Bernd Eggers / Friedel Ahlers / Timm Eichenberg (Hrsg.) Integrierte Unternehmungsführung
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Bernd Eggers / Friedel Ahlers / Timm Eichenberg (Hrsg.) Integrierte Unternehmungsführung
Bernd Eggers / Friedel Ahlers / Timm Eichenberg (Hrsg.)
Integrierte Unternehmungsführung Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Claus Steinle
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Nicole Schweitzer Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2349-3
Prof. Dr. Claus Steinle
Vorwort Es ist Claus Steinle, der die Integrierte Unternehmensführung im deutschsprachigen Raum maßgeblich (weiter-)entwickelt hat. In seiner Schrift Ganzheitliches Management hat er mit dem „Management Kubus“ ein sehr systematisches Konstrukt aufgespannt und inhaltlich gefüllt. Obwohl er in den rund 35 Jahren als Wirtschaftswissenschaftler auf vielen Teilgebieten geforscht und „produziert“ hat, ist die Integration, das Zusammenfügen von sinnstiftenden Teilkonzepten und deren Weiterentwicklung, stets sein Hauptanliegen gewesen. Aus diesem Grund haben wir mit der vorliegenden Festschrift zum 65. Geburtstag in Verbindung mit der in naher Zukunft liegenden Emeritierung von Claus Steinle den Titel „Integrierte Unternehmungsführung“ gewählt. Die ausgewählten Beiträge von Schülern und anderen unmittelbar oder mittelbar eng verbundenen Wegbegleitern sollen dabei konzeptionell und anwendungsorientiert den Wirkungsbereich von Claus Steinle abbilden. Nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg hat Claus Steinle mit dem Thema „Mitarbeiterführung“ in sehr vorausschauender Weise ein wissenschaftlich und praxisorientiertes Arbeitsfeld aufgegriffen. In den 1970er Jahren war dieses Thema, vom derzeitigen Entwicklungsstand her betrachtet, noch in einem sehr rudimentären Stadium. In seinen frühen Publikationen (z. B. Leistungsverhalten und Führung in der Unternehmung, Führung, Führung durch Ziele) wird deutlich, dass Claus Steinle mit analytischem Scharfsinn die zentralen Erfolgsfaktoren leistungs- und zufriedenheitsorientierter Führung identifiziert und „moderne“ Modellvorstellungen und praxisorientierte Gestaltungshinweise generiert. Dies gilt auch für ein weiteres seiner Forschungsfelder: Bereits in den 1980er Jahren beschäftigt sich Steinle in mehrebenenbezogener (integrierender) Weise mit Change Management, einer Zeit, in der vielerorts eher „technokratische Organisationsgestaltung“ gelehrt und praktiziert wird. Mit seiner Habilitationsschrift Organisation und Wandel legt er an der Technischen Universität Berlin 1985 ein entsprechendes „Change Brevier“ vor – lange bevor das Thema Change Management zum Mainstream in Wissenschaft und Praxis wird. Seit 1986 verfolgt Claus Steinle dann an der Leibniz Universität Hannover eine duale Forschungsstrategie: einerseits greift er auf der „Kurz- und Mittelstrecke“ viele grundlegende und aktuelle Fragestellungen der Managementwissenschaft auf (z. B. die Themen Strategisches Management einschließlich dazugehöriger Planungs- und Controllingaspekte, Lean Management, Umweltorientierte Unternehmensführung, Problemlösen und Entscheidungsfindung, Unternehmensgründung sowie zuletzt Multiprojektmanagement und -controlling), andererseits arbeitet er „in einem Marathon“ an seinem Konzept „Ganzheitliches Management“. Vor diesem Hintergrund haben wir das Thema „Integrierte Unternehmungsführung“ für die vorliegende Festschrift gewählt. Der Band orientiert sich in seiner Struktur an Steinles Managementkubus und umfasst dabei in dualer Perspektive jeweils Theorie- und Praxisbeiträge zum normativen Management („Unternehmungspolitischer Erker“) sowie den Managementprozessen Planung/Kontrolle, Organisation, Führung und Change Management.
VIII
Vorwort
In den rund 25 Jahren an der Leibniz Universität Hannover haben die Herausgeber dieser Festschrift als Studenten und Mitarbeiter z. T. über einen sehr langen Zeitraum sehr eng mit Claus Steinle zusammen gearbeitet. Dabei haben wir Claus Steinle quasi auch in einem „Längsschnitt-Assessment“ in den Rollen Dozent, Führungskraft und Privatmann kennen und schätzen gelernt. Geprägt durch eine hohe Leistungsethik, ein sehr positives und durch Respekt geprägtes Menschenbild sowie eine kooperative Grundeinstellung hat Claus Steinle nicht nur tausende von Studierenden für sein Fachgebiet motiviert, sondern auch stets hochmotivierte und -qualifizierte Nachwuchswissenschaftler gefunden, gebunden und gefördert. Im Namen seiner Schüler möchten wir deshalb an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Claus Steinle aussprechen. Wir wünschen ihm für seinen neuen Lebensabschnitt auch weiterhin die hohe Grundmotivation, Energie, langfristig angelegte Zielorientierung und Freude an den Früchten seiner Aktivitäten.
Bernd Eggers, Friedel Ahlers und Timm Eichenberg Hannover, im Mai 2011
Inhaltsverzeichnis A
Konzeption: Diskussionsstand Integrierte Unternehmungsführung und Einordnung der Beiträge
Friedel Ahlers, Bernd Eggers und Timm Eichenberg Ganzheitliches Management: eine mehrdimensionale Sichtweise integrierter Unternehmungsführung.......................................................................................................... 3
B
Normative Grundpositionierung als Integrationsbasis
Thomas Böttcher Normative Grundpositionierung von Unternehmungen ....................................................... 17 Günter Müller-Stewens und Matthias Brauer Schafft unsere Konzernebene einen Mehrwert? Ein Plädoyer für eine verantwortungsvolle Diversifikation .................................................................................... 29 Bernd Eggers und Friedel Ahlers Diskursgeprägte Problemlösungsmethodik als praxisorientiertes Anwendungsbeispiel des normativen Managements............................................................ 39
C
Planung und Kontrolle: Vordenken und Steuern integrativer Prozesse
Andreas Daum Projektcontrolling im ganzheitlichen Managementansatz .................................................... 51 Klaus-Peter Wiedmann und Lars Pankalla Anforderungen an die Kundenintegrationskompetenz als Grundlage einer Erfolg versprechenden Kundenintegration in Innovationsprozesse – Erste Skizzen zu einem theoretischen Bezugsrahmen ..................................................................................... 67 Frank-Peter Oppenborn Integratives Management am Beispiel des Zentralprojektes TKV fit der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG ........................................................ 83
X
D
Inhaltsverzeichnis
Organisation: Strukturgebung ganzheitlich handelnder Systeme
Holger Schiele und Stefan Aichbauer Target Organizing – Eine kostenorientierte Umkehr klassischer Organisationsprinzipien dargestellt am Beispiel der Reorganisation einer IT-Unternehmung .................................... 97 Wilfried Krüger Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration) ................................................ 109 Alexander Grewe und Christian E. Lauterbach Aufbau einer neuen Organisationsstruktur im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses..................................................................................... 127
E
Personal und Führung: Integratives Human Resources Management und nachhaltige Mitarbeiterführung
Bernd Eggers und Sebastian Hollmann Führung – quo vadis? Auf dem Weg zu einem „Sustainable Leadership“ ........................ 137 Stefan Krummaker und Bernd Vogel Fokus Followership: Führungsbeziehungen als quasi gleichberechtigter Interaktionsprozess zwischen Führungskräften und Geführten.......................................... 151 Hans-Georg Walther Integriertes Personalmanagement bei den VGH Versicherungen ....................................... 161
F
Change Management: Vitale Unternehmungen als Leitvorstellung
Timm Eichenberg und Maren Behse Change Management: Gesteuerter Wandel für eine vitale Unternehmung......................... 175 Michael Reiß Erfolgsorientiertes Change Management: Excellence und Resilience als Leitbilder für Change Management-Ansätze ................................................................ 191 Wolfgang Botschatzke und Niklas Brasat Erfolgsfaktoren in Change-Prozessen am Beispiel der Industrialisierung in Sparkassen...................................................................................................................... 201
Inhaltsverzeichnis
G
XI
Ausblick: Entwicklung der Integrierten Unternehmungsführung
Bernd Eggers, Friedel Ahlers und Timm Eichenberg Integrierte Unternehmungsführung – quo vadis? .............................................................. 213
Verzeichnisse Literaturverzeichnis ........................................................................................................... 223 Autorenverzeichnis ............................................................................................................. 243
A
Konzeption: Diskussionsstand Integrierte Unternehmungsführung und Einordnung der Beiträge
Unternehmungspolitischer "Erker" in n Pr pie i z
en em l p Im tion ta d- e n t ru ep G onz k
Entwicklung
Entwurf Grundkonzepte
Managementprozesse Änderung/Wandel
Führung (i.e.S.) nt ick ung ie E g w l te Organisation tra n epl en- tio )- S a m t I m nd Kontrolle ru n- p- n (G Ko ze tio lt Planung we m g U un m h e rn te Un ng lu ei t Ab n er e g u h n e e c ru ei St pp er n/ zie ru e b n G a ns es m in io uu sw /F ng n kt g n u id o f n i n o f v t i i u t u a d F n h tz uk sti In ch sc sa od ve Be Pr Re In Ab
Personal
E b e n e n
Ganzheitliches Management: eine mehrdimensionale Sichtweise integrierter Unternehmungsführung Friedel Ahlers, Bernd Eggers und Timm Eichenberg
1
Einführung: Ganzheitlichkeit bzw. Integration als Anspruch an das Management
„Ganzheitliches Management: eine mehrdimensionale Sichtweise integrierter Unternehmungsführung“ – der Titel des Einführungsbeitrages für diese Festschrift ist bewusst identisch gewählt mit dem gleichnamigen Lehrbuch von Claus Steinle (Steinle, 2005). Die darin enthaltenen und in enger Verknüpfung stehenden Akronyme „ganzheitlich“, „mehrdimensional“ und „integriert“ sind bezeichnend für sein Forschungsprogramm: Sie stehen für eine integrative Grundposition in der Unternehmungsführung, die mittlerweile als prägender Anspruch an das Management als richtungsweisendes Leitkonzept weit verbreitet ist. So konstatieren z. B. Dillerup/Stoi (2011, S. 43): „Die Notwendigkeit eines integrierten Führungsansatzes ist in Theorie und Praxis unbestritten.“ Die Begriffe „ganzheitlich“ und „integriert“, die beide für eine gleiche Denk- und Handlungsrichtung in der Unternehmungsführung stehen, sind auch von zentraler Bedeutung für das wissenschaftliche Wirken und Werk von Claus Steinle: „Das Themenfeld ‚Ganzheitliches Management’ hat mich über viele Jahre begleitet und immer wieder in seinen Teilaspekten zu Beiträgen und Büchern motiviert“ (Steinle, 2005, S. V). Die Termini ‚Ganzheitlich(keit)’ bzw. ‚Integration’ sind aufgrund des vielfältigen Gebrauchs in unterschiedlichen Forschungs- und Handlungskontexten mittlerweile zu Modewörtern geworden mit einem daraus resultierenden weitgehend diffusen Begriffsverständnis (vgl. z. B. Bruhn, 2009, S. 19) und der Gefahr der inhaltlichen Entleerung (vgl. Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 91). Vom Wortstamm her wird unter dem Begriff „integrativ“ bzw. seiner handlungsbezogenen Ausprägung „integrieren“ die Zielrichtung „zu einem Ganzen bilden, ergänzen und vervollständigen“ bzw. „in ein übergeordnetes Ganzes aufnehmen“ verstanden (vgl. Eggers, 2006, S. 79). Entsprechend stehen Bezeichnungen wie „Ganzheitliches Management“ oder „Integrierte Unternehmungsführung“ für das Ergebnis dieser Handlungssequenzen im Sinne einer stimmigen Gesamtkonzeption im Managementkontext. „Integratives Gedankengut hat dort seine Berechtigung, wo Komplexität herrscht“ (Eggers, 2006, S. 79). Dieser Grundüberlegung folgend liegt der Kernanspruch anspruchsvoller ganzheitlicher Managementkonzepte darin, eine wissenschaftlich begründete wie zugleich praxisverwertbare Antwort zu finden, wie Unternehmungen diese zunehmende Komplexität in der Umwelt und darauf folgend in der Inwelt des betrieblichen Sozialsystems zielführend handhaben können. „Handhaben“ steht hier insbesondere für die systematische „Abschichtung“ der Komplexität des Unternehmungsgeschehens, um es dimensional im Kontext der Mehrdimensionalität erfassen zu können. Damit soll „Komplexität im Sinne einer Vielfalt der Verhaltensmöglichkeiten der Elemente sowie deren Veränderungen im Zeitablauf ‚eingefangen’ werden“ (Eggers, 1992a, S. 731). Dieser Anspruch hat zur Ent-
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
4
Friedel Ahlers, Bernd Eggers und Timm Eichenberg
wicklung von anspruchsvollen ganzheitlichen Managementkonzepten geführt, die den State of the Art in der Managementwissenschaft und -lehre der letzten beiden Dekaden maßgeblich geprägt haben. Allerdings hat die hohe Resonanz der Leitidee der Ganzheitlichkeit in der führungszentrierten Betriebswirtschaftslehre neben dem damit verbundenen positiven Aspekt der intensiven Beschäftigung mit dieser Thematik nahezu zwangsläufig auch zu einer teilweise inhaltsentleerenden „Labelung“ geführt. Ein nachdrücklicher Beleg dafür bietet das „Googeln“ des Begriffes Ganzheitlichkeit: Dieser Terminus dient oftmals als Titel für beratungsaffine Konzepte, die bei genauer Analyse nur „Spurenelemente“ bzw. Subaspekte der anspruchsvollen Vorstellung einer integrierten Unternehmungsführung enthalten. In Abgrenzung zu diesen Rudimenten einer integrierten Unternehmungsführung setzen (sich) wissenschaftliche Konzepte wie von Steinle andere Maßstäbe: Sie begründen fundiert den Anspruch an ein ganzheitliches Management, formen den Ansatz elementbezogen konzeptionell aus und führen dann die einzelnen Dimensionen wieder synergetisch zusammen (vgl. näher Abschnitt 3). 2
Ganzheitlichkeit als Forschungsprinzip
Das Akronym Ganzheitlichkeit und die damit verbundenen Überlegungen lassen sich weit früher als in der Betriebswirtschafts- oder Managementlehre in anderen Forschungsfeldern nachweisen. Prägend sind dabei die Leitideen des Holismus, wobei der wohl bekannteste Leitsatz lautet: „Das Ganze ist mehr (oder etwas anderes) als die Summe seiner Teile“ (vgl. zum Holismus im Themenkontext näher z. B. Eggers, 1994, S. 65 ff.). Seit den 1950er Jahren wurden mit der Systemtheorie und Kybernetik Konzepte mit Adaptionspotenzial auch für betriebswirtschaftlich handelnde Sozialsysteme entwickelt. Insofern gelangen Gomez/Probst (1995, S. 22) zu dem Schluss: „Die Entwicklung ganzheitlicher Lösungsansätze für komplexe Probleme hat eine lange Tradition.“ Nicht von ungefähr bildet auch die Systemtheorie, die in unterschiedlichen Forschungsfeldern Anwendung findet, den Rekurrierungspunkt für den St. Galler Managementansatz nach Ulrich, welcher der Diskussion um Ganzheitlichkeit und Integration in der deutschsprachigen Managementwissenschaft den Weg gebahnt hat (vgl. dazu näher Eggers, 1994, S. 83 ff.). Eine ganzheitliche Unternehmungsführung ist damit in der systemtheoretischen Ansicht von Unternehmungen als hochkomplexe, dynamische Systeme zu großen Teilen ein Komplexitäts-Management (vgl. Ulrich/Probst, 1991, S. 269), um die Handlungsfähigkeit des Sozialsystems Unternehmung auf dynamischen Märkten abzusichern. Bezogen auf Betriebswirtschaften als Betrachtungsobjekte zeigt sich, dass kein Ausschließlichkeitspostulat in Form der univarianten Anwendung von Holismus oder Elementarismus zu konstruieren ist. Vielmehr bleibt auch eine analytische Vorgehensweise unverzichtbar, um einzelne Elemente mit dem notwendigen tiefen Durchdringungsgrad ausleuchten zu können. Dies aber explizit vor dem Hintergrund einer holistischen Betrachtungsweise, um den Gesamtzusammenhang ins Kalkül einzubeziehen. So resümiert auch Steinle (2005, S. 21): „Eine ganzheitliche Analyse verbindet somit mehrere Forschungsprinzipien, wobei sich insbesondere ein Wechselspiel ganzheitlich-synthetischen und elementaristischen Denkens anbietet.“ Vom Forschungsprinzip her läuft es damit auf eine gezielte wechselseitige
Ganzheitliches Management: eine mehrdimensionale Sichtweise integrierter Unternehmungsführung
5
Anwendung holistischer und reduktiver Prinzipien hinaus (vgl. Steinle, 1995, S. 294). Ein entsprechendes „Mixtum compositum“ stellt daher das zielführende Metaprinzip dar (vgl. Eggers, 1994, S. 77). 3
Das Konzept „Ganzheitliches Management“ von Steinle
3.1
Genese und Intentionen
Die Entwicklung des ganzheitlichen Managementkonzeptes von Steinle hat sich in einzelnen Etappen vollzogen, die auch anhand der immer weiteren Ausformung des Managementkubus als visueller Kristallisationspunkt der Überlegungen (vgl. Abschnitt 3.2) nachvollzogen werden können (vgl. dazu z. B. Steinle, 1988, 1995 und 2005). Ausgangspunkt der Überlegungen von Steinle bildete die Erarbeitung eines Beitrages für eine Vortragsreihe an der Universität St. Gallen als deutschsprachige Heimstätte ganzheitlicher bzw. integrierter Managementvorstellungen Mitte der 80er Jahre. Im 1988 erstmals veröffentlichten Beitrag (vgl. grundlegend Steinle 1988) „seziert“ Steinle unter dem Themenfokus Ganzheitlichkeit den Status quo der bis dato vorliegenden (deutschsprachigen) Managementdiskussion. Ergebniszentrierter Grundtenor ist eine zu konstatierende „Führungsleere“ aufgrund dominanter selektiver und damit punktueller Perspektiven, die das komplexe Erkenntnisobjekt Management nicht hinreichend (ganzheitlich) abbilden können. Der Handlungsbedarf zur Überwindung der identifizierten Leerstelle ist damit vorgezeichnet: „Ganzheitlichkeit umschreibt den Versuch, dem integrierten Gesamtgefüge und den vernetzten Teilen von Unternehmungen gerecht zu werden (also selektive Perspektiven und Positionen zu überwinden)“ (Steinle, 2005, S. 5). Dazu führt Steinle die schon vorhandenen (selektiven) Vorstellungen zu den funktionbereichsorientierten Zweckoptimierungslehren und führungs- und steuerungszentrierten Managementprozessen zusammen und ergänzt sie um eine dem eigenen Forschungskanon entstammende Mehr-Ebenen-Analyse, die Objekte verschiedener Ebenen wie Individuum, Gruppe etc. gleichzeitig zum Untersuchungsgegenstand erhebt (vgl. zur Mehr-Ebenen-Analyse näher Steinle, 1985, S. 461 ff.). Diese „... umfassende Vorgehensweise löst sich von den bislang vorherrschenden selektiven, eher linearen, punktuellen und primär monokausalen Perspektiven. Sie richtet den Forschungsscheinwerfer mehrfach aus unterschiedlichen Blickrichtungen auf das Unternehmungsgeschehen und leuchtet dieses Objekt ganzheitlich und damit mehrdimensional aus“ (Steinle, 2005, S. 26). Aufgrund des Herleitungsbezugs ist das Neue am Ansatz von Steinle weniger in den Einzelkomponenten zu sehen als in ihrer speziellen Form der Zusammenführung bzw. Komposition, wie die folgenden Überlegungen mit Fokus Managementkubus verdeutlichen. 3.2 Der Managementkubus als Kristallisationspunkt Der visuelle Kristallisationspunkt der Überlegungen von Claus Steinle zum Ganzheitlichen Management ist ein dreidimensionales Konzept, welches als „Managementkubus“ bezeichnet wird. Dem Anspruch einer ganzheitlichen Betrachtung folgend ist er als Heuristik zu interpretieren, „um das Unternehmungsgeschehen und seine steuernde Beeinflussung adä-
6
Friedel Ahlers, Bernd Eggers und Timm Eichenberg
quat abzubilden und somit in einer systematischen Abfolge von Teilelementen begreifbar zu machen“ (Steinle, 2005, S. V). Die folgende Abbildung gibt den detaillierten Managementkubus von Steinle wieder: Unternehmungspolitischer "Erker" in n Pr pie i z en em l p Im tion ta d- e n t ru ep G onz k
Entwicklung
Entwurf Grundkonzepte
Managementprozesse Änderung/Wandel
Führung (i.e.S.) nt ick ung ie E g w l te Organisation tra le n- ion S p t ) e a m I m t nd Kontrolle ru n- p- n (G Ko ze tio lt Planung we m g U un m h e rn te n U ng lu ei t Ab n er e g u h n e e t ic ru pp /S re ie ru en be nz G s s a n e m n Fi tio uu sw ng n n/ id fu nk io ng o f v t i i u t u a d F n h tz uk sti In ch sc sa od ve Be Pr Re In Ab
E b e n e n
Personal
Abb. 1: Der detaillierte Managementkubus Quelle: Steinle, 2005, S. 37
Das Grundgerüst des Kubus wird durch drei eng miteinander verknüpfte Dimensionen konstituiert (vgl. dazu Steinle, 2005, S. 27): 1.
Die Würfelbasis stellen die aus den funktionsbereichszentrierten Zweckoptimierungslehren hervorgegangenen klassischen Kernfunktionen des betriebswirtschaftlichen Handelns wie Produktion, Absatz etc. dar.
2.
Als zweite, überlagernde Dimension treten die aus der gestaltungs/steuerungsorientierten Führungsdiskussion sich herauskristallisierenden Managementteilprozesse ausgehend von der Planung bis hin zu Änderung/Wandel hinzu. Letztgenannter
Ganzheitliches Management: eine mehrdimensionale Sichtweise integrierter Unternehmungsführung
7
Teilprozess wurde von Steinle aufgrund seiner zunehmenden Bedeutung (vgl. dazu ausführlich Steinle/Eggers/Ahlers, 2008) dem Kanon gängiger Managementprozesse hinzu gefügt. 3.
Um der intendierten Komplexitätsabbildung und -abschichtung Rechnung tragen zu können, wird als dritte Dimension die Mehr-Ebenen-Analyse eingeführt. Ihr zentrales Charakteristikum ist, dass Objekte verschiedener Ebenen gleichzeitig zum Gegenstand der Untersuchung erhoben werden (vgl. Steinle, 1985, S. 461).
Der durch das „Trikompositum“ (Eggers, 1994, S. 121) dieser drei Dimensionen gekennzeichnete Grundkubus wird wiederum durch drei weitere Perspektiven ergänzt (vgl. Steinle, 2005, S. 36 ff.): 1.
Der „Unternehmungspolitische Erker“ bildet insbesondere die normativstrategische Grundpositionierung der Unternehmung als handlungsleitenden Orientierungspunkt für die strategischen Folgeprozesse ab. Die wertezentrierten Elemente der Unternehmungspolitik determinieren die Konzeption, Implementation und Entwicklung substanzieller Strategien.
2.
Der besonderen Rolle der Mitarbeiter als unverzichtbare Akteure und Träger des Unternehmungsgeschehens wird durch eine entsprechende funktionsbereichsübergreifende Anordnung des Personals Rechnung getragen.
3.
Die Umwelt wird – da nicht integraler Bestandteil der Unternehmung und damit im detaillierten Managementkubus nicht abgebildet – als „umhüllende Schale“ interpretiert, die mit ihrem Chancen- und Risikopotential in einem vielfältigen Beziehungsgeflecht zu den Grunddimensionen im Managementkubus steht (vgl. zu einer visuellen Abbildung Steinle, 2005, S. 38).
Die im Kubus dargestellten Pfeil-Kreisläufe sollen zum einen die engen intrasystemischen Dimensionsverflechtungen und in Verbindung mit der Kubus-Darstellung die ebenfalls engen intersystemischen Beziehungsgeflechte verdeutlichen. Aufgrund der vielfältigen Vernetzungen hat dabei das Prinzip der intra- und intersystemischen Stimmigkeit besonderes Gewicht (vgl. Steinle/Eggers/Kolbeck, 1999, S. 23), um ganzheitliche Handlungsweisen ohne inhärentes Widerspruchspotenzial zu generieren. Ziel ist eine „integrative Orchestrierung“ (Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 84) der einzelnen Kubuselemente, um – in der Orchestersprache zu bleiben – ein „gesamthaftes klangvolles Hörerlebnis“ durch das Zusammenspiel der einzelnen Instrumente zu generieren. Auf Unternehmen übertragen steht dies für eine ganzheitliche Managementmethodik mit einem normativ begründeten und strategisch ausgeformten Zusammenwirken der einzelnen Managementelemente, um das komplexe Sozialsystem Unternehmung erfolgversprechend gestalten und steuern zu können. 3.3 Exemplarisches Anwendungsfeld Führung Der Bereich der (Personal-/Mitarbeiter-)Führung stellt insbesondere aus zwei Gründen ein zielführend gewähltes exemplarisches Anwendungsfeld für das ganzheitliche Denkgebäude von Claus Steinle dar: Zum einen wird im ganzheitlichen Managementkonzept selbst dem Personal eine „besondere Rolle“ als Träger der Prozesse im Sinne einer überlappenden „Querfunktion“ für die betrieblichen Funktionsbereiche zugewiesen (vgl. Steinle, 2007, S.
8
Friedel Ahlers, Bernd Eggers und Timm Eichenberg
140 und zur Grundeinordnung Abschnitt 3.2). Zum anderen symbolisiert der Führungsbereich den ersten wichtigen Forschungsschwerpunkt des inzwischen vielfältigen Werkes von Claus Steinle (vgl. dazu die „frühen“ Veröffentlichungen Steinle 1975 und Steinle 1978). Schon die Dissertation „Leistungsverhalten und Führung in der Unternehmung“, die sich kritisch mit dem damals prägenden Harzburger Führungsmodell auseinandersetzt, leistet nach Jürgen Wild „einen wichtigen Beitrag zur theoretischen Begründung bzw. Prüfung von Führungsmodellen“ (Wild, 1975, S. 8). Insofern kann mit einiger Berechtigung davon gesprochen werden, dass Steinle mit seinen „frühen“ Führungsveröffentlichungen die Führungsforschung im deutschsprachigen Raum maßgeblich mit geprägt hat (vgl. Bruch/Krummaker/Vogel, 2006, S. VI). Über diese Expertise hinaus konstatiert Steinle selbst zur Eignung des Feldes Führung zur Verdeutlichung der integrativen Grundposition im Management: „Gerade in diesem Bereich der Führung zeigt sich die Fruchtbarkeit der hier vorgeschlagenen (ganzheitlichen, Anmerkung der Verfasser) Analytik“ (Steinle, 1995, S. 299). Die aus dem Kubus ausgeschnittene „Führungsscheibe“ (wie sie auch vielen Veröffentlichungen zugrunde liegt, z. B. Eichenberg, 2007, S. 14) wird von Steinle vor dem Duktus der ganzheitlichen Überlegungen mit Fokus der Ebenenbetrachtung mit konkreten Inhalten gefüllt. Eine entsprechende Führungsanalyse erfolgt in vier Schritten (vgl. ausführlich Steinle, 1995, S. 301 ff.): 1.
Im ersten Schritt erfolgt eine Beschreibung, Erklärung und Prognose des FührerGeführten-Einflussverhältnisses, das auf der Individuum- und Gruppenebene angesiedelt ist.
2.
Im zweiten Schritt werden die Bedingungsfaktoren der Transformationsfelder höherer Ebenen (Institutions- und Umfeldebene) analysiert.
3.
Der Bezug der Führung zu den übrigen Managementprozessscheiben und den überlagernden unternehmungspolitischen und strategischen Aspekten wird mit dem dritten Schritt akzentuiert.
4.
Die Zusammenhänge mit den einzelnen Bereichen der Leistungserstellung wie Produktion, Absatz etc. werden im vierten Schritt analysiert.
Diese zunächst recht abstrakt anmutende Denkvorstellung lässt sich durch konkrete daraus zu extrahierende (vereinfachte) Fragen ins konkrete Alltagsgeschehen von Unternehmungen übertragen: Wie ist z. B. das Führer-Geführten-Einflussverhältnis (1) im Rahmen einer ausgesprochen dynamischen Umwelt (2) und einer darauf abgestimmten dynamischen Entwicklungsstrategie (3) im Funktionsbereich Absatz mit ihren Besonderheiten (4) zu gestalten? Diese facettenreiche Art der Fragestellung mit den inhärenten vielfältigen Wirkbeziehungen zeigt bezogen hier auf den exemplarischen Führungsaspekt das hohe heuristische Potenzial der integrativen Grundposition von Steinle auf. Dieser Grundmodus der Analyse lässt sich vom Prinzip her auf alle anderen Dimensionen und Ebenen des Managementkubus übertragen. Die konzeptionellen Überlegungen von Steinle zur Führung haben einen hohen analytischen Differenzierungs- und Auffächerungsgrad erreicht. So wird der Mikrobereich von Führungskonzeptionen (Schritt 1 im dargestellten Gesamtkonzept) in Form von fünf Einflusswegen des Führers auf den Folger (und vice versa) differenziert aufbereitet: 1) Perso-
Ganzheitliches Management: eine mehrdimensionale Sichtweise integrierter Unternehmungsführung
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nenorientierte Führung, 2) Ergebnis-/anreizorientierte Führung, 3) Strukturelle Führung, 4) Interaktionelle Führung und 5) Replizierende Führung (vgl. Steinle, 2005, S. 622 ff.). Das Veröffentlichungsspektrum von Claus Steinle enthält über die analytische Themendurchdringung hinaus auch vielfältige Handreichungen zur konkreten inhaltlichen Ausfüllung der Führer-Geführten-Einflussbeziehung, z. B. die anhand des Reziprozitätsgedankens wechselseitige Ausformung des Führungsverhaltens mit dem führungspraktischen Ratschlag „Kooperative Haltung“ und „Wie Du mir, so ich Dir“ (vgl. dazu Steinle, 1992, Sp. 977 ff.). Damit gelingt im Gesamtwerk von Steinle immer wieder der diffizile „Brückenschlag“ zwischen komplexer theoretischer Analytik und konkreter praxisaffiner Handlungsempfehlung. Das Gesamtwerk von Steinle trägt damit dem theoretischen wie auch dem pragmatischen Wissenschaftsziel der Betriebswirtschafts- und damit auch der Managementlehre Rechnung. Dieses korrespondiert z. B. mit dem von Jürgen Wild, der den wissenschaftlichen Werdegang von Claus Steinle maßgeblich (mit)geprägt hat, formulierten Anspruch an die Betriebswirtschafts- und Managementlehre, wonach sie „zur Lösung praktischer Probleme beizutragen“ (Wild, 1995, S. 310) hat. Charakteristisch für die „frühen“ Führungsveröffentlichungen von Steinle ist auch ein wegweisendes Normen- und Wertegerüst, das sich z. B. in der expliziten Akzentuierung der Zufriedenheit der Mitarbeiter neben der originären Leistung als Basiswert der Führung manifestiert (vgl. Steinle, 1978, S. 42 f.). Ausdrücklich wird „die ‚ethisch-soziale’ Verpflichtung der Unternehmung als Institution, auch Motive und Erwartungen ihrer Mitglieder zu berücksichtigen und zufriedenzustellen“ (Steinle, 1978, S. 41) betont. Diese ethischen geprägten Überlegungen werden von Steinle aber immer in Verbindung mit wirtschaftlichen Grunderfordernissen und -kontexten gesehen, um einen einseitigen (praxisaversen) Postulatscharakter zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist z. B. auch die Aussage von Steinle/Ahlers zur Menschenbilddiskussion zu interpretieren: „Menschenbilder mit Chance auf Verwirklichung sind damit intendiert, betriebswirtschaftlichen Zielsystemen verpflichtet und interessengeleitet entwickelt. Das Humane bzw. Humanere konnte sich durch das Wirtschaftliche mitentwickeln (aber eben nicht umgekehrt). Allein ethisch motivierte Menschenbilder ohne markante Anknüpfungspunkte zu den dominanten Unternehmungszielen haben es in der realen Welt der Betriebswirtschaften schwer“ (Steinle/Ahlers, 2004, Sp. 1144). 3.4
Würdigung: Wegweisendes Denk- und Handlungskonzept
Mit dem skizzierten ganzheitlichen managementzentrierten Denk- und Handlungsansatz von Claus Steinle liegt von seiner Art und (visuellen) Umsetzung her ein „einmaliges“, richtungs- und wegweisendes Konzept vor (vgl. auch Eggers, 1994, S. 126). Vor diesem Hintergrund ist auch die Feststellung von Morawietz zu interpretieren: „Der Managementkubus von Steinle offeriert aufgrund seiner komprimierten und transparenten Darstellung vernetzter Systemzusammenhänge hohes heuristisches Potenzial zur Analyse des Unternehmungsgeschehens“ (Morawietz, 2002, S. 49). Dem grundlegenden Anspruch des Wechselspiels von Holistik und Elementaristik (vgl. Abschnitt 2.1) wird durch die Konzeption in vollem Umfang und dabei aussagekräftig Rechnung getragen. Der integrativen Grundposition folgend wird zum einen explizit das
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Friedel Ahlers, Bernd Eggers und Timm Eichenberg
Beziehungsgeflecht zwischen den im Managementkubus abgebildeten Dimensionen und Ebenen zum Untersuchungsobjekt. Zum anderen erlaubt die Konzeption auch eine analytische Ausrichtung auf einzelne Untersuchungsfelder, ohne dabei den Gesamtzusammenhang aus dem Auge zu verlieren. Allein aus der dreigliedrigen Dimensions- und Ebenenbetrachtung mit ihren jeweils fünf Analyseperspektiven ergeben sich schon 125 „Management-Mikro-Kuben“ (Steinle, 2005, S. 28), die näher analysiert werden können. Der zentrale Erkenntniswert der heuristischen Vorgehensweise von Steinle, die sich im detaillierten Managementkubus manifestiert, liegt im damit geschaffenen „Orientierungsrahmen, der alle relevanten ‚Denkrichtungen’ einer ganzheitlichen Unternehmungsführung in anschaulicher Weise abbildet“ (Eggers, 1992a, S. 731). Durch seine „historisch-genetisch hergeleitete Begründung“ (Eggers, 2006, S. 84) in Form der Zusammenschau bislang nebeneinander stehender Teilpositionen baut der Ansatz von Steinle nachvollziehbar auf Bestehendem auf und ist so gut „verortet“ in den Diskussions- und Entwicklungsströmungen der Managementlehre und integriert diese Positionen seinerseits. Das spezielle forschungsleitende heuristische Potenzial besteht darin, „spezielle Managementaspekte in diesem Gerüst lokalisierbar zu machen“ (Ebert, 2006, S. 68) und damit einen integrierten Bezugsrahmen für vielfältige Forschungsvorhaben abzubilden, was sich insbesondere vieler seiner Schüler zu Nutze gemacht haben (vgl. dazu die von Steinle (mit)herausgegebenen Schriftenreihen im Rainer Hampp und Gabler Verlag). Die wegweisende Funktion dieses Konzeptes für weiterführende und einzelthemenbezogene Forschungsprojekte wird damit evident. Es eignet sich sehr gut als ein (von Bleicher mit Bezug auf den St. Galler Managementansatz apostrophiertes) „Leerstellengerüst für Sinnvolles und Ganzheitliches“ (Bleicher, 1999, S. 72) und kann als entsprechender Ausgangspunkt genommen und mit Inhalten „befüllt“ werden. Insofern kann der Managementkubus und das dahinter stehende Vorstellungsgerüst auch als „Deutungsbasis zur Entwicklung von Gestaltungsvorschlägen“ (Steinle, 2005, S. 40) interpretiert werden, womit die theoretisch begründete und dem integrativen Anspruch Rechnung tragende Ableitung von Handlungsempfehlungen für die Praxis akzentuiert wird. Auch die Visualisierungsidee einer integrativen Grundposition mit dem Kubus hat Nachahmer gefunden, z. B. ein spezieller Würfel zur Abbildung eines integrierten Revisionsmanagements (vgl. Bauer, 2010, S. 35). Steinle weist selbst darauf hin, dass es sich bei der Teildimensions-Auffächerung im Rahmen des Management-Kubus nicht um ein „Absolutum“ handelt, sondern diese je nach Forschungsintention auch anders ausgelegt bzw. arrangiert werden kann (vgl. Steinle, 2005, S. 28). Es geht vielmehr und die „Verdeutlichung des Prinzips“ im Sinne einer ganzheitlichen Bestimmung und Auffächerung des komplexen Managementphänomens. Das hier im Laufe der Zeit im Detail andere oder neue Akzentsetzungen aufgrund der inhärenten Dynamik von komplexen Problemen mit veränderten Einflussfaktoren und Beziehungsgeflechten (vgl. Gomez/Probst, 1995, S. 22) in den Vordergrund treten werden, ist sehr wahrscheinlich. Das die damit verbundenen veränderten Ansprüche an die Unternehmungsführung an das Konzept herangetragen bzw. in dieses integriert werden (können), steht für die Offenheit und Anschlussfähigkeit dieser grundlegenden Ansatzvorstellung von einem ganzheitlichen Management (vgl. auch den Schlussbeitrag von Eggers/Ahlers/Eichenberg) und ist ein Beleg für das ihm immanente hohe heuristische Potenzial. Neben dem hohen theoretisch-analytischen Anspruch hat das ganzheitliche Managementkonzept von Steinle durch vielfältige Anschlussveröffentlichungen insbesondere der „Han-
Ganzheitliches Management: eine mehrdimensionale Sichtweise integrierter Unternehmungsführung
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noveraner UF&O Scientific Community“ seine Wirkmächtigkeit zur lösungsorientierten Erschließung komplexer pragmatischer Fragestellungen erreicht. Dieses allerdings auch und gerade vor dem Hintergrund der Erkenntnis: „Die praxisgerechte Umsetzung eines ganzheitlichen Management ist sicherlich nicht einfach“ (Eggers, 1992b, S. 273). 4
Konturen der Festschrift: Einordnung der Beiträge in den Kontext der integrierten Unternehmungsführung
Der konzeptionelle Aufbau der Festschrift orientiert sich eng an dem integrativen Managementkonzept von Steinle: Die Managementprozesse werden – wie im Managementlehrbuch von Claus Steinle – aufgrund der führungszentrierten Ausrichtung der Überlegungen als Grundstruktur genutzt. Dem Konstrukt des „Unternehmungspolitischen Erkers“ Rechnung tragend wird eine Betrachtung von normativen Aspekten vorgeschaltet, da sie orientierungsgebend für die Managementprozesse sind. Innerhalb des Normativen Managements und der vier Managementprozesse wird jeweils eine triadische Auffächerung vorgenommen: Einem grundlegenden Einordnungsbeitrag folgt ein primär theoretisch zu verortender Analysefokus, der dann durch einen dritten Beitrag mit einer stärkeren Anwendungsorientierung ergänzt wird, wobei einige Beiträge auch mehrdimensional im Sinne von Theorie- und Praxisbezug ausgelegt sind. Die dem Aufbau inhärente Akzentuierung von Theorie- und Praxiserkenntnissen verdeutlicht auch die Dualität des ganzheitlichen Managementkonzeptes von Steinle als zugleich (theoretisch fundiertes) Denk- und (praxisorientiertes) Handlungskonzept. Im Abschnitt des Ausgangsbereiches „Normatives Management“ skizziert Thomas Böttcher den prägenden Einfluss von Unternehmungsphilosophie, -vision, -politik, -kultur und -leitbild im Sinne einer „Richtschnur des unternehmerischen Handelns“ auf die Folgeprozesse. Eine Schlaglichtbetrachtung der Unternehmungskultur zeigt, dass die Umsetzung von Werten in alltägliches Handeln eine permanente Herausforderung für Unternehmungen darstellt. Günter Müller-Stewens und Matthias Brauer skizzieren in ihrem Beitrag die Konturen und Inhalte einer verantwortungsvollen Diversifikationspolitik von Konzernunternehmungen. Kernpunkt des Beitrages sind sieben Leitlinien einer „verantwortungsvollen Diversifikation“, darunter die Formulierung einer „integrierenden Leitidee“ als „Klammer“ für das Geschäftsportfolio eines diversifizierten Konzerns. Das normative Grundpositionen Orientierungscharakter für konkrete Problemlösungsprozesse in Unternehmungen haben (können), belegen Bernd Eggers und Friedel Ahlers in ihrem Beitrag. Vorgestellt wird als diskursgeprägte Problemlösungsmethodik die PUZZLEWorkshoptechnik, die ausgehend von normativ geprägten Diskursvorstellungen eine praxiserprobte Methodik zur Handhabung und Lösung komplexer Probleme unter Berücksichtigung des Ganzheitlichkeitsanspruches darstellt. Im Ausgangsbeitrag zum „vordenkenden“ Managementprozessschritt „Planung und Kontrolle“ nimmt Andreas Daum exemplarisch eine Einordnung des Projektcontrollings in den
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Friedel Ahlers, Bernd Eggers und Timm Eichenberg
ganzheitlichen Managementansatz vor. Aufgrund der steuerungszentrierten Querschnittsfunktion des Controlling wird gezeigt, dass ein Projektcontrolling speziell bei projektorientierten Unternehmungen alle relevante Bereiche durchdringt und damit einen maßgeblichen Einfluss ausübt. Mit dem konkreten planungszentrierten Anwendungsfall einer Kundenintegration in Innovationsprozesse beschäftigen sich Klaus-Peter Wiedmann und Lars Pankalla in ihrem Beitrag. Dabei wird die Kundenintegrationskompetenz als ein wichtiger Erfolgsfaktor des Innovationsmanagements von Herstellern ausgewiesen. Ein praxisorientiertes Beispiel aus der Medienbranche für eine Integrationsüberlegungen berücksichtigende Planung eines Zentralprojektes zeigt Frank-Peter Oppenborn auf. Es wird deutlich, dass die entwickelten Unternehmungsgrundsätze und -strategien der Schlüterschen Verlagsgesellschaft die Grundlage für das beschriebene Projekt „TKV fit“ bilden, womit der integrative Anspruch evident wird. Der Managementprozess „Organisation“ mit seiner strukturgebenden Funktion für ganzheitliche agierende Systeme wird mit dem Beitrag von Holger Schiele und Stefan Aichbauer eröffnet, die unter dem Fokus „Target Organizing“ auf eine kostengetriebene Umkehr klassischer Organisationsprinzipien am Beispiel der Reorganisation einer ITUnternehmung eingehen. Das Target Organizing kann aufgrund der ansatzinhärenten Verknüpfung von Budget- und Organisationsplanung einen Teilbeitrag zur Gestaltung einer ganzheitlich ausgerichteten Organisationskonzeption leisten. Mit den Formen sowie organisatorischen und effizienzbezogenen Folgen virtueller Interaktion (Collaboration) setzt sich Wilfried Krüger in seinem Beitrag auseinander. Anhand vieler Praxisbeispiele wird das Potenzial der verschiedenen Ausprägungsformen von virtueller Interaktion transparent dargelegt und die damit verbundenen organisatorischen und integrationszentrierten Folgeprozesse als Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung aufgezeigt. Anhand eines konkreten Fallbeispiels schildern Alexander Grewe und Christian E. Lauterbach den Aufbau einer neuen Organisationsstruktur als Folge eines Unternehmenszusammenschlusses. Im Rahmen einer Workshopkonzeption wurde unter Berücksichtung der relevanten inhaltlichen und prozessualen Elemente und deren Verknüpfungslinien ein entsprechend effektiver wie ausgewogener Lösungsvorschlag erarbeitet, womit diese Vorgehensweise integrative Züge trägt. Das durch frühe Veröffentlichungen von Steinle besonders ausgewiesene Forschungs- und Erkenntnisfeld „Personal und Führung“ wird eröffnet durch einen Beitrag von Bernd Eggers und Sebastian Hollmann, die eine ausführliche Analyse von Führungstheorien mit der Blickrichtung der Entwicklung eines nachhaltigkeitsorientierten Führungsverständnisses vornehmen. Die Grundmerkmale nachhaltiger Führung mit z. B. engem Visions- und Strategiebezug weist diese Konzeption als integralen Bestandteil eines Gesamtführungsansatzes aus. Stefan Krummaker und Bernd Vogel thematisieren mit dem Fokus Followership eine aktuelle Führungsthematik, die Führungsbeziehungen als quasi gleichberechtigten Interaktions-
Ganzheitliches Management: eine mehrdimensionale Sichtweise integrierter Unternehmungsführung
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prozess zwischen Führungskräften und Geführten interpretiert. Die Auseinandersetzung mit dem Einflusspotenzial der Geführten in interaktiven Führungsbeziehungen eröffnet neue Perspektiven für ein ganzheitlich geprägtes Führungsverständnis als wichtiger Teilbereich einer integrierten Unternehmungsführung. Bezogen auf das Fallbeispiel der Versicherungsgruppe Hannover (VGH) zeigt Hans-Georg Walther das Nutzenpotenzial eines integrierten Personalmanagements auf. Kennzeichnend für die zukunftsorientierte Personalkonzeption sind einerseits eine enge Abstimmung einzelner Personalsubsysteme untereinander und andererseits die Verknüpfung mit übergeordneten Elementen wie einer intendierten Strategie- und Kulturentwicklung. Das von Claus Steinle besonders akzentuierte Handlungsfeld „Change Management“ wird durch einen Beitrag von Timm Eichenberg und Maren Behse eröffnet, die sich detailliert mit dem Diskussionsstand zu diesem Managementteilprozess Änderung/Wandel auseinandersetzen. Konkrete Methoden des gesteuerten Wandels mit der Zielrichtung einer vitalen Unternehmung werden aufgezeigt, wobei einzelnen dieser Methoden wie z. B. PUZZLE – wie ausführlich im Beitrag von Eggers/Ahlers aufgezeigt – per se ein ganzheitliches Lösungsverständnis zugrunde liegt. Michael Reiß thematisiert in seinem Beitrag die Ansatzpunkte „Excellence“ und „Resilience“ als Leitbilder für ein erfolgreiches Change Management. Der Argumentationsfokus zielt auf ein integriertes Management der Chancen und Risiken des Wandels und einen entsprechenden Orientierungsrahmen ab, was auf einen ausgewogenen ChancenRisiken-Ansatz hinaus läuft. Auf Basis einer Erfolgsfaktorenperspektive analysieren Wolfgang Botschatzke und Niklas Brasat Change Prozesse am Beispiel der Industrialisierung in Sparkassen. Anhand des Erfolgsfaktorenkataloges von Steinle/Eggers/Ahlers wird der betrachtete Change Prozess der Etablierung einer Sparkassen-Transaktionsunternehmung detailliert auf seine Erfolgsträchtigkeit hin analysiert. Im Abschlussbeitrag zeigen Bernd Eggers, Friedel Ahlers und Timm Eichenberg unter Auswertung der im Sammelband dargelegten Erkenntnisse und weiterer Überlegungen Entwicklungslinien der Integrierten Unternehmungsführung auf. Die gestellte „quo vadis“Frage soll und kann dabei weniger inhaltlich im Detail oder gar final beantwortet werden, vielmehr geht es um die Herausstellung der Aufnahmefähigkeit des Konzeptes einer integrierten Unternehmungsführung für neuere Entwicklungen in der Managementforschung und -praxis. Die Vielzahl der durch die Beiträge abgedeckten Erkenntnis- und Handlungsfelder zeigt exemplarisch das breite Aufgabenspektrum, dem sich eine integrierte Unternehmungsführung zu stellen hat. Es ist ein Abbild der komplexen Um- und Inweltrealität, der sich eine Unternehmung gegenübersieht und begründet zugleich den Integrationsanspruch an ihr managementbezogenes Denken und Handeln.
B
Normative Grundpositionierung als Integrationsbasis
Unternehmungspolitischer "Erker" ir n en P ipi z Entwicklung en m e pl n Im tio Managementprozesse ta d te Entwurf n p ru e Änderung/Wandel G onz k Grundkonzepte Führung (i.e.S.) t- ick- ng e n i E w lu g te Organisation - - n ra t e l p en tio )S a m I m t nd Kontrolle ru n- p- n o e (G K z tio lt Planung we m g U un m h e rn te n U
n er he ng eu c t i ru /S re ie e n z b se an ns in we io F t s / ng n fu nk ng on f tio i u t u a F ti n h tz uk s h c d c s sa o ve Be Pr Re In Ab
Personal
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E b e n e n
Normative Grundpositionierung von Unternehmungen Thomas Böttcher
1
Ganzheitliches Management als Bezugsrahmen der normativen Grundpositionierung
Pr in zi
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Das im Kapitel zuvor beschriebene und als „Managementkubus“ visualisierte Gesamtkonzept einer ganzheitlichen Managementvorstellung von Steinle kombiniert in mehrdimensionaler Weise verschiedene Sichtweisen, die bis dahin nur separat betrachtet wurden (vgl. Steinle, 2005, S. 36 ff.). Diese vorliegende Zusammenschau eröffnet die Möglichkeit der integrativen Verortung der normativen, strategischen und operativen Dimension. So wird sich die Beschreibung einer normativen Grundposition an den Sachverhalten des in Abbildung 1 dargestellten „unternehmungspolitischen Erkers des Managementkubus“ orientieren (Abbildung 1).
Unternehmungsethik
Unternehmungsphilosophie und -vision
U m nte un rn gs eh ku ltu r
Prinzipien
Entwicklung
Unternehmungspolitische Arena
G Im ru pl nd em ko e nz nta ep tio te n
Grundkonzepte
Entwurf Grundkonzepte
Abb. 1: Der unternehmungspolitische Erker: Prinzipien, Philosophie, Ethik, Kultur und Unternehmungspolitik Quelle: Steinle, 2005, S. 77
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Thomas Böttcher
Der unternehmungspolitische Erker ist durch seine Positionierung auf der Deckfläche des Kubus auch optisch hervorgehoben. Er führt die Grundprinzipien, die Unternehmungsphilosophie und -vision, -ethik und -kultur als auch die Unternehmungspolitik zusammen, welche als Richtschnur des unternehmerischen Handelns interpretiert werden können. Diese Dimensionen sind in den Grundkonzepten der meisten Unternehmungen wiederzufinden und dort auch vielfach in einem (schriftlich formulierten) Leitbild zusammengefasst (vgl. Steinle, 2005, S. 39 f.; vgl. auch Böttcher, 2002, S. 20). In diesem Verständnis nehmen sie in direkter und indirekter Weise Einfluss auf nachgelagerte, strategische sowie operative Managementprozesse, wobei als verknüpfendes Element die aus den Grundkonzepten der Unternehmungen abgeleitete Grundstrategie anzusehen ist. In den folgenden zwei Abschnitten wird insbesondere auf die Unternehmungsphilosophie und -vision sowie Unternehmungspolitik und -kultur eingegangen. Die Erörterung des Wertebegriffs bildet den Einstieg in das Feld der Unternehmungsphilosophie und -vision. 2
Unternehmungsphilosophie und -vision
2.1 Grundwerte und Werteverständnis Werte, Werteverständnis und die Beantwortung der Frage eines jeden Menschen nach dem Lebensziel, nach wünschenswerten sozialen Beziehungen und Zuständen, sind untrennbar miteinander verbunden. Sie können somit als die Vision des „persönlich Wünschenswerten“ verstanden werden (vgl. Wunderer/Grunwald, 1980, S. 68). Werte sowie auch das Werteverständnis sind in das Feld der weichen Faktoren einzuordnen und nehmen dort einen übergeordneten Stellenwert im Sinne einer Grundhaltung ein. Sie beeinflussen die Herausbildung von Normen und formen dabei den Rahmen für Handlungen, dienen zur Aktivierung, bilden ein Bezugssystem und haben einen richtungsweisenden Charakter. Die Vielschichtigkeit und die verschiedenen Dimensionen des Wertebegriffs sind in Abbildung 2 veranschaulicht. Die Suche nach „Inhalten“ von Grundwerten sowie nach einem allgemeingültigen Werteverständnis hat, insbesondere vor dem Hintergrund der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise, weiter an Bedeutung gewonnen (vgl. Truckenbrodt/Ress, 2009, S. 233). Die Manager der Unternehmungen haben vielfach erkannt, dass der Gesamterfolg einer Unternehmung – verstanden als ein produktives, soziales System – von der Kombination harter Faktoren (Umsatz- und Renditeziele, Marktanteile, etc.) sowie insbesondere auch weicher Faktoren (Unternehmungsphilosophie, -politik, -kultur und -werte) abhängig ist (vgl. Truckenbrodt/ Ress, 2009, S. 238). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nicht mehr, inwieweit die nachhaltige Wertorientierung einer Unternehmung – im Sinne einer eher lang- als kurzfristigen Wertsteigerung – ein Gerüst an entsprechenden unterstützenden (Grund-)Werten verlangt (vgl. Böttcher/ Heckemüller, 2003, S. 149). Allerdings darf in der Diskussion der Begriff der „Werte“ nicht mit der in der Shareholder-Diskussion fokussierten „wertorientierten Unternehmungsführung“ vermischt werden, in welcher der Wertbegriff rein im Sinne materieller Werte interpretiert wird.
Normative Grundpositionierung von Unternehmungen
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Homöostase:
Inhalt:
Persönliche wie soziale Systeme von Werten und Gegenwerten streben nach Ordnung
Werte sind einschließend oder ausgrenzend Gegenwerte: Ein Wertsystem def iniert sich nicht nur durch die Werte, die es umf asst, sondern lebt auch im Kontrast zu den Werten, die es ablehnt
Anwendungsbereich: Konkretisierung in bestimmten Bereichen und davon abhängige Sinnentwicklung
Handlungsebene: Werte sind individuell oder sozial • persönliche Überzeugung • kollektiver Wert • allgemeine Verbindlichkeit
Vieldimensionalität und Vielschichtigkeit von Werten
System: Werte können nicht f ür sich allein reklamiert, geglaubt oder realisiert werden, sondern nur in Abwägung, Koordination und Kombination mit anderen
Hierarchien: Im Wertesystem nehmen einzelne Werte Prioritäten ein Ausprägungen: Verschiedene Konkretisierungen können Ausprägungen eines Grundwertes sein Interaktion: Werte (im sozialen Kontext) können nie individuell reklamiert werden, es braucht dazu immer Partner
Abb. 2: Vieldimensionalität und Vielschichtigkeit des Wertebegriffs Quelle: Böttcher, 2002, S. 53
Zur weiteren Präzisierung ist eine Beschreibung der Wertestruktur von Sozialsystemen nach Bedeutungs- und Orientierungsgehalt hilfreich. Dabei sollen die Begriffe Grundwerte, Werte und Ziele gegeneinander abgegrenzt werden. Grundwerte, mit ihrem allgemeinen und abstrakten Orientierungsgehalt, formen die Wertebasis oder auch das Wertegerüst. Sie haben dabei Richtliniencharakter, bieten Sinntiefe und -erfüllung und besitzen einen (ausgeprägten) Geltungsanspruch. Grundwerte entwickeln sich in Abhängigkeit von Religion, Politik, Sozialstrukturen und knüpfen somit an Denkstrukturen der Gesellschaft an; sie sind „die Essenz der nationalen Kulturen.“ (Hofstede, 2010, S. 26). So finden sich in christlich geprägten Kulturkreisen Grundwerte wie Klugheit,
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Thomas Böttcher
Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß (die pauschalen Kardinaltugenden) oder auch Glaube, Liebe und Hoffnung (paulinische Trias) (vgl. Schnebel, 1997, S. 12). Vor dem beschriebenen Hintergrund wird eine globale Allgemeingültigkeit und Akzeptanz des Grundwerteverständnisses nur schwer erreichbar sein. Hofstede gibt speziell zur Allgemeingültigkeit von Unternehmungskultur (und den darin reflektierten Wertevorstellungen) einen richtungweisenden Hinweis, mit der Feststellung, dass Unternehmungen auf dem Weg ihrer Internationalisierungsaktivitäten eine Kultur- und Wertebalance finden müssen und dass es eine „symmetrische Struktur“ der Kultur an sich nicht geben wird (vgl. Hofstede, 2010, S. 26).
System ‚Gesellschaft‘
Von Unternehmungen reklamierte Werte wie Flexibilität, Innovationskraft oder Höchstleistung hingegen, können die zuvor genannten Eigenschaften nicht erfüllen und sind somit nicht als (Grund-)Werte an sich zu verstehen sondern eher als systemspezifischer Wert einer Unternehmung. Sie sind somit in Konsequenz in das Feld der Unternehmungsziele einzuordnen (vgl. dazu Abbildung 3).
Allgemein akzeptierte gesellschaftliche Grundwerte
Auf den Grundwerten aufbauendes, gesellschaftliches Wertegerüst
z. B. Menschenwürde
z. B. Gerechtigkeit
z. B. respektvoller Umgang mit Mitarbeitern
Strategie
System ‚Unternehmung‘
(Systemspezifische) Grundwerte einer Unternehmung
Kulturelle Wertvorstellungen einer Unternehmung z. B. Vertrauenskultur mit einem hohen Maß an Selbststeuerung
Ziele der Unternehmung z. B. kontinuierliche, durchgängige Personalentwicklung
Abb. 3: Zusammenhang Grundwerte, Werte und Ziele in den Systemen Gesellschaft und Unternehmung Quelle: Böttcher, 2002, S. 55
Mit der letzten Wirtschaftskrise und der Diskussion um Wirtschaftskriminalität ist das Nachdenken über Grundwerte und Wertvorstellungen im Management der Unternehmun-
Normative Grundpositionierung von Unternehmungen
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gen und in der Öffentlichkeit an vorderste Stelle gerückt (vgl. Truckenbrodt/Ress, 2009, S. 233; vgl. auch Böttcher/Heckemüller, 2003, S. 249). Es werden Grundwerte hinterfragt und es wird die Forderung nach wertekonformem Handeln aufgestellt. Vor dem Hintergrund einer Verunsicherung der Gesellschaft spielt speziell die Auseinandersetzung und die Interpretation des Wertes „Vertrauen“ und der resultierenden Frage des „vertrauen könnens“ eine große Rolle. Dabei wird schnell klar, dass, ohne ein gewisses Maß an Vertrauen die Basis der Zukunftsgestaltung geschwächt wird, denn Vertrauen an sich hat deutlichen Richtliniencharakter aufzuweisen. Vertrauen verlangt nach begleitenden Werten und Eigenschafte, wie z. B. Ehrlichkeit, Offenheit, Humor und Toleranz und ist beschreibbar mit der Entwicklung von Zuversicht, im Hinblick auf bevorstehende Entscheidungen und Ereignisse, sowie das “sich auf ein Individuum verlassen können“ (Bleicher, 2009, S. 73). Vertrauen können ist damit eine der Grundvoraussetzungen für den Erfolg der selbststeuernden Unternehmung und die Voraussetzung für eine konsensorientierte Integration aller Stakeholder. Eine sehr „feine“ Veranschaulichung des Wertes „Vertrauen“ liefern Krystek und Zumbrock mit der Beschreibung, dass durch Vertrauen die eigene Verwundbarkeit gesteigert wird, die gegenüber einem Individuum besteht, das nicht der persönlichen Kontrolle unterliegt. Dies erfolgt in einer Situation, in welcher der erlittene Schaden, wenn ein Anderer diese Verwundbarkeit ausnutzen sollte, größer ist, als der gewonnene Vorteil, sollte der andere sie nicht ausnutzen (vgl. Krystek/Zumbrock, 1993, S. 5). Steinle schreibt dazu: „Bei der Entwicklung einer unternehmungsweiten Vertrauensphilosophie sollte das Interaktionsverhältnis zwischen Führerperson und geführten Personen eingebettet sein in eine Vertrauenskultur, die ihren Ursprung in gemeinsam geteilten und „offen“ gelebten Werten der Unternehmungsmitglieder findet“ (Steinle, 2005, S. 661). Im Umkehrschluss ist eine Vertrauensphilosophie aber nur dann erreichbar, wenn auch der Wert „Vertrauen“ in der Unternehmung fest verankert ist. Nur so kann sich dann in der Unternehmungsphilosophie auch eine Vertrauensphilosophie und -kultur ausbilden. 2.2 Unternehmungsphilosophie und -vision als Reflektionsbasis des Werteverständnisses Das Führen mit Visionen ist, zusammen mit der Selbstorganisation und dem organisationalen Lernen, schon in den 90er Jahren als die Managementinnovation der jüngeren Zeit bezeichnet worden. Diese Sicht hat sich weiter verfestigt und damit ist der Stellenwert der unternehmerischen Vision für den Erfolg einer Unternehmung nicht (mehr) in Frage zu stellen (vgl. Bleicher, 2010, S. 73; vgl. auch Böttcher, 2002, S. 55 f.). Eine Vision hat sowohl die Aufgabe, den Unternehmungsmitgliedern Orientierung zu geben, als auch Werte zu vermitteln und ist somit ein Instrument, um neue Werte in der Unternehmungspolitik und -kultur zu verankern oder vorhandene Vorstellungen zu beeinflussen. Der Prozess der Visionsfindung steht dabei vor der Herausforderung, eine Balance zwischen dem Generellen und dem Präzisen zu gestalten (vgl. dazu auch Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 7). So findet sich eine ganze Spanne von Interpretationen bzw. Definitionen des Visionsbegriffs, die von „richtungweisend“ über Vision als „Polarstern“ bis hin zum Verständnis der Vision als „Instrument, Energie zu lenken“ reicht (vgl. Steinle 2007, S. 142 f.; vgl. auch Steinle, 2005, S. 134).
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Thomas Böttcher
Der Visionsfindungsprozess ist jedoch, in Bezug auf das Ergebnis, recht unterschiedlich. Vielfach finden sich in Visionen von Unternehmungen mehr ökonomische Ziele, als richtungsweisende Vorstellungen. Freiräume werden damit eingeschränkt und nicht eröffnet und trotz des Wissens um die Bedeutung einer „Energie lenkenden“ Unternehmungsvision für den Unternehmungserfolg ist es oftmals schwierig, diese in Publikationen der Unternehmungen oder auf deren Internetseiten zu finden. Hier stellt sich die Frage, ob dieses als Hinweis auf den Implementierungsgrad gedeutet werden kann. Allein das Vorhandensein einer Vision reicht nicht. Die „Reise“ in Richtung des wünschenswerten Ziels beginnt mit dem ersten Schritt. Es bedarf so eines „missionierenden“ Menschen, der sich „traut“, diesen zu tun sowie dem „Vertrauen“ der Unternehmungsmitglieder, dem Visionär auf dem Weg zu folgen. Die Vertrauenskultur gewinnt in diesem Verständnis den Stellenwert einer Grundvoraussetzung für nachhaltige sowie erfolgreiche Unternehmungsentwicklung. Die Überlegungen zur Unternehmungsphilosophie hingegen orientieren sich an dem geschaffenen Wertegerüst der Unternehmung. Die Unternehmungsphilosophie ist zu beschreiben als das unternehmungsinterne Abbild einer Troika aus dem Menschenbild, der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und schließlich dem Leitbild der Unternehmung. So kann unter Unternehmungs- oder auch Managementphilosophie „die ganzheitliche Interpretation der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktion und Stellung der Unternehmung und der daraus abzuleitenden Sinnzusammenhänge und Wertbezüge des Managements“ (Ulrich/Fluri, 1995, S. 53; vgl. auch Steinle, 2005, S. 78) verstanden werden. Sie beschreibt damit einen wertebezogenen Sollzustand, der den Unternehmungsmitgliedern als Orientierungspunkt bzw. Maßstab für das eigene Handeln dient (vgl. Steinle, 2005, S. 86). Die Vision und die Philosophie der Unternehmung (des Managements) bilden das Wertefundament und sind Ausdruck eines unternehmerischen, normativen Grundverständnisses, welches dann eine weitere Fokussierung sowie Konkretisierung in der Unternehmungspolitik und dem Leitbild sowie insbesondere in der gelebten Unternehmungskultur findet (vgl. Böttcher, 2002, S. 58). Abbildung 4 verdeutlicht die vorher beschriebenen Zusammenhänge nochmals.
Normative Grundpositionierung von Unternehmungen
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Werteträger
Strategie
Leitbild
Unternehmungsphilosophie Moralische Grundannahmen
Vision
Werteverständnis
Politik
Ethik als Quelle der Wertebasis Abb. 4: Unternehmungspolitischer Gesamtprozess Quelle: Böttcher, 2002, S. 59
3
Unternehmungspolitik und -kultur
3.1 Unternehmungspolitik, -kultur und -leitbild als Äußerungsform von Werten Die Unternehmungspolitik befasst sich mit Fragen von Macht, Herrschaft und Auseinandersetzung bei der Formulierung und Umsetzung von Unternehmungszielen (vgl. Staehle, 1999, S. 133 f.). Eine integrative Sicht der Inhalte und Aufgaben der Unternehmungspolitik liefert Steinle mit der Beschreibung: „Unternehmungspolitik bezeichnet somit die grundlegenden Zielsetzungs-, Zielsicherungs- und Entwicklungsaktivitäten, -prozesse und -ergebnisse der Unternehmung, die sich aufgrund divergierender Interessenlagen, aber auch konsensorientierter Beiträge maßgeblicher Trägergruppen der Unternehmung, herausbilden“ (Steinle, 2005, S. 125). Der Einbezug aller Stakeholder – mit dem Anspruch, eine Balance zwischen externen, zweckbestimmenden Interessen und den intern verfolgten Zie-
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Thomas Böttcher
len zu schaffen, spiegelt das Spannungsfeld wider, in dem sich die Akteure des Managements zu bewegen haben. Als übergeordnetes Ziel dieses Koordinations- und Konsensprozesses sollte dabei die langfristige Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung nicht aus den Augen verloren werden. Dieses hat zur Folge, dass kurzfristige Orientierungen in Bezug auf Erfolgs-, Finanz- und auch Produkt- sowie Marktziele hier keinen Platz haben. Gleiches gilt auch für Macht- und Prestigeziele sowie soziale und ökologische Vorstellungen. Die (Kern-)Beiträge im Prozess der Konkretisierung einer Unternehmungspolitik bilden die Unternehmungsethik, -philosophie und -vision (vgl. auch Abbildung 4). Die „greifbare Zusammenführung“ findet sich dann in dem, meist schriftlich, formulierten Unternehmungsleitbild. Entsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass auf der einen Seite die inhaltliche Spreizung von Leitbildern recht groß ist und auf der anderen Seite oftmals ähnliche Aussagen in den Leitsätzen unterschiedlicher Unternehmungen zu finden sind (s. a. Abbildung 5). Ihre Wirkung entwickeln Leitbilder erst mit der Umsetzung ihrer Inhalte in der Unternehmung.
Allgemeine Geschäftspolitik
Gesellschaft/ Umwelt
Grundzweck
Anteilseigner
Wert schaffen
Kunden
Qualität
allgemein
Adressaten
Marketing/ Service
Mitarbeiter
Organisationsprinzipien
Kooperationspartner
Globalisierung Lieferanten Wettbewerber
Abb. 5: Generelle und spezifische Leitbildinhalte Quelle: Böttcher, 2002, S. 77
Innovationsfähigkeit Technologie
branchenspezifisch
Leitbild
Normative Grundpositionierung von Unternehmungen
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Die Unternehmungskultur „umhüllt“ mit ihrem werteprägenden Charakter die zuvor beschriebenen Ebenen. Sie ist zu deuten als das angehäufte Wissen einer Unternehmung, im Hinblick auf die verhaltensbezogene, emotionale und kognitive Dimension. Sie wird geformt durch die Geschichten, Legenden und Mythen sowie die bisherigen Verhaltensformen der Unternehmung. Die Unternehmungskultur ist der virtuelle Speicher der Werte, Normen und Grundeinstellungen einer Unternehmung. Der Inhalt der Unternehmungskultur wird von dem Wechselspiel der Einflussnahme der Unternehmungsmitglieder auf die Unternehmungskultur und vice versa bestimmt (vgl. Steinle, 2005, S. 99). Abbildung 6 verdeutlicht die Kennzeichen und Inhalte der Unternehmungskultur, in Bezug auf Symbole, Normen und Werte sowie Grundannahmen.
Mechanismen
neue Symbole können neue Werte hervorrufen
Werte rufen Symbole hervor bzw. leiten Symbole an
"erfolgreiche" Werte diffundieren zu Grundannahmen
Grundannahmen "überprüfen" neue Werte
Schichten
Symbole
Normen und Werte
Grundannahmen
Kennzeichen
Inhalte (Beispiele)
sichtbar, aber oft nicht direkt verständlich, entziffer- und entschlüsselbar
Architektur, Kleidungsstil, Bürogestaltung Sprache, Slang, Jargon, Witze Gewohnheiten, Gebräuche, Sitten Rituale, Zeremonien, Riten, Feiern Stories, Legenden, Anekdoten Geschichten, Mythen, Sagen Titel, Produkte, Firmenwagen
höhere Ebene des Bewusstseins; je nach Grad der Bewährung diskutierbar und offen
Unternehmungs- und Führungsgrundsätze, Verhaltensvorschriften, Regeln, Prinzipien, Moral, Ethik, Handlungsmaximen, Einstellungen, Glaubenssätze, Richtlinien
selbstverständlich, unsichtbar, unterbewusst, vorbewusst
Beziehung zur Umwelt, Wahrnehmung von Realität, Zeit und Raum, Menschenbild Hintergrundüberzeugungen, Weltinterpretationen, Denkmuster, Wissensvorräte
Abb. 6: Schichtenmodell der Unternehmungskultur nach Steinle Quelle: Steinle, 2005, S. 99
Die Unternehmungskultur hat einen – in der Vergangenheit verankerten – werteprägenden Charakter und kann gleichzeitig durch neue, z. B. durch Visionen in die Unternehmung hineingetragene Werte mittel- bzw. langfristig verändert werden (vgl. Steinle, 2007, S. 145 ff.; vgl. auch Hofstede, 2010, S. 26). Dies wiederum bedeutet, dass eine kurzfristige Kulturgestaltung nicht als erfolgversprechend anzusehen ist und nicht mit dem erforderlichen Maß an Authentizität erfolgen kann. Nur das reale Leben der Werte kann zu einer Veränderung führen und verleiht den Werten unternehmungsindividuelle Gestalt. „Allein die Umsetzung der Werte in die Praxis macht die Unterschiede zwischen den Organisationen aus“ (Reinbacher, 2008, S. 360). Die Frage nach dem Umsetzungsgrad sowie Rolle und Stellenwert der Unternehmungskultur wird im nächsten Abschnitt beleuchtet.
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Thomas Böttcher
3.2 Rolle und Stellenwert von Unternehmungskultur – ein aktuelles Schlaglicht Das Thema Unternehmungskultur hat in den letzten Jahrzehnten fortlaufend an Bedeutung gewonnen (vgl. Berthel/Becker, 2007, S. 554 f.). Eine interessante Frage ist: wie wird der Stellenwert der Unternehmungskultur aktuell, in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie fortschreitender Globalisierung, von Managern und Mitarbeitern beurteilt? In einer Studie aus dem Jahr 2009 wurden dazu die Merkmale (1) zentrale Inhaltsbereiche bzw. Verständnis, (2) Bedeutung und Nutzen, (3) Umsetzung der Unternehmungskultur und geplanter weitere Maßnahmen sowie (4) aktuelle und zukünftige kulturelle Merkmale untersucht. Befragt wurden ca. 160 Unternehmungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darunter befanden sich Familienunternehmungen, Dax-Konzerne sowie auch mittelständische Betriebe. Die Antworten kamen zu je einem Viertel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Top-Management und dem mittleren Management. Die verbleibende andere Hälfte der Äußerungen kam aus dem Personalmanagement der Unternehmungen. Die folgenden Kernaussagen können zusammengefasst werden. Dabei soll versucht werden, diesen Thesen theoriebasierte Kommentare im Sinne von Definitionen und Anmerkungen gegenüberzustellen (vgl. Leitl/Sackmann, 2010, S. 36-45; vgl. zu den Ergebnissen auch ausführlich Kienbaum, 2009): 1.
Als zentrale Inhaltsbereiche bzw. Verständnis wurden das Selbstverständnis, die Unternehmungswerte sowie Normen identifiziert. „Unternehmungskultur ist somit abzugrenzen als die Gesamtheit von Grundannahmen, Werten und Normen, die in einer Unternehmung gemeinsam akzeptiert und gelebt wird.“ (Steinle, 2005, S. 99; vgl. auch Stock-Homburg, 2008, S. 258 f.)
2.
Die Nutzendimensionen der Unternehmungskultur wurden im Wesentlichen in der identitätsstiftenden Wirkung sowie der daraus resultierenden, motivationalen Komponente (Engagement) mit dem Ergebnis der Bindung der Mitarbeiter (Leistungsträger) an die Unternehmung gesehen. „Unternehmungskultur erzeugt dabei „Identifikation“ im Sinne eines Wir-Gefühls“ (Steinle, 2005, S. 98).
3.
Sehr aufschlussreich ist, wie der Umsetzungsgrad der angestrebten Grundannahmen, Werte und Normen beurteilt wird, sowie welche weiteren Maßnahmen geplant sind. Die Mehrheit der Befragten sieht die Inhalte als nur teilweise implementiert. Der Umsetzungsgrad wird in Abhängigkeit der Führungsebene unterschiedlich beurteilt. So schätzen Führungskräfte der oberen Ebene den Umsetzungsgrad höher ein als Manager der mittleren Ebene. Als Maßnahmen zur Verbesserung dieser Situation werden u. a. die „Kulturimplementierung“, die „Leitbildentwicklung“ und allgemein „Workshops“ von den Unternehmungen gesehen. Die Entwicklung eines Unternehmungsleitbildes und der Prozess der Implementierung des schriftlich formulierten Unternehmungsleitbildes als Instrument der Kulturentwicklung sind umso erfolgversprechender wenn sie von entsprechenden Instrumenten begleitet werden (vgl. Böttcher, 2002, S. 205 ff.). Hier sind das Projektmanagement und insbesondere die „PUZZLE-Methodik“ zu nennen. Die „PUZZLE-Methodik“ kann zur Identifizierung von kulturrelevanten Phänomenen auf allen Unternehmungsebenen dienen und im Sinne einer integrativen Kulturgestaltung Umsetzungsprojekte steuern (vgl. Steinle, 2005, S. 107 sowie zur
Normative Grundpositionierung von Unternehmungen
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PUZZLE-Methodik Steinle, 2005, S. 48 ff.; vgl. auch grundlegend Steinle/Eggers/ Kolbeck, 1999). 4.
Die Evaluation der aktuellen und zukünftigen kulturellen Merkmale hat ergeben, dass aktuell den Eigenschaften Kollegialität, Kundenorientierung und Zielorientierung der höchste Stellenwert beigemessen wurde. In der zukünftigen Sicht wird das Merkmal Kollegialität abgelöst durch Führungsqualität, gefolgt von Kundenorientierung und Kollegialität/Teamgeist. Zu bemerken ist, dass diese veränderte Wahrnehmung dessen, was zukünftig wichtig ist, nicht gleichzusetzen ist mit tatsächlich begonnener oder gar implementierter Kulturveränderung.
Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmungen reicht die Konzentration auf produkt- und prozessorientierte Optimierungen nicht mehr aus. Die Ausgestaltung einer „gewinnbringenden“ Unternehmungskultur wird den Unternehmungen im Sinne eines Differenzierungsmerkmales einen Wettbewerbsvorteil bieten. Dieser greift schon bei der Gestaltung einer erfolgreichen Mitarbeitergewinnung und -bindung über die erfolgreiche Positionierung in (globalisierten) Märkten bis hin zur erfolgreichen Beschaffung erforderlicher finanzieller Mittel im Kreise der Geldgeber und Anteilseigner (vgl. Steinle, 2007, S. 142; vgl. auch Stock-Homburg, 2008, S. 257 f.; vgl. weiter Berthel/Becker, 2007, S. 555 f.). Die erfolgreiche Verankerung der strategischen Ausrichtung einer Unternehmung in der Unternehmungskultur ist der erste Schritt zur erfolgreichen Umsetzung der Strategie, da doch die Strategieimplementierung im Wesentlichen von der Unterstützung der Unternehmungsmitglieder abhängt. „Die Kultur fungiert als Fundament der erstrebten strategischen Stoßrichtung der Unternehmung“ (Steinle/Eggers/ter Hell, 1992, S. 4).
Schafft unsere Konzernebene einen Mehrwert? Ein Plädoyer für eine verantwortungsvolle Diversifikation Günter Müller-Stewens und Matthias Brauer
1
Diversifikation: Handicap oder Chance?
