Inhalt Das Birstal
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Der Weg zum Bau
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Das Goetheanum Das erste Goetheanum Das zweite Goetheanum Im Goetheanum
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Inhalt Das Birstal
6
Der Weg zum Bau
8
Das Goetheanum Das erste Goetheanum Das zweite Goetheanum Im Goetheanum
18 20 23 26
Schreinerei-Umgebung
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Geländeplan
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Von Rudolf Steiner entworfene Bauten
48
Arlesheim
73
Dornach
84
Das Birstal Die Rheinebene mit ihrem Schottergestein aus vielen verschiedenen Steinarten (z. B. Granit, Sandstein, Schiefer) besteht aus Ablagerungen, die von nahezu allen Teilen der Alpen herkommen. Im Birstal hingegen wird der Talboden von angeschwemmtem Juragestein, Kalk, gebildet. Rheinabwärts liegt zwischen dem Urgesteinsgebirge des Schwarzwaldes und der Vogesen die tertiäre Einsenkung der Oberrheinischen Tiefebene. Einst war sie ein Meeresarm. In den Ablagerungen des Tertiär finden sich Versteinerungen, darunter auch Blätter des Zimtbaumes, die auf ein einstmals subtropisches Klima schliessen lassen. Heute noch sind die Kalkvorhügel des Schwarzwaldes und der Vogesen Inseln der Wärme und Trockenheit; sie weisen mit ihrer Pflanzendecke mediterrane Züge auf. Dornach erhielt vom Volksmund das Attribut «Solothurner Riviera». Mit dem Gempenplateau beginnt nach Süden verlaufend das Juragebirge mit seinen waagrecht liegenden Kalkschichten. Die gegen das Tal abgebogenen Malmkalkrippen sind der Standort all der Ruinen und Burgen im Umkreis des Birstals. Diese Kalkfelsen sind durchzogen von Hohlräumen und Schrunden der Verwitterung, wobei die äussere Einwirkung der Eiszeit zusätzlich noch Gletschermühlen und Höhlen entstehen liess. Besonders eindrucksvoll sind sie hinter dem Schloss Birseck im Eremitagetal anzutreffen. Im Gegensatz zu diesen Schlossfelsen ist die vorgeschobene Erhebung des Goetheanum-Hügels ein Bergsturzgebiet, auch Sackung genannt. Einzig am südwestlichen Abhang des Hügels erkennen wir im «Felsli» die äusserste Erhebung eines Kalkfelsbandes. Wenden wir uns den heutigen Gegebenheiten zu, so erleben wir das Birstal als vorstädtisches Siedlungs- und Industriegebiet, umschlossen von bewaldeten Hügeln. Schön restaurierte Burgen und Ruinen lassen eine bewegte Vergangenheit dieser Gegend erahnen. Nähern wir uns Dornach, wo das Goetheanum beheimatet ist, grüsst uns der Bau, ein Monument, das aus der Charakteristik der Landschaft herausgewachsen scheint.
geologische Beschaffenheit
Goetheanum und Gempenplateau im Morgendunst, von Reinach her gesehen.
Der Weg zum Bau
Das Goetheanum von Südwesten
Zufahrtsstrasse mit Haus De Jaager, von Rudolf Steiner 1920 entworfen. Im Hintergrund Schlossruine Dorneck.
Der «Felsli»-Weg
Wollen wir uns dem Goetheanum nähern und den ganzen Landschafts- und Himmelsumkreis in dieses Erlebnis einbeziehen, wählen wir den «Felsli»-Weg, der von der Autostrasse nach links abzweigt (siehe Geländeplan S. 46).
Die erwartungsvolle Stimmung unseres Ziels wird vorerst abgelenkt. Das «Felsli» verdeckt die Sicht zum Goetheanum, die weite Landschaft tut sich vor uns auf. Vom Jura über Pfeffingen am Fusse des Blauen bis hin zur Landskron und dem nahen Elsass breitet sich das Birstal vor uns aus. Die Sitzbank, in einer Wegnische angebracht, bietet Gelegenheit zum Verweilen.
«Felsli»-Weg
Gartenarchitektonische Elemente
Sitzbank
Im Zusammenhang mit der Landschaftsgestaltung für das erste Goetheanum wurde die Anlage des Weges und der dazugehörigen Objekte wie Sitzbank, Gartentor und Pflasterung der Rondellaufschüttung ausgeführt. Der mitarbeitende Architekt, H. Ranzenberger, äusserte sich dazu: «Es ist sozusagen von seiten der gartenarchitektonischen Regie alles getan worden, um das Erlebnis des erstmaligen Erblickens des Baues künstlerisch zu gestalten.» Gartentor zum Haus Duldeck
Rondellpflasterung, auch «Drachenschwanz» genannt. Erreichen wir dieses Schattenplätzchen, so befinden wir uns am Endpunkt der verlängerten Ost-West-Achse des Goetheanum. Wir begegnen hier einem Ende, das für unsere Betrachtungen den Anfang bedeutet.
Die Wegsteine
Skizze Rudolf Steiners zu den Wegmalen
Die Wegsteine verraten durch ihre Gestaltung die Zugehörigkeit zum ersten Goetheanum. Ihren Sinn aber erfüllen sie auch gegenüber dem heutigen Bau: als Begleiter des von Westen Kommenden, auf der Achse des Goetheanum dem Sonnenaufgangspunkt entgegen Schreitenden. Dieser bewegt sich jetzt nicht mehr auf einer Strasse oder einem Weg; er führt eine Linie im Raum aus, die ihn zu einem Mittelpunkt führt, dem Goetheanum. Die beiden letzten Steinpaare, zur doppelten Grösse angewachsen, weisen durch ihre Formgebung darauf hin, dass wir jetzt etwas ganz Neuem begegnen. Die zwei grossen Wegsteine
Grosser Wegstein, im Hintergrund die sieben kleinen Wegsteine.
Das Goetheanum
Das Goetheanum wurde 1925-28 nach einem Modell Rudolf Steiners erbaut. Die durch ihn eingerichtete Freie Hochschule für Geisteswissenschaft und die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft haben hier ihr Zentrum. Die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft wird getragen durch die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft. Ihre Mitgliedschaft steht jedermann offen, der in dem Bestand der Freien Hochschule am Goetheanum etwas Berechtigtes sieht.
