olzeug ¨ Firnis- und Kunststoffbeschichtung wasserdicht gemachte KleiDurch Ol-, dung f¨ ur Seeleute (Hose,Jacke. Mantel und Kappe). Heute werden diese Kleidungsst¨ ucke aus Kunststoff hergestellt. Pantry (sprich: P¨antry) Ein englisches Wort und bedeutet eigentlich Speisekammer auf Schiffen. Seeleute verstehen darunter eine Minik¨ uche. Pantry ist das gleiche wie eine Komb¨ use. Persenning Wasserdichtes Segeltuch. Pier Landungsbr¨ ucke, Hafendamm, Kai. Pinne (auch Ruderpinne genannt) ist ein waagerechter Hebel zur Steuerung des Bootes. Gr¨oßere Segelboote haben meist ein Steuerrad. Radar ist eine Funkmeßtechnik. Gegenst¨ande, die das Auge nicht wahrnimmt, werden mit Hilfe der Funktechnik erfaßt, und ihr Standort wird bestimmt. Radarger¨ate auf Flugh¨afen beobachten den Weg der an- und abfliegenden Maschinen. Auf Schiffen melden sie auch nachts oder bei Nebel andere Schiffe, Eisberge oder sonstige sich n¨ahernde Gefahren. Radar arbeitet so: Elektromagnetische Wellen von sehr kurzer L¨ange werden von dem Ger¨at ausgestrahlt. Treffen sie auf einen Gegenstand, werden sie zur¨ uckgeworfen. Dieses Echo wird vom Empf¨anger verst¨arkt und dem Auswerteger¨at zugeleitet. Aus der Strahlrichtung und der Zeitdauer vom Sender zum Gegenstand und zur¨ uck zum Empf¨anger k¨onnen Richtung und Entfernung des wahrgenommenen Gegenstandes genau festgestellt werden. Regatta
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Bootswettkampf. Reeder Besitzer eines Schiffes. Reederel ist das Gesch¨aft eines Reeders. Reffen Das Großsegel verkleinern. Das ist notwendig bei Sturm. Es gibt Patentreffs, da wird das Großsegel um den Großbaum gewickelt. Und es gibt Bindereffs, da wird das Großsegel herabgelassen und an bestimmten Stellen am Großbaum neu festgemacht. Schapp kommt aus dem Niederl¨andischen und heißt Bordschrank. Schiffsuhr Besonders sichere und genaugehende Uhr. Diese sekundengenaue Uhr ist notwendig, wenn man mit einem Sextanten den genauen Standort des Schiffes feststellen will. Ein Sextant mißt den Winkel zwischen Horizont und einem bekannten Gestirn, am besten der Sonne. Schot (sprich: Schoot) heißt die Leine, mit der man ein Segel so stellt, wie es die Richtung des Windes erfordert. Schwojen Wenn sich ein Schiff um die Boje oder den Anker dreht, nennt man das schwojen. Schwimmweste Rettungsmittel f¨ ur u ¨ber Bord gegangene Segler. Beim Kauf einer Schwimmweste ist unbedingt darauf zu achten, daß das Modell auch einen bewußtlosen Menschen in die R¨ uckenlage bringt (Auftriebsk¨orper an der Brust und sichere Genickst¨ utze).
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Seemeile =1850m. Die Geschwindigkeit von Wasserfahrzeugen gibt man mit Knoten“ ” an. Ein Schiff f¨ahrt drei Knoten, wenn es in der Stunde drei Seemeilen zur¨ ucklegt. Seemannsknoten, die jeder Junge kennen sollte Seemannsknoten halten eisern und sind wieder leicht zu l¨osen.
¨ A Uberhandschlag 78
B Achtknoten C Kreuz- oder Reffknoten D einfacher Schotstek E doppelter Schotstek F Webeleinenstek G zwei halbe Schl¨age H Pfahl- oder Palstek SOS Internationales Notsignal, kann durch Morsezeichen optisch. akustisch oder durch Funk ausgesandt werden. Im Sprechfunkverkehr, besonders der Flugzeuge, wird heute in Notsituationen dreimal das Wort MAYDAY“ ” gesprochen. Dieses Wort kommt aus dem Franz¨osischen und heißt soviel wie Helfen Sie mir!“ (von: m’aidez) ” Spinnaker Wenn der Wind von hinten (achtern) kommt und nicht zu stark ist, kann auf Segelbooten der Spinnaker als weiteres großes Vorsegel gefahren werden. Damit erh¨oht sich die Geschwindigkeit der Boote betr¨achtlich.
Stag Drahtseile, die zur Abst¨ utzung des Mastes zur Seite, nach vorn und nach hinten dienen, Die seitliche Abst¨ utzung erfolgt durch Drahtseile, die Wanten heißen. Stauen 79
heißt soviel wie wegpacken, verstauen, unterbringen. Steuerbord Rechte Seite eines Schiffes. Su ¨ dwester Wasserdichte Kopfbedeckung f¨ ur Seeleute.
Takel Vielfach sagt man f¨ ur Segelsetzen auftakeln. Das ist falsch. Auftakeln heißt, die Masten eines Schiffes setzen. Tampen So wird in der Seglersprache das Ende einer Leine bezeichnet. To ¨rn Als T¨orn bezeichnet man eine Anzahl von Tagen auf See (Seereise). Trimmen Bei einem Segelboot die bestm¨oglichen Segeleigenschaften herzustellen. Das erreicht man z. B. durch richtige Mast- und Segelstellung. Trosse ist ein starkes Tau oder Drahtseil. Tritt Jede Meeresstr¨omung bringt Schiffe etwas aus ihrem Kurs. Ein solches Versetzen eines Schiffes nennt man Trift. Die Abtrift ist um so gr¨oßer, je schw¨acher die Antriebskraft des Schiffes ist. Wenn das Schiff also ohne Segel
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und ohne Motor fahrt, wird es durch die Str¨omung fortbewegt. Vollschiff Man versteht darunter ein mit drei bis f¨ unf Masten ausger¨ ustetes Segelschiff. Alle Masten sind mit Rah-Segeln (Segel, die waagerecht zum Mast angebracht sind) getakelt. Heute dienen diese Schiffe der Ausbildung junger Seeleute.
Vollzeug Alle Segel, die ein Boot f¨ uhren kann. Wanten dienen zur seitlichen Abst¨ utzung des Mastes. Wiek kommt aus dem Niederl¨andischen. Besonders die kleinen Buchten in der Ostsee werden so genannt. Windjammer hat mit Jammer nichts zu tun. Windjammer sind große. meist pr¨achtige Segelschiffe. Wurfanker Kleiner Anker, an dem eine Leine befestigt ist, mit dem man z. B. auch ins Wasser gefallene Gegenst¨ande herausfischen kann. Auf kleinen Segelbooten wird er kaum benutzt. Zurren meist: festzurren; heißt festbinden, festmachen.
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