Der Kapitalmarkt schätzt sie nicht besonders, die diversifizierten Konzerne bzw. Unternehmensgruppen. Derartige „Mehr-Geschäfts-Unternehmen“ (MGU) werden oft als „Wertvernichter“ gesehen und mit einem „Konglomeratsabschlag“ versehen. Auch „Synergien“, als wichtiges Gestaltungselement der Konzerne, sind zum Unwort geworden. Meist seien sie nur ein Hirngespinst wirklichkeitsfremder Manager. Daher sei eine Fokussierung des Portfolios grundsätzlich zu bevorzugen und würde Wertsteigerungen ermöglichen. Wer sich gegen diese „Einsichten“ stellt, wird über Konglomeratsabschläge auf den Aktienkurs abgestraft. Doch wird dieses Pauschalurteil der Sache gerecht? Wir vertreten in diesem Beitrag die Auffassung, dass die Diversifikation nach wie vor eine sehr wichtige strategische Option darstellt, die es sorgfältig gegenüber einer Fokussierung abzuwägen gilt. Es gibt neben den wertvernichtenden diversifizierten Unternehmensgruppen durchaus auch eine stattliche Anzahl von MGUs, die nachhaltig profitabler sind als ihre fokussierten Vergleichsunternehmen. Doch diese Option verlangt die Fähigkeit der Führungsmannschaft zum Management der Diversifikation. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass trotz des Trends zur Fokussierung nach wie vor nahezu alle größeren, aber auch viele mittlere Firmen MGUs sind, die ihr Portfolio über Regionen, das Produkt- oder Dienstleistungsportfolio oder entlang der Wertschöpfungskette diversifiziert haben. Diversifizierte Unternehmen sind eher Normal- als Ausnahmefall. In der aktuellen Wirtschaftskrise war auch manch einer froh darum, dass er seine Risiken in verschiedene Geschäfte diversifiziert hatte. Wer diversifiziert ist, bringt dies jedoch nach außen oft nur defensiv zum Ausdruck. So spricht z. B. das Schweizer Pharmaunternehmen Novartis bei seiner Neuausrichtung auf den Gesundheitssektor von einer „fokussierten Diversifikation“. Dabei wäre es längst an der Zeit, das Thema Diversifikation wieder proaktiv anzugehen, sich zu dem Konzept offen zu bekennen, seine Umsetzung systematisch voranzutreiben, seinen Nutzen transparent und bestmöglich unter Beweis zu stellen sowie seine Fallstricke aufzeigen. Natürlich ist die Skepsis vieler Investoren gegenüber einer Diversifikation nachvollziehbar, denn viele Diversifikationsstrategien sind fehlgeschlagen. Und allzu oft wurden Investoren bzgl. der Fähigkeit eines Konzernmanagements, eine Diversifikation erfolgreich zu managen, enttäuscht. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manchmal sind Konzerne relativ passive, historisch gewachsene Unternehmensgruppen, deren Konzeption strategisch kaum noch nachvollziehbar ist. Oder intransparente Konzernstrukturen mit Überkreuzsubventionierungen dienten mehr den Interessen des Topmanagements als dem der Aktionäre, Kunden und Mitarbeiter. Nicht selten hat man es auch mit negativen Synergien zu tun, d. h. dass sich die
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Günter Müller-Stewens und Matthias Brauer
Geschäfte wechselseitig sogar behindern. So stellte sich z. B. bei Sony das Musikgeschäft (CDs etc.) jahrelang gegen das Geschäft mit MP3-Geräten, da man nicht wollte, dass mit diesen Geräten kostenlose Downloads der eigenen Musik begünstigt werden. Doch es wäre trügerisch, daraus zu schließen, dass die Fokussierung die gegenüber der Diversifikation generell zu bevorzugende Unternehmensstrategie wäre. Gerade sehr stark fokussierte und bislang durchaus sehr erfolgreiche Unternehmen laufen heute Gefahr, nachhaltige Wettbewerbsnachteile gegenüber Wettbewerbern einzufahren, wenn diese in der Lage sind, erhebliche Synergien aus ihrer Diversifikation zu schöpfen. Wie lange können z. B. BMW und Mercedes auf die Kostenvorteile verzichten, die eine breit diversifizierte und immer besser integrierte VW-Gruppe für seine Marke Audi (z. B. durch die Nutzung von Gleichteilen) zu erzielen vermag? Oder die Diversifikation erklärt sich darüber, dass man dem Kunden eine integrierte Dienstleistung („one-stop-shopping“) aus einer Hand erbringen muss, wenn man ihn halten möchte. Wenn z. B. eine der neuen, extrem schnell wachsenden Mega-Cities dieser Welt die Entwicklung seiner komplexen Infrastruktur (Energieversorgung, Verkehrswege etc.) vorantreiben will, dann möchte man dort nicht mit einzelnen Divisionen von Siemens verhandeln. Auch wird man sich nicht mit einer Koordination des Verkaufs allein über ein Key Account Management zufrieden geben, sondern erwartet eine technologisch integrierte Gesamtlösung des Kundenproblems. Wer sich nicht dieser Managementherausforderung stellt, wird nach und nach einen bedeutsamen Teil seiner Kunden verlieren. Teilweise lassen sich derartige Herausforderungen durch strategische Partnerschaften bewältigen, doch ob dies allerorts ausreichen wird, darf bezweifelt werden. Dies zeigt auch der Trend zurück zur Vergrößerung der Wertschöpfungstiefe in einigen Branchen, wie etwa der Computerindustrie. Tatsächlich sind es oft sehr zwingende Gründe, warum ein Unternehmen die Herausforderung einer Diversifikation annehmen muss. Manchmal entstehen diversifizierte Strukturen durch den Umbau der Portfolio-Konfiguration, wenn die Konzernumsätze aus stagnierenden Märkten nach und nach in attraktivere Märkte verlagert werden sollen. Oder die Portfolio-Entwicklung erklärt sich über die Risikodiversifikation z. B. unterschiedlich zyklischer Geschäfte, die in inhaltlichem Bezug zueinander stehen. Ein Beispiel hierfür ist MunichRe, die aus einer Risikoperspektive in die Erst- und Rückversicherung diversifiziert ist und darauf aufbauend z. B. das Krankenversicherungsgeschäft möglichst integriert angeht. Oder ein historisch gewachsener Stammhauskonzern wurde unter einem Holding-Dach in einzelne strategische Geschäftseinheiten restrukturiert: Zuerst konzentrierte man sich dabei auf die Positionierung der einzelnen Geschäfte und erst langsam wird man sich bewusst, dass es nun dieses diversifizierte Portfolio gesamtstrategisch zu managen gilt. Die Gründe sind also vielfältig, warum die Diversifikation nach wie vor eine wichtige strategische Option darstellt, die nicht vernachlässigt werden darf, auch wenn sie etwas in die Ungnade des Kapitalmarktes gefallen ist. Das Augenmerk sollte mehr darauf gelegt werden, warum ein Gruppenmanagement so oft nicht in der Lage ist, Diversifikation wertsteigernd zu managen. Welche Fähigkeiten und Konzepte sind es, die hier fehlen? Hierzu ist festzustellen, dass sich die Entwicklung von Managementfähigkeiten in den letzten Jahrzehnten primär auf das Entwickeln und Umsetzen der Wettbewerbsstrategien in den Geschäften bezogen hat. Relativ wenig Aufmerksamkeit schenkte man den Fähigkei-
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ten, die es auf der Gruppenebene benötigt, um aus der Diversifikation den angestrebten Mehrwert zu generieren. Oft gibt es nicht einmal eine konzeptionell saubere Trennung zwischen der „Corporate Strategy“ und den „Business Strategies“. Und dort wo getrennt wird, fehlt es nicht selten an einer klaren und im Management geteilten Agenda der wertsteigernden Aktivitätsfelder des Konzernmanagements. Es ist z. B. eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, eine konzernweite strategische Initiative quer über alle Geschäftseinheiten überlagernd zur mächtigen Eigendynamik der „vertikalen Geschäftssilos“ zu führen. Doch genau in dieser Managementherausforderung liegt auch die Chance: Denn derartige Fähigkeiten eines Konzernmanagements können nur langfristig in einem unternehmensspezifischen Entwicklungsprozess aufgebaut werden. Wer sich diese frühzeitig angeeignet hat, verfügt daher meist über sehr langfristig verteidigbare Wettbewerbsvorteile. Unternehmen wie 3M oder Johnson & Johnson haben uns dies über Jahrzehnte vorgeführt. Neuerdings zeigt uns z. B. auch Apple sehr eindrucksvoll, wie Mehrwert aus einer wachsenden Diversifikation generiert werden kann. Die Diskussion über das Management diversifizierter Unternehmen wird bisher vor allem kapitalmarktorientiert geführt. Eine strategische Führung erfordert jedoch mehr als nur die Fähigkeiten im Bereich Corporate Finance. Im Folgenden stellen wir daher sieben Leitlinien einer „verantwortungsvollen Diversifikation“ auf, an denen sich der Aufbau eines strategischen Konzern- bzw. Gruppenmanagements orientieren kann. Diese Leitlinien bauen auf einer Vielzahl von uns durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen sowie auf manigfaltigen Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Führungskräften und Unternehmen zum Konzernmanagement auf (vgl. Müller-Stewens/Brauer, 2009). 2
Einen Gruppenmehrwert erzielen
Eine Unternehmensgruppe macht nur dann Sinn, wenn der Wert des Gesamtunternehmens nachhaltig größer ist als die Summe der Werte der einzelnen Geschäfte. Dieser Mehrwert („corporate surplus“) muss durch die Konzernebene generiert werden. Er stellt die Legitimationsbasis eines MGU dar. Genau genommen geht es sogar um die Erzielung eines Netto-Mehrwerts, d.h. der geschaffene Mehrwert muss größer sein als die durch die Gruppenebene entstehenden Kosten. In einem traditionellen Verständnis von Konzernführung lautet die zentrale Frage: Was können die Töchter für die Mutter bringen? Dies allein wäre allerdings zu einseitig und geht an der Grundaufgabenstellung eines Konzernmanagements vorbei. Mindestens ebenso wichtig ist die Beantwortung der Frage: Was kann die Mutter zur Wertsteigerung der Töchter beitragen, die diese nicht selbst besser realisieren könnten? Der Mehrzahl der Unternehmensgruppen gelingt es jedoch nicht, einen solchen Corporate Surplus zu realisieren. Dies bringt sie mit ihrer Diversifikationsstrategie unter Legitimationsdruck. Der Kapitalmarkt betrachtet sie dann mit Skepsis und bewertet sie mit einem „Konglomeratsabschlag“. Je nach Eigentümerstruktur kann ein daraus erwachsender „Corporate Discount“ Übernahmeversuche zur Folge haben. Gelingt es nicht, die Eigentümerstruktur zu stabilisieren – wie z. B. beim Einstieg von Aabar Investments PJSC (Abu Dhabi) bei Daimler im März 2009 –, so kann eine Zerschlagung des Unternehmens oder zumindest eine Restrukturierung der Portfolio-Konfiguration eine Konsequenz davon sein. Oder die Unternehmens-
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leitung versucht den Discount schrittweise selbst durch Desinvestitionen abzubauen. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die über viele Jahre stattgefundene PortfolioRestrukturierung der Linde-Gruppe, wo eine Produktfokussierung auf das Gas- und Anlagebaugeschäft erfolgte, und das Risiko derzeit primär global diversifiziert wird. In seiner Tätigkeit der Wertsteigerung auf der Gruppenebene steht das Gruppenmanagement allerdings in Konkurrenz zum Gruppenmanagement anderer Konzerne. Nur wenn die Mutter tatsächlich der „beste Eigentümer“ ihrer Geschäfte ist, d. h. den höchsten Mehrwert für die Töchter generiert, ist auf lange Sicht der Verbleib der Töchter im Unternehmensverbund ökonomisch gerechtfertigt. Ansonsten unterliegt man im Wettbewerb den Unternehmen, die ihren Töchtern zu einem größeren Mehrwert verhelfen können. So hat z. B. der Genfer Luxusgüterkonzern Richemont im Jahr 2000 u. a. den Uhrenhersteller IWC aus dem VDO-Portfolio erworben. Die integrierende Logik, warum IWC zum VDO-Portfolio gehörte, war die, dass man etwas von Mess- und Regeltechnik verstand. Primäres Motiv waren also technologische Synergien. Dagegen verfügt Richemont über eine besondere Fähigkeit im Management von Luxusmarken, die heute in 18 weitgehend autonom operierenden Tochtergesellschaften zur Anwendung gebracht wird. Der Mehrwert des Konzernmanagements ergibt sich dann weniger über horizontale operative Synergien, sondern mehr über vertikale Managementsynergien, was dann auch tatsächlich mit einer erheblichen Wertsteigerung bei IWC einherging. 3
Synergien erfolgreich managen
Der durch die Gruppenebene anzustrebende Mehrwert entsteht aus der Koordination der Gruppe mit dem Ziel der Realisierung von Synergien. Dies geschieht nicht automatisch, sondern bedarf spezifischer Fähigkeiten eines Konzernmanagements. Diese beziehen sich sowohl auf die Identifikation von Synergiepotentialen, als auch auf deren organisatorische Umsetzung. Die Phobie gegenüber dem Thema Synergien und auch die fehlende Managementerfahrung haben teilweise dazu geführt, dass Unternehmen, die bereits diversifiziert sind, die Chancen, die ihnen ihre Diversifikation bietet, ungenutzt verstreichen ließen. Doch der verschärfte Wettbewerbsdruck führt nun langsam wieder zu einer Rückbesinnung, da auch die Verbesserungspotenziale in den einzelnen Geschäften teilweise als weitgehend ausgeschöpft betrachtet werden. Die Kostensenkungspotentiale wurden nahezu im Gleichschritt mit der Konkurrenz weitgehend ausgereizt; die Märkte, in denen man sich bewegt, sind oft relativ gesättigt und bieten nur noch sehr bescheidene Wachstumsraten. Um dieser Stagnation zu entrinnen, haben Unternehmen sich auch dazu entschlossen, Effizienz- bzw. Kostensynergien über die Standardisierung und Zentralisierung bestimmter Funktionen zu heben. Warum sollte man z. B. nicht gemeinsam einkaufen, wenn mehrere Geschäfte ihre Vorprodukte teilweise beim gleichen Lieferanten beziehen? Macht es in einem internationalen Versicherungsunternehmen noch Sinn, angesichts der Konvergenz der Rahmenbedingungen in jedem Land eine eigene Produktentwicklung zu haben? Wäre es nicht besser, diese Funktion am best geeigneten Standort zu zentralisieren? Neben klassischen Effizienzsteigerungsprogrammen kann das Konzernmanagement Mehrgeschäft aber auch durch Wachstumssynergien erzielen. Philips kreierte z. B. einen vollkommen neuen
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Markt für „Mobile Defibrilatoren“ durch die Kombination von Kompetenzen aus der „Medical Unit“ und der „Consumer Electronics Unit“. Auch braucht es ein differenzierteres Denken über Synergien. Die operativen Synergien zwischen den Geschäftseinheiten, z. B. aufgrund von verwandten Produkten oder gemeinsamen Technologien, decken nur einen kleinen Teil der Möglichkeiten ab. Mindestens ebenso relevant sind Managementsynergien, wie etwa das Beherrschen einer bestimmten Methodik z. B. die Markforschungskompetenz beim britischen Einzelhandelskonzern Tesco , die zum Vorteil der Töchter gereichen und die man aber dort nie auf diesem Nutzenniveau betreiben könnte. Nicht zu vergessen sind auch die Finanz-Synergien (z. B. Cash-Pooling), die über eine Gruppenstruktur gehoben werden können. Relevant werden können auch Marktmacht-Synergien, wenn z. B. ein globales Mehr-Markenunternehmen wie Procter & Gamble seine Gruppenstärke beim Vertreten seiner einzelnen Marken bei lokalen Handelspartnern auszuspielen vermag. 4
Aktiv Wettbewerbsvorteile der Gruppe bewirtschaften
Da Wettbewerb nicht nur auf der Ebene der einzelnen Geschäfte stattfindet, sondern auch auf der Gruppenebene, muss auch dieser Wettbewerb aktiv geführt werden. Dies impliziert eine klare Vorstellung, welche Wettbewerbsvorteile der Gruppe hier angestrebt werden. In der Unternehmenspraxis ist das Strategische Management oft durch die Markt- und Wettbewerbsdynamik in den einzelnen Geschäftsfeldern geprägt. Man weiß relativ genau, über welche Wettbewerbsvorteile man in den einzelnen Geschäftsfeldern verfügt. Dagegen sind die Vorstellungen über die Wettbewerbsvorteile auf der Gruppenebene weitaus weniger ausgereift und geteilt. Will sich das Unternehmen im Konzernmanagement signifikant und nachhaltig differenzieren, bedarf es jedoch auch eines klaren Verständnisses der Wettbewerbsvorteile auf der Gruppenebene sowie des damit verbundenen Nutzens, der daraus für die einzelnen Geschäfte generiert wird („business value proposition“). Das Konzernmanagement muss die zur Realisierung dieser Wettbewerbsvorteilspotenziale erforderlichen Managementfähigkeiten gezielt identifizieren und aufbauen. So kann ein Unternehmen z. B. die M&A-Kompetenzen für den Kauf und die Integration von Unternehmen auf der Gruppenebene systematisch bündeln und entwickeln, da diese Fähigkeiten in einer Wachstumsphase oder konzeptionellen Neuausrichtung spielentscheidend sein können. 5
Einer integrierenden Leitidee folgen
Nicht nur für ein Einzelgeschäft, sondern auch für eine Unternehmensgruppe ist es förderlich, wenn die Diversifikation und damit die strategische Unternehmensentwicklung einer integrierenden Leitidee folgt. Dieses strategische Konzept definiert das Geschäftsmodell des Gesamtunternehmens. Natürlich ist nicht jede Portfolio-Konfiguration, die man bei diversifizierten Unternehmen antrifft, als sinnvoll und wertstiftend zu erkennen. Auch reicht es nicht aus, ein Portfolio nur finanztechnisch zu optimieren. Es ist sicher förderlich, wenn eine die Geschäfte verbin-
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dende Gesamtidee und -logik die strategische Entwicklung des Unternehmens anleitet und diese dann auch über ein aktives Portfoliomanagement konsequent zur Umsetzung gebracht wird. Es muss eine strategisch überzeugende Antwort auf die Frage gegeben werden können, warum sich genau diese Geschäfte unter dem gemeinsamen Konzerndach befinden. Oft leitet sich eine Antwort aus der Frage ab, was ein bestimmtes Unternehmen von seinem Wesen her ist, wofür es steht, was seine Identität ist. Worin besteht die „logische Klammer“, die den Zweck der Gruppe erklärt und ihre Entwicklung anleitet? Ist ein solches strategisches Konzept jedoch einmal gefunden, dann ergibt sich für das Konzernmanagement ein neuer Blick auf das Geschäftsportfolio des Unternehmens. Da die Geschäfte nicht mehr nur in den „vertikalen Silos“ optimiert werden, werden dann häufig auch völlig neue Wachstumspotentiale sichtbar. Als Beispiel mag hier die aktuelle Transformation von Nestlé dienen. Das ursprüngliche Selbstverständnis des Unternehmens war das eines Nahrungsmittelkonzerns. Entsprechend blickte man vertikal auf die einzelnen Nahrungsmittelproduktekategorien, nach denen das Unternehmen auch organisiert war. Das Geschäftsmodell des Konzerns geriet aber zunehmend unter Wettbewerbsdruck. Oft fand man sich in den einzelnen Produktkategorien in scheinbar endlosen Preiskämpfen wieder. Dies war dann auch Anlass, sich im Selbstverständnis als Ganzes zu redefinieren: In Spiegelung der sich wandelnden Kundenbedürfnisse versteht man sich nun als Unternehmen für „Nutrition, Health and Wellness“. Zentraler Wettbewerbsvorteil auf der Gruppenebene soll die ernährungswissenschaftliche Kompetenz sein, mittels derer in den Einzelgeschäften ein Mehrwert gestiftet werden kann, den die Geschäfte alleine nicht realisieren könnten. Durch entsprechend höherwertige Produkte konnte dem Margenverfall der letzten Jahre erfolgreich entgegengewirkt werden. Dabei ist man auch auf Wachstumsideen gestoßen, die sich erst aus der Einnahme dieser horizontalen, über die Kundenbedürfnisse integrierten Perspektive ergeben. So hat man z. B. Jenny Craig, das im Bereich des personalisierten Gewichtsmanagements mit über 600 Jenny Craig Centres international tätig ist, erworben. 6
Den passenden Integrationstyp bestimmen
Je nach dem für das Gesamtunternehmen angestrebten Geschäftsmodell wird der passende Integrationsgrad definiert. Dabei können drei Grundtypen unterschieden werden: 1.
Der Portfolio-Optimierer, bei dem die Geschäfte hochgradig autonom bleiben,
2.
der vertikale Optimierer, bei dem die Gruppenebene sich primär auf die Wertsteigerung der Einzelgeschäfte konzentriert, und
3.
der horizontale Optimierer, bei dem über ein weitgehend integriertes Gruppengeschäftsmodell auch die Realisierung operativer Synergien angestrebt wird.
Aus dem strategischen Konzept (und der übergeordneten Vision) der Gruppe leiten sich Umfang und Inhalt der Aktivitäten der Gruppenebene ab. Ähnlich zu den Normstrategien auf Ebene der Geschäftsfelder (z. B. Differenzierung, Kostenführerschaft und Fokus), können sich Unternehmen an drei generischen Optionen orientieren. Diese Grundtypen unterscheiden sich nach dem Grad der Integration (mit entsprechend steigendem Wertsteigerungspotential und höheren Kosten der Integration).
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Warren Buffet ist mit seiner Firma Berkshire Hathaway schon ein klassisches Beispiel für einen „Portfolio-Optimierer“. Der Mehrwert des Gruppenmanagements liegt dann vor allem darin, in unterbewertete, aber aussichtsreiche Investitionsziele zu investieren. Die Unternehmen bleiben aber innerhalb des Portfolios weitgehend autonom und werden rein finanziell geführt. Aus dieser „minimal-invasiven“ Logik heraus reicht ein sehr schlankes Corporate Center zur Steuerung der Gruppe aus. Problem dieses Ansatzes ist, dass er sehr nahe an dem eines Private Equity-Unternehmens ist, was meist für einen solchen Ansatz noch besser aufgestellt ist. Eine Integrationsebene höher agiert der „vertikale Optimierer“. Er konzentriert sich auf ein aktives Portfolio-Management sowie auf das Trimmen der einzelnen Geschäfte in Richtung einer „Best-in-class“-Performance. Allein das Trimmen der Einzelgeschäfte kann zwar für Aktionäre vorübergehend wertsteigernd wirken. Doch es bleibt die Frage, warum sich genau diese im Einzelfall durchaus sehr profitablen Geschäfte unter diesem Dach befinden? Bleibt das Unternehmen hier eine schlüssige Antwort schuldig, dann wird man – auch angesichts meist hoher Cash-flow-Bestände – schnell zum Zielobjekt von Investoren, die aus einer Zerschlagung des Unternehmens ihren Nutzen ziehen wollen. Zur operativen Integration von Teilen der Wertschöpfungsketten der Geschäfte kommt es im Fall des „horizontalen Optimierers“. Dahinter steht häufig der sogenannte „One-Firm“Ansatz, wie man ihn z. B. aus der Industrie („Siemens One“, „One Swisscom“) oder dem Banking (z. B. One Credit Suisse) kennt. Ziel ist hier z. B. das „Cross Selling“, d. h. man will den anspruchsvollen Kunden, der Produkte und Dienstleistungen aus mehreren Geschäftseinheiten benötigen kann, „aus einer Hand“ mit einer auch technologisch – „integrierten Dienstleistung“ versorgen („one-stop-shopping“). Derartige Ansätze gelten bzgl. der erforderlichen Managementfähigkeiten als besonders anspruchsvoll, denn um sie zum Gelingen zu bringen, muss das dazu erforderliche soziale Kapital zwischen den relevanten Mitarbeitern der zu integrierenden Einheiten gebildet werden. Im Falle ihres Gelingens sind diese Ansätze aber auch besonders vielversprechend und nur schwer vom Wettbewerb zu imitieren. Zu einer besonderen Herausforderung kann die Entflechtung werden, wenn es nicht gelingt, den Ansatz erfolgreich umzusetzen. 7
Die Führungsorganisation konsequent anpassen
Die Realisierung des über die Corporate Strategy angestrebten Mehrwerts lässt sich nur erreichen, wenn konsequent die Führungsorganisation auf die Umsetzung der Strategie ausgerichtet wird. Konsistenz zwischen der Strategie und der internen Governance des Unternehmens ist oberstes Gebot. Veränderungen in der Gruppenstrategie sollten sich auch in entsprechenden Veränderungen im Interaktionsstil zwischen der Gruppen- und Business-Ebene, den Organisationsstrukturen (Aufbau- und Ablauforganisation, Gruppenfunktionen etc.) bis hin zu den Managementsystemen (Strategische Planung, Controlling, Anreizsysteme, Führungskräfteentwicklung etc.) niederschlagen. Dabei müssen oft kritische Spannungsfelder ausbalanciert werden, z. B. wenn Anreizsysteme zugleich die geschäftsfeldübergreifende Kooperation und die Optimierung der Einzelgeschäfte unterstützen sollen.
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Insbesondere bei der Ausgestaltung des strategischen Planungsprozesses ist darauf zu achten, dass durch ihn nicht nur die Vergangenheit in die Zukunft extrapoliert wird, sondern dass durch seine Anbindung an zu erwartende externe Veränderungen gegenwärtige Planungsannahmen auf ihre Gültigkeit hinterfragt werden und gemeinsam gewonnene Ideen und Begründungszusammenhänge für das Unternehmen als Ganzes entstehen. Strategieprozesse sind heute oft alles andere, nur nicht strategisch. In zahlengetriebenen und sinnentleerten Verfahren werden Budgets und Finanzpläne aus früheren Jahren fortgeschrieben. Daher nutzen Unternehmen, wie z. B. der Chemiekonzern Bayer oder der ITKonzern IBM, die intensive Analyse wichtiger Trends und Szenarien, um den strategischen Dialog zwischen dem Konzernmanagement und den Geschäftseinheiten (wieder) mit Leben und Inhalten zu füllen. Was bedeuten z. B. Megatrends wie „Globale Erwärmung“ oder „demographischer Wandel“ für unser Unternehmen? Wie werden sich dadurch die Kundenbedürfnisse ändern? etc. Eine genaue und faktenbasierte Betrachtung dieser erwarteten Veränderungen lassen oft neue Ideen und Aufgaben entstehen. Der systematische Blick in die Zukunft kann helfen, die Geschichte zu den Wachstumsplänen inhaltlich zu untermauern, indem aufgezeigt wird, wie das Unternehmen in seinem strategischen Konzept von wichtigen Trends zu profitieren vermag. Auch soll dadurch ein Klima der Dringlichkeit geschaffen werden. Ein auf der Konzernebene angesiedelter Strategieprozess, der seinen Auftakt in der Auseinandersetzung mit Megatrends und Szenarien hat, erzeugt auch Druck und Sinn für eine Gruppenintegration. Vorher agierte man vielleicht wie eine reine Finanzholding. Doch nun werden die Wechselwirkungen und die Chancen entdeckt, die man gemeinsam besser nutzen könnte. 8
Die Umsetzung über strategische Initiativen steuern
Um der Umsetzung der Unternehmensstrategie den notwendigen Fokus zu geben, empfiehlt sich die Definition einer Reihe aus der Strategie abgeleiteter strategischer Initiativen. Diese Initiativen gilt es gesamthaft zu steuern. Strategische Initiativen geben der Geschäftsleitung bessere Möglichkeiten direkt auf die Implementierung der Gruppenstrategie und ihre Einhaltung unter Beachtung des normativen Rahmens (Vision, Werte, Mission, Ziele) Einfluss zu nehmen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Gruppeninitiativen zu, die unternehmensübergreifend ausgerichtet sind und durch das Konzernmanagement direkt geführt und verantwortet werden. Als Beispiel kann hier die Konzerninitiative „Upgrade to Industry Leadership“ der Deutschen Lufthansa genannt werden, in der konzernweit Aktivitäten angestoßen wurden, um die Industrieführerschaft des Luftfahrtunternehmens in einem zunehmend schwierigen Marktumfeld nachhaltig zu sichern. Die Geschäftsleitung sollte dabei die Summe aller strategischen Initiativen als Portfolio betrachten und steuern. Augenmerk sollte dabei auf die Ausgewogenheit des Portfolios gerichtet sein. Diese kann z. B. die Balance zwischen Kosten- und Wachstumsinitiativen, zwischen eingegangen Risiken oder auch zwischen kurz-, mittel- und langfristig realisierbaren Initiativen betreffen.
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Das Management strategischer Initiativen verlangt wiederum spezifische Fähigkeiten seitens des Konzernmanagements. General Electric war hier jahrzehntelang führend und konnte durch eine Folge von systematisch aufgesetzten Initiativen fast unbemerkt nachhaltige Wettbewerbsvorteile auf der Gruppenebene realisieren. 9
Gesamthaft Verantwortung übernehmen
Die zentrale Herausforderung jedes Konzerns ist es, dass die Geschäftseinheiten zusammen mit dem Gruppenmanagement Verantwortung für das Ganze übernehmen. Dabei agiert das Gruppenmanagement als Mittler zwischen den Geschäftseinheiten und den Anspruchsgruppen des Unternehmens. Die Gruppenebene ist selten der Sympathieträger im Konzern. Aus Sicht der Geschäftseinheiten werden ihre Integrationsbemühungen oft äußerst kritisch gesehen, da ihr Nettonutzen nicht anerkannt wird. Auch werden diese Bemühungen als lästig empfunden, da sie die Autonomie der Geschäftseinheiten einschränken. Nicht selten ist diese Skepsis gegenüber der Gruppenebene auch berechtigt, wenn die auf dieser Ebene angesiedelten Aufgaben nicht professionell bearbeitet wurden und nur eine lähmende und teure Zentralbürokratie geschaffen wurde. Gleichzeitig haben aber auch oft die Geschäftseinheiten über Jahre ihre übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllt, so dass der über das zentrale Management ausgeübte Druck durchaus seine Berechtigung hat. Herausforderung ist es, hier die richtige Balance zu halten. Illusionslos betrachtet befinden sich aber heute viele Geschäftseinheiten mehr und mehr in einer Situation, dass sie zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf die Nutzung von Gruppensynergien angewiesen sind. Und manch eine Geschäftseinheit wäre ohne ihre Gruppenzugehörigkeit gar nicht mehr überlebensfähig oder zumindest nicht in der Lage, ihre vollen Möglichkeiten auszuschöpfen. So suchte sich selbst ein erfolgreiches Unternehmen wie Puma mit PPR eine neue Eigentümerschaft, um auf die Ressourcen und Fähigkeiten dieser Gruppe zur Beschleunigung der eigenen Entwicklung zurückgreifen zu können. Statt sich also zu sehr mit den Animositäten in der Interaktion GruppenebeneGeschäftseinheiten aufzuhalten, sollte man beidseitig die vorhandene Energie besser in die aktive Entwicklung und Nutzung der Verbundfähigkeiten stecken, denn man wird sie in einem schärfer werdenden Wettbewerb noch gut benötigen können. Im Kern geht es um eine verantwortungsvolle Diversifikation, bei der alle Beteiligten trotz vitaler Eigeninteressen und unterschiedlicher Perspektiven Verantwortung für den gesamten Unternehmensverbund übernehmen. Nur so kann die Diversifikation vollumfänglich zum Wohle des Unternehmens genutzt werden. Auf der Gruppenebene werden Entscheidungen von großer unternehmerischer Tragweite getroffen: sei es der Entscheid für die Einführung einer neuen Dachmarke oder eine Unternehmensübernahme zum Eintritt in ein neues Geschäft. Wo so große Risiken eingegangen werden, ertönt auch der laute Ruf nach der Gesamtverantwortung. Und Diversifikation ist wegen der mit ihr verbundenen Ungewissheit immer mit Risiko verbunden. Sie ist genau deshalb aber auch unternehmerische Chance für den, der diese Risiken zu meistern weiß. Die zentrale Frage ist eher die, ob noch „kalkulierbare“ Risiken eingegangen werden.
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Dabei nimmt die Tragweite der Entscheidungen tendenziell zu, während gleichzeitig ihre Folgewirkungen aufgrund steigender Unsicherheiten und Vernetzungen in den Sachverhalten immer schwieriger abschätzbar sind. Es wird von den Entscheidungsträgern und gremien dennoch erwartet, dass sie die Folgen ihrer Entscheidungen vor dem Entscheid verantwortungsvoll durchdacht haben und zwar nicht nur die ökonomischen Folgen, sondern auch die Folgen für Gesellschaft und Umwelt. Statt Shareholder-Value und gesamtgesellschaftliche Verantwortung gegeneinander auszuspielen bedeutet daher eine verantwortungsvolle Diversifikation auch die Rolle und Wertschöpfung des Unternehmens ganzheitlich zu interpretieren und zu managen. Verantwortungsvoll diversifizieren heißt aber auch mit dem Blick nach innen, dass dabei sorgfältig die im Konzern vorhandenen Fähigkeiten und Einstellungen zu betrachten sind. Zusammenfassend betrachtet geht es darum, dass das Konzernmanagement für alle Beteiligten und Betroffenen sinnstiftend „erlebbar“ wird. Dass trotz aller Restriktionen und zunehmenden Erwartungshaltungen seitens der einzelnen Anspruchsgruppen man strategisch nicht zum Getriebenen wird („Die Analysten wollen diese Strategie.“), sondern das Konzernmanagement sich mit Augenmaß und auf Basis einer klaren strategischen Zukunftsvorstellung aktiv im Dialog mit diesen Anspruchsgruppen in der „Kunst des Möglichen“ übt. Dazu gehört auch eine zur Unternehmensstrategie passende Eigentümerstruktur. Es müssen auch Entscheidungen zugunsten der Gruppe getroffen werden, die den Handlungsspielraum der Töchter aus deren Sicht ungünstig einschränken. So steuert die SwatchGruppe die Entwicklung ihres diversifizierten Uhrenmarken-Portfolios (Omega, Longines, Blancpain etc.) so, dass sich die einzelnen Marken nicht „in die Quere“ kommen, was wohl aber nicht immer zur Freude jeder einzelnen Marke sein wird.
Diskursgeprägte Problemlösungsmethodik als praxisorientiertes Anwendungsbeispiel des normativen Managements Bernd Eggers und Friedel Ahlers
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Einführung: Problemlösung im Diskurs
Eine integrierte Unternehmungsführung muss idealtypisch auf allen Ebenen für alle Mitarbeiter „erfahrbar“ werden, sollen die damit verbundenen Intentionen voll zur Geltung kommen. Entsprechend formulieren Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 91: „Ganzheitlichkeit ist über die Leitidee einer integrierten Unternehmungsführung hinaus auch ‚personifizierbar’ als eine spezielle Denk- und Handlungsweise, die den Menschen als Problemlöser in den Fokus rückt.“ Speziell die Lösung komplexer Probleme erfordert eine ganzheitliche Denk- und Handlungsweise der involvierten Führungskräfte und Mitarbeiter. Um entsprechende Denkleistungen in Teams erzeugen zu können, sind speziell dialogorientierte Gesprächsmethoden von ausschlaggebender Bedeutung. Gerade in hochqualifiziert besetzten Teams rückt ein anspruchsvoller Diskurs im Sinne synergetisch und ergebnisorientiert genutzter Meinungsunterschiede in den Vordergrund. Diskurs steht hier für eine Methodik, im moderierten Rahmen Argumente zu bestimmten (strittigen) Themenfeldern unter Beachtung spezifischer Normen wie Gleichberechtigung der Diskussionsteilnehmer etc. lösungs- und konsensorientiert auszutauschen. Ziel des Diskurses ist eine argumentativ gewonnene Übereinstimmung Kraft des besseren Argumentes, also eine argumentative Verständigung im Dialog (vgl. Steinmann/Löhr, 1994, S. 77 und 85). Diese den Mitarbeitern zugedachte aktive Problemlöser-Rolle mit Diskurs-Bezug im integrierten Handlungskontext ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die erfüllt sein müssen. Aus der normativen Perspektive ist hier insbesondere ein bestimmtes Menschenbild zu nennen, das in die Richtung eines weitgehend in Selbstverantwortung handelnden Mitarbeiters geht (näher dazu Kapitel 2). Unter methodischen und anwendungsorientierten Gesichtspunkten ist eine geeignete diskursaffine Problemlösungstechnik auszuwählen, wie die im Kapitel 4.2 vorgestellte PUZZLE-Methodik. Die Einordnung und Kennzeichnung des Diskursiven Managements als ein normativ geprägter Puzzle-Stein im Rahmen einer integrierten Unternehmungsführung bildet entsprechend die Zielsetzung dieses Beitrages. Sie zeigt zugleich die ausgeprägte Adaptionsfähigkeit der Kernidee einer integrierten Unternehmungsführung hinsichtlich (vermeintlich) neuer Konzepte wie des Diskursiven Managements auf. Diskurse im Führungs- und Entscheidungskontext von Unternehmen können somit eine Leerstelle im von Bleicher als „Leerstellengerüst für Sinnvolles und Ganzheitliches“ (Bleicher, 1999, S. 72) titulierten integrativen St. Galler Managementkonzept speziell und der integrierten Unternehmungsführung generell füllen.
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Normatives Management als Bezugsrahmen
2.1 Normative Grunddefinierung und -positionierung einer Unternehmung Gerade integrative bzw. ganzheitliche Managementkonzeptionen stellen sich explizit der Frage der normativen Positionierung einer Unternehmung als Begründungsbasis abgeleiteter Handlungsvollzüge auf den verschiedenen betrieblichen Ebenen. So ist auch das wertegeleitete Konzept eines Diskursiven Managements ohne eine entsprechende Verankerung auf der normativen Ebene einer Unternehmung nicht mit der geforderten nachhaltigen Intention durchführbar, soll es gerade eben mehr sein als eine vorübergehende „Managementmode“ ohne nachhaltige Wirkung. Als sehr „fruchtbar“ für die Einordnung des Diskursiven Managements erweist sich der Ansatz der konsensorientierten Unternehmenspolitik von Ulrich/Fluri (vgl. dazu Ulrich/Fluri, 1995, S. 70 ff.). Ankerpunkte des Konzeptes sind eine „dialogische Verantwortung“ und „kommunikative Ethik“. Im Kern geht es um faire Abstimmungs- und Verständigungsprozesse mit allen vom unternehmerischen Handeln betroffenen in- und externen Gruppen. Dies impliziert ihre Anerkennung als mündige und verantwortungsfähige Personengruppen und Personen, deren Beitrag zu betrieblichen Entscheidungsprozessen geschätzt und eingefordert wird. Sowohl auf makro-, meso- und mikroinstitutioneller Ebene ist damit ein Diskurs vorgezeichnet, der über einen dialogischen Interessenausgleich nach Möglichkeit in konsensfähigen Lösungen münden soll. Die konstitutiven Grundannahmen dieses Ansatzes mit mündigen und verantwortungsbewussten Bezugsgruppen und Einzelpersonen spiegelt sich mitarbeiterseitig insbesondere im vorherrschenden Menschenbild im Sozialsystem Unternehmen als ein Kumulationspunkt des normativen Grundverständnisses wider (vgl. zum Menschenbild ausführlich Steinle/Ahlers, 2004). Allerdings sind dann kritische Annahmen zum Menschenbild z. T. auch transferierbar auf konsensorientierte Ansätze mit der Implikation, dass a priori nicht davon ausgegangen werden kann, dass jeder Mitarbeiter in gleichem Umfang diskursbereit und -fähig ist. 2.2 Umsetzung normativer Festlegungen als Kern-Herausforderung Normative Festlegungen im Rahmen publikumswirksamer Leitbilder sind per se noch nicht prägend für das (reale) Handlungsgeschehen im Unternehmen. Die eigentliche Herausforderung liegt weniger in der Formulierung solcher Normen als in deren Anwendung im konkreten Handlungsgeschehen auf den verschiedenen Ebenen des Unternehmens. Diesem Anspruch Rechnung tragend ist integrierten Managementkonzepten das Prinzip der „Durchgängigkeit“ inhärent, wonach normative Festlegungen in strategische Programme einfließen und von da aus operative Handlungen beeinflussen. Von entscheidender Bedeutung für die Durchgängigkeit der normativ geprägten Diskursmethodik ist insbesondere die Promotorenrolle des Top Managements. Seine Vorbildrolle ist gefragt, um Diskurse in die Unternehmung hinein- und auf allen Ebenen durchzutragen. Final müssen die postulierten Normen wie Offenheit und Wertschätzung der Mitarbeiter auch in den „Köpfen“ der Unternehmungsmitglieder ankommen und von ihnen auch im (täglichen) Handlungsgeschehen praktiziert werden (können). Beispielhaft zeigt die viel-
Diskursgeprägte Problemlösungsmethodik als praxisorientiertes Anwendungsbeispiel
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fach geübte Kritik an Leitbildern, wonach diese oft nur Postulate ohne nachhaltige Handlungsdurchdringung und damit „unglaubwürdige Leerformeln“ darstellen (vgl. Böttcher, 2002, S. 74), deutlich den herausfordernden Charakter dieser Aufgabenstellung auf. 3
Normativ geprägte Problemlösungsprozesse im Unternehmen: Diskurs im Fokus
3.1
Diskurs als Ausdruck normativer Leitvorstellungen
Um den normativen Gehalt des Diskurses naher zu bestimmen, ist diese Methode zunächst spezieller zu kennzeichnen. Nach Vogelsang ist ein Diskurs „ein rationales Verfahren, in dem die beteiligten Personen durch Austausch von Argumenten Klärung über ein strittiges Thema herbeizuführen versuchen. Die Klärung muss nicht notwendig zu einem Konsens führen, das Ergebnis kann auch ein Konsens über den verbleibenden Dissens sein. Es handelt sich bei dem Diskurs des weiteren um ein freies Gespräch mit einer Rahmenmoderation, bei dem jeder Teilnehmer die gleichberechtigte Chance hat, seine Meinung zu äußern und zur Diskussion zu stellen. Es gibt für keinen Teilnehmer privilegierte Zugangs- oder Interventionsberechtigungen“ (Vogelsang, 1996, S. 12 nach Märtens, 2000, S. 35). Bezugnehmend auf die darin enthaltenen impliziten Normen wie Gleichberechtigung aller Diskussionsteilnehmer und speziell unter Rekurrierung auf die dahinter stehende Diskursethik wird der normative Hintergrund deutlich. Ein Diskurs hebt sich damit von Top-DownEntscheidungsprozessen explizit ab, indem ein argumentativer und verbindlicher Konsens aller Betroffenen angestrebt wird. Ein solcher Konsens ist Ausdruck einer bestimmten normativen Grundpositionierung einer Unternehmung, die ihren Mitarbeitern ein hohes Maß an Wertschätzung zu Teil werden lässt. Über die Alltagstauglichkeit eines solchen konsensorientierten Managements lässt sich vorzüglich „streiten“. Gerade aus der Praxis sind hier immer wieder zurückhaltende Äußerungen zu vernehmen. So wird z. B. bei Changeprozessen eine Überstrapazierung des Grundsatzes „Betroffene zu Beteiligten machen“ kritisch gesehen (aus Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 76). Auch viele Verfechter des Diskurses setzen sich offen mit den damit latent verbundenen Problemfeldern auseinander. Steinmann/Löhr (1994, S. 86 ff.) thematisieren als „praktische Beschränkungen des idealen Dialogs“ z. B. zeitliche Restriktionen (Notwendigkeit zur schnellen Entscheidung) und personelle Restriktionen (bei größeren Projekten können sich nicht alle Betroffenen in den Dialog einbringen) etc. Auch die konstitutive Idee eines „herrschaftsfreien Dialogs“ kann hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzbarkeit in per se hierarchisch organisierten Sozialgebilden wie Unternehmungen kritisch hinterfragt werden (vgl. zur Diskussion z. B. Kreikebaum, 1996, S. 140 f.). Der vielfach verwendete Terminus „idealtypisch“ in der Diskursliteratur enthebt als „Schutzmechanismus“ aber nicht von der Frage der praktischen Umsetzbarkeit, die in der angewandten Betriebswirtschaftslehre fundamental ist. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass das Konzept des Diskurses auf vielen Ebenen wünschenswert ist, aber keinen „Königsweg“ bzw. keine „Patentlösung“ für alle Problemstellungen im Unternehmen speziell aus praktischer Sicht abbildet (ähnlich auch Staffelbach, 1994, S. 166).
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3.2 Zusammenhang von Integration und Diskurs im komplexen Problemlösungskontext Unter dem Rahmenaspekt einer integrierten Unternehmensführung ist die Frage nach dem Zusammenhang von Diskurs und Integration zu stellen. Ausganspunkt der Klärung der Frage ist die Feststellung: „Integratives Gedankengut hat dort seine Berechtigung, wo Komplexität herrscht“ (Eggers, 2006, S. 79). Komplexität ist ein Produkt einer dynamischen und facettenreichen In- und Umwelt einer Unternehmung. In der zielführenden Handhabung dieser Komplexität in Form z. B. der Entsprechung unterschiedlichster Ansprüche an das Unternehmen liegt die Herausforderung. Die intendierte Komplexitätshandhabung gilt auch und gerade für komplexe Problemstellungen unterschiedlicher Couleur in Unternehmungen, die zumeist strategischen Ursprungs sind. Hier „kann die Entfaltung eines dialektischen Potenzials wesentliche Impulse zur ganzheitlichen Handhabung komplexer Probleme beisteuern“ (Eggers, 1994, S. 154). Konsensorientierte Lösungen als idealtypischer Abschluss eines Diskurs-Verlaufes stellen insofern eine Antwort auf komplexitätsbedingte Integrationserfordernisse dar, kanalisiert in dialektischen Problemlösungsprozessen mit der synergetischen Zusammenführung unterschiedlicher Diskussionsbeiträge. Das Erfordernis zu Integration und vorgeschaltet Diskurs ist damit – wie schon angedeutet – dort besonders virulent, wo es in der Unternehmung komplexe Problemstellungen zu lösen gilt. Solche komplexen Problemstellungen zeichnen sich durch eine Reihe von z. T. miteinander verknüpften Merkmalen wie insbesondere viele verschiedene Problemelemente, ein hohes Maß an Vernetzung, unterschiedliche Verhaltensmöglichkeiten und veränderliche Wirkungsverlaufsrichtungen der Elemente mit hohem Dynamikpotenzial aus (vgl. Eggers, 1994, S. 57), wie es etwa bei speziellen strategischen Fragestellungen der Fall ist. Diese komplexen Problemstellungen haben in den letzten Dekaden aufgrund der zunehmenden Vernetztheit wirtschaftlichen Handelns auf allen Ebenen, verstärkter Interessenpluralität etc. deutlich an Bedeutung gewonnen. Konventionell-rationale und linear ausgelegte Planungsverfahren und Lösungstechniken sind zur Lösung solcher komplexen Probleme nur bedingt geeignet bzw. stoßen dort an ihre Grenzen (vgl. Steine/Eggers/Ahlers, 2008, S. 90). Evident wird damit der Bedarf an einer geeigneten Problemlösungsmethodik, die die Komplexität u. a. durch die explizite Nutzung diskursiver Elemente einerseits problemadäquat „abschichtet“ und die freigelegten und zielführend bearbeiteten Subsysteme andererseits wieder synergetisch zu einer Lösung vereint. Die in Abschnitt 4.2 vorgestellte PUZZLE-Methodik stellt ein entsprechendes Verfahren dar. Komplexe Probleme können nur mit einer sie adäquat analysierenden multiperspektivischen Sicht in der Unternehmung zielführend abgebildet, aufgearbeitet und gelöst werden. Von daher stellen auch Gomez/Probst (1995, S. 32) fest: „Komplexe Probleme können nur in Teamarbeit erfolgreich bewältigt werden!“ Dabei stehen die Teammitglieder als Problemlöser im Mittelpunkt, denn: „Problemlösung ist trotz aller technischen Unterstützung eine menschliche Angelegenheit“ (Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 92). Entsprechend rückt auch der Diskurs als kommunikative Leitlinie für den ideenstimulierenden und konsenszentrierten Austausch tragfähiger Argumente im Problemlösungsteam in den Vordergrund.
Diskursgeprägte Problemlösungsmethodik als praxisorientiertes Anwendungsbeispiel
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3.3 Diskurs-Regeln und ihre Relevanz für Problemlösungsprozesse Ein diskursives Verhalten der in Problemlösungsprozesse involvierten Unternehmungsmitglieder ist nicht beliebig, sondern an konstitutive Regeln gebunden, die erst diese anspruchsvolle Form von Dialog ausmachen und ihm eine spezielle normative Prägung verleihen. Wichtige idealtypische Regeln eines Diskurses gibt Abbildung 1 wieder. Regel
Regelinhalte
Offener Zugang
Der Diskurs steht allen probleminvolvierten Unternehmungsmitgliedern grundsätzlich offen
Äußerungsrecht
Jeder Teilnehmer darf und soll sich aktiv in den Diskurs einbringen
Unvoreingenommenheit
Bereitschaft, meinungsdeterminierende Vororientierungen in Frage zu stellen
Sachverständigkeit
Intention, problemlösungsrelevante Beiträge ein- und damit die Diskussion voran zu bringen
Machtfreiheit
Linienzentrierte Positionen und damit verbundene Machtpotenziale sollen den offenen Diskurs nicht beeinflussen
Vorrang des besseren Argumentes
Das rational bessere (also vernünftigere) Argument „gewinnt“
Abb. 1: Idealtypische Diskurs-Regeln Quelle: In Anlehnung an Kreikebaum, 1996, S. 83; Steinmann/Löhr, 1994, S. 78
Diese Diskurs-Regeln, die inhaltlich eng miteinander verzahnt und daher nur als Ganzheit zu verstehen und zu interpretieren sind, weisen den Diskurs selbst als sehr anspruchsvolles Verfahren aus. In diesem Kontext werden die Begriffe „ideal“ bzw. „idealtypisch“ verwandt, um den normativ-postulierenden Charakter des Idealkonzeptes zu verdeutlichen. Der „wirklichen Welt“ mit seinen Begrenzungen entspricht eher der „reale Diskurs“ als praxishandhabbare Variante. Zum grundlegenden Verständnis dieser beiden Ausprägungen und ihres Zusammenhangs betont Staffelbach (1994, S. 317): „Es ist zu unterscheiden zwischen dem idealen Diskurs einerseits und den pragmatischen Versuchen seiner bestmöglichen Verwirklichung in der realen Welt andererseits. Der reale Diskurs kann immer nur eine Annäherung an den idealen Diskurs sein.“ Der ideale Diskurs oder die ideale Kommunikationsgemeinschaft stellen insofern „eine Beschreibung dessen dar, was niemals in der Realität erreicht werden, dieser jedoch gerade deswegen die Richtung weisen kann“ (Matthiesen, 1995, S. 202). Eher von akademischer Natur ist die Frage, ab welchen Grad von Abweichungen von den idealtypischen Regeln ein Diskurs nicht mehr im anspruchsvollen Sinne ein Diskurs ist. Auf der einen Seite würde eine sehr enge Auslegung der Regeleinhaltung die Anwendbarkeit dieses Konzeptes zumindest unter dieser Begrifflichkeit deutlich einschränken. Auf der
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Bernd Eggers und Friedel Ahlers
anderen Seite besteht aber die Gefahr des Etikettenschwindels, dass jedwede Art und Ausprägung von Diskussionsprozessen mit dem anspruchsvollen Terminus Diskurs belegt werden, was konzeptavers ist. Wie zuvor angeführt ist auch der „reale Diskurs“ in der Verpflichtung, seine von der Regelseite her „bestmögliche Verwirklichung“ anzustreben. Auch der ‚reale Diskurs‘ stellt noch eine anspruchsvolle wie herausfordernde Leitlinie für die kommunikative Normierung von workshopzentrierten Problemlösungsprozessen dar. Regeln wie die formell dialogzentrierte Gleichberechtigung der Mitglieder verlangen gerade in hierarchisch heterogen besetzten Teams dem Moderator bzw. Moderatorenteam viel Geschick ab. Trotz dieser Herausforderungen erweisen sich die Diskurs-Regeln – bei pragmatischer und weniger dogmatischer Handhabung – von hoher Relevanz gerade für komplexe Problemlösungsprozesse, bieten sie doch die Chance auf den aktiven Problemlösungsbeitrag aller involvierten Unternehmungsmitglieder und konsensorientierte Lösungsmuster nach intensivem, dialektischem Gedankenaustausch. Eine spezielle Form der dialogischen Verständigung mit ethischen Ambitionen stellt die Dialektik dar (vgl. Märtens, 2000, S. 25). Dialektische Methoden fordern – intentionsgemäß angewandt – eine innovative und kreative Problemsicht unter Nutzung produktiver Konflikte mit dem Ziel der Konsensorientierung heraus und sind insofern in hohem Maße diskursaffin. Auch „kann die Entfaltung eines dialektischen Potentials wesentliche Impulse zur ganzheitlichen Handhabung komplexer Probleme beisteuern“ (Eggers, 1994, S. 154). Insofern kann die dialektische Methodik – trotz immanenter Problemstellen – als wichtiges Element eines ganzheitlichen Denkens angesehen werden, das wiederum personalseitig eine wichtige Grundlage einer ganzheitlichen und integrierten Unternehmungsführung darstellt. 4
Praxisrelevanz einer diskursiv geprägten Problemlösungsmethodik
4.1
Praxisnahe Anwendungsfelder des Diskurses
Der hohe Abstraktionsgrad der Überlegungen zu (idealtypischen) Diskursen in Teilen der einschlägigen Literatur scheint vermeintlich zunächst einer Praxisanwendung entgegenzustehen. Die angeführten Überlegungen zum „realen Diskurs“ und die damit verbundene „Lockerung“ des Reinform-Postulates eröffnet hier aber auch anwendungsorientierte „Fenster“ der Methodik-Anwendung. Insofern können aus dem Diskursfeld „Handlungsempfehlungen für die praktische multipersonale Lösung wertnormativ-sozialer Konflikte abgeleitet werden“ (Staffelbach, 1994, S. 167), wobei ein expliziter Konfliktbezug nicht eine dogmatische Prämisse darstellt. Diskurse können prinzipiell auf allen Ebenen in der Unternehmung Anwendung finden, von der institutionellen Gesamtebene mit der Interessenabklärung im Stakeholder-Kontext bis hin zur Problemlösungsfindung im Teambereich mit stärker konkretisierten Fragestellungen. Aufgrund der nicht unwesentlichen Ressourcenbeanspruchung zumindest durch anspruchsvolle Diskurse z. B. in Form eines Moderator-Einsatzes scheint diese Methodik aber für Aufgabenstellungen mit strategischen Bezügen und breiten Interessenlagen und ausgeprägten Kreativitätserfordernissen in besonderer Weise in Frage zu kommen, wo sie auch ihr Potenzial voll zur Geltung bringen kann. Vor diesem Hintergrund ist auch das Beratungsangebot der Metaplan-Beratungsgesellschaft zu sehen, die sich im deutschsprachigen Raum in besonderer Weise dem Qualifizierungs-
Diskursgeprägte Problemlösungsmethodik als praxisorientiertes Anwendungsbeispiel
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programm einer „Diskursiven Beratung“ verschrieben und diese Methodik mit praxisnah vermittelbaren Inhalten gefüllt hat. Die von ihr genannten Anwendungsfelder (vgl. Metaplan, 2010) 1.
Organisationen gestalten (De- und Neukonstruktion von Strukturen)
2.
Leitbilder erarbeiten (durch enge Einbindung von Mitarbeitern)
3.
Strategien entwickeln (im Rahmen von Verständigungs- und Aushandlungsprozessen)
4.
Märkte explorieren (u. a. breite Sicht auf die Marktakteure)
5.
Projekte führen (Methodik zum Umgang mit Projektkomplexität)
spannen auf der einen Seite das Praktizierungsfeld der Methodik Diskurs weit auf, fokussieren auf der anderen Seite aber treffend diskursträchtige Objektfelder in Unternehmen. An den Anwendungsfeldern ist auch die Ebenentauglichkeit des Diskurs-Konzeptes transparent darstellbar: Von der Leitbildentwicklung auf Unternehmungsebene, der Strategieentwicklung mit Marktbezug auf der Bereichsebene bis hin zur Projektführung auf der Teamebene. Diese Ebenenaffinität zeigt wiederum die Anschlussfähigkeit von Diskurs und Integration: Diskurse stellen bei Anwendung auf allen Ebenen ein ein- und durchgängiges Werte- und Kulturelement in Unternehmen dar, das eine bestimmte normativ geprägte Form der Problemanalyse und -bewältigung unter Beteiligung und besonderer Wertschätzung der (involvierten) Unternehmensmitglieder festschreibt. Den Intentionen eines vermittelbaren Beratungsangebotes folgend wird in der Praxis der Diskurs personenzentriert und workshopaffin aufbereitet. Aus der werbenden Beratungsperspektive zeichnet sich die „neue Generation“ der diskursiven Entscheider durch folgende typische Merkmale aus: 1.
„Sie agieren responsiv. Für sie zählt nicht die eigene, sondern die beste Idee mit der überzeugenden Begründung.
2.
Sie wissen (und signalisieren), dass ihre Position auch eine neben vielen anderen ist. Sie kennen die Autorität ihrer Position, nutzen diese aber nicht, oder allenfalls, um ein Exempel zu statuieren. Sie agieren auf Augenhöhe.
3.
Sie sind stark genug, starke Leute neben, über und unter sich zu fördern.
4.
Sie binden Andere in Entscheidungen ein und übernehmen dennoch selbst die Verantwortung.
5.
Sie exponieren sich nicht übermäßig, sondern sorgen im Gegenteil dafür, dass das Unternehmen auch ohne sie funktionieren könnte.
6.
Sie begreifen das Unternehmen als Kooperations-Arena, die so zu gestalten ist, dass man an der Sache arbeitet.“ (Matthiesen/van Well, 2010, S. 2)
In diesen Merkmalen spiegeln sich wesentliche Regeln des idealtypischen Diskurses wider (vgl. Abschnitt 3.3). Die angeführten substanziellen, zukunftsweisenden wie wohlklingenden Ansprüche rücken den Diskurs verstärkt in die Nähe einer Führungsmethode über ihr originär problemlösendes und konfliktschlichtendes Element hinaus. Viele der postulierten Führungsnormen korrespondieren mit Ansprüchen an einen in komplexen und anspruchsvollen Situationen anwendbaren und einer fordernden Mitarbeiterschaft Rechnung tragen-
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Bernd Eggers und Friedel Ahlers
den Führungsstil. Dazu zählt die dahinter stehende ausgeprägte Kooperationshaltung, die auch mit richtungsweisenden führungspraktischen Ratschlägen mit Reziprozitätshintergrund wie „Kooperative Haltung“ und „Wie Du mir, so ich Dir“ (vgl. dazu näher Steinle, 1992, Sp. 977 ff.) in Verbindung zu bringen sind. Zentrales Ziel dieser ausgeprägten Kooperationshaltung ist die Aktivierung der Mitarbeiter zur aktiven Beteiligung an Problemlösungsprozessen. Oder mit optimistischem Grundton versehen von Beraterseite ausgedrückt: „Im Diskurs werden aus Zuhörern Mit-Denker und Mit-Macher, die Wissen, Können, Kontakte und Energie zur Verfügung stellen“ (Matthiesen/van Well, 2010, S. 2). Ein Diskurs in seiner originären Form adressiert allerdings stärker den gruppenzentrierten Problemlösungskontext als das interaktionelle Führungsgeschehen, wenn es mikroinstitutionell auch darauf zumindestens ansatzweise übertragbar ist (z. B. die Kraft des besseren Argumentes). Herausforderungen wie die Erarbeitung eines neuen Leitbildes setzen eine breite Anspruchsgruppen-Involvierung in einem umfassenden partizipativen Erarbeitungsund Umsetzungsprozess voraus, die im Rahmen von Projektgruppen und Workshops unter bewusster Nutzung diskursiver Elemente geleistet werden kann (vgl. für ein Beispiel Steinle, 2005, S. 759 ff.). Entsprechend wird im Folgenden eine Problemlösungsmethodik vorgestellt, die eine solche Vorgehensweise methodisch abbilden kann. 4.2 PUZZLE als ganzheitliche Problemlösungsmethodik mit enger Diskurs-Affinität Die praxisnahe Umsetzung eines „Diskursiven Managements“ erfordert eine methodische Plattform, die dieser speziellen Vorgehensweise „ein Gesicht“ gibt und der konkrete Umsetzungssequenzen inhärent sind. In Verbindung mit dem Anspruch an eine problemzentrierte ganzheitliche Vorgehensweise, die ein mikroobjektbezogener Ausdruck einer integrierten Unternehmungsführung ist, bietet sich hier die PUZZLE-Methodik an. Diese Methodik wurde in den 1990erJahren an der Leibniz Universität Hannover von Steinle/Eggers als ganzheitliche Problemlösungstechnik entwickelt. Das Akronym PUZZLE steht dabei für die Anfangsbuchstaben der Phasen eines sechsstufigen Problemlösungsprozesses: Phänomene, Untersuchungen, Zielplanung, Zentralprojekte, Lösungsideen und Entscheidungen. Einen Überblick vermittelt Abbildung 2. Sie verdeutlicht visuell den integrativen Anspruch der PUZZLE-Methodik: Es soll „ein unstrukturierter Problemzustand durch den PUZZLE-Prozess – in Analogie zu den bekannten PUZZLEBildern – in einen wohlstrukturierten Zustand überführt werden“ (Steinle, 2005, S. 50). Die Entwicklung dieser Methodik steht primär nicht im Duktus des Diskurses. Vielmehr ist sie vor dem Hintergrund der Intention, einen praktikablen Weg der ganzheitlichen Problemlösung und Entscheidungsfindung abzubilden, zu interpretieren. Der Entstehungsimpetus ist also nicht auf der Diskursebene, sondern im ganzheitlich-vernetzenden Management und entsprechenden Denk- und Handlungsweisen von Führungskräften zu sehen (vgl. dazu ausführlich Eggers, 1994). Davon unberührt fließen aber elementbezogen normative Wertvorstellungen über die konkrete Ausprägung des Austausches mit ein, z. B. im Rahmen dialektischer Diskussionsprozesse, die die Diskursaffinität dieser Methodik begründen.
Diskursgeprägte Problemlösungsmethodik als praxisorientiertes Anwendungsbeispiel
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P hänomene
U ntersuchungen Z ielplanung Z entralprojekte L ösungsideen E ntscheidungen
Abb. 2: PUZZLE im Überblick Quelle: Steinle, 2005, S. 50
Eine solcher Diskursbezug wird auch bei einer näheren Kennzeichnung dieser Problemlösungsmethodik deutlich: Allgemeine und in enger Verbindung miteinander stehende Leitvorstellungen dieser Methodik wie insbesondere Multiperspektivismus, Problemlösungsdesign mit der Entwicklung synergetischer Gesamtlösungen, ausgeprägte Humanorientierung, Teameffekte und dialektische Elemente (vgl. dazu ausführlich Eggers, 1994, S. 392 ff.) kennzeichnen die PUZZLE-Methodik als Problemlösungskonzept mit diskursiver Affinität. Hervorzuheben ist dabei der workshopimmanente dialektische Modus, der ausgehend von multiperspektivischen Sichtweisen auf die Entfaltung des schöpferischen Potenzials einer Problemlösungsgruppe in Form dialektischer Prozesse abzielt (vgl. Steinle, 2005, S. 52) und zu konsenszentrierten Lösungen hinführt. Der Nutzen des Diskurses wird dabei explizit akzentuiert: „Gerade durch ‚polare Argumentationen‘ werden wichtige Einblicke in eine Problemsituation eröffnet“ (Steinle, 2005, S. 52). Die PUZZLE-Methodik kann mittlerweile eine „langjährige Einsatz- und Anwendungspraxis“ (Steinle, 2005, S. 61) vorweisen (vgl. für konkrete Beispiele Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 133 ff.). Die dabei gewonnenen Erfahrungen bestätigen die zentrale Bedeutung des Diskurses beziehungsweise dialektischer Prozesse für die intendierte ganzheitliche Problemlösung. Wichtig ist dabei auch die Erkenntnis, dass eine solche Problemlösungstechnik mit den eingebauten normativ vorgeprägten Elementen wie der Dialektik nur dann ihr Potenzial voll entfalten kann, wenn in den Unternehmungen ein entsprechender „Nährboden“
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Bernd Eggers und Friedel Ahlers
im Sinne einer Innovations-, Dialog- und Vertrauenskultur bereitet ist (vgl. Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 175). Damit wird wieder der „Bogen“ zum Rahmenkonzept einer integrierten Unternehmungsführung „gespannt“ in der Richtung, dass eine Vernetzung der normativen Werteebene mit der problemlösungsorientierten Handlungsebene vorliegen sollte. 5
Fazit: Diskurs als Ausdruck von Vitalität in Unternehmungen
Die hier thematisierte diskursive Problemlösungsmethodik stellt eine – wie z. B. die PUZZLE-Methodik verdeutlicht hat – praxisnahe Möglichkeit dar, Normen in der Unternehmung wie z. B. ein wertschätzendes Menschenbild in konkrete Abstimmungs- und Lösungsprozesse hineinzutragen und sie damit für die Unternehmungsmitglieder „erfahrbar“ und zugleich für die Institution Unternehmung nutzbar zu machen. Der Leitidee einer integrierten Unternehmungsführung folgend kann der Diskurs aber nur ein PUZZLE-Stein im Gesamtsystem darstellen, der erst durch die gezielte Hinzufügung weiterer Elemente ein stimmiges Gesamtbild in Form eines gesamthaften „Führungsbildes“ ergeben kann. Diskurse können in diesem Zusammenhang aber ein Ausdruck einer „vitalen“, von den Unternehmungsmitgliedern getragenen kommunikationsoffenen Grundhaltung sein, von der gerade im Zeitalter des Change Managements wichtige Impulse für die zukunftsorientierte Unternehmungsführung ausgehen können. Diskurse tragen insofern der Tendenz Rechnung, dass Unternehmungen sich heute und erst recht in Zukunft vielfältigen Veränderungsprozessen stellen und diese erfolgreich bewältigen müssen. Auf die Institution Unternehmung wie auf die Unternehmungsmitglieder bezogen ist daher „Vitalität“ im Sinne von Flexibilität, Spannkraft und Entwicklungsenergie gefragt (vgl. Steinle, 2000, S. 28). „Ein System ist nur so vital wie es seine Mitglieder sind“ (Steine/Ahlers/Fengewisch, 2001, S. 127). Diese markante Feststellung verdeutlicht, dass die Vitalität über die Mitarbeiter mit ihren Ideen in die Unternehmung hineingetragen wird (oder auch nicht). Eine diskursive Problemlösungsmethodik, die unterschiedliche und z. T. konfliktäre Strömungen, Meinungen und Ideen der Unternehmungsmitglieder gezielt für die Institution zu nutzen vermag, ermöglicht eine Strukturierung und Kanalisierung solcher vitalen Prozesse im Rahmen wechselseitiger Abstimmungs- und Verständigungsprozesse. Diskurs steht damit zum einen für gelebte ‚Lebendigkeit‘ innerhalb der Unternehmung, die von entscheidender Bedeutung ist, um die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen. Diskurs steht zum anderen auch für die gelebten Werte im Unternehmen, also für wahrnehmbares und praktiziertes normatives Management, was so für die Unternehmungsmitglieder „erfahrbar“ wird. Er ist damit ein Weg, Normen ins Handeln zu übertragen, was eine zentrale Herausforderung der integrierten Unternehmungsführung ist und zukünftig auch bleiben wird.
C
Planung und Kontrolle: Vordenken und Steuern integrativer Prozesse
Unternehmungspolitischer "Erker" in n r P pie zi Entwicklung en m e pl Im tion Managementprozesse ta d- e Entwurf t n ru ep G nz Änderung/Wandel ko Grundkonzepte Führung (i.e.S.) t- ick- ng e n i E w lu g te Organisation - - n ra t e l p en tio )S m a I m t nd Kontrolle ru n- p- n o (G e K z tio lt Planung we m g U un m h e rn te n U ng lu ei t Ab n er e g u h n e e c ru ei St pp er n/ zie ru e b n G a ns es m in io uu sw /F ng n kt g n u id n f o n i o f v i t i u t u a d F n h tz uk sti In ch sc sa od ve Be In Re Pr Ab
Personal
E b e n e n
Projektcontrolling im ganzheitlichen Managementansatz Andreas Daum
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Einordnung des Projektcontrolling in den Managementkontext
Die Zunahme von Projektarbeit in Unternehmungen erfordert zunehmend auch ein professionelles Projektmanagement. Je mehr projektorientiertes Arbeiten die Ergebnisse der Unternehmung, wie Umsatz, Gewinn, Marktanteil, beeinflusst, umso mehr ist ein ausgefeiltes Projektcontrolling notwendig. Das Management des Projektes, i. d. R. die Projektleitung bzw. der Projektmanager, benötigt laufend Daten, um das Projekt steuern zu können. Das Management des Programms, i. d. R. die Programmleitung bzw. der Programmmanager, benötigt laufend Daten, um das Programm steuern zu können. Und das Management der Unternehmung schließlich benötigt die Daten, um die Unternehmungsergebnisse steuern zu können. 1.1 Projekt- und Unternehmungsorganisation Die Einbindung des Projektcontrollings in die Unternehmungsorganisation erfolgt zumeist über das Unternehmungscontrolling. Dort werden die Plan-, Ist- und Solldaten aus den Projekten erfasst und zu einem Unternehmungsbericht über die Unternehmungsprojekte zusammengestellt. Von dort wird der formale Rahmen für die Daten aus den Projekten vorgegeben. Diese zentralisierte Aufgabe soll Planung, Kontrolle und Steuerung über alle Projekte der Unternehmung sicherstellen. Die Aufgaben des Projektcontrollings sind in der Projektorganisation eines jeden einzelnen Projektes zumeist von der Projektleitung zu übernehmen. In Abhängigkeit von der Projektgröße lassen sich auch eigenständige Controllingstellen antreffen. Dies trifft zu, wenn etwa die Projektleitung nicht genügend Zeit für die Steuerung hat bzw. wenn ein Projekt sehr umfangreich ist. Solche eigenständigen Controllingstellen unterstützen die Projektleitung bei der Steuerung des Projektes. Werden mehrere Projekte in einem Verbund betrachtet, als ein Projektportfolio oder ein Projektprogramm, können hierfür Multiprojektcontroller bzw. Programmcontroller eingesetzt werden. Die Mitwirkung des Controllers bei der Planung und bei der Steuerung eines Portfolios ist jedoch jeweils von den Projekten und von den Unternehmungen abhängig (vgl. Lange, 2010, S. 101 ff.). Nachstehende Pyramide verdeutlicht die Verdichtungsebenen sowohl funktionell als auch institutionell: ersteres verdichtet sich aus einer Vielzahl von Einzelprojekten über die Zusammenfassung zu Multiprojekten über Programme bis zur Gesamtunternehmung. Zweiteres zeigt die Einordnung des Controllers als Stelle in der Hierarchie. Das Unternehmungscontrolling hat den Blick auf alle Einzelprojekte, Multiprojekte und Programme.
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Andreas Daum
Während der (Einzel-)Projektcontroller nur sein Projekt sieht, aber keinen Blick auf die anderen Projekte oder Programme hat.
Abb. 1: Vom Unternehmungs- zum Einzelprojektcontrolling
Unternehmungen, die ihr Projektmanagement professionalisiert haben, verfügen häufig über ein sogenanntes Projektmanagement-Office. Hier handelt es sich um eine Organisationseinheit, die die Projekte in ihrem Projektmanagement unterstützt (vgl. zur Einführung von Projekt Management Offices z. B. Lau/Dechange, 2010, S. 69 ff.). 1.2 Umfeld- und Stakeholderanalyse Um Einflussfaktoren auf das Projekt zu identifizieren, wird ein erstes Instrument benötigt, das den Einstieg in das funktionale Projektcontrolling kennzeichnet: die Umfeld- und Stakeholderanalyse. Das Umfeld des Projektes übt verschiedene direkte und indirekte Einflüsse auf die Ergebnisse des Projektes aus. Das sind einerseits externe Faktoren wie z. B. Gesetze, Mode, Klima, Kultur, und andererseits interne Faktoren wie z. B. Finanzen, Strategie, Politik, Unternehmungsziele. Diese Faktoren könnten als sachliche Einflussfaktoren bezeichnet werden und sind Objekte des Projektcontrollings. Daneben gibt es soziale Faktoren, die auf das Projekt wirken. Da diese sozialen Faktoren durch Einzelpersonen oder Personengruppen getragen werden, hat sich dafür der Begriff „Stakeholder“ verfestigt. Dies sind auch gleichzeitig Zielgruppen des Projektcontrollings. Als interne Stakeholder der Unternehmung können projektbezogen der Auftraggeber, Projektteammitglieder, der Lenkungsausschuss, das Steering Committee gelten. Externe Stakeholder können Behörden, Presse, Verbände, Kooperationspartner, Wettbewerber sein.
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Je nach Stakeholder ist eine unterschiedliche Kommunikation von Projektinformationen erforderlich. Das Projektcontrolling hat die Aufgabe, eine zielgruppengerechte Informationsversorgung sicherzustellen. Nachfolgend wird beispielhaft eine Visualisierung der möglichen Umfeldfaktoren eines Projektes vorgenommen.
Abb. 2: Umfeldfaktorenvisualisierung
Die Analyse erfolgt im Rahmen der genaueren Betrachtung der Faktoren. In Form einer tabellarischen Darstellung können die Umfeldfaktoren bewertet werden nach: Schnittstellen zum Projekt, Einfluss auf das Projekt, zu ergreifende Maßnahmen. Bei den sozialen Faktoren entsteht der Begriff der Stakeholderanalyse. Stakeholder haben ein Interesse an dem Projekt, weshalb es jeweils unterschiedlicher Kommunikationsmaßnahmen vom Controlling bedarf. Bei Stakeholdern ist die Einstellung zum Projekt, deren Konfliktwahrscheinlichkeit und deren Macht festzustellen. Daraus lässt sich ableiten wie mit wem und was zu kommunizieren ist. Für das Projektcontrolling ließe sich eine partizipative, diskursive oder repressive Kommunikationsstrategie ableiten.
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1.3 Projektdefinition und Projektziele Jedes Projekt erfordert zur Steuerung die Definition von Projektzielen. Oft wird das magische Dreieck im Projektmanagement zitiert, das die Zielbeziehungen zwischen Kosten, Zeit und Leistung darstellt. Die Zielbeziehungen könnten auf fünf Arten zurückgeführt werden: antinome, konfliktäre, neutrale, komplementäre, identische Ziele. Darüber hinaus lassen sich bei den Zielen selbst Zielprioritäten benennen: Mussziele, Sollziele, Kannziele, Mussziele sind exakt einzuhalten, Sollziele sind eingehalten, wenn sie sich in definierten Toleranzen bewegen, Kannziele eines Projektes sind Wunschziele und sind optional (vgl. hierzu und im Folgenden: Daum/Lawa, 2007, S. 851 ff.). Der zeitliche Bezug von Zielen definiert sich in der Unterscheidung zwischen Vorgehenszielen und Ergebniszielen. Vorgehensziele werden im Verlauf des Projektes erreicht, z. B. Kostenziele, Ressourcenziele, Terminziele. Ergebnisziele werden durch das Projekt erreicht, z. B. Gewinnziele, strategische Ziele. Ziele sind die Controllingobjekte von Projekten. Zielbildung und -sicherung ist die Grundlage eines ergebnisorientierten Projektmanagements (vgl. Mente, 2001, S. 108 ff.). Die Definition, Verfolgung, Überprüfung und Anpassung der Ziele ist die Aufgabe des Projektcontrollings. Die vorgenannten Zielkriterien können für das Projektcontrolling tabellarisch geführt werden (siehe beispielhaft nachfolgende Tabelle). Ziel
Priorität Zielart
Zieldefinition
Messkriterium
Termin
Kosteneinhaltung
Muss
Vorgehensziel
500 TEUR
Währungseinheit
31.12.20xx
Gewinnerzielung
Soll
Ergebnisziel
100 TEUR
Währungseinheit
30.06.20xx
Kundenzufriedenheit
Soll
Ergebnisziel
85%
Zufriedenheitsindex
30.11.20xx
Abb. 3: Zieldefinition für ein beispielhaftes Projekt
Im Sinne einer Zielhierarchisierung ist das Projektgesamtziel top down auf die einzelnen Arbeitspakete im Rahmen einer Strukturanalyse aufzubrechen. Das Ergebnis sind Ziele, die je Arbeitspaket vorgegeben werden. Die Erreichung der Arbeitspaketziele führt im Sinne eines Bottom-up-Ansatzes zur Erreichung des Projektgesamtziels. 1.4 Projektstruktur Das Projekt in einzelne Teilprojekte, Teilaufgaben und Arbeitspakete zu zergliedern ist eine weitere Aufgabe, um ein wirkungsvolles Projektcontrolling zu erreichen. Die Art der Strukturierung kann objekt-, funktions-, phasen- oder gemischt-orientiert erfolgen. Die kleinste Einheit des Projektstrukturplans ist das Arbeitspaket, das die Projektleitung einem Verantwortlichen übertragen kann. Inhaltlich finden sich in einem Arbeitspaket folgende zu definierende Kriterien: Arbeitspaket-Name, -PSP-Code, -Verantwortliche/r, -Ziel, Vorgänge, -Beteiligte, -Anfangs-/Endtermin, -Kosten, -Ressourcenaufwand, -Schnittstellen.
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An diesen Inhalten setzt das Projektcontrolling an: einerseits für die Planung und andererseits für die Steuerung. Die Arbeitspaketverantwortlichen können mit in die Planung und in die Steuerung einbezogen werden. Im Sinne eines Stakeholders entwickeln sie ein eigenes Interesse, die Ziele des zu verantwortenden Arbeitspaketes zu erreichen und damit den gesamten Projekterfolg zu unterstützen. Es gibt Projekte, bei denen die Arbeitspaketverantwortlichen ihre Verantwortungsübernahme durch ihre Unterschrift ausdrücken müssen. Der Strukturplan eines Projektes ist damit der Quell des Projektcontrollings. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht diesen Zusammenhang.
Abb. 4: Projektstrukturplan und Arbeitspaket
1.5 Projektressourcen und Projektkosten Der Einsatz von Projektressourcen orientiert sich an den Anforderungen aus dem Projektstrukturplan. Als Ressourcen sind z. B. Personal, Maschinen, Material, Finanzmittel, Räume anzusehen. Die Anforderungen an die Ressourcen werden hinsichtlich der Quantität und der Qualität bzw. Qualifikation sowie der zeitlichen Notwendigkeit gestellt. Diesem Bedarf steht die Verfügbarkeit der Ressourcen gegenüber. Die folgende Abbildung verdeutlicht den
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Andreas Daum
Sachverhalt, der im Detail die Herausforderung in jedem Controlling darstellt. Der Ressourcenkapazität steht der Ressourcenbedarf über den Zeitablauf gegenüber.
Abb. 5: Ressourcenbedarf
Ein Mehr-Ebenen-Ansatz ist festzustellen: die Ressourcen werden auf der Unternehmungsebene geplant: wie viel Ressourcen stehen insgesamt für Programme bzw. Projekte in der Unternehmung in der nächsten Periode zur Verfügung. Auf der Programmebene wird geplant: wie viel Ressourcen sind für die jeweiligen Projekte in einem Programm erforderlich. Auf der Projektebene wird geplant: wie viel Ressourcen sind wann im Projektverlauf einzusetzen. Diese Planung wird je Ressourcenart vorgenommen. Daran beteiligt sind das Unternehmungscontrolling, das Programmcontrolling und das Projektcontrolling. Die im Projekt einzusetzenden Ressourcen können jeweils mit einem Kostensatz bewertet werden. Das gilt für unternehmungsexterne Ressourcen gleichermaßen wie für unternehmungsinterne Ressourcen. Beispiele für Kostenarten sind der Personalkostensatz für eine Mitarbeiterstunde, der Maschinenstundensatz, die aufgewendeten Materialkosten, die Raummiete, der Zinssatz für die zur Verfügung gestellten Finanzmittel. Um diese Kosten zu planen und später zu steuern, kann die Einrichtung einer Kostenstelle oder eines Kostenträgers in einem Rechnungswesen-System sinnvoll sein. Die Kostenstelle eignet sich für Projekte, die innerhalb einer Unternehmung auf andere Abteilungen verrechnet werden. Der Kostenträger eignet sich für Projekte bzw. Projektergebnisse, die an Kunden außerhalb der Unternehmung verkauft werden. Werden diese Kosten über den Projektzeitraum geplant, lässt sich der zeitbezogene Kostenanfall in Form einer Kostenganglinie darstellen. Stellen die Kosten auch gleichzeitig Finanzmittel dar, die im Projektverlauf abfließen, bildet die Kostenganglinie gleichzeitig auch den jeweiligen Finanzmittelbedarf ab. Die Addition der Kosten je Zeiteinheit ergibt den geplanten Kostenverlauf für das gesamte Projekt in Form einer Plankostensummenlinie. Die folgende Abbildung verdeutlicht diesen Sachverhalt.
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Abb. 6: Kostenganglinie und Kostensummenlinie
Sind im Projektverlauf neben den auszahlungswirksamen Kosten auch einzahlungswirksame Erträge zu erwarten, stellt sich der Zahlungsmittelbedarf (Cash flow) für das Projekt anders dar. Ein Beispiel wäre ein externes Bauprojekt, bei dem der Auftraggeber nach Leistungsfortschritt bezahlt. Diese Liquiditätsbedarfsplanung ist nicht ausschließlich für das Einzelprojekt zu betrachten. Es ist eine Abstimmung zwischen dem Liquiditätsbedarf des Projektes, des Programms und der Unternehmung erforderlich. Umgekehrt gibt die Liquidität auf Unternehmungsebene vor, welche Auszahlungen auf Programm- und Projektebene möglich sind. 1.6 Projektablauf und -termine Die Ablaufplanung in einem Projekt ergibt sich aus den logischen Abhängigkeiten der Arbeitspakete. Zwischen den einzelnen Arbeitspaketen drücken die Anordnungsbeziehungen die Bearbeitungsreihenfolge aus: sequentiell (z. B. in einer Ende-Anfang-Beziehung) oder simultan (z. B. in einer Anfang-Anfang-Beziehung). Der geschätzte Ressourcenbedarf je Arbeitspaket und die dem Arbeitspaket zugeteilte Ressourcenkapazität ergibt die Dauer des Arbeitspaketes. In der Vernetzung der Arbeitspakete wird daraus ein Plan, der die Dauer des Projektes definiert. Wird der Starttermin oder der Endtermin des Projektes definiert, lassen sich hiermit auch die Termine je Arbeitspaket festlegen. Bei dieser sogenannten Kalendrierung wird der Betriebskalender dem Projekt hinterlegt. Der Projektablauf zusammenhängend in zeitlichen Abschnitten drückt sich dagegen in der Phasenplanung aus. Die Phasenplanung ist abhängig von der jeweiligen Projektart, z. B. lassen sich F&E-Projekte, Investitionsprojekte und Organisationsprojekte unterscheiden. Am Ende einer jeweiligen Phase muss jeweils ein Meilenstein definiert sein, der den Pha-
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Andreas Daum
senübergang kennzeichnet. Jeder Meilenstein ist durch ein Ereignis und ein Termin gekennzeichnet. Zur Visualisierung dieser Planung bieten sich Instrumente wie der Netzplan oder das Balkendiagramm an. Letzteres wird in der nachfolgenden Abbildung in einem Beispiel gezeigt.