«Aber Sie alle begrüsse ich auf das herzlichste aus dem ganzen Geist und dem Sinn unserer Bewegung heraus ... es ist ja hier so, dass nicht nur eine einzelne Persönlichkeit Sie begrüsst, sondern dass Sie vor allen Dingen hier der Bau, das Goetheanum selber begrüsst.» (Rudolf Steiner 1921/22 in einer Begrüssungsansprache.)
Das erste Goetheanum -- Entstehungsgeschichte
Die Kabiren, Gipsabgüsse der drei plastischen Modelle von Rudolf Steiner (zur Inszenierung von Goethes «Faust II», 1917), Original 21 cm, 34 cm bzw. 46 cm hoch. Der Baugedanke Rudolf Steiners «Die Arbeit an den Mysteriendramen weckte ein dringendes Bedürfnis nach einem eigenen Bau mit einer grossen Bühne und mit Räumlichkeiten für andere künstlerische und für wissenschaftliche Tätigkeit. Der Versuch, einen solchen Bau in München zu errichten, scheiterte. Statt dessen kam das Anerbieten von privater Seite, in Dornach einen Bauplatz zur Verfügung zu stellen. 1912/13 reiste Rudolf Steiner dorthin, besichtigte das Gelände und sagte ja. - So ward das Zentrum der anthroposophischen Bewegung für die Zukunft in die Schweiz verlegt - in das einzige Land in Mitteleuropa, das von beiden Weltkriegen verschont blieb.
Rudolf Steiner war die Verantwortung für die ganze Planung anvertraut. Für ihn war klar, dass die Gestaltung des Baues bis ins einzelne dem entsprechen müsse, was im Innern vorgehen sollte; er gebrauchte selbst gerne das Bild von der Nussschale, die in ihrer Form dem Kern angepasst ist, den sie umschliesst. Da sowohl die wissenschaftliche wie die künstlerische Tätigkeit auf eine Kulturerneuerung abzielte, musste darum auch in der Bauweise nach einer ganz neuen Formensprache gestrebt werden. In dem anthroposophischen Wirken lag eine Polarität vor, eine Doppelheit, die mit den Worten charakterisiert werden kann: übersinnlich-sinnlich, Geber-Empfänger, RednerPublikum. Diese Zweiheit, (Rudolf Steiner). Über der Bühne sollte sich die kleine Kuppel wölben, über dem Zuschauerraum die grosse. Zwischen ihnen sollte das Rednerpult stehen. Diese Formen hat Rudolf Steiner nicht zeichnend, sondern plastizierend zum erstenmal entworfen. Als es zur Arbeit am Reissbrett kam, entstand ein schwieriges und ungewöhnliches technisches Problem. Es galt eine Linie festzustellen, in der zwei Riesenkuppeln einander schneiden sollten. Nach langen Diskussionen mit den beteiligten Architekten gab Rudolf Steiner persönlich den entscheidenden Beitrag zur Lösung der Frage. Seine Leistung brachte ihm später von namhaften Architekten grosse Anerkennung ein. Die Grundsteinlegung des Baues wurde im September 1913 vollzogen. Im nächsten Frühjahr siedelte Rudolf Steiner nach Dornach über, um an Ort und Stelle die Arbeit leiten zu können. Im April 1914 konnte das Richtfest gefeiert werden. Die Dimensionen des Baues können aus folgenden technischen Daten erhellen. Der Zuschauerraum war für etwa tausend Personen geplant. Der Kubikinhalt des ganzen Baues war etwa 66000 m3. Die Baukosten betrugen über 7 Millionen Schweizerfranken (im damaligen Geldwert); sie wurden in ihrer Ganzheit durch Schenkungen gedeckt. Der Zweck des Baues verlangte eine durch und durch lebendige Formgebung. Um dies zu erreichen, mussten grosse Teile des Baues in Holz geschnitzt werden: die Pfeiler mit ihren Sockeln, die Kapitale, die Architrave, die Türen, die Fensterbogen und grosse Teile der Aussen- und Innenwände.
Dies erforderte ein Gemeinschaftswerk grössten Stiles. Menschen der verschiedensten Berufe und Gesellschaftskreise verliessen unter ökonomischen Opfern ihre Heimat und ihren Wirkungskreis, um in Dornach Klöppel und Meissel zu handhaben. Hier arbeiteten im Laufe des Ersten Weltkrieges Angehörige von 17 Nationen zusammen. Während sie friedlich weiterschafften, donnerten die Kanonen im nahen Elsass oft Tage und Nächte hindurch.»
Die Innengestaltung «Wenn man die Sockel, die Kapitale und die Architrave des Baues der Reihe nach betrachtete, merkte man, dass sie gewisse Motive in gesetzmässiger Folge weiterbilden. Rudolf Steiner hatte diese sich abwandelnden Motive in ihrer ursprünglichen Gestalt schon lange vor Beginn des Baues, im Jahre 1907, veranlagt. Als er sie jetzt in Dornach ausführen liess (wobei er eigenhändig die beste Arbeitsweise mit dem Meissel ausprobierte), entstand eine Reihe von Formen, die in ihrer Aufeinanderfolge, wie er später auseinandersetzte, eine Verwandtschaft mit dem Bestreben Goethes in seiner «Metamorphosenlehre» offenbarten. - Rudolf Steiners Absicht war dabei nicht die, Goethes Ideen zu «exemplifizieren», sondern die, innerhalb der Baukunst dasselbe zu schaffen, was Goethe in der Welt der Natur wahrgenommen hatte: eine gesetzmässige Ordnung, nach der sich lebendige Formen auseinander entwickeln ... Beide Kuppeln waren innen ausgemalt. Man sah Gemälde in leuchtenden Farben. Die Malereien der kleinen Kuppel wurden zum grössten Teil von Rudolf Steiner ausgeführt. Er betrachtete sich nicht als einen Maler, aber es lag ihm am Herzen, mit dem Pinsel zeigen zu können, wie ein intimes Sich-Hineinleben in die Formkräfte der Farben ein wahrer Ausgangspunkt für den Maler sein kann. Am 31. Dezember 1922, in der Silvesternacht, wurde das erste Goetheanum durch Brandstiftung ein Raub der Flammen.» F. Carlgren, Rudolf Steiner und die Anthroposophie. Dornach 1982. Ostportal, Kulissentor
Zeichnung von D. Niederhäuser
Das erste Goetheanum
Erstes Goetheanum, von Westen
Die Westfassade bringt das Tragen und Stützen innerhalb der Grundform, mit dem Fünfeck als Zentrum, zum Ausdruck. Dies war eine Forderung Rudolf Steiners und wurde beim ersten Goetheanum in künstlerischer Gestalt plastisch in Holz ausgearbeitet.