Abb. 7: Balkendiagramm
Das Unternehmungscontrolling muss diese Planung in die Unternehmungsplanung einbeziehen. Die Vielzahl von Projekten und Programmen hat einen Einfluss auf den Unternehmungsablauf und ist entsprechend zu planen. Wesentliche Bedeutung haben der Projektstart und der Projektabschluss im zeitlichen Verlauf eines Projektes. Mit dem Projektstart werden die ersten Aufgaben gemeinsam bearbeitet. Im Sinne eines Start-Workshops mit Einbindung des Unternehmungscontrollings werden Ziele konkretisiert, Aufgaben verteilt, Maßnahmen beschlossen und Verbindlichkeit erzielt. Ein Kick-off-Meeting kommuniziert die Inhalte an weitere Stakeholder des Projektes. Der Projektabschluss im Sinne eines Abschluss-Workshops ermöglicht dagegen die Überprüfung der erreichten Ziele. Gleichfalls erfolgt damit die Feststellung der noch offenen Punkte sowie ein Lernen aus dem Projekt für die Zukunft. 1.7 Projektrisiken Ein Projektrisiko stellt die Unsicherheit eines Ereignisses mit negativer Auswirkung auf die Projektergebnisse dar. Folglich muss das Projektcontrolling helfen, die Risiken für Projekte zu identifizieren, zu bewerten und zu steuern. Als Arten von Projektrisiken sind beispielhaft politische Risiken, technische Risiken, kaufmännische Risiken sowie terminliche Risiken anzuführen. Je Projektrisiko sind Ursache, Eintrittswahrscheinlichkeit, Wirkung (Tragweite, Schadenhöhe), Bewertung, Maßnahmen, Kosten der Maßnahmen, Verantwortlicher zu benennen. Das Ergebnis dieser Planung lässt sich der Form ein Risikoportfolios je Projekt darstellen. Konsequent betrachtet kann ein Projektrisiko so hoch bewertet werden, dass es zum Exis-
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Niedrig
Eintrittswahrscheinlichkeit
Hoch
tenzrisiko der Unternehmung wird. Folglich sind neben der Risikovermeidung auch Maßnahmen der Begrenzung, Reduzierung, Verlagerung oder Akzeptanz zu bestimmen. Ein Risikoportfolio wird in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.
Abb. 8: Projektrisikoportfolio
2
Einordnung des Projektcontrolling in den Steuerungskontext
2.1 Projektberichtswesen und -dokumentation Im Steuerungskontext ist über den gesamten Projektverlauf ein Berichtswesen zu installieren. Im Sinne der Planung ist das Berichtswesen selbst Gegenstand der Projektplanung. Welche Berichte sollen von wem an wen, wann, wie oft, in welcher Form gegeben werden? Die Antwort darauf gibt eine für das Projekt festgelegte Berichtsbedarfsmatrix. Die nachfolgende Abbildung zeigt exemplarisch eine solche Matrix. Berichtsarten
Verfasser
Adressaten
Form
Zyklus
…
Tätigkeitsbericht
Teammitglied
Projektleitung
Formblatt
Monatlich
…
Statusbericht
Projektleitung
Auftraggeber, Teammitglieder
Mündlich
Quartalsweise
Abschlussbericht
Projektleitung
Auftraggeber, Teammitglieder
Formblatt
Einmalig zum Projektende
… Abb. 9: Berichtsbedarfsmatrix
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Die Inhalte der jeweiligen Berichte sind darüber hinaus festzulegen: Daten, Text, Bilder, Abbildungen, Grafiken. Beliebt sind im Projektcontrolling z. B. Ampelberichte, die in knapper Übersicht zeigen, ob die Zieleinhaltung im „roten“ oder im „grünen“ Bereich liegt. Auch Cockpit-Berichte sind modern, die in wenigen „Armaturen“ einen Überblick für die Steuerung des Projektes geben. Das Berichtswesen unterstützt das Controlling im jeweiligen Projekt dadurch, dass Berichtsstände zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Projekt kommuniziert werden. Wird das Berichtswesen nicht mündlich, wie z. B. in Projektmeetings, vorgenommen, ist es in dokumentierter Form immer Inhalt des Dokumentationsmanagements. Aber auch Projektmeetings werden durch Ergebnisprotokolle zu Dokumenten für das Projektcontrolling. Formale Dokumentationsrichtlinien bestimmen Aufbau und Kennzeichnung, z. B. in Form von Dokumentversionen. Ablageorte, z. B. in Form von Dateiverzeichnissen, bestimmen und erleichtern das Einordnen und Wiederfinden von Projektdokumenten. Solche Dokumente stellen etwa eine Projektakte oder ein Projekthandbuch dar. Sie bilden die Inhalte eines Projektes ab und ermöglichen ein permanentes Projektcontrolling. Das Projektmanagementhandbuch oder ein Projektmanagementleitfaden beschreiben den vorgegebenen Projektmanagementprozess in einer Unternehmung. Hierin lassen sich die Standards des Einzelprojektcontrollings und des Multiprojektcontrollings abbilden. Dies dient der Sicherung von Transparenz und Akzeptanz des Projektcontrollings in der Unternehmung. 2.2 Projektfortschritt und Earned Value Durch die Anwendung von Messtechniken ist im Projektverlauf der Fortschritt auf der Ebene der Arbeitspakete und damit kumuliert für das gesamte Projekt zu messen. Häufig wird der Projektfortschritt durch subjektive Einschätzungen der Verantwortlichen, z. B. Arbeitspaketverantwortliche, Teilprojekt- oder Projektleitungen, ermittelt. Begründet wird diese Messmethodik mit dem geringen Messaufwand und der Erfahrung der Abschätzenden. Zwei Methoden, die sich an der Fertigmeldung von Arbeitspaketen orientieren, sind die 0-100-Methode und die 50-50-Methode. Die erste Methode bewertet leistungsabgenommene Arbeitspakete mit 100% Fertigstellung und Arbeitspakete, die noch nicht leistungsabgenommen sind, mit 0% Fertigstellung. Die zweite Methode bewertet noch nicht begonnene Arbeitspakete mit 0%, begonnene Arbeitspakete mit 50% und leistungsabgenommene Arbeitspakete mit 100% Fertigstellungsgrad. Aus der Addition sämtlicher Fertigstellungsstände der Arbeitspakete und einer eventuellen Gewichtung lässt sich der Fertigstellungsgrad des Projektes ermitteln. Die Statusschritt- oder Meilenstein-Methode unterstellt je Meilenstein einen vorher bestimmten Fertigstellungsgrad, der z. B. aus Erfahrungen heraus geplant wurde. Jeder erreichte Statusschritt im Projekt ist mit einem Fertigstellungsgrad belegt. Die Methode der Mengenproportionalität geht davon aus, dass die Messung einer quantitativen Leistungsmenge einen Fortschrittsgrad ermitteln lässt. Sie ist daher nicht bei qualitativen Leistungsergebnissen in einem Projekt anwendbar.
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Die Methoden der Sekundarproportionalitäten orientieren sich an dem Zeit-, Kosten-, Aufwandsfortschritt. Sie sind nur anwendbar, wenn der Leistungsfortschritt proportional zur Zeit, zu den Kosten oder zum Aufwand verläuft. Es ist z. B. nicht selbstredend, dass bei 50% verbrauchter Aufwand auch 50% der Leistung im Projekt erbracht sind. Der Ist-Fortschrittsgrad des Projektes sollte somit zu jedem Zeitpunkt des Projektes in das Verhältnis zum Plan-Fortschrittsgrad zu diesem Zeitpunkt gesetzt werden. Daran kann die Leistungsabweichung (ein Leistungsverzug oder eine Leistungsbeschleunigung) gemessen werden. Wird der jeweilige Ist-Fortschrittsgrad mit den geplanten Kosten für diesen Fortschrittsgrad bewertet, ergibt sich der sog. Fertigstellungswert (Earned Value, Sollkosten) für diesen Zeitpunkt. Ein Vergleich mit den Ist-Kosten zu diesem Zeitpunkt zeigt die Kostenabweichung (eine Kostenüberschreitung oder eine Kostenunterschreitung). Aus dem Vergleich zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Ist-Fortschrittsgrad hätte schon erreicht sein sollen und dem Zeitpunkt des tatsächlichen Erreichens, ergibt sich die Zeitabweichung (ein Terminverzug oder eine Terminbeschleunigung). Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht diesen Sachverhalt.
Abb. 10: Projektfortschritt
Die Bewertung des Fortschritts hat zudem eine Bedeutung in der internationalen Rechnungslegung, z. B. nach IFRS. Hier wird eine objektive Nachvollziehbarkeit gefordert, etwa mit der „Percentage-of-Completion-Method“. Über eine Meilenstein-, Kosten- und/oder Termin-Trendanalyse lassen sich die Auswirkungen eines „Was-passiert-wenn-nichts-passiert“ ableiten. Das Ergreifen von Maßnahmen in Berücksichtigung der Kenntnisse des magischen Zieldreiecks soll dazu führen, das Projekt wieder auf den Zielpfad zurückzuführen.
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Andreas Daum
2.3 Projektnutzen und -effektivität Jedes Programm bzw. jedes Projekt wird gestartet, um einen Nutzen für die Unternehmung zu generieren. Die Ergebnisziele eines Programms bzw. eines Projektes stellen den Nutzen dar, wenn aus den Zielen messbare Ergebnisse geworden sind. Manche Unternehmungen haben ein sog. Nutzencontrolling oder Effektcontrolling installiert, das regelmäßig den Nutzen bzw. den Effekt aus Projekten nachhält. Hiermit soll überprüft werden, ob Programme bzw. Projekte den versprochenen Nutzen erzielt haben. Dieser kann zum Teil erst Monate oder Jahre nach dem Projektende gemessen werden. Erst dann hat sich die Wirkung des Projektergebnisses entfaltet und der Nutzen wird sichtbar. Beispiele dafür sind zusätzlicher Marktanteil, höherer Umsatz, größerer Deckungsbeitrag, geringere Kosten. Um die „richtigen Projekte zu machen“, muss die Unternehmung die richtigen Projekte zur Umsetzung auswählen. Eine Handlungsmethodik, um zu den „richtigen“ Projekten zu kommen, ist die PUZZLEMethode (vgl. Steinle 2005, S. 48 ff.; Steinle/Eggers/Kolbeck 1999). Sie unterstützt strategische Planungsprozesse ganzheitlich in Unternehmen, um über Phänomene, Untersuchungen und Zielplanung zu Zentralprojekten zu gelangen. „Ein Zentralprojekt wird als ein Bündel konkret umrissener Projekte abgegrenzt, deren abgestimmte Durchführung die Chancen-/Risikobereiche aufnimmt und die gewünschten Ziele erreicht. Es schließt sich die Bestimmung von Einzel- und Teilprojekten (...) an, worunter die Dekomposition der Zentralprojekte in gut handhabbare Einzelprojekte (…) zu verstehen ist“ (Steinle 2005, S. 59). Diese Eingrenzung der umzusetzenden Projekte wird auch unter der Projektselektion und Projektpriorisierung subsumiert. Es kann der strategische Nutzen und der (kurz- bis mittelfristige) wirtschaftliche Nutzen unterschieden werden. Das Projektportfolio bzw. das Programmportfolio des Unternehmens soll mit dieser Methodik bewusst gesteuert werden (vgl. Steinle/Eßeling/Mach, 2010, S. 159 ff.; Lappe/Eikelmann/Campana/Schott, 2010, S. 173 ff.). Das gelingt, wenn das Management des Unternehmens den Nutzen darin erkennt und die Ganzheitlichkeit des Einzel- und des Gesamtansatzes von Projekten und Programmen unterstützt und vorlebt. Dies gilt insbesondere auch für die Projekte des Wandels (vgl. hierzu insbesondere auf der Entwicklungswegebene und in Wandlungsphasen Steinle, 2005, S. 755 ff.). 2.4 Projektcontrolling im ganzheitlichen Managementkontext Im Rahmen des detaillierten Managementkubus von Steinle kann das Projektcontrolling ausgehend vom „unternehmungspolitischen Erker“ auf die gesamte Unternehmung wirkend eingeordnet werden (vgl. zum Managementkubus hier und im Folgenden Steinle, 2005, S. 36 ff.). Die Unternehmenspolitik legt fest, welche Bedeutung Projekte für die Unternehmung haben. Die Entwicklung von Strategien sind selbst Inhalte von Projekten oder sie bewirken strategische und operative Projekte. Die Managementprozesse der Unternehmung (Änderung/Wandel, Führung i.e.S., Organisation, Kontrolle, Planung) beinhalten einerseits selbst das Projektcontrolling, indem z. B. ein Changemanagement-Projekt durchgeführt oder ein neues Planungssystem als Projekt eingeführt wird. Andererseits sind Managementprozesse wie die Planung, Kontrolle und Organisation selbst Inhalt eines Projektcontrollings.
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Als Ebenen des Managementkubus beschreibt Steinle Individuum, Gruppe, Abteilung, Unternehmung und Umwelt. Bei jedem Projekt sind diese Ebenen die Inhalte des Projektcontrollings: Umwelt durch die Umfeldanalyse, die Unternehmung durch die Projektergebnisziele wie Gewinn, Kosten, Umsatz, die Abteilung, die Gruppe und das Individuum durch die Stakeholderanalyse und die jeweiligen Abteilungs-, Gruppen- und Individualziele. Die Ziele der jeweiligen Ebene, die durch das Projekt erreicht werden sollen, stehen darüber hinaus in Zielbeziehungen zueinander. Als Funktionsbereiche führt Steinle Rechnungswesen/Steuerung, Investition/Finanzierung, Beschaffung, Produktion, Absatz und Personal an. Ein Projekt kann einerseits aus einem der Funktionsbereiche stammen. Andererseits sind Funktionsbereiche wie Rechnungswesen, Personal, Investition/Finanzierung Bestandteile eines jeden Projektcontrollings. Die ganzheitliche Bedeutung des Projektcontrollings lässt sich anhand des ManagementKubus sehr gut belegen. Das Projektmanagement rundet diese Ganzheitlichkeit ab. 3
Einordnung des Projektcontrolling in den sozialen Kontext
3.1 Projektteam, Führung und Motivation Neben den „hard facts“ im Projektmanagement wird den „soft facts“ eine erfolgsentscheidende Bedeutung beigemessen. Bereits die Zusammensetzung des Projektteams zum Projektbeginn wird im sozialen Kontext als ein Erfolgsfaktor für ein Projekt angesehen. Ein Projektcontrolling-Begriff, der sich dem Projekterfolg verpflichtet fühlt, schließt daher den Gedanken der Teambesetzung und Teamentwicklung mit ein. Das Projektcontrolling definiert Prozesse zur Teambesetzung, berücksichtigt dabei Qualifikationen und Verfügbarkeiten der personellen Projektressourcen und unterstützt Maßnahmen zur erfolgreichen Teamentwicklung. Dies schließt die Definition und Wahrnehmung der ProjektcontrollingAufgabe von Teammitgliedern und der Projektleitung mit ein. Diese Aufgabe kann z. B. von einem eigenständigen Projektcontroller übernommen werden oder eine ergänzende Aufgabe für die Projektleitung sein. Neben der Führung i. e. S. durch die Projektleitung kann die Führung i. w. S. durch Projektziele konstatiert werden. Das Projektcontrolling muss sich den Projektzielen verpflichtet fühlen. Die Projektteammitglieder wollen mit dem Projekt Individualziele erfüllen, die im Idealfall zu den Projektzielen komplementär sind. Führen durch Ziele heißt damit Führung von Menschen, Führung durch Projektziele heißt Führung von Projektteammitgliedern. Das Projektcontrolling hat die Aufgabe, die Führung über Ziele zu unterstützen, indem Ziele klar vereinbart, transparent nachgehalten und bei Bedarf konsequent angepasst werden. Damit unterstützt das Projektcontrolling die Motivation zur Projektarbeit. Die Motive zur Projektarbeit bei Stakeholdern sind vielfältig, aber im Sinne von Erwartungen zu konkretisieren – soweit dies bei individuellen Motiven möglich ist. Die Befriedigung von Motiven führt zur Zielerreichung, die für das Projektcontrolling im Sinne des Projekterfolgs wichtig ist. Auch die Motivation zum Projektcontrolling ist Inhalt dieser Betrachtung. „Denn letztendlich ist es die Entscheidung des Individuums, wie stark es sich in einem Projekt enga-
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giert mit der Konsequenz einer gegebenenfalls negativen Beeinflussung des Projekterfolges“ (Barnert, 2010, S. 252). 3.2 Einführung von Projektcontrolling und Akzeptanz Die Einführung des Projektcontrollings ist mit Einführung bzw. Etablierung des Projektmanagements in der Unternehmung direkt verbunden. Zumeist wird die Einführung eines Projekt-, Programm- oder Projektportfoliomanagements selbst als ein Projekt vorgenommen: Kosten, Termine, Leistung. Als ein Arbeitspaket dieses Projektes kann das Projektcontrolling definiert werden. Die Einführung und die Akzeptanz des Projektmanagements und des damit verbundenen Projektcontrollings sind von dem Gelingen dieses Einführungsprojektes abhängig. Das Ergebnisziel muss die Akzeptanz und die Anwendung des Projektmanagements und des Projektcontrollings sein. Dazu sind auch die von dem Projektcontrolling betroffenen Personen (Stakeholder) des Unternehmens einzubinden. Beispielsweise zu nennen sind die Geschäftsleitung, die regelmäßig Daten aus den Projekten erwartet oder die Abteilungsleitungen, die regelmäßig Rückmeldung über die für Projekte erforderlichen Ressourcen erwarten. Das Unternehmenscontrolling muss berücksichtigt werden, da Vorgaben zur Form der zukünftigen Projektdaten zu berücksichtigen sind und die IT-Abteilung muss eingebunden werden, da die Projektcontrolling-Software anwenderfreundlich und kompatibel sein muss. Die Akzeptanz des Projektcontrollings dürfte davon abhängen, inwieweit der Nutzen der Methode den Aufwand für die Projektplanung und Projektsteuerung übersteigt. 3.3 Projektlernen und Projektwissensmanagement Das Lernen aus Projekten sollte zur Optimierung des Projektcontrollings genutzt werden. Wie gut ist der Controllingprozess kommuniziert und wie gut ist er im konkreten Projekt angewendet worden? Was ist gut, was ist weniger gut im Projektcontrolling gelaufen? Was ist zu tun, damit das Projektcontrolling besser funktioniert? Dieses Lernen kann durch eine regelmäßige Auswertung im Projektverlauf aber auch insbesondere zum Projektabschluss initiiert werden. Durch ein konsequentes Vorgehen können die einzelne Person und die gesamte Organisation lernen. Als Beispiele könnten die regelmäßige Anwendung der Projektcontrolling-Software oder die Erstellung von regelmäßigen Projektberichten angeführt werden. Darüber hinaus muss das während des Projektes und nach dem Projekt gewonnene Wissen für das Unternehmen nutzbar gemacht werden. Ein professionelles Wissensmanagement kann hier helfen, das sich an der Verfügbarkeit, Aktualität, Verbindlichkeit, Validität, Verständlichkeit, Verlässlichkeit und Verwendbarkeit von Controllingdaten orientiert. Ein Wissenstransfer kann bei den Projektbeteiligten durch Selbststudium, Training, interne Kommunikation, Expertenpool oder Projektreviews erreicht werden (vgl. Rettberg, 2010, S. 397 ff.). Es muss erkannt werden, dass es sich um einen fortlaufenden Verbesserungsprozess im Projektcontrolling handelt. Kontinuierliches Wissensmanagement auf der Unternehmungsebene verknüpft mit einem kontinuierlichen Wissensmanagement auf der Projektmanagementebene und auf der Projektcontrollingebene macht den ganzheitlichen Managementan-
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satz aus. Aber auch die Erfolgsfaktorenforschung kann hierfür herangezogen werden (vgl. z. B. Steinle, 2001, S. 25 ff.). 4
Fazit
Mit diesem Beitrag wird das Projektcontrolling im ganzheitlichen Managementansatz nur rudimentär aufgezeigt. Es werden die Handlungsfelder angesprochen, die für das Controlling von Projekten typisch sind und das Management des Projektes (die Projektleitung), des Programms (die Programmleitung) und der Unternehmung (die Unternehmungsleitung) interessieren. Es fehlt noch an einem in sich schlüssigen Konzept, das dem Projektcontrolling die Bedeutung zukommen lässt, die es in einem ganzheitlichen Managementansatz verdient. Eine Vielzahl von Bausteinen macht noch keinen Ansatz aus. Dass das Projektcontrolling an Bedeutung für die Unternehmungsergebnisse zunimmt, liegt bei dem ansteigenden Anteil an Projektarbeit in Unternehmungen auf der Hand.
Anforderungen an die Kundenintegrationskompetenz als Grundlage einer Erfolg versprechenden Kundenintegration in Innovationsprozesse – Erste Skizzen zu einem theoretischen Bezugsrahmen Klaus-Peter Wiedmann und Lars Pankalla
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Die Bildung von Kundenintegrationskompetenz als Herausforderung für das Management von Innovationen
Das Thema Innovationsmanagement gehört zu jenen Themen, die Claus Steinle immer wieder beschäftigt haben und hoffentlich – sowohl theoretisch wie auch praktisch – noch lange Jahre beschäftigen werden (vgl. Steinle, 2003; Steinle/Schumann, 2003, S. 15 ff.; Steinle et al., 2002, S. 145 ff.; Steinle/Draeger, 2002, S. 264 ff.; Steinle et al., 2001). Aus Sicht der Marketingforschung liegt es nun sicher nahe, in diesem Kontext verstärkt den Ansatz einer gezielten Kundenintegration ins Blickfeld von Unternehmensführung und Organisation zu lenken. Während wir Marketingvertreter nun zweifellos in der Lage sind, spannende Konzepte einer Integration von Kunden in unternehmerische Prozesse im Allgemeinen und in solche eines Innovationsmanagements im Besonderen zu entwickeln, gilt es letztlich aber, mit viel Sachverstand und Einfühlungsvermögen sicherzustellen, dass eine solche Integration in Unternehmen auch tatsächlich gelingt. Voraussetzung hierfür ist etwa die Entfaltung einer geeigneten Unternehmenskultur (vgl. Steinle et al., 1994, S. 129 ff.; Steinle, 2005, S. 99) und speziell der Aufbau einer hohen Integrationskompetenz (zum Thema Kompetenz in und von Unternehmen vgl. auch Steinle, 1975, S. 61 ff.; Steinle et al., 1998, S. 367 ff.; Steinle et al., 2009a, S. 413 ff.; Steinle et al., 2009b, S. 60 ff.; Steinle et al., 2009c, S. 26 ff.). Nicht zuletzt um einen gezielten Anreiz für Claus Steinle zu setzen, sich auch weiterhin eingehend mit diesen Themen zu beschäftigen, seien im Folgenden unsere Ideen hinsichtlich der Konzeptualisierung einer in Gestalt der „Kundenintegrationskompetenz“ sehr wichtigen strategischen Erfolgsgröße von Unternehmen vorgestellt. Dies speziell im Blick auf Unternehmen im B-to-B-Sektor, da hier einerseits zwar schon vielfältige Erfahrungen im Blick auf Kundenintegrationsansätze vorliegen (etwa in Gestalt von Lead User-Konzepten). Auf der anderen Seite eben gerade dabei auch festgestellt werden kann, dass entsprechende Ansätze nicht immer von Erfolg gekrönt sind. Parallel zur immer wieder aufgestellten Forderung, im Zeichen dynamischer Kundenbedürfnisse und immer differenzierterer gesellschaftlicher Ansprüche einen Wandel von einer „geschlossenen“ hin zu einer „offenen“ Innovationspolitik zu vollziehen und dabei relevante Stakeholder und allen voran die Kunden in die Unternehmensprozesse zu integrieren (vgl. Herstatt/Lüthje, 2004, S. 553 ff.; Lettl, 2007, S. 53 ff.), werden gerade auch die in der Praxis noch bestehenden Defizite sehr offensichtlich. So lassen die Ergebnisse empirischer Studien erkennen, dass viele der innovationsorientierten Kundenintegrationsprojekte nicht
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Klaus-Peter Wiedmann und Lars Pankalla
ihre Erfolgspotenziale (z. B. Senkung des Flop-Risikos, Kostenreduktion) entfalten, sondern zu häufig fehlschlagen (vgl. Draulans et al., 2003; Gerybadze, 2003). Forschungsarbeiten, die der Frage nachgehen, wie Kundenintegration in den Innovationsprozess durch den Hersteller auszugestalten ist (vgl. z. B. Jacob, 2003; Reichwald/Piller, 2009; Veßhoff/Freiling, 2009), stellen als Ursache für die markanten Unterschiede im Gelingen entsprechender Projekte, die jeweils mehr oder weniger bestehende bzw. nicht bestehende Fähigkeit der jeweiligen Unternehmen zur Integration von Stakeholdern und speziell von Kunden heraus. (Kunden-)Integrationskompetenz avanciert also doch ganz offensichtlich zu einem zentralen Erfolgsfaktor. Nicht zuletzt aufgrund der ökonomischen sowie beziehungsmanagementorientierten Relevanz innovationsorientierter Kundenintegrationsprojekte interessiert aus Sicht von Wissenschaft und Praxis vor allem, welche Erfolgsgrößen den Aufbau jener Kundenintegrationskompetenz bewirken. Hierzu liegen zwar erste Forschungsansätze vor. Aus unserer Sicht sind diese jedoch noch nicht ausreichend kohärent und elaboriert. Deshalb sei im Folgenden versucht, im Anschluss an eine kurze Skizze und kritische Würdigung vorhandener Forschungsansätze im Feld innovationsorientierter Kundenintegrationskompetenz, einen integrativen Bezugsrahmen zu entwickeln, der dazu beiträgt, künftige Forschungsrichtungen abzustecken. Welche Forschungsrichtungen u.E. dabei besonders wichtig sind, sei dann abschließend – nicht zuletzt im Sinne eines Kooperationsangebots an Claus Steinle – in Gestalt einiger zentraler Basisannahmen formuliert. 2
Zum Stand der bisherigen Forschung im Bereich innovationsorientierter Kundenintegrationskompetenz
2.1 Eine erste Annäherung an den Begriff der Kundenintegrationskompetenz Die Erfassung des Konstrukts der innovationsorientierten Kundenintegrationskompetenz hat auf die unterschiedlichen Forschungsströmungen des Innovations-, Kompetenz- und Kundenintegrationsmanagements zu rekurrieren. Im Kern bezieht sich Kundenintegrationskompetenz damit auf die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenintegrationsprojekte im Innovationskontext erfolgreich zu steuern und durchführen zu können. Nachstehend werden auch Konzeptualisierungen der Kundeninteraktion präsentiert, kann doch u.a. rekurrierend auf Helm (2001, S. 69) die Interaktion dem Wesen der Integration zugeordnet werden. Diesen Eindruck vermitteln auch bereits existierende Definitionen (hierzu ausführlicher Wiedmann/Pankalla, 2010). Vorliegend soll nachstehende Arbeitsdefinition gelten und im Lichte unserer weiteren Ausführungen inhaltlich ausgestaltet werden: Kundenintegrationskompetenz stellt die herstellerbezogene Fähigkeit dar, Kundenunternehmen und deren Ressourcen derart in die eigenen Innovationsaktivitäten einbinden zu können, so dass sich der herstellerbezogene Innovationserfolg verbessert. Dabei manifestiert diese organisationale Kompetenz eine höher gelegene, dynamische Fähigkeit, die durch die vier theoretischen Dimensionen der Management-, Unternehmens-, Interaktionsprozess- und der internen Strukturkompetenz beschrieben sowie durch die zwölf Gestaltungsvariablen Management Support, Dezentralisierung, interorganisationales Vertrauen, interne Koordination, bereichsübergreifende Kommunikation, Absorptionsfähigkeit, Integ-
Anforderungen an die Kundenintegrationskompetenz
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rationsgrad, Anreizsystem, offene Innovationskultur, Innovationsorientierung sowie Strategie- und Kultur-Fit konfiguriert wird. Ähnlich wie die verwandten Konstrukte der Allianzfähigkeit oder der Allianzmanagementkompetenz (vgl. u.a. Hoffmann, 2006, S. 251 ff.; Schilke, 2007) lässt sich Kundenintegrationskompetenz in die Klasse der dynamischen Kompetenzen einordnen. So verstanden, erlaubt eine vorhandene Kundenintegrationskompetenz den jeweiligen Unternehmen – verglichen mit statischen Kompetenzen – die bestehenden Unternehmensressourcen durch kundenintegrierende Maßnahmen zu verändern. Eine Veränderung dieser Ressourcenbasis ist insbesondere zur Reaktion auf komplexe Umfeldbedingungen als erfolgskritisch zu interpretieren, weshalb dynamischen Kompetenzen wie der Kundenintegrationskompetenz eine besonders wettbewerbsvorteilsrelevante Bedeutung zugeschrieben werden kann (vgl. Teece, 2007, S. 1319 ff.). Trotz einiger instruktiver Elemente der bisherigen Forschung kann konstatiert werden, dass gerade hinsichtlich eines differenzierteren Konstruktverständnisses noch Mängel existieren. Bevor der Versuch unternommen wird, einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten, sei zunächst der aktuelle wissenschaftliche Forschungsstand in diesem spezifischen Forschungsgebiet kurz aufgearbeitet.
2.2 Überblick zum konzeptionellen und empirischen Erkenntnisstand im Feld der Kundenintegrationskompetenz Die Suche nach belastbaren Abhandlungen, in denen die Wichtigkeit herstellerbezogener Kompetenzen zur erfolgreichen Bewältigung von Kundenintegration im Allgemeinen oder speziell im Kontext von B-to-B-Innovationsprozessen nicht nur am Rande geäußert, sondern ausdrücklich fokussiert und elaboriert wird, reduziert die Basis auf lediglich 6 Arbeiten. Der Ansatz von Jacob und Guth Einen ersten Bezugsrahmen zur Erschließung des Phänomens der kompetenzbasierten Kundenintegration präsentieren Jacob/Guth (2002, S. 557 ff.). Sie akzentuieren dabei drei wichtige Teildimensionen: 1.
Prozessgestaltungskompetenz: Fähigkeit der Herstellerorganisation zur materiellen Zusammenführung interner/externer Produktionsfaktoren
2.
Kommunikationskompetenz: Befähigung, spezifische Informationen von der Kundenseite zu beschaffen, in den Faktorkombinationsprozess einzubringen und für die eigene Leistungserstellung zu verwenden
3.
Steuerungskompetenz: Fähigkeit der Herstellerorganisation zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit des Leistungserstellungsprozesses
Aufbauend auf dieser Kategorisierung entwickelt Jacob (2003, S. 83 ff. sowie 2006, S. 45 ff.) den Vorschlag für ein Messmodell (siehe Abbildung 1). Nach einer ausführlichen Dis-
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Klaus-Peter Wiedmann und Lars Pankalla
kussion kommt er vor allem zu der Erkenntnis: Die Prozessgestaltungskompetenz hat den größten Einfluss auf das Gesamtkonstrukt (vgl. Jacob, 2003, S. 92). S Kundenintegrationskompetenz
Konstrukt
Dimensionen (1. Ebene) Kompetenz der Steuerung
Kompetenz der Prozessgestaltung
Kompetenz der Kommunikation
Dimensionen (2. Ebene) Gestaltungs -ressourcen
Steuerungsressourcen
Steuerungsqualifikation
Steuerung/ Aufgabenerfüllung
Gestaltungsqualifikation
Aufgabenerfüllung
Kommunikationsressourcen
Kommunikationsqualifikation
Kommunikation/ Aufgabenerfüllung
Abb. 1: Konzeptionalisierung der Kundenintegrations-Kompetenz nach Jacob (2002) Quelle: Jacob, 2002, S. 8
Der Verdienst der Arbeit von Jacob/Guth bzw. Jacob ist vor allem in ihrer Erkenntnis zu sehen, dass es zur Umsetzung der Kundenintegrationsstrategie mit der Kundenintegrationskompetenz einer spezifischen Unternehmensqualität bedarf, die sich von anderen Erfolgsgrößen – so wie man sie bereits in anderen Fällen des Kooperationsmanagements erschlossen hat – klar unterscheidet. Der Ansatz von Schmitz und Modlich Einen etwas anderen Zugang zum Konstrukt der Kundenintegrationskompetenz wählen Schmitz/Modlich (2008). Sie argumentieren, dass eine effektive Steuerung des Integrationsprozesses und daraus resultierender Erfolgswirkungen ein Zusammenspiel spezifischer Fähigkeiten sowohl auf Seiten der Hersteller- als auch der Kundenorganisation erfordert. Aus diesem Grund konzipieren sie mit den „supplier related antecedent conditions“ sowie den „customer related antecedent conditions“ die Kundenintegrationskompetenz für beide Unternehmensperspektiven, also für Anbieter und Nachfrager. Diese dyadische Betrachtungsweise erscheint uns außerordentlich fruchtbar und sollte künftig weiter verfolgt werden. Konzentrieren wir uns hier erst einmal auf die herstellerbezogene Kompetenz, so schlagen Schmitz/Modlich etwa eine Zweiteilung in eine personenübergreifende Kompetenzebene und ein mitarbeiterbezogenes Fähigkeitslevel vor. Dies stellt insofern eine inte-
Anforderungen an die Kundenintegrationskompetenz
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ressante Erweiterung des Ansatzes von Jacob (2003) dar, als die persönliche Ebene des bilateralen Austauschprozesses noch konkreter abgebildet wird. Im Zuge einer weiteren Ausdifferenzierung ihres Modells rekurrieren sie im Blick auf die übergeordnete Organisationsebene auf die beschriebene Dreiteilung von Jacob/Guth (2002) und mit Bezug zur individuellen Kompetenz der Organisationsmitglieder leiten sie Empathie, Flexibilität und kundenorientiertes Verhalten als relevante Einflussfaktoren her. Zur Spezifizierung ihrer theoretischen Annahmen führen sie Mini-Group Samplings (n=18) mit Unternehmen durch, deren Organisationen kundenintegrierende Maßnahmen im B-to-B-Kontext verwirklichen. Die Ergebnisse dieser qualitativen Erhebungsmethode offenbaren weitere Konstruktelemente wie z. B. Team Work oder Commitment. Der Ansatz von Reichwald und Piller Bisher rein theoretisch-konzeptionell entwickeln demgegenüber etwa Reichwald/Piller (2009, S. 81 ff.) ihre Vorstellung zu den notwendigen Herstellerkompetenzen als Basis einer erfolgreichen Kundenintegration. Dabei betonen sie vor dem Hintergrund der Absorptionsfähigkeit insbesondere die Implementierung herstellerbezogener Interaktionsprozesse, die die Nutzung und das Lernen aus externen Wissensressourcen für die eigene Wissensgenerierung gewährleisten sollen. Nicht zuletzt deshalb sprechen sie auch mehr von einer Interaktions- denn einer Integrationskompetenz und spannen ihr Konstrukt entlang der drei Hauptdimensionen der interaktionsförderlichen Kommunikations-, Anreiz- und Ablaufstruktur auf. Insgesamt kann das insbesondere im Anschluss an Cohen/Levinthal (1989, S. 569 ff.) entwickelte Konzept der Absorptionsfähigkeit als eine wichtige Bereicherung der Diskussion um Kompetenzen der Kundenintegration betrachtet werden. Der Ansatz von Danzinger Einen Schritt weiter geht Danzinger (2010, S. 193 ff.). Er strebt nämlich die empirische Operationalisierung der Kundeninteraktionskompetenz auf Industriegütermärkten an. Hierfür komponiert er dieses Konstrukt aus den Partialmodellen der intraorganisationalorientierten Lern- und der interorganisationalgeprägten Interaktionsorientierung (siehe Abbildung 2). Insgesamt bleibt hier hervorzuheben: Auf der Grundlage der Nutzung multivariater Verfahren der 2. Generation wird erstmalig der Einstieg in eine empirisch sehr differenzierte Operationalisierung des Konstrukts versucht.
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Human Resource Praktiken Lernausrichtung Lernorientierung
Geteilte Vision
Experimentierfreude
Transfer and Integration Process
Consumer Empowerment
Interaction Responce Capacity
Kundeninteraktionskompetenz
Interaktionsorientierung Customer Problem Understanding
Customer Value Management
Abb. 2: Organisationale Kundeninteraktionskompetenz nach Danzinger Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Danzinger, 2010, S. 188, S. 246 und S. 282
Der Ansatz von Veßhoff und Freiling Abschließend bleibt noch die Konzeptualisierung von Veßhoff/Freiling (2009, S. 135 ff.) kurz anzureißen. Entlang des „Open System View“ (vgl. hierzu Sanchez/Heene, 1996, S. 39 ff.) stellen sie folgende Konstruktebenen heraus: 1.
Ebene der strategischen Logik: Hierunter sind Konfliktbeherrschungsmuster, Schaffung einer beziehungsförderlichen Atmosphäre oder integrationsbetreffende Unternehmenskulturvorkehrungen zu fassen
Anforderungen an die Kundenintegrationskompetenz
73
2.
Ebene der Managementprozesse: Zielt einerseits auf die Koordination verfügbarer Ressourcen und zum anderen auf die strategische Stoßrichtung im Hinblick auf kundenintegrative Maßnahmen ab
3.
Potenzialebene: Hier werden Voraussetzungen beim Anbieter geschaffen, damit Potenziale des Kunden integrierbar werden
4.
Prozessebene: Aufbau partnerbezogener Routinen und Schaffung motivationaler Voraussetzungen wird angestrebt
5.
Wirkungsebene: Konkrete Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse aus den Verbundtätigkeiten
Neben der ausdrücklichen Akzentuierung des Innovationskontexts – bei den anderen Arbeiten fiel dies eher untergewichtig aus – ist insbesondere die klare Phänomenstrukturierung durch den Open System View hervorzuheben. 2.3 Würdigung der bislang vorliegenden Ansätze zur Erfassung von Kundenintegrationskompetenz Die kurz vorgestellten Ansätze bieten jeweils zweifellos wichtige Impulse zum besseren Verständnis des Phänomens der Kundenintegrationskompetenz an. Ein erstes Manko ist indessen bereits grundsätzlich darin zu erkennen, dass die verschiedenen Ansätze weitgehend isoliert nebeneinander stehen und mithin entsprechende Integrationsversuche unterblieben sind. Insofern werden eben auch jeweils nur Teilaspekte des Aufbaus einer tragfähigen Kundenintegrationskompetenz aufgezeigt. Überdies lassen sich entlang der einzelnen Ansätze verschiedene Problempunkte identifizieren, die im Kontext einer weiterführenden Forschung Beachtung finden sollten. Greifen wir zunächst einmal das Beispiel des Konzepts von Jacob und Guth (Jacob/Guth, 2002; Jacob, 2003; 2006) auf, so lassen sich hieraus durchaus interessante Determinanten einer Kundenintegrationskompetenz auffinden. Zuzustimmen ist allerdings der Kritik von Müller (2007, S. 117), die die begrenzte Aussagefähigkeit des zugrunde liegenden Studiendesigns hervorhebt. So verzichten Jacob und Guth weitestgehend darauf, ihr Kernkonstrukt in ein übergeordnetes Theorieverständnis einzuordnen. Der Mehrwert dieser Abhandlung, gerade in Hinblick auf ein Voranbringen der Theoriediskussion zu kundenintegrationsbezogenen Fähigkeiten im Speziellen, ist daher nicht immer vollständig erkennbar. Überdies verwendet Jacob (2003; 2006) in seiner konzeptionell darauf basierenden Messung ausnahmslos multivariate Verfahren der ‚ersten Generation’. In dieser Folge spiegeln die Ergebnisse lediglich einfachkorrelationsbasierte Werte wider, obwohl eine kausale Bestimmung des Verhältnisses zwischen Kundenintegrationskompetenz und der Zielgröße Markterfolg aussagekräftiger gewesen wäre. Würdigt man die Ausführungen von Schmitz/Modlich (2008), so ist insgesamt vor allem der sehr exploratorische Forschungscharakter herauszustellen. Es handelt sich eher um „Work in Progress“, die noch beendet werden muss. Dies räumen die Autoren jedoch auch selbst ein: „(…) Although this paper provides already some useful insights much (empirical) work remains to be done toward defining supplier […] variables that influence as ante-
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Klaus-Peter Wiedmann und Lars Pankalla
cedent conditions the interactive value creation process of customer solutions” (Schmitz/Modlich, 2008, S. 16). Ähnliches gilt für die vorgestellten Konzeptionalisierungen von Reichwald/Piller (2009) und Veßhoff/Freiling (2009). Auch hier können passende Statements angeführt werden. So konzedieren Veßhoff/Freiling (2009, S. 151): „(…) Weiterer Forschungsbedarf besteht jedoch insbesondere hinsichtlich der konzeptionellen Weiterentwicklung des Konstruktes „Kundenintegrationskompetenz““ und Reichwald/Piller (2009, S. 91) räumen ein: „(…) Deshalb sollen die Ausführungen […] vor allem als Anregungen gesehen werden, welche Aspekte zum Aufbau [...] beachtet werden müssen.“ Wie bereits erwähnt, ist der ausdrücklich auf die Überprüfung relevanter Kausalitätsbeziehungen angelegte Zugang von Danzinger (2010) positiv zu bewerten. Allerdings erfolgt die Bestimmung der zentralen Untersuchungsparameter nicht immer eindeutig. So entwirft er sein Modell zwar vor dem Hintergrund eines ressourcenbasierten Theorieverständnisses, vergisst es dann aber zusehends, die Erfolgsgrößen aus diesem Theorieverständnis heraus zu entwickeln und zu überprüfen – u.a. theoretische und definitorische Unschärfen sind zu beobachtende Konsequenzen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass trotz der hohen Aktualität und Relevanz des Themas Kundenintegrationskompetenz im Innovationskontext die bisherige Forschung noch durch konzeptionelle Heterogenität, inhaltliche Unvollständigkeit sowie messtheoretische Mängel geprägt ist. Die Ausarbeitung der unterschiedlichen Elemente der Kundenintegrationskompetenz und deren konzeptionelle Zusammensetzung zu einem empirisch überprüfbaren Konstrukt stellen also nach wie vor wichtige Forschungsaufgaben dar. Ein erster Beitrag zum Abstecken der hierbei relevanten Forschungsfelder im Kontext eines integrierten Bezugsrahmens soll nun im nachfolgenden Abschnitt zu leisten versucht werden. 3
Vorschläge zur weiteren Konzeptualisierung für das Konstrukt herstellerseitiger Kundenintegrationskompetenz im Innovationskontext
Rekurrierend auf die bislang vorliegenden Forschungsarbeiten zur Kundenintegrationskompetenz sowie darüber hinaus Bezug nehmend auf weitere, relevante Arbeiten aus dem Bereich der allgemeinen Kundenintegrationsforschung, die durch ihre inhaltliche Originalität und thematische Nähe auch Ansatzpunkte liefern können, lässt sich ein weiterführender Bezugsrahmen formulieren (vgl. ausführlicher dazu Wiedmann/Pankalla 2010). Unser Bezugsrahmen akzentuiert vier Kerndimensionen der innovationsorientierten Kundenintegrationskompetenz sowie zwölf diesen zuordenbare Einflussfaktoren und soll nachfolgend knapp skizziert werden. Managementkompetenz als Kerndimension Insbesondere die ressourcenorientierten Ansätze der Unternehmensführung heben die spezifischen Fähigkeiten und das besondere „Können“ des Managements einer Unternehmung als relevante Ressource hervor. Nicht zuletzt deshalb interpretieren u.a. Barney (1991, S. 99 ff.) oder Castanias/Helfat (2001, S. 661 ff.) diese „Entscheidergruppe“ und ihr Wissen
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auch als „Schlüsselfaktor“, um wichtige Wettbewerbspotenziale zu erkennen, zu nutzen und schließlich auch vorteilsstiftend weiterzuentwickeln (vgl. auch Kruse, 2009, S. 91). Im vorliegenden Zusammenhang tauchen vor allem drei Erfolgsfaktoren für die Teildimension Managementkompetenz auf: Top Management Support: Beteiligen sich die strategischen „Unternehmenslenker“ aktiv an den Gemeinschaftsprojekten mit den Kundenunternehmen und alimentieren überdies die speziellen Verbundvorhaben durch die Zuteilung gesonderter Ressourcenposten und/oder das Bereitstellen von extra Kapazitäten, erscheint ein Gelingen der Kundenintegration wahrscheinlicher (vgl. u.a. Bronder, 1993, S. 190 ff.; Littler et al., 1998, S. 139 ff.; Ritter/Gemünden, 2003, S. 745 ff.). Mitarbeiter-Anreizsystem: U.a. rekurrierend auf Reichwald/Piller (2009, S. 81 ff.) und Schmitz/Modlich (2008) kann die Implementierung eines „Belohnungsprogramms“ für Mitarbeiter, die erfolgreich an Integrationsprojekten teilgenommen haben, die Bereitschaft zur Akzeptanz extern generierter Ideen unternehmensweit steigern. Integrationsgrad: Matz (2007, S. 100 ff.) und Schumacher (2010, S. 67 ff.) wiederum zeigen, dass die Intensität und die „Tiefe“ der betriebenen Kundenintegration sich in signifikanter Weise auf den Erfolg eines Projektes auswirkt. Unternehmenskompetenz als Kerndimension Neben der Managementkompetenz bzw. der Kompetenz des Managements kommt freilich der Frage ein wichtiger Stellenwert zu, über welche Kompetenz das Unternehmen insgesamt im Sinne der Flankierung einer Kundenintegration verfügt. U.a. nach Turner/Crawford (1994, S. 241 ff.) sind hierbei vor allem unternehmenskulturelle Aspekte zu beleuchten: Innovationsorientierung und Risikotoleranz: Wenngleich erfolgreich auf „den Markt“ eingeführte Innovationen sich positiv auf den Unternehmenserfolg der Herstellerfirmen auswirken können, ist doch wegen der meist nur geringen Erfahrungswerte zum Entwicklungshergang der originäre Entstehungsprozess der „Neuerungen“ im Allgemeinen mit phasenübergreifenden Risiken behaftet bzw. ist das Scheitern vieler Innovationen nicht ungewöhnlich. In Anbetracht dessen ist eine hohe Toleranz gegenüber Fehlschlägen herstellerseitig zu verfolgen, auch und gerade deshalb, um die wünschenswerte Innovationsorientierung der Belegschaft nicht durch eine zu harte Sanktionierung im Vorfeld zu gefährden. So kann prognostiziert werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer potenziellen „Bestrafung“ bei Innovationsmisslingen unternehmerisch denkendes Handeln und Innovativität organisationsintern unterdrücken wird. Dieser Erklärungslogik folgend belegen empirische Erhebungen, dass die grundlegende Wertehaltung des Unternehmens die Einstellungsmerkmale Innovationsorientierung und Risikotoleranz als Erfolgstreiber inhärent aufweisen sollte (vgl. z. B. Vahs/Trautwein, 2000, S. 20 ff.). Offene Innovationskultur: Vor dem Hintergrund kundenintegrierender Handlungen zeigen u.a. Danzinger (2010, S. 193 ff.), Fischer (2006, S. 213 ff.) oder Hagenhoff (2008, S. 74 ff.), dass eine Erweiterung des unternehmenskulturellen „Sinnhorizont“ um Elemente, die eine Öffnung und Hinwendung zu aus der Unternehmensumwelt stammender Innovations-
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Klaus-Peter Wiedmann und Lars Pankalla
ideen inhärent berücksichtigt, die Erfolgsaussichten von Kundenintegrationsprojekten im Zusammenhang der Innovationsentwicklung positiv stützen kann. Delegative Führung: Diese Erfolgsgröße korreliert inhaltlich eng mit dem Konstrukt Vertrauen bzw. konkreter gesprochen mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Führung und Mitarbeiter. Bezogen auf den Untersuchungskontext der Kundenintegration zeigen Arbeiten (z. B. Bronder, 1993, S. 190-219; Campbell/Cooper, 1999, S. 507 ff.; Jassawalla/Sashittal, 1999, S. 237 ff.; Karle-Komes, 1997, S. 279 ff.), dass ein delegativ-dezentraler Führungsstil, bei dem Mitarbeiter Handlungskompetenz seitens der Unternehmensführung übertragen bekommen, in diesem Sinne vertrauensfördernd sein mag und damit einen weiteren potenziellen Erfolgsfaktor der Kundenintegrationskompetenz repräsentieren kann. Interne Strukturkompetenz als Kerndimension Im Vergleich zu (rein) unternehmensinternen Innovationsprozessen weist der kundenintegrierende Ablauf von Neuproduktentwicklungen u.a. aufgrund der erhöhten Stakeholderanzahl ein weitaus komplexeres und in seinem Gebilde schwieriger zu managendes Beziehungsgeflecht auf (vgl. Enkel et al., 2005, S. 203 ff.). Auch deshalb kann der Erfolg der Integrationsprojekte maßgeblich davon bestimmt werden, inwiefern sich das Herstellerunternehmen in seinem Binnengefüge auf die beteiligten Kundenunternehmen sowie die zu bewältigende Kooperationsaufgabe einstellen und anpassen kann. Vor diesem Hintergrund sind es wiederum drei Erfolgsgrößen, die als wichtig einzustufen sind: Interne Koordination: Z. B. kann die Einführung einer Integrationsstelle dazu dienen, voneinander abhängende Maßnahmen unternehmensintern zu steuern und das Verhalten von Individuen oder einzelnen Gruppen/Abteilungen im Unternehmen auf das übergeordnete Anliegen der Zusammenarbeit mit dem Kunden auszurichten (vgl. u.a. Karle-Komes, 1997, S. 60 ff.; Ritter/Gemünden, 2003, S. 745 ff.). Bereichsübergreifende Kommunikation: Die Installation sog. „Promotoren“- Konzepte (vgl. z. B. Schneider, 2002, S. 370) könnte ein etwaiger Ansatzpunkt sein, um das Spannungsfeld zwischen den herstellerintern beteiligten Unternehmensabteilungen zu lösen. Generell ist auf einen „offenen“ und bewusst „gewollten“ Dialog abzuzielen (vgl. z. B. Gassmann et al., 2006, S. 46 ff.; Gruner/Homburg, 2000, S. 171 ff.). Ein häufig in diesem Zusammenhang angeführtes Negativ-Beispiel sind die auftretenden Schwierigkeiten der Kommunikation bzw. Inhaltsvermittlung zwischen Marketingabteilung und FuE-Bereich und daraus resultierender Störgrößen für das gesamte Kooperationsprojekt (vgl. vertiefend Karle-Komes, 1997, S. 43 ff.). Absorptionsfähigkeit: Konkret geht es dabei um die Fähigkeit: „(…) externes Wissen wahrzunehmen und zu verstehen, dieses wahrgenommene externe Wissen zu assimilieren, und es anzuwenden“ (Gerlach, 2008, S. 9). Die Dimension der Absorptionsfähigkeit zielt also im Kern darauf ab, wie über die Grenzen der Herstellerunternehmung hinweg Wissen erschlossen und betriebseigene Lernvorgänge angestoßen werden können (vgl. Cohen/Levinthal, 1990, S. 128).
Anforderungen an die Kundenintegrationskompetenz
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Interaktionsprozesskompetenz als Kerndimension Die konkrete interorganisationale Verbindung des Kunden- mit dem Herstellerunternehmen stellt ein, wenn nicht „das“ zentrale Gestaltungsfeld kundenintegrierender Aktivitäten in der Innovationsentwicklung dar. Um in diesem Zusammenhang prozessuale Friktionen und ergebnisreduzierende Kannibalisierungseffekte zu vermeiden, ist in Anlehnung an Iansiti/Clark (1994, S. 557 ff.) und Ritter/Walter (2003, S. 482 ff.) eine Harmonisierung der (bisweilen) divergierenden Ablauf- und Entwicklungsmechanismen zwischen den beteiligten Akteursgruppen anzustreben. Ähnlich ist auch Jacob (2003, S. 7 f. sowie 2006, S. 48 ff.) zu interpretieren, wenn er die herstellerbezogene Expertise, externe mit internen Produktionsfaktoren zu synchronisieren, als notwendige Gestaltungskompetenz von Kundenintegrationsprojekten klassifiziert. Im Gegensatz zur internen Strukturkompetenz umfasst die Fähigkeits-„Schattierung“ der Interaktionsprozesskompetenz damit inhaltlich die Qualitäten des Herstellers, die insbesondere extern stattfindenden Austausch- und Prozessaktivitäten mit dem Verbundpartner systematisch abzustimmen und „passend“ machen zu können. Die grundlegende Voraussetzung einer derartigen Kongruenz bildet die sorgfältige Partnerselektion. So verstanden, unterstreicht die betrachtete Forschung zur Beschreibung der existierenden Diskriminanz zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Kundenintegrationsprojekten die Wichtigkeit sowohl struktureller als auch sozial-organisationaler Kooperationspartner-„Fits“. D.h., eine unternehmenskulturelle Ähnlichkeit sowie die Vereinbarkeit der verschiedenen Zielvorstellungen seitens Hersteller- und Kundenunternehmen kann eine gewisse „Verhaltensvorhersehbarkeit“ erzeugen, wodurch auf beiden Unternehmensseiten Unsicherheiten reduziert und Vertrauen aufgebaut werden kann. Unter Berücksichtigung vorhandener wissenschaftlicher Arbeiten können aus Herstellersicht dieser konzeptionellen Dimension insbesondere die Erfolgskomponenten des Strategie-Fits (u.a. Danzinger, 2010, S. 193 ff.; Karle-Komes, 1997, S. 60 ff.; Müller, 2005, S. 160 ff.), des Kultur-Fits (u.a. Hillig, 1997, S. 181 ff.; Wecht, 2005, S. 131) sowie des interorganisationalen Vertrauens (u.a. Kupke, 2009, S. 239 ff.; Ritter/Walter, 2003, S. 482 ff.) zugeordnet werden. Kontextfaktoren und Wirkungsgrößen als weitere Dimensionen Parallel zur Identifikation zentraler Gestaltungsdimensionen einer Kundenintegrationskompetenz sollten künftig verstärkt auch relevante Moderatoren bzw. Kontextfaktoren sowie vor allem auch Wirkungsgrößen in die Modellbildung einbezogen werden. Von entscheidender Bedeutung sind im Feld der Wirkungsgrößen freilich die verschiedenen Dimensionen des jeweils angestrebten Innovationserfolges. In der Literatur wird der Innovationserfolg etwa über zwei Komponenten abzubilden versucht – eine technisch-prozessbezogene sowie eine marktorientierte Komponente (vgl. Danzinger, 2010, S. 193 ff.; Gruner/Homburg, 2000, S. 117 ff.; Karle-Komes, 1997, S. 120; Koufteros et al., 2010, S. 49 ff.). Vor diesem Hintergrund in differenziertere Kausalanalysen einzusteigen macht u.a. deshalb Sinn, weil die einzelnen Dimensionen der Kundenintegrationskompetenz jeweils unterschiedlich stark auf die beiden Erfolgsgrößen wirken. In der Praxis muss also jeweils ein möglichst konkretes Zielsystem formuliert werden, um den Auf- und Ausbau der einschlägigen Kompetenzen in die richtige Richtung zu treiben. Verschiedene Facetten eines technisch-prozessbezogenen Innovationserfolges (z. B. Geschwindigkeit, mit der Neuproduktideen generiert, in Innovationen umgesetzt und dann vermarktet werden) mögen zwar
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Klaus-Peter Wiedmann und Lars Pankalla
bspw. straffere Organisations- und Kommunikationsformen als besonders zweckdienlich erscheinen lassen. Aus dem Blickwinkel der Generierung spezifischer Markterfolge (Kundenzufriedenheit und -bindung) kann es dann aber durchaus zu Negativwirkungen kommen, die so im Lichte einer engen Innovationsprozessorientierung u.U. gar nicht in Betracht gezogen werden würden. Allerdings ist die bisherige Forschung noch weit davon entfernt, tatsächlich zur Abbildung ausreichend differenzierter Zielsysteme vorgestoßen zu sein, um möglicherweise konfligierende Anforderungen an die Entwicklung der unterschiedlichen Facetten einer ganzheitlichen Kundenintegrationskompetenz erkennen zu können. Bislang wird mit Bezug auf die Thematisierung unterschiedlicher Dimensionen des aus Kundenintegrationsprojekten resultierenden Innovationserfolges vorrangig der erzielte Umsatz des Neuproduktes erhoben, ohne aber die veränderte Effizienz und Effektivität des Innovationsprozesses mit in die Dimensionierung der abhängigen Variablen einzubeziehen. In manchen Fällen wird die Zielgröße Innovationserfolg gar nur über ein Single-Item bestimmt (u.a. Biegel, 1987) oder durch oberflächliches in Beziehung setzen technischer und wirtschaftlicher Zielerreichungskriterien ermittelt (u. a. Shaw, 1985). Von zentraler Bedeutung ist weiterhin die explizite Einbeziehung spezifischer situativer Bedingungen, die etwa einen entscheidenden Einfluss auf die Relevanz, Ausprägungsform und -stärke der verschiedenen Kompetenzdimensionen sowie deren Wirkungen auf den Innovationserfolg haben. Im Zusammenhang mit der Diskussion von Ansätzen einer Kundenintegration im B-to-B-Sektor werden bislang z. B. vor allem die Unternehmensgröße und die Branchendynamik als moderierende Variablen hervorgehoben (vgl. u.a. Gruner/Homburg, 2000, S. 171 ff.). So nahe liegend die Bedeutung dieser Faktoren auch sein mag, so wenig reicht deren alleinige Berücksichtigung aus, um auch nur annähernd eine Übersicht über die wichtigsten moderierenden Einflüsse zu bekommen. Überdies greift die konkrete Ausarbeitung und Operationalisierung dieser beiden Situationsfaktoren in aller Regel viel zu kurz. Um welche Art von Branchendynamik geht es etwa: ständig neue Produktinnovationen infolge eines galoppierenden technologischen Wandels, immer neue Kundenerwartungen infolge eines sehr dynamischen gesellschaftlichen Wandels, zunehmende Massivität und Massiertheit der Drucks in Richtung Kostensenkungen im Zeichen hoher internationaler Wettbewerbsdynamik? Je nachdem, welche Art von Branchendynamik gegeben ist, werden andere Facetten einer Kundenintegrationskompetenz an Bedeutung gewinnen bzw. unterschiedliche starke Beiträge zum Innovationserfolg leisten. Ein tieferes Einsteigen in die Abbildung relevanter situativer Bedingungen bzw. spezifischer Moderatoren gewinnt nicht zuletzt auch im Blick auf die Modellierung unterschiedlicher Innovationsarten (Produkt-, Prozess-, Sozial- oder Systeminnovationen bzw. inkrementale vs. disruptive Innovationen) sowie der dabei jeweils zu beachtenden Innovationsprozesse und -strukturen an Bedeutung. Gerade bzgl. der beiden letztgenannten Aspekte wird interessant zu erfahren sein, ob und ggf. inwiefern sich die Relevanz der identifizierten Gestaltungsfelder entlang der verschiedenen Stadien des Innovationsprozesses ändert. Deshalb ist mitunter zu fragen: Braucht es anfänglich eher eine feste (interne) Koordination, um zu reüssieren oder sollte nicht viel mehr die Ausgestaltung unternehmenskultureller Gesichtspunkte wie bspw. Erhöhung der Risikotoleranz oder das Vorleben einer offenen Innovationskultur im Vordergrund stehen? Ähnliches gilt für den eigentlichen Prozess der Kundenintegration (vertiefend hierzu Wiedmann/Pankalla, 2009). Auch hier sollten Fragen erlaubt sein wie: Sind in der Phase
Anforderungen an die Kundenintegrationskompetenz
79
der Partnersuche die gleichen Unternehmensqualitäten (herstellerseitig) zu adressieren wie im Falle der wirklichen Durchführung der Kundenintegration oder wird nicht eher phasenspezifisch zu analysieren sein, welche Kompetenzdimensionen in welcher Stärke und in welcher Richtung konkret anzusprechen sind? Abbildung 3 gibt noch einmal einen Überblick über die im Rahmen einer Modellierung des Phänomens der Kundenintegrationskompetenz von uns als wichtig betrachteten Größen.
Ideengenerierung
Ideenakzeptierung
Ideenrealisierung
Innovationsprozess
Management Support
Interne Koordination
Anreizsystem
Kommunikation
Integrationsgrad
Absorptionsfähigkeit
Unternehmensgröße Markterfolg
Managementkompetenz
Interne Strukturkompetenz
Unternehmenskompetenz
Interaktionsprozesskompetenz
Kundenintegrationskompetenz
Innovationserfolg
Technologieerfolg
Branchendynamik
offene Innovationskultur
Strategie-Fit
Dezentralisierung
Kultur-Fit
Innovationsorientierung
Interorg. Vertrauen
Integrationsprozess Entscheidung zur Kundenintegration
Partnersuche/Organisation
Durchführung Kundenintegration
Abb. 3: Bezugsrahmen der innovationsorientierten Kundenintegrationskompetenz
4
Résumé und Ausblick: Basisannahmen und weiterer Forschungsbedarf
Kundenintegration kann eine wirkungsvolle Strategie zur Erhöhung des Innovationserfolgs darstellen. Allerdings gehen mit dem Versuch, externe Potenziale zu erschließen, auch gewisse Risiken einher. Dies insbesondere dann, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht geschaffen werden. Vor diesem Hintergrund akzentuiert der vorliegende Beitrag die Notwendigkeit, dass in Gestalt des Phänomens der Kundenintegrationskompetenz
80
Klaus-Peter Wiedmann und Lars Pankalla
Herstellerunternehmen intern ein spezifisches, organisationales Kompetenzbündel aufbauen müssen, welches die (größtenteils) invarianten und vordefinierten Abläufe herstellerzentrierter Innovationsaktivitäten ergänzt bzw. mitunter substituiert und damit ein zielorientiertes Management der spezifischen Eigenschaften und relevanten Prozesse der Kundenintegration bewirkt. Auf der Grundlage einer kritischen Reflektion bislang vorliegender Erkenntnisse sowie daran anknüpfender weiterführender Überlegungen konnten wir vor allem vier theoretische Grunddimensionen sowie zwölf diesen zugehörigen Gestaltungsfaktoren identifizieren, die konzeptionell betrachtet eine Kundenintegrationskompetenz im Innovationskontext bewirken. Das Erzielen nachhaltiger Erfolgswirkungen ist maßgebliches Ziel bei der Etablierung und dem Aufbau von Organisationsfähigkeiten wie der einer Kundenintegrationskompetenz. Unter diesem Eindruck und die bei den anderen Konzepten von uns vorgebrachte Kritik selbst wieder aufgreifend, muss nach einer Prüfung der Existenz und Dimensionalität der konzeptualisierten Kundenintegrationskompetenz das nächste Anliegen der Kundenintegrationsforschung vor allem darin liegen, kausal-konfirmatorische Wirkungsbeziehungen dieses Konstruktes mit dem (herstellerbezogenen) Innovationserfolg zu untersuchen. Erst wenn sich hier ein kausaler Zusammenhang zwischen der „Wenn“-Komponente Kundenintegrationskompetenz und der „Dann“-Komponente Innovationserfolg durch Methoden der „ersten und zweiten Generation“ statistisch nachweisen lässt, erscheint es unternehmenspolitisch gegeben, sich dem Aufbau einer derartigen Kompetenz zu widmen. Besondere Anforderungen an die Verarbeitung komplexer Kausalbeziehungen ergeben sich nicht zuletzt auch dadurch, dass eben nicht nur einfache Wenn-Dann-Beziehungen vorliegen, sondern diese durch unterschiedliche situative Bedingungen moderiert werden. Eine erste Übersicht der wichtigsten Basisannahmen, wie sie sich aus den in diesem Beitrag präsentierten Überlegungen im Blick auf das Phänomen der Kundenintegrationskompetenz, deren Bedingungen und Wirkungen ergeben, haben wir in Abbildung 4 noch einmal zusammengestellt.
Anforderungen an die Kundenintegrationskompetenz
Nr. BA1
81
Theoretisch angenommene Bedeutung für die innovationsorientierte Kundenintegrationskompetenz Je ausgeprägter die Einflussgröße Management Support ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA2
Je ausgeprägter die Einflussgröße Mitarbeiter-Anreizsystem ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA3
Je ausgeprägter die Einflussgröße interne Steuerung ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA4
Je ausgeprägter die Einflussgröße bereichsübergreifende Kommunikation ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA5
Je ausgeprägter die Einflussgröße offene Innovationskultur ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA6
Je ausgeprägter die Einflussgröße Dezentralisierung ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA7
Je ausgeprägter die Einflussgröße Strategie-Fit ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA8
Je ausgeprägter die Einflussgröße Kultur-Fit ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA9
Je ausgeprägter die Einflussgröße organisationales Vertrauen ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA10
Je ausgeprägter der Integrationsgrad der Kundenintegration ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA11
Je ausgeprägter die Einflussgröße Absorptionsfähigkeit ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA12
Je ausgeprägter die Einflussgröße Innovationsorientierung ist, desto ausgeprägter ist die herstellerbezogene Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren.
BA13
Die Unternehmensgröße wirkt im Zusammenhang mit der Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren, als moderierender Effekt.
BA14
Die Branchendynamik wirkt im Zusammenhang mit der Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren, als moderierender Effekt.
BA15
Die Fähigkeit, Kundenunternehmen in die herstellereigenen Innovationsprozesse zu integrieren, wirkt sich signifikant positiv auf den Innovationserfolg aus.
Abb. 4: Basisannahmen für eine empirisch-quantitative Überprüfung
Integratives Management am Beispiel des Zentralprojektes TKV fit der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG Frank-Peter Oppenborn
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Ausgewählte integrative Herausforderungen der Medienindustrie
Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise, die vorrangig in den Jahren 2008 und 2009 die Weltwirtschaft stark belastete, zeigte der Medienindustrie deutlicher denn je auf, dass ihre Entwicklung direkt abhängig von der Gesamtkonjunktur ist. Einbrechende Werbemärkte führten in den meisten Mediengattungen zu einem starken Rückgang von Umsatz und Gewinn. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e. V. ermittelte für 2008 einen Rückgang um 2,1 Prozent bei den Netto-Einnahmen erfassbarer Werbeträger in Deutschland; 2009 betrug der Rückgang 9,8 Prozent (vgl. ZAW, 2010). Die Umsatzstabilisierung und neues Wachstum vor dem Hintergrund einer sich erholenden Gesamtwirtschaft ist nachfolgend das übergreifende Ziel der Medienindustrie. Hierbei muss sie zusätzlich passende Mittel finden, um ihre Marktaktivitäten an die Folgen der weitreichenden Digitalisierung und Vernetzung anzupassen. Online-Medien haben nicht nur stark an Bedeutung gewonnen, sie sind zum festen Bestandteil des Alltags und Medienkonsums geworden. Oft war in diesem Zusammenhang die Rede vom größten Umbruch seit Gutenberg. Medienwirtschaftliche Prognosen gingen und gehen von weitreichender Marktverschiebung aus. So zum Beispiel auch die Deutsche Bank Research: „Innovative Technologien verändern das Geschäft der Medienwirtschaft. Der technische Fortschritt reformiert das klassische Medienmodell, bei dem die Information ausschließlich von der professionellen Medienredaktion hin zum passiven Medienkonsument fließt.“ (Heng, 2006, S. 1). Die zunehmende wechselseitige Wirkung zwischen Medienanbieter und Konsument führt zu einem neuen Verständnis im Umgang mit Medien. Das macht ihre Vermarktung zunehmend schwieriger. Digitale Inhalte lassen sich über das Internet sehr individuell anbieten und konsumieren, Zielgruppen werden kleiner und spezieller. Dadurch lässt sich Werbung gezielt und mit geringem Streuverlust platzieren, erreicht aber keine Massenwirkung. Werbeeinnahmen sind im Online-Bereich der zentrale Umsatzbringer für Medienunternehmen. Einnahmen aus dem Vertrieb entgeltpflichtiger digitaler Inhalte machen einen weitaus geringeren Anteil aus, da Anbieter über viele Jahre Inhalte kostenlos bereitgestellt haben und Nutzer dies nun zu großen Teilen als selbstverständlich erachten. Es wird nicht leicht zu vermitteln sein, dass qualitative Inhalte wie bei gedruckten Publikationen einen Wert darstellen, für den ein Anbieter Geld verlangen darf und muss. Die Digitalisierung von Inhalten macht die angebotene Informationsdienstleistung zu einem virtuellen Gut – der Kunde hat nichts Greifbares in der Hand, das den Gegenwert unterstreicht. Den Wert ihrer angebotenen Leistungen zu verdeutlichen, ist für Medienunternehmen speziell der Verlagsbranche eine noch zu bewältigende Herausforderung. Gleichzeitig gilt es, Mittel zu finden,
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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um die illegale Verbreitung von digitalen Inhalten einzudämmen. Hierbei können sich Verlage an den Erfahrungen von Anbietern aus der Musik- und Filmbranche orientieren. Bei der Vermarktung von Online-Werbung betreten Verlage ein für sie relativ neues Umfeld. Sie stoßen hier auf Mitbewerber, die durch Spezialisierung in diesem Bereich bereits einen Vorsprung auf technischer Seite und hinsichtlich bereits gewonnener Marktanteile besitzen. Insbesondere Google ist als die Suchmaschine mit einem Marktanteil von 94,83 Prozent in Deutschland im ersten Quartal 2010 (vgl. Internet Business World, 2010) zu einem direkten Konkurrenten für Anbieter von Verzeichnismedien geworden. Generell besteht beim Nebeneinander von klassischen Verlagen und den neu hinzugekommenen Anbietern von neuen Medien noch viel Konfliktpotential. Dies äußert sich unter anderem im Bestreben der Verlage, ein Leistungsschutzrecht für ihre Inhalte gesetzlich verankern zu lassen. In welchem Ausmaße sich dies durchsetzen lassen wird und ob es ein adäquates Mittel gegen den Umbruch der Medienindustrie ist, bleibt zumindest aus heutiger Sicht für längere Zeit ungewiss. Es liegt daher an den Verlagen, passende Strategien für einen Wandel ihres Geschäftsmodells und eine daraufhin positive Weiterentwicklung zu finden. 2
Steuerungsrelevante Zukunftsaufgaben für ein mittelständisches Medienhaus am Beispiel der Schlüterschen Verlagsgesellschaft
2.1 Das Unternehmen Schlütersche Die Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG ist ein mittelständisches Unternehmen der Medienbranche mit Sitz in Hannover. Die Schlütersche konzentriert ihre Aktivitäten auf drei Geschäftsfelder: 1. Im Geschäftsfeld Telekommunikations-Verzeichnisse verlegt sie in jahrzehntelanger Zusammenarbeit mit der DeTeMedien GmbH Verzeichnismedien. Dazu gehören in erster Linie etablierte Markenprodukte wie Gelbe Seiten und DasTelefonbuch sowie die Online-Dienste www.gelbeseiten.de und www.dastelefonbuch.de. 2. Das Geschäftsfeld Fachinformationen publiziert Fachzeitschriften, Fachbücher und Online-Medien unter anderem zu Wirtschaft, Technologie, KFZ, Messen, Veterinärmedizin, Pflege und Gesundheit. Hochwertige Bücher mit regionalem Bezug zu ebenfalls Pflege und Veterinärmedizin sowie Freizeit- und Kulturthemen ergänzen das Verlagsprogramm. 3. Das Geschäftsfeld Informationstechnik fungiert als Dienstleister für die Schlütersche und für externe Kunden. Die IT kümmert sich um Konzeption, Programmierung und begleitende Services. Sie nutzt hierfür sowohl Eigenentwicklungen als auch etablierte Standardsoftware. Insgesamt erzielte die Schlütersche Verlagsgesellschaft im Geschäftsjahr 2009 einen Umsatz von 73.997.000 Euro. Sie beschäftigt aktuell 440 Mitarbeiter (Stand: 31. Juli 2010). Die Schlütersche Unternehmensfamilie unterhält Beteiligungen an den Standorten Hannover, Langenhagen, Oldenburg, Magdeburg, Leipzig, Mainz, Karlsruhe und Augsburg. Die verbundenen Unternehmen bilden zusammen die Schlütersche Unternehmensfamilie, die regional und bundesweit tätig ist. Im Rahmen dieses Beitrags hervorzuheben sind die
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Schlüterschen Marketing Services Gesellschaften, die als Verkaufsorganisationen für die Telekommunikations-Verzeichnisse der Unternehmensfamilie agieren. Mit Gründung dieser Gesellschaften in den Jahren 2001 (Hannover), 2002 (Magdeburg) und 2003 (Karlsruhe) setzte die Schlütersche als erster Verzeichnismedien-Verlag auf einen Vertrieb mit fest angestellten Verkäufern. Zuvor waren freie Handelsvertreter für den Verkauf zuständig gewesen. Der Wechsel zu einem unternehmenseigenen Außendienst und Telefonverkauf war ein wichtiger Schritt, um der steigenden Beratungsintensität des Werbemediums Telekommunikations-Verzeichnisse gerecht zu werden. Diese Strategie wird im weiteren Verlauf genauer erläutert. 2.2 Steuerungsrelevante Faktoren Das Verzeichnismedien-Geschäft der Schlüterschen wird beeinflusst von einer Reihe exogener und endogener Faktoren. Diese fließen in die Managementstrategie des Unternehmens ein, um für das operative Geschäft vorausschauend zu planen. Werbekunden: Die Werbekunden für die Telekommunikations-Verzeichnisse der Schlüterschen sind in erster Linie kleine und mittelständische Unternehmen, die in den Print- und Online-Verzeichnissen ihren Leistungsumfang und ihre Kontaktdaten präsentieren. Diese Unternehmen haben in der Regel ein regional begrenztes Einzugsgebiet und wollen Kunden im näheren Umkreis erreichen. Da prinzipiell jede Branche in den Verzeichnissen vertreten ist beziehungsweise aufgenommen werden kann, ist die Zielgruppe der Inserenten sehr heterogen. Mit vielen bestehenden Anzeigenkunden pflegt die Schlütersche bereits langjährige Geschäftsbeziehungen. Neu gegründete Unternehmen werden von Außendienst oder Telefonverkauf über Werbemöglichkeiten in den Verzeichnissen beraten. Insgesamt hat der Beratungsbedarf mit wachsender Komplexität der Insertionsmöglichkeiten speziell in den neuen Medien sehr stark zugenommen. Da die Anzeigenkunden der Schlüterschen einen Querschnitt durch die deutsche Gesamtwirtschaft bilden, wirkt sich die konjunkturelle Entwicklung direkt auf Werbebudgets und Investitionsbereitschaft der Inserenten aus. Die Schlütersche registrierte in den Krisenjahren 2008 und 2009 daher einen deutlichen Umsatzrückgang im Geschäftsfeld TelekommunikationsVerzeichnisse. Verzeichnismedien-Nutzer: Die Zielgruppen für die Telekommunikations-Verzeichnisse der Schlüterschen sind in keiner Weise eingeschränkt. Prinzipiell sollen Print- und OnlineVerzeichnisse in jedem Haushalt vorhanden beziehungsweise nutzbar sein. Das Nutzungsverhalten der Verbraucher wird regelmäßig per Marktforschung erhoben, um das Produktportfolio der Nachfrage entsprechend auszurichten. So führt der Verband deutscher Auskunfts- und Verzeichnismedien (vdav) jährlich eine repräsentative Befragung zur Nutzung von Verzeichnismedien in Deutschland durch. Diese ergab für 2009 eine Nutzungsquote von 93 Prozent insgesamt; die Printnutzung lag bei 79 Prozent, die der OnlineVerzeichnisse bei 38 Prozent (vgl. vdav, 2010). Online- und Mobilanwendungen haben in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung hinzugewonnen. Technologie: Die technologische Entwicklung in der Medienindustrie wird ständig beobachtet, um Vorteile und Verbesserungen für das unternehmenseigene Produktportfolio zu nutzen. Neue Medienformate, Endgeräte und Vertriebskanäle müssen spätestens dann un-
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terstützt werden, wenn sie massenmarkttauglich sind und bei Anzeigenkunden und Verzeichnisnutzern eine ausreichend hohe Verbreitung erreicht haben. Mitarbeiter: Ein hoher fachlicher Qualifizierungsgrad der Mitarbeiter gehört bei der Schlüterschen mit entsprechenden Personalentwicklungskonzepten zur Personalstrategie. Die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung richtet sich inhaltlich nach den Anforderungen der einzelnen Geschäftsfelder und den individuellen Aufgabenbereichen. Prozesse: Die Schlütersche analysiert fortlaufend ihre Prozesse, um sie im Bedarfsfall zu optimieren. Besonders im Rahmen von Veränderungsprojekten wie TKV fit, welches das Geschäftsfeld Telekommunikations-Verzeichnisse grundlegend restrukturierte und in Abschnitt 3 detailliert erläutert wird, kommt es zu größeren Veränderungen und Anpassungen der Prozessketten. Effektive Prozesse sind ein wichtiger Bestandteil für das Kostenmanagement der Unternehmensfamilie. 2.3 Steuerungssysteme der Schlüterschen in integrativer Perspektive Die wesentlichen Steuerungssysteme der Schlüterschen bilden einen ganzheitlichen Ansatz von explizit formulierten handlungsleitenden Unternehmensgrundsätzen, geschäftsfeldübergreifenden und -spezifischen strategischen Zielformulierungen und einem Umsetzungsinstrument für deren Operationalisierung und Feinsteuerung. Die grundlegende Orientierung der Schlüterschen Unternehmensfamilie ist in ihrem Unternehmensleitbild festgelegt. In ihm werden in zehn Themenbereichen geschäftsfeld- und standortübergreifend das Selbstverständnis, die Zielausrichtungen und Verhaltensgrundsätze der Gesamtorganisation beschrieben. Das Leitbild bietet damit eine wichtige Orientierungshilfe für Management und Mitarbeiter.