Foto O. Rietmann
Das zweite Goetheanum
Das zweite Goetheanum hingegen wächst während des Bauvorganges in die Gestalt der Grundform hinein, um in einer steingerechten Plastizität in Erscheinung zu treten. Es ist die ganze Architektur, die in Metamorphose die Grundform aus sich hervorbringt. Die Formabwandlung in Beton ist so gehalten, dass der Bau als Einheit sich dem topografischen Charakter mit dem markanten Gempenstollen eingliedern kann. Andererseits ist das zweite Goetheanum mit seinen 110000 m3 umbautem Raum die sichtbare Hülle des niedergebrannten Holzbaues, der in seinen ganzen Ausmassen darin Platz finden könnte.
Grundmotiv für das zweite Goetheanum Negativkopie einer Wandtafelskizze von Rudolf Steiner
Masse Höhe Breite Länge
Erstes Goetheanum 34 m 75 m 83 m
Zweites Goetheanum 37 m 85 m 91 m
«Schematischer Text» von Goethe , an K. E. Schubert, 21. 4. 1819
Im Goetheanum
Wandelhalle Die Innengestaltung des zweiten Goetheanum stammt von Architekten und Künstlern, die nach Rudolf Steiners Tod mit den Ausführungen betraut wurden.
Türklinken im Goetheanum
oben: Englischer Saal, Hörsaal mit 200
Plätzen.
Betonkonstruktion im Westtreppenhaus
Siegel zum vierten Mysteriendrama, nach einem Entwurf von Rudolf Steiner, in der Eingangshalle des Goetheanum. Goldschmiedearbeit von H. Mohr.
Die farbigen Fenster Die Glasradierungstechnik 1913 inaugurierte Steiner die Technik der neuen Glasradierkunst, in der die Goetheanum-Fenster gearbeitet sind. Die Künstler, unter Leitung von A. Turgenieff, gravierten die Motive bei durchscheinendem Licht in das ca. 2 cm dicke farbige Glas. Das Werkzeug, ein Karborundum, maschinell betrieben, wurde für diese Arbeit entwickelt. Im Glashaus, eigens für die Glasbearbeitung gebaut, waren alle technischen Einrichtungen vorhanden, die zu dieser sehr schwierigen Arbeit notwendig waren. Die Motive der Fenster zum ersten Goetheanum sind flächig aus dem Glas herausgearbeitet. Eine ruhige Lichtmalerei entsteht; die Form bildet sich am Schatten. Für die Fenster des zweiten Goetheanum verlangte Steiner von den Künstlern eine Schrägschlifftechnik. So ist die Loslösung des Motives vom Glas in noch stärkerem Masse möglich; der Schatten löst sich auf, das Bild wird vom Licht in den Raum getragen, das Motiv selbst wird Licht.
Flächige Glasradierung, erstes Goetheanum, Ausschnitt.
Schrägschlifftechnik, zweites Goetheanum, Ausschnitt.
Eingangstüre, grosser Saal
Das rote Fenster
Hier stehen wir umflutet von Licht, von Angesicht zu Angesicht, einem Blick begegnend, der uns auf das tiefste berührt.
Die Fenster im grossen Saal Der mikrokosmische Weg: Das Finden des eigenen Geistwesens.
Der makrokosmische Weg: Das Suchen des Geistigen hinter der Natur.
Fensterfotos Hans Gross
Der grosse Saal
Der grosse Saal mit 1060 Sitzplätzen ist der grösste Versammlungsraum im Goetheanum. Die Fensterfarben durchfluten mit ihren Bildgeheimnissen den Raum. Vorträge, Theateraufführungen, Eurythmie und Konzerte finden hier statt.
«Und wir werden diese Fenster anschauen; sie sollen uns darstellen in ihrem Helldunkel, in ihrem farbigen Helldunkel: <So findest du, o Mensch, den Weg zum Geiste.> Da wird uns gezeigt werden, wie die Seele, wenn sie in der Nacht schläft und ausser dem Leibe ist, im Verhältnis steht zu der geistigen Welt. Da wird uns gezeigt, in welchem Verhältnis die Seele zu der geistigen Welt steht, wenn sie entkörpert ist zwischen Tod und neuer Geburt.» Rudolf Steiner, Vortrag vom 17. 6. 1914, Wege zu einem neuen Baustil.
Die farbigen Schatten
Das Farbschatten-Phänomen Nicht die äussere Natur scheint uns durch die Fenster herein, wir stehen mitten in einem Farberlebnis. Wenn an einem sonnigen Tag die Komplementärfarben in den Schatten besonders deutlich in Erscheinung treten, sind wir einbezogen in ein lebendiges Geschehen. Entlang der Wand schreitend erleben wir unseren Schatten immer neue Farben bildend. Wir können jetzt Goethe begreifen, der von einer «sinnlich-sittlichen Wirkung der Farben» spricht.
«Gruppenraum»
Die 9,5 m hohe Holzplastik, auch Menschheitsrepräsentant genannt, wurde von Rudolf Steiner im Zusammenhang mit der Architektur des ersten Goetheanum geschaffen, dessen ganzes Raumerlebnis seinen Höhepunkt hätte finden sollen in diesem Kunstwerk. In der Brandnacht befand sich die Holzplastik noch im Hochatelier der Schreinerei und ist somit erhalten geblieben.
Gipsmodell von Rudolf Steiner, Höhe ca. 2 m, Vorstufe zur Holzplastik.
Rudolf Steiner - Plastisches Werk Zu Füssen der Christus-Statue, entschlief Rudolf Steiner am 30. März 1925. Man darf wohl ohne Übertreibung sagen, dass das Lebenswerk, das er dort niederlegte, weder seiner Art noch seinem Umfange nach im Abendlande seinesgleichen hat. Zwei wesentliche Bestandteile dieses Lebenswerkes waren es, die noch bei seinem Tode zum grössten Teil unausgenützt waren und erst später die ganze Fülle ihres Reichtums enthüllen sollten: das Werk seiner Vorträge und das Modell zum zweiten Goetheanum.
Die schriftstellerischen Leistungen Rudolf Steiners lassen sich teilweise in Zahlen fassen; so hat er seit der Jahrhundertwende gegen zwanzig Bücher, eine lange Reihe von Schriften und zahlreiche Zeitschriftenartikel geschrieben. Die Zahl der gehaltenen Vorträge beläuft sich auf über sechstausend, davon sind mehr als viertausend nach- oder mitgeschrieben worden. In der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe, die 330 Bände umfasst, sind diese Vortragsnachschriften grossenteils herausgegeben worden.