Basics
Innenbeziehung Tradition und Selbstverständnis
Außenbeziehung Unternehmenszweck
Gesellschaft Umwelt
Organisation Kunden UnternehmensLeitbild Prozesse Produkte
Mitarbeiter
Führung
Abb. 1: Perspektiven des Unternehmensleitbildes
Partner
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Ausgehend von unternehmerischen Grundsatzentscheidungen wurde das Leitbild im Jahr 2002 zunächst als Prototyp entwickelt und in einem fast anderthalbjährigen Prozess im Gegenstromverfahren mit allen Führungsebenen und Mitarbeitern zu seiner endgültigen Fassung weiterentwickelt. Eine 2008 im Rahmen einer Diplomarbeit in der Schlüterschen durchgeführte Mitarbeiterbefragung zur Vitalität von Unternehmensleitbildern ergab eine nach wie vor hohe Präsenz und Akzeptanz der inhaltlichen Aussagen und bestätigte erneut deren praktische Bedeutung. Im Jahr 2010 wurde das Leitbild überarbeitet und in Details an die veränderten Marktbedingungen angepasst. Die Inhalte werden kontinuierlich kommuniziert und stehen allen Mitarbeitern sowohl als gedruckte Ausgabe als auch elektronisch im Mitarbeiterportal des Intranets zur Verfügung. Eine inhaltliche Verdichtung des Leitbilds zu zehn Kernaussagen wird darüber hinaus unter dem zusammenfassenden Slogan „Partnerschaft, Leistung, Erfolg“ auch nach außen kommuniziert. Diese Kernaussagen sind über die Homepage der Schlüterschen einzusehen (www.schluetersche.de/service/sms/unternehmen/leitbild) und vermitteln Kunden, Geschäftspartnern und anderen Stakeholdern einen Einblick in die Funktionsweise und das Selbstverständnis der Unternehmensfamilie. Aus der Gesamtheit der Aussagen ergibt sich eine Unternehmensphilosophie, die auf solide und langfristige Geschäftsaktivitäten ausgelegt ist. Auf der Grundlage des Leitbilds werden in der Unternehmensstrategie geschäftsfeldübergreifende und -spezifische strategische Ziele für einen Zeitraum von fünf Jahren formuliert. Den Ausgangspunkt für die Entwicklung aller formulierten Ziele bildet der einleitende Satz der Unternehmensstrategie: „Priorität für das gesamte unternehmerische Handeln haben die nachhaltige Sicherung und der weitere Ausbau der Ertragskraft der Schlüterschen unter angemessener Berücksichtigung der Gesellschafterinteressen.“ Er macht – wie auch im Leitbild formuliert – deutlich, dass wirtschaftlicher Erfolg die unabdingbare Voraussetzung für die Zukunftssicherung des Unternehmens und damit die Interessenswahrung aller Beteiligten darstellt. Neben weiteren geschäftsfeldübergreifenden strategischen Zielsetzungen umfasst die Unternehmensstrategie die grundsätzlichen und spezifischen Ziele der einzelnen Geschäftsfelder. Dabei finden neben marktbezogenen Aspekten auch erfolgsrelevante Faktoren wie Mitarbeiterqualifikation und Prozessoptimierungen Berücksichtigung. Eine grundsätzliche Fortschreibung beziehungsweise Aktualisierung der Unternehmensstrategie findet im Intervall von fünf Jahren statt. Ausgangspunkt hierfür bildet jeweils eine umfassende Analyse aller für den jeweiligen Markt relevanten Trends, politischen, gesellschaftlichen und technologischen Einflussfaktoren sowie die Entwicklung von Szenarien für deren mögliche künftige Entwicklung. Die von Geschäftsführung und Geschäftsfeldverantwortlichen auf dieser Basis definierten Ziele werden abschließend zwischen der Geschäftsführung und dem Unternehmensbeirat abgestimmt und verabschiedet. Zur Umsetzung der formulierten strategischen Ziele setzt die Schlütersche das Management-Instrument Balanced Scorecard (BSC) ein. Es dient der Operationalisierung der strategischen Ziele, der Festlegung der zur Zielerreichung zu ergreifenden Maßnahmen und dem kontinuierlichen Monitoring der jeweiligen Zielerreichung.
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Das Konzept der BSC umfasst dabei neben den klassischen Kennzahlen des Finanzbereichs auch die sogenannten „weichen“ Faktoren in den Perspektiven Kunden, Produkte und Potenziale. Deren gegenseitige Beeinflussung und Abhängigkeiten werden in einer Strategielandkarte dargestellt. Die BSC ermöglicht es, das Gesamtunternehmen und die einzelnen Geschäftsfelder mit Hilfe relevanter Kennzahlen strategisch, flexibel und effektiv zu führen. Sie gibt dem Management und den Mitarbeitern einen ständigen Überblick über die verfolgten Ziele des Unternehmens und den jeweils zu erbringenden Leistungsbeitrag des Einzelnen zur Zielerreichung. Zum Monitoring des jeweiligen Fortschritts erfolgt ein quartalsweises Reporting aller Zielerreichungsgrade und deren Zusammenfassung in einem grafischen Cockpit. Mit der Einführung des Balanced-Scorecard-Systems im Jahr 2006 wurde eine grundlegende Änderung des Planungsansatzes vollzogen. Abgehend von der bis dahin praktizierten Fortschreibung von Vergangenheitswerten mit gegebenem Mitteleinsatz, erfolgt seither zunächst die Festlegung von Planungszielen und erst danach die Ableitung der zu ihrer Realisierung zu ergreifenden Maßnahmen und bereitzustellenden Ressourcen. Im Rahmen des jährlichen Planungsprozesses finden zunächst eine Überprüfung der strategischen Zielsetzungen mit der Identifikation möglicher Änderungsbedarfe und eine entsprechende Aktualisierung der BSC-Ziele und deren Messgrößen statt. Die Planung der Zielwerte erfolgt rollierend für einen Zeitraum von drei Jahren. Für das jeweils bevorstehende Jahr erfolgt eine operative Detailplanung für Umsatz, Kosten, Investitionen und Personalbedarf. Selbstverständnis
Unternehmenszweck
LEITBILD
Organisation Prozesse
Gesamtunternehmen
Mitarbeiter
Gesellschaft Umwelt
Partner
Führung
Kunden Produkte
STRATEGIE Geschäftsfelder
Finanzen
Prozesse
BSC Potenziale
Abb. 2: Das Steuerungssystem der Schlüterschen Unternehmensfamilie
Kunden
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Die definierten Ziele, Messgrößen und Maßnahmen bleiben im Regelfall ein Jahr konstant. Bei Abweichungen zwischen Ist- und Zielwerten ergreifen die verantwortlichen Mitarbeiter weitere Maßnahmen, um die Ziele dennoch zu erreichen. Die Abweichungen sind im Reporting jeweils zu erläutern. Sollten aufgrund außergewöhnlicher Umstände Korrekturen von Zielwerten unvermeidbar sein, werden diese zwischen Geschäftsführung, Unternehmensplanung/-strategie und Geschäftsfeldverantwortlichen abgestimmt und von der Geschäftsführung genehmigt. Die hier vorgestellten Steuerungssysteme bilden die strategische Grundlage auch für die Planung und Umsetzung des Projektes TKV fit, das im folgenden Abschnitt beschrieben wird. 3
Das integrative Management im Geschäftsfeld TelekommunikationsVerzeichnisse am Beispiel des Zentralprojektes „TKV fit“
3.1 Projektziel und Umsetzung Das Projekt „TKV fit für Kunden und Nutzer der Zukunft“, kurz TKV fit, wurde im Jahr 2008 gestartet, um das Geschäftsfeld Telekommunikations-Verzeichnisse (TKV) in der gesamten Schlüterschen Unternehmensfamilie konkurrenzfähig für die sich verändernden Marktbedingungen zu machen. Ein klar definierter Bestandteil für den Projekterfolg war, mehr Mitarbeiter in die Verantwortung für Themen, Projekte und Prozesse zu bringen. Die Integration der Mitarbeiter und ihres Wissens war von Projektbeginn an grundlegend für das Gelingen von TKV fit. Die Stärken des Geschäftsfeldes bildeten das Fundament. Gelbe Seiten, DasTelefonbuch und Das Örtliche sind bekannte Marken mit hohem Qualitätsanspruch für Dateninhalte, Nutzerfreundlichkeit und Distribution. Die Unternehmensfamilie verfügt über Vermarktungskompetenz, etablierte Kundenkontakte und erfahrene Mitarbeiter. Gleichzeitig waren einige Schwächen erkennbar, die mit Hilfe des Projektes beseitigt werden sollten. Das Denken im Verlag und im Verkauf war vielfach noch auf die Print-Produkte fokussiert, bei Abläufen und Strukturen gab es in vielerlei Hinsicht Verbesserungsbedarf. Da der Verzeichnismarkt sich deutlich in Richtung Internet bewegt, dient der Umbruch durch TKV fit dazu, sich an die neuen Marktgegebenheiten anzupassen. Neben Geschäftsführung, Führungskräften und Mitarbeitern aus allen Bereichen der Telekommunikations-Verzeichnisse wurde die Unternehmensberatung elbwerk, Hamburg, in die Umsetzung eingebunden. Vom Juni 2008 bis September 2009 erfolgten die Bestandsaufnahme, Analyse und Konzeptionsphase des Projektes. Bereits in diesem Zeitraum wurden die Mitarbeiter kontinuierlich über den Projektverlauf informiert, um Kommunikation und Integration zu fördern. Besonders deutlich sollte dabei werden: Alle Prozesse sind zukünftig konsequent auf die Kunden ausgerichtet. Jeder Mitarbeiter trägt Verantwortung für den Kunden und für die Qualität des Produktes. Die im Oktober 2009 begonnene Umsetzungsphase hat die Zielsetzung, dass die gesamte Organisation des Geschäftsfelds Telekommunikations-Verzeichnisse bis zum Ende des Monats März 2011 auf die neue Prozessorganisation umgestellt ist. Standortübergreifende Projektteams, die thematisch aus Mitarbeitern des Geschäftsfeldes TKV zusammengesetzt
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werden, erarbeiten unter Leitung der jeweiligen Prozessverantwortlichen einzelne Umsetzungsthemen und -inhalte. Die Abläufe im Geschäftsfeld Telekommunikations-Verzeichnisse richten sich in Folge des Projekts primär nach der Prozessordnung. Das heißt, dass Prozesse organisatorisch über Abteilungen und Unternehmen hinweg greifen und so die einzelnen Standorte der Unternehmensfamilie integriert gesteuert werden. Das Geschäftsfeld ist unterteilt in vier Prozessstränge: 1. 2. 3. 4.
Marketing Verkauf Kundenservices Verlagsservices
1.-4. Leitungsebene standortübergreifend
Leiter Marketing
Verlagsgeschäftsführungen
Leiter Verkauf
Mafo
Leiter Kundenservices
TQM/ Prozesse/ Schnittstellen
Leiter Vertriebs-controlling
Leiter PMO
Leiter Verlagsservices
Datenmanagement (Basisdaten)
VKL TVK Leiter PMP/ Service-Redaktion
TVK-Team
Verkaufsteam Nord
Leiter Service-Team Nord
TVK-Team
Verkaufsteam Mitte
Leiter Service-Team Mitte
TVK-Team
Verkaufsteam Mitte-Süd
Leiter Service-Team Mitte-Süd
TVK-Team
Verkaufsteam West
Leiter Service-Team West
TVK-Team
Verkaufsteam Ost
Leiter Service-Team Ost
TVK-Team
Verkaufsteam Baden I
Leiter Service-Team Baden I
TVK-Team
Verkaufsteam Baden II
Leiter Service-Team Baden II
Leiter Werbung
Leiter Auftrags -recherche
Customer Call Center
Team Agenturen und überregionale Kunden
Leiter Datenmgt . (Basisdaten) Nord
Leiter Datenmgt . (Basisdaten) Süd
Leiter Buchproduktionsdienste
Leiter Planung, Einkauf, Distribution
Stand: 1. April 2010
Abb. 3: TKV-Organisation
Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb dieser Stränge und untereinander sind klar definiert. Der Bereich Marketing ist verantwortlich für die systematische Markt- und Wettbewerbsbeobachtung, einen durchgängigen Innovationsprozess, nutzerrelevante Inhalte, Recherchekonzepte und die Koordination aller werblichen Maßnahmen. Die Verlagsservices kümmern sich um das Datenmanagement der Basisdaten, die Buchproduktionsdienste sowie Planung, Einkauf und Distribution. Die Aufgaben der Prozessstränge Verkauf und
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Kundenservices sowie deren neu organisierte Zusammenarbeit werden im folgenden Abschnitt beschrieben. 3.2 Verzahnung von Außen- und Innendienst Eine Zielsetzung von TKV fit ist, Kunden und Potenzialkunden ganzheitlich aus TKVPerspektive zu betrachten und nicht mehr nur pro Verzeichnismedien-Buchausgabe und Standort. Die Bearbeitung der Kunden und Potenzialkunden soll sich stärker am Umsatzund Gewinnpotenzial der verschiedenen Zielgruppen und Produkte ausrichten. Dafür bietet die Schlütersche ihren Kunden eine ganzheitliche Betreuung. Der Prozessstrang Verkauf ist dafür verantwortlich, die Werbemärkte auszuschöpfen. Neben der Abteilung Vertriebscontrolling gehören sieben Verkaufsteams sowie der Telefonverkauf und das Team „Agenturen und überregionale Kunden“ zu diesem Bereich. Jedes Verkaufsteam trägt die Verantwortung für ein fest zugeteiltes Verkaufsgebiet. Die Kunden bekommen so jeweils einen festen Medienberater, der sie langfristig individuell berät und betreut. Der Bereich Kundenservices sorgt für die Abwicklung, den Kundendienst und für Betreuung auch außerhalb der Verkaufszeit. Der Bereich unterstützt den Verkauf, übernimmt Verantwortung für die Inhalte, arbeitet standortübergreifend nach einheitlichen Abläufen und bildet die Schnittstelle zur IT. Analog zu den sieben Verkaufsteams im Außendienst gibt es im Bereich Kundenservices sieben Service-Teams. Die Mitarbeiter des Service-Teams bearbeiten einen Auftrag ab Auftragseingang, über die Gestaltung der Anzeigen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Werbeeintrag veröffentlichungsfähig, das heißt vom Kunden freigegeben ist. Jeder Kunde hat zukünftig innerhalb der Service-Teams einen festen Ansprechpartner, der ihm bei Fragen, Änderungswünschen oder auch Reklamationen helfend und beratend zur Seite steht. Darüber hinaus sind die Service-Team-Mitarbeiter Ansprechpartner für den Verkauf und unterstützen diesen zum Beispiel bei der Vorbereitung der Verkaufsgespräche. Austausch und Zusammenarbeit zwischen Verkaufsteams im Außendienst beziehungsweise dem Telefonverkauf und den internen Service-Teams werden durch die Verzahnung innerhalb der Prozessorganisation optimiert. Die Zuständigkeitsgebiete der Verkäufer und Service-Teams sind regional zugeordnet, so dass die Mitarbeiter stets für ein festes Gebiet arbeiten. Die langfristige Geschäftsbeziehung, der gemeinsame Kunde und dessen Bedürfnisse rücken dadurch stärker in den Fokus. Vor der Umsetzung dieser Veränderungsmaßnahmen zeigte sich immer wieder, dass zwischen Verkauf und Innendienst durch unterschiedliche Arbeitsansätze Konfliktpotential herrschte, das die Geschäftsabläufe unnötig erschwerte. Das Projekt TKV fit hat die Mitarbeiter der Prozessstränge bewusst näher zusammengeführt, beispielsweise mit gemeinsamen Informationsveranstaltungen und der Möglichkeit zum direkten Austausch. Die reibungslose Zusammenarbeit ist unerlässlich für einwandfreie Produktqualität und Kundenbetreuung. 3.3 Integration von Print und Online Die Schlütersche ist auf einen digitalen Workflow ausgerichtet, inklusive einer weitestgehenden Automatisierung der Prozesse. In diesem Zusammenhang ist die integrierte Abwicklung von Print- und Online-Produkten über einheitliche Systeme eine Notwendigkeit sowohl aus organisatorischen Gesichtspunkten als auch aus Kostensicht. Im Kundengespräch
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haben Medienberater die Vorgabe, sowohl Print- als auch Online-Einträge anzubieten. Die Verzeichnisse Gelbe Seiten, Das Telefonbuch und Das Örtliche sind seit Jahren parallel als gedruckte Bücher und Online-Dienste am Markt vertreten. Die Kombination beider Medien in einer übergreifenden Werbestrategie ergibt ein Gesamtangebot, das die Schlütersche ihren Kunden vorstellt. Das Präsentieren der Werbeeinträge im Verkaufsgespräch ist komplett in die von der Schlüterschen entwickelte Verkaufssoftware implementiert. Mit „MobileSales“ im Außendienst beziehungsweise „Call Center“ im Telefonverkauf stehen den Verkäufern Systeme zur Verfügung, die den kompletten Anzeigenverkauf für Print- und Online-Einträge in Telekommunikations-Verzeichnissen abbilden und abwickeln. Anzeigen können damit direkt im Buchumfeld oder im Kontext der Internet-Ausgabeseiten dargestellt werden. Ein abgeschlossener Auftrag wird digital gespeichert und weiterverarbeitet. Die Integration der Print- und Online-Produkte sowie der unterschiedlichen Verzeichnismarken soll im Rahmen von TKV fit noch dahingehend weiterentwickelt werden, dass alle Teilaufträge kundenspezifisch abgebildet werden können. Dies soll die Abwicklung speziell für den Kunden erleichtern, der dann nur noch einen einzelnen Gesamtauftrag für alle seine Werbeaktivitäten mit der Schlüterschen abschließt. Die Integration von Print und Online ist ein Thema, dass auch unternehmensintern noch vorangetrieben werden muss. Die Schlütersche hat im Projektverlauf von TKV fit sehr umfassende Schulungsmaßnahmen für Mitarbeiter aller Bereiche durchgeführt. Diese Schulungen haben das technische und prozessbezogene Wissen deutlich verbessert. Als Beispiel sei die Online-Schulungsoffensive für den Verkauf genannt, die Medienberatern intensiv die Online-Produkte und das dafür notwendige Hintergrundwissen vermittelt hat. In diesem Bereich waren zuvor Lücken und eine daraus resultierende Zurückhaltung beim Anbieten der Online-Produkte aufgefallen. Diese Diskrepanz war nicht erfolgversprechend, da die medienübergreifende Integration eine Gleichbehandlung der Werbeträger erfordert. Für die fortlaufende Parallelvermarktung der Medienkanäle Print und Online beobachtet die Schlütersche die Nachfrage bei Anzeigenkunden und Verzeichnismediennutzern. Die Produkte können so den Nutzungsgewohnheiten entsprechend angepasst werden. Die strategische Planung sieht auch für die absehbare Zukunft eine integrierte Abwicklung von Print und Online vor.
3.4 Die TKV-fit-Steuerungsgrößen aus der Balanced Scorecard Die Übertragung der Veränderungen aus TKV fit in die Steuerungsgrößen der Balanced Scorecard ist ein Prozess, der bis zum Abschluss der Umsetzungsphase im März 2011 anhält. Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch nicht alle notwendigen Größen festgelegt. Prinzipiell orientiert sich die Schlütersche an den Standardperspektiven der Balanced Scorecard: 1.
Finanzperspektive
2.
Kundenperspektive
3.
Interne bzw. Prozessperspektive
4.
Mitarbeiter-, Potenzial- bzw. Erneuerungs- und Wachstumsperspektive
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Da das Projekt in erster Linie auf die Kunden der Schlüterschen ausgerichtet ist, soll an dieser Stelle die Kundenperspektive veranschaulicht werden. Zu den strategischen Zielen für die Kundenperspektive gehören unter anderem folgende Faktoren: 1. Kundenbindung steigern 2.
Neue Kunden gewinnen
3.
Auftragswert pro Kunde steigern
4.
Angebote exakt auf Kunden zuschneiden
Für diese Kategorien gilt es passende Kennzahlen zu entwickeln. So ist für die Kundenbindung etwa eine hohe Kundenzufriedenheit wichtig. Diese ist allerdings schwierig zu messen und in konkrete Kennzahlen umzusetzen. Genauer sind hier Zahlen zur Wiederabschlussquote (in Prozent) oder der Anteil an Kunden, die bereits seit fünf Jahren oder länger mit dem Unternehmen zusammenarbeiten. Für die Anzahl an Neukunden und den durchschnittlichen Auftragswert lassen sich klare Messgrößen und Zielvorgaben festlegen, die stets abrufbar sind, um bei Abweichung regulierend einzugreifen. Messgrößen für die Ausrichtung der Produkte am Kundenwunsch sind wiederum etwas vielschichtiger. Hier wird beispielsweise die Umsatzentwicklung im Vergleich zu Konkurrenzprodukten betrachtet. Die Steuerungsgrößen werden prozessgebunden über alle TKV-Bereiche der Unternehmensfamilie hinweg definiert. Angedacht sind hier einzelne Balanced Scorecards für individuelle Prozesse. Dabei stehen auch die Prozesse selber mit kostenfokussierten Messzahlen im Blickpunkt. Die für TKV fit erarbeiteten Steuerungsgrößen und Messzahlen werden wie in allen BSC-Anwendungsbereichen der Unternehmensfamilie kontinuierlich geprüft und angepasst werden. 4
Zukunftsaufgaben eines integrativen Medienmanagements
Die Marktverschiebung zu digitalen Inhalten wird weiterhin die Medienbranche fordern. Hier herrscht das größte Wachstumspotential, das Verlage erschließen müssen, um Rückgänge im Print-Bereich auszugleichen. Insgesamt hat die Medienindustrie noch keine Strategien entwickelt, um die hochfrequentierten Web-2.0-Anwendungen und Social-MediaPlattformen umsatzbringend zu nutzen. Werbung lässt sich hier nur schwer platzieren, da sie von der Nutzergemeinschaft in der Regel nicht akzeptiert wird. Erfolgreicher verläuft die Vermarktung von Inhalten für mobile Endgeräte. Smartphones etablieren sich zunehmend als Plattform zur Mediennutzung. Hier gibt es noch ein großes Marktpotential für Medienanbieter, die mit eigenen, speziell entwickelten Anwendungen beziehungsweise „Apps“ Kanäle für fortlaufenden Content-Vertrieb schaffen können. Auch digitale Lesegeräte haben einen technischen Standard und ein Preisniveau erreicht, das sie als Plattform zum Medienkonsum massenmarkttauglich macht. Die Schlütersche verfolgt diese Entwicklungen, um neue Geschäftsmodelle zu schaffen. Mit einer geeigneten Gesamtstrategie ist es ohne weiteres möglich, Online-Angebote parallel zum bestehenden Geschäft mit Print-Publikationen zu betreiben. Das bestehende Geschäft sollte dabei möglichst nicht kannibalisiert werden. Neue Kanäle bieten neue Vermarktungsmöglichkeiten, sowohl hinsichtlich der Werbekunden als auch der Nutzer bezie-
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hungsweise Leser. Mit einer integrativen Management-Strategie wird die Schlütersche medienübergreifend in ihren Märkten aktiv sein. Eine geplante Maßnahme hierfür ist, die unterschiedlichen Geschäftsfelder der Unternehmensfamilie enger zusammenzuführen. Die Telekommunikations-Verzeichnisse und Fachinformationen der Schlüterschen werden beide von verstärkten Kooperationen unter einer verbindenden Strategie profitieren. Darüber hinaus eröffnen Informationsdienstleistungen etwa durch Kongressveranstaltungen zusätzliches Umsatzpotential. Ein produkt- und kundenorientiertes Innovationsmanagement wird dabei die notwendigen Impulse liefern, um einen entscheidenden Mehrwert gegenüber Mitbewerbern zu bieten. Ein modernes Medienunternehmen muss für alles offen sein – gute, marktfähige Ideen haben in dieser Branche immer Konjunktur.
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Organisation: Strukturgebung ganzheitlich handelnder Systeme
Unternehmungspolitischer "Erker" in n r P pie zi Entwicklung en m e pl Im tion Managementprozesse ta d- e Entwurf t n ru ep G nz Änderung/Wandel ko Grundkonzepte Führung (i.e.S.) t- ick- ng e n i E w lu g Organisation te - - n ra t e l S o n p i t -) Im me ta nd Kontrolle - ru n p n (G Ko ze tio lt Planung we m U g un m h e rn te n U ng lu ei t n Ab er e ng eu e ch u t i r e S pp er n/ zie ru e b n G a ns es m in io uu sw /F ng n kt g n u id n f o n i o f v i t i u t u a d F n h tz uk sti In ch sc sa od ve Be In Re Pr Ab
Personal
E b e n e n
Target Organizing – Eine kostenorientierte Umkehr klassischer Organisationsprinzipien dargestellt am Beispiel der Reorganisation einer ITUnternehmung Holger Schiele und Stefan Aichbauer
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Verknüpfung von Budget- und Organisationsplanung als Ausdruck eines ganzheitlichen Organisationsverständnisses
Geht man von dem – im deutschen Sprachraum vorherrschenden – instrumentalen Organisationsbegriff aus, so wird Organisation dabei „auf die Gestaltung integrativ wirkender Regelungen bezogen, die arbeitsteilige Prozesse zusammenführen um (primär ökonomische) Zwecke bestmöglichst zu erreichen.“ (Steinle, 2005, S. 449 f.) Das Adjektiv „bestmöglichst“ lässt sich weiter differenzieren, nämlich nach Effektivität und Effizienz (vgl. Drucker, 1967): die richtigen Dinge tun (effektiv, d. h. durch den Organisationsvorgang sicher stellen, dass die betrachtete Unternehmung ihren im Unternehmungsauftrag definierten Geschäftsauftrag erreicht) und die Dinge richtig tun (effizient, d. h. die Aufgabenerfüllung unter minimierendem Mitteleinsatz zu erreichen). Die klassische Organisationslehre stellt dabei zumindest implizit die Effektivität in den Vordergrund. Zunächst werden Aufgaben definiert, diese sodann gebündelt und zu Stellen, Abteilungen und schließlich Gesamtunternehmungen zusammengefasst. Ein Vorteil dieses Musters ist es, dass sicher gestellt wird, dass die dergestalt organisierte Unternehmung ihren Geschäftsauftrag ausführen kann. Ob sie dabei einen Gewinn erzielt, also auch effizient arbeitet, ergibt sich nicht unbedingt aus der Methode, da eine Kostenorientierung üblicherweise nicht berücksichtigt wird. Die lineare Addierung von als notwendig erachteten Aktivitäten kann zu einer Struktur führen, die marktunfähige Kosten verursacht. Dem klassischen Organisationsansatz fehlt somit eine zwingende Effizienzorientierung. Der vorliegende Aufsatz hingegen greift die mangelnde Effizienzorientierung klassischer Organisationsprinzipien auf und stellt einen möglichen Ansatzpunkt zu ihrer Überwindung vor: Target Organizing. Beim Target Organizing wird – ähnlich wie beim Namensgeber Target Costing – das klassische Vorgehen umgekehrt. Zunächst wird aus der Umsatzplanung eine Budgetplanung abgeleitet. Diese dient dann als Grundlage der Aufbauorganisationskonzipierung. Aufgaben werden erst zuletzt beschrieben; genau dann, wenn bekannt ist, wie viel Mittel dafür zur Verfügung stehen. Der konzeptionell-gedankliche Ausgangspunkt des Target Organizing ist ein ganzheitliches Managementverständnis. Im Gegensatz zum reduktionistischen Verständnis, welches durch eine analytisch-zergliedernde Vorgehensweise gekennzeichnet ist, geht ein holistisches Modell davon aus, dass das Ganze auf seine Teile zurückwirkt und diese gerade nicht isoliert betrachtet werden können. Im Hinblick auf die Aufgabe des Organisierens bedeutet Ganzheitlichkeit, dass sie auch nicht in Isolation anderer Managementaufgaben, z. B. der
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Planung und Kontrolle, gesehen werden kann. Steinle führt in seinem Buch „Ganzheitliches Management“ im hier betrachteten Kontext aus: „Dabei kommt der Organisationsplanung im Sinne eines ganzheitlichen Vorgehens eine hohe Bedeutung zu, da sich in diesem konzeptionell geprägten Bereich die Schnittstellen zur Unternehmungsplanung zeigen, die auszuschöpfen sind. Organisationsgestalter müssen hier an der Konkretisierung der strategischen Planung bzw. an substantiellen Budgetgrößen ansetzen um die Planung entsprechender Strukturen darauf abzustimmen. So wäre es hier denkbar den Budgetplanungsprozess mit der Planung von Aufbau- und Prozessstrukturen zu verknüpfen und in mehreren Iterationsschritten, beispielsweise entsprechend von Umsatz- oder Kostengrößen, eine Dimensionierung von Stellenzahlen bzw. die Abteilungs/Bereichskonfiguration herbeizuführen. Diese ganzheitliche Gestaltung ist allerdings bis heute konzeptionell noch wenig durchdacht“ (Steinle, 2005, S. 469). Neben der konzeptionellen Herleitung aus dem Anspruch der Ganzheitlichkeit wirkte auf das Verfassen dieser Zeilen auch der Bericht über ein Reorganisationsprojekt, welches sich um die Verknüpfung der Budget- und Organisationsplanung bemühte. Die angedachte weitere Durchdenkung dieser ganzheitlichen Gestaltung unterblieb damals jedoch aufgrund von Zeit- und Ressourcenbeschränkungen. Sie soll nun an dieser Stelle – skizzenhaft – nachgeholt werden. Bei dem angesprochenen Reorganisationsprojekt handelt es sich um die Neugestaltung der outgesourcten ehemaligen IT-Abteilung einer deutschen Bank. Diese wurde zunächst als eigenständige Unternehmung geführt, dann jedoch von einer internationalen IT-Firma übernommen. Aus diesem Grund wurden für die gleiche Unternehmung in unmittelbarer Abfolge zwei Organisationsplanungen von unterschiedlichen Managementteams durchgeführt. Die Verfasser kamen gegen Ende der ersten Organisationsplanung als Berater in diese Unternehmung und wurden nach deren Übernahme von der neuen Konzernmutter beauftragt, die zweite Organisationsplanung ebenfalls zu begleiten. Dadurch entstand eine quasiexperimentelle Situation, in der es möglich war, bei praktisch gleicher Ausgangslage ein anderes Organisationsprinzip zu testen und die Ergebnisse mit dem ersten Reorganisationsvorschlag zu vergleichen. Das erste Projekt wurde nach klassischem Lehrbuchprinzip in einer bottom-up Planung von der Aufgabendefinition bis zur Abteilungsbildung durchgeführt. Das zweite Projekt in der selben Unternehmung hingegen folgte den Prinzipien des Target Organizing und ging somit von zu erreichenden Zielkosten aus. Im zweiten Projekt konnten gut 20% der Kosten gegenüber der ersten Planung eingespart werden. Obschon dieser Wert in seinem zeitlichen und räumlichen Kontext zu sehen ist und nicht als Benchmark ohne weiteres übertragbar sein dürfte, rechtfertigt das wesentlich effektivere Ergebnis des Target Organizing Ansatzes doch eine nähere Beschäftigung mit diesem Modell. Der vorliegende Beitrag geht dabei wie folgt vor: Zunächst werden die klassischen Organisationsmodelle kurz dargestellt und erörtert. Anschließend können die beiden Reorganisationsprojekte beschrieben und verglichen werden, so dass schließlich Schlussfolgerungen für zukünftige Organisationsgestaltungsmodelle ausgeführt werden können.
Target Organizing
2
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Gestaltung der Aufbauorganisation
2.1 Von Aktivitäten zu Abteilungen: Klassische Organisationsprinzipien Die Chronologie klassischer Organisationsvorschläge wird von Vahs auf den Punkt gebracht, indem er schreibt: „Die Aufgabenanalyse ist die Vorbedingung des Organisierens.“ (Vahs, 2005, S. 48) Ähnlich explizit formulieren es Kieser und Walgenbach: „Als Ausgangsproblem jeder organisatorischen Strukturierung wird das Phänomen der Arbeitsteilung oder Spezialisierung angesehen.“ (Kieser/Walgenbach, 2003, S. 77; im Original kursiv). Im traditionellen Organisationsansatz werden aus den Grundaufgaben der Unternehmung, also dem Sachziel oder der Betriebsaufgabe, praktikable Teilaufgaben bzw. Elementaraufgaben abgeleitet. Man spricht von der Aufgabenanalyse (vgl. Abbildung 1). Aufgaben, also nachhaltig definierte Tätigkeiten, die zum Erreichen eines bestimmten sachlichinhaltlichen Ziels dienen, gelten als Ausgangspunkt der Überlegungen, sie sind praktisch als Organisationsatome zu sehen (vgl. Kieser/Walgenbach, 2003). Elementaraufgaben
Teilaufgaben
Aufgabenkomplexe Stellen
Geplante Ziele Grundaufgaben
Aufgabenanalyse
Aufgabensynthese
Aufgabenverteilung
Abb. 1: Aufgabenbildung in der traditionellen Organisationstheorie Quelle: Steinle, 2005, S. 461
Nachdem die Aufgaben in der niedrigsten Aggregationsebene beschrieben sind, werden sie im Rahmen der Aufgabensynthese wieder verdichtet und schließlich in Stellen konkretisiert, die Personen zugeordnet werden können. Diese Stellen werden anschließend in Gruppen, Abteilungen, Hauptabteilungen usw. zusammengefasst, die schließlich in der Gesamtunternehmungsstruktur münden. Breite Aufmerksamkeit widmen organisationstheoretische Lehrbücher ferner der Entscheidung zwischen funktionalen, divisionalen oder matrixartigen Organisationskonfigurationen, wobei neuerdings projektbezogene Organisationskonfigurationen vermehrt Aufmerksamkeit erlangen (vgl. Kloppenborg, 2009).
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Holger Schiele und Stefan Aichbauer
Mit leichten Variationen findet sich das skizzierte Aufgabenanalyse und -synthese Modell als typischer Grundbestandteil deutschsprachiger Organisationslehrbücher. Im Gegensatz zum angelsächsischen Kanon unterscheiden deutsche Autoren seit den grundlegenden Arbeiten von Nordsieck (vgl. Nordsieck, 1934) ferner zwischen Aufbauorganisation (der oben beschriebenen Strukturgebung) und Ablauforganisation (der Prozessbeschreibung; siehe besonders ausgeprägt beispielsweise Vahs, 2005). Macharzina ergänzt noch eine dritte Organisationsfrage, diejenige nach informellen Entscheidungen (vgl. Macharzina, 2003). Was die Aufbauorganisation betrifft, so findet sich hingegen eine große Übereinstimmung auch mit den Werken angelsächsischer Autoren, z. B. dem bereits in zehnter Auflage erschienen Standardwerk von Daft (2007). Auch Jones, ein weiteres amerikanisches Standardbuch, bzw. in deutscher Übersetzung Jones/Bouncken, führen eine ähnliches Modell ein, unter besonderer Betonung des diffizilen Balanceakts zwischen Differenzierung und Integration (vgl. Jones/Bouncken, 2008). Es sei angemerkt, dass sich ebenfalls in anderen Sprachräumen, so wie dem luso-brasilianischen, die gleichen grundlegenden Organisationsprinzipien wiederfinden (vgl. Ferreira et al., 1996; Teixeira, 1998). Leicht abweichend ist hingegen das in Singapur in englischer Sprache erschienene Buch von Weirich/Koontz, die den Versuch eines ganzheitlich orientierten Managementansatzes verfolgen. Im Gegensatz zu vielen anderen Werken, die einen Gesamtüberblick vermissen lassen, stellen die genannten Autoren ihr Buch als durchgängigen und durch Rückkopplungsschleifen gekennzeichneten Gestaltungsprozess vor. Darin folgt in direkter Verknüpfung zur Planung die Organisationsaufgabe, welche schließlich mit Führungs- und Controllingaktivitäten verbunden wird (vgl. Weihrich/Koontz, 2005). Allerdings fehlt auch hier die von Steinle im Eingangszitat bereits beklagte konzeptionelle und operationalisierte Ausarbeitung der Schnittstelle zwischen (Budget-) Planung und Organisationsgestaltung, so dass es letztlich bei einer vom Organisierenden selber noch konkret mit Inhalt zu füllenden Forderung bleibt. 2.2 Praktikabilität als Vorteil, fehlende Kostenkontrolle als Nachteil klassischen Organisationsvorgehens Anerkennend bleibt festzuhalten, dass mit einem Organisationsgestaltungsvorgehen, das die Aufgabenanalyse und -synthese als Ausgangspunkt nimmt, wesensgemäß ein Modell definieren wird, welches die Erfüllung der Grundaufgaben einer Unternehmung unterstützt. Als problematisch kann jedoch der nicht explizit berücksichtigte Kostenaspekt bei einem klassischen Organisationsmodell angesehen werden. So führt Vahs, der hier exemplarisch genannt werden soll, detailliert aus, wie eine Aufgabe zu bestimmen ist (vgl. Vahs, 2005): nach Verrichtung (was ist zu tun?), nach Objekt (woran ist etwas zu tun?), nach Aufgabenträger (wer muss etwas tun?), nach Zeit (wann ist es zu tun?), nach Raum (wo ist es zu tun?) und nach Sachmittel (womit ist es zu tun?). Unter Sachmittel werden Hilfsmittel bei der Aufgabenerfüllung verstanden, wie z. B. Computer oder Drehmaschinen. Die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Finanzmittel werden hingegen nicht erwähnt. Der Kostenaspekt findet sich bei den genannten Werken in wenig prominenter Stellung bzw. gar nicht als explizites Teil der Ablauforganisationsbestimmung wieder. Ohne eine
Target Organizing
101
ausdrückliche Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln zur Aufgabenerfüllung bleibt die Organisationsgestaltung jedoch bis zu einem gewissen Grade theoretisch. Es ist nicht sicher gestellt, dass die abgeleitete Struktur auch praktisch umgesetzt werden kann. Möglicherweise fehlen der Unternehmung die notwendigen Umsatzerlöse, um die aus Aufgabensicht ideal geplante Aufbaustruktur umzusetzen. Die nicht automatische Kostenorientierung klassischer Organisationsmodelle stellt ein Problem dar, welches nach einer konzeptionellen Lösung verlangt. Die explizite Ableitung von zur Verfügung stehenden Finanzmitteln noch vor der Aufgabendifferenzierung stellt einen solchen möglichen Lösungsansatz dar, wie der angefügte Fall illustrieren soll. 3
Fallstudie: Zweimalige Neuausrichtung des gleichen Unternehmens
3.1 Wiederholter Eigentümerwechsel bei der outgesourcten IT-Abteilung einer Bank Seit den 1990er Jahren gewann die Vorstellung an Anziehungskraft, dass IT-Abteilungen outgesourct werden müssen, d. h. dass das Eigentum und Entscheidungsrechte an der eigenen Informationstechnologieinfrastruktur von der nutzenden Unternehmung an eine Drittfirma übertragen werden (vgl. Barthélemy/Geyer, 2005). Ziel des Outsourcings war überwiegend Kostenersparnis, aber auch eine Konzentration auf die Kernkompetenzen sowie die Hoffnung auf eine Leistungsverbesserung (vgl. Schwarze/Müller, 2005). Hinzu kommt eine zunehmende „Normalisierung“ der Informationstechnologie (vgl. Schiele, 2004). Wenn nutzerindividuelle Lösungen vermehrt durch Branchenstandards abgelöst werden, können diese dann auch für mehrere Kunden gleichzeitig von dem selben Dienstleister betreut werden. In diesem Kontext ist die Entscheidung der hier betrachteten Bank zu sehen, ihre IT-Abteilung outzusourcen. Im Zuge der Auslagerung wurde der größere Teil der IT-Aktivitäten ausgegliedert, nämlich solche, die in Deutschland angesiedelt waren. Die in England beheimateten IT-Abteilungen verblieben bei der Bank, um einem Wissensverlust zu begegnen und um dauerhaft eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber IT-Dienstleistern zu haben. Hochwertige Entwicklungsaufgaben wurden nach England übertragen, die einfacheren Wartungs- und Pflegeaufgaben verblieben in Deutschland beim outgesourcten Dienstleister. Als erster Schritt wurde die ehemalige IT-Abteilung als eigenständige, am Markt agierende Gesellschaft ausgegründet und Vermögenswerte sowie Wartungsaufträge übertragen. Ziel war es, zunächst Unternehmensstrukturen zu schaffen und vertragliche Regelungen zwischen Kunde und seinem neuen Lieferanten zu finden. Weiter sollte die Neugründung Aufträge von Drittkunden am Markt akquirieren. Die neue Unternehmung musste solche Funktionen neu aufbauen, die beim Altunternehmen verblieben, wie beispielsweise die Personalabteilung und die Einkaufsabteilung. Nach etwa einem Jahr erfolgte ein Strategiewechsel. Der Bank war es gelungen, die outgesourcte Unternehmung an einen großen IT-Dienstleister zu verkaufen. Dieser übernahm die vorgefundenen Strukturen sowie die grundsätzlichen Reorganisationsideen, die bereits zuvor erarbeitet worden waren, setzte jedoch teilweise bis zur Abteilungsebene hinab ein neues Management ein. Diese Führungskräfte rekrutierten sich zum Teil aus dem übernehmenden IT-Dienstleister, wie auch aus Potenzialträgern der übernommenen Unternehmung.
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Holger Schiele und Stefan Aichbauer
Die Verfasser dieses Aufsatzes konnten in ihrer beratenden Funktion als Mitglieder einer Unternehmensberatung den Vorgang in mehreren Reorganisationsstufen über etwa ein Jahr hinweg begleiten. In diesem Sinne kann die vorliegende Darstellung als Beispiel für „action/intervention research for a client“ bezeichnet werden (vgl. Van de Ven, 2007), in dem neben einer primär kundenproblemlösenden Intervention auch eine akademische Reflektion angestrengt wird. 3.2 Erste Reorganisation durch ein klassisches bottom-up Vorgehen Das erste Reorganisationsprojekt wurde zum Zeitpunkt angestoßen, als die ehemalige Abteilung als eigenständige Unternehmung mit neuem Markennamen auf dem Markt auftrat. Leitgedanke der Reorganisation war es, durch Überwindung der aus der Banktradition geerbten überkommenen Strukturen Einsparpotenzial zu generieren. Historisch gewachsen verteilten sich die IT-Mitarbeiter trotz zweier geographischer Schwerpunkte entlang der Niederlassungen bzw. Tochterunternehmungen der Bank deutschlandweit. Dadurch war eine Stellenredundanz entstanden, weil die gleichen Aufgaben an unterschiedlichen Standorten durch unterschiedliche Mitarbeiter parallel wahrgenommen wurden. Häufig erreichten sie dabei keine volle Auslastung, so dass durch eine Neuausrichtung der Aufgabenverteilung Einsparpotenzial zu erwarten war. In einem Bereich, in dem zu einem späteren Zeitpunkt das Target Organizing zum Einsatz kommen sollte und dessen Reorganisation daher hier näher beschrieben wird, entstand schließlich die Idee, aus zwei Hauptabteilungen und einer größeren Anzahl von Gruppen nur noch eine Einheit zu machen, grob umrissen als „Entwicklung“ tituliert. Die Entwicklung sollte eine Abteilung werden, die insbesondere bei der Neueinführung von IT-Infrastruktur Anpassungs-, Test- und Roll-out-Aufgaben übernimmt. Eigenständige Programmierungs- und Projektmanagementaufgaben sowie die Qualitätskontrolle wurden ebenfalls der neuen Abteilung Entwicklung zugeordnet, genauso wie der sogenannte „third level support“. Es wird zwischen „first, second und third level support“ unterschieden. Der first level support stellt die grundlegende Hilfestellung für Benutzer mit Rechnerproblemen dar. Idealerweise geben die Mitarbeiter des first level support nur unter genau festgelegten Kriterien den Fall an die teuren Experten des second level supports weiter, falls sie das Problem des Nutzers nicht unmittelbar lösen können. Wenn auch der second level support schließlich nicht ohne Hilfe des Herstellers der Soft- bzw. seltener Hardware problemlösend agieren können, tritt der third level support in Erscheinung. Typischerweise sind die Herausforderungen im third level support weit höher als in den anderen Ebenen, weshalb eine organisatorische Trennung empfohlen wird (vgl. Wasserkrug et al., 2007). Die Beteiligung möglichst breiter Mitarbeiterschichten an der Vorbereitung von Outsourcingentscheidungen bzw. deren detaillierte Umsetzung wird im Sinne eines umfassenden Change Mangement-Ansatzes empfohlen (vgl. Schwarze/Müller, 2005). Im vorliegenden Fall wurde jedoch die Entscheidung getroffen, den Reorganisationsprozess nur mit Beteiligung der betroffenen Abteilungsleiter, nicht jedoch der Gruppenleiter vorzubereiten. Hintergrund war die Sorge um Mitarbeitermotivation, da der Reorganisationsprozess auch
Target Organizing
103
eine Anpassung der Mitarbeiterzahlen sowie die Anpassung der Anzahl der Standorte nicht ausschloss. In Anlehnung an einen klassischen Organisationsprozess wurden die Abteilungsleiter gebeten unter veränderten Prämissen eine Aufgabenplanung durchzuführen und die notwendige Personalstärke zu ermitteln. Auf dieser Grundlage entstand dann ein Budgetvorschlag für das darauf folgende Geschäftsjahr. Im Ergebnis wurde ein Budgetentwurf für den Bereich „Entwicklung“ vorgeschlagen, der Kosten in Höhe von 40,2 Mio. € vorsah. Diese Planung hätte einen operativen Verlust bedeutet und wurde auch aufgrund der Übernahme schließlich nicht verabschiedet. Die neue Organisationsplanung im zweiten Projekt endete schließlich mit Kosten von nur 31 Mio. €. 3.3 Zweite Reorganisation als Prototyp des Target Organizing Durch den Eigentümerwechsel entstand die ungewöhnliche, quasi-experimentelle Situation, mit einem neuen Team die gleiche Organisationsaufgabe wie im ersten Projekt erneut durchzuführen. Die Auswahl eines neuen, umgekehrten Organisationsansatzes erfolgte dabei aus drei wesentlichen Gründen heraus: 1.
Der klassische Organisationsansatz, der mit einer Aufgabenanalyse und -synthese begonnen hatte, konnte im vorliegenden Fall nicht überzeugen. Der erste Organisationsvorschlag führte am Ende zu so hohen Kosten, dass eine Implementierung nicht durchführbar erschien. Der neue Eigentümer hatte eine klar definierte EBITErwartung als Renditeforderung vorgegeben. Freilich hätte man der Hoffnung vertrauen können, dass ein anderes Team mit der gleichen Methode zu besseren Ergebnissen kommen würde. Dieses Vorgehen erschien jedoch als zu riskant, da noch zwei weitere, fundamentale Probleme aufgetreten waren.
2.
Der erste Planungsansatz mit einer kleinen Gruppe von Abteilungsleitern muss im Nachhinein als viel zu ungenau angesehen werden, um das Gesamte vorhandene Einsparpotenzial zu identifizieren. Die Führungsspanne der betroffenen Personengruppe lag zwischen 30 und 60 Mitarbeitern. Es zeigte sich später jedoch, dass dieses Vorgehen mit zu großer Unschärfe der Aufgabenplanung verbunden ist. Offenbar entzieht sich eine genaue Aufgabenkenntnis Führungskräften, die mehr als etwa 10 bis 15 Mitarbeiter leiten. Ohne diese genaue Kenntnis ist es jedoch schwerer, realistische Einsparungen zu identifizieren.
3.
Jede Führungskraft ist normalerweise in der Lage, mit guten Argumenten ein bestimmtes Aufgabendesign zu rechtfertigen. Die Energie wird in einer solchen Planungssituation dann nicht selten eher auf die Rechtfertigung und Belegung dieses Designs gerichtet, welches leicht dem Status quo ähneln kann, als Verbesserungsvorschlägen. Es geht dann darum, mit besseren Argumenten als diejenigen der anderen Abteilungsleiter für die eigene Gruppe einen größeren Ressourcenpool zu sichern. Gerade in einem technisch geprägten Umfeld gelingt es so auch vielen Führungskräften nicht durchschlagend, den Schritt von einem aufgabenlösungsorientierten Spezialisten zu einem ertragszielgerichteten Manager zu vollziehen. Weder Berater, noch die Geschäftsführung, noch andere Abteilungsleiter sind letztlich in der Lage, die jeweiligen Argumentationsketten im Einzelnen zu verifizieren oder
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zu falsifizieren. Sie müssen letztlich akzeptiert werden und können in der Konsequenz zu einem aufgeblähten Organisationsstrukturentwurf führen. Um die Organisationsplanungsenergie in konstruktiv-innovative Bahnen zu lenken und um einen reaktiv-rechtfertigenden aber letztlich nicht zielführenden Argumentationsmarathon zu vermeiden, wurde eine Umkehrung des Organisationsmodells beschlossen. Im Rahmen eines Target Organizing-Ansatzes werden folgende vier Schritte in dieser Reihenfolge durchgeführt: (1.) Umsatzplanung, (2.) Kostenbudgetierung, (3.) Mitarbeiter- und Aufgabendimensionierung und (4.) Implementierung des neuen Designs. 1. Zur Umsatzplanung fand eine enge Abstimmung mit der Vertriebsabteilung statt. Sämtliche Projekte wurden einzeln betrachtet, zukünftige Projekte mit einer durch den Vertrieb verantworteten Wahrscheinlichkeit aufgenommen. Da es sich bei dem Auftragsportfolio der betrachteten Unternehmung üblicherweise um große und langfristige Projekte handelt, war eine Umsatzplanung mit relativer Genauigkeit herzustellen. 2. Auf Grundlage der erwarteten Einnahmen und der von der Konzernmutter vorgegebenen Renditeerwartungen konnte ein vertretbarer Kostenumfang ermittelt werden, der auf die einzelnen Abteilungen herunter gebrochen wurde. Im vorliegenden Fall darf angenommen werden, dass dieser Prozess vermutlich nicht gelungen wäre, wenn die Einheit noch Teil der Bank gewesen wäre. So jedoch waren für die erbrachten Leistungen bepreiste Verträge abgeschlossen. Über die ebenfalls vorhandenen Mengengerüste ließ sich eine Zuordnung auf die einzelnen Abteilungen herstellen. Umlagen für Leitungsfunktionen, Overheads sowie Kosten der Qualitätskontrolle wurden ebenfalls zugeordnet, so dass sich schließlich eine belastbare Zielkostengröße ergab. 3. Auf Basis dieser Zielgröße startete dann der neue Aufgaben- und Stellenplanungsprozess. Der eigentliche Aufgabenanalyse- und -syntheseprozess beginnt somit im Rahmen des Target Organizing nicht am Anfang, sondern erst als dritter Planungsschritt. Die verantwortlichen Planer konnten ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die Frage richten, wie sie mit den vorhandenen Mitteln die Anforderungen erfüllen können, statt über Wunschressourcen zu streiten. Dadurch verändert sich der Charakter der Diskussion, da die eigentliche Zielgröße schlecht in Frage gestellt werden kann. Forderungen nach höheren Preisen bei Kunden beantworten sich durch die Marktgegebenheiten. Auch innerhalb der Abteilungsdiskussionen wurden die Zielwerte feiner herunter gebrochen, so dass es möglich wurde, die Gruppenleiter in konstruktiver Weise in die Planung einzubeziehen. Jede Gruppe und Abteilung wurde nach dem in Abbildung 2 zusammengefassten Schema analysiert. 4. Die dergestalt optimierte Organisationsplanung konnte dann, in Übereinstimmung mit der Budgetplanung, zur Implementierung verabschiedet werden.
Target Organizing
105
Kosten / Umsatz (in Mio. €)
Aufbau der Abteilung (Anzahl Mitarbeiter)
#
# extern
intern
Grund- Leitungskosten1) umlage
...
Overhead/ Konzern
...
Umsatz2) Überschuss
Aufgaben / Standorte / Mitarbeiter: Aufgaben
x x x x
Standorte
# #
#
N.N. intern
extern #
#
IST
Quartal 1
Quartal 2
intern
Ziel
Bemerkungen (Details, Bedingungen, Risiken) Mitarbeiter (davon ext.)
Leitung
Musterhausen
Aufgabe A
Musterhausen
# MA
(#)
Aufgabe B
Musterhausen
# MA
(#)
Aufgabe C
Musterhausen
# MA
x …
# MA
Summe MA
(#) (summe)
Mengenplausibilisierung: x …
1) Personal, Raum, EDV, Fremdpersonal, sonstige Kosten 2) Umsatz aus Vetriebsplanung
# = Anzahl, MA = Mitarbeiter
Abb. 2: Kurzzusammenfassung Abteilungsplanung - Beispiel
3.4 Ergebnis: Implementierungsfähige Organisationsstrukturen durch substantielle Kosteneinsparungen Im Ergebnis wurden nicht 40,2 Mio. € in die Budgetplanung eingestellt, sondern nur der marktrealistische Wert von 31 Mio. €. Von den Einsparungen gegenüber der ersten Planung ließen sich 3,4 Mio. € auf konkrete Kostensenkungsmaßnahmen zurückführen, die restlichen 5,8 Mio. € auf offenbar vermiedene Kosten aufgrund eine situationsadäquateren Planung. Das Ursprungsmodell des ersten Reorganisationsversuchs hatte alleine 4 Mio. € Kosten für zusätzliche temporäre Mitarbeiter vorgesehen, die im neuen Konzept nicht mehr zu finden waren. Zu bemerken ist, dass dauerhafte Fremdarbeitskräfte nicht selten auf eine Situation hindeuten, in der die eigentlichen Organisationsprobleme durch sich perpetuierende work arounds um- statt angegangen werden. Das Argument, wonach beim target organizing Energie konstruktiv in Kostensenkungsmaßnahmen gerichtet wird, lässt sich durch ein Blick auf die neu identifizierten Einsparmöglichkeiten substantiieren. So konnten alleine 1,6 Mio. € durch die Optimierung der Anzahl externer Mitarbeiter erreicht werden. In Boomzeiten hatte die Unternehmung zahlreiche externe Kräfte aufgenommen, die in teilweise bis zu sieben Untervertragsverhältnissen eingebunden und somit im Vergleich zu festen Mitarbeitern sehr teuer waren. Auch hier waren vorangegangene Optimierungsbemühungen wenig erfolgreich gewesen, da jeder – letztlich nicht budgetverantwortliche – Auftraggeber die Unabdingbarkeit seines externen Mitarbeiters attestiert hatte. Weitere 0,8 Mio. € konnten durch einen neuen Aufgabenzuschnitt gewonnen werden, insbesondere durch eine weitere Spezialisierung der Aufgabenbeschreibung im Problemsupport. Eine klare Aufgaben- und in der Folge auch Personenzuordnung auf entweder Entwicklungsprojekte oder third level support erlaubte es, Einsparpotenzial zu generieren. Statt
106
Holger Schiele und Stefan Aichbauer
hohe, mittlere und leichte Aufgabenanforderungen in einer Stelle zu bündeln, wurden diese Aufgaben Skilllevel gerecht aufgeteilt. Die Neudefinition der Aufgaben ging einher mit einer detaillierten Erfassung der Fähigkeiten aller zukünftigen Aufgabenträger, wozu deren Gruppenleiter involviert wurden. Sehr umfangreiche Excel-Tabellen halfen bei der optimalen Zuordnung in der neuen Organisationsstruktur. Der befürchtete Motivationseinbruch durch einen offeneren Planungsprozess als im ersten Durchlauf – und somit die Verbreitung von Unsicherheit in der Unternehmung – trat nicht ein. Schließlich konnten weitere 1,0 Mio. € Einsparpotenzial durch Standortoptimierung identifiziert werden, wobei die Zusammenlegung von Standorten mit der Folge einer optimalen fähigkeitsgerechten Auslastung der Mitarbeiter ebenso wie die Wahl des von Raummieten und Lohnniveau her optimalen Standorts zu Einsparungen führte. All diese Lösungsansätze waren im ursprünglichen Organisationsstrukturmodell nicht vorgesehen gewesen bzw. nicht im Endvorschlag aufgenommen worden. Aus methodischer Sicht ist anzumerken, dass es nicht vollständig möglich ist, den Einfluss, den die neue Methode auf das verbesserte Resultat hatte, vollständig vom Einfluss der neuen Teamzusammensetzung zu trennen. Das neue Organisationsteam hatte sich jedoch aus Personen rekrutiert, die sich zuvor in weniger verantwortungsvollen Positionen befunden hatten und so gesehen weniger kompetent sein sollten als das Vorgängerteam. Dies plausibilisiert die Annahme, dass es gerade mit Hilfe der neuen Methode des Target Organizing Ansatzes gelungen ist, das vorhandene Potenzial konstruktiver Lösungen zu einem wesentlich größeren Anteil zu heben. 4
Target Organizing: Eine kostensichere Organisationsalternative
Der vorliegende Beitrag befasste sich mit dem Problem der nicht automatischen Kostenberücksichtigung im Rahmen klassischer Organisationstheorien, insbesondere im Rahmen der Aufbaustrukturgestaltung durch Aufgabenanalyse und Aufgabensynthese. Als Alternative wurde die Methode des Target Organizing vorgestellt und anhand eines Beispiels illustriert. Grundgedanke des Target Organizing ist eine Umkehr klassischer Ansätze, indem die Aufgabendefinition nicht am Anfang, sondern am Ende des Organisationsplanungsprozesses steht. Stattdessen beginnt der Prozess mit der Ableitung von Zielkosten, woraus sich die vorhandenen Mittel für eine Abteilung ergeben, die dann auf Stellen und Aufgaben herunter gebrochen werden. Dadurch, dass Kostenziele bereits von Anfang an Berücksichtigung finden, kann eine unrealistische und letztlich nicht umsetzbare an Wunschvorstellungen orientierte Aufgabenaggregation vermieden werden. Gleichzeitig wird durch Target Organizing die Energie der Planungsbeteiligten auf die kreative Lösung der Organisationsherausforderung gerichtet, statt sich in Versuchen der Rechtfertigung einer unrealistischen Organisationsstruktur zu verbrauchen. Somit liegt mit Target Organizing ein praktikables Konzept vor, welches einen Schwachpunkt klassischer Ansätze überwindet. Zudem kann Target Organizing durch die Verknüpfung von Budget- und Organisationsplanung einen Teilbeitrag zur Gestaltung einer ganzheitlichen Organisationstheorie leisten. Für die Literatur bedeutet dies ferner, dass als Mindestanforderung zur Bestimmung einer Aufgabe grundsätzlich deren Kosten, d. h. die notwendigen Finanzmittel, zu benennen sind, auch wenn diese situativ variieren.
Target Organizing
107
Abschließend soll auf die Einschränkungen des Target Organizing sowie auf die Frage einer Übertragbarkeit aus dem hier behandelten Kontext hinaus eingegangen werden. Eine reine zielkostenorientierte Organisationsplanung kann Gefahr laufen, die Erfüllung der Grundaufgabe der Unternehmung nicht sicher zu stellen. Insofern ist – in Anlehnung an den Vorschlag von Steinle (2005) – ein Iterationsprozess anzustreben. Dies gilt auch, um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, ähnlich wie bei „lean management“-Anwendungen, letztlich primär eine Hierarchieausdünnung und starken Stellenabbau herbeizuführen, ohne die Leistungsfähigkeit der Unternehmung zu steigern oder zumindest zu erhalten (vgl. Steinle, 2000). Ferner ist auf die Bedingungen des Target Organizing hinzuweisen, welche eine generelle Übertragbarkeit auf alle Unternehmungssituationen zweifelhaft erscheinen lassen. Eine kostenzielorientierte Organisationsgestaltung setzt voraus, dass das Ziel in belastbarer Weise abgeleitet wurde. Dies wiederum erfordert einen ausreichenden Kenntnisstand und Sicherheit über gegenwärtige und zukünftige Umsätze, die insbesondere in einem durch „Hypercompetition“ gekennzeichnetem Marktumfeld mit schneller Wissensobsoleszenz nicht immer gegeben sind (vgl. Jarzabkowski/Wilson, 2006).
Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration) Wilfried Krüger
1
Problemstellung
Der folgende Beitrag hat die modernen Formen der virtuellen Zusammenarbeit zum Gegenstand, die, basierend auf den neuen Tools des sog. Web 2.0, unter dem Sammelbegriff „Collaboration“ zusammengefasst werden. Wie üblich bei neuen Techniken gibt es euphorische Erwartungen ebenso wie düstere Warnungen. Daher liegt in diesem Beitrag der Schwerpunkt auf einer möglichst konkreten, realitätsbezogenen Analyse, die sich vor allem organisatorischer Kategorien bedient. Anhand ausgewählter Fallbeispiele, die exemplarischen Charakter tragen, werden typische Formen der Collaboration und deren mögliche Auswirkungen untersucht. Geklärt werden sollen folgende Fragen:
2
1.
Für welche Art von Aufgaben eignet sich das Web 2.0 und worin liegen die Unterschiede zum seitherigen Technikeinsatz?
2.
Welche Formen der Collaboration lassen sich unterscheiden und zu welchen erkennbaren organisatorischen und effizienzbezogenen Auswirkungen können sie führen?
3.
Welche weiterreichenden Veränderungen hinsichtlich der Geschäftsmodelle einer Unternehmung können sich ergeben?
Begriff und Einsatzschwerpunkte der Collaboration
Die mittlerweile als traditionell zu bezeichnenden Web-Anwendungen (Internet und Intranet) bestehen im Kern darin, Daten und Nachrichten zugänglich zu machen bzw. auszutauschen. Typische Tools sind: E-Mail, Intranet, Portale, Foren und Chats. Sie ergänzen vor allem die seitherigen Formen der Information und Kommunikation. Die Gesamtheit der Anwendungen lässt sich vereinfachend als Web 1.0 bezeichnen. Mit dem Sammelbegriff Web 2.0 verbinden sich nun Ergänzungen und Weiterentwicklungen, die neue multimediale Möglichkeiten bieten, vor allem aber Interaktivität erlauben. Tools sind insbesondere: Individual Weblogs (Aufzeichnungen, die kommentiert werden können) oder Corporate Weblogs (Teil der offiziellen Unternehmungskommunikation), Social Networking-Plattformen (Herstellen von persönlichen Kontakten), Wikis (Content, der von einer Vielzahl von Nutzern erstellt wird), Instant Messagging (Interaktiver Informationsaustausch), Audio- und Video-Webcasting (Audio- oder Videodateien zum Download), Groupware (Applikationen, die eine Arbeitsgruppe unterstützen), Web Conferencing (Video-Konferenzen) sowie Mashups (Erstellung neuer Medieninhalte durch Kombination von Text, Bild, Daten, Tönen, Videos) und RSS Feeds (Really Simple Syndication; Spezifische Inhalte oder Teile einer Webseite können vom Empfänger abonniert oder in andere Webseiten integriert werden).
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Wilfried Krüger
Bei entsprechender Ausgestaltung sind diese Anwendungen geeignet, jede Art interner und externer Interaktion zu organisieren. Daraus resultiert die Möglichkeit, über Information und Kommunikation hinauszugehen und die Kooperation und Koordination der Beteiligten zu ermöglichen bzw. zu unterstützen. Es entsteht ein virtueller Workspace an Stelle des physischen Workplace. Darin ist auch eine Zusammenarbeit in Echtzeit möglich, also eine simultane Interaktion, wie sie z. B. für Workshops und Konferenzen benötigt wird. Die elektronische Interaktion und die damit gebotenen Möglichkeiten einer virtuellen Kooperation sind das eigentlich Neue des Web 2.0, dessen Bedeutung und Tragweite kaum zu überschätzen ist. Für die virtuelle Kooperation im Web 2.0 hat sich mittlerweile die Bezeichnung Collaboration eingebürgert (vgl. im Einzelnen z. B. Tapscott/Williams, 2006). Hier soll darunter die web-basierte, IuK-technisch unterstützte Zusammenarbeit räumlich verteilter Einheiten verstanden werden. Das Internet bildet sozusagen das „Betriebssystem“ der Collaboration. Darauf laufen spezielle ‚Anwendungssysteme’, also z. B. Groupware. Beides zusammen bildet die technische Basis der Interaktion. Das Ausmaß der virtuellen Kooperation ist beträchtlich und es steigt an. Insbesondere die starke Zunahme von Blogs und Wikis, wie sie z. B. in einer McKinsey-Studie deutlich wird, verweist darauf (vgl. Bughin/Manyika/Miller, 2008, S. 2). Auch Effizienzwirkungen werden belegt, so z. B. in einer weltweiten Studie der Unternehmungsberatung Frost & Sullivan, in der mit einem speziellen ‚Collaboration Index’ gearbeitet wird (vgl. Frost & Sullivan 2006). Auch wenn man nicht so weit gehen muss wie Don Tapscott, einer der Protagonisten des Internet, der die Meinung vertritt: „Business-Webs ersetzen das Unternehmen“ (o.V., 2008), dürfte feststehen, dass die Wertschöpfung einer Unternehmung mehr und mehr interaktiv erbracht werden wird (vgl. Reichwald/Möslein/Piller, 2008). Dies führt dazu, dass bereits von Enterprise 2.0 gesprochen wird (zuerst wohl von Mc Afee, 2006; vgl. zu einem Überblick auch Tapscott, 2008 sowie im Detail Mc Afee, 2010). Hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten ist zunächst zu klären, wer bzw. welche Einheiten collaborativ zusammenarbeiten können. Interaktionspartner einer virtuellen Zusammenarbeit können sein: 1.
einzelne Personen,
2.
Projektgruppen,
3.
soziale Gruppen,
4.
Communities of Practice (Wissensgemeinschaften),
5.
intraorganisationale Einheiten (z. B. Abteilungen oder Geschäftseinheiten),
6.
interorganisationale Einheiten (z. B. Unternehmungen),
7.
Großgruppen (Kollektive).
Wie diese Liste deutlich macht, existieren hinsichtlich der potentiellen Partner und damit der personellen bzw. institutionellen Reichweite der Collaboration buchstäblich keine Grenzen. Für eine organisationsbezogene Analyse bedeutet dies, dass beliebige interne, aber auch externe Stellen in eine virtuelle Kooperation integriert werden können und damit zu Aufgabenträgern werden, statt z. B. ‚nur’ Kunde zu sein.
Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration)
111
Im nächsten Schritt ist die Frage nach der sachlichen Reichweite der Collaboration zu stellen. Hierfür ist zu prüfen, welche Aufgaben einer Unternehmung für das Web 2.0 (nicht) geeignet sind. Die Unterschiede zu einer web-freien Aufgabenerledigung einerseits, der Welt des Web 1.0 andererseits, lassen sich vor allem anhand von zwei Aufgabenmerkmalen deutlich machen: dem Standardisierungsgrad der Aufgaben und der zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Kommunikationsintensität. Durch Kombination der entsprechenden Merkmalsausprägungen lassen sich unterschiedliche Aufgabentypen bilden und Zusammenhänge zur Internetnutzung herausarbeiten (vgl. Abb. 1). Web 1.0 1
3 „Deterministische Arbeitsteilung“
„Professionalisierte Geschäftsprozesse“, z.B. Supply Chain Mgt.
Internet als Enabler und Akzelerator
hoch
„Regelgestützte Projektarbeit“, z.B. PMI, EFQM, Six Sigma
Aufgabenstandardisierung
„Themenbezogene Gruppenbildung“, z.B. Foren, CoP´s „Kreative Einzelarbeit“
„Emergente Prozesse“
niedrig
2
4 niedrig
Kommunikationsintensität
hoch
Web 2.0 Internet als Betriebssystem
Abb. 1: Typen von Aufgaben und ihre Technikunterstützung
Voraussetzung für eine sinnvolle, aufgabenbezogene Nutzung des Internet ist ein hoher Kommunikationsbedarf. Er ist vorwiegend auf der linken Seite der Aufgabenmatrix zu finden (Felder 3 und 4 von Abb. 1). Dort liegen demgemäß die Anwendungsschwerpunkte des Internet. Die rechte Seite der Matrix ist zwar nicht ‚web-frei’, da zumindest E-Mails praktisch überall genutzt werden. Das Internet hat aber typischerweise keine weiterreichenden Auswirkungen bei Aufgaben mit nur niedrigem Kommunikationsbedarf (Felder 1 und 2 von Abb. 1). Es handelt sich vielmehr um Einsatzschwerpunkte herkömmlicher IuKTechnik. Feld 1 – Deterministische Arbeitsteilung: Hoch standardisiert ist das weite Feld regelgestützter und damit routinehaft ablaufender Handlungsstränge, in der Matrix als deterministische Arbeitsteilung bezeichnet: Zu finden sind solche Aufgaben z. B. im Bereich industrieller Produktions- und Montageprozesse sowie bei vielen Bürotätigkeiten. Die IuK-Technik
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ist durch Client-Server-Architekturen sowie durch Standardsoftware für unterschiedliche Funktionen geprägt. Feld 2 – Kreative Einzelarbeit: Den logischen Gegensatz hierzu bilden Aufgaben, die eine weitgehende Regelungsfreiheit und damit einen weiten Handlungsspielraum aufweisen, ohne aber kommunikativ geprägt zu sein. Dahinter verbergen sich solche kreativen Aufgaben, z. B. eines Forschers oder Designers, die überwiegend in Einzelarbeit zu bewältigen sind. Herkömmliche IuK-Technik ist der PC mit Standardsoftware für Einzelarbeit. Feld 3 – Web 1.0. Internet als Akzelerator und Enabler: Exemplarisch für den Bereich von Feld 3 dürften die Organisation und das Management von Geschäftsprozessen sein. In den letzten Jahren wurden hier web-gestützt erhebliche Veränderungen vorgenommen. Die präzise Planung und Regelung durchgehender Prozessketten, auch unter Einbezug externer Partner, sowohl auf der Lieferanten- wie der Kundenseite, standen dabei im Vordergrund. In Abb. 1 wird der Begriff der professionalisierten Geschäftsprozesse für alle derartigen Anwendungen benutzt. Beispiele dafür sind die weit verbreiteten Bemühungen des sog. Supply Chain Management, die auf eine fertigungssynchrone Anlieferung (Just in time) abzielen, oder des Customer Relationship Management, die zur Kundenbindung beitragen sollen. Das Web 1.0 mit seinen geringen Kommunikationskosten bei gleichzeitig praktisch beliebigem Informationsumfang hat hier nicht nur bereits vorhandene Ansätze erweitert und verbessert (Internet als Akzelerator), sondern auch völlig neue Möglichkeiten der Überbrückung räumlicher und zeitlicher Distanzen eröffnet (Internet als Enabler), so z. B. durch den Aufbau von Einkaufsportalen, Marktplätzen und Foren. Die Veränderungen reichen bis hin zur Entflechtung von Wertketten und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Aber nicht nur die Geschäftsprozesse, sondern auch die Wandlungsprozesse selbst stellen ein Anwendungsgebiet des Web 1.0 dar und werden mit seiner Hilfe verbessert. Man denke an die vielfältigen Bemühungen der Qualitätsverbesserung (z. B. EFQM), der Fehlerreduktion (z. B. Six Sigma) oder der Professionalisierung des Projekt Managements (z. B. PMI). Alle diese Ansätze zeichnen sich gleichermaßen dadurch aus, dass nun auch das Gebiet der einmaligen und mehr oder minder neuartigen Sonderaufgaben zunehmend effizienter und standardisierter bearbeitet wird. Dies ist der Grund, warum in Abb. 1 hierfür der Begriff der regelgestützten Projektarbeit gewählt wurde. Projektarbeit, und hier nicht zuletzt das Multiprojektmanagement (vgl. hierzu vor allem Steinle et al., 2010), dürfte in starkem Maße vom Web 2.0 tangiert werden. Feld 4 – Web 2.0, Internet als Betriebssystem, Kooperationssoftware als Akzelerator und Enabler: Aufgaben mit hoher Kommunikationsintensität und (sehr) geringem Standardisierungsgrad sind mit herkömmlicher Technik nur sehr unvollkommen und aufwändig zu unterstützen. Man denke z. B. an Erfahrungsaustauschgruppen von Werkern bzw. Experten, die sich darum bemühen, verteiltes Wissen zu bündeln und für Verbesserungen zu nutzen. Die dort schon sichtbaren raum-/zeitlichen Schwierigkeiten steigen exponentiell an, wenn es darum geht, eine große Zahl räumlich verteilter Mitarbeiter zeitgleich zu informieren und zu mobilisieren. Im Rahmen unternehmungsweiter Veränderungen werden dafür zahlreiche Informations- und Kommunikationsveranstaltungen erforderlich wie Konferenzen und
Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration)
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Town Hall Meetings. Dabei dominiert zwangsläufig die veranstalterzentrierte Information. Wechselseitige Kommunikation sowie Interaktions- und Partizipationsmöglichkeiten bleiben sehr begrenzt. Mit Hilfe des Web 2.0 lassen sich nun auch auf diesen Feldern die Grenzen herkömmlicher Technik und Organisation überwinden und völlig neue Formen der Interaktion aufbauen, unternehmungsintern wie -extern. Sei es z. B., dass sich im Netz Mitarbeiter mit gleichgelagerten Fragestellungen zu einer Wissensgemeinschaft (Community of Practice, CoP) zusammenfinden, sich austauschen und an Problemlösungen arbeiten. Sei es, dass sich Konsumenten vor oder nach dem Kauf in sog. Foren über Produkterfahrungen anderer Kunden informieren. Während alle erwähnten Anwendungen noch davon ausgehen, dass ein mehr oder minder großes Maß an bewusster Gestaltung, also eine intendierte Aufgabenerledigung, vorherrscht, kann das Web 2.0 auch die sog. emergenten Prozesse zulassen und fördern, also eine weitgehend ungeplante und eigengesetzliche Entwicklung. Es gibt in diesem Zusammenhang mehr und mehr Beispiele dafür, dass sich auf die Weise Produkte, Geschäftsmodelle und ganze Unternehmungen virtuell entwickeln können. 3
Formen und Auswirkungen collaborativer Interaktion
3.1 Ausgangsüberlegungen Der Anwendungsschwerpunkt des Web 2.0 liegt bei gering standardisierten Aufgaben mit hohem Kommunikationsbedarf (Feld 4 von Abb. 1). Zur genaueren Klärung wird im Folgenden die Fülle möglicher Anwendungen auf diesem Feld im Rahmen einer Typisierung durchleuchtet. Typenbildend ist die Tatsache, dass mit Hilfe des Web 2.0 neben der internen auch die externe Kooperation collaborativ unterstützt oder erbracht werden kann. Für ‚interne’ wie ‚externe’ Interaktion werden hier jeweils drei besonders markante Anwendungsformen des Web 2.0 ausgewählt (vgl. Abb. 2).
Web-basierte Problemlösungsprozesse
Web-basierte Entwicklungspartnerschaften
Interne Verbesserungsund Innovationsinitiativen
Virtuelle
NutzerCommunities
Teams Interne Wissens- und Lerngemeinschaften Abb. 2: Formen interner und externer Collaboration
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Anhand dieser Typen und der hierfür ausgewählten Praxisbeispiele lassen sich die Collaborationspotentiale sehr eindringlich herausarbeiten (vgl. hierzu Krüger, 2009, S. 104 ff.). 3.2 Web-basierte Entwicklungspartnerschaften Der erste Anwendungsfall betrifft Abnehmer-Zulieferer-Kooperationen. Diese für beide Seiten hoch bedeutsamen Partnerschaften entlang des Wertschöpfungsprozesses sind in ihrem Aufbau in vielen Industrien lange bewährt und betreffen zunächst vor allem das Feld 3 der Aufgabenmatrix, also die Routineprozesse. Durch entsprechende Weiterentwicklungen ist es möglich, auch in das Feld 4 einzudringen. Dann geht es nicht nur um die effiziente Anbahnung und Abwicklung von Einkaufs- und Belieferungsprozessen, sondern bereits die Produkt- und Teileentwicklung sowie gegebenenfalls deren laufende Verbesserung sind Gegenstand der gemeinsamen Arbeit und werden collaborativ bewältigt. Beispiel: Die Supply On AG ist eine internetbasierte Einkaufs- und Entwicklungsplattform. Sie wird gemeinsam betrieben von Automobilzulieferern wie Bosch, Continental, Siemens VDO, ZF Friedrichshafen sowie SAP (Komplementor). Als Käufer kommen die Zulieferer sowie die Autoindustrie auf die Plattform, als Verkäufer die Teilehersteller. Das Handelsvolumen betrug in 2005 schon 80 Mrd. €, generiert von 8.500 Unternehmungen aus 30 Ländern (vgl. FAZ vom 07.12.2005). Diese Plattform stellt praktizierte Koevolution dar. Die gemeinsame Wertschöpfung beginnt bei Produktentwicklungsprozessen, die über Supply On laufen. Der Nachfrager stellt das Pflichtenheft des fraglichen Teils ins Netz, die potentiellen Lieferanten können Entwicklungsarbeit leisten. Im Erfolgsfall ergibt sich daraus die Belieferung in der Serienfertigung. Die dort gemachten Erfahrungen werden schließlich in einem web-basierten Änderungsmanagement zwischen Abnehmer und Lieferant zu kontinuierlichen Verbesserungen genutzt. Konsequenterweise bezeichnet Supply On diesen Prozess als Innovationsdialog. 3.3 Nutzer-Communities Kunden bestimmter Hersteller oder Nutzer bestimmter Produkte bilden im Internet häufig Foren, um sich vor allem über Anwendungserfahrungen und Wartungsprobleme auszutauschen. Das gleiche gilt für Dienstleistungen wie Hotels, Restaurants, Urlaubsreisen oder Versicherungen. Potentielle Käufer bzw. Kunden berücksichtigen die im Netz zu findenden Kommentare bei ihrer Kaufentscheidung. In Deutschland waren es 2008 nach einer Allensbach-Erhebung bereits 17 Millionen Konsumenten, die sich dieser ‚digitalen Mundpropaganda’ bedienen (vgl. FAZ vom 24.11.2008). Mittlerweile dürften die Zahlen weiter zugenommen haben. Diese Gemeinschaften können von Herstellerfirmen nicht nur passiv als Informationsquelle genutzt werden, sondern auch aktiv gestaltet und zur Kommunikationsplattform mit ihren Kunden ausgebaut werden. Beziehungen zu Veränderungsprozessen in Form von Verbesserungsvorschlägen lassen sich zwanglos herstellen. Beispiele: Im Computerkonzern Dell sind 40 Mitarbeiter damit beschäftigt, in Blogs und Foren mit Internetnutzern über die Produkte ihres Hauses zu kommunizieren. Der Otto-Versand betreibt ein Modeblog „Two for Fashion“ (FAZ vom 24.11.2008).
Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration)
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Procter&Gamble hat ein elektronisches Dorf, die ‚Pampers-Village’, eingerichtet, in dem sich junge Eltern über Babypflege austauschen. Daraus ergeben sich Hinweise für die Verbesserung der Windelhöschen (vgl. Müller, 2008, S. 108). 3.4
Web-basierte Problemlösungsprozesse
Von den beschriebenen Communities ist es gedanklich nicht weit zu unternehmungsseitig gezielt angestoßenen Problemlösungsprozessen, mit deren Hilfe versucht wird, von Internetnutzern Hinweise zur Lösung von Unternehmungsproblemen bis hin zu innovativen Vorschlägen zu erhalten. Beispiele: Der österreichische Kristallschmuckhersteller Swarowski veranstaltete einen Designwettbewerb im Internet, den ‚Signity Watch Design Contest’. Mithilfe eines OnlineKonfigurators konnten die 1.600 Teilnehmer dieses Wettbewerbs Uhren entwerfen und Kristalle auf Armbändern und Gehäusen platzieren. Aus den besten der 2.000 eingereichten Vorschläge entstanden neue Produkte. Die Firma Doppelmayr ist Weltmarktführer bei Seilbahnen und Skiliften. Auf einem Serviceportal können sich einerseits Kunden videogestützte Ratschläge für Wartungsarbeiten holen. Andererseits geben 314 registrierte Seilbahnbetreiber Verbesserungsvorschläge, Montage- und Wartungstipps in das Portal ein. Als Ergebnis wurden Berg- und Talstationen komplett neu gestaltet. Zukünftig sollen Anlagenbetreiber eigene Videos ins Netz stellen können. Als größter Innovationsmarktplatz der Welt gilt die Webseite Innocentive.com. Unternehmungen können dort Innovationsaufgaben einstellen. Firmen wie SAP stellen Projekte vor und loben Prämien für die Lösung aus. Registriert sind über 160.000 Mitglieder, die sich für solche Entwicklungsarbeit interessieren (vgl. Müller, 2008, S. 112). 3.5 Virtuelle Teams Virtuelle Kooperation mithilfe geeigneter Software kann auch dazu benutzt werden, Teamarbeit von räumlich verteilten Mitgliedern zu ermöglichen bzw. zu unterstützen. Die Arbeitsteilung lässt sich besser organisieren und koordinieren. Alle Beteiligten haben Zugriff auf die dokumentierten Arbeitsergebnisse. Simultane Interaktion ist möglich, also z. B. virtuelle Workshops und Teamsitzungen. Allerdings zeigen die Erfahrungen in Unternehmungen wie Microsoft oder Telefonica (O2), dass die herkömmlichen gruppendynamischen Aspekte der Teamarbeit unverändert aktuell bleiben. Dies ergab eine Studie der Bertelsmann Stiftung (vgl. Konradt/Köppel, 2008, S. 38 f.). Persönlicher Kontakt der Teammitglieder und persönliche Führung durch einen Teamleiter sind erforderlich, um den Teamgeist aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Die Identifikation mit der Teamaufgabe und dem Team selbst (‚Wir-Gefühl’) sind Voraussetzungen für eine effiziente Teamleistung. Diese Bedingungen setzen einem virtuellen Team in Reinkultur sicher sehr enge Grenzen. Nur Personen, die sich aus der realen Arbeitswelt bereits gut kennen, einander schätzen und sich vertrauen, werden ohne größere Anlaufschwierigkeiten auch erfolgreich so intensiv virtuell zusammenarbeiten, wie es eine Teamaufgabe erfordert. Teamaufgaben und Teamleistungen stehen unter anderen Bedingungen
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als z. B. Foren oder Blogs. Als Empfehlung lässt sich daraus ableiten, dass im Einzelfall ein intelligenter Mix aus virtueller und physischer (‚realer’) Kooperation zu organisieren ist. 3.6
Interne Wissens- und Lerngemeinschaften
Die Bildung von Communities kann selbstverständlich auch unternehmungsintern erfolgen und genutzt werden. Teils eigendynamisch, teils intendiert entstehen virtuelle Netzwerke von Personen, die ähnliche Aufgabenstellungen und Probleme zu lösen haben. In diesen sog. Communities of Practice (CoPs) werden Erfahrungen ausgetauscht und Lösungsideen diskutiert. Eine CoP stellt also eine Wissens- und Lerngemeinschaft dar. CoPs können herkömmliche organisatorische Lösungen, wie z. B. das Einrichten von Erfahrungsaustauschgruppen, Quality Circles und kontinuierlichen Verbesserungsprozessen (KVP), ersetzen oder ergänzen. CoPs sind in hohem Maße selbstregelnd. Themen und Teilnehmer sind dann weitestgehend offen. Verfügen die Teilnehmer über die notwendigen IT-Kenntnisse, so ist zum Entstehen und Funktionieren einer Wissens- und Lerngemeinschaft eine entsprechende IuK-Technik auszuwählen und zu installieren. Hierfür existiert ein breites Angebot aller einschlägigen Hersteller, aber auch an freier Software. Nutzungs- und Interaktionsregeln sind seitens der Unternehmung zu formulieren. Selbst eine emergente Interaktion ist also wie jede Nutzung des Web 2.0 mit Investitions- und Folgekosten verbunden. Ein Erfolgsfaktor in psychologischer Hinsicht ist eine offene Kommunikationskultur (sharing culture). Damit wird, wie bereits im Falle virtueller Teams, eine Schnittstelle zu Unternehmungskultur sowie Führungsstil sichtbar. Virtuelle Interaktion wird ermöglicht und begünstigt, wenn in der Unternehmung eine partizipative Kultur des Mitmachens und Einbindens herrscht. Sind die technischen und psychologischen Bedingungen erfüllt, dann kommt es auch ohne spezifische Aneizsysteme zu erstaunlich hohen Zahlen an Gruppen und Teilnehmern. Dies zeigen alle Berichte über große Unternehmungen wie Xerox, Caterpillar, Siemens, Daimler. CoPs stimulieren emergente Prozesse und Ergebnisse. Es ist ex definitionem nicht vorhersehbar, welche konkreten Wirkungen von ihnen zu erwarten sind. Allerdings kann versucht werden, die Emergenz insofern zu kanalisieren und zu nutzen, als man Aufgabenstellungen bzw. Themen unternehmungsseitig formuliert und die entstehenden Ideen aufgreift, bewertet und nutzt. Tagesgeschäft und Wandel werden dann eng miteinander verzahnt. Im Idealfall wird die übliche Trennung von Primärorganisation und Sekundärorganisation aufgehoben. Das ‚Sekundäre’ (Verbesserungen/Wandel) und das ‚Primäre’ (Tagesgeschäft) werden integriert. Wie solche abstrakten Postulate in die Tat umzusetzen sind, zeigt das folgende Beispiel. Beispiel: Das Produktions-Lern-System (PLS) in Motorenwerken der Daimler AG (vgl. zum Folgenden vgl. FAZ vom 19./20.7.2008). Die Werker in- und ausländischer Motorenwerke von Daimler verbessern ihre Kenntnisse mithilfe der Elektronik direkt am Arbeitsplatz. Im Werk stehen hierzu Terminals, die über das Internet gesteuert werden. Im Mannheimer Werk kommt ein Terminal auf etwa zehn Mitarbeiter. Für jeden Arbeitsplatz zeigen die Geräte Anleitungen für die an der jeweiligen Maschine gerade anstehenden Tätigkeiten an. Auf die Weise ist das gesammelte Erfahrungswissen für jeden Einzelnen in Portionen
Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration)
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abrufbar. Die Beschreibungen sind mit kurzen Sätzen sowie einfachen Bildern und Grafiken standardisiert. Die Besonderheit besteht darin, dass die Werker als Nutzer des Systems die Inhalte selbst erstellen bzw. verbessern. Basis hierfür sind Verbesserungsvorschläge, die sie von überall her in das System eingeben können. Redaktionsteams, bestehend aus je einem Meister und zwei oder drei Facharbeitern, bearbeiten die Inhalte und pflegen sie in das System ein. Das PLS tritt so an die Stelle von dicken Bedienungsanleitungen, eigenen Zettelsammlungen oder der mühsamen Suche nach einem fachkundigen Kollegen. Die Vorteile machen sich bei hoch individualisierter Fertigung besonders bemerkbar, da dort unterschiedliche Maschinen zum Einsatz kommen und unterschiedliche Kundenspezifikationen zu erfüllen sind. Neben diesem lexikonartigen Einsatz wird das PLS auch systematisch zur Qualifizierung sowie zur Umschulung genutzt. Fünf nachprüfbare Weiterbildungsstufen, verknüpft mit Aufstiegsmöglichkeiten, bieten Anreize für die Werker. Für Daimler bestehen zählbare Ergebnisse in gesunkenen Fehlerzahlen und kürzeren Unterbrechungszeiten. Dieses Beispiel zeigt zum einen sehr eindrucksvoll, dass sich der Community-Gedanke nicht nur auf die vielzitierten ‚Wissensarbeiter’ oder ‚reifen Konsumenten’ anwenden lässt. Zum anderen wird auf handfeste Weise deutlich, was es heißen kann, ‚Tagesgeschäft’ und ‚Wandel’ miteinander zu verbinden. Allerdings sind auch die organisatorisch-technischen sowie personellen Bedingungen zu erkennen, die eine Unternehmung schaffen muss, um derartige Wirkungen zu erzielen.
3.7 Interne Verbesserungs- und Innovationsinitiativen Kollektive Lern- und Veränderungsprozesse sind typischerweise durch viele kleine Schritte gekennzeichnet, stehen also für den Strom evolutionären Wandels einer Unternehmung. Interne virtuelle Kooperation kann in anderer Form auch für tiefer gehende Verbesserungen und Innovationen genutzt werden. Dies verlangt, dass die Unternehmungsspitze zunächst die Ziele setzt und geeignete Themengebiete bzw. Aufgabenstellungen festlegt. Diese Inhalte der jeweiligen Initiative sind unternehmungsweit zu kommunizieren (abwärtsgerichteter Vorlauf, ‚intendierter Prozess’). Wer Beiträge leisten kann, tut dies in einem virtuellen Workspace. Die Bemerkungen, Anregungen und Ideen werden ausgewertet und zu konkreten Projekten verdichtet (aufwärtsgerichteter Rücklauf, ‚emergenter Prozess’). Bezogen auf den Wandlungsprozess bedeutet dies aus Sicht der Spitze, dass sie nach erfolgter Initialisierung in die Konzipierungsphase einsteigt und hierfür im virtuellen Workspace das kollektive Wissen aller Unternehmungsmitglieder anzapft. Im Vergleich mit herkömmlichen Managementmethoden handelt es sich um eine besondere Form von Kreativitätstechnik, eine Art ‚kollektiven Brainstormings’. Hier wie dort sind kreativitätsfördernde Spielregeln einzuhalten, und es ist der Einsatz von Moderatoren vorzusehen, um die Diskussion zu strukturieren und voranzutreiben. Im Anschluss an den virtuellen Teil der Konzipierung wird in herkömmlicher Form weitergearbeitet: Es sind Projektaufgaben für die Umsetzung zu definieren, die Projekte sind personell und organisatorisch zu regeln und zu priorisieren (Quick Wins, Basisprojekte, Folgeprojekte). Die Bedeutung von gesonderten Informations- und Mobilisierungsmaßnahmen nimmt ab, denn das Verfahren eines virtuellen Workshops erfüllt im Erfolgsfall zugleich Mobilisierungsfunktionen, so dass die Umsetzung zeitnah und zügig erfolgen kann.
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Wie das folgende Beispiel zeigt, können mittels geeigneter IT mittlerweile sogar weltumspannende Brainstormings mit Zehntausenden von Teilnehmern organisiert werden. Beispiel: Innovation-Jam bei IBM. IBM praktiziert seit 2001 weltweite Brainstormings, für die eigene Hard- und Software eingesetzt und entwickelt wurde. In Anlehnung an die Improvisationssessions von Jazzmusikern, die sog. Jam Sessions, trägt das Konzept die Bezeichnung JAM. Seit 2007 wird dieses inzwischen erprobte und standardisierte Verfahren auch den Kunden der IBM angeboten. So profitieren auch so unterschiedliche Unternehmungen wie die AXA Versicherung und Daimler vom JAM-Konzept. Im Folgenden wird der in 2006 durchgeführte Prozess eines auf Innovation ausgerichteten JAM bei der IBM beschrieben (nach Bjelland/Wood, 2008). Er umfasste 150.000 Teilnehmer aus 67 Firmen in 104 Ländern! Acht Phasen wurden insgesamt durchlaufen: Phase 1 – Ziele identifizieren: Das Topmanagement legt die angestrebten Ergebnisse des JAM fest. Phase 2 – Bestimmen der Themenfelder: Die verschiedenen Aufgabengebiete und Fragestellungen für das Brainstorming werden bestimmt. Hier handelte es sich um 25 Technologie-Cluster, über die diskutiert werden sollte, so z. B. Anwendungen für Supercomputer, die Entwicklung der globalen Collaboration für Unternehmungen sowie das gleiche Thema für Einzelpersonen. Phase 3 – Webseiten aufbauen, Basisinformationen bereitstellen: Die technischen Installationen für das JAM werden vorgenommen. Auf den entsprechenden Webseiten können sich Interessenten nun über das Vorhaben informieren, sich registrieren lassen und Hintergrundinformationen über die unterschiedlichen Cluster einsehen. Phase 4 – Erste JAM-Runde: Für die Arbeit an den 25 Clustern sind im virtuellen Workspace Foren und Wikis geöffnet. Nun finden 72 Stunden lang rund um den Globus online und in Echtzeit interaktive Diskussionsprozesse statt. Experten und Topmanager von IBM stehen hierfür zur Verfügung. Moderatoren steuern die Prozesse, im Hintergrund wird an der Auswertung gearbeitet. Phase 5 – Review der ersten JAM-Runde: Spezialisten werten die Beiträge (Postings) aus und ordnen sie zu Clustern. Hierfür werden auch Textanalysetools eingesetzt. Die Ideen werden zu möglichen Änderungsvorhaben (Programmen/Projekten) verarbeitet. Phase 6 – Zweite JAM-Runde: Drei Monate später wird in diesem Fall ein zweites Brainstorming durchgeführt, das die Möglichkeit bietet, die geordneten Ideen aus der ersten Runde zu überarbeiten und zu konkretisieren, so z. B. in dem neu gebildeten Projektcluster ‚staying healthy’. Phase 7 – Review der zweiten JAM-Runde: Die Brainstorming-Resultate werden erneut analysiert und strukturiert. Daraus werden solche Vorhaben abgeleitet, die zu den Zielen und dem Produkt-Portfolio von IBM passen. Phase 8 – Vorbereiten neuer Geschäfte: Der Vorstand von IBM beschließt ein Budget von 100 Mio. $ zur Entwicklung und zum Aufbau von insgesamt zehn neuen Geschäftseinhei-
Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration)
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ten. Eine davon, ‚Big Green’, widmet sich mittlerweile sehr erfolgreich Innovationen im Umweltschutzbereich.
4
Geschäftsmodelle und ihre collaborative Veränderung
4.1 Charakteristik von Geschäftsmodellen Die bisherigen Beispiele und Überlegungen behandelten im Kern Einsätze des Web 2.0 im Rahmen existierender Strategien und Geschäftsmodelle. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich nun, dass durch Collaboration auch die Geschäftsmodelle selbst eine Veränderung erfahren können. Dies kann wiederum zu strategischen Konsequenzen führen. In jedem Fall steigt dadurch die Bedeutung dieser Art der Interaktion weiter an. Diesem Gedankengang soll abschließend gefolgt werden. Kurzgefasst ist ein Geschäftsmodell die Vorstellung von Geschäftseinheiten bzw. Geschäftspartnern davon, wie ihr Geschäft Nutzen stiftend für die Beteiligten zu betreiben ist. Das Geschäftsmodell in dem hier gewählten Begriffsverständnis hat instrumentellen Charakter im Verhältnis zur Wettbewerbsstrategie, in der bekanntlich insbesondere festzulegen ist, welche Produkte auf welchen Märkten angeboten werden sollen und worin der angestrebte Wettbewerbsvorteil bzw. Kundennutzen bestehen soll. Eine Wettbewerbsstrategie ist ohne funktionsfähiges Geschäftsmodell nicht realisierbar; ein Geschäftsmodell ist ohne Wettbewerbsstrategie nicht gestaltbar. Ein arbeitsfähiges Geschäftsmodell muss unverzichtbar vier Kernfragen klären, deren Beantwortung demgemäß zu vier Teilmodellen führt (vgl. Bach/Buchholz/Eichler, 2003, S. 12): 1. Wie sehen die Prozesse aus, die den angestrebten Kundennutzen stiften (Prozessmodell, z. B. Wertkette/Produzent oder Wertnetz/Intermediär)? 2. Wer übernimmt welche Teile der Prozesse (Teilnehmermodell, z. B. Lieferanten, Kunden, Wettbewerber)? 3. Wie werden Erlöse erzielt (Erlösmodell, z. B. Leistungspreis, Gebühr, Werbeeinnahmen, Sponsoring)? 4. Wie werden Transaktionen abgewickelt (Transaktionsmodell, z. B. Festpreisangebote, Verhandlung, Ausschreibung, Auktion)? Collaboration ist ein Mechanismus der Kooperation und Koordination und betrifft daher vor allem Teilnehmer- und Prozessmodell, also diejenigen Teile des Geschäftsmodells, die Aktivitäten und Träger der Wertschöpfung festlegen und damit einen Rahmen für die organisatorische Gestaltung schaffen. Im Hinblick auf das Prozessmodell lassen sich drei verschiedene Typen als Strukturmuster der Wertschöpfung unterscheiden: Wertkette, Wertzyklus und Wertnetz (vgl. Krüger, 2004, S. 64 ff.). Im Folgenden wird lediglich auf den bekannten Typ der Wertkette eingegangen, um daran exemplarisch die Wirkungen der Collaboration zu untersuchen.
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Das Vorstellungsmodell der Wertkette hat seinen Ursprung in der industriellen Produktion. Wert entsteht in diesem Fall durch Be- und Verarbeitung von Inputs (z. B. Rohstoffe, Materialien, Teile) zu marktfähigen Produkten. Die einzelnen Bearbeitungsschritte (z. B. Beschaffung, Produktion, Montage) reihen sich aneinander, woraus sich das Bild der Kette ergibt. Wertketten können unterschiedliche prozessuale Organisationsformen aufweisen. So unterscheidet z. B. Heuskel die Formen Integrator, Schichtenspezialist, Orchestrator und Innovator (vgl. hierzu Heuskel, 1999, S. 65 ff.), mit denen insgesamt ein breites Spektrum realer Formen abgedeckt wird. Zusätzlich werden im Folgenden noch die Figur des Prozess-Managers sowie des Infrastrukturmanagers eingeführt. Mit ihrer Hilfe wird den Entwicklungen der letzten Jahre Rechnung getragen. 4.2 Integrator Der herkömmliche Produzent organisierte alle Teile der Wertkette und führte sie auch selbst durch. Er verhielt sich damit als ‚Integrator’. Lediglich am Beginn und Ende der Kette gab es externe Schnittstellen zu Lieferanten bzw. Kunden. Die Transaktion fand über den Markt anhand von Festpreisangeboten oder verhandelte Preise statt. Diese Kettenstrukturen unterliegen seit einiger Zeit weithin einer Entflechtungstendenz, da sich Unternehmungen auf ihre Kernfähigkeiten und die entsprechenden Glieder der Wertkette konzentrieren. Zunächst sind davon Randfunktionen betroffen: Outsourcing von Aufgaben wie Lohnabrechnung, Kreditoren-, Debitoren- und Anlagenbuchhaltung. Mehr und mehr stehen aber auch solche Funktionen zur Disposition, die eigentlich Kernfunktionen eines ‚Produzenten’ sind, wie Beschaffung, Produktion, Montage. Aus Einkaufsabteilungen z. B. werden ProcurementUnternehmungen, die weltweit die günstigsten Lieferanten suchen und Bestellungen abwickeln. Zu erwarten ist, dass durch das Web 2.0 der Druck in Richtung auf eine Entflechtung der Wertketten weiter zunimmt. Im Gegenzug entstehen weitere Netzwerkstrukturen. Integratoren, die diesem Druck entgehen wollen, könnten den virtuellen Workspace allerdings für eine Verstärkung der internen wie externen Verbesserungs- und Entwicklungsprozesse nutzen. Davon könnten vor allem kleine und mittlere Unternehmungen profitieren (KMU), die typischerweise über eine hohe Fertigungstiefe verfügen und daraus ihre besonderen Wettbewerbsvorteile schöpfen. Auf die Weise ließen sich die traditionellen Flexibilitäts- und Innovationsvorteile der KMU verteidigen. Die erläuterten Firmenbeispiele von Swarowski wie Doppelmayr lassen sich in dieser Richtung interpretieren. Zwar verschärft sich für integrationsorientierte KMU die Wettbewerbssituation. Zugleich aber bietet ihnen die Technik des Web 2.0 neue Möglichkeiten der Kundenbindung bis hin zu einer Koevolution mit Lieferanten und Kunden, wie sie eine Großunternehmung schwerlich aufbringen kann. 4.3 Schichtenspezialist Solche Einheiten, die auf einzelne Glieder der Wertkette (Wertschichten) spezialisiert sind, werden als ‚Schichtenspezialist’ (‚Layer Player’) bezeichnet. So entstehen durch die vielfältigen Entflechtungsaktivitäten seitens der Integratoren z. B. ‚Beschaffer’; ‚Entwickler’; Designer’. Der Spezialist wächst durch Übertragung seines Angebotes auf andere Integratoren der gleichen oder anderer Branchen (sog. Business Migration).
Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration)
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Virtuelle Kooperation kann – wie auch im Falle des Integrators – zur Verbesserung der eigenen organisationalen Fähigkeiten und damit zur Stärkung der Wettbewerbsposition beitragen. Die Koordinationsleistung der Collaboration kann vor allem aber für den Verbund mit anderen Spezialisten in einem Unternehmungsnetzwerk genutzt werden. Das Beispiel von Supply On zeigt diesen Ansatz. In der externen Koordination dürfte ein Spezifikum der Collaboration für den Schichtenspezialisten liegen, da er zwangsläufig wesentlich stärker auf Verbundwirkungen angewiesen ist als ein Integrator. Im Grenzfall arbeitet er auch mit Wettbewerbern zusammen. Dadurch kommt es zum Phänomen der ‚Coepetition’. Das Netzwerk insgesamt verschärft damit den Wettbewerb zu anderen Anbietern, insbesondere zu Integratoren. 4.4 Prozessmanager Bezogen auf die Struktur der Ausgangskette kann eine Spezialisierung nicht nur auf ein Kettenglied erfolgen, wie dies beim Spezialisten der Fall ist (vertikale Spezialisierung), sondern auch auf einzelne Teilaufgaben, die sich entlang der Kette bewegen (horizontale Spezialisierung). In der Praxis sind zwei Varianten besonders auffallend, hier als Prozessmanager und Infrastrukturmanager bezeichnet. Der Prozessmanager ist darauf spezialisiert, durchgehende Teilprozesse über mehrere Wertschichten hinweg zu organisieren und zu betreiben, so z. B. die modernen Logistikunternehmungen, die das Supply Chain Management übernehmen. Der Prozessmanager erfüllt insofern einen Teil der Integrationsaufgaben des Integrators bzw. integriert die Arbeit von Schichtenspezialisten. Er wächst entweder durch Integration weiterer Kettenglieder in seine Prozesse (Vorwärts- bzw. Rückwärtsintegration) oder wie der Spezialist durch Übertragung seines Angebotes auf andere Branchen. Mögliche Auswirkungen der Collaboration ergeben sich dadurch, dass Prozesse virtuell transparenter und besser beherrschbar gemacht werden können. In bereits vorhandenen Prozessen können die Transaktionskosten gesenkt werden. Die Integration von weiteren Wertschichten wird erleichtert. Dies begünstigt indirekt wiederum die Entflechtung von Wertketten des Integrators. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass sich durch Collaboration die Chancen des Prozessmanagers erhöhen. 4.5 Infrastrukturmanager Der Infrastrukturmanager übernimmt die Konzipierung, die Errichtung sowie das Betreiben (Warten, Sichern, Versorgen) baulicher bzw. technischer Infrastrukturen für andere Unternehmungen, in der Praxis z. B. besonders vertreten in der Bauindustrie. Von Verwaltungsgebäuden über Botschaftsgebäude bis hin zu Flughäfen reicht hier die Palette sog. BO- oder BOT-Modelle (Built, Operate, Transfer). In diesem Geschäftsmodell werden ursprüngliche Unterstützungsaktivitäten eines Integrators professionalisiert und zu einem eigenen Geschäft gemacht. Dies erleichtert einem Schichten-Spezialisten oder einem Integrator die Konzentration auf seine jeweiligen Primäraktivitäten. Der Infrastrukturmanager wächst entweder durch Integration weiterer Dienstleistungen in sein Angebot (Programmerweiterung) oder auch durch Business Migration.
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Das Web 2.0 kann ihm intern helfen, ein Leistungsangebot „aus einer Hand“ aufzubauen. Extern sollten die Schnittstellen zum Kunden besser auszugestalten sein. Auch dieses Geschäftsmodell kann also durch Collaboration nur an Attraktivität gewinnen. 4.6 Orchestrator Als Ergebnis einer weitreichenden Entflechtung konzentriert sich z. B. eine seitherige Industrieunternehmung auf Produktentwicklung/Design einerseits, Vermarktung der Produkte andererseits (so z. B. Nike, Puma, Smart). Partnerfirmen, mit denen man in einem Netzwerk zusammenarbeitet, übernehmen die anderen Teile der Wertkette. Logistikunternehmungen verbinden die Kettenglieder. Nunmehr gibt es zahlreiche Schnittstellen und eine Vielzahl unterschiedlicher Teilnehmer, innerhalb wie außerhalb des Netzwerks. Der Produzent muss sich von der Rolle des Integrators lösen und die eines ‚Orchestrators’ übernehmen. Dabei ist offen, welches Transaktionsmodell Anwendung findet. Ausgehandelte, langfristig gültige Preise treten ebenso auf wie Auktionen, bei denen Teilnehmer z. B. um Aufträge in einem Bietverfahren konkurrieren. Das Web 2.0 dürfte dynamische Transaktionen erleichtern. Der Orchestrator konzipiert, organisiert und steuert die Wertschöpfung, fungiert also primär als eine Form des Netzwerkmanagers. Spezialisten arbeiten mit ihm im Verbund zusammen. Der Orchestrator profitiert wie das gesamte Netzwerk von den bereits erwähnten Kooperations- und Koordinationspotentialen des Web 2.0. Insgesamt dürften daher auch Orchestratoren relativ zum Integrator durch Collaboration stärkere Vorteile erzielen. 4.7 Innovator Eine besondere Rolle in dieser Typologie der Prozessmodelle spielt der sog. ‚Innovator’. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er neue Geschäftsideen bzw. neue Geschäftsmodelle verwirklicht. Durch seine Aktivitäten werden neue Märkte geschaffen oder die Spielregeln vorhandener Märkte verändert. Bereits die Möglichkeiten des Web 1.0 haben zahlreiche innovative Lösungen erbracht, so z. B. die Vielzahl elektronischer Marktplätze und Auktionshäuser. Mit Hilfe des Web 2.0 erweitert sich der kreative Spielraum für innovative Köpfe noch einmal erheblich. Besonders bemerkenswert erscheint dabei die Tatsache, dass auch die herkömmliche, festgefügte Arbeitsteilung innerhalb der Wertschöpfungsarchitektur aufgehoben werden kann, bis hin zur Figur des ‚Prosumenten’, eines Kunden also, der nicht nur kauft und konsumiert, sondern auch aktiv in die Rolle des Produzenten eingreift. Ein mittlerweile recht bekanntes Beispiel hierfür ist Threadless, eine T-Shirt-Unternehmung. Nutzer stellen Designentwürfe ins Netz, andere Nutzer bewerten diese, nehmen Verbesserungsvorschläge vor und erklären gegebenenfalls ihr Kaufinteresse. Threadless lässt die besten Entwürfe drucken und verkauft für 15 $ monatlich etwa rund 60.000 Shirts (vgl. Reichwald/Möslein/Piller 2008, S. 101 f.). Für Deutschland, das Land der Brauereien, mag ein Beispiel aus Australien interessante Hinweise liefern, welches in nachfolgender Abbildung zusammengefasst wird.
Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration)
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2002:
Der australische Biermarkt wird von zwei Großbrauereien beherrscht
Liam Mulhall, ehemals Linux-Berater, eröffnet eine Website mit Community-LogIn-Funktion und verschickt 140 Mails an seine Kontaktpersonen: „Wer will mitmachen, binnen 13 Wochen eine neue Biermarke zu entwickeln? Wir entscheiden gemeinsam über Geschmack, Name, Farbe der Flasche, Layout des Etiketts, Preis, Vertriebswege etc. Jeder kann Vorschläge machen. Die Koordinatoren lassen über jeden wichtigen Entwicklungsschritt online abstimmen. Wer mitmacht, bekommt für jede Abstimmung eine Brewtopia-Aktie. Das Gleiche gilt für jeden Freund, der ebenfalls mitmacht.“
Ergebnis nach wenigen Wochen:
16.000 Teilnehmer: Lager-Bier in braunen Flaschen und bunten Kisten, mittleres Preissegment, Marke „Blowfly“
Bald danach 1.000 Kisten pro Monat ohne Werbung etc.
2006:
Brewtopia geht an die Börse
2008:
Brewtopia versendet Bier, Wasser und Wein in 50 Länder
Spezialität: personalisierte Getränkelabel; Kunde kann das Label online kreieren Abb. 3: Das Beispiel Brewtopia Quelle: Ramge, 2008, S. 70 ff.
5
Ergebnisse 1.
Virtualisierung des Unternehmungsgeschehens: Die Anwendungen des Web 2.0 nutzen Intra- und Internet als Infrastruktur und ‚Betriebssystem’. Dies führt dazu, dass letztlich der gesamte physische Unternehmungsprozess eine virtuelle Dimension erhält! Physische und virtuelle Interaktion ergänzen und durchdringen einander. Es entsteht ein Unternehmungstyp, der mit dem Schlagwort Enterprise 2.0 angemessen beschrieben ist. Virtuelle Interaktion (Collaboration) führt zu organisatorischen Veränderungen in der Arbeitsteilung und Koordination innerhalb und zwischen Unternehmungen. Um das Ergebnis zu charakterisieren, erscheint die Bezeichnung ‚Organisation 2.0’ keineswegs übertrieben. Davon betroffen sind alle Ebenen und Einheiten der Organisation. Es beginnt mit der Organisation der gesamten Wertkette, vom Lieferanten bis zum Kunden, also der Makroorganisation. Die Reichweite der organisatorischen Gestaltung, also das Tätigkeitsfeld der Organisationsverantwortlichen, ist damit endgültig auf die gesamte Wertschöpfungs-
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architektur zu beziehen. Die Änderungen setzen sich fort mit der Mesoorganisation, also der Gestaltung der Prozessorganisation und der Organisationseinheiten. Das Ganze wird getragen von der Mikroorganisation, also den einzelnen Stellen, Teams, Arbeitsgruppen und Abteilungen, die als Arbeitsebene nun auch collaborativ zusammenarbeiten. 2.
Einbindung externer Aufgabenträger: Zunächst fällt auf, dass die Grenzen von ‚intern’ und ‚extern’ mehr und mehr durchbrochen werden, eine Entwicklung, die mit dem Web 1.0 bereits begonnen hatte. Dies bedeutet keineswegs, dass eine Unternehmung nunmehr ‚grenzenlos’ ist. Vielmehr kann sie heute praktisch ‚unbegrenzt’ in produktive Austauschbeziehungen mit Externen treten, insbesondere natürlich mit ihren Marktpartnern. Die Einbindung der Marktpartner erstreckt sich neben den Standardprozessen zunehmend auch auf Prozesse der Produktentwicklung und Produktverbesserung, sowohl auf Kunden- wie auf Lieferantenseite. Eine Unternehmung kann Aufgaben wie Produktinnovation oder Design externalisieren und an eine Kunden- oder Wissensgemeinschaft im Netz übertragen. Dabei kann es im Grenzfall zu einem Rollentausch von ‚Produzent’ und ‚Konsument’ kommen.
3.
Integration der Unternehmungsaufgaben und -prozesse: Manche Prozesse werden erstmals ermöglicht, andere standardisiert und beschleunigt, wieder andere führen zu qualitativ besseren Ergebnissen. Vor allem aber wird die Kopplung und Integration bisher getrennter Prozesse verbessert, z. B. Auftragsabwicklung und Produktentwicklung oder Montage, Produktverbesserung und Personalentwicklung. Die vier Felder der eingangs diskutierten Aufgabenmatrix lassen sich durch das Web 2.0 geradezu zwanglos miteinander verbinden. Besonders markant erscheinen dabei die Möglichkeiten einer engen Kopplung von ‚Routineprozessen’ und ‚Innovations- und Veränderungsprozessen’ wie für externe Prozesse am Beispiel der SUPPLY ON, für interne am Beispiel der DAIMLER AG zu sehen.
4.
Vertikale Integration der Organisationseinheiten: Integrativ wirken nicht zuletzt auch die organisatorischen Verbindungsmöglichkeiten von ‚oben’ und ‚unten’, die sich mittlerweile selbst für eine konzernweit bzw. weltweit arbeitende Aufbauorganisation ergeben, siehe das Konzept des IBM-Jam. Dabei ist die Nutzung der virtuellen Kooperation keineswegs auf Spezialisten und Wissensarbeiter beschränkt. Wie sehr durch eine intelligente Vernetzung selbst der Werker in der Montagehalle mobilisiert und zugleich motiviert und gefördert werden kann, zeigt das DAIMLER- Beispiel.
5.
Gesteigerte ‚Economies of Speed“: Organisatorische Integration ist kein Selbstzweck, sondern die Basis für Effizienzvorteile. Zu nennen sind zunächst Zeit- und Beschleunigungsvorteile (Economies of Speed). Sie zeigen sich an vielen der erläuterten Beispiele. Sei es die Zeitdauer eines Produktinnovations- oder Produktverbesserungsprozesses (‚Time to Market’) oder der unternehmungsweiten Kommunikation und Umsetzung eines Projektergebnisses. Eine beliebig große Zahl von Beteiligten kann zeitgleich erreicht und aktiviert werden.
Formen und Folgen virtueller Interaktion (Collaboration)
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6.
Umgestaltung der Geschäftsmodelle: Eine besondere Wucht erhalten die Konsequenzen von ‚Organisation 2.0’, wenn man sich die möglichen Folgen für die verschiedenen Geschäftsmodelle vor Augen führt. Insbesondere können Wertketten stärker denn je entflochten werden, um die Vorteile der überbetrieblichen Arbeitsteilung und Spezialisierung zu nutzen, also z. B. Kosten- und Qualitätsvorteile zu erzielen (betr.: Economies of Scale and Scope). Und dies kann erreicht werden, ohne den üblichen Anstieg der Koordinationskosten und -probleme in Kauf nehmen zu müssen. Die erwähnten Integrationspotentiale der Collaboration erweitern die Gestaltungsmöglichkeiten der Wertschöpfungsarchitekturen und damit der Geschäftsmodelle erheblich. Schließlich können nicht nur bestehende Geschäfte innoviert, sondern sogar neue Geschäfte collaborativ begründet werden, wie das Beispiel von Brewtopia zeigt.
7.
Verbesserte Wandlungs- und Entwicklungsprozesse: Die vielfältige Integration von Standardprozessen und Entwicklungs- und Verbesserungsprozessen ist nicht minder auffällig und bedeutsam. Geschäftsprozesse und Veränderungsprozesse werden verzahnt. Geschäftspartner, Wissensgemeinschaften und Mitarbeiter werden in das Geschehen eingebunden, mobilisiert und motiviert. Sie können ihr Wissen und ihre Ideen zwanglos, unbürokratisch und umsetzungsnah einbringen. Auch dies kann ‚unbegrenzt’ geschehen. Teil dieser Entwicklung ist der mögliche Rollenwechsel zwischen Produzent und Konsument sowie die Figur des Prosumenten. Bestehende Produkte und Prozesse werden verbessert, neue entstehen. Das Management des Unternehmungswandels hat mit dem Web 2.0 neue Möglichkeiten für die Initialisierung, Entwicklung und Umsetzung von Veränderungsprozessen in der Hand. Spätestens an dieser Stelle ist auf einen Aspekt aufmerksam zu machen, der es definitionem in den Beispielen nicht zum Ausdruck kommen konnte, seiner Bedeutung wegen aber besondere Beachtung verdient: es geht um emergente Prozesse. Mit Emergenz werden bekanntlich solche Entwicklungen bezeichnet, die sich eigengesetzlich, also ungeplant und unvorhersehbar in einem System vollziehen. Immer wieder wird auch aus Unternehmungen über Beispiele dafür berichtet, dass sich völlig neue Ideen und Produkte abseits der offiziellen Linien und Pläne entwickeln. Die virtuellen Austauschmöglichkeiten können grundsätzlich auch weitere Chancen dafür bieten, dass sich emergente Prozesse entwickeln. Insofern stellt das Web 2.0 auch eine Art ‚Emergenzplattform’ dar, worauf insbesondere Mc Afee frühzeitig hinwies (vgl. McAfee, 2006). Diese Feststellung unterstreicht hier den Punkt der verbesserten Wandlungs- und Entwicklungsprozesse.
8.
Web 2.0 als Investition: Wie jede Technik ist auch das Web 2.0 nicht kostenlos zu haben. Die virtuelle Interaktion benötigt eine technische, organisatorische und personelle Infrastruktur, die aufgebaut, gepflegt und betreut werden muss. Dafür fallen Anschaffungs- und Folgekosten an. Zu erwarten ist allerdings dennoch, dass es sich bei Collaboration nicht um eine Frage des ‚Ob’, sondern des ‚Wie’ handelt.
9.
Web 2.0 als Teil eines Gesamtkonzepts: Dabei darf ein eigentlich selbstverständlicher Aspekt allerdings nicht vergessen werden: Für das Web 2.0 gilt wie für jeden Technikeinsatz, dass sich der Nutzen der Technik erst durch ein klares Nutzungs-
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Wilfried Krüger
konzept erschließt (einschlägige, praxisnahe Empfehlungen für Führungskräfte liegen vor, vgl. z. B. Chui/Miller/Roberts, 2009). Die Ziele und Aufgabengebiete sowie die Nutzungsprozeduren müssen bestimmt und umgesetzt werden. Und bei allem ist ein intelligenter Mix der verschiedenen Interaktionsformen und -techniken zu beachten (dies zeigt auch die Expertenbefragung von Reiß, 2009, sehr deutlich). Das Web 2.0 kann nicht isoliert gesehen und betrieben werden. Herkömmliche Formen des Kontakts, des Vertrauensaufbaus und der Interaktion werden keineswegs entbehrlich. Sie bilden teilweise sogar eine notwendige Erfolgsvoraussetzung. Dies gilt für ein virtuelles Team ebenso wie für eine virtuelle Unternehmung. Nur durch die Einbettung in ein Gesamtkonzept kann das Web 2.0 seinen Nutzen entfalten. Sonst führt die Investition nur zu einer weiteren ‚Elektronifizierung des Ist-Zustands’. 10. Collaboration als Führungsaufgabe: Letztlich stellt damit das Web 2.0 die Führungskräfte aller Ebenen ein weiteres Mal vor neue Herausforderungen, denen sie begegnen müssen, um die Chancen der Technik zu nutzen. Dies betrifft nicht nur die zu klärenden Sachfragen, wie die Bestimmung der Nutzungskonzepte, sondern auch die Entwicklung und Pflege einer offenen, kooperationsorientierten Führungskultur. Ganz abgesehen von der aktiven Aneignung des notwendigen ITWissens. 11. Web 2.0 als Beitrag zur Zukunftsfähigkeit: Die Analysen dieses Beitrags zeigen typisierend Formen der Collaboration und deren mögliche Folgen und Vorteile auf. Das Web 2.0 besitzt erhebliche Anwendungs- und Wirkungspotentiale, dies zeigen alle Beispiele eindringlich. Die möglichen Folgen gehen über messbare Verbesserungen von Kosten, Zeit und Qualität hinaus, auch wenn diese schon für sich genommen beeindruckend sind. Wie insbesondere die Analyse der Geschäftsmodelle deutlich macht, kann Collaboration darüber hinaus strategische Konsequenzen entfalten. Insofern stellt das Web 2.0 – intelligente Nutzung immer vorausgesetzt – eine ‚strategische Waffe’ dar, einsetzbar in verschiedenste Richtungen. 12. Aggregiert betrachtet, besteht der Nutzen des Web 2.0 jedoch darin, die Zukunftsfähigkeit der Unternehmung stärken zu können. Dies resultiert daraus, dass sich durch virtuelle Interaktion die Entwicklungs-, Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit des ‚Systems Unternehmung’ verbessern lassen. Die immer wieder erhobene Forderung, dass sich Unternehmungen kontinuierlich schrittweise wandeln müssen, statt in längeren Abständen umbruchartige Veränderungen zu organisieren, ist damit einer Realisierung näher gerückt. Und in dieser nachhaltigen Wandlungsund Evolutionsfähigkeit liegt die Zukunftsfähigkeit von Unternehmungen begründet. Insofern sind die Wirkungspotentiale der Collaboration kaum zu überschätzen.
Aufbau einer neuen Organisationsstruktur im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses Alexander Grewe und Christian E. Lauterbach
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Herausforderungen in Fusionsprozessen aus organisatorischer Sicht
Ein Unternehmenszusammenschluss stellt eine große Herausforderung für die beteiligten Inhaber, verantwortlichen Führungskräfte als auch Mitarbeiter dar. Unabhängig von der Motivation, die zu einem Zusammenschluss führt (z. B. produkt- und kostenseitige Synergiepotenziale zu heben, finanzielle Möglichkeiten für ein Wachstum zu erhöhen, altersbedingtes Ausscheiden von Inhabern etc.), stehen die, z. B. im Rahmen einer Due Diligence, errechneten Vorteile häufig in einem Gegensatz zu den ex-post auftretenden Bedarfen einer „strukturellen Fusion“ der beteiligten Unternehmen. Hierbei ergeben sich neben unterschiedlichen Auffassungen im Hinblick auf aufbauorganisatorische Fragestellungen auch Divergenzen aus der Tatsache heraus, dass Alt-Unternehmenskulturen unterschiedlicher Ausgestaltung aufeinander treffen. Diese Alt-Kulturen zeichnen sich insbesondere im Hinblick auf ein unterschiedliches Führungsverständnis aus, das wiederum eine andere Auffassung über die Selbstverantwortung der Mitarbeiter, deren direkte Kundenverantwortung oder auch unterschiedliche Vergütungs- bzw. Beteiligungsmodelle implizieren kann. Unternehmungskulturen bilden sich über einen längeren Zeitraum und verankern akzeptierte und gelebte Verhaltensmuster in den Rollen und Verhaltensweisen aller beteiligten Akteure. Durch einen Unternehmenszusammenschluss kommt es zu einer „Störung“ dieser kulturellen Ordnung durch neue Anforderungen an die Organisationsstruktur. Dabei sind unterschiedliche Geschwindigkeiten zu berücksichtigen, denn die neue Struktur mit geänderten Verantwortlichkeiten, neuen Systemen sowie einem neuen prozessualen Verständnis führt in der Folge zu neuen Formen der Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit stützt sich allerdings häufig auf den Erfahrungen und der gelebten Kultur des Alt-Unternehmens der betroffenen Mitarbeiter. Neue Anforderungen werden mit dem Wertesystem und den „alten“ sichtbaren und unsichtbaren Aspekten der Unternehmenskultur begegnet. Dieser „clash“ wird in vielen Fusionsprozessen dadurch verstärkt, dass eine zum Teil neue personelle Besetzung von Schlüsselpositionen ebenfalls andere Vorgehensweisen und Ansprüche einbringt. Eine solche Neu-Ordnung und die damit einhergehenden Unsicherheiten aufgrund fehlender Vertrauensbasen zwischen den Akteuren stellen hohe Anforderungen an das Management des Fusions- bzw. Integrationsprozesses dar. Erfolgsfaktoren wie der Einbezug der Vorstellungen von Führungskräften und Mitarbeitern in Change-Workshops oder vertrauensbildende Maßnahmen wie z. B. Teamevents oder ein wohl durchdachtes Kommunikationssystem über alle Mitarbeiterebenen werden häufig unterschätzt. So kann es zu ersten „Storming“-Phasen eines Unternehmenszusammenschlusses kommen, die unserer Erfahrung oft nach in einem Zeitraum von 6-9 Monaten nach Zusammenschluss sichtbar werden.
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_10, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Alexander Grewe und Christian E. Lauterbach
Die Intensität dieser „Storming“-Phasen ist abhängig von den eingesetzten Methoden im Rahmen einer Fusion und der neuen gelebten Kommunikation zwischen allen Beteiligten. 2
Ziele einer externen Beratung in Fusionsprozessen und Ausgangssituation eines Fallbeispiels
Im Rahmen von Fusionsprozessen werden oft externe Beratungen hinzugezogen, um zum einen konzeptionellen Input zu geben und andererseits den Findungsprozess auf der Arbeitsebene (sowohl strategische als auch stark operativ geprägte Fragestellungen) zu moderieren. Externen kommt hierbei die Rolle „neutraler Dritter“ zu, die sowohl über Expertise in ähnlichen Prozessen verfügen als auch vermittelnd zwischen den Parteien wirken. Dabei sollten externe Berater sowohl Erfahrungen aus ähnlichen Projekten mitbringen sowie hohe soziale Kompetenzen vorweisen können, da ein Fusionsprozess – wie oben geschildert – hohe kommunikative Anforderungen stellt. Insbesondere im Rahmen der Moderation von Workshops, vor allem aber in möglichen Konfliktfällen werden diese Skills eines externen Beraters gefragt sein. Unserer Erfahrung nach ist es weiterhin sehr hilfreich, über ein fundiertes betriebswirtschaftliches Know-how zu verfügen. Dieses Know-how erleichtert das oft geforderte schnelle „Hineindenken“ in betriebliche Sachverhalte und die entsprechende Adaption in entsprechende Konzepte für prozessuale Settings von Meetings, Workshops, Trainings und Coachings. Intern sollten hierfür entsprechende Ressourcen in Form von Zeit und Budget bereitgestellt werden. Diese Ressourcen werden in Planungsphasen eines Fusionsprozesses allerdings häufig unterschätzt. Eine enge Abstimmung zwischen Externen und internen Verantwortlichen ist ein weiterer Erfolgsfaktor und bei entsprechender Reichweite des Fusionsprozesses sind organisatorische Gremien zu schaffen, die den weiteren Prozess begutachten, wichtige Entscheidungen treffen und auch in Konfliktsituationen vermitteln bzw. entscheiden können. In vielen Unternehmen hat sich hierfür ein partizipativer Ansatz bewährt, der auch verantwortliche Mitarbeiter aus unteren Hierarchieebenen mit einbezieht. So können Wünsche aber auch Ängste von Mitarbeitern frühzeitig berücksichtigt, zumindest aber diskutiert und „proaktives Konfliktmanagement“ betrieben werden. Unsere Erfahrung aus Fusionsprozessen zeigt, dass gerade in jenen Unternehmen, in denen zwischen den Hierarchieebenen nicht ausreichend kommuniziert wird, im Nachgang viele Konflikte auftauchen können. Anlässlich eines Fusionsprozesses von zwei mittelständischen Personalberatungen mit zusammen ca. 350 Mitarbeitern sind die Autoren mit der externen Begleitung des Fusionsprozesses beauftragt worden. Beide Unternehmen gehören in der Dienstleistungsbranche zu angesehenen Beratungsunternehmen (Branche Personalberatungen), die umfangreiche Dienstleistungen von der Personalbeschaffung, -auswahl und vor allem -administration anbieten. Beide Unternehmen haben historisch bedingt gewachsene Kundenbeziehungen, seit mehreren Jahren erfolgreich agierende Geschäftsführungen und Inhaber, die veränderungsbereit und innovativ die sich bietenden Chancen einer Fusion nutzen wollten. Triebfeder der Fusion war, gemeinsam Synergiepotenziale im Beratungsangebot zu schaffen und auch aus einer internen Betrachtung heraus Einsparungen auf der administrativen Ebene zu realisieren. Der Fusionsprozess wurde als Prozess „Gleichberechtigter“ angesehen, um aus
Aufbau einer neuen Organisationsstruktur im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses
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beiden Unternehmen und deren Kulturen „best practices“ zu übernehmen und diese auch marktseitig herauszustellen. Ziel des Auftrags war es, mit den Inhabern und Geschäftsführern eine gemeinsame Aufbauorganisation zu entwickeln, die ihrerseits in der Folge prozessbezogene Implikationen hat, als auch die neue Führungsebene der Teamleiter über ein umfangreiches Qualifizierungsprogramm im Hinblick auf Leadership-Skills fit zu machen. Durch Qualifizierungsaktivitäten auf Teamebene sollte ferner das Kennenlernen der Teammitglieder untereinander gestärkt, Vertrauen aufgebaut und ein gemeinsamer Arbeitsansatz erarbeitet werden.
3
Workshopbasierte Grundsatzentscheidung zur zukünftigen Aufbauorganisation und Konkretisierung der Ausgestaltung
3.1 Analyse der Ausgangslage und konzeptionelle Vorentscheidungen durch internes Projektteam des Kunden Zur Sicherstellung einer zielkonformen Konzeption des Entscheiderworkshops zur zukünftigen Aufbauorganisation, welche die zentralen abzustimmenden und auszugestaltenden Aspekte berücksichtigt, war es notwendig sowohl die bestehenden Vorarbeiten wie auch die grundlegenden Unterschiede in der Ausgangssituation der beiden Unternehmen zu analysieren. Im Rahmen von Vorgesprächen mit dem internen Projektteam kristallisierten sich schnell grundlegende Differenzen in der Aufbaustruktur, aber auch in der Unternehmenskultur heraus. So war das eine Beratungsunternehmen eher durch eine flache Hierarchie und ein hohes Maß an Eigenverantwortung bei den Mitarbeitern sowie einen kooperativen Führungsstil geprägt, wohingegen das zweite Unternehmen eine Führungsebene mehr aufwies, Entscheidungsprozesse eher zentralisiert stattfanden und eine stärkere Mitarbeitersteuerung durch „Zahlen und Vorgaben“ vorzufinden war. Neben diesen Unterschieden zeigten sich aber gerade im Hinblick auf die hohe Kundenorientierung und dem starken Streben nach Wachstum durch die Entwicklung neuer Geschäftsfelder diverse Gemeinsamkeiten. Unterlegt werden konnten diese ersten Eindrücke mit Hilfe einer gegenüberstellenden internen Mitarbeiterbefragung beider Unternehmen sowie einer Imageanalyse aus Marktsicht. Entsprechend dieser Erkenntnisse zeigte sich schnell, dass bei der Entscheidung zur zukünftigen Organisationsform unterschiedliche Grundauffassungen aufeinandertrafen. Als weitere Grundlage für die Workshopkonzeption und als erste elementare Aspekte einer Beschlussfassung hatte ein internes Projektteam aus Vertretern beider Beratungsunternehmen bereits einen Grobentwurf für die neue Aufbauorganisation entwickelt. Dieser favorisierte eine vierstufige Struktur deren Primärorganisation divisional nach Produkten ausgerichtet ist. Die vier Stufen dieser Struktur erstreckten sich von der strategischen Ebene der Inhaber über die Geschäftsführung mit entsprechender divisionaler Verantwortung und einem bis mehreren Teams bis hin zum Mitarbeiter. Die Teams sind dabei nach Produktbzw. Dienstleistungsschwerpunkten ausgerichtet und nicht wie bisher direkt einem Kunden zugeordnet. Diese erarbeiteten Grundlagen sowie das Wissen um die kulturellen und organisatorischen Unterschiede bildeten den Rahmen für die Workshopkonzeption.
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Alexander Grewe und Christian E. Lauterbach
3.2 Workshop zur Entscheidungsfindung: Von der Beschlussfassung zur Grundstruktur bis hin zur konkreten Ausgestaltung von Aufgaben und Verantwortungen Zur Sicherstellung einer Berücksichtigung möglichst vieler Perspektiven und einer nachhaltigen Stabilität der getroffenen Entscheidungen fand der Workshop unter Einbezug aller Inhaber und Geschäftsführer sowie der internen Projektgruppe statt. Als Einstieg wurde die bereits skizzierte Grundstruktur vorgestellt. Dabei war es wichtig, eine nachvollziehbare Hinführung zu diesem Strukturierungsvorschlag zu erreichen. Dies geschah dadurch, dass zunächst allgemeine Formen der Aufbauorganisation (funktional, divisional, matrix- oder projektorientiert) vorgestellt wurden. Als zweiter Schritt wurden diese Alternativen nach speziellen Gütekriterien, die die Herausforderungen an die Struktur nach der Fusion aufgriffen, beurteilt. Als Kriterien wurden eine hohe Bündelung von Aufgabenbereichen, eine klare Weisungsfestlegung zur Koordinationseffizienz, klare Verantwortungen und eine transparente Leistungsbemessung sowie geringe Transaktionskosten aus Kundensicht herangezogen. Diese kriteriengestützte Argumentation ebnete die Diskussion und ermöglichte eine praxisorientierte Erörterung anhand fester Bezugspunkte ohne in eine eher „theoretische Grundsatzdiskussion“ abzudriften. Entsprechend schnell wurde ein Konsens erzielt und die zweite Phase des Workshops konnte gestartet werden. Diese hatte zum Ziel, die beschlossene Grundstruktur mit „Leben zu füllen“. Als zentrale Aspekte wurden die konkrete Ausgestaltung der Produkt-, Kunden- und Personalverantwortung in den Vordergrund gestellt. Im Hinblick auf die Produktverantwortung wurden zunächst die zentralen Produktbereiche vorgestellt, um sicherzustellen, dass die Abgrenzung möglichst überschneidungsfrei und trennscharf ist. In einem zweiten Schritt wurden alle zentralen Aufgaben und Verantwortungen zum Themenkomplex Produktverantwortung gesammelt. Dabei ging es beispielsweise um die Entwicklung strategischer Ziele für einen Produktbereich, die Durchführung regelmäßiger Benchmarks mit Wettbewerbern bis hin zu Budgeterstellung und der Entwicklung von Standards. Diese Kernaufgaben und Verantwortungen galt es nun gemeinsam den vier organisatorischen Ebenen vom Inhaber über den Geschäftsführer bis hin zum Teamleiter und Mitarbeiter zuzuordnen. Neben der rein fachlichen Diskussion war es wichtig, nach einer ersten Zuordnung die Frage aufzuwerfen und zu diskutieren, ob das Ergebnis auch den erwünschten Grad an eigenverantwortlichem Handeln je Organisationsebene wiederspiegelt oder ob einzelne Ebenen nicht mit der Aufgabenvielfalt überlastet werden. Als Sonderaspekt wurde die Frage erörtert, wo die fachlich-inhaltliche Produktverantwortung bei einem Produktbereich, der aufgrund seiner Größe aus mehreren Teams besteht, verankert wird. Dabei entschied man sich, diese einem der Teamleiter zuzusprechen, um so eine Entwicklungsposition für Teamleiter zu schaffen und den Geschäftsführer des Produktbereichs nicht zu überlasten. Hinsichtlich der Kundenverantwortung wählten wir ein identisches Vorgehen innerhalb des Workshops. So wurden erneut die zentralen Aufgaben und Verantwortungen zusammengestellt und in einer zweiten Stufe den einzelnen Organisationsebenen zugeordnet. Beispielhafte Aspekte waren unter anderem das Führen von Jahresgesprächen mit Kunden, die kundenbezogene Budgetverantwortung sowie die Verantwortung für Beschwerden. In Abgleich mit der Produktverantwortung zeigte sich hier die Herausforderung, gerade bei produktbereichsübergreifenden Kunden eine einfache Auftragsverteilung auf die internen Mitarbeiter vornehmen zu können und dem Kunden gegenüber die Transaktionskosten durch
Aufbau einer neuen Organisationsstruktur im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses
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eine klare Kommunikationsstruktur gering zu halten. Dies wurde erreicht, indem auf Inhaber- und Geschäftsführerebene eine klare Kundenzuordnung, insbesondere für strategische Aspekte der Kundenbetreuung, erfolgt und auf Mitarbeiterebene ein Mitarbeiter alle operativen Anfragen bündelt und intern verteilt. Als Sonderaspekt war zu klären, nach welchem Grundprinzip die Zuordnung neuer Kunden auf Inhaber und Geschäftsführer geregelt sein sollte. Letztlich war hier zwischen einer stärkeren Vertriebsorientierung im Sinne „wer akquiriert verantwortet“ oder einer fachlichen Aufgabenorientierung mit dem Credo „wer betreut verantwortet“ zu entscheiden. Abhängig von diesem Grundsatz war ein Entscheidungsgremium und eine Eskalationsinstanz zu definieren und das Anreizsystem zu überprüfen und so eine Fehlsteuerung zu vermeiden. Nach der Klärung der ersten beiden Perspektiven auf die Aufbauorganisation thematisierte der Workshop die Ausgestaltung der Personalverantwortung. Der bereits bewährten Vorgehensweise folgend, wurden anhand der Hauptbereiche Personalauswahl, -einsatz, -entwicklung und -administration erneut die notwendigen Aufgaben und Kompetenzen zusammengestellt. Das Spektrum erstreckte sich hier von der Festlegung einer Strategie zur Personalentwicklung über die Entscheidung bezüglich Beförderungen und Gehaltssteigerungen, bis hin zur Urlaubsgenehmigung. Dabei zeigte sich, dass oft gleiche Aufgaben, wie die finale Entscheidung bei der Personalauswahl, kaskadenförmig je betroffener Ebene auf der jeweils höhere Ebene der Organisation verankert wurden. Als letzten strukturellen Aspekt der neuen Aufbauorganisation wurde die Verortung von typischen Querschnittsverantwortungen im Innen- und Außenverhältnis aufgegriffen. Hierzu zählten intern etwa der IT-Bereich, die Verwaltung oder der Fuhrpark. Schnell zeigten sich zwei Alternativen für eine Verankerung dieser Bereiche. Im Modell „Innenminister“ fiel einem Geschäftsführer das komplette Aufgabenspektrum zu. Dies steigert die Transparenz, verringert den Abstimmungsaufwand, kann aber dazu führen, einen „Geschäftsführer zweiter Klasse“ zu schaffen. So wurde die zweite Alternative mit einer Verteilung der Aufgaben auf mehrere Geschäftsführer mit operativer Unterstützung durch ausgewählte Teamleiter favorisiert. Im Außenverhältnis musste als Querschnittsfunktion festgelegt werden, wie unabhängig von einzelnen Kunden die Verantwortung für die Zielbranchen auszugestalten ist. Typische Aufgaben sind hier die Präsenz auf Branchenveranstaltungen und die Entwicklung von Branchenlösungen. Die Verankerung erfolgte auf Geschäftsführerebene mit Unterstützung durch ausgewählte Mitarbeiter, die eine entsprechende Branchenerfahrung aufweisen. Zudem wurden interne Branchenforen etabliert, die dem Erfahrungsaustausch, der Identifikation neuer Trends und der Entwicklung von Branchenlösungen dienen sollten. Grundsätzlich zeigte sich, dass durch die strukturierte und oft kriteriengestützte Diskussion eine sehr sachgerichtete Diskussion erzielt wurde, die im Vergleich mit den Erwartungen der Workshopteilnehmer sehr schnell zu konsensfähigen Ergebnissen geführt hat.
3.3 Etablierung einer neuen Führungsebene durch ein gezieltes Auswahlverfahren, Führungstrainings und Teamentwicklungsworkshops Eine der zentralen Neuerungen in der zukünftigen Aufbauorganisation stellte die Etablierung einer zusätzlichen Führungsebene beziehungsweise die Funktion der Teamleiter dar.
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Bei der Einführung dieser neuen Instanz stellten sich diverse Herausforderungen. So war zu gewährleisten, dass die Teamleiter in ihrer Rolle schnell von den Mitarbeitern und den Geschäftsführern akzeptiert werden, da die Gefahr bestand durch einen Rückfall in alte Verhaltensweisen diese Rolle zu „verwässern“. Sowohl die Mitarbeiter als auch die Geschäftsführer waren es gewohnt, direkt auf „kurzem Dienstweg“ aufeinander zuzugehen und operative Aufgaben abzustimmen. Die neuen Teamleiter selbst sollten eine breite Unterstützung in dem Rollenwechsel „vom Kollegen zur Führungskraft“ erfahren und für ihre neuen Führungsaufgaben optimal unterstützt werden. Entsprechend der skizzierten Herausforderungen wurde ein Aufgabenpaket und ein Zeitplan entwickelt, der eine Vielzahl an aufeinander abgestimmten Maßnahmen beinhaltete. Zunächst galt es ein Kompetenzprofil für die Auswahl zukünftiger Teamleiter zu erstellen. Dabei erfolgte ein Rückgriff auf die zuvor erarbeiteten Workshopergebnisse, die in punkto Produkt-, Kunden- und Personalverantwortung Aufgaben für diese Führungsebene definiert hatten. Vor der Initiierung eines internen Bewerbungsverfahrens war noch die Anzahl der zukünftigen Teams und damit der Teamleiter festzulegen. Hierbei erfolgte ein Rückgriff auf die definierten Produktbereiche und eine Abschätzung der Anzahl der notwendigen Teams je Bereich, wobei man von einer optimalen Teamgröße von 8-10 Mitarbeitern ausging. Im Anschluss an die Identifikation der notwendigen Anzahl an Teams und deren Produktverantwortung wurden die bisherigen Mitarbeiter den Teams vorläufig zugeordnet. Parallel hierzu startete das interne Bewerbungs- und Auswahlverfahren für die Teamleiter, so dass nach Anschluss dieser Phase die Teams und deren Leiter feststanden. In der nächsten Phase wurden für die neuen Teamleiter mehrere Führungskräftetrainings durchgeführt, da diese Mitarbeiter vielfach nicht über Führungserfahrungen verfügten und zudem ein gleiches Führungsverständnis unter den Teamleitern gefördert werden sollte. Neben dieser punktuellen Qualifikation wurde den Teamleitern für einen definierten Zeitraum auch ein Coaching angeboten, um gerade für die Herausforderungen der Startphase eine optimale Unterstützung zu gewährleisten. Auf der Ebene der neuen Teams fanden Teamentwicklungsworkshops statt. Diese dienten neben einem besseren Kennenlernen der neuen Kollegen insbesondere der „Identitätsfindung“. So wurden gemäß dem Persönlichkeitsinstrument „Belbin-Teamrollen“ für die einzelnen Mitglieder identifiziert und gemeinsam Teamregeln für die Zusammenarbeit festgelegt. Erste Erfahrungen für die Erfolgsfaktoren der Teamarbeit wurden durch interaktive Teamübungen und darauf aufsetzenden theoretischen Input vermittelt.
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Empfehlungen zur organisatorischen Ausgestaltung von Unternehmenszusammenschlüssen und zur Qualifizierung der beteiligten Führungskräfte
Auf Basis unserer Erfahrungen in der Begleitung von Fusionsprozessen – wie im beschriebenen Fall – lassen sich abschließend einige generelle Empfehlungen für die Organisation und eine begleitende Qualifizierung ableiten.
Aufbau einer neuen Organisationsstruktur im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses
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Frühzeitig Maßnahmen für mögliche Konfliktthemen antizipieren und Ressourcen bereitstellen: Fusionsprozesse laufen selten „linear-rational“ im Sinne einer im Voraus durchdachten Integrationsplanung ab. Häufig sind die Folgen eines Zusammenschlusses aufgrund unterschiedlicher – z. T. versteckter – Erwartungen und Verhaltensweisen der beteiligten Akteure nicht absehbar und planbar. Frühzeitig sollten hier alle Themen offen diskutiert und regelmäßig wiederkehrend in den entsprechenden Foren (z. B. Inhaberkreis, Führungskräftezirkel, Mitarbeiter-Gremien) erörtert werden. Eine bewusste Investition von Zeit und Ressourcen für diese Kommunikationsrunden ist als proaktives Konfliktmanagement zu werten und für erfolgreiche Fusionsprozesse unseres Erachtens nach unerlässlich. Einbezug der Schlüsselpositionen beider Unternehmen bei der Gestaltung der künftigen Aufbauorganisation: Bei Zusammenschlüssen zweier Unternehmen sollten – ungeachtet der Beteiligungsstrukturen – alle Schlüsselpositionen gleichberechtigt an der zukünftigen Struktur mitwirken. Nur so ist ein Commitment für die spätere Umsetzung gesichert und es können die besten Lösungen aus beiden „alten“ Unternehmenskulturen übernommen werden. Beteiligung Externer als Inputgeber, Moderator und „Clearingstelle“ in Konfliktfällen: Externe können vermittelnd und als Impulsgeber in Fusionsprozessen wirken. Neben den fachlichen Vorteilen im Hinblick auf Konzepte und methodisches Vorgehen ist insbesondere die „unbefleckte“ Vergangenheit und Unvoreingenommenheit ein wesentlicher Grund. Auf einen Externen kommen neben fachlicher Expertise und kommunikativer Stärke hohe Anforderungen im Hinblick auf Vertraulichkeit und Integrität zu, um ein von allen Beteiligten akzeptierter Partner im Prozess zu sein. Auswahl und Qualifikation von Führungskräften für zukünftige neue Aufgaben: Mit neuen Unternehmensstrukturen gehen häufig neue Führungsstrukturen einher. Die Auswahl und Qualifizierung von Führungskräften ist neben den strukturorientierten Entscheidungen (Führungsspannen, Verantwortlichkeiten etc.) ein erfolgskritischer Schritt im Fusionsmanagement. Top-Down-Vorgehen im Prozess der Strukturierung neuer Organisationsformen: Nur eine zielgeleitete Strukturierung des zukünftigen Unternehmens „top-down“, entlang der Hierarchie, garantiert eine erfolgreiche Vorgehensweise in der Strukturierung. So sind von der Strukturierung der obersten Entscheidungsgremien nachgelagerte Strukturen betroffen. Eine frühzeitige Auswahl und Gestaltung eben dieser Ebenen wäre hier kontraproduktiv.
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Personal und Führung: Integratives Human Resources Management und nachhaltige Mitarbeiterführung
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Entwicklung
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Führung – quo vadis? Auf dem Weg zu einem „Sustainable Leadership“ Bernd Eggers und Sebastian Hollmann
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Einführung
Führung im engeren Sinne ist, wie die Einordnung in den Managementkubus in Abbildung 1 zeigt, eine Kernfunktion des Managements. Hierbei handelt es sich um ein sehr stark ausdifferenziertes Forschungsgebiet mit langer Tradition. Entsprechend facettenreich sind die Konzepte, Modelle, „Theoriesplitter“ und Instrumente der Führungstheorie sowie in unternehmungsindividueller Perspektive die gelebte Führungspraxis.
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E b e n e n
Personal
Abb. 1: Verortung der Führung im Managementzusammenhang Quelle: Steinle, 2005, S. 559
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_11, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Bernd Eggers und Sebastian Hollmann
Steinle hat bereits 1978 richtungsweisend fest gestellt: „Führung als zielorientierte Verhaltensbeeinflussung gewinnt eine stetig steigende Bedeutung in den betriebswirtschaftlichen Veröffentlichungen; nun ist keinesfalls anzunehmen, dass das Führungs-‚thema‘ in den früheren Jahren – im Vergleich zu heute – für die Führungspraxis eine völlig unbedeutende Rolle gespielt hat.“ (Steinle, 1978, S. 13). Damit hat er bereits sehr frühzeitig den hohen Stellenwert von Führung erkannt und heraus gestellt, der sich im Laufe der letzten rund 30 Jahre stetig erhöht hat. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst die wichtigsten Führungstheorien skizziert, die seit der Fokussierung der Managementwissenschaft auf dieses außerordentlich praxisrelevante Forschungsfeld entwickelt und in entsprechenden Zuschnitten in die betriebliche Praxis implementiert wurden. Bestehende Führungstheorien werden kategorisiert in personenorientierte, positionsorientierte, interaktionszentrierte und situative Ansätze. Diese Ansätze werden in einer ganzheitlich-integrativen Sichtweise betrachtet. In der Fülle von Führungsansätzen und dem damit einhergehenden praktischen Führungswissen ist eine Leere in Bezug auf ein nachhaltiges Führungshandeln festzustellen. Die Ursachen hierfür sind sicherlich vielfältig. Sie mögen einerseits darin liegen, dass trotz zahlreicher umfänglicher Führungsmodelle dem Nachhaltigkeitsaspekt bislang zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass die Akteure selbst, also die Führungskräfte und Mitarbeiter, aus verschiedenen Gründen nicht (hinreichend) motiviert und/oder qualifiziert sind, um Führung nachhaltig zu verfolgen. Aufgrund der hohen Bedeutung dieses Aspekts werden einige ausblickartige Lösungskeime in Richtung einer nachhaltigen Führung aufgezeigt. 2
Ansatzpunkte eines ganzheitlich-integrativen Führungsverständnisses
2.1 Kategorisierung bestehender Führungstheorien In Anlehnung an ein weit verbreitetes Kategorisierungsschema von Wunderer (vgl. Wunderer, 2009) lassen sich Führungstheorien entsprechend ihrem jeweiligen Betrachtungsfokus in personen-, positions-, interaktions- sowie situationsorientierte Ansätze unterscheiden. Dabei sollen über eine Beschreibung des wahrgenommenen Führungshandelns die Ursachen des Führungserfolges identifiziert und mögliche Gestaltungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet werden (vgl. Steinle, 2005). Pro Kategorie sollen im Folgenden die wichtigsten Ansätze in der gebotenen Kürze skizziert und anschließend vor dem Hintergrund eines ganzheitlich-integrierten Führungsverständnisses beleuchtet werden. Dazu gehören:
im Bereich der personenorientierten Theorien die Eigenschafts- und die Charismatheorie (Fokus auf die Führungskraft) sowie die Weg-Ziel-Theorie und die Attributionstheorie (Fokus auf den Mitarbeiter),
im Bereich der positionsorientierten Theorien die Rollen- und Machttheorie sowie die Property-Rights-, die Principal-Agent- und die Transaktionskostentheorie,
im Bereich der interaktionsorientierten Theorien die Idiosynkrasie-KreditTheorie, der Ansatz der transaktionalen und transformationalen Führung sowie die Leader-Member-Exchange-Theorie (LMX),
Führung – quo vadis? Auf dem Weg zu einem „Sustainable Leadership“
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im Bereich der situationsorientierten Theorien die Reifegrad-, die Kontingenzsowie die Substitutionstheorie.
Da sich die Darstellung von Wunderer auf die am weitesten verbreiteten Theorien beschränkt, sollen im weiteren Verlauf gegebenenfalls zusätzliche Führungsansätze in die Betrachtung aufgenommen werden. 2.2 Personenzentrierte Führungstheorien: Erklärung des Führungserfolges aufgrund zentraler Eigenschaften von Führungskräften Im Bereich der personenbezogenen Führungstheorien lassen sich führerzentrierte (Eigenschafts- und Charismatheorie) sowie geführtenzentrierte Ansätze (Weg-Ziel- und Attributionstheorie) unterscheiden. Dabei wird im Rahmen der Eigenschaftstheorie beim führerzentrierten Ansatz der Annahme gefolgt, dass sich einige Führungskräfte aufgrund bestimmter Charaktereigenschaften (bspw. innerer Antrieb/Initiative, Selbstvertrauen, Urteilsvermögen) von anderen Menschen abheben und sich der Führungserfolg einzig und allein auf diese Eigenschaften und damit zusammenhängende Verhaltensweisen der Führungskraft zurückführen lässt. Aufgrund der starken Reduktion des Führungsgeschehens auf die Person der Führungskraft wird jegliche Interaktion innerhalb der Führungsbeziehung bei der Erklärung erfolgreicher Führung vernachlässigt. Darüber hinaus haben die Schwierigkeiten bei der Identifikation dieser Eigenschaftsmerkmale dazu geführt, dass der Eigenschaftstheorie nur eine geringe theoretische und vor allem praktische Relevanz bescheinigt werden kann. Auch die Theorie der Charismatischen Führung, die auf die Arbeiten von Max Weber zurückgeht, beruht auf der Annahme, dass sich der Führungserfolg auf ein spezifisches Merkmal der Führungskraft, ihr Charisma, zurückführen lässt. Als charismatisch werden Führungskräfte beschrieben, die „(…) by the force of their personal ability are capable of having profound and extraordinary effects on followers” (House/Baetz, 1979, S. 399). Die charismatische Führungskraft ist in der Lage, ihre Mitarbeiter durch die Artikulation einer inspirierenden Vision zu außerordentlichen Leistungen zu motivieren und so nicht nur Innovationen sondern auch radikalen Wandel hervorzubringen (vgl. Conger/Kanungo, 1987). Aufgabe der Führungskraft ist es demnach, den Mitarbeitern den Sinn in ihrer täglichen Arbeit zu vermitteln (vgl. Ahlers, 1996). Obgleich Unternehmungen zur langfristigen Sicherung ihrer Existenz auf die Entwicklung und Umsetzung innovativer Visionen angewiesen sind, bleibt die praktische Anwendbarkeit der Charismatheorie begrenzt, da die spezifischen Eigenschaften charismatischer Führungskräfte insbesondere in Krisensituationen zum Tragen kommen und in ihrer Wirkung zumeist auch auf diese beschränkt bleiben (vgl. Howell/Avolio, 1992). Als die Führungsforschung mit der Zeit feststellte, dass auch andere Variablen den Führungserfolg beeinflussen, wurden führerzentrierte Ansätze nicht länger allein als erfolgsversprechend angesehen. So kann beispielsweise eine charismatische Führungskraft einen Mitarbeiter nur dann erfolgreich führen, wenn dieser auch die besonderen Eigenschaften seines Vorgesetzten erkennt und ihm eine solche charismatische Wirkung und den möglichen Führungserfolg zuschreibt (vgl. Conger/Kanungo, 1987). Somit fand eine Abkehr von der alleinigen Betrachtung der Führungskraft hin zu den geführtenzentrierten Ansätzen statt, die
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sich mit der Akzeptanz der Führungskraft durch die Mitarbeiter sowie der Attribution des Führungserfolges zu den von der Führungskraft gezeigten Verhaltensweisen beschäftigen. In diesem Theoriefeld geht der Weg-Ziel-Ansatz davon aus, dass es die Aufgabe der Führungskraft ist, durch eine transparente Kommunikation der angestrebten Ziele sowie ein Aufzeigen der entsprechenden Mittel und Wege zur Zielerreichung positiv auf Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter einzuwirken (vgl. House, 1971; Greene, 1979). Als Grundlage dienen dabei die Motivationstheorien von Heckhausen oder auch Vroom, in denen die (im Weg-Ziel-Ansatz durch die Führungskraft positiv beeinflussten) Erwartungen der Mitarbeiter bezüglich ihrer Selbstwirksamkeit oder der Erreichbarkeit des Ziels eine wesentliche Rolle im Motivationsprozess spielen (vgl. bspw. Wunderer, 2009). Die Attributionstheorie befasst sich mit der Einschätzung der Führungskraft durch die Mitarbeiter und der Zuschreibung (Attribution) des Führungserfolges aufgrund des von der Führungskraft gezeigten Verhaltens. So sind beispielsweise die durch die Geführten wahrgenommene Mitarbeiterorientierung und Risikobereitschaft sowie die Artikulation einer mitreißenden Vision und persönlicher Werte ursächlich für die Zuschreibung von Charisma und Führungserfolg (vgl. Conger/Kanungo, 1987). 2.3 Positionsorientierte Führungstheorien: Institutionelle Rahmenbedingungen als Erfolgsfaktor von Führung Die positionsorientierten Führungsansätze können grundlegend in Rollen-, Macht- und ökonomische Theorien unterschieden werden, die sich mit den Erwartungen an Führungskräfte, der Art und Weise der Begründung und Durchsetzung des Führungsanspruches sowie der Setzung von Anreizen zur zielgerichteten Steuerung des Mitarbeiterverhaltens befassen. Dabei geht die Rollentheorie von unterschiedlichen Erwartungen der Mitarbeiter aus, die diese (z. B. bezüglich Entscheidungspartizipation, Konflikthandhabung etc.) an ihre Führungskräfte stellen. Die Tatsache, dass die Rolle einer Führungskraft dabei durch unterschiedliche Präferenzen der Mitarbeiter durchaus vielschichtig sein kann, führt aufgrund konkurrierender Erwartungen häufig zu Rollenkonflikten der Führungskraft mit Mitarbeitern, Vorgesetzten oder auch sich selbst (vgl. bspw. Wunderer, 2009). Eine klare Beschreibung der Führungsrolle in Bezug auf das gezeigte Maß an Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung erleichtert dabei die Anwendbarkeit der Rollentheorie und ermöglicht eine praxisnahe Ausgestaltung von Führung beispielsweise durch Führungsleitbilder oder regelmäßige Potenzialeinschätzungen (vgl. Steinle, 2005). Die Machttheorie unterscheidet grundlegend folgende Machtbasen, auf die Führungskräfte bei der Durchsetzung ihres Führungsanspruches zurückgreifen können: Expertenmacht, Identifikationsmacht, Legitimationsmacht, Sanktionsmacht sowie Informationsmacht (vgl. Raven/French, 1958). Diese Machtgrundlagen betonen die Möglichkeit der Einflussnahme von Führungskräften im Rahmen der „Mikropolitik“, indem sie darauf abzielen, die Akzeptanz von Entscheidungen auf Seiten der Mitarbeiter zu erhöhen. Die Praxisnähe dieses Ansatzes zeigt sich nicht zuletzt auch im möglichen Missbrauch der Machtquellen für die Verfolgung eigener Ziele wie z. B. durch die gezielte Filterung und Zurückhaltung von Informationen.