Kopfstudie zur Gruppe von Rudolf Steiner
So WIE EIN MENSCH, AM TRÜBEN TAG, DER SONNE
VERGISST, SIE ABER STRAHLT UND LEUCHTET UNAUFHÖRLICH, SO MAG MAN DEIN AN TRÜBEM TAG VERGESSEN, UM WIEDERUM UND IMMER WIEDERUM ERSCHÜTTERT, JA GEBLENDET ZU EMPFINDEN, WIE UNERSCHÖPFLICH FORT UND FORT UND FORT
DEIN SONNENGEIST UNS DUNKLEN WANDRERN STRAHLT.
CHRISTIAN MORGENSTERN SCHRIEB DIESES GEDICHT „FÜR DR. RUDOLF STEINER“.
Halo-Erscheinung am Westhimmel, nach Sonnenuntergang.
«Felsli» zur Wintersonnenwende Wenn zur Weihnachtszeit die Sonne hinter der Baumkrone der «Felsli»-Linde in den Abend versinkt, stehen wir staunend vor dem Goetheanum, das Felsli ist der Markstein des südlichen Pendelschlages im Sonnenjahreslauf. Das Goetheanum hat für alle vier Jahreszeiten die Sonnen-Auf- und Untergangsorte in Bezugspunkten der Umgebung. Die West-Ost verlaufenden Wegsteine kennen wir bereits, sie führen uns in ihrer Verlängerung an die Horizontpunkte der Sonne zur Tag- und Nachtgleiche.
Ausblick vom Südtreppenhaus
Mit diesem Ausblick auf die Umgebung wollen wir einen kleinen Spaziergang zu den Bauten im Osten des Goetheanum unternehmen, wo vor allem die Schreinerei noch an die Bautätigkeit erinnert.
Schreinerei - Umgebung
Eurythmie-Ubräume
Vorgarten der Plastikschule
Haus Moldenhauer
Schreinerei mit Hochatelier
«So wirkt im Grunde genommen in dieser ganzen Architektur nichts für sich allein. Nichts ist so angeordnet, dass es für sich allein ist. Das eine strebt zum andern, und jedes strebt dem andern entgegen. Oder, wenn es dreigliedrig ist, so schliesst die Mitte die beiden Formen zusammen. Das sind, etwas radikal gezeichnet, die Fenster- und Türformen.» Rud. St.
Diese vom Brand verschont gebliebene Eingangspartie des ersten Goetheanum ist heute am Eingang zum Hochatelier angebracht. Rudolf Steiner arbeitete hier an der Mittelfigur der Holzplastik, die sich heute im «Gruppenraum» des Goetheanum befindet.
Prodromos - Polarisations-Sonnenuhr
Beobachten wir zu verschiedenen Zeiten eines sonnigen Tages Psycharion in der Gegend des Polarsternes, so erweist es sich als ein ätherischer Zeiger an einer atmosphärischen Sonnenuhr. Psycharion folgt in lebendiger Weise dem Gang des Tagesgestirnes. - Dieses Beobachten der in die physiologische Optik verwiesenen Haidingerschen Polarisationsbüschel bereichert die qualitativen Einblicke in ein uns umwogendes lebensvolles, rhythmisches Geschehen. Solche qualitativen Einblicke sind dem anthroposophisch orientierten Naturwissenschafter wesentlich auf dem Weg zur Erkenntnis des umfassenden Lebewesens Erde. Aus der Beschreibung des Prodromos-Gerätes (erhältlich beim Goetheanum)
Versuchsgarten -- Naturwissenschaftliche Sektion
Die biologisch-dynamische Landwirtschaftsmethode Der Bitte anthroposophisch orientierter Landwirte folgend, hielt Rudolf Steiner im Sommer 1924 in Koberwitz eine Reihe von acht Vorträgen: den «Landwirtschaftlichen Kurs». Der dadurch inaugurierte Impuls erhielt dann die Bezeichnung «biologisch-dynamische Landwirtschaftsmethode» . Nach diesen Richtlinien arbeiten heute zahlreiche Landwirte und Gärtner in vielen Ländern Europas und anderer Kontinente. Jahrzehntelange erfolgreiche Betriebsführung auf vielen Höfen nach den Leit-Ideen des «Landwirtschaftlichen Kurses» erwies die Bewährung dieser Wirtschaftsart in der
Praxis. In eigenen Forschungsstätten werden die sich ergebenden Aufgaben mit neuen Methoden bearbeitet (z. B. der «Kristallisations-Methode»). Die Arbeit der «biologisch-dynamisch» arbeitenden Höfe und Gärtnereien hat neue Grundlagen geschaffen für das Streben nach Gesundung der Kulturpflanzen und Haustiere und nach erhöhter Qualität der Produkte. Die Erzeugnisse dieser Produzenten stehen in mehreren Ländern interessierten Verbrauchern als «Demeter-Produkte» (unter gesetzlichem Markenschutz der Qualität) zur Verfügung.
Geländeplan
11 Rudolf Steiner Halde, Eurythmeum Rudolf Steiner Nachlassverwaltung 12 Haus Duldeck Rudolf Steiner Verlag und Buchhandlung 13 «Felsli»-Weg 14 «Felsli» 15 Transformatorenhäuschen 16 Kaffee- und Speisehaus 17 HausDeJaager
Legende zum Geländeplan 1 Schreinerei Schreinereibühne, Atelier Rudolf Steiners 2 Sternwarte der Mathematisch-Astronomischen Sektion Pflanzenfarbenlabor 3 Haus Schuurman 4 Studenten-Wohnheim 5 Beratungsstelle für Biologisch-Dynamische Landwirtschaft
6 Heizhaus 7 Verlagshaus Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum 8 Glashaus Naturwissenschaftliche Sektion und Administration des Verlages 9 Wassertreppe 10 Kleinodienschule
18 «Eurythmiehäuser» Wohnhäuser 19 Rudolf Steiner-Seminar für Heilpädagogik 20 Rudolf Steiner-Lehrerseminar Dornach 21 Mauritiuskirche Heimatmuseum 22 Ruine Dorneck 23 Haus Hansi Albert Steffen-Stiftung 24 Haus Friedwart Plan: © Verkehrsverein Dornach
Geländegestaltung
Blick vom «Hohle Fels» (Arlesheim) zum Goetheanum, im Hintergrund Aesch und Pfeffingen mit seiner Ruine. Die dem Goetheanum zugehörigen Bauten bringen zum Ausdruck, dass sie nicht für sich selbst gebaut sind, denn ihre Architektur beinhaltet in der ihnen entsprechenden Form den Bezug zum Goetheanum. Bei den Gebäuden bis zum Baujahr 1923 ist die «Doppelkuppel-Beziehung» hervortretend. Den
später erstellten Bauten ist dieser Bezug lediglich in die Grundrisskonzeption eingeflossen, denn im Erscheinungsbild übernehmen diese den Gestaltungscharakter des zweiten Goetheanum.