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Im Rahmen der ökonomischen Theorien befasst sich der Property-Rights-Ansatz mit dem optimalen Zuschnitt von Kompetenzen und Verantwortungen im Sinne von Verfügungsrechten, während die Transaktionskostentheorie die Reduktion von bei der Erfüllung von Aufgaben anfallenden Kosten durch effektive Führungsprozesse betont (vgl. Wunderer, 2009). Am weitesten verbreitet ist jedoch das Prinzipal-Agenten-Modell, das durch eine Betrachtung der Delegation von Aufgaben und die damit verbundene Kontrollproblematik den Fokus stärker auf die Identifikation und Ausgestaltung geeigneter Führungsinstrumente (wie z. B. Anreizsysteme) lenkt (vgl. Steinle, 2005). Obgleich diese ökonomischen Ansätze ein grundsätzliches heuristisches Potenzial zur Erklärung von Führungsprozessen aufweisen, zielen sie in erster Linie auf vertragliche Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter und implizieren daher ein mechanistisches Verhalten, das komplexere Einflussfaktoren wie Persönlichkeitseigenschaften, eigene Zielsysteme oder auch ethische Aspekte sozialer Interaktionsprozesse unberücksichtigt lässt. 2.4 Interaktionszentrierte Führungstheorien: Führungserfolg als Produkt sozialer Prozesse zwischen Führungskraft und Mitarbeiter Die interaktionszentrierten Führungstheorien rücken anstelle der ökonomischen verstärkt die sozialen Austauschbeziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in den Blickpunkt der Betrachtung. Die Möglichkeit zur Verfolgung eigener Ziele wird dabei durch das Verhalten des jeweils anderen beschränkt, da diese einen Einfluss auf die eigenen Handlungen ausüben. Neben der Idiosynkrasie-Kredit-Theorie sollen hier insbesondere die Ansätze transaktionaler und transformationaler Führung sowie die Leader-Member-ExchangeTheorie (LMX) beleuchtet werden. Die Idiosynkrasie-Kredit-Theorie geht von einem gegenseitigen Vertrauensvorschuss innerhalb des dyadischen Führungsprozesses aus, der entweder durch das Verhalten des jeweils anderen weiter gefestigt wird oder auch mit der Zeit verloren gehen kann. Dabei entscheiden Führungskraft und Mitarbeiter in jeder Periode neu, wie sie auf das ihnen entgegengebrachte Verhalten reagieren. Der Idiosynkrasie-Kredit bezeichnet dabei „(…) das Ausmaß, bis zu dem eine Person von den Erwartungen der Gruppe abweichen kann, ohne Sanktionen befürchten zu müssen“ (Wunderer, 2009, S. 307) und erlaubt es der Führungskraft, durch ein von den Erwartungen abweichendes Verhalten Veränderungen zu initiieren (vgl. Hollander, 1992). Die Leader-Member-Exchange-Theorie (LMX) rückt vor allem die Qualität der Führungsbeziehung in den Mittelpunkt. Dabei fällt auf, dass eine Führungskraft nicht bloß einen bestimmten Stil wählt, sondern daran interessiert ist, eine Beziehung zu ihren Mitarbeitern aufzubauen, die sich in ihrer Qualität je nach Mitarbeiter unterscheiden kann und bis hin zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe reichen kann (vgl. Graen/UhlBien, 1995). Was genau zu solchen „reifen“ Führungsbeziehungen führt und wie sie in der Führungspraxis genutzt werden können bleibt jedoch zunächst weitgehend offen (vgl. Steinle, 2005). Sowohl die Idiosynkrasie-Kredit-Theorie als auch die Leader-Member-Exchange-Theorie lassen sich im Rahmen der transaktionalen und transformationalen Führungstheorie näher verorten. Der transaktionale Führungsansatz konzentriert sich dabei vor allem auf die Aus-
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tauschprozesse innerhalb der Führungsbeziehung: Die Führungskraft erkennt spezifische Bedürfnisse der Mitarbeiter und zeigt auf, wie diese im Austausch gegen Leistung befriedigt werden können. Der Ansatz der transformationalen Führung hingegen beschreibt eine Inspiration der Mitarbeiter durch die Führungskraft im Sinne einer Anhebung des Bewusstseinsniveaus über eine grundlegende Veränderung von Zielen und Werten, die zu einer Erbringung außerordentlicher Leistungen und zum Aufbau eigener Führungsqualitäten führen kann (vgl. Bass/Riggio, 2006; Burns, 1978) und insbesondere im Rahmen von Change-Prozessen von großer Bedeutung ist (vgl. Steinle/Eggers/Ahlers, 2008). Während sich die Idiosynkrasie-Kredit-Theorie dieser Unterscheidung folgend aufgrund ihrer Prozessfokussierung eher als transaktional einstufen lässt (vgl. Steinle, 2005), besitzt die LMX-Theorie sowohl transaktionale als auch transformationale Komponenten, da sie zwar grundlegend auf sozialen Austauschprozessen basiert, die jedoch bei einer hohen Beziehungsqualität transformationale Wirkungen entfalten können (vgl. Graen/Uhl-Bien, 1995). 2.5 Situationsbezogene Führungstheorien: Einfluss situativer und persönlichkeitsbezogener Variablen auf die Führungsbeziehung Die bisher schon angedeuteten Einflüsse situativer Variablen auf den Führungserfolg stellen den grundlegenden Bezugsrahmen situationsbezogender Führungstheorien dar (vgl. Wunderer, 2009). Dieser erweiterte Fokus bedeutet damit zugleich die endgültige Abkehr von der alleinigen Konzentration auf die Person der Führungskraft. Denn auch wenn im Rahmen der situativen Führung in der Regel die Wirkung auf das Verhalten der Führungskraft im Vordergrund steht, beeinflussen diese Situationsvariablen ebenso das Verhalten des Mitarbeiters und bedingen zugleich auch als organisatorische Rahmenbedingungen die Realisierbarkeit der angestrebten Ergebnisse (vgl. Steinle, 2005). Bei den situativen Ansätzen können die Reifegradtheorie, die Kontingenztheorie sowie die Substitutionstheorie unterschieden werden. Die Reifegradtheorie (vgl. Hersey/Blanchard, 1982) geht davon aus, dass es keinen universal anzuwendenden Führungsstil gibt, sondern dieser jeweils unter Berücksichtigung der Einflüsse von Führungskraft, Mitarbeiter und Situation anzupassen ist (vgl. bspw. Tannenbaum/Schmidt, 1973). Die Einschätzung der Mitarbeiter geschieht dabei in Bezug auf deren individuelle Motivation und Qualifikation (vgl. Wunderer, 2009). Je höher diese Dimensionen ausgeprägt sind, desto höher ist der Reifegrad des Mitarbeiters einzustufen. Über dieses Raster lässt sich eine aus den Ohio-State-Studien (vgl. bspw. Bowers/Seashore, 1966) bekannte Führungsstilmatrix mit den Dimensionen Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung legen, sodass jeweils ein Reifegrad einem bestimmten Führungsstil („Telling“, „Selling“, „Participating“ oder „Delegating“) entspricht. Das Modell basiert auf der Annahme, dass je nach Reifegrad ein unterschiedlicher Führungsstil zu optimalen Ergebnissen führt und eine kontinuierlichen Steigerung des Reifegrades durch sukzessive Delegation von Aufgaben und Verantwortung an die Mitarbeiter erreicht werden kann. Auf lange Sicht hin ist gemäß der Theorie ein überwiegend delegierender Führungsstil mit einer im Endzustand nur noch geringen Ausprägung von Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung optimal, sodass die Mitarbeiter in der Lage sind, ihnen übertragene Aufgaben eigenständig zu bearbeiten. Diese Vorstellung wird in der Praxis sicherlich nicht den Regelfall darstellen, da das Modell idealtypisch voraussetzt, dass Führungskräfte in Bezug auf die jeweilige Aufgabe immer zutref-
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fend die jeweilige Motivation und Qualifikation ihrer Mitarbeiter abschätzen können (vgl. Tannenbaum/Schmidt, 1973) und darüber hinaus in der Lage sind, einen adäquaten Führungsstil zu wählen und einzunehmen. So dient die Reifegradtheorie vor allem als eine Art Bezugsrahmen zur integrativen Betrachtung unterschiedlicher Führungsansätze und liefert für die Führungspraxis einen geeigneten Ansatz zur Ableitung eines differenzierten Verständnisses von Führung und Mitarbeiterentwicklung. Im Rahmen der Kontingenztheorie können die Ansätze von Fiedler und Vroom/Yetton unterschieden werden. Fiedlers Modell geht davon aus, dass die Effizienz eines Führungsstils durch die situativen Gegebenheiten (Qualität der Führungsbeziehung, Aufgabenstruktur sowie Positionsmacht der Führungskraft) und das Motivationssystem der Führungskraft bestimmt wird (vgl. Fiedler, 1967; Steinle, 1978). Anhand (umstrittener) empirischer Studien empfiehlt Fiedler einen aufgabenorientierten Führungsstil bei guten (schlechten) Führungsbeziehungen und gut (schlecht) strukturierten Aufgaben sowie hoher (niedriger) Positionsmacht. Ein mitarbeiterorientierter Stil eignet sich demnach bei guten (schlechten) Führungsbeziehungen und schlecht (gut) strukturierten Aufgaben sowie niedriger (hoher) Positionsmacht. Dabei sieht Fiedler – im Gegensatz zur Reifegradtheorie – den Führungsstil als kaum veränderbar an und empfiehlt stattdessen eine gezielte Einflussnahme auf die Situationsvariablen. Aufgrund seiner geringen empirischen Fundierung reduziert sich der Beitrag des Modells für die Führungspraxis auf die Einbeziehung konkreter Situationsvariablen wie Macht oder Aufgabenstruktur. Das Modell von Vroom/Yetton verfolgt einen ähnlichen Ansatz zur Wahl eines situationsadäquaten Führungsstils, indem es im Sinne eines Entscheidungsbaumes auf der Basis von sechs aufeinander aufbauenden Kriterien (Qualitätsanforderungen, Informationsbasis, Strukturiertheit, Bedeutung und Grad der Akzeptanz der Mitarbeiter, Commitment für die Unternehmensziele sowie Wahrscheinlichkeit auftretender Konflikte) generische Problemsituationen identifiziert, in denen jeweils ein bestimmtes Bündel an Führungsstilen geeignet ist (vgl. Vroom/Yetton, 1973). Kritisch anzumerken ist, dass das Modell aufgrund seiner vereinfachenden Entscheidungsstruktur nicht in der Lage ist, die hohe Komplexität und Ambiguität des realen Führungsalltags abzubilden und daher nur über eine geringe Validität in der praktischen Anwendung verfügt (vgl. Field, 1979). Die Substitutionstheorie beschäftigt sich mit der Ersetzung direkter Mitarbeiterführung durch Etablierung anderer Steuerungsmechanismen in Bezug auf die Mitarbeiter, die zu erledigenden Aufgaben sowie die organisatorische Ausrichtung (vgl. Kerr/Jermier, 1986). Steinle (2005, S. 612 ff.) kategorisiert die Substitutionstheorie auf Grund der zu Grunde liegenden Gestaltung von Aufgaben, Arbeitsgruppen etc. als „strukturorientiertes Konzept“ und auch Wunderer (2009, S. 314) bezeichnet sie als „strukturelle Führung“. So können beispielsweise eine Qualifizierung der Mitarbeiter, eine weitgehende Standardisierung von Aufgaben oder ein hoher Formalisierungsgrad der Organisation als Ersatz für eine anweisende, aufgabenorientierte Führung dienen, während Aufgaben mit hohem intrinsischen Motivationspotenzial geeignet sind, eine auf Zufriedenheit zielende mitarbeiterorientierte Führung zu kompensieren. Mit Bezug auf den praktischen Einsatz der Theorie ist das durch die neu geschaffenen Gestaltungsspielräume stattfindende Empowerment der Mitarbeiter hervorzuheben (vgl. bspw. auch den Ansatz zur Selbstführung von Manz, 1986), das zu einer Entlastung der Führungskräfte beiträgt. Zugleich erfolgt eine Ersetzung der oftmals willkürlichen und dadurch intransparenten und unberechenbaren Mitarbeiterführung durch
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Führungskräfte zugunsten einer Steuerung des Mitarbeiterverhaltens z. B. über kulturelle und strategische Elemente (vgl. Wunderer, 2009). In Abbildung 2 werden die zuvor behandelten Ansätze im Sinne eines „Ordnungsrahmens“ noch einmal überblicksartig dargestellt. Situationsorientierte Konzepte
Makroskopisch-zentriert Mikroskopisch-zentriert Strukturorientierte Konzepte F ü h r e r z e n t r i e r t
Interaktionsorientierte Konzepte
Führerperson(en)
Geführte Person(en)
Positionsorientierte Konzepte Rollenzentriert
Machtzentriert
Ökonomisch zentriert
G e f ü h r t e n z e n t r i e r t
Personorientierte Konzepte
Abb. 2: Ordnungsrahmen für Führungstheorien Quelle: Steinle, 2005, S. 602
3
Entwicklung eines nachhaltigkeitsorientierten Führungsverständnisses auf Basis situativer und interaktionsorientierter Mitarbeiterführung
3.1 Situative Führung als grundlegender Bezugsrahmen eines ganzheitlichintegrativen sowie nachhaltigkeitsorientierten Führungsverständnisses Es kann festgestellt werden, dass ein valider (Wirkungs-)Zusammenhang zum einen zwischen den einzelnen Führungstheorien, zum anderen aber auch in Bezug auf die Führungseffektivität bislang fehlt oder allenfalls einzelfallbezogen – nicht aber im Sinne eines ganzheitlichen und nachhaltig implementierbaren Führungsmodells – skizziert worden ist (vgl. Graen/Uhl-Bien, 1995; Steinle, 2005). So wird beispielsweise die Führungssituation im Kontingenzmodell von Fiedler durch die Machtposition der Führungskraft und diese wiederum durch die Qualität der Führungsbeziehung im Sinne der LMX-Theorie beeinflusst (vgl. Fiedler, 1967). Hier wird wiederum der Bezug zur Idiosynkrasie-Kredit-Theorie deutlich: Gute Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter reduzieren die Wahrscheinlich-
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keit gegenseitiger negativer Handlungen. LMX rückt daher eine Betrachtung der sozialen Interaktionsprozesse in den Vordergrund und betont eine positive Form der Wechselseitigkeit (vgl. Uhl-Bien/Maslyn, 2003). Dabei weist LMX, ebenso wie der auf der Attributionstheorie beruhende Ansatz charismatischer Führung (vgl. Conger/Kanungo/Menon, 2000), sowohl Elemente transaktionaler als auch transformationaler Führung auf (vgl. Graen/Uhl-Bien, 1995; Waldman et al., 2001). Diese Beispiele zeigen, dass bestehende Kategorisierungen einen eher deskriptiven Ansatz in Bezug auf Eigenschaften, Rollen oder auch Prozesse verfolgen. Da sich diese Einflussfaktoren und vor allem ihre Wirkungen insbesondere auf die Ebene der interaktionsorientierten Ansätze beobachten lassen, konzentrieren sich neuere Kategorisierungen vor allem auf diesen Bereich und beziehen dabei ausgewählte einzelne Aspekte aus den anderen Theoriefeldern ein. Exemplarisch lassen sich Clusterungen wie beispielsweise das Full Range of LeadershipModell (vgl. Bass/Riggio, 2006) nennen, das die Bestandteile transformationaler Führung – vorbildliches Verhalten der Führungskraft, inspirierende Motivation, intellektuelle Stimulierung sowie eine hohe Mitarbeiterorientierung – mit zwei Aspekten transaktionaler Führung (leistungsabhängigen Belohnungen, Management by Exception) und dem Laissez-faireFührungsstil verbindet. Dieser Ansatz integriert einzelne der zuvor beschriebenen interaktionsorientierten Konzepte in einem Führungsmodell, das davon ausgeht, dass die Führungskraft unterschiedliche Stile beherrscht und anwenden kann. Hier wird jedoch mit Bezug auf die praktische Anwendbarkeit insbesondere im Rahmen der transformationalen Führungstheorie nur wenig Hilfestellung auf der Umsetzungsebene gegeben (vgl. Steinle/Eichenberg/Stolberg, 2008). Zudem bleiben situative Einflüsse auf die Führungsbeziehung größtenteils unberücksichtigt. Vor ähnlichen Herausforderungen steht auch das New Genre Leadership, das aufgrund einer fehlenden empirischen Validierung sowie widersprüchlicher Ergebnisse in Bezug auf die Effektivität der Führungsleistung kein eigenständiges Modell, sondern vielmehr nur eine Gruppierung charismatischer, visionärer und transformationaler Führung darstellt (vgl. Avolio/Walumbwa/Weber, 2009). Zudem sind die definitorischen Unterschiede (z. B. zwischen charismatischer und visionärer Führung) ebenso unklar, wie die kombinierte Wirkung dieser Ansätze auf Leistung und Zufriedenheit der Geführten. Die Relational Leadership Theory, die Ansätze wie LMX, charismatische Führung sowie die Idiosynkrasie-Kredit- und die Attributionstheorie im Rahmen einer interaktionsorientierten Theorie zu vereinen sucht, geht davon aus, dass innerhalb dieser Theorien weniger die Eigenschaften von Individuen als vielmehr die sozialen Interaktionsprozesse im Sinne eines dynamischen Systems wechselseitiger Beeinflussungen Quelle erfolgreichen Führungshandelns sind (vgl. Uhl-Bien, 2006). Mit dem Ziel der Entwicklung einer umfassenden Führungskonzeption differenziert auch Steinle in einem ersten Schritt fünf mögliche „Grunddimensionen ‚der‘ Führung“ (Steinle, 2005, S. 625), indem er zwischen personenorientierter, ergebnis-/anreizorientierter, struktureller, interaktioneller sowie replizierender Führung unterscheidet (vgl. Steinle, 2005): 1. Personenorientierte Führung orientiert sich an den individuellen Eigenschaften und Persönlichkeitsdispositionen von Führungskraft und Geführtem wie beispielsweise Motiven, Qualifikation und Fähigkeiten, Rollenerwartungen, Machtbefugnissen etc. und beinhaltet somit zum sowohl personenorientierte (Eigenschaften) als auch
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situationsorientierte (individueller Reifegrad) und positionsorientierte Aspekte (Rollen, Machtdimensionen). 2. Ergebnis-/anreizorientierte Führung konzentriert sich auf die gezielte Einflussnahme auf die Leistung der Geführten durch individuelle Anreize. Hier wird ein starker Bezug zur Weg-Ziel-Theorie deutlich; der gezielte Einsatz entsprechender Anreize erfordert jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit der Messung und Rückkopplung der individuellen Kompetenzen und Arbeitsergebnisse. 3. Strukturelle Führung betont die Möglichkeiten zur gezielten Beeinflussung der situativen Umfeldbedingungen von Führung, die sich vor allem im Bereich der Substitutionstheorie finden. Darüber hinaus bietet insbesondere der Bereich situativer Führung zahlreiche Möglichkeiten zur „indirekten“ Einflussnahme auf Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeiter, wie beispielsweise die reifegradorientierte Delegation motivierender Aufgaben und Verantwortlichkeiten an Leistungsträger. 4. Interaktionelle Führung rückt die Bedeutung von Kommunikations- und Motivationsprozessen in den Mittelpunkt. Hier spielen LMX sowie die IdiosynkrasieKredit-Theorie eine wesentliche Rolle, da Führung als wechselseitiger Prozess in Richtung einer qualitativ hochwertigen Führungsbeziehung verstanden wird, die sich durch ein hohes Commitment und gegenseitiges Vertrauen auszeichnet. 5. Replizierende Führung betont – ähnlich wie die interaktionelle Führung – die Wechselseitigkeit innerhalb der Führungsbeziehung, fokussiert dabei jedoch vor allem die Einflussmöglichkeiten der Geführten im Sinne einer „Führung von unten“. Mit Blick auf die Führungspraxis kann diese zum einen auf einem bewusst delegierenden Stil der Führungskraft aufgrund eines hohen Mitarbeiterreifegrades, zum anderen jedoch auch auf einem durch einen geringen Reifegrad der Führungskraft selbst entstandenen „Führungsvakuum“ basieren. In einem zweiten Schritt identifiziert Steinle unternehmungsbezogene Makrovariablen wie beispielsweise die Unternehmungskultur oder das Organisationssystem, die die Führungssituation auf den unterschiedlichen Ebenen (Gesamtunternehmen, Abteilung, Team/Dyade) wesentlich beeinflussen. Die konkrete Ausgestaltung und nachhaltige Implementierung ist es dabei, die in einem abschließenden dritten Schritt die wesentliche Herausforderung darstellt. Aufgrund der hohen Spezifität einer solchen Führungskonzeption lässt sich dieser jedoch nicht abschließend auf der theoretischen Ebene vollziehen, sondern bedarf zielführender Gestaltungsempfehlungen, die eine unternehmungsindividuelle Anpassung unterstützen (vgl. Steinle, 1995). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich ein solch ganzheitlich-integratives Führungsmodell zwei wesentlichen Herausforderungen gegenübersieht: Erstens bedarf es in theoretischer Hinsicht einer konsistenten und umfassenden Führungskonzeption, die auf der Mikroebene sowohl die situativen wie auch die personen- und positionsbezogenen Einflussfaktoren abbildet und zugleich entsprechende Makroeinflüsse adäquat berücksichtigt. Zweitens steht mit Bezug auf die Führungspraxis vor allem die Ausgestaltung und Implementierung im Vordergrund, die aufgrund der steigenden Komplexität des Führungshandelns zunehmend auf theoretisch fundierte und empirisch überprüfte Gestaltungsempfehlungen angewiesen ist, um eine nachhaltige Umsetzung sicherzustellen.
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Aus diesen Gründen scheinen vor allem die interaktionszentrierten Ansätze dazu geeignet, den prozessualen Kern eines ganzheitlichen und nachhaltigen Führungsverständnisses zu bilden, da hier die Beziehungsebene zwischen Führungskraft und Mitarbeiter im Vordergrund steht. Diese ist jedoch um eine strukturelle Ebene zu ergänzen, die sich aus den Ansätzen struktureller Führung (Substitutionstheorie) und den übrigen situations-, personensowie positionsbezogenen Einflüssen ergibt. Die Integration dieser Einflüsse im Rahmen der situativen Führung bedeutet, dass für unterschiedliche Führungsanlässe jeweils in Abhängigkeit aller Einflussfaktoren entsprechende Führungsstile zu wählen und auszugestalten sind. Somit spielen insbesondere die Identifikation von Führungssituationen wie beispielsweise Zielvereinbarung, Delegation von Aufgaben und Verantwortung oder auch die Teilzielkontrolle (vgl. Muczyk/Reimann, 1989) sowie Feedbackprozesse und deren adäquate Ausgestaltung im Sinne der Reifegradtheorie eine wichtige Rolle. Führungskräfte müssen demnach ein differenziertes Führungsverhalten zeigen, sodass die Führungsfähigkeit und damit Effektivität und Effizienz zunehmend vom eigenen Reifegrad der Führungskraft abhängen (vgl. Popper, 2000). Die situative Führungstheorie lässt sich daher, vor allem mit Bezug auf die praxisnahe und nachhaltige Umsetzung, wie auch in der zuvor dargestellten Abbildung 2 deutlich wird, als übergeordneter Bezugsrahmen eines ganzheitlich-integrativen und auf Nachhaltigkeit abzielenden Führungsverständnisses anlegen. 3.2 Nachhaltigkeit als übergeordnetes Leitmotiv zukünftigen Führungshandelns Nachhaltigkeit – dieser ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammende Begriff hat in den vergangenen 30 Jahren aufgrund zunehmender Ressourcenknappheit auch im Bereich der Wirtschaft eine weite Verbreitung gefunden. Oftmals wird er jedoch fälschlicherweise auf seine operativen Implikationen im Sinne einer Interpretation von „langfristig“ oder „effizient“ reduziert, was in einer fehlenden einheitlichen Definition des Konzeptes begründet liegt (vgl. Tonn/MacGregor, 1998). Richtig verstanden ist Nachhaltigkeit ein grundlegendes Gestaltungsprinzip, das immer mit Blick auf den jeweiligen Kontext auszugestalten ist. Drei wesentliche Elemente der Nachhaltigkeit sind dabei zum einen ein übergeordnetes normatives Verständnis von (Verteilungs-)Gerechtigkeit und Fairness sowie ein externer und interner Fokus auf der operativen Umsetzungsebene. In der externen Sicht geht es vor allem um eine langfristige Erhaltung der benötigten (Human-)Ressourcen (Bestandssicherung), die interne Sicht fokussiert den effektiven und effizienten Einsatz dieser Ressourcen (vgl. Ehnert, 2009). Neben dieser oft betonten Langfristigkeits- und Effizienzperspektive sind jedoch auch die Partizipation der Betroffenen sowie eine konsistente Abstimmung der zu gestaltenden (Führungs-)Systeme essentiell für eine nachhaltige Umsetzung. Nachhaltige Führung muss sich daher sehr eng an der Vision, Strategie und den Zielen der Unternehmung orientieren, was in vielen der angeführten Theorien auch zumindest aufgegriffen wird. Erstaunlicherweise werden bislang eine Langfristorientierung und Effektivitäts-/Effizienzbetrachtung der In- und Outputs im Führungsprozess, wie z. B. eines effizienten Einsatzes der Mitarbeiter, der nur im Rahmen einer wie von Steinle vorgeschlagenen und an die individuelle Unternehmung angepassten ganzheitlich-integrativen Führungskonzeption sinnvoll erfolgen kann, weniger berücksichtigt. So fehlen in den dargestellten An-
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sätzen oft enge Bezüge zu organisatorischen Aspekten. Ferner wird eine enge Verzahnung von Führungsinstrumenten und wertschöpfungsbezogenen Teilprozessen und Erfolgsfaktoren zumeist nicht hergestellt. Nachhaltigkeitspotenziale ergeben sich jedoch vor allem dann, wenn Führung sich sehr eng an den mitarbeiterspezifischen Werttreibern orientiert. Dazu bedarf es zukünftig eines „kleinteiligen“ Führungsinstrumentariums (Einschätzungsbögen, selbst- und fremdkontrollorientierte Meilensteingespräche etc.). Dieses muss jedoch in ein unternehmungsindividuelles Führungsmodell eingebettet werden und mit einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Führungskultur einher gehen. 4 Nachhaltige Mitarbeiterführung als konzeptioneller und umsetzungsorientierter Schwerpunkt zukünftiger Führungsarbeit Vor dem Hintergrund der Genese der Führungstheorien mit Blick auf die Herausforderungen der Führungspraxis erhebt sich die Frage nach Zukunftsaufgaben der Führungsforschung. Dabei ist zu konstatieren, dass Führung in qualitativer und „quantitativer“ Hinsicht in höchst unterschiedlichem Maße praktiziert wird. Erfahrungen der Verfasser auf Basis von Führungstrainings und -coachings lassen erkennen, dass Führung von einer Vielzahl von Variablen abhängt, so beispielsweise
Landeskulturelle Einflussfaktoren
Branchenspezifischer (Leistungs-)Druck
Erwartungshaltung externer Stake-/Shareholder
Formelle und informelle Unternehmenskultur, -strategie und -organisation
Einstellung des Top-Managements gegenüber Führung
(Experten-)Macht der Mitarbeiter
Existenz eines stringenten Führungsinstrumentariums (Führungsgrundsätze und -instrumente, Gesprächsformen, regelmäßige Trainings, Coachings und Mitarbeiterbefragungen)
Mitarbeiter und Führungskräfte beklagen oft gleichermaßen, dass trotz eines theoriebasierten (z. B. situativ geprägten) Führungskonzepts keine nachhaltige Führungsarbeit existiert und somit auch kein wirklicher Führungserfolg im Sinne einer nachhaltigen Umsetzung von Unternehmungs- und Mitarbeiterzielen messbar wird. Führung erfolgt allzu oft nur im Sinne einer spontanen Ordnung, unsystematisch, zeitlich zu knapp bemessen, in unregelmäßigen Abständen, auf Basis vager Einschätzungen der aufgabenbezogenen Reifegrade des Mitarbeiters und der Führungskraft, wenig ziel- und maßnahmenorientiert, kaum dokumentiert und ohne konsistente Sanktionen. Dementsprechend bedarf es künftig nachhaltig angelegter und ausgestalteter Führungskonzepte und -instrumente und vor allem eines konsistent an diesen ausgerichteten Führungsund Mitarbeiterverhaltens. Welche Implikationen der Nachhaltigkeitsgedanke dabei für die Führungspraxis hat, wurde hier im Sinne einer grundlegenden Positionierung dargestellt. Dabei darf Nachhaltigkeit nicht nur auf ihre notwendigen operativen Implikationen reduziert werden, sondern muss, wie zuvor dargestellt, umfassender betrachtet werden.
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Innerhalb dieses Prozesses verpflichtet der der Nachhaltigkeitsidee immanente Gestaltungsauftrag die handelnden Akteure dazu, in Form eines partizipativen Dialogs
Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes (z. B. Führung) zu definieren und zu gestalten,
ganzheitliche und konsistente Nachhaltigkeitskonzepte (Führungsmodelle) zu entwickeln, die alle Ebenen und Aspekte angemessen integrieren sowie
Nachhaltigkeit in Bezug auf die individuellen Bedürfnisse aller Beteiligten auszugestalten (Integration von Zielen der Unternehmung und der Mitarbeiter).
Die Nachhaltigkeitsidee bietet damit gleichermaßen eine ganze Reihe von Forschungslücken und Ansatzpunkten im Hinblick auf die Entwicklung eines „Sustainable Leadership“.
Fokus Followership: Führungsbeziehungen als quasi gleichberechtigter Interaktionsprozess zwischen Führungskräften und Geführten Stefan Krummaker und Bernd Vogel
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Führungstheorie von traditionell einseitigem Einflussnahmeprozess zu Geführtemeinfluss
Bereits früh haben Forscher darauf hingewiesen, dass Geführte Führungsbeziehungen und damit das Verhalten von Führungskräften beeinflussen können (z. B. Hollander/Webb, 1955). Claus Steinle war einer der ersten, der Führung im deutschsprachigen Raum als Interaktionsprozess definiert hat und den Einflussnahmepfeil, der traditionell von der Führungskraft zum Geführten gezeichnet wurde, mit einer zweiten Pfeilspitze versah (Steinle, 1978, S. 27). Was nach einer kleinen graphischen Erweiterung aussieht, ist aus theoretischer Sicht eine Herausforderung, der sich die traditionelle Führungsforschung für Jahre entzogen hat. Die Aussage, Führung „realisiert sich in wechselseitigen Einflußprozessen“ (Steinle, 1978, S. 24) erscheint vor dem Hintergrund der in den 1970er Jahren dominierenden führungskraftzentrierten Führungsstilanalysen geradezu provokant, wurde doch der Einfluss von Geführten, wenn überhaupt, lediglich als Situationsvariable betrachtet (z. B. Fiedler, 1967; Hersey/Blanchard, 1976). In den mehr als drei Jahrzehnten, die seitdem vergangen sind, haben Forscher immer wieder betont, dass Führungsbeziehungen und Führungsverhalten auch von Geführten determiniert (zur Übersicht: Jackson/Parry, 2008) werden. Jackson/Parry (2008, S. 58) spitzen die Anforderung an Führungsforschung zu, in dem sie metaphorisch über Führung sagen, „it takes two to tango“. Bennis (2010, S. 3) führt aus, dass Führungskräfte einen Meilenstein in ihrer Entwicklung erreicht haben, wenn sie realisieren, dass sie die meiste Zeit eine Geführtenrolle inne haben. Aus konzeptioneller Sicht blendet eine Vernachlässigung von Geführten in der Führungsforschung wichtige Erklärungsvariablen in Bezug auf die Entstehung und Varianz von Führungsverhalten aus (Lord/Brown/Freiberg, 1999). Shamir (2007) argumentiert, dass Führungsphänomene zu stark simplifiziert und Führungskräfte glorifiziert werden. Die Führungsforschung wurde und wird mit Ausnahme relationaler Führungstheorien, wie zum Beispiel der Leader-Member-Exchange (LMX) Theorie, die Führung als wechselseitige Einflussnahme erklärt (z. B. Dansereau/Graen/Haga, 1975; Graen/Uhl-Bien, 1995), weitestgehend undirektional. Führungsforscher bezeichnen diesen Analysefokus als führungskräfte-zentrierte Forschungsperspektive (Meindl, 1995). Führungskräfte-zentrierte Forschung ist dadurch geprägt, dass nur der Einfluss der Führungskraft auf den Geführten betrachtet wird: der besagte Einflussnahmepfeil zeigt nur in eine Richtung. Führungskräfteverhalten wird als unabhängige Variable und die Reaktion der Geführten (Einstellung, Verhalten, Performance usw.) als abhängige Variable verstanden. Unter dem Oberbegriff „Followership" argumentierten Autoren in den letzten Jahren einen Perspektivenwechsel zu vollziehen und Geführte nicht nur als Empfänger von Führung, sondern als Einflussgröße in Führungsbeziehungen zu verstehen (exemplarisch: Kellerman,
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_12, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Stefan Krummaker und Bernd Vogel
2008; Riggio/Chaleff/Lipman-Blumen, 2008; Shamir/Pillai/Bligh/Uhl-Bien, 2007). Erst kürzlich stellte ein Übersichtsartikel zum Stand der Führungsforschung Followership als eine der wesentlichen Erkenntnislücken in der Führungsforschung heraus (Avolio/ Walumbwa/Weber, 2009). Unser Beitrag erschließt den Followership-Begriff und grenzt Followership gegenüber anderen Konzepten ab. Anschließend entwickeln wir ein interaktionales Führungsverständnis – als quasi gleichberechtigten gegenseitiger Einflussprozess zwischen Geführten und Führungskräften –, welches Führung als Beziehung versteht, die sich im Zeitablauf aus unterschiedlichen Austauschprozessen zwischen Führungskräften und Geführten bildet. Einer Mehr-Ebenen-Betrachtung folgend (Steinle, 1985), leiten wir im Anschluss wesentliche Perspektiven der Followership-Forschung auf unterschiedlichen Analyseebenen ab und diskutieren ebenenbezogen ausgewählte Forschungsfragen. 2
Followership: Begriffserschließung und Begriffsabgrenzung
2.1 Führungskräfte-zentrierte Führungsperspektive Da Führen immer ein Folgen impliziert (z. B. Hollander, 2009) sind die Begriffe Führung und Followership eng miteinander verbunden. Carsten et al. (2010, p. 559) sprechen z. B. von Followership als „other half of the leadership equation”. Daher ist der Begriff Führung einzubeziehen, wenn es um die Erschließung und Abgrenzung von Followership geht. Nachstehend erläutern wir zunächst das führungskräfte-zentrierte Führungsverständnis, um zu verdeutlichen, wie der geforderte Perspektivenwechsel in Richtung Followership auch das Führungsverständnis beeinflusst. Diese Führungsperspektive stellt die Führungskraft und ihre Eigenschaften oder Verhaltensweisen ins Zentrum. Führung ist hier als Führungskräfteverhalten definiert, das auf die zielorientierte Beeinflussung von Geführten gerichtet ist (exemplarisch: Yukl, 2010). Geführte sind Empfänger von Führungshandeln und weitestgehend passiv-reaktiv (Collinson, 2006; Dvir/Shamir, 2003). Die führungskräfte-zentrierten Führungsperspektive untersucht zum Beispiel Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen von Führungskräften, die eine zielorientierte Einflussnahme auf Verhalten, Einstellung und Motivation und ultimativ Leistung von Geführten ermöglichen (Shamir, 2007). Situative Führungstheorien und kontingenztheoretische Ansätze beziehen Geführte in die Erklärung von Führung mit ein, indem sie Motive, Einstellungen, Fähigkeiten und/oder Verhalten von Mitarbeitern als moderierende Situationsvariablen verstehen, die den Einfluss von Eigenschaften und Verhaltensweisen der Führungskräfte auf ihr Führungsverhalten verstärken oder abschwächen. Aufgrund der passiven Sichtweise von Geführten folgen kontingenztheoretische Ansätze allerdings grundlegend der führungskräfte-zentrierten Perspektive von Führung (Shamir, 2007).
Fokus Followership
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2.2 Followership-Perspektive Followership: Followership wird in der Literatur u. a. als Rolle (Hollander, 1992), Kompetenz (Maroosis, 2008), Beziehung (Uhl-Bien/Pillai, 2007) und Verhaltensstil (Chaleff, 2009; Kellerman, 2008; Kelley, 2008) verstanden. Ähnlich wie beim Führungsbegriff dominiert eine verhaltensbezogene Sichtweise von Followership. Allerdings nehmen nur wenige Autoren eine begriffliche Präzisierung und Abgrenzung vor. Eine Ausnahme bieten Carsten et al. (2010) die Followership sowohl als sozial-konstruiertes Interpretationsschema als auch als Verhalten definieren, das Geführte gegenüber Führungskräften zeigen. Das mögliche Verhaltensspektrum wird von den Autoren als Kontinuum beschrieben, das von passiv (z. B. Gehorsamkeit zeigen, Entscheidungen von Führungskräften nicht in Frage stellen) über aktiv (z. B. Anbieten von Feedback, Fragen stellen) bis proaktiv (z. B. auf Missstände aufmerksam machen, Problemlösungen ungefragt anbieten) verläuft. Das jeweils gezeigte Verhalten ist davon abhängig, wie die Geführten ihre Geführtenrolle interpretieren. Geführte, die sich als klassische Untergebene verstehen, werden eher passives Verhalten gegenüber Führungskräften zeigen. Geführte die ihre Rolle als Partner der Führungskraft interpretieren, werden sich hingegen eher proaktiv verhalten. Bei proaktivem Geführtenverhalten verschwimmen die Grenzen zum Führungsverhalten. Allerdings verbleibt zumeist schon aufgrund der Statusunterschiede zwischen Führungskräften und Geführten eine, wenn auch schwache, Form der Unterordnung gegenüber der Führungskraft, die sich z. B. in Loyalität, Unterstützung und Zustimmung äußern kann. Uhl-Bien und Pillai (2007) betonen, dass ohne eine derartige Unterordnung weder von Followership noch von Führung gesprochen werden kann. Generelles Einflussverhalten von Geführten: In der Literatur werden eine Vielzahl an unterschiedlichen Verhaltensarten diskutiert, durch die Geführte versuchen, Einfluss auf Führungskräfte zu nehmen, wie zum Beispiel Voice (z. B. Hirschman, 1970), Whistleblowing (z. B. Near/Miceli, 1985), Impression Management (z. B. Gardner/Martinko, 1988), Proaktivität (z. B. Bateman/Crant, 1993) und „Führung des Chefs“ (Wunderer, 2007). Diese Verhaltensarten unterscheiden sich von Followership jedoch in drei Aspekten. (1) Sie beschreiben nur eine mögliche Facette des Verhaltensspektrums von Followership, nämlich in der Regel Verhalten mit dem Zweck, Unternehmensziele oder persönliche Ziele durchzusetzen. Mit der Ausnahme von Impression Management, das auch von passiven Geführten eingesetzt wird, um bei Vorgesetzten in einem besseren Licht zu erscheinen (Yukl, 2010), nutzen zumeist proaktive Geführte derartige Verhaltensstrategien. Bis auf „Führung des Chefs“ handelt es sich (2) nicht um Verhaltensstrategien, die ausschließlich in der Interaktion mit Geführten eingesetzt werden. Vielmehr können Geführte z. B. auch in der Interaktion mit anderen Teammitgliedern proaktives Verhalten zeigen, Kollegen auf Missstände hinweisen oder durch Impression Management informelle Führer versuchen zu beeindrucken. Die genannten Verhaltensformen werden (3) bewusst eingesetzt, während Followership auch nicht-intentionales Verhalten umfasst (Goffee/Jones, 2006). Geführten-zentrierte Sicht auf Führung: Followership unterscheidet sich auch von der Forschungsperspektive, die unter der Bezeichnung „follower-centered perspective on leadership“ firmiert und Geführten ebenfalls einen stärkeren Stellenwert zukommen lässt. Diese Perspektive wurde insbesondere durch die Arbeiten von Meindl und Kollegen geprägt (z. B. Meindl/Ehrlich/Dukerich, 1985). Führung wird hier als von Geführten sozialkonstruierter Prozess verstanden. Vereinfacht gesagt, ist Führung, was Geführte als Führung
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wahrnehmen. Es existiert demnach keine objektive Führungswirklichkeit, sondern Führung entsteht in einen Wahrnehmungs- und Interpretationsprozess der Geführten. Diese Wahrnehmungs- und Interpretationsprozesse der Geführten können sich auf das Verhalten und die Eigenschaften der Führungskraft beziehen. Letzteres wird aber erst zum Führungsphänomen, wenn Geführte diese interpretieren. Führungsforschung aus einer „followercentered perspective“ untersucht daher z. B., welche Eigenschaften, Fähigkeiten oder Attributionsprozesse von Geführten Einfluss darauf nehmen, ob und warum eine Person als Führungskraft gesehen oder deren Verhaltensweisen als Führung interpretiert wird. Der Analysefokus der „follower-centered perspective on leadership“ richtet sich zwar auf kognitive Prozesse von Geführten, das Erklärungsziel ist aber, wie die Bezeichnung „on leadership“ zeigt, Führung und nicht Geführtenverhalten (Carsten, Uhl-Bien et al., 2010). Während die „follower-centered perspective on leadership“ also betrachtet, welchen Beitrag die soziale Konstruktion von Führung durch Geführte leistet, Führung besser zu verstehen, konzentriert sich Followership auf die Erklärung von Geführtenverhalten, mit dem Ziel, Geführtenverhalten besser zu verstehen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Begriff Followership das Verhaltensspektrum von Geführten umfasst, das Geführte in der Interaktion mit Führungskräften und der sich daraus ergebenden Führungsbeziehung einsetzen. Das Verhalten variiert in Abhängigkeit davon, wie die Geführten ihre Geführtenrolle interpretieren, entlang eines Kontinuums zwischen sehr passivem und sehr aktivem Verhalten. Followership-Verhalten ist daher nicht zwangsläufig intentional und auf eine bewusste Beeinflussung von Führungskräften gerichtet. Zudem resultiert aus Followership-Verhalten nicht zwingend eine Verhaltensänderung der Führungskraft gegenüber der geführten Person. Followership-Verhalten kann Verhalten der Führungskraft in Richtung anderer Führungskräfte oder Abteilungen auslösen. 2.3 Führung als quasi gleichberechtigter Interaktionsprozess Die Akzentuierung einer Verhaltensbeeinflussung von Führungskräften durch Geführte verschiebt das traditionelle führungskräfte-zentrierte Führungsverständnis in Richtung einer interaktionellen Sichtweise von Führung, wie sie bereits 1978 von Claus Steinle vertreten wurde (Steinle, 1978). Führung ist ein gegenseitiger Beeinflussungsprozess zwischen Geführten und Führungskräften (z. B. Hollander, 1978; Uhl-Bien, 2006) im Hinblick auf gemeinsame Ziele und Leistung. Die gegenseitige Einflussnahme zeigt sich insbesondere im Zeitablauf darin, dass Führungskräfte und Geführte auf Aktivitäten des jeweiligen Beeinflussungsimpulses des anderen aus vorherigen Zeitpunkten reagieren (Steinle, 1991). Analyseobjekte dieser Führungsperspektive sind Führungskräfte, Geführte sowie sich die sich aus der Interaktion im Zeitablauf ergebene Beziehung zwischen Führungskräften und Geführten (z. B. Graen/Uhl-Bien, 1995) und die Konsequenzen aus dieser gegenseitigen sozialen Beeinflussung. Das Verhalten sowie die Eigenschaften, Einstellungen und die Motivation der Geführten und Führungskräfte sind in der interaktionellen Führungsperspektive Einflussfaktoren auf die Führungsbeziehung (z. B. Shamir, 2007). Die aus dem Zusammenspiel der Einflussfaktoren resultierende Beziehung (z. B. offen, vertrauensgeprägt, und partnerschaftlich) wirkt wiederum auf die Führungskräfte und Geführten zurück (z. B. als verändertes Leistungs-
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handeln oder Commitment gegenüber dem Unternehmen). Im Gegensatz zu den meisten relationalen Führungstheorien, die, zumindest implizit, von einem sehr starken Gewicht der Führungskraft in der Führungsbeziehung ausgehen (vgl. z. B. die Kritik von Howell & Shamir, 2005, an der LMX-Theorie), verstehen wir den Interaktionsprozess zwischen Führungskräften und Geführten als quasi gleichberechtigter gegenseitiger Einflussprozess da beide Beziehungspartner Einfluss ausüben können. Konzeptionell und in der Praxis muss sich zumindest in der kurzfristigen Perspektive nicht unbedingt ein gleichgewichtiger Beitrag von Geführten und Führungskräften einstellen, das heißt, dass beide Beziehungspartner zu gleichen Teilen die Führungsbeziehung als „Co-Produktion“ (Shamir, 2007) bilden. Wie stark der jeweilige Einfluss von Geführtem und Führungskraft ist, hängt von der jeweiligen Interaktionssituation, dem Rollenverständnis und vom Entwicklungsstand (u.a. Motivation, Fähigkeiten, Eigenschaften) der beteiligten Personen ab (Krummaker/Vogel, 2010). Grundlegend davon auszugehen, dass die Führungskraft aufgrund bestimmter Fähigkeiten und Verhaltensweisen oder ihrer Legitimationsmacht in der Führungsbeziehung dominiert, ist sicherlich eine zu eingeschränkte Sichtweise, die ein Loskommen vom führungskräftezentrierten Führungsverständnis blockiert. Die nachstehende Abbildung verdeutlicht die diskutierten unterschiedlichen Führungsverständnisse.
Eigenschaften/Verhalten von Geführten
(1) Führungskräfte-zentrierte Führungsperspektive
Führung = Führungskraftverhalten/ Fähigkeiten/Eigenschaften
Motivations-, Einstellungsund/oder Verhaltensveränderung von Geführten
Geführtenverhalten Führungskräfteverhalten
(2) Followership Interpretation Geführtenrolle
(2) Follower-Centered Perspective on Leadership
Geführte (Wahrnehmungs- und Interpretatiionsprozesse)
konstruieren
Führung
Führungskraftverhalten/ Fähigkeiten/Eigenschaften Führung = Führungsbeziehung
(4) Führung als quasi gleichberechtigter Interaktionsprozess Geführtenverhalten/ Fähigkeiten/Eigenschaften
Abb. 1: Übersicht Führungsverständnisse und Followership
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Ausgewählte Perspektiven der Followership-Forschung: Eine MehrebenenBetrachtung
3.1 Forschungsperspektiven des Followership In den letzten Jahren sind trotz starker Dominanz der führungskräfte-zentrierten Forschungsperspektive eine Vielzahl theoretischer und empirischer Arbeiten zum Einfluss von Geführten auf Führung bzw. Führungsbeziehungen entstanden (exemplarisch: Dvir/Shamir, 2003; Howell/Shamir, 2005). Der Analysefokus der meisten Arbeiten richtet sich – wie in der führungskräfte-zentrierten Forschungsperspektive – auf die dyadische Interaktion zwischen Führungskraft und Geführten. Einige Arbeiten untersuchen aber auch den Einfluss von Teams auf Führungskräfteverhalten (z. B. Krummaker/Vogel/Kunze, 2009). Wenn auch noch in weit geringem Ausmaß, spiegelt sich damit in der Followership-Forschung eine ähnliche Entwicklung wie in der führungskraftzentrierten Führungsforschung wider. In letzterer untersuchen Studien das Führungsphänomen nicht nur intrapersonal oder dyadisch, sondern zunehmend auch auf der Teamebene oder als Führungsklima des gesamten Unternehmens (Bruch/Vogel, im Druck; Walter/Bruch, im Druck). Für ein möglichst umfassendes Bild der Followership-Forschungsperspektive diskutieren wir daher nachfolgend ausgewählte Forschungsthemen und Fragestellungen der Followership-Forschung nach unterschiedlichen Analyseebenen in Unternehmen. Wir orientieren uns dabei an dem von Claus Steinle entwickelten mehrebenen-analytischen Ansatz (Steinle, 1985, 1995). Die nachfolgende Abbildung zeigt die unterschiedlichen Analyseebenen sowie die vorgeschlagenen Followership-Forschungsperspektiven.
Individuum
Dyade Gruppe Organisation Implizite Followership Theorien
Co-Produktion Transformationaler Führung
Team Followership
Abb. 2: Followership-Forschungsperspektiven
FollowershipKlima
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3.2 Analyseebene Individuum: Einflussnahme impliziter Followership-Theorien auf Führungsbeziehungen Die Führungsforschung hat gezeigt, dass das Verhalten von Individuen gegenüber Führungskräften von so genannten impliziten Führungstheorien beeinflusst wird (exemplarisch: Lord/Foti/De Vader, 1984; Offermann/Lynn/Wirtz, 1994). Es handelt sich hierbei um Vorstellungen darüber, was erfolgreiche Führung bzw. Führungskräfte ausmacht, sprich welche Eigenschaften, Fähigkeiten, Einstellungen erfolgreiche Führungskräfte besitzen und welches Verhalten sie zeigen sollten. Implizite Führungstheorien entscheiden z. B. darüber mit, ob eine Führungskraft als charismatisch oder geeignet für eine Aufgabe eingeschätzt wird und beeinflussen so z. B. das Aktivitätsniveau, das Geführte in der Zusammenarbeit mit Führungskräften zeigen (z. B. Lord/Maher, 1994). Studien untersuchen korrespondierend die Wirkung so genannter impliziter FollowershipTheorien auf das Verhalten von Geführten und Führungskräften (Carsten et al., 2010; Sy, 2010; van Gils/van Quaquebeke/van Knippenberg, 2010). Die Autoren unterscheiden implizite Followership-Theorien von Geführten über ihre eigene Rolle (Selbstverständnis der Geführtenrolle) (Carsten, Uhl-Bien et al., 2010) sowie implizite Followership-Theorien von Führungskräften über Geführte (protoypisches Geführtenbild) (Sy, 2010). Weitere Forschungsfragen sollten sich weiterhin darauf richten, wie Geführte und Führungskräfte implizite Followership-Theorien bilden, welche Verhaltenswirkung diese Theorien haben und wie sich implizite Followership-Theorien im Interaktionsverlauf verändern. Aus einer interaktionalen Führungsperspektive gehört dazu z. B. die Analyse der Wirkung einer Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung der impliziten Followership-Theorien von Geführten und Führungskräften (Carsten et al., 2010). Wie verhalten sich z. B. Geführte, die ihre Rolle als proaktiv verstehen gegenüber Führungskräften, die ein passives Rollenverständnis von Geführten haben? Passen sie ihr Rollenverständnis und das hieraus resultierende Rollenhandeln an das passive Bild der Führungskraft an oder bleiben sie proaktiv und versuchen durch ihr Verhalten das Rollenbild der Führungskraft zu ändern? Weitere Fragestellungen ergeben sich aus der Zusammenführung von impliziten Führungstheorien und impliziten Followership-Theorien (Sy, 2010). Van Gils et al. (2010) argumentieren, dass Führungskräften und Geführte die Qualität ihrer Beziehung dann gleich einschätzen, wenn sowohl die implizite Führungstheorie der Führungskraft und des Geführten sowie die implizite Followership-Theorie der Führungskraft und des Geführten übereinstimmen. Mit Blick auf das Argument von van Gils et al., dass vollkommende Übereinstimmungen zwischen den jeweiligen impliziten Theorien in der Führungspraxis eher unwahrscheinlich sind, stellt sich die Frage, welche Effekte Divergenzen unterschiedlicher Intensität haben. Eine weitere Forschungsperspektive bildet die Studie von DeRue und Ashford (DeRue/Ashford, 2010). Die Autoren untersuchen wie Führungskraft- sowie Geführten-Identität durch gegenseitiges einfordern und zugestehen dieser unterschiedlichen Identität entstehen. Die letzten beiden Forschungsperspektiven bilden zugleich den Übergang zu dyadischen Followership-Perspektiven.
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3.3 Analyseebene Führungsdyade: Co-Produktion transformationaler Führung Transformationale Führung wurde ursprünglich von Burns (1978) als dynamischer und reziproker Prozess definiert, in welchem sich Führungskräfte und Geführte gegenseitig transformieren. Die gegenseitige Transformation bezieht sich insbesondere auf Werte, Einstellungen, Motivation, Verpflichtungsgefühl und Zielorientierung des Gegenübers (exemplarisch: Bass, 1985). Obwohl Burns vor über 30 Jahren explizit die gegenseitige Veränderung von Geführten und Führungskräften in der transformationalen Führung betont hat, gilt diese Führungsform als Prototyp führungskräfte-zentrierter Führungsforschung (z. B. Yukl, 1999). In hunderten Studien zur transformationalen Führung die in den letzten drei Jahrzehnten durchgeführt wurden, ist der Analysefokus fast ausnahmslos wie Führungskräfte Geführte transformieren. Nur wenige Führungsforscher drehen die Betrachtungsrichtung um und zeigen z. B. wie Geführtenverhalten das Empowerment-Empfinden von Führungskräften verändern kann (z. B. Howell/Shamir, 2005; Krummaker et al., 2009). Allerdings zeigen auch diese Studien aufgrund fehlender Längsschnittbetrachtungen keine gegenseitige Transformation über mehrere Interaktionsepochen hinweg. Aus dem ursprünglichen Anspruch von Burns ergeben sich daher zahlreiche Forschungsperspektiven: Wie transformieren Geführte ihre Führungskraft? Welche Verhaltensänderung hat die Transformation der Führungskraft zur Folge und wie reagieren die Geführten auf das geänderte Führungskräfteverhalten? Können sich positive Spiraleffekte zum Beispiel dahingehend ergeben, dass sich die Beziehungsqualität verstärkt und sowohl Führungskräfte als auch Geführte das Gefühl bekommen, in der Arbeit aufzugehen und sich persönlich weiterzuentwickeln (Dutton, 2003)? Im Hinblick auf die auslösenden Faktoren für eine gegenseitige Transformation von Führungskraft und Geführtem stellt sich die Frage, welche Eigenschaften und Fähigkeiten Geführte und Führungskräfte besitzen müssen, um sich transformieren zu lassen. Erste Überlegungen gehen in die Richtung, dass sowohl Geführte als auch Führungskräfte eine Motivation besitzen müssen, andere zu führen (Chan/Drasgow, 2001) als auch eine Motivation, anderen zu folgen (Krummaker/Vogel, 2010). 3.4 Analyseebene Gruppen/Teams: Team-Followership als kollektives Konstrukt Teams nehmen in Unternehmen stetig an Bedeutung zu, da die Aufgabenanforderungen zunehmend komplexer und integrierter werden. Eine Schlussfolgerung ist daher, die Idee von Followership auch als kollektives Phänomen auf der Teamebene zu untersuchen. Auf der Teamebene lassen sich Forschungsanstrengungen danach unterscheiden, ob Studien direkt auf das Konstrukt Followership fokussieren oder Phänomene auf der Teamebene als Indikator von Followership verstehen. In letztere Perspektive fallen zum Beispiel Studien, die untersuchen, wie die produktive Energie von Teams (Bruch/Vogel, im Druck; Cole/ Bruch/Vogel, 2005) das Führungskräfteverhalten beeinflussen (z. B. Krummaker et al., 2009). Erste Ergebnisse zeigen, dass starkes Engagement, Begeisterung und hohe Wachsamkeit des Teams für seine Ziele das Empowerment-Empfinden von Führungskräften beeinflusst, zum Beispiel daher dass produktive Energie eine hohe Beziehungsqualität zwischen Team und Führungskraft verkörpert. Ein gehobenes Empowerment-Empfinden von Führungskräften ist in der Folge mit transformationalem Führungsverhalten verbunden und resultiert somit in stärkerer transformationaler Führung.
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Weitere Studien untersuchen „Group-voice behavior“ (Morrison, Wheeler-Smith, & Kamdar, im Druck) oder Team-Followership (Dennerlein/Vogel, 2010). Team-Followership (TFS) kann in Anlehnung an den Followership-Begriff auf individueller Ebene von Carsten et al. (2010) definiert werden als die geteilte Wahrnehmung eines Teams, wie es seine Follower-Rolle als kollektive Einheit definiert und ausübt (Dennerlein/Vogel, 2010). Der Fokus liegt insbesondere darauf, wie das Team insgesamt die Führungskraft beeinflusst und sich im Führungsprozess engagiert. Eine mögliche Blickrichtung ist eine ähnliche Kategorisierung von TFS entlang eines Kontinuums von passiv zu proaktiv wie bei Carsten et al. Zudem kann untersucht werden, wie unterschiedliche Ausprägungen von TFS zentrale Leistungsindikatoren wie Innovation aber auch den langfristigen Bestand des Teams und deren Funktionsweise beeinflussen. 3.5 Analyseebene Organisation: Entwicklung und Einfluss von Followership-Klima Untersuchungen zeigen, dass das Verhalten von Individuen und Gruppen in Unternehmen stark vom herrschenden Organisationsklima beeinflusst werden (zur Übersicht: Luria, 2008). Organisationsklima ist die von einer Mehrzahl an Organisationsmitgliedern geteilte Wahrnehmung der Handlungsbedingungen (Chen/Bliese, 2002). Forscher differenzieren unterschiedliche Klimaarten (Rousseau, 1988), darunter unter anderem allgemein Führungsklima (z. B. Gavin/Hofmann, 2002) und spezifisch transformationales Führungsklima (z. B. Walter/Bruch, im Druck). Empirische Studien haben u.a. gezeigt, dass Führungsklima das Selbstwirksamkeitsempfinden einer Gruppe (collective efficacy) positiv beeinflusst (Chen/Bliese, 2002) sowie dass transformationales Führungsklima und produktive organisationale Energie positiv miteinander korreliert sind (Walter/Bruch, im Druck). Studien zum Einfluss von Organisationsklima auf das Verhalten von Individuen sind bisher ausnahmslos führungskräftezentriert, deuten aber z. B. über die Betonung der positiven Effekte eines als unterstützend wahrgenommenen Organisationsklimas (z. B. ein reduziertes Arbeitsbelastungsempfinden: Tordera/González-Romá/Peiró, 2008) daraufhin, dass auch Führungskräfte hierdurch positiv beeinflusst werden können. Zukünftige Forschung könnte sich daher der Frage widmen, in welchem Umfang ein als unterstützend wahrgenommenes Umfeld von Geführten geprägt wird und wie Führungskräfte von einem derartigen Followership-Klima beeinflusst werden. Zum Beispiel könnten Führungskräfte aufgrund der guten Beziehungsqualität mit ihren Geführten und der Wahrnehmung einer Unterstützung durch Geführte eine geringe Arbeitsbelastung empfinden. In Anlehnung an die Organisationsklima-Definition definieren wir Followership-Klima als die von Führungskräften wahrgenommenen Handlungsbedingungen in der Interaktion mit Geführten. Ausprägungen des Followership-Klimas können sowohl positiv (Führungskraft schätzt die Geführten generell z. B. als unterstützend, loyal, selbstinitiativ und/oder leistungsbereit ein) als auch negativ (Führungskraft schätzt die Geführten generell z. B. als abwartend, reaktiv, träge und/oder unmotiviert ein) sein. Zukünftige Führungsforschung könnte daher untersuchen, wie ein Followership-Klima entsteht, welche Facetten es haben kann und welche Effekte sich aus einem derartigen Klima ergeben. Darüber hinaus könnten Studien analysieren, in welchem Umfang es in Unternehmen eine gemeinsam geteilte Wahrnehmung über Geführte gibt, das heißt eine übereinstimmende Einschätzung der Führungskräfte, dass die Mitarbeiter z. B. innovativ und proaktiv sind. Hieraus ergibt sich die Frage, wie ein Followership-
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Klima des Unternehmens das Interaktionsverhalten mit Geführten beeinflusst (z. B. ist man im Unternehmen generell bereit, den Geführten einen Vertrauensvorschuss zu gewähren). Folglich kann untersucht werden, in wie weit Führungsklima und Followership-Klima in einem Unternehmen übereinstimmen und welche Effekte sich aus einer Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung für die Führungsbeziehung sowie das Verhalten der Interaktionspartner ergeben. 4
Fazit
Mit der Forschungsrichtung „Followership" vollzieht sich in der Führungsliteratur in den letzten Jahren ein Perspektivenwechsel. Geführte werden nicht länger ausschließlich als Empfänger von Führung verstanden. Vielmehr beeinflussen Geführte den Führungsprozess, die Führungsbeziehung und damit die Führungskraft, um gemeinsame Ziele besser erreichen zu können. Damit wird die in der Führungsliteratur traditionell dominante Führungskräfte-zentrierte Forschungsperspektive um eine Perspektive ergänzt, die den gezielten Einfluss von Geführten untersucht. Letztendlich beginnen Forscher das Führungsphänomen als gegenseitigen Beeinflussungsprozess zwischen Geführten und Führungskräften zu verstehen und die von Claus Steinle bereits 1978 vorgeschlagene Denkrichtung theoretisch zu fundieren und empirisch zu analysieren. Eine ebenenorientierte Betrachtung hilft bei der Ableitung sich entwickelnder und zukünftiger Richtungen in der Followership-Forschung. Wer das Gedankenspiel mitgeht, das in meisten Unternehmen der CEO bzw. der Vorstand prinzipiell der erste Follower im Unternehmen ist – in dem Fall gegenüber dem Aufsichtsrat –, dem wird klar sein, dass Followership, also verantwortungsvolles und einflussnehmendes Geführtenverhalten gegenüber der Führungskraft, sich zu einem leistungsentscheidenden Forschungsfeld entwickelt.
Integriertes Personalmanagement bei den VGH Versicherungen Hans-Georg Walther
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Einführung: Integriertes Personalmanagement als Zukunftsweg
Ein zukunftsweisendes Personalmanagement hat heute vielfältigen Ansprüchen Rechnung zu tragen, die sich insbesondere aus der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, internen Effizienzerfordernissen, den Interessenlagen der Mitarbeiter und gesellschaftlichen Ansprüchen ergeben. Einfach gestrickte und isoliert gehandhabte personalwirtschaftliche Einzelkonzepte können diesen miteinander vernetzten Ansprüchen nicht mehr hinreichend Rechnung tragen. Vor diesem Hintergrund rückt mehr und mehr ein integriertes Personalmanagement in den Vordergrund. Dieses zeichnet sich intersystemisch durch eine enge Verknüpfung der Personalarbeit mit der Unternehmenspolitik und -strategie und intrasystemisch durch eine zielführende Verzahnung und sinnvolle Abstimmung personalwirtschaftlicher Aktivitätsfelder untereinander aus (vgl. Steinle, 2005). Ein solches integratives Konzept soll sowohl wirtschaftlich geprägte unternehmensbezogene und zugleich bedürfnisorientiert geprägte mitarbeiterbezogene Belange hinlänglich abbilden. Die Herausforderung der Gestaltung eines integrierten Personalmanagements stellt sich auch für den traditionsreichen niedersächsischen Versicherer VGH. Es gilt, adäquate Antworten auf neue personalwirtschaftliche Herausforderungen sowie marktbezogen bedingte Veränderungen zu finden und in ein schlüssiges Gesamtkonzept zu integrieren. Handlungsleitend ist dabei die Maxime, dass sich die VGH in besonderer Weise Kunden und Mitarbeitern zugleich verpflichtet fühlt. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden aus einer Praxisperspektive die Handlungsfelder eines integrierten und zukunftsweisenden Personalmanagements am Beispiel des Versicherers VGH aufgezeigt werden. 2
Unternehmensprofil der VGH
Die VGH hat eine lange Tradition. Die Wurzeln des Mutter-Unternehmens, der Landschaftlichen Brandkasse Hannover, reichen bis ins Jahr 1750 zurück. Vor gut 50 Jahren schloss sie sich mit der 1918 gegründeten Provinzial Lebensversicherung Hannover zusammen. Es entstand die Versicherungsgruppe Hannover – kurz VGH. Seit 2001 befinden sich auch die Provinzial Krankenversicherung Hannover AG und seit 2002 die Provinzial Pensionskasse unter dem Dach der Marke. Die Gruppe bietet damit heute ein lückenloses Angebot bei Schaden- und Personen-Versicherungen. Die VGH ist als öffentlich-rechtlicher Versicherer ausschließlich in Niedersachsen aktiv. Für das Unternehmen ist das seine große Stärke. Mit mehr als 600 Vertretungen von selbstständigen Versicherungskaufleuten sowie den 1.200 Geschäftsstellen von 44 Sparkassen und der Landesbausparkasse kann die VGH auf ein flächendeckendes Vertriebsnetz vom Harz bis an die Nordseeküste zugreifen. Diese Nähe zum Kunden und die breite Produktpalette machen die VGH für zahlreiche Niedersachsen zur ersten Wahl: Ein Drittel aller
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Wohngebäude und zwei Drittel aller landwirtschaftlichen Betriebe sind hierzulande bei ihr versichert. Jede fünfte Kfz- und Hausratversicherung sowie jede zehnte Lebensversicherung schließen die Niedersachsen mit dem Regionalversicherer ab. Mehr als 130 000 Menschen haben ihre Krankenversicherung bei der VGH. Alles in allem hat das Unternehmen 5,2 Millionen Policen in seinem Bestand. Die VGH engagiert sich auch über das eigene Vertriebsgebiet hinaus. In den 80er und 90er Jahren hat sich das Unternehmen zusammen mit den Sparkassen-Verbundpartnern an der Öffentlichen Versicherung Bremen und den öffentlichen Versicherern in Sachsen-Anhalt, Ostfriesland und Oldenburg beteiligt. Mit der Alten Oldenburger Krankenversicherung in Vechta kooperiert sie seit 2007. Dabei ist die VGH ihrer Philosophie stets treu geblieben: Die Partnerunternehmen profitieren von einem starken Verbund, gehen aber weiter ihre eigenen Wege. Erfolgsfaktoren wie Markenname und regionale Marktbearbeitung, die die Unternehmen zu Marktführern in ihren jeweiligen Vertriebsgebieten gemacht haben, bleiben erhalten. Mit diesem Beteiligungsmodell und ihrer eigenen dezentralen Aufstellung stärkt die VGH den Versicherungsstandort Niedersachsen und sichert zahlreiche Arbeitsplätze in allen Regionen des Landes. Die VGH übernimmt gesellschaftliche Verantwortung. Seit Generationen lässt sie die Menschen in Niedersachsen an ihrem wirtschaftlichen Erfolg teilhaben und engagiert sich als Sponsor im Sport, in der Kultur und im sozialen Bereich. Im Jahr 2000 rief sie die VGHStiftung ins Leben, die sich seitdem auf die Fördergebiete Wissenschaft, Kultur und Mildtätigkeit konzentriert und dabei insbesondere die Jugend unterstützt. Für die VGH zählen bei ihrem Engagement vor allem Fairness, Initiative und Eigenverantwortung. Werte, die auch im Unternehmen gelebt werden. Wofür die VGH insgesamt steht, zeigt folgende Abbildung.
Überdurchschnittliche Ertragskraft
Überdurchschnittliche Servicequalität
Überdurchschnittliche Wettbewerbsfähigkeit durch Produktivitätswachstum
Attraktive Produkte
Abb. 1: Strategische Positionierung der VGH
Marktführerschaft
Enge Kundenbindung und ausgeprägte Kundennähe
Integriertes Personalmanagement bei den VGH Versicherungen
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Grundverständnis der Personalarbeit bei der VGH
3.1 Eckpunkte des Personalmanagements Das Grundverständnis und die Ausprägung des Personalmanagements in der VGH lässt sich an drei Eckpunkten verdeutlichen:
Strategie- und Wertebezug
Personalkonzeption mit Kernkompetenzen
Einbezug der Mitarbeiter in Entwicklungsprojekten
3.2 Strategie- und Wertebezug Zentraler Baustein unseres strategischen Personalmanagements ist die Personalstrategie, die konsequent der Unternehmensstrategie folgt und damit ihr integraler Bestandteil ist. Ohne sie könnten wir unsere wichtigste Ressource Personal nicht auf die Unternehmensziele ausrichten, sie motivieren, diese Ziele engagiert zu erreichen und sie langfristig an das Unternehmen binden. Die Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource der VGH. Sie haben die Gruppe zum Marktführer gemacht. Das Unternehmen honoriert dieses Engagement mit sicheren Arbeitsplätzen und umfassenden Sozialleistungen. Betriebsbedingte Kündigungen gab es noch nie. Traditionelle Werte wie Fairness und Wertschätzung, die in der Leitphilosophie der VGH verankert und gelebte Kultur sind, prägen das Miteinander. Statt eines autoritären Führungsstils pflegt die VGH eine Kultur des Vertrauens und des partnerschaftlichen Verhältnisses auch zu den Arbeitnehmervertretern. Die Hierarchien im Unternehmen sind flach, es gibt keine Gruppenleiter, die Teams organisieren sich selbst – und das erfolgreich. Handlungsleitend und damit die „integrative Klammer“ für die Zusammenarbeit auf allen Ebenen der VGH ist das postulierte Führungsverständnis. Kernpunkte sind ein partnerschaftliches Grundverständnis, eine offene Dialog- und Gesprächskultur, das Prinzip der Zielvereinbarung, eine umfassende Information der Mitarbeiter, mitarbeiterbezogene Verantwortungsübernahme durch Delegation sowie eine intensive Mitarbeiterförderung. Die Führungskräfte vor Ort sind damit integraler Bestandteil der Personalarbeit als direkter Ansprechpartner ihrer Mitarbeiter. Als Personalbereich sind wir Dienstleister für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und strategischer Berater der Unternehmensleitung zugleich. Wir wollen die hohen Anforderungen in diesem Spannungsfeld zwischen Servicefunktion und Steuerungsaufgaben erfüllen. So wie der Leitsatz der VGH „Fair versichert“ für die Versicherungskunden gilt, wollen wir auch für die Mitarbeiter ein fairer und kompetenter Partner sein. 3.3 Personalkonzeption mit Kernkompetenzen Es ist unser erklärtes Ziel, hoch qualifizierte und hoch motivierte sowie eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiter und Führungskräfte für uns zu gewinnen, sie zu betreuen und zu fördern. Gleichzeitig stehen wir für Anpassung der Personalkapazitäten mit „Augenmaß“ durch Umsetzung von Struktur- und Prozessoptimierungen. Hierzu dienen die gezielte
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Qualifizierung auf allen Ebenen und der weitere Ausbau der Leistungskultur durch Ausweitung der Zielorientierung. Wesentlicher Bestandteil der personellen Zukunftssicherung unseres Unternehmens sind die Potenzialerkennung von Nachwuchskräften in Schlüsselfunktionen und das strategische Nachfolgemanagement. Mögliche personelle Risiken und Engpässe werden so identifiziert und minimiert. Hierdurch sehen wir unsere Personalpolitik für die zukünftigen Herausforderungen von Markt und Demografie (vgl. Abschnitt 5.1) gerüstet. Schon die Organisation der Ausbildung richtet sich an dieser Maxime aus. VGH-Azubis haben in einer Projektarbeit den Grundstein für ihr eigenes Trainee-Programm zur Übernahme einer Vertretung entwickelt. Dafür hat das Unternehmen 2007 und 2008 den Bildungspreis der Deutschen Versicherungswirtschaft erhalten. Innovation und Tradition: Für die VGH ist das kein Widerspruch – es sind zwei Seiten einer Medaille. Unser Bereich beheimatet die verschiedensten Ausbildungen, Berufserfahrungen und Kompetenzen. Uns eint das Ziel, die Mitarbeiter auf ihrem Berufsweg in der VGH bestmöglich zu begleiten und den Führungskräften die Arbeit leichter zu machen. Uns liegt dabei besonders am Herzen, möglichst vor Ort zu sein, um die jeweiligen Anliegen gut zu verstehen. Unsere Kernkompetenzen liegen in folgenden Schwerpunkten:
Betreuung und Beratung aller Mitarbeiter rund um Verdienst und Sozialleistungen
Zielorientierte Personaleinsatzsteuerung: der richtige Mitarbeiter zur richtigen Zeit am richtigen Platz
Begleitung, Entwicklung und Qualifizierung von Mitarbeitern und Führungskräften
Strukturelle und personelle Beratung und Begleitung in Veränderungsprozessen
Durchführung der Personal(kosten)planung
Entwicklung von Leitlinien zum Personalmanagement im Einklang mit den Unternehmenszielen und -strategien
Die Rahmenbedingungen für Personalarbeit ändern sich ständig. Um frühzeitig neue Entwicklungen in unsere Arbeit integrieren zu können, entwickeln wir unser Leistungsspektrum und unsere Instrumente stetig weiter. 3.4 Einbezug der Mitarbeiter in Entwicklungsprojekte Durch flache Hierarchien und die Einbindung in strategische Themen bieten wir unseren Mitarbeitern die Möglichkeit, konstruktiv an der Weiterentwicklung der VGH mitzuarbeiten. Die Verknüpfung von Strategie- und Entwicklungsthemen mit personalbezogenen Anliegen, wie der Förderung von strategischer Kompetenz bei den Führungskräften als integrale Komponente, wird hier besonders offensichtlich. Die (strategische) Personalarbeit ist also eng verzahnt mit Projekten der Unternehmungsentwicklung, ein wechselseitiger Förderungsimpuls ist hier gegeben.
Integriertes Personalmanagement bei den VGH Versicherungen
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Durch groß angelegte Change-Maßnahmen, wie die „Schiffbauer“ (vgl. Abschnitt 4.2) und das Strukturprojekt (Abschnitt 4.1), arbeiten wir zudem Stärken und Schwächen unseres Unternehmens heraus und suchen nach Optimierungspotenzial. In dem über alle Führungsebenen angelegten Schiffbauer-Projekt arbeiten die „Steuerleute“ des Unternehmens daran, diese Kultur und Führungsphilosophie kontinuierlich weiterzuentwickeln und sie auf Dauer im Unternehmen zu verankern. Im Folgenden werden die Projekte, die ein wichtiges Handlungsfeld eines integrierten Personalmanagements darstellen, vorgestellt. 4
Die (integrative) Rolle des Personalmanagements im Rahmen von Veränderungsprozessen
4.1 „Strukturprojekt“ zur Unternehmensentwicklung Das „Strukturprojekt“ hatte von Mitte 2007 bis Mitte 2009 den Auftrag, die mittelfristige strukturelle Ausrichtung des Unternehmens so zu konzipieren, dass es auf die Zukunft optimal ausgerichtet ist. Die Dienstleistungsqualität für den Vertrieb wird verbessert, Strukturen werden kostengünstiger und professioneller – so treten alle Verantwortlichen für die Umsetzung ein. Das Team des Strukturprojekts bestand aus einer bunten Mischung von Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen der VGH und ÖVB. Es wurde ganz bewusst der Beschluss seitens des Vorstands gefasst, dieses wichtige Projekt nicht durch externe Berater, sondern mit eigenen Kräften zu bestreiten. Um die Interessen der betroffenen Bereiche besser berücksichtigen zu können, wurde das Projektteam durch Fachverantwortliche – meist die zuständigen Abteilungsleiter – ergänzt. Der Projektlenkungsausschuss (PLA) als Entscheidungsgremium war mit Vorständen und Leitenden sowie dem Personalrat besetzt. Zunächst wurden die Prozesse in den vertriebs- und kundennahen Bereichen aufgenommen. Diese Groberhebungen wurden – unter Einbeziehung von ca. 300 Mitarbeitern, Führungskräften und Vertriebspartnern des Hauses – durch die Abteilung Prozesse der ivv durchgeführt. Parallel dazu erfolgte eine Reihe von Analysen um die Ergebnisse der Groberhebungen abzurunden. Beispielsweise haben wir ermittelt, mit welcher Fülle von Anliegen sich Kunden und Vertriebspartner bei uns melden oder wie zufrieden unsere Kunden mit unseren Serviceleistungen sind. Dem Personalbereich kam in diesem Projekt die Rolle zu, als neutrale Instanz alle Bereichsinteressen aufzunehmen, abzustimmen und zu kanalisieren. Denn der Personalbereich hatte keine primär eigenen Ziele in diesem Projekt, sondern war vielmehr in der Lage für einen Interessenausgleich zwischen den Ressorts und natürlich auch gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu sorgen. Des Weiteren hat die Vergangenheit gezeigt, dass alle strukturellen Änderungen immer direkt auf personelle Fragestellungen hinauslaufen und eine enge Begleitung durch den Personalbereich erforderlich machen. Aus den gesammelten Erkenntnissen wurde ein Grobkonzept entwickelt und vom Vorstand entschieden. Nachdem dann alle Konzepte eine hinreichende Tragfähigkeit bewiesen hatten, ging es in die Feinplanung. Erste Projektergebnisse wurden schon erzielt. Das erste „Projektbaby“ ist das SchadenManagementCenter (SMC), das am 01.01.2009 an den Start ging und sowohl dem Fachbereich
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Schaden, als auch dem Strukturprojekt bisher große Freude macht. Unser nächster Projektmeilenstein ist das KraftfahrtVertragsCenter (KVC), das zum 01.07.2009 seine Arbeit aufgenommen hat. Zusätzlich zu diesen großen Veränderungen hat das Strukturprojekt auch maßgeblich an einer Vielzahl weiterer Themen mitgewirkt, z. B. bei der Konzeption der zentralen Angebotskoordination und Vertriebsunterstützung im Firmenkundenbereich oder beim Maßnahmenkatalog Vertrieb. Neben der Konzeption und Umsetzung der neuen Strukturen und Prozesse hat das Strukturprojekt darüber hinaus die enge Begleitung aller Veränderungen aus personeller Sicht sichergestellt, etwa bei der Entwicklung von Kompensationsleistungen für den Wechsel ins SMC und KVC. 4.2 Kulturentwicklung am Beispiel des „Schiffbauerprozesses“ Der Name Schiffbauerprozess entstand über unsere Firmenadresse: Schiffgraben. Schiffe bauen, Gräben überwinden. Jeder Mitarbeiter hat ein unmittelbares Arbeitsumfeld, in dem er sich auskennt und wohlfühlt, über das er aber auch Kritisches zu berichten hat. Zugleich gibt es für jeden Mitarbeiter etliche unbekannte Bereiche. Versicherungen sind eben komplexe Gebilde. Sie steuern über ihre breit aufgestellten Fachabteilungen eine Fülle von unterschiedlichen Produktwelten. Daneben existieren Zentralabteilungen, die das Gesamtunternehmen oder wesentliche Ressourcen wie die IT-Plattform steuern. Und schließlich, an der Front, regiert der Vertrieb, denn jeder Vertrag, jede Kundenbeziehung muss akquiriert werden. Diese hochkomplexe Welt verständlich und erfassbar zu machen, ist eine wichtige Teilaufgabe des Schiffbauerprozesses. Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Abteilungen kommen zusammen und berichten über ihre Erfahrungen. Dabei wächst ein Grundverständnis für die Zusammenhänge. Aufgabe des Schiffbauerprozesses ist es, den Blick für das Gesamtunternehmen und seine vielfältigen Aufgaben zu weiten. Das ganzheitliche Denken bei den Führungskräften als personalbezogene Komponente einer integrierten Unternehmensführung wird so gefördert. Ein weiterer Themenkreis des Schiffbauerprozesses ist die Aufarbeitung des Miteinanders. Der Schiffbauerprozess ist in aller Munde. Ein besseres Miteinander im Betrieb zu organisieren, ist auch Aufgabe dieses Prozesses. Insofern geht es in diesem Prozess auch um weiche Faktoren, die im Rahmen einer Kulturentwicklung anzusiedeln sind. Nachdem zunächst die Führungskräfte diesen Prozess durchlaufen haben, wird er jetzt auf die Mitarbeiter ausgeweitet. In einem ersten Anlauf sollen rund 150 Mitarbeiter eingebunden werden. Vorgesehen ist, dass alsbald eine weitere Stufe erfolgt. 4.3
Zusammenspiel Personal- und Organisationsmanagement am Beispiel des Projektes 2019
Das Projekt 2019 wurde gestartet, um in dem zunehmenden Verdrängungswettbewerb mit stagnierenden Beitragspotenzialen die Position der VGH als Marktführer zu sichern und weiter auszubauen. Grundlegende Verbesserungen lassen sich jedoch nicht mehr allein
Integriertes Personalmanagement bei den VGH Versicherungen
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durch optimierte Produkte, Arbeitsabläufe oder EDV-Systeme einzelner Sparten oder Bereiche erreichen. In diesem Sinne ist das Projekt 2019 kein Projekt einer einzelnen Sparte, eines Fachbereichs oder nur des Vertriebs. Es bezieht sich vielmehr auf die betrieblichen und vertrieblichen Anforderungen der gesamten Kompositversicherung der VGH sowie der Verbundpartner. Der Name "2019" steht hierbei für den strategischen Charakter des Projektes. Um die hierfür notwendige bereichsübergreifende Sicht zu gewährleisten, ist das Projektteam mit Mitarbeitern der unterschiedlichsten Fachbereiche, des Vertriebs und der ivv besetzt. Diese interdisziplinäre Besetzung ist ein wichtiges integratives Element, um komplexe Problemstellungen bearbeiten zu können. In einem Satz zusammengefasst sind die Kernziele des Projekts:
die mittelfristige Stabilisierung der Prozesskosten (Personal- und Sachmittel),
die Erhöhung der Potenziale zur Stärkung der Vertriebsproduktivität sowie
eine Verbesserung der innerbetrieblichen Servicequalität
durch eine unternehmensgerechte, vertriebsorientierte Standardisierung und Automatisierung der wertschöpfenden und unterstützenden Geschäftsprozesse im Beund Vertriebsbereich der Kompositversicherungen.
Ohne eine Veränderung würden die Kosten für Personal- und Sachmittel im Verhältnis zu den Beitragseinnahmen überproportional steigen. Von daher sind die Arbeitsabläufe und die technische Unterstützung so zu gestalten, dass in Summe weniger Personal- und Sachmittel erforderlich sind, um das von unseren Kunden gewünschte Preis-Leistungsverhältnis zu erzielen. An dieser Stelle muss nicht befürchtet werden, dass im Rahmen des Projektes 2019 bestehende Arbeitsplätze abgebaut werden. In den kommenden Jahren wird die VGH noch mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert, der demographischen Entwicklung. Bis 2019 werden uns rd. 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter altersbedingt verlassen, was rund 20% der gesamten Belegschaft der VGH/ivv entspricht. Dieser Verlust an Wissen und Erfahrung wird nur schwer zu kompensieren sein. Die Ergebnisse des Projektes 2019 sollen dabei helfen, dass wir dennoch die erforderliche Wettbewerbsfähigkeit erhalten und ausbauen können. Daher ist der Schiffbauerprozess eine wichtige Voraussetzung für das Projekt 2019. Denn die Schiffbauer haben gelernt, die Dinge integrierter zu sehen. Innen- und Außendienst sind stärker zusammengewachsen und haben ein besseres gegenseitiges Verständnis gewonnen für das Zusammenwirken im Unternehmen. Jeder kennt die Sichtweisen und Notwendigkeiten des anderen inzwischen genauer und versteht, wie die Zahnräder ineinandergreifen müssen, damit das Unternehmen als Ganzes den größtmöglichen Erfolg hat.
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Kernfelder und Herausforderungen des (integrativen) Personalmanagements
5.1 Demografisch bedingte Zukunftsaufgaben: Schulprojekt „Partners in Leadership“ Der demografische Wandel stellt in vielerlei Hinsicht eine echte Herausforderung für ein integriertes Personalmanagement dar. Spätestens ab dem Jahr 2020, so rechnen Experten vor, werde sich der Geburtenrückgang massiv auf den Arbeitsmarkt auswirken – auch in Niedersachsen. Qualifizierte Fachkräfte beziehungsweise Beschäftigte mit gehobener Qualifikation könnten dann zur Mangelware werden. Bei den sogenannten MINTQualifikationen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zeichnet sich dieser Trend bereits heute ab. Für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen sowie deren Entwicklungsperspektiven aber hat gerade dieses Fachpersonal eine zentrale Bedeutung. Dem demografischen Wandel will die niedersächsische Landesregierung mit ihrer Qualifizierungsoffensive begegnen. Schon heute sollen die Weichen im Bildungssystem einschließlich der beruflichen und akademischen Ausbildung gestellt und möglichst viele Potenziale genutzt werden. Für dieses ehrgeizige Ziel hat sich die Politik Partner aus Wirtschaft und Verwaltung ins Boot geholt. Neben der Optimierung der frühen Förderung von gewerblich technischen Berufen und der MINT-Studiengänge, einer verbesserten Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung sowie einer Förderung der beruflichen Weiterbildung nimmt die Gestaltung einer familienbewussten Arbeitswelt in der Qualifizierungsoffensive eine wichtige Rolle ein. Die VGH arbeitet über den demografischen Aspekt hinaus auch bei übergreifenden Schulprojekten mit. Im Rahmen einer „eigenverantwortlichen Schule“ sollen Schulleitungen bei der Übernahme der hierzu erforderlichen Führungskompetenzen von den Erfahrungen der Praktiker aus der Wirtschaft profitieren. Um dies zu erreichen, wurde von der Landesarbeitsgemeinschaft SchuleWirtschaft sowie von dem Unternehmerverbände Niedersachsen e.V. das Projekt „Partners in Leadership“ initiiert. Ein Jahr lang begleiten Unternehmer und unternehmerisch tätige Führungskräfte die Schulleitungen bei ihrer Arbeit und geben dabei ihr spezifisches Know-how weiter. Die VGH-Versicherungen haben sich von Beginn an – der Start war am 15. März 2010 – in diesem Projekt engagiert. Neben dem Nutzen für die Schulen ergeben sich auch Vorteile für die teilnehmenden Unternehmen. Durch den demographischen Wandel und dem damit einhergehenden „War of Talents“ wird es für Unternehmen immer schwieriger, qualifizierten Nachwuchs zu akquirieren. Neben dem Hochschulmarketing setzen die VGH-Versicherungen verstärkt auch auf Kooperationen mit niedersächsischen Schulen um frühzeitig den Nachwuchs zu erreichen. Das ins Leben gerufene Projekt war eine gute Gelegenheit, die Kooperation mit der IGSGarbsen zu begehen. 5.2 Integrierte Personalentwicklung: Potenzialorientierte Führung, Nachfolgemanagement und umfassende Entwicklungsprogramme Gerade die Personalentwicklung ist ein geeignetes Handlungsfeld für integrierte Konzepte im Sinne aufeinander abgestimmter und aufbauender Förderkonzepte. Dies soll im Folgen-
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den insbesondere an der Nachfolgeplanung verdeutlicht werden, die durch Potenzialanalysen und umfassende Entwicklungsprogramme bei der VGH geprägt bzw. flankiert wird. Der derzeitigen und künftigen Nachfolgeplanung der personellen Abgänge von Inhabern von Schlüsselfunktionen in der VGH/ivv kommt insbesondere durch die demografische Entwicklung der kommenden Jahre eine zentrale Rolle für die Sicherung und Stärkung unserer Wettbewerbsposition zu. Ein Engpassfaktor in diesem Sinne ist bereits jetzt, dass in bestimmten Bereichen nicht ausreichend geeignete und erfahrene Fach- und Führungskräfte zur Verfügung stehen. Dies gilt umso mehr, als durch die verschiedenen Initiativen und Veränderungsprojekte (Strategieumsetzung, Strukturprojekt, Schiffbauer) sich die Anforderungen an die Beschäftigten in den nächsten Jahren deutlich verändern und erhöhen werden. Ein integriertes Personalmanagement, das eng mit der Unternehmensstrategie verzahnt ist, muss auf diese Herausforderung reagieren. Ziel eines strategischen Nachfolgemanagements in der VGH/ivv sollte deshalb die regelmäßige Einschätzung möglicher kurz-, mittel- und langfristiger personeller Risiken und Engpässe sowie deren Verhinderung oder Minimierung durch geeignete Potenzialbeurteilungs-, Auswahl- und Entwicklungsmaßnahmen sein. Daher ist die potenzialorientierte Führung der zentrale Baustein im Nachfolgemanagement und bedeutet: Die Mitarbeiter werden mit Blick auf ihre besonderen, grundlegenden Fähigkeiten (Potenziale) in ihrer Entwicklung von den Führungskräften beraten und gefördert. Dies erfordert von den Führungskräften, die Potenziale ihrer Mitarbeiter zu erkennen, den Mitarbeiter im Hinblick auf seine Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen zu beraten und Fördermaßnahmen zu initiieren, die die Entwicklungsperspektiven des Mitarbeiters verbessern. Die potenzialorientierte Führung ist anlassbezogen. Anlässe können ein Veränderungswunsch des Mitarbeiters sein, aus der Initiative der Führungskraft resultieren oder aufgrund äußerer Veränderungen sinnvoll sein. Grundsätzlich ist eine potenzialorientierte Führungsarbeit dann angebracht, wenn die Entwicklungsperspektive eines Mitarbeiters geklärt werden soll. Potenzialkonferenzen, in denen Führungskräfte die Potenziale und Entwicklungsund Förderungsmöglichkeiten ausgewählter Mitarbeiter besprechen, runden den Themenkreis der potenzialorientierten Führung ab. Nachfolgemanagement bedeutet in diesem Sinne, dass Mitarbeiter, Führungskräfte und die Fachverantwortlichen im Personalbereich aus einer aktiven Haltung heraus gemeinsam dafür Sorge tragen, dass der zukünftige Bedarf an qualifiziertem Personal zeitnah gedeckt werden kann. Nur wenn die Mitarbeiter und die Führungskräfte hinreichend Orientierung über Entwicklungsmöglichkeiten und Entwicklungsnotwendigkeiten haben, können sie eigene Zielvorstellungen entwickeln. Denn nur wenn sie eigene Zielvorstellungen haben, werden sie auch bereit sein, Verantwortung für die (eigene) Personalentwicklung zu übernehmen und daran aktiv teilzunehmen. Ohne diese gemeinsame Orientierung und geteilte Verantwortung gibt es auch kein abgestimmtes und effektives Nachfolgemanagement. Damit ein solches Nachfolgemanagement funktionieren kann sind aus Sicht des Projektes folgende vier Verfahrensschritte sinnvoll: I.
Ermittlung der strategischen Handlungsbedarfe
II.
Ableitung der mittelfristigen Kapazitätsplanung
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III. Erstellung der konkreten Personal- und Nachfolgeplanung IV. Potenzialentwicklung als Führungsauftrag Diese Verfahrensschritte zeigt nachfolgende Abbildung im Ablauf:
Abb. 2: Integriertes Nachfolgemanagement bei der VGH
Das Ergebnis dieser Verfahrensschritte sind schließlich valide Informationen über die tatsächlichen Entwicklungspotenziale im Unternehmen. Das skizzierte Personal- und Nachfolgemanagement steht für ein integriertes Personal-Subsystem im Rahmen eines integrierten Personalmanagements. Die VGH sucht mit diesen Programmen gezielt nach potenziellen Führungskräften im eigenen Haus: In regelmäßigen Potenzialgesprächen machen sich Vorgesetzte und Personaler ein Bild davon, ob ein Mitarbeiter für Führungsaufgaben geeignet ist. Im positiven Fall kann er sich auf freie Stellen bewerben. Verfügt jemand über Potenzial, ist in seiner Entwicklung aber noch nicht weit genug, werden gemeinsam konkrete Ziele und Maßnahmen vereinbart. So kann sich der Chef in spe weiterentwickeln, um zu einem späteren Zeitpunkt die Karriereleiter zu besteigen. Auch angehende Abteilungs- und Regionaldirektoren unterstützt die VGH mit maßgeschneiderten Entwicklungsangeboten auf ihrem Weg nach oben. Über das skizzierte Nachfolge- und Potenzialmanagement hinaus legt die VGH besonderen Wert auf eine umfassende Personalentwicklung aller Mitarbeiter und bietet daher eine Vielzahl von Entwicklungsmaßnahmen an. Das integrierte Personalförderkonzept in der VGH beginnt schon mit der Ausbildung – hier werden schon wesentliche Weichen für qualifiziertes Personal gestellt. Als Allspartenversicherer mit eigenem IT-Dienstleister – der ivv – deckt die VGH ein breites Ausbildungsspektrum ab. Neben dem klassischen Kaufmann für Versicherungen und Finanzen/Fachrichtung Versicherung bietet sie auch ein duales Studium an, das die Vorteile von akademischer und praktischer Ausbildung verbindet.
Integriertes Personalmanagement bei den VGH Versicherungen
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Im Durchschnitt sind rund 200 Azubis in der Ausbildung bei der VGH: in den Vertretungen, den Regionaldirektionen und der Direktion Hannover. Die Ausbildungszahlen des Unternehmens liegen konstant über Bedarf. Dennoch erhalten nahezu alle ausgelernten Azubis einen Anschlussvertrag für mindestens ein Jahr. Die meisten werden in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen – ungewöhnlich für die Branche und ein Beleg dafür, dass die VGH Verantwortung für die Menschen und den Nachwuchs in der Region übernimmt. Auch diese Art von Verantwortung wird als wichtiger Bestandteil einer integrierten Personalkonzeption angesehen. Die fundierte Ausbildung bei der VGH, die regelmäßig zu sehr guten Ergebnissen bei den IHK-Abschlussprüfungen führt, ist der erste Schritt zur Karriere: „Vom Stift zum Chef“ – bei der VGH ist das nichts Ungewöhnliches. Sie vertraut traditionell auf Eigengewächse. 90 Prozent aller Führungspositionen besetzt die VGH intern. Grundlage ist ein integriertes Förderkonzept, bestehend aus verschiedenen Fördermodulen in Form fortschrittlicher und praxisnaher Entwicklungsprogramme. Über zielguppenspezifische Förderprogramme hinaus können alle Mitarbeiter der VGH auf ein umfassendes Weiterbildungsangebot zugreifen: 250 Seminare allein im vergangenen Jahr – von der Verkaufsschulung bis zu IT- und Kommunikationstrainings, darunter spezielle Veranstaltungen für Innendienstmitarbeiter genauso wie für Außendienstler. Die Resonanz ist groß: Jedes Jahr nehmen rund 2.500 Mitarbeiter die Angebote wahr. Das Unternehmen fördert ebenfalls externe berufliche Fortbildungen, etwa zum RisikoExperten, Versicherungsfach- oder Betriebswirt. Schließlich profitiert die VGH von der Eigenmotivation ihrer Mitarbeiter. Sie übernimmt Lehrgangs- und Fortbildungskosten, außerdem gibt es Bildungs- oder Sonderurlaub für Prüfungen und vorbereitende Seminare. 5.3 Beruf und Familie Ein integriertes Personalmanagement sollte bei aller Förderorientierung auch das breitgefächerte Orientierungsspektrum von Mitarbeitern abbilden, etwa durch eine familienfreundliche Personalpolitik. Entsprechend engagiert sich die VGH auch durch unterschiedliche Initiativen auf diesem Feld. „S-krabbelt“ bei der VGH. Im Oktober 2008 fiel der Startschuss für die gemeinsame Kinderkrippe von VGH, NORD/LB und Sparkasse Hannover. Fachkräfte betreuen dort in verschiedenen Gruppen Kinder im Alter von einem bis zu drei Jahren. Mitarbeiter, die für ihre Kleinen keinen der begehrten Plätze bekommen haben und auf andere Einrichtungen ausweichen müssen, erhalten ein Jahr lang einen monatlichen Zuschuss zu den Betreuungskosten. Darüber hinaus veranstaltet das Unternehmen jedes Jahr eine Sommerferienaktion mit Toben, Basteln und Ausflügen für Mitarbeiter-Kinder. Beispiele, die zeigen, wie groß die VGH Familienfreundlichkeit schreibt: aus Verantwortung für ihre Beschäftigten, aber auch, um Eltern – insbesondere die Mütter – langfristig an das Unternehmen zu binden. Nicht nur deshalb hat die Hertie-Stiftung die VGH als familienfreundliches Unternehmen ausgezeichnet: Die Mitarbeiter können sich ihre Arbeitszeiten flexibel einteilen. Es gibt Freistellungen für die Betreuung pflegebedürftiger Familienangehöriger. Sonderzahlungen können in Freizeit umgewandelt werden.
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Der Bogen des Engagements der VGH reicht aber über den Bereich „Beruf und „Familie“ weit hinaus in viele weitere gesellschaftspolitische Belange hinein. Die VGH-Stiftung fördert z. B. verschiedene wissenschaftliche, kulturelle und mildtätige Projekte. Auch im breiten Themenfeld Nachhaltigkeit wird sich engagiert. Insofern stellt sich die VGH in besonderer Weise ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Dieses Engagement hat wiederum in vielerlei Hinsicht positive Rückwirkungen auf die Personalarbeit und ist in diesem Sinne auch zu einem integralen Bestandteil zu zählen: Aufgrund der positiven Außenwirkung sind die VGH-Mitarbeiter stolz auf ihr Unternehmen und dieses Engagement wird auch von interessierten Kandidaten vom Arbeitsmarkt als wichtiges Attraktivitätsmerkmal wahrgenommen. 6
Fazit: Integriertes Personalkonzept auf den Weg gebracht
Die VGH-Versicherungen haben aufgrund der heutigen und speziell zukünftigen Anforderungen ein integriertes Personalmanagement auf den Weg gebracht, das den damit verbundenen Ansprüchen gerecht wird. Integriertes Personalmanagement heißt für die VGH insbesondere eine
enge Abstimmung von Unternehmens- und Personalstrategie zentrale Unterstützungs- und Impulsfunktion des Personalmanagements im Rahmen von Veränderungsprozessen Entwicklung schlüssiger substanzieller Subsysteme innerhalb der Personalkonzeption, die ihrerseits auf die anderen Personalfunktionen abgestimmt sind (z. B. ein potenzialorientiertes Nachfolgemanagement) weitgehende Berücksichtigung mitarbeiterbezogener Belange, z. B. bei der Abstimmung von Beruf und Familie Berücksichtigung der gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens, z. B. in Form der Unterstützung überbetrieblicher Projekte im Schulbereich
Diese Elemente eines integrierten Personalmanagements zielen auf eine hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiterschaft ab, die wiederum unmittelbar und mittelbar den Kunden der VGH zu Gute kommt. Entsprechend ist ein integriertes Personalmanagement gelebte Zukunftssicherung. Oder mit den Worten des „Schiffbauerprozesses“ gesagt: Das traditionsreiche Schiff VGH im dynamischen Versicherungsmeer weiterhin auf Erfolgskurs zu halten.
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Change Management: Vitale Unternehmungen als Leitvorstellung
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Personal
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Change Management: Gesteuerter Wandel für eine vitale Unternehmung Timm Eichenberg und Maren Behse
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Einleitung: Änderung und Wandel als dauerhafte Herausforderung in Unternehmungen
Wurde in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts Wandel als relativ neues Phänomen diskutiert, so ist dieses in der aktuellen Betriebswirtschaftslehre nicht mehr wegzudenken. Vielmehr wird die Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung als Reaktion auf den Wandel in der Umwelt als notwendig für ihre Überlebensfähigkeit angesehen und ist Resultat einer zunehmenden Dynamik und Komplexität der relevanten Umweltfaktoren „Wettbewerb, Technologie und Märkte“. Darüber hinaus erweist sich ein von Unternehmungen aktiv initiierter und gesteuerter Wandel als wesentlicher Beitrag zum nachhaltigen Erfolg einer Unternehmung. Interne Veränderungsauslöser können z. B. die Vermeidung und Handhabung von Krisen sein (vgl. Eichenberg/Steinle, 2008, S. 125), oder aber Innovationen und geplante interne Entwicklungen, die die Unternehmung vitalisieren sollen (vgl. Steinle/Eggers/Thiem/Vogel (Hrsg.), 2000). Der Einzug von Wandel als dauerhafte Managementaufgabe in die Betriebswirtschaftslehre kann wie folgt im ganzheitlichen Managementkubus von Steinle verortet werden (vgl. grundlegend Steinle, 2005). Der Kubus stellt Management als komplexes Gegenstands- und Handlungsfeld dar und fächert mehr-ebenen-analytisch folgende Dimensionen auf: Funktionsbereiche der Unternehmung, Ebenen sowie Managementprozesse ergänzt durch den normativ-geprägten unternehmungspolitischen „Erker“. „Änderung/Wandel“ ist demnach neben Planung, Kontrolle, Organisation und Führung als wesentlicher Managementprozess anzusehen (siehe nachfolgende Abbildung). Längst sind Änderung/Wandel zur Dauerherausforderung geworden. Unternehmungen müssen sich der Anforderung stellen, sich rechtzeitig und effizient zu verändern – eine wohl überlegte Entscheidung für das Einleiten eines Veränderungsprozesses, dessen Ausmaß und die sorgfältige Wahl geeigneter Vorgehensweisen bei der Steuerung des Vorhabens sind der Schlüssel für die erfolgreiche Veränderung der Unternehmung. Dieser Herausforderung nimmt sich das Change Management als steuernde Beeinflussung an.
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_14, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Timm Eichenberg und Maren Behse Unternehmungspolitischer "Erker" in n Pr pie zi en em pl n Im tio ta d- e n t ru ep G onz k
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Personal
Abb. 1: Einordnung des Managementprozesses Änderung/Wandel in den Managementkubus Quelle: Steinle, 2005, S. 677
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Grundlagen des Change Managements
2.1 Wandel erster und zweiter Ordnung als Basisvorstellung Es liegt eine Vielzahl von Wandlungsansätzen mit unterschiedlichen Blickrichtungen vor (vgl. dazu näher Steinle, 1985). Im Folgenden werden die Ansatzgruppen Organisationsentwicklung und Organisationstransformation gegenübergestellt. Ausschlaggebend für die Unterscheidung zwischen Organisationsentwicklung und -transformation ist das Ausmaß des Wandels, welchen Steinle/Eggers/Ahlers (2008, S. 9) als „Bewegung von einem Ausgangs- zu einem Ziel/Endzustand im Sozialsystem Unternehmen“ bezeichnen. Staehle, 1999, S. 898 ff., differenziert zwischen einem Wandel 1. und 2. Ordnung: Beim Wandel 1. Ordnung ist die Veränderung auf einzelne Aspekte und Ebenen der Organisation beschränkt, während der Wandel 2. Ordnung eine einschneidende, paradigmatische Änderung der Arbeitsweise einer Organisation insgesamt beinhaltet. Zur detaillierten Abgrenzung vgl. Abbildung 2.
Change Management: Gesteuerter Wandel für eine vitale Unternehmung
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Wandel 1. Ordnung
Wandel 2. Ordnung
Beschränkt auf einzelne Dimensionen, Aspekte
Mehrdimensional
Beschränkt auf einzelne Ebenen
Qualitativer Wandel
Quantitativer Wandel
Wandel im Kontext
Wandel des Inhalts
Diskontinuität, neue Richtung
Kontinuität, gleiche Richtung
Revolutionär
Inkremental
Vermeintlich irrational, andere Rationalität
Logisch und rational
Mit Paradigmenwechsel
Umfasst alle Ebenen
Ohne Paradigmenwechsel
Abb. 2: Merkmale von Wandel 1. und 2. Ordnung Quelle: In Anlehnung an Staehle, 1999, S. 901
Als angemessene Konzepte der Organisationsveränderung kommt für den Wandel 1. Ordnung die Organisationsentwicklung, für den Wandel 2. Ordnung die Organisationstransformation in Frage (vgl. Staehle 1999, S. 900). Die Unterschiede zwischen Organisationsentwicklung und -transformation werden durch Abbildung 3 deutlich: Organisationsentwicklung
Organisationstransformation
Keine Herausforderung des herrschenden Paradigmas
Änderung des herrschenden Paradigmas
Beginnt mit Problem-Diagnose und Suche nach Lösungen
Beginnt mit einer neuen Vision oder einer Krise der alten Zweckorientiert (neue Mission)
Zielorientiert
Betonung von Ideologie, Politik und Technik
Betonung von Werten, Normen, Einstellungen
Ausrichten von Personen und Systemen an neuer Mission
Einigung über Lösungen Gegenwartsorientiert
Zukunftsorientiert
Kontinuität mit der Vergangenheit
Beginn einer neuen Zukunft
Abb. 3: Unterschiede zwischen Organisationsentwicklung und -transformation Quelle: In Anlehnung an Staehle, 1999, S. 931
Während die Organisationsentwicklung die in der Unternehmung etablierten normativen Grundsätze als „Leitplanken“ der Veränderung begreift, geht die Organisationstransformation darüber hinaus und strebt eine Neuorientierung auf der Werteebene an. Die meisten Organisationsveränderungen haben keinen revolutionären Charakter, sondern bewegen sich
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Timm Eichenberg und Maren Behse
innerhalb der gegebenen Konfiguration und zählen damit zum Wandel 1. Ordnung (vgl. Staehle, 1999, S. 931 ff.). Grundlegend gilt für alle organisationalen Veränderungen, dass die „Bewegung“ hin zu dem definierten Ziel/Endzustand nach Steinle/Eggers/Ahlers (2008, S. 9) als „Gegenstand willentlichen Steuerungs- und Gestaltungshandelns“ aufzufassen ist, wofür stellvertretend in Theorie und Praxis der Begriff des „Change Management“ verwendet wird.
2.2 Akteursperspektive des Change Managements: Handelnde Träger als Erfolgsfaktoren eines Veränderungsvorhabens Sowohl die Organisationsentwicklung als auch die Organisationstransformation werden im Wesentlichen von Akteuren getragen, welche die Aufgabe des Change Managements übernehmen. Hier können grundlegend drei Gruppen von Akteuren unterschieden werden: die Initiatoren, die den Anstoß für einen Wandel geben, die aktiv am Wandel Mitwirkenden sowie die von der Veränderung Betroffenen. Wenn die Interessen dieser drei Gruppen in ausgewogenem Maße Berücksichtigung finden und gut harmonieren, bestehen gute Chancen, dass der Wandel erfolgreich und nachhaltig vollzogen werden kann. Initiatoren eines Wandels sind vor allem die Geschäftsführung bzw. Führungskräfte aus der oberen und eventuell mittleren Ebene des Managements. Aber auch so genannte Intrapreneure (Mitunternehmer) – Mitarbeiter, die meist nicht Führungskräfte sind, die aber unternehmerisch denken und dadurch in der Lage sind, selbst Change-Potenziale aufzuspüren – können erwünschte Initiatoren sein. Sie avancieren oftmals Innovationen und fördern damit aktiv den Wandel und begleiten ihn sinnvollerweise (vgl. Steinle/Ahlers/Kuper, 2003, S. 36). Neben den Initiatoren sind als wesentliche Gruppe von Akteuren aktiv am Wandel Mitwirkende zu nennen. Dies sind z. T. auch die Geschäftsführung und Bereichsleitung, Führungskräfte wie Mitarbeiter, insbesondere Know-how-Träger der betroffenen Unternehmungsbereiche sowie externe Berater (vgl. Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 40). Ihre Aufgabe ist im Hinblick auf das Change-Ziel eine Konzepterstellung sowie die Entwicklung von Maßnahmenprogrammen. Veränderungen rufen beim Menschen unterschiedliche Reaktionen hervor, so dass es nicht selten im Zuge des Wandels in Unternehmungen zu Widerständen kommt, deren Ursache insbesondere Angst und Ungewissheit der von der Veränderung betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter sind. Hier gilt es, Problemen vorzubeugen, in dem versucht wird, die Widerstände per se zu verhindern. Diese Rolle übernehmen oft Promotoren als Anreizschaffer, indem sie die Mitarbeit am Veränderungsprojekt attraktiv machen und somit Betroffene zu Beteiligten werden lassen (vgl. hierzu und zu folgenden Promotorenrollen Steinle/Krummaker/Glaschak, 2003, S. 410). Dennoch werden sich Widerstände nicht vollständig vermeiden lassen. Hier kommen so genannte Sozialpromotoren als Ansprechpartner zum Einsatz, wobei es darum geht, Probleme der Betroffenen ernst zu nehmen und nach Lösungen zu suchen, oftmals auch wiederum in Form einer Integration in den Veränderungsprozess.
Change Management: Gesteuerter Wandel für eine vitale Unternehmung
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Insgesamt ist es von zentraler Bedeutung, die Akzeptanz der Betroffenen, aber auch aller anderen Akteure aktiv zu fördern, wobei die Mobilisierung der Unternehmungsmitglieder eine zentrale Aufgabe darstellt (vgl. Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 42 ff.). Dabei geht es nicht nur um die Förderung einer sachtechnischen Umsetzung des Wandels, sondern vor allem auch um die Berücksichtigung ernst zu nehmender politischer Phänomene, die insbesondere auftreten, wenn Eigen- und Bereichsinteressen durchgesetzt werden sollen, denen wiederum aufgrund des hohen Konfliktpotenzials bei Veränderungen ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. Beer et al., 2005, S. 450 sowie grundlegend das Werk von Schirmer, 2000). Vor allem wenn Schnittstellen von Teilprojekten koordiniert werden müssen, können so genannte Beziehungspromotoren konsensorientiert politische Probleme bewältigen. Werden alle hier beschriebenen Akteure in Betracht gezogen, sind Information und Kommunikation zwei wichtige Schlüsselkomponenten eines erfolgreichen Wandels (vgl. Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 72 f.). Sowohl die zeitliche Platzierung von Informationen als auch die authentische, „nicht-geschönte“ und offene Kommunikation sind ernst zu nehmende Voraussetzungen für Veränderungsprojekte und ihre Folgen. Promotoren in Form von Kommunikatoren können hierbei unterstützend arbeiten und die Kommunikation zwischen den Akteuren erleichtern bzw. besser noch in einen konstruktiven Dialog überführen (vgl. Gattermeyer/Neubauer, 2000, S. 257). Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Akteure des Change Managements durch ihr Handeln wesentlich zum Erfolg bzw. Misserfolg eines Wandlungsprojektes beitragen. Insofern wäre es fatal, sie zugunsten einer – sicherlich auch bedeutsamen – Konzentration auf Wandlungsinhalte zu vernachlässigen. Neben der hier beschriebenen Akteursorientierung ist zum besseren Verständnis und erfolgreichen Durchsetzung des Wandels auch eine Prozessorientierung dienlich, der von einem Großteil existenter Ansätze zum Change Management Rechnung getragen wird und denen sich der folgende Abschnitt widmet. 3
Mehrebenenanalytischer Überblick über zentrale Ansätze des Change Managements
In seiner Habilitationsschrift befasst sich Steinle grundlegend und fundiert mit dem Thema „Organisation und Wandel“. Den hier zugrunde gelegten Mehr-Ebenen-Ansatz (vgl. grundlegend zur Mehr-Ebenen-Analyse Steinle, 1985, S. 461 ff.) greift er in seinem Buch „Ganzheitliches Management“ von 2005 auf und bildet auf der Basis von drei Ebenen ein Ordnungsraster zur Systematisierung bisher existenter Wandlungsansätze, welches in nachfolgender Abbildung in Grundzügen dargestellt ist. Der Makroebene liegt ein Verständnis von Wandel zugrunde, das diesen als adaptive Entwicklung auffasst. Ausgehend von den Grundüberlegungen des Darwinismus – der Stärkste überlebe – haben die so genannten populationsökologischen Ansätze Anklang gefunden (vgl. exemplarisch Hannan/Freeman, 1977), welche das Wirkprinzip der natürlichen Selektion propagieren. Das heißt Veränderungen entstehen als Folge von Art, Menge und Verteilung der Ressourcen in der Unternehmungsumwelt und bestimmen weitgehend die Entwicklung der Unternehmung. Ist diese adaptionsfähig, kann sie sich dem Adaptionsdruck anpassen.
180
Timm Eichenberg und Maren Behse
Makroebene: Modelle zur Wahrnehmung und Analyse von Entwicklungswegen • Evolutionäre Modelle und Ansatz Deeg/Weibler „Wandel als konstruktive Destruktion“ • Systemisch-konstruktivistische Modelle am Beispiel von Rüegg-Stürm • Lernbasierte Modelle eines permanenten organisatorischen Wandels
Mesoebene: Modelle zur Erfassung und Deutung von Wandlungsprogrammen und Transitionsprozessen • Lebenszyklus und Potenzialentwicklung • Übergänge und Transformationsphasen
Mikroebene: Modelle für Änderungs- und Wandlungsprojekte • Sach- und personbezogene Problembewältigung bei Krüger • Klassische Projektansätze: Planung und Umsetzung von Veränderungsaufgaben im Fokus
Abb. 4: Ordnungsraster zur Systematisierung von Wandlungsansätzen Quelle: In Anlehnung an Steinle, 2005, S. 707 ff.
Deeg/Weibler (2000) widmen sich einem evolutionären Wandelmodell, wobei sie davon ausgehen, dass sich organisationaler Wandel modellieren lasse und konzentrieren sich im Gegensatz zur obigen Populationsbetrachtung auf fundamentale Veränderungen ausgelöst durch die Einzelorganisation. Eine interne Passung in Form von Kohärenz der Organisationsteile mit friktionsfreiem Ressourcen- und Informationsfluss sowie eine externe Passung durch ausreichende Ressourcenversorgung im Einklang mit Umweltbeziehungen werden angestrebt. Es erfolgt jedoch eine Konzentration auf den innerorganisatorischen Bereich, da dieser im Einflussbereich der Unternehmung liegt und damit die Entwicklungswege der Unternehmung größtenteils bedingt. Rüegg-Stürm (2000) wählt in seinem Ansatz die Beobachtungsperspektive in tief greifenden Wandlungsprozessen und konzentriert sich auf die Erfassung von veränderlichen und veränderbaren Beziehungs- und Kommunikationsprozessen, wobei insbesondere Führungsaufgaben im Fokus stehen. Lernbasierte Ansätze eines permanenten organisatorischen Wandels gehen von der Entwicklung der Unternehmung durch Lernprozesse aus. Altes Wissen wird in neues Wissen transformiert. Lernen und Wandel gelten in diesem Zusammenhang als Zwillingsbegriffspaar, da Lernen Veränderung, d. h. Bewegung bedeutet und Bewegung wiederum Wandel konzediert (z. B. Eberl, 1996, S. 60 ff.).
Change Management: Gesteuerter Wandel für eine vitale Unternehmung
181
Die dargestellten Ansätze unterscheiden nicht zwischen Stillstands- und Wandelperioden, obwohl anzunehmen ist, dass es hier durchaus verschiedene Phasen gibt. Diesem Umstand widmen sich die folgenden Modelle der Mesoebene. Ansätze, die Steinle in der Mesoebene seines Ordnungsrasters verortet, gehen von der Idee aus, dass die Unternehmung bestimmte Phasen durchschreitet. Der klassische Unternehmungs-Lebenszyklus zeigt den Entwicklungsverlauf der Unternehmung mit den Phasen Entstehung, Wachstum, Reife und Niedergang, wobei die Übergänge Nutzenpotenziale im Hinblick auf Veränderungen zeigen. Einen direkteren Bezug zum fundamentalen Wandel zeigen Müller-Stewens/Lechner (2005) mit insgesamt fünf so genannten Transformationsphasen. Der Ansatz von Müller-Stewens/Lechner wird zunächst in der nachfolgenden Abbildung visualsiert. Aktivitätenniveau
Destabilisierung
Stabilisierung 3-5 Jahre
1
2
3
4
5 Zeit
Sensibilisierung: Den Wandel vorbereiten Auftakt: Den Prozesseinstieg begehen Roll-Out: Die Energie ins System bringen Verstetigung: Das Momentum erhalten Konsoldierung: In einen eingeschwungenen Zustand zurückfinden
Abb. 5: Das 5-Phasen-Modell geplanten Wandels Quelle: Müller-Stewens/Lechner, 2005, S. 610
In der Sensibilisierungsphase wird der Wandel vorbereitet. Hier geht es um die Auslotung von Stakeholder-Interessen, eine Einschätzung über das Konfliktpotenzial sowie die Entwicklung einer Grobkonzeption zum Wandeldesign. In der Auftaktphase steht der gemeinsame Prozesseinstieg im Mittelpunkt. Hier spielt die Stimmung eine Rolle, die auf die Vorteilhaftigkeit und Machbarkeit der Veränderung abzielt. Die folgende Roll-Out-Phase wird
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Timm Eichenberg und Maren Behse
durchlaufen, um Energie in das System zu bringen – zum einen in Form einer Vorbildfunktion der Führungskräfte, zum anderen durch die Auseinandersetzung mit möglichen Ablehnungshaltungen. Weiterhin ist die Energie durch die Verstetigungsphase im System zu halten, indem sich erste Erfolge vorzeitiger Zufriedenheit einstellen, diese aber aufrecht erhalten werden müssen, um das bislang Erreichte zur Nachhaltigkeit zu führen. Dies findet den Abschluss in der Phase der Konsolidierung, in der der Prozess „sauber“ geschlossen wird, indem Veränderungsergebnisse verstetigt und gesichert werden. Festzuhalten ist, dass die Übergänge zwischen einzelnen Phasen des Wandels eine besondere Herausforderung an die Unternehmungsführung stellen. Den Aufgaben, die sich im Rahmen eines Veränderungsvorhabens stellen, wird sich typischerweise in Form von Projekten auf der Mikroebene gewidmet und damit die Durchführungsperspektive entsprechender Vorhaben betrachtet. Exemplarisch kann hier der Ansatz von Krüger aufgezeigt werden, welcher fünf Phasen des Wandels beinhaltet: Initialisierung, Konzipierung, Mobilisierung, Umsetzung und Verstetigung. Diesen Phasen werden Aufgaben des Wandlungsmanagements zugeordnet, welche sich an typische Projekte anlehnen (vgl. nachfolgende Abbildung). Wandlungsprozess und Wandlungsmanagement
Phasen des Wandels Initialisierung
Konzipierung
Mobilisierung
Umsetzung
- Wandlungsbe- - Wandlungs- Wandlungskon- - Prioritäre Vordarf feststellen ziele festlegen zept kommuni- haben durch- Wandlungs- Maßnahmenzieren führen träger aktivieprogramme - Wandlungsbe- - Folgeprojekte ren entwickeln reitschaft und durchführen Wandlungsfähigkeit schaffen
Verstetigung
- Wandlungsergebnisse verankern - Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit sichern
Aufgaben des Wandlungsmanagements Ausgangszustand der Unternehmung
Zielzustand der Unternehmung
t Abb. 6: Phasen des Wandels sowie Projekte bei Krüger Quelle: Krüger, 2006, S. 67
Auch Steinle sieht im Projektmanagement das geeignete Instrument zur Planung und Umsetzung von Veränderungsvorhaben. Das von ihm entwickelte Projektverständnis wird im Rahmen der Vorstellung ausgewählter Instrumente des Change Managements im Folgenden dargestellt.
Change Management: Gesteuerter Wandel für eine vitale Unternehmung
4
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Instrumentenperspektive des Change Managements: Methoden zur Umsetzung von Veränderungsvorhaben in der Unternehmenspraxis
4.1 Projektmanagement als organisationaler Rahmen von Veränderungen Die Umsetzung von Veränderungsvorhaben in der Unternehmung erfolgt typischerweise mit Hilfe von Projekten als temporäre Organisationsform. Ein einzelnes Wandlungsvorhaben kann dabei in mehrere (Teil-)Projekte aufgegliedert sein, an deren finaler Umsetzung die Entwicklung bzw. Transformation der Unternehmung im Sinne der Veränderungsziele steht (vgl. Steinle, 2005, S. 742). Projekte sind nach Patzak/Rattey (2009, S. 19 f.) „Vorhaben, die im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen ihrer Gesamtheit gekennzeichnet sind“ und „zeitliche begrenzte, komplexe Vorhaben“ darstellen. Unter dem Management von Projekten versteht Steinle ein Organisations- und Führungskonzept, welches inhaltlich aus den Managementaufgaben der Planung, Organisation, Führung, Kontrolle und Änderung – bezogen auf Projekte – gefüllt werden kann (vgl. Steinle, 2001, S. 25 f.). Im Rahmen des Themenfeldes „Projektmanagement“ hat sich mittlerweile eine Betrachtungsweise auf zwei Ebenen durchgesetzt. Im Rahmen des Einzelprojektmanagements werden Methoden und Instrumente untersucht und beschrieben, welche eine effiziente und effektive Steuerung einzelner Projekte zum Ziel haben. Da jedoch in einer Unternehmung in der Regel mehrere Projekte gleichzeitig verfolgt werden und diese Projekte zahlreiche Interdependenzen hinsichtlich Zielsetzung, Ressourcenbeanspruchung und zeitlicher Reihenfolge aufweisen, werden auf der Ebene des Multiprojektmanagements Methoden und Instrumente betrachtet, welche die Unternehmung bei der Steuerung der gesamten Projektelandschaft – auch unter strategischen Gesichtspunkten – unterstützen. Ebene des Multiprojektmanagements Multiprojektmanagement – ergänzt um den Aspekt des Controllings – sollte neben den operativ zu erfüllenden Aufgabenstellungen auch komplexe strategische Problemfelder beinhalten. Das Themenfeld lässt sich nach Steinle/Eßeling/Eichenberg (2008, S. 64; 2010, S. 4 ff.) konzeptionell durch folgende Betrachtungsdimensionen auffächern:
Kern des Multiprojektmanagement- und Multiprojektcontrollinggeschehens ist eine zeitliche Abfolge mit den drei Phasen „Konzeption und Portfoliogestaltung“, „Implementation und Synergienutzung“ sowie „Entwicklung und Nutzensicherung“.
Durch eine zweite Betrachtungsachse mit einer oberen Ebene der „Portfolioentwicklung“, einer mittleren Ebene der „Koordination/Synergienutzung und Multiprojektmanagement“ und einer unteren Ebene des „Einzelprojektmanagements“ wird die Phasenfolge zur Matrix erweitert (vgl. nachfolgende Abbildung).
Abb. 7: Konzeption zum Multiprojektmanagement und -controlling
Quelle: Steinle/Eßeling/Eichenberg, 2010, S. 5
t-
e
Ide eng ärun g
O pera tive Vorha ben
P roje ktanträ ge
Be wertung / Pr iorisieru ng E rgeb niswirkun g
S tra te gieb ezug Cha ncen/ Risiken
Strateg ische Vor habe n
Strateg isch e P lanu ng Stra teg ie
Konzeption
Ressour ce n
Pr ojekte
Proje ktfre igab e
Pr ojektpl anun g
Ressource nei nsatz Mitarb eiterführu ng Ab weichun gsbe han dlung
P roje kte rgeb nis
Pro jektr elevan te Disru ptionen
S te ueru ng d er P rojekte
Proje ktdurchfüh rung
Nu tzen ko ntrolle /Information
G loba labgl eich
Nutzenpl anun g/In for mati on
Zi el-Pr ojektportfolio
Ma rsch richtunge n bege hen /G esch äftsfelde r kommer zia lisiere n
Wa ndlu ngsno twen digkeiten aufgr und externe r E inflüsse
Implementation
Fol gepr ojekte
Wirtscha ftRessour ce nlichkeit/ Nu tzen d er freistellu ng Proje kte
P roje ktpo rtfoli o-Wande l
An regu nge n für neu e G eschäftsfeld er
Entwicklung
184 Timm Eichenberg und Maren Behse
MultiprojektControlling
IstProjektportfolio
Change Management: Gesteuerter Wandel für eine vitale Unternehmung
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In der Phase Konzeption und Portfoliogestaltung sind im Rahmen der oberen Analyseebene die Ergebnisse der strategischen Planung aufzunehmen sowie die resultierenden Grundund Teilstrategien in ihrer „Leitplankenfunktion“ für strategische Vorhaben zu entwickeln und zu konkretisieren. Hieraus resultieren erste Vorstellungen in Bezug auf das gewünschte Ziel-Projektportfolio. In der mittleren Betrachtungsebene steht zunächst das (gegenwärtige) Ist-Projektportfolio im Analysefokus: Dieses ist einer Bewertung und Priorisierung der darin enthaltenen Einzelprojekte mit der Zielsetzung der Weiterführung oder des Abbruchs sowie der Beschleunigung bzw. der Verlangsamung zu unterziehen. Als die grundlegenden Bewertungs- und Priorisierungsschwellen für das Ist-Portfolio sowie die Projektanträge ist einerseits der Strategiebezug mit den hieraus resultierenden Chancen und Risiken, andererseits die (monetäre) Ergebniswirkung zu nutzen. In der Phase Multiprojektimplementation und Synergienutzung steht im Bereich der oberen Betrachtungsebene die Umsetzung strategischer Vorhaben über gewählte Marschrichtungen im Vordergrund: Es gilt, geplante Geschäfts- und Handlungsfelder einzunehmen und zu kommerzialisieren. Dies erfolgt durch die Konkretisierung und Abarbeitung des gewünschten Ziel-Portfolios. In der mittleren Ebene des Multiprojektmanagements stehen die Handlungsschritte eines Globalabgleichs von Projekten und Ressourcen sowie eine entsprechende Projektfreigabe im Mittelpunkt. Es schließt sich die konkrete Steuerung der Projekte in Bezug auf Ressourceneinsatz, Mitarbeiterführung und Abweichungsbehandlung an. Im Bereich der unteren Ebene und des Einzelprojektmanagements stehen hier die Projektplanung sowie die eigentliche Projektdurchführung im Fokus. Mit zunehmendem Zeitablauf resultieren Wandlungsnotwendigkeiten aufgrund externer Einflüsse im Rahmen der Portfolioebene, teilweise manifestieren sich diese aber auch sehr konkret auf der Einzelprojektebene in Form von „Störeffekten“ während der Projektdurchführung. In der Phase Multiprojektentwicklung und Nutzensicherung zeigen sich in der oberen Ebene aufgrund externer Einflüsse und resultierender Wandlungsnotwendigkeiten entsprechende Initiativen für die strategische Planung sowie Anregungen für neue Aktivitäten und Geschäftsfelder. Dies ist die Basis für einen geplanten und/oder durch tätiges Handeln resultierenden („emergenten“) Wandel des Projektportfolios. In der mittleren Ebene, dem Multiprojektmanagement, treten die Wirtschaftlichkeitsbestimmung und die nachhaltige Nutzensicherung in den Blickpunkt. Mit zunehmender Projektumsetzung und generierten Projekterfolgen können die gebundenen Ressourcen freigesetzt werden. Auf der unteren Einzelprojektmanagementebene zeigt sich abschließend der realisierte Nutzen im Projektergebnis, wobei im Rahmen des Ergebnis-Reviews häufig Anregungen für neue Projektanträge/Folgeprojekte entstehen. Ebene des Einzelprojektmanagements Die Umsetzung von Veränderungsaufgaben erfolgt, wie oben beschrieben, auf der untersten Ebene der von Steinle/Eßeling/Eichenberg (2010) entwickelten Konzeption. Als grundlegende Sachverhalte für erfolgreiche Projektarbeit unterscheidet Steinle (2001, S. 27 ff.; 2005, S. 745 ff.):
Projektmanagement als Steuerungsfunktion sowie Projektausführung als Verfahrensdurchführung,
186
Timm Eichenberg und Maren Behse
Phasenbetrachtung eines Projektes mit zunehmendem Detaillierungsgrad der Aktivitäten,
Phasenbezogene Problemlösungszyklen,
weitere Gegebenheiten: zielorientierte Personalführung des Projektteams durch den Projektleiter, effektive und effiziente Methoden und Instrumente zur Steuerung der Aktivitäten, zielgerichtete Information und Kommunikation an alle Anspruchsgruppen über geeignete Kanäle, Bereitstellung benötigter Ressourcen sowie beeinflussende (Umfeld-)Faktoren.
Diese Überlegungen führt Steinle in ein umfassendes Projektverständnis zusammen, welches nachfolgend visualisiert wird.
Unternehmungsleitung Lenkungsausschuss; Auftraggeber
(1)
PROJEKTMANAGEMENT (i.e.S.) Vorgehenssteuerung/Projektleitung Planung
Organisation
Kontrolle
Führung (i.e.S.)
Änderung/Wandel
PROJEKTAUSFÜHRUNG
Problemdefinition (Vorstudie)
c
Grundkonzeption (Hauptstudie)
d
Feinkonzeption (Definition/ Entwurf/Entwicklung: Detailstudien)e
f
Implementation (Anlagenbereit g stellung/Umstellungsplan/Schulung) Realisation (Inbetriebnahme/ Nutzung/Konsolidierung)
h
Änderung (Anpassung/Pflege/Aussonderung)i
Zieldefinition
a
Situationsanalyse
b
Problemsituation
c
Alternativensuche
Umsetzung
Produktion (Systemfertigung/ Integration/Test/Abnahme)
(3)
PROBLEMLÖSUNGSZYKLUS
Planung
(2)
Phasen eines (Gesamt-) Projektes
Analyse Bewertung d
Entscheidung
e
Durchführung u. Ergebnisdarstellung
f
Prozess- und Ergebniskontrolle
g
(4)
Vorgehens-, lebensphasen- und zyklusunabhängige Gegebenheiten
Methoden/ Tools
Träger/ Beteiligte
Abb. 8: Projektverständnis nach Steinle Quelle: Steinle (2005), S. 746
Information/ Kommunikation
(Weitere) Umfeldfaktoren
Change Management: Gesteuerter Wandel für eine vitale Unternehmung
187
4.2 PUZZLE als praxisorientierte Methodik für eine ganzheitliche Problemlösung und Entscheidungsfindung in Veränderungsprozessen Die PUZZLE-Methodik als ganzheitliche Problemlösungsmethodik beschränkt sich nicht „nur“ auf die Anwendung im Rahmen von Veränderungsprozessen, sie kann jedoch in der Praxis des Change Managements gute Dienste leisten, insbesondere vor dem Hintergrund des oben genannten Konfliktpotenzials bei Veränderungen. PUZZLE ist ein Akronym, bei dem die einzelnen Buchstaben die Anfangsbuchstaben von Phasen eines sechsstufigen Problemlösungsprozesses darstellen: P für Phänomene, U für Untersuchungen, Z für Zielplanung, noch einmal Z für Zentralprojekte, L für Lösungsideen sowie E für Entscheidungen: P für Phänomene einkreisen
Strategiedefinition und Systemstrukturierung: z. B. Eruierung zukünftiger Kernprozesse auf Basis künftiger Anforderungen
Erste Betroffenen- und Beteiligtenanalyse
U für Untersuchungen durchführen
Problemdefinition, -analyse und -synthese
Eruierung von Chancen und Risiken
Z für Ziele planen
Ermittlung und Strukturierung gegenwärtiger Sollvorstellungen
Bildung einer Zielhierarchie
Z für Zentralprojekte definieren
Einschätzung potenzieller Aktionsmöglichkeiten
Bewertung und Auswahl von Zentralprojekten
Priorisierung der ermittelten Chancen- und Risikenpotenziale
L für Lösungsideen entwickeln
Kreative Ideenfindung
Projektierung mittels Planungsübersichten
z. B. Redesign vorhandener Geschäftsprozesse
E für Entscheidungen treffen
Überarbeitung und Projektpriorisierung
Verabschiedung einer Gesamtlösung
Entwurf eines Implementationskonzepts
Installation eines Projekt-Controlling-Konzepts
Abb. 9: PUZZLE-Methodik Quelle: Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 93 ff.
188
Timm Eichenberg und Maren Behse
Die Grundidee, die hinter dem Bild des „Puzzles“ steht, ist die „richtige“ Zusammensetzung vieler einzelner Teile, so dass ein Ganzes entsteht, das mehr ist als die Summe seiner Einzelteile (vgl. Steinle/Eggers, 1991, S. 296). „Im Kern geht es vorgehensbezogen bei der PUZZLE-Methodik darum, einen zu Anfang weitgehend unstrukturierten (Problem-) Zustand durch einzelne aufeinander aufbauende Prozessschritte in einen wohlstrukturierten bzw. zumindest entscheidungsfähigen Zustand zu überführen“ (Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 93). Die Methodik kann im Change Management insofern nützlich sein, als dass hier die Vorbereitung und die Anfangsphase oft erfolgsentscheidend für das gesamte Change-Projekt sind (vgl. Claßen, 2005, S. 71). Die PUZZLE-Methodik korrespondiert mit dem meist komplexen, eher unstrukturierten Zustand vor einer Veränderung. Insbesondere bei einer starken Prozessorientierung im Rahmen des Change Managements, z. B. bei einem Redesign von Geschäftsprozessen, kann die PUZZLE-Methodik einen wertvollen Beitrag leisten, um frühzeitig Probleme zu erkennen und auf Basis einer Komplexitätsreduktion Entscheidungen herbeizuführen (vgl. zur PUZZLE-Methodik ebenfalls den Beitrag von Eggers/Ahlers in diesem Band). 4.3 Begleitung von Veränderungsvorhaben durch personalentwicklerische Interventionen: die „Vier Zimmer der Veränderung“ Um ein Veränderungsprojekt erfolgreich durchführen zu können, bedarf es, wie zuvor dargestellt, vor allem der aktiven Mitarbeit von Führungskräften und Mitarbeitern innerhalb des Veränderungsprojektes (Organisationsentwicklung) oder sogar innerhalb der gesamten Unternehmung (Organisationstransformation). Gerade bei Vorhaben, die der Organisationstransformation zuzuordnen sind, empfiehlt sich eine begleitende Qualifizierung der Akteure des Wandels durch Maßnahmen der Personalentwicklung. Ein in der HR-Praxis zunehmend Verbreitung findender Ansatz stammt von Janssen (1996, 2008). Der Autor versucht mit Hilfe einer zweidimensionalen Matrix vier emotionale Zustände von Individuen in Veränderungssituationen darzustellen. Janssen betont, dass diese emotionalen Zustände eine Schrittfolge repräsentieren: zur Bewältigung einer Veränderungssituation durchläuft jedes Individuum alle vier emotionalen Zustände („Zimmer“) des Modells: 1. Zufriedenheit, 2. Verleugnung, 3. Verwirrung und 4. Erneuerung. Die „Verweildauer“ in jedem Zustand kann dabei von Individuum zu Individuum differieren. Das Modell kann in Qualifizierungsmaßnahmen vor allem für Führungskräfte eingesetzt werden, da es ihnen einen schnellen Zugang zur motivationalen und emotionalen Perspektive des Change Managements bietet, welche vor allem für die Mitarbeiterführung im Rahmen von Veränderungsvorhaben von hoher Erfolgswirkung ist. In verschiedenen Übungssequenzen können Führungskräfte ihren persönlichen „Standort“ und die jeweiligen Standorte ihrer Mitarbeiter den vier „Zimmern“ zuordnen und entsprechende situationsspezifische Führungsmaßnahmen erarbeiten, mit denen sie ihre Mitarbeiter in das nächste „Zimmer“ (= emotionaler Zustand) „bewegen“ (= führen) können. Ziel der Führungskräfte sollte es sein, alle Mitarbeiter letztlich in das „Zimmer der Erneuerung“ und damit erfolgreich durch die Veränderung zu führen. Der Zustand der Erneuerung sollte durch geeignete Führungsaktivitäten so lange wie möglich aufrecht werden. Es gilt, eine Rückkehr in den Zu-
Change Management: Gesteuerter Wandel für eine vitale Unternehmung
189
stand der Zufriedenheit zu vermeiden. Das Modell wird in nachfolgender Abbildung näher verdeutlicht:
Fokus auf der Gegenwart und der Vergangenheit
Positive Emotionen
Negative Emotionen
Fokus auf der Zukunft
1. Zufriedenheit
4. Erneuerung
- Die gegenwärtige Situation ist angenehm. - Erzielte Erfolge stimmen zufrieden. - Eine Notwendigkeit zur Veränderung wird nicht erkannt.
- Akzeptanz des Veränderungsvorhabens. - Aktive und konstruktive Mitarbeit. - Hohes Zusammengehörigkeitsgefühl.
2. Verleugnung
3. Verwirrung
- Verteidigung des Status quo. - Versuch Veränderungen zu verhindern. - Veränderungsnotwendigkeit wird ausgeblendet.
- Akzeptanz der Wandlungsnotwendigkeit. - Mangelndes Verständnis über das „was“ und „wie“ des Wandels.
Abb. 10: Die Vier Zimmer der Veränderung Quelle: In Anlehnung an Janssen, 2008
Das von Janssen entwickelte Modell unterstreicht letztlich die zu Beginn des Beitrags dargestellte Auffassung von Veränderungsvorhaben als „Bewegung“ innerhalb des Sozialsystems Unternehmung und greift insbesondere die nicht zu vernachlässigende emotionale Komponente auf. Es kann dem Change Management gute Dienste leisten, einerseits um Widerstände zu vermeiden und andererseits um Mitwirkung zu stärken, indem Führungskräften ihre aktive Rolle als Wandlungsakteure verdeutlicht wird. 5
Change als Daueraufgabe für vitale Unternehmungen
Will die Unternehmung in ihrem Kern, dem wertschöpfenden Leistungserstellungsprozesses, langfristig erfolgreich am Markt bestehen, so wird sie stets der Herausforderung begegnen müssen, mit aktuellen Entwicklungen Schritt halten zu müssen und sowohl marktliche Chancen aufzugreifen als auch Krisen durch entsprechende Veränderungen zu bewältigen. Es gilt somit, die Unternehmung „lebendig“ beziehungsweise „vital“ zu halten. Eine ganzheitliche Vitalisierung kann die notwendige Energie in der Unternehmung aufrecht erhalten und damit einen Beitrag zum Unternehmungserfolg liefern (vgl. Steinle, 2000, S. 34 ff.).
190
Timm Eichenberg und Maren Behse
Die Vitalisierung der Unternehmung durch entsprechende Veränderungsprojekte kann sich dabei beziehen auf:
eine Optimierung von Strukturen, Prozessen und Systemen der Unternehmung im Sinne einer Restrukturierung,
eine strategische Neuausrichtung im Sinne einer Reorientierung oder
ein aktives Management von Ressourcen, Kompetenzen und Lernen im Sinne einer Transformierung.
Festzuhalten bleibt, dass das Management einer Unternehmung in „konstanter Bewegung“ komplexer wird und deutlich höhere Anforderungen an seine Führungskräfte stellt, wenn unter „dauerhaftem Change Management“ das wertschöpfende Tagesgeschäft nicht leiden soll (vgl. Steinle, 2005, S. 789 ff.).
Erfolgsorientiertes Change Management: Excellence und Resilience als Leitbilder für Change Management-Ansätze Michael Reiß
1
Spektrum der Change Management-Ansätze
Hand in Hand mit dem steigenden Bedarf für optimierte Veränderungsprozesse und der zunehmenden Popularität des Change Managements hat sich die Palette der Change Management-Ansätze erheblich erweitert (vgl. Schaeke/Müller, 2003; Steinle/Eggers/Ahlers, 2008). Die Gesamtheit dieser von Beratern oder Wissenschaftlern konzipierten Ansätze lässt sich nach den Merkmalen „Interventionsintensität“ des Managements und „Reichweite“ des Wandels ordnen. Auf der horizontalen Dimension von Abbildung 1 sind etwa Business Transformation-Ansätze (Hauptvertreter: Business Process Reengineering) durch eine hohe Eingriffsintensität des Change Managements, Migrationsansätze (sukzessive Ersetzung von alten durch neue Bausteine) durch eine mittlere Intensität und evolutionäre Ansätze – wie z. B. organisatorische Agilität (vgl. Sull, 2009) – durch eine niedrige Interventionsintensität gekennzeichnet, da letztere auf einen selbstorganisatorisch getriebenen Wandel setzen. Auf dieser Dimension besitzen beispielsweise die auf freiwilliger Gruppenarbeit basierenden Modelle – von den Web 2.0-Communities (Change Management 2.0-Ansätze) bis hin zu den informellen Skunk Works – einen deutlich höheren Selbstorganisationsanteil als die traditionellen Change-Ansätze, die durch eine Projektorganisation gesteuert werden. Auf der vertikalen Dimension ist der lokale Wandel auf einzelne Abteilungen, Teams oder Geschäftsbereiche beschränkt, während globaler Wandel das gesamte Unternehmen (wie z. B. beim Total Quality Management), die gesamte Wertschöpfungskette oder gar Branche betrifft. Die Fülle verfügbarer Change Management-Ansätze darf nicht voreilig als Variantenreichtum interpretiert werden. Nur wenn ein Orientierungsrahmen für die performanceorientierte Evaluierung und kontextgerechte Auswahl dieser Konzepte existiert, können Change Manager tatsächlich von dem umfangreichen Angebot profitieren. Ein derart performance-fokussierter Wegweiser umfasst zwei Orientierungshilfen: Zum einen liefert ein Performance Measurement-Modul die Kriterien und die Messinstrumente für die Erfolgsevaluierung. Zum anderen identifiziert ein Performance Management-Modul die Determinanten des Erfolgs sowie die Ansatzpunkte für deren optimale Ausgestaltung.
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_15, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Michael Reiß GLOBALER WANDEL
ORGANISIERTE REVOLUTION
GEFÜHRTE EVOLUTION
ORGANISATIONSENTWICKLUNG KRISEN MANAGEMENT TRANSFORMATION
UNTERNEHMENSMETAMORPHOSE
LEBENSZYKLUS MODELLE
ORGANISATIONALES LERNEN ORGANISATIONALE AGILITÄT EVOLUTION
MIGRATION INNOVATIONS MANAGEMENT
MODIFIKATIONS MANAGEMENT PROJEKTMANAGEMENT
CHANGE MANAGEMENT 2.0 KONTINUIERLICHE VERBESSERUNG MODERIERTE VERBESSERUNG
ÜBUNGS EFFEKTE SELBSTOPTIMIERUNG
LOKALER WANDEL
Abb. 1: Spektrum der Change Management-Ansätze
2
Performance-Prüfstände für Change Management-Ansätze
Bisher wurde die Performance-Betrachtung primär auf konkrete Change Vorhaben angewendet (vgl. Greif/Runde/Seeberg, 2004; BearingPoint, 2006; McKinsey, 2006; Booz & Co., 2008; CapGemini, 2010): Im Hinblick auf die Erfolgsdeterminanten kristallisierten sich hier neben den fokussierten Ansätzen, die das eine „Erfolgsgeheimnis“ des Wandels propagieren (z. B. „Wandel muss von den Betroffenen getragen werden“ oder „Change Kommunikation ist der Schlüssel zum Change Erfolg“), die Plädoyers für ein mehr oder weniger diversifiziertes Cluster an Erfolgsfaktoren heraus (vgl. z. B. Lauer, 2010). Hier reicht das Spektrum von Modellen, die auf Einzelfallstudien beruhen (z. B. typisch für viele Soft Factor-Modelle oder das Pinguin-Prinzip) bis hin zu empirisch untermauerten Ansätzen von Erfolgsdeterminanten (vgl. etwa Akademie, 1999; Gerkhardt/Frey, 2006; Houben/Frigge, 2007; Schwaninger/Kaiser, 2007). Bezüglich der Performance-Kriterien wurde ausgiebig in die Performance-Metrik investiert, etwa in die Messung der Change Readiness, in die Optimierung von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen, die Kennzahlen für das Vorschlagswesen, Balanced Scorecard-Ansätze und die Ermittlung von Restrukturierungskosten aus Daten des Rechnungswesens (z. B. Abfindungen und Beraterhonorare). Der Erfolg konkreter Change-Vorhaben hängt nicht nur von situativen vorhabenspezifischen Kontextgegebenheiten, sondern ganz entscheidend von der Auswahl des Change Management-Ansatzes bzw. einer eklektischen Kombination von Bausteinen aus mehreren Ansätzen (Abbildung 1) ab. Die Relevanz solcher Grundsatzentscheidungen zeigt sich spätestens dann, wenn es zu „Glaubenskriegen“ zwischen unterschiedlichen Mainstreams
Erfolgsorientiertes Change Management
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im Veränderungsmanagement kommt, etwa autoritäres Business Reengineering versus partizipative Organisationsentwicklung. Ein generisches Kriteriensystem für die Evaluation von Change Management-Ansätzen enthält im Kern drei universelle Kriterienkategorien: 1. Navigationsleistung: Von einem Change Management-Ansatz erwartet man zunächst wegweisende Daten für Change-Vorhaben in Form von Zielen (für den Wandel) und von Wegen zu diesem Ziel. Einige Mainstream-Konzepte wie z. B. die lernende Organisation, die agile Organisation oder die wandlungsfähige Fabrik geben zwar plausible, aber recht pauschale Richtungen vor: Dies geschieht hauptsächlich mit Hilfe von Visionen, Leitbildern, Manifesten (z. B. das Agile Manifesto), Eckdaten von änderungsfreundlichen Unternehmenskulturen und Mindsets sowie von Prinzipien, etwa Partizipationsprinzip versus Top down-Durchsetzung und stufenweise Implementierung statt Big Bang. Es fehlen allerdings in diesen Ansätzen die Wegbeschreibungen, aus denen man die Stationen der Zielerreichung ablesen könnte, z. B. bei der stufenweisen Implementierung die Empfehlungen zur Auswahl geeigneter Pilotbereiche und zur Länge von Pilotierungszeiträumen. Andere Ansätze geben Phasenschemata, Vorgehensmodelle (z. B. Information über die Kaskade), Meilenstein-Konzepte (z. B. Betriebsvereinbarungen als Meilensteine eines Veränderungsprojekts) und Tools (wie z. B. Workshops, Openspace, Unternehmenstheater, Change Radars, Survey-Feedback, Blogs, Social Networks, vgl. GapGemini, 2010; Reiß/Spejic, 2008) an die Hand, ohne allerdings zu klären, in welche strategische Richtung diese führen. Relativ hoch ist die Navigationsleistung des Organisationsentwicklungsansatzes, der sowohl Prinzipien (z. B. partizipativer Wandel) als auch einen Instrumentenkasten – differenziert nach den Ebenen Individuum, Gruppe und Organisation – enthält. 2. Realistik: Performance-orientiertes Change Management steht und fällt mit der Realitätsnähe der Performance-Vorstellungen für das Change Vorhaben. Sie betrifft zum einen die Eckdaten für die Zeitdauer von Change-Projekten und für deren Kosten. Gerade das Projektmanagement hat uns hier für systematische Fehleinschätzungen sensibilisiert, etwa mit dem Brooke‘schen Gesetz („Adding manpower to a late project makes it later“). Zum anderen betrifft die Realitätsnähe die angestrebten Akzeptanzniveaus bei den Change Targets. Hier reicht das Spektrum von Euphorie bis hin zu radikaler Skepsis. Vor dem Hintergrund der sich aus diversen empirischen Studien ergebenden Fehlschlagquoten besteht ein begründeter Verdacht der Realitätsferne, wenn von grundsätzlich positiven Einstellungen zum Wandel im Sinne eines „den Wandel umarmen“ oder „hungry for change“ ausgegangen wird. Um die Realitätsnähe abschätzen zu können, bietet es sich an, die Change Management-Ansätze nach dem verfolgten Performance-Niveau in zwei Klassen einzuteilen: Excellence-Ansätze: In dieser Klasse finden sich vor allem „Excellence in Change“-Ansätze (vgl. die Beiträge in Krüger, 2006), Modelle des Transformational Change (CapGemini, 2010, vgl. auch Abbildung 1), das Management Excellence-Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM), High Performance-Ansätze (z. B. Leitbilder für Hochleistungsorganisationen), die Motivierung durch Vorgabe von Stretch-Zielen und das Modell der schnell lernenden Unternehmen. Aus zwei Gründen sind Zweifel an der Realistik dieser Konzepte angebracht: Zum einen passen die in Aussicht gestellten Excellence-Niveaus schlecht zu den 50-70%-Misserfolgsquoten für Change-Projekte. Zum anderen überschätzen die Ansätze die Wissensbasis des Change Managements und unterschätzen mit ihrem deterministischen Denkansatz die real existierenden Unsicherheiten bei allen Change Vorhaben. Excellence-Ansätze argumentieren bezüglich der Determinanten des
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Change-Erfolgs bevorzugt mit Erfolgsgaranten. Diese Argumentation steht allerdings im Widerspruch zu den real existierenden Problemen bei der Abklärung von UrsacheWirkungs-Zusammenhängen zwischen dem Change-Erfolg und seinen Bestimmungsfaktoren, ganz zu schweigen von den komplexen Wechselwirkungen zwischen den Erfolgsdeterminanten. Die Wissensbasis für das Change Management enthält zahlreiche spekulative Bausteine und kann folglich keine Garanten für exzellenten Change-Erfolg liefern. Resilience-Ansätze: Unternehmensweit angelegte Migrationsmodelle oder Ansätze für lokale Verbesserungen (z. B. Kaizen) sind im Vergleich zu den Excellence-Ansätzen weniger ambitioniert, dafür aber realitätsnäher. Sie verfolgen primär Zielvorstellungen im Sinne von Widerstandsfähigkeit und Robustheit der sich wandelnden Organisationen und der betroffenen Menschen in diesen Organisationen. Für diese Ansätze beginnt sich die Sammelbezeichnung „Resilience-Management“ einzubürgern, sowohl auf der Ebene der Individuen als auch der Organisation (vgl. Hamel/Välikangas, 2003; McDonald, 2006; McManus/Seville/Brunsdon/Vargo, 2007; Sheffi, 2007): Auf der Akzeptanzskala wird in einem Resilience-Modell keine Begeisterung, sondern das Mitmachen beim Wandel bzw. das Dulden von Veränderungen angestrebt. Während der Excellence-Ansatz etwa von einem radikalen transformationalen Wandel ausgeht (vgl. Abbildung 1), bei dem alte Verhaltensmuster durch neue ersetzt werden, entspricht dem Resilience-Ansatz der Sedimented Change, bei dem die neuen Konzepte (z. B. Online-Vertrieb, Kulturen von Unternehmensfusionen) die alten Konzepte (z. B. Filialvertrieb, gewachsene Unternehmenskulturen) überlagern, ohne sie vollständig zu ersetzen (Cooper/Hinings/Greenwood/Brown, 1996). Bezüglich der Performance-Determinanten fokussieren die Resilience-Ansätze nicht die Erfolgsgaranten, sondern die Inhibitoren von Misserfolg. 3. Ausgewogenheit: Im Gegensatz zu einem einseitig konzipierten Erfolgsansatz liegt ein ausbalanciertes Erfolgskonzept dann vor, wenn nicht nur einzelne, sondern möglichst alle Erfolgsdeterminanten und Erfolgskriterien berücksichtigt werden. So bezweckt der Einsatz einer Balanced Scorecard oder des Business Excellence-Konzepts der EFQM, die Erwartungen mehrerer Stakeholder-Gruppen zu erfüllen. Ausgewogenheit betrifft ferner die simultane Abdeckung von Effektivität des Wandels, also Akzeptanz bzw. Commitment, einerseits und der Kosten sowie des Zeitbedarfs von Veränderungsprozessen andererseits. Demgegenüber ist die Mehrzahl der gängigen Ansätze von einem einseitigen Akzeptanzfokus geprägt. Nicht zuletzt steht Ausgewogenheit für die gleiche Gewichtung der Chancen und der Risiken des Wandels: Die Determinanten von Erfolg einerseits und von Misserfolg andererseits sollten denselben Stellenwert besitzen. Betrachtet man den Stand der Kunst in Sachen Veränderungsmanagement, wird erkennbar, dass traditionell – über alle Mainstream-Ansätze hinweg – die Risiken des Wandels im Brennpunkt stehen: Change Manager beschäftigen sich vornehmlich mit Umsetzungsbarrieren und Widerständen in Form von Nicht-Kennen, Nicht-Können, Nicht-Wollen und NichtDürfen (Cacaci, 2006). Sie widmen den Opponenten der Veränderung mehr Aufmerksamkeit und Zeit als den „Fans“. Bei Widerständen und Opponenten handelt es sich um Erfolgsinhibitoren oder Erfolgsbarrieren, die Change-Vorhaben kostspielig und langwierig machen. Im Zusammenhang mit den Chancen werden in erster Linie die (vermeintlichen) Erfolgsgaranten fokussiert, etwa Soft Factors wie Kommunikation und Partizipation (vgl. etwa BearingPoint, 2006).
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Es wird deutlich: Die Mehrzahl der Mainstream-Konzepte ist nicht ausgewogen, sondern einseitig angelegt: Die Konzepte plädieren entweder für eine Beschäftigung mit den Hindernissen (und vernachlässigen dabei die Erfolgsfaktoren) oder beschäftigen sich mit den Erfolgsfaktoren und behandeln die Erfolgsinhibitoren eher stiefmütterlich. Es fehlen Ansätze, die zugleich wegweisend, realistisch und ausgewogen sind. Für deren Entwicklung wird zunächst ein geeigneter Orientierungsrahmen benötigt. 3
Orientierungsrahmen für das erfolgsorientierte Change Management
Als methodische Grundlage für diesen Orientierungsrahmen zur Bewertung und Auswahl von Change Management-Konzepten bietet sich ein Ansatz aus der Organisationsentwicklung an: Die Kraftfeld-Analyse, die mit einer Gegenüberstellung von „restraining forces“ und „driving forces“ operiert. In Abbildung 2 ist die generische Architektur eines solchen Modells skizziert, mit dessen Hilfe sich die drei Qualitätskriterien der Navigationsleistung, Realistik und Ausgewogenheit besser erfüllen lassen. ERFOLGSPROMOTIONSKRÄFTE
CHANGEPERFORMANCE
EXCELLENCE
ERFOLGSOPPOSITIONSKRÄFTE behindern Erfolg
ERFOLGSBARRIEREN
fördern Misserfolg
Chancenzone ERFOLGSFAKTOREN
MISSERFOLGSFAKTOREN EXISTENCE
fördern Erfolg
MISSERFOLGSBARRIEREN verhindern Misserfolg
Risikenzone
EXIT
Abb. 2: Orientierungsrahmen für das erfolgsorientierte Change Management
Beim Performance-Measurement wird zwischen drei kritischen Performance-Niveaus unterschieden: Existence steht für ein Referenz- oder Normalniveau. Es wird durch Betriebsvergleiche (z. B. branchentypische Abfindungskosten, Einigungszeiten bei Betriebsvereinbarungen, Streikdauer bei Kostensenkungsprogrammen), Zeitvergleiche (z. B. ManpowerBedarf der letzten Change-Vorhaben) oder Soll-Werte (z. B. Projektziele, Vorgaben des Lenkungsausschusses bezüglich Personaleinsparungen) fixiert. Dieser, durch einen Korri-
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dor spezifizierte Bezugsrahmen sorgt für die Realistik des Orientierungsrahmens. Excellence markiert den überdurchschnittlich hohen Change-Erfolg, der z. B. durch Erfolgsstories oder Best Practices definiert wird. Exit steht umgekehrt für eine extrem schlechte Performance. Ein solcher Flop tritt als informelles Versanden, als offizieller Abbruch des Projekts oder als explizit artikulierte Unzufriedenheit der Stakeholder in Erscheinung. Zwischen der Obergrenze des Existence-Niveaus und dem Excellence-Niveau befindet sich die ChancenZone für das Change Management, zwischen der Untergrenze und dem Exit-Niveau die Risiken-Zone, also die negativen Abweichungen vom Normal- bzw. Zielwert. Das Gesamtintervall zwischen „Best Case“ und „Worst Case“ spiegelt das Unsicherheitsmoment wider, mit dem sich die verantwortlichen Change-Manager bei ihren Entscheidungen arrangieren müssen. Die Performance-Determinanten sind als Kräfte modelliert. Zur Sicherstellung von Realistik und von Ausgewogenheit werden nicht nur pauschal zwei, sondern vier Erfolgsdeterminanten erfasst. Sie unterscheiden sich durch Richtung und Stärke. Die beiden in die Chancen-Zone gerichteten Kräfte repräsentieren Erfolgspromotionskräfte. Sie unterscheiden sich bezüglich ihres Anspruchsniveaus: Während Erfolgsfaktoren für Excellence sorgen können, verhindern die Misserfolgs-Barrieren (wie z. B. Personalreserven in der Projektmanpower, Zeitpuffer im Projektablaufplan oder ein durch die Unternehmenskultur geschaffenes Basisvertrauen) den Exit. Spiegelbildlich dazu handelt es sich bei den beiden auf die Risiken-Zone gerichteten Kräften um Erfolgsoppositionskräfte. Hier münden Misserfolgs-Faktoren in den Projekt-Exit, also das „Aus“ für das Projekt, wohingegen die Erfolgsbarrieren eine Begrenzung für die Performance darstellen, etwa in Gestalt von Akzeptanzbarrieren oder Kapazitätsrestriktionen bei der Projektmannschaft. Die vier Kategorien von Erfolgsdeterminanten stellen dabei aggregierte Größen dar, in denen jeweils mehrere, für die Performance relevante Erfolgsdeterminanten zusammengefasst sind: so enthält der Vektor „Erfolgsbarrieren“ mehrere unternehmensinterne und externe Erfolgsinhibitoren wie z. B. Widerstände der Aktionäre bei M&A-Projekten, mangelnde Führungskompetenz des Projektleiters oder fehlende Präsenz des TopManagements. Die Stärke der Vektoren – z. B. Kulturstärke oder Widerstandkraft – wird im Rahmen der Kraftfeld-Analyse auf einem niedrigen, aber realistischen Skalenniveau mit drei Stufen (z. B. 1=schwach, 2=mittel, 3=stark) erfasst und graphisch durch die Länge der Pfeile visualisiert. Die Verwendung vereinheitlichter Scores gewährleistet die Addier- und Subtrahierbarkeit. Um die aggregierte Performance-Wirkung abschätzen zu können, werden die Promotions- und die Oppositionskräfte jeweils addiert und die beiden aggregierten Kräftebündel dann saldiert. Das Modell ist jeweils auf ein definiertes PerformanceKriterium (etwa: Projektlaufzeit) und ein spezifiziertes Change-Vorhaben ausgelegt. Das Performance-Management vollzieht sich im Wesentlichen in den beiden Phasen der Kräfte-Diagnose (Ist-Kräftekonstellation) und der Kräftemodifikation: Jede performanceförderliche Intervention besteht darin, die Promotionskräfte zu verstärken und die Oppositionskräfte zu schwächen. Die Stärkung der Promotionskräfte erfolgt also durch Maßnahmen, die die Erfolgsfaktoren und die Misserfolgsbarrieren „aufbauen“. Umgekehrt werden die Oppositionskräfte dadurch geschwächt, dass Misserfolgsfaktoren und Erfolgsbarrieren, also Trägheitskräfte- und Widerstandskräfte, abgebaut werden, etwa durch das Unfreezing oder Destabilisieren von Einstellungen. Der Rückgriff auf solche Ziel-MittelZusammenhänge stellt die Navigationsleistung des Ansatzes sicher.
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Um der Unvollkommenheit des Wissens über die Ziel-Mittel-Zusammenhänge Rechnung zu tragen, ist das Modell als Heuristik konstruiert: Bestimmte Maßnahmen liefern sozusagen als „Grundnutzen“ einen Beitrag zum Aufbau von Misserfolgsbarrieren und sichern so das Überleben des Change-Vorhabens. Über diese Change-Resilience hinaus können einige dieser Maßnahmen möglicherweise auch einen „Zusatznutzen“ generieren, d. h. als erfolgsfördernde Facilitators fungieren, was in Abbildung 2 durch die „aufgesetzten“ Pfeilspitzen visualisiert wird. Diese Zusatzleistung bewerkstelligen beispielsweise sich verstärkende Spiralprozesse, wenn etwa Change-Erfolg wiederum Erfolg oder Vertrauen seinerseits Vertrauen erzeugt. Spiegelbildlich dazu behindern Erfolgsbarrieren als Erfolgsinhibitoren die Akzeptanz. Sie können sich darüber hinaus aber auch als Misserfolgsfaktoren entpuppen, wenn sie Reaktanz-Verhalten oder Sabotage provozieren. Für die Abschätzung dieser Risiken kann man von den Anti-Patterns aus dem Projektmanagement, z. B. Paralyse durch Analyse (vgl. Brown/Malveau/McCormick/Mowbray, 1998, S. 209 ff.) oder aus den Sammlungen von typischen Fallen im Change Management lernen: In diesem Sinne ist beispielsweise der Unternehmenserfolg in der Vergangenheit zunächst verantwortlich für Selbstgefälligkeit und mangelnden Leidensdruck. Darüber hinaus kann ein überdosierter Erfolg jedoch auch einen Misserfolgsfaktor repräsentieren und zum Absturz des Unternehmens führen (so genanntes Ikarus-Paradoxon), ein Schicksal, das so manche New EconomyUnternehmen ereilt hat (vgl. Reiß, 2001). 4
Dynamisierung des Orientierungsrahmens
Beim Erfolg eines Chancen-Vorhabens handelt es sich nicht um eine Größe, die über alle Phasen eines Change-Prozesses hinweg konstant bleibt. Hier lassen sich generische Verlaufsmuster identifizieren, nach denen der Projekterfolg variiert. Dies betrifft vor allem Veränderungen in drei charakteristischen Phasen, wie Abbildung 3 illustriert: Die Konfusionsphase ist vornehmlich geprägt durch Ängste der Betroffenen, Schock-Reaktionen, Destabilisierung von Einstellungen, das Entlernen etablierter Verhaltensmuster und die Leugnung von Betroffenheit. Die Diffusionsphase steht im Zeichen der Verbreitung einer Veränderung im betroffenen Kontext, etwa durch die Gewinnung weiterer Unterstützer des Vorhabens, durch den unternehmensweiten Roll-out oder durch die Implementierung weiterer Bausteine des Change-Konzepts, z. B. neue Vergütungsmodelle bei der Einführung von Profit-Centern. In der Erosionsphase lässt die Akzeptanz der Veränderung nach. Verantwortlich dafür sind Nostalgie („Die Sehnsucht nach den guten alten Zeiten“), abnehmende Disziplin oder aufkommende Alternativkonzepte.
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Michael Reiß CHANGEPERFORMANCE
IDEAL
Excellence
SUPPORTING
REAL
MARKETING
Existence
KONFUSION
DIFFUSION
EROSION
Zeit
Exit COACHING
Abb. 3: Dynamisierter Orientierungsrahmen für das erfolgsorientierte Change Management
Zur Erfüllung der drei Qualitätskriterien „Realistik“, „Navigationsleistung“ und „Ausgewogenheit“ sind in unterschiedlichen Phasen unterschiedliche Interventionsmaßnahmen erforderlich. Realistik: Als ideal, aber unrealistisch sind Verlaufsmodelle einzustufen, die weder Konfusion noch Erosion kennen. Das Verlaufsmuster der stetig und dazu noch steil ansteigenden Akzeptanzkurve ist für die Hype-Modelle charakteristisch, innerhalb derer eine Veränderung mit offenen Armen aufgenommen wird, weil die Betroffenen mit ihr problemlos umgehen können und die Verlierer in der Minderzahl sind. Die Annahme einer solchen Change-Euphorie ist jedoch in Zeiten des ständigen, überdosierten Wandels nicht nur naiv, sondern gefährlich. Die von der Idee der Nachhaltigkeit geprägten Ansätze kennen keine Erosionsprobleme. Sie gehen von selbstverstärkenden Prozessen aus. Übersehen wird dabei, dass bestimmte Change-Strömungen einen modischen und damit kurzfristigen Lebenszyklus besitzen: Sie werden als Produkte von Unternehmensberatungen vermarktet, wobei auch die geplante Obsoleszenz eine Rolle spielt, die sich beispielsweise in der Ablösung der Geschäftsprozessoptimierung durch das Business Process Reengineering bzw. dessen Modifikation durch das X-Engineering niederschlägt. Ungeachtet der Selbstverstärkungs- und Habitualisierungsprozesse sorgt das Lancieren eines Nachfolgekonzepts für die Erosion der positiven Einstellung zum gegenwärtig implementierten Konzept. Navigationsleistung: Damit die Wegweiser-Funktion eines Change-Ansatzes sichergestellt ist, müssen phasenspezifische Führungsmaßnahmen eingesetzt werden: In der Konfusionsphase konzentrieren sich Führungsaktivitäten vornehmlich auf ein Coaching, angesichts der verstärkt auftretenden Ängste, Verunsicherungen und Orientierungsprobleme. In der Diffusionsphase müssen Führungskräfte in ihrer Rolle des „Verkäufers“ der Veränderung unterstützt werden, damit sie durch den Einsatz von Instrumenten für das interne Marketing
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weitere Betroffene als „Kunden“ gewinnen können. Schließlich ist es Aufgabe der Führung in der Erosionsphase, der Abschwächung des Akzeptanzniveaus entgegen zu wirken. Im Zusammenhang mit Cost-Cutting-Programmen zeigen sich solche Phänomene des Rückfalls in alte Gewohnheiten erfahrungsgemäß etwa 9-12 Monate nach Projektstart. Bestandteil solcher Aktivitäten des Konzept-Supporting sind etwa Refreshment-Workshops oder das Updating von Change-Konzepten (z. B. bei Siemens von „Top“ zu „Top +“). Ausgewogenheit: Auch die Kräftefelder variieren über die Phasen, nicht zuletzt weil in den Phasen unterschiedliche Chancen und Risiken auftreten. Daraus ergeben sich vor allem für den Umgang mit Erfolgsbarrieren und Misserfolgsbarrieren folgende Konsequenzen: In der Konfusionsphase werden Maßnahmen benötigt, die simultan einerseits die Risiken der Konfusion begrenzen als auch andererseits die Widerstände überwinden helfen. Das RisikoManagement bezweckt eine Schadensbegrenzung durch Einführung von Misserfolgsbarrieren. Ein probates Mittel hierfür ist die anfängliche Begrenzung des Veränderungskontexts auf einen Pilotbereich. Das Chancen-Management, also die phasenspezifischen Maßnahmen der Akzeptanzförderung, konzentriert sich auf die Meinungsführer (z. B. Betriebsrat, A-Kunden, Großaktionäre), geeignete Multiplikatoren und auf Opponenten, bei denen eine Trennung mit goldenem Handschlag in Betracht zu ziehen ist. Die Herausforderung für die Change-Verantwortlichen besteht im Konflikt zwischen dem Handling der Umsetzungsbarrieren und der Misserfolgsbarrieren: um bestimmte Umsetzungsbarrieren zu senken, müssen Meinungen und Einstellungen erschüttert und Leidensdruck erzeugt, sprich Konfusion geschaffen werden. Nur durch eine ausgewogene Dosierung lässt sich vermeiden, dass daraus ein Fehlschlagrisiko für das Change-Vorhaben resultiert. Im Mittelpunkt der Diffusionsphase steht die Überwindung von Umsetzungsbarrieren. Dies gelingt dadurch, dass Unentschlossene gewonnen, Verlierer entschädigt und Multiplikationsprozesse genutzt werden. Nur so kann man dafür sorgen, dass aus der Vision einzelner Evangelisten des Wandels („I have a dream“) ein flächendeckend akzeptiertes, kollektives Leitbild („We have a dream“) wird. Im Unterschied dazu geht es in der Erosionsphase primär darum, Misserfolgsbarrieren aufzubauen, um die Akzeptanz auf einem ausreichend hohen Niveau zu erhalten. Um solche Stabilisatoren aufzubauen, muss z. B. ein Budget für RefreshmentAktionen, Incentives und Konzeptaktualisierungen eingerichtet werden. 5
Fazit und Ausblick
Der Erfolg konkreter Change Vorhaben hängt nicht nur von den jeweiligen situativen Gegebenheiten, sondern auch von der Auswahl des Change Management-Ansatzes ab. Den Change Managern ist nur geholfen, wenn sie mit einem realistischen, wegweisenden und ausgewogenen Change Management-Ansatz arbeiten können. Es hat sich gezeigt, dass die verbreiteten Ansätze zwar einzelne dieser Anforderungen erfüllen, aber nicht alle zugleich. Das Kriterium „Realistik“ enthält ein Plädoyer für die Resilience-Ansätze. Sie geben den Change Managern Maßnahmen an die Hand, mit denen sich Misserfolge vermeiden lassen, wobei einige dieser Instrumente auch ein gewisses Potenzial für die Erfolgsförderung besitzen. Allerdings mangelt es den Resilience-Ansätzen an Ausgewogenheit, weil sie mit Blick auf Robustheit des Wandels einseitig die Risikoaspekte in den Vordergrund stellen und die Chancenaspekte vernachlässigen. Vor diesem Hintergrund ist ein Investment in Change Management-Ansätze erforderlich, die ein integriertes Management der Chancen und der
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Risiken des Wandels beinhalten (Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 15 ff.). Wichtige Anhaltspunkte hierfür sind schon im Body of Knowledge des Change Managements vorhanden und können ausgebaut werden: So haben Change Manager beispielsweise Krisen oder „grüne Wiesen“, sprich neue Standorte, Tochtergesellschaften oder Technologien (etwa: InternetTechnologien) schon immer aus zwei Blickwinkeln betrachtet: Zum einen als Risiken, zum anderen als Chancen für die Umsetzung von Wandel. Es bietet sich an, die vorhandenen Erkenntnisse zu einem ausgewogenen Chancen-Risiken-Ansatz („Balanced Resilience“, vgl. Reiß, 2010) auszubauen und auf diesem Weg den Risiken-Bias bzw. Chancen-Bias in den vorhandenen Ansätzen wett zu machen.