Von Rudolf Steiner entworfene Bauten
«Eine wahre Harmonie der Seele kann doch nur da erlebt werden, wo den menschlichen Sinnen in Form, Gestalt und Farbe usw. als Umgebung sich das spiegelt, was die Seele als ihre wertvollsten Gedanken, Gefühle und Impulse kennt.» Rudolf Steiner
Heizhaus (Baujahr 1915)
Durch eine unterirdische Rohrleitung wird die Wärme dem Goetheanum zugeführt. Im Gebäude untergebracht sind die technischen Apparaturen der Heizung (ehemals auch die Transformatorenstation für die Elektrizitätsversorgung). «Dieses Kesselhaus musste ja auf das moderne Mittel, auf Eisenbeton, gedacht werden, und es war das Problem zu lösen, wie man einen solchen Riesenschornstein, der selbstverständlich, wenn er so dastände wie ein gewöhnlicher Schornstein, eine Scheusslichkeit wäre, wie man einen solchen Schornstein im Zusammenhang mit dem Gebäude architektonisch durchführen solle mit dem entsprechenden Material ... Wenn es einmal geheizt sein wird - der Rauch ist mitgedacht zur Architektur - dann wird man vielleicht empfinden können, dass diese Form sinngemässe Schönheit trotz des prosaischen Zweckes hat, gerade dadurch, dass die Aufgabe des Gebäudes wirklich auch in der Form zum Ausdruck kommt und dass diese Form auf der andern Seite nicht nach der alten Nützlichkeits-Baukunst gebildet worden ist, sondern so zugleich, dass eine innere ästhetische Formung stattgefunden hat.» Rudolf Steiner am 23. 1. 1914.
Das Fernheizungsgebäude für das Goetheanum sowie das Glashaus.
Heizhaus
Das Heizhaus ist nach der Strasse von Haselsträuchern umsäumt, zum Goetheanum nimmt es mit seiner Kuppelfront bezug-
Blick vom Goetheanum-Parkplatz auf das Heizhaus.
Verlagshaus (Baujahr 1924)
In der Sonne glitzern die Schieferdächer des Verlags- und des Glashauses.
Zwischen den bereits bestehenden «Produktionsstätten», dem Heizhaus und dem Glashaus, hat Rudolf Steiner den dritten Zweckbau auf der Nordseite des Goetheanum plaziert. Die Bestimmung des Standortes und die Festlegung der genauen Lage des zukünftigen Gebäudes übernahm er selbst, wie der Architekt H. Ranzenberger berichtet. Er konnte von seinem Arbeitsplatz im Glashaus beobachten, «wie Rudolf Steiner allem auf dem Gelände umherging und eigenhändig mit den rotweissen Stäben die Aussteckung vornahm. Dabei wollte er ganz ungestört bleiben, da es sich für ihn darum handelte, die Kräfte im Raum rein wahrzunehmen. Man ersieht hieraus, wie wesentlich Rudolf Steiner solche Dinge waren.»
Verlagshaus, Eingangspartie.
Silhouetten im herbstlichen Morgennebel.
Das Türschloss wird durch das Herausziehen der Klinke betätigt, denn dieses Haus, das auch Künstleratelier genannt wurde, sollte nicht mit einer Gewohnheitsbewegung betreten werden können. Wurde doch hier, bei der kreativen Arbeit an den Glasfenstern, von jedem ein äusserst aktives, künstlerisches Tun erwartet. Auf dieses sollte man bereits beim Betreten des Hauses aufmerksam gemacht werden.
Versuchsgarten des Forschungslaboratoriums
Glashaus (Baujahr 1914)
Das Gebäude diente der Herstellung der glasradierten Scheiben für den grossen Saal des Goetheanum. Die Fensterflächen dieses Hauses entsprechen in ihrer Grosse den TryptichonFenstern des ersten Goetheanum, da die Arbeiten bei durchscheinendem Licht ausgeführt werden mussten. (Technik des Glasradierens: siehe S. 29.) In einem Bauvertrag, am 4.4.1920, erläuterte Rudolf Steiner am Beispiel des Glashauses das G e s ta l t un g sp r i n z ip d e r Me t a mo rphose: «Es ist in gewisser
Weise eine Art Metamorphose des ganzen Goetheanum; nur ist die Metamorphose dadurch bewirkt, dass erstens die Kuppeln auseinandergezogen sind und ein Mittelglied da ist und dass die Kuppeln gleich gross geworden sind. Für alle solche inneren Vorgänge des Auseinanderziehens, des Gleichgrosswerdens, ergeben sich dann für den ganzen Organismus einer Sache metamorphosische Erfahrungen. Die sind dann getreulich zur Ausführung gebracht in allem Einzelnen.»
Wassertreppe von J. Wilkes
Unterhalb des Glashauses, am Spazierweg in der unter Naturschutz stehenden Bach-Sumpf-Umgebung, befinden sich die Fliessformen des Bildhauers J. Wilkes. Das vom Bach hergeleitete Wasser beschreibt eine rhythmische Lemniskate in jeder der 7 Beckenstufen. So verlängert sich der Fliessweg des Wassers um ein Mehrfaches. - Andernorts dienen solche aneinandergereihte Beckenstufen zur Erforschung der Klärung von Gebrauchtwasser. - Hier freut sich der Wanderer über die Bewegungsformen dieses Wasserlaufes.
Glashaus -- Eurythmeum
Die Dachkuppel des Glashauses vor dem Hintergrund der Eurythmeum-Dachformation.
Rudolf-Steiner-Halde -- Eurythmeum (Baujahr 1923)
Rudolf Steiner benannte einmal den Eurythmeum-Anbau «das Baby des Goetheanum».
Wie sich nach dem Brand die Notwendigkeit von EurythmieUbräumen einstellte, fand sich hier der geeignete Ort, diesem Bedürfnis entgegenzukommen. Auf einer Aufschüttung wurde dem bestehenden Gebäude der von Rudolf Steiner durchgestaltete Vorbau angegliedert.
1924 stand dann auf dieser nordwestlichen Geländekuppe des Hügels das Eurythmeum, den neuen Baustil des zweiten Goetheanum vorverkündend, dessen äussere Fertigstellung im Jahre 1928 erfolgte.
Auf dem Weg zum Rondell
Wenden wir uns auf diesem Weg nochmals zurück, erleben wir mit einem letzten Blick die mit nordischem Schiefer bedeckten Dachformen. Die meisten von Rudolf Steiner entworfenen Häuser sind mit Schiefer bedeckt. Ein Reflektieren und Glitzern des Sonnenlichtes lässt die entsprechende Dachform wie ein Lichtantlitz erscheinen.
Rondellbank
Wir überschreiten die «Wegachse» zum Goetheanum und erreichen das einzige Gebäude auf gleicher Höhe und im unmittelbaren Bereich des Goetheanum. Es nimmt eine gewollte Ausnahmestellung ein; hier will es geduldet sein, sagt sein Name («Duldeck»).
Duldeck (Baujahr 1916)
Dachdetail auf der Talseite, plastisch gestalteter Kaminkopf.
Rudolf Steiner hat diesen Namen für das Haus geprägt, das er für Dr. Grosheintz entworfen hatte. Mit seinen 15 Zimmern war es ein grosszügig angelegtes Wohnhaus. Heute befindet sich die Buchhandlung der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung darin.
Hauseingang und Sitznische.
Die Achse des Hauses weist nach Nordosten, am Goetheanum vorbei, wie alle Wohnhäuser auf dem Gelände.
«Felsli» (erstellt 1914-15)
6 ringförmig angelegte Stufen, die auf der Talseite in den Kalkfelsen verschwinden, führen zu der runden Plattform, die zur 7. Stufe ausgebildet ist. Dort stehen die beiden Linden, die sich bereits 1914 hier befanden. Die Landschaftsgestaltung auf der Südwestseite des Goetheanum umfasst die künstlich angelegte Böschung mit der Nussbaumbepflanzung, den talseits ansteigenden «Felsli»-Weg (S. 10-15) und das «Felsli» selbst.
Blick vom «Felsli» zur Schlossruine Dorneck, im Vordergrund das Atelierdach vom Haus De Jaager.
Haus De Jaager (Baujahr 1922)
Haus De Jaager von Osten, links Wohnteil, rechts Atelier.
Spiegelung des Goetheanum im Vitraille-Mosaik.
Auf der Höhe seines Ruhms verliess der Bildhauer Jacques de Jaager 1915 Paris, um hier in Dornach am Bau zu schnitzen. 1916 starb er in seinem 31. Lebensjahr. Nach Kriegsende, 1919, erkundigte sich Rudolf Steiner nach den Plastiken von J. de Jaager; wie er von der Witwe des Künstlers erfuhr, dass sie beabsichtige das bildhauerische Werk der Stadt Paris zu schenken, sagte er, dass es eigentlich hierher gehöre. Daraufhin entschloss sich die Witwe zu bauen, und zwar auf Wunsch von Rudolf Steiner direkt an der Weggabelung zum Goetheanum. Das Modell für diesen Bau formte Rudolf Steiner selbst. Die Künstler, die tagsüber im ersten Goetheanum arbeiteten, kamen abends und schnitzten hier weiter. So bewahrte dieses Haus in der Innengestaltung etwas von der intimen Atmosphäre des ersten Goetheanum.
Blick vom Goetheanum
Drei «Eurythmiehäuser» (Baujahr 1921)
Gartentor und elegante Betonzaunpfähle entlang der Strasse.
Jedes der drei Häuser verfügt über mehrere bescheidene Wohnungen und Zimmer, die zum Teil mit separatem Eingang versehen sind. Mit den Erkerausbauten ist eine wohltuende Belichtung der Wohnräume erreicht. Als Beispiel einer kleinen Siedlung mit individuellem Charakter und zugleich ein Ausdruck der Zusammengehörigkeit, der vor allem in der Dachfaltung sich manifestiert. Die bewegten Linien klingen von einem Haus zum andern.
Die Häuser stehen auf unterschiedlicher Höhe im durchgehenden Garten.
Haus Schuurman (Baujahr 1925)
Im Garten der Ita-Wegman-Klinik in Arlesheim
Haus Wegman (Baujahr 1924)
In der Goetheanum-Schreinerei wurden die Elemente für das Holzhaus von Dr. Ita Wegman vorfabriziert und dann im Garten der Klinik zusammengebaut - eine für die damalige Zeit sehr unkonventionelle Bauweise; es war beabsichtigt, das Haus zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Goetheanum-Gelände zu plazieren. Dass auch ein demontables Haus im organischen Baustil realisiert werden kann, kommt hier sehr schön zum Ausdruck. Mit einfachsten Mitteln sind die Tür- und oberen Fensterabschlüsse sowie die Dachplastizität gestaltet.
Transformatorenstation (Baujahr 1921)
Kaffee- und Speisehaus (Arch. Pyle-Waller und O. Moser)
Speisehaus, Innenansicht
Im Kaffee- und Speisehaus erfrischen wir uns; wir sitzen gegenüber der Transformatorenstation, deren Pläne Rudolf Steiner 1921 entworfen hat. Dann begeben wir uns nach Arlesheim in das Naturparadies der Eremitage. Zur Vorbereitung diene eine kurze historische Betrachtung.
Arlesheim
Arlesheim, im Besitz der Basler Bischöfe seit 1239, wird im 17. Jahrhundert von den Stiftsherren zu ihrer Residenz erwählt. Der Architekt Giacomo Angelini wird 1680 mit dem Bau des Doms und der umliegenden Herrenhäuser betraut. Die ganze herrschaftliche Anlage mit der barocken Fassade am Ende einer kleinen Piazza bilden von nun an den Rahmen für ein gediegenes kulturelles Leben, das heute noch gepflegt wird.
Ariesheim - Schloss Birseck
Im 18. Jahrhundert dringt in diese weltoffene Feudalatmosphäre der Ruf von J. J. Rousseaus «retour à la nature». So lässt sich Balbina von Andlau, die Frau des Landvogtes, zusammen mit ihrem Cousin, dem Domherrn H. v. Ligertz, zu einem Englischen Garten inspirieren. Die schöne Natur, welche sich in den verschiedenen Felsklippen und Höhlen besonders prächtig auszeichnet, nicht mit überflüssigen Zieraten und Verschönerungen zu überladen, war die Absicht der Initianten, in der sie von ihren Strassburger Freunden J. J. Oberlin und dem Kunstmaler und Cagliostro-Freund J. Ph. Louterbourg tatkräftig unterstützt wurden.