Erfolgsfaktoren in Change-Prozessen am Beispiel der Industrialisierung in Sparkassen Wolfgang Botschatzke und Niklas Brasat
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Industrialisierung im Bankgewerbe
Die sich zunehmend verschärfende Konkurrenzsituation im Bankwesen und der daraus resultierende Kostendruck birgt die permanente Herausforderung, Prozesse effizienter und darüber hinaus qualitätserhöhend zu gestalten. Insbesondere im Retail-Banking ist diese Entwicklung schon seit vielen Jahren zu beobachten, da hier eine intensive Wettbewerbssituation herrscht und im Mengengeschäft mit Privatkunden eher kleine Margen im Einzelgeschäft zu erzielen sind. Im Zuge der Bildung der Finanzmarktblase schien diese Tendenz zeitweise an Bedeutung zu verlieren. Die entsprechenden Kapitalmarktmöglichkeiten, insbesondere die der Verbriefung und Veräußerung von Forderungen, schienen Potenziale für „unbegrenztes“ Wachstum und somit Generierung von Skaleneffekten zu erschließen. Nach dem Platzen dieser Blase wird die optimale Gestaltung der Prozesse aber wieder höchste Relevanz besitzen, insbesondere vor dem Hintergrund der zu erwartenden weiteren Konsolidierung im RetailBankenmarkt. Beschleunigt wird diese Entwicklung durch die der Finanzmarktkrise folgenden regulatorischen Eingriffe wie Basel III, Schaffung eines europäischen Einlagensicherungssystems, der Bankenabgabe und den Maßnahmen zum Verbraucherschutz. Alle diese Vorgaben verteuern die Bankproduktion signifikant und werden mit hoher Wahrscheinlichkeit den Prozess der Konsolidierung im europäischen und deutschen Retail-Banking deutlich intensivieren. Derzeit zu beobachtende gegenläufige Effekte, wie die Sicherstellung eines extrem niedrigen Zinsniveaus, das für Retail-Banken durch Erzielung von Fristentransformationserträgen eine gute Erlösquelle darstellt und damit den Kostendruck reduziert, dürften nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass im Zuge entstehender Zinssteigerungen die Gewinne der Banken deutlich zurückgehen und der Kosten- und Konsolidierungsdruck wieder zunehmen wird. Möglicherweise tritt dann zumindest in Deutschland die von Ulrich Cartellieri – langjähriger Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bank – im Jahre 1990 vorhergesagte Entwicklung ein, wonach die Banken in Deutschland zur Stahlindustrie der 90er Jahre werden könnten. Die Tatsache, dass neben den knapp 280 Privatbanken in Deutschland noch ca. 450 Sparkassen und über 1.000 Genossenschaftsbanken operieren (Quelle: Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank), lässt dieses Szenario nicht unwahrscheinlich erscheinen. Zum erfolgreichen Bestehen am Markt ist es vor den genannten Hintergründen für Bankunternehmungen daher elementar, den permanenten Wandel als natürliche Entwicklung aufzufassen und in die Grundsätze der Unternehmungsführung einzubeziehen.
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_16, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Ansätze zur Automatisierung wiederkehrender und standardisierbarer Prozessabläufe stehen bei der Suche nach Effizienzsteigerungspotenzialen besonders im Fokus der Betrachtung. Für den bankfachlichen Back-Office-Bereich stellt sich darüber hinaus die Frage nach dem Ort der Aufgabenerbringung. Die Auslagerung bisher intern erbrachter Dienstleistungen an eine Drittunternehmung und deren Bündelung mit Anderen kann hier weitere Effizienzvorteile mit sich bringen, wenn der spezialisierte Dienstleister durch Standardisierung Skalenerträge aufgrund von Größenvorteilen realisieren und das Vorhalten von Überkapazitäten zum Ausgleich von Mengenschwankungen obsolet werden lassen kann. Im Extremfall verlagern einzelne Banken nicht nur Teile der mit hohem administrativem Aufwand verbundenen Geschäftsprozesse, sondern ziehen sich gänzlich aus einzelnen Geschäftsfeldern zurück. So beschränken sich beispielsweise im Kreditsegment einige Banken ausschließlich auf die Produktvermittlung. „Die Kreditprodukte sind zwar weiterhin Bestandteil des Leistungsangebots, werden jedoch durch Kooperationspartner finanziert und bearbeitet“ (Kufer/Luckert, 2009, S. 35). Darüber hinaus können in den spezialisierten Bank- oder Dienstleistungsunternehmungen, bei denen es sich oftmals um gezielte Neugründungen handelt, andere kulturelle und finanzielle Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hier geht es hauptsächlich darum, eher industrie- denn bankorientierte Bedingungen zu schaffen, welche sich in anderen Formen der Arbeitsorganisation (Richtung Taylorismus), der Bezahlung (keine Banktarifverträge) oder der Führungsstrukturen (deutlich größere Leitungsspannen) auszeichnen. Zudem lassen sich Dienstleistungsstandorte wählen, die sich eher in Randbezirken als in Zentren großer Metropolen bewegen dürften und somit zu einer Verbilligung der Standortkosten beitragen. Ausgangspunkt für entsprechende Effizienzsteigerungsmaßnahmen stellt jeweils die Dekomposition der Wertschöpfungskette in klar abgrenzbare Prozessschritte dar. Abb. 1 verdeutlicht dies am Beispiel des Vertriebs- und Produktionsprozesses einer privaten Baufinanzierung.
Bedarfsanalyse
Produktauswahl/ Bonitätsanalyse
Beschlussvorlage/ Bewilligung
Vertragserstellung/ Kontrolle
Valutierung
Archivierung
Markt Marktfolge Dienstleister
Modul 1
Modul 2
Modul 3
Baufinanzierung Standard
Valutierung
Archivierung
Abb. 1: Exemplarische Dekomposition eines Baufinanzierungsprozesses
Erfolgsfaktoren in Change-Prozessen am Beispiel der Industrialisierung in Sparkassen
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Während die vollständigen Prozessketten früher oftmals innerhalb einer Bank oder Bankfiliale durchlaufen wurden, ermöglicht die Modularisierung und Zerlegung in Teilbereiche eine effizientere Bearbeitung. Hierfür ist die Standardisierung der oftmals heterogenen Prozesse eine wesentliche Grundvoraussetzung, die eine Einigkeit über die verschiedenen Fachbereiche bzw. die unterschiedlichen Banken hinweg voraussetzt. Die einzelnen Prozessleistungen können dann gesammelt zentralisiert oder ausgelagert erbracht werden. Auf diese Weise wird die Wertschöpfungstiefe verringert und die Konzentration kann auf die Kernbereiche der Leistungserstellung gelenkt werden. In diesem Zusammenhang ist im Retail-Banking die Idee der Bildung einer Vertriebsbank entstanden, welche sich im Wesentlichen auf Beratung und Betreuung von Kunden konzentriert und alle weiteren, dem Markt folgenden Aufgaben auslagert oder delegiert. Die dem Vertrieb folgenden Abwicklungsprozesse sind häufig geprägt von identischen Abläufen, die in großer Anzahl durchlaufen werden und verfügen dabei regelmäßig über ein sehr hohes Potenzial zur Standardisierung. Hinzu kommen oftmals hohe Automatisierungspotenziale. Somit entsprechen diese Prozesse im Wesentlichen den Kernmerkmalen industrieller Fertigung (Massenproduktion, Automatisierung, Arbeitsteilung, Standardisierung und Normung). In diesem Zusammenhang wird daher auch von der Industrialisierung des Bankensektors gesprochen, in Analogie zur Fertigung industrieller Güter ist auch von Bankfabriken (wie im Rahmen des Kreditgeschäfts von Kreditfabriken) die Rede. Ähnlich den Zulieferbetrieben innerhalb der Automobilbranche sind externe oder interne Dienstleister, die Teile der Wertschöpfung für Bankunternehmungen übernehmen, Spezialisten für die jeweiligen Abwicklungsprozesse. Sie können nicht nur Synergieeffekte durch die oben bereits angesprochenen Skalenerträge (economies of scale) realisieren, sondern verfügen durch die Fokussierung auf das Management der Abwicklungsprozesse oftmals über Know-how-Vorsprünge und hochentwickelte IT-Lösungen (economies of scope). Darüber hinaus sind sie regelmäßig nicht an banktarifliche Regelungen gebunden und können daher ihre Kostenstrukturen leistungsgerecht an die jeweiligen Aufgabenstellungen anpassen. Durch die Arbeitsteilung innerhalb der Wertschöpfungskette wurden die ursprünglich oftmals von wenigen Generalisten erfüllten Aufgaben auf mehrere Spezialisten übertragen, die – im Sinne der Industrialisierung – „am Fließband“ wenige klar abgrenzbare Arbeitsleistungen erbringen. Als externe Dienstleister treten oftmals sogenannte Transaktionsbanken oder Bankfabriken ohne Banklizenz auf. Diese sind häufig als Ausgründungen traditioneller Universalbanken entstanden und gänzlich spezialisiert auf die Erbringung von Abwicklungsleistungen unter Realisierung der angesprochenen Spezialisierungs- und Skaleneffekte. Darüber hinaus umfasst ihr Leistungsportfolio regelmäßig keine „originären Bankdienstleistungen“. Von den Transaktionsbanken abgrenzen lassen sich nach dieser Systematik die Vertriebsbanken, die als Ziel die Vermarktung und Versorgung eines definierten Markts mit Finanzprodukten verfolgen sowie die Portfoliobanken, deren Kernkompetenz in der Bewirtschaftung ihrer Zielmärkte mit Finanzprodukten (Eigen- und Fremdentwicklung) liegt (vgl. Marlière, 2008, S. 29 f.). Abb. 2 skizziert diese Dreiteilung.
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Markt
Markt Vertriebsbank
Portfoliobank Transaktionsbank
Vertriebsbank
Transaktionsbank
Vertriebsbank
Portfoliobank Portfoliobank Vertriebsbank
Abb. 2: Dreiteilung im Bankensektor
Anders als im Fertigungsbereich ist die Dekomposition der Wertschöpfungskette im Bankensektor in ganz erheblichem Maß von Schnittstellenkomplexitäten gekennzeichnet, da die zu erbringenden Teilleistungen nicht als eigenständige Einzelprodukte ausgeprägt sind und diese aufgrund ihres Dienstleistungscharakters ein immaterielles Wirtschaftsgut darstellen. Insbesondere im Rahmen interorganisationaler Leistungserbringung sind klare Normierungen und Spezifikationen der Schnittstellen daher speziell im Hinblick auf die eingesetzten IT-Systeme notwendige Bedingungen. Doch auch unter Berücksichtigung der klaren Schnittstellendefinitionen muss die Flexibilität in Bezug auf eingesetzte IT-Systeme und zukünftige Veränderungen der outsourcenden Bank gewährleistet bleiben. Die Industrialisierung im Bankengewerbe soll im Folgenden anhand eines Praxisbeispiels näher dargestellt werden. 2
Etablierung einer Sparkassen-Transaktionsunternehmung
Die im vorangegangenen Kapitel skizzierte Industrialisierung im Bankwesen beschränkt sich nicht auf große Privatbanken. Auch die Sparkassen- und Genossenschaftsbanken beginnen vor dem Hintergrund des wachsenden Kostendrucks, über die Dekomposition der Wertschöpfungskette Effizienzsteigerungen zu realisieren. Eine der größten in diesem Zuge etablierten Transaktionsunternehmungen ist die Norddeutsche Retailing-Service AG (NRS). Im Jahr 2005 als Gemeinschaftsprojekt der Hamburger Sparkasse, der Sparkasse Bremen und der Finanzgruppe Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein gegründet, übernimmt diese bis zum heutigen Zeitpunkt Abwicklungsprozesse für über 40 Sparkassen im norddeutschen Raum. Dabei ist das Leistungsportfolio auf das Geschäftsmodell der Sparkassen spezifisch zugeschnitten. Aber auch innerhalb der Kundensparkassen liegen trotz nahezu identischer Marktangebote und IT-Unterstützung – historisch gewachsen – sehr heterogene Geschäftsprozesse vor. Die Etablierung von optimierten Standardprozessen ist daher als zentrale Herausforderung eine notwendige Voraussetzung und einer der Satzungsaufträge der NRS. Durch die Übernahme wesentlicher Back-Office-Dienstleistungen durch einen Sparkassen eigenen Dienstleister kann das Zielbild der dezentral eigenständig agierenden Kundenspar-
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kassen gestärkt werden. Zudem wird ein wesentlicher Beitrag zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit erreicht, indem der oftmalige Nachteil einer kleinen, nah am Kunden agierenden Unternehmung, die fehlende Größe und damit Skalennachteile kompensiert werden kann. Die klassische Sparkasse entwickelt sich so – in Analogie zur zuvor dargestellten Bankendreiteilung – zur Vertriebssparkasse mit klarer Fokussierung auf die wesentlichen Kernkompetenzen und kann so perspektivisch die Wettbewerbsfähigkeit mit großen Bankunternehmungen sicherstellen. Das angebotene Leistungsportfolio der NRS umfasst vier wesentliche Prozessbereiche, die für die Kundensparkassen übernommen werden können:
Zahlungsverkehr: Insbesondere Abwicklung des kompletten beleghaften Zahlungsverkehrs sowie Übernahme von Recherche-, Korrektur- und Archivierungsfunktionen.
Marktservice: Insbesondere Vertragsabwicklung im Spar- und Girogeschäft (u. a. Kontoeröffnung, laufende Bearbeitung und Kontoauflösungen, Konto- und Kundenauskünfte, Folgebearbeitung im Sterbe- und Nachlassfall).
Kreditservice: Insbesondere Übernahme aller Back-Office-Abläufe im Neu- und Bestandsgeschäft des Privat- und Firmenkreditgeschäfts.
Finanzen und Controlling: Umfassendes Dienstleistungsangebot zur Übernahme von Rechnungswesen, Risiko-/Controlling, Berichts- und Meldewesen.
Die einzelnen Dienstleistungsangebote werden dabei modularisiert und klar definiert. Somit lassen sich Prozessabläufe vollständig oder auch nur partiell an die NRS auslagern. Die Modularisierbarkeit ermöglicht den Kundensparkassen auch eine sukzessive Auslagerung einzelner Teilprozesse über einen längeren Zeitraum. Ein stufenweiser Übergang ermöglicht zudem eine höhere Akzeptanzgewinnung bei den jeweiligen Sparkassen und ihren von einem Arbeitsplatzwechsel betroffenen Mitarbeitern. So können mit einzelnen Teilprozessauslagerungen erste Erfahrungswerte gewonnen und anschließend auf dieser Basis über eine weiterführende Auslagerung entschieden werden. Darüber hinaus kann das Risiko der Entstehung von Leerkapazitäten vermieden werden, das mit der Auslagerung gesamter Back-Office-Bereiche verbunden ist, wenn einzelne Mitarbeiter einen Übergang zum Dienstleister ablehnen. In der Darstellung des Leistungsportfolios fällt die Übernahme von Finanz- und Controllingaufgaben als Supportbereich aus der Reihe der stärker operativen Abläufe. Dies unterstreicht die eingangs dargestellte Notwendigkeit, sämtliche Kosten- und Ertragskomponenten der Wertschöpfungskette auf den Prüfstand zu stellen und mögliche Effizienzsteigerungspotenziale zu identifizieren. Die NRS kann durch die Bündelung von Stabs- und Abwicklungsfunktionen insgesamt die im vorangegangenen Kapitel dargelegten Synergieeffekte realisieren. Skalenertragsnachteile kleinerer Sparkassen gegenüber Großbanken lassen sich so im Verbund überwinden. Die permanente Produktivitätssteigerung ist entsprechend eines der Kernziele der NRS. Auf diese Weise können Verbesserungen der Kostenstrukturen für die Kundensparkassen realisiert werden. Darüber hinaus stellt die NRS Spezialisten-Know-how zur Verfügung und
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Wolfgang Botschatzke und Niklas Brasat
bietet dieses ihren Kunden auch direkt in Form von Beratungsdienstleistungen einer eigenen Consulting-Tochtergesellschaft an. Ein weiterer Vorteil dieser Gesellschaft bzw. des Dienstleistungszuschnittes besteht in dem Konzept des „One-shop-stopping“. Bei der Auslagerung von Dienstleistungen in eine BackOffice-Einheit muss in der auslagernden Bank eine Stelle zur Dienstleistersteuerung geschaffen werden. Die hier angesiedelte Kompetenz geht deutlich über die reine Budgetverwaltung hinaus, denn es sind wichtige Funktionen des Service-Level-Managements, des Vertragsmanagements und des Anforderungsmanagements zu installieren, um eine effiziente und zufriedenstellende Dienstleister-Kundenbeziehung zu etablieren. Aufgrund der Breite und der Zusammengehörigkeit des Angebotes der NRS ist es möglich, die Funktion der Dienstleistersteuerung in der auslagernden Bank zu bündeln und entsprechende Ressourcen vorzuhalten, welche die Dienstleisterbeziehung „aus einem Guss“ managen lassen. Sowohl die Etablierung der NRS als Prozessdienstleister für Sparkassen als auch die einzelnen Auslagerungsprozesse der jeweiligen Kundensparkassen stellen große ChangeVorhaben dar, die umfangreiche und tiefgreifende Veränderungen bedingen und vor diesem Hintergrund ein entsprechend ausgearbeitetes Change-Management voraussetzen. Die Faktoren für eine erfolgreiche Gestaltung dieser Wandlungsprozesse sollen im folgenden Kapitel dargestellt werden. 3
Faktoren für den erfolgreichen Change-Prozess
Die Wandlungsnotwendigkeit im Hinblick auf die Industrialisierung wiederkehrender operativer Abwicklungs- und Stabsaufgaben im Bankwesen und die Ausgestaltung am Beispiel der Norddeutsche Retailing-Service AG (NRS) wurde in den vorangegangen Kapiteln dargestellt. Aus der Auslagerung einzelner Bereiche der Wertschöpfungskette ergeben sich dabei tiefgreifende Veränderungen für die Organisation, die Arbeitsabläufe, die eingesetzten IT-Systeme, aber insbesondere für die betroffenen Mitarbeiter. Bestimmte Tätigkeiten sind innerhalb einer Sparkasse nach der Auslagerung obsolet. Die vorher mit dieser Tätigkeit betrauten Mitarbeiter erbringen ihre Leistung nach einem Übergang zur NRS in einem neuen Umfeld und in der auslagernden Unternehmung entstehen neue Aufgaben (siehe oben). Dabei entsteht Konfliktpotenzial aus der Tatsache heraus, dass „Kollegen von gestern“, die bis dato innerhalb einer organisatorischen Einheit gearbeitet haben, nun zu einer formalisierten Zusammenarbeit auf Vertragsbasis gezwungen sind und entsprechende Verfahren zur Leistungsmessung sowohl auf der abgebenden als auch der aufnehmenden Seite angewendet werden. Es entsteht Transparenz über Leistungserreichung auf beiden Seiten und eine Zusammenarbeit „auf Zuruf“ ist nicht länger möglich. Vor diesem Hintergrund kommt dem Management des Wandlungsvorhabens eine besondere Bedeutung zu. Es determiniert den Wandlungserfolg, das Ergebnis eines abgeschlossenen Change-Prozesses. Dabei stellt sich die Frage nach den relevanten Faktoren, die im positiven und negativen Sinne Einfluss auf den Wandlungserfolg nehmen. Die Identifikation dieser zentralen Determinanten stand bereits oftmals im Fokus der betriebswirtschaftlichen Forschung (vgl. exemplarisch Picot/Freudenberg/Gaßner, 1999). Im Ergebnis führen entsprechende empirische Untersuchungen zu einem Katalog an Erfolgsfaktoren, die dabei jedoch immer situativ unter Berücksichtigung spezifischer Aspekte auf die eigene Unter-
Erfolgsfaktoren in Change-Prozessen am Beispiel der Industrialisierung in Sparkassen
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nehmung zu übertragen sind. Auf Grundlage der wesentlichen Studien im deutschsprachigen Raum zum Change-Management erarbeiten Steinle/Eggers/Ahlers sieben zentrale Erfolgsfaktoren (vgl. Abb. 3). Zielklarheit und -unterstützung Mitarbeitermobilisierung
Prozesseffizienz
- Eindeutiger Wille der Spitze - Klare Zielstellung/ Operationalisierung - Zieladäquate Ressourcen
- Prozessflexibilität/ Timing-Strategie - Tool-Einsatz
- Offene Kommunikation - Mitarbeitermotivation und -schulungen
Abb. 3: Systematisierung zentraler Erfolgsfaktoren des Change-Managements Quelle: Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 61
Anhand dieser Systematik sollen im Folgenden die Erkenntnisse aus dem Change-Prozess bei der Etablierung der NRS sowie aus den Auslagerungsprozessen von Kundensparkassen verdeutlicht und die Erfolgsfaktoren somit anhand eines Praxisbeispiels illustriert werden. Hierzu soll die Relevanz (gering, mittel, hoch) der jeweiligen Faktoren für das ChangeProjekt eingeschätzt und die wesentlichen Aspekte erläutert werden. Die Erfolgsfaktoren sind dabei anhand der eingeschätzten Relevanz sortiert. 1.
Eindeutiger Wille der Spitze: Top Management Commitment und Macht als Wandlungsquellen (Relevanzbewertung: hoch): Der eindeutige politische Wille zur Verlagerung einzelner Prozessbereiche in eine eigene Transaktionsunternehmung bei den beteiligten Sparkassen kann rückblickend als einer der wesentlichen Faktoren für den erfolgreich durchlaufenden Change-Prozess angesehen werden. Dieser ergab sich bereits vor dem Hintergrund der Notwendigkeit mit Blick auf die Sicherung von eigenständigen Sparkassen. Nur durch die Realisierung von Spezialisierungs- und Skaleneffekten kann die Wettbewerbsfähigkeit langfristig gestärkt werden. Das klare Bekenntnis aus den Vorständen der beteiligten Sparkassen war ein wesentlicher Promotor des Change-Projekts. Die Teilnahme aller beteiligten Sparkassen am Projekt-Lenkungsausschuss verdeutlicht diesen Stellenwert. Auch wurden vereinzelte Bedenken und Vorbehalte aus den Fachabteilungen gegen notwendige Prozessstandardisierungen durch ein klares Bekenntnis des Top Managements abgeschwächt.
2.
Zieladäquate Ressourcen: Budget/Know-how (Relevanzbewertung: hoch): Die ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung des Change-Projekts kann als ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor bewertet werden. Durch die Besetzung des Projektteams und später auch der Verantwortungsträger der neu gegründeten NRS mit Top-Leistungsträgern der teilnehmenden Sparkassen wurde ein klares Zeichen gesetzt sowie die Ernsthaftigkeit und Relevanz des Vorhabens bekräftigt. Darüber hinaus wurde auf diese Weise viel unternehmerische Kompetenz an die Projektverantwortlichen übertragen und wichtiges Know-how innerhalb des Projekts gebunden. Daneben wurde für die Prozessunterstützung durch ein externes Beratungshaus ein ausreichend großes Budget sichergestellt. Auf dieses wurde weniger
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Wolfgang Botschatzke und Niklas Brasat
inhaltlich als vielmehr konzeptionell unterstützend und prozessmoderierend zurückgegriffen. Als neutrale Partei gelingt es einer Unternehmungsberatung oftmals einfacher die unterschiedlichen Interessengruppen „unter einen Hut zu bekommen“. 3.
Offene Kommunikation: Sicherstellung der Prozesstransparenz bei Beteiligten/Betroffenen (Relevanzbewertung: hoch): Tiefgreifende Veränderungen können bei den tangierten Mitarbeitern Angst, Sorge und letztlich Widerstand gegen das geplante Vorhaben auslösen. Vor diesem Hintergrund war die frühzeitige offene Information und Kommunikation der geplanten Ziele und Konsequenzen mit den Betroffenen von sehr hoher Relevanz für den Wandlungserfolg. Ziele und Vorgehensweise wurden den Mitarbeitern gegenüber transparent dargestellt. Die Betriebs- bzw. Personalräte der Sparkassen wurden frühzeitig im Rahmen der Mitbestimmung eingebunden. Insbesondere vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Veränderungen bei einem Mitarbeiterübergang von Sparkasse zu NRS kann in der klaren und offenen Kommunikation ein entscheidender Erfolgsfaktor gesehen werden. Dies wird am Beispiel der Hamburger Sparkasse deutlich. Im Rahmen des Betriebsüberganges nach § 613a BGB machten nur wenige Einzelfälle der insgesamt ca. 600 betroffenen Mitarbeiter von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch. Allerdings zeigen die Erfahrungen nach dem Betriebsübergang auch, dass die Gleichstellung der übergegangenen Mitarbeiter mit den Mitarbeitern der auslagernden Häuser umso wichtiger ist, je dichter deren räumliche Zusammenarbeit nach einem Betriebsübergang ist. Oder andersherum formuliert: Die Wahrscheinlichkeit, industrielle Arbeitsbedingungen mit anderen finanziellen Rahmenbedingungen in der Bankfabrik zu realisieren ohne Rückkehrwünsche in die auslagernden Häuser zu generieren, ist umso größer, je geringer die räumliche Nähe der Transaktionsunternehmung zu der auslagernden Bank ist. Dies kann in Verbindung mit schlechterer finanzieller Ausstattung zum Rückfluss qualifizierter Mitarbeiter in die auslagernden Häuser und so zum Know-how-Abfluss in der Transaktionsbank führen.
4.
Mitarbeitermotivation und -schulungen: Mobilisierung für den Wandel durch änderungsbezogene Maßnahmen (Relevanzbewertung: mittel): Die Mitarbeitermobilisierung zur engagierten Unterstützung des Wandlungsvorhabens kann zur zielgerichteten Umsetzung als ein wesentlicher Erfolgsfaktor angesehen werden. Dies geht dabei deutlich über ein bloßes Akzeptieren des Change-Prozesses hinaus. Vor diesem Hintergrund gab es spezielle Schulungen im Rahmen der Auslagerung der beteiligten Mitarbeiter. Neben den sachtechnischen Inhalten zu neuen Abläufen, IT-Systemen etc. wurde hier, flankierend zur Kommunikation im Rahmen von Mitarbeiterversammlungen, die Wandlungsintention dargestellt und auch auf diese Weise Bedenken abgebaut. Ein weiteres Schulungsprogramm, das im Rahmen der Etablierung der NRS als wesentlicher Erfolgsfaktor angesehen werden kann ist die konsequente Verankerung von Six Sigma innerhalb der Unternehmung. Dieses Konzept des Qualitätsmanagements hat die Messung, Analyse und Optimierung von Geschäftsvorgängen insbesondere durch Rückgriff auf statistische Methoden zum Ziel (vgl. zu Six Sigma und dessen Einsatzmöglichkeiten im Bankgewerbe
Erfolgsfaktoren in Change-Prozessen am Beispiel der Industrialisierung in Sparkassen
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Töpfer, 2007). Auf diese Weise konnte viel wertvolle Change-Kompetenz und Prozessoptimierungs-Know-how innerhalb der NRS aufgebaut werden. 5.
Hohe Prozessflexibilität und geeignete Timing-Strategie (Relevanzbewertung: mittel): Die erfolgreiche Realisierung oftmals sehr komplexer Change-Vorhaben lässt sich im Vorfeld nur bis zu einem vertretbaren Detaillierungsgrad planen. Ein flexibles Vorgehen ist daher vor dem Hintergrund auftretender Unsicherheiten als wesentlicher Erfolgsfaktor einzustufen. In dem hier beschriebenen ChangeVorhaben wurde dieser Tatsache in hohem Maße Rechnung getragen. Einerseits durch die Setzung finanzieller „First-Mover-Anreize“ für die Pilot-Sparkassen, die bei der Etablierung der NRS ein vollständiges Outsourcing betrieben haben. Andererseits durch den bereits dargestellten modularen Aufbau. Auf diese Weise konnte der unterschiedlichen Risikoaversion einzelner „Follower-Sparkassen“ begegnet werden. Die Möglichkeit, zu Beginn des Change-Prozesses auf die vollständige Auslagerung aller möglichen Teilprozesse zugunsten einer zunächst partiellen und dann sukzessiv erweiterten Auslagerung zu verzichten, kann rückblickend als ein wesentlicher Erfolgsfaktor und Promotor des Change-Gedankens angesehen werden.
6.
Einsichtige Zielstellung und klare Zieloperationalisierung (Relevanzbewertung: gering): Die Erarbeitung einer klaren und gut kommunizierbaren Zielsetzung sowie die entsprechende Operationalisierung in konkrete Unterziele gelten als ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Akzeptanzgewinnung in Change-Projekten. Im Rahmen von Mitarbeiterversammlungen wurden die Projektziele den Mitarbeitern dargelegt und auf diese Weise die konkreten Auswirkungen für und Anforderungen an jeden Einzelnen kommuniziert. Durch die klare Zielvorstellung des Gesamtvorhabens und der Operationalisierung durch individuelle Umsetzungsschritte der beteiligten Sparkassen auf Basis der Modularisierung konnte die Identifikation mit dem Gesamtvorhaben zusätzlich erhöht werden.
7.
Professioneller Tool-Einsatz zur Absicherung der Prozess-Effizienz (Relevanzbewertung: gering): Die Einbeziehung professioneller Tools im Rahmen von Change-Projekten kann als weiterer Faktor für die erfolgreiche Umsetzung gesehen werden. Hierunter fallen einerseits Instrumente zur kreativen Ideenfindung (vgl. hierzu ausführlich Eggers, 1994, S. 183 ff.), die insbesondere im Vorfeld bei der Planung und Strukturierung von Change-Projekten zum Einsatz kommen. Andererseits sind hierunter Tools für ein professionelles Projektmanagement einzuordnen. Im vorliegenden Fall kann insbesondere der stringente Einsatz des Projektcontrollings als Erfolgsfaktor angesehen werden. Hierbei stand zunächst die Überwachung der Zeitpläne und geplanten Ressourcen im Vordergrund, im weiteren Projektverlauf wandelte sich der Controlling-Ansatz dann hin zu einer „Produktionssteuerung“ der ausgelagerten Prozessabläufe. Der Effizienzvergleich zum Zeitpunkt vor der Auslagerung stand dabei im Vordergrund. „Stückkosten“ ersetzen für die Kundensparkassen die „Eh-da“-Kosten und sorgen somit für eine höhere Kosten-Leistungs-Transparenz.
G
Ausblick: Entwicklung der Integrierten Unternehmungsführung
Unternehmungspolitischer "Erker" in n Pr pie zi
en m e pl Im tion ta d- e n t ru ep G onz k
Entwicklung
Entwurf Grundkonzepte t- ck- g En wi lun r n eSt pl n- io -) m me tat I d n ru n- p- n (G Ko ze tio ie eg at
Änderung/Wandel Führung (i.e.S.)
Organisation Kontrolle
Planung
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Personal
Managementprozesse
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g un m h e rn te n U ng lu ei t Ab e pp ru G m uu id v i d In
E b e n e n
Integrierte Unternehmungsführung – quo vadis? Bernd Eggers, Friedel Ahlers und Timm Eichenberg
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Integrierte Unternehmungsführung quo vadis – (k)eine Frage?
Die ‚Integrierte Unternehmungsführung‘ bzw. das ‚Ganzheitliche Management‘ St. Galler oder Hannoveraner Prägung stellen substanzielle Denk- und Handlungskonzepte mit zugleich hoher theoretischer Fundierung und ableitbaren begründeten Praxisimplikationen dar, wie auch die Beiträge in dieser Festschrift speziell für den Ansatz von Steinle transparent und nachhaltig belegen. Ihr hoher konzeptioneller Ausarbeitungs- und Differenzierungsgrad ist eine gute Ausgangsbasis, als „Leerstellengerüst für Sinnvolles“ oder als spezielle „Heuristik“ neue Entwicklungen in der Unternehmungsführung zu antizipieren und zu integrieren. Die mit „quo vadis“ aufgeworfene Frage zu integrierten Managementsystemen ist zweigeteilt zu beantworten: Es ist keine Frage, dass die Beschäftigung mit dem Themenfeld ‚Integrierte Unternehmungsführung‘ weitergehen wird. Denn der Anlass zur Beschäftigung mit diesem Thema, die zunehmende Umweltkomplexität als Herausforderung für Unternehmungen, wird eher noch an Dynamik gewinnen. Dafür stehen prononciert formulierte Begriffe wie „Hyperwettbewerb“ (Rasche 2002, S. 249) als Ausdruck des „Age of Discontinuity“ (Eggers, 1994, S. 1). Der damit verbundenen Komplexität und Dynamik müssen Unternehmungen mit adäquaten im Sinne von intelligenten und anpassungsfähigen Führungs- und Steuerungssystemen entsprechen, wie sie die integrierten Managementansätze wissenschaftlicher Prägung darstellen. Anstelle der Frage des „ob“ stellt sich daher die Frage des „wie“, also nach der Ausprägung einer integrierten Unternehmungsführung und ihrer inhaltlichen Konkretisierung in der Zukunft: Welche Elemente einer integrierten Unternehmungsführungskonzeption rücken aus welchen Gründen in den Vordergrund, welche werden anders orchestriert, welche kommen hinzu etc.? Die Beantwortung dieser Fragen ist eng verbunden mit der Zukunft der Institution Unternehmung und seiner zukünftigen Konturen und Elemente, die vielfältigen Veränderungen unterliegen werden (vgl. dazu auch Abschnitt 4). Dabei ist sich zunächst zu vergegenwärtigen, das Ganzheitlichkeit und die damit verbundenen Ansprüche nicht nur Unternehmungen, sondern Sozialsysteme generell tangiert. 2
‚Gesamtschau‘: Das 21. Jahrhundert – Zeitalter des integrierten Denkens und Handelns im gesellschaftlichen Kontext
Ganzheitliches Denken und Handeln ist gerade im 21. Jahrhundert mit der anwachsenden Komplexität der Problemstellungen auf nahezu allen politischen und institutionellen Entscheidungsebenen gefragt, also weit über das Handlungsfeld einzelner Unternehmungen hinaus. Als besonders virulent zeigt sich diese Herausforderung schon auf der politischen
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0_17, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Bernd Eggers, Friedel Ahlers und Timm Eichenberg
Ebene. Exemplarisch dafür steht die notwendige internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz. Diese supranationalen Herausforderungen und die Antworten darauf stellen umweltrelevante Determinanten für das Wirken auch von Unternehmungen dar, die zunehmend in eine gesellschaftliche Verantwortung genommen werden. „Die Notwendigkeit einer weiteren Öffnung des unternehmerischen Denkens und Handelns über die Grenzen der Unternehmung hinaus zeichnet sich ab. ... Die Unternehmung wird zunehmend in ihrer gesellschaftlichen Funktion erkannt und muss durch eine Nutzenstiftung für vielfältige Bezugsgruppen um ihre Legitimation bemüht sein“ (Bleicher, 2009a, S. 76). Das ganzheitliche betriebswirtschaftliche Denken bedeutet in diesem Kontext explizit ein Denken über die engen Unternehmungsgrenzen hinaus in überlagernde gesellschaftspolitische Verantwortungsfelder hinein. Im Rahmen der Idee der integrativen Unternehmungsethik zielen z. B. Ulrich/Fluri (1995, S. 67 f.) zur Begründung der Unternehmungsidentität auf ein in vielfältiger Hinsicht „wertvolles unternehmerisches Wirtschaften“ ab, das neben originären ökonomischen Kriterien auch z. B. eine bessere Sozial- und Umweltverträglichkeit fokussiert und damit einem breitgefächerten, ganzheitlichem Zielsystem das Wort redet. Ganzheitliches Denken und Handeln hört damit an den Unternehmungsgrenzen nicht auf, sondern fordert gerade eine verantwortungsvolle Position der Unternehmung im übergeordneten gesellschaftlichen Rahmen ein. Die wertehaltigen Dimensionen des Managements, wie sie im „unternehmungspolitischen Erker“ im Gesamtkonzept von Steinle abgebildet sind (vgl. dazu auch den Beitrag von Böttcher), werden daher neben den werthaltigen Shareholder-Ansprüchen noch an Bedeutung gewinnen. Nachvollzogen kann dieses z. B. transparent am Beitrag von Oppenborn mit der Orientierungsfunktion des Unternehmungsleitbildes für strategische und operative Aktivitäten in einem Medienunternehmen. Dies zeigt sich auch in sehr konkreten Anliegen der Gesellschaft an die Unternehmen, etwa der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Entsprechende Konzepte sind mittlerweile Bestandteil eines zukunftsorientierten und dabei integrierten Personalmanagements, wie der Beitrag von Walther exemplarisch verdeutlicht. Die besondere Integrationsleistung besteht hier in der Harmonisierung der Anforderungen unterschiedlicher Sozialsysteme. Die inter- und intrasystemische Zusammenarbeit von und in Unternehmungen wird bedingt durch internationale Wettbewerbskonstellationen und daraus resultierendem permanenten Kostendruck einerseits und u. a. den neuen elektronischen Handlungsoptionen andererseits ganz neue Dimensionen mit den inhärenten Integrationserfordernissen annehmen (vgl. auch Abschnitt 4). Die schon in der letzten Dekade im 20. Jahrhundert an Fahrt aufnehmende Diskussion zu Unternehmungszusammenschlüssen (Mergers & Acquisitions) wird voraussichtlich nicht an Dynamik verlieren (vgl. dazu umfassend Picot, 2008). Die Zusammenführung zweier Unternehmungen ist eine besondere Integrationsherausforderung, wie auch der Beitrag von Grewe und Lauterbach zum Aufbau einer neuen Organisationsstruktur belegt. Besonders gefordert ist ein spezifisches Integrationsmanagement auch im interkulturellen Bereich, wo länderspezifische Unterschiede hinzu treten. Gerade vor dem Hintergrund der skizzierten Bedeutungszunahme des ganzheitlichen Managements auf nahezu allen politischen und institutionellen Ebenen ist aber herauszuarbeiten, das „integriertes Denken ‚denken’“ zuallererst eine personalisierte Herausforderung ist. „Letztlich sind es immer Menschen, die im Management Entscheidungen treffen“ (Steinle/Eggers/Kolbeck, 1999, S. 28), etwa als politischer Entscheider für die virtuelle „Deutsch-
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land AG“, als Lenker eines Großkonzerns, der z. B. über einen verantwortbaren Diversifikationsgrad zu entscheiden hat (vgl. dazu den Beitrag von Müller-Stewens/Brauer) oder als Familienunternehmer. Ganzheitliches Denken und Handeln beginnt (oder endet) damit beim Top-Management, das dafür aufgrund seiner führungs- und steuerungszentrierten Cockpit-Perspektive in einer besonderen Verantwortung steht. 3
‚Rückschau‘: Beitragsbezogene Positionsbestimmung der Integrierten Unternehmungsführung in Forschung und Praxis
Bei einer reflektierenden Positionsbestimmung des Status quo der Diskussion der wissenschaftlichen Konzepte zur ‚Integrierten Unternehmungsführung’ bzw. zum ‚Ganzheitlichen Management’ wird zunächst ihr mittlerweile anerkannter Stellenwert als wegweisende Grundvorstellungen deutlich (vgl. z. B. Dillerup/Stoi, 2011, S. 43). Sie haben sich als „Denkrahmen“ bzw. als Metakonzepte in hohem Maße etabliert und gehören damit zu einer festen Größe in der Managementwissenschaft, auf die immer wieder in vielfältiger Art und Weise Bezug genommen wird, wofür die Beiträge in dieser Festschrift als Beleg gelten können. Die die deutschsprachige Forschung prägenden integrierenden Managementkonzepte sind dabei über die Jahre hinweg von den Wegbereitern selbst bzw. ihrer „Community“ im Umfeld kontinuierlich weiter entwickelt worden. Dies gilt sowohl für das Konzept „Integriertes Management“ St. Galler Prägung als auch für die Konzeptvorstellung von Steinle. Während beim Ersteren beispielhaft vom „St. Galler Konzept der Integrierten Management- und Unternehmungsentwicklung“ als Weiterentwicklung der ursprünglichen St. Galler Managementmodells gesprochen wird (vgl. z. B. Malik, 2009, S. 190 ff.), hat Steinle ohne öffentlichkeitswirksame ‚Neu-Labelung’ sein Konzept elementbezogen gezielt ergänzt (vgl. dazu auch den Einführungsbeitrag von Ahlers/Eggers/Eichenberg). Die Konzepte haben dabei tendenziell eine weitere Ausdimensionierung und -differenzierung erfahren, um ganzheitliche Entscheidungstatbestände mit ihren vielfältigen Facetten noch gezielter und adäquater erfassen und abbilden zu können. Ein Beispiel dafür ist das von Steinle entwickelte differenzierte (ganzheitliche) Raster zur Analyse von Führungsbeziehungen (vgl. dazu den Beitrag von Eggers/Hollmann). Auch haben sektorale Ansätze explizit auf das integrative Strukturgerüst aufgesetzt, z. B. ein Integriertes Qualitätsmanagement auf Grundlage des St. Galler Konzeptes „Integriertes Management“ (vgl. dazu Seghezzi/Fahrni/Herrmann, 2007, S. 8 ff.). Ein zentraler Verdienst der integrierten bzw. ganzheitlichen Konzepte St. Galler bzw. Hannoveraner Prägung liegt durch die von ihnen angebotenen Integrationsgerüste darin, das sie „… eine Integration bereits per se und nicht erst über aufwendige Nachbesserungen durch vielfältige Koordinationsmaßnahmen ermöglichen“ (Bleicher, 2009b, S. 153). Integration bzw. Ganzheitlichkeit wird also ‚nachgedacht’ ‚vorgedacht’, indem diese Maxime als Ausgangspunkt komplexerer managementzentrierter Überlegungen gilt. Dabei haben die rahmengebenden Integrationskonzepte eher einen Orientierungs- und weniger einen Determinierungscharakter. Zielführend ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von Steinle, das es sich beim Managementkubus als visueller Kristallisationspunkt des ganzheitlichen Ansatzes „… nicht um ein ‚Absolutum’ handelt … “ (Steinle, 2005, S. 28), sondern je nach zu
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Bernd Eggers, Friedel Ahlers und Timm Eichenberg
untersuchender Fragestellung unterschiedliche dimensionsbezogene Akzentuierungen erfolgen können. Damit wird ein hohes Maß an Anschlussfähigkeit des Konzeptes für weiterführende bzw. spezielle Fragestellungen signalisiert. Ein genereller Beleg für die hohe Akzeptanz und breite Rezeption der Begriffe ‚integriert’ und ‚ganzheitlich’ ist ihre verstärkte Verwendung in neuerer betriebswirtschaftlicher Literatur. Betitelungen wie ein „Ganzheitliches Projektmanagement“ (Pfetzing/Rohde 2009), „Integriertes Revisionsmanagement“ (Bauer, 2010), „Ganzheitliches Prozessmanagement“ (Dietsche/Fischermanns, 2010) und „Ganzheitliches CRM“ (Hofbauer/Schöpfel 2010) können hier als Beispiele benannt werden. Die konzeptkennzeichnenden Termini „ganzheitlich“ bzw. „integriert“ gewinnen hier quasi den Status eines vorgegebenen Gütekriteriums per se, dem die konzeptionellen Ausführungen dazu allerdings im Einzelfall – an den anspruchsvollen integrativen Managementkonzepten gemessen – nicht immer voll entsprechen können. Eine „behutsamere“ und „wohlbedachte“ Verwendung dieser Termini in der betriebswirtschaftlichen Literatur wäre daher angezeigt und wünschenswert, um gegen das von Bruhn (2009, S. 19) konstatierte diffuse Begriffsverständnis von Integration die richtigen Zeichen zu setzen. Dass eine integrierte Unternehmungsführung auf vielfältige Art und Weise den Weg von der Forschung in die Betriebe gefunden hat, zeigen auch viele der Beiträge in dieser Festschrift. Zur Einordnung und in Abgrenzung zu den konzeptionellen Ansätzen ist dabei aber darauf hinzuweisen, dass dabei nicht immer das anspruchsvolle Konzeptverständnis in Gänze umgesetzt wird, was oft auch nicht der Anspruch in der Praxis ist. So hat z. B. das Bayrische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie einen praxisgeprägten Leitfaden für kleine und mittlere Unternehmen zum Thema „Integriertes Managementsystem“ erarbeitet, das die Bereiche Qualität, Umwelt und Arbeitsschutz in ihrem Zusammenwirken thematisiert (vgl. Bayrisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, o. J.). Das Netz ist unter dem Stichwort „Integriertes Management“ voll von speziell beratungsgeprägten Konzepten, die ähnliche Teilaspekte aufgreifen und als „integriertes Managementsystem“ betiteln. Aus dem Blickwinkel der theoretischen Ansätze sind sie allenfalls „Sub-Integrativ“. Aus einer akademischen Sicht steht damit die Gefahr der Worthülse ‚integrativ’ im Raum, die Konturen verschwimmen lässt und ein gewisses Maß an Beliebigkeit herauf beschwört. Trotz dieser bedenklichen Tendenz hat die Rezeption integrierter Managementsysteme in der Unternehmenspraxis – wenn auch zumeist auf einem anderen Anspruchsniveau als in der Theorie – eine wegbereitende Funktion, auf die mit komplexeren Konzepten aufgesetzt werden kann. Der Weg für ein ganzheitliches und integratives Denken in der betrieblichen Praxis ist damit bereitet. Die bereits im Jahr 1992 von Eggers (1992, S. 273) getroffene nachfolgende Feststellung ist in diesem Zusammenhang aber immer noch aktuell bzw. sogar aktueller als je zuvor: „Die praxisgerechte Umsetzung eines ganzheitlichen Management ist sicherlich nicht einfach. Folgt man jedoch der Annahme einer ständig steigenden Umweltdynamik und -komplexität, so dürfte die Weiterentwicklung und Implementierung ganzheitlicher Managementsysteme und Problemlösungsmethoden eine zentrale Zukunftsaufgabe für die Unternehmungspraxis werden.“
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‚Vorschau‘: Integrationsbezogene Denk- und Handlungsfelder in der Zukunft
Die Zukunft übt sei jeher eine gewisse Magik auf Menschen und Systeme aus. Neben viel wenig seriöser Prophetie hat sich im betriebswirtschaftlichen Kontext eine substanzielle Zukunftsforschung entwickelt, die relevante Entwicklungstendenzen identifizieren und aufarbeiten will. Allerdings stößt auch sie an Grenzen: „Auch mit wissenschaftlichen Mitteln ist die Zukunft nur schwer zu enträtseln …“ (Steinle/Ahlers/Rutter, 2000, S. 571). Unbeschadet dieser Restriktion gehört – von den Erfahrungen der letzten Dekaden geprägt und den Blick auf die markanten zukünftigen Herausforderungen gerichtet – wenig prophetische Gabe dazu, zu postulieren, das Betriebswirtschaften sich periodisch immer wieder zumindest partiell „neu erfinden“ müssen, um ihre Existenzfähigkeit abzusichern. Gerade in einer von Dynamik geprägten Zeit gilt für Unternehmungen, „ … das an der Auseinandersetzung mit der Zukunft kein Weg vorbeiführt“ (Gausemeier/Plass/Wenzelmann, 2009, S. 56). Es gilt mögliche Zukünfte vorauszudenken und adäquate betriebliche Antizipationsmuster sowie Wege zu deren Umsetzung zu generieren. Die von Claus Steinle schon früh in den Blickpunkt gerückte Managementfunktion „Änderung und Wandel“, handlungsbezogen als „Change Management“ bezeichnet, ist eine Antwort darauf (vgl. zu Change Management-Ansätzen auch näher den Beitrag von Reiß). Eine sehr zukunftsweisende Antwort stellt doch z. B. Schreyögg (2009, S. 214) im Rahmen eines Statements zur „Future of Organization“ fest: „Die Beschleunigung lässt das Change Management noch deutlich stärker zur Kernaufgabe werden.“ Unternehmungen werden – bisherige konventionelle Vorstellungen als Ausgangspunkt zugrunde gelegt – in absehbarer Zukunft „neu zu denken sein“. Die bislang noch weitgehend vorherrschende Vorstellung von Unternehmungen als klar abgrenz- und damit konturierbare Einheiten wird – wenn vermutlich auch weniger schnell als in Teilen der Literatur propagiert – ergänzt wenn nicht zumindest partiell revidiert werden müssen. Vorgedacht ist dies mit Umschreibungen wie „grenzenlose“ oder „virtuelle“ Unternehmung. Dies bedingt als neue Herausforderung eine zunehmende regionale und globale Vernetzung mit selbständigen Akteuren (vgl. Picot, 2009, S. 214). Diese Form z. B. einer qualitativ hochwertigen Zusammenarbeit mit Partnern an gemeinsamen Vorhaben ruft aufgrund der damit verbundenen Schnittstellen etc. wieder besondere Integrationserfordernisse hervor, um als „neu aufgestelltes Orchester“ spiel- und damit handlungsfähig zu sein. So „grenzenlos“ wie der Begriff vermuten lässt werden damit Unternehmungen auch in Zukunft nicht sein. Vielmehr werden weiche Identitätsfaktoren mit normativem Charakter an Bedeutung gewinnen, die herkömmliche Bezugspunkte wie z. B. Betriebsstätten teilweise kompensieren und eine neue Form von Zugehörigkeit schaffen. Maßgeblich initiiert und determiniert wird dieses Nachdenken über die Zukunft der Institution Unternehmung von sogenannten „Megatrends“ als zentrale Zukunftsströmungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Wenn oft auch populärwissenschaftlich hergeleitet, lassen sich doch einige „Megatrends“ erkennen, die schon jetzt virulent sind und auch nachhaltig das Unternehmungsgeschehen in den nächsten Dekaden beeinflussen werden. In diesem Kontext werden immer wieder die technologische/elektronische Entwicklung und die Globalisierung/Internationalisierung neben Aspekten wie z. B. Demographie und Wissensgesellschaft genannt (vgl. z. B. Credit Suisse 2010). Diese Megatrends werden für sich allein,
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Bernd Eggers, Friedel Ahlers und Timm Eichenberg
aber auch in ihrer Gesamtheit von den Unternehmungen besondere integrative Managementleistungen abverlangen. Besonders offensichtlich ist dies z. B. bei den elektronikgetriebenen Entwicklungen, die gegenwärtige betriebliche Prozessstrukturen, Wertketten und Geschäftsmodelle grundlegend in Frage stellen und ein Neu-Arrangement einfordern. Der Beitrag von Krüger zum Web. 2.0 und damit verbundener virtueller Interaktion ist ein gutes Beispiel dafür. Dabei werden ganzheitliche Denkleistungen in einer neuen Dimension gefordert sein, die z. B. die veränderten Rollen der Akteure im Interaktionsgeschehen neu zu definieren und einzuordnen vermögen. Die neuen elektronischen Optionen verändern nicht nur die Geschäftsprozesse mit den Kunden, sie ermöglichen bzw. unterstützen z. B. bei Auslandsentsendungen im Rahmen der Internationalisierung neue Führungsformen wie das Distance Leadership, der in diesem Fall länderübergreifenden Führung auf Distanz (vgl. dazu ausführlich Eichenberg, 2007). Diese mediengestützte bzw. virtuelle Führung stellt neue Herausforderungen an das FührerGeführten-Einflussverhältnis mit neuem „Füllstoff“ für den relevanten Bereich des Managementkubus. Beispiele dieser Art für einen „neuen Füllstoff“ lassen sich bei einer intensiven Rezeption von managementrelevanten Entwicklungstendenzen sicherlich viele finden. Dies gilt z. B. auch für den Bereich des Projektmanagements, der in den letzten Dekaden eine deutliche Bedeutungszunahme als abteilungsübergreifende Form der Bewältigung innovativer Vorhaben erlangt hat. Hintergrund sind die vielfältigen neuen und komplexen marktzentrierten Herausforderungen an Unternehmungen, die von ihnen nicht mehr nur sektoral bewältigt werden können. Damit einher geht auch eine erhöhte Relevanz des Multiprojektmanagements und Multiprojektcontrollings im Sinne einer erfolgreichen simultanen Steuerung und Entwicklung einer Mehrzahl von Projekten (vgl. Steinle/Eßeling/Eichenberg, 2010, S. 3). Damit sind auch besondere integrative Herausforderungen verbunden, da ein solches Multiprojektmanagement den Bogen von einer strategisch intendierten Projektlandschaft bis hin zu konkreten Vorstellungen zum Einzelprojektmanagement spannen muss. Diesem Anspruch Rechnung tragend haben Steinle/Eßeling/Eichenberg (2010, S. 5) eine umfassende Konzeption zum Multiprojektmanagement und Multiprojektcontrolling entwickelt, die durch die ihr inhärente Phasen- und Ebenen-Auffächerung eine markante Affinität zu dem ganzheitlichen Gedankengut von Steinle erkennen lässt (vgl. dazu auch den Beitrag von Eichenberg/Behse). Dieses kann als weiterer Beleg für den breitgefächerten Anwendungsradius ganzheitlicher Vorstellungen bei spezifischen betriebswirtschaftlichen Entscheidungsfeldern wie hier dem Projektmanagement gelten. Dies belegt auch der Beitrag von Daum, wo u. a. das Projektcontrolling vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Managementkontextes hergeleitet wird. Die hier nur exemplarisch und eher kursorisch angeführten zukunftszentrierten Tendenzen stehen für Herausforderungen an das Management, um das Konstrukt Unternehmungen in seinen veränderten Konturen in der Zukunft „führbar“ zu (er)halten. Ein integriertes Denken und Handeln eingebettet im normativen und strategischen Gesamtkontext kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, wie auch die anwendungsorientierten Einzelbeiträge in diesem Buch belegen. Bei aller Berechtigung von Termini wie „hochdynamisch“, „wettbewerbsintensiv“, „hochkomplex“ etc. zur Beschreibung der gegenwärtigen und speziell zukünftigen Umweltanfor-
Integrierte Unternehmungsführung – quo vadis?
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derungen gerade im ganzheitlichen Managementkontext wäre eine „wohltuende Beruhigung“ dieser teilweise aus den Ufern laufenden Diskussion quasi als bewusst gesetzter Kontrapunkt nicht uncharmant. Beispielhaft lohnt sich hierfür als Exkurs ein Blick in die Erstjahresausgabe der Zeitschrift für Organisation (der heutigen Zeitschrift Führung und Organisation) aus dem Jahre 1927. Neben damals aktuellen aber heute – allein schon von den genutzten Betitelungen her – altertümlich anmutenden Erkenntnisobjekten wie z. B. Kraftdroschken-Unternehmen werden mit Bereichen wie etwa der Rationalisierung Themenfelder angesprochen, die grundsätzlich – wenn sicherlich heute auch in anderer Detailausformung – ihre Aktualität behalten haben. Dieses ist insofern „beruhigend“, als das es zeigt, dass es selbst in dynamischen Zeiten betriebswirtschaftliche Themen mit langer Halbwertzeit gibt, wozu vorausgedacht aufgrund seiner objektübergreifend-methodischen Grundanlage auch das ganzheitliche bzw. integrierte Management zählen wird. So weist auch Spath dem ganzheitlichen Ansatz gerade in dynamischen Zeiten die Funktion einer übergeordneten, beständigen Leitlinie zu (vgl. Spath, 2009, S. 12). Insofern spielt die zukünftig zu erwartende Dynamik dem Konzept eines ganzheitlichen Managements „in die Hände“, in dem es dessen Existenzberechtigung und Bedeutungszunahme in besonderer Weise begründet. 5
‚Nachschau‘: Ganzheitliches Management als impulsgebendes und pulsierendes Denk- und Handlungskonzept
Claus Steinle hat mit seiner wohldurchdachten Konzeption zum „Ganzheitlichen Management“ in vielfältiger Hinsicht neue Impulse gesetzt und damit ‚Spuren’ hinterlassen: Zunächst inspirierende Spuren in der Fachwelt mit einer begründet hergeleiteten, detailliert aufgefächerten und wohlüberlegt durchdachten Grundvorstellung zu einem Ganzheitlichen Management mit dem Kristallisationspunkt Managementkubus. Dieser ist zum Markenzeichen der „Hannoveraner Schule“ von und um Claus Steinle und damit zum Ausgangspunkt vielfältiger eigenständiger Forschungsarbeiten geworden, die in Veröffentlichungsreihen im Gabler- und Rainer Hampp-Verlag erschienen sind und mittlerweile eine stattliche Forschungsleistung manifestieren. Somit ist, um das von Steinle zur Kennzeichnung der Ganzheitlichkeitslücke benutzte Wortspiel „Leere in der Fülle“ (Steinle, 1995, S. 286) zu nutzen, eine (da auf dem ganzheitlichen Konzepthintergrund rekurrierende) geordnete „Fülle“ vielfältiger Forschungsarbeiten entstanden, die wichtige „Leerstellen“ gefüllt haben. Das Konzept von Steinle kann aufgrund seines hohen Ausdifferenzierungsgrades und breitgefächerten funktionsorientierten Anwendungsfeldes mit den ableitbaren Teilkuben metapherhaft auch als „Schweizer Taschenmesser der Unternehmensführung“ (Beenken 2010, mit Bezug auf eine Balanced Scorecard in Finanzdienstleistungsunternehmen) bezeichnet werden. Der Multidimensionalität des Unternehmungsgeschehens hat Steinle ein multifaktoriell anwendbares integratives Konzept inklusive Instrumentarium als „Füllgut“ (siehe dazu die Inhalte des Management-Lehrbuches von Steinle, 2005) gegenübergestellt, das im übertragenen Sinne wie ein Schweizer Taschenmesser in vielen Lagen Hilfe im Sinne von begründeten Denkanregungen und Handlungsempfehlungen anbietet. Bleicher (2009b, S. 154) spricht in diesem Zusammenhang bezogen auf das St. Galler Managementkonzept von einer „Lebenshilfe“ bei der Bewältigung von komplexen Führungsproblemen.
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Bernd Eggers, Friedel Ahlers und Timm Eichenberg
Die notwendige Instrumentenbereitstellung ist bei Steinle aber nicht mit einem absoluten Gestaltungsanspruch verbunden. Vielmehr ist die Leitvorstellung des ‚gemäßigten Voluntarismus’ handlungsleitend für das Denk- und Handlungskonzept von Steinle (vgl. auch Eggers, 1994, S. 177), die sich von einem strikten Machbarkeitsglauben abhebt und eine ausschließlich planerisch-rationalistische Grundorientierung in seiner Wirkungsstringenz zur Lösung komplexer Probleme relativiert (vgl. Eggers, 2006, S. 80 f.). Im weiteren Sinne kommt hier das Prinzip einer wohlgewählten „Bescheidenheit“ im Sinne der Anerkennung begrenzter betrieblicher Wirkmechanismen zur Geltung (vgl. dazu Wüthrich 2010). Wenn das Vorstellungsgerüst von Claus Steinle zum ‚Ganzheitlichen Management’ auch zunächst forschungszentriert ist und hier wichtige Denkimpulse geliefert hat, so hat der Wissenschaftler auch immer Kontakt zur Praxis gesucht und gehalten und dabei seine Überlegungen an der betrieblichen Realwelt gespiegelt. Somit lassen sich auch ‚verwertbare’ Spuren des Forschungswerkes in der betrieblichen Praxis mit z. B. der fallbezogenen Anwendung der ganzheitlichen Problemlösungsmethodik PUZZLE in Unternehmungen vorfinden (vgl. zu Fallbeispielen Steinle/Eggers/Kolbeck (1999, S. 119 ff.) und Steinle/Eggers/Ahlers, 2008, S. 133 ff.). Die PUZZLE-Methodik steht für die problemlösungsorientierte Anwendung des ganzheitlichen Denkens „… als Verhaltensprogramm eines integrierten Managements …“ (Bleicher, 2009b, S. 162; vgl. zur Puzzle-Methodik auch den Beitrag von Eggers/Ahlers). Vergleichbar mit dem St. Galler-Konzept wird in methodikimmanenten Workshops „… dem Manager eine Systematik für seine Gedankenführung an die Hand gegeben (…), die es ihm erleichtert, von isolierten Teillösungen Abstand zu nehmen, indem er anhand einer vorgegebenen Struktur für seinen Denk- und Dialogprozess Gesamtzusammenhänge erkennt und Interdependenzen von Entscheidungen in seine Überlegungen einbezieht“ (Bleicher, 2009b, S. 164). So finden die konzeptionellen Vorstellungen zu einem ganzheitlichen Management Eingang in konkrete objektbezogene Denk- und Handlungsprozesse in praktischen Anwendungsfällen. Neben der Impulsfunktion ist die ganzheitliche Managementvorstellung von Steinle auch ‚pulsierend‘ in dem Sinne, als sie explizit aufnahmefähig für neue Inhalte ist, wie sie beispielhaft in Abschnitt 4 schon angeführt wurden. Pulsierend im Sinne von einem permanenten Bewegungs- und Veränderungsimpetus auch insofern, als dass Steinle mit dem Teilprozess ‚Änderung/Wandel‘ explizit einen Impuls- und Steuerungsmodus für Veränderungen in seiner ganzheitlichen Managementvorstellung integriert hat. Dies korrespondiert auch mit der Vorstellung von Bleicher (2009a, S. 78) „… zum Streben nach einer Integration im Wandel …“. Darüber hinaus hat Steinle mit der Vorstellung von der „Unternehmung in Bewegung“ in Form einer „vitalen Unternehmung“ eine konzeptionelle Leit- und Rahmenvorstellung entwickelt (vgl. z. B. Steinle, 2005, S. 785 ff. und den Beitrag von Eichenberg/Behse), die „Lebendigkeit“ als zentrale Determinante einer offensiv-gestaltbaren Überlebensfähigkeit von Unternehmungen charakterisiert und konzeptionell näher ausformt. Ganzheitlichkeit ist schon von der Genese her aber nicht allein auf Betriebswirtschaften und damit institutionelles wirtschaftliches Handeln fixiert und damit begrenzt, sondern von der Denkleistung und Handlungsaufforderung her zunächst personalisiert in unterschiedlichen Lebens- und Handlungskontexten zu sehen. In diesem Sinne hat Claus Steinle in vielerlei Hinsicht nachhaltige Spuren auch bei seinen Schülern hinterlassen, die über das Fachliche hinaus weit in das Menschliche hineinragen. Eben auch eine ganzheitliche Führungs-
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vorstellung und -leistung besonderer Art, die – neben der wichtigen fachlichen Wegleitung – explizit zum Schluss hier besondere Anerkennung verbunden mit großer Dankbarkeit finden soll!
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Friedel Ahlers Dr. rer. pol., geboren 1960, studierte nach einer Ausbildung zum Großund Außenhandelskaufmann und Fachoberschule Wirtschaft von 19801986 Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftswissenschaften in Hamburg und Oldenburg. Von 1986-1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und von 1997-2003 Wissenschaftlicher Assistent an der Leibniz Universität Hannover (Prof. Dr. Claus Steinle). Zwischen 1992-1997 Dozent und Projektleiter in der Erwachsenenbildung. Von 2003-2007 Freiberuflicher Dozent und Mitarbeiter einer Unternehmensberatung sowie Lehrbeauftragter an Hochschulen. Ab Oktober 2007 Dozent an der Leibniz-Akademie Hannover. Stefan Aichbauer Ist Managing Partner bei der h&z Unternehmensberatung AG in München, wo er die Bereiche Vertrieb und Marketing verantwortet. Sein Beratungsschwerpunkt liegt in der Optimierung globaler Organisationen und Prozesse mit einem starken Fokus auf die eigentliche Implementierung – und der damit einhergehenden Transformation der Organisation. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre sowie der Politikwissenschaften an den Universitäten Innsbruck und Northern Illinois University (USA) begann er bei einem der führenden Industriekonzerne in München. Mit dem Einstieg bei h&z sammelte er Erfahrungen in der Dimensionierung und erfolgreichen Ausrichtung globaler Konzerne (und deren Töchter), inbesondere in Nordamerika und Europa.
B. Eggers (Hrsg.) et al., Integrierte Unternehmungsführung, DOI 10.1007/978-3-8349-6636-0, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Maren Behse Dipl.-Ök., geboren 1976, ist seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Unternehmensführung und Organisation der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Leibniz Universität Hannover. Sie führt Lehrveranstaltungen in den Fächern Unternehmungsplanung und Existenzgründung durch. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Laterale Kooperation, Leadership, Change Management und Konfliktmanagement. Darüber hinaus ist sie als freie Dozentin im Bereich Gründungsplanung bzw. Coaching zur Erstellung von Businessplänen tätig. Nach einer Ausbildung zur Steuerfachangestellten studierte sie von 1998 bis 2003 Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover.
Wolfgang Botschatzke Dr. rer. pol., geboren 1959, Studium der Wirtschaftswissenschaften und anschließende Promotion am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation bei Herrn Prof. C. Steinle zum Thema Informationsverarbeitungs-Controlling in Dienstleistungsunternehmungen. Seit 1985 war er in diversen Funktionen innerhalb der Bankwirtschaft tätig und ist seit 2002 im Vorstand der Hamburger Sparkasse unter anderem für die Bereiche Organisation/IT, Produktivität und Prozesse sowie Wertpapier- und Handelsservice zuständig. 2008 hat er zusätzlich den Vorsitz des Vorstandes der NRS Norddeutsche Retail-Service AG übernommen. Botschatzke ist unter anderem Vorsitzender des Aufsichtsrates der Wincor Nixdorf Portavis GmbH, der ZVS Zahlungsverkehrs- und Transaktionsservicegesellschaft mbH, Aufsichtsratsmitglied in der Haspa-DIREKT Servicegesellschaft für Direktvertrieb mbH, der Haspa Vertriebsgesellschaft mbH sowie der Finanz Informatik GmbH & Co. KG.
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Niklas Brasat Dipl.-Wirt.-Inf., geboren 1982, ist Berater bei EGGERS & PARTNER Management Consultants. Nach dem Abitur studierte er von 2003 bis 2007 Wirtschaftsinformatik an der Georg-AugustUniversität Göttingen und absolvierte Praktika u. a. bei TUI Deutschland und VGH Versicherungen. Seit seinem Studienabschluss arbeitet er bei EGGERS & PARTNER Management Consultants mit den Schwerpunkten IT Consulting, Kostenoptimierung und Controlling. Zudem seit 2007 Promotion am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation bei Herrn Prof. C. Steinle zum Thema Internes Benchmarking in Handelsunternehmungen. Matthias Brauer Prof. Dr., Assistenzprofessor und Privatdozent für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtung des Strategischen Managements an der Universität St. Gallen; Promovierte und habilitiere an der Universität St.Gallen (2005; 2010); Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt ist das Strategische Management (insbesondere Corporate Strategy & Governance). Andreas Daum Prof. Dr. rer. pol., geboren 1962, Studium der Wirtschaftswissenschaften und Promotion zum Thema Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren im Projektmanagement an der Leibniz Universität Hannover. Seit 1998 Professor für Controlling und Projektmanagement an der Fachhochschule Hannover, davor zuletzt verantwortlich für IT-Controlling und Koordination des Projektmanagements bei der Hannover Rückversicherung AG. Seine Schwerpunkte liegen fachlich im Controlling, Projektcontrolling und Projektmanagement. Er ist Leiter der Region Hannover der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e.V. (GPM), wissenschaftlicher Leiter des Kompetenzzentrums Projektmanagement der Fachhochschule Hannover, Mitglied im Prüfungsausschuss „Gepr. Controller/-in“ der IHK Hannover und Autorisierter Trainingspartner der GPM zur Projektmanagement-Zertifizierungsvorbereitung.
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Bernd Eggers Prof. Dr., geboren 1961 in Hannover ist Geschäftsführender Gesellschafter von EGGERS & PARTNER Management Consultants und Inhaber der Professur Integrierte Unternehmensführung und Vertriebsmanagement an der Steinbeis-Hochschule in Berlin. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover, wo er an der Lehreinheit von Claus Steinle als wissenschaftliche Hilfskraft, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Akademischer Rat tätig war. Darüber hinaus verbinden ihn seine Promotions- und Habilitationszeit sowie zahlreiche Publikationen und Lehrveranstaltungen mit Claus Steinle. Timm Eichenberg Dr., geboren 1977, ist seit 2008 Personalentwickler bei der E.ON IT GmbH in Hannover. Seit 2003 ist er zudem freiberuflicher Dozent an der Hochschule Weserbergland Hameln und seit 2007 an der FHDW Hannover für Internationales Management, Organisation und Projektmanagement. Von 2003-2008 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Unternehmensführung und Organisation der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Leibniz Universität Hannover und promovierte dort im Bereich Leadership. Weiterhin führte er Lehrveranstaltungen an der Leibniz Universität Hannover in den Bereichen Unternehmensplanung, Organisation und Personalführung durch. Zuvor studierte er von 1997 bis 2002 Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover und der University of Oregon. Alexander Grewe Dr., ist Geschäftsführender Gesellschafter bei der Unternehmensberatung EGGERS & PARTNER und verantwortet dort den Geschäftsbereich Management Development. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Arbeit umfassen Personalentwicklungskonzepte, die Konzeption und Durchführung von Management Trainings und Coachings für Großkonzerne und mittelständische Unternehmen. Zuvor war Dr. Alexander Grewe als Leiter Unternehmensentwicklung der yellout AG in Berlin tätig und hat sein Studium der Wirtschaftswissenschaften sowie seine Promotion an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen.
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Sebastian Hollmann Dipl.-Ök., geboren 1983, Junior Berater bei EGGERS & PARTNER Management Consultants mit Sitz in Hannover und Berlin; Schwerpunkte: Führung/Leadership, Kommunikation, Strategieentwicklung, Change Management. 2003-2008: Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover, seit 2009 Promotion am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Leibniz Universität Hannover zum Thema Nachhaltige Mitarbeiterführung. Wilfried Krüger Prof. em. Dr., 1964-1968 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität München und der FU Berlin, 1971 Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Freiburg i.Br., 1975 Habilitation, 1978-1985 Lehrstuhl für Betriebsführung an der Universität Dortmund. Von 1985 bis 2009 Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensführung und Organisation (OFP) an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Prof. Krüger ist Gesellschafter der eic-partner (Excellence in Change) Unternehmensberatung. Stefan Krummaker Dr., ist seit Abschluss seiner Promotion im Frühjahr 2007 als wissenschaftlicher Assistent und Habilitand bei Herrn Professor Steinle am Institut für Unternehmensführung und Organisation der Leibniz Universität Hannover tätig. 2008 war er Gastwissenschaftler am Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen und ist dem Institut seitdem als Adjunct Researcher verbunden. Von 2001 bis 2007 arbeitete Stefan Krummaker als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut von Herrn Professor Steinle. Er studierte zuvor Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover und arbeitete parallel in seinem Ausbildungsberuf als Reiseverkehrskaufmann. Stefan Krummaker unterrichtet die Themen Leadership, International Management und Forschungsmethoden in Diplom-, Bachelor- und Masterstudiengängen sowie in Doktorandenprogrammen. Zudem arbeitet er als Führungskräftetrainer und Coach. Seine Forschung konzentriert sich auf das Forschungsfeld „Followership“ sowie Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern in Forschungsprojekten.
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Christian E. Lauterbach Dr., ist Geschäftsführender Gesellschafter bei der Unternehmensberatung EGGERS & PARTNER und verantwortet dort den Geschäftsbereich Management Consulting. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Arbeit umfassen komplexe Reorganisationsvorhaben im Hinblick auf Aufbaustrukturen aber auch Prozessabläufe sowie Change Management Projekte jeglicher Art. Dabei reicht das Spektrum der betreuten Klienten vom Start-up über mittelständische Unternehmen bis hin zu Großkonzernen und umfasst diverse Branchen. Der aktuellen Tätigkeit vorausgegangen ist das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover sowie der Western Michigan University in den USA. Im Anschluss erfolgte eine berufsbegleitende Promotion zum Thema „Regionale Wertschöpfungssysteme und Kernkompetenzen“.
Günter Müller-Stewens Prof. Dr., seit 1991 Professor an der Universität St. Gallen; Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen; Promovierte an der Universität München (1981 Dr. rer. pol.); Habilitierte an der Universität Stuttgart (1987 Dr. rer.pol.habil). 1987-91 o. Universitätsprofessor an der Universität Duisburg; Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt ist das Strategische Management.
Frank-Peter Oppenborn wurde am 26. Oktober 1950 in Hannover geboren. Nach Realschule und kaufmännischer Ausbildung verbrachte er vier Jahre im Stabsdienst der Bundeswehr. Über den Zweiten Bildungsweg setzte er dann seine berufliche Qualifizierung in Richtung ManagementAufgaben fort. Er absolvierte die Fachschule für Marketing und Vertrieb und durchlief eine Ausbildung zum Management-Assistent. Seit 1977 ist Frank-Peter Oppenborn bei der Schlüterschen tätig. Erst als Assistent der Verlagsleitung, dann als Verkaufsleiter, seit 1987 als Prokurist und Geschäftsbereichsleiter und seit 1994 als Geschäftsführer. Seit dem 1. Januar 1999 ist Frank-Peter Oppenborn geschäftsführender Gesellschafter der Schlüterschen.
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Lars Pankalla Dipl.-Oek., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing und Management von Prof. Wiedmann an der Leibniz Universität Hannover. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen im Gebiet des Innovationsmanagements sowie im Bereich der alternativen Antriebstechnologien. Michael Reiß Prof. Dr., studierte Wirtschaftswissenschaften und Psychologie an den Universitäten Frankfurt und Freiburg. Er promovierte und habilitierte in Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an eine Lehrstuhlvertretung an der Universität zu Köln folgte ein Ruf an die Universität Stuttgart. Seit 1988 ist Michael Reiß Inhaber des Lehrstuhls für Organisation. Seine Forschungsschwerpunkte sind Netzwerkorganisation, Change Management, strategiegerechte Organisation und Führung. Holger Schiele Prof. Dr., ist Inhaber des Lehrstuhls für „Technology Management – Innovation of Operations“ an der Universität Twente in Enschede, NL. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Hannover und Maastricht wurde er an der Leibniz Universität Hannover am Institut für Unternehmensführung und Organisation (Prof. Dr. Claus Steinle) mit einer Arbeit über strategisches Management und regionale Cluster promoviert. Ebenfalls in Hannover habilitierte er sich im Jahr 2008 mit dem Thema Innovationen von und mit Lieferanten. Parallel zur akademischen Arbeit war Holger Schiele in der Praxis tätig. Er arbeitete in der Konzernentwicklung der Preussag AG, war Berater bei PricewaterhouseCoopers und schließlich Projektleiter bei der h&z Unternehmensberatung AG. Neben zwei Managementbüchern (Platz 1 der Financial Times Buchliste) hat er eine Vielzahl akademischer Aufsätze in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht, u.a. in den folgenden Zeitschriften: Zeitschrift für Planung, Research Policy, Industrial Marketing Management, Journal of Purchasing and Supply Management, Journal of Business Strategy, R&D Management, International Journal of Physical Distribution and Logistics Management, Journal of Business Research.
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Bernd Vogel ist Assistant Professor für Leadership and Organizational Behavior an der Henley Business School, University of Reading. Bernd Vogel war bis April 2009 wissenschaftlicher Assistent am Institut für Führung und Personalmanagement (IFPM) der Universität St. Gallen und dort Projektleiter im Organizational Energy Program (OEP). 2008 war er Visiting Scholar an der Marshall School of Business, University of Southern California. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover und promovierte ebenfalls dort. In der Forschung konzentriert sich Bernd Vogel auf die Themen Organisationale Energie, Leadership, Followership, Organizational Change und Emotionen in Organisationen. Er ist Co-Autor der Bücher Fully Charged: How Great Leaders Boost Their Organization's Energy and Ignite High Performance” (2011, Harvard Business Press) und "Organisationale Energie" (2009, Gabler). Bernd Vogel hat in international renommierten Zeitschriften veröffentlicht. Er arbeitet international in verschiedenen Unternehmen und Institutionen als Dozent und Trainer zu Energie von Organisationen, Leadership, Change Management und Emotionsmanagement. Hans-Georg Walther geboren 1946, leitet seit 1992 den Personalbereich der VGH Versicherungen, bei denen er 1963 mit der Ausbildung zum Versicherungskaufmann eingetreten ist. Nach praktischen Erfahrungen als Schadenregulierer im Außendienst übernahm er als Betriebswirt die Leitung der Betriebsorganisation/Betriebswirtschaft und Unternehmensplanung. Er befasst sich vornehmlich mit strategischen und strukturellen Fragestellungen des Personal- und Organisationsmanagements, deren Begleitung bei der Umsetzung und dem Controlling. Klaus-Peter Wiedmann Univ.-Prof. Dr., ist Direktor des Instituts für Marketing und Management an der Leibniz Universität Hannover. Er ist ferner Visiting Professor an der Henley Business School (UK), Country Director des Reputations Institute, New York et al., Aufsichtsratsvorsitzender der WOB AG, eine der führenden Brand Management und Kommunikationsagenturen im B2B-Sektor, sowie in zahlreichen weiteren Funktionen in Wissenschaft und Praxis aktiv – in der Praxis etwa auch als Top Management Coach.