Über ganz Europa erstreckte sich der Freundeskreis der Eremitage. Auch Goethe erlebte die Grotten und Plätze, die mit ihrer Namengebung und Gestaltung an die griechische Mythologie erinnern. Das neu auflebende Freimaurertum jener Zeit, in den Landschaftsgarten hineingeheimnisst, entfaltete hier eine nachdrückliche Wirkung auf den Besucher. (So erschien 1791 in Paris das zweibändige Romanwerk «Wertherie» des Dichters Pierre Perrin, das die Seelenstimmung eines jungen Mädchens beschreibt und seinen Anfang bei einem Konzert in der Eremitage nimmt.)
Oberhalb des Schönmatt-Weges geniessen wir den Blick über das Birstal. Links das Goetheanum, in der Mitte das Schloss Birseck und unterhalb das Dorf Arlesheim. Der emporsteigende Felsgrat rechts führt zu dem noch höher liegenden «Hohle Fels».
«Hohle Fels»
Römischen Ursprungs sind die Steinbank und das ausgehauene Weglein in dieser Felshöhle.
Blick vom «Hohle Fels» in das Eremitagetal und zum Gempenstollen.
Im 16. Jahrhundert äusserte Tycho Brahe, der Erfinder und Grundlagenforscher der neuen Astronomie, den Wunsch, in der Gegend von Basel eine Europäische Universität zu errichten. Die Nähe des Rheinknies scheine ihm für sein Vorhaben
günstig, lautete seine Begründung. Doch sollte es nicht dazu kommen, da er vom dänischen König die Insel Hven in der Nordsee zum Geschenk erhielt, wo er sein Observatorium Uranienburg errichten konnte.
Eremitage
In der Renaissancezeit und dem ausgehenden Mittelalter genoss die Eremitage eine stille Berühmtheit. Einsiedler aus der Gottesfreunde-Strömung fanden hier in der Zurückgezogenheit einen Ort der Meditation. Den Hinweis auf das 9. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Parzival-Geschichte und der Eremitage verdanken wir Rudolf Steiner. So dürfen wir uns die drei Begegnungen Parzivals mit Sigune im landschaftlichen Rahmen der Eremitage vorstellen.
Eingangsgrotte zum Englischen Garten
Salomon-Gessner-Gedenkstein (Naturphilosoph, 1730-1788)
Waldbruderhütte
Temple rustique
Eingang zur Proserpinagrotte
Im Innern des dreifachen Tempels der Proserpina
Mittlerer Weiher
Denkmal für den Virgil-Übersetzer Jacques Delille
Alioth-Gedenktafel beim Karussellplatz, hier fanden im 18. Jh. die Konzerte statt.
Dreiröhrenbrunnen
Mühle am Talausgang
Vieles über vergangene Tage könnte die Mühle uns erzählen ......
Arlesheim Ende des 7. Jahrhunderts ereigneten sich die Geschehnisse, welche in der Legende der Hl. Odilie festgehalten sind; mit ihr fühlt sich Arlesheim besonders verbunden: Odilie war die Tochter des Merowingerfürsten Eticho, mit keltisch-heidnischer Religion. Blindgeboren, wurde sie bei der Taufe sehend und wollte fortan ihr Leben der christlichen Religion widmen. Auf der Flucht vor ihrem Vater verbarg sie sich in einer Felsspalte am «Hohle Fels» hinter Arlesheim. Hier erfuhr sie eine innere Erleuchtung durch Christus. Gestärkt und geläutert konnte sie die Begegnung mit den wilden Kräften ihres Vaters wieder suchen und dem ganzen Elsass zum Christentum verhelfen. Ed. Schure (1871-1929), der Elsässer Schriftsteller, befragte Rudolf Steiner über den Wirklichkeitsgehalt dieser Legende. Seine Antwort war: «Odilie hatte von dem Arlesheimer Aufenthalt, als einem Ruhepunkt auf der Flucht, die Kräfte mitgebracht, die sie zu ihrer geistigen Höherentwicklung und zur Gründung des Odilienklosters benötigte.» Erst im 11. Jh. wurde Odilie in ganz Europa bekannt und mit dem Namen «Sonne Gottes» das Idealbild jener Zeit. Arlesheim aber erhielt früher schon vom Kloster Niedermünster im Elsass, zu dessen Besitztum es gehörte, ein Odilien-Kirchlein zum Geschenk. An diese Zeit erinnert die Holzplastik der Hl. Odilie (15. Jahrh.), der eine Seitenkapelle im Dom geweiht ist.
Dornach Im Gegensatz zu den eher verborgenen Geschehnissen in der Eremitage hat die Geschichte von Dornach unmittelbaren Zusammenhang mit den politischen Ereignissen der jeweiligen Zeit. Dornach, eine keltische Siedlung, wird zur Römerzeit, mit dem «Brüggli» der einzige Birsübergang bis Basel, eine römische Gaststätte für Rast und Pferdewechsel. An der Strasse gelegen, hiess der Ort Turniacus (Gut des Turamus). Im 5. Jahrhundert kam der raurachische Jura, zu dem Dornach zählte, in burgundischen Besitz. Mit den Burgundern hält ein arianisches Christentum Einzug, ausgehend von St. Maurice im Wallis. Der Bau einer Mauritiuskirche bekräftigte die Annahme des christlichen Glaubens. Noch heute ist die alte Dorfkirche dem Hl. Mauritius geweiht; sie beherbergt das Heimatmuseum, wo wir in die historischen und geologischen Eigenarten des solothurnischen «Schwarzbubenlandes» Einblick erhalten, (s. S. 89) Doch kehren wir zum Mittelalter zurück: Die Burg auf dem Schlosshügel überblickte das Birstal und bewachte den Brükkenübergang. Das Dörfchen Gempen gehörte zu jener Zeit auch noch zur Burgvogtei Dorneck. Beim grossen Erdbeben von Basel, 1356, ging die Burganlage, wie alle anderen Schlösser im Birstal, in Trümmer. Nach dem baldigen Wiederaufbau wechselte die Burg und das Dorf einige Male den Besitzer, bis 1485 Solothurn beide käuflich erwarb. Von nun an gehörte Dornach zur Eidgenossenschaft und wurde zu ihrem nordwestlichen Grenzpunkt. Den eidgenössischen Willen zur Selbständigkeit, den diese Zeit prägt, müssen wir zusammensehen mit den Ereignissen um Niklaus von der Flüe (1417-1487), dem Heiligen aus dem Ranft: Bevor er sich zum Einsiedlerleben entschloss, legte er alle seine Ämter nieder, die er als angesehener Staatsmann bekleidete, und begab sich von zuhause fort auf den Weg zum Gottesfreund. Oberhalb Liestal hatte Niklaus ein gewaltiges Feuererlebnis. Eine qualvolle Lichterscheinung in derselben Nacht hiess ihn in die Innerschweiz zurückkehren, wo er dann im einsamen Ranfttal sein Einsiedlerleben fristete, getreu den Grundsätzen der Gottesfreunde, denen er sich verwandt fühlte.
Dornachbrugg
Nepomuk-Brücke
Schlachtdenkmal
Dornachbrugg
Auf dem Kirchplatz beim Kapuziner-Kloster erinnert das Schlachtdenkmal von Jakob Probst an den 22. Juli 1499.
«Bluthügel»
Schauplatz der Schlacht bei Dornach hinter dem Goetheanum-Gelände.
Zu ihrem Niklaus begaben sich am 22. 12. 1481 die zerstrittenen Eidgenossen; seinem hilfreichen Rat ist das «Stanser Verkommnis» zu verdanken. Diese Urkunde verbürgte die gegenseitige Hilfeleistung, regelte die Rechte der einzelnen Stände und verankerte den Unabhängigkeitswillen gegenüber Kaiser und Fürsten . Mit diesem Willensfeuer zogen die Eidgenossen in den Schwa-
benkrieg. Die Entscheidung brachte die Schlacht bei Dornach. Hier stürmten sie am 22. Juli 1499 den Burghügel hinunter und errangen unter Führung von Benedikt Hugi in einem tobenden Gemetzel den Sieg über die 3000 Schwaben auf dem «Bluthügel». - Noch im selben Herbst unterzeichnete Kaiser Maximilian den «Frieden von Basel», der die Loslösung der Eidgenossenschaft vom Deutschen Reich anerkannte.
Schlossruine Dorneck
Oberdornach
Das Dorf mit der Mauritius-Kirche, heute Heimatmuseum des Schwarzbubenlandes.
Öffnungszeiten: von Ostern bis Oktober sonntags von 15.00-17.00 Uhr, im Winter geschlossen.
Blick über das nebelverhüllte Birstal, hinweg in die scheinbar nähergerückten Juratäler.
Gempenstollen - Schartenfluh
Die Fluh mit Blick in die Birsebene
Dornach - Schlosshof
Ausblick vom Goetheanum
Innerhalb der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und auch in der Öffentlichkeit wird das Goetheanum in Dornach nach wie vor als das Zentrum des anthroposophischen Wirkens betrachtet, wie dies Rudolf Steiner gewünscht hatte. Dahin strömen jährlich Tausende von Menschen, um an
den grossen Tagungen mit ihren wissenschaftlichen und künstlerischen Veranstaltungen teilzunehmen, um für kurze oder lange Zeit die reichen Ausbildungsmöglichkeiten der verschiedenen Tätigkeitszweige der Hochschule zu nützen oder auch nur um den Bau zu besichtigen.
Burg Reichenstein
«Hohle Fels» Dom
Schloss Birseck Arlesheim
Eremitagetal
Hornikopf Goetheanum
Dornachbrugg
Dornach
Schlosshof
Gempenstollen Schartenfluh Schlossruine Dorneck
Literaturverzeichnis Ein allgemeiner Hinweis auf die Rudolf Steiner Gesamtausgabe muss hier spezielle Angaben ersetzen. Die rund 300 bisher erschienenen Bände enthalten A: Schriften; B: Vorträge; C: Reproduktionen und Veröffentlichungen aus dem künstlerischen Nachlass. Sie sind erschienen im Rudolf Steiner Verlag, Dornach. Für den Textteil benutzte Literatur: Frans Carlgren, Rudolf Steiner und die Anthroposophie. 4. Aufl. Dornach 1982. Hagen Biesantz/Arne Klingborg, Das Goetheanum. Der BauImpuls Rudolf Steiners. Dornach 1978. Erich Zimmer, Rudolf Steiner als Architekt von Wohn- und Zweckbauten. Stuttgart 1971. Werner Greub, Wolfram von Eschenbach und die Wirklichkeit des Grals. Dornach 1974.
© Copyright 1985 by Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, CH-4I43 Dornach/Schweiz Alle Rechte vorbehalten. Druck: Zobrist & Hof AG, CH-4410 Liestal Lithos: Litax Studio, Zürich Nicht im Buchhandel.
Weitere Literatur: Dietrich Hagen, Der Goetheanum-Bau. Ein Rundgang durch das Goetheanum. Dornach 1978. Rex Raab/Arne Klingborg/Ake Fant, Sprechender Beton. Wie Rudolf Steiner den Stahlbeton verwendete. Dornach 1972. Ake Fant/Arne Klingborg/J. A. Wilkes, Die Holzplastik Rudolf Steiners. 2. Aufl. Dornach 1981. Hagen Biesantz (Hg.), Der Plastiker Jacques de Jaager und das Haus de Jaager von Rudolf Steiner. Dornach 1985. (Nicht im Buchhandel.) Georg Hartmann, Goetheanum-Glasfenster. 2. Aufl. Dornach 1983. Das Goetheanum als Gesamtkunstwerk. Bilddokumentation, herausgegeben von Walther Roggenkamp. Dornach 1985. Carl Kemper, Der Bau. Studien zur Architektur und Plastik des ersten Goetheanum. 2. Aufl. Stuttgart 1985. Stil. Goetheanistisches Bilden und Bauen. Vierteljahresschrift, herausgegeben von Wilhelm Oberhuber. Kirchzarten. Theodor Maurer, Die Heilige Odilie. Legende und Geschichte. 2. Aufl. Dornach 1982. Hermann Jiilich, Arlesheim und Odilie. Historie und Legende eines Dorfes und seines guten Geistes. 4. Aufl. Arlesheim 1979. Friedrich Häusler, Die Geburt der Eidgenossenschaft aus der geistigen Urschweiz. 2. Aufl. Bern 1972.
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Digitalisiert in Paraguay (im Oktober 2